Psychosoziale und traumapädagogische Arbeit mit geflüchteten Menschen [1 ed.] 9783666404801, 9783525404805


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Psychosoziale und traumapädagogische Arbeit mit geflüchteten Menschen [1 ed.]
 9783666404801, 9783525404805

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Silke B. Gahleitner /  Dorothea Zimmermann / Dima Zito

Psychosoziale und traumapädagogische Arbeit mit geflüchteten Menschen

V

Geflüchtete Menschen psychosozial unterstützen und begleiten Herausgegeben von Maximiliane Brandmaier Barbara Bräutigam Silke Birgitta Gahleitner Dorothea Zimmermann

Silke Birgitta Gahleitner Dorothea Zimmermann Dima Zito

Psychosoziale und traumapädagogische Arbeit mit geflüchteten Menschen

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit 8 Abbildungen und einer Tabelle Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-666-40480-1 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Umschlagabbildung: Nadine Scherer © 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Wissenschaftliches Lektorat: Ilona Oestreich Reihenredaktion: Silke Strupat Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Geleitwort der Reihenherausgeberinnen . . . . . . . . . . 7 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2 Psychosoziale Zufluchten bieten . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.1  Trauma, Bindung, Vertrauen und soziale Einbettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2  Ein Modell der Bewältigung traumatischer und schwieriger Fluchtumstände . . . . . . . . . . . . 29 3 Fluchtbiografien verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1  Klinische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2  Biografiediagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3  Lebensweltdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4  Koordinaten psychosozialer Diagnostik und Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Praktische Vorgehensweisen und Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1  Für eine gemeinsame Sprache sorgen . . . . . . . . 4.2  Bestandsaufnahme und Clearing: Ohne soziale keine psychische Stabilisierung . . . . . . . 4.3  Exploration: Biografische Erkundungen . . . . . . 4.4  Traumasensible Haltung und Psychoedukation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

4.5  Handwerkszeug vermitteln: Strategien zur Distanzierung und Selbstberuhigung . . . . . . . . 63 4.6  Imaginationsübungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4.7  Ressourcenorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 5 Begleitung und Unterstützung im Asylverfahren . 79 5.1  Die Vorbereitung auf das Asylverfahren . . . . . . 79 5.2  Die Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 5.3  Die Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 6 Schluss und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 7 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Geleitwort der Reihenherausgeberinnen

Der Band »Psychosoziale und traumapädagogische Arbeit mit geflüchteten Menschen« der Reihe »Fluchtaspekte. Geflüchtete Menschen psychosozial unterstützen und begleiten« hat sich in besonderer Weise zum Ziel gesetzt, sich dem Spannungsfeld zwischen ressourcenorientierter Unterstützung und intensivem traumasensiblen Beistand auszusetzen und diese beiden Pole fachgerecht auszubalancieren. Die Phänomene Flucht und Trauma werden dafür stets kontextualisiert und im Rahmen einer fundierten Analyse der umgebenden Debatten rund um den Begriff und das Feld reflektiert. Gerade in der Arbeit mit Geflüchteten wird deutlich, dass sie auf der Grundlage eines sozial und politisch kontextualisierten Traumakonzepts erfolgen muss. Geflüchtete Menschen im Sinne einer positiven Bewältigung zu unterstützen, erfordert daher eine sichere und solidarische Umgebung als Alternativerfahrung zum (re)traumatisierenden Umfeld, die die Würde der Geflüchteten respektiert und fördert und einer viktimisierenden Kultur entgegentritt. Wie es gelingt, Geflüchteten psychosoziale Zufluchten zu bieten, wird von den Autorinnen Silke Birgitta Gahleitner, Dorothea Zimmermann und Dima Zito daher bereits im ersten Abschnitt des Buches aus verschiedenen Blickwinkeln reflektiert. Angemessene Unterstützung anzubieten bedeutet jedoch in gleicher Weise eine fachlich kompetente Einschätzung von Problemlagen unter Zuhilfenahme eines Spektrums an adäquaten Konzepten für eine geeignete Unterstützung bei psychischem, physischem und sozia-

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Geleitwort

lem Leid. Wie es gelingen kann, angesichts der vorherrschenden Komplexität zu einer fachlich gestützten und umfassenden Einschätzung zu kommen, behandelt der zweite Abschnitt des Bandes. Auf dieser Basis schließen sich im dritten Abschnitt des Bandes eine Reihe pragmatisch ausgerichteter Übungen an, die sich problemlos in den Praxis­alltag integrieren lassen. Der Band versucht auf diese Weise, vor dem breiten fachlichen Hintergrund der Autorinnen im psychosozialen Feld für Professionelle wie Ehrenamtliche eine Reihe von Anregungen zu geben, die bei der Arbeit vor Ort ganz konkret gebraucht werden. Silke Birgitta Gahleitner Dorothea Zimmermann Barbara Bräutigam Maximiliane Brandmeier

1 Einführung

»Die Menschheit befindet sich in der Krise – und es gibt keinen anderen Ausweg aus dieser Krise als die Solidarität zwischen den Menschen. Das erste Hindernis auf dem Weg zum Abbau der wechselseitigen Entfremdung ist die Verweigerung eines Dialogs: das aus Selbstentfremdung, Distanz, Achtlosigkeit, Zurücksetzung und Gleichgültigkeit geborene (und davon wiederum verstärkte) Schweigen.« (Bauman, 2016, S. 24)

Die globale Weltlage hat für einen großen Teil der Bevölkerung ein menschenwürdiges Überleben in den Herkunftsländern unmöglich gemacht. Kriege, ökonomische und biologische Katastrophen und diktatorische Herrschaftssysteme, nicht selten von wohlhabenderen Ländern unterstützt, führten und führen zu physischen, psychischen und sozialen Verletzungen und Erfahrungen, die die Menschen an Flucht denken ließen oder die ein Verlassen des Ursprungslandes existenziell notwendig machten. Fachkräfte der Sozialen Arbeit, die mit den Geflüchteten hier in Deutschland arbeiten, übernehmen daher eine verantwortungsvolle Aufgabe. In Deutschland angekommen, sind Geflüchtete in einem hohen Maß auf Begleitung und Unterstützung angewiesen. Diese angemessen zu leisten, heißt, sich in einer ständigen Gratwanderung zwischen politischem Handeln als Zeugen und Zeuginnen des erfahrenen Leids und empowernder sowie ressourcenorientierter Unterstützung, aber auch intensivem traumapädagogischen Beistand fachkundig zu bewegen. In Deutschland angekommen, hoffen geflüchtete Menschen zu Recht, endlich die schlimmsten Strapazen hinter

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Einführung

sich gelassen zu haben. Der Anspruch an die Geflüchteten in Deutschland geht jedoch sehr früh in Richtung »fordern und fördern«. Auch psychosoziale Fachkräfte sind unter Druck, diesen Anspruch flankierend mit umzusetzen. In der Realität jedoch sind die meisten Geflüchteten – vor allem aus Kriegsregionen –, wenn sie Deutschland erreicht haben, vor allem sehr mit der Frage beschäftigt: »Wie geht es meiner Familie und meinen Freunden, Freundinnen in den Herkunftsländern?« Sie fragen sich auch: »Was gibt mir das Recht, mich um mein Leben zu kümmern, während andere noch in Gefahr oder tot sind?« Nur schwer können sie sich auf die Lage im Aufnahmeland und die neuen Anforderungen konzentrieren. Ein Umstand, der in die Gestaltungsprozesse von Hilfeleistungen in der ersten Phase einbezogen werden sollte, um ein Gelingen des Integrationsprozesses nicht bereits an dieser Stelle zu verunmöglichen. Wenn eine Orientierung auf die Situation im Aufnahmeland erfolgen kann, werden geflüchteten Menschen zudem nicht nur die drastischen globalen Chancenunterschiede zwischen Deutschland und dem Heimatland deutlich, sondern auch die gewachsene Kluft innerhalb Deutschlands zwischen Arm und Reich (vgl. BMAS, 2008). Wer mit einer guten Ressourcenausstattung schnell wechselnde soziale und kulturelle Bedingungen flexibel zu nutzen weiß, sieht sich, wenn es der Aufenthaltsstatus zulässt, in Deutschland einem vielfältigen Angebot an Lebenswegen und Gestaltungsmöglichkeiten gegenüber. Für benachteiligte Menschen erwachsen daraus jedoch zahlreiche Risiken und Belastungen (Beck, 1986). Für die Wahrnehmung der Möglichkeiten bedarf es andauernder emotionaler, kognitiver und handlungsbezogener Planungs-, Entscheidungs- und Aktionshandlungen. Übergänge und Brüche sind dabei zu bewältigen (Gahleitner u. Hahn, 2012). Resultat ist eine wachsende Exklusionsspirale

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mit negativen Konsequenzen für Entwicklungs-, Sozialisations- und Identitätsprozesse benachteiligter Menschen (Keupp, 2012; vgl. auch »Disembedding-Prozesse« nach Giddens, 1999/2001). Auf diese Weise »abgehängte Menschen« leiden nicht nur unter Exklusion, sondern diese geht auch mit gravierenden gesundheitlichen Risiken einher (Franzkowiak, Homfeldt u. Mühlum, 2011). Eine Reihe internationaler Untersuchungen zeigt auf, dass psychosoziale Faktoren die wichtigsten Mediatoren zwischen psychischer wie körperlicher Gesundheit und materieller Benachteiligung darstellen (vgl. u. a. WHO, 2001). Diese Tatsache gilt insbesondere für geflüchtete Menschen mit vorangegangenen Verletzungen und Gewalterfahrungen (BAfF, 2017). Menschen, die traumatische Erfahrungen erlitten haben, sind zum Beispiel deutlich gefährdeter als andere Menschen, physisch wie psychisch zu erkranken und im Lebensverlauf vor Problemen zu stehen (Felitti, 2002). Um psychosoziale Versorgung am aktuellen Bedarf zu orientieren, muss folglich neben einer Reihe anderer Aufgaben des Sozial- wie Gesundheitswesens auch eine adäquate professionelle Antwort auf Überforderungen durch psychosoziale Verarbeitungsprozesse aktueller Lebensverhältnisse bereitgestellt werden – und zwar für alle Menschen. Diese Aufgabenstellung bedeutet aber nicht, dass die dadurch entstehenden Problemlagen alleine im Gesundheitssystem gelöst werden können (vgl. z. B. BAfF, 2017). Traumatisierte Geflüchtete benötigen beispielsweise nicht immer sofort eine Psychotherapie, häufig ist dies zum Zeitpunkt des Ankommens und Sicheinfindens nicht die angemessene Hilfe. Sie brauchen aber in jedem Fall eine psychosoziale Versorgung, die Gefahrenpotenziale bannen hilft, eine fachgerechte Begleitung anbietet und auf diese Weise Chancen auf eine gelungene Integration er-

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öffnet. In adäquaten Räumen des Verstehens und immer wieder neu Anknüpfens an konstruktive Veränderungsmöglichkeiten können so – Schritt für Schritt – haltende und stabilisierende »Verhältnisse« entstehen, die den Integrationsprozess befördern (Gahleitner u. Golatka, 2016; Gahleitner, 2016, 2017). In solchen Räumen können eine Einordnung des Erlebten und ein Gefühl gesellschaftlichen Angenommenseins entstehen. Böhnisch (1994) spricht von einem förderlichen »Milieu« als »biografisch verfügbarer sozialräumlicher und sozialemotionaler Kontext« (S. 222). Dieser Band zu psychosozialer Arbeit mit traumatisierten Geflüchteten soll dazu verhelfen, auf die eingangs beschriebene Weise angemessene Angebote und Ressourcen für geflüchtete Menschen bereitzustellen. Nach einer kurzen Hinführung zur Auswirkung schwieriger Lebensereignisse auf geflüchtete Menschen wird in diesem Sinne konkret beschrieben, wie es gelingen kann, Menschen nach Flucht, Krieg und Vertreibung biografisch und kontextorientiert zu verstehen und ihnen über psychosoziale Arbeitskonzepte im Alltag Veränderungsmöglichkeiten anzubieten. Aus dem Alltagszusammenhang heraus sollen auf diese Weise Chancen eröffnet werden, biografische Verletzungen zu erkennen und schonend, im Rahmen eines geschützten, aber realen Alltags, neue, alternative Erfahrungen zu machen. Auf diese Weise können auch eine Stabilisierung physiologischer und psychologischer Reaktionen und eine Erschließung sozialer Ressourcen erfolgen. Konkrete Vorschläge für einzelne Übungen und ein Ausblick schließen diesen Band ab. Auf diese Weise für Menschen nach Fluchterfahrungen adäquat, einzelfallorientiert und niedrigschwellig Möglichkeiten und Räume zu schaffen, in denen in einem Gefühl der Sicherheit neue Erfahrungen und damit Veränderungen des psychisch belastenden Erlebens ermöglicht

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werden, stellt unserer Erfahrung nach eine große Chance für die weitere Entwicklung und damit die Möglichkeiten einer geglückten Integration in unseren Lebensalltag dar – im Sinne eines gelungenen inter- oder transkulturellen Zusammenlebens.

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2 Psychosoziale Zufluchten bieten

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Krieg, Flucht, Folter und Entbehrung bringen Menschen in schwierige Lebensereignisse, Krisen und traumatische Situationen. Nicht alle Geflüchteten haben selbst traumatische Erfahrungen gemacht, aber alle sind auf irgendeine Weise mit schwierigen Lebensereignissen oder Traumata in Berührung gekommen (vgl. dazu auch Baer u. FrickBaer, 2016; Fürst, 2016; Imm-Bazlen u. Schmieg, 2016; Preitler, 2016; Schneck, 2017). Geflüchtete Menschen sind deshalb mitnichten als »psychisch krank« zu deklarieren oder wahrzunehmen, aber im Umgang mit ihnen ist es wichtig, krisenhafte und traumatische Vorgänge zu verstehen und ihnen psychoedukativ dieses Verständnis entgegenzubringen und damit möglichst optimale Bewältigungsmöglichkeiten bieten zu können (mehr dazu in Kapitel 4.4 Traumasensible Haltung und Psychoedukation). Jedoch auch aus einer übergreifenden Perspektive ist es für psychosoziale Fachkräfte und Helferinnen sinnvoll, die Zusammenhänge zwischen Trauma, Bindung und sozialer Integration zu verstehen und sich darin zurechtzufinden. Viele einzelne und unverständliche und überfordernde Situationen in der Arbeit werden dann verstehbar, handhabbar und lösbar. Im Folgenden wird daher kurz auf traumatische Prozesse eingegangen, um auf dieser Basis Hinweise für einen gelungenen Umgang mit geflüchteten Menschen geben zu können.

Trauma, Bindung, Vertrauen und soziale Einbettung 17

2.1 Trauma, Bindung, Vertrauen und soziale Einbettung 2.1.1 Trauma

Ein Trauma als ein »vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und individuellen Bewältigungsmöglichkeiten« (Fischer u. Riedesser, 1998, S. 79) entsteht durch ein erschütterndes Ereignis und geht mit Kontrollverlust, Entsetzen und (Todes-)Angst einher. Das Ausmaß der Traumatisierung ist abhängig von der Art, den Umständen und der Dauer des Ereignisses sowie vom Entwicklungsstand, in dem sich das Opfer zu diesem Zeitpunkt gerade befindet. Zu den Umständen zählt auch, ob es vor, während oder nach der Traumatisierung schützende Faktoren gegeben hat oder ob dies ausgeblieben ist. Für ein erweitertes Verständnis des traumatischen Geschehens – besonders im Hinblick auf Flucht und Vertreibung – ist daher neben psychotraumatologischen Grundlagen (für ein tiefergehendes Verständnis zu Trauma und seinen Folge­erscheinungen siehe den Band von Karin Mlodoch in dieser Buchreihe) vor allem das Konzept der sequenziellen Traumatisierung von Hans Keilson (1979/2005) hilfreich, welches im Folgenden kurz vorgestellt wird. Keilson war Sportlehrer, Arzt, Schriftsteller und Überlebender der Shoa. Er führte in den Niederlanden eine sehr differenzierte Langzeitstudie mit jüdischen Kriegswaisen durch. Aus den Ergebnissen dieser Forschung entwickelte er das Konzept der sequenziellen Traumatisierung. Darin arbeitete er heraus, dass das Trauma der Kinder und späteren Erwachsenen nicht aus einer, sondern vielmehr aus drei Sequenzen besteht: aus einer Vorbereitungs- und Beginnphase der Verfolgung (z. B. Abbröckeln eines Rechtsschutzes, Demütigung im Alltag, Auflösung der vertrauten Umgebung), aus »traumatogenen« Momenten (z. B. Ge-

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walthandlungen im Krieg, Aufenthalt in Lagern, Erziehungsanstalten) und aus dem Auftauchen und Zurückkehren in eine rechtlich gesicherte Welt (Leben im Exil, Behandlung als Flüchtling, Erfahrung von Gleichberechtigung). Der Blick auf diese Sequenzen ermöglicht ein tieferes Verstehen der immensen Belastung, der die Betroffenen mit einem solchen Erfahrungshintergrund ausgesetzt sind. Vor allem aber wird durch das Modell deutlich: Es geht keineswegs nur um das einzelne Ereignis beziehungsweise die verschiedenen Gewalterlebnisse und deren mehr oder weniger gelungene individuelle Bearbeitung, sondern um eine Abfolge von Ereignissen in einem gesellschaftlichen Kontext. Daher ist es für die Unterstützenden wichtig, dieses Zusammenspiel der Sequenzen in den Blick zu nehmen und zu würdigen. Das bedeutet: Auch nach dem Ende der Verfolgung und selbst, wenn die Geflüchteten im scheinbar sicheren Land angekommen sind und die Zeit der Verarbeitung beginnen könnte, werden unter Umständen noch wesentliche traumatisierende Erfahrungen gemacht. Dies mag noch nicht erstaunlich klingen, jedoch bezeichnen viele Traumaopfer diese Zeitspanne sogar »als die eingreifendste und schmerzlichste ihres Lebens« (Keilson, 1979/2005, S. 58). Für die langfristige »psychische Gesundheit« von Geflüchteten ist demnach nicht unbedingt der Schweregrad der ersten beiden traumatischen Phasen entscheidend, sondern eben jener dritten. Eindeutig zeigten sich bei den jüdischen Kindern, die in der Nachkriegszeit unter relativ guten Bedingungen aufwuchsen, deutlich weniger Traumafolgestörungen (wie wir heute sagen würden) als bei Kindern, die eine schwierige Nachkriegszeit (dritte Sequenz) nach einer weniger schrecklichen Zeit in der Shoa erlebt hatten. Das bedeutet: Die Möglichkeit und auch die Verantwortung für die Bearbeitung der traumatischen Erfahrungen werden vom Individuum auf gesellschaftliche und politische Aspekte

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erweitert. Die Forderung nach der gesellschaftlichen Anerkennung des traumatischen Erlebens als Unrecht und nach einem Klima, in dem Geflüchtete keine Angst vor Stigmatisierung und Ablehnung haben müssen, ist damit basal für den Schutz vor fortgesetzter Traumatisierung und für die Möglichkeit der Bearbeitung (vgl. Zito, 2015). In der Realität der Geflüchteten spielt folglich auch die Wiederholung von Ohnmachtserfahrungen eine wichtige Rolle, wenn sie zum Beispiel immer wieder Befragungen ausgesetzt sind, wenn sie auf existenzielle Entscheidungen über ihr Bleiberecht oder die erzwungene Rückkehr auf unabsehbare Zeit und mit unsicherem Ausgang warten müssen, wenn ihr künftiger Wohnort ihnen behördlich zugewiesen wird, unabhängig davon, wo sie in Deutschland vielleicht soziale Bezüge haben, oder wenn sie an der Organisierung ihrer Lebensumstände nicht beteiligt werden beziehungsweise wenn ihnen die Abläufe im Aufnahmeland nur unzureichend erklärt werden. Es geht also nicht nur darum festzustellen, dass negative Erlebnisse oder traumatisierende Erfahrungen auf der Flucht und im Aufnahmeland die Verarbeitung behindern und retraumatisierende Aspekte in sich bergen, sondern dass sie Teil der traumatisierenden Sequenz sind. Dies bedeutet für Fachkräfte und Unterstützerinnen, dass es keine neutrale Haltung in diesem Feld geben kann, sondern sie die Rolle engagierter Begleiter einnehmen sollten (Becker, 1997). Das Konzept der sequenziellen Traumatisierung wirkt jedoch nicht nur in die negative Richtung. Es besagt auch, dass wir nach der traumatischen Erfahrung über viele Jahre hinweg die Möglichkeit haben, positive Akzente zu setzen. Diese positiven Aspekte gehen bis hinein in ein Phänomen, welches allen Fachkräften und Unterstützerinnen traumatisierter Menschen großen Mut machen kann, das Konzept des »posttraumatischen Wachstums« (vgl. Tedeschi u. Calhoun, 1995). Demzufolge können nach ein-

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schneidenden Erfahrungen wertvolle biografische Wachstums- und Bildungsprozesse angeregt und ermöglicht werden, wenn soziale Ressourcen zur Verfügung stehen. Übersetzt in die Forschung zu Bindungsphänomenen und sozialen Netzwerken bedeutet dies: »In vielen Konstellationen scheinen Belastungen erst Support und positive Unterstützungserfahrungen zu produzieren und zu ermöglichen« (Nestmann, 2010, S. 16; vgl. auch Moos u. Schaefer, 1993). Dieser letzte Aspekt soll durch Ausführungen zur Bindungstheorie und zur Sozialen Unterstützungstheorie beziehungsweise Milieutheorie vertieft werden. 2.1.2 Bindungstheorie(n)

Bei den Erläuterungen über Trauma wurde bereits deutlich, dass der wichtigste umgebende Schutzfaktor bei schwierigen Lebensereignissen – stabile Bindungs- und Beziehungsverhältnisse – bei vielen traumatischen Erfahrungen wie Krieg und Vertreibung stark beschädigt wird. Als Kinderarzt und -psychiater stieß bereits Bowlby (1973) bei sozial benachteiligten Kindern immer wieder auf frühkindliche Traumata (Gahleitner, Katz-Bernstein u. Pröll-List, 2013). Aus dieser Erkenntnis heraus entwickelte er in der Trilogie »Attachment – Separation – Loss« (Bowlby, 2006) die Bindungstheorie. Er begründete damit eine beziehungsbezogene Perspektive von Entwicklung, nach der Kleinkinder fundamental auf emotionale Fürsorge und Unterstützung, Schutz und (emotionale) Sicherheit angewiesen sind. Bowlbys (1973; 2006) ursprünglich durchaus komplex angelegte Theorie, die entwicklungspsychologisches und klinisch-psychoanalytisches Wissen mit evolutionsbiologischem und systemischem Denken verknüpfte, verengte sich in der Rezeption eine Zeit lang allerdings stark auf die Mutter-Kind-Dyade und die ersten Lebensjahre. Dies führte vielfach zu der Kritik an der Bindungstheorie, zu

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individuenzentriert, ethologisch und normorientiert ausgerichtet zu sein (insbesondere Beck-Gernsheim, 1981). Heute hat sich die Bindungstheorie jedoch stark »sozial geöffnet« und aktuelle Diskussionen einbezogen und lässt sich auch als Entwicklungstheorie im Sinne breiterer Interaktionserfahrungen unter Einbezug gesellschaftlicher und historischer Perspektiven verstehen (Drieschner, 2011). Man spricht daher heute eher von Bindungstheorie(n) als »der Bindungstheorie« (Gahleitner, 2016). Gelungene oder weniger gelungene Interaktionen werden aus dieser Perspektive zu einem grundlegenden Organisationsprinzip der gesamten weiteren Entwicklung – lebenslang. Die (emotionale) »Abwesenheit« von Bindungspersonen behindert dagegen unbefangenes »Explorieren« und damit die unbeeinträchtigte Entwicklung von emotionalen, kognitiven und sozialen Fähigkeiten. Eine Nichtverfügbarkeit stabiler Bindungspersonen, zum Beispiel für unbegleitete minderjährige Geflüchtete, erhöht daher nach Bowlby (2006) nicht nur das Traumarisiko, sie stellt auch ein eigenes Traumarisiko für sich dar und erschwert zusätzlich die Bewältigungschancen. Ein destruktiver Teufelskreis kann entstehen, der negative Bindungsstile oder gar so genannte Bindungsstörungen zur Folge hat und die gesamte weitere Entwicklung beeinflusst (Brisch, 1999; Schleiffer u. Gahleitner, 2010). Diese Erkenntnisse verdeutlichen nochmals die soeben genannten Ergebnisse von Keilsons (1979/2005) Studie. Die Veränderungen durch negative Bindungseinflüsse manifestieren sich bis hinein in neurophysiologische Strukturen der Betroffenen (Perry u. Pollard, 1998; Yehuda, 2001). Das Gehirn hat die Aufgabe, »ein inneres Abbild der äußeren Welt zu konstruieren, das gleichsam als Schablone dient, an der sich die weitere Entwicklung ausrichten kann« (Kolk, 1999, S. 50). Aus frühen Traumata entstehen so komplexe Entwicklungsstörungen auf

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der physischen, psychischen und sozialen Ebene für den gesamten weiteren Lebensverlauf (Felitti, 2002). Menschen, die sich über einen langen Zeitraum in desolaten Verhältnissen befinden, sind daher existenziell auf soziale Ressourcen angewiesen, die als positive Gegenhorizonte eine stabile psychosoziale Geborgenheit verbürgen könnten (Keupp, 1997; Renner, Laireiter u. Maier, 2012). Der unumstritten wichtigste Schutzfaktor sind hier so genannte »schützende Inselerfahrungen« (Gahleitner, 2005, S. 63). Wie aber stellt man solche »schützenden Inselerfahrungen« her? Psychosoziale Fachkräfte tun dies tagtäglich – häufig intuitiv. Es gibt aber auch gute theoretische Erklärungsmodelle, warum dieser Aspekt in der Entwicklung von Bewältigungsmöglichkeiten nach traumatischen Erfahrungen so wichtig ist. Werden nämlich bindungstheoretisch betrachtet emotional wichtige Erlebnissequenzen von anderen Menschen empathisch – das heißt in diesem Falle traumakompetent und bindungssensibel – unterstützt, so werden »innere Gefühlszustände […] auf der Ebene bewusster sprachlicher Diskurse ›verfügbar‹« (Grossmann u. Grossmann, 2004, S. 419). Für diese Entwicklung brauchen von traumatischen Erfahrungen belastete Menschen möglichst viele »emotional korrigierende Erfahrungen« (Brisch, 1999, S. 94; vgl. bereits Cremerius, 1979; Alexander u. French, 1946). Korrigierend bedeutet in diesem Falle alternative, andere, heilende Erfahrungen, bezogen auf die schwierigen oder traumatisierenden Vorerfahrungen. Gelungene Beziehungssituationen werden auf diese Weise – ähnlich wie in der Kindheitsentwicklung – Stück für Stück zu einem grundlegenden Prinzip der dann folgenden Entwicklung. Traumatisierte Geflüchtete benötigen daher nicht immer sofort eine Psychotherapie. In jedem Fall aber brauchen sie positive Alternativerfahrungen, das heißt möglichst viele »schützende Inselerfahrungen« (Gahleitner, 2005, S. 63),

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also Räume des Verstehens und des immer wieder neu Anknüpfens an eine konstruktive Veränderungsmöglichkeit. Diese Möglichkeit, durch Alternativerfahrungen im späteren Lebensverlauf das Trauma abzuschwächen und wieder mehr Bindungssicherheit zu erwerben, bezeichnet man in der Bindungstheorie als »earned secure« (Main, 1995), also »nachträglich verdiente Sicherheit«. Denn positive Bindungen bewirken ein Gefühl von »innerer Sicherheit«. Damit verbunden sind Fähigkeiten zur gelingenden Stressregulation sowie grundlegende kognitive Steuerungsprozesse, wie zum Beispiel Aufmerksamkeitssteuerung, Konzentrationsfähigkeit, Impulskontrolle, Frustrationstoleranz sowie die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, vorausschauend zu denken und Handlungen entsprechend zu planen. Sie entwickeln sich normalerweise in frühen Bindungsbeziehungen, können aber auch später noch korrigiert werden. »Hoffnungsvolle Bindungen« (Hart, 2006) können daher auch im späteren Alter noch die Basis dafür sein, neue positive Erfahrungen im Sinne einer »Nachsozialisation« vergangenen traumatischen Erlebnissen gegenüberzustellen. Dies kann jedoch nicht gelingen, ohne dass Fachkräfte und Unterstützerinnen über bindungstheoretische Grundlagen sowie Aspekte traumatischer Erfahrungen, Belastungen und Bewältigungsmöglichkeiten informiert sind und die Fähigkeit besitzen, Vertrauen anzubahnen, wo vorher fast keines mehr gewesen ist. Wie Vertrauen sich – trotz widriger Umstände – aufbauen kann, soll Gegenstand des nächsten Abschnitts sein. 2.1.3 Vertrauen

Gerade in einer Situation von Flucht und Vertreibung herrscht natürlicherweise Misstrauen vor. Soziale Beziehungen werden von Menschen mit unsicherem Aufent-

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haltsstatus daher sinnvollerweise stark daraufhin geprüft, ob sie in der konkreten Lebenssituation nützlich sind, da die alltägliche Lebenssituation hochkomplex und belastet ist (vgl. Seukwa, 2006). Dazu tritt die anfangs angesprochene gesellschaftliche Struktur unserer Umwelt. Bereits zu Beginn dieses Bandes wurde deutlich: Aktuelle Anforderungen an den heutigen Menschen sind von »Entgrenzungen […] geprägt« so Böhnisch, Lenz und Schröer (2009, S. 10). Wandel und Veränderungen gab es immer, »in modernen und postmodernen Gesellschaften sind sie jedoch häufiger, schneller und radikaler geworden […] und sie beinhalten immer vielfältige Chancen, aber auch Risiken für die beteiligten und betroffenen Personen, Gruppen und Systeme« (Weinhold u. Nestmann, 2012, S. 52). Die daraus resultierende – stets unabgeschlossene – Identitätsarbeit (Keupp u. Höfer, 1997) mündet in einen komplexen Lebensbewältigungsprozess. Entlang dieser Entwicklungen gewinnt die Dimension »Vertrauen« zunehmend an Bedeutung. Ganz besonders gilt dies für Menschen, die ihre Heimat verloren haben und in einem anderen Land Fuß fassen wollen. Was hat es jedoch auf sich mit dem »Vertrauen«? Wie lässt sich der Begriff fassen, beschreiben und in konzeptuelle Bausteine umwandeln? Zieht man soziologische, psychologische und pädagogische Theoriebestände heran, erscheint Vertrauen als ein »Charakteristikum menschlichen Lebens« (Schweer u. Thies, 2008, S. 136). Es beruht auf den vorherigen gemachten Erfahrungen und befindet sich damit in unmittelbarer Nachbarschaft der Bindungsphänomene (vgl. unter anderem Zulauf Logoz, 2012). Es bildet in vielen Lebensbereichen jedoch auch eine bedeutsame Grundlage für unser Handeln. »Vertrauen reduziert die Vielzahl potenziell denkbarer Handlungsausgänge bzw. -alternativen auf einige wenige; dadurch wird

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das Individuum bzw. ein soziales System überhaupt erst handlungsfähig« (Schweer u. Thies, 2008, S. 136). Insbesondere Giddens (1990/1995) hat diese Dimension des Vertrauens als Merkmal unserer aktuellen Lebensbedingungen herausgearbeitet. Ohne Vertrauen ist demnach ein Leben in der Postmoderne kaum möglich, aber zugleich »ist dieses Vertrauen immer auch prekär« (Wagenblass, 2004, S. 64; vgl. auch Luhmann, 1973). Sowohl auf der Ebene der persönlichen Beziehungen wie auch der umgebenden Netzwerke und Institutionen kommt Vertrauensprozessen die Aufgabe zu, »Erwartungen zu stabilisieren und dadurch Handlungsmöglichkeiten […] zu erhöhen« (Wagenblass, 2013, S. 1826; vgl. ursprünglich Luhmann, 1973). In der Arbeit mit Geflüchteten wird diese Tatsache spätestens bei der Thematik des Aufenthaltsstatus sichtbar, der strukturell Wohlbefinden und Lebensqualität der geflüchteten Menschen determiniert. Vertrauen ist also stets »mit dem Risiko verbunden, enttäuscht zu werden« (Schweer u. Thies, 2008, S. 140). Nicht umsonst spricht Luhmann (1973) vom »Problem der riskanten Vorleistung« (S. 23). Professionelle wie Unterstützer stehen daher vor dem Problem, zunächst vor allem das berechtigte Misstrauen abbauen zu müssen (Flick, 1989), das heißt, sie müssen in »Vorleistung« gehen und vorab »Vertrauen schenken« (Luhmann, 1973, S. 45 f.). Der Vertrauensaufbau gelingt daher im besten Falle zunächst auf der Ebene der Dyade, muss sich in der Folge aber auch auf der Ebene des umgebenden Netzwerks und der Institutionen tragfähig gestalten. Dennoch wird die Hilfeleistung an so genannten Zugangspunkten (»access points«) über die Fachkräfte »personalisiert und damit auf einer persönlichen direkten Ebene erfahrbar« (Wagenblass, 2013, S. 1833). Das heißt, Vertreterinnen abstrakter Systeme müssen an diesen »Zugangspunkten« die eigene Vertrauenswür-

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Psychosoziale Zufluchten bieten

digkeit unter Beweis stellen – als Bindeglied zwischen Person und System. Da das System im Falle von Geflüchteten oft durch negative Entscheidungen oder institutionellen Rassismus eher Misstrauen stärkt, kann eine schwer auflösbare Double-bind-Situation entstehen. Soziale Arbeit als Vertretung des Systems oder Abgrenzung auf der einen und eine Identifikation mit dem »Opfer« in der Dyade auf der anderen Seite. Es handelt sich also um einen differenzierten Prozess: Vertrauen entsteht in einzelne Personen, die sich dieses durch ihre Zugewandtheit und ihr konkretes Handeln verdient haben. Auf der gesellschaftlichen Ebene aber bleibt Misstrauen (außer in den wenigen Fällen, in denen Menschen schnell einen sicheren Aufenthalt zugesprochen bekommen und entsprechende Integrationsmöglichkeiten erhalten) jedoch nicht selten bestehen. Wird diese Double-bind-Situation adäquat reflektiert, erhält diese Dimension – in Form der bereits erwähnten »schützenden Inselerfahrung« (Gahleitner, 2005, S. 63) und darüber hinaus – eine immense Bedeutung für den Traumabewältigungs- und Integrationsprozess, wie auch das bereits ausgeführte Konzept von Keilson (1979/2005) impliziert. Das bedeutet, Vertrauen konstituiert sich über und innerhalb einer professionellen und tragfähigen Beziehung, geht aber im Falle des Gelingens über diese dyadische Beziehung hinaus. Damit also dieser über die Dyade herausragende Raum hilfreich für die Bewältigung schwieriger Lebensereignisse werden kann, benötigt es ein positives Milieu, welches die bindungstheoretische Dimension hinein in eine gesellschaftliche erweitert. 2.1.4 Milieu

Die Vertrauenstheorie macht deutlich: Um umfassend Stabilität herzustellen, bedarf es zusätzlich zu einzelnen dyadischen vertrauensvollen Beziehungen – auch wenn diese oft

Trauma, Bindung, Vertrauen und soziale Einbettung 27

einen sehr wichtigen Startpunkt bieten – umfassender Beziehungsnetzwerke bis hinein in konstruktive Vernetzungssettings unter Institutionen. Kühn (2009) und Lang (2009) sprechen vom Begegnungsrahmen des »Sicheren Ortes«, einem Konzept, das jenem der »schützenden Inselerfahrung« (Gahleitner, 2005, S. 63) stark ähnelt (vgl. auch Weiß, 2013). Stück für Stück können in den »emotional-orientierten Dialogen« in solchen Räumen »korrektive Erfahrungen« gemacht und neue Fähigkeiten und Fertigkeiten ermöglicht werden (Kühn, 2009, S. 31). Aktuellen Forschungsergebnissen zufolge sind aus dieser Perspektive jedoch neben der Bindungs- und Vertrauenstheorie insbesondere Netzwerktheorien und Theorien sozialer Unterstützung heranzuziehen (Laireiter, 2009; Nestmann, 2010; Röhrle, 2001). Soziale Unterstützung stellt eine »zentrale Bedingung der Sicherung von Gesundheit, der Verbesserung von Wohlbefinden und der Förderung von Lebensführung und Lebensbewältigung« (Nestmann, 2010, S. 3) dar und gehört zu den Grundbedürfnissen eines Menschen. Sie wird in der psychosozialen Praxis häufig mit den Worten »ist auch wichtig«, »tun wir natürlich auch« nebenbei erledigt. Zumeist machen »Individuen es sich im Alltag nicht klar […], wie weit ihr realitätsgerechtes Handeln, ihr Bezug zur wirklichen Welt außerhalb der eigenen Person, ihr psychisches Wohlbefinden abhängen vom Austausch mit anderen« (Siegrist, 1989, S. 67; vgl. auch bereits Badura, 1981). Aus der im Abschnitt Bindungstheorie beschriebenen helfenden Beziehung mit psychosozialen Unterstützern können so unter Berücksichtigung sozialer Unterstützungskonzepte – Schritt für Schritt – haltende und stabilisierende »Verhältnisse« werden, die den Integrationsprozess befördern, besonders in Form von Kollektiverfahrungen. Das bedeutet konkret, Beziehungen nach den jeweils kulturellen Beziehungskonzepten in Notsituationen dennoch leben zu können, sich über Erlebtes auszu-

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tauschen oder Alltag miteinander zu teilen. In diesen Räumen können eine Einordnung des Erlebten und ein Gefühl von gesellschaftlichem Angenommensein entstehen. Das gesellschaftliche Angenommensein entsteht jedoch nicht automatisch, sondern es wird häufig im Gegenteil zunächst gesellschaftliche Ausgrenzung erlebt. Hier können entlang der soeben referierten Vertrauenstheorie »Brückenpersonen« aus dem Kulturkreis selbst oder »vertrauensvolle Personen« aus der Aufnahmegesellschaft hilfreich sein. Letztlich geht es also um die Herstellung eines förderlichen »Milieus« als »biografisch verfügbarer sozialräumlicher und sozialemotionaler Kontext« (Böhnisch, 1994, S. 222). Die Wurzeln des Milieubegriffs reichen weit zurück – bis in philosophische Überlegungen (vgl. detailliert zu Milieubegriff und -geschichte Gahleitner, 2016). Soziale Milieus können demnach aufgefasst werden als »alltagsweltliche Zusammenhänge«, die sich durch ständige Konstruktions- und Interaktionsprozesse der daran Beteiligten immer wieder neu herstellen (Schütz, 1971). »Milieu« entsteht sozusagen stets aktuell »vor Ort« (Brücher, 2005, S. 59), das heißt, es muss immer wieder neu erarbeitet werden. Böhnisch zufolge verweist der Begriff des Milieus auf ein »Konstrukt, in dem die besondere Bedeutung persönlich überschaubarer, sozialräumlicher Gegenseitigkeits- und Bindungsstrukturen« (Böhnisch, 2008, S. 436) in ein Konzept gegossen werden. Praktisch heißt dies: Aus dem Alltagszusammenhang heraus können so Chancen eröffnet werden, innerhalb der Gemeinschaft biografische Verletzungen zu aktualisieren und schonend, im Rahmen eines geschützten, aber realen Alltags, neue, alternative Erfahrungen zu machen. So können Geborgenheit, Verlässlichkeit und Respekt bereitgestellt und damit Bewältigungs- und Gestaltungskompetenz – »Agency« (Brandmaier, 2011; Homfeldt, 2014) – gefördert werden. Auf diese Weise können auch

Ein Modell der Bewältigung29

eine Stabilisierung physiologischer und psychologischer Reaktionen (Krüger u. Reddemann, 2009) und eine Erschließung sozialer Ressourcen erfolgen. Der Wille, das Engagement und der von Zeit zu Zeit nötige Mut, den viele Unterstützerinnen gleichermaßen aufbringen und der zutreffend als Unterstützungs-Kultur beschrieben werden kann, muss sich also zu einer Unterstützungs-Struktur weiterentwickeln. In der Folge kann ein psychotherapeutisches Angebot auch ganz anders seine Wirkung entfalten, wenn es auf einem solchen Boden aufbauen kann. Ein Versuch entsprechender konkreter, schnell umsetzbarer, fachlicher Unterstützung ist beispielsweise der »Circle of Courage« (Thiesen, 2016), der gesundheitsfördernde Wertedimensionen als Orientierung für die professionelle Beziehungsgestaltung geben kann. Ein ähnliches Modell stellt das inzwischen international anerkannte Traumabewältigungsmodell dar, welches auf Basis des soeben erläuterten komplexen Bindungs- und Beziehungsgefüges im Folgenden vorgestellt werden soll.

2.2 Ein Modell der Bewältigung traumatischer und schwieriger Fluchtumstände In den bisherigen Ausführungen wurde bereits angesprochen: Die Überlebenskraft und -kreativität von Menschen nach schwierigen Lebensereignissen und Traumata können erstaunlich konstruktive Kräfte entfalten, wenn sie angemessen unterstützt werden. Trauma muss allerdings für diese Art von Unterstützung entlang der bereits dargestellten Wissensbestände als Zusammenspiel eines komplexen Gefüges zwischen psychologischen, physiologischen und sozialen Prozessen verstanden werden. Nähert man sich dem Geschehen auf diese Art und Weise, sind die Folgeerscheinungen durch adäquate Begegnungs- und Behandlungsstrategien an vielen Stellen mitgestaltbar, und es kann

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sich sogar so etwas wie das angesprochene posttraumatisches Wachstum (Tedeschi u. Calhoun, 1995) entfalten. Schwierige Lebensereignisse und traumatische Belastungen stellen daher das Hilfesystem vor große Herausforderungen, bergen aber auch Chancen. Entlang dieser Überlegungen hat sich bereits vor gut zwei Jahrzehnten in

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Abbildung 1: Psychosoziales Interventionsmodell nach traumatischen Erfahrungen (vgl. ähnlich Gahleitner, 2011, S. 95)

Ein Modell der Bewältigung31

den USA ein hilfreiches »Drei-Phasen-Modell« (Herman, 1992; Lebowitz, Harvey u. Herman, 1993) herauskristallisiert, welches grundlegend auf den bereits beschriebenen Bindungs- und Einbettungsaspekt verweist. Für alle drei Schritte nach diesem Modell wird an die bisherigen Überlegungen schützender Umgebungserfahrungen angeknüpft. Während das Modell in der Traumatherapie bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat, haben erst in den letzten Jahren explizit psychosozial ausgerichtete traumapädagogische Konzepte diese Überlegungen aufgegriffen und sie für den Betreuungs- und Begleitungskontext umformuliert (vgl. Abbildung 1; Gahleitner, 2011; Weiß, Kessler u. Gahleitner, 2016). Grundlage des Modells ist eine traumasensible psychosoziale Haltung, die den traumabezogenen Inhalten, Erinnerungen und Erfahrungen der Betroffenen im Alltag respektvoll, mit Verständnis und mit der Bereitschaft zu einem feinfühligen und versorgenden Beziehungsangebot begegnet. Die Grundlage für ein dementsprechendes Handeln bilden folgende Aspekte: ȤȤ Die Verhaltensweisen traumatisierter Menschen »sind eine normale Reaktion auf extreme Stressbelastung. ȤȤ Sie haben für ihre Vorannahmen, Reaktionen und Verhaltensweisen einen guten Grund« (Weiß, 2011, S. 92). ȤȤ Die bisherigen (Über-)Lebensleistungen traumatisierter Menschen werden anerkannt und geschätzt. ȤȤ Jede/r wird bei der Entwicklung eines guten Lebens unterstützt. ȤȤ Fachpersonen stellen ihre Sachkompetenz zur Verfügung, die traumatisierten Menschen selbst jedoch sind die Experten und Expertinnen für ihr eigenes Leben (Weiß, 2011, S. 92). Die altbekannten Schlüsselkonzepte der humanistischen Therapie und Beratung – Akzeptanz, Wertschätzung und

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Kongruenz (vgl. u. a. Rogers, 1957; Nestmann, 2004)  – spielen dementsprechend eine gewichtige Rolle in diesem Geschehen. Auf dieser Basis wird innere wie äußere Sicherheit der Traumabetroffenen in einer ersten Phase der Stabilisierung und Ressourcenerschließung als die Voraussetzung für alle weiteren Schritte erkannt. Dazu gehören vor allem der bindungs- und beziehungssensible Aufbau mindestens einer professionellen Beziehung und die Erschließung weiterer sozialer Ressourcen nach obigem Modell. Durch die schwierigen Erfahrungen vor, während und auch nach der Flucht wurden nicht selten ein sicherer Ort und das subjektive innere Sicherheitsgefühl zerstört. Kühn (2008) meint daher, dass die Verarbeitung dieser Erfahrung, das Wiedererlangen eines »inneren sicheren Ortes« zunächst einen »äußeren sicheren Ort«, das heißt verlässliche, einschätzbare und zu bewältigende Lebensund Alltagsbedingungen braucht (S. 323; vgl. auch HoferTemmel u. Rothdeutsch-Granzer, 2015). Im Unterschied zur Psychotherapie bemüht sich die Traumapädagogik daher bewusst nicht um Ausschließlichkeit und ein von der Außenwelt abgeschottetes Setting, sondern um ein kontextuell hergestelltes Milieu entlang der angesprochenen Wissensbestände (vgl. z. B. Bausum et al., 2009; Gahleitner, 2011; Zimmermann et al., 2017; Weiß et al., 2016; Jegodtka u. Luitpens, 2016; Hantke u. Görges, 2012, 2017). Im Kontext von Flucht kann meist erst zu einem späten Zeitpunkt ein wirklich sicherer äußerer Ort etabliert werden. Deshalb ist es wichtig, die Balance zwischen der traumapädagogischen Unterstützung und der Auseinandersetzung mit den strukturell weiter traumatisierenden Gegebenheiten im Auge zu behalten. Auch das Erleben von machtvollen Unterstützungspersonen, das für die Betroffenen existenziell mit der Vertrauensfrage verknüpft ist, wird zum Beispiel durch die Hilflosigkeit der Unter-

Ein Modell der Bewältigung33

stützerinnen in Bezug auf Aufenthaltsentscheidungen massiv erschüttert. In einer zweiten Phase der Auseinandersetzung mit dem Trauma geht es um den behutsamen Versuch, traumatische Erinnerungen unter Einbezug der emotionalen Komponenten zuzulassen, ohne von den begleitenden Gefühlen überwältigt zu werden. Dies geschieht klassischerweise in der Psychotherapie. Es gibt allerdings durchaus »falsche Orte […] zur Offenlegung der eigenen Leidensgeschichte« (Weiß, 2013, S. 155). Durch den Einsatz traumakonfrontativer Verfahren oder deren zu frühen Einsatz kann es auch – insbesondere im Bereich komplexer Traumata – zu Überforderungen kommen (vgl. dazu ausführlich Gahleitner u. Rothdeutsch-Granzer, 2016). Die Traumapädagogik unterscheidet daher in diesem Zusammenhang »unterstützende und traumareflektierende« von »aufdeckenden« Interventionen (Weiß, 2011). Fachkräfte und Unterstützer haben daher hier die verantwortungsvolle Aufgabe, für jene, denen die Therapiesettings (noch) zu hochschwellig sind, die Möglichkeiten eines Bewältigungsprozesses äußerst behutsam auszuloten. Insbesondere ist hier auf Methoden aus der Biografiearbeit zu verweisen (vgl. Übersicht bei Gahleitner, 2011). Diese Überlegungen führen abermals zurück zu der Bedeutung »emotional korrigierender Beziehungs­erfah­ rungen« (vgl. Cremerius, 1979; Alexander u. French, 1946). Auch sie stellen »aktive Traumabearbeitung« dar (Weiß, 2011). Fachkräfte und Unterstützerinnen im Flucht­bereich sind demnach gefordert, behutsam und zugleich strukturierend entlang der bereits genannten Themenkreise selbstexplorative Prozesse zu ermöglichen und alltagsnah ein Mehr an (kognitivem) Selbstverstehen, Selbst­ akzeptanz und schlussendlich an Handlungskompetenz und Selbstregulation zu erreichen (Weiß, 2011). Dabei ist es notwendig, immer wieder die erneuten traumatisie-

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Psychosoziale Zufluchten bieten

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Abbildung 2: Traumapädagogisches Vorgehen in Anlehnung an Schmid (2010, S. 47)

renden Erfahrungen während dieses Prozesses mit einzubeziehen, wie zum Beispiel die Anhörung, die ständige Bedrohung durch einen unsicheren Aufenthalt, das direkte oder indirekte Miterleben von Abschiebungen. Ein zu frühes »Aufweichen« der Abwehrstrategien, ein zu frühes Zulassen der vertrauensvollen Affekte könnte sich als kontraproduktiv erweisen. So bewegen sich die Fachkräfte ständig in einer Double-bind-Situation, die es gut zu reflektieren gilt. Nicht nur die Traumakonfrontation, sondern bereits die Adressierung zentraler Problemlagen, die durch das Trauma entstanden sind, bedeuten daher einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Traumabewältigung (vgl. Abbildung 2; vgl. dazu Schmid, 2010, S. 47). Auf diese Weise entsteht für die Betroffenen die Chance,

Ein Modell der Bewältigung35

andere Muster der Selbstwahrnehmung sowie konkrete Selbstheilungsmöglichkeiten zu entwickeln und damit die Anbahnung von Reintegrationsprozessen zu unterstützen. Mehr Einblick in das eigene Geschehen und mehr Kontrolle über Gefühle und Erfahrungen zu bekommen, ermutigt verletzte und traumatisierte Menschen auf diese Weise, konstruktiv in posttraumatische Wachstumsprozesse einzumünden. Diese Herangehensweise fordert jedoch ein Grundkonzept, dass Problemlagen und Störungen – gerade nach Flucht, Krieg und Vertreibung – immer eine biografisch-verstehende Dimension enthalten und damit über psychosoziale Arbeitskonzepte im Alltag verstehbar und veränderbar sind. Voraussetzung für diesen soeben beschriebenen Prozess ist daher, dass die Gedanken und Gefühle traumatisierter Menschen umfassend verstanden und angenommen werden. Verstehen und Verstandenwerden umfasst dabei die gesamte bereits beschriebene Komplexität inklusive der Kontexte Gesellschaft, Ungleichheit und anderer »krank machender« Faktoren. Dafür bedarf es eines umfassenden und interprofessionellen Diagnostik- beziehungsweise Verstehensmodells. Zielsetzung ist eine lebens-, subjekt- und situationsnahe Diagnostik, ein »integratives diagnostisches Verstehen« (Gahleitner, Hintenberger, Kreiner u. Jobst, 2014) im interprofessionellen Gefüge, das für eine sorgfältige Abklärung der komplexen Problematiken verschiedenste Informationen zusammenfügt. Dieses Vorgehen, das die Voraussetzung für gelungene Interventionsprozesse darstellt, soll im nächsten Kapitel erläutert werden.

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3 Fluchtbiografien verstehen

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Ob wir das bewusst vorhaben oder nicht, im professionellen Alltag nehmen wir ständig Einschätzungen vor. Ob Menschen »so und so sind«, bei uns »das und das auslösen« – ständig formulieren wir dabei diagnostische Einschätzungen. Diagnose, ursprünglich aus dem Griechischen, bedeutet nichts anderes als eben dies: das Erkennen und Auseinanderhalten der Merkmale eines Gegenstandes, einer Person oder eines Systems (vgl. hier und im Folgenden ausführlich Gahleitner, 2011; Gahleitner u. Weiß, 2016). Dennoch hatte Diagnostik als Begriff und im praktischen Vorgehen in der psychosozialen Arbeit lange Zeit einen schlechten Ruf. Ursache dafür ist der Missbrauch medizinisch, sozial und psychiatrisch geprägten Wissens für menschenverachtende, selektive und eugenische Zwecke im Nationalsozialismus. Diagnostisches und traumapädagogisches Fallverstehen beruft sich daher ausdrücklich auf Vorgehensweisen, die als rekonstruktiv zu bezeichnen sind, um der Gefahr vorzubeugen, dass hilfesuchende Menschen zu einem Objekt eines expertokratischen Diagnoseverfahrens degradiert werden (Friedrich u. Weiß, 2014). Andernfalls besteht die Gefahr einer Etikettierung und Abwertung. Reddemann (2015) fordert, »stets unsere Diagnosen quasi wie in Anführungszeichen zu setzen, wir benötigen sie – vielleicht –, aber sie sind keine Aussagen über Wahrheiten« (S. 230). Diagnostik im psychosozialen Bereich ist daher entlang dieser Überlegungen in besonderer Weise verpflichtet, die Schnittstelle zwischen psychischen, sozialen, physischen und alltagssituativen Dimensionen auszuleuchten.

Fluchtbiografien verstehen37

Psychosoziale Diagnostik nutzt dafür pädagogische, psychologische, medizinische und sozialwissenschaftliche Wissensbestände. Es geht daher immer um ein interdisziplinäres und mehrdimensionales Vorgehen, bei dem nach Bedarf auch Fachkräfte aus dem medizinischen und psychologischen Bereich zugezogen werden (Gahleitner u. Homfeldt, 2012). Heiner (2013) hat für diese mehrdimensionale Anforderung an psychosoziale Diagnostikprozesse die Begrifflichkeit »Diagnostisches Fallverstehen« (vgl. Abbildung 3) geprägt, welches entlang eines dialogischen Vorgehens den Selbstdeutungsmustern, dem Selbstverstehen und den Selbstaneignungsprozessen sehr viel Platz einräumt (vgl. zur Übersicht Gahleitner, Hahn u. Glemser, 2013). Diese Relevanz von Selbstdeutungen und biografischem Kontext bleibt im medizinischen Gesundheits-

Abbildung 3: Diagnostisches Fallverstehen (vgl. Heiner, 2013)

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wesen oftmals unberücksichtigt (Hanses, 2004). Von zentraler Bedeutung ist daher »die Kompetenz, eine ›diagnostische Situation‹ in Form einer gelingenden Verständigung […] zu gestalten« (Schulze, 2006, S. 10). In den letzten Jahren wurde für dieses Vorgehen ein integratives Modell1 entwickelt, das sich gut eignet, die diagnostischen Kompetenzen mehrerer beteiligter Fachkräfte einzubeziehen. Das Modell erlaubt, verschiedene Aspekte aus der Biografie und Lebenswelt – auf der Basis systematisch genutzter Alltagsdiagnostik gemeinsam und sinnverstehend – zusammenzutragen, und wird im Folgenden kurz an einem Fallbeispiel vorgestellt. Im praktischen Teil des Buches werden zusätzliche Übungen zur Sozial- und Lebensweltdiagnostik angeboten, die ebenfalls in dieses Vorgehen integriert werden können.     Amandas Geschichte   Amanda ist zu Beginn der Begleitung 16 Jahre alt und stammt aus einer Familie mit gefährdetem Aufenthaltsstatus. In den Monaten seit der Ankunft hat sich unter den Bedingungen in der Unterkunft eine Gewaltproblematik in der Familie entwickelt. Amanda wuchs als älteste Schwester mit sechs weiteren Geschwistern im Groß­familienverbund auf. Im Kriegsgebiet des Heimatlandes war die Familie über Jahre traumatisierenden Bedingungen ausgesetzt. Obwohl sie nur unregelmäßig in die Schule gehen kann, weil sie in der Unterkunft häufig für die Betreuung der Kinder und für Übersetzungsleistungen eingespannt wird, zeigt sie dort große Aufmerksamkeit und Entwicklungschancen. Allerdings

1 Dieses Modell entstand in einem mehrjährigen Prozess in Zusammenarbeit mit einer Reihe verschiedener Kolleginnen und Kollegen sowie auf der Basis einer Reihe von Publikationen (insbesondere Gahleitner, Schulze u. Pauls, 2009; Gahleitner, 2011; Gahleitner u. Pauls, 2013; Gahleitner u. Weiß, 2016).

Klinische Diagnostik39

stehen ihr immer wieder massive Verhaltensauffälligkeiten im Weg und verstärken die in der Schule durch Stigmatisierung hervorgerufene Isolierung unter den Mitschülerinnen und Mitschülern. In Deutschland hat sie zudem den Alkohol entdeckt und festgestellt, dass Trinken kurzfristig Abstand zu den Geschehnissen verspricht. Aber die Schwierigkeiten, das hat sie bereits festgestellt, verschwinden dadurch nicht nachhaltig.



3.1 Klinische Diagnostik Das bekannteste medizinische und psychodiagnostische Klassifikationssystem ist die ICD-10 (WHO, 2000), welche die Grundlage für viele Hilfeentscheidungen darstellt, auch wenn sie an vielen Stellen kritisch zu betrachten ist. Gerade aus dieser Kritik heraus ist es notwendig, sich als Unterstützer, Unterstützerin an die entsprechenden Fachkräfte wenden zu können, jedoch auch sich selbst in diesen Systemen zurechtzufinden und partizipative Aspekte für Betroffene möglich zu machen. In der ICD-10 werden die Auswirkungen traumatischer Ereignisse nach der Dauer der Folgesymptomatik unterschieden. Eine traumatische Belastungsreaktion ist demnach eine höchstens einige Tage anhaltende »normale« Reaktion auf ein erlebtes »abnormales« Ereignis in Form emotionaler Überforderungssymptome und Rückzugstendenzen (verschlüsselt F43.0). Von einer posttraumatischen Belastungsstörung (abgekürzt PTSD oder PTBS) wird gesprochen, wenn die Belastung über einen längeren Zeitraum anhält. Sie ist gekennzeichnet durch einen Wechsel zwischen physischer wie psychischer Überflutung durch das Erlebte, Vermeidung aller Reize, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, und physiologische Dauererregung (verschlüsselt F43.1).

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Fluchtbiografien verstehen

Bei lang anhaltender Extremtraumatisierung kommt es zu einer Zerstörung psychischer Grundstrukturen und zu andauernden Persönlichkeitsveränderungen (verschlüsselt F62.0). Die ICD-10 erfasst damit lediglich Traumatisierungen, die auf eine bereits geformte, erwachsene Persönlichkeit treffen. Beginnt die Traumatisierung früh und setzt sich über lange Zeit fort, spricht man daher in Fachkreisen von der bereits genannten komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (Kolk et al., 1996) oder der beschriebenen sequenziellen Traumatisierung (Keilson, 1979/2005). Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung erfasst, wie Tabelle 1 verdeutlicht, Störungen der Regulierung des affektiven Erregungsniveaus (z. B. chronische Affektdys­ regulationen, selbstdestruktives Verhalten, impulsive und risikoreiche Verhaltensweisen), Störungen der Aufmerksamkeit und des Bewusstseins (z. B. Amnesien oder Dissoziationen, Somatisierungen), chronische Persönlichkeitsveränderungen (z. B. Änderungen der Selbstwahrnehmung sowie die Unfähigkeit zu vertrauen) und Veränderungen in Bedeutungssystemen (z. B. Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit).

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Tabelle 1: Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (nach APA, 2000) Nr.

Störungsbereich

Symptome

A

1. chronische Affektdysregulation 2. Schwierigkeit, Ärger zu modulieren 3. selbstdestruktives Verhalten Störungen der Regu4. Schwierigkeiten im Bereich des lierung des affektiven sexuellen Erlebens, vor allem der Erregungsniveaus Hingabefähigkeit 5. impulsive und risikoreiche Verhaltensweisen

B

Störungen der Aufmerksamkeit und des Bewusstseins

1. Amnesie 2. Dissoziation

Klinische Diagnostik41

Nr.

Störungsbereich

C

Somatisierung

D

1. Änderung der Selbstwahrnehmung: chronische Schuldgefühle; Selbstvorwürfe; Gefühle, nichts bewirken zu können; Gefühle, fortgesetzt geschädigt zu werden 2. Änderungen der Wahrnehmung der schädigenden Person; verzerrte SichtChronische weisen und Idealisierungen der schädiPersönlichkeitsverängenden Person derungen 3. Veränderung der Beziehung zu anderen Menschen a. Unfähigkeit zu vertrauen und Beziehungen mit anderen aufrechtzuerhalten b. Tendenz, erneut Opfer zu werden oder c. andere zum Opfer zu machen

E

Symptome

1. Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit Veränderungen in 2. Verlust der bisherigen Bedeutungssystemen Lebensüberzeugungen

    Amandas Symptome   Amanda zeigt Gefühlsüberflutungen, wie zum Beispiel starke Aggressionen und risikoreiche Verhaltensweisen, sie hat große Schwierigkeiten zu vertrauen und leidet immer wieder unter schweren körperlichen Symptomen und maßlosen Schuldgefühlen. Ihr Wertesystem dagegen ist stark und stabil ausgeprägt, vermutlich aufgrund der frühen Verantwortung für den weiteren Nachwuchs der Familie. Auch ihr Bindungsverhalten deutet darauf hin, dass es Ressourcen in der Kindheit gegeben haben muss. Aktuell jedoch fühlt sie sich isoliert und ausgegrenzt. Die diskriminierenden Bemerkungen der anderen Jugendlichen in der Schule setzen ihr sehr zu. 

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3.2 Biografiediagnostik

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Die vorangegangenen Ausführungen machen deutlich, dass (traumatische) Verletzungen sich stets in einem Spannungsfeld weiterer Entwicklungsfaktoren entfalten. Vor allem lebens-, subjekt- und situationsnahe Vorgehensweisen helfen hier, dialogisch orientiert grundlegende fallverstehende Aspekte der Biografie und Lebenswelt zusammenzutragen. Das schwierige Erlebnis wird durch entwicklungsbedingte Prozesse ständig aktualisiert und modifiziert. Hier bieten sich fallverstehende Modelle aus der Biografieforschung und angrenzenden Bereichen an (siehe die nachfolgenden Ausführungen; vgl. ausführlich Gahleitner, 2011).

Abbildung 4: Der Weg (Johannes Jahn, 2012)

Ein schönes Beispiel für eine behutsame Erhebung biografischer Aspekte bieten traumapädagogische Ansätze der Biografiearbeit entlang von Lebensbüchern (Krautkrämer-Oberhoff, 2009). Sie eröffnen eine Chance, sich »Teile der verlorenen Lebensgeschichte zurückzuerobern«

Lebensweltdiagnostik43

(Krautkrämer-Oberhoff, 2009, S. 115). Aber auch eine Annäherung über selbsterstellte Lebenspanoramen (Petzold, Wolf, Landgrebe, Josič u. Steffan, 2000) oder Kunst kann sich als hilfreich erweisen (vgl. Abbildung 4).     Biografiearbeit mit Amanda   Auch für Amanda stellt die Biografie und Entwicklung einen wichtigen Referenzrahmen für die Diagnostik ihrer sequenziell erworbenen traumatischen Erfahrungen dar. In kurzen Sequenzen biografischer Arbeit kann Amanda – ohne tief in die einzelnen Ereignisse eintauchen zu müssen – durch psychoedukative Interventionen zuordnen, dass ihre Gefühlsüberflutungen und Aggressionen sowie ihre zahlreichen psychosomatischen Beschwerden auf eine lange Geschichte von Belastungen zurückgehen. Ihre Schuldgefühle und ihr eigener Eindruck, »durchgeknallt« zu sein, können damit Linderung erfahren. Die Verantwortung für die Diskriminierungen in der Schule kann nun angemessen den Peers zugeordnet werden. Das Interesse und die Fürsorge durch die Fachkraft wirken hier als wirksame Vertrauensbildung, sodass Amanda nach einer kurzen Zeit von Misstrauen und Ablehnung auf erstaunlich viele Ressourcen zurückgreifen kann. 

3.3 Lebensweltdiagnostik Auf der Grundlage einer bewusst offen gestalteten professionellen Anamnese- und Diagnosehaltung können in der Lebensweltdiagnostik soziale, psychische und körperliche Phänomene unter Einbeziehung soziologischer Parameter zusammengedacht werden. Besonders gut eignet sich dafür das Modell der »fünf Säulen der Identität« (Petzold et al., 2000; vgl. Abbildung 5) mit den Aspekten Leiblichkeit beziehungsweise Gesundheitszustand, soziales Um-

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feld, Arbeit/Freizeit/Leistung, materielle Absicherung und Wertvorstellungen. Das soziale Umfeld unter Einbezug der emotionalen Beziehung zu den »Zurückgelassenen« und seine Bedeutung für die Geflüchteten können zudem neben dem hinreichend bekannten Genogramm mithilfe des sozialen oder soziokontextuellen Atoms (Märtens, 1997) diagnostisch erfasst werden. Mit diesem Vorgehen lässt sich zudem bei Bedarf und Bindungsfachkenntnis ein bindungssensibles Instrument, das so genannte Adult-Attachment-Interview verbinden (abgekürzt: AAI; Main u. Goldwyn, 1996; Buchheim u. Strauß, 2002), das ermöglicht, exaktere Einschätzungen über den Bindungsstatus zu erhalten.

Abbildung 5: Die fünf Säulen der Identität (vgl. u. a. Petzold et al., 2000)

Koordinaten psychosozialer Diagnostik und Intervention45

    Die »fünf Säulen der Identität« bei Amanda   Die psychosomatischen Erscheinungen bei Amanda wurden bereits angesprochen. Sie können durch die Arbeit mit den fünf Säulen der Identität noch präzisiert werden. Im Säulenmodell und dem Einsatz des Sozialen Atoms kann zudem dingfest gemacht werden, wie sehr das Aufwachsen in der Großfamilie als frühe Bindungsressource zu betrachten ist – trotz der später einsetzenden Gewaltproblematik. In der Schule kann mit einigen klärenden Gesprächen nicht nur die gute Anbindung zu einer Lehrerin unterstützt, sondern auch eine Veränderung des sozialen Peergefüges erreicht werden, welches durch Amandas aggressive Durchbrüche, aber auch die Diskriminierung vor Ort schwierigen Verkettungen unterlegen war. Ihre guten kognitiven Fähigkeiten unterstützen die positiven Perspektiven trotz der ausgeprägten posttraumatischen Problematik. 

3.4 Koordinaten psychosozialer Diagnostik und Intervention Bei all der Komplexität, die Verstehensprozesse in der Praxis mitbringen, muss das Verfahren jedoch auf eine Strukturierung der gesammelten Informationen hinauslaufen, welches die Dimensionen »Individuum – soziale Umwelt« sowie die Dimensionen »Defizite – Ressourcen« möglichst umfassend, aber auch prägnant ausweist. Eine besonders hilfreiche strukturierende Form der Darstellung vorhandener Ressourcen sowie Defizite sind die von Pauls (2011) vorgeschlagenen »Koordinaten psychosozialer Diagnostik und Intervention« (vgl. Abbildung 6). Das Verfahren forciert eine systematische Problem- und Ressourcenanalyse, die auf unterschiedliche, in den vorherigen Abschnitten dargestellte diagnostische Informationen aus allen drei erfolgten Schritten der psychosozialen Intervention zurück-

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greift. Dadurch wird es zu mehr als einem weiteren Instrument, nämlich zum strukturierenden und ordnenden Orientierungsmodell für die anstehende Hilfeplanung – unter Einbezug aller beteiligten Fachkräfte und Unterstützerinnen (vgl. ausführlich Gahleitner, 2011).

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Abbildung 6: Koordinaten psychosozialer Diagnostik und Intervention bei Amanda

Koordinaten psychosozialer Diagnostik und Intervention47

    Wie es Amanda heute geht   Amanda lebt heute in einer eigenen Wohnung, zu der die Eltern nach ausführlichen Elterngesprächen zugestimmt haben. Für Amanda war der Auszug aus der Familie mit Entlastung, aber auch mit großen Schuldgefühlen verbunden. Eine eigene Wohnung zu beziehen, bedeutete einen intensiven Auseinandersetzungsprozess mit ihrem Rollenbild, mit Fragen von Verantwortung sowie mit Möglichkeiten und Grenzen von Autonomie. Nach einer Zeit der Verunsicherung hat Amanda mit der Familie inzwischen zahlreiche Kontakte, kann sich aber bei Eskalationen in ihre eigenen Räume zurückziehen. Ihre schulische Begabung konnte sie durch einen beachtlich guten Schulabschluss zu guten Berufschancen weiterentwickeln. Die traumatische Belastung ist nicht verschwunden, lässt sich aber in einem Ausmaß halten, das den Alltag nicht maßgeblich zerstört. Auf der Grundlage ihres mehrjährigen Aufenthalts in Deutschland und der schulischen Integrationsleistungen konnte Amanda einen (noch befristeten) Aufenthaltsstatus erlangen. Wenn sie ihren ersten festen Ausbildungsplatz gefunden hat, möchte Amanda eine Therapie beginnen, um die Belastungen auf ein noch geringeres Maß mildern zu können. Sprachlich ist sie inzwischen so versiert, dass sie einen großen deutschen wie transkulturellen Freundeskreis gefunden hat. Tauchen aggressive Gefühle, Schuldgefühle und psychosomatische Erscheinungen auf, weiß sie sie einzuordnen und sich akut wie langfristig adäquate Hilfe zu holen.



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4 Praktische Vorgehensweisen und Übungen

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Vor dem Hintergrund der bisher referierten Wissensbestände und einer gründlichen biografie- und lebensweltorientierten Diagnostik werden im Folgenden verschiedenste Aspekte der konkreten praktischen Arbeit vor Ort bei der Begleitung und Beratung traumatisierter geflüchteter Menschen geschildert. Es sei eingangs nochmals erwähnt, dass methodische Interventionsaspekte immer nur auf Basis der in den vorausgegangenen Kapiteln geschilderten Grundhaltung, Kompetenz- und Wissensbasis angewendet werden sollten. Es geht daher nicht um einfach herauslösbare Techniken, sondern um eine verstehens­ orientierte trauma- und bindungssensible Arbeit mit geflüchteten Menschen, die die Methodik zu Hilfe nimmt. Ohne eine tiefere Auseinandersetzung mit der gesamten Problematik kann eine Intervention trotz gleicher Übungseinheit völlig andere Züge tragen, die den eigentlichen Inhalt stark verzerrt erscheinen lassen.

4.1 Für eine gemeinsame Sprache sorgen Um psychosozial mit einem Menschen arbeiten zu können, müssen wir uns zunächst einmal mit ihm verständigen können. Um ihm ein Bett in der Unterkunft zuzuweisen oder ein Essenspaket auszuhändigen, reichen vielleicht rudimentäre Sprachkenntnisse oder Gesten, aber nicht, wenn es um komplexere Themen, die psychische Verfasstheit, den Aufbau von Perspektiven geht. Leider ist der Zugang zu Sprach- und Kulturmittlerinnen, Dolmetscherpools oder ehrenamtlichen (unbezahlten) Überset-

Für eine gemeinsame Sprache sorgen49

zern und Übersetzerinnen für die Arbeit mit Geflüchteten je nach Bundesland oder Kommune extrem unterschiedlich. Aus der Not beziehungsweise dem Mangel kommt oft die Frage auf: Kann psychosoziale Stabilisierung oder gar Therapie von Geflüchteten nicht auch sprachfrei ablaufen? Aus der langjährigen Erfahrung in diesem Arbeitsfeld können wir sagen: Nein, das geht nicht. Um ernsthaft mit einem Menschen an relevanten Themen arbeiten zu können, müssen wir für eine gemeinsame Sprache sorgen. Manche junge Geflüchtete lernen schnell Deutsch, und die Verständigung gelingt dann recht gut. Teilweise gibt es gemeinsame Zweitsprachen, zum Beispiel die Kolonial- oder Amtssprachen Englisch oder Französisch. In allen anderen Fällen müssen wir, zumindest für relevante Gespräche, eine stabile, vertrauenswürdige und schweigepflichtige Person hinzuziehen, die übersetzt (vgl. Rauch, 2011). Das können, müssen aber keine vereidigten Dolmetscherinnen sein. Aber es sollte eine neutrale und möglichst geschulte Person sein, weder die spontan hinzugezogene Reinigungskraft oder Küchenhilfe noch jemand aus dem Familien- und Bekanntenkreis der Klienten und Klientinnen. Denn wie sollen Geflüchtete in einem Beratungsgespräch über extrem belastende oder schambesetzte Themen sprechen, wenn zum Beispiel das eigene Kind oder der Nachbar aus dem Wohnheim übersetzt? Würden Sie selbst über solche persönlichen Dinge sprechen, wenn Sie befürchten müssten, dass die übersetzende Person damit belastet wird oder Dinge erfährt, die sie gar nicht wissen sollte oder möglicherweise im sozialen Umfeld weitererzählt? Die übersetzende Person muss in der Lage sein, die gesprochenen Inhalte in beide Sprachen zu vermitteln, und das ist oft eine anspruchsvollere Leistung als eine wortgetreue Übersetzung, wenn es darum geht, die jeweils kulturangemessenen Worte für das Gesagte zu finden

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

(vgl. Kleefeldt, 2017). Gleichzeitig muss sie die Prozessverantwortung beim Berater, bei der Beraterin belassen, also nicht selbst intervenieren, kommentieren, zensieren. Außerdem sollte es eine soziale Passung geben, die ein vertrauensvolles Gespräch ermöglicht (vgl. Keuk u. Ghaderi, 2011) – der Übersetzer, die Übersetzerin sollte also zum Beispiel nicht einer im Herkunftsland verfeindeten Gruppe angehören, und bei einer Klientin, die von sexualisierter Gewalt betroffen ist, ist es wahrscheinlich ungünstig, einen männlichen Übersetzer hinzuzuziehen. In einem späteren Band dieser Reihe wird der Einsatz von Sprach- und Kulturmittlern sowie -mittlerinnen in der psychosozialen Arbeit mit Geflüchteten ausführlich beleuchtet werden. Es ist also sinnvoll, nach den Möglichkeiten vor Ort zu forschen: Finanziert das Jugendamt zum Beispiel den Einsatz von Dolmetscherinnen? Gibt es ein Budget dafür im Klinikverbund? Gibt es Projekte und Dolmetscherpools wie zum Beispiel SprInt? Wenn es keine bestehenden Möglichkeiten gibt, die genutzt werden können, ist vielleicht der eigene Einsatz nötig, um vor Ort Strukturen aufzubauen, die ein fachliches Arbeiten ermöglichen.

4.2 Bestandsaufnahme und Clearing: Ohne soziale keine psychische Stabilisierung Psychosoziale Arbeit mit geflüchteten Menschen bedeutet, wie im Begriff schon anklingt, dass wir die psychische wie auch die soziale Situation berücksichtigen müssen, wenn wir unsere Klienten und Klientinnen auf ihrem Weg der Stabilisierung und Traumabewältigung hilfreich begleiten möchten. Auch wenn der Schwerpunkt dieses Bandes nicht auf den komplexen aufenthalts- und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen liegt, möchten wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass nur ein ganzheitlicher,

Bestandsaufnahme und Clearing51

multiperspektivischer Ansatz in der Arbeit mit geflüchteten Menschen erfolgsversprechend ist (vgl. dazu grundlegend auch Schirilla, 2016). Dazu gehört, sich zu Beginn des Kontakts und der Zusammenarbeit einen Überblick über die verschiedenen offenen Baustellen zu verschaffen – und im Leben von Geflüchteten sind dies oft über lange Zeit sehr viele: Neben der Bewältigung von Flucht und Verlust und dem Aufbau neuer Perspektiven geht es ganz praktisch um den Aufenthaltsstatus, die Wohnsituation, den Zugang zu Sprachkursen, zu Schule, Ausbildung, Arbeitsmarkt und vieles mehr. Je nach Arbeitskontext werden diese Punkte in der künftigen Zusammenarbeit unterschiedlichen Raum einnehmen, aber immer ist es sinnvoll, zur Einschätzung der Belastungs- und Stabilisierungsfaktoren einen Überblick zu haben. Sonst könnte es zum Beispiel passieren, dass in der psychologischen Beratungsstelle am Vertrauensaufbau gearbeitet wird und Stabilisierungsübungen angeboten werden, aber alles nicht funktioniert – nicht, weil es die falschen Übungen sind, sondern weil das Bemühen dadurch konterkariert wird, dass die Familie im Heim immer wieder Abschiebungen erlebt und dadurch in ständiger Angst ist. Um sich beruhigen zu können, reichen pädagogische oder psychologische Interventionen nicht aus, es braucht eine Absicherung des Aufenthalts und eine Verbesserung der Wohnsituation. Also ist es sinnvoll, über die beraterische Tätigkeit hinaus Netzwerke zu aktivieren, die Familie zum Beispiel an eine Beratungsstelle zu vermitteln, die sie bei der Absicherung des Aufenthaltes unterstützt. Um sich einen guten Überblick zu verschaffen, ist es also hilfreich, die erfahrungsgemäß relevanten Punkte abzufragen, um auf der einen Seite zu erfassen, wo eventuell Handlungsbedarf besteht, und auf der anderen herauszufinden, wo bereits Unterstützungsnetzwerke und Ressourcen existieren. Beispielhaft stellen wir hier eine Liste rele-

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

vanter Themenfelder vor, die von der Clearing-Checkliste des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge (PSZ) Düsseldorf inspiriert ist. Diese wird bei Clearing-Gesprächen, das heißt bei sechzig- bis neunzigminütigen Erstgesprächen zur Einschätzung des Unterstützungs- und Behandlungsbedarfs eingesetzt. Die als Praxistipp 1 wiedergegebene Checkliste des PSZ ist nicht so zu verstehen, dass jeder einzelne Punkt in der vorgegebenen Reihenfolge abgefragt werden muss. Sie dient eher als informelle Gedächtnisstütze, mit der alle relevanten Punkte im Gespräch beziehungsweise in den ersten Gesprächen berücksichtigt werden können. Sie kann somit als Anregung dienen, einen eigenen Clearingbogen mit Themenfeldern, die im jeweiligen Arbeitsbereich wichtig sind, zu erstellen und in die von uns beschriebene psychosoziale Diagnostik einzubeziehen.

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Praxistipp 1: Clearing-Checkliste © Psychosoziales Zentrum für Flüchtlinge (PSZ) Düsseldorf Datum Gesprächsführer/-in Ggf. Dolmetscher/-in Ggf. weitere Anwesende (Angehörige, Praktikant/-in) Name des/der Klient/-in Geschlecht Geburtsdatum Alter

Bestandsaufnahme und Clearing53

Clearing-Checkliste (Fortsetzung) Herkunftsland Sprachen Sprache des Gesprächs/ Dolmetscher/-innen-Einsatz Ggf. Zugehörigkeit zu verfolgter Minderheit (z. B. Kurden, Yeziden, LGBT) Einreise nach Deutschland Aufenthalt in anderen Ländern Fluchthintergrund/-verlauf Besondere Belastungen Hinweise auf traumatische Erlebnisse Aufenthalt Aufenthaltsstatus Ggf. drohende Abschiebung, Fristen Ggf. Handlungsbedarf (z. B. Zugang zu Flüchtlingsberatungsstelle) Familie Zusammenleben mit Angehörigen in Deutschland? Ggf. Namen, Geschlecht, Alter Falls nicht: Kontakt zur Familie?

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

Clearing-Checkliste (Fortsetzung) Unterkunft Unterbringung (z. B. Sammel­ unterkunft, Jugendhilfeeinrichtung, ­eigene Wohnung, Kirchenasyl) Ggf. Handlungsbedarf Zugang zu (Aus-)Bildung und Beschäftigung Aktuelle Beschäftigung (z. B. Sprachkurs, Schule) Vorbildung/Berufstätigkeit/Schulbesuch im Herkunftsland

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Ggf. Handlungsbedarf (z. B. Anerkennung der Ausbildung, Zugang zu Sprachkurs) Freizeitgestaltung Hobbys/Sportarten Ggf. Handlungsbedarf (z. B. Zugang zu Verein) Gesundheitlicher (organmedizinischer) Zustand/ Beschwerden/Schmerzen Aktuelle Problematik (Symptome, Dauer) Bisherige Untersuchungen, Behandlungen (ambulant/stationär), Medikamente Ggf. Handlungsbedarf (z. B. Zugang zu Fachärzt_in, medizinischer Flüchtlingshilfe) Psychische Verfassung Aktuelle Beschwerden/Symptome

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Clearing-Checkliste (Fortsetzung) Ressourcen Bisherige Behandlungen Ggf. Handlungsbedarf (z. B. Therapiebedarf, Therapiewunsch, Vermittlung an Therapeut/-in/Beratungsstelle, Aufnahme als Klient/-in) Psychologische Stellungnahme im aufenthaltsrechtlichen Verfahren (z. B. Abschiebehindernisse aus gesundheitlichen/humanitären Gründen) benötigt? Erwartungen und Ziele des/der Klient/-in Verhaltensbeobachtung

Eine ausführlichere Form der Sozialdiagnostik bietet das Flüchtlingsspezifische Inklusionschart (IC_flü). Es wurde 2014 auf der Basis des Inklusionscharts (IC) von Prof. Dr. Pantuček-Eisenbacher (vgl. Pantuček, 2010) im Rahmen eines durch den Europäischen Flüchtlingsfonds (EFF) geförderten Projekts von der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) zusammen mit dem PSZ Düsseldorf, Refugio Bremen und Refugio München entwickelt. Mit dem IC_flü kann erhoben werden, inwieweit Geflüchtete Zugang zu den Leistungen der gesellschaftlichen Infrastruktur haben und diese auch tatsächlich nutzen können und wo gegebenenfalls Interventionsbedarf besteht. Das Formular zur Anwendung des IC_flü in der Praxis sowie das Manual, in dem der Einsatz erläutert wird, können auf der Internetseite der BAfF heruntergeladen wer-

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

den (unter www.baff-zentren.org/news/das-fluechtlingsspezifische-inklusionschart-ic_flue/). Auch dieses Chart lässt sich sinnvoll in den hier beschriebenen psychosozialen Diagnostikverlauf integrieren.

4.3 Exploration: Biografische Erkundungen Um die Biografie eines Menschen zu erfassen, ist die mit Blumen und Steinen dargestellte Lebenslinie (oder »lifeline«, vgl. Schauer u. Ruf-Leuschner, 2014), wie sie Abbildung 7 zeigt und der Praxistipp 2 näher erläutert, eine schöne Methode. Sie ist der narrativen Expositionstherapie (NET, Schauer, Neuner u. Elbert, 2005) entlehnt. 4

Praxistipp 2: Lebenslinie

Zunächst wird ein längeres Seil (Hanfseil, Springseil, allerdings nur, wenn Seile kein Trigger für den Klienten, die Klientin sind) auf dem Boden ausgelegt – nicht schnurgerade, so ist ja auch das Leben nicht, sondern mit einigen leichten Kurven (siehe Abbildung 7). Entlang dieser Lebenslinie (Achtung, genug Platz für die Zukunft lassen) berichtet der Klient, die Klientin mit Unterstützung des Beraters, der Beraterin im Laufe einer oder mehrerer Sitzungen über die eigene Lebensgeschichte. Besonders relevante Ereignisse werden durch Symbole markiert: Steine für negative oder schwere Ereignisse (hier eignen sich einfache Kieselsteine in verschiedenen Größen, die man z. B. am Strand oder Flussufer findet) und Blumen für positive, schöne Ereignisse (da wahrscheinlich selten ausreichend frische Blumen zur Verfügung stehen, eignen sich Plastikblumen oder -blüten aus Bastel- oder Dekogeschäften).

Exploration: Biografische Erkundungen57

Abbildung 7: Beispiel einer mit Blumen und Steinen dargestellten Lebenslinie

Die Lebenslinienform der Exploration einer Lebensgeschichte macht die bisherigen Erfahrungen sehr greifbar. Es entsteht dabei zudem keine Fokussierung ausschließlich auf Belastungen, sondern positive Erfahrungen werden konsequent mit einbezogen. Die Symbolisierung und die parallele Versprachlichung können dazu beitragen, belastende oder traumatische Erfahrungen in Raum und Zeit zu verorten und in die Biografie zu integrieren, das heißt, bei der Verarbeitung dienlich sein. Voraussetzung für die Arbeit mit der Lebenslinie unter expliziter Einbeziehung belastender oder traumatischer Erfahrungen ist allerdings, dass die Klienten und Klientinnen bereits im Vorfeld über eine gewisse Stabilität verfügen. Ansonsten könnte die (zu frühe) Konfrontation mit traumatischen Erfahrungen dazu führen, dass geflüchtete Menschen von belastenden Erinnerungsbildern und bedrohlichen Gefühlen überschwemmt und destabilisiert werden. Diese Übung lässt sich gut mit dem in der psychosozialen Diagnostik beschriebenen Lebenspanorama verknüpfen. Weitere Hinweise auf hilfreiche Explorationsmethoden finden sich in den Kapiteln 3.2 und 3.3 zur Biografie- und Lebensweltdiagnostik.

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

4.4 Traumasensible Haltung und Psychoedukation

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In der psychosozialen Arbeit generell und insbesondere in der Arbeit mit Geflüchteten ist eine traumasensible Haltung sinnvoll. Das bedeutet, dass wir als Fachkräfte Grundkenntnisse der Psychotraumatologie haben sollten, damit wir Hinweise auf Traumatisierungen in Biografie und Verhalten unserer Klienten und Klientinnen wahrnehmen und einordnen können. Nicht alle geflüchteten Menschen leiden unter Traumafolgestörungen, aber durchaus ein beachtlicher Prozentsatz, und wir sollten es bemerken und darauf reagieren können: Hinweise in der Biografie: Klienten und Klientinnen berichten von potenziell traumatischen Erfahrungen, zum Beispiel lebensbedrohlichen Situationen oder extremer Gewalt, die sie am eigenen Leib erlitten oder mit angesehen haben, oder auch von dem gewaltsamen Verlust von Bezugspersonen und Angehörigen. Hinweise im Verhalten: Klienten und Klientinnen berichten von einer traumatypischen Symptomatik oder die Fachkraft beobachtet diese, zum Beispiel: ȤȤ Symptome der Übererregung (Anspannung, Nervosität, Schreckhaftigkeit, Gereiztheit, Wut, in Prügeleien geraten, Konzentrationsschwierigkeiten); ȤȤ Symptome des Wiedererlebens (dauernd an schreckliche Erfahrungen denken müssen, die Bilder vor Augen haben, Alpträume davon, Flashbacks, das Gefühl haben, wieder in der Situation zu sein); ȤȤ Symptome der Vermeidung (nicht daran denken wollen, nicht darüber sprechen wollen, bestimmte Situationen vermeiden; auch extreme Vergesslichkeit kann mit der Vermeidung zusammenhängen, als generalisierte – unbewusste – Tendenz, Inhalte aus dem Bewusstsein zu drängen);

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ȤȤ Symptome der Dissoziation (innerlich aus der aktuellen Situation aussteigen, abwesend sein, nicht mehr mitbekommen, was gesagt wird oder um einen herum passiert, z. B., wenn das Gespräch sich um belastende Themen dreht, oder aber auch im Alltag, wenn z. B. im Schulunterricht Erinnerungen hochkommen). Eine traumasensible Haltung bedeutet Achtsamkeit beim Umgang mit potenziell belastenden Themen. Wenn wir nach Erfahrungen der Vergangenheit fragen (müssen), sollten wir die Reaktionen unseres Gegenübers gut beobachten und bei Anzeichen traumatypischer Belastung stabilisierend intervenieren können. Häufig ist es traumatisierten Menschen nicht bewusst, dass sie unter trauma­ typischer Symptomatik leiden. Sie haben lediglich den Eindruck, die Kontrolle über ihre Gefühle zu verlieren, anders zu sein als früher, verrückt zu werden. Dann ist es sehr entlastend, wenn ihnen jemand (in verständlichen Worten) erklären kann, was da mit ihnen passiert, damit sie ihre eigenen Reaktionen einordnen und begreifen können, dass es sich um eine normale Reaktion auf unnormale Ereignisse handelt. Es geht an dieser Stelle nicht darum, ein umfängliches, akkurates Modell des Phänomens »Trauma und Traumafolgestörung« zu vermitteln, sondern Worte und Bilder zu finden, die für die betroffene Person greifbar und nachvollziehbar sind, sodass sie beginnen kann, ein eigenes hilfreiches Modell ihrer innerpsychischen Vorgänge zu entwickeln. Ein solches Modell, mit dem dann weitergearbeitet werden kann, ist zwangsläufig zunächst einmal vereinfacht. Die Ausdrucksweise sollte dem Gegenüber, der jeweiligen Beziehung und auch dem, was man selbst authentisch transportieren kann, angepasst sein. So richtet sich die beispielhafte Erklärung im Praxistipp 3 an eine Jugendliche, einen Jugendlichen mit wenig formaler Bildung. Deshalb

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

ist sie in der Du-Form und mit einfachen Begriffen formuliert (ebenso wie die weiteren Anleitungen zu Visualisierungsübungen in Kapitel 4.6). In der Arbeit mit einer geflüchteten Akademikerin kann hingegen zum Beispiel eine fachlichere Sprache gewählt werden, und bei einem erwachsenen Klienten, einer erwachsenen Klientin ist es in der Regel angemessen zu siezen. Praxistipp 3: Einem/einer Jugendlichen die Traumafolgestörung erklären

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»Manchmal erleben wir Menschen Dinge, die so bedrohlich und schrecklich sind, dass wir sie nicht sofort bewältigen können. Es gibt körperliche Verletzungen – wenn wir zum Beispiel stürzen und uns ein Bein brechen, ist das eine Verletzung, die Behandlung braucht (z. B. einen Gipsverband) und die langsam heilt. Es gibt auch seelische Verletzungen. Wenn man etwas so Schreckliches erlebt wie du, macht es so etwas wie eine Wunde im Herzen. Es ist normal, dass wir verwundbar sind – wir sind ja Menschen mit Gefühlen und keine Steine oder Roboter. Manchmal sieht man Verletzungen nicht sofort, wenn zum Beispiel unter der Haut noch eine Entzündung ist, die Wunde noch schmerzt. Auch solche seelischen Wunden können noch unter der Haut sein – auch wenn die Situation schon lange vorbei ist, kann es sein, dass die Wunde im Herzen noch nicht verheilt ist und schmerzt. Es ist, als ob die schrecklichen Gefühle aus der schlimmen Situation noch im Herzen sind, ein bisschen wie Eiter in einer Wunde. Das kann daran liegen, dass die Situation so schlimm und gefährlich war, dass man es sich in dem Moment gar nicht leisten konnte, das alles zu fühlen, weil man ja überleben musste. Diese Gefühle sind noch da und kommen später immer wieder hoch, zum Beispiel, wenn man etwas sieht oder hört, was einen an

Traumasensible Haltung und Psychoedukation61

diese Situation erinnert. Das ist, als wenn man an eine entzündete Stelle am Körper stößt – das tut weh, auch bei einer leichten Berührung. Die Symptome, unter denen du leidest, sind sehr verständlich. Wenn wir in einer bedrohlichen Situation sind, gibt uns der Körper ganz viel Energie, damit wir schnell reagieren, fliehen oder gegen einen Angreifer kämpfen können. Das ist so bei allen Lebewesen, das soll unser Überleben sichern. Wenn wir aber nicht verhindern können, dass etwas Schlimmes passiert, wenn wir diese Energie also nicht nutzen können, dann bleibt sie sozusagen im Körper gespeichert. Dadurch ist man später angespannt, nervös, erschreckt sich leicht oder wird schneller wütend, kann schlecht schlafen und sich schlecht konzentrieren. Der Schrecken sitzt noch im Körper, und es geht darum, Wege zu finden, wie diese gespeicherte Energie abfließen kann. Wenn wir in einer extrem bedrohlichen Situation sind, der wir uns nicht entziehen können, die Situation aber zu schrecklich ist, um sie auszuhalten, tut unser Gehirn manchmal etwas, um uns zu schützen: Wir entziehen uns innerlich. Wir können an der Situation nichts ändern, aber unsere Wahrnehmung verändert sich. Dann wirkt vielleicht alles irreal, wie im Film oder im Traum, man hat vielleicht das Gefühl, als ob man neben sich steht, sich von außen sieht, oder man sieht Dinge in Zeitlupe oder wie durch einen Schleier ablaufen. Vielleicht kriegt man gar nicht mehr richtig mit, was passiert. Und manchmal passiert es Menschen, die so etwas erlebt haben, auch später wieder, dass sie – ohne es zu wollen – innerlich aussteigen. Dann hört oder sieht oder denkt man vielleicht etwas, was einen an die bedrohliche Situation erinnert, und die Reaktion, dass die Wahrnehmung sich verändert, setzt wieder ein. Erst später merkt man dann zum Beispiel, dass man gar nicht mehr mitbekommen

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

hat, was im Beratungsgespräch oder in der letzten halben Stunde im Unterricht gesagt wurde, weil man abwesend war. Ein anderes typisches Symptom ist das Wiedererleben. Wenn man ein Erlebnis noch nicht verarbeitet hat, kommen immer wieder Erinnerungen an die Situation – vor allem, wenn man etwas Ähnliches sieht oder hört oder riecht oder auch, wenn man keine Ablenkung hat, zum Beispiel beim Einschlafen oder in Träumen. Und eben, weil es noch nicht verarbeitet ist, kommen damit auch die schlimmen Gefühle von Angst und Entsetzen. Zum Glück muss das nicht so bleiben. Auch die Wunden im Herzen können heilen. So schreckliche Erlebnisse und die typischen Reaktionen darauf haben viele Menschen erlebt, und aus diesen Erfahrungen sind inzwischen viele Methoden entwickelt worden, die helfen. So kann man zum Beispiel trainieren, selbst mitzubekommen, in welchen Situationen welche Symptome entstehen und wie man selbst gut damit umgehen kann. So kann man üben, sich selbst wieder zu beruhigen oder zu orientieren, also sich selbst wieder bewusst zu machen, wo man gerade ist, und wieder in die Gegenwart zu kommen. Man kann trainieren, sich von den belastenden Gefühlen und Bildern abzulenken, Kontrolle und Abstand zu bekommen. Es gibt die Möglichkeit, später in der Therapie die Situation, die damals zu schlimm war, um sie direkt zu bewältigen, weiterzuverarbeiten, sodass sozusagen der Eiter aus der Wunde abfließen kann. Es bleibt vielleicht eine Narbe, aber sie schmerzt nicht mehr ständig. Man kann die Situation nicht vergessen, was sich viele wünschen, aber das Gefühl dazu kann sich verändern. Man weiß und fühlt dann: Es war schlimm, aber es ist Vergangenheit. Heute ist es anders.«

Handwerkszeug vermitteln63

4.5 Handwerkszeug vermitteln: Strategien zur Distanzierung und Selbstberuhigung Ein wichtiger Teil der psychosozialen Arbeit mit geflüchteten Menschen, die unter Traumafolgestörungen leiden, ist, ihnen Techniken zu vermitteln, die es ihnen erlauben, wieder Kontrolle zu erlangen, Symptomen nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern darauf reagieren zu können und sich selbst beruhigen oder reorientieren zu können, sich zum Beispiel von belastenden Bildern zu distanzieren (vgl. hier und im Folgenden Zito u. Martin, 2016). An dieser Stelle wollen wir einige Techniken vorstellen, die sich in der Alltagsarbeit mit Geflüchteten als hilfreich erwiesen haben. 4 4.5.1 Reorientierung und Dissoziationsstopp

Bei traumatypischer Symptomatik, Wiedererleben oder auch Dissoziationsneigung ist es hilfreich, wieder mit allen Sinnen in die Gegenwart zu kommen. Dazu braucht es häufig intensive Reize, die traumatisierte Menschen lernen können, gezielt selbst einzusetzen (vgl. Hantke u. Görges, 2012; Scherwath u. Friedrich, 2012). Sie können ihren Klienten und Klientinnen Vorschläge machen, wozu sie in Praxistipp 4 einige Anregungen finden, und mit ihnen gemeinsam ausprobieren, was bei ihnen individuell gut funktioniert. Entsprechend können traumatisierte Menschen dann später stets ihre eigenen Hilfsmittel bei sich führen, die sie bei Bedarf einsetzen können. Damit beginnen sie, wieder Kontrolle zu erlangen.

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

Praxistipp 4: Intensive Sinnesreize erzeugen

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–– Geruch: Um den Geruchssinn zu reizen, kommen ätherische Öle, ein bestimmtes (Lieblings-)Parfüm oder ein Fläschchen mit Duschgel, eine Bodylotion oder getrocknete Kräuter infrage. Der Geruch kann, muss aber nicht besonders angenehm sein – es geht vor allem darum, dass er ins Bewusstsein dringt und einen anderen Zustand hervorruft. Hier können auch besonders unangenehme oder scharfe Gerüche wie von Senf oder Essigessenz helfen. –– Haptik/Körperempfinden: Das Körperempfinden wird angeregt, wenn man einen Igelball knetet und über den Körper rollt oder ein Gummiband (z. B. ein dünnes Haargummi) um das Handgelenk trägt und es gegen die Haut schnipst. Das Gummiband erzeugt einen Schmerzreiz, der die Intensität besitzt, durchzudringen. Gleichzeitig verursacht es keine Verletzungen (wenn man es nicht exzessiv betreibt) im Gegensatz zum Ritzen oder Kratzen, das manche traumatisierte Menschen entwickeln. Auch ein Eiswürfel, der über die Haut gerieben wird, erzeugt einen starken Sinnesreiz, kann aber nicht mitgeführt werden. –– Geschmack: Intensive Sinnesreize im Mund erzeugen zum Beispiel extra starke Pfefferminzbonbons, Chilischoten, Ingwer, eine ganze Brausetablette oder eine Tüte mit Brausepulver. –– Akustik: Hier eignet sich vor allem Musik. So kann man zum Beispiel auf dem Handy sein Lieblingslied speichern und bei Bedarf anhören oder es einfach summen oder singen. Beim Einsatz von Musik sollte aber vorher gut mit dem/der Betroffenen exploriert werden, ob das entsprechende Lied tatsächlich mit positiven, tröstenden Emotionen verbunden ist oder aber Erinnerungen an schöne vergangene Zeiten

Handwerkszeug vermitteln65

weckt und letztlich eher Gefühle von Verlust und Trauer hervorruft.

Auf der psychischen Ebene kann es günstig sein, einen »Brief an sich selbst aus besseren Zeiten«, wie ihn Praxistipp 5 vorstellt, bei sich zu haben. Praxistipp 5: Brief an sich selbst aus besseren Zeiten

Da sich viele in Momenten der tiefen Traurigkeit oder des Abgleitens in die Erinnerungen nicht mehr vorstellen können, was das Leben für sie lebenswert machen könnte, kann es hilfreich sein, während guter Tage einen Brief an sich selbst zu entwickeln. Die betroffene Person kann in einem solchen Brief selbst formulieren, was ihr Spaß macht, welche Beziehungen tragen und welche Hoffnungen und Wünsche sie hat beziehungsweise schon verwirklicht hat. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Hoffnungen und Wünsche dann leichter annehmbar sind und wie Brücken zu mehr Zuversicht funktionieren können. Dies wirkt der Vorstellung von Betroffenen entgegen, dass ihr Blick auf die eigenen Ressourcen als Bagatellisierung des erfahrenen Leids wahrgenommen werde.

4.5.2 Achtsamkeits- und Reorientierungsübungen

Traumatisierte Menschen leiden häufig darunter, dass sie von belastenden Erinnerungsbildern verfolgt werden, dissoziieren (traumatypische Abwesenheitszustände aufweisen) oder sich in Grübelschleifen verfangen – sie sind oft eher in einer schrecklichen Vergangenheit oder einer befürchteten Zukunft als im Hier und Jetzt oder auch gar

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

nicht richtig da. Wenn die Gegenwart nicht akut bedrohlich und belastend ist (was bei Geflüchteten mit unsicherem Aufenthalt in einer Sammelunterkunft leider allzu häufig der Fall ist), ist es hilfreich zu trainieren, mit allen Sinnen in die Gegenwart zu kommen, an diesen Ort, zu diesem Zeitpunkt. Eine gute Gegenwart ist der beste Anker. Eine sehr gute Reorientierungsübung, die wir in der Praxis häufig anwenden, wenn Klienten oder Klientinnen in einem Gespräch beginnen, zu dissoziieren, oder von traumarelevanten Erinnerungen und Gefühlen überflutet werden, ist die 5-4-3-2-1-Übung (vgl. Huber, 2003; Hantke u. Görges, 2012). Praxistipp 6 erklärt, wie sie geht. 4

Praxistipp 6: Die 5-4-3-2-1-Übung

Die Klienten werden gebeten, zunächst fünf Dinge zu benennen, die sie jetzt hier im Raum sehen (z. B. die gelbe Tasse auf dem Tisch, das grüne Kissen). Danach sollen sie fünf Dinge benennen, die sie hören (z. B. Stimmen aus dem Nebenraum, ein vorbeifahrendes Auto). Als Nächstes wird nach vier Dingen gefragt, die sie sehen beziehungsweise hören, dann nach drei, dann zwei, dann einem. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die meisten mit ihrer Aufmerksamkeit in der Gegenwart angelangt.

Es ist sinnvoll, die 5-4-3-2-1-Übung entsprechend ihrer Funktion zu erläutern: dass es darum geht, aus der Belastung oder der Dissoziation herauszukommen und zu trainieren, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Und sie ist auch eine gute Übung für den Alltag der Klienten und Klientinnen. Als Fachkraft können Sie zum Beispiel gemeinsam mit ihnen Achtsamkeitsspaziergänge (vgl. Zito u. Martin, 2016) machen, wie sie Praxistipp 7 vorschlägt.

Handwerkszeug vermitteln67

Praxistipp 7: Achtsamkeitsspaziergänge

Während eines gemeinsamen Spaziergangs erzählen Sie einander abwechselnd, was Sie sehen, was Sie hören, was Sie spüren (z. B. den Wind im Haar, den Fuß auf dem Boden). Manche Klienten und Klientinnen erfinden eigene Ergänzungen, zum Beispiel, welches deutsche Wort sie auf einem Schild lesen können (z. B. Apotheke, Parken verboten).

In einem nächsten Schritt können die Klienten und Klientinnen trainieren, auch allein immer wieder mit der Aufmerksamkeit, das heißt mit allen Sinnen, in die Gegenwart zu kommen. Viele Alltagshandlungen können zum Beispiel als Achtsamkeitsübungen durchgeführt werden. So kann man unter anderem mit voller Aufmerksamkeit und mit allen Sinnen kochen, essen oder spülen. Auch Körperübungen können dabei helfen, wieder in den Moment und in den eigenen Körper zurückzukommen. Sie können außerdem aufgestaute Energie und Anspannung abbauen. Praxistipp 8 führt dies näher aus. Praxistipp 8: Körperübungen

Wenn sich in Beratungsgesprächen dissoziative Tendenzen zeigen oder belastende Gefühle übermächtig werden, kann es hilfreich sein, gemeinsam mit den Klienten und Klientinnen aufzustehen, die Füße auf dem Boden zu spüren, vielleicht fest aufzutreten oder durch den Raum zu gehen, sich zu strecken oder auszuschütteln (vgl. Scherwath u. Friedrich, 2012). Manchmal ist es besser, Gespräche gemeinsam in Bewegung als im Sitzen zu führen, um die Energie wieder ins Fließen zu bringen, zum Beispiel zusammen eine Runde um den Block oder durch

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

den Park zu gehen und dabei weiterzusprechen. Häufig ist es sinnvoll, die Klienten und Klientinnen dabei zu unterstützen, für sie alltagstaugliche Bewegungsformen zu finden (z. B. regelmäßige Spaziergänge, joggen, Radfahren, die Mitgliedschaft im Fitnessstudio oder einem Sportverein, traumasensibles Yoga oder progressive Muskelentspannung).

4.5.3 Distanzierung: Ablenkungstechniken

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Ablenkungstechniken sind gezielte Maßnahmen, um die Aufmerksamkeit von stressauslösenden Inhalten abzulenken, indem der Geist mit beruhigenden, tendenziell eher monotonen Inhalten beschäftigt wird. Auch dies ist eine Form, Kontrolle zu gewinnen. In Praxistipp 9 und 10 finden Sie entsprechende Übungen. Praxistipp 9: Zähl- und Rechenaufgaben

Hier wird so lange gezählt oder gerechnet, bis die innere Erregung nachlässt. Es können Gegenstände im Raum gezählt werden (z. B. die Rippen der Heizung, die Fliesen an der Wand, die Streifen auf der Tischdecke). Gerechnet wird je nach mathematischen Fähigkeiten, sodass die Aufgabe bewältigbar ist, aber die volle Konzentration verlangt, zum Beispiel das kleine Einmaleins vorwärts und rückwärts, von 100 rückwärts zählen, von 100 in Siebenerschritten rückwärts zählen, von 4.371 in 23erSchritten rückwärts zählen …

Imaginationsübungen69

Praxistipp 10: ABC-Aufgaben

Diese Übung eignet sich für Menschen, die des Schreibens mächtig sind, schon sehr gut Deutsch sprechen oder die Übung in ihrer Muttersprache oder einer anderen geläufigen Sprache ausführen möchten. Aufgabe ist es, zu allen Buchstaben des Alphabets Begriffe aus einem bestimmten, möglichst wohltuenden Themenfeld zu finden (vgl. Gräßer u. Hovermann, 2015), zum Beispiel Lebensmittel (wie Apfel, Birne, Clementine), Tiere, Dinge, die man besonders gerne mag, Fußballspieler – der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Eine andere Möglichkeit ist es, möglichst lange Sätze zu bilden, bei denen alle Worte mit dem gleichen Anfangsbuchstaben beginnen (z. B. »Alle Affen angeln Aale«).

4.6 Imaginationsübungen Eine bewährte Technik der Traumatherapie und Traumapädagogik sind Imaginationsübungen (vgl. Reddemann, 2001; Huber, 2003). Diese knüpfen an die Tendenz und Fähigkeit unserer Klienten und Klientinnen an, innere Bilder mit einer hohen emotionalen Aufladung zu erschaffen. Letzten Endes sind auch die traumatypischen Intrusionen, das heißt das Wiedererinnern und -erleben des Traumas, nur noch innere Bilder – das Ereignis findet nicht aktuell statt. Traumatisierte Menschen rufen sich diese Bilder nicht bewusst in den Kopf, meist wollen sie gar nicht daran denken – es passiert außerhalb ihrer Kontrolle. Es geht bei der Imaginationstechnik also darum, wieder Kontrolle über die inneren Bilder zu erlangen und diese bewusst steuern zu lernen. Denn wir Menschen können nicht an nichts denken. Wir brauchen eine Alternative, auf die wir bewusst unsere Aufmerksamkeit richten kön-

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

nen. Imaginationsübungen helfen, bewusst positive innere Bilder und die damit einhergehenden Gefühle heraufzubeschwören. Andere Imaginationsübungen können einen dabei unterstützen, Kontrolle über belastende Bilder und Inhalte zu erlangen, Distanz und Entlastung zu schaffen. In diesem Kontext sollten Imaginationsübungen nicht als Fantasiereisen angeleitet werden, bei denen die Klienten und Klientinnen passiv und mit geschlossenen Augen oder einem sehr entspannten, unscharfen Blick bleiben. Denn bei traumatisierten Menschen besteht die Gefahr, dass sie während der Übung dissoziieren. Und Imaginationsübungen liegen nicht jedem/jeder, bei manchen funktioniert das Visualisieren einfach nicht gut. Nur im dialogischen, wachen Kontakt mit den Klienten und Klientinnen können wir uns direkt Rückmeldungen geben lassen, ob und wie die Übung auf sie wirkt, und das Vorgehen gegebenenfalls modifizieren. Stellen Sie Fragen, machen Sie Vorschläge, lassen Sie sich die inneren Bilder genau beschreiben. Bei der im Praxistipp 11 vorgestellten Tresorübung geht es darum, belastende Inhalte in einem imaginären Tresor sicher zu verschließen und so eine Distanzierung herzustellen und Kontrolle zu gewinnen (vgl. Hantke u. Görges, 2012; Huber, 2003; Scherwath u. Friedrich, 2012). Praxistipp 11: Tresorübung

»Stell dir vor, du würdest die schlimmen Bilder auf eine DVD brennen. Kannst du dir eine DVD vorstellen? Welche Farbe hat die DVD? Wie fühlt sie sich an? Stell dir nun vor, du packst die DVD in eine Hülle. Was ist das für eine Hülle? Aus welchem Material besteht sie? Welche Farbe hat sie? Steht ein Titel darauf? Falls ja, welcher Titel ist das? Nun wollen wir diese DVD in einen Tresor packen, in dem sie sicher aufbewahrt ist. Kannst du dir einen

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Tresor vorstellen? Wie groß ist er? Aus welchem Material besteht er? Welche Farbe hat er? Wie fühlt er sich an? Warm, kalt? Stell dir vor, dein Tresor steht offen vor dir. Kannst du das sehen? Stell dir vor, du legst die Hülle mit der DVD nun dort hinein. Kannst du dir das vorstellen? Und nun stell dir vor, dass du die Tür des Tresors schließt. Lässt sie sich leicht bewegen, oder ist sie schwer, und du musst fest drücken? Macht es ein Geräusch, wenn du die Tür ins Schloss drückst? Nun stell dir vor, dass du das Schloss abschließt. Was ist es für ein Schloss? Ist es ein Rad, das du drehen musst? Oder ist es ein großer Schlüssel, den du im Schloss drehst? Stell dir genau vor, wie du das Schloss drehst, wie es sich anfühlt, welches Geräusch es macht. Kannst du dir das vorstellen? Wie ist das? Wenn du nun das Schloss sicher abgeschlossen hast, tritt einen Schritt zurück, atme durch und betrachte den sicher verschlossenen Tresor von außen. Nun überlege dir, wo du den Tresor unterbringen möchtest. Soll er an einem Ort in erreichbarer Nähe sein, oder soll er weit weg sicher aufbewahrt werden? Möchtest du ihn in einem Gebäude aufstellen, zum Beispiel in einer Bank, oder soll er irgendwo in der Natur sein, weit oben in den Bergen, zum Beispiel in einem See? Und nun überlege dir noch, wo du den Schlüssel aufbewahren willst. Hast du einen Ort? Stell dir vor, wie du ihn dort ablegst. Nun weißt du, wo alles sicher verwahrt ist und du bei Bedarf wieder darauf Zugriff hast.«

Die wichtige traumatherapeutische oder -pädagogische Technik des sicheren Ortes oder Wohlfühlortes (vgl. Hantke u. Görges, 2012; Huber, 2003; Scherwath u. Friedrich, 2012) ist in der Arbeit mit geflüchteten Menschen mit Bedacht einzusetzen. Wenn akut noch eine Bedrohungssituation besteht, also zum Beispiel ein unsicherer

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

Aufenthalt, eine prekäre Lebenssituation in einem Flüchtlingslager mit Konflikten und Abschiebungen, ist es für viele Menschen verständlicherweise nicht möglich, mithilfe einer Imaginationsübung ein Gefühl von Sicherheit herzustellen. Möglicherweise machen sie die Erfahrung, dass es ihnen nicht gelingt, ein glaubwürdiges Bild zu imaginieren, oder nach einem Moment der scheinbaren Sicherheit bricht unwillkürlich eine Bedrohung in das innere Bild herein. Die Übung ist dann nicht hilfreich, sondern die Klienten und Klientinnen machen eine Erfahrung des Scheiterns. Viele Menschen brauchen einen realen sicheren Ort, den sie dann auch imaginieren können. Das kann zum Beispiel das Therapiezimmer sein, in das sie sich im Alltag hineinversetzen. Es gibt allerdings auch Menschen, die auch in einer unsicheren Lebenssituation von dieser Imaginationsübung profitieren, deshalb wollen wir sie hier nicht vorenthalten. Solange keine reale Sicherheit existiert, ist es sinnvoller, statt eines sicheren Ortes einen Ort einzuführen, an dem sich die Klienten und Klientinnen besonders wohlfühlen, einen Wohlfühlort. Praxistipp 12: Der Wohlfühlort

»Gibt es einen Ort, an dem du dich absolut wohlfühlst? Vielleicht dein eigenes Zimmer oder einen Ort in der Natur? Falls ja, wie sieht dieser Ort aus? Beschreibe ihn ganz genau. Falls es momentan keinen realen Ort gibt, an dem du dich sicher und geborgen oder zumindest wohlfühlst, kannst du ihn in deinem Inneren erschaffen. Du kannst selbst bestimmen, wie genau dieser Ort sein soll. Es kann ein realistischer Ort sein oder auch ein fantastischer Ort, wie in einem Film oder in einem Märchen. Was für ein Ort wäre für dich genau richtig? Wäre es zum Beispiel ein Ort

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in der Natur oder ein Gebäude, ein Zimmer in einem Haus, eine Hütte auf einer Insel oder ein Schloss?« Je nachdem, ob der Ort in Innenräumen oder draußen gewählt wird, geht es unterschiedlich weiter, zum Beispiel: »Welche Pflanzen, Blumen und Bäume siehst du dort? Wie ist die Temperatur der Luft? Fühlst du die Sonne auf der Haut? Kannst du etwas hören, vielleicht das Zwitschern von Vögeln oder das Plätschern eines Bachs? Gibt es Schmetterlinge? Ist ein Duft in der Luft, vielleicht von Blumen? Gibt es dort einen besonders gemütlichen Platz, an dem du dich niederlassen möchtest, vielleicht auf einer Decke oder auf warmem Moos, angelehnt an einen Baum? Wie fühlt es sich an, es sich dort gemütlich zu machen?« Oder aber, wenn es ein Innenraum ist: »Wie groß ist der Raum? Welche Möbel stehen darin? Welche Farben siehst du? In welcher Farbe sind die Wände gestaltet? Hängen dort Bilder? Was ist darauf zu sehen? Wie ist die Temperatur? Gibt es einen Duft im Raum, vielleicht von Blumen oder Gebäck? Kannst du dort etwas hören, vielleicht eine schöne Musik, oder ist es angenehm still? Gibt es dort einen besonders gemütlichen Platz, auf dem du dich niederlassen möchtest? Vielleicht einen gemütlichen Sessel? Wie genau sieht er aus? Welche Farbe, was für ein Material hat er? Kannst du dir vorstellen, es dir dort gemütlich zu machen? Wie fühlt es sich an?« In beiden Varianten kann es so weitergehen: »Wenn du dich so umschaust an deinem Ort: Gibt es irgendetwas, was du gerne noch verändern möchtest? Du kannst alles verändern, bis es genau richtig für dich ist – Farben, Temperatur, du kannst Dinge weglassen oder hinzufügen. Verändere alles so lange, bis du das Gefühl hast, es ist für diesen Moment perfekt. Und vielleicht gibt jetzt es noch irgendeine Kleinigkeit, die den Ort noch wunderbarer machen würde. Dann füge sie hinzu. Ist es jetzt genau richtig?

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

Schau dich genau an deinem Ort um und präge dir gut ein, was du dort siehst und hörst und spürst. Es ist dein Ort, er gehört dir. Du kannst ihn innerlich immer wieder aufrufen und in deinen Gedanken dorthin gehen.«

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Weitere hilfreiche Imaginationsübungen, die gegebenenfalls mit dem Wohlfühlort kombiniert werden können, sind das Ablegen eines schweren Rucksacks oder die Begegnung mit einem inneren Helfer, einer inneren Helferin oder einem Krafttier. Häufig ist es gut, bestimmte Qualitäten nicht nur imaginativ aufzubauen, sondern ein greifbares Produkt zu erschaffen. Eine Möglichkeit ist es, den Tresor, den Wohlfühlort, das Krafttier zu malen, in einer Collage zu erstellen oder zu basteln.

4.7 Ressourcenorientierung In der psychosozialen Arbeit mit geflüchteten Menschen, die vieles von dem, was ihr Leben ausgemacht hat, verloren haben, ist es sinnvoll, an den Ressourcen der Klienten und Klientinnen anzuknüpfen, an den Dingen, die sie gut und gerne machen, die ihre Energie und Kreativität wieder in den Fluss bringen, bei denen sie sich als (selbst-)wirksam erleben (vgl. Zito u. Martin, 2016). Die Ressourcen können Tätigkeiten sein, aber auch eigene Haltungen, Überzeugungen und Glaubenssysteme, die Kraft und Halt geben. Die Ressourcen können auf vielen Ebenen liegen, zum Beispiel: ȤȤ kulturspezifische und gleichzeitig überkulturelle Tätigkeiten und Fertigkeiten wie Kochen, Backen, Handarbeiten, Handwerken; ȤȤ körperorientierte Tätigkeiten wie Spaziergänge, Sport, Tanz, Yoga; ȤȤ künstlerischer Ausdruck, Kreativität wie malen, Musik machen, schreiben;

Ressourcenorientierung75

ȤȤ soziale und familiäre Bindungen wie Verbundenheit, Verantwortung; ȤȤ Werthaltungen, also überdauernde Orientierungsrahmen, die psychische Stabilität vermitteln, wie Religiosität, Spiritualität, politische Überzeugungen, moralische Haltungen; ȤȤ Zukunftsorientierung und -pläne (auch wenn das Leben gerade schrecklich ist: Wofür lohnt es sich, zu überleben? Was mache ich mit diesen Erfahrungen? Was will ich noch lernen? Welchen Beruf will ich ergreifen? Was will ich meinen Kindern später einmal mit auf den Weg geben können? etc.). Es lohnt sich, bewusst den Blick auf die Ressourcen zu richten, sie mit den Klienten und Klientinnen zu erkunden und auszubauen, ihnen (wieder) einen bewussten Platz im Leben zu geben. Manchmal sind traumatisierte Geflüchtete sehr auf Schmerz, Verlust und Sorgen fokussiert. Eine Würdigung des erlittenen Leids und die konkrete Verbesserung der aktuellen Lebenssituation sind grundlegend für die gemeinsame Arbeit. Eine vorschnelle Fokussierung auf die positiven Dinge im Leben kann verständlicherweise als ein Nicht-Ernstnehmen und Ausblenden der realen Belastungen empfunden werden. Dennoch ist es sinnvoll, im Verlauf der Begleitung daran zu arbeiten, auch die Dinge wahrnehmen zu können, die trotz aller Belastung positiv sind, weil diese die Kraft geben, die schwere Zeit durchzuhalten. Greifbare Formen, um sich im Alltag an den positiven Blick zu erinnern, sind zum Beispiel das FreudeTagebuch im Praxistipp 13 und die Erbsen in der Tasche im Praxistipp 14.

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

Praxistipp 13: Das Freude-Tagebuch

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Aufgabe beim Freude-Tagebuch ist es, sich jeden Abend kurz Zeit zu nehmen, einige Dinge aufzuschreiben, die im Verlauf des Tages für einen Moment zumindest ein kleines bisschen freudvoll waren oder für die man dankbar ist. Das muss gar nichts Großes sein, gerade die kleinen Dinge (z. B. ein Sonnenstrahl auf der Haut, der Duft eines blühenden Busches auf dem Weg, ein freundlicher Blick oder ein Gespräch) sind es wert, sie bewusster wahrzunehmen. Durch das Aufschreiben schärft sich die Wahrnehmung dieser Momente, und durch die bewusste Umfokussierung der Wahrnehmung fallen den Klienten und Klientinnen mit der Zeit möglicherweise immer mehr Dinge auf, die positiv sind.

Praxistipp 14: Die Erbsen in der Tasche

Die Erbsen in der Tasche haben einen ähnlichen Zweck wie das Freude-Tagebuch. Sie eignen sich für Menschen, die nichts aufschreiben können oder wollen. Stattdessen steckt sich die Person einige Erbsen (oder z. B. Murmeln, Knöpfe) in eine Hosentasche, zum Beispiel die linke. Immer, wenn es im Verlauf des Tages einen kleinen Moment der Freude oder Dankbarkeit gibt, packt sie eine der Erbsen von der linken in die rechte Hosentasche. Am Abend werden die Erbsen aus der rechten Hosentasche herausgeholt und man ruft sich noch einmal die guten Momente, die sie repräsentieren, ins Bewusstsein.

Ressourcenorientierung77

Die sehr einfache Übung der Fünf-Sinne-Hand, die in Abbildung 8 und im Praxistipp 15 vorgestellt wird, dient dazu, persönliche Kraftquellen in strukturierter Form zu erfassen. Sie entwickelt die Ressourcenhand (Scherwath u. Friedrich, 2012, S. 100, 202) weiter beziehungsweise vereinfacht sie. Die Idee dabei ist, dass sich Menschen gerade in Belastungssituationen ihrer eigenen Kraftquellen oft nicht bewusst sind beziehungsweise diese wenig nutzen. Die Fünf-Sinne-Hand ist eine Methode, um diese Kraftquellen gemeinsam mit einem Klienten, einer Klientin oder auch in einer Gruppe ins Bewusstsein zu holen und in einer zugänglichen Form festzuhalten. Das Ergebnis ist ein Blatt Papier mit einer Ressourcenhand, das die Klienten und Klientinnen an einer geeigneten Stelle aufbewahren und bei Bedarf (oder auch täglich) hervorholen sollten, um sich davon anregen zu lassen, eines (oder mehrere) der wohltuenden, kraftspendenden oder beruhigenden Dinge, die sie auf die Hand geschrieben haben, zu tun.

Abbildung 8: Die Fünf-Sinne-Hand

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Praktische Vorgehensweisen und Übungen

Praxistipp 15: Die Fünf-Sinne-Hand

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Zunächst wird der Umriss der eigenen Hand auf einem Blatt Papier abgezeichnet. Dann werden an den einzelnen Fingern Stichpunkte anhand von Fragen zu den fünf Sinnen Hören, Sehen, Schmecken, Riechen und Spüren (im Sinne von Körperempfindungen) gesammelt. Die Frage ist dabei immer »Was tut mir gut?«, und dabei gibt es die zwei Qualitäten »Was beruhigt mich?« oder »Was belebt mich angenehm?« (siehe Abbildung 8). Anschließend werden in die Handflächen alle Tätigkeiten (oder Untätigkeiten) geschrieben, die außerdem noch wohltuend sind, sich aber keinem der Finger beziehungsweise keiner der einzelnen Sinnesqualitäten zuordnen lassen, zum Beispiel beten, meditieren, auf dem Sofa liegen und gar nichts tun, sich mit Freunden und Freundinnen treffen …

Nicht erst das Produkt, auch das Erarbeiten der Ressourcenhand kann bereits hilfreich wirken. Wenn Menschen in einem Kontext aufgewachsen sind, in dem nie gefragt wurde: »Wie geht es dir?«, »Was möchtest du?«, in dem also nicht Selbstfürsorge oder Introspektion gefragt waren, sondern Funktionieren und Anpassung an die Gemeinschaft oder übergeordnete Erfordernisse, ist es für sie oft gar nicht so einfach, klar zu benennen, was ihnen gut tut, das heißt, was ihre Kraftquellen sind. Daher ist es nötig, sich für die Übung Zeit zu nehmen, eventuell Vorschläge zu machen, der betroffenen Person den Raum zu geben, nachzuspüren und sich der eigenen Kraftquellen bewusst zu werden (und sich in der Folge zu erlauben, sie zu nutzen).

5 Begleitung und Unterstützung im Asylverfahren

Der weitere Lebensverlauf geflüchteter Menschen – Absicherung, Inklusion, Stabilisierung oder aber Chronifizierung von Unsicherheit und Exklusion – wird existenziell durch den Verlauf des Asylverfahrens bestimmt. Deshalb kann dieses höchst relevante Themenfeld in der psychosozialen Arbeit nicht außer Acht gelassen werden. Zur inhaltlichen Vorbereitung und Begleitung des Asylverfahrens sollten in jedem Fall fachkompetente, spezialisierte Stellen einbezogen werden. Parallel ist es aber häufig notwendig, (traumatisierten) Klienten und Klientinnen im Prozess stabilisierend und beratend zur Seite zu stehen.

5.1 Die Vorbereitung auf das Asylverfahren Viele Menschen haben keine Beweise für ihre Verfolgungsgeschichte. Die Entscheidung über den Asylantrag hängt von der Glaubwürdigkeit ihres Vorbringens ab. Während der Anhörung müssen sie von sich aus, also aus eigener Initiative, detailreich, umfassend und »ohne Widersprüche« (vgl. Frings u. Dohmke, 2016) ihre Fluchtgründe darlegen. Gerade für traumatisierte Menschen kann dies eine große Überforderung darstellen. Viele Menschen vermeiden das Gespräch über das Erlebte oder erinnern sich gar nicht richtig, oder sie haben Schwierigkeiten, Erlebnisse im richtigen zeitlichen und örtlichen Kontext zu rekonstruieren. In vielen Fällen ist es sinnvoll, mit genügend Zeit (und flankiert von stabilisierenden Maßnahmen, wie sie in den vorherigen Kapiteln dargestellt wurden) die Flucht­

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Begleitung und Unterstützung im Asylverfahren

geschichte zu erheben, in die richtige Reihenfolge zu bringen und gegebenenfalls auch in Vorbereitung der Anhörung schriftlich niederzulegen, wenn man es so einschätzt, dass der Klient, die Klientin dazu nicht in der Lage sein wird. Falls Atteste über psychische oder andere Erkrankungen vorliegen, sollten auch diese ins Asylverfahren eingebracht werden. Internet-Tipps zur Anhörung

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Es gibt im Internet sehr gute Seiten mit Informationen zur Vorbereitung der Anhörung in verschiedenen Sprachen (z. B. www.asyl.net/arbeitshilfen-publikationen/ arbeitshilfen-zum-aufenthalts-und-fluechtlingsrecht/ informationsblatt-anhoerung/). Die Informationen gibt es auch als Video (www.asylindeutschland.de/de/film2/). Der Bundesfachverband Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (B-UMF) hat Empfehlungen für Vormünder und Begleitpersonen zusammengestellt (www.b-umf.de/ images/2016_07_05_Arbeitshilfe_Asylverfahren_UMF.pdf).

5.2 Die Anhörung Vielerorts ist es üblich, dass sämtliche Personen, die an einem bestimmten Datum eine Ladung zur Anhörung haben, morgens um 8.00 Uhr zum Bundesamt bestellt werden. Dann werden die Geladenen nacheinander abgefertigt. Das bedeutet für viele Menschen Wartezeiten von mehreren Stunden, das heißt bis in den Nachmittag, oft in überfüllten Warteräumen, zusammen mit teils hunderten anderen Wartenden. Manchmal kommt man auch gar nicht mehr an die Reihe und muss am nächsten Tag wiederkommen. Jeder Mensch, der schon einmal stundenlang im Wartezimmer eines Arztes darauf gewartet hat,

Die Anhörung81

endlich aufgerufen zu werden, weiß, wie nervenaufreibend dieses »ausgelieferte« Warten sein kann. Umso belastender ist die Wartezeit auf »den einen entscheidenden Termin« im Asylverfahren – erst recht für traumatisierte Menschen. Über die Stunden der Wartezeit werden viele Menschen immer mehr zum »Nervenbündel« – eine solche Verfassung ist keine gute Voraussetzung für eine gelingende Anhörung. Insofern kann bereits die »Begleitung beim Warten« eine wichtige stabilisierende Funktion haben. Praxistipps zur Wartezeit vor der Anhörung

Es ist gut, wenn die begleitende Person Taschentücher anbieten kann, falls Tränen kommen, und etwas zu essen und zu trinken (Hunger und Durst destabilisieren auch, selbst wenn die betroffene Person dies unter der Anspannung vielleicht selbst gar nicht wahrnimmt). Vielleicht ist es auch sinnvoll, etwas Beruhigendes, Ablenkendes anbieten zu können, wenn die Wartezeit sich in die Länge zieht: zum Beispiel ein Spiel, einen schönen Bildband oder auch ein »ressourcenorientiertes Gesprächsthema«. Das Wichtigste ist aber, als Vertrauensperson einfach dabei zu sein und Ruhe und Zuversicht auszustrahlen.

Noch wichtiger ist die Begleitung und Unterstützung in der Anhörung selbst. Gerade traumatisierte Menschen haben oft große Angst davor, die Erlebnisse, die zu ihrer Flucht führten, detailliert berichten zu müssen – und teilweise sind sie aufgrund der traumatypischen Symptomatik auch gar nicht in der Lage dazu. Geflüchtete haben das Recht, in der Anhörung von Vertrauenspersonen begleitet zu werden. Es ist sinnvoll, die Begleitung im Vorfeld per Fax anzukündigen und dieses Fax am Tag selbst mit sich zu führen, um darauf verweisen zu können. Rechtsgrund-

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Begleitung und Unterstützung im Asylverfahren

lage ist die »Begleitung als Beistand« nach § 14 Abs. 4 S. 1 VwVfG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG wie auch § 25 Abs. 6 AsylG. Häufig wird die Begleitung vonseiten der Mitarbeiter des Bundesamtes positiv aufgenommen – denn im Grunde ist es für alle Seiten entlastend, wenn eine Vertrauensperson stabilisierend anwesend ist. Es kann aber auch vorkommen, dass die Dolmetscherinnen, die die Geflüchteten aus dem Wartezimmer abholen, oder auch die Anhörer selbst versuchen, der Begleitung den Zutritt zur Anhörung zu verweigern. Dies ist rechtswidrig, und man sollte an dieser Stelle darauf bestehen, gegebenenfalls den Vorgesetzten oder die Vorgesetzte rufen lassen. Während der Anhörung müssen sich die Begleiterinnen im Hintergrund halten und dürfen selbst nicht aktiv intervenieren. Manchmal ist es allerdings sinnvoll, in Absprache mit den Anhörern stabilisierend einzugreifen, zum Beispiel, wenn die Klienten oder Klientinnen von belastenden Gefühlen überflutet werden, dissoziieren oder zu dekompensieren drohen. Falls deutlich wird, dass Geflüchtete während der Anhörung nicht alle Fluchtgründe berichten, die im Vorfeld erhoben wurden, kann man nach Abschluss der Befragung darauf hinweisen. Oder man hat bereits eine detaillierte Exploration (entsprechend den Ausführungen in diesem Buch) erarbeitet, die man einbringt. Leider gibt es immer wieder die Erfahrung, dass nicht alle Dolmetscher, die bei den Anhörungen eingesetzt werden, tatsächlich fachkompetent sind. In Einzelfällen werden Inhalte verzerrt oder gar falsch übersetzt, was gravierende Folgen für die Entscheidung im Asylverfahren haben kann. Wenn man die Fluchtgeschichte eines Klienten, einer Klientin gut kennt und bei einer Anhörung den Eindruck hat, dass falsch übersetzt wird, sollte man darauf hinweisen und gegebenenfalls bei dem Klienten, der Klientin nachhaken. Es ist auch möglich, einen Vertrauensdolmetscher mit in die Anhörung zu nehmen. Auch

Die Entscheidung83

die begleitende Sprach- und Kulturmittlerin hat sich im Hintergrund zu halten, kann aber direkt mitverfolgen, ob korrekt übersetzt wird, sich gegebenenfalls Notizen machen und am Ende Korrekturen einbringen.

5.3 Die Entscheidung Mit der Anhörung ist eine große Hürde geschafft. Nun kommt die nächste Herausforderung – das Warten auf die Entscheidung, das sich über viele Monate hinziehen kann. Auch während dieser Zeit ist es oft notwendig, den Klienten und Klientinnen stabilisierend zur Seite zu stehen. Und irgendwann kommt der Brief mit der Entscheidung des Bundesamtes. Der in amtlichem Deutsch formulierte Bescheid ist für Geflüchtete oft nicht verständlich. Hier gilt es erst einmal zu erklären und in Zusammenarbeit mit spezialisierten Kollegen und Kolleginnen die nächsten Schritte zu besprechen. Ist es eine Anerkennung? Wie geht es nun weiter? Kann eine eigene Wohnung gesucht, eine Arbeitserlaubnis beantragt, die Familie nachgeholt werden? Oder ist es eine Ablehnung? Dann gilt es an erster Stelle, die Klienten bzw. Klientinnen aufzufangen (Suizidalität abklären!) und zu vermitteln, dass die negative Entscheidung in den meisten Fällen kein endgültiges Scheitern bedeutet. Wenn es Schutzgründe gibt, die im Asylverfahren nicht angemessen berücksichtigt wurden, müssen fristgemäß rechtliche Schritte, das heißt eine Klage vor dem Verwaltungsgericht eingeleitet werden – hier muss unbedingt mit spezialisierten Beratungsstellen und Rechtsanwältinnen zusammengearbeitet werden. Um den Rahmen dieses Bandes nicht zu sprengen, beschränken wir uns an dieser Stelle auf diese grundsätzlichen Hinweise – nähere Informationen finden sich im bald folgenden Band dieser Buchreihe zum Thema »Rechtliche Rahmenbedingungen der Arbeit mit Geflüchteten«.

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6 Schluss und Ausblick

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Wir hoffen, dass es mit diesem kleinen Einführungsbändchen gelungen ist, einige zentrale Anregungen für die psychosoziale Arbeit mit geflüchteten Menschen zu vermitteln. Psychosoziale Arbeit und die jeweils dazu sinnvollen Arbeitsschritte in Form von Wissensbeständen und Regeln zu organisieren, kann einen wichtigen Wissenshintergrund darstellen, vor dem aber letztlich der indikationsspezifische und situationsadäquate Einsatz die eigentliche Qualität der Hilfestellung ausmacht. Weder Regeleinhaltung von Techniken noch Theoriefixierung noch pures Verlassen auf Praxisintuition sind daher unseres Erachtens die Lösung. Zielsetzung könnte sein, vor dem Hintergrund von Wissen und Erfahrung eine »strukturierte Intuition« zu entwickeln, um indikations- und prozessspezifisch sowie situationsadäquat reagieren zu können. Vor allem aber wurde deutlich, wie sehr das Wohl und die Lebensqualität von Menschen mit Fluchterfahrung von sozialpolitischen Bedingungen in den Aufnahmeländern abhängen. In dem bereits eingangs zitierten Buch »Die Angst vor den anderen. Ein Essay über Migration und Panikmache« stellt Zygmunt Bauman (2016) als Resultat eines langen, von Gewaltsystemen geschüttelten Lebens fest: »Die Politik wechselseitiger Abschottung, die Mauern statt Brücken baut und auf schalldichte Echokammern statt auf leistungsfähige Verbindungen für eine ungestörte Kommunikation setzt […], führt nirgendwo anders hin als in das Brachland des gegenseitigen Misstrauens, der Entfremdung und der Verschärfung der Lage« (S. 23). Und weiter: »Statt uns zu weigern, den Realitäten unserer Zeit

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[…] ins Auge zu blicken, statt unsere Hände in Unschuld zu waschen und die störenden Unterschiede, Ungleichheiten sowie die selbst auferlegte Entfremdung auszublenden, müssen wir nach Möglichkeiten suchen, in einen engen und immer engeren Kontakt mit den anderen zu gelangen, der hoffentlich zu einer Verschmelzung der Horizonte führt statt zu einer bewusst herbeigeführten und sich selbst verschärfenden Spaltung« (S. 23; Herv. i. O.). Arbeit mit traumabetroffenen Geflüchteten, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen muss daher konsequent ebenso dialogisch und immer wieder suchend wie kompetent, zielgerichtet und systematisch vorgehen (vgl. dazu auch den sehr anschaulichen Band zur Arbeit mit Kindern von Kühn u. Bialek, 2017). Alle Maßnahmen müssen darauf abgestimmt sein, diesen Menschen bei ihrer tagtäglichen Aufgabe beizustehen, trotz aller traumatischen Belastungen, die jeweiligen Veränderungen ihrer Lebenslage psychisch zu verarbeiten. Dafür benötigt es bei allen mit ihnen arbeitenden Berufsgruppen und Unterstützern und Unterstützerinnen auch, aber nicht nur ausreichende Fachkenntnisse (Pauls, 2011). Ein adäquates Angebot für Menschen mit Fluchterfahrungen kann den obigen Ausführungen zufolge nicht gelingen, ohne dass alle Fachkräfte über bindungs- und beziehungstheoretische Grundlagen sowie Aspekte traumatischer Erfahrungen, Belastungen und Bewältigungsmöglichkeiten informiert sind – um zu erkennen, wo diese vorliegen, aber auch, um zu unterscheiden, wo diese keine Rolle spielen. Gleichzeitig sollten die Fachkenntnisse mit einer transkulturellen Haltung und einem klaren Blick auf strukturelle Rassismen im Aufnahmeland gekoppelt sowie den betroffenen Unterstützern und Unterstützerinnen Entwicklungsund Gefährdungsfaktoren im Herkunftsland bekannt sein. Auf diese Weise für Menschen nach Fluchterfahrungen adäquat und einzelfallorientiert Möglichkeiten und Ver-

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Schluss und Ausblick

änderungsräume zu schaffen, stellt eine große Chance für die weitere Entwicklung von allen in dem Prozess Beteiligten dar. Wir hoffen, dass wir dafür einige sinnvolle Anregungen geben konnten.

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7 Literatur

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