Prophetische Heilsworte im Alten Testament 9783666538247, 3525538251, 3525538243, 9783525538241


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Prophetische Heilsworte im Alten Testament
 9783666538247, 3525538251, 3525538243, 9783525538241

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V&R

CLAUS WESTERMANN

Prophetische Heilsworte im Alten Testament

VANDENHOECK & RUPRECHT IN G Ö T T I N G E N

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Wolfgang Schräge und Rudolf Smend 145. Heft der ganzen Reihe

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen Bibliothek

Westermann, Claus: P r o p h e t i s c h e Heilsworte im Alten T e s t a m e n t / C l a u s W e s t e r m a n n . G ö t t i n g e n : V a n d e n h o e c k u. R u p r e c h t , 1987 ( F o r s c h u n g e n z u r Religion u n d L i t e r a t u r des Alten u n d N e u e n T e s t a m e n t s ; H . 145) I S B N 3-525-53825-1 kart. I S B N 3-525-53824-3 G e w e b e NE: G T

© 1987 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. J e d e Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesetzt aus Baskerville a u f L i n o t r o n 202 System 3 (Linotype). Satz und Druck: Guide-Druck G m b H , Tübingen. Bindearbeit: H u b e r t & Co., Göttingen.

Vorwort Im Jahre 1964 (51978) erschien ein Buch von mir mit dem Titel „Grundformen prophetischer Rede", der manchen etwas vollmündig erschien, da ich darin nur die Formen der Gerichtsankündigung untersucht habe. Mein dadurch erwecktes schlechtes Gewissen hielt bis zu meiner Emeritierung durch und bewegte mich zur Untersuchung der prophetischen Heilsworte, die nun abgeschlossen vorliegt. Aber „abgeschlossen" ist wieder zu viel gesagt; es ist mir klar, daß sie in vieler Beziehung skizzenhaft ist und mancher Weiterführung und Korrektur bedürfte. Vor allem muß ich mich entschuldigen, daß ich mich nur wenig mit den vorangehenden Arbeiten auseinandergesetzt habe; das war bei der Fülle der Texte schwer möglich. Auch dessen bin ich mir bewußt, daß ich wahrscheinlich manches gesagt habe, was andere schon vor mir so oder ähnlich gesagt haben. Auch das bitte ich mir nachzusehen. Es ist eigentlich nur eines, was ich mir von dieser Untersuchung erhoffe: daß sie die Notwendigkeit deutlich gemacht hat, die prophetischen Heilsworte im Zusammenhang aller dieser Worte in allen Prophetenbüchern zu untersuchen. Was in Israel Heilsprophetie in der exilischnachexilischen Zeit war, läßt sich nur aus dem Gesamtbestand der Texte erkennen. Nur so kann das Ergebnis beurteilt werden, das diese Untersuchung erbrachte: daß im Israel der exilisch-nachexilischen Zeit zwei Gruppen von Heilsworten festzustellen sind, die in einem schroffen Gegensatz zueinander stehen und deren Gegensatz dem Gegensatz zwischen Heilsund Gerichtspropheten vor dem Exil entspricht. Herrn Dr. Eberhard Ruprecht danke ich für eine sehr hilfreiche Durchsicht des Manuskripts, Herrn Harry März für freundliche Hilfe beim Besorgen von Büchern. Für das, was sonst noch im Vorwort gesagt werden sollte, verweise ich auf den Aufsatz „Zur Erforschung und zum Verständnis der prophetischen Heilsworte", ZAW 98, 1986, S. 1-13, in dem ich diese Untersuchung angekündigt habe. Im April 1987

Claus Westermann

Inhalt

Vorwort

5

Einleitung

11

Heilsworte vor der Schriftprophetie I.

Die Väterzeit, Verheißungen an die Väter

19

II.

Vom Exodus bis zur Landnahme (die wandernde Gruppe)

20

1. Die Verheißung der Rettung und des Landes 2. Verheißung des Mitseins an den Führer

20 21

III. Vom Hineinkommen in das verheißene Land bis zum Beginn des Königtums (Stämme) 1. Die Ubergabeformel, Heilswort als Antwort auf eine Befragung Gottes 2. Das Seherwort, die Segensschilderung

IV. Heilsworte in den Geschichtsbüchern von 1 Sam bis 2Kön

V.

21 21 23

24

1. Heilsworte, die Einzelnen Rettung aus einer Not ankündigen 2. Heilsworte in eine Not des Volkes 3. Gottesworte an Könge

24 25 27

Abwandlung der unbedingten in eine bedingte Heilsankündigung

28

VI. Rückbezug auf früher ergangene Heilsankündigungen

29

VII. Abschließend: Heilsworte vor der Schriftprophetie

31

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1 Heilsworte bei Deuterojesaja

33

I.

Die Heilsbotschaft Deuterojesajas,Jes 40-55

33

II.

Die Entfaltung der Heilsbotschaft

35

1. Die Heilszusage (Heilsorakel) 2. Die Heilsankündigung

35 36

8

Inhalt

3. 4. 5. 6. 7.

Die Heilsankündigung in größeren Kompositionen Der Auftrag an Kyros und der Fall Babylons Gerichtsreden j a h w e - d i e Völker Die Disputationsworte Die Loblieder

III. Die einzelnen Motive 1. 2. 3. 4.

Motive der Heilszusage Segensverheißung Das Eintreffen des Angekündigten Die gottesdienstlichen Motive

36 37 39 40 41

45 45 49 51 51

Heilsworte in Jesaja 1-39

53

I.

Heilsworte im Bericht

53

II.

Heilsworte in Jesaja 1-39 außerhalb der Berichte

56

1. Zuwendung Gottes zu seinem Volk, Ankündigung der Rettung in selbständigen Heilsworten 2. Kurze Heilszusätze mit nur einem Motiv 3. Ausweitung eines Motivs zu einem Heilswort 4. Zusammenfassung der Motive

57 62 66 74

Exkurs zu den Heilsworten in Jes 24—27

78

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

78

Einleitung: Der Bestand

78

I.

Heilsworte der Befreiung, Sammlung und Zurückfuhrung

80

II.

Wiederzuwendung Gottes, Wiederherstellung und Segen

87

III. Ausweitung eines Motivs zu einem Heilswort Anhang: Die Juda-Glossen im Buch Hosea

94 100

IV. Motive der Heilsworte

100

Heilsworte im Buch Jeremia

105

I.

Die Sammlung von Heilsworten in Jer 30-33

105

1. Die Sammlung 30,1-31,22 2. Die Sammlung 31,23-40

106 110

Zweigliedrige Heilsworte: Wiederzuwendung und Wiederherstellung

117

II.

III. Zusätze zu Völkersprüchen in Kapitel 46-61

122

Inhalt

IV. Heilsworte in Berichten V.

Zusammenfassung der Motive

Heilsworte im Buch Ezechiel I.

Die Sammlung Kapitel 34-37 (38-39; 40-48)

II.

Verstreute Heilsworte

III. Zusammenfassung: Formen und Motive der Heilsworte im Ezechielbuch HeilswortebeiTritojesaja I.

Heilsworte als Kern des Tritojesajabuches

II.

Die drei gesonderten Heilsworte in Kap. 5 7; 65 und 66

III. Zusammenfassung: Aufbau und Motive Prophetische Heilsworte der Gruppe 2 Die zweiseitige Ankündigung Einleitung I.

Die verschiedenen Formen 1. Die einfache Form: Vernichtung der Feinde - Heil für Israel 2. Dem Vernichten der Feinde geht deren Heranziehen voraus 3. Große Kompositionen

II.

Abschließend zur Gruppe 2: Vernichtung der Feinde Heil für Israel Exkurs: Vernichtung der Feinde bei Deuterojesaja Ubergang in die Apokalyptik in der zweiseitigen Ankündigung . .

III. Zur Herkunft der zweiseitigen Ankündigung IV. Die theologische Bedeutung der zweiseitigen Ankündigung Nichtprophetische Heilsworte der Gruppe 3 und 4 Gruppe 3: Bedingte Heilsankündigung in den Prophetenbüchern Einleitung: Bedingte Heilsankündigung im Deuteronomium und im deuteronomistischen Geschichtswerk I.

Die bedingten dtr Heilsworte im Jeremiabuch

10 II.

Inhalt

Bedingte Heilsankündigung im Dodekapropheton....

III. Bedingte Heilsankündigung und Mahnung in Jes 1-39 IV. Mahnung und bedingte Heilsankündigung in Jes 40-55 V.

Bedingte Heilsankündigung in Jes 56-66

VI. Bedingte Heilsankündigung im Buch Ezechiel VII. Zusammenfassung: Von der Prophetie zur Paränese . . Gruppe 4: Schicksal der Frommen - Schicksal der Frevler . . Einleitung I.

Weisheitsspruch in reiner Form

II.

Verbindungen mit dem Heilswort

III. Abschluß Exkurse Die Einleitung der Heilsworte I.

Die Botenformel kö'ämarjhwj

II.

Die Wendung bajjöm hahü'

III. Die Wendungjämim b ä l m Die Wendung süb sebüt = das Geschick wenden Bemerkungen zu einigen bisherigen Untersuchungen der prophetischen Heilsworte Abschluß und Folgerungen Literatur Stellenregister

EINLEITUNG

Bei der Aufgabe, die prophetischen Heilsworte des Alten Testaments zu untersuchen, stößt man sogleich auf die Schwierigkeit einer Näherbestimmung und damit einer Gliederung oder Gruppierung der Fülle der Texte. Natürlich legt es sich nahe, die Heilsworte in den einzelnen Prophetenbüchern je für sich zu untersuchen und sie nach den Epochen zu gliedern, die sich aus der Geschichte der Prophetie in Israel ergeben (so S. Herrmann, Die prophetischen Heilserwartungen im Alten Testament, Β WANT NF 5, 1965). Dabei ergibt sich aber die Schwierigkeit, daß die Frage, welche der Heilsworte, die im Buch des Propheten Jesaja oder Hosea überliefert sind, auch von diesen Propheten gesprochen wurden, bis heute nicht geklärt ist. Die Voraussetzungen für eine solche Untersuchung bleiben unsicher. Nun ist mir aufgefallen — und die folgende Untersuchung wird das im einzelnen nachweisen - , daß die Heilsworte in den verschiedenen Prophetenbüchern sowohl in ihrer Form wie auch in ihrem Inhalt in einem überraschenden Maße miteinander übereinstimmen oder einander ähnlich sind. Wohl weisen sie auch charakteristische Unterschiede auf; aber das in ihnen Übereinstimmende oder Ähnliche überwiegt eindeutig. Daraus ist zu schließen, daß die Heilsworte in den Prophetenbüchern eine selbständige Traditionsschicht bilden ähnlich wie auch die Völkersprüche. Diese Traditionsschicht muß dann als ganze untersucht werden, die Gruppierung der Heilsworte muß sich aus der Gesamtheit der Heilsworte in allen Prophetenbüchern ergeben. Auf die Tatsache der weitgehenden Ubereinstimmung oder mindestens großen Ähnlichkeit der prophetischen Heilsworte in den verschiedenen Prophetenbüchern muß eigentlich jeder stoßen, der sie auch nur einmal alle durchgelesen hat. Wenn daraus für deren Auslegung und Näherbestimmung bisher keine Folgerungen gezogen wurden, ist das in der bisherigen Auslegung begründet, die noch weitgehend - wenn auch nicht immer bewußt — von der literarkritischen Methode bestimmt ist. Die die Auslegung beherrschende Ausgangsfrage ist die nach dem Autor. Sie ist in diesem Fall sofort mit einer Wertung verbunden, ob nämlich das Wort „echt" oder „unecht" sei. Sie gibt den als „echt" bestimmten Worten eo ipso einen Vorrang vor den „unechten". Dabei ist die große Frage immer wieder die nach den großen Persönlichkeiten (S. Herrmann, a.a.O., S. 5). Diese Wertung ist von außen an die Texte herangetragen. Sie hat die unvermeidliche Folge, daß der von ihr bestimmte Ausleger an den echten

12

Einleitung

Worten in einem Prophetenbuch das größere Interesse hat. Die Geschichte der Prophetenforschung spiegelt diese Wertung darin, d a ß die bisher an den „unechten" Worten geleistete Arbeit sehr viel geringer ist als die den „echten" gewidmete. Diese Unterbewertung hatte zur Folge, d a ß in den Kommentaren zu einzelnen Prophetenbüchern die offenkundigen Parallelen zu einem Heilswort, das dem betreffenden Propheten abgesprochen wurde, in anderen Prophetenbüchern kaum oder gar nicht beachtet wurden. In der literarkritischen Methode wurzelt auch die Auffassung, ein Propheten wort enthalte die Gedanken dieses Propheten („Gestalten und Gedanken in Israel", R. Kittel), die in den Prophetenworten ihren schriftlichen Ausdruck fanden. Die Prophetenworte aber sind nicht Aussage, sie sind Anrede. Das bringt ihre sprachliche Fassung zum Ausdruck. Es ist die eines Botenwortes (L. Köhler), eines Wortes, das von J a h w e an den Propheten ergeht (wajjehl debar jhwh 'äl), damit er es dem Volk Israel weitersage. Das Prophetenwort ist Bestandteil eines Vorganges, der sich von Gott über den Propheten zum Volk hin vollzieht. Nach diesem Vorgang und seinen Komponenten ist zu fragen. Es ist wie das hebräische däbär etwas in der Zeit Geschehendes, zu dem Ausgangspunkt, Zielpunkt und das in der Erstreckung von jenem zu diesem Gesagte gehört. Wird der Inhalt des Gesagten von diesem Vorgang abgelöst, ist das Prophetenwort als solches nicht mehr verstanden.

Die Traditionsgeschichte der Heilsworte im Unterschied zu der der Gerichtsworte Das bisher Gesagte gilt für die prophetischen Gerichts- und Heilsworte. Jetzt ist nach den Heilsworten im Unterschied zu den Gerichtsworten zu fragen. Die Gerichtsworte sind auf einen Abschnitt der Geschichte Israels begrenzt, die Heilsworte begleiten die ganze Geschichte Israels. Die Vorgeschichte der prophetischen Heilsworte setzt schon mit den Verheißungen an die Väter ein und setzt sich fort in verschiedenen Formen von Heilsworten in der Frühzeit Israels. Die Nachgeschichte reicht bis in die Apokalyptik. Die zeitliche Begrenzung der Gerichtsprophetie auf einen Abschnitt der Geschichte Israels hat zur Folge, daß die einzelnen Phasen dieses Abschnittes im Wirken einzelner Propheten zeitlich festgelegt sind, von Arnos bis Ezechiel. Das ist bei den Heilsworten grundlegend anders. N u r ganz wenige können mit Sicherheit einem der Gerichtspropheten zugeschrieben werden; die meisten aber sind in dem Zeitraum zwischen Deuterojesaja (einige wahrscheinlich schon früher) und dem Abschluß

Einleitung

13

des Prophetenkanons anonym entstanden. Ihr Kontext ist bei der überwiegenden Mehrzahl nicht das Wirken eines einzelnen uns bekannten Propheten, sondern die gesamte Traditionsschicht dieses Zeitraumes. Diese anonymen Heilsworte wurden von den Tradenten ähnlich wie die Völkersprüche einzeln oder in kleinen Sammlungen einzelnen Prophetenbüchern an- oder eingefugt. Besonders deutlich zeigt sich das bei solchen Heilsworten, die als Zusätze zu bestimmten Gerichtsworten des Jesaja, Hosea oder anderer entstanden. Es ist aber, traditionsgeschichtlich gesehen, falsch, sie Schülern dieser Propheten zuzuschreiben; denn sie entstanden erst, als die betreffenden Gerichtsankündigungen eingetroffen waren.

Gesamtbestand und Eigenart der Heilsworte in den Prophetenbüchern

Bei den Heilsworten wirkt sich die von der Literarkritik herkommende Auslegung vor allem darin aus, daß die prophetischen Heilsworte bis heute, als sei das selbstverständlich, zusammenfassend als „Heilserwartung" oder „Heilshoffnung" bezeichnet werden. In dem Sammelband „Eschatologie im Alten Testament", hrsg. von H. D. Preuss, 1978 z.B. gibt es, soweit ich sehe, kaum eine Ausnahme davon; niemand dagegen spricht von einer „Gerichtserwartung". Eine Ankündigung ist nicht dasselbe wie eine Erwartung. Das Wortfeld des Hoffens und Erwartens gehört im Alten Testament ausschließlich der Sprache der Psalmen, insbesondere dem Bekenntnis der Zuversicht an, nicht aber der Sprache der Prophetie. Es kann vorkommen, daß einem Propheten eine Ankündigung geboten wird, die seiner Hoffnung widerspricht. Die Fraglichkeit der Bezeichnung „Heilserwartung" für die prophetischen Heilsankündigungen zeigt sich auch daran, daß sie der der Gerichtsworte nicht entspricht; diese werden vielmehr als Gerichtsankündigung bezeichnet. Sie ist aus der im Hintergrund bleibenden Auffassung zu erklären, daß diese Heilsworte Ausdruck des Denkens oder der Vorstellung des jeweiligen Propheten seien. Es ist nach meiner Meinung wissenschaftlich nicht zu verantworten, die prophetischen Heilsworte als „Heilserwartung" wie selbstverständlich zu bezeichnen, obwohl dies im Gegensatz zur Sprache dieser Prophetenworte steht. Daß die Heilsworte in den Prophetenbüchern als Ankündigung gemeint sind, ist noch aus einem weiteren Grunde wichtig. Während dieser Charakter als Ankündigung in einer früheren Schicht der Heilsworte deutlich und eindeutig hervortritt, so besonders bei Deuterojesaja, der in einer Gruppe von Worten bewußt das Ergehen und das Eintreffen der Ankündigung unterscheidet, läßt sich in einer späteren Schicht der Über-

14

Einleitung

gang von der Heilsankündigung zur Heilserwartung beobachten. Sie ist erkennbar an einer Reihe von Wandlungen in der Sprache der Heilsworte. Diese Wandlung in der Heilsankündigung in Heilserwartung in späten Schichten der Heilsworte kann aber nicht bemerkt und nicht beachtet werden, wenn der Ausleger von vornherein jede Heilsankündigung mit Heilserwartung gleichsetzt. Obwohl eine scharfe Trennung zwischen beidem nicht immer möglich ist, sind doch diese beiden Stadien in der Geschichte des prophetischen Heilswortes unverkennbar.

Gesichtspunkte zur Gliederung der Heilsworte

Wenn die prophetischen Heilsworte eine in sich selbständige, geschlossene Traditionsschicht bilden, lassen sich objektive Kriterien für die Auslegung eines einzelnen Heilswortes nur von einer Ubersicht über den gesamten Bestand dieser Heilsworte gewinnen. Dazu ist es notwendig, diesen Bestand zu gliedern. Eine Vorarbeit dazu ist die Untersuchung der Heilsworte gesondert in den einzelnen Prophetenbüchern. Sie ist aber wegen der weitgehenden Übereinstimmung von Heilsworten in allen Prophetenbüchern nicht ausreichend. Hinzukommen muß eine aus einer Zusammenschau aller prophetischen Heilsworte gewonnene Gliederung der Heilsworte in den Gruppen, die sich aus ihrem Aufbau und ihrem Inhalt ergeben. 1. Eine erste Unterscheidung ist zu machen zwischen der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Heilsworte in Sammlungen von Heilsworten (bei Deuterojesaja, Jeremia, Ezechiel, Tritojesaja, Micha, Zephania) oder als An- und Einfügungen in Sammlungen von Gerichtsworten, und auf der anderen Seite in Berichten von einer Situation, in die ein Heilswort gesprochen wurde, wie in den Geschichtsbüchern; sie begegnen nur im Jesaja- und Jeremiabuch, mit Vorbehalt im Ezechielbuch. 2. Bei der Menge der Heilsworte in Sammlungen ist zwischen einer großen Hauptgruppe (Gruppe 1) und einigen in allen Prophetenbüchern gleichen Nebengruppen zu unterscheiden. 3. Eine Unterscheidung ergibt sich aus der Adresse des Heilswortes; es kann einen einzelnen oder eine Gemeinschaft anreden. In der Geschichte der Heilsworte, die sich durch das ganze Alte Testament erstreckt, steht am Anfang, in den Vätergeschichten, das Heilswort an einen Einzelnen (auch wenn es mit dem Einzelnen dessen Familie meint). In der Prophetie ist das Heilswort überwiegend, bei Deuterojesaja ausschließlich, an Israel als das Volk Gottes gerichtet; daneben aber begegnen auch Heilsworte an Einzelne. Eine weitere Differenzierung ergibt sich daraus, daß der Adressat des prophetischen Heilswortes nach der Katastrophe von 587, wie es in vielen Heilsworten ausgesprochen wird, „der Rest" ist, die aus der

Einleitung

15

Katastrophe Übriggebliebenen, woraus sich ein neuer Aspekt für das Heilswort ergibt. 4. Eine Differenzierung ergibt sich aus der zeitlichen Erstreckung, dem Abstand zwischen dem Ergehen der Ankündigung und dem Eintreffen des Angekündigten. Ist das Heilswort an einen Einzelnen gerichtet, so ist der Abstand zwischen Ergehen und Eintreffen meist gering (ζ. B. bei der Sohnesverheißung: „übers J a h r um diese Zeit"); hier ist der Verheißung oft ein Zeichen beigegeben, so wie in J e s 7. Diesem kurzen Zeitabstand ist die perfektische Heilszusage gemäß, die ursprünglich nur an Einzelne ergeht. Sie wird von Deuterojesaja auf das Volk übertragen. Bei dem an das Volk ergehenden Heilswort ist der Abstand naturgemäß gewöhnlich größer; deshalb ist hier die futurische Form die gegebene. 5. Eine Unterscheidung ist auch notwendig bei dem, was angekündigt wird. Das mit dem Wort ,Heil' Bezeichnete kann etwas Verschiedenes sein; es kann einen Akt oder einen Zustand bezeichnen. Angekündigt werden kann ein Akt der Rettung oder ein Zustand des Heilseins oder beides zusammen. Dieser Unterschied wirkt sich in der Form des Heilswortes aus; Form und Inhalt können hier nicht voneinander getrennt werden. Der Unterschied ermöglicht eine Gliederung der Hauptgruppe der Heilsworte nach objektiven Kriterien. Zur Ankündigung der Rettung gehört eine feste, sich niemals ändernde Geschehensfolge: Not - Hilferuf (Klage) - Erhörung - Rettung. Eine große Zahl prophetischer Heilsworte besteht allein in der Ankündigung einer Rettung. Das Heilswort ergeht aber nicht nur in eine akute Bedrohung, sondern auch in einen Unheilszustand. Dem entspricht die Ankündigung eines Heilszustandes. Das ist auf zweierlei Weise möglich: Einmal kann zu der Ankündigung der Rettung die des Segens treten, eine Segensverheißung, die einen Zustand des Segens und der Fülle ankündigt. Sie begegnet neben der Ankündigung der Rettung schon von der Frühzeit Israels an, hat eine eigene Wurzel und eine eigene Geschichte. Dazu kommt nach dem Zusammenbruch von 587 die Ankündigung der Wiederherstellung eines heilen Zustandes. Beiden ist gemeinsam, daß im Unterschied zur Ankündigung einer Rettung die Segensverheißung wie auch die Ankündigung der Wiederherstellung eines heilen Zustandes nicht in einer festen Geschehensfolge, sondern im Nebeneinander, dem Aneinanderreihen der Motive darsgestellt werden. Dabei kann die Ankündigung in Schilderung übergehen, wobei die Ankündigung des Ereignisses der Wende entweder zu der Einleitungsformel „An jenem T a g . . . " reduziert wird oder ganz wegfallt. Diese Unterscheidung von Heilsakt (Rettung) und Heilszustand ist für das Verständnis und die Gliederung der Heilsworte grundlegend wichtig; sie geht zurück auf die Unterscheidung zwischen rettendem und segnendem Handeln Gottes; beides miteinander umgreift das Heilshandeln Gottes. Typisch für die Gruppe 1 sind die Heilsworte Deuterojesajas,

16

Einleitung

der Kyros, den Herrscher einer fremdländischen Macht, als Befreier Israels im Auftrag Jahwes angekündigt hat (Jes 45). Wenn Israel damit auch die politische Oberherrschaft des Perserreiches als von Jahwe gewollt anerkennt, hat das auch Folgen für Israels Verhältnis zu den anderen Völkern. Auch die in der Katastrophe des babylonischen Reiches Uberlebenden können zum Heil eingeladen werden 45, 20-24. In der Linie der Verkündigung Deuterojesajas liegen auch die weiteren Heilsworte der Gruppe 1.

Die anderen Gruppen prophetischer

Heilsworte

Das bisher Gesagte bezog sich auf die Hauptgruppe der prophetischen Heilsworte (Gruppe 1). Die dort festgestellte weitgehende Ähnlichkeit der Heilsworte in allen Prophetenbüchern erstreckt sich auch auf drei kleinere Nebengruppen (Gruppe 2, 3, 4 S. 17). Besonders auffällig ist dabei, daß es in allen Prophetenbüchern nur diese vier Gruppen gibt und keine von ihnen nur in einem oder mehreren Büchern begegnet. Damit wird die Zugehörigkeit aller Heilsworte zu einer Traditionsschicht bestätigt.

Gruppe 2: Zweiseitige

Ankündigung

Die Texte sind meist kurz, es sind meist Zusätze, in der Form und im Inhalt übereinstimmend. Sie sind immer zweiteilig (selten erweitert), es wird zugleich Vernichtung der Feinde Israels und Heil für Israel angekündigt. Die einfache Form hat zwei Weiterbildungen erfahren. In der einen Gruppe tritt das Motiv hinzu, daß die Vernichtung der Feinde ausdrücklich durch Juda-Israel selbst vollzogen werden soll, in der anderen, daß die Gebiete der Feinde durch Juda-Israel in Besitz genommen werden sollen. In einem späteren Stadium erhält die Form der zweiseitigen Ankündigung zwei Erweiterungen in zwei Stufen, die den Ubergang zur Apokalyptik bewirken: in der ersten Erweiterung geht dem Vernichten der Feinde deren Heranziehen voraus, in der zweiten wird die zweiseitige Ankündigung zu großen Kompositionen erweitert, die das apokalyptische Drama darstellen.

Gruppe 3 und 4: Verbindung mit nichtprophetischen

Formen

Strenggenommen kann man diese Gruppen nicht mehr zu den prophetischen Heilsworten rechnen. Gruppe 3: In der Mehrzahl der Propheten-

17

Einleitung

bücher, aber besonders ausgeprägt im Buch Jeremia, begegnen bedingte Heilsankündigungen, die der deuteronomistischen Paränese entstammen und in dieser ihren ursprünglichen und eigentlichen Ort haben. Sie zeigen den Ubergang von der prophetischen Heilsankündigung in die deuteronomistische Paränese. - Gruppe 4: In einer Reihe von Texten ist die prophetische Heilsankündigung mit dem Motiv der späten frommen Weisheit (,Schicksal der Frommen - Schicksal der Frevler') verbunden, oder dieses Motiv ist an die Stelle der prophetischen Heilsankündigung getreten. Diese Aufstellung ermöglicht wenigstens in einigen wesentlichen Zügen eine Geschichte der exilisch-nachexilischen Heilsworte. Sie wird allein durch die Berücksichtigung aller Heilsworte in einer sich aus dem Ganzen ergebenden Gliederung möglich.

Der Bestand an Heilsworten in den Prophetenbüchern

Deuterojesaja Jesaja 1-39 Dodekapropheton Jeremia Ezechiel Tritojesaja zusammen

35 29 34 38 15 6

Texte Texte Texte Texte Texte Texte

152 Texte

Dies alles sind Heilsworte im eigentlichen Sinn (Gruppe 1). Dazu kommen die Texte der zweiseitigen Ankündigung 39 Texte (Gruppe 2) und Texte, die den prophetischen Heilsworten nahestehen, aber nicht zu ihnen gerechnet werden können: Bedingte Heilsankündigung 34 Texte (Gruppe 3) Fromme—Frevler 16 Texte (Gruppe 4) Die Prophetenbücher enthalten zum Teil Sammlungen von Heilsworten: Jes 40-55; Teile von Jes 56-66 (60-62); vielleicht Teile von 32-35; Jer 30-33; vielleicht 3,6-4,4; Ez 33-37 (38-39; 40-48); Am 9,11-15; Micha 4—5; Zeph 3,11-20; Teile von Sach. Alle übrigen Heilsworte stehen verstreut außerhalb dieser Sammlungen, an Gerichtsworte oder Völkersprüche angefügt oder zwischen sie eingefügt; sie alle sind erst im Prozeß der Entstehung der Prophetenbücher aufgenommen worden. Das zeigen die Heilsworte, die gleichlautend oder fast gleichlautend in verschiedenen Prophetenbüchern (Jes 2 und Micha 4) oder im gleichen Buch an verschiedenen Stellen stehen (z.B. Jer 23,5-6 = 33,15-16).

18

Einleitung

Angemerkt sei, daß prophetische Heilsworte auch im Psalter begegnen, hier zum Gotteslob abgewandelt, z.B. Ps 147, 2-3: , J a h w e baut Jerusalem neu, Israels Zerstreute holt er zusammen. Er heilt, die gebrochenen Herzens sind ..."

Heilsworte vor der Schriftprophetie

I. Die Väterzeit, Verheißungen an die Väter Sie gehören der Gemeinschaftsform der Familie oder Sippe an. Für diesen ersten Abschnitt verweise ich auf mein Buch „Verheißungen an die Väter" 1976 und die Auslegunge von Gen 12-36 im zweiten Band meines Genesis-Kommentars, Neukirchen 1981. Die einzelnen Verheißungen haben innerhalb der Geschichte der Vätertraditionen ihre je eigene Traditionsgeschichte, die nach und neben anderen Verheißungen weitergeht. Die Mehrungsverheißung ζ. B. wandelt sich von der einfachen Form „ich will dich mehren" zu der Ankündigung „ich will dich zu einem großen Volk machen" und deren Steigerung „... zu einer Schar von Völkern". Die Verheißungen an die Väter haben eine außerordentlich reiche Nachgeschichte, sie reicht bis in die Heilsworte der exilisch-nachexilischen Zeit. Die Verheißung neuer Weideplätze als Rettung aus einer Not wandelt sich zur Verheißung des Kulturlandbesitzes und zu der Landverheißung, die mit der Verheißung der Rettung aus Ägypten verbunden ist. Sie begegnet etwas abgewandelt wieder in der Verheißung der Rückkehr aus dem Exil „in das Land, das ich euren Vätern zugesagt habe". Die Sohnesverheißung geht über in die Verheißung der Geburt eines Heilskönigs. Die Mehrungsverheißung begegnet wieder zusammen mit der Ankündigung der Rettung aus dem Exil. Die Beistandsverheißung, die Verheißung des Mitseins auf dem Weg wird von Mose a u f j o s u a übertragen (Jos 1) und kehrt wieder als Zusage an den Propheten Jeremia (Ex 3,12; Jer 1,8). Die Segensverheißung verbindet sich mit der des Landes, geht in verschiedenen Formen weiter und verbindet sich dann wieder mit der Ankündigung der Befreiung bei Deuterojesaja u.a. Die priesterschriftliche Verheißung „Ich will euer Gott sein" kehrt wieder bei Ezechiel und in der Bundesformel. In späten Zusätzen zur Väterverheißung wandelt sich die unbedingte zur bedingten Verheißung wie in der deuteronomistischen Redaktion des Jeremiabuches und auch sonst.

20

Heilsworte vor der Schriftprophetie

II. Vom Exodus bis zur Landnahme (die wandernde Gruppe) 1. Die Verheißung der Rettung und des Landes

Vom Buch Exodus an wird das Handeln Gottes an einer Gruppe berichtet; ihr gelten, im Unterschied zu Gen 12-50, die Verheißungen von jetzt an. Neben ihr tritt die Verheißung an Einzelne erst wieder von der Zeit der Seßhaftigkeit an hervor. Am Anfang dieses Handelns Gottes an einer Gruppe steht eine Verheißung (Ex 3,6-8), die für die gesamte hier beginnende Geschichte ihre Bedeutung behält, die Verheißung der Rettung aus Ägypten. Das zeigt insbesondere das sogenannte geschichtliche Credo, Dtn 26,5-9, dessen Bedeutung G. von Rad hervorgehoben hat. Diese Bedeutung ist aber nicht allein in dem punktuellen Faktum der damals erfahrenen Rettung begründet; es gehört dazu die Geschehensfolge ,Not - Rufen zu Gott — Erhörung und Verheißung - Rettung'. Es ist diese Geschehensfolge, die die einzigartige Traditionskraft bis in das Exil und weiter bewahrt hat. In ihr ist es begründet, daß für Israel von hier ab durch seine ganze Geschichte hindurch sein Gott der rettende Gott blieb, der als solcher in der Geschehensfolge Not - Verheißung - Rettung erfahren wurde. Sieht man von da voraus auf die Verkündigung Deuterojesajas, der den neuen Exodus, die neue Rettung aus der Gefangenschaft ankündigt, so zeigt sich die die ganze Geschichte Israels bestimmende Bedeutung dieser Verheißung. Wenn sie ihre schriftliche Gestalt erst in sehr viel späterer Zeit erhielt, so ändert das an ihrer Bedeutung nichts. Daß die hier dargestellte Geschehensfolge in die frühe Zeit zurückgeht, zeigt die Entsprechung zu der Verheißung neuen Lebensraumes, die in Gen 12-50 nur erschlossen werden konnte als eine Verheißung der Rettung. Im Unterschied zu Gen 12,1-3 zeigt Ex 3 die Situation, in die hinein die Verheißung der Rettung ergeht, die das Hineinführen in einen neuen Lebensraum einschließt. So ist in Ex 3 die Verheißung des Landes unablösbar mit der Verheißung der Rettung verbunden. Das neue Land ermöglicht dem aus seiner Not zu Gott schreienden Volk die neue Existenz; das verheißene Land ist der Ort der Rettung. Auch darin entspricht die Wiederaufnahme der Exodusverheißung bei Deuterojesaja der am Anfang. Die Bücher Exodus bis Numeri, besonders das Deuteronomium sind weitgehend von der Landverheißung als dem zweiten Teil der schon erfüllten Verheißung der Rettung aus Ägypten bestimmt (Ex 6,1-8; 13,5.11; 32,13; 33,1; Num 11,12; 14,16.23; 32,11; Dtn 1,8.35; 4,31; 6,10.18.23; 26,1-3 und dreizehn weitere Stellen). Von der Wandlung, die im Deuteronomium die Landverheißung erfährt, wird noch die Rede sein.

Vom Hineinkommen in das verheißene Land

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Die programmatische Bedeutung der Verheißung in Ex 3,6-8 kommt auch darin zum Ausdruck, daß die die Geschichte des Volkes begründende Verheißung von dem späten Verfasser alle drei Formen enthält: die Heilszusage (perf.: „Ich habe dich gehört"), die Heilsankündigung (fut.: „ich will euch herausführen") und - wenn auch nur angedeutet - die Heilsschilderung (präs.): ,,· · · in ein schönes, weites Land, ein Land, wo Milch und Honig fließt". Alle drei Formen kehren in der Geschichte der Heilsprophetie wieder, wenn auch in ganz verschiedener Ausprägung. An die Exodus-Verheißung wird durch das ganze Alte Testament hindurch immer wieder erinnert.

2. Verheißung des Mitseins an den Führer

In Ex 3,12 wird Mose verheißen: „Ich will mit dir sein" und beim Führungswechsel geht diese Verheißung a u f j o s u a über (Jos 1,5): „Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich mit dir sein". Dies ist - aus späterer Sicht gesprochen - die gleiche Verheißung, die die Väter empfangen hatten, darin übereinstimmend, daß sie hier wie dort Verheißung für den Weg ist. Auch hier ist sie an einen einzelnen gerichtete Verheißung, jetzt aber an den Führer einer Gruppe in Bewegung, so daß es darin auch um das Schicksal der Gruppe geht. Wie bei den Vätern ergeht auch diese Verheißung direkt von Gott an den Führer, ohne Vermittlung. Zur Vorgeschichte der Prophetie gehört sie, weil sie bei der Berufung des Propheten Jeremia wiederkehrt, Jer 1,8: „Fürchte dich nicht vor ihnen, denn ich bin mit dir, dich zu erretten", außerdem als Verheißung an das Volk bei Deuterojesaja.

III. Vom Hineinkommen in das verheißene Land bis zum Beginn des Königtums (Stämme) 1. Die Ubergabeformel, Heilswort als Antwort auf eine Befragung Gottes

Die für die Zeit der Landnahme (bis Josua und Richter) beherrschende Form der Verheißung ist die sogenannte ,Übergabeformel': „Siehe ... ich habe ... in deine Hand gegeben ...". Sie ist in ähnlicher Weise mit einer Weisung verbunden wie in den Vätergeschichten die Weisung mit einer Verheißung verbunden ist (Gen 12,1-3; 46; 48). Die Frage wurde immer durch den Führenden gestellt und er empfing die Antwort. Darin ist ein Zusammenhang mit der Verheißung des Mitseins an den Führenden

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Heilsworte vor der Schriftprophetie

(s.o.) zu erkennen. In der Frühzeit vollzog sich die Befragung Jahwes durch das Losorakel, wie es l S a m 14,41 ff. beschrieben ist. Es antwortete nur mit J a oder Nein ( l S a m 14,36f.; Ri 1,1 f.). Die Antwort, der Frage entsprechend, ist zweiteilig; sie besteht aus einer Weisung und (in vielen Fällen) einer Zusage: „Ich habe ... in eure Hand gegeben" o.ä. Die Situation ist immer die gleiche: vor einer wichtigen Entscheidung fragt der Führende Gott, was er tun soll. Sie ist also deutlich unterschieden von der des Heilswortes, dessen Situation die vorausgehende Klage bezeichnet. Es ist nicht eine unmittelbar drohende Not, sondern der Führende bedarf einer Weisung Gottes. Die Antwort Gottes auf die an ihn gerichtete Frage wird in dem Fall einem Heilswort ähnlich, wo die Weisung mit der Zusage: „Ich habe ... in eure Hand gegeben" begründet wird: J o s 2,24; 6,2.16; 8,1; 8,18; 10,8.19; Ri 3,28; 4,7.14; 7,9.15; 18,9; 20,28; l S a m 14,12; 17,46; 23,4.7; 24,5; 26,8; 1 Kön 20,13f.28; 22,6.12.15; 2Kön 3 , 1 8 - oder wo diese Zusage der Erzählung eingefugt, fur sich steht. Diese Siegeszusage ist, mit wenigen Ausnahmen, auf die Zeit der Landnahme, auf die in dieser Zeit geführten Jahwe-Kriege beschränkt. Ob die Befragung Gottes mit der Antwort eines Propheten in der Form der Ubergabe-Formel in der späteren Königszeit weitergegangen oder ob das schriftstellerische Gestaltung einer späteren Zeit ist, wird man kaum sagen können. In lKön 20,28 ist deuteronomistische Sprache daran zu erkennen, daß die Ubergabeformel eine Begründung erhält: „Weil Aram behauptet h a t . . . darum will ich ihn in deine Hand geben, damit du . . . " In 2Kön 3,13-20 ist eine Wundertat Elisas erzählt, zugefugt ist in V. 18 der Satz: „ . . . und das ist J a h w e noch zu wenig, er wird auch die Moabiter in deine Hand geben". In der Erzählung von David und Goliath 1 Sam 17 ist die Ubergabeformel stark abgewandelt. David ist sich dessen gewiß: „er wird euch in unsere Hand geben" 17,47; vgl. V. 46. Nach der Zeit der Landnahme hört der Ritus der Jahwebefragung durch Losorakel ganz auf (bis auf bestimmte kultische Riten); wenn jetzt ein König J a h w e befragen will, wendet er sich an einen Propheten: l S a m 22,5; l K ö n 12,21-24; 2Kön 3,17-20; l K ö n 22,5ff.; 2Kön 22,12ff; 2Kön 8,7ff. Die Antwort aber kann ganz verschieden sein (z.B. l K ö n 12,21-24; l S a m 22,5). Daneben begegnen andere Siegeszusagen. In 2Kön 13,14—19 gibt Elisa dem König die Zusage eines Sieges über die Aramäer durch eine Zeichenhandlung. In l S a m 15,1-3 gibt Samuel in deuteronomistischer Sprache Saul die Zusage eines Sieges über Amalek. Besonders wichtig ist die Erzählung l K ö n 22. Hier sind es die Heilspropheten, die den beiden Königen den Sieg verheißen, und die Übergabeformel mit der Zusage des Gelingens wird unterstützt von einer Zeichenhandlung V. 11. Eine Zusage des Sieges gibt zunächst auch Micha ben J i m l a V. 15, dann aber sagt er in einem Gesicht die Niederlage an, V. 17. Hier wird von der Ubergabe-

Vom Hineinkommen in das verheißene Land

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formel kritisch geredet; es wird bestritten, daß sie in diesem Fall das Wort Jahwes ist. Dem entspricht es, daß die Ubergabeformel von keinem Schriftpropheten gebraucht wird. Sie ist, auch wenn sie später noch vorkommt, in ihrer eigentlichen Bedeutung auf die Zeit der Landnahme beschränkt. 2. Das Seherwort, die Segensschilderung

Eine Segensschilderung, die zugleich Verheißung ist, findet sich schon in Gen 49,10-12; es ist eine Segensverheißung für Juda, verbunden mit der Verheißung eines aus J u d a hervorgehenden Königs (V. 10), unter dem reicher Segen über das Land kommen wird, ein Zustand des Segens und Uberflusses (V. 11-12). Der König ist Segensmittler. Der Segen bewirkt die Fruchtbarkeit des Landes, aber ebenso die Schönheit des Königs (vgl. Ps 45). Die nächste Parallele ist Num 24,5-7, ein Spruch des Sehers Bileam, auch hier Fruchtbarkeit des Landes und Preis des Königs. Die Bileamsprüche werden in der Bileam-Episode in die Endphase des Weges durch die Wüste unmittelbar vor dem Betreten des Landes gestellt. Nun zeigte aber schon die Verheißung Ex 3,6—8 ein Element der Segensschilderung in dem Satz „... in ein schönes, weites Land, ein Land, wo Milch und Honig fließt"; ein Element, das in der Kundschaftererzählung noch einmal anklingt und dann im Deuteronomium reich entfaltet wird (6,3b. 10-11; 8,7-9; dazu 28,3-6; 7,12-13). Wie in der Verheißung Ex 3,6-8 zu der Verheißung des Landes als Erweiterung eine andeutende Schilderung des schönen Landes tritt, so in Dtn 8,7-9 eine breit ausgemalte Schilderung dieses schönen Landes, eine Segensschilderung. Zu der Verheißung der Rettung tritt damit die Verheißung des Segens hinzu (vgl. zu Gen 12,1-3). Wenn nun in Num 24,5-7 die gleiche Sgensschilderung ein Seherwort ist, so ist das darin begründet, daß der Seher als ein in die Ferne der Zeit und des Raumes Sehender über das wirkende Worte verfugt (er kann nach Num 22-24 segnen und fluchen). Indem er das in der Ferne Geschaute ausspricht, macht er es wirksam, bringt er es hierbei. So ist es verständlich, daß in lSam 9,9 das Wirken des Propheten als Fortsetzung des früheren Wirkens des Sehers angesehen wird: „Vor Zeiten sagte man in Israel, wenn man hinging, Gott zu befragen, ,Kommt, laßt uns zum Seher gehen!'"; vgl. dazu lSam 3,1b den Parallelismus Wort Jahwes - Gesicht. So wird es aber auch verständlich, daß in späterer Zeit Seherwort und Segensschilderung sich wieder mit dem Prophetenwort verbinden; die späte Heilsschilderung in Prophetenworten (z.B. Jes 11) entspricht der Segensschilderung in den Stammessprüchen und in den Seherworten. Unverkennbar wird dieser Zusammenhang in der Ankündigung eines zukünftigen Heilskönigs: Der König ist hier der Bringer und Mittler des Segens wie in Gen 49,10—12.

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Heilsworte vor der Schriftprophetie

Die Unterscheidung zwischen einem rettenden und einem segnenden Wirken Gottes tritt in der Geschichte der Heilsworte im Alten Testament heraus in der Verschiedenheit zweier Traditionen mit je eigenen Sprachformen und auch darin, daß am Anfang die Verheißung der Rettung steht und die Verheißung des Segens dann hinzutritt; vgl. C. Westermann, Der Segen in der Bibel und im Handeln der Kirche, 1968, S. 9-22.

IV. Heilsworte in den Geschichtsbüchern von lSam bis 2Kön Mit dem Beginn des Königtums und der damit gegebenen staatlichen Verfassung entstehen notwendig Gliederungen, die sich auch auf das Heilswort auswirken. Jetzt erst treten an das Volk und an den Einzelnen gerichtete Gottesworte auseinander, inje eigenen Traditionsbahnen. Dazu kommt eine zweite Veränderung. Die Gottesworte an die Väter ergingen direkt an sie, ohne einen menschlichen Mittler. In der Zeit der wandernden Gruppe ergingen die Gottesworte an die Gruppe durch die Führer, die an die Führer gerichteten Worte direkt. Von der Königszeit an ergehen die Gottesworte nur noch durch Mittler sowohl an Einzelne wie an das Volk wie an den König. Bei den Mittlern des Gotteswortes beginnt mit dem Königtum die Sonderung zwischen Priester und Prophet. Das Priestertum beginnt schon mit dem Seßhaftwerden, die mit dem Königtum beginnende Prophetie hat ihre Vorläufer in Gottesmann, Seher und Ekstatiker.

1. Heilsworte,

die Einzelnen

Rettung aus einer Not

ankündigen

lSam 1,17—20 (21—28): Der Text entspricht der Sohnesverheißung aus den Vätergeschichten, er hat die gleiche Struktur: Not der Kinderlosigkeit — Klage - Erhörung mit Verheißung eines Kindes - Geburt des Kindes. Von der Sohnesverheißung in den Vätergeschichten ist sie einmal dadurch unterschieden, daß die Geschichte von Hanna die Einleitung der Samuelgeschichte ist, also nur erzählt wird, weil das Kind, das hier geboren wird, eine Bedeutung für Israel hat (ebenso ist es in Ri 13). Außerdem dadurch, daß der Sprecher der Verheißung ein Priester ist, daß Klage und Erhörung der Klage ein gottesdienstlicher Vorgang am Tempel ist. Das Konstante und das Variable ist deutlich zu erkennen. 2Kön 4,8-17: Elisa verheißt der Sunamitin einen Sohn. Die Erzählung läßt die gleiche Struktur erkennen: Not der Kinderlosigkeit - Klage -

Heilsworte in den Geschichtsbüchern von lSam bis 2Kön

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Erhörung - Ankündigung - Geburt des Kindes. Dabei klingt Gen 18 deutlich an. Die Not ist eine Krankheit, 2Kön 8,7-15; 20,1-7. Der kranke Benhadad läßt durch Hasael Elisa befragen, Jesaja geht zu dem kranken König Hiskia. Das Heilswort ist die durch einen Propheten gesprochene Antwort auf ein Flehen aus der Not. In 2Kön 22,18-20 geht es um eine Bedrohung des Volkes, in der Josia die Prophetin Hulda befragen läßt; ihre Antwort ist eine Gerichtsankündigung über Juda V. 15-17; ihr folgt aber in V. 18-20 ein Heilswort für das persönliche Schicksal Josias. In den Wundergeschichten der Elia-Elisa-Tradition wird das Wunder meist ohne ein ankündigendes Wort erzählt. Es begegnet nur an wenigen Stellen, so lKön 17,14: „Denn so spricht Jahwe, der Gott Israels: Der Mehltrog soll nicht leer werden ..."; dazu 2Kön 2,21; 3,17; 4,43; 7,1. An diesen fünf Stellen hat es in der Erzählung keine notwendige Funktion, es könnte auch fehlen. Diese mit der Botenformel eingeleiteten Sätze sind nachträgliche Stilisierung der Wundergeschichte von einem Gottesmann zu der Erzählung von der Tat eines Propheten. Heilsworte im eigentlichen Sinn sind es nicht. Die Heilsworte in die Not der Kinderlosigkeit oder an Kranke sind in die Königsbücher aufgenommen, weil die, an die sie ergehen einen direkten oder indirekten Anteil an der Geschichte des Königtums haben. Das läßt den Schluß zu: beide waren in der frühen Königszeit üblich und bekannt. Ihr Sprecher war ein Gottesmann, Prophet oder Priester.

2. Heilsworte in eine Not des Volkes

lSam 7,3-15: Rettung aus der Philisternot. Es ist eine stark deuteronomistisch gefärbte Erzählung; das Heilswort ist zum bedingten abgewandelt; aber die Struktur ist erkennbar: Kriegsnot-Flehen um Hilfe-Erhörung-Eintreffen der Hilfe. Das Heilswort selbst ist nur aus dem Zusammenhang zu erschließen: V. 4 „Wenn ihr euch ... zu Jahwe bekehrt ..., dann wird er euch aus der Hand der Philister befreien". Außerdem auch aus dem Zeichen, das an Gottes Hilfe erinnern soll. Ähnlich ist es lSam 12,(14). 19-22. Wieder ist das Heilswort in eine deuteronomistische Rede eingeschmolzen; die Elemente aber sind noch zu erkennen. In V. 14 ist es zu einem bedingten abgewandelt, in V. 22 ist es kultisch umschrieben; vgl. 2Kön 13,23. 2Kön 19,2—6: Jerusalem von den Assyrern belagert Die Diener Hiskias bringen die Klage des Königs vor Jesaja, der antwortet: V. 6 „Meldet eurem Herrn dies: So spricht Jahwe: Fürchtet euch nicht vor den Reden ... Siehe: Ich werde ihm einen Geist eingeben, daß er in sein Land zurückkehrt..."

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Heilsworte vor der Schriftprophetie

Das ist ein typisches Heilswort, von einem Propheten im Namen Jahwes an einen König in einer Not des Volkes gerichtet und auf diese Situation begrenzt. Das Heilswort ist zweigliederig, aber abgekürzt. Anstelle des perfektischen Teils steht das „Fürchte dich nicht", das die Zuwendung Gottes voraussetzt. 2Kön 19,14—34: Jerusalem von den Assyrern belagert Der Text ist zusammengesetzt. In V. 14—19 bringt Hiskia den Jerusalem bedrohenden Brief des Assyrers in den Tempel vor Gott und fleht um Rettung. Der Prophet Jesaja erteilt die Zusage der Erhörung: V. 20 „So spricht Jahwe: Was du erfleht hast, das habe ich gehört." Auf diese perfektische Zusage folgt die futurische Heilsankündigung η V. 32-33: V. 32-33

„Darum so spricht Jahwe über Assurs König: In diese Stadt dringt er nicht ein ... Auf dem Weg ... soll er heimkehren."

Diese in sich geschlossene Erzählung ist nachträglich erweitert worden: In V. 21-28 ist ein Gerichtswort über Assur eingefügt, dazu V. 30—31 ein spätes Heilswort für den „Rest". Das Heilswort V. 32—33 ist nachträglich erweitert in V. 34: „Ich beschirme diese Stadt und rette sie, um meinetwillen und um meines Knechtes David willen", vgl. 2Kön 20,6. Auch dies ist eine typische prophetische Heilsankündigung, von einem Propheten im Namen Gottes an einen König gerichtet, der die Not des Volkes im Tempel vor Gott gebracht hat. Das Heilswort ist auf diese Situation begrenzt. Die Klage des Königs für das Volk im Tempel ist ein gottesdienstlicher Vorgang. Wenn das Heilswort nicht ein Priester, sondern ein Prophet spricht, so ist es darin begründet, daß es hier um eine geschichtliche Krise geht, in der die Propheten Mittler des Gotteswortes sind. Das Heilswort ist zweiteilig: V. 20 Erhörungszusage, V. 32 f. Ankündigung der Befreiung. Wenn diese als Ankündigung des Abzugs des Gegners formuliert ist, ist das in der Situation begründet. In einer solchen unmittelbaren Bedrohung hat das Heilswort für Israel in der Form eines Unheilswortes für den Feind Israels seine ursprüngliche und eigentliche Funktion. Das in V. 30-31 zugefügte Heilswort über den Rest ist aus exilisch-nachexilischer Zeit. Die beiden Heilsworte lSam 7 und 12 liegen in deuteronomistischer Bearbeitung vor, die Heilsworte 2Kön 19, d a z u j e s 7 in Berichten, die den Ereignissen nahestehen. Die Not ist in allen Fällen die Bedrohung durch Feinde, das Heilswort ist auf die Wende dieser Not begrenzt, es geht nie über diese Situation hinaus. Der Adressat des Heilswortes ist in ISam 7 und 12 das Volk, in 2Kön 19 und Jes 7 der König als Repräsentant des

Heilsworte in den Geschichtsbüchern von lSam bis 2Kön

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Volkes. Der Sprechende ist immer ein Prophet bzw. Samuel in der Funktion eines Propheten. Die Form des Heilswortes ist die gleiche wie beim Heilswort an Einzelne: Botenformel-perf.-fut. Eine Eigenart dieser Heilsworte ist ihre Kürze und oft die aus der Situation sich ergebende Formulierung. Dies zeigt, daß es als ein notwendiger Bestandteil zur Erzählung gehört und daß es ursprünglich der mündlichen Phase der Uberlieferung angehört. Dem entspricht es, daß der Zeitraum zwischen der Ankündigung und dem Eintreffen des Angekündigten kurz ist. Für die Geschichte der Heilsworte im Alten Testament ist wichtig, daß bei der Gruppe in Bewegung und in der Zeit der Landnahme ein anderes Heilswort an das noch im Werden befindliche Volk bestimmend war als in der Zeit des beginnenden Königtums. Die Ubergabeformel begegnet noch im Ubergang (bei Saul und bei David, bevor er König wurde), dann aber nur noch ganz sporadisch an wenigen Stellen. Während das Heilswort in der Form der Übergabeformel mit dem Beginn des Königtums aufhört, weil es keine Funktion mehr hatte, lebte das Heilswort zur Rettung aus einer Not, das in der Grundstruktur mit dem der Rettung in einer persönlichen Not übereinstimmte, durch die ganze Königszeit und danach noch, wenn auch in mancherlei Abwandlung, weiter.

3. Gottesworte an Könige

Die Worte an Könige sind von den bisherigen dadurch unterschieden, daß es in ihnen nicht um Rettung, sondern um Segen geht, vermittelt durch die Institution des Königtums. Einsetzung (Designation), Salbung Texte: lSam 9,27; 10,1-8; 16,1-13; 2Sam 3,18 und 7,8-1 la; lKön 11,29-39; 12,15; 2Kön 8,7-15; 9,1-10.

Die Salbung Sauls durch Samuel wird lSam 9,27 eingeleitet: „Ich habe dir ein Gotteswort zu verkünden", bei der Salbung sagt Samuel 10,1: „Hiermit hat Jahwe dich zum Fürsten über sein Erbteil" gesalbt. „Du sollst über das Volk Jahwes herrschen und es erretten aus der Hand seiner Feinde ringsum"; ebenso 2Sam 3,18 (und lSam 16,1-13). Dazu 2Sam 7,8-1 la, hier ist die Designation und Salbung der ersten Könige Israels nachträglich durch den Deuteronomisten mit der Verheißung der Rettung Israels vor seinen Feinden in Verbindung gebracht, der Geschichtsdarstellung entsprechend, nach der die ersten Könige wegen der Bedrohung durch die Philister eingesetzt wurden. Bei den späteren Einsetzungen eines Königs durch einen Propheten (lKön 11,29—39; 2Kön 8,7—15; 9,1-10) ist kein Heilswort angedeutet.

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Heilsworte vor der Schriftprophetie

Dynastieverheißung, Bestätigung für das Bleiben Texte: 2Sam 7,8-16; l K ö n 3,4-15; 2Kön 9 , 1 - 9 (dazu l S a m 2,30: Priester).

Durch die Nathan-Verheißung wird die Gründung der Dynastie Davids sanktioniert. Im strengen Sinn ist 2Sam 7 kein Heilswort, sondern eine im Namen Gottes ergehende Bestätigung. Ihre hohe Bedeutung zeigen die Erweiterungen in 2Sam 7,8—16 (L. Rost) und viele spätere Nachklänge. Die ursprüngliche Sanktionierung ist in V. 9b.IIb enthalten. Dem König David wird Größe und Ehre (Namen) und das Bestehenbleiben seines Hauses zugesagt. Diese Sanktionierung ist mehrfach erweitert. V. 8b.9a blicken auf die Einsetzung Davids und auf den Beistand Jahwes, den er bisher erfahren hat, zurück. In V. 10.1 la wird die Zusage für den König mit der für das Volk Israel verbunden, wobei diese von der für den König V. 9b. 1 l b gerahmt wird. Dabei klingen die Beistands- und die Landverheißung an. V. 12-15 erklären die Bedeutung der Dynastie (V. 13a Tempelbau, ein Nachtrag). In lKön 3,4—15 werden dem König Salomo auch Größe und Ehre verheißen und die Dauer des Königtums bestätigt, ebenfalls in lKön 9,19, aber hier in deuteronomistischer Sprache zu einer bedingten Verheißung abgewandelt. Hier wird der Schluß der deuteronomistischen Darstellung des Königtums Salomos vorbereitet, in der Salomo des Abfalls von Jahwe beschuldigt wird. Anzuführen ist noch die Bestätigung eines Priesters mit seinem Haus, an die lSam 2,30 erinnert. Die Sanktionierung oder Bestätigung des Königtums Davids und Salomos mit ihrem Haus im Namen Gottes gehört nicht zu den Heilsworten im Sinn der Ankündigung. Es geht dabei nicht um Rettung, sondern um Bleiben. Wenn dabei dem König Größe, Ehre, Reichtum, Weisheit „verheißen" werden, ist das die Sprache des Feierns und Huldigens bei den Königsfesten. Die Umgestaltung dieser Bestätigung der Dynastie in eine nur bedingte in lKön 9,1-9 ebenso wie der 89. Psalm weisen auf die Grenze dieser Bestätigung. Bedeutung für die weitere Gechichte der Heilsworte im Alten Testament erhalten sie darin, daß die Verheißung eines kommenden Heilskönigs auf sie gegründet wird.

V. Abwandlung der unbedingten in eine bedingte Heilsankündigung Am deutlichsten zeigt sich die Wandlung einer vorher unbedingten (2Sam 7) in eine bedingte Verheißung in lKön 9,4—9:

Rückbezug auf früher ergangene Heilsankündigungen

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„Wenn du ... wandelst wie dein Vater David gewandelt i s t . . . und meine Satzungen hältst.. so will ich den Thron deiner Herrschaft über Israel auf ewig befestigen, wie ich deinem Vater David verheißen habe... Wenn Ihr euch aber von mir abwendet..., so werde ich Israel ausrotten..." lSam 7,3-4 in einer Rede Samuels; lSam 12,4; dazu V. 19-25. In dem Wort der Prophetin Hulda an Josua ist ein bedingtes Heilswort vorausgesetzt 2Kön 22,19: „Weil... du dich vor Gott gebeugt h a s t . . . so habe auch ich es (das Gebet) gehört..." An diesen Stellen ist die Sprache deuteronomistisch. Wenn in ihnen die Heilsankündigung durch eine Bedingung eingeschränkt oder auch bei Nichtbefolgung dieser Bedingung Gericht angekündigt wird (1 Kön 11,913; 20,28), so ist der Heilsankündigung das genommen, was sie zur Verheißung macht: daß man sich unbedingt auf sie verlassen kann. Diese Brechung der Heilsankündigung ist durch ihre Bindung an den Gehorsam verursacht (1 Kön 9,4). Diese Vorordnung der Befolgung des Gotteswillens vor die Verheißung ist in einem allmählichen Prozeß vor sich gegangen. In diesem Prozeß wurde die eigentliche, die prophetische Heilsankündigung, die in Vollmacht gesprochen wurde, verlassen. Hier spricht die deuteronomistische Schule, für die diese prophetische Heilsankündigung Vergangenheit ist. Sie ist auch daran kenntlich, daß für sie ein weiter Abstand zwischen dem Ergehen einer Heilsankündigung und ihrem Eintreffen besteht. Die lange Zwischenzeit ist notwendig, weil in ihr die Entscheidung über Gehorsam oder Ungehorsam im Verlauf der Geschichte fallen muß. Die frühen Heilsworte, die nicht bedingt sind, setzen einen geringen Abstand zwischen Heilswort und Eintreffen voraus.

VI. Rückbezug auf früher ergangene Heilsankündigungen Für die deuteronomitstische Schule charakteristisch ist auch der betonte Rückbezug auf früher ergangene Heilsankündigungen und deren Erfüllung. Zusammenhänge in der Geschichte Israels zeigen sich daran, daß früher ergangene Heilsankündigungen eingetroffen sind, die zu den Vätern, zu Mose und die zu David gesprochen wurden. Dieser Rückbezug kommt ausfuhrlich zum Ausdruck in der Tempelrede Salomos: lKön 8,24

„du hast auch deinem Knecht ... gehalten, was du ihm verheißen hast. Ja, mit deinem Mund hast du es verhei-

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Heilsworte vor der Schriftprophetie

V. 53

V. 56

ßen und mit deiner Hand hast du es ausgeführt, wie es sich heute zeigt." „Du hast sie dir j a als Eigentum ausgesondert aus allen Völkern der Erde, wie du es verheißen hast durch den Mund deines Dieners Mose, als du . . . " „Gelobt sei Jahwe, der seinem Volk Israel Ruhe gegeben hat, ganz wie er verheißen hat. Kein einziges von all den guten Worten, die er durch seinen Knecht Mose gesprochen hat, ist hingefallen."

Ähnlich J o s 23,14 (dtr.); dazu 2Kön 13,23; l K ö n 9,4f.l2,15. Wenn an diesen Stellen ein so großer Nachdruck auf das Eintreffen des Verheißenen („das gute Wort") gelegt wird, so zeigt sich darin das Interesse der Geschichtsdarstellung fur die Kontinuität in der Geschichte, die auf dem „Funktionieren" der Heilsankündigung beruht. Ahnlich, wenn auch in anderen Worten, Deuterojesaja in J e s 52 zur gleichen Zeit gegen Ende des Exils. Damit hängt zusammen, daß an manchen Stellen die an die Väter ergangene Verheißung Motiv des gegenwärtigen Gotteshandelns ist; besonders: 2Kön 13,23

1 Kön 8,53

, J a h w e aber war ihnen gnädig, erbarmte sich ihrer und wandte sich ihnen zu, um seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakobs willen. Er wollte sie nicht verderben und hatte sie nicht verstoßen von seinem Angesicht." „du hast sie dir j a als Eigentum ausgesondert, wie du es gesagt hast durch den Mund deines Knechtes Mose." Dazu V. 56; 2Kön 20,6.

In dieser letzten Gruppe von Stellen ist angedeutet, daß für den Deuteronomisten die alten Verheißungen eine Kraft noch über ihre erste Erfüllung hinaus haben. Sie können auch in späteren Generationen noch Gott dazu bewegen, sich seines Volkes anzunehmen. Dabei ist zu beachten, daß für den Deuteronomisten eine solche „klassische" Bedeutung nur die Verheißungen an die Väter und an Mose haben. Die Heilsankündigung an David ist trotz ihrer hohen Bedeutung gebrochen durch den Ungehorsam des Königshauses; die Heilsankündigung eines Propheten aber wird in diesem Zusammenhang niemals genannt. Der Grund dafür ist wahrscheinlich die zutreffende Erkenntnis, daß die Bedeutung der Propheten von Arnos bis zum Exil in ihrer Gerichtsbotschaft liegt, die bei ihnen begegnenden Heilsworte aber nur partielle und begrenzte Bedeutung haben.

Abschließend: Heilsworte vor der Schriftprophetie

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VII. Abschließend: Heilsworte vor der Schriftprophetie Bei den Heilsworten vor den Schriftpropheten zeigt sich einmal, daß es in der Geschichte Israels eine Periode ohne Heilsworte nicht gegeben hat; das Ergehen von Heilsworten begleitet die ganze Geschichte Israels. Es zeigt sich zugleich, daß die Heilsworte je von der Situation bestimmt sind, in die hinein sie ergehen. Zur Situation gehört die Gemeinschaftsform: Familie, wandernde Gruppe, landnehmende Stämme, Volk im Staat mit Königtum. Die Unterschiede beziehen sich auf die Art des Ergehens, das, was angekündigt oder verheißen wird. Bei dem, was angekündigt wird, tritt eine eindeutige Konstante heraus: Beherrschend ist die Ankündigung einer Rettung. Sie begegnet bei den Verheißungen an die Väter, bei den Heilsankündigungen an die wandernde Gruppe, an das Volk im Königtum, hier an das Volk als ganzes, an einzelne Menschen, an den König. N u r bei den landnehmenden Stämmen fehlt sie; m a n kann aber sagen, daß siejeweils nach der Situation in der Ubergabeformel impliziert sein kann. Nur in diesem Abschnitt begegnet die Zusage des Sieges, diese wird nie von einem Propheten gesprochen. Die Ubergabeformel ist auf diesen Abschnitt der Geschichte begrenzt. Neben die Ankündigung der Rettung tritt die Verheißung des Segens von der Zeit der landnehmenden Stämme an (Bileam). Sie ist Zukunftsschau und als solche konnte sie mit der Heilsankündigung verbunden werden, bleibt aber bis in die Spätzeit von ihr unterschieden und als Schilderung eines Zustandes von ihr unterscheidbar. In den Geschichtsbüchern ist die Ankündigung der Retfüng bestimmend. Deren Verbindung mit der Segensverheißung erfolgt erst in den prophetischen Heilsworten der exilisch-nachexilischen Zeit. U m Segen geht es in den Gottesworten an Könige im Bestätigen und Garantieren des Bleibens in der Institution des Königtums. Größe und Ruhm, die dem König verheißen werden, sind dem Segen zugeordnet. In abgewandelter Form kehrt das Bestätigen und Garantieren des Bleibens, jetzt auf Israel bezogen, in der Spätzeit wieder. Eine Anmerkung zum Sprachgebrauch: Da „Verheißung" die herkömmliche Bezeichnung im Pentateuch ist („Väterverheißungen"), in den Prophetenbüchern aber „Heilsankündigung", können „Verheißung" und „Heilsankündigung" gleichbedeutend gebraucht werden.

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1 HEILSWORTE BEI DEUTEROJESAJA

I. Die Heilsbotschaft Deuterojesajas, Jes 40-55 Die Verkündigung Deuterojesajas, wie sie in Kapitel 40-55 vorliegt, ist als ganze Heilsverkündigung; das trifft in gleicher Weise für kein anderes der Prophetenbücher zu. Begründet ist das in der Konzentration dieser Verkündigung auf ein einziges Ereignis, die Befreiung Israels aus der babylonischen Gefangenschaft. Ein weiterer Unterschied liegt darin, daß in Jes 40-55 nicht einzelne Heilsworte aneinandergereiht werden wie z.B. in der Sammlung Jer 30-33, sondern daß es ein aus verschiedenen Redeformen und deren Kombinationen gebildetes sinnvolles Ganzes ist, dessen Komposition in den Hauptlinien zu erkennen ist. Das zeigt sich schon an der Rahmung im Prolog 40,1-11 und dem ihm entsprechenden Epilog 55,8-11.12-13. Allein schon die Tatsache, daß dies der einzige Komplex von Heilsworten im Alten Testament ist, der sich sicher datieren läßt und dessen historischer Kontext bekannt ist, macht es notwendig, mit der Untersuchung der Heilsworte hier einzusetzen. Die verschiedenen Redeformen in Jes 40-55 sind alle auf die Heilsbotschaft bezogen, aber sie kündigen die Befreiung nicht nur an, sondern sie wollen die Ankündigung zugleich verständlich und überzeugend machen, besonders in den Disputationsworten. Sie stellen sie zugleich in einen großen Zusammenhang der Geschichte, die sich zwischen Gott und seinem Volk vollzogen hat und vollzieht. Diese Ausweitung der in der Gegenwart ergehenden Heilsankündigung vollzieht sich in die Vergangenheit und in die Zukunft hinein. In die Vergangenheit hinein: Das geschieht einmal in dem intensiven und vielfach wiederholten Hinweis auf Gottes Heilshandeln in der vorangehenden Geschichte seines Volkes (dies fast ausschließlich in den Heilsankündigungen und der Heilszusage), es geschieht in der Erinnerung an die Schuld, die Israel in dem Abfall von seinem Gott auf sich geladen hat (in Disputationsworten [ζ. B. Jes 43,22-28]) und an die Notwendigkeit des Gerichtes Gottes an seinem Volk als Reaktion auf diesen Abfall (in Disputationsworten [auch in Jes 43,22-28]), aber auch in der Erinnerung an das Leid, das Gott in seinem

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Gericht über sein eigenes Volk bringen mußte (dies nur in Heilsankündigungen [z.B. 48,5-11]). - In die Zukunft hinein: Die Befreiung, die Deuterojesaja ankündigt, ist nicht in jeder Beziehung den früheren Befreiungen, den früheren Heilstaten Gottes gleich. Er unterscheidet „das Neue" von dem „Früheren"; ein Neues ist es, weil die Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft auf andere Weise vonstatten geht: Durch den von Gott dazu beauftragten Perserkönig Kyros, nicht aber durch Israel selbst und seine Streitmacht. Davon handeln die Texte, die von Kyros reden und eine neue Perspektive in die Zukunft eröffnen. Dazu die Gerichtsreden, in denen es um das Gottsein Gottes geht, um Gott und die Götter. Die Absicht dieser Ausweitung ist es, die jetzt ergehenden Heilsankündigungen als Glied einer Geschehensfolge zu erklären, die im Ganzen der Geschichte Israels begründet ist, ja, die dieses Ganze umfaßt. Jahwe hat sich dieses Volk „erschaffen", er hat es „erwählt", er hat ihm Treue auf seinem Weg bewahrt, er hat es „in seine Hände eingegraben", 49,15. Aber dieses Volk hat sich von ihm abgewandt, es ist ihm untreu geworden, ist von ihm abgefallen. So mußte er das Gericht über es verhängen, er mußte , J a k o b der Plünderung, Israel den Räubern preisgeben" 42,24. Dies hätte das Ende der Geschichte Israels bedeuten können. Wenn sie dennoch weiterging, ist das allein in Gottes Erbarmen mit seinem Volk begründet. Die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk zeigt sich schon daran, daß Jahwe selbst unter dem Gericht leidet, das er über sein Volk bringen mußte: „Lange habe ich geschwiegen, war stumm, hielt an mich", 42,14. So geht das Leid, das Jahwe über sein Volk bringen mußte, und das ihm selber schwer wird, in die Klage seines Volkes über: „Wie lange noch?" Die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk wirkt sich in dessen Befreiung, Sammlung und Rückführung aus. Der Rettung folgt der Segen für eine Zukunft des von Gott befreiten Volkes, die eine zu den Völkern hin offene sein wird. Während aber die Motivreihe von den früheren Heilstaten Gottes an bis hin zur Rückkehr der Exilierten ihre Entsprechungen in den traditionellen Heilsworten hat, tritt neu und einzigartig bei Deuterojesaja in den Gerichtsreden , J a h w e — die Völker" und in den Kyrosworten die Ausweitung des Handelns Gottes an seinem Volk auf Gottes Wirken als Schöpfer (Jes 40,12-31) und als Herrn der Geschichte der ganzen Welt hinzu, dem Gotteslob der Psalmen entsprechend. Aus dieser Erweiterung ergibt sich das Neue, über die Befreiung Hinausweisende fur die Zukunft des Gottesvolkes: Sie ermöglicht die Befreiung durch den Perserkönig Kyros, ohne daß Israel selbst an dieser Befreiung mitwirkt, ohne daß es selbst den Bedrücker besiegt bzw. vernichtet, und damit die universale Öffnung der Zukunft. Es ist diese Einbeziehung des Gotteslobes der Psalmen, die eine solche Ausweitung ermöglicht. In den Worten, in denen Gott die Götter vor Gericht fordert, geht es darum, daß Schöpfer und Herr der Geschichte

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nur einer sein kann, 41,1-5: „Wer tut es und macht es?" 44,6-8.21-22: „Ich bin der Erste und der Letzte und außer mir ist kein Gott", dazu 41,21-29; 43,8-15. Dieser eine aber vermag es, „das Frühere" in „das Künftige" zu verwandeln, 41,21-29. Der innere Zusammenhang der einzelnen Redeformen Deuterojesajas ergibt sich aus der Situation, in die hinein er seine Heilsbotschaft verkündete. Dabei benutzt er die Form des auf die Klage des Einzelnen antwortenden Heilsorakels, das durch die Katstrophe hindurch weiter erteilt wurde wie das Threni 3 zeigt. Daran kann der Prophet anknüpfen. Er vermag damit an das persönliche Vertrauensverhältnis anzuknüpfen, wie wir es aus den Psalmen kennen (Ps 23), das sich so vielfach in den persönlichen Krisen bewährt hatte (vgl. hierzu R. Albertz, Persönliche Frömmigkeit und offizielle Religion, 1978, S. 188). Die Verkündigung Deuterojesajas soll nun in zwei Gängen entfaltet werden: In einer stark verkürzten Entfaltung in den verschiedenen von Deuterojesaja angewandten Redeformen und in einer Zusammenfassung der Motive in der eben wiedergegebenen Geschehensfolge, die Gottes Geschichte mit seinem Volk umgreift. Sie kehrt in einer Reihe Deuterojesaja folgender Heilsworte wieder. Die Bedeutung der Verkündigung Deuterojesajas ist erst voll von ihrer Auswirkung her in den Heilsworten der exilisch-nachexilischen Zeit zu erkennen.

II. Die Entfaltung der Heilsbotschaft in den verschiedenen Formen

Die Heilszusage

(Heilsorakel)

Sie ist auf Kap. 40-44 beschränkt: Jes 41,8-13.14-16; 43,1-7; 44,1-5; dazu angedeutet 54,4—6 und 51,12-13. Die Heilszusage begegnet nur bei Deuterojesaja und in Nachahmungen. Es ist eine eigene Bildung Deuterojesajas im Anschluß an das an Einzelne, insbesondere den König ergehende Heilswort (Heilsorakel, Begrich), das in einer Fülle babylonischassyrischer Texte nachgewiesen ist (hierzu F. M. Falls, ed., Assyrian Royal Inscriptions, 1981, Rom; M. Weippert, Assyrische Prophetien der Zeit Asarhaddons und Assurbanipals, in: Assyrian royal inscriptions, Orientis Antiqui Collectio XVII, Rom 1981, S. 71-113 und E. W. Conrad, Second Isaiah and the Priestly Oracle of Salvation, ZAW 93, 1981, S. 234-246 und ders. The Fear-Not-Oracles in Second Isaiah 34, 1984, S. 129-152). Wenn Deuterojesaja den eigentlich an einen Einzelnen gerichteten Beruhigungsruf „Fürchte dich nicht!" an das Volk als ganzes

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gerichtet sein läßt, personifiziert er damit das Volk und intensiviert das Heilswort zur „Tröstung" eines einzelnen Menschen. Der persönliche, zu Herzen gehende Klang der Heilsbotschaft Deuterojesajas geht von diesen Texten der Heilszusage aus. Er entspricht dem Ruf am Anfang „Tröstet, tröstet mein Volk ...!" Das Trösten ist ein personaler Vorgang: „wie einen seine Mutter tröstet". Gegliedert ist die Heilszusage in Anrede (mit verschiedenen Erweiterungen; Beruhigungsruf: „Fürchte dich nicht!"; perfektische und/oder nominale Begründung; futurische Begründung, mit der Heilsankündigung identisch. 2. Die Heilsankündigung

Sie bildet die futurische Begründung in der Heilszusage, kann eine selbständige Einheit oder mit anderen Formen verbunden sein. In die Not des Volkes hinein ergeht die Zuwendung Gottes zu ihm, die der Klage des Volkes antwortet und die Wende der Not ankündigt. Abgesehen von diesem ihnen gemeinsamen Gerüst sind die Heilsankündigungen ganz verschieden gegliedert. Das Grundgerüst der Gliederung ist aus der Klage des Volkes vorgegeben, in der Bitte um Gottes Zuwendung und sein Eingreifen. In allen Texten ist das angekündigte Eingreifen Gottes auf die Tat der Rettung begrenzt; von dem, was auf diese folgt, reden sie nicht. Den Schluß bildet oft das Gotteslob der Geretteten oder die Anerkennung der Tat Gottes an seinem Volk durch „Völker und Könige". Heilsankündigungen als selbständige Einheiten sind Jes 41,17-20 (folgt auf die Heilszusage in 41,8-16); 42,14-17; 43,16-21; 45,14-17 (fragmentarisch); 49,7-12.

3. Die Heilsankündigung in größeren Kompositionen

49,14-26: Der Text hat drei Teile: V. 14-20. V. 21-23. V. 24-26. Der Komposition liegt die Aufteilung der Klage in ihren drei Gliedern zugrunde: Anklage Gottes: ,Jahwe hat mich verlassen", V. 14; die Wir-Klage: „War ich doch kinderlos . . . " V. 21; die Feind-Klage: „Kann man einem Starken die Beute rauben ...?" V. 24. In jedem der so eingeleiteten Teile tritt dem ein Heilswort der Klage entsprechend entgegen. Die Komposition bringt den Zusammenhang zwischen der Heilsankündigung und der Klage des Volkes zu einem bewußten Ausdruck. 51,9-52,3: Eine Komposition anderer Art, bestimmt von den drei Imperativen (gleiche Verbwurzel) am Anfang der drei Teile: 51,9-16.17-23; 52,1—3. Der Sinn dieser Reihe von Imperativen erklärt sich vom dritten her, dem Ruf zum Aufbruch aus der Gefangenschaft: „Entledige dich der

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Bande deines Halses!", der zugleich Ankündigung der Befreiung ist. I h m geht im ersten Teil der Hilferuf der Volkslage 51,9a vorauf: „Ziehe Kraft an, du Arm des H e r r n " (wie Ps 44,24.27), der auf die früheren Heilstaten Gottes zurückweist, V. 9b-10. I h m antwortet die Heilszusage V. 12-16 mit dem Verweis auf die Schöpfermacht wie in 40,12-31. I m zweiten Teil wird der Ruf am Anfang, 51,17, variierend wiederholt, jetzt an Jerusalem gerichtet, V. 17a. Er erinnert an das Gericht Gottes über Jerusalem und schildert es ausführlich in V. 17b—20. Dieser Teil endet in V. 21-23 mit der Ankündigung, daß der „Zornesbecher" von Jerusalem abgewendet werden wird. Der dritte Teil 52,1-3, eingeleitet wieder mit dem Imperativ, ruft zum Aufbruch in die Freiheit (zum Text vgl. meinen Kommentar; wahrscheinlich gehört V. 11 hierher an den Schluß). Die Folge der drei Teile von 51,9-52,3 ist d a n n so zu verstehen: Gottes frührere Heils taten 51,9-16 Israels Abfall und Gottes Gericht 51,17-23 Wiederzuwendung Gottes (in allen drei Teilen) Die Befreiung aus der Gefangenschaft 52,1-3 (vielleicht: der Heimkehr 51,11).

4. Der Auftrag an Kyros und der Fall Babylons Auch diese Worte zielen auf die Heilsankündigung, handeln aber alle von dem „Neuen" der Befreiung Israels aus dem babylonischen Exil. 44,24-45,7: Das Kyrosorakel 44,24-45,7 ist ein einheitliches, in sich geschlossenes Wort, zusammengehalten durch die Entsprechung 44,24: „Ich, J a h w e , mache alles Schöpfer Himmels und der Erde"; 45,7: „Ich, J a h w e , mache dieses alles Schöpfer des Lichts und der Finsternis". Mitte des Ganzen ist das an Kyros gerichtete Königsorakel 45,1-3, das ihm Erfolg bei seinem Zug gegen Babylon zusichert. Gerahmt ist diese Mitte durch die einleitende Botenformel, erweitert durch Selbstprädikation (eine Kette von Partizipien) 44,24-28 und den Abschluß V. 4-7, der erklärt, daß das Heilsorakel an Kyros „um meines Knechtes J a k o b willen" ergeht. Das Einzigartige an diesem Wort ist, d a ß die in ihm enthaltene Heilsankündigung (V. 26b: Der Wiederaufbau Jerusalems) nicht nur auf den Gott zurückgeführt wird, der Israel zu seinem Volk erwählt hat (45,4a), sondern zugleich auf den Schöpfer Himmels und der Erde (44,24b.27 und 45,7; vgl. 48,12-15 mit 51,12-16), der als solcher der Herr der Geschichte ist (45,1-3).

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45,9-13: Die Verse 11-13 gehören zu den Gerichtsreden. Jahwe antwortet Vorwürfen, die sein Handeln an seinem Volk in Frage stellen. Die Antwort entspricht Satz für Satz 44,24—45,7. Als der Schöpfer der Welt und des Menschen (V. 12) kann Jahwe dem Kyros gebieten und seine Wege ebnen, damit sein Volk befreit und seine Stadt gebaut werde. Die beiden Wehe-Worte V. 9 und 10 sind wahrscheinlich nachträglich hinzugesetzt (K. Elliger). 45,18-46,13: Eine Komposition in drei Teilen: V. 18-19 Einleitung, V. 20-25 die Völker, 46,1-13 Israel. Sie setzt das Kyros-Wort 44,24-45,7 voraus und wendet sich an solche, die daran Anstoß nehmen (das dreimalige „nicht" in V. 18-19 nach Art der Disputationsworte). V. 18-19: Als Schöpfer Himmels und der Erde ist Gott der Einzige; vgl. 44,24. Er hat die Erde nicht zur Ode, er hat sie zum Bewohnen geschaffen (nur hier). Für die Völker der Erde hat Gott sie als Wohnraum geschaffen; hier klingt Gen 10 an, das wird in V. 20-25 weitergeführt. V. 19 leitet 46,1-13 ein und wird von daher erklärt. V. 20-25: V. 20f. steht den Gottesreden an die Völker nahe. Aber die zweite Aufforderung V. 22: „Wendet euch zu mir und laßt euch helfen, alle Enden der Erde!" geht darüber hinaus. Sie begegnet nur an dieser Stelle bei Deuterojesaja, nur hier sind „die Entronnenen der Völker" angeredet. Der Sturz Babylons (46,1-4) wird nicht mehr die Vernichtung aller Menschen dort bedeuten. Es bleiben „Entronnene", wie nach der Katastrophe Israels, ihnen gilt die Aufforderung V. 22—24. Der Triumpf der Überlegenen bleibt aus, an dessen Stelle tritt die Einladung. An 45,20-25 scheiden sich in den auf Deuterojesaja folgenden Heilsworten die Geister: Die Gruppe 2 dieser Heilsworte tritt in einen radikalen Gegensatz zu dem hier Angekündigten. 46,1-13: 46,1-2 ist die Nachbildung einer Siegesbotschaft; sie bezieht sich rückwärts auf V. 20-25 und vorwärts auf V. 3-4.9-13: Was die Siegesbotschaft für Israel bedeutet. Die Anrede in 46,3: „Rest des Hauses Israel" (nur hier) entspricht der in 45,20: „Ihr Entronnenen der Völker". Die aus einer Katastrophe kommen, haben ein gemeinsames Schicksal. Gegliedert ist 46,1-13 durch die drei Imperative V. 3 „Höret auf mich!", V. 9 „Gedenket des Früheren!", V. 12 „Höret auf mich!" V. 1-2 ist eine den Sturz Babylons vorausnehmende Siegesankündigung. Die beiden höchsten Götter des babylonischen Reiches sind zusammengebrochen; die Statuen der Götter werden in den Zusammenbruch des Reiches hineingerissen; sie können nicht retten, sie müssen gerettet, müssen abtransportiert werden! In der Stunde der Katastrophe zeigt sich, was es bedeutet, daß die Götter an ihre Bilder gebunden sind. - In einem tiefsinnigen Wortspiel wird von dem Gott Israels im Gegensatz dazu gesagt: Er ist der in den Katastrophen Hindurchtragende. Israel hat das in seiner Geschichte erfahren, wenn das von Gott Angekündigte eintraf.

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So wird es auch jetzt erfahren, daß die angekündigte Befreiung eintreten wird. 48,1-17: Der Kreis der Kyrosworte könnte mit 46,1-13 abgeschlossen sein; 48,1-17 sagt nichts darüber hinaus, es ist abschließende Zusammenfassung und als ein Text zu lesen (anders noch in meinem Kommentar). In der ausfuhrlichen Gegenüberstellung des Alten mit dem Neuen betont der Prophet, daß das jetzt angekündigte Heilshandeln Gottes anders ist als das frühere. Indem er sich darin stillschweigend gegen die Zweifelnden wendet, steht dieser Text den Disputationsworten nahe; deshalb die mehrfache Aufforderung zum Hören. Das Neue ist in Gottes Schöpferwirken begründet, es geht um ein Wirken des Schöpfers und Herrn der Geschichte. Am Ende dieses Textes steht die Aufforderung zum Auszug aus Babel in einem den Kreis der Kyrosworte abschließenden Loblied 48,20-21. Es ist der Ruf zur Befreiung, der die Antwort des Lobes auslöst: „Erlöst hat Jahwe seinen Knecht Jakob!" In die Botschaft der Befreiung ist die der Rückführung eingeschlossen, in Anlehnung an den Exodus am Anfang.

5. Gerichtsreden Jahwe - die Völker

Sie begegnen nur in Jes 41-44, hinführend auf das Kyros-Orakel in 44/ 45. Es sind die Texte 41,1-5; 41,21-29; 43,8-15; 44,6-8.21-22. In ihnen geht es um den Anspruch der Göttlichkeit. Jahwe, der Gott Israels, bestreitet den Göttern, in erster Linie den Göttern Babylons, diesen Anspruch. Darum die Form der Gerichtsrede: Vorladung, Vorbringen des Anspruches, Argumente und Gegenargumente, Vorführung der Zeugen, Urteil bzw. Verstummen der Prozeßgegner. In 41,1-5 erhebt Jahwe den Anspruch, als Herr der Geschichte Kyros erweckt zu haben: 41,2-3; 41,25; 43,14. Er allein hat das angekündigt 41,22-23.26.27; 43,12; 44,7.8. Israel kann als Zeuge aussagen, daß Jahwe ausfuhrt, was er angekündigt hat 43,10-13. In 44,6-8.21—22 münden die Gerichtsreden in ein Heilswort an Israel ein. Der Beweis der Göttlichkeit wird hier nicht mehr, wie in der ganzen Antike, im bloßen Erweis der Macht im Krieg gesehen, sondern darin, daß Gott sein Volk so durch die Geschichte führt, daß seine Worte mit seinen Taten übereinstimmen, seine Ankündigungen eintreffen, also in der Kontinuität seines Wirkens. Darin haben die Götter Babylons versagt. Der so begründete Anspruch der Göttlichkeit hat zur Folge, daß nur einer Gott sein kann: 41,4.26-27; 43,10-11,13; 44,6. Dieser Anspruch wird zum Fundament der Gewißheit der Heilsankündigung, die damit eine zentrale theologische Bedeutung erhält. Ist Jahwe allein Gott, ist er auch der einzige Herr der Geschichte, der das Eintreffen des Angekündigten in der Hand hat.

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6. Die Disputationsworte

Bei den Disputationsworten sind zwei Gruppen zu unterscheiden. Bei dem auf den Prolog folgenden ersten großen Gedicht 40,12-31 richtet sich die Bestreitung V. 27-31 gegen das Festhalten an der Klage, an der Verzagtheit; ebenso wird in der ersten Komposition von Kap. 49-52 in 49,14—26 der Klage (nach den drei Gliedern) entgegen Heil angekündigt. Dieser Text wurde oben den Heilsankündigungen zugerechnet; die Klage und deren Bestreitung hat einen wesentlichen Anteil an dem Text. Bei den Disputationsworten 42,18-28; 43,22-28 und 50,1-3 geht es um Gottes Gericht an seinem Volk. Es wird bestritten, daß Gott sein Volk aufgegeben habe; er mußte es strafen wegen seiner Sünden, aber das ist nicht sein letztes Wort. 40,12-31: In der großen Komposition 40,12-31 ist die eigentliche Bestreitung nur der Schlußteil V. 27-31. Die Fragen in den vorangehenden Teilen dienen dazu, zum Lob der Majestät Gottes zurückzurufen. In 40,27: „Warum sagst du, mein Weg ist vor J a h w e verborgen?" ist eine Anklage Gottes zitiert, die in den Klagen des Volkes nach dem Zusammenbruch erhoben wurde. Die Entgegnung des Propheten weist die Klagenden auf das Gotteslob, in dem das Lob der Majestät Gottes V. 12-26, zusammengefaßt in V. 28: „Ewiger Gott ist Jahwe, der Schöpfer ... Er wird nicht müde ... unerforschlich ist seine Einsicht" und das Lob der Güte Gottes zusammengehören: „Er gibt den Müden Kraft . . . " V. 29-31. Damit weckt der Prophet das verstummte Gotteslob wieder auf und setzt es der Verzagtheit der Müden entgegen. 49,14-26 (s.o.S. 36): Der Text verbindet die Heilsankündigung mit dem Disputationswort. Der Klage des Volkes im Exil entgegen wird in der Weise Heil angekündigt, daß der Anklage Gottes, der Wir-Klage und der Feindklage entgegen, die gnädige Zuwendung Gottes in Aussicht gestellt wird. Auch in den Disputationsworten 42,18-25; 43,22-28 und 50,1-3 wird gegen die Anklage bestritten, daß Gott sein Volk aufgegeben habe; Gott mußte sein Volk wegen seiner Sünden strafen. 42,18-25: Der Text bietet Schwierigkeiten. Daß es ein Disputationswort ist, zeigen die vielen Fragen V. 19a.b.23.24a. Aber der Schluß fehlt. Vielleicht ist er als Einleitung zu 43,1-7 gemeint. J a h w e redet sein Volk als die Blinden und Tauben an, weil es in seiner Geschichte mit J a h w e viel erfahren, aber es nicht beachtet hat. Doch jetzt ist das Gericht Gottes über sie ergangen, sie klagen aus ihrem Elend. Sie klagen Gott an, daß er sie verlassen habe: „kein Retter war da". Wären sie nicht taub und blind, müßten sie „aufmerken und hören für die Zukunft". Sie müßten merken: „Ist es nicht Jahwe, der, gegen den wir sündigten?" Aber das nehmen sie nicht zu Herzen. Damit bricht der Text ab; 43,1-7 beginnt darauf folgend: „Aber nun, so spricht Jahwe . . . "

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43,22-28: Die Anklage Israels, die dieses Wort bestreitet, ist in V. 28 enthalten: „So gab ich Jakob dem Bann preis und Israel den Schmähungen". Die Anklage begründet Israel damit, daß es doch Jahwe treu gedient habe mit seinen Opfergottesdiensten. Aber eben das bestreitet Jahwe. In der Mitte dieses Wortes steht die Umkehrung des Argumentes, mit dem Israel seine Anklage gegen Gott begründet. Du hast mir nicht wirklich gedient, vielmehr hast du mir mit deinen Sünden Arbeit gemacht! (Zu dem Wortspiel mit 'äbad vgl. 46, 1-2 und zu beiden C. Westermann, Vergleiche und Gleichnisse im Alten Testament und im Neuen Testament, 1984, S. 63.) Hier bezieht sich Deuterojesaja offenkundig auf die kultische Anklage der Gerichtspropheten gegen den unecht gewordenen Gottesdienst, die das Gericht heraufiuhrte. Aber das Ziel dieser Bestreitung ist nicht, daß Gott sich in seinem Gericht über Israel bestätigen lassen will, sondern er will verkünden, daß er seinem Volk vergeben hat und sich ihm nun wieder zuwendet. Auch dieses Disputationswort also steht im Dienst der Heilsankündigung. 50,1-3: Der Anfang steht der Gerichtsrede nahe; die Frage: „Wo ist denn der Scheidebrief eurer Mutter?" fuhrt mitten in die Verhandlung hinein. Ihr geht die Klage des Klägers voraus, Gott habe Israel, mit dem er doch einen Bund geschlossen habe, verstoßen. Es ist die gleiche Anklage, die hinter 40,27 steht; vgl. Ps 44,13. Die Entgegnung bestreitet das Faktum des Verstoßene nicht, wendet aber ein: Ich mußte so handeln (wie 43,28). Die Sünden Israels haben Gottes Gericht heraufgeführt. Auf diese Entgegnung hin verstummt der Ankläger. Die in V. 1 schon angedeutete Bereitschaft Jahwes, sich seinem Volk wieder zuzuwenden, nimmt in V. 2b den anderen Einwand auf, er könne ihm nicht helfen, und tritt ihm mit dem Hinweis auf die Schöpfermacht entgegen (wie 40,12-26.28). Der Schöpfer kann die großen Wandlungen herbeifuhren (Ps 107,33). Israel kann daher gewiß sein, daß dieser Gott sie befreien kann.

7. Die Loblieder Texte: (40,9-11); 42,10-13; 44,23; 45,8; 48,20-21; 49,13; 51,3 fragmentarisch; 52,7-12; (54,1-2).

Die die Verkündigung Deuterojesajas durchziehenden Loblieder sind am Ende des Prologs 40,9—11 schon angedeutet. Mehrmals stehen sie am Abschluß eines Teiles (44,23; 48,21; 52,9f.). Schon damit wird ihre Funktion deutlich. Sie sind die Antwort derer, die Deuterojesajas Verkündigung anredet und die sie annehmen, also ein Responsorium. Sie sprechen die gottesdienstliche Sprache der Psalmen, sind selbst kurze Psalmen.

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Gegenüber den Lobpsalmen des Psalters hat Deuterojesaja eine eigene Form des Lobliedes geprägt. Imperativischer Ruf zum Lob oder zur Freude. Perfektische Begründung: Jahwe hat getan. Der Unterschied liegt darin, daß dem Imperativischen Lobruf in den Psalmen das beschreibende Lob folgt, hier aber das berichtende. Berichtet wird im Perfekt aber nicht schon Geschehenes, sondern es spricht von einem angekündigten Ereignis als sei es schon geschehen. Es ist das gleiche Perfekt, das im Prolog die Botschaft einleitet, 40,2: „... ruft ihr zu, daß vollendet ihr Frondienst, daß abgezahlt ihre Schuld" (dazu 40,9-11).

Der perfektische Teil Alle diese Texte sind ihrem Inhalt nach Heilsankündigungen. Das Perfekt (oder Präsens) nimmt ein Ereignis voraus, das noch in der Zukunft liegt, sie kündigen ein Ereignis in der Zukunft an. In jedem der Texte, ohne Ausnahme, ist das den Jubel erweckende Ereignis die Rettung Israels aus dem Exil. Die Kunst und die theologische Tiefe dieser „Ankündigungen" liegt darin, daß dieses geschichtliche Ereignis als solches niemals eindeutig genannt ist; vielmehr ist das, was (perfektisch) angekündigt wird, meist die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk. 49,13 40.2 51.3

„denn getröstet hat Jahwe sein Volk Er erbarmt sich seiner Elenden." „... daß vollendet ihr Frondienst, daß abgezahlt ihre Schuld" „denn Jahwe hat Zion getröstet, getröstet all seine Trümmer."

Es ist der personale Vorgang, der an diesen drei Stellen den Ruf zur Freude und zum Lob begründet; es ist diese Wendung bei Gott, nicht eigentlich ein geschichtliches Ereignis. Das gleiche gilt fur drei Texte, die von dem Verb gaal bestimmt sind: 44,23 48,20-21 52,9-10

„denn Jahwe hat Jakob erlöst, an Israel sich verherrlicht" „Erlöst hat Jahwe seinen Knecht Durch Wüsten führt er sie... Wasser aus dem Felsen..." „denn erbarmt hat sich Jahwe seines Volkes, erlöst Jerusalem."

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Auch das Verb gaal, das im Familienrecht zu Hause ist, meint eine personale Zuwendung, wie es besonders der Parallelismus erbarmt erlöst 52,9-10 zeigt. Es bleibt dann nur 45,8: „Ich, Jahwe, habe es geschaffen". Aber auch das ist ein allgemeiner, abstrahierender Ausdruck, der eigentlich nicht ein geschichtliches Ereignis bezeichnet. Damit aber ist es gelungen, die perfektischen Begründungen der Rufe zur Freude und zum Lob vor dem Mißverständnis einer bloßen Voraussage zu bewahren. Das, worüber hier zum Lob, zum Jubel, zur Freude gerufen wird, ist etwas, was bei Gott geschehen, daher nicht geschichtlich fixierbar ist: Gott hat sich seinem Volk wieder zugewandt. Das ist ein wirkliches Perfekt; das ist geschehen. Wenn an zwei Stellen das Geschehen in perfektischer Form als Kampf und Sieg dargestellt ist, in 42,10-13: ,Jahwe zieht aus wie ein Held ... zeigt sich als Sieger" und 52,10: „Entblößt hat Jahwe seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker", so ist das eine Erinnerung an die Zeit der Jahwe-Kriege, die aber durchaus nicht ein kriegerisches Geschehen in der Gegenwart meinen müssen.

Der Imperativische Teil Bei dem Imperativischen Teil fallt auf den ersten Blick auf, daß er in vieler Beziehung reicher entwickelt, meist oder fast immer, auch länger ist als der perfektische. An diesem Imperativischen Teil muß Deuterojesaja besonders gelegen gewesen sein, wahrscheinlich in einer bewußten Weiterführung des Imperativischen Lobrufes in den Psalmen. Diesem stehen nahe die Imperative, in denen die Angeredeten zum Lob oder Jubel gerufen werden, darüber hinaus alle Völker der Erde, 52,10. 42,10-13

„Singet Jahwe neuen Sang, sein Lob am Ende der Erde!... Jahwe sollen sie Ehre bringen, seinen Ruhm auf den Inseln künden!" 48,20-21 „Kündet mit jubelnder Stimme, laßt dies hören, laßt es ausgehen bis ans Ende der Erde, sprecht..." 51,3 „... daß Freude und Jubel sich in ihr finden, Lobruf und Klang der Lieder!" 52,9-10 „Brecht aus, frohlockt vereint, ihr Trümmer Jerusalems, denn..." Der Ruf an die „Trümmer Jerusalems" leitet von dieser zur nächsten Gruppe über; es können zwar wörtlich die Gebäudetrümmer gemeint sein, aber es kann auch das, was übrig geblieben ist nach der Katastrophe

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in einem allgemeinen Sinn gemeint sein. In diesem Fall gehören die Gebäudetrümmer mit den übriggebliebenen Menschen nahe zusammen. Ruf zum Lob an die Kreatur 42,1 Ob 11

44,23

49,13 45,8

55,12

„es brause das Meer und was es füllt, die Inseln und die sie bewohnen es juble die Wüste und ihre Städte, Zeltdörfer, die Kedar bewohnt, es sollen frohlocken die Felsenbewohner, von der Höhe der Berge her jubeln!" , Jubelt ihr Himmel, ruft laut ihr Tiefen der Erde, brecht aus, ihr Berge, in Jubel, der Wald und alle Bäume darin!" ,Jauchzet ihr Himmel, juble, ο Erde! Ihr Berge, brecht aus in Frohlocken!" „Träufelt, ihr Himmel, von droben, ihr Wolken, rieselt von Heil, die Erde öffne sich, lasse Heil reifen, daß Gerichtigkeit dabei sprosse!" „Berge und Hügel sollen vor euch in Jubel ausbrechen, und alle Bäume der Ebene in die Hände klatschen!"

Ohne Zweifel ist mit diesen Imperativen das Weitergehen des Rufes zum Lob, der in sich die Tendenz hat, sich auszuweiten, zur Kreatur, in die Kreatur hinein gemeint, wie es Israel aus den Lobspalmen (Ps 148) kannte. Der Unterschied ist, daß dort der Ruf an die Kreatur zum beschreibenden, hier zum berichtenden Gotteslob gehört. Die Kreatur soll in das jubelnde Lob einstimmen, weil Jahwe sich seinem Volk wieder zugewendet hat. Das steht in nächster Nähe zu dem „Neuen", daß die angekündigte Befreiung Israels ermöglicht wird durch Gott den Schöpfer, der als solcher auch nach dem Zusammenbruch Herr der Schöpfung und Herr der Geschichte bleibt: 40,12-31 und 44,24-45,7; 48,12-15; 51,12-16. Das Reden von dem rettenden Gott und von Gott dem Schöpfer kommen hier nahe zusammen. Die Verbindung des Lobrufes mit einer rettenden Tat Gottes im Perfekt begegnet schon in der festen Wendung bärükjhwh (der ... getan hat) in frühen Prosatexten, z.B. lSam 25,32.33. Dabei rücken in 42,10.11 auch Menschen und Kreatur nahe zueinander und in 45,8 wird das Strömen des Segens in die Bewegung des Gotteslobes einbezogen. In allen diesen Texten begegnet eine Funktion des hebräischen Imperativs, die einzigartig und in ihrer Bedeutung noch nicht erkannt ist. Es ist der Gebrauch des Imperativs innerhalb einer Heilsankündigung, in der er nach dem üblichen Verständnis der Funktion des Imperativs keinen Platz

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und keinen Sinn hat. Sie ist sehr weit entfernt von der durch die Bezeichnung „Imperativ", „Befehlsform" suggerierten Funktion des Befehlsvorganges. Vielmehr stehen diese Rufe zum Lob, zur Freude in krassem Gegensatz zu einem Befehl jeglicher Art. Es wäre notwendig, die Funktionen des sogenannten Imperativs in den Schriften des Alten Testaments von ihrem Kontext her neu zu verstehen und neu zu bestimmen, damit dieseje in ihrer Eigenbedeutung erkannt und entgegen der summarischen und als solcher unzutreffenden Bezeichnung voneinander gesondert werden. (Hierzu: „Bedeutung und Funktion des Imperativs in den Geschichtsbüchern des Alten Testaments" in FS Alfons Deissler, im Erscheinen)

III. Die einzelnen Motive 1. Motive der Heilszusage Bei der Frage nach den einzelnen Motiven der Heilszusage ist zwischen deren beiden Teilen zu unterscheiden. Der erste Teil bleibt konstant, in den Hauptzügen ist er immer gleich, bestehend aus der Einleitung, Anrede mit Apposition, dem Beruhigungsruf und dessen Begründung, nominal und verbal: Apposition zu Jahwe als dem Sprechenden: Selbstprädikation wiejes 43,1a; 51,13. Apposition zu Israel als dem Angeredeten: Rückblick auf Gottes frühere Heilstaten 418-9.13.14a; 43,1b; 44,2b; 51,12f. Beruhigungsruf 41,10.13.14a; 43,1 b; 51,12f. Begründung nominal 41,13.14b; 43,1 b.3.5; 54,4a; 54,5; 51,12 f. Begründung verbal 41,13.14b; 43,1b; 54,6; 51,14 (futur.) Zwar sind die nominalen und verbalen Begründungen jeweils verschieden, bleiben aber allgemein; niemals begegnet eine geschichtlich konkrete Aussage. Das ist im Charakter der Heilszusage begründet, die ja ursprünglich an einen einzelnen gerichtet ist. Das zeigt vor allem die nominale Begründung, überwiegend der Satz: „Ich bin mit dir" 41,10a; 43,2.5, variiert: „Ich bin dein Gott" 41,10a.13a; 43,3 oder „dein Erlöser" 41,14; 54,5, „dein Retter" 43,3. Allen diesen Wendungen liegt die Verheißung des Mitseins (oder Beistandes) zugrunde, die schon in den Vätergeschichten begegnet und hier zweifellos an einen einzelnen gerichtet ist (C. Westermann, Die Verheißungen an die Väter, 1976, S. 130-133), insbesondere als eine Verheißung auf den Weg, bei Antritt einer Reise. Sie begegnet aber darüber hinaus an vielen Stellen und in vielen Zusammenhängen im ganzen Alten Testament. Demgegenüber ist die verbale Begründung nicht so geschlossen: „Ich habe dich erlöst" 43,1b, dazu 41,10.13.14. Nur in der Anrede und deren Apposition, sofern sie vom früheren Heilswirken Gottes handeln, ist eindeutig gesagt, daß in diesen Heilszusagen ein Volk angeredet ist.

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Für den ersten Teil der Heilszusage ergibt sich: Dieser Teil, der Kern der Heilszusage, ist ursprünglich kein an ein Volk gerichtetes Heilswort. Schon mit dem ersten Satz der Botschaft: „Tröstet, tröstet mein Volk!" wird von diesem wie von einer Person gesprochen. Die Heilszusag dient der Intensivierung des Heilswortes durch die Konzentration auf den kleinen, intensiveren Geschehensbogen im Leben eines einzelnen Menschen, dessen Not durch sie gewendet wird; nur in ihm ist eigentlich eine perfektische Heilszusage möglich und sinnvoll. Bei dem zweiten futurischen Teil der Heilszusage ist das anders. Zwar ist dieser gemeint als Folge des präsentisch-perfektischen Teils, jedoch bezieht er sich nun eindeutig auf die Zukunft des Volkes in dem weiteren Geschehensbogen der Volksgeschichte. Deshalb enthält der zweite Teil konkrete Ereignisse und stimmt daher mit der futurischen Heilsankündigung, wo sie ohne vorangehende Heilszusage begegnet, überein. In diesem Teil begegnen nur Motive, die sich auch in selbständigen Heilsankündigungen finden. Die einzelnen Motive der Heilsankündigung und der Nebenformen: Sie können nach der Geschehensfolge gegliedert werden, die sich aus der Verkündigung Deuterojesajas als ganzer dadurch ergibt, daß er die Ankündigung der Befreiung in den Gesamtzusammenhang der Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel stellt (s.o.S. 33): Gottes frühere Heilstaten, der Abfall des Volkes, Gottes Gericht über sein Volk, die Klage des Volkes aus der Tiefe seines Leides, die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk, die Befreiung, Sammlung und Rückkehr, der Segen, die zu den Völkern hin offene Zukunft. a) Die früheren Heilstaten

Gottes an seinem Volk: A u f sie w e i s e n A p p o s i t i o n e n z u

dem Subjekt Jahwe und dem Objekt Israel am Anfang von Heilsworten. Jahwe hat Israel erwählt 41,8.9; 44,1; 43,18; 49,7; 45,4; 43,10. Er hat es erschaffen 43,1.7; 44,2; 43,20f.; 44,24; 43,15 f.; 44,21. Er ist sein Erlöser 44,24; 44,6. Er hat Israel am Anfang seiner Geschichte errettet 41,8.9; 43,16.17. „Das Frühere" 43,18 u.ö.; 51,9-10. Er bleibt ihm treu und zugetan 49,7.15; 43,10. b) Israels Abfall und Jahwes Gericht: 50,1-3 „Seht, um eurer Sünden willen seid ihr verkauft..."; 43,22-28 „Du machtest mir Mühe mit deinen Vergehen ...", „so gab ich Jakob dem Bann preis ...", V. 24 „Wer gab Jakob der Plünderung preis und Israel den Räubern? Ist es nicht Jahwe, der, gegen den wir sündigten?" c) Das Leid, das Jahwe

über sein Volk bringen mußte: 4 2 , 1 4 „ L a n g e h a b e ich

geschwiegen, war stumm, hielt an mich ..."; 49,17 „... die du getrunken aus der Hand Jahwes den Becher seines Zornes ..."; V. 19f. „dieses alles hat dich getroffen, Sturm und Sturz ... deine Söhne liegen ... voll des Grimmes Jahwes ...", V. 21.22, dazu 44,26; 52,2; 49,7: „... zum tief Verachteten, dem Abscheu der Leute, dem Knecht der Herrschenden". d) Die Klagemotive: Die Heilsankündigung setzt oft nach der Einleitung (die auch fehlen kann) mit einer Klage oder der Andeutung einer Klage ein. Sie bringt die Situation zum Ausdruck, in die hinein die Heilsankündigung ergeht. Es ist immer die Volksklage bzw. ein Wort aus einer Volksklage, während die Heilszusage die Klage des einzelnen voraussetzt. Die Volksklage entspricht der Heilsankündigung, weil diese eine Not des Volkes voraussetzt. Sie ist aber meist keine klagende Beschreibung der Situation des Lebens der Exilierten in Babylon, sondern es sind fast alles Motive der überlieferten Volksklage, wie wir sie in den Psalmen finden. Das zeigt besonders 49,14—26, wo die drei Teile des Wortes mit

Heilsworte bei Deuterojesaja

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Motiven der drei Glieder der Klage beginnen: 49,14 Anklage Gottes; 49,21 WirKlage; 49,24 Feind-Klage. Dieses Beispiel zeigt, d a ß die drei Glieder der Klage dem Verfasser als Kompositionselement dienten, der Einsatz des Heilswortes mit der Klage also bewußt war. Die Anklage Gottes: 49,14; 42,14; 51,17; 40,27; 54,7a.8a. Weil diese Sätze die Klage nur andeuten, ist deren Wortlaut oft geändert, in Gottesrede umgewandelt, 42,14; 54a.8a, oder in Anrede an Israel, 51,17. Die Wir-Klage: 49,21; 40,6-8; 41,17a; 49,7; 51,17b-21; 46,12; 42,22; 54,4b. Die Feind-Klage tritt ganz zurück, sie ist nur angedeutet in 49,24; 42,22; 49,7. Nur eine Stelle, 51,17b-21, ist ausführlicher und nur diese eine Stelle zeichnet die Situation nach dem Zusammenbruch im Zusammenhang. Sie steht deshalb den Klageliedern nahe. Es können sonst Klagen aus einer anderen Situation auf die Situation nach dem Z u s a m m e n b r u c h übertragen werden: die Klage aus einer Dürre, 41,17 oder die Vergänglichkeitsklage, 40,6-8, die Klage der Kinderlosigkeit, 49,21 oder der Witwenschaft, 54,4. Mehrmals schließt die Klage den Zorn und das Gericht J a h w e s ein, die das Leid verursachten, 42,14; 51,17.20; 54,7a.8a. Traditionsgeschichtlich bedeutet der Einsatz der Heilsankündigung mit der Klage (bzw. Andeutung einer Volksklage), d a ß der Prophet die Situation, auf die hin er seine Hörer anredet, in der Sprache der Angeredeten ausdrückte; denn für sie ist die Klage die Sprache des Leides. Die Volksklagen, die hier anklingen, kennen seine Hörer. Schon hierin zeigt sich, wie bei Deuterojesaja Prophetie und Gottesdienst zusammenkommen. Wir wissen, eine wie hohe Bedeutung die Klagebegehung nach dem Z u s a m m e n b r u c h erhielt. Dafür spricht auch, d a ß die eine ausführliche Klage in 51,17b—20 den Klageliedern nahesteht. Das große Gedicht 40,12-31, in dem der Trost 40,1 auf die Klage 40,27 hin erfolgt, entspricht dem Aufbau der Heilsankündigung in ihrem Einsatz mit der Klage. e) Die Wiederzuwendung Gottes: Eine Entsprechung zwischen der Heilsankündigung und den Klagepsalmen besteht auch darin, d a ß in den Klagepsalmen das Flehen zu Gott, oder die an Gott gerichtete Bitte, durchgehend zweigliedrig ist: Bitte um Gottes Zuwendung - um Gottes Eingreifen. Diese Zweigliederung kehrt in den Heilsankündigungen wieder; d a r u m ist in ihnen die Zuwendung, die Wiederzuwendung Gottes ein besonderes Motiv. Die Wiederzuwendung Gottes beendet die Klage; daher wird in manchen Heilsankündigungen diese Wende der Klage erwähnt oder angedeutet: 41,17; 49,15; 54,7f.; 51,22: „Ich nehme den Zornesbecher von dir". Die Wiederzuwendung Gottes impliziert sein Vergeben; m a n c h m a l ist es ausgesprochen: 40,1-2; 44,21 f.; 43,25. Die Wiederzuwendung setzt damit ein, d a ß Gott das Flehen seines Volkes erhört, 41,17: „Ich, J a h w e , erhöre sie"; 49,8. An den anderen Stellen ist die Erhörung impliziert; m a n kann statt „Heilszusage" auch „Erhörungszusage" setzen. Auch an diesem Element kann m a n den Z u s a m m e n h a n g des Heilswortes mit dem Psalmengebet feststellen. Die Wiederzuwendung erwächst aus dem E r b a r m e n Gottes mit seinem Volk, 49,13; 52,9; 54,8: „mit ewiger Huld erbarme ich mich". Weil er sich seiner erbarmt, tröstet er es, 51,12; 51,3; 49,13, dazu 40,1 ff. Dieses E r b a r m e n Gottes mit seinem Volk ist nicht etwas wie eine Eigenschaft Gottes, es ist vielmehr ein Vorgang: das Erbarmen, das beim Anblick der Leidenden aufbricht. Das entspricht den Heilungserzählungen im Neuen Testament. Jesus sieht einen Leidenden „und es j a m m e r t e ihn". Es ist das Erbarmen, das

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

ebenso im Gotteslob der Psalmen gemeint ist; dieses Erbarmen wandelt die Klage zum Lob, ζ. B. Ps 103. Die Wiederzuwendung wird mehrfach in Vergleichen dargestellt: Aufschreien der Gebärenden, das die Geburt ankündigt, 42,14; 49,15f.; 51,22 „Ich nehme den Becher des Zornes von dir"; die Wiederannahme der Frau 55,5-6; 49,16; 40,2931 „er gibt den Müden Kraft"; 46,4 „Ich will euch tragen". Die Vergleiche bestärken den Ereignischarakter der Wiederzuwendung Gottes. f) Das Eingreifen Gottes, die Befreiung: Der Zuwendung Gottes folgt das Eingreifen Gottes, es ist in mehrere Motive gegliedert: Das Eingreifen als solches, Gott hat gehandelt, 44,23, hat geschaffen, 45,8, eine Epiphanie 40,1-11: „da ist euer Gott!". Ergreift als Krieger, als Held ein, 42,13; 52,5f.; 52,9-10. Die Befreiung oder Rettung oder Erlösung hat eine erstaunliche Fülle von Ausdrucksmöglichkeiten. Obwohl immer derselbe geschichtliche Vorgang gemeint ist, ist seine Bezeichnung nie formelhaft. In manchen der hierher gehörenden Sätze ist die Befreiung nur impliziert, oft ist der Verbalsatz eingegangen in die Gottesprädikation: „dein Erlöser". Das wichtigste und häufigste Verb ist gaal, erlösen, 43,1; 51,11, dazu 43,13; 44,22.23; 48,20-21; 49,26; 52,3; 43,13; 54,5; 43,27 „dein Helfer". Wenn das Verb gaal in der Heilsverkündigung Deuterojesajas eine hervorgehobene Bedeutung hat, ist das mindestens teilweise in dessen Herkunft begründet: Der goel ist ursprünglich der Löser, Auslöser im familiären Bereich (vgl.,trösten'). (Hierbei der Artikel gaal in T H A T I.) Andere Verben bezeichnen den gleichen Vorgang, 51,14,50,2 befreien; dazu 41,13 helfen; 49,25; halten 41,13; 43,1 beim Namen rufen; 46,4 tragen und retten; 45,13 Gefangene freilassen; 48,10.17 der dir Bahn macht; 43,13 ich schicke nach Babel. An die Stelle des Aktes der Befreiung tritt der Ruf zum Auszug 48,20; 49,9; 40,2. Umschreibungen, Andeutungen, Vergleiche: Vorausgesetzt ist die Ankündigung der Befreiung in 41,17-20; 42,16f.; 44,24f.; 45,7; 40,27-31; sie ist „das Neue", 43,19; 51,14 Befreiung eines einzelnen Gefesselten; 52,2 „entledige dich der Bande deines Halses". 48,17; 43,14; 46,11; „ich rufe den Stoßvogel vom Aufgang". 44,23; 43,3 ich gebe Ägypten als Lösegeld oder allgemein begrifflich 46,13 ich lasse nahen mein Heil in Zion. Es ist bei der Fülle dieser Sätze, die alle das gleiche sagen, zu bedenken, daß dieses Motiv „Befreiung", Erlösung der Kern der Heilsankündigung ist. Jedes der anderen Motive könnte fehlen, dieses nicht; es muß mindestens im Text impliziert sein. Von hier aus wird das Verhältnis zur Heilsankündigung deutlicher: Deren futurischer Teil, der den jetzt noch folgenden Sätzen der Heilsankündigung entspricht, ist abgehoben von dem ersten, perfektisch-präsentischen Teil, der dem Motiv „Befreiung" entspricht und mehrfach dessen Verben, besonders „erlösen", gebraucht. f) Das Besiegen der Feinde: Es sind nur wenige Stellen, die Gottes Eingreifen gegen die Bedrücker ankündigen. Mehrfach geschieht es in traditionellen Wendungen: 49,25 „Mit deinen Streitern streite ich" (vgl. Ps 35,1); 42,13 (vgl. 52,910); 41,11-12, entfaltet in V. 15-16; 51,22f. Einige Stellen sprechen von den Folgen des Besiegens der Feinde: 49,19-20 „fern sind deine Zerstörer"; 52,1 „von nun an wird dich nicht betreten ..." Das Siegeslied 46,1-4 ist allein auf die Götter Babylons bezogen. An die Stelle des Vernichtens der Bedrücker Israels tritt bei Deuterojesaja einmal die Beauftragung des Kyros, die Exilierten Israels zu befreien. Dann tritt in den Gerichtsreden der Rechtsstreit an die Stelle des

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militärischen Kampfes. In diesen Z u s a m m e n h a n g gehört auch, d a ß Deuterojesaj a mit der Ankündigung des Sturzes Babylons die Einladung an die „Entronnenen der Völker" verbindet. Das wäre nicht möglich, wäre Israel selbst der Sieger. g) Sammlung und Rückkehr, Bereitung des Weges, Bewahrung auf dem Weg: Während bei der Ankündigung der Befreiung von deren näheren U m s t ä n d e n nichts gesagt wird, weist die Ankündigung der Sammlung und der Rückkehr auf ein einmaliges unverwechselbares Ereignis, eben die Rückkehr der Israeliten aus dem babylonischen Exil. Die historische Bedeutung des Exils und dieser Rückkehr wird durch keine Textgruppe im Alten Testament so gewichtig bezeugt wie durch die vielen Texte dieses einen Motivs der Heilsankündigung, und zwar nicht nur bei Deuterojesaja, sondern auch in einer großen Zahl anderer Heilsworte. Es kommt hinzu, d a ß dieses Ereignis an mehreren Stellen bei Deuterojesaja und bei anderen in Parallele zum Auszug aus Ägypten am Anfang gesehen wird. Diese Parallele hat wesentlich dazu beigetragen, die Geschichte Israels als einen Z u s a m m e n h a n g zu erfassen; vgl. besonders 51,9-10. Auf die Befreiung folgt die Sammlung, der Aufbruch, der Weg, die Ankunft. Die Sammlung: „Vom Aufgang bringe ich . . . sammle ich" 43,5; 49,12, auch 49,22. Der Aufbruch: 55,12 „In Freude sollt ihr ausziehen . . . " ; der Ruf zum Aufbruch 51,17a; 4820; 52,2. Der Weg: J a h w e bereitet ihnen den Weg: 43,19f. „Ich lege einen Weg in der Wüste ..."; 49,11; 42,16; vgl. 40,3-5. Er wandelt die Wüste, schafft Wasser und Vegetation in ihr, 41,18-19; 43,19-20; 48,21; 55,13, auch N a h r u n g 49,9-10; 51,14; 55,12-13 unter dem J u b e l der Kreatur. Er geleitet sie auf dem Weg, 42,14-17; 48,20-21. Er bewahrt sie auf dem Weg vor Gefahren, 43,2. In alledem wiederholt sich Gottes H a n d e l n an Israel auf dem Weg durch die Wüste, nach der Befreiung aus Ägypten, 51,9-10. Die Ankunft: Sie kommen zurück nach Jerusalem 51,11 „Sie kommen zum Zion mit J a u c h z e n " ; vgl. 49,18. „Die Völker bringen deine Söhne und Töchter" 49,22. h) Wiederherstellung: Zu diesem Motiv gehören nur wenige Stellen, 44,26; 45,13; 49,8; 49,16-17. Die Ankündigung der Wiederherstellung der Stadt Jerusalem und des Tempels begegnet in zwei Kyrosworten: In der Einleitung 44,24—27 in der Selbstprädikation Gottes „der zu Jerusalem spricht: Sei bewohnt! und der Tempel sei gegründet!" Dazu in 45,9-13 von Kyros: „Er soll meine Stadt bauen und meine Gefangenen befreien" 45,13. Sonst nur noch einmal in 49,16-17. Die Wiederherstellung klingt nur an als Folge der Befreiung in 49,8 „zum Erbe zu geben verwüstetes Erbland". 2.

Segensverheißung

Im Aufbau des Deuterojesajabuches folgt auf die Heilsankündigung (mit Heilszusage) die Segensverheißung oder Segensschilderung, die im Ursprung von ihr verschieden ist und auf die Frühzeit des Volkes zurückgeht. Die Verbindung von beidem bzw. das Folgen der Segensverheißung auf die der Rettung war Deuterojesaja in der Exodusverheißung schon vorgegeben (sie begegnet auch in Dtn 30,1-10: V. 3-5a Rettung 5b Segen). Sie bildet den letzten Teil 54,1-55,5, außerdem endet die letzte der

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Heilszusagen mit einer Segensverheißung, 44,3-5. Rettung und Segen nennt auch S. Herrmann (1965) im Vorwort S. I. als Inhalt der Verheißung: „... im Blick auf eine Reihe von Verheißungen ..., in denen der Gott Israels seinem Volk Rettung und Segen ... zusagte". Aber diese Unterscheidung wirkt sich dann in der Untersuchung nicht aus. 54,1-10: Die beiden Texte 54,1-10(17) und 55,1-5 sind mit einem Ruf eingeleitet. 54,1-3 beginnt mit einem Ruf zum Jubel an die Unfruchtbare V. la, begründet mit der Verheißung reicher Nachkommenschaft V. Ib. Segen und Mehrung gehören von Anfang an zusammen. V. 2-3 wird die gleiche Verheißung mit anderen Worten wiederholt. V. 4—10, der Ruf zum Jubel V. 1 wird in V. 4 aufgenommen in dem Beruhigungsruf „Fürchte dich nicht!" V. 4a. Auf ihn folgt aber nicht eine Heilszusage im strengen Sinn, diese klingt nur an. Der mit V. 4 einsetzende Teil verbindet die Segensverheißung mit der vorangehenden Heilsankündigung durch das breit entfaltete Motiv,Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk'. V. 4b.5 begründet den Ruf „Fürchte dich nicht!" mit der Wiederannahme der verstoßenen Frau. V. 7-8 wiederholt die Wiederannahme nach einer Zeit des Verlassens und Sich-Verbergens, wobei diese stark betont wird: „Mit großem Erbarmen sammle ich dich". Sie wird in V. 9—10 noch verstärkt durch einen Vergleich, der der Segensverheißung gemäß aus dem Bereich der Schöpfung gewählt ist. Der Verheißung Gottes nach der Flut: „Solange die Erde steht ..." entspricht die Verheißung des „Friedensbundes", den einzuhalten er jetzt schwört. Das stetige Wirken Gottes im Segen entspricht den bleibenden Satzungen in der Schöpfung. 54,11-13: Die Verse 11—13, die das neue prächtige Jerusalem in Gold und Edelsteinen schildert, fallen aus dem Zusammenhang heraus. Das Stück erinnert an die Sprache Tritojesajas und wirkt hier als Fremdkörper. V. 14—17 könnte an 54,10 anschließen, aber am Anfang ist der Text unsicher. Auch in diesem Text geht es um einen Heilszustand: Zion wird Frieden und Sicherheit, Schutz vor Feinden verheißen. K. Elliger hält Kap. 54—55 für tritojesajanisch. Das ist fur 54,11—13 wahrscheinlich, für V. 14—17 unsicher. Dagegen kann 54,1-10 und 55,1-5 Deuterojesaja nicht abgesprochen werden. Bei Elligers Zuweisung von 54—55 im ganzen an Tritojesaja bleibt unerklärt, warum 54,11-13 so stark von seinem Kontext abweicht. 55,1-5: Dieser Teil beginnt wieder mit einer Aufforderung; die Imperative in V. l-3a folgen denen in 54,1^·. Mit den Imperativen ist eine Heilsankündigung, V. 3b, eingeleitet, die in einem zweimaligen „Siehe!" entfaltet wird, den Bezug von V. 5 auf V. 4 betonend. Der Ruf zum Hören in V. l-3a ist durch einen Vergleich erweitert. Er hat die Sättigung und Labung zum Ziel, der Sprache des Segens entsprechend. Die Wiederholung der Rufe: „kommt!, kauft!" ahmt die Rufe von Verkäufern, von Marktschreiern nach. Der Ankündigung der Rettung fügt Deuterojesaja

Heilsworte bei Deuterojesaja

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hier hinzu: Die Fülle des Segenswirkens Gottes wartet auf euch! V. 3b-5: Gott will mit seinem Volk einen bleibenden Bund schließen im Rückblick auf die Verheißung des Davidbundes, der auch eine Segensverheißung war. Aber es wird nicht ein „neuer Davidbund" angekündigt, nicht ein „Messias", sondern das dem David Verheißene geht jetzt auf Israel über. Das wird in V. 4—5 entfaltet. Jahwe macht David zum „Zeugen für Völker", eben durch das, was er an David tat. Entsprechend wird die neue Heilstat an Israel das Hinzukommen von Fremden bewirken; vgl. 45,2025. Nicht Unterwerfung anderer Völker wird hier verheißen, sondern ein Wachsen durch die Fremden; vgl. 54,1-6. In alledem will Jahwe Israel verherrlichen, aber anders als vorher, anders als zur Zeit Davids. Israel wird zum Zeugnis (V. 4) des wunderbaren Tuns Jahwes.

3. Das Eintreffen des Angekündigten

Deuterojesaja betont an mehreren Stellen, daß die früheren Ankündigungen, sowohl Gerichts- wie Heilsankündigungen, eingetroffen sind: „Das Frühere, siehe, es ist eingetroffen" 42,9; 44,26; 46,10; 48,3.5. An das „Frühere", das Jahwe durch seine Boten ankündigte (44,26), das Gericht, das die Propheten vor dem Zusammenbruch ankündigten, erinnert er sein Volk, wenn er jetzt „Neues" ankündigt: „Neues tue ich kund" 42,9; 48,6 dazu 43,12; 44,8; 45,19.21; 46,10; 48,15, hier direkt auf Kyros bezogen: „Ich, ich habe es gesagt, habe ihn gerufen". Den Göttern der Völker wird eben dies abgestritten, besonders im Blick auf die Katastrophe, die über Babylon kam, 41,27.29; 43,9; 44,7; 48,14. Dies wird von Deuterojesaja in einer geschichtlichen Stunde gesagt, in der es so aussieht, als habe Jahwe versagt und sich als ohnmächtig erwiesen. Dem entgegen sagt Deuterojesaja: Das Herrsein Jahwes über die Geschichte erweist sich darin, daß seine Ankündigung auch über eine Katastrophe seines Volkes hinweg eintrifft und so geschichtliche Kontinuität bewirkt, 46,1—4. Das Eintreffen früher ergangener Ankündigungen ermöglicht das unbedingte Vertrauen auf den Gott, auf dessen Wort sein Volk sich verlassen kann, 55,10-11. Erst so wird eine „Geschichte Gottes mit seinem Volk" möglich. Das zeigt sich im deuteronomistischen Geschichtswerk, in dem der Hinweis auf das Eintreffen der früheren Verheißungen ein wichtiges Motiv ist (s.o.S. 29). 4. Die gottesdienstlichen Motive

Die gottesdienstlichen Motive in der Verkündigung Deuterojesajas sind darin begründet, daß sowohl die Heilszusage als auch die Heilsankündigung sich auf die Klage des Volkes und des einzelnen beziehen, wie

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sie im Psalter, also einer gottesdienstlichen Tradition Israels, gesammelt sind. Zum Teil sind die Heilsworte ausdrücklich als Antwort auf solche Klagen gemeint. Da nun aber im Psalter Klage und Gotteslob auf vielfaltige Weise aufeinander bezogen sind, z.B. die Klagepsalmen in ein Lobversprechen einmünden, lag es nahe, daß sich die Heilsankündigung auch mit dem Gotteslob verband und zwar in verschiedener Weise. Da aber diese gottesdienstlichen Motive formgeschichtlich in den Zusammenhang der Klage- und Lobpsalmen gehören, sollen sie hier nur kurz skizziert werden. a) Die Heilszusage ist keine ursprünglich prophetische Redeform, sondern hat ihren Ursprung im Gottesdienst (J. Begrich, ZAW 32, 1934, 8192), bezogen auf den Klagepsalm des Einzelnen als Gottesantwort; vgl. Thr 3,37. - b) Die Klage des Volkes ist in einer Fülle von Motiven Bestandteil der Heilsverkündigung Deuterojesajas. - c) Der häufige Bezug auf das beschreibende Gotteslob (Hymnos), besonders 40,12-31, hat in der Verkündigung Deuterojesajas die spezifische Bedeutung, dem Einwand, der Gott Israels habe in der Preisgabe seines Volkes versagt, den Exilierten die Größe und Majestät ihres Gottes, des Schöpfers und Herrn der Geschichte, wieder lebendig vor Augen zu führen. Die gleiche Bedeutung haben die vielen Appositionen zu Jahwe, die dem Inhalt nach Gotteslob sind. - d) Die Nähe zum Gottesdienst kommt am stärksten zum Ausdruck in den Lobliedern, die die Heilsverkündigung Deuterojesajas begleiten, vom Schluß des Prologs an bis zu den letzten Worten 55,12-13. Es geht in ihnen darum, daß die in der Heilsverkündigung angekündigte Erlösungstat Gottes eine Antwort und einen Widerhall erhalte, der über den Kreis der Befreiten hinausgehen soll zu den Völkern und zu aller Kreatur. Die Verbindung der prophetischen Heilsankündigung mit Klage und Gotteslob zeigt eine Verbindung von der nun zu Ende gehenden Prophetie mit dem exilisch-nachexilischen Wortgottesdienst an. Von einer Wiederaufnahme des Opferkultes nach der Rückkehr aus dem Exil zeigt sich bei Deuterojesaja keine Spur. Wie aber nach der Zerstörung des Tempels die Klagebegehung als Gottesdienst weiterging und die Verkündigung Deuterojesajas an ihn anschließt, so fuhrt er in seiner Verkündigung das Gotteslob der Psalmen weiter, das als Lob der von Jahwe Geretteten ebenso wie als Lob des Schöpfers und Herrn der Geschichte in dem Gottesdienst der in ihr Land Zurückgekehrten weitergehen soll. Die Heilsverkündigung Deuterojesajas ist in einem wesentlichen Punkt richtungweisend für die ihm folgende Heilsankündigung in den Heilsworten der Gruppe 1: Das für Israel angekündigte Heil ist offen für Menschen aus allen Völkern. Die Vernichtung anderer Völker wird nicht mehr als Voraussetzung für das Heil Israels angekündigt, im Gegensatz zu den Heilsworten der Grupp 2. Damit hängt zusammen, daß das Wiedererlan-

Heilsworte in Jesaja 1-39

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gen politischer M a c h t und politischer Größe nicht angekündigt wird. Sie gehören nicht zu dem Heil, das hier verkündigt wird. Dies zeigt auch der auffällige Tatbestand, daß unter den vielen Völkersprüchen im Alten Testament keine gegen das persische Reich gerichteten vorkommen.

H E I L S W O R T E IN J E S A J A 1 - 3 9

Bei der Untersuchung der Heilsworte in J e s 1-39 ist zu unterscheiden zwischen solchen, die im Zusammenhang eines Berichtes und solchen, die in Sammlungen von Prophetenworten überliefert sind. Das ist der gleiche Unterschied, der für die Uberlieferung von Prophetenworten insgesamt gilt: Vor Arnos sind Prophetenworte nur im Zusammenhang von Berichten überliefert, den Ubergang bilden die Elia-Elisa-Uberlieferungen, von Arnos a b fast nur in Sammlungen von Prophetenworten. Bei den im Zusammenhang eines Berichtes überlieferten Prophetenworten bietet sich der Vorteil, daß die Auslegung eines Prophetenwortes durch das Einbeziehen der Situation, in der es ergangen ist, wesentlich erleichtert wird, einschließlich der Frage, ob das Wort von dem Propheten, dem es zugesprochen wird, gesprochen sein kann. Dieses Kriterium erhält eine besondere Bedeutung bei Heilsworten. Es ist deshalb nicht nur möglich, sondern methodisch geboten, bei den Heilsworten in J e s 1—39 von den Texten auszugehen, die uns im Zusammenhang eines Berichtes überliefert sind, also in den Textgruppen Kapitel 7-8 und 36-39. Dadurch sind auch eo ipso die in den Königsbüchern überlieferten Jesajaworte einbezogen.

I. Heilsworte im Bericht Jes 7,1-17: Ankündigung der Rettung aus einer Not. Ich folge hier in der Abgrenzung und Auslegung in allen wesentlichen Punkten H. Wildberger: „Wir sind hier in der glücklichen Lage, ein Prophetenwort präzis datieren zu können" (Kommentar S. 273). Der Bericht ist nach Wildberger bald nach dem Krieg 735/34 niedergeschreiben worden. Wenn die Einleitung J e s 7,1 mit 2Kön 16,5 übereinstimmt, bedeutet das, „daß man die prophetischen Bücher mit den geschichtlichen zusammen gelesen h a t " (a.a.O., S. 269). Das Ausrücken der Feinde wird berichtet und dessen Wirkung (V. 2), d a n n der Botensprache entsprechend der Doppelauftrag an den Propheten: „geh ... und sage!" (V. 3). Ein Heilsorakel ist ihm zu sagen geboten: V. 4 „Hüte dich, bewahre die Ruhe und sei ohne Furcht! Dein Herz verzage nicht vor diesen beiden rauchenden

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Brennholzstummeln! Weil Aram und Ephraim beschlossen haben ... Das wird nicht bestehen und nicht sein; dem; das Haupt Arams ist Damaskus ... Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht." In V. 11-12 folgt das Anbieten eines Zeichens, das Ahas abweist. Darauf Jesaja: „So wird euch Jahwe selbst ein Zeichen geben", V. 13-16. Dieses Zeichen, wie es auch zu deuten ist, bestätigt das Eintreffen des Heilswortes des Propheten. Da aber der König das Zeichen und damit das Heilswort abgewiesen hat, folgt in V. 17 eine Gerichtsankündigung an den König und an J u d a ein Gerichtswort für die Zukunft. In 7,1—17 liegt ein sicher bezeugtes Heilswort des Propheten Jesaja vor, das wird in der gegenwärtigen Forschung fast allgemein anerkannt. Dabei ist auf einige Besonderheiten dieses Heilswortes zu achten: Es ist der Situation angepaßt, in die hinein es ergeht. Die feste Form eines Heilsorakels ist zwar in V. 4 angedeutet, aber V. 5-9 sprechen nur von der Situation; das Heilswort sagt nur, daß der Plan der Gegner V. 5-6 nicht gelingen wird, V. 7. In V. 8-9 folgt eine Begründung, in der das Gemeinte unausgesprochen bleibt: Das eigentliche „Haupt" ist Jahwe; ihr bleibt nur, wenn ihr dem glaubt. Dasselbe kommt dann zum Ausdruck in dem Namen Immanuel. Hier also erhält das Heilswort seine Formulierung ganz aus der Situation; ähnlich ist das in Jer 32. Immer wird in solchen Heilsworten die Rettung aus der gegenwärtigen Not angekündigt. Deshalb begegnen sie alle in der Uberlieferungsform des Berichtes: Die Not, aus der die Rettung angekündigt wird, muß vorher berichtet sein. Das wird bestätigt Jes 36,12-20 in der Rede des Feldherrn, der Jerusalem belagert und zu den Einwohnern der Stadt spricht, um sie zur Ubergabe zu bewegen. In dieser Rede wird, mit negativem Vorzeichen, eine Ankündigung der Rettung Jerusalems durch Jahwe zitiert. Sie entspricht dem, was danach geschah. Diese Art von Heilsworten, die Ankündigung einer Rettung aus der Not, die vorher berichtet war, ist dadurch gekennzeichnet - und daran erkennbar—, daß Ankündigung und Eintreffen des Angekündigten sich in einem zeitlich und räumlich begrenzten Raum vollziehen, sodaß beides im gleichen Zusammenhang berichtet werden kann. Davon grundlegend unterschieden ist eine andere Art von Heilsworten, in denen das Ankündigen und das Eintreffen des Angekündigten weit auseinanderliegen, vielleicht Jahrzehnte dazwischen vergehen. Bei dieser Art von Heilsworten löst sich dieses von der Situation ab, in der es erging, und wird selbständig. Es ist nicht mehr Bestandteil eines Berichtes. Dieser Unterschied stimmt überein mit dem zwischen zwei Arten der Väterverheißung (C. Westermann, Die Verheißungen an die Väter, 1976). Bei der einen ergeht die Verheißung in eine Not, die vorher erzählt ist, und im gleichen Zusammenhang kann die Erfüllung erzählt werden. Der Abstand zwischen beiden ist gering; z.B. die Sohnesverheißung. Bei

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der anderen Art trifft das Verheißene erst nach einer langen Zeit ein; ζ. B. die Landverheißung. Beides kann nicht zusammen erzählt werden. Die erstere Art gehört einer älteren, die zweite einer jüngeren Uberlieferungsstufe an. Von diesem Vergleich her ist es zu verstehen, daß die Heilsankündigungen Jesajas, die zeitlich und räumlich begrenzt sind, in einem berichtenden Zusammenhang überliefert werden. In diesem Unterschied ist es auch begründet, daß bei den Heilsworten in einer zeitlich und räumlich begrenzten Situation die Heilsankündigung oft von einem Zeichen begleitet ist. Das Zeichen hat dabei die Funktion, den Zusammenhang von Ankündigung und Eintreffen des Angekündigten zu bestätigen; es hat also seinen Sinn immer nur in dem begrenzten Zeitbogen, der das Eintreffen mit der Ankündigung verbindet. So ist es bei dem Namen des Kindes „Immanuel" in dem Zeichen 7,14.16 (V. 15 ist später hinzugefügt) und in der parallelen Uberlieferung 8,1-4 und ebenso bei der Krankheit Hiskias 38,5: „In drei Tagen wirst du zum Tempel Jahwes hinaufsteigen" (V. 7-8 ist ein vergröbernder Nachtrag). Alle diese Zeichen betonen noch den kurzen Zeitabstand. Es ist klar, daß sie bei Abständen von langer Dauer ihren Sinn verlieren. Zu den Heilsworten in Jesaja 36—38 36,12-20: In der Rede des Feldherrn der Assyrer an die Soldaten, die Jerusalem verteidigen, bezieht sich dieser auf eine Ankündigung der Rettung Jerusalems durch Jahwe, die er als unwirksam erweisen will, V. 15. Diesem Jahwewort setzt er die bedingte Ankündigung des Königs von Assur V. 16-17 entgegen: „So spricht der König von Assyrien ..." in einer geprägten Sprache, die prophetischen Heilsworten nahe kommt. Auch wenn das eine nachträgliche und abgewandelte Wiedergabe ist, zeigt sie doch, daß Ankündigungen der Rettung im Namen einer Gottheit damals bekannt waren und vielfach vorkamen. 37,1-7: In die in 36,12-20 berichtete höchste Not hinein ergeht in 37,17 ein Heilswort Jesajas, eine Ankündigung der Rettung aus dieser Not. Der König zerreißt seine Kleider auf die Nachricht hin und geht in den Tempel, V. 1. Damit ist eine Volksklage eingeleitet. Ein Wort daraus wird in V. 3 zitiert. Zugleich sendet der König nach dem Propheten Jesaja und bittet ihn um sein Eintreten für das Volk und die Stadt vor Jahwe, V. 2.4. Hier übt also Jesaja dieselbe Funktion aus, die auch von Arnos in den Visionen anläßlich einer Dürre berichtet wird. Die Antwort, die dem König gesendet wird, spricht direkt in die Situation: V. 6b „Fürchte dich nicht vor den Worten, die du vernommen hast, ... (V. 7) Sieh: Ich werde ihm einen Geist eingeben, er wird ein Gerücht hören und daraufhin wird er in sein Land ziehen." V. 7b ist ein nachträglicher Zusatz. Diese formlose, sich aus der Situation ergebende und in sie hinein gesprochene Ankün-

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digung der Rettung entspricht ganz der in Kapitel 7. Es folgt in V. 9b—20 eine deuteronomistische Umgestaltung desselben Berichtes. 37,30-32: Das Zeichen des Hiskia. Diese Worte passen nicht hinter V. 21-29, setzen aber ein vorher ergangenes Heilswort voraus. Es gehört wahrscheinlich zu der Ankündigung der Rettung V. 6b7a, das kann dann aber nur fur V. 30 gelten, der dem mit Heilsworten verbundenen Zeichen in Kapitel 7f. enspricht: V. 30 „Und dies soll dir zum Zeichen sein: ..." (vgl. Jer 32). V. 31.32 ist eine später angefügte Verheißung für den Rfst. 38,1-8: Hiskias Krankheit. Es geht in dieser Erzählung um ein Heilsorakel an einen Einzelnen, wie auch das Lied Hiskias V. 9-20 das Lied eines Einzelnen ist. In den Geschichtsbüchern begegnen mehrere Beispiele dafür, daß ein Prophet oder ein Gottesmann von einem kranken König ,befragt' wird, z.B. 2Kön 1,2. Gerade weil Jes 38 diesen Erzählungen nahesteht und das Reden und Handeln Jesajas sich mit dem eines Gottesmannes wie Elisa oder Elia berührt, ist anzunehmen, daß es sich um eine alte und verläßliche Tradition handelt. Allerdings ist hier eine ältere Erzählung erheblich erweitert worden. Die Parallelen lassen aber eine Rekonstruktion der alten Erzählung zu. Auf den Bericht von der Heilung folgt V. 9—20 der Psalm Hiskias (vgl. den Psalm der Hanna in lSam 2). Zu dem nachgetragenen Zeichen V. 7— 8 gehört die Bitte Hiskias um ein Zeichen in V. 22; V. 21-22 wurde durch den Einschub des Psalms von seinem ursprünglichen Platz verschoben. Durch das eine Heilswort an einen Einzelnen in Kap. 38 und durch die Heilsworte in Kap. 7f.; 36f., die die Rettung des bedrohten Jerusalem ankündigen, ist nachgewiesen, daß der Prophet Jesaj a nicht nur Gerichtsworte, sondern auch Heilsworte gesprochen hat.

II. Heilsworte in Jesaja 1-39 außerhalb der Berichte Es ist zu unterscheiden zwischen selbständigen Heilsworten, die in sich deutlich erkennbar gegliedert sind (wie 9,1-6; 35,1-10) und Heilsworten, die den Gerichtsworten Jesajas angefügt wurden, nur in ein, zwei, höchstens drei Sätzen bestehen, oft deutlich auf die Gerichtsworte bezogen, denen sie angefügt wurden. Diese beiden Gruppen stellen zwei verschiedene Erweiterungsvorgänge dar; sie sind nicht gleichzeitig entstanden und nicht in denselben Menschengruppen. Jedoch stehen sich die beiden Gruppen in dem, was in ihnen als zukünftiges Heil verheißen wird, nahe. Auch begegnet bei beiden die Einleitungsformel „(und es geschieht) an jenem Tag". Das läßt auf eine überlieferungsgeschichtliche Nähe beider

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Gruppen zueinander schließen. Beide Gruppen aber unterscheiden sich unverkennbar von den Heilsworten Jesajas in den berichtenden Teilen, die Rettung aus einer gegenwärtigen Not, zeitlich und räumlich begrenzt, ankündigen. Auch kommt die Verbindung des Heilswortes mit einem Zeichen nur bei diesen, niemals aber bei jenen vor. Da die den Gerichtsworten Jesajas angefugten kurzen Heilszusätze als solche einen zeitlichen Abstand von dem Ergehen der Gerichtsworte voraussetzen, - denn ihnen liegen diese geschriebenen Texte vor - , weisen sie auf eine gegenüber dem Ergehen der Gerichtsworte gewandelte Situation, dadurch bedingt, daß das von Jesaja angekündigte Gericht eingetroffen war. Der gottesdienstliche Gebrauch des Jesajabuches, der sich eindeutig in Jes 12 zeigt, erforderte es, daß in der gewandelten Situation nach dem Eintreffen des Gerichts, das in diesen Heilsworten mehrfach erwähnt wird, das Weitergehen des Handelns Gottes an Israel, das nun nur ein Heilshandeln sein konnte, in Verbindung mit der Gerichtsprophetie Jesajas in das Jesajabuch aufgenommen wurde. Wenn aber die selbständigen Heilsworte in dem, was sie als zukünftiges Heil verkünden, weitgehend mit den kurzen Heilszusätzen übereinstimmen, muß für sie das gleiche gelten: Sie sind aus derselben Notwendigkeit entstanden, das Weitergehen des Handelns Gottes an seinem Volk nach dem Eintreffen des Gerichts zu verkünden. Es ist die gleiche Notwendigkeit, die sich im Großen in der Anfügung von Jes 40-66 an Jes 1-39 zeigt; sie hat sich hier nur in anderen Formen ausgeprägt. Es sind drei Schritte zu unterscheiden: Der erste bestand darin, daß an einzelne Gerichtsworte Jesajas einzelne Heilszusätze angefügt wurden. Das geschah wahrscheinlich, als die Jesaja-Uberlieferung noch in einzelnen kleinen Sammlungen bestand. Der zweite Schritt war, daß selbständige Heilsworte an die kleinen Sammlungen als Abschluß angefugt wurden. Der dritte Schritt bestand in der Verbindung von Jes 1-39 mit Sammlungen von Heilsworten, 40-55 und 56-66.

/ . Zuwendung Gottes zu seinem Volk, Ankündigung der Rettung in selbständigen Heilsworten Texte: Jes 29,22-24; 4,2-6; 30,18-26; 35,1-10; 33,17-24; 11,11-16; 32,15-20; 29,17-21.

Einige Textp sind zweigliedrige Heilsankündigungen, bestehend aus Wiederzuwendung Gottes und Wiederherstellung, bzw. Heilsschilderung: 29,22-24; 30,18-26; 33,17-24. Einige Texte sind fast ganz Schilderung des Heilszustandes; die Wiederzuwendung Gottes ist in ihnen nur angedeutet oder nur impliziert: 4,2-6; 32,15-20; 29,17-21. Ein Text ist

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eine Ankündigung der Befreiung mit der Folge Befreiung-SammlungZurückfuhrung 11,11—16 (35,1—10, ein zweiter Text, kommt dem nahe). 29,22-24: Das Wort ist zweigliedrig, V. 22-23a die Wiederzuwendung und das Eingreifen Gottes, V. 23b-24 die Wiederherstellung der heilen Gottesbeziehung. In der Mitte des Wortes steht die Ankündigung des Eingreifens Gottes zum Heil seines Volkes: ,Jetzt wird er das Werk meiner Hände in seiner Mitte sehen!" V. 23a. Dem geht die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk voraus, V. 22b, das auch Vergebung Gottes andeutet: , Jetzt muß sich Jakob nicht mehr schämen". In dieser neuen Zuwendung Gottes aber geht sein früheres Heilshandeln an seinem Volk weiter: „der Gott des Hauses Jakob, der Abraham (= Israel) erlöste" V. 22a. Jetzt ist Jahwe wieder der Retter Israels, als der er dem Volk von Anfang an begegnet ist. Wenn dann Israel „das Werk seiner Hände in deiner Mitte sehen" wird V. 23a, wird es diesem Tun Gottes antworten im Gotteslob und im Heiligen seines Namens. Dieses vom Schmerz der Gedemütigten befreite Gotteslob aber wird dann einen Sinneswandel bei denen bewirken, „die verkehrten Sinnes waren", sie werden zur Einsicht kommen, V. 24. 30,18-26: Eine zweigliedrige Heilsankündigung, V. 18—21.26b Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk, V. 22-25a Wiederherstellung und Segen. Der erste Teil V. 18-21 ist durch einen Ubergang V. 18 an das vorangehende Gerichtswort gegen Israel (V. 13—17) angeschlossen: „Aber dennoch wartet Jahwe, daß er sich eurer erbarmt..." V. 18 könnte ein selbständiger Heilszusatz zu V. 13-17 sein, der mit einem Psalmwort schließt: „denn Jahwe ist ein Gott des Heils, wohl allen, die auf ihn hoffen!" V. 19-21 enthält die für diese Heilsworte typische Geschehensfolge: die früheren Heilstaten Gottes, angedeutet in V. 20b—21; die Versündigung des Volkes und Gottes Gericht V. 20a; die neue Zuwendung Gottes zu seinem Volk V. 19.26b und die Antwort des Gehorsams V. 2lb.22. Daß dabei die Wiederzuwendung Gottes der Wiederherstellung vorgeordnet ist, kommt auch in ihrer Wiederholung am Schluß V. 26b zum Ausdruck. Die Nähe zu Deuterojesaja zeigt besonders das Trostwort V. 19 und der aus der Psalmensprache genommene Vergleich „Brot der Bedrängnis und Wasser der Trübsal" V. 20a; vgl. Ps 80,6. Daß Jahwe in V. 20b.21 zweimal als „dein Lehrer" bezeichnet wird, ist singulär. Gott ist der den Weg Weisende; seine neue Gegenwart, „nicht mehr verborgen" wird angekündigt, damit sein Volk seines Weges gewiß sein kann. Der zweite Teil enthält nach der Ankündigung, daß dann der Götzendienst abgetan sein wird V. 22 eine breit schildernde Ankündigung neuen Segens V. 23-25a. Hier zeigt das Heilswort beispielhaft, wie im Alten Testament zum gnädigen Sich-Zuwenden Gottes zu seinem Volk Rettung

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wie Segen gehören. V. 25b.26a ist ein nachträglicher apokalyptischer Zusatz. 33,17-24: Eine zweigliedrige Heilsankündigung: V. 17-19. (20) Wiederzuwendung Gottes, (20).21-24 Wiederherstellung, Heilsschilderung. Der Text bietet Schwierigkeiten. V. 21b und 23a sind ein zusammengehöriger Zusatz, eine Glosse zu V. 21a, die diesen Satz mißverstand. Durch falsches Einrücken dieser Glosse in den Text ist V. 22, der an das Ende gehört, verschoben worden. Daß V. 22 ans Ende gehört, hat besonders W. Eichrodt gesehen. Ein weiteres Argument dafür ist, daß 33,17-24 zu den Heilsworten gehört, in denen wie in 35,1-16, die Heilsankündigung den Rahmen bildet. Auch der Königstitel für Jahwe in V. 17 und 22 ist bewußte Rahmung.

V. 17-19 (20): Der erste Teil ist von dem Leitwort „sehen" bestimmt. V. 17 „den König wirst du sehen ... über weites Land hin sehen"; V. 18— 19 „... du brauchst nicht mehr zu sehen ..."; V. 20 „Schaue auf Zion deine Augen werden Jerusalem sehen". Das Leitwort erinnert an den Seherspruch und zeigt, wie dieser in den späten Heilsworten wieder auflebt und anklingt, Ankündigung und Schilderung gehen ineinander über. Auch sonst ist die Komposition so durchdacht und sprechend, daß das Heilswort dichterische Kraft erkennen läßt. „Der König" und „der Zion" sind einander bewußt zugeordnet (V. 17 und V. 20) wie in Ps 132 die Königs- und Zion-Tradition. Zwar ist in V. 17 mit dem König Jahwe gemeint, vgl. V. 22; aber hinter V. 17 steht die Vorstellung der Audienz eines irdischen Königs: „der König in seiner Schönheit" wie in Ps 45. Das Feiern Jahwes als König aber entspricht den Jahwe-König-Psalmen 47; 93-99. V. 22 ist Psalmensprache. Der zweite Teil V. (20).21-24: Auf die Ankündigung der Wiederzuwendung Gottes, das Kommen des Königs in seine Stadt, folgt die Wiederherstellung, die aber hier mehr Heilsschilderung ist. V. 20 bildet den Ubergang, er gehört zu V. 17-19, sofern Zion die Stadt des Königs ist, zu V. 21-24, sofern die Sicherheit eines der Motive der Wiederherstellung ist. Auch hier zeigt sich der Einfluß des Seherspruches: Dem dunklen Bild der Zeit der Besetzung durch ein fremdes Heer V. 18-19 tritt in V. 20-24 das Bild eines zukünftigen sicheren, in Gottes Schutz geborgenen Jerusalem entgegen. In besonders schöner dichterischer Phantasie verglichen mit einem „Zelt, das nie abgebrochen wird, dessen Pflöcke in Ewigkeit nicht herausgerissen werden" V. 20b, eine Anspielung auf das Exil, die Vertreibung aus den Wohnungen. „Blicket auf Zion, die Stadt unserer Feste", nur wenn es wieder Frieden, wenn die Stadt wieder befreit ist, kann wieder Festfreude aufkommen; Fest, Frieden und Freude gehören hier wie auch sonst oft zusammen. Es ist „ein Ort von breiten Strömen", das deutet auf Fruchtbarkeit durch Bewässerung, erinnert aber zugleich an den Strom der Gottesstadt Ps 46. Die Kranken werden gesund V. 23b.24a und „dem Volk, das darin wohnt ist die Schuld vergeben"

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V. 24b: Das Gottesverhältnis ist wieder heil. In V. 23b „Bünde und Lahme teilen Beute" sind zwei verschiedene Motive kombiniert: Blinde können wieder sehen, Lahme wieder gehen, das ist das eine. Das andere: Es herrscht Freude, wie wenn man Beute macht. Die Kombination setzt beide als bekannt voraus, sie muß relativ spät sein. Der Abschluß V. 22 ist ein Preis Gottes, des Königs (alle drei Bezeichnungen meinen den König), verbunden mit der Ankündigung, daß Gott als der König erscheint (V. 17), um seinem Volk zu helfen. Mann kann V. 24b aber auch übersetzen: „der ist es, der uns hilft" (hujösienü). Dann wäre der Satz Ausdruck des Vertrauens, also Psalmensprache. Offenbar ist beabsichtigt, daß beides mitschwingt. Die Grenze zwischen Ankündigung (ein Sprecher redet die Gruppe an) und Erwartung (subj. ist die Gruppe) verschwimmt. In diesen späten Heilsworten geht die vollmächtige Ankündigung eines Boten über in den Ausdruck der Erwartung, des Vertrauens der Gemeinde. Texte, in denen die Wiederzuwendung Gottes nur angedeutet oder impliziert ist: 4,2-6: Die Besonderheit dieses Textes liegt darin, daß man in ihm zwei Teile nicht voneinander sondern kann. Der ganze Text redet von dem künftigen Heilszustand; er setzt aber besonders in V. 4 die Wiederzuwendung Gottes nach dem Gericht voraus, ebenso mit der Wendung „die Uberlebenden in Zion", V. 3. Da dieser Text eine Zweigliederung nicht aufweist, besteht er faktisch nur aus einer Aneinanderreihung einzelner Heilsmotive. Gerade wegen dieses Tatbestandes des bloßen Aneinanderreihens von Motiven erhält die Einleitung ein größeres Gewicht: „an jenem Tag ...". Denn sie kann hier nur als ein Verweis verstanden werden, den alle, an die das Wort gerichtet ist, kennen; es ist der Tag, an dem die große Wende kommt, der Tag, von dem die allen bekannten Heilsankündigungen reden. An jenem Tag wird, „was Jahwe sprossen läßt, Glanz und Herrlichkeit sein", und „die Frucht des Landes wird Zierde und Rühmen sein für die Geretteten Israels". Auch hier sind zwei Motive kombiniert. Der Parallelismus „was Jahwe sprossen läßt... die Frucht des Landes" ist eine Segensverheißung. Sie ist aber kombiniert mit einem anderen Motiv: Der Segen Gottes wird (dann wieder) zu Glanz und Herrlichkeit führen, das Motiv, das besonders bei Tritojesaja begegnet. V. 3 fügt dem die Verheißung des Lebens, des gesicherten Lebens zu: „heilig" bedeutet hier unantastbar; „der zum Leben eingeschrieben ist", ist damit gesichert. Aber das Subjekt in V. 3: „die Uberlebenden in Zion" und „wer übrigbleibt in Jerusalem" (dazu in V. 2 „die Geretteten Israels"), weist voraus auf V. 4: Es sind die aus dem Gericht Gottes über sein Volk Geretteten, die am Leben blieben. Die Wendung von diesem Gericht zur Wiederzuwen-

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dung zu seinem Volk spricht dann V. 5 deutlich aus: „dann wird Jahwe kommen und sich niederlassen über dem ganzen Raum des Berges Zion und denen, die sich dort versammeln". Das also ist jener Tag, den die Einleitung V. 2 ankündigt, der Tag, an dem Jahwe wieder zum Berg Zion kommt und seinem Volk wieder gegenwärtig ist. Wenn der Text dann fortfahrt (V. 5b): „als Wolke bei Tag und als Rauch und als lohender Feuerglanz bei Nacht", wird damit auf eine Weise des Mitseins Gottes mit seinem Volk in der Frühzeit gewiesen. Aber sie ist hier auf die Heilszukunft des Volkes übertragen. So wird er für die Übriggebliebenen auf dem Zion gegenwärtig sein. Der den Weg Weisende und der Behütende wird mit seinem Volk sein. Das voraufgehende Gericht V. 4 wird als Reinigungs- und Läuterungsgericht für den verbliebenen Rest verstanden. Die Sprache Ezechiels und der Priesterschrift klingt an: „Die Heilszusätze sind herausgewachsen aus dem liturgischen Gebrauch der prophetischen Schriften in den Versammlungen der Gemeinde zur Zeit des zweiten Tempels" (H. Wildberger zu Jes 4,2; O. Kaiser, Komm. S. 92: „Entstehung des Abschnitts in der vorgerückten Perserzeit oder... in der frühhellenistischen Zeit".) 32,15-20: Die Heilswende ist auch hier nur angedeutet. Mit dem „Geist aus der Höhe" V. 15a ist die von Gott kommende Kraft der Wiederbelebung gemeint wie Jes 44,3 oder Ez 37,6. Von der Ankündigung der Errettung ist keine Spur geblieben; V. 15b-20 schildern den Heilszustand, der durch den Geist aus der Höhe bewirkt wurde. Zu ihm gehört der Segen, der die Wandlung von der Wüste zum Fruchtgarten bewirkt, zu ihm gehört „Recht und Gerechtigkeit", die wiederum Frieden und Sicherheit bewirken 16-20. Dies ist eine typische, dichterisch schöne Heilsschilderung.- Der Text zeigt überdies, wie die Ankündigung in die Erwartung übergeht; es redet hier eine Gemeinschaft: „... bis über uns kommt ...". Dieses Heilswort ist wahrscheinlich im Gegensatz zu dem Gerichtswort 32,9-14 entstanden. Einer Gemeinde, die Israels Schuld bekannte und das Gericht als berechtigt anerkannte, wird nun im Heilswort zugesagt, daß die Zeit des Gerichts begrenzt ist und Gott neues Heil schaffen wird. 29,17-21 gehört nur mit dem Teil 17-19 hierher. Er entspricht dem Anfang von 32,15-20, einer Segensschilderung. Dazu kommt 18-19 die Heilung von Tauben und Blinden und die Wandlung des Gottesverhältnisses. Mit V. 20 kommt ein dem Heilswort fremdes Motiv hinzu: Heil für die Frommen (19) - Vernichtung der Frevler (s.u.). Die Ankündigung V. 18: „An jenem Tag werden auch die Tauben die Worte des Buches hören" weist auf eine späte Zeit, in der das „Buch" schon an die Stelle des mündlichen Wortes im Gottesdienst getreten war. 11,11-16 und ähnlich 35,1-10 kündigen die Befreiung an in der Folge Befreiung-Sammlung-Rückführung., Jahwe wird den Rest seines Volkes

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zum zweitenmal erwerben"; er wird die Versprengten Israels wieder sammeln, er wird den Golf austrocknen, eine Straße für den Rest, wie beim Auszug aus Ägypten. Es wird nach der ersten Rückkehr aus dem Exil eine zweite, spätere Rückwanderung erwartet, bei der die jüdische Diaspora aus vielen Ländern zurückkehren wird. Anders als die vorangehenden Texte kündigt dieser die Befreiung des Restes in den genannten drei Akten an, mit dem Rückverweis auf die Befreiung aus Ägypten: „zum zweitenmal". Wie dort die Bereitung der Straße der Rückführung. In V. 13 klingt ein Motiv der Wiederherstellung an: die Wiedervereinigung der Nord- und Südstämme. Die Ankündigung der Unterwerfung der Nachbarvölker V. 14 ist Zusatz. 35,1-10: R u f zum J u b e l und zum Erblühen an die Wüste, sie sollen die Herrlichkeit Jahwes sehen! In der Wüste brechen Wasser hervor, dort sprossen Gras und Schilf, dort entsteht eine heilige Straße, auf ihr kehren die von Jahwe Erlösten heim zum Zion in Freude. Dieses Wort steht der Verkündigung Deuterojesajas sehr nahe, besonders der R u f zum Jubel, begründet mit der Ankündigung des Kommens Jahwes V. 1 - 4 in einem schön ausgeführten Parallelismus der Verse: dem R u f zur Freude entspricht der erweiterte Beruhigungsruf, der Begründung V. 2b die in V. 4b. Die eigenartige, aus der Verbindung von Heilsprophetie und Gotteslob der Psalmen erwachsene Form ist von Deuterojesaja geprägt worden, sie ist hier nachgebildet (so auch H. Wildberger, Kommentar, zur Diskussion s. dort). Die Nachbildung bezeugt das Weiterleben der Verkündigung Deuterojesajas. Man könnte den Text auch zu den zweigliedrigen Heilsworten rechnen, V. 1 - 4 und V. 5—10, aber es ist doch als ganzes von der Ankündigung der Befreiung bestimmt: Gottes Kommen zur Rettung V. 1-4; V. 8 - 9 der Rückweg durch die Wüste; V. 10 die Heimkehr zum Zion; das Ganze ein wenig abgewandelt in Richtung auf eine Segensschilderung in V. 1—2 (Pracht des Libanon), 5—6a Heilung der Kranken, 6 b - 7 Wandlung der Wüste zum Fruchtland, 9a keine wilden Tiere. Darin zeigt sich der Ubergang von der Ankündigung zur Heilsschilderung.

2. Kurze Heilszusätze mit nur einem Motiv Sie entsprechen der Sammlung kurzer Heilsworte, die nur ein Motiv enthalten, in J e r 31,23-40. Es sind die Texte J e s 1,25-26, J e s 10,20-21; 28,5-6; 37,31-32; 14,1-2; 17,7-8; 7,21-22. Dazu in dem Teil Ausweitung eines Motivs J e s 16,4b—5; 11,10; 18,7; 16,1. Ihnen ist gemeinsam, daß sie nicht viel mehr sind als eine unmittelbare Reaktion auf das Gerichtswort, dem sie angefügt sind. Sie sagen nicht viel mehr als: Einmal wird es anders sein!

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10,20-21: „Und es geschieht an jenem Tag, da werden der Rest Israels und die Entronnenen vom Haus Jakob sich nicht mehr stützen auf den, der sie schlägt, sondern sie werden sich in Treue stützen auf Jahwe, den Heiligen Israels. Ein Rest wird umkehren, ein Rest Jakobs, zu dem mächtigen Gott." Dieser kurze Heilszusatz folgt nicht einer vorgegebenen Struktur, sondern ist aus der Erwartung einer Wende erwachsen; hier ist es berechtigt, von Heilserwartung zu reden. Jesaja hatte die Anklage gegen Juda erhoben, daß es sich statt auf Gott auf eine der großen Mächte verläßt, Jes 9,12a. Dem entgegen sagt der hier Redende: Einmal wird es anders sein. Der Zeitpunkt ist näher bestimmt in V. 20a: „der Rest..., die Entronnenen". Damit wird das Gericht Gottes, das über Juda erging, anerkannt. Was hier angekündigt wird, das wird nicht mehr fur das ganze Volk Juda (mit seinem Staat) erwartet, sondern nur fur die, die von diesem Gericht übrig geblieben sind. Das sagt V. 21 noch einmal ausdrücklich. Das Umkehren zu Gott, das von diesem Rest erwartet wird, schließt auch das Anerkennen der Anklage Jesajas ein: Jetzt werden sie nicht mehr ..., sondern „sich in Treue stützen auf Jahwe, den Heiligen Israels". Es ist wahrscheinlich, daß solche kurzen, spontanen Heilsworte älter sind als die vorher aufgeführten Texte. 28,5-6: „An jenem Tag wird Jahwe Zebaoth selbst eine herrliche Krone und ein prächtiger Stirnreif sein für den Rest seines Volkes. Und zum Geist des Rechts für den, der zu Gericht sitzt und zur Heldenkraft denen, die den Kampf zum Tor zurücktreiben." Dieser kurze Heilszusatz hat mit 10,20—21 gemeinsam, daß das Heil nur für den Rest erwartet wird und daß es auch eine spontane Reaktion auf ein Gerichtswort Jesaj as (28,1-4) ist. Die „stolze Krone der Trunkenen Ephraims", dem das Wehewort gilt, diente dem Verherrlichen der Mächtigen, die sich auf die eigene Macht verließen. Uber sie ist das Gericht ergangen. Der hier spricht, kündigt eine Heilszeit an, in der Jahwe allein von dem vom Gericht verschonten Rest verherrlicht werden wird. V. 6 fügt dem bekannte Züge der Heilsschilderung an, wobei er wahrscheinlich die Königsverheißung voraussetzt, sie aber demokratisiert': Jahwe wird denen, die zu Gericht sitzen, den Geist des Rechts geben und denen, die die Stadt verteidigen, den Geist der Kraft. 37,31-32 (= 2Kön 19,30-31): „Und wieder wird, was entronnen ist vom Haus Jakob und Übriggeblieben, unten Wurzel schlagen und oben Frucht ansetzen. Denn von Jerusalem wird ein Rest ausgehen und Entronnene vom Berg Zion. Der Eifer Jahwe Zebaoths wird das vollbringen." Ein ausdrücklich auf den von der Katastrophe übriggebliebenen Rest bezogenes Heilswort, das diesem neues Leben, Wachsen und Sich-Ausbreiten verheißt. Die Wiederzuwendung Gottes ist im Schlußsatz angedeutet, und das voraufgehende Gericht Gottes in den Bezeichnungen des

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Restes. Auch dieser Zusatz läßt sich auf den einen Satz reduzieren: Es wird wieder anders werden! Zu einem selbständigen Heilszusatz ist diese Heilserwartung gestaltet durch einen Satzparallelismus Vergleich - Verglichenes; vgl. Jes 54. Der Schlußsatz: „Der Eifer Jahwes ... wird das vollbringen" hat nicht die Form einer Ankündigung, sondern die einer Erwartung, einer gewissen Hoffnung. Das Wort ist eine allegorische Deutung des dem Hiskia gegebenen Zeichens Jes 37,30 = 2Kön 19,29 und erweist sich dadurch als eine späte Anfügung. 14,1-2: „Denn Jahwe will sich Jakobs erbarmen und Israel noch einmal erwählen, und ihnen Ruhe geben in ihrer Heimat. Fremde werden sich ihm anschließen und sich dem Haus Jakob zugesellen. Völker werden sie einnehmen und sie zu ihrer Stätte führen, und das Haus Israel wird sie sich im Lande Jahwes als Knechte und Mägde zu Eigentum nehmen. Sie werden die Fänger ihrer Fänger sein und über ihre Zwingherren gebieten." 14,1-2 ist ein zusammengesetzter Heilszusatz. Gott wird sich seinem Volk wieder zuwenden; die Formulierung ist 11,11 nahe. Der letzte Satz kündigt den friedlichen Anschluß „Fremder" an Israel an, etwa entsprechend Jes 45. V. 2 kündigt die Eroberung anderer Völker durch Israel an, die es zu Sklaven machen und so an seinen Feinden Vergeltung üben wird. Das steht deutlich im Gegensatz zu V. lb, es kann nur ein Zusatz sein, ähnlich dem Zusatz 11,14. In ihnen spricht eine andere Menschengruppe, sie entsprechen der Gruppe 2 (Vernichtung der Feinde — Befreiung Israels). 17,7-8: „An jenem Tag wird der Mensch auf den blicken, der ihn geschaffen hat,und seine Augen sehen auf den Heiligen Israels. Nicht aber wird er blicken nach (den Altären) dem Werk seiner Hände und nach dem, was seine Finger gebildet haben, wird er nicht sehen (nach den heiligen Pfählen und Sonnensäulen)." Dieser Heilszusatz, der auch der Gruppe 1 nahesteht, folgt auf das Gerichtswort über Damaskus und Israel 17,1-6. Hier ist das verbindende Motiv das der Reaktion (Motiv IV) auf die Wiederzuwendung Gottes, die nur angedeutet ist: „seine Augen sehen auf den Heiligen Israels"; vgl. 31,1. Israel wird sich seinem Gott wieder zuwenden und den Götzen absagen (wie 30,22; 2,20.18; 31,7). 7,21-22: „An jenem Tag wird es geschehen, da wird jeder nur einejunge Kuh und zwei Ziegen aufziehen, und wegen der Fülle der Milch, die sie geben, werden sich alle im Lande von Dickmilch und Honig ernähren, alle, die im Lande Übriggeblieben sind." Die Verbindung mit den übrigen Zusätzen dieser Gruppe liegt allein in der Einleitung, die eine Wende zum Heil ankündigt, und dem Schlußsatz: „alle, die im Lande überiggeblieben sind". Es sind die dem Gericht Entkommenen, die aus ihm Geretteten, denen eine Zeit der Fruchtbarkeit

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und Segensfülle verheißen wird. Die Segensschilderung ist an die Stelle der Heilsankündigung getreten. Jes 1,25-26: Ein Heilszusatz in deutlicher Entsprechung zu der Gerichtsankündigung, der es angefügt wurde: 1,21-24. Dabei wird das Vernichtungsgericht (24) zum Läuterungsgericht abgewandelt 25: „Ich kehre meine H a n d gegen dich - um deine Schlacken auszuschmelzen ...!", im Kontrast zu 22: „Dein Silber ist zur Schlacke geworden!" Ebenso entspricht das in diesem Vergleich Verglichene dem Gerichtswort, das Anklage erhob gegen das korrupte Gerichtswesen 21-23. Dem entgegen wird verheißen: „Ich gebe dir wieder Richter wie in alten Zeiten." - An diese Verheißung ist, an das Stichwort „Recht" anknüpfend, eine zweiseitige Ankündigung gefugt. 28,16-17a ist nachträglich dem Gerichtswort 28,14—19 eingefügt worden. In diesem Heilswort wird der „Eckstein" 16 der „flutenden Geissei" 15 entgegengesetzt. Fraglich ist 31,4—5 und 8-9. Die Mehrzahl der Zusätze ist eingeleitet: „(es geschieht) an jenem Tag". Gemeint ist der Tag, an dem Israels Geschick sich wendet, an dem sich Gott ihnen wieder zuwendet, wie es J e s 14,1 auch ausgesprochen ist. Wahrscheinlich hat diese Einleitung hier ihren ursprünglichen Ort. Die abkürzende Einleitung ist bedingt durch die Kürze des Zusatzes. (Die Einleitung begegnet J e s 4,2; 11,11; 10,20; 28,5; 17,7; 7,21) Der Abfall Israels und Gottes Gericht werden nicht ausdrücklich genannt, sie sind aber vorausgesetzt in 10,20-21 und 28,5-6 als unmittelbare Reaktion auf ein Gerichtswort Jesajas. Die Verfasser dieser Zusätze erkennen das von Gott über sein Volk angekündigte Gericht an. Die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk ist nur in 14,1 genannt; sie ist aber auch in den anderen Worten impliziert, z.B. 7,21. Auch wenn 37,31-32 ein neues Wachsen und Sich-Ausbreiten Israels verheißen wird, ist darin die Wiederzuwendung Gottes vorausgesetzt. Die Ankündigung der Rettung ist impliziert in der Bezeichnung „Rest", „Entronnene", die bei dieser Gruppe besonders häufig ist: 7,22; 10,21.22; 28,5; 37,31.32. Die hier nach dem Zusammenbruch vom kommenden Heil reden, sind sich dessen bewußt, daß sie nicht mehr das alte Volk Israel sind, sondern als die dem Untergang Entronnenen ihre Existenz dem Erbarmen J a h w e s verdanken (14,1; 37,32). N u r als Gewandelte können sie zu diesem Rest gehören: 10,20-21; 28,5-6; 17,7-8; 10,21: ein Rest wird umkehren. Ein Nachklang findet sich in dem Zusatz Gen 45,7b: „um euch einen Rest im Lande zu erhalten, und um euch am Leben zu erhalten als eine Schar Geretteter".

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3. Ausweitung eines Motivs zu einem Heilswort Zu der Möglichkeit eines Heilswortes in der kurzen Form eines Zusatzes tritt die der Ausweitung eines einzelnen Motivs zu einem selbständigen Heilswort. Formgeschichtlich entspricht das der Ausweitung eines einzelnen Psalmmotivs zu einem ganzen Psalm, z.B. Ps 23. Solche Ausweitung begegnet bei der A n k ü n d i g u n g eines Königs der Heilszeit u n d der Z u w e n d u n g Ferner und Fremder zu Israel. Beide k o m m e n auch als einzelne Motive vor. D a r a u s ergibt sich, d a ß die Ausweitung des Motivs zu einem Heilswort ein traditionsgeschichtlich späteres Stadium d a r stellt. Königsverheißung: (8,23b) 9,1-6; 11,1-9; 32,1-3; 16,4b-5; 11,10 Der abschließende Satz 6b sagt eindeutig, d a ß j e s 9,1-6 eine Ankündigung ist (so auch Η . Wildberger). Die A n k ü n d i g u n g der Befreiung Israels von einer lange a n d a u e r n d e n U n t e r d r ü c k u n g ist mit der Verheißung der G e b u r t des Friedenskönigs v e r b u n d e n d u r c h das Motiv einer beständigen Friedenszeit. I n beiden Teilen soll ein Reich, ein Z u s t a n d des Friedens angekündigt werden. Dabei ist eine lang a n d a u e r n d e Zeit des Dunkels und der U n t e r d r ü c k u n g vorausgesetzt, wie in vielen Heilsworten der Spätzeit. Aber hier wird die Wende nicht durch die Vernichtung der Gegner, sondern durch die G e b u r t eines Königskindes eingeleitet. Das Wort k a n n nicht von J e s a j a gesprochen sein, weil er nicht aus einer Zeit l a n g a n d a u e r n d e r Bedrückung Israel-Judas gesprochen hat. D a z u k o m m t , d a ß es anderen Heilsworten der Spätzeit entspricht. Zu 8,23b: Gegen Alts Versuch einer Rekonstruktion kann V. 23b nur als Prosa gelesen werden; nach dem Inhalt wäre 8,23b als Einleitung von 9,1-6 ungeeignet. Vor allem aber, 8,23b handelt von den Nordprovinzen, 9,1-6 von Davids Thron in Jerusalem (so H. W. WolfFu.a.). Die beiden Zeilen von 8,23b können aber als eine Randglosse erklärt werden, in der einmal, was sonst nie geschieht, einem Teilgebiet Israels aus seiner Erniedrigung eine Wandlung zum Heil angekündigt wird.

9,1-6 ist zwar literarisch einheitlich, fugt aber mehrere traditionsgeschichtlich selbständige Motive aneinander. Wie die Parallelen zeigen, ist die A n k ü n d i g u n g der G e b u r t eines Heilskönigs V. 5—6 eine selbständige Tradition. Die Botschaft (oder Ankündigung) der Befreiung ist ebenfalls ein selbständiges Heilswort. D a ß dies beides vom Dichter des Gedichtes 9,1-6 zusammengefügt wurde, zeigt der Schlußsatz: „Der Eifer J a h w e Zebaoths wird es a u s f ü h r e n " , der als Schluß gut zu 1-4, aber nicht zu 5 - 6 paßt. D a ß a u c h 1—4 zusammengesetzt sind, zeigt schon der Personenwechsel 1.2-3.4. Die Mitte von 1 - 4 bildet ein berichtendes Loblied der Befreiten 2-3, das Gott ü b e r der Befreiung aus Knechtschaft lobt, 3, u n d die Freude, die er d a d u r c h seinem Volk bereitet hat, 2. Es ist in die

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Zukunft vorausweisendes Gotteslob; so auch S. Mowinckel S. 104: „so that they already rejoice in anticipation of the coming ..." Der erste Vers gehört nicht zu dem Gott anredenden berichtenden Lobpsalm, er redet von „dem Volk" in der 3.pers. Dieser V. 1 dient als Einleitung; seiner Funktion nach ist er in Schilderung umgesetzte Ankündigung. Das ist charakteristisch fur Tritojesaja, und die Ähnlichkeit mit Jes 60,1-3 ist unverkennbar. Auch die Gegenüberstellung von Licht und Finsternis ist für Tritojesaja bezeichnend. Der den ersten Teil V. 1-4 abschließende V. 4 wirkt isoliert, auch paßt ki am Anfang des Satzes nicht gut nach dem ki von V. 3. Dieser zusammengesetzte Aufbau von 9,1—6 bestätigt, daß es ein Heilswort aus später Zeit ist. Wegen V. 1, der so deutlich an Tritojesaja anklingt, wird es etwa in dessen Zeit entstanden sein; der Sprache des Propheten Jesaja aus dem 8. J h . ist dieser Satz sehr fern. Zu V. 5-6 vgl. besonders S. Mowinckel a.a.O., S. 104—110, der von dem religionsgeschichtlichen Hintergrund her zeigt, daß 5-6 eine ursprünglich selbständige Tradition ist. 11,1-9: Gegen Wildberger, der den Text von Jesaja herleitet, besteht nach wie vor das Argument Mowinckels u.a.: Der Vergleich mit dem Stumpf {geza) und dem Wurzelstock will sagen, daß der Baum bis auf den Stumpf abgehauen, also die davidische Dynastie gestürzt ist. S. 17: „The fact cannot be ignored that both here and in Job 14,8 the word geza means the stump of a tree which has been felled ... and that Jesse's family tree is here regarded as hewn down, with only a stump remaining ... the passage presupposes the fall of the monarchy." So gehört auch diese Ankündigung eines Heilskönigs zu den späten, exilisch-nachexilischen Heilsworten. Das Wort ist zusammengesetzt aus zwei selbständigen Teilen. V. 1-5 gehört zu dem Motiv „Ankündigung eines Heilskönigs"; 6-9 ist Segensschilderung, und zwar das Motiv des Tierfriedens in der Heilszeit. Dazu angedeutet: Friede zwischen Mensch und Tier. Dieser zweite Teil setzt eine nicht nur die Geschichte, sondern auch die Schöpfung einbeziehende Wandlung voraus, jenseits der Bedingungen der gegenwärtigen Wirklichkeit, insofern ein jenseitiges Heil. Damit ist diese Schilderung auf dem Weg zur Apokalyptik, was aber für den ersten Teil, V. 1-5, durchaus nicht gilt. In 3b.4 kommt ein anderes Motiv hinzu: Fromme und Frevler und ihr Schicksal. Es ist zwischen die zusammengehörenden Verse 3a und 5 eingefugt. Literarisch kann 11,1—9 eine Einheit sein; es ist aber aus Motiven verschiedener Herkunft zusammengesetzt. Nimmt man literarische Einheit an, dann ist die Einfügung des Motivs „Fromme und Frevler und ihr Schicksal" ein eindeutiges Argument für nachexilische Entstehung von 11,1-9. 11,1-9 läßt erkennen, daß die späten Heilsworte zum großen Teil Kompositionen sind: Das Motiv „Ankündigung eines Heilskönigs" kann

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in verschiedenen Texten d u r c h verschiedene Motive ergänzt werden, die aber in ganz anderen Verbindungen begegnen, wie das Motiv „Tierfried e n " und „Schicksal der F r o m m e n und der Frevler". Es ist d a n n weiter zu fragen, ob diese Motive einmal als selbständige Einheiten bestanden oder von Anfang an i m m e r n u r in Zusammensetzungen, d. h. Motivverbindungen. Bei dem Motiv „Schicksal der F r o m m e n und der Frevler" ist die Antwort klar, es ist ein Motiv der späten f r o m m e n Weisheit, das in ihr eine selbständige Einheit in Spruchform war. Dieses Motiv ist in Heilsankündigungen i m m e r sekundär eingefugt, denn es ist ihnen ursprünglich fremd. 32,1-5: V. 1 - 2 A n k ü n d i g u n g der Herrschaft eines gerechten Königs (und Fürsten). 3—5 Der Heilszustand, den er bewirkt, 3 Heilung der K r a n k e n : Augen und O h r e n werden geöffnet, Zungen gelöst. 4a Das Herz der U n b e s o n n e n e n lernt Einsicht, 5 (gehört zur gerechten Herrschaft) Toren werden nicht m e h r Edle genannt. 6 - 8 Zusatz: Der Tor und der Edle. Der Text wird von den meisten Auslegern für nachexilisch gehalten. D a f ü r spricht auch der Aufbau; eine A n k ü n d i g u n g ist n u r V. 1 f. 1,3—5 ist reine Heils- oder Segensschilderung, in der die Motive einfach aneinandergereiht werden (so auch Mowinckel, S. 17: „not primarily a prophecy"), ohne erkennbaren Z u s a m m e n h a n g . Auffällig ist schon, d a ß das „Herrschen in Gerechtigkeit" V. 1 nicht entfaltet u n d a m Schluß 5 gerade n u r angedeutet wird. Das ganze Gewicht liegt auf der Segensschilderung. Auffallig ist auch, d a ß in das Motiv „Heilung der K r a n k e n " 3.4b in 3a eingefügt ist: „das Herz der U n b e s o n n e n e n lernt Einsicht"; vgl. 29,24. Die beiden folgenden Texte 16,4b—5 und 11,10 gehören der Form nach zu den Heilszusätzen mit n u r einem Motiv. 16,4b-5, Zusatz zu 16, l - 4 a : Spruch über M o a b ; „Wenn die B e d r ü c k u n g vorüber ist, a m E n d e die Verwüster verschwunden, die das L a n d zertraten, (V. 5) wird in G n a d e n ein T h r o n errichtet, auf ihm sitzt einer beständig im Zelt Davids, ein Richter, b e m ü h t u m das Recht, eifrig nach Gerechtigkeit strebend." Diese A n k ü n d i g u n g eines Heilskönigs ist einheitlich, so d a ß j e d e r Satz a n seiner Stelle ein notwendiges Glied in ihr ist. Die A n k ü n d i g u n g ist zweigliedrig: Rückblick auf die Zeit der Bedrückung u n d A n k ü n d i g u n g einer gerechten, beständigen Königsherrschaft. Aus diesem A u f b a u ergibt sich: Es wird nicht eigentlich ein Ereignis angekündigt, obwohl die Formulierung „wird . . . ein T h r o n errichtet" so verstanden werden könnte, sondern es wird aus einem Z u s t a n d (der Bedrückung) in einen anderen, gewandelten Z u s t a n d hinübergesehen. Die Relation ist also nicht die: Not (Augenblick)-Errettung (Augenblick) wie in J e s K a p . 7f., sondern a n d a u e r n d e Notzeit - a n d a u e r n d e Heilszeit. Eben dieses Stetige bezeichnet der T h r o n , der errichtet werden soll u n d das beständige T h r o n e n .

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König und Königsherrschaft sind hier nicht in ihrer politischen Funktion gesehen, sondern als Garantie von Sicherheit und Recht. Das Wort ist nicht als Prophetenwort formuliert, sondern einfach: „es wird geschehen" ohne die Formel „an jenem Tag" o.ä. Die Zeitbestimmung steckt in dem Satz: „Wenn die Bedrückung vorüber ist". Auch wird nicht von Gott gesprochen; mit keinem Wort wird angedeutet, daß es Gott ist, der den Wandel herbeifuhrt; es kann nicht als eine prophetische Ankündigung verstanden werden. Es ist vielmehr Ausdruck einer Hoffnung, eines Wunsches, der Sehnsucht nach einer Wandlung. 11,10: „Und es geschieht an jenem Tag: Zu der Wurzel Isais, die als ein Feldzeichen für die Völker dasteht, werden sich Nationen aufmachen, sie zu suchen, und sein Ruhesitz wird Herrlichkeit sein." Ein selbständiger Zusatz (eigene Einleitung, V. 11-16 beginnt mit neuer Einleitung). Der Sinn ist nicht deutlich. Klar ist: In jener Zeit werden Völker die „Wurzel Isais" (wahrscheinlich den König der Heilszeit) aufsuchen. Der Relativsatz „die als ein Feldzeichen für die Völker dasteht" meint wahrscheinlich: Der König der Heilszeit wird von den Völkern aus der Ferne gesehen und beachtet; er weist die Richtung, in der sich die Völker aufmachen. Der letzte Satz „und seine Ruhe wird Herrlichkeit sein" (wehäjäh menuhätö keböd) kann sich kaum auf den König beziehen, weil es in den späten Heilsworten immer auf das Volk bezogen ist. Gemeint ist dann: und es wird einen herrlichen Ruheplatz haben. Dann ist zu fragen, ob „Wurzel Isais" hier in abgewandelter Bedeutung auch das Volk der Heilszeit meinen könnte. In diesem Fall wäre das Wort 11,10 eine Variante des Motivs „Wallfahrt zum Zion". Ist aber mit „Wurzel Isais" der König der Heilszeit gemeint, liegt eine Motivvermischung zwischen den Motiven König der Heilszeit und Wallfahrt zum Zion vor. Nur zwei Motive haben die Texte gemeinsam: Das Kommen eines Königs, 9,5a; 11,1; 32,1; 16,51, und daß es ein gerechter, das Recht aufrichtender König sein wird, 9,6b; 11,3-5; 32,1.(5); 16,5b. Diese beiden Motive bilden in allen Texten den Kern; alle anderen sind Erweiterungen. Zu den Erweiterungen gehört auch, daß dieser König einen dauernden Friedenszustand herbeifuhren wird. Ein Friedenskönig wird er erst in den beiden größeren Gedichten 9,1-6 und 11,1-9. Die Schilderung des durch den König heraufgeführten Heilszustandes ist in den Texten erheblich verschieden, alle Motive, die ihr dienen, begegnen auch in anderen Heilsworten: in 32,1-5 Sicherheit und Segen, Heilung der Kranken, Einsicht, in 11,1-9 Tierfrieden und heiles Gottesverhältnis, in 9,1—6 Vernichtung der Kriegswerkzeuge, ewiger Friede. In allen Texten aber fehlen die geschichtlichen Motive der prophetischen Ankündigung: Wiederzuwendung Gottes, Befreiung usw. An die Stelle der angekündigten Rettung tritt hier der Antritt einer heilschaffen-

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den Königsherrschaft, manchmal erweitert auf die Geburt des Königs. Die Motive entstammen der Königstheologie und dem Königsritual. Alle Texte sind mehr Ausdruck einer Erwartung als Ankündigung. In allen fehlt die außenpolitische Funktion des Königs, im Gegensatz zu Ps2 und 110; das bedeutet die Abkehr von der Königsvorstellung der Zeit von David an bis zum Exil. An einigen Stellen treten apokalyptische Züge hinzu (Tierfriede 11,6-9). Völkerwallfahrt und Völkerfriede 2,1-4.(5) V. 1 „Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, über J u d a und Jerusalem geschaut hat. Es wird geschehen in den letzten Tagen, da wird der Berg des Hauses Jahwes fest gegründet sein an der Spitze der Berge und erhaben über alle Hügel. Da werden zu ihm alle Völker strömen, und viele Nationen werden hinziehen und sprechen: Kommt, und laßt uns hinaufziehen zum Berg Jahwes, zum Haus des Gottes Jakobs!, daß er uns seine Wege lehre und wir wandeln auf seinen Pfaden; denn von Zion wird Weisung ausgehen und das Wort Jahwes von Jerusalem. Und er wird Recht sprechen zwischen den Völkern und Weisung geben vielen Nationen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Spieße zu Winzermessern. Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen." (V. 5 „Haus Jakob, auf! Laß uns wandeln im Licht Jahwes!") Die Gliederung ist so zu verstehen: Die Überschrift V. 1 ist nicht speziell fur V. 2-4 gemeint, sondern für eine Sammlung von Jesaj aworten, sie ist redaktionell. Die Einleitung beahanthajjämim grenzt das, was in der „Endzeit" geschieht, deutlich vom gegenwärtigen Geschehen ab, in der Endzeit wird alles anders sein. Deshalb ist das Ganze nicht eigentlich Ankündigung eines Ereignisses, sondern Schilderung eines Zustandes. Es steht dem Seherwort näher als dem Prophetenwort. Die nun folgende Schilderung hat drei Teile: Der Tempelberg wird anders sein, der Gottesdienst wird anders sein, das Verhältnis zwischen den Völkern wird anders sein. Es sind die drei Bereiche Schöpfung (die Berge) - Geschichte - Gottesdienst angesprochen. Mit diesen drei Punkten soll das Ganze der gegenwärtigen Weltwirklichkeit bezeichnet werden, das Ganze wird verändert. So vom Ganzen zu reden, unter Einschluß der

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Schöpfung und der Weltgeschichte, ist typisch für die Apokalyptik. Es wird von der Zukunft in der Weise gesprochen, daß alles, was zur gegenwärtigen Wirklichkeit gehört, in dieses Reden einbezogen ist. Damit aber ist es ausgeschlossen, daß dieses Wort von Jesaja gesprochen ist. Wer das behauptet, würde damit sagen, daß Jesaja, der Prophet des 8. Jh. ein Apokalyptiker sei. (Zur zeitlichen Ansetzung O. Kaiser, Komm. S. 61 f.) Die Erhöhung des Zion über alle Berge und das Kommen aller Völker zu ihm, sind zwei Seiten derselben Wandlung; beide betonen den universalen Aspekt; beide Überhöhungen weisen über die Bedingungen der gegenwärtigen Wirklichkeit hinaus. V. 3: Die von den Völkern selbst ergehende Aufforderung zur Prozession (wie Ps 122) zum Zion ist motiviert durch deren Ziel: nicht Opfergaben, sondern Weisungen. Wenn die von Jahwe erwartete Weisung von allen Völkern erwartet wird, bedeutet das: diese Weisung ist nicht mehr eine tora, die Israel im Unterschied und im Gegensatz zu allen Völkern besitzt; es soll vielmehr eine allen Völkern geltende Weisung sein. Sie hat nicht mehr eine absondernde, sondern eine die Völker verbindende Funktion. V. 4: Diese an alle Völker ergehende Weisung wird zur Folge haben, daß die Kriege zwischen den Völkern aufhören. Zwar wird es Konflikte zwischen den Völkern weiterhin geben, aber sie werden dadurch entschieden, daß Gott zwischen ihnen Recht spricht. Gott hilft dann nicht mehr einseitig seinem Volk, sondern er spricht Recht zwischen Israel und seinen Gegnern. Beides, die Weisung Gottes, die allen Völkern gemeinsam erteilt wird, und die Regelung der Konflikte zwischen den Völkern durch das Recht Gottes, wird zwar erst in einer gewandelten Welt „am Ende der Tage" möglich sein. Aber der Wille Gottes geht nicht in die Richtung der Absonderung des Gottesvolkes mit dem nur ihm eigenen Gesetz, er geht nicht in die Richtung der Fortsetzung der Kriege zwischen den Völkern. 18,7

„Zu jener Zeit werden Geschenke dargebracht für Jahwe Zebaoth vom hochgewachsenen und glanzfarbenen Volk, von dem von vielen gefürchteten Volk, von dem Volk, alles niedertretend, durch dessen Heimat Ströme fließen, hin zur Stätte des Namens Jahwe Zebaoth, zum Berg Zion." Eine andere Ausprägung des Motivs der Völkerhuldigung auf dem Zion, ein Zusatz, angefügt an einen Völkerspruch über Kusch 18,1-6, der die Beschreibung des Volkes aus V. 2 übernimmt und dadurch als Zusatz eindeutig kenntlich ist. Diese Huldigung der Völker hat akkadische und ägyptische Parallelen (Wildberger). Eine prophetische Parallele ist Zeph 3,9-10, in den Psalmen Ps 68,30-32; 72,9-11; 45,13 (für den König). Dabei ist auf den Unterschied zu achten: In 18,7 ist das Motiv allein die

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Huldigung, ebenso in den Parallelen; in Jes 2; Mi 4 dagegen werden Völker einbezogen in Gottes Heilshandeln. Traditionsgeschichtlich liegt es hier wie bei der Ankündigung des Heilskönigs: Die frühere Stufe ist der kurze Zusatz zu dem Gerichtswort, 18,7, die spätere der Ausbau zu einem selbständigen, ausführlichen Heilswort. 16,1: Eine Parallele zu 18,7 in einem Spruch über Moab, 16,1-5. „Sendet Lämmer fur den Herrn des Landes von Sela durch die Wüste zu dem Berg der Tochter Zion!" (vgl. auch 23,18.) 11,10: Zusatz zu 11,1-9, wahrscheinlich Mischform zwischen den Motiven Völkerwallfahrt zum Zion und Huldigung vor dem König der Heilszeit (s.o.S. 69). Völkerfrieden 19,19-25 19

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„An jenem Tag wird ein Altar fur Jahwe mitten im Land Ägypten sein und ein Denkstein für Jahwe an seiner Grenze. Er soll als Zeichen und Zeuge für Jahwe Zebaoth dienen in Ägyptenland: Wenn sie zu Jahwe schreien vor Bedrückern, dann wird er ihnen einen Retter senden, der wird den Streit fuhren und sie befreien. Und Jahwe wird sich den Ägyptern zu erkennen geben und die Ägypter werden an jenem Tag Jahwe erkennen. Sie werden mit Schlachtopfern und Speisegaben dienen, Jahwe Gelübde weihen und sie erfüllen. So wird Jahwe Ägypten zum Heil schlagen, sie werden sich hinwenden zu Jahwe, so daß er sich von ihnen erbitten läßt und sie heilt. An jenem Tag wird eine gebahnte Straße von Ägypten nach Assur führen, die Assyrer werden nach Ägypten kommen und die Ägypter nach Assyrien, und die Ägypter werden mit Assur Gottesdienst halten. An jenem Tag wird Israel der Dritte sein, zusammen mit Ägypten und Assur, ein Segen inmitten der Erde, die Jahwe Zebaoth segnet, (25) indem er spricht: Gesegnet, mein Volk Ägypten und Werk meiner Hände, Assur, und mein Eigentum, Israel!"

Auch dieser Text ist ein Heils-Anhang zu einem Völkerwort über Ägypten; aber im Unterschied zu den sonstigen Heilszusätzen gilt das hier angekündigte Heil Ägypten (und Assur) und Israel gemeinsam, alle drei segnet Gott. Dieses eine Wort 19,19-25 hat das Gewicht eines kleinen Prophetenbuches. Es ist in seiner Bedeutung für die Nachgeschichte der

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Prophetie kaum je gewürdigt worden. Es ist ein einzigartiges Wort in der Kühnheit und in der Konzentration dessen, was hier gesagt wird, durchdacht bis ins letzte Wort. Der Aufbau ist so zu verstehen: Der erste Teil V. 19-22 handelt von der Gottesbeziehung und dem Gottesdienst, der zweite 23-25 von der Geschichte. Theologisch ist der erste Teil vom Retten, der zweite vom Segnen Gottes bestimmt. Die Einzigartigkeit des Wortes liegt darin, daß Gottes rettendes ebenso wie sein segnendes Wirken nicht mehr nur Israel, sondern allen Völkern gelten soll. Eines der stärksten Zeugnisse eines kühnen universalistischen Redens von Gott in der Spätzeit Israels. Es hat in Jes 2,1-4 insofern eine Parallele, als auch dieses Wort in seinen beiden Teilen von der gemeinsamen Gottesbeziehung und vom Völkerfrieden handelt. Aus dieser inhaltlichen Ubereinstimmung folgt, daß beide den späten Heilsworten angehören (Wildberger schreibt nur 19,19-25 diesen zu, Jes 2,1-4 dagegen dem Propheten Jesaja). Völkerwallfahrt und Völkerfrieden Das Verhältnis der beiden kurzen (18,7; 16,1, vielleicht 11,10) zu den beiden ausfuhrlichen Texten ist auch hier so zu verstehen, daß die beiden kurzen Texte eine frühere (Zusatz zu einem Völkerspruch), die ausfuhrlichen eine weiterentwickelte Form darstellen. Zugrunde liegt das alte und auch außerhalb Israels weitverbreitete Motiv der Darbringung von Geschenken (an Könige) und von Opfergaben (an Heiligtümer) von Gästen oder Pilgern, die aus weiter Ferne kommen, wie die „Weisen aus dem Morgenland". Dieses Motiv wird zu einem die Heilszeit schildernden Zug in 18,7; 16,1 und vielleicht 11,10. In 2,1-4 (Mi 4) und 19,19-25 wird das Motiv in der Weise abgewandelt, daß das Verhältnis zwischen den Völkern und Israel ein von Grund auf anderes wird. Die Völker und Israel werden in Frieden miteinander leben, und sie werden eine gemeinsame Gottesbeziehung haben. Der Zug des Völkerfriedens verbindet diese Gruppe mit der vom Heilskönig der Zukunft. Diese Wandlung eines alten Motivs muß einen Grund haben. Sie wird ermöglicht durch die Verkündigung Deuterojesajas, besonders in Jes 45,20-25, wo die „Übrigen der Völker" zum Teil zu Jahwe eingeladen werden. Dann wären die beiden Worte Zeugnis dafür, daß das bahnbrechende Wort Deuterojesajas gehört und weitergebildet wurde. Gemeinsam ist beiden Worten, daß die zukünftige Wandlung umfassend ist: Sie umgreift die Schöpfung (die Berge, die Straßen), die Geschichte (Friede) und die Gottesbeziehung (Wallfahrt zum Zion - Altäre in Ägypten). Gemeinsam ist ihnen auch, daß in ihnen die Vorzugsstellung Israels aufgehoben wird. Wenn die Völker zum Zion wallfahren, um dort Gottes Weisung zu erhalten, folgt daraus, daß die tora nicht mehr Allein-

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besitz Israels ist; in Kap. 19 gilt Gottes rettendes (V. 19-21) und segnendes (V. 23-25) Handeln auch Ägypten und Assur. Beide Texte sind nicht eigentlich Ankündigung, sondern Schilderung. Da die Wandlung die ganze Wirklichkeit umfaßt, sind beide Texte auf dem Weg zur Apokalyptik (vgl. o.S. 67). Da aber beide aus der Prophetie erwachsen sind (Dtjes), sind sie als Wort in die Gegenwart ihrer Hörer gemeint. In den Texten Jes 2,1-4 und 19,19-25 liegen also Weiterbildungen eines vorliegenden Motivs der Heilsschilderung (18,7; 16,1; 11,10.2?) vor, nicht aber prophetische Heilsworte im strengen Sinn. Ihre späte Entstehung beweist die Berührung mit der Apokalyptik.

4. Zusammenfassung der Motive A. Motive der Wiederzuwendung und Befreiung

Der Befreiung gehen voran: Die Erinnerung an frühere Rettungstaten Gottes, so in 29,22a: „der Gott des Hauses Jakob, der Abraham erlöste." Dazu die Erinnerung an die Errettung aus Ägypten 11,11: „zum zweitenmal" und V. 15-16; 4,5: „Wolke bei Tag, Rauch und Feuer bei Nacht"; 14,1: „... und Israel noch einmal erwählen." Der Abfall ist vorausgesetzt in 4,4: „Wenn Jahwe den Schmutz der Tochter Zion abgewaschen ..." Angedeutet ist er in 29,22b; 10,20 f.; 17,8. Der Abfall Israels hatte Gottes Gericht zur Folge, 4,4: „... durch den Hauch des Gerichts und den Hauch der Verwüstung." Auf dieses Gericht spielt an 30,20a: „Auch wenn Jahwe euch Brot der Bedrängten und Wasser der Trübsal gab", und ausfuhrlich schildert die Schreckenszeit 33,18-19. Dazu 30,26b; 9,1; 9,3; 16,4b-5. Aus der Schreckenszeit des Gerichtes erhebt sich die Klage, von ihr spricht nur ein Text, 30,19: „Denn du Volk auf dem Zion du sollst nicht länger weinen, er wird dich begnadigen, wenn er auf die Stimme deines Flehens hört, er wird dir antworten". Aber auch die Schilderung der Schreckenszeit 33,18-19 kann zur Klage gerechnet werden. Die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk wird in allen Texten vorausgesetzt oder angekündigt, aber auf sehr verschiedene Weise, in manchmal recht allgemeinen Ausdrücken. In besonders schöner, den Psalmen naher Sprache ist sie in 30,18-26 ausgesporchen: „Dennoch wartet Jahwe, daß er sich wieder erbarme, (das „dennoch" entgegen der vorangehenden Gerichtsankündigung), erhebt er sich, um euch zu begnadigen, denn Jahwe ist ein Gott des Heils, wohl allen, die auf ihn hoffen!" Der letzte Satz geht in die Sprache des Gotteslobes der Psalmen über. Gott kommt, um seinem Volk zu helfen, 35,4: „Sagt den verzagten Herzen: Seid stark! Fürchtet euch nicht! Seht da, euer Gott! . . . er selber kommt, um euch zu retten!" Damit wird der Ruf zum Jubel 35,1-3 begründet. Ein

Heilsworte in Jesaja 1-39

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sehr allgemeiner Ausdruck ist 11,11: „... um den Rest seines Volkes zu erwerben" oder angedeutet in 29,22: ,Jetzt muß sich'Jakob nicht mehr schämen"; vgl. 30,19. In 4,5-6 ist diese Zuwendung nicht ausgesprochen, aber impliziert in der neuen Gegenwart Jahwes über dem Zion. Dazu 32,15; 28,5f.; 14,1. Die Zuwendung impliziert die Vergebung oder setzt sie voraus. Besonders markant ist dies ausgesprochen im Vergleich mit dem Abwaschen, Reinigen 4,4; dazu 33,24, wo dieser Satz abschließt: „dem Volk, das darin wohnt, ist die Sünde vergeben". Auch 29,22b deutet die Vergebung an. Auffällig ist, daß die eigentliche Mitte aller dieser Texte, die Befreiung, die angekündigt wird, viel mehr umschrieben oder nur angedeutet als ausgesprochen wird, zumal angesichts der Tatsache, daß in einer anderen Gruppe von Heilsworten nur die Befreiung angekündigt wird. 29,23: „denn sehen wird er das Werk meiner Hände in seiner Mitte"; 30,26b: „am Tage, da Jahwe die Wunde seines Volkes verbindet und die Wunden, die er ihm geschlagen hat, heilt." Der Vergleich verbindet das Gericht und die Wiederzuwendung, die zur „Heilung" fuhrt. 35,3-4: „Sehet da, euer Gott kommt, um euch zu helfen!", Sprache der Epiphanie, ähnlich 33,17-24, In 11,11-16 kann der Satz V. 11 ,Jahwe gewinnt den Rest seines Volkes zurück" ebenso die Wiederzuwendung wie seine Rettungstat meinen. In 4,2—6 ist auf die Rettungstat nur angespielt, 4,5 f. „für die Geretteten Israels", vgl. 35,8f. Die Bezeichnung „die Übriggebliebenen", „der Rest" o.ä. gewinnt besonders im Zusammenhang der kurzen Heilszusätze, wo sie oft begegnen, die Bedeutung: die aus der Katastrophe Geretteten. Eine einmalige dichterisch schöne Umschreibung gebraucht 30,20b-21: „... so wird sich doch dein Lehrer nicht verbergen (das spielt auf die Klage an: „warum verbirgst du dein Angesicht?"); deine Augen werden deinen Lehrer sehen, deine Ohren werden Weisung hören hinter dir: Dies ist der Weg, den ihr beschreiten sollt..." Mit dem Lehrer ist der Weisende, der Führende schlechthin gemeint, dessen Weisung zum Leben führt. Die auffallig umschreibende oder nur andeutende Sprache der Ankündigung der Befreiung hat ihren Grund darin, daß die Ankündigungen der Rettung aus dem Exil vor der Rückkehr auch noch lange nach der Rückkehr der Ankündigung von Heil in einem weiteren Sinn dienen sollten; darum brauchte man allgemeine Ausdrücke und Umschreibungen. In einigen Texten folgt der Ankündigung der Rettung die vorausgenommene Reaktion der Geretteten im Gotteslob. So in 29,23b: „und er wird meinen Namen heiligen..." In 30,18b ist das Gotteslob in der Prädikation voausgenommen: „Denn Jahwe ist ein Gott des Heils, wohl allen, die auf ihn hoffen"; in 35,1—10 ist nach der Art Deuterojesajas der Ruf zur Freude an die Kreatur mit dem Gotteslob verbunden, an den Anfang gesetzt, 35,1-2 und V. 6b-7. Mit einem Gotteslob endet 33,17-24;

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

V. 22 (am Schluß zu lesen) ,Jahwe ist unser Herrscher ..." Auch 9,2—3: „Du machst groß ihren J u b e l . . . " ist vorausgenommenes Gotteslob. Im Gegensatz zu der Andeutung oder Umschreibung der Rettung in den zweigliedrigen Heilsworten steht die Ankündigung der Rettung in der Folge Befreiung-Sammlung-Zurückfuhrung, die sich eindeutig und ausgesprochen auf die Befreiung aus dem Exil bezieht. Sie begegnet im Jesajabucjj nur selten, in 11,11-16 und angedeutet in 35,1-10. Entfaltet wird dabei besonders die Straße der Heimkehr V. 8-10; 11,12.15.16. B. Motive der Wiederherstellung, des Segens, der Heilsschilderung

Der Segen: In 4,2 und 30,23-26 folgt auf Gottes Wiederzuwendung eine Segensschilderung, 30,23-25a; 4,2-3; 29,17: „Nur eine Weile noch, dann wird der Libanon zum Fruchtgefilde ...", ähnlich 32,15b; 30,23.25; 35,12.6b—7; vgl. 33,21. 37,31 f.: „was Übriggeblieben, soll Wurzel schlagen ... Frucht ansetzen ..."; 7,21.22. Die heile Gottesbeziehung, innere Wandlung: 29,24: Die Murrenden werden ihre Gesinnung wandeln; vgl. 32,4; 4,3 Die Uberlebenden in Zion werden heilig genannt werden, zum Leben eingeschrieben; 30,20: „Deine Ohren werden Weisung hören"; 29,19. 30,22 das Aufhören des Götzendienstes, 31,7; 17,7f.; 2,18.20; 10,20f.: „sie werden sich nicht mehr stützen a u f . . . , sondern auf Jahwe, den Heiligen Israels"; 28,5f.: , J a h w e selbst ..."; 14,1: ,Jahwe selbst will ... Israel noch einmal erwählen"; 17,7; 11,9b: „das Land ist voll der Erkenntnis Jahwes ..." Der soziale Aspekt: Recht und Gerechtigkeit: 32,16: „Dann wird in der Wüste das Recht wohnen und die Gerechtigkeit ... im Fruchtgarten", V. 17: „Die Wirkung der Gerechtigkeit wird Friede sein, die Frucht des Rechtes dauernde Sicherheit"; 28,6: „ein Geist des Rechts für den, der zu Gericht sitzt". Besonders in den Königsworten 32,1: „Siehe, in Gerechtigkeit wird ein König herrschen ...", V. 5; 9,6: „... daß er es aufrichtet und festigt in Recht und Gerechtigkeit", dazu 11,3-5; 16,5; 2,4: „er wird richten zwischen den Völkern ..." Sicherheit, Ruhe, Schutz: 4,5b: „denn über allem wird die Herrlichkeit ein Schutzdach sein"; 33,20; 32,17: „dann wird die Frucht des Rechtes dauernde Sicherheit sein", V. 18: „da wird mein Volk auf friedlichen Auen weiden, an sicherem Wohnplatz und an sorglosen Ruheorten", V. 20, dazu 11,10b; 14,30.32; 16,5; 32,20; 33,6a; 14,1: „und ihnen Ruhe geben in ihrer Heimat"; 32,2 „Deckung vor dem Sturm". Frieden: 9,4: „Denn jeder Stiefel... Mantel ... wird verbrannt", V. 5: „Denn ein Kind ist uns geboren ... man nennt seinen Namen Friedefurst, V. 6 groß ist die Herrschaft und endlos der Friede ..." 2,4 Schwerter zu Pflugscharen ... sie werden den Krieg nicht mehr lernen". 11,6—9 Tierfrieden; 19,18-25 Völkerfrieden. Zum Frieden gehört das Feiern von

Heilsworte in Jesaja 1-39

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Festen, 33,20: „Blicke auf Zion, die Stadt unserer Feste!". 32,17f. „Die Wirkung der Gerechtigkeit wird Friede sein. Da wird mein Volk auf friedlicher Aue weiden." Wie besonders 32,17f. zeigt, gehören diese drei Textgruppen nahe zusammen. Was hier mit „Frieden" gemeint ist, kann nur die Textgruppe als ganze zeigen. Heilung der Kranken: Es ist zu beachten, daß zu dieser Heilsschilderung die Verheißung politischer Größe, militärischer Siege über Israels Feinde, politischer Ausdehnung und politischen Ruhmes nicht gehört, sie fehlen vollkommen. Dagegen tritt jetzt eine neue Verheißung hinzu. 32,3 f. Kranke werden gesund. 35,5: „Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben öffnen sich, dann springt der Lahme wie ein Hirsch und die Zunge der Stummen jubelt." 33,23b-24: „Dann teilen Blinde Raub in Menge, ... und keiner, der dort wohnt, wird sagen: Ich bin krank"; 29,18: „An jenem Tag werden Taube Worte der Schrift hören ... die Augen der Blinden sehen." Diese Verheißung gibt es bei Deuterojesaja und vorher noch nicht. Es ist höchst bezeichnend, daß sie erst nach dem Exil begegnet. Es ist die andere Seite der Abwendung von der politischen Macht und Größe. Wenn die Heilung gerade dieser Gebrechen in den Evangelien zum Wirken Jesu gehört, so hat sie in dieser Verheißung ihre Wurzel. Motive in späten Erweiterungen: In den Heilsworten, die aus der Erweiterung eines Einzelmotivs entstanden sind, begegnen Motive, die keinerlei Tradition in den Hauptgruppen der Heilsworte haben, sondern aus anderen Traditionen herzuleiten sind. Dazu gehören in den Königsworten die Sätze, die dem Königsritual angehören wie die Geburt des Königs 9,5f. und 11,1, die Ausrüstung des Heilskönigs 11,2. Dazu gehören die Traditionen vom Gottesberg in den Worten von der Völkerwallfahrt zum Zion 2,1-3; 18,7; 16,1 und die völkerverbindenden Straßen in 19,19-25. Der Anschluß Ferner und Fremder an Israel, Völkerwallfahrt und Völkerfrieden: 2,1—4 Die Völkerwallfahrt zum Zion; 18,7 Geschenke werden dargebracht zum Berg Zion; 16,1 Sendet Lämmer; 11 -10(?); 19,19-25 Straße von Ägypten nach Assur. Nur in wenigen Texten ist die Heilsankündigung wie bei Deuterojesaja identisch mit der Ankündigung der Befreiung. In den meisten Texten klingt sie zwar noch nach, jedoch rückt das Gewicht auf die Wiederzuwendung Gottes, aus der Ankündigung der Rettung (Befreiung) wird eine allgemeinere Heilsankündigung, die nicht mehr (nur) für die Ankündigung des einen historischen Ereignisses gilt. Um so erstaunlicher ist, daß die Motive der Ankündigung der Befreiung auch hier noch begegnen oder anklingen. Die Erinnerung an Gottes frühere Heilstaten, der Abfall Israels und Gottes Gericht, die Klage und die Umschreibung der Befreiung. Dies ist ein sicheres Zeichen dafür, daß die epochale Bedeutung der

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Befreiung aus dem babylonischen Exil zusammen mit ihrer Ankündigung durch Deuterojesaja noch lange und tief in die nachexilische Zeit hineingewirkt hat. Bei den Motiven des Segens, der Wiederherstellung und der Heilsschilderung ist einmal zu bemerken, daß wie bei Deuterojesaja das segnende Wirken Gottes zum rettenden tritt und ihm folgt. Wieder ist ein deutlicher Wandel darin zu bemerken, daß in diesen Heilsworten die Akte der Wiederherstellung ganz zurücktreten (das Wiederaufbauen der Stadt und des Tempels begegnet hier gar nicht; sie liegen offenbar schon in der Vergangenheit), an ihre Stelle tritt beherrschend die Schilderung eines Heilszustandes. Politisch-militärische Motive fehlen. Niemals wird das politische Erstarken, Rache an den Feinden, Vernichtung der Feinde angekündigt, der König der Heilszeit ist ein Friedenskönig. Exkurs zu den Heilsworten in Jes 24-27 J e s 24—27, die kleine J e s a j a - A p o k a l y p s e , ist der S a m m l u n g des J e s a j a - B u c h e s nachträglich eingefügt. In auffalliger Weise unterscheidet sich dieser Textkomplex von den exilisch-nachexilischen Heilsworten, deren Geschichte hier keine Fortsetzung, sondern n u r noch einen sehr schwachen N a c h k l a n g erfährt. Die K a p i t e l 24—27 enthalten Unheils- u n d Gerichtsworte ü b e r die E r d e , die Völker der E r d e u n d im Gegensatz dazu eine Reihe von Liedern (meist Lobliedern), die entfernt a n D e u t e r o j e s a j a erinnern. A b e r sie enthalten, u n d d a r i n liegt der auffallige A b s t a n d , n u r ganz wenige Heilsworte, die d e n exilisch-nachexilischen Heilsworten entsprechen. N u r ein einziger Text ist diesen ähnlich, d a s ist 27,12-13. Er enthält eindeutig die A n k ü n d i g u n g der S a m m l u n g u n d der Rückkehr u n d ist ein Zeichen d a f ü r , welche Lebenskraft dieses Motiv hatte. A u ß e r d e m ist der fragliche Text 27,6-9 zu n e n n e n : „ I n d e n k o m m e n d e n Tagen wird Israel blühen; Gott wird es nicht m e h r schlagen, wie er seine Feinde schlug." A u c h dieses Wort erinnert wenigstens noch a n die exilisch-nachexilischen Heilsworte. 25,6-8 ist apokalyptisch, ein universales Heilswort wie 19,19-25. D a g e g e n ist in 26,7-11 die H e i l s a n k ü n d i g u n g v e r b u n d e n mit d e m nichtprophetischen M o t i v Schicksal der Frevler - Schicksal der F r o m m e n .

HEILSWORTE IN DEN BÜCHERN DES DODEKAPROPHETON

Einleitung: Der Bestand Heilsworte im Buch Arnos. Am 9,8b—15 ist ein nachträglicher Anhang an das Buch Arnos. Der Anhang besteht aus den Texteinheiten V. 8b—10.11—12.13—15, einer kleinen Sammlung von Heilsworten.Innerhalb des Amosbuches ist eine bedingte Heilsankündigung in paränetischer Form Am 5,4—6.14.15. Andere Heilsworte enthält das Amosbuch nicht.

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

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Im Buch Hosea. Sie lassen sich gliedern: a) in Heilsworte an Israel, auf ein Gerichtswort an Israel folgend. Dazu gehören die selbständigen Einheiten Hos 2,1-3; 3,1-5; 2,16-25; 14,2-9 und die kurze Anfügung 11,10-11, dazu die ursprüngliche Form von 2,1-3. Hierzu kommt als bedingtes Heilswort mit M a h n u n g lo,12; 12,7.10. b) Heilsworte an J u d a in Zusätzen, auf Gerichtsworte an Israel folgend: 1,7; 4,15; 12,1b; 6,11(?). c) Ein Heilszusatz, nur ein Motiv: Wiederzuwendung Gottes, 11,8-5. Im Buch Micha. Die Kapitel 1-3 sind ein geschlossener Block von Gerichtsworten, nur einmal, in 2,12-13 von einem Heilswort unterbrochen. Eine zweite Gruppe von Gerichts Worten ist 6,1-16; 7,1-6. Kapitel 4 und 5 sind eine Sammlung von Heilsworten, 7,7-20 Teile eines Psalms in enger Beziehung zu Heilsworten (7,11-12 ein Heilswort). Selbständige Heilsworte: 2,12-13; 4,6-8; 4,9-12(14); 5,9-13; 7,11-12, dazu 5,1-3 (Heilskönig) und 4,1-4(5) (Völkerwallfahrt). Kurze Zusätze, zweigliedrig, Vernichtung der Feinde: 4,13; 5,4-5a; 5,7; 5,8.14. Im Buch Nahum. Eindeutige Heilsworte, an J u d a gerichtet, sind die Worte 1,9(10), an den Psalm 1,2-8 anschließend, 1,12-13 und 2,1.3. Nur diese wenigen Heilsworte, die auch zusammen ein Wort bilden könnten, enthält das Buch Nahum. In dem Teil 2,4-3,19 fehlen Heilsworte. I m Buch Habakuk. Das Buch Habakuk enthält keine prophetischen Heilsworte. M a n könnte 2,1-4 für ein solches halten; in dem Klagepsalm, der das ganze Buch Habakuk durchzieht (1,2-4.12-13; 2,1-4; 3,18-19), hat das Heilswort die Funktion der Gottesantwort. Die Antwort in V. 4 ist in 1-3 eingeleitet. An der Stelle eines Gotteswortes aber bietet V. 4 die Variante des Motivs vom Schicksal des Gerechten und des Frevlers; vgl. Hi 4,12-17. I m B u c h Zephanja. D a s Buch Z e p h a n j a enthält die drei Teile 1,1-2,3 mit 3,1-8: Gerichtsworte ü b e r J u d a ; 2,4—15: Völkersprüche; 3,9-20: Heilsworte. I n 1,1-2,3 ist der A b s c h l u ß 2,3 ein nachträglich angefügtes bedingtes Heilswort (vgl. A m 5, 4—6.14.15). In den Völkersprüchen 2,4—15 sind a n die Gerichtsworte ü b e r die Philister 2,4—6 u n d M o a b - A m m o n kurze Sätze gefügt, V. 7 u n d 9b, d a ß d a s L a n d d e m Rest des Volkes J u d a zufällt. A m A n f a n g des dritten Teils 3,9-20 ist V. 9f. A b s c h l u ß der Völkersprüche, d u r c h 3 , 1 - 8 von ihnen a b g e t r e n n t , ein universales Heilswort, das eine W a n d l u n g der Völker u n d ihren A n s c h l u ß a n den Gottesdienst Israels verheißt. Z u 3,11-20 gehören V. 11-13: L ä u t e r u n g , V. 14—18a: Vorausweisendes Gotteslob u n d V. 18b-20: W e n d u n g des Geschickes Israels. I m B u c h e Joel. D a s Buch J o e l enthält zwei Volksklagen (Heuschrecken) mit G o t t e s a n t w o r t in K a p . 1 - 2 u n d A n k ü n d i g u n g des Gerichts ü b e r die Völker (Weltgericht) in K a p . 3 - 4 . Zwei G o t t e s a n t w o r t e n als Heilsworte in 2,18-20 u n d 2,21-27, d a z u eine bedingte H e i l s a n k ü n d i g u n g in 2,12-14. Die W o r t e in K a p . 3 - 4 sind überwiegend zweiseitige A n k ü n d i g u n g e n : 3,1-5; 4 , 1 - 3 . 9 - 1 4 . 1 5 - 1 7 . 1 8 - 2 1 V e r n i c h t u n g der F e i n d e - Heil f ü r Israel. Sie sind z . T . v e r b u n d e n mit einer Segensschilderung 2,19a.21-26; 3,1 b—2; 4,18.21b, m a n c h m a l mit d e r T r a n s z e n d i e r u n g in ein apokalyptisches Geschehen: 3,1-5; 4,1—3.9— 14; 4,15. Als prophetische Heilsworte im strengen Sinn können diese Texte nicht m e h r bezeichnet w e r d e n . Eine Heilswende, eine R e t t u n g wird nicht angekündigt. A u c h fehlt ganz die Wiederherstellung einer heilen Gottesbeziehung. Es werden viele

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Sätze aus der vorangehenden Prophetie übernommen, aber aus ihrem Zusammenhang gelöst. I m Büchlein Obadja. V. 1—14.15b sind Völkersprüche gegen Edom, V. 15a. 16— 21 ist ein Anhang, der das Gericht über Edom ausweitet auf den Gerichtstag J a h w e s über alle Völker. Es ist zusammengesetzt, 15a. 16-17 und 18-21. V. 15a. 16-17 ist eine zweiseitige Ankündigung, Vernichtung der Feinde - Rettung Israels, übertragen auf den Gerichtstag J a h w e s über die Völker. V. 18 ist ein selbständiges Wort, das die Vernichtung Edoms durch J u d a ankündigt, erweitert in V. 19-21 durch die Inbesitznahme der Gebiete durch J u d a . Das Buch Jona. In der Lehrerzählung ist in 3,7-10 die bedingte Ankündigung vorausgesetzt. I m Buch Haggai. Heilsankündigungen sind 2,6-9, auf den Bau des Tempels und 2,20-23 auf die Designation Serubbabels zum König bezogen. D a r a n zeigt sich ein Wiederaufleben der Kult- und Hofprophetie. Beide sind mit apokalyptischen Elementen verbunden. Das Wort an Serubbabel ist eine zweiseitige Ankündigung. Die Segensverheißung ist bedingt; sie ist an den Bau des Tempels gebunden. Die M a h n u n g wird bestärkt durch die Verheißung des Mitseins 1,13 und 2,4-5. Im Buch Sacharja Kap. 1-8. Das Buch Sacharja zeigt im Vorherrschen der Visionen den Ubergang von der Prophetie zur Apokalyptik. Die an Israel gerichteten Worte sind in K a p . 1-6 mit acht Visionen verbunden; die Visionen stehen in enger Beziehung zur Heilsankündigung. Z . B . folgt auf die Vision von den vier Rossen 1,7-11 die Klage des Engels V. 12-13 und ein Heilswort V. 14—17 als Antwort auf die Klage. Auch die folgenden Visionen sind alle auf Motive der Heilsworte bezogen. Was nach den Visionen in 6,9-8,22 noch folgt, sind Anhänge oder Nachträge, die z.T. fragmentarisch sind, 8,7-8.14—15 und 4—6(?) wahrscheinlich ein zur 7. Vision gehörendes Heilswort. Die Heilsworte in Sach 1 - 8 sind 1,(12) 14-17; 2,10-17 ohne V. 12-13; 8 , 7 8.14.15; (4-6); 8,9-13; 8,20-23, dazu ein Zusatz 2,12-13: Vernichtung der Feinde. In dem Abschnitt zur Fastenfrage 7,1-14 und 8,18-19 ist die Antwort V. 1819 eine bedingte Heilsankündigung. Weitere in 1,1-6; 3,6-7; 6,15b. In Sacharja Kap. 9-14. 1. Ankündigung der Freilassung, Rückführung und Wiederherstellung Israels: 9,11-12; 10,6b—7; 10,8-12. 2. Ankündigung einer Läuterung: 13,1-2.3-6; 13,8-9; 12,10a; 14,20-21. Alle Texte kündigen für die kommende Heilszeit eine Wandlung der Menschen an. 3. Königsverheißung: 9,9-10. 4. Gericht über die Völker, zweiseitige Ankündigung: 9,13-16; 10,3—6a; 12,1-8; 14,1-19, ebenso Mal 3,19-21.

I. Heilsworte der Befreiung, Sammlung und Zurückführung Alle Texte dieser Gruppe setzen den Zusammenbruch von 587 und das Exil voraus.

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

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Hosea 11,10-11

10

11

„Wie ein Löwe brüllt Jahwe, er brüllt und die Söhne folgen ihm zitternd vom Meer her, hinter Jahwe gehen sie einher. Wie Vögel so eilen sie zitternd herbei aus Ägypten, wie Tauben vom Land Assur, und ich lasse sie wohnen in ihren Häusern."

Das Wort kündigt die Sammlung und Rückkehr der Israeliten als Jahwes Tat an. Die Ankündigung ist dreiteilig: Jahwe brüllt - die Söhne folgen dem Ruf — er bringt sie in die Heimat und läßt sie in ihren Häusern wohnen. Angekündigt wird ein Ereignis, gegliedert als eine Geschehensfolge in drei Akten. Jahwe brüllt wie ein Löwe, das kann nur heißen, er erweist sich als der Mächtige, Gewaltige, der durch den Erweis seiner Macht die Heimkehr ermöglicht. Voraussetzung der Rückführung ist die Sammlung der Zerstreuten V. IIa; sie stehen in dieser Gruppe der Heilsworte meist zusammen. Der letzte Satz: „und ich lasse sie wohnen in ihren Häusern" zeigt den Ubergang von der Ankündigung eines Ereignisses zu der eines Zustandes. Das Wohnen in Häusern (nach dem Exil) schließt das Bleiben, das Stetige, die Sicherheit ein. Micha

2,12-13

12

13

„Sammeln will ich Jakob insgesamt, versammeln will ich den Rest Israels; ich will sie zusammenbringen wie Schafe im Pferch, wie eine Herde inmitten ihrer Trift... Vor ihnen her geht der Bahnbrecher, er bricht durch, sie durchschreiten das Tor und ziehen aus ihm heraus. Ihr König schreitet vor ihnen her, Jahwe an ihrer Spitze."

Ein Heilswort, das einem Komplex von Gerichtsworten folgt, eine Ankündigung der Befreiung. Angekündigt wird: V. 12 die Sammlung der im Exil Zerstreuten, V. 13 ihre Befreiung, nachgetragen: „der Durchbrecher", die Rückführung in die Freiheit „durch das Tor". An ihrer Spitze schreitet Jahwe, ihr König; vgl. Jes 40,10 f. Ein Ereignis in der Geschichte wird angekündigt, indem es in Einzelvorgängen entfaltet wird. Deutlich ist die Nähe zu Deuterojesaja. Wenn dieses Wort einem Komplex von Gerichtsworten des Micha angefugt ist, kann das nur besagen, nachdem das von Micha angekündigte Gericht eingetreten ist, geht die Geschichte Gottes mit seinem Volk dennoch weiter.

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Micha 4,9-14 (gekürzt) 9.10a

Warum . . . Wehen wie eine Schwangere: Kein König, kein Prophet 10a$Jetzt m u ß t du aus der Stadt, kommst nach Babel 10bIn Babel wird dich J a h w e erlösen aus der H a n d deiner Feinde ll-12a, J e t z t planen die Feinde, Zion zu vernichten, aber sie kennen nicht den Plan J a h w e s . " 12b „Er sammelt sie wie Garben auf dem Feld." V. 13 Zusatz: „Auf, und drisch, Tochter Zion . . . " 14 , J e t z t zerkratze dich, Tochter Zion, sie haben einen Wall gegen dich aufgerichtet. Sie schlagen auf die Backe den Richter Israels."

Der Text ist eine Ankündigung der Rettung und Sammlung aus dem Exil, erweitert durch die Erinnerung an die Vorgeschichte: Eroberung Jerusalems und Weg ins Exil. Die Absicht ist, das Gesamtgeschehen als im Plan Gottes begründet zu erklären, so sagen es V. 11.12a. 9.10aa: An Jerusalem wird die Frage gestellt, warum es vor Schmerz schreie. Die Frage 9aß deutet schon die Not an: Das Volk hat seinen Führer verloren. Zu dieser Erinnerung gehört auch 14; der Imperativ „zerkratze dich ...!" in 14a setzt die Imperative von 10a fort „winde dich und stöhne ...!" Das Schreien der Bedrängten wird begründet: Die Stadt wurde belagert (14a), der König wird geschlagen (14b), die Bewohner müssen die Stadt verlassen (lOaß) und werden nach Babel ins Exil gebracht. Bis hierher erinnert der Text deutlich an die Klagelieder; zu V. 14 vgl. Klgl 4,19 f. Die Klagebegehungen nach dem Fall Jerusalems waren bestimmt von den Erinnerungen an das, was damals geschehen war. Dabei stellte sich die Frage nach der Zukunft, Klgl 5,22: „Oder hast du uns ganz verstoßen, zürnst uns allzusehr?" Eben diese Reflexion zeigt sich in 11.12a: Die Not wurde verursacht durch die Völker, die den Plan hatten, Jerusalem zu zerstören (11); aber sie kannten Gottes Plan nicht, in dem Zusammenbruch und neuer Anfang, Gericht und Erlösung schon miteinander verbunden waren (10b). Diese Geschichtsreflexion ist gerahmt von der Ankündigung der Rettung: „Dort wird dich J a h w e erlösen aus der H a n d . . . " „Er sammelt sie wie Garben auf der Tenne". Diese eigenartige Heilsankündigung ergibt: Es besteht offenbar ein naher Zusammenhang zwischen der Klage des Volkes nach dem Zusammenbruch und dieser Gruppe von Heilsworten. Die Heilsankündigung ist nicht möglich ohne eine Bejahung der vorangehenden Geschichte, der Anerkennung des Gerichtes Gottes, das die neue Zuwendung zu seinem Volk als Möglichkeit offen läßt. Das Wort gibt einen Hinweis auf das Entstehen dieser Gruppe von Heilsworten. Sie kamen aus dem Kreis der

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

83

trauernd Gedenkenden, die nach der Möglichkeit eines Weitergehens der Geschichte Gottes mit seinem Volk fragten. Erwartung und Ankündigung sind in diesen Heilsworten nicht mehr eindeutig zu unterscheiden. Das Wort ermöglicht eine sichere Datierung: Die Erinnerung an den Fall Jerusalems ist in ihr noch lebendig, die Nähe zu den Klageliedern unübersehbar. Dann aber ist offenbar die schon bald nach dem Zusammenbruch entstehende Heilsankündigung durch Generationen wenig verändert weitergetragen worden. Dadurch wird verständlich, daß sie anonym blieben und daß sie den Worten der Gerichtspropheten angefügt wurden. Micha

7,11-12

11 12

„Ein Tag, deine Mauern zu bauen, ein Tag, an dem die Grenzen sich weiten; ein Tag ist es, da kommen sie zu dir von Assur bis nach Ägypten und von Tyrus bis zum Euphratstrom, von Meer zu Meer, von Berg zu Berg."

Der Text kann ein Fragment, kann aber auch eine selbständige Einheit sein, auch wenn das Subjekt „ein Tag" kein Prädikat hat, man könnteJörn als Prädikat verstehen. Er kann als eine Heilsankündigung gemeint sein, die eingeleitet war: „Und es geschieht an jenem Tag . . . " o.ä. Denn das Wort enthält das Motiv dieser Gruppe: Sammlung der Zerstreuten und Rückkehr. Dazu kommt in V. 11 Wiederherstellung „deine Mauern zu bauen" und das Anwachsen „da die Grenzen sich weiten". Micha 4,6-8

6 7

8

„An jenem Tag, spricht Jahwe ... da werde ich das Lahme sammeln, und was versprengt war, zusammenbringen (und die, denen ich Böses getan habe). Und das Lahme mache ich zu einem Rest, und was schwach war, zu einem mächtigen Volk. Und König ist Jahwe über sie auf dem Berg Zion, von jetzt an bis ewig. Du aber, Herdenturm, Ophel der Tochter Zion, an dich wird gelangen, an dich wird kommen die frühere Herrschaft, das Königtum der Tochter Jerusalem."

Der Text setzt ein mit der Ankündigung der Sammlung aus dem Exil, 6a, 6b fugt, vielleicht nachträglich, einen Rücblick auf das Gericht Gottes hinzu. Bis hierhin wird ein Ereignis angekündigt. 7-8 aber kündigen die

84

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Wiederherstellung an. Gott wird den Rest zu einem mächtigen Volk machen (Wiederherstellung) und Jahwe wird fur immer König, auf dem Berg Zion thronend, 7b. In V. 8, der nachträglich hinzugefugt sein kann, wird die Wiederherstellung des davidischen Königtums in Jerusalem angekündigt: „die frühere Herrschaft". Den vier Michatexten ist gemeinsam, daß in ihnen ein Ereignis angekündigt wird, die Rückkehr aus dem Exil; vgl. besonders 4,9—12 mit Rückblick auf die Eroberung Jerusalems. In allen vier Texten folgt die Rückkehr auf die Sammlung: 2,12; 4,6; 4,12b; 7,12. Es ist eine zusammengehörige Gruppe, deren Entstehung bis in die Zeit des Exils zurückgehen muß. Dazu kommen einige weitere Heilsworte mit dem Motiv BefreiungSammlung — Rückführung. Zaphanja

3,18b-20

19a 18b

„Siehe, ich mache ein Ende mit deinen Peinigern, ich nehme weg von dir die Schmach, schaffe weg von dir den Schimpf. 19b Zu jener Zeit rette ich, was hinkt und sammle, was verirrt ist. 20b Wenn ich euer Geschick wende vor euren Augen, spricht Jahwe." In der Mitte steht die Ankündigung der Rettung der Geschlagenen und daher zur Bewegung Unfähigen und zur Sammlung der Verirrten, 19b, also das zentrale Motiv dieser Gruppe, aber etwas abgewandelt. Dem geht voraus, 19a: Gott macht ein Ende mit Israels Peinigern. Ein besonderes Gewicht liegt auf der Ankündigung der Wiederherstellung der Ehre des Volkes, 18b.20a. Der Schluß 20b könnte auch die Einleitung sein: Jahwe kündigt die Wende des Geschickes seines Volkes an; auch dies eine Heilsankündigung aus der Exilszeit. Möglich ist, daß es eine besondere Gruppe dieser Heilsworte gab, deren Einleitung oder Schluß 20b war. Vgl. hierzu den Exkurs zu der Wendung süb sebüt (s. u. S. 200). Sacharja 8,7-8.14.15,

7a 7b.8a

vielleicht V. 4 - 6

Einleitung: „So spricht Jahwe Zebaoth" Ankündigung der Rettung aus dem Exil, der Sammlung und Rückführung 8b Wiederherstellung der heilen Gottesbeziehung (Bundesformel) 14—15 Rückblick auf den Abfall und das Gericht, Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk Hier folgte vielleicht 8,4—6: Segensverheißung.

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

85

Diese Heilsankündigung entspricht der Gruppe 1 der Heilsankündigung im Jesajabuch, mit der gleichen Motivfolge: Abfall des Volkes, Gericht Gottes, Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk, Rettung aus dem Exil, Sammlung und Rückführung, Wiederherstellung der heilen Gottesbeziehung und vielleicht abschließend mit Segensverheißung. Sacharja

9,11-12

12

„Auch du, fur deines Bundes Blut lasse ich deine Gefangenen frei aus der Grube, in der kein Wasser ist. Zu der Zeit, Tochter Zion, kehren zurück die Gefangenen, die hoffen. Für die Tage deiner Verbannung will ich dir doppelt Ersatz bieten."

Eine Heilsankündigung an die Gefangenen in Babylon. Sie gliedert sich in die Freilassung aus der Gefangenschaft, V. 11, „für deines Bundes Blut" bezieht sich wahrscheinlich auf die Bundschluß-Zeremonie und deutet die Wiederzuwendung Gottes an: „aus der Grube, in der kein Wasser ist" ist Psalmensprache. Wenn in dem kurzen Wort zwei gottesdienstliche Wendungen begegnen, deutet das auf den Ort dieses Wortes im Gottesdienst. Auf die Freilassung folgt die Rückkehr der Gefangenen; das Sammeln fehlt. Für das in der Gefangenschaft Erlittene erhalten sie doppelten Ersatz (Jes 40): Wiederherstellung. Sacharja

10,6b-7

6b

7

„Ich werde sie zurückfuhren, denn ich habe Erbarmen mit ihnen, und sie werden sein, als hätte ich sie nie verstoßen. Denn ich bin Jahwe, ihr Gott, und ich erhöre sie. Und Ephraim wird sein wie ein Held, und ihr Herz wird fröhlich vom Wein. Ihre Söhne werden es sehen und sich freuen, ihr Herz wird jubeln über Jahwe."

In diesem Wort ist die Wiederzuwendung Gottes betont: Er erbarmt sich ihrer, 6a, er ist ihr Gott und erhört ihre Klage, 6b. Weil er sich ihm im Erbarmen wieder zuwendet, fuhrt er sie zurück und stellt sie wieder her. Der Befreiungstat antwortet Freude und Lob der Befreiten; vgl. Deuterojesaja. Sacharja

10,8-12

Eine Heilsankündigung, die wieder deutlich in die Zeit des Exils weist. Die Folge der Vorgänge: Gott hat sie befreit; er ruft die Befreiten und

86

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

sammelt sie (8a); er bringt sie zurück aus Ägypten und Assur und bringt sie in die Heimat (10a). Sie durchschreiten Flüsse auf ihrem Weg (IIa). Um sie zu befreien, erweist sich Gott mächtig an seinem Volk, Assur und Ägypten werden gedemütigt. Er wird sie wiederherstellen, sie zahlreich machen (8b), der Raum reicht nicht aus (10b). Das Besondere an diesem Heilswort ist der Rückblick auf das Exil, V. 9. Er kann erst im Rückblick auf das Exil entstanden sein und setzt die Anerkennung der politischen Katastrophe als Gottes Gericht voraus: „Gott hat sie ausgesät unter die Völker", aber auf diese Saat soll eine Ernte folgen! Im Exil haben sie an dem Gott, der das Gericht über sie brachte, festgehalten: „aber sie vergaßen ihn nicht", die Gottesbeziehung bleibt heil. Deswegen kann nun auch gesagt werden: „Gott bringt sie zurück"; und diese Rückkehr erinnert an den Weg in das verheißene Land am Anfang ihrer Geschichte: „Sie durchschreiten die Flüsse auf ihrem Weg." Nur an dieser einen Stelle wird betont, daß es Familien sind, die aus dem Exil zurückkommen: „Sie kommen zurück mit den Kindern, die sie dort aufgezogen haben." Dabei denkt der Tradent daran, daß in den Kindern, denen das Leben in der Heimat gewährt wird, die Geschichte weitergeht von der ihnen ihre Eltern in der Fremde erzählt haben. Es ist ein fundamentaler Traditionsvorgang, der in diesem Rückblick impliziert ist. V. IIb. 12 ein Zusatz: eine zweiseitige Ankündigung. I I a wäre dann zwischen 10a und 10b zu lesen. Sacharja

2,10-17

10

11 12 13 14

15 16 17

„Auf, auf! Flieht aus dem Lande des Nordens, spricht Jahwe, (denn in die vier Winde habe ich euch zerstreut, spricht Jahwe) Auf, Zion! Rette dich, die du wohnst in Babel! Denn so spricht Jahwe Zebaoth über die Völker, die euch geplündert haben: Siehe, ich schwinge meine Hand über sie und sie sollen ihren Untertanen zur Beute werden. Juble und freue dich, Tochter Zion, denn siehe: Ich komme und werde in deiner Mitte wohnen, spricht Jahwe. Und es werden sich viele Völker an Jahwe anschließen an jenem Tag und sie werden ihm ein Volk sein. Jahwe wird J u d a als seinen Anteil im heiligen Land in Besitz nehmen und Jerusalem von neuem erwählen. Still! alles Fleisch vor Jahwe, denn er bricht auf aus seiner heiligen Wohnung."

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

87

Dieses Heilswort steht Deuterojesaja nahe: Eine Reihe von Imperativen mit Begründung, 10-11 fast wörtlich = Jes 48,20, auch der Ruf zur Freude (wie Zeph 3,14). Aber die Folge der Sätze ist unorganisch. Die Begründung des Rufes zur Flucht 10-11 ist bei Deuterojesaja 48,20b: „Losgekauft hat Jahwe ..." hier dagegen in 12f. eine Ankündigung der Vernichtung der Feinde Israels, die zu der Gruppe 2 gehören könnte. Die Ankündigung, die Jahwe zum Subjekt hat, 14b: „ich komme und werde in deiner Mitte wohnen", paßt hier nicht. Hierauf sollte wohl als Parallelsatz 17 folgen: „Still! alles Fleisch..." Dazwischen steht als ein isoliertes Motiv eine Folge des Anbruchs der Heilszeit: Viele Völker werden sich an Jahwe anschließen (vgl. hierzu S. 70), 15-16.

II. Wiederzuwendung Gottes, Wiederherstellung und Segen

Die folgenden Texte sind zweigliedrige Heilsworte, sie unterscheiden sich von den vorangehenden darin, daß Befreiung, Sammlung und Rückführung nicht mehr genannt werden. Der Ton liegt ganz auf der Wiederzuwendung Jahwes zu Israel. Dazu in deren Folge: Wiederherstellung und Segen. Hosea 2,1-3

la lbß 2a 2ba 2bß 3

Mehrungsverheißung, fortgesetzt in 2b die ursprüngliche Einleitung: Es wird geschehen ... Neuer Name = Wiederzuwendung Gottes, fortgesetzt in 3 Wiedervereinigung von J u d a und Israel Fortsetzung der Mehrungsverheißung (1 a) Wandlung des Unheilsnamens Jesreel in einen Heilsnamen Fortsetzung von 1 bß

Hosea 2,1—3 ist nur zu verstehen als ein später Heilszusatz zu 1,2—9. In ihm wird die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk verheißen. Dem Gerichtswort des Propheten Hosea wird in einer späteren, gewandelten Situation ein Heilswort zugesetzt: Die Unheilsnamen werden zu Heilsnamen gewandelt. Dieser Zusatz lautete ursprünglich so: Es wird geschehen: Statt daß man zu ihm s a g t . . . Söhne des lebendigen Gottes. Sagt zu eueren Brüdern: Mein Volk ... Begnadet! denn groß ist der Tag von Jesreel. Dieser in sich vollständige Zusatz mit dem einen Motiv: Wiederzuwendung Gottes ist dann zu einem zweigliedrigen Heilswort erweitert worden durch Anfügung zweier Motive der Wiederherstellung: Mehrung V. la.2b und Wiedervereinigung. Während das Motiv des ursprüngli-

88

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

chen Zusatzes unmittelbar aus der Verkündigung des Propheten Hosea erwachsen ist, h a b e n die beiden Erweiterungen mit der spezifischen Verkündigung Hoseas nichts zu tun. D u r c h sie wird aber der Zusatz zu einem zweigliedrigen Heilswort: W i e d e r z u w e n d u n g - W i e d e r h e r s t e l l u n g . Die jetzt vorliegende unorganische Folge der Sätze ist wahrscheinlich durch die A n f ü g u n g der Erweiterungen zu erklären. Hosea, 2,16-25 Hos 2,16-25 ist ein aus drei Teilen bestehendes, aber zweigliedriges Heilswort. 16-17 18-22

Ich will Israel wieder zu den Anfangen zurückfuhren. D a n n wird die Gottesbeziehung wieder heil werden. 18-19 Von Israel zu Gott 20-22 Von Gott zu Israel 23-24 Segensverheißung V. 25 wie 2,3

Hos 2,16-25 ist, anders als 2,1—3, eine sinnvoll und d u r c h d a c h t gegliederte Einheit. Auch wenn die drei Teile in V. 16.18.23 j e selbständige Einleitungen haben, sind sie d a d u r c h als zusammengehörig gekennzeichnet, d a ß jeweils a m A n f a n g der Teile nicht der N a m e , sondern das Pronomen steht: 16.18.20.25. Es ist ein zweigliedriges Heilswort, in dem der zweite Teil, die Wiederherstellung, in Schilderung der Heilszeit in der Form einer A n k ü n d i g u n g übergeht. D a d u r c h , d a ß Gott sich seinem Volk wiederzuwendet u n d es zu den Anfängen zurückführt (16-17), wird die E r n e u e r u n g der Gottesbeziehung ermöglicht (18-22), und zwar von Israel zu Gott (18-19) und von Gott zu Israel (20-22.25). Locker angefugt ist die Verheißung des Segens (20.23-25). Das Wort als ganzes schließt sich eng an die Gerichtsprophetie Hoseas an. V. 16—17 Gott wird Israel zu Herzen reden; vgl. J e s 40,2; er wird ihr die Weinberge zurückgeben (17), bezieht sich auf 2,11, das Entziehen der Weinberge. „Das Tal Akor z u m Tal der H o f f n u n g m a c h e n " , der N a m e weist auf vergangene Zerstörung ('äkar = zum tabu machen) wie , J e s r e e l " in 2,2. „Dort wird sie gefugig sein . . . " bezieht sich auf 10,11; „als sie aus d e m L a n d Ägypten auszogen" bezieht sich auf das bei Hosea häufige Kontrastmotiv: jetzt-früher; es ist ein Verweis auf Gottes frühere Heilstaten. V. 18-19 „und nicht m e h r mein Baal . . . " vgl. 2,4—15. 19 das häufige Motiv Tilgung des Götzendienstes in der Heilszeit. V. 20-22 Die Wechselseitigkeit des heilen Gottesverhältnisses wird hervorgehoben: der Bund 20a, die Ehe 2 1 - 2 2 , 2 5 a die U m b e n e n n u n g , 25b die Bundesformel. Das alles in engem Anschluß an die Gerichtsankündi-

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

89

gung Hoseas. 20-22.23-25 die Schilderung der Heilszeit umschließt den Segen: Der Bund wird auf die Kreatur ausgeweitet, in 20a die Tiere und 23-24 die Vegetation. Verheißen wird aber auch der Frieden zwischen Menschen V. 20b, das Austilgen der Festungen und der Waffen. Besonders hervorgehoben wird die Beständigkeit des kommenden Heils: „angetraut auf ewig" 21a, „sicher wohnen" 20b, „im Lande eingepflanzt" 25a. Wenn das Heilswort in 25 abschließt „mein Volk - mein Gott", kommt darin noch einmal zum Ausdruck, daß fur dieses Heilswort das Heilwerden der Gottesbeziehung das Entscheidende ist: Gott hat sich seinem Volk wieder zugewandt. Wenn in diesem für die Gruppe typischen Heilswort der Friede zwischen den Völkern, das Aufhören der Kriege verheißen wird wie in Jes 9 und 11 und 2, so entspricht dem, daß in der ganzen Gruppe der Heilsworte niemals von den Feinden gesprochen wird. Hosea

14,2-9

2b-3a

3b-4

5-8 5a

Ruf zur Umkehr zu Jahwe, 2b Rückblick: Israels Abfall. 3a „nehmet mit euch Worte" Schuldbekenntnis und Versprechen, statt Opfergaben. Volksklage, 3b Schuldbekenntnis, Bitte, Lobgelübde, 4 Versprechen der Umkehr: Assur nicht mehr, Götzen nicht mehr Die Gottesantwort Zuwendung Gottes: „Ich will ihren Abfall heilen, in freier Gnade sie lieben, 5b denn mein Zorn hat sich von ihnen abgewandt. 8a Sie sollen zurückkehren und in meinem Schatten wohnen, 8b Getreide bauen und den Weinstock pflegen ... 9a Ephraim hat mit den Götzen nichts mehr zu tun. 9b Ich allein habe es gehört und angesehen (wie 5). 6 Ich will für Israel wie der Tau sein, es soll blühen wie ... 7 Seine Schößlinge sollen sich ausbreiten ... 9b Ich bin eine grünende Zypresse, von mir kommt deine Frucht."

Das Heilswort umfaßt V. 5-9; durch den Eingang 2-4 ist es als Gottesantwort auf eine Klage des Volkes gestaltet (3b-4), zu der 2-3a aufruft. Dieser Eingang deutet zugleich die Vorgeschichte an: Der Abfall des Volkes 2b, Gottes Gericht über das Volk 5b, die Klage des Volkes aus seiner Not mit der Bitte um Vergebung und Hilfe 3b-4. Die eigentliche Wende ist in diesem Heilswort die Wiederzuwendung Gottes 5ab, dadurch betont, daß sie am Ende 9b noch einmal wiederholt wird. Durch die in der Klage angedeutete Vorgeschichte wird deutlich, daß die gleiche Geschehensfolge gemeint ist wie bei den Heilsworten der

90

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

ersten Gruppe (Mit dem „Straucheln" (käsal) kann nur der Zusammenbruch 587 gemeint sein), nur daß die Befreiungstat Gottes gewissermaßen zurückgeholt ist in die Wiederzuwendung Gottes, aus der sie erwuchs. Auf die Zuwendung Gottes folgt in 8a und b: „Sie sollen zurückkehren und in meinem Schatten wohnen, Getreide bauen und den Weinstock pflegen." Dazu tritt in 9a unvermittelt das Motiv Ende des Götzendienstes. Davon deutlich abzuheben ist die Segensverheißung in 6-7.9b, die eine ganz andere Sprache spricht, weil sie anderen Ursprungs ist. Die Folge der Motive Wiederzuwendung Gottes-Wiederherstellung-Segensverheißung begegnet in diesen Heilsworten mehrfach. Arnos 9,11-12 (V. 12a ist Z u s a t z )

11

„An jenem Tag werde ich die zerfallene Hütte Davids wieder aufrichten und ihre Risse zumauern und ihre Trümmer wiederherstellen und sie aufbauen wie in den Tagen der Vorzeit; 12a (daß sie in Besitz nehmen den Rest von Edom und die übrigen Völker, über die mein Name genannt ist) 12b Jahwe hat es gesagt und wird es ausführen." V. 11 und 12 bilden eine in sich geschlossene Einheit, in 11 eingeleitet: „An jenem Tag", in 12 abgeschlossen:, J a h w e hat es gesagt." Insofern ist Am 9,11-12 ein gutes Beispiel dafür, daß solche an Gerichtsworte angefügten Heilsworte sehr kurz, aber doch in dieser Kürze selbständige Einheiten sein können. Dazu zeigt 12a, daß auch so kurze Einheiten, die selbst Zusätze sind, wieder Zusätze erhalten können. Es ist ein Heilswort, das die Wiederherstellung eines Zerfallenen ankündigt. Es kündigt ein zukünftiges Handeln Gottes an, dieses bewirkt die Wiederherstellung des zerstörten Jerusalem, ausgedrückt in einem Vergleich. Damit aber spricht das Heilswort von zwei Ereignissen, zwischen denen ein Zusammenhang besteht: das „Zerfallen der Hütte Davids" und dem Wiederaufbau. Dem jetzt angekündigten Wiederaufbau geht die Zerstörung Jerusalems voraus: zwei Punkte auf einer Linie der Geschichte Israels, die eine Geschichte Gottes mit seinem Volk ist. Daß dieser Aufbau kommen wird, bestätigt der letzte Satz:, J a h w e hat es gesagt und wird es ausführen." Zu dem besonderen Gewicht der Einleitung in diesem Zusammenhang s. S. 60, 116, zu dem Zusatz V. 12a s. S. 158. Arnos 9,13-15

13

„Siehe, es kommen Tage, spricht Jahwe, da folgt dem Pflügenden der Schnitter und der die Kelter tritt, dem Säemann.

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

14

15

91

Da träufeln die Berge von Most und alle Hügel fließen über. Da wende ich das Geschick meines Volkes Israel; und sie werden die zerstörten Städte wieder aufbauen und darin wohnen, und Weinberge pflanzen und ihren Wein trinken und Gärten anlegen und deren Frucht essen. Und ich pflanze sie ein in ihren Boden und sie sollen nicht mehr ausgerissen werden aus dem Boden, den ich ihnen gegeben habe, spricht Jahwe, dein Gott."

Auch Am 9,13-15 ist eine in sich abgeschlossene Einheit, mit dem einleitenden: „spricht Jahwe" und abschließenden: „spricht Jahwe, dein Gott." Es ist gegliedert in eine Segensschilderung 13b, die Ankündigung der Heilswende 14a, die den Wiederaufbau der Städte, das Pflanzen von Weinbergen und Anlegen von Gärten ermöglicht 14b. Diesen angekündigten Vorgängen wird jeweils die zuständliche Folge zugefügt: „und darin wohnen ... ihren Wein trinken ... deren Frucht essen." Diese Sätze zeigen, wie das Wiederherstellen auf das Gesegnetsein zielt. Den Beschluß bildet die Verheißung des Bleibens in einem Vergleich, der an V. 14 anschließt: „Und ich pflanze sie ein in ihren Boden"; vgl. Ps 80,9. Sie wird verstärkt durch das Versprechen, daß sie nicht mehr ausgerissen werden sollen aus dem Boden, den Gott ihnen gegeben hat. Die Heilsankündigung erinnert an die Landverheißung am Anfang und an das Exil als Gottes Gericht; vgl. Jer 1,7. Das Wort 9,13-15 kündigt ebenso wie V. 11-12 den Wiederaufbau (14) an, es verheißt aber darüber hinaus das Bleiben, nicht nur in 15, sondern auch in 14. So zeigt dieses Wort beispielhaft, wie die Ankündigung eines Ereignisses (Wiederaufbau) nahtlos übergeht in die Ankündigung eines Stetigen, des Bleibens, eines Heilszustandes, die dann eine eigene Gruppe von Heilsworten bildet. Dagegen ist die Segensschilderung V. 13 der Heilsankündigung ursprünglich nicht zugehörig, auch wenn sie vielfach mit ihr verbunden wurde. Hier erkennt man es einmal daran, daß von Feld und Weinberg und ihren Früchten in 13 anders gesprochen wird als in 14b; in 14b als dem das heile Leben Ermöglichenden, in 13 als der Überfülle und dem Uberfluß (vgl. die Sehersprüche in Num 22-24 und Gen 49,11 f.25f.). Man erkennt es aber auch daran, daß die Segensschilderung in 13 unorganisch vorgefugt ist und 14 besser an die Einleitung 13a anschlösse.

92 Hosea

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

11,8-9

8

9

„Wie könnte ich von dir lassen, Ephraim, dich preisgeben, Israel! Wie könnte ich dich preisgeben wie Adma, dich machen wie Zeboim! Mein Herz kehrt sich um in mir, all mein Mitleid ist entbrannt. Ich will meinem glühenden Zorn nicht Raum geben, will Ephraim nicht wieder verderben. Denn Gott bin ich und nicht Mensch, heilig in deiner Mitte."

Das Wort ist ein Zusatz, bestehend aus dem einen Motiv der Wiederzuwendung Gottes, seines Entschlusses, Ephraim (Israel) nicht noch einmal ('äsüb) zu vernichten, insofern eine Ankündigung des Verschonens; vgl. Am 9,8b-9. Die Begründung ist das Erbarmen Gottes mit seinem Volk. Das Wort klingt an Ps 103 an. Auch in diesem Psalm wird gesagt, daß Gott zürnen und richten muß, 9a; aber er verharrt nicht ewig darin, 9b. Dieses Ubergewicht des Erbarmens läßt sich nicht begründen, es gehört zum Gottsein Gottes. Sacharja

1,(12)14-17

12

13 14b 15 16

17

,Jahwe Zebaoth, wie lange willst du dein Erbarmen zurückhalten gegenüber Jerusalem und den Städten Judas, denen du schon siebzig Jahre zürnst? Und Jahwe antwortete dem Engel ... mit gütigen, tröstenden Worten ... So spricht Jahwe: Ich bin entflammt von mächtigem Eifer für Jerusalem und Zion, und ich brenne vor Zorn gegen die übermütigen Völker, die... Darum, so spricht Jahwe: Ich wende michjerusalem erbarmungsvoll zu. Mein Haus soll darin wieder aufgebaut werden, spricht Jahwe, und die Maßschnur soll über Jerusalem ausgespannt werden. Verkündige weiter und sprich: So spricht Jahwe Zebaoth: Fortan sollen überströmen meine Städte von Glück. Und Jahwe wird sich Zions erbarmen und Jerusalem von neuem erwählen."

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

93

Diese Heilsankündigung ist mit der ersten Vision 1,7-13 verbunden. Durch diese wird sie als Ankündigung der Rettung aus einer Not bestimmt. Die Vision von den vier Pferden endet mit einer Klage des Volkes V. 12, durch den Engel vor Gott gebracht. Die Zahl: „schon siebzig J a h r e " gibt der Klage ihren O r t in der Zeit des babylonischen Exils. Die Antwort Gottes: „mit gütigen, tröstenden Worten" weist aufJ e s 4 0 , 1 - 1 1 , das Heilswort als ganzes steht Deuterojesaja nahe. Durch das Perfekt in 14b ist es einer Heilszusage ähnlich: Gottes Zorn über sein Volk hat sich gewendet. Das Exil wird als Gottes Gericht verstanden. Seine Wiederzuwendung zu seinem Volk ist besonders betont: 13.14b. 16a. 17b (hier futurisch). Sein Zorn richtet sich gegen die Unterdrücker Israels 15. Der futurische Teil 16b kündigt den Wiederaufbau des Tempels und der Stadt Jerusalem an. Dieser Verheißung der Wiederherstellung folgt, durch eine neue Einleitung abgesetzt, in 17a eine kurze Segensverheißung. 17b wiederholt noch einmal, wahrscheinlich begründet durch die Zufugung von 17a, die Zuwendung Gottes. Nahum 1,9.12-13;

2,1-3

Der Text ist gestört und die Reihenfolge der Verse fraglich. 1,9 ist eine die Müden und Zweifelnden anredende Frage (wie J e s 40,28). 12a 12b 13 2,1a lb 3a 3b

Die Feinde werden doch vernichtet werden Rückblick auf das Gericht. Gott kündigt dessen Ende an Ankündigung der Befreiung (Joch, Fesseln) R u f zur Freude der Feind wird dich nicht mehr durchziehen, er ist vernichtet J a h w e stellt Israels Pracht wieder her, die zerstört war (aus der vorangehenden Volksklage).

Sieht man von der Frage der ursprünglichen Folge der Sätze in Nah 1 - 2 ab, steht fest, daß in den Versen 1,9.12-14; 2 , 1 - 3 Teile eines Heilswortes in der Folge der wesentlichen Motive vorliegen. 1,9 nimmt Bezug auf V. 8, mit dem der alphabetische Psalm abbricht. Er verheißt das Eingreifen Gottes für sein Volk, von dem der Psalm in der Epiphanie spricht, für die nahe Zukunft. Dann ist V. 9 eine an die Zweifelnden gerichtete aufmunternde Frage wie J e s 40,28 in der gleichen Situation. Die dabei vorausgesetzte Klage des Volkes klingt in 2,3b an. 1,12 bezieht sich auf die Feindklage. 1,12-13: In der Mitte des Heilswortes steht die Ankündigung der Befreiung 12b. 13, wobei diese mit der Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk nach dem Gericht begründet wird: „Ich habe dich gedemütigt, doch will ich dich nicht weiter demütigen." Die so angekündigte Befrei-

94

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

ung beruht auf der Vergebung (Dtjes). Das hier gebrauchte Verb 'innah begegnet nur in exilischen und nachexilischen Texten. Ähnlich Klgl 3,3133. 2,1-3: Der Ruf zur Freude am Anfang ist fast gleich Jes 52,7a; der Aufruf zur Festfreude steht Jes 52,1b nahe. Eine solche Nähe kann nur ein beabsichtigtes Einstimmen in die Freudenbotschaft Deuterojesajas meinen. Die Begründung ist hier die Ankündigung des Wiederherstellens, wie in 12-13, zweiseitig im Blick auf die Feinde: Jetzt ist Israel vor ihm sicher! - und im Blick auf Israel: Jahwe stellt die alte Herrlichkeit Israels wieder her. Die beiden Teile 12-13 und 2,1-3 sind so deutlich aufeinander bezogen, daß das Zusammengehören dadurch bestätigt wird: 1,12-13 Wiederzuwendung und Befreiung 12a die Feinde - 12b Israel 2,1-3 Wiederzuwendung und Wiederherstellung 1 b die Feinde - 3a Israel Zephanja

3,14-18a

14 15 16-18a

Aufruf zur Freude an Israel Begründung: Wiederzuwendung und Befreiung, Jahwe ist König Wiederzuwendung Gottes: Jahwe ist in deiner Nähe, freut sich an dir.

14—15 und 16-18a gehören nahe zusammen durch die Imperative in 14 und 16. Der Ruf zur Freude ist auch bei Deuterojesaja mit dem Ruf „Fürchte dich nicht!" verbunden. Zeph 3,14— 18a entspricht den vorausgehenden Lobliedern bei Deuterojesaja; auch die Begründung des Rufes entspricht der bei Deuterojesaja: Die Strafe ist aufgehoben, Gott hat sich seinem Volk wieder zugewandt. Sach 8,5-13: Der vergangenen Zeit 10 wird die bevorstehende entgegengesetzt. Gott wendet sich seinem Volk wieder zu 11 und schenkt ihm Gaben des Segens 12. Israel wird ein Segen und wieder unter den Völkern geachtet.

III. Ausweitung

eines Motivs

zu einem

Heilswort

Die folgende Gruppe unterscheidet sich von den vorangehenden dadurch, daß in ihnen jeweils ein einzelnes Motiv zu einer selbständigen Heilsankündigung ausgebaut wird. Es handelt sich in beiden um Motive, die als Glied eines Heilswortes der Gruppe 1 begegnen. Es sind also Weiterbildungen, die das Bestehen der Heilsankündigungen der Gruppe 1 schon voraussetzen. Von diesen unterscheiden sie sich auch dadurch,

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

95

daß nur in ihnen apokalyptische oder den apokalyptischen nahekommende Züge begegnen. Aus der traditionellen christlichen Sicht wurde die Bedeutung der sogenannten „messianischen Weissagungen" stark überhöht. Daß sich bei vielen daran bis zur Gegenwart kaum etwas geändert hat, zeigt die Arbeit von W. Werner, „Eschatologische Texte in J e s 1 - 3 9 " 1982, in der das Kapitel „Die messianischen Weissagungen" den breitesten Raum einnimmt. In Wirklichkeit ist die Verheißung des Heilskönigs unter den Heilsworten der Prophetenbücher eine kleine Gruppe, die als eine spätere Weiterbildung nur vom Ganzen der Heilsworte her in ihrer Bedeutung und in ihrem Stellenwert bestimmt werden kann. Verheißung eines Heilskönigs In der Heilsankündigung Mi 4,6-8 (s.o.S. 83) ist der abschließende Vers * ^ „Du aber, Herdenturm, Ophel der Tochter Zion, an dich wird gelangen, an dich wird kommen die frühere Herrschaft, das Königtum der Tochter Jerusalems." Mi 4 , 6 - 8 ist ein Heilswort der Gruppe, in der addierend und beliebig einzelne Züge der Wiederherstellung genannt werden können. Hier ist es die Wiederherstellung des davidischen Königtums in Jerusalem, die angekündigt wird. Diese Ankündigung wird in zwei Texten auf ganz verschiedene Weise zu einer selbständigen Heilsankündigung ausgebaut, in der einen mittels der alten David-Tradition, in der anderen durch das alte Motiv des Königtums: Mi 5,1-3(5) 1

2

3

„Du aber, Beth Ephrat (Bethlehem), zwar das kleinste unter Judas Geschlechtern, aus dir jedoch soll mir hervorgehen, der Herrscher sein soll über Israel. Sein Ursprung geht zurück in die Vorzeit, in längst vergangene Tage. Darum wird er sie hingeben bis zu der Zeit, da die Gebärende gebiert und der Rest seiner Brüder zurückkehrt zu den Söhnen Israels. Und er tritt auf und weidet in der Kraft Jahwes, in der Hoheit des Namens seines Gottes, und sie werden wohnen . . . V. 4a und das wird Frieden sein, denn dann wird er groß sein bis an die Enden der Erde.

96

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

4

5a 5b

(Wenn Assur eindringt in unser L a n d und wenn es unser Gebiet betritt, d a n n stellen wir ihm sieben H i r t e n entgegen und acht Volksfürsten, die werden das L a n d Assur mit dem Schwert weiden und das L a n d Nimrods mit der Klinge.) U n d er errettet vor Assur, wenn es in unser L a n d k o m m t und . . . unser Gebiet betritt."

Die Königsverheißung geht bis auf den Seherspruch zurück, N u m 24,16-17, (hier schon die gleiche Struktur: Herkunft-Auftreten-Wirken) und geht d a n n in die David-Tradition ein. H e r k u n f t (V. 1), Auftreten und Wirken des Heilskönigs (V. 3) werden geschildert, A n k ü n d i g u n g und Schilderung lassen sich hier nicht trennen, er wird in einer u n b e s t i m m t e n Z u k u n f t auftreten. V. 1: In 1 ist nicht J a h w e der Redende (entsprechend dem Seherwort): „Du aber, Beth E p h r a t . . . " ist eine rhetorische Anrede an einen O r t , die eine Aussage über diesen O r t umschreibt, wie das oft im A T begegnet. Der O r t der H e r k u n f t des Königs ist wichtig: Er k o m m t aus einem kleinen Geschlecht, wie Saul und David. Aber es ist ein Königsgeschlecht u n d geht bis auf die Urzeit zurück. Der U r s p r u n g aber liegt jenseits der Dynastie, die im Z u s a m m e n b r u c h untergegangen ist (wie J e s 11,1). V. 2: Der Zusatz 2 ist für die Geschichte der Heilsworte bemerkenswert. I n der Verheißung eines Heilskönigs bleibt die Zeit seines Auftretens offen, wie im Seherwort N u m 24,16-17. Das will der Zusatz V. 2 korrigieren, und zwar mit dem strengen Bezug auf die Geschichte, der die Heilsworte der G r u p p e 1 bestimmt. So trägt er nach: Die G e b u r t des Königs kann erst nach dem Gericht Gottes über sein Volk und der Rückkehr des Restes erfolgen. Der Zusatz bildet eine K l a m m e r . - V . 3.5b: 3a schließt an l b an. Seine H e r k u n f t - sein Auftreten. Er ü b t seine Herrschaft aus („weiden" n a c h der alten Bezeichnung des Königs als Hirten) „in der K r a f t J a h w e s " , an die charismatischen F ü h r e r erinnernd, im Gegensatz zu den Königen vor dem Exil, die Gott ungehorsam waren. I n 3b ist der Text gestört. Jedenfalls ist gemeint: Die Herrschaft dieses Königs wird Sicherheit und Frieden schaffen. Wie in den Königspsalmen gehört zum K ö n i g t u m G r ö ß e und Weltherrschaft (vgl. Sach 9,10). Er ist der Retterkönig, er rettet vor „Assur", d e m Feind aus d e m Norden, V. 5b. - V. 4.5a ist ein ganz anderer Zusatz; im Gegensatz zu der Königsverheiß u n g kündigt er die Vernichtung der Feinde an. Es gehört zu der zweiseitigen A n k ü n d i g u n g der G r u p p e 2. Eine andere A u s p r ä g u n g der Königsverheißung ist Sach 9,9-10. 9

, J u b l e laut, Tochter Zion, j a u c h z e Tochter J e r u s a l e m ! Siehe: dein König k o m m t zu dir, gerecht u n d ein Retter ist er.

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

10

97

Demütig ist er und reitet auf einem Esel, auf dem Füllen einer Eselin. Er schafft die Streitwagen fort aus Ephraim und die Streitrosse aus Jerusalem, es werden abgeschafft die Kampfbogen. Er gebietet Frieden den Völkern und seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer, vom Strom bis zu den Enden der Erde."

Diese Königsverheißung ist als Ankündigung des Einzugs eines Königs gestaltet, nach einer Fülle von Vorbildern, am nächsten liegt Jes 52,9f.; 40,1-11. In der Schilderung der Herrschaft dieses Königs steht das Wort Jes 9,1-6 und 11,1-9 nahe. Er ist ein Friedenskönig; das ist hier deutlicher und ausgeprägter gesagt als in Mi 5,1-5. Er schafft Waffen und Streitwagen ab. Das Amt des Königs ist grundlegend gewandelt. Das Wort kündigt einer Mehrheit (besonders Haggai-Sacharja) entgegen, die von einem zukünftigen König Erneuerung der Macht und Größe Israels und den Sieg über seine Feinde erwartet, das Gegenteil an: Er wird ein Friedenskönig sein. Eine andere Ausweitung eines Motivs der Heilsworte der Gruppe 1 betrifft die Völker: Sack

2,10-17

15

„Und es werden sich viele Völker an Jahwe anschließen an jenem Tag, und sie werden ihm zum Volk sein"

Zeph 3,9-10 Zusatz am Abschluß einer Sammlung von Völkersprüchen 9

10

„Alsdann will ich den Völkern reine Lippen schaffen, daß sie alle den Namen Jahwes anrufen und ihm alle im selben Joch dienen. Von jenseits der Ströme ... werden meine Anbeter mir Opfergaben bringen."

Micha 4,1-4(5) (dazu ist die Auslegung Jes 2,2-5 zu vergleichen) 1 b-2 Völkerwallfahrt zum Zion 3-4 Verheißung dauernden Friedens, 4b Schluß , J a h w e hat es gesagt" 5 „Alle Völker wandeln ein jedes im Namen seines Gottes, wir aber wandeln im Namen Jahwes, unseres Gottes, immer und ewig." Dazu Sach 8,20-23. Wie diese Erweiterung erfolgte, läßt sich klar erkennen: Wenn es Mi 7,12 heißt: „da kommen sie zu dir von ..." oder Zeph 3,10: „von ...

98

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

werden meine Anbeter mir Opfergaben bringen", dann ist mit diesen Sätzen die Vorstellung einer Prozession schon gegeben. In Mi 4,1-4 geschieht nichts weiter, als daß die Linien einer Prozession zum Zion ausgezogen werden; vgl. Ps 122. Damit ergab sich auch eine Folge von selbst: Wenn alle Völker auf das vom Zion ausgehende Gotteswort hören, können sie in Frieden miteinander leben; die Kriege hören auf. Nun geht aber das Ausziehen der Linie zu einer Wallfahrt aller Völker zum Zion, wobei der Zion über alle Berge erhöht, der Kosmos also gewandelt wird, über die Bedingungen der gegenwärtigen Wirklichkeit hinaus, das Wort kommt apokalyptischem Reden nahe. Der Kreis der Menschen, aus dem Jes 2 = Mi 4 entstand, wird eine nur kleine Oppositionsgruppe gewesen sein. Sie hatte ein besonderes Interesse am Gottesdienst, gehörte aber nicht einer Priestergruppe an, weil für die Priesterschaft die Sonderung des Kultortes und der Kulthandlung lebenswichtig war. Heiden durften den Tempel nicht betreten. Daß es ein Kreis von Laien war, zeigt auch ein Zusammenhang mit den Psalmen, in denen „Völker und Könige" zum Lob gerufen werden. Eine Verwirklichung dieses Rufes zum Lob an die Völker konnte nur die Heilszukunft bringen. Man kann vermuten, daß es Kreise von Tempelsängern waren, von denen diese Heilsworte stammen. Daß dieses Wort aus einer Oppositionsgruppe kam, zeigt der 5. Vers, eine bewußt korrigierende Glosse eines, dem dieser Universalismus als gefahrlich erschien. Es ist der gleiche Universalismus, der einen anderen Ausdruck erhält in Mi 5,6: „Und der Rest Jakobs wird sein inmitten vieler Völker wie der Tau von Jahwe, wie Regentropfen auf dem Gras, die nicht auf Menschen hoffen und ihre Erwartungen nicht auf Menschen setzen". Er hat eine weitere Ausführung erhalteninjes 19,19-25 (s.o.S. 72). In einem geradezu grotesken Widerspruch zu dieser universalen Offenheit für die Völker steht Sach 14,16-19, wo angekündigt wird, daß die Übriggebliebenen der Völker in Jerusalem am Laubhüttenfest teilnehmen werden, daß dies aber unter Zwang geschieht; wer nicht teilnimmt, wird bestraft. Das Wort gehört in die Gruppe 2. Zu den Erweiterungen eines Motivs zu einem Heilswort kann man, wenn es sich nicht um ein Fragment handelt, auch rechnen Sach 13,1-2 mit dem Anhang V. 3-6. Sach 13,1-2 verbindet das Motiv der Sündenvergebung V. 1 mit dem des Abtuns des Götzendienstes und der falschen Propheten V. 2. Daran ist in V. 3-6 eine eigenartige Schilderung des Zuschandenwerdens der falschen Propheten gefügt: Sach

13,1-2(3-6)

1

„An jenem Tag wird ein Quell sich öffnen für ... gegen Sünde und Befleckung

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

2

99

. . . da werde ich ausrotten die Namen der Götzen aus dem Lande . . . auch die Propheten und den Geist der Unreinheit werde ich fortschaffen aus dem Lande . . . "

Ebenfalls zu den Erweiterungen eines Motivs kann man die Ankündigung eines zu einer Sonderung fuhrenden Läuterungsgerichtes in Sach 13,8-9 rechnen: 8

9

„Es wird geschehen im ganzen Land, spricht J a h w e : Zwei Drittel darin sollen ausgerottet werden und nur ein Drittel soll darin übrigbleiben. Und dieses Drittel bringe ich ins Feuer und läutere sie, wie man Silber läutert, und prüfe sie wie man Gold prüft. Dieser wird meinen Namen anrufen, und ich werde ihn erhören. Ich werde sagen: Das ist mein Volk! und er wird sagen: J a h w e ist mein G o t t . "

Dieses Wort steht in einer eigentümlichen Mitte zwischen dem Motiv der Wiederherstellung der heilen Gottesbeziehung und dem der Sonderung der Frommen von den Frevlern. Wie und wodurch die Sonderung bzw. Die Ausrottung der Frevler vor sich gehen soll, wird nicht gesagt. Ähnlich ist Am 9,8b-10 8b 9

10

, J e d o c h will ich das Haus J a k o b nicht ganz vertilgen, spricht J a h w e . Denn siehe: Ich gebe Befehl, und schüttle das Haus Israel unter die Völker wie man schüttelt mit dem Sieb, daß kein Stein zur Erde falle. Durch das Schwert sollen fallen alle Sünder meines Volkes, die gesagt haben: Uns trifft es nicht; bis zu uns kommt das Unheil nicht."

Am 9 , 8 b - 1 0 ist eine korrigierende Ergänzung zu dem Amoswort 9 , 7 - 8 , das mit dem Satz endet: „Ich will es (Israel) vom Erdboden vertilgen." Diesen Satz grenzt ein späterer ein: nicht das ganze Israel, nur die Sünder. Das ist ein Heilswort nur im Sinn einer Eingrenzung der prophetischen Gerichtsankündigung. Auf diese ist es bezogen; Sünder sind diejenigen, die die prophetische Gerichtsbotschaft nicht beachtet haben. Darüber hinaus kündigt sich hier schon die Scheidung in Gerechte und Frevler an.

100

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Anhang: Die Juda-Glossen

im Buch Hosea

Heilsworte an Juda, an Gerichtsworte für Israel gefugt: Hos 1,7

„Aber des Hauses J u d a will ich mich erbarmen, und ich will sie erretten durch Jahwe, ihren Gott; aber nicht werde ich sie erretten durch Bogen, Schwert und Krieg, durch Roß mit Reiter." Der Satz folgt auf ein Gerichtswort gegen Israel, Hos 1,2-6. Er kündigt im Gegensatz zu diesem die Rettung Judas, aus dem Erbarmen Jahwes erwachsend, an. Der Kontext dieser Ankündigung ist der Gegensatz zu Hos 1,2-6. Sie will sagen, daß das in 1,2-6 angekündigte Gericht auf Nordisrael beschränkt, daß J u d a von ihm nicht betroffen sein soll. Wenn in ungeschickter Sprache (V. 7a redet von Jahwe in 1. und 3. pers) die Rettung durch Gott der Hilfe durch Waffengewalt entgegengesetzt wird, weist das in die Zeit der sonstigen Ankündigungen des Endes der Kriege. Weitere Juda-Glossen sind: Hos 4,15; 6,11; 12,1b; diese drei Stellen sind im Text so verderbt und so unsicher, daß man nur sagen kann, es sind auch Juda-Glossen und sie haben die gleiche oder eine ähnliche Absicht wie Hos 1,7. Der Zustand der Texte bestätigt, daß es Glossen sind, die am Rande standen und dann in den laufenden Text eingefügt wurden. Hos 1,7 reicht aus, Sinn und Absicht dieser Juda-Glossen zu zeigen. Daß sie an Gerichtsworte über Nordisrael gefugt wurden, ist ein sicherer Beweis dafür, daß im Verlauf des Tradierens der vorexilischen prophetischen Gerichtsworte in einer gewandelten Situation Heilsworte an sie gefügt wurden. In diesem Fall zeigen die Texte noch, daß die Prophetenworte Hoseas in J u d ä a tradiert wurden und dort die Heilsworte hinzukamen. IV. Motive der Heilsworte Die Motive der eingliedrigen Ankündigung der Befreiung sind von denen der zweigliedrigen Ankündigung der Wiederzuwendung Gottes und Wiederherstellung zu unterscheiden. A. Motive der Ankündigung

der Befreiung

Rückblick auf Gottes früheres Heilshandeln: Nur selten blicken die Texte auf Gottes früheres Heilshandeln ausdrücklich zurück, so wie im Hoseabuch im Anschluß an die häufigen Geschichtsrückblicke des Propheten Hosea, in 2,16-25; V. 17b: „Wie in den Tagen ihrer Jugend, als ... aus Ägypten auszog." Mehrfach wird auf die früheren Heilstaten angespielt, so in Arnos 9,11-12: „... und sie aufbauen wie in den Tagen der Vorzeit." Bezeichnend ist, daß in einem Text, der den zukünftigen Heilszustand schildert, Am 9,13-15, V. 15 auf die Gabe des Landes anspielt: „... in ihren Boden,

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

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d e n ich ihnen gegeben h a b e . " Wichtiger aber ist, d a ß d a s M o t i v W i e d e r z u w e n d u n g Gottes zu seinem Volk als solches Heilstaten Gottes voraussetzt. Der Abfall und das Gericht Gottes: D e r Abfall Israels von seinem G o t t u n d Gottes G e r i c h t ü b e r sein Volk sind Voraussetzung d e r A n k ü n d i g u n g der Befreiung. Sie w e r d e n m e h r f a c h g e n a n n t oder es wird auf sie angespielt. H o s 14,2: „ K e h r e u m zu J a h w e , d e i n e m G o t t , d e n n d u r c h deine Schuld bist d u gestrauchelt (käsal)." D a s wird in d e m S c h u l d b e k e n n t n i s V. 4 entfaltet. N a h 1,12b: „ I c h h a b e dich g e d e m ü t i g t . . . " , d a z u 2,3b. Sach 2,10b: „ d e n n in die vier W i n d e h a b e ich euch zerstreut"; M i 4,6b: „ u n d die, d e n e n ich Böses getan h a b e " ; Sach 1,12: „ . . . d e n e n d u n u n schon 70 J a h r e z ü r n s t " , d a z u M i 7,9. Auf d a s G e r i c h t Gottes wird in A m 9,11-12 angespielt: „die zerfallene H ü t t e D a v i d s " u n d A m 9,15, a u c h in H o s 11,8-9. I n M i 4 , 9 - 1 0 wird in d e n W o r t e n einer Volksklage lebhaft a n d e n Fall J e r u s a l e m s erinnert. Die Klage: Die K l a g e als solche ist kein Bestandteil d e r Heilsworte. A b e r sie bzw. ihre Motive begegnen so häufig in d e n Texten, d a ß zwischen beiden ein Z u s a m m e n h a n g bestehen m u ß . I n allen Texten von Heilsworten, in d e n e n K l a g e m o t i v e begegnen, ist das Heilswort, also die A n k ü n d i g u n g d e r R e t t u n g oder d e r W i e d e r z u w e n d u n g Gottes A n t w o r t a u f die K l a g e . D a s entspricht d e m T a t b e s t a n d , d a ß P r o p h e t e n m e h r fach die G o t t e s a n t w o r t auf eine Volksklage vermitteln (Arnos, J e r e m i a ) . J o e l 1 - 2 : D a s Buch J o e l beginnt als eine Volksklage. Auf sie folgen die beiden G o t t e s a n t w o r t e n 2 , 1 8 - 2 0 u n d 2,21-27. A u c h d a s Buch H a b a k u k beginnt mit einer Volksklage. I n Sach 1,12-17 bringt d e r Engel stellvertretend die K l a g e des Volkes vor Gott 1,12-13, d a r a u f folgt die tröstliche A n t w o r t Gottes 1,14b—17: G o t t w e n d e t sich seinem Volk wieder zu. I n H o s 14,1-8 leitet d e r Ruf, zu G o t t z u r ü c k z u k e h r e n V. l - 2 a eine Volksklage ein, die in V. 2 b - 3 a n g e d e u t e t ist. Es folgt die G o t t e s a n t w o r t V. 4—8. N a h 1,2-8 ist ein P s a l m f r a g m e n t , V. 3b n i m m t einen Satz d e r Volksklage auf. I n M i 4,9-11 wird in einem Rückblick auf die K l a g e n a c h d e r E r o b e r u n g J e r u s a l e m s angespielt. A n m e h r e r e n Stellen bezieht sich d a s Heilswort auf die E r h ö r u n g s z u s a g e Gottes: Sach 10,6b; H o s 14,9; Z e p h 3,17; M i 7,7. Aus diesem T a t b e s t a n d ergibt sich: Die Heilsworte d e r exilisch-nachexilischen Zeit u n d die Volksklage des „ R e s t e s " g e h ö r e n n a h e z u s a m m e n . Dieser N ä h e z u r K l a g e e n t s p r i c h t es, d a ß oft a u c h die A n t w o r t , d a s Heilswort, a n die gottesdienstliche S p r a c h e angeglichen wird. Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk (Vergebung): Auf den ersten Blick lallt auf, d a ß dieses M o t i v bei d e n Heilsworten im Buch H o s e a a m häufigsten v o r k o m m t u n d a m reichsten entwickelt ist. Sicher ist d a s d a r a u f z u r ü c k z u f ü h r e n , d a ß es in d e r V e r k ü n d i g u n g des P r o p h e t e n H o s e a aus d e m 8. J a h r h u n d e r t eine so b e s t i m m e n d e B e d e u t u n g h a t t e , ein Zeichen d a f ü r , wie eng die exilisch-nachexilischen Heilsworte z . T . a n die ihnen vorliegenden P r o p h e t e n w o r t e angeglichen sind: H o s 1,7: „ a b e r des H a u s e s J u d a will ich m i c h e r b a r m e n " , d a z u H o s 2,1-3; 2,16-25; 11,8-9: „Wie k ö n n t e ich von dir lassen, E p h r a i m , dich preisgeben, I s r a e l . . . ! M e i n H e r z kehrt sich u m in mir, all m e i n Mitleid ist e n t b r a n n t " ; 14,5: „ I c h will ihren Abfall heilen, in freier G ü t e will ich sie lieben, d e n n m e i n Z o r n h a t sich von ihnen g e w a n d t . . . " D a z u Z e p h 3,18b—20; A m 9,13-15; in Sach 1,17b u n d 2,16 wird die W i e d e r z u w e n d u n g als n e u e E r w ä h l u n g bezeichnet. O d e r es wird in freier S p r a c h e a n g e k ü n d i g t , d a ß J a h w e sich seinem Volk in E r b a r m e n wieder z u w e n d e n will, Sach 1,16: „ I c h w e n d e m i c h J e r u s a l e m e r b a r mungsvoll zu", d a z u V. 17b; N a h 1,12b; Z e p h 3,17b. Befreiung - Sammlung - Rückführung: M i 2,12-13: „ S a m m e l n will ich J a k o b allesamt,

102

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

versammeln den Rest Israels . . . Vor ihnen her geht der Bahnbrecher ... sie durchschreiten das Tor und ziehen aus ihm h e r a u s , . . . " Dazu Mi 4,6-8.9-14; 7,11-12; Hos 11, 10-1 la; Zeph 3,18b-20; Sach 2,10-17. Das Vorkommen des Motivs hat seinen Kern in einer Gruppe von vier Micha-Texten, begegnet aber an mehreren Stellen darüber hinaus. In einigen weiteren Texten ist es reduziert auf die Rückführung oder die Sammlung. Vorausweisendes Gotteslob: Zeph 3,14—15: „Frohlocke, Tochter Zion, jauchze Israel! Freue dich und juble . . . Aufgehoben hat J a h w e deine Strafe, weggeschafft deine Feinde . . . du brauchst hinfort kein Unheil zu furchten!" dazu V. 16-18a. Es sind Heilsankündigungen in der Form der Loblieder Deuterojesajas, diesen in Form und Inhalt nahestehend. Das gleiche vorausweisende Gotteslob findet sich mehrfach als einzelnes Motiv, in jedem Fall an Deuterojesaja anklingend, oft wörtlich mit Sätzen aus J e s 40-55 übereinstimmend. Sach 2,14:, J u b l e und freue dich, Tochter Zion, denn siehe, ich komme und werde in deiner Mitte wohnen!" Dazu Sach 9,9-10; Nah 2,1; vgl. Sach 10,6b-7. Diese Heilsworte bezeugen nicht nur, daß die ganze G r u p p e nach Deuterojesaja entstanden ist; sie zeigen auch, daß viele dieser Heilsworte sich der Botschaft Deuterojesajas verbunden wissen. In der ersten Motivreihe liegt ein Zusammenhang vor, an dem alle diese Sätze teilhaben: Die Geschichte Gottes mit seinem Volk. Das zeigt der mehrfache Verweis auf Gottes frühere Heilstaten in der Geschichte, das zeigt die Anerkennung der Schuld, die das Gericht Gottes über sein Volk zur Folge hatte, die beherrschende Bedeutung des Motivs Wiederzuwendung zu seinem Volk, das die Erinnerung an ein heiles Gottesverhältnis vor dem Abfall in sich trägt. Das zeigt wohl am ausgeprägtesten die so fest erhaltene Traditionsreihe Befreiung - Sammlung - Zurückführung, die eigentlich auf eine abgekürzte (oder stilisierte) Erzählung weist, und schließlich die Antwort des Gotteslobes, wie sie die vorangehende Geschichte Israels begleitet hat. Die feste Bindung an die Geschichte unterscheidet diese erste Motivreihe von der nun folgenden zweiten, bei der die Motive nicht mehr in zeitlicher Folge gegliedert sind, sondern im Nebeneinander dargestellt werden.

B. Motive der Wiederherstellung

und

Segensverheißung

Bei der Motivreihe Β sind zwei G r u p p e n zu unterscheiden. Die eine ist bes t i m m t von d e m Stichwort Wiederherstellung. Auf die A n k u n f t in der alten H e i m a t m u ß t e der W i e d e r a u f b a u , die Wiederherstellung der L e b e n s b e d i n g u n gen des Volkes folgen. Die a n d e r e G r u p p e ist b e s t i m m t von d e m Stichwort Segen. Die Folge des Segens auf die R e t t u n g w a r in vielfacher Weise von der Tradition vorgegeben. Auf d a s Wirken des rettenden folgt d a s des segnenden Gottes. D a v o n h a b e n die V ä t e r berichtet. Diese Berichte f a n d e n ihre letzte A u s f o r m u n g im Pentateuch. N a c h der R e t t u n g aus Ägypten b e d u r f t e das Volk n a c h d e m Betreten des L a n d e s des segnenden Wirkens Gottes; so zeigt es die Folge des D e u t e r o n o m i u m s auf E x o d u s bis N u m e r i , so deutet es schon d a s C r e d o a n . Die T a t s a c h e , d a ß Segen u n d Segensverheißung einen a n d e r e n U r s p r u n g h a t als A n k ü n d i g u n g u n d R e t t u n g , m a c h t sich d a r i n b e m e r k b a r , d a ß die Sätze, die vom Segen reden, der A n k ü n d i g u n g fast d u r c h w e g unorganisch an-, ein- oder vorgefügt sind. H a u p t s ä c h l i c h sind es F r u c h t b a r k e i t u n d M e h r u n g , die als Segen Gottes verheiß e n werden.

Heilsworte in den Büchern des Dodekapropheton

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In Joel 2,21-27 ist die Segensverheißung an die Stelle der Heilsankündigung getreten. In dem R u f V . 21.23a: „Fürchte dich nicht!... freut euch . . . " und der perfektischen Begründung V. 21b: „denn Großes hat Gott getan" zeigt sich die Struktur der Heilszusage in der Sprache Deuterojesajas. Aber bei Deuterojesaja ist diese perfektische Begründung ein geschichtliches Handeln Jahwes, hier aber der Segen der Fruchtbarkeit V.22-24, begründet darin, daß Joel 2,21-27 Gottesantwort auf die Klage aus einer Heuschreckenplage ist. M e h r u n g und Fruchtbarkeit werden verheißen Sach 2,8; 6,12; 8,12; 10,8b. 10b; Am 9,13: „Siehe, es kommen Tage, spricht J a h w e , da folgt dem Pflügenden der Schnitter, und der die Kelter tritt, dem Säemann, da träufeln die Berge von Most und alle Hügel fließen über." Dazu Hos 2,1; Mi 7,1 lb; Hos 2,23-24. Aus dem Segen folgt Wohlstand und Uberfluß N a h 2,3: „ . . . denn J a h w e stellt wieder her die Pracht J a k o b s und die Pracht Israels." Dazu Sach 1,17; Hos 14,6— 7. Wiederherstellung: Die andere Motivreihe ist in der Situation begründet, in die hinein diese Heilsworte ergehen: nach der Rückkehr in die von der Katastrophe zerstörte Heimat. M a n kann die in den Heilsworten angekündigte Wiederherstellung der Bedingungen eines heilen Lebens nach dessen Bereichen gliedern. Wiederaufbau der Stadt (Städte) und des Tempels, der Acker und Weinberge: Am 9,13-15: „ U n d sie werden die zerstörten Städte wieder aufbauen und darin wohnen, Weinberge pflanzen und ihren Wein trinken, Gärten anlegen und deren Frucht essen." Am 9,11-12: „An jenem Tag werde ich die zerfallene H ü t t e wieder aufrichten . . . wie in den Tagen der Vorzeit." Dazu Mi 7,11-12; Sach 1,16; N a h 2,3; Hos 14,8. Der Wiederaufbau schließt wie selbstverständlich an die Rückkehr; mit dem Beseitigen der T r ü m m e r fängt es an. Ein heiles Leben bedarf der heilen Häuser, des Wiederaufbaus der Stadt und des Tempels, von dem der Segen ins Land ausgeht. Dabei zeigen den Ubergang von der Ereignisreihe zum Stetigen die drei Sätze in Am 9,13-15. Das Wiederherstellen kann auch als solches verheißen werden, Sach 9,12b: „Für die Tage der Verbannung will ich dir doppelt Ersatz bieten"; vgl. J e s 40,2. Wiederherstellung von Ruhe, Sicherheit, Frieden (der soziale Aspekt): Hos 2,20b: „Ich lasse sie wohnen in Sicherheit." Mi 4,4: „Es wird ein jeder unter seinem Weinstock sitzen und unter seinem Feigenbaum, ohne d a ß ihn j e m a n d aufstört"; dazu Mi 5,3; Nah 2,2b; Sach 3,10; 8,4-5. Zum heilen Leben gehört Ruhe und Sicherheit, so d a ß m a n ohne Angst vor Überfällen, vor plötzlichen Einbrüchen des Feindes leben kann. Hierbei wird mehrfach das Wort „Frieden" gebraucht, z.B. Mi 5,4: „und das wird Frieden sein," nicht aus politischer Perspektive gedacht, sondern aus der des einfachen kleinen Mannes, der sein Leben in Ruhe und Frieden zubringen möchte. Z u m Frieden gehört auch das Feiern von Festen N a h 2,1. Wiederherstellung einer heilen Gottesbeziehung: Ein heiles Weiterleben konnte es nur geben, wenn die Gottesbeziehung heil war. Ausführlich kündigt Hos 2,16-25 eine heile Gottesbeziehung an: von Israel zu Gott und von Gott zu Israel m u ß sie wieder heil werden, V. 21 f.: „ . . . mir angetraut auf immer, in Recht und Gerechtigkeit, in Liebe und E r b a r m e n . " Die Unheilsnamen werden in Heilsnamen gewandelt. Zur Wiederherstellung des heilen Gottesverhältnisses gehört auch, d a ß Gott nun wieder in seiner Stadt, bei seinem Volk gegenwärtig ist. Dabei steht

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

im Hintergrund die Vorstellung des Ezechiel, d a ß der käböd J a h w e s Jerusalem und den Tempel verlassen hatte, aber nun zurückkehrt. Sach 2,14: „Ich komme und werde in deiner Mitte wohnen, spricht J a h w e . " Hos 14,8a: „Sie sollen zurückkehren und in meinem Schatten wohnen", dazu Sach 2,17; Joel 2,27; Mi 4,7b; Zeph 3,15b. 17. Bei dieser Stelle tritt die Tendenz hervor, der Gegenwart Gottes ein stärkeres Gewicht zu geben als dem Akt seiner Zuwendung. Dem wiederum entspricht das Ubergehen in die Kultsprache. J a h w e ist König wie in den Jerusalemer Jahwe-Königs-Psalmen. Die Bundesformel begegnet in Sach 13,9. Die bisherigen Aspekte der Wiederherstellung bezogen sich auf das überall zum Leben Notwendige. Es kommen Ankündigungen hinzu, die sich speziell auf die Geschichte Israels beziehen: Wiedervereinigung und Wiederherstellung der Ehre: Hos 2,2: „Die Söhne J u d a s u n d die Söhne Israels werden sich zusammentun und sich ein einziges O b e r h a u p t geben." Wiederherstellung der Ehre Zeph 3,18.20; Joel 2,19.22.27. Wiederherstellung des Königtums: Mi 4,8; dazu Mi 5,1-5; Sach 9,9-10. Die Wiederherstellung des Königtums, die in diesen Worten angekündigt wird, ist ein einzelnes Motiv (Mi 4,8) oder Erweiterung eines Motivs (Mi 5,1-5), bei dem es nicht um das fur die Gemeinschaft Lebensnotwendige, sondern um die Wiederbringung von etwas Wertvollem und Kostbarem aus der Vergangenheit geht. Gemeint ist dabei aber, wie die Texte zeigen, nicht das Königtum in seiner außenpolitischen, sondern in seiner sozialen Funktion. Es geht um Recht und Gerechtigkeit, R u h e und Sicherheit im Lande. Der König ist der G a r a n t des Friedens, nicht Repräsentant politischer M a c h t und Größe. Anschluß anderer Völker: Sach 2,15: „ U n d es werden sich viele Völker an J a h w e anschließen an jenem Tag." Dazu Zeph 3,9-10; Mi 4,1-4; 7,12. Der Anschluß anderer Völker begegnet als einzelnes Motiv oder als Erweiterung Sach 8,20-23. Es ist für eine Gemeinschaft nicht lebensnotwendig. Das Motiv geht zurück auf die israelitische Geschichte (Reich Davids und Salomos). Ebenso wie bei der Wiederherstellung des Königtums aber ist dieser Anschluß anderer Völker nicht machtpolitisch gemeint im Sinn des Beherrschens und Ausbeutens dieser Völker; davon findet sich in den Texten keine Spur. Es ist vielmehr in allen Texten als religiöser Zusammenschluß gemeint; das will die Völkerwallfahrt zum Zion zum Ausdruck bringen. Ende der Kriege und Völkerfriede: Hos 1,7: „aber nicht werde ich sie erretten durch Bogen, Schwert und Krieg, durch Roß und Reiter." Hos 2,16-25, V. 20b: „Ich verbanne Bogen, Schwert und Krieg aus deinem L a n d . " (Hos 14,2-9, V. 4b); Sach 9,9-10: „Er schafft die Streitwagen fort aus Ephraim . . . Er gebietet Frieden den Völkern." (Mi 5,1-3, V. 3a); Mi 4,3-4, V. 3a: „Gott wird zwischen den Völkern Recht sprechen", V. 3b: „Schwerter zu Pflugscharen." Völkerfrieden: M i 5,6: „ U n d der Rest J a k o b s wird sein inmitten vieler Völker wie der Tau von J a h w e , wie Regentropfen auf dem Gras, die nicht a u f M e n s c h e n hoffen und ihre Erwartungen nicht a u f M e n s c h e n setzen", vgl. J e s 19,19-25. Alle diese Worte sind keine Ankündigungen des allgemeinen Endes der Kriege, des allgemeinen Völkerfriedens, auch wenn sie so klingen; sie beziehen sich alle auf die gegenwärtige Lage Israels im und nach dem Exil, die d a n n allerdings ausgeweitet sind. Sie sagen etwas sehr Bestimmtes und Eindeutiges: d a ß das

Heilsworte im Buch Jeremia

105

zukünfigte Rettungswirken Gottes an Israel nicht durch militärisch-politische Kämpfe geschehen wird (Hos 1,7). Diese eindeutige, für Israel gültige und auf Deuterojesaja zurückgehende Ankündigung ist dann nachträglich weitergeführt worden zu der Vision des Endes aller Kriege und des allgemeinen Völkerfriedens.

H E I L S W O R T E IM B U C H J E R E M I A

Die Sammlung Kapitel 30-33 30,1-31,22: A n k ü n d i g u n g der Befreiung 30,1-3 (4); 4-9; 10-11 ( = 46,27-28) 12-17; (18-26 u n d 31,1-6); 31,7-9; 10-14; 15-22 31,23—40: A n k ü n d i g u n g der Wiederherstellung (ein Motiv) 31,23-26; 27-28; 29-30; 31-34; 35-37; 38-40; 32,15 Anhänge 32,36-44 und 33,1-13: Z u w e n d u n g und Wiederherstellung 33,14-18; 19-22; 23-26: Königsworte (fehlt in L X X ) Zweigliedrige Heilsworte innerhalb von 30-33: 30,18-21; 31,1-6; 32,37-44; 33,1-13 a u ß e r h a l b von 30-33: 3,14-18; 23,1—4; 5 0 , 4 - 8 . 1 7 - 2 0 Zusätze zu Völkersprüchen in Kap. 46-51 46,28; 48,47; 49,6; 49,39 Heilsworte an das Volk und an Einzelne in Berichten an das Volk: 32,15; 29; 24,1-10 a n Einzelne: 35,15; 39,15-18; 45,1-5 Heilswort Chananjas: 28,1-4

I. Die Sammlung von Heilsworten in Jer 30-33 Die S a m m l u n g Kapitel 30-33 ist nach der Einleitung 30,1-3(4) aus zwei kleinen S a m m l u n g e n zusammengesetzt: 30,4—31,22 u n d 31,23-40, dazu Anhänge. Die Heilsworte der ersten kündigen die Befreiung (zwei

106

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Texte mit Wiederherstellung) an, die Heilsworte der zweiten die Wiederherstellung, aber nur jeweils in einem Motiv. Die Unterscheidung der beiden Gruppen muß den Tradenten bewußt gewesen sein; es können zwei selbständige Sammlungen gewesen sein, wobei dann die erste ein früheres Stadium darstellt. Den beiden Sammlungen 30,1—31,40 sind Anhänge angefügt. Der Prosabericht 32,1-35 ist nur wegen 32,15 angefügt, weil 32,15 formal den Heilsworten der Sammlung 31,23-40 entspricht. Es folgen die beiden Texte 32,36-44 und 33,1-13, beide deuteronomistisch und zweiteilig, dazu die ebenfalls sehr späten Königsworte 33, 14—26. Dazu kommen die zwölf Heilsworte außerhalb der Sammlung Kapitel 30-33. Von diesen gehören fünf zu der zweiteiligen Ankündigung (Zuwendung und Wiederherstellung), drei sind dem in 31,23-40 gesammelten Typ ähnlich, vier sind Heilszusätze zu Völkersprüchen.

1. Die Sammlung

30,1-31,22

30,1-3

Die Sätze bilden eine zweifache Einleitung der Sammlung Kap. 30-33 (W. Thiel, 1981, S. 20f.). Zur deuteronomistischen Einleitung gehört V. 2, der Auftrag an Jeremia, die Heilsworte (30-33) aufzuschreiben, entsprechend 36,2. In V. 3 faßt er die Heilsbotschaft zusammen: „Denn siehe: Tage kommen, spricht Jahwe, da werde ich das Geschick meines Volkes Israel und ... J u d a wenden, spricht Jahwe, und sie in das Land zurückbringen, das ich ihren Väter gegeben habe, damit sie es wieder in Besitz nehmen." Diese einleitende Zusammenfassung ist gegliedert: Einleitung - Wiederzuwendung-Zurückbringen-Wiederherstellung (angedeutet). 30,4-9

4 5-7 8-9

Einleitung zu einer Sammlung von Heilsworten Gerichtstag über Israel und Ankündigung der Rettung (Prosa) Ankündigung der Befreiung und Wiederherstellung 8a neue Einleitung: an jenem Tag ... 8b Ich werde das Joch ... zerbrechen, Fesseln ... 9a Feinde sollen es nicht mehr betreten

Heilsworte im Buchjeremia

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9b Sie sollen Jahwe, ihrem Gott, dienen und ihrem König David, den ich ihnen erstehen lasse. Einem Gedicht über den Gerichtstag Jahwes über Israel V. 5—7ba folgt in V. 7bß in nur einem Halbvers die Ankündigung der Rettung. Sie ist wahrscheinlich verkürzt durch einen Prosazusatz V. 8-9 mit einer neuen Einleitung, die Fortsetzung der Ankündigung in 1 .pers. Die Befreiung ist entfaltet in V. 8b (Joch-Fesseln), 9a (Aufhören der Fremdherrschaft) und 9b (sie sollen Jahwe und ihrem König dienen); sie schildern den durch die Befreiung gewonnenen Heilszustand.

30,10-11 (fast gleich 46,27-28) Eine nahe Beziehung zur Klage zeigt sich bei den Texten, die die Form der Heilszusage, des gottesdienstlichen Heilsorakels haben. lOaa u. 1 l a a Beruhigungsruf: „Fürchte dich nicht!" 1 laß präsentische Begründung: „Ich bin mit dir!" 10aß-ll futurische Begründung, Ich will dich retten aus der Gefangenschaft, Jakob wird heimkehren und sicher wohnen, Ich werde deine Feinde vernichten, dich nur züchtigen. Das Wort liegt in der Linie der Heilsverkündigung Deuterojesajas und setzt diese voraus. Darauf macht besonders B. Duhm in seinem Kommentar immer wieder aufmerksam. Allein in diesem Text findet er fünf Berührungen. Spätere Ausleger haben diese Berühungen mit Deuterojesaja in Jer 30-33 bagatellisiert, um die Autorschaftjeremias festhalten zu können. Die Benutzung des gottesdienstlichen Heilsorakels fur die Ankündigung der Befreiung findet sich hier wie dort. V. 1 lb könnte ein nachträglicher Zusatz sein, weil die reflektierende Sprache von 11 b aus dem Stil der Heilszusage herausfällt.

30,12-17 12-14a(15a)

14b. 15.17a

Klage in Anrede gewandelt 12-13 Unheilbar ist der Schlag; dazu V. 15a WarumFrage 14a Von allen verlassen Gottesantwort, 16 und 17b Zusatz 14b. 15 Das Leiden ist Gottes Strafe 17a Ankündigung der Heilung

Der Anfang V. 12-14a erinnert an die Sprache der Klage. In die l.pers. umgesetzt sind es Sätze der Klage des Einzelnen, auf ein Leiden des

108

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Volkes angewandt wie bei Deuterojesaja. Von der Gottesantwort her ist die Klage in die 2.pers. zur Anrede an Israel abgewandelt worden. Die Antwort hat zwei Teile. Der erste Teil V. 14b. 15 begründet, warum Israel so leiden muß. Hier klingt die Warum-Frage an: „Wegen der Größe deiner Schuld ... habe ich dich geschlagen ... habe ich dir das angetan." Auf diese Begründung folgt der zweite Teil der Gottesantwort V. 17a: „Aber ich bringe dir wieder Genesung und heile dich von deinen Wunden, spricht Jahwe." Wenn Gott seinem Volk vorhält, daß er es schlagen mußte „mit grausamer Züchtigung", so entspricht das den Disputationsworten Deuterojesajas, in denen sich die gleiche Folge findet, z.B. Jes 42,18-25. Wenn das ganze Wort in den Vergleich mit Krankheit und Heilung gefaßt ist, entspricht das der Sprache der Psalmen und zeigt einen gewissen Abstand von der direkten, konkreten Ankündigung der Befreiung aus dem Exil. Diesem Abstand entspricht auch die argumentative Erweiterung, der es darum geht, den Zusammenbruch und das Exil als notwendiges Gericht Gottes zu erklären. V. 16.17b ist ein nachträglicher Zusatz (so auch B. Duhm). V. 17a: „Aber ich bringe dir wieder Genesung ..." schließt an V. 15b an, dieser Satz V. 17a ist der ursprüngliche Abschluß des Wortes, wie es das abschließende „spricht Jahwe" zeigt. Die Ankündigung V. 16: „Aber alle, die dich fressen, sollen gefressen werden ..., die dich geplündert, sollen geplündert werden ..." paßt schlecht in den Zusammenhang von V. 12-17. Wenn V. 15 betont, daß Zusammenbruch und Exil ein Gericht Gottes war, verursacht durch die schwere Schuld Israels, dann paßt dazu kaum, daß die Feinde Israels, Gottes Werkzeug fur dieses Gericht, vernichtet werden sollen (gegen W. Rudolph). Die harte Sprache des Vergeltungsmotivs in V. 16 bringt einen fremden Ton in das Wort V. 12-17. Ein formaler Grund kommt hinzu: Der Satz V. 17b: „denn sie nannten dich Verstoßene ..." begründet V. 16, nicht V. 17a. V. 17b gehört zu dem Zusatz; bei der Einfügung des Zusatzes vom Rand in den Text ist V. 17b an die falsche Stelle gekommen. V. 16.17b gehört zu den zweiseitigen Ankündigungen: Vernichtung der Feinde - Heil fur Israel, wobei die Zweiseitigkeit erst durch die Einfügung entsteht. (30,18-22 und 3 1 , 1 - 6 s . u . S . 117).)

31,7-9 7 8 9

, Jubelt über Jakob in Freude,... Gerettet hat Jahwe sein Volk Siehe: Ich bringe sie herbei... In Tränen zogen sie aus, mit Tröstung geleite ich sie heim ... Denn ich bin ein Vater für Israel..."

Das Gedicht hat den Aufbau der Loblieder Deuterojesajas: V. 7 Ruf zum Jubel, V. 7b Begründung im Perfekt, V. 8-9a Ankündigung im Futurum, V. 9b Begründung im Präsens. Der Text stellt den Ablauf einer Gesche-

Heilsworte im Buch Jeremia

109

hensfolge dar: Befreiung, Sammlung und Rückführung der Gefangenen. Die Vorgeschichte ist angedeutet in V. 9aa: „In Tränen zogen sie aus"; vgl. Ps 126,5. Das Ganze entspricht in jedem Punkt der Botschaft Deuterojesajas: Rettung Israels, Sammlung von weither, Rückführung auf ebener Straße in Freude (Jes 42,11), dabei die schwachen Glieder, der Zug wird von Jahwe gefuhrt. Am Schluß klingt an, Gott hat sich seinem Volk (der Vater seinen Kindern) wieder zugewandt; vgl. Ex 4,22. Ein Motiv der Wiederherstellung enthält dieses Wort nicht. 31,10-14 V. 10-11

V. 12-14

Ankündigung der Befreiung 10a Ruf zum Hören an die Völker und fernen Gestade 1 Ob—11 Botschaft von der Befreiung Israels. Der Israel zerstreute, erlöst-sammelt-bringt zurück (leitet) Wiederherstellung (Segen) 12a sie kommen zum Zion zurück in Freude, zum Segenjahwes, d. h. der Quelle des Segens 12ba Getreide, Most, Oel, Schafe und Rinder 12bß schmachten nicht mehr dahin, ihre Seele ein bewässerter Garten 13 Wandel der Trauer in Jubel, Freude der Jungen und Alten 14 Volk und Priester sättigen sich an seiner Güte.

Auch bei diesem Text ist die Nähe zu Deuterojesaja offenkundig. Wie bei ihm wird die Botschaft der Befreiung Israels vor dem Forum der Völker verkündigt (Jes 52,10). Die Entfaltung der Befreiung in den drei Vorgängen ist die gleiche wie in 31,7-9. Auch hier ist die Vorgeschichte, das Gericht, angedeutet: „der Israel zerstreut hat", die frühere Trauer „sie brauchen nun nicht mehr dahinzuschmachten." Der zweite Teil V. 12-14 beschränkt die Wiederherstellung auf das eine Motiv des Segens, das breit entfaltet wird: Sie kommen zurück zum Zion, von hier strömt der Segen Jahwes aus über das Land, über Menschen und Vieh. 31,15-22 V. 15-17

Klage und Trost 15 Rahel weint um ihre verlorenen Kinder 16a. 17a Trostzuspruch: Weine nicht, es gibt noch eine Hoffnung für deine Zukunft 16b. 17b Verheißung der Rückkehr aus dem Feindesland in ihr Land

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

V. 18-20

21 22

Wiederzuwendung Gottes 18 J a h w e hört das Schuldbekenntnis und seine Bereitschaft zur Umkehr 19 Erweiterung. Hinterher bereute ich und schämte mich 20 Wiederzuwendung Gottes: Ich muß mich seiner erbarmen Aufforderung zur Heimkehr Zusatz: Wie lange willst du dich sträuben?

Der Aufbau dieses Wortes ist bestimmt von der Klage des Volkes und der Antwort J a h w e s auf diese Klage; vgl. 30,12-17. Die Klage des Volkes ist personifiziert in Rahel, der Stammutter. V. 15 enthält in drei Stichen die Klage Raheis um ihre verlorenen Kinder. Es folgt in V. 16-17, zu lesen in der Reihenfolge V. 16a. 17a. 16b. 17b, die Gottesantwort, ein Trostwort, das die Rückkehr der Kinder verheißt. In V. 18-20 folgt die Wiederzuwendung Gottes, die die Befreiung ermöglicht. Sie erfolgt auf das Schuldbekenntnis Israels hin, als Teil der Klage des Volkes, und seine Bereitschaft zur Umkehr. Dabei wird anerkannt, daß die Katastrophe ein Gericht Gottes war V. 18: „du hast mich gezüchtigt..." Die Wiederzuwendung Gottes V. 20 geschieht aus Gottes unbegreiflichem Erbarmen: „... ich muß mich seiner erbarmen", wobei in V. 20a: „Ist mir denn Ephraim ein so teurer Sohn ...?" Ps 103 anklingt, ähnlich wie Hos 11,8-9. V. 19, eine Prosaerweiterung in dem schönen Gedicht, ist ein Zusatz, der die Umkehr unterstreichen will. V. 21, die Aufforderung zur Umkehr, schließt in der Geschehensfolge an 17 an; sie folgt der Verheißung der Umkehr in 16b. V. 22 ist ein Zusatz, der die Umkehr betonen will. In allen diesen Heilsworten liegt das Schwergewicht auf der Ankündigung der Befreiung: 30,10-11: „denn siehe, ich errette dich aus der Fron ...; 31,7-9: „sagt: gerettet hat J a h w e sein Volk, den Rest Israels!"; 31,ΙΟΙ 4: „der Israel zerstreut hat, sammelt sie wieder und hütet es wie ein Hirt seine Herde, denn J a h w e hat Israel erlöst und hat ihn befreit aus der H a n d des Stärkeren". Dazu 30,1-3; 31,15-22; V. 14b.l7b. Was in allen diesen Texten und der Einleitung angekündigt wird, ist ein Ereignis, die Wende einer Not. Das ursprüngliche prophetische Heilswort kündigt ein Ereignis an; das Schildern eines Heilszustandes ist erst das Hinzukommende. 2. Die Sammlung 31,23-40 Die Gruppe der Texte 31,23-40 (und 32,15) gehört darin zusammen, d a ß alle Texte (außer 31,35—37, Wiederzuwendung) von der Wiederher-

Heilsworte im Buch Jeremia

111

Stellung sprechen, aberjedes dieser Heilsworte nur ein Motiv enthält. Die Befreiung ist zwar in ihnen vorausgesetzt, wird aber in keinem der Texte angeführt. Eigentlich sind es keine vollständigen Heilsworte, sie gleichen kurzen Zusätzen. Einen guten Sinn erhalten sie, wenn sie als ein Echo aus dem Mund einzelner Glieder der die Verheißungen hörenden Gemeinde verstanden werden. Diese kleinen ein-Motiv-Heilsworte erhalten ihren Sinn als Stimme im Chor derer, die die Ankündigung der Befreiung aufnehmen und bestätigen. Die Tradenten waren durchaus im Recht, wenn sie in den Worten der Sammlung Jer 31,23-40 eine traditionsgeschichtlich selbständige Gruppe erkannten und festhielten. 31,23-26 (23) 23 24 25

„... wenn ich ihr Schicksal wende ..." „... wird man wieder den Segen über das Land J u d a sprechen Es wird wieder bewohnt werden von Ackerleuten und Hirten denn ich spende jedem, der darbt, meine Fülle" (26 Anhang).

Diesem Heilswort liegt ein Segensritus zugrunde: Uber das Land wird ein Segenswort gesprochen „im Lande J u d a und in seinen Städten: Es segne dich Jahwe, du Aue des Heils, du heiliger Berg!" An diesen Ritus und das bei ihm gesprochene Wort erinnert man sich im Exil und sagt dabei: Einmal wird die Zeit kommen, da wird man dieses Segenswort wieder sprechen! Und V. 24 fugt ergänzend hinzu: Dann wird das Land wieder bewohnt sein; Bauern und Hirten werden wieder in ihm wohnen. Der letzte Satz V. 25, der wieder wie V. 23b deutlich rhythmisch ist, wird auch dem Segensritus angehört haben: „denn ich labe die müde Seele, spende dem, der darbt, meine Fülle." Dieses Wort ist ein besonders schönes und sprechendes Beispiel dafür, wie während des Exils die Heilsankündigung sich mit der Hoffnung und Sehnsucht der Exilierten verbindet. Denn abgesehen von dem Nebensatz: „wenn ich ihr Schicksal wende", das nicht einmal am Anfang steht, ist das Wort als ganzes nichts anderes als ein Ausdruck der Hoffnung und Sehnsucht; es wird zu einer Heilsankündigung allein durch diese eingefügte geprägte Wendung gestaltet. Es ist darüber hinaus ein sicherer Beweis dafür, daß solche Verbindung schon während des Exils begann. B. Duhm hält 31,23-26 für den „Abschluß des mit 30,4 beginnenden Büchleins", danach kommen nur noch spätere Zusätze. Was in den vorangehenden Worten von der Wiederherstellung gesagt war, erhält seinen Abschluß darin: Dann kann wieder der Segen über das Land gesprochen werden.

112

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

31,27-28; dazu 9-10 27

28

„Siehe, es kommen Tage, spricht J a h w e , da werde ich über das H a u s Israel und das H a u s J u d a eine Saat von Menschen und eine Saat von Vieh säen. U n d gerade so, wie ich einst über sie gewacht habe, um auszureißen und abzureißen ..., so werde ich über sie wachen um zu bauen und zu pflanzen, spricht J a h w e . "

Die Ankündigung besteht nur in einem Motiv aus der Reihe Wiederherstellung. Es ist das Motiv der Ankündigung der Mehrung. Es erhält eine Einleitung: „Siehe, es kommen Tage, spricht J a h w e " und eine Paraphrase aus J e r 1 ist angefugt, die der Verstärkung der Mehrungsverheißung dient. Der hier Redende hat J e r 1,10 vor Augen oder im O h r in einer Zeit, in der die Gerichtsankündigung, die dem Jeremia aufgetragen war, eingetroffen war. Gott hat über seinem Wort gewacht, es ist eingetroffen. Aber noch nicht eingetroffen ist das dort angekündigte Wiederherstellen, das Bauen und Pflanzen. Daran erinnert der hier Redende, und so kann das Jeremiawort ihm dazu dienen, die Mehrungsverheißung zu bekräftigen. Er selbst ist kein Heilsprophet und erhebt nicht den Anspruch, einer zu sein. Er sagt nur: Das, was durch den Propheten Jeremia angekündigt worden ist, wird eintreten. J e r 1,4—10 ist in seiner jetzigen Form von Dtr gestaltet (hierzu F. Ahuis, Der klagende Gerichtsprophet, 1982, S. 177— 180). Durch den Berufungsbericht wird das Wirken des Propheten Jeremia aus der Sicht des Dtr dargestellt. Dieser Darstellung entspricht es, daß V. 10 das „Ausreißen" dem „Pflanzen" vorausgeht: die Heilsankündigung folgt dem Gericht (so auch 18,7-10; 24,6; 31,28; 31,38-40; 42,10; zu der zugrunde liegenden Redewendung E. Rohland in der FS zum 60. Geburtstag von G. von Rad). 31,29-30 29

30

„In jenen Tagen wird man nicht mehr sagen: Die Väter haben saure Trauben gegessen und den Kindern werden die Zähne stumpf, sondern jeder wird nur für seine eigene Schuld sterben it

Auch hier ist ein einzelnes Motiv zum Heilswort gestaltet, hier nur durch die Einleitung. Der Verfasser dieses Wortes hat Ez 18,2 vor Augen und kleidet es als eine Heilsankündigung ein. Dafür gilt das zu J e r 31,27-28 Gesagte. Die Sammlung, der 27-28 und 29—30 angehören, setzen eine Jeremia- und eine Ezechiel-Uberlieferung schon voraus.

Heilsworte im Buch Jeremia

113

31,31-34 Hier ist ein ausfuhrliches Heilswort aus einem Motiv gestaltet: die innere Wandlung der Menschen in der Heilszeit. Es ist ein sekundäres aus der Reflexion erwachsenes Motiv der Wiederherstellung. V. 31a Einleitung 31b Ich schließe einen neuen Bund mit Juda und Israel 32 Nicht wie der, den sie gebrochen haben, 33 sondern der Bund nach dieser Zeit: Ich lege mein Gesetz in ihr Inneres ... 34a Dann bedarf es keiner Belehrung mehr, weil alle Gott erkennen 34b Dieses neue Gottesverhältnis wird durch die Vergebung ermöglicht. Das ist eine die jetzige Wirklichkeit transzendierende Heilsankündigung. Sie setzt eine gegenüber der jetzigen veränderte Wirklichkeit voraus. W o keiner mehr der Belehrung bedarf, hört die Tradition auf und wo alle immer Gott erkennen, gibt es den Menschen nicht mehr, der nach Gen 2—3 als fehlbar geschaffen ist. Das Schließen des neuen Bundes ist ein der Geschichte jenseitiges Ereignis. D i e Frage, ob dieses W o r t an Nordisrael oder Juda gerichtet ist, erscheint mir belanglos. Es ist das Israel angeredet, das G o t t aus Ä g y p t e n geführt hat, das Israel, das den Bund gebrochen hat. Das ist j e d e s m a l Gesamtisrael. Das W o r t gehört einer späteren Schicht der H e i l s w o r t e an. Einige (S. H e r r m a n n , W . T h i e l ) halten es für deuteronomistisch. W e n n das fur 32,37-44, vielleicht auch 33,1-13 gilt, dann kann es nicht fur 31,31-34 gelten. Diese W o r t e sind voneinander zu verschieden. W e n n für das D e u t e r o n o m i u m und den Deuteronomisten die Tradition ein für das Gottesvolk konstitutiver V o r g a n g ist, wird er nicht eine Verheißung formen, nach der es i m N e u e n Bund die Tradition nicht mehr gibt. Dasselbe gilt für das M a h n w o r t .

31,35-37 35

36

37

„So spricht Jahwe, der die Sonne zum Leuchten am Tag gemacht hat, die Gesetze des Mondes und der Sterne zum Leuchten in der Nacht, der das Meer aufrührt, daß seine Wogen brausen, Jahwe Zebaoth ist sein Name. Wenn diese Ordnungen j e vor mir ins Wanken geraten, spricht Jahwe, dann wird auch der Same Israels aufhören, ein Volk vor mir zu sein für immer. So spricht Jahwe, wenn die Himmel in der Höhe ausgemessen werden können und die Gründe der Erde in der Tiefe erforschbar sind,

114

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

dann werde auch ich den Samen Israels verwerfen wegen alles dessen, was sie getan haben, spricht Jahwe." In diesem Wort ist ein Motiv der Heilsankündigung dadurch zu einem selbständigen Heilswort erweitert, daß es durch etwas wie einen Schwur Gottes bekräftigt wird. Es ist das Motiv der Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk und kann etwa gelautet haben: „Ich werde den Samen Israels nicht wieder verwerfen wegen alles dessen, was sie getan haben; der Same Israel soll nicht aufhören, vor mir ein Volk zu sein." Diese Zusicherung der Zuwendung Gottes wurde ergänzt, sie hat einen so festen Bestand wie die Ordnungen der Schöpfung. Um das zu einem wirksamen Ausdruck zu bringen, ist das Wort mit einem Lob des Schöpfers nach Gen 1 eingeleitet, einer Doxologie ähnlich wie bei manchen Worten Deuterojesajas, V. 33b = Jes 51,15. Das ganze Wort ist in der Sprache der Psalmen gehalten. Solange die Erde steht wird Gott seinem Volk seine Zuwendung nicht entziehen. Eine Heilsankündigung im strengen Sinn ist das nicht mehr; es ist reflektierende Verstärkung eines Motivs. Hier spricht einer aus der gottesdienstlichen Gemeinde seine Zuversicht zum Bleiben der Zuwendung Gottes zu seinem Volk aus. Verstärkungen von Verheißungen sind gegenüber den einfachen Verheißungen immer sekundär. Ahnlich sind die Verstärkungen in 33,14—26, besonders V. 19—22. 31,38-40 V. 38a Einleitung: Tage kommen ... 38b-40a 40b

Ankündigung des Wiederaufbaus der Stadt Jerusalem 38b-40a genaue Angaben der Grenzen Sie soll nie wieder zerstört werden.

Das Motiv der Ankündigung des Wiederaufbaues der Stadt ist mit einer Einleitung versehen und um die genauen Angaben der Grenzen erweitert. Das Motiv lautete: „Siehe, Tage kommen, spricht Jahwe, da wird die Stadt wieder aufgebaut werden für Jahwe; nie wieder soll sie zerstört werden." Die Grenzangaben, durch die dieses Motiv erweitert ist, beweisen, daß mit der Stadt Jerusalem gemeint ist und daß der Text nach dem Exil im Zusammenhang der Auseinandersetzungen um den Stadtund Mauerbau entstanden ist. Der Text zeigt, daß die im Exil entstandenen Heilsworte in der Zeit nach dem Exil ihre Bedeutung behalten konnten. Es geht um den Ausbau Groß-Jerusalems wie in Sach 14 (so B. Duhm). Zu dem Typ der Gruppe 31,23-40 könnten von den Heilsworten außerhalb von 30-33 noch die Texte 16,14-15 = 23,7-8; 16,19-21; 23,5-6 (vgl. 33,14-16) gehören. Sie bleiben aber besser außer Betracht. 23,5-6 ist Variante zu 33,14—16 und gehört als solche zu dem Anhang 33,14—24

Heilsworte im Buch Jeremia

115

(Königsworte). 23,7-8 (= 16,14-15), das in Μ 23,5-6 folgt, ist keine wirkliche Heilsankündigung, es ist vielmehr eine reflektierende Bekräftigung der geschichtlichen Bedeutung der Befreiung aus dem babylonischen Exil, in die Form einer Heilsankündigung gekleidet. Das Wort könnte einmal den Abschluß einer Sammlung von Heilsworten gebildet haben. In diesem Fall läßt die Sprachgestalt die nachträgliche Umgestaltung noch erkennen. Die Einleitung „Siehe, Tage kommen ..." bezieht sich eigentlich auf etwas in diesen Tagen Geschehendes (d. h. in der Zukunft). Daß das auch hier gemeint war, zeigt der Schluß. Die reflektierende Erwägung „man wird nicht mehr sagen ..., sondern man wird sagen ..." redet von Jahwe in der 3. pers., V. 15b aber wieder in der 1. pers„Undich bringe sie in das Land zurück ..." Hier zeigt sich, daß die Eingangswendung „Siehe, Tage kommen, da ..." ursprünglich weiterging „da werde ich ..." Das wäre eine Heilsankündigung nach dem Typ 30,1-31,22. 16,19-20: Ein eigenartig zusammengesetztes Wort, einsetzend mit einem Bekenntnis der Zuversicht, das das Eindringen der gottesdienstlichen Sprache in die Heilsworte zeigt, ähnlich wie in anderen Worten die Doxologien, an das das Motiv des Herzukommens der Völker schließt. Es ist erweitert durch die traditionelle Götzenpolemik, die vielfach in Zusätzen begegnet. Den Abschluß bildet die Erkenntnisformel. Also auch das eine nachträgliche Einkleidung. Ein Anhang zu 31,23-40 sind die drei Königsverheißungen 33,14—26 (fehlen in der LXX): 33,14-18 V. 14 15 16a 16b 17 18

Ankündigung der Erfüllung einer früheren Verheißung. Ich lasse David einen Spross entsprießen, der Recht und Gerechtigkeit übt. Dann wird J u d a Heil erfahren und Jerusalem in Sicherheit wohnen. Der Name der Stadt ist: Jahwe, unsere Gerechtigkeit (Heil). Nie soll es David an Nachkommen auf dem Thron des Hauses fehlen. Und nie soll es Levi an levitischen Pristern fehlen.

33,19-22 „So wenig wie die Gesetze der Folge von Tag und Nacht gebrochen werden können, so wenig mein Bund mit meinem Knecht David und mit Levi. So unzählbar wie die Sterne und der Sand, so zahlreich die Nachkommen Davids und Levis."

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

33,23-26 24 25—26

26bß

„Gegen die Leute, die b e h a u p t e n , J a h w e h a b e sein Volk verworfen: So w a h r ich T a g und N a c h t erschaffen u n d die Gesetze f ü r H i m m e l u n d Erde festgesetzt habe, so gewiß werde ich die N a c h k o m m e n J a k o b s und Davids nie verwerfen; d e n n ich wende ihr Geschick und e r b a r m e mich ihrer."

In diesen drei Königsverheißungen (man könnte sie auch als drei Teile eines Wortes verstehen; der letzte Satz „denn ich wende ihr Geschick" umgreift alle drei Teile) ist ein Motiv zu einer Einheit ausgebaut worden. An anderen Stellen ist die Wiederaufrichtung des Königtums ein Motiv neben anderen, z.B. 30,21. D a s Besondere hier ist die V e r b i n d u n g mit Levi: D e m Priestertum gilt die gleiche Verheißung wie dem K ö n i g t u m . Besonders ist auch die starke Betonung des Bleibens für i m m e r V. 17b. 18.18-22. Die Versicherung des Bestehenbleibens für i m m e r in V. 25—26 s t i m m t überein mit 31,35—37, hier aber bezogen auf die Z u w e n d u n g Gottes zu seinem Volk. Die Sprache weist diese drei Teile als sehr spät aus. Bezeichnend f u r die S a m m l u n g 31,23-40 ist, d a ß in ihr die Einleitungen eine gewichtige Bedeutung bekommen: 31,23-26: M a n wird in diesem L a n d e wiedersagen ...; 31,27-28: Siehe, es k o m m e n Tage, spricht J a h w e , d a werde ich ...; ebenso 31-34. 31,29—30: In j e n e n Tagen wird m a n nicht mehr sagen ...; 31,38—40: Siehe, Tage kommen, spricht J a h w e , d a . . . Diese vagen Hinweise auf einen Zeitpunkt in der Z u k u n f t erinnern noch d a r a n , d a ß auch diese Heilsworte von solchen herkommen, die von einem bestimmten Ereignis in der Z u k u n f t sprachen: der Befreiung aus der gegenwärtigen Not. D a ß solche Worte einer späteren Zeit entstammen, ist einleuchtend, auch d a ß sie nicht m e h r als vollmächtige Ankündigung gemeint sind, sondern vielmehr H o f f n u n g e n u n d E r w a r t u n g e n Ausdruck geben. Erweiterungen eines Motivs zu einem Heilswort I n 31,31-34 ist das Motiv der inneren W a n d l u n g zu einem selbständigen Heilswort erweitert, in 35-37 das der W i e d e r z u w e n d u n g Gottes. Hierzu k o m m e n die drei Königsverheißungen in 33,14—26, dazu 23,5-6.

Heilsworte im Buch Jeremia

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II. Zweigliedrige Heilsworte: Wiederzuwendung und Wiederherstellung In der Sammlung 30-33 sind zwei Texte zweigliedrige Heilsworte: 30,18-22 und 31,1-6, dazu 32,36-44 und 33,1-13 (beide dtr). Zu diesen kommen noch einige Worte außerhalb der Sammlung 30-33. Sie bieten einen dritten, selbständigen Typ des Heilswortes im Jeremiabuch, es sind meist längere Worte. Sie lassen überwiegend eine Überarbeitung erkennen. 30,18-22 18a

19a 19b

Wendung des Geschickes, Wiederzuwendung Gottes. 18b—21 (22) Wiederherstellung; 18b Wiederaufbau der Stadt und des Palastes, Freude und Jubel sollen wiederkehren, Mehrung, wieder zu Ehren bringen, 20a Fester Bestand der Gemeinschaft, sie sollen mir wert sein wie früher (20b Zusatz: Vernichtung der Feinde), 21 Ein Herrscher aus ihrer Mitte, er soll mir nahen, 22 Ihr mein Volk - ich euer Gott.

Das Wort besteht aus zwei Teilen. V. 18a entspricht der Ankündigung der Befreiung in der Gruppe 30,1-31,22, die aber hier nur angedeutet ist in der formelhaften Wendung, aufgenommen in der ebenfalls formelhaften Wendung V. 22. Das ganze Gewicht des Wortes aber liegt auf der Ankündigung der Wiederherstellung V. 18b—21. In loser Folge einzelner Elemente wird die Wiederherstellung des Heilszustandes, wie er früher war, geschildert. Es ist eine andere Art von Heilswort; Gott ist in ihm nicht primär der Retter, sondern der Garant dieses heilen Zustandes. 31,1-6 1

Prosa-Einleitung: Jahwe Israels Gott — Israel Jahwes Volk (wie 30,22) 2-3 Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk V. 2 Die Entronnenen fanden Gnade in der Wüste, sein Erbarmer Jahwe erschien ihm (Text unsicher), V. 3 Mit ewiger Liebe ... an mich gezogen in Gnade. 4—6 Wiederherstellung V. 4a Wiederaufbau, 4b das Volk soll wieder Feste feiern, 5 Wieder Weinberge und Acker pflanzen auf den Bergen Samarias, 6 Die Wächter rufen zur Prozession zum Zion auf.

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

D a s Wort hat die gleiche Zweiteilung: W i e d e r z u w e n d u n g u n d Wiederherstellung. V. 2 a b ist w o h l eine A n s p i e l u n g auf die R e t t u n g aus d e m Exil, V. 2b ist unsicher, V. 3 bringt Gottes W i e d e r z u w e n d u n g zu s e i n e m Volk z u m Ausdruck. V. 4—6, die Wiederherstellung (die aber mit V. 2 - 3 in k e i n e m deutlichen Z u s a m m e n h a n g steht) sind deutlich Teile eines auf Nordisrael b e z o g e n e n Heilswortes. Zu der Hypothese eines „Trostbüchleins", das Worte Jeremias an die aus Nordisrael Exilierten enthielt (zuerst P. Volz, dann von vielen übernommen): Eine Reihe von Heilsworten, die von Jeremia an die Adresse der Exilierten Nordisraels etwa 100 J a h re nach dem Zusammenbruch des Nordreiches ergingen, müßten sich massiv unterscheiden von Heilsworten der exilisch-nachexilischen Zeit, die i n j e r 30-33 gesammelt sind. Das ist nicht der Fall, abgesehen davon, daß einige dieser Worte eine an Nordisrael gerichtete Adresse erkennen lassen. In 30,18-22 kann, aber muß nicht, „Zelte Jakobs" Nordisrael bedeuten, und V. 18b wird von Stadt und Palast so geredet, daß Samaria gemeint sein könnte. Dagegen wird in V. 21 „ein Regent aus deiner Mitte" verheißen, was sonst an allen Stellen den König in Jerusalem meint. 31,1—6 spricht eindeutig von den Bergen Samarias. Der Prosa-Zusatz V. 1 weitet das auf „alle Geschlechter Israels" aus. Aber in V. 6 wird das Wiederkehren der Wallfahrten nach Jerusalem zum Zion verheißen. 31,15—22 spricht zu „Ephraim", das Wort setzt mit der Klage Raheis ein, der Stammutter der Nordstämme. Diesen Texten liegen (30,18-22 ist unsicher) an Nordisrael gerichtete Heilsworte zugrunde, die aber den anderen Worten der Sammlung stark angepaßt sind. Uber die näheren Umstände ihrer Herkunft können wir nichts sagen. Wie viele andere nordisraelitische Prophetenworte sind sie in J u d ä a tradiert worden. Von Jeremia können diese Worte kaum gesprochen sein; dagegen sprechen manche Gründe, vor allem, weil er dann nach dem Kriterium 28,9 hierin zu den falschen Propheten gehören würde. Dazu W. Rudolph, Kommentar, S. 174: „Die Exulanten des Nordreiches sind nicht zurückgekehrt, sondern spurlos verschwunden." D a z u k o m m e n die beiden Texte 3 2 , 3 7 - 4 4 u n d 3 3 , 1 - 1 3 , beide deuteronomistisch, ein A n h a n g an 3 0 - 3 3 (es folgt n o c h der N a c h t r a g 33,14—26), beide sind zweiteilig u n d sehr ausfuhrlich:

32,37-44 37 38 39-44

S a m m l u n g u n d R ü c k f ü h r u n g (nach d e m Gericht) Sie m e i n Volk - ich ihr Gott (44b ich w e n d e ihr G e schick) Wiederherstellung 3 7 b u n d lasse sie in Sicherheit w o h n e n 39 innere W a n d l u n g , d a ß sie m i c h furchten (und 4 0 b ) 4 0 a ich schließe einen e w i g e n B u n d mit ihnen 4 0 b ich w e r d e i h n e n m e i n e G ü t e dauernd erweisen (und 41a) 4 1 b ich w e r d e sie in dieses L a n d e i n p f l a n z e n . . .

Heilsworte im Buch Jeremia

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42-44a Paraphrase von 32,15 44b denn ich wende ihr Geschick, spricht Jahwe. Das ist eindeutig ein deuteronomistisches Heilswort, das in V. 37-41 traditionelle Heilsmotive übernimmt und zum Teil erweitert (die Erweiterung in V. 41b paßt nicht recht), und in V. 42-44 eine Paraphrase der Zeichenhandlung 32,1-36 mit der wörtlichen Wiedergabe des Heilswortes 32,15 anfügt. Das Wort ist zweiteilig: V. 37-38 Ankündigung der Sammlung und Rückführung; die Befreiung ist in der formelhaften Wendung V. 44b am Schluß angedeutet; V. 37-38(44b) schließt an die Gruppe 30,1-31,22 an. Der zweite Teil der Wiederherstellung V. 35-44 reiht wahllos Motive aneinander; so könnte ζ. Β. V. 37b „und ich lasse sie in Sicherheit wohnen" besser an V. 41b „und ich werde sie in dieses Land einpflanzen" anschließen. V. 39 erinnert an 31,31-34. Wenn der Deuteronomist in V. 42-44a 32,15 noch einmal wiederholt, zeigt er damit, daß er die Bedeutung dieser Worte Jeremias erkannte. Er hielt es für notwendig, das Wort unangetastet in der von ihm gestalteten Sammlung zu bewahren. 33,1-13 1-5 6-7a

Einleitung: die Situation Befreiung: Ich schaffe ihnen Heilung . . . Sicherheit ..., und ich wende das Geschick J u d a s und .. .Jerusalems" 7 b—13 Wiederherstellung 7b und baue sie wieder auf wie ehedem, 8 ich reinige sie von aller Verschuldung, 9 mir zum Ruhm . . . bei allen Völkern der Erde. Wenn sie ..., 10-11 Wiederaufbau, Wiederkehren von Fest und Freude, Bräutigam und Braut, das Singen: Preiset J a h w e . . . wenn sie Lobopfer bringen . . . denn ich will das Geschick des Landes wenden, so wie es früher war. 12-13 Wieder Aue für die Hirten, Schafe unter der Hand des Hirten . . . Das Wort zeigt deuteronomistische Sprache an vielen Stellen. Der erste Teil V. 6—7a kündigt die Befreiung an, aber umschrieben im Vergleich mit der Heilung und in der Phrase „Wendung des Geschickes" V. 7a, wiederholt V. IIb. Der Teil Wiederherstellung V. 7b—13 reiht deren Elemente aneinander, ohne daß man dabei einen Zusammenhang erkennen kann: Sicherheit und Frieden, Wiederaufbau (V. 10 und 12f.), Reinigen von Verschuldung, Gott zum Ruhm vor allen Völkern. In V. 10-13 geht die Ankündigung in dichterisch schöne Schilderung über. Zu der Gruppe Wiederzuwendung und Wiederherstellung gehören

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

außer den vier in Jer 30-33 an- oder eingefügten Texten einige Texte außerhalb dieser Sammlung: 3,14-18 3,11-18 ist ein deteronomistisches bzw. deuteronomistisch überarbeitetes Wort. 3,11-13 ist eine bedingte Heilsankündigung. Damit durch das Stichwort „Kehrt zurück!" verbunden ist die Heilsankündigung 3,14—18, die zwar nicht bedingt, aber auch deuteronomistisch bearbeitet ist, wie z.B.V. 17b. Das Wort ist zweiteilig: 14a.b Befreiung-15-18 Wiederherstellung. Die Ankündigung der Befreiung und Rückführung 14 wird am Schluß 18 zusammen mit der der Wiedervereinigung wiederholt, sie rahmt das ganze Wort. Der Teil Wiederherstellung reiht aneinander Verheißung eines „Hirten nach meinem Herzen" 15, Mehrungsverheißung 16a angedeutet, Gegenwart Gottes in Jerusalem, nicht mehr nur in der Lade 16b. 17a, Wallfahrt der Völker nach Jerusalem 17b, innere Erneuerung 17b, Wiedervereinigung, mit Hinweis auf die Landverheißung 18. 23,(1)3-4 (1-2 Wehe den Hirten) 3a 3b 4a 4b

„Ich werde den Rest meiner Schafe ... sammeln ... zurückfuhren da werden sie fruchtbar sein und sich mehren Ich werde sie Hirten anvertrauen, die sie wirklich weiden so daß sie sich nicht mehr zu fürchten brauchen ... und nicht mehr verloren gehen."

Auch dieses kurze Heilswort hat die beiden Teile Befreiung (nur Sammeln und Zurückführen genannt) und Wiederherstellung. Ihm vorauf geht ein Gerichtswort an die bösen Hirten. Die Wiederherstellung hat die Motive Verheißung der guten Hirten, Mehrung, Sicherheit, nie mehr Zerstreuung. In alledem liegt eine Variante zu Ez 34 vor. In 23,5-6 folgt eine Königsverheißung ohne den Vergleich mit dem Hirten. 50,4-8.17-20 V. 4—5a Ankündigung der Rückkehr, Frage nach dem Zion (Reue). 5b Umkehr zu einem ewigen Bund. 6-7 Rückblick auf die Leiden, den Abfall und das Gericht Gottes. 8 Aufforderung zur Flucht aus Babel. 18-19: Jahwes Eingreifen gegen Babel, Israels Rückkehr. 20: dann ist Israels Schuld vergeben.

Heilsworte im Buch Jeremia

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Dies ist ein später Zusatz zu einem Gerichtswort über Babylon. Es ist kein eigentliches Heilswort, sondern ein reflektierender Geschichtsrückblick, der die Motive des Heilswortes benutzt. Die Bedeutung dieses Textes liegt darin, daß er zeigt, wie fest geprägt diese Form des Heilswortes war. - Weitere kurze Anspielungen auf Heilsworte finden sich in Kap. 51. Zu den zweigliedrigen Heilsworten ist auch der Teil 23,5-7 der dtr Überarbeitung des Wortes von den zwei Feigenkörben 24,1-10 zu rechnen, ebenso auch 29,12-14. Zusammenfassung: Zweigliedrige Heilsworte A. Wiederzuwendung Gottes

Der erste Teil enthält in der Mehrzahl der Texte die Ankündigung der Wende des Geschickes Israels: 30,18-22; 31,1-6; dazu 30,22; 32,38; 3,14— 18. Der Unterschied zu den von der Ankündigung der Befreiung beherrschten Worten liegt darin, daß in jenen die Erinnerung an das Erlebnis der Befreiung noch hell nachklingt, während hier der Abstand größer ist. Die Wendung „das Geschick meines Volkes wenden" hat einen zeitlich weiteren Sinn. Daraus ist zu schließen, daß diese zweigliedrigen Heilsworte jünger sind als die von der Ankündigung der Befreiung beherrschten. Auch die Ankündigung der Befreiung, des Sammeins und Zurückfuhrens klingt mehrmals an: 32,27; 3,14; 23,3a; 50,4-8.17-20. Aber das ist auf die deuteronomistische Fassung zurückzufuhren, die sehr ausführlich ist und die ihr vorliegenden Heilsworte erweitert. B. Wiederherstellung

Bei der Ankündigung der Wiederherstellung ist der Grundton: Es soll wieder so werden wie es früher einmal war (33,7b); in einem mehrfach begegnenden Vergleich: Die Wunden sollen wieder heil werden (33,6; 30,17a). Das heißt, die Ankündigung zielt nicht auf eine überhöhte Heilszeit, nicht auf einen Idealzustand, nicht auf irgendeine Art von Vollkommenheit, sondern einfach auf das Wiederheilwerden nach der Zerstörung, Verlust, Leiden, Gefangenschaft. Darin ist es auch begründet, daß keinerlei Vollständigkeit in der Beschreibung der Wiederherstellung eines Zustandes beabsichtigt ist; vielmehr wird in den Ankündigungen nur das genannt, dessen Fehlen in der Notzeit besonders empfunden wird. Dafür bedarf es auch nicht einer systematischen Ordnung. Einmal wird dies, einmal wird das genannt in einer durchaus offenen und freien Reihenfolge. Die Wiederherstellung beginnt mit dem Wiederaufbau der Städte und der Häuser, 30,18b; 31,4a; (hier wie dort das Erste) 33,7b. 10; 24,6b, dazu

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

die Kultivierung der Äcker und der Weinberge 31,5. Dabei kann der Segen nicht fehlen und die Mehrung des Volkes, 30,19b; 32,42-44; 33,1213; 3,16; 23,3b; 50,19b. Ein besonderes Gewicht erhält dabei das Leben in Sicherheit, 30,20a; 32,7b „und lasse sie in Sicherheit wohnen", 32,41b; 33,6b; 23,4b. Nur in solcher Sicherheit kann man sich seines Lebesn wiederfreuen, 30,19a, kann man wieder Feste feiern, 31,4b; 33,10-11. Vor allem aber wird die Wechselbeziehung zwischen Gott und Volk wieder heil sein, 30,20a „sie sollen mir wert sein wie früher"; ihr mein Volk - ich euer Gott, 30,22; 32,38; 24,7a in einem ewigen Bund, 32,40a. Denn Gott hat seinem Volk vergeben, 33,8; 50,20; er wird ihnen seine Güte dauernd erweisen, 32,40b; ihr mein Volk-ich euer Gott (s.o.). Er wird sie erhören, wenn sie ihn anrufen, 24,7a. Sie sollen ihm zum Ruhm dienen bei allen Völkern der Erde, 33,9. Auf der anderen Seite werden die Israeliten eine innere Wandlung erfahren: „daß sie mich erkennen können" 24,7a, sie werden sich von ganzem Herzen zu ihm bekehren, 24,7b, sie werden ihn wieder furchten, 32,39.40. Die Gottesdienste werden wieder hergestellt; 31,6: Die Wächter rufen zur Prozession zum Zion auf; sie singen wieder „Lobet Jahwe!", wenn sie Lobopfer bringen, sowie es früher war. 3,16-17: Die Bundeslade ist dann nicht mehr nötig, man wird Jerusalem den Thron Jahwes nennen und alle Völker werden dahin wallfahren. Dann wird ein Herrscher aus ihrer Mitte erstehen, der Jahwe nahen soll, 30,21; er wird sie Hirten anvertrauen, die sie wirklich weiden, 23,4. Alle Völker werden nach Jerusalem wallfahren, 3,17.

III. Zusätze zu Völkersprüchen in Kapitel 46-51 48,47 „Doch ich will das Geschick Moabs wenden am Ende der Zeiten." Fast ebenso, gerichtet an Amon 49,6, Elam 49,39, mit etwas anderen Worten an Ägypten 46,26. Diese Gruppe von fast gleichen Zusätzen gehört in den Zusammenhang einer späten universalistischen Richtung, die sich auch in Jes 19,19-25 zeigt. Das Gericht über die Völker soll nicht das letzte Wort Jahwes als des Herrn der Geschichte über diese Völker sein. Auch für sie wird einmal eine Wende kommen.

IV. Heilsworte in Berichten Vorausgesetzt ist hier, was zu den Heilsworten in Berichten im Jesajabuch gesagt wurde. Mit Jer 31,38-40 ist die Sammlung 31,23-40 abge-

Heilsworte im Buchjeremia

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schlossen; aber ein Redaktor hat an dieser Stelle den Bericht über den Ackerkauf (mit Erweiterungen) eingefügt in dem richtigen Empfinden, daß das Heilswort in der Mitte des Berichtes, 32,15, zu dieser Gruppe von Heilsworten gehört oder ihnen wenigstens nahesteht. Der Redaktor hält diese Ankündigung aus dem Munde Jeremias für so wichtig, daß er sie wörtlich an das Ende der Teilsammlung stellt. Er weiß aber auch, daß für ihr Verständnis der Bericht notwendige Voraussetzung ist. 32,15

„Denn so spricht Jahwe Zebaoth, der Gott Israels: Man wird noch einmal Häuser und Acker und Weinberge kaufen in diesem Land."

Zu der Bedeutung dieses Heilswortes im Munde Jeremias W. Thiel, a.a.O., S. 31: „In 32,6b—15 liegt der älteste Bestandteil des Kapitels vor, ein authentischer Selbstbericht. Der Prophet berichtet... Es ist ein sehr karges und nüchternes Heilswort, das die Handlung deutet. Seine Aussage: Das normale Leben im Lande wird weitergehen; es ist aber unter der Perspektive der bevorstehenden Vernichtung eine echte Verheißung." Dem stimme ich zu; es muß aber etwas zum Verständnis des Wortes Wesentliches hinzugefügt werden. Es ist ein Heilswort; aber es ist keine Ankündigung der Rettung wie all die Worte der Gruppe 30,1-31,22. Die Bezeichnung „Heilsankündigung" umfaßt Rettung und Segen; oft wird eine Ankündigung der Rettung durch eine Segensverheißung erweitert. Hier aber ist es nur eine Segensverheißung. Der Prophet hat in dieser Stunde nicht den Auftrag, nicht die Vollmacht, die Rettung der Stadt von den Belagerern anzukündigen so wie Jesaja in Jes 7. Das normale Leben im Land wird weitergehen; aber in einem Land und in einer Stadt, die von den Feinden erobert sind. Kapitel 29: Der Brief Im gleichen Sinn schreibt Jeremia Kap. 29 an die Exulanten in Babylon gegen dort wirkende falsche Propheten, die die baldige Vernichtung der Feinde ankündigen. Hier wie dort verheißt der Prophet im Namen Jahwes nicht die Rettung durch baldige Vernichtung der Feinde, wie es die falschen Propheten V. 8-9 tun: 15

, J a , ihr sagt: Jahwe hat uns Propheten in Babel erweckt

8

Aber so spricht Jahwe . . l a ß t euch nicht täuschen durch eure Propheten, die unter euch weilen ... und hört nicht auf ihre Träume, die sie träumen! Denn sie lügen euch vor in meinem Namen zu weissagen, Ich aber habe sie nicht gesandt, spricht Jahwe."

9

124

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Der Prophet verheißt hier wie dort nur, daß das Segenswirken Gottes bei und an den Exilierten weitergehen wird. Es soll ihnen genügen, daß Gott Gedanken des Heils (sälöm) und nicht des Unheils mit ihnen hat. Die Redaktion fugt in V. 10 ein Datum hinzu, das zu geben Jeremia damals keine Vollmacht hatte und das der Deuteronomist ex eventu spricht (V. 12f. schließt an V. 10 an). Dann erst, „wenn volle 7 J a h r e für Babel abgelaufen sind ...", werden sie befreit und können sie zurückkehren. Und es ist eigentlich - entgegen unserem zu engen Verständnis von „historisch" und „unhistorisch" - voll verständlich, wenn der Deuteronomist hier die Heilsworte anfugt, die zwar Jeremia damals nicht gesprochen haben kann, die aber den Heilsworten der exilisch-nachexilischen Zeit entsprechen. 12f. 14

„Dann, wenn ihr mich anruft ... erhören ... sucht ... finden ... Und ich werde euer Schicksal wenden und euch sammeln aus allen Völkern ... von allen Orten und euch an die Stätte zurückführen, von der ich euch verbannt habe."

In dem Brief, den Jeremia an die Exulanten schrieb, hat er das nicht gesagt. Damals war die Ankündigung einer schnellen Rettung durch die Vernichtung der Babylonier falsche Prophetie (V. 8-9). Was Jeremia damals den Exilierten ankündigen konnte, sagt V. 5-7.11: V. 5f. Baut Häuser ... pflanzt Gärten ... nehmt Frauen ... mehrt euch ..., V. 7 Bemüht euch um die Wohlfahrt des Landes ... V. 11 Denn ich weiß wohl, was fur Gedanken ... Gedanken des Heils ... Selten wird so klar wie in dieser deuteronomistischen Fassung des Briefes Jeremias an die Exilierten, daß eine Verheißung oder Heilsankündigung niemals allein von ihrem Inhalt her verstanden werden kann; nur zusammen mit der Situation, aus der heraus und in die hinein sie ergeht, erhält sie ihren Sinn. Die deuteronomistische Fassung der Verheißung in V. 12-14 aber beweist, daß die Gruppe der Heilsworte, wie sie hier in V. 12-14 zitiert wird, erst nach dem Zusammenbruch in der exilisch-nachexilischen Zeit entstanden sein können.

24,1-10: Die zwei Feigenkörbe 1-2 J a h w e läßt Jeremia ein Gesicht sehen: zwei Feigenkörbe 3—4 Er fragt Jeremia: Was siehst du? Einleitung der Antwort Jahwes 5-10 Deutung Jahwes in V. 5-7 und 8-10: 5-6a die guten Feigen: Zuwendung Jahwes und Rückführung; 6b— 7

Heils worte im Buch Jeremia

8-10

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Wiederherstellung, 6b Wiederaufbau und Einpflanzen, 7a Innere Wandlung: daß sie mich erkennen können; Sie mein Volk — ich ihr Gott, 7b Sie werden sich von ganzem Herzen zu mir bekehren die schlechten Feigen: Gerichtswort über Zedekia und die noch Übrigen.

24,1-10 ist ein Visionsbericht, entsprechend dem in Kap. 1. Auf die Frage V. 3 mußte eine Antwort Jeremias und darauf ein kurzes Deutewort Jahwes folgen. An deren Stelle ist die deuteronomistische Überarbeitung getreten. Ursprünglich war die Gottesantwort ein Gerichtswort über Zedekia und die in Jerusalem noch Übrigen. Sie ist, wenn auch deuteronomistisch überarbeitet, in V. 8 - 1 0 noch erhalten. Eine Deutung des Korbes mit den guten Feigen war dann eigentlich nicht nötig; sie war vielleicht ein ganz kurzer, andeutender Hinweis auf die Exilierten und ihr Schicksal. An ihre Stelle hat der Deuteronomist in V. 5 - 7 ein vollständiges Heilswort gesetzt, das Satz für Satz den exilisch-nachexilischen Heilsankündigungen entspricht, und zwar der Gruppe der zweigliedrigen Heilsworte: Wiederzuwendung (5-6a) und Wiederherstellung (V. 6 b - 7 ) , mit den Motiven Wiederaufbau und Einpflanzen (6b), innere Wandlung (V. 7a), die Formel ,mein Volk - ihr Gott' (7a). Der Text zeigt, wie fest diese Form des Heilswortes war, daß sie vom Deuteronomisten eingebaut werden konnte; vgl. auch 27,11. Heilsworte an Einzelne in Berichten J e r 39,15-18: Ebed-Melek; 45,1-5: Baruk Dem Ebed-Melek, der ihn aus der Grube gerettet hat, ebenso seinem Gefährten Baruk 45,1-5 kündigt Jeremia an, daß sie mit ihrem Leben davonkommen werden. In beiden Fällen ist es eine Ankündigung der Rettung, aus der Situation heraus formuliert, in die hinein sie ergeht (wie J e s 38,5). 35,19: J o n a d a b ben Rekab Bei dem Vergleich des untreuen Volkes mit den treuen Rekabitern verheißt Jeremia diesen: „...so soll es Jonadab, dem Sohn Rekabs, für alle Zeiten nie an einem fehlen, der dienend vor mich trete." 28,1-4: Heils wort Chananjas Es wird hier genannt, weil es auch ein Heilswort im Zusammenhang eines Berichtes ist; V. 1 Einleitung mit Datierung. V. 2 „So spricht J a h w e Zebaoth, der Gott Israels: Ich zerbreche das J o c h des Königs von Babel.

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

V. 3 Noch vor Ablauf von zwei Jahren: ... Geräte des Hauses Jahwes an diesen Ort zurück; V. 4 ich bringe Jechonja mit allen Gefangenen zurück, denn ich zerbreche das Joch des Königs von Babel." Chananja kündigt den nach 597 in Jerusalem Gebliebenen als ein von Jahwe ergangenes Wort an, daß noch vor Ablauf von zwei Jahren Nebukadnezar geschlagen werde und die Tempelgeräte, der König und die Gefangenen nach Jerusalem zurückkämen. Jeremia tritt ihm entgegen und bestreitet, daß diese Ankündigung von Jahwe ergangen sei. Nach zwei Jahren war erwiesen, daß Chananja ein falscher Prophet war. Dabei ist zu beachten, daß die Struktur des Chananjawortes der der späteren zweiseitigen Ankündigung entspricht: Vernichtung der Feinde - Heil fur Israel. Es ist ebenfalls zu beachten, daß bei den in Babylon Gefangenen Propheten mit der gleichen Botschaft aufgetreten sind, Kap. 29. Auch diese erwiesen sich als falsche Propheten.

V. Zusammenfassung der Motive A. Motive der Wiederzuwendung

und Befreiung

Es sind Motive meist aus der Sammlung 30,1-31,22. Hier folgen aufeinander: die Vorgeschichte: Gottes früheres Heilshandeln, Israels Abfall, Gericht über Israel, Klage. Die Heilsankündigung: Wiederzuwendung Gottes, Befreiung-Sammlung-Zurückführung, dazu in wenigen Texten ein Satz der Wiederherstellung, die aber nicht notwendig zu dieser Geschehensfolge gehört. Gottes früheres Heilshandeln (nur in deuteronomistischen Texten): 3,19: „Ich hatte doch gedacht, wie wollte ich dich gleich einem Sohn halten . . . " Verweis auf Verheiß u n g und G a b e des Landes 30,3; 3,19; 7,7. Israels Abfall: 30,15 (deuteronomistisch), „wegen der Größe deiner Schuld . . . " ; 31,18b „ wie ein ungezähmtes Rind". Gottes Gericht über Israel: 30,14b: „Denn wie ein Feind schlägt, habe ich dich geschlagen . . . " ; 30,5-7a; 30,11; 31,10; 31,18b: „du hast mich g e z ü c h t i g t . . . " Klage: 30,12-15: „Warum schreist d u über deinen Wunden ...?" 30,5-7, angedeutet; 31,9: „ I n Tränen zogen sie aus . . . " ; 31,13b: „Ich wandle ihre Trauer in J u b e l . . . " ; 31,15-16: „Horch! in R a m a hört m a n Klagen ...!", V. 16a: „Wehre deiner Stimme das Weinen, deinen Augen die Tränen . . . " WiederZuwendung Gottes (Vergebung): 30,18: „ . . . und erbarme mich ihrer Wohnungen . . . " ; 31,1; 31,2: „ G n a d e fand in der Wüste das Volk der dem Schwert Entronnenen . . . " ; 31,20: „deshalb schlägt ihm mein Herz entgegen, ich m u ß mich seiner erbarmen", dazu 31,16a.17a. Befreiung, Sammlung, Zurückführung: 31,7-9: „Gerettet hat J a h w e sein Volk, den Rest Israels. Siehe ich bringe sie herbei aus dem Land des Nordens und hol sie zusammen aus den fernen Winkeln der Erde. In Tränen zogen sie aus, mit Tröstung geleite ich sie

Heilsworte im Buch Jeremia

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heim ...; V. 10 denn ich will dich erretten aus fernem Land ... und J a k o b soll heimkehren und ruhig wohnen . . . " . Dazu 30,3; 30,7.8; 30,17; 31,10-12; 31,16b.17b.21; 32,37; 33,6; 30,18; 31,2. Form der Heilszusage und des Lobliedes: 30,10-11: „Du aber sei getrost, mein Knecht Jakob; denn ich bin mit dir. Ich w i l l . . . " Dazu 31,7-9. Die Nähe zu Deuterojesaja zeigt sich auch sonst auf vielerlei Weise. Wendung des Geschickes: 30,1-3; 30,18—21(22); 32,44; 33,7. Wiederherstellung nur selten: 30,10; 30,3; 30,9; 31,12-14: Segen.

B. Motive der Wiederzuwendung

und

Wiederherstellung

Die andere Gruppe von Heilsworten ist bestimmt von der Ankündigung bzw. Schilderung der Wiederherstellung, des Heilshandelns Gottes an seinem Volk nach der Rückkehr. Die Geschehensfolge Befreiung-Sammlung-Rückkehr fallt hier weg (mit einigen Ausnahmen), an die Stelle dieses einmaligen rettenden Eingreifens tritt die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk. Die Wiederherstellung stellt einzelne Motive des Heils nebeneinander. Wiederaufbau, Wiederkultivierung, Wiederinbesitznahme: Das erste, was nach der Rückkehr ein heiles Leben ermöglicht: dem Zusammenbruch entspricht der Wiederaufbau, der Zerstörung die Wiederkultivierung. Hausbau, Bau der Stadt und des Tempels, Kultivierung der Acker und Weinberge, das alles ist notwendig fur ein heiles Leben. Und es ist dem Wirken Gottes zugeordnet, der einreißt und aufbaut. 30,18: Die Stadt soll wieder aufgebaut werden auf ihrem Hügel ...; 31,4: Noch einmal will ich dich aufbauen, du sollst aufgebaut werden, J u n g f r a u Israel! 31,5: Du wirst wieder Weingärten pflanzen auf den Bergen Samarias, die die Pflanzung pflanzen, werden jubeln! 33,10-11.12-13. 33,7: und baue sie wieder auf wie ehedem; dazu 24,6; 50,19; 31,38-40. Wiederinbesitznehmen 30,3. Wiederherstellung der Ehre: 30,19: „ U n d ich will sie zu Ehren bringen, daß man sie nicht mehr verachtet." Segen und Mehrung: Zum heilen Leben gehört das Wachsen einer Gemeinschaft, dazu wiederum der Lebensunterhalt, Nahrung, Kleidung. Zur Heilsankündigung gehört deshalb die Verheißung des Segens, wie das auch die Verkündigung Deuterojesajas zeigt. So gehört auch der Bereich der Natur, das Wachsen, Reifen und Fruchttragen zum Heil, zum heilen Leben. 31,23-26 „ M a n wird wieder... dieses Wort sagen: J a h w e segne dich, du Aue des Heils, du heiliger Berg! . . . V. 27-28 da werde ich über das Haus ... Saat und Menschen und Vieh säen ..."; 31,12-14 „Sie kommen u n d j u b e l n auf Zions Höhen und strömen hin zum Segen Jahwes über Getreide, über Most und Öl und über diejungen Schafe und Rinder", dazu 29,4-7; 32,15; 32,42; 30,19; 33,1213; 3,16: 23,3. Fest, Freude, Gesang: So gehört a u c h die Freude, die kreatürliche Lebensfreude z u m Heil, d a s Singen u n d d a s T a n z e n , die Feste u n d Prozessionen, Lobopfer 30,19 u n d L o b soll in ihnen erschallen, u n d J u b e l fröhlicher M e n s c h e n . 31,4f. „ S c h m ü c k e dich mit deinen H a n d p a u k e n , zieh aus z u m Reigen Fröhlicher . . . Die die Pflanzung pflanzen, werden j u b e l n . " 33,11 „ d a soll m a n wieder v e r n e h m e n F r e u d e n - u n d Wonnerufe, den J u b e l des B r ä u t i g a m s u n d der Braut, das Singen derer, die d a rufen: Preiset J a h w e , d e n n gütig ist er, d e n n ewig w ä h r t seine Huld!, wenn sie Lobopfer in das H a u s J a h w e s b r i n g e n . " U n d 31,12.

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Wiederherstellung des heilen Gottesverhältnisses: Ganz selbstverständlich gehört zum Heil ein heiles Gottesverhältnis, das auch die Vergebung einschließt. In dieser G r u p p e ist nicht an Gottes Befreiungstat und den J u b e l der Befreiten gedacht, sondern an das im heilen Leben weitergehende, bleibende Gottesverhältnis. Häufig wird dafür die „Bundesformel" gebraucht: „Ich will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein" 31,1 u.ö. Heil kann nicht in statischen BegrifTen beschrieben werden, es ist ein Wechselverhältnis; es geschieht hier etwas von Gott her zu seinem Volk und umgekehrt, auch 24,7; 31,31-34. 32,40f. „Ich will einen ewigen Bund mit ihnen schließen, und nicht mehr aufhören, ihnen meine Güte zu erweisen ..."; 50,5 „Kommt, wir wollen uns zu J a h w e halten in einem ewigen Bund . . . " 7,23; 30,22 „Ihre Söhne werden mir wieder sein wie ehedem"; 32,38,41; 33,8f.; 31,34; 30,9; 31,9; 31,29f. Gottes Gegenwart in Jerusalem: 3,16 f. „ . . . d a n n wird m a n nicht mehr sagen: Wo ist die Bundeslade J a h w e s . . . in jener Zeit wird m a n Jerusalem „den T h r o n J a h w e s nennen." 7,3 deuteronomistisch: „dann will ich mit euch wohnen an diesem O r t " , ebenso V. 7. Innere Wandlung: Zur Gottesbeziehung gehört die Ankündigung einer inneren Wandlung bei den Menschen, die eine heile Gottesbeziehung ermöglichen soll. 32,39 „Ich verleihe ihnen einen anderen Sinn und einen anderen Wandel, so d a ß sie mich jederzeit furchten zu ihrem eigenen Wohl und dem ihrer Kinder nach ihnen"; 24,7 „ U n d ich schenke ihnen ein Herz, mit dem sie mich erkennen, d a ß ich J a h w e bin, und sie werden mein Volk . . . ich ihr Gott sein", ähnlich 32,40. 31,31-34. Bestehenbleiben, Sicherheit: Bezeichnend ist, wie oft und in wie starken Worten fur eine heile Zukunft Sicherheit, Bleiben, Bestand angekündigt oder erwartet wird. Hier spricht die Erfahrung von J a h r h u n d e r t e n und eine deutlich zur Sprache kommende Zukunftsangst. 30,20 „ihre Gemeinde soll festen Bestand haben vor mir"; 32,37 „ . . . und lasse sie in Sicherheit wohnen"; 33,6 Sicherheit und Frieden in Fülle; dazu 31,2. 23,4 „so d a ß sie nichts mehr zu furchten und vor nichts mehr zu erschrecken brauchen"; 31,35-37. Ahnlich starke Ausdrücke gebrauchen 32,40f.; 17,24f.; 31,38-40; 33,14-26. Der König der Heilszeit: Bezeichnend für das, was hier als Heil angekündigt wird, ist das Fehlen politischer Ankündigungen oder Erwartungen. Es läge nahe, die Ankündigung eines Königs der Heilszeit als eine politische Ankündigung zu hören. Aber das ist sie nicht. Es ist nämlich nicht ein König gemeint, der seinem Reich M a c h t und Größe verschafft, nicht ein König „mächtig im Streit", der seine Feinde besiegt und deren Völker unterwirft, auch nicht ein König in Pracht und Majestät - das alles kommt in den Texten nicht vor. Es ist vielmehr ein König, „der Recht und Gerechtigkeit ü b t " (und zwar, weil er König ist, in Stetigkeit), der Sicherheit und Wohlfahrt im Land garantiert, der König als Segensmittler. 3,15 „ U n d ich gebe euch Hirten nach eurem Herzen, die euch mit Einsicht und Weisheit weiden werden" ähnlich 23,4. 23,5-6 „Siehe, es kommen Tage, spricht J a h w e , in denen ich dem David einen gerechten Spross werde erstehen lassen, der wird als König herrschen und weise walten und für Ruhe und Gerechtigkeit im Lande sorgen in seinen Tagen und J u d a Heil erfahren und Israel in Sicherheit wohnen. U n d das ist sein Name, den man ihm geben wird: J a h w e , unser Heil." 30,21, dazu 30,9 und 17,25; 33,14-26.

Heilsworte im Buch Ezechiel

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Herzukommen der Völker: Diesem starken Wandel der Königsvorstellung gegenüber der Frühzeit entspricht, daß andere Völker nicht mehr besiegt und unterdrückt werden sollen, sondern aus eigenem Entschluß sich an Israel anschließen. 3,17 „und alle Völker werden sich dahin begeben, zum Namen Jahwes"; 16,19 „zu dir werden Völker kommen von den Enden der Erde ..." 4,2 (deuteronomistisch): „dann werden in dir die Völker sich segnen, sich rühmen in dir." Wiedervereinigung: 3,18 „In jenen Tagen werden das Haus Juda und das Haus Israel zusammengehen, und sie werden gemeinsam aus dem Nordland in das Land ziehen, das ich euren Vätern als Erbe gegeben habe." Wenn hier die Wiedervereinigung von Juda und Nordisrael angekündigt wird, so ist das nicht unter politischem, sondern unter religiösem Aspekt gesehen: Wie früher ist es dann wieder die Geschichte Gottes mit einem, dem Gesamtvolk.

H E I L S W O R T E IM B U C H E Z E C H I E L

Nach dem Schema der Redaktion prophetischer Bücher folgen im Buch Ezechiel auf die Gerichtsworte gegen Israel K a p . 1—24, Gerichtsworte über die Völker K a p . 25-32, Heilsworte K a p . 33-37(39), zu denen mit Vorbehalt auch K a p . 40-48 gehören. In 33-37 sind es die Texte 34,1-31, Hirt und Herde; 36,1-15, an die Berge Israels; 36,17-37, Reinigung; 37,114, Totengebeine; 37,15-28, Wiedervereinigung. K a p . 33, Wächteramt, gehört nur insofern dazu, als es die bedingte Heilsankündigung begründet; 38-39 ist nur im Schlußteil 39,21-29 Heilsankündigung, und 40-48 gehört nur in dem einen Zug dazu, daß das Motiv Wiederaufbau der Stadt und des Tempels als eines der Motive der Heilsankündigung dem Ganzen von 40-48 zugrundeliegt. In dem Teil K a p . 1-24 begegnen einige verstreute Heilsworte: 11,14— 21; 14,21-23; 16,53-63; 17,22-24; 18,1-32, bedingte Verheißung; 20,3444. In den Völkersprüchen K a p . 25-32 die Anhänge 28,24-26; 29,21. Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Heilsworte bei Ezechiel in der Sammlung 33-37(39) durch die Länge von denen in den anderen Prophetenbüchern, dem ausführlichen Stil des Propheten Ezechiel entsprechend. Hinzu kommt die auffällige Benutzung von Vergleichen, auch dies typisch für Ezechiel.

I. Die Sammlung Kapitel 34—37 (38-39; 40-48) 34,11-31 In Ez 34 ist eine Gerichts- (V. 1-10) mit einer Heilsankündigung (V. 11-31) verbunden; die Verbindung wird durch den Vergleich mit Hirt

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

und Herde bewirkt (hierzu C. Westermann, Vergleiche und Gleichnisse im Alten und Neuen Testament, 1984). Einer Anklage V. 1—6 und Gerichtsankündigung V. 7-10 gegen die bösen Hirten folgt eine Heilsankündigung an die guten Hirten V. 11-31. Sie ist zu einem breiten Gedicht mit vielen Wiederholungen darin ausgebaut. Die Teile folgen aufeinander, ohne daß man einen Zusammenhang zwischen ihnen erkennt. Während 34,1-10 zu dem festen Motiv der Anklage gegen die Führenden bei den Gerichtspropheten gehört und dort auch mehrfach der Vergleich mit Hirt und Herde begegnet, weicht die Heilsankündigung V. 11-31 darin von dem Vergleich ab, daß nicht den Führenden, denen in V. 1-10 das Gericht Gottes angekündigt wurde, jetzt Heil verheißen wird, vielmehr im wesentlichen Israel, und den bösen Hirten wird für die Zukunft zunächst Jahwe selbst als der gute Hirte gegenübergestellt. Erst in V. 23-24 wird als der Hirt ein Heilskönig angekündigt; einmal also ist der gute Hirt Jahwe, einmal ist es der Heilskönig. Nur V. l l b - 1 6 ist fest mit V. 1-10 verbunden. Es ist eine in sich geschlossene Ankündigung der Befreiung mit der Reihe BefreiungSammlung-Zurückbringen und dem Rückblick auf Gottes Gericht. V. 17-22 ist ein abschweifender Anhang zu V. 16. V. 23-30 gehört zu dem Teil Wiederherstellung, in dem die Motive Heilsbund, Sicherheit, Segen aneinandergereiht sind, unorganisch und mit mehreren Wiederholungen. Unmotiviert dazwischen in V. 21b eine Wiederholung der Ankündigung der Befreiung. Weil in V. 23-30 der Vergleich mit Hirt und Herde nicht durchgehalten wurde, wird er in V. 31 künstlich damit verknüpft. V. l l b - 1 6 ist offenkundig fast Satz für Satz von einer dem Ezechiel vorgegebenen Tradition bestimmt: von den Heilsworten der Gruppe Befreiung-Sammlung-Rückführung. V. I I b ist die Uberleitung vom ersten Teil V. 1-10, die im Vergleich bleibt. Es ist das Motiv der Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk, die das Gericht ablöst: „... wohin sie in dunklen finsteren Tagen verstreut wurden." Darauf folgt die so oft begegnende Reihe der Verben: ich will sie befreien-sammeln-zurückbringen (heimholen) V. 12-13. Dem Vergleich entsprechend gehört das Ziel dazu, daß der gute Hirte seine Schafe auf eine gute Weide führt, V. 13-15. Der Tradition gehört ebenfalls an, daß auch die Schwachen und Kranken zurückgebracht werden, V. 16; dabei ist für den Stil Ezechiels typisch, daß er assoziierend ergänzt: die Starken müssen anders behandelt werden als die Schwachen V. 16b. Eine Ergänzung fuhrt in V. 17-22 breit aus: „Ich will richten zwischen den Starken und den Schwachen." Was in V. 23—30 folgt, gehört nicht zur Befreiung, sondern zur Wiederherstellung. In V. 23—24 folgt unvermittelt die Ankündigung eines Heilskönigs. Gott, der bisher der Hirt war, wird über sie einen einzigen Hirten bestellen, der sie weiden soll, in V. 23 König David, in V. 24 „mein Fürst David".

Heilsworte im Buch Ezechiel

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In V. 25-30 wird ein Heilsbund angekündigt, den Gott mit seinem Volk schließen will. Der Vergleich mit Hirt und Herde ist hier ganz verlassen. Es sind von diesem Vergleich unabhängige Heilsmotive, die ohne erkennbaren Zusammenhang aneinandergereiht werden. Gott will einen Heilsbund (beritsälöm) mit seinem Volk schließen, d. h. er will sich verpflichten, ihnen Heil zu schaffen. Das Heil wird durch seinen Segen bewirkt, der Regen und Fruchtbarkeit schafft, V. 26-27a, eine „reich gesegnete Pflanzung" V. 29, daß sie keinen Hunger mehr leiden müssen. Dazu will er sie vor wilden Tieren, V. 26b.28b, vor Feinden V. 27b.28, schützen, daß sie sicher wohnen und sie niemand aufschreckt V. 25b.28b. Diese Motive stehen ungeordnet durcheinander mit mehreren Wiederholungen und mittendrin eine unmotivierte Erinnerung an die Befreiung (Ende V. 27). Dazu kommt die hier und da eingestreute Erkenntnisformel. Der Abschluß V. 31 soll V. 25-30 mit dem Hirtenvergleich im ersten Teil verklammern, dazu dient das formelhafte „ihr mein Volk — ich euer Gott." 36,1-15: Wort über die Berge Israels Das Heilswort über die Berge Israels, Gegenstück zu dem Gerichtswort über die Berge Israels Kap. 6, beginnt erst in V. 8, voran geht ein im Aufbau sehr verworrenes Gerichtswort über die umliegenden Völker V. 1-7, eine Erweiterung der Einleitung des Heilswortes. Das Heilswort ist zusammengesetzt aus bekannten Motiven, die ungegliedert aneinandergereiht sind. Angekündigt wird, daß Gott sich seinem Volk wieder zuwenden V. 9 und es zurückbringen wird V. 8b. Gott wird das Land mit Fruchtbarkeit segnen V. 8: „Ihr sollt eure Zweige sprossen lassen und eure Früchte tragen für mein Volk Israel", Menschen und Vieh werden sich mehren 10a. 11 a, Gott wird seinem Volk Gutes tun IIb. Das Land soll bebaut und angesät, die Städte bewohnt, die Ruinen wieder aufgebaut werden 9 und 10.11, das Land soll wieder von Menschen belebt sein, die das Land in Besitz nehmen 12.13. Die Schande vor den Völkern soll beseitigt werden 15. Diese Motive sind mechanisch aneinandergereiht, mit Wiederholungen, ohne sinnvollen Zusammenhang. Typisch dafür ist, daß die Rückkehr des Volkes 8 der Wiederzuwendung Gottes 9 voraufgeht. Das ist wieder ein sicheres Anzeichen dafür, daß dies ein spät gefügtes Heilswort ist, das die einzelnen Motive (alle, ohne Ausnahme) schon voraussetzt. Der weite Abstand zu Deuterojesaja ist unverkennbar. 36,1-15 ist ein zweigliedriges Heilswort. Den ersten Teil bildet die Wiederzuwendung Gottes 9a und die Ankündigung der Rückkehr 8b, den zweiten Teil die Wiederherstellung mit den Motiven (übersichtlich geordnet): Wiederaufbau der Städte und Ruinen 10b, bewohnt wie früher IIb; Bebauen und Besäen des Landes 9b; das Land wieder bewohnt und in Besitz genommen 1 lb. 12a. Segen und Mehrung für Menschen und Vieh

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

8a.10a.lla, nicht mehr kinderlos 12b.13.14, Wiederherstellen der Ehre 15. 36,16-37 (Reinigung) 17—20 21—23 24 25-27.29.33 28 33b-35 37.29f.30

36(23)

Verunreinigung Israels und Gottes Gericht Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk Befreiung, Sammlung und Zurückfuhrung Reinigung und neues Herz Wiederherstellung: Wiederbewohnen des von Gott gegebenen Landes Wiederaufbau der Städte und Häuser Segen und Mehrung 3 7 f. Mehrung der Mens chen 29 f. Mehrung des Getreides und der Baumfrüchte Die Völker sollen die Taten Gottes an seinem Volk anerkennen.

Das Heilswort ist von einem priesterlich-kultischen Denken geprägt. Diese Prägung läßt sich leicht von dem traditionellen Heilswort abheben. Zu diesem gehört: Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk 21—23, Befreiung, Sammlung und Zurückfuhrung 24, Wiederherstellung 28.33— 35.37.29f.36(23). Die priesterlich-kultische Prägung ist bestimmt von dem einen Motiv Reinigung. Von der priesterlichen Theologie ist schon V. 21—23 umgestaltet. In den älteren Heilsworten ist das Motiv der Wiederzuwendung Gottes einfach das Erbarmen mit seinem leidenden Volk. Das ist hier bewußt geändert, Gott tut es nicht leid um sein Volk, sondern um seinen heiligen Namen; denn die Israeliten haben ihm unter den Völkern Schande gemacht. Daß er sein Volk befreit, geschieht „nicht euretwegen, sondern um meines heiligen Namens willen." Hier hat eine spätere Theologie die einfache Heilsankündigung abgewandelt. Der Autor hat nicht empfunden, daß er Gottes Erbarmen mit seinem Volk als Motiv fur die Wiederzuwendung abschwächt mit dem Satz „nicht euretwegen, sondern . . . " Auch liegt das Gewicht nicht mehr auf der Befreiung und Rückführung als solcher, sondern ganz auf der Reinigung. V. 25—27 stellen die Reinigung und innere Umwandlung in den Mittelpunkt; sie dient dazu, daß das Volk die Gesetze Gottes befolgt. In V. 29 und 33 klingt die Reinigung noch einmal nach und V. 31—32 unterstreichen noch einmal stark die notwendige Buße des Volkes: „ihr werdet vor euch selbst Ekel empfinden wegen eurer Verschuldung und wegen eurer Greuel ... Schämt euch und errötet über euren Wandel, ihr vom Hause Israel!" Diese starke Betonung der Reinigung findet sich ebenso im Priestergesetz, z.B. Lev 18,24—30, und die schroffe Mahnung zur Buße weist auf die Wandlung der Klagebegehung zum Bußgottesdienst in der Zeit Esra-

Heilsworte im Buch Ezechiel

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Nehemias. Dieser Text 36,16-37 gehört jedenfalls einer späteren Schicht des Ezechielbuches an (so auch W. Zimmerli, Kommentar). 36,16-37 gehört zu den zweigliedrigen Heilsworten. Den ersten Teil bildet die Wiederzuwendung Gottes V. 21-23, Befreiung, Sammlung und Zurückfuhrung V. 24 mit der Vorgeschichte Verunreinigung Israels und Gottes Gericht, mit Erweiterungen. Den zweiten Teil bildet die Wiederherstellung, wobei das ganze Gewicht auf die Reinigung gelegt wird. Dazu kommen die traditionellen Motive Wiederaufbau, Wiederkultivierung, Segen und Mehrung. 37,1-15: Die Auferweckung der Totengebeine Dies ist ein nur dem Propheten Ezechiel eigenes Heilswort mit einer außerordentlich fein durchdachten Architektur, die nur im Zusammenhang der prophetischen Heilsworte insgesamt verständlich wird. Die Feinheit des Aufbaus liegt darin, daß hier mehrere verschiedenartige Strukturen zu einem Text gestaltet sind. Dem Heilswort liegt die aus vielen anderen Heilsworten bekannte Struktur Klage des Volkes-Heilsantwort Gottes auf die Klage zugrunde. Die Klage des Volkes (fragmentarisch) ist in V. 11 zitiert: „Siehe: sie sprechen: Verdorrt sind unsere Gebeine, dahin ist unsere Hoffnung, es ist aus mit uns." Dies ist Zitat einer wirklich gesprochenen Klage, die der Prophet als seinen Hörern bekannt voraussetzen kann (es ist der Teil Wir-Klage). Darauf folgt die Gottesantwort V. 12: „So spricht Jahwe: Siehe, ich öffne eure Gräber und hebe euch heraus aus euren Gräbern, mein Volk." Diese Heilsantwort, die in viele Situationen ergehen kann, ist in den folgenden Sätzen auf eine bestimmte Situation gezielt: die Befreiung aus dem Exil: „und bringe euch in das Land Israel" „und bringe euch in euer Land" Der Vergleich in der Klage des Volkes: das Volk im Exil = die verdorrten Gebeine ist erweitert zu einer Vision, die dem Propheten von Gott gezeigt wird. Diese Vision hat die Struktur: 1-2 3 11-14

die Vision (Entrückung des Propheten) Die Frage Gottes: Was siehst du? (hier abgewandelt) Deutung der Vision

Es kommt (in einer sehr komplizierten Weise) die Struktur einer Prophetenbeauftragung hinzu: V. 4 Da sagte er: Weissage über diese Gebeine

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

... 5 So spricht Jahwe: es folgt die Heilsankündigung. 7 Und ich weissagte ... Bericht von der Ausführung. Dieser Bericht von der Ausführung ist verbunden mit dem Eintreffen der Ankündigung. 9 Ein Auftrag: Weissage über den Atem ..., 10 da weissagte ich ... Bericht von der Ausführung zusammen mit Eintreffen des Angekündigten. Es sind also drei verschiedene Vorgänge ineinandergefügt: Dem Propheten wird ein Gesicht gezeigt und es wird ihm gedeutet: V. 1-3 und V. 11-14. In der Ausgestaltung der Vision vollzieht sich schon das Eintreffen des Angekündigten: der Neubelebung des Volkes, ähnlich einer Zeichenhandlung. An den Propheten ergeht der Auftrag, dem Volk die Befreiung aus dem Exil anzukündigen, aber so, daß er selber am Eintreffen dieser Ankündigung Anteil hat (V. 9-10, ähnlich einer Zeichenhandlung). Wenn der Kern dieses komplizierten Gebildes die Klage des Volkes und die Heilsantwort darauf ist, dann erweist sich das Ganze als eine kunstvolle Ausgestaltung eines einfachen Heilswortes, wie es an vielen anderen Stellen belegt ist: Klage des Volkes aus dem Exil und Heilswort, das die Befreiung aus dem Exil ankündigt. Dabei ist zu beachten, daß es nur der Teil,Befreiung' ist, den Ezechiel hier übernimmt, nicht aber die Wiederherstellung, die nur im Vergleich impliziert ist; vgl. Kap. 34, 11-16. 37,15-28: Die beiden Stäbe Dieses Wort ist Kap. 34 darin ähnlich, daß es mit einer Zeichenhandlung (dort ist es ein Vergleich) einsetzt, in seinem zweiten Teil aber davon unabhängig weitergeht. Die Zeichenhandlung V. 15—22 ist konstruiert aus einem Heilswort-Motiv: der Ankündigung der Wiedervereinigung von Norden und Süden wie ζ. B. Jer 3,18. Es ist keine wirkliche Handlung, sondern etwas wie eine Veranschaulichung dieser Ankündigung. Sie ist eigentlich mit der ersten Antwort auf die Frage nach der Bedeutung der Handlung, nämlich V. 19-20, abgeschlossen. Es folgt aber eine zweite Antwort, durch die die Zeichenhandlung mit dem traditionellen Heilswort V. 21.23-28 verknüpft wird in V. 22: „Ich mache sie zu einem Volk mit einem König." Die Königsverheißung wird wiederholt in V. 24a und V. 25b. Die zweifache, unmotivierte Wiederholung ist ungeschickt. Wenn in dieser ein „König" verheißen wird und nicht wie sonst bei Ezechiel „ein Fürst" (LXX hat auch hier näsi), ist das darin begründet, daß die traditionelle Verheißung im Wortlaut übernommen wurde. Diese zeigt sich auch in dem Aufbau Ankündigung der Befreiung V. 21 - Wiederherstellung V. 22-28. Ebenso in den einzelnen Motiven, die alle auch sonst vorkommen. Auffallig ist die starke Betonung oder Verstärkung der Ankündigung durch das ständig wiederkehrende „für ewig", „ewiger Bund" u.s.w. Das weist auf eine späte Zeit.

Heilsworte im Buch Ezechiel

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37,15-28 ist eine zweigliedrige Heilsankündigung, der erste Teil bestehend in der Ankündigung der Befreiung und Rückführung V. 21, der zweite in der Wiederherstellung V. (22).23-28. Diese Gliederung ist aber dadurch abgewandelt, daß ein Motiv der Wiederherstellung, die Wiedervereinigung, zu einer (konstruierten) Gleichnishandlung ausgestaltet und dem Ganzen in V. 15-20(22) vorangestellt ist. Dieses Motiv, das in V. 22 noch einmal anklingt, erhält dadurch ein besonderes Gewicht. Die weiteren Motive der Wiederherstellung sind, übersichtlich geordnet: Wiederherstellung einer heilen Gottesbeziehung: 23 Abschaffung des Götzendienstes. Bundesformel „Ihr mein V o l k - i c h euer Gott" auch 27b; 24b „Sie sollen nach meinen Satzungen wandeln . . . " 26a Heilsbund mit ihnen auf ewig; 26b mein Heiligtum für immer in ihrer Mitte 27a.28b. Königsverheißung: 22 Ich mache sie zu einem Volk mit einem König;' 24 Mein Knecht David soll König über sie sein; 25b mein Knecht David soll für immer ihr Herrscher sein. Bleiben im Land: Sie sollen in dem Land ... den Vätern gegeben habe ... für alle Ewigkeit wohnen. Abschluß 28: So sollen die Völker erkennen . . . Kap. 38-39: Gog und Magog, Ansturm gegen das Volk Jahwes Dieser apokalyptische Text wird hier behandelt, weil der Schluß 39,2129 ein Heilswort für Israel ist. Auf ein Heilswort wird schon angespielt in 38,6-9: das Anrücken der Weltmacht gegen Israel „das dem Schwert entronnen ist, aus vielen Völkern gesammelt; zurückgebracht aus vielen Völkern, und sie wohnen in Sicherheit." Dem Gericht über die Weltmacht auf den Bergen Israels 38,17-23 und 39,1-8 folgt das Heilswort über Israel 39,21-29: 21 23 24

„So will ich meine Ehre unter den Völkern zur Geltung bringen und alle Völker sollen mein Strafgericht sehen, das ich vollzogen habe ..., und die Völker sollen erkennen, daß das Volk Israel wegen seiner Verschuldung ..., daß ich mein Angesicht vor ihnen verbarg . . . nach ihrer Unreinheit... habe ich ihnen getan und mein Angesicht vor ihnen verborgen."

Diese Sätze V. 21.23.24 (V. 22 ist eine nachträgliche Ergänzung) erklären, daß Israels Untergang nicht durch die Ohnmacht seines Gottes bedingt war, sondern durch Israels Schuld, die Gott mit seinem Gericht bestrafte. Mit dem Gericht über die Völker hat J a h w e gezeigt, daß er der Herr der Geschichte ist. 39,25-29 ist das die Kapitel 38-39 abschließende Heilswort für Israel:

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

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28 29

„Nun werde ich das Geschick Jakobs wenden und mich des ganzen Hauses Israel erbarmen und eifern für meinen heiligen Namen. Da sollen sie ihre Schmach (und alle ihre Untreue, die sie ...) vergessen, wenn sie wieder sorglos in ihrem Land wohnen und niemand sie mehr erschreckt. Wenn ich sie aus den Völkern zurückbringe und sie aus den Ländern ihrer Feinde sammle, d a n n will ich vor den Augen der Völker mich als heilig an ihnen erweisen. U n d sie sollen erkennen, daß ich J a h w e , ihr Gott, sie unter die Völker in die Verbannung führte ... U n d ich will mein Angesicht auch ferner nicht vor ihnen verbergen, da ich meinen Geist ausgegossen habe auf das H a u s Israel, spricht J a h w e . "

Dieses Heilswort 39,(21)25-29 unterscheidet sich von den vorherigen darin, daß es besonders den ersten Teil des überlieferten Heilswortes entfaltet: die Befreiung; die Wiederherstellung ist nur angedeutet. Ubersichtlich geordnet, kündigt der Text die Wiederzuwendung und Befreiung an und sagt, was sie für Israel und die Völker bedeutet: 21.23.24 Rückblick auf das Gericht, 25 Wiederzuwendung Gottes: er wendet ihr Geschick und erbarmt sich ihrer, 27 Befreiung (mich heilig an ihnen erweisen), Sammlung und Zurückführung, 28 sie sollen erkennen, daß J a h w e ..., 27 Das geschieht vor den Augen der Völker, sie sollen erkennen . . . (entfaltet in V. 21-24). 26a Sie sollen ihre Schmach und . . . vergessen, 26b und wieder sicher und sorglos wohnen. 29 Ich werde mich in Zukunft nicht von ihnen abwenden. Typisch für Ezechiel ist die Erkenntnisformel: die Erfahrung der Befreiung soll Israel, das Miterleben soll den Völkern zur Erkenntnis dienen. Gegenstand dieser Erkenntnis ist für Israel wie für die Völker das Wirken Gottes an seinem Volk. Kap. 40-48: Das Gesicht vom neuen Tempel Dieser große Textkomplex gehört nur nach seinen Grundmotiven zu den Heilsworten: I h m liegt zugrunde die Ankündigung des Wiederaufbaus der Stadt und des Tempels. Daß beide zusammengehören, läßt sich in Ez 40-48 noch daran erkennen, daß der Text mit dem Wiederaufbau der Stadt in 40,1-3 beginnt, auch wenn dieser nur angedeutet wird: „ . . . führte mich auf einen Berg und auf diesem war etwas wie der Bau einer Stadt", und daß ganz am Schluß in 48,30-35 die Tore der Stadt aufgezählt werden, die zum Wiederaufbau der Stadt gehören. Noch zwei weitere Motive der Heilsworte begegnen in Ez 40-48. Es ist einmal das Motiv: In der Heilszeit wird Gott bei seinem Volk wohnen.

Heilsworte im Buch Ezechiel

137

Das ist in Kap. 43,2-9 aufgenommen, die Herrlichkeit Gottes kehrt aus der Ferne zurück (V. 2) und zieht in den Tempel ein (3f.), der Tempel wird voll von der Herrlichkeit Gottes (5). Es ist die „Stätte meines Thrones, wo ich inmitten Israels auf ewig wohnen will" (1). Damit ist in 7-9 verbunden das Motiv: die Abgötterei wird beseitigt. Der Text ist das Gegenstück zu 10,18—22: der käböd jhwh verläßt den Tempel. Beides zusammen ist eine Verbindung priesterlichen und prophetischen Redens. In einem nur lockeren Verhältnis steht 47,1-2, die Tempelquelle, zu einem Heilswort-Motiv. Es gehört zu der vorisraelitischen Zion-Tradition, hat aber mit den späten Heilsworten gemeinsam, daß diese Quelle Fruchtbarkeit bewirkt.

II. Verstreute Heilsworte 11,14-20(21) Das Wort 11,14-20(21) ist an seiner Stelle eine nachträgliche Zufügung, es ist eine Art Streitgespräch und bezieht sich auf Kap. 9; die Frage 11,13 ist identisch mit 9,8. Es geht um das Verhältnis der noch in Jerusalem Gebliebenen zu den Exilierten, ähnlich wie in Jer 24. Die Gebliebenen sprechen über die Exilierten das Urteil, 15b. Darauf antwortet 16—20, ein konstruiertes Heilswort, in zwei Teilen. 16 bestätigt, daß Jahwe sie in ferne Länder zerstreut und ihnen dort nicht als ,heilig', d. h. als mächtiger Helfer (ebenso in 36,23) erwiesen habe; aber gerade ihnen gilt Jahwes Verheißung, die nun in 17-20 folgt. Sie ist aus bekannten Motiven zusammengesetzt. Der hier Redende will kein neues Heilswort verkünden, er redet argumentativ gegenüber den in Jerusalem Gebliebenen und will ihnen zeigen, daß die (als bekannt vorausgesetzte) Verheißung gerade den Exilierten gilt: Die Exilierten sind es, die Jahwe sammeln und zurückbringen und denen er dann das Land Israel zurückgeben wird (17). Dann wird das Erste sein, daß der Götzendienst abgeschafft wird, 18, auch das an die Adresse der in Jerusalem Gebliebenen gerichtet, wie Kap. 8-11 zeigt. Dem entspricht, daß die von Jahwe Zurückgebrachten gewandelte Menschen sein werden, hier ist 36,25-27 wörtlich zitiert. Der noch folgende Vers 21: Die an ihren Scheusalen hängenden Jerusalemer werden von Jahwe bestraft „ihren Wandel gebe ich auf ihren K o p f (=9,10). Die Besonderheit dieses Heilswortes, das Bestandteil einer Bestreitung (des Urteils der in Jerusalem Gebliebenen, V. 15) ist, besteht darin, daß es einer Gruppe des Volkes, den jetzt in Babylon Exilierten, die Befreiung ankündigt, V. 17, und die Wiederherstellung eines heilen Gottesverhältnisses entfaltet, V. 18-20.

138

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

14.21-23: 21

22

23

„So spricht Jahwe: Und doch, wenn ich ... Schwert, Hunger, wilde Tiere, Pest gegen Jerusalem sende, um Menschen und Tiere daraus zu vertilgen, so soll doch eine Schar Geretteter darin übrigbleiben, die Söhne und Töchter herausbringen. Sie werden zu euch herauskommen und ihr werdet ihren Wandel und ihre Taten sehen und werdet getröstet werden über das Unheil, das ich über Jerusalem gebracht habe ..."

Dies ist ein nachträglicher Anhang an Kap. 14,12-20, das von Gottes Strafgerichten über die Völker und über Israel handelt. Es ist ein nachgefugtes, das Gericht eingrenzendes (partielles) Heilswort, wie es mehrfach begegnet, z.B. Arnos 9,8b-10. Es steht 11,14—20 insofern nahe, als auch dort die in Jerusalem Gebliebenen Gottes Gericht trifft. Dazu sagt 14,2123: Einige von ihnen sollen in der Katastrophe davonkommen und zu den schon lange Exilierten in Babylon stoßen. Ihnen gilt dann auch das Heilswort an die Exilierten. Auch 14,21-23 ist kein eigentliches Heilswort, sondern eine Erwägung über einen Rest aus der noch bevorstehenden Katastrophe. 16,53-65 Der Text ist ein Anhang an die große Geschichtsallegorie von den beiden Schwestern Israel und Juda, als solcher kenntlich an der leitenden Wendung „ich will ihr Geschick wenden". Er hat zwei Teile, V. 53-55 (56-58 erweitert) und V. 59-63. Das Wort V. 53—55 „Ich werde ihr Schicksal wenden ..." geht wahrscheinlich nur auf Sodom (Typ der frevelhaften Stadt) und Samaria; es entspricht den Anhängen an Völkerworte, die nach dem Gericht Heil ankündigen. V. 59-63 ist an J u d a bzw. Gesamtisrael gerichtet und eine Variante der vielen Verheißungen eines neuen Bundes, an Jer 31,31—34 erinnernd. Die besondere Betonung des Beschämtseins spricht für eine späte Zeit; vgl. 36,32f. Dies ist nicht ein selbständiges Heilswort, sondern ein Anhang, der nur ein Motiv der Wiederherstellung enthält: das Heilwerden der Gottesbeziehung, in Anlehnung an Jer 31,31-34. Dem geht voran die Wiederzuwendung Gottes in V. 60. 17.22-24 Ein Anhang an die Allegorie von Adler und Zeder 17,1—21, Anklage gegen Zedekia. Dem Gerichtswort über einen König Judas wird die

Heilsworte im Buch Ezechiel

139

Verheißung eines Königs der Heilszeit angefugt; vgl. 34,23-24; 37,24-25. Der Anhang bleibt im Vergleich mit der Zeder; vgl. V. 3-4: 22

23

24

„So spricht Jahwe: Ich selber nehme vom Wipfel der Zeder, ... aus seinen obersten Sprossen breche ich ein zartes Reis und ich selber pflanze es ein auf einen hohen Berg Auf den hohen Berg Israels pflanze ich es ein und es wird Zweige treiben und Frucht bringen ..., daß unter ihm wohnen allerlei Vögel ... im Schatten seiner Zweige werden sie wohnen dann sollen alle Bäume des Gefildes erkennen, daß ich J a h w e bin, daß ich einen hohen Baum erniedrigt und einen niedrigen erhöht habe, einen frischen Baum dürre gemacht, einen dürren Baum zur Blüte gebracht habe. Ich Jahwe, sage es und ich tue es auch."

Das Wort kommt sicherlich aus den Kreisen der in Babylon Exilierten; es ist in deutlichem Anschluß an das vorangehende Gerichtswort formuliert. In V. 22-23 zeigt sich im Ablösen des Reises (Jes 11,1) und seinem Einpflanzen an einem anderen Ort, daß die Ankündigung eines künftigen Heilskönigs im Zusammenhang steht mit dem Exil und der Rückkehr aus dem Exil. Die Bezeichnung „hoher Berg Israels" auch 20,40. Der Einsatz „Ich selber . . . " betont das Handeln Jahwes im Gegensatz zu dem des „Adlers" im Sinn des Erhöhens und Erniedrigens in V. 24:, J a h w e wird in dem zur Zeit erniedrigten davidischen Königshaus erneut ein Glied in Jerusalem zu Ehren bringen, ihm Wachstum und Herrschaft von großer Weite geben, unter der Menschen Frieden und Geborgenheit finden" W. Zimmerli, Kommentar z.St. Den Abschluß bildet eine doxologisch erweiterte Erkenntnisaussage, sonst nicht bei Ezechiel. „Alle Bäume des Gefildes" sind die umliegenden Völker: Sie sollen erkennen, daß J a h w e der Herr der Geschichte ist, der erhöht und erniedrigt. Das Wort zeigt, wie aus einem Heilswort-Motiv ein selbständiges Wort wird, wie bei anderen Königsverheißungen auch.

20,34-44 Kapitel 20 ist wie Kapitel 16 eine die Geschichte umgreifende Anklage gegen Israel, und wie Kapitel 16 hat es einen Heilsanhang in 34—44. Dieses Heilswort bezieht sich deutlich auf die in Kapitel 20 vorangehende Anklage des Götzendienstes. Es kündigt dem überlieferten Motiv entsprechend das Herausführen ... Sammeln . . . (34 und 41) Zurückbringen in ihr Land (42b) an, dazu die gnädige Wiederzuwendung (40b), hier aber aufgrund des nun gereinigten Opergottesdienstes 4 0 - 4 l a . Darauf

140

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

bezieht sich auch 43: der beschämte Rückblick auf ihre schlimmen Taten. Abgesehen davon enthält das Wort nur feste, häufig begegnende Wendungen, die zusammen mit den mehrfachen Wiederholungen das nur Konstruierte dieses späten Heilswortes zeigen. Dieser Heilsanhang ist fast ganz auf die Ankündigung der Befreiung (mit Zurückbringen in das verheißene Land) beschränkt, die das ganze Wort durchzieht. Die Wiederherstellung ist auf den neuen, gereinigten Gottesdienst begrenzt, 40-41. Dazu kommt nur noch die für Ezechiel bezeichnende Erkenntnis-Formel, auf Israel und die Völker bezogen, und das Bußwort 43. 28,24-26 Ein Heilsanhang an einen Völkerspruch gegen Sidon: 24

„Für das Haus Israel aber wird es fortan keinen quälenden Dorn oder schmerzenden Stachel mehr geben unter allen, die rings um sie her sind, die sie verächtlich behandelten, ... 25 So spricht Jahwe: Wenn ich aus den Völkern, unter die sie zerstreut sind, das Haus Israel sammle, dann will ich mich an ihnen heilig erweisen vor den Augen der Völker, und sie sollen wohnen in ihrem Land, das ich meinem Knecht Jakob verliehen habe. 26 Und sie werden sicher darin wohnen und werden Häuser bauen und Weinberge pflanzen ... während ich das Gericht vollstrecke an allen, die sie verächtlich behandelt haben, rings um sie her, damit sie erkennen, daß ich Jahwe, ihr Gott, bin." Auch das ist ein auf den Völkerspruch an Sidon hin konstruiertes Heilswort. Die eigentliche Heilsankündigung ist die übliche, 25-26a: Zerstreute sammeln - in ihr Land zurückbringen - sicher wohnen — Häuser bauen und Weinberge pflanzen. Dem geht voraus in 24 ein Bezug auf den Völkerspruch an Sidon und es folgt 26b eine Auslegung des Unheilswortes an Sidon als Strafe fur das, was sie Israel angetan haben. 29,21 Ein Heilsanhang an ein Gerichtswort über Ägypten: „An jenem Tag will ich dem Haus Israel ein Horn sprießen lassen und dir will ich ein Auftun des Mundes in ihrer Mitte verleihen, und sie sollen erkennen, daß ich J a h w e bin."

Heilsworte im Buch Ezechiel

141

Was genau der Verfasser dieses nachträglichen Anhanges (so auch W. Zimmerli) gemeint hat, können wir nicht erkennen. Zur Zeit des Sieges Nebukadnezars über Ägypten soll Israel neue Kraft erwachsen (das ist sehr unwahrscheinlich und, historisch gesehen, unverständlich) und der Prophet kann wieder frei sprechen. Aber es ist unklar, ob eine Gerichtsoder Heilsankündigung gemeint ist. Der Sinn des Wortes bleibt uns verschlossen. 16,53-55 kann zu den Heilsanhängen an Völkersprüche gerechnet werden: Sodom und Samaria sollen wieder auf ihren früheren Stand gelangen.

Kapitel

33 und 18:

Warnung und Mahnung

Diese beiden Kapitel haben eine andere Redestruktur sowohl als die Gerichts- wie auch als die Heilsworte. Sie fallen aus den Formen prophetischen Redens heraus. Wie ist das zu erklären? Der außerordentlich prägnante und einprägsame Vergleich des Propheten mit dem Wächter in Kap. 33 hat bewirkt, daß alle Ausleger (ich kenne keine Ausnahme) wie selbstverständlich dieses Verständnis des Propheten Ezechiel als Wächter seinem gesamten Wirken zugeschrieben haben. Man verstand die beiden Sätze als gleichbedeutend: Jahwe hat den Propheten Ezechiel berufen - Jahwe hat Ezechiel zum Wächter bestellt. Diese Identifizierung ist schon deswegen unwahrscheinlich, weil das Amt des Wächters ein stetiges, das des Propheten ein intermittierendes ist, wie das die Bezeichnung als Bote zum Ausdruck bringt. Es ist auch deswegen unwahrscheinlich, weil diese Bestellung zum Wächter nicht im Zusammenhang der Berufung, sondern erst am Anfang der Heilsworte steht. Weder bezeichnet Ezechiel sich selbst jemals vorher als Wächter, noch tut das irgend ein anderer Prophet. Bei dieser Identifizierung Prophet = Wächter durch die Ausleger ist nicht beachtet worden, daß Kap. 33 eine andere Redestruktur hat als die sonstige Verkündigung Ezechiels und daß dann die Bezeichnung Wächter einen Zusammenhang haben muß mit dieser besonderen Redeform Kap. 33 (ebenso wie Kap. 18, dazu später). Sie ist von Anfang an bestimmt von Konditionalsätzen. 33,2 6 8 9

„Wenn ich über ein Land das Schwert bringe und ..." Nachsatz V. 4 und 5 „Wenn er aber nicht warnt — so fordere ich sein Blut" „Wenn ich zu dem Gottlosen sage - , " Nachsatz 8b „Hast du aber gewarnt - so hast du dein Lebn gerettet."

Und so bis zum Ende des Kapitels.

142

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Zu dem Warnen des Wächters, dem warnenden ,wenn - dann' tritt eine dem gleichen Gefuge angehörende Redeform, die Mahnung: 10-11 10 11

Es kommen Glieder des Volkes mit der Frage „... Wie können wir am Leben bleiben?" Darauf folgt als Antwort eine Mahnung „Sage ihnen: So wahr ich lebe, spricht Jahwe, Ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen ... Kehrt um! Kehrt um von euren bösen Wegen! Warum wollt ihr denn sterben, Haus Israel!"

Auch diese Mahnung hat eine konditionale Struktur: Wenn ihr umkehrt, dann könnt ihr am Leben bleiben! (Am 5). Diese vollkommen andere Redestruktur gehört nicht den prophetischen Redeformen an; sie ist Paränese und mit ihren Bedingungssätzen, Mahnungen und Warnungen im Alten Testament am stärksten bezeugt in der deuteronomischdeuteronomistischen Paränese. In der Zeit vom Exil ab, mit dem Ende der Gerichtsprophetie und dem Ende des judäischen Staates tritt in manchen Zusammenhängen an die Stelle der unbedingten Ankündigung die bedingte, die Mahnung und die Warnung. Diese Paränese (von manchen „levitische Predigt" genannt), aus der deuteronomisch-deuteronomistischen Schule stammend, wird als Weiterfuhrung der Prophetie angesehen. Das zeigt sich am deutlichsten in der deuteronomistischen Bearbeitung des Jeremiabuches, hier vor allem die Konditionalsätze, aber auch darin, daß jetzt paränetische Worte Propheten zugeschrieben werden. Im Ezechielbuch bekommt es seinen Ausdruck darin, daß das Amt des Propheten als das eines Wächters erklärt wird. Mit dieser Wandlung sind zwei Scheidungen verbunden. Die eine ist besonders in Ez 33 betont: Wenn der Wächter vor einer Gefahr gewarnt hat, diese Warnung aber nicht gehört wird, ist er für die dann eintretende Katstrophe nicht verantwortlich, „er hat seine Seele gerettet". Das Geschick des Wächters ist geschieden von dem des Volkes, über das er als Wächter gesetzt ist. Eine solche Scheidung zu postulieren ist erst nach dem politischen Zusammenbruch möglich, bei Jeremia ζ. B. wäre sie unmöglich. Die andere Scheidung ist betont in Ez 18,1-32. Auch hier die Bedingungssätze: 21

32

„Wenn der Gottlose umkehrt, und alle meine Satzungen ... einhält, so soll er am Leben bleiben und nicht sterben a Auch hier die Mahnungen: „So kehrt um! und ihr sollt leben."

Heilsworte im Buch Ezechiel

143

D i e S ö h n e s i n d n i c h t m e h r fur die S ü n d e n ihrer V ä t e r v e r a n t w o r t l i c h , jeder wird nur nach seinem eigenen Verhalten beurteilt werden. Hier b a h n t s i c h die S c h e i d u n g z w i s c h e n G e r e c h t e n u n d G o t t l o s e n a n , d a s S c h i c k s a l e i n e s j e d e n h ä n g t v o n s e i n e m V e r h a l t e n ab. D e r e i n z e l n e ist n i c h t m e h r in d a s S c h i c k s a l s e i n e s V o l k e s v e r h a f t e t , G o t t b e h a n d e l t i h n als Individuum nach seinem persönlichen Verhalten. D i e s e r W a n d l u n g e n t s p r i c h t die v o n der u n b e d i n g t e n zur b e d i n g t e n A n k ü n d i g u n g ; a n d i e Stelle v o n u n b e d i n g t e m G e r i c h t s - u n d H e i l s w o r t tritt die W a r n u n g u n d M a h n u n g . Ez 33 u n d 18 b i e t e n e i n e n s i c h e r e n A u s g a n g s p u n k t für T e x t e d i e s e r S p r a c h f o r m ( B e d i n g u n g s s ä t z e , M a h n u n g , W a r n u n g ) in a l l e n a n d e r e n P r o p h e t e n b ü c h e r n . Sie alle g e h ö r e n d a n n der n a c h e x i l i s c h e n Zeit a n , der Zeit n a c h E z e c h i e l . D a ß E z 18 u n d 33 a u s s p ä t e r e r Zeit s i n d , wird a u c h d a r a n d e u t l i c h , d a ß sie a u f „ u n s e r e V ä t e r " u n d d e r e n S c h u l d z u r ü c k v e r weisen.

III. Zusammenfassung: Formen und Motive der Heilsworte im Ezechielbuch Die selbständigen Heilsworte in der Sammlung Kap. 34—37(39): Ankündigung der Befreiung 34,1 lb-16; 37,1-14; 38,6-9 angedeutet; 39,23-29 dazu als Motiv in mehreren zweigliedrigen Heilsworten. Zweigliedrige Heilsworte: Befreiung/Wiederzuwendung Gottes - Wiederherstellung: 34,23-30; 36,1-15; 36,16-37; 37,(15)21-28. Ein Motiv zu einem Heilswort ausgestaltet: 37,15-22 Wiedervereinigung; Kap. 40-48 Wiederaufbau von Stadt und Tempel. Dabei ist für Ezechiel typisch die Erweiterung eines Motivs. Vergleich mit Hirt und Herde, Reinigung, Auferweckung der Totengebeine. Die verstreuten Heilsworte: Sie sind von den selbständigen Heilsworten darin unterschieden, daß sie als Anhang oder Zusatz (kurz) jeweils zu dem vorangehenden Text gehören: Ankündigung der Befreiung 14,21-23; 20,34-44; (28,24-26). Zweigliedriges Heilswort 11,14—20, Streitgespräch. Ein Motiv zu einem Heilswort ausgestaltet 16,60-63; 17,22-24. Heilszusatz zu einem Völkersrpruch 16,53-55; 28,24-26; 29,21. A. Motive der Ankündigung

der Befreitung (34,1

lb-16)

Die einzelnen Vorgänge der Befreiung: Rückblick auf d a s Gericht 34,12b; 36,18f.; 38,6-9.23f.; 11,16.17; 14,21; 16,59. Die der Z u w e n d u n g vorausgehende K l a g e des Volkes 37,11. Z u w e n d u n g Gottes zu seinem Volk 34,1 l b . 12.16; 36,9; 36,21-23; 39,25; 16,60; 20,40 - W e n d u n g des Geschickes des Volkes 39,25; 16,53.55.

144

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

Befreiung, Sammlung und Zurückfuhrung 34,12-16; 34,27; 36,8; 36,24; (37,114); 37,12-13; 37,21; (38,6-9); 39,27; 11,17; (14,21-23); 20,23.41; 28,25; (14,2123 Entronnene). In Sicherheit wohnen 34,13.14.15; 34,27; 39,26; 28,24. B. Motive der Wiederherstellung und des Segens Wiederaufbau und Wiederbepflanzung 36,9; 36,10.11.12; 36,28; 36,33.35; 37,25; 11,17; 28,25-26. Bau der Stadt und des Tempels Kap. 40-48; Stadt 40,1-3; 48,30-35. Sicherheit vor wilden Tieren und vor Feinden 34,25.28; 28,34. Wiederherstellung der Ehre unter den Völkern 34,29; 36,15. Segen, Fruchtbarkeit und Mehrung von Mensch und Tier 34,26. 27.29; 36,8; 36.10.11; 36,29b.30.35.37; 37,26. Wiederherstellung eines heilen Gottesverhältnisses: Abtun des Götzendienstes 37,23; 43,7-9; 11,18(21); gereinigter Gottesdienst 20,40; (Kap 40-48). Der neue Heilsbund 34,25; 37,26; 16,60.62 Die Bundesformel 34,(23).30.31; 36,28; 37,23b; 11,20. Die Erkenntnisformel, sowohl auf Israel wie auf die Völker bezogen 36,36.37; 37,28; 38,16; 38,23-24; 39,28; 16,62; 20,42; 28,24. Gott ist inmitten seines Volkes 37,26f.; 39,29; 43,2-7. Reinigung, ein neues Herz 36,25.26f.29.33; 11,19. Buße, Scham, Ekel empfinden 36,21.22; 16,54.61.63; 20,43. Wandel nach Gottes Gesetzen 11,20; 36,26f.; 37,24b. Verheißung eines Heilskönigs 34,23.24; 37,22.24.25b; 17,22-24. Wiedervereinigung 37,15-20.22.

HEILSWORTE BEI TRITOJESAJA

I. Heilsworte als Kern des Tritojesajabuches Von den einfachen Heilsworten unterscheiden sich die in Jes 56-66 durch ihre Länge, ähnlich wie die im Ezechielbuch. Auch bei ihnen liegt eine literarische Erweiterung vor, die aber ganz anderer Art ist als die in den Heilsworten Ez 33-37. Es ist einmal die Abwandlung der Ankündigung der Befreiung zu der des Kommens des Heils in einem allgemeinen Sinn, dann die Ankündigung von Reichtum, Pracht und Glanz über die bloße Wiederherstellung hinaus.

60,1-22 Anfang (1) und Abschluß (22b) dieses ausführlichen Heilswortes sind deutlich gekennzeichnet. Die Gliederung in die beiden Teile Befreiung 1—9 und Wiederherstellung 10-22 ist klar zu erkennen. Der erste Teil ist in

Heilsworte bei Tritojesaja

145

sich gegliedert in Befreiung 1-3, Sammlung und Zurückfuhrung 4—9; der zweite in Wiederaufbau von Stadt und Tempel 10-14, Sicherheit 1 la und Frieden 17b, Wohnen im Land 22a, Segen und Mehrung 21-22. Dazu kommen mancherlei Erweiterungen. Die Befreiung wird durch eine Epiphanie Jahwes erweitert 1-3; 5b—9.11.13: mit den Zurückkehrenden werden die Schätze der Völker nach Israel gebracht; die Fremden bauen die Stadt wieder auf, sie bringen das Vermögen der Völker, der Wiederaufbau geschieht aus prächtigem, kostbarem Material. 61,1-11 Auch dies ist ein zweigliedriges Heilswort mit den Teilen Befreiung (13) und Wiederherstellung (4—11), zu Anfang 1-3 das Selbstzeugnis des Heilsboten. Die Botschaft der Befreiung ist ermöglicht durch die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk, es ist eine Trostbotschaft, die die Trauer in Freude wandelt 2—3. In 1—2 werden die Mittlerfunktionen des Boten gehäuft, die Heilsbotschaft ist an die Armen überhaupt gerichtet. Israel soll den Reichtum der Völker genießen und mit deren Pracht sich schmücken, die Fremden sollen die harte Arbeit tun. Das Heilswort endet in 10 (nach 11 zu lesen) mit einem Loblied wie bei Dtjes. 62,1-12 62,1—12 ist (ohne 8—9 = 65,21—22) eine dramatisierende Paraphrase des Kommens des Heils, an 40,1—11 erinnernd. An die Stelle der Befreiung, die in 10-12 nur anklingt, tritt die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk, die zu einem nur vage beschriebenen Zustand des Heils führt. Der Text verläuft in zwei Gängen 1—5 und 6—12. Zwischen diesen beiden parallelen Reihen, die beide vom gespannten Warten zum „neuen Namen" führen, der Höhepunkt 11: er kommt! Es ist die Dramatisierung einer Ankunft, die in der Klage „wie lange noch?" erfleht wird. Der Text wirkt wie der Höhepunkt und Abschluß der Botschaft Tritojesajas.

II. Die drei gesonderten Heilsworte in Kap. 57; 65 und 66 57,14-19(21)

Das Wort steht Kap. 62 nahe. Auch in ihm ist an die Stelle der Befreiung die Wiederzuwendung getreten. Es beginnt mit dem Ruf zum Bereiten des Weges, in übertragenem Sinn gemeint, wie bei Dtjes eingeleitet mit einem Gotteslob. Der Ruf wird begründet mit einem Heils wort in zwei Teilen: 16—17 Rückblick auf das Gericht, 18-19 Wiederzuwendung Gottes in der Sprache der Psalmen. V. 20-21 ist ein Zusatz, zur zweiseitigen Ankündigung gehörend.

146

Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

65,16b~25

Der Text hat nachträglich in 17 und 25 einen apokalyptischen Rahmen erhalten. Der erste Teil 16b. 18.19a entspricht den Lobliedern bei Deuterojesaja: Ruf zur Freude - Begründung durch Gottes Heilstat. Der zweite Teil entspricht dem Teil Wiederherstellung, 19b—24, dabei ist aber an die Stelle des Ereignisses das Zuständliche getreten. Das Heilswort 16b—25 ist in seinem ersten Teil Deuterojesaja, im zweiten den traditionellen Heilsworten nahe. 66,6-16 Der Text macht einen nicht einheitlichen Eindruck. Verständlich wird er, wenn V. 6 und 15-16 als apokalyptischer Rahmen erkannt ist, eine Weltgerichtsepiphanie. Durch diese Rahmung wird das Wort zu einer zweiseitigen Ankündigung: Vernichtung der Feinde - Heil für Israel. Ohne diesen Rahmen hat 66,7-14 etwa die gleiche Struktur wie 65,16b—25: 10-11 Ruf zur Freude, verbunden mit dem Vergleich 7-9, begründet mit einem Heilswort 12-14: „Ich wende ihr den Frieden zu wie einen Strom". V. 7—11 wird das Kommen des Heils mit einer wunderbaren Geburt verglichen wie Jes 49,20-23; aber der Vergleich ist gegenüber Dtjes überschwenglich verstärkt: es ist eine wunderbare Geburt, bei der der Eintritt der Geburt mit dem Einsatz der Wehen zusammentrifft. Der Teil 12-14 steht einer Segensverheißung nahe. Dazu gehört nach Meinung Tri tojesaj as auch „die Herrlichkeit der Völker" wie Kap. 60 und 61. Der Teil 12-14 kommt zu seinem Höhepunkt: „wie einen seine Mutter tröstet, so will ich euch trösten!"; das eigentliche Heil ist für den Propheten die Wiederzuwendung Gottes; sie begründet die Freude, zu der am Anfang gerufen wird.

III. Zusammenfassung: Aufbau und Motive Die sechs Tritojesaja-Texte bilden vier zweigliedrige (60,1-22; 61,1-11; 65,16b—25; 66,6-16) und zwei eingliedrige (62,1-12; 57,14-19) Texte. Die Gliederung in Befreiung und Wiederherstellung ist zwar noch zu erkennen, aber durch die gewandelte Situation erheblich abgewandelt. Die Motive des ersten Teils: Die früheren Heilstaten Jahwes sind nur an wenigen Stellen angedeutet. Wohl aber wird von Israels Abfall von seinem Gott und dessen Gericht gesprochen, 57,16-17. Mehrfach klingt die Klage der unter Gottes Gericht Leidenden an, so in 62,1-12. Die Befreiungwird angekündigt in 61,1-3,62,12: „die Erlösten Jahwes". Meist wird nur in Umschreibungen oder Vergleichen von der Befreiung gesprochen,

Heilsworte bei Tritojesaja

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„bis ihr Heil wie Glanz hervorgeht", 62,1; Vergleich mit der Geburt 66,79. Ausfuhrlicher redet Tritojes von der Wiederzuwendung Gottes, 60,10; 62,12. Von der Sammlung und Rückkehr handeln 60,4; 62,10-11. Im Zusammenhang der Rückkehr stehen die vielen Imperative, die zum Aufbruch rufen, so 62,10-11 und die Rufe zur Freude, die die ganze Botschaft des Tritojesaja durchziehen. Die Motive des zweiten Teiles: Wiederherstellung Mehrmals steht am Anfang der Wiederaufbau und die Wiederbepflanzung, 60,10-14; 65,21-22. Hierin folgt Triotjes den traditionellen Heilsworten, obwohl das nicht mehr seine und seiner Hörer Situation ist; ein sicheres Zeichen dafür, daß die Tritojesaja-Heilsworte die traditionellen voraussetzen. Nahe dazu gehört die Verheißung der Sicherheit und Ruhe, 65,23: „sie mühen sich nicht umsonst, sie gebären nicht für den Schrekken;". Dazu 60,11.18; 65,19b. Das ganze Gewicht liegt auf dem Z u s t a n d des Heils, wie es schon das Vorwiegen der Nomina sälöm und sedäqäh zeigt. Der Beschreibung der Zuständlichkeit dienen viele Vergleiche, 66,12: „Siehe, ich wende ihr zu den Frieden wie einen Strom"; 61,10: „daß er mich kleidet in Gewänder des Heils"; „wie die Braut, die ihr Geschmeide anlegt". In diesen Vergleichen wird ein neuer Begriff des Heils als eines Zustandes geprägt. — Den Zustand zeichnet auch die Segensschilderung in 60; 61; 65; 66, hier aber verstärkt durch die Ankündigung von Pracht, Glanz und Uberfluß, 62,3: „Du wirst zur prächtigen Krone, in der Hand Jahwes, zum königlichen Stirnreif'. So insbesondere 60,15-18 der Wandel vom Einfachen und Schlichten zum Edlen und Kostbaren. Hier zeigt sich bei Tritojesaja, wie die Ankündigung übergeht in Erwartung und Sehnsucht. Damit verbunden ist die Mitwirkung der „Völker und Könige" an dem großen Wandel. Von ihnen spricht die große Erweiterung in 60,5b-16; das Motiv verbindet den Teil Befreiung mit dem Teil Wiederherstellung; an beidem wirken die fremden Völker, wirken die früheren Bedrücker Israels mit. „Denn es wird sich zu dir wenden des Meeres Fülle, das Vermögen der Völker wird zu dir kommen, ein Schwall von Kamelen wird dich decken, Gold und Weihrauch..." Dazu 60,9.16; 61,5.6b; 66,12. Zu dieser von der Sehnsucht und Erwartung geprägten Zukunftsvision gehört auch, daß „Völker und Könige" die Tat Jahwes an Israel anerkennen müssen, 60,3.14. Diese Zukunftsvision fällt heraus aus dem Maß der traditionellen Motive der Wiederherstellung. Sie ist nicht in Erfüllung gegangen, während die Ankündigung, daß die Schande von Israel genom-

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 1

men werden und es wieder unter den Völkern zu Ehre kommen soll 61,7.9, auch zu den traditionellen Heilsankündigungen gehört. Es fallt auf, daß die Heilsworte in Jes 56-66 vom Heilwerden der Gottesbeziehung wenig sagen, etwa 61,8; 65,24, besonders, daß die Zusage der Vergebung bei der Wiederherstellung fehlt. Aber das ist wohl auch aus dem zeitlichen Abstand zu verstehen. Für Tritojesaja ist die Wiederherstellung einer heilen Gottesbeziehung in der Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk eingeschlossen.

Prophetische Heilsworte der Gruppe 2

D I E ZWEISEITIGE ANKÜNDIGUNG

Einleitung In zweifacher Hinsicht unterscheiden sich diese Texte von denen der Gruppe 1. Einmal haben sie alle die gleiche Grundstruktur: Ankündigung des Gerichtes über die Feinde - Ankündigung von Heil fur Juda-Israel. Außerdem sind diese Texte nur Ankündigung; zuständliche Heilsschilderung oder Wiederherstellung des heilen Zustandes begegnen in ihnen niemals. Der Grund dafür ist, daß in ihnen allen das ganze Gewicht auf einem Ereignis liegt: der Vernichtung der Feinde. Allein aus diesem Teil: Vernichtung der Feinde ergibt sich daher auch eine Aufteilung der Texte in Gruppen; bei dem anderen Teil: Heil für Israel ist das als solches Bezeichnete meist aus den Motiven der Gruppe 1 übernommen. Die Hauptgruppe bildet die einfache Gegenüberstellung. In einer Untergruppe ist die zweiseitige Ankündigung durch Zusätze hergestellt; in einer weiteren wird die Vernichtung der Feinde als Vergeltung für ihr Verhalten zu Israel dargestellt; in einer weiteren wird angekündigt, daß die Vernichtung der Feinde durch J u d a als Gottes Werkzeug vollzogen werden soll; daneben in einer Nebengruppe, daß J u d a das Gebiet der Nachbarvölker zum Besitz erhalten soll. In einer zweiten Gruppe wird die Ankündigung dadurch erweitert, daß dem Vernichten des Feindes dessen Heranziehen vorausgeht. In einer dritten Gruppe wird die einfache Struktur Vernichtung der Feinde - Heil für Israel zu einem Drama zwischen den Feinden und Israel erweitert; diese Kompositionen gehen in apokalyptisches Reden über. Der Wandel zum Heil ist in dieser Gruppe 2 ein wesentlich anderer als der in Gruppe 1. Es ist eine Gruppe ausgeprägt politischer Heilsworte. Das Heilwerden der Beziehung zwischen Gott und seinem Volk kommt in ihr nicht vor. Eine Wende zum Heil kann hier nicht anders gedacht werden als durch die Vernichtung der Feinde.

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 2

I. Die verschiedenen Formen 1. Die einfache Form: Vernichtung der Feinde - Heilfür

Israel

Die Texte: Jes 14,24-27; 10,24-27; 14,3-4a.22-23; 14,30.32; 8,9-10; Joel 2,18-20; 4,15-17; 4,18-21; 3,1-5; O b 15-17; Sach 9,1-8. Jes

14,24-27 24 25a 25b 26-27

„Geschworen hat J a h w e in seinem Zorn . . . so soll es geschehen: Ich zerbreche Assur in m e i n e m Land . . . zertrete es . . . dann weicht v o n ihm seine L a s t . . . sein J o c h . . . D a s ist der Beschluß fur die ganze Erde . . . alle Völker denn J a h w e hat es beschlossen, wer kann es wenden?"

J e s 14,24—27 ist für die Texte im Z u s a m m e n h a n g der Völkersprüche bezeichnend. D a s Wort wird in 24a eingeleitet als ein Schwur Gottes. D a s Schwören Gottes wird häufig bei der Landverheißung gebraucht als Verstärkung der einfachen Verheißung, die nur in späteren Schichten vorkommt (C. Westermann, die Verheißungen an die Väter, 1976). A u c h die Verse 2 6 - 2 7 dienen der Bekräftigung der Verheißung. Von d e m R a h m e n 24,26.27 ist die zweiseitige A n k ü n d i g u n g 25a und b umschlossen: die Vernichtung Assurs im Land J a h w e s und die Befreiung Israels von seinem J o c h . H. Wildberger hält (mit B. Duhm, K. Marti, G. Fohrer u.a.) 25b für einen nachträglichen Zusatz. Gegen die Streichung spricht, daß das Schwören Gottes sonst immer im Zusammenhang einer Verheißung, niemals bei der Unheilsankündigung gegen ein Fremdvolk begegnet. Wildberger muß 25b auch deswegen streichen, weil der Satz eine längere Fremdherrschaft voraussetzt; dann könnte er nicht von Jesaja sein, was fur W. ganz sicher ist. Er setzt sich S. 567 f. mit Marti auseinander, für den es ein Wort aus späterer Zeit ist: „Martis Auslegung ist falsch; wovon wirklich gesprochen wird, ist eine harte Niederlage auf den Bergen Judas" (S. 567). Aber die beiden Verben in 25a: „Ich zerbreche" (sbr) und „ich zertrete" (büs) bedeuten sonst immer vernichten. Der Text kündigt die Vernichtung Assurs in Jahwes Land an, nicht eine schwere Niederlage. H a t man erkannt, daß der Satz eine Fülle von Parallelen in der Gruppe der zweiseitigen Ankündigung hat, kann diese Streitfrage als abgeschlossen gelten. Dazu stimmt auch, daß der Feind nicht ein historisches Volk ist: „ . . . der Ratschluß, beschlossen für die ganze Erde, die Hand, ausgestreckt über alle Völker." Assur ist hier wie auch sonst oft Bezeichnung der feindlichen Weltmacht schlechthin.

Die zweiseitige Ankündigung

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10,24-27

24a 24b—26 24b 25 26 27

So hat Jahwe gesprochen Vernichtung Assurs Fürchte dich nicht vor Assur ... denn nur noch eine kleine Weile ... mein Grimm wird sich wenden wie damals ... Midian ... am Rabenfelsen ... An jenem Tag wird deine L a s t . . . dein Joch ...

Auf die Ankündigung der Vernichtung, eingeleitet mit dem Beruhigungsruf und verbunden mit einem Rückblick folgt die Ankündigung der Befreiung Israels vom Joch. Das Wort ist in deutlichem Anschluß an das Gerichtswort über Assur Jes 10,5-19 gebildet. „Rute" und „Stock" wie 10,5 (auch 30,31 f.), ebenso „Zorn und Grimm". Wie in vielen dieser späten Heilsworte (dazu rechnet auch H. Wildberger mit vielen anderen das Wort) wird angekündigt, daß Gottes Zorn gegen Israel bald zu Ende sein und sich dann gegen Israels Feinde richten wird. Aber der Text sagt nichts davon, daß Gott sich wieder in Gnade seinem Volk zuwenden wird; wichtig ist ihm allein, daß der Gegner Gottes Zorn zu spüren bekommt. Dasselbe zeigt der geschichtliche Rückblick (in der zweiseitigen Ankündigung sehr selten): die Geschichte Israels ist bestimmt von den Taten Gottes, durch die er Israels Feinde vernichtete (Ex 14,16 und Ri 7,25). Es zeigt sich ein einseitig politisch bestimmtes Geschichtsverständnis. 14,3-4a.22-23

3 4 22—23

„An dem Tage, da Jahwe dir Ruhe schafft von ... deiner Fron da wirst du auf den König von Babel das Spottlied anstimmen:" „Ich will mich gegen sie erheben, sprichtjahwe und vernichte von Babel Namen und Samen ..."

14,1-2 ist ein Heilszusatz zu Kap. 13; 14,3—4a redaktionelle Uberleitung von dem Heilswort 14,1-2 und zugleich Einleitung zu dem Völkerwort über den König von Babel 14,4b-21. Der Schluß 14,22-23 gehört mit 3-4a zusammen und bildet mit ihm den Rahmen um 4b—21. Die beiden Teile werden zusammengehalten durch die Struktur der zweiseitigen Ankündigung. 14,30.32

ein nachträglicher Zusatz zu 14,28.29.31, einem VölkerspruchJesajas, an Philistäa gerichtet. Dieser ist gegliedert:

152

Prophetische Heilsworte der Gruppe 2

28 29 31 b

Einleitung, Datierung Warnung an Philistäa mit Begründung, dazu 31 a Ankündigung des Feindes aus dem Norden

Das Völkerwort an Philistäa hat einen klaren, der Funktion als Unheilsankündigung entsprechenden Aufbau. Er würde aber erheblich gestört, wenn man nur 30a (so Wildberger) als Zusatz bestimmt und 30b an 29b schließen läßt; das wäre ein harter Anschluß. Die Schwierigkeit ist beseitigt, wenn 30 und 32 zusammen als späterer Heilszusatz erkannt sind, der den Armen in Zion Sicherheit zusagt. Den Philistern wird 30b die Vernichtung angekündigt, dem entgegen aber dem Zion Sicherheit 30a.32b. Dabei - und das weist in die Spätzeit - werden die Israeliten als die Armen und Geringen bezeichnet, die Philister aber erleiden das Schicksal der Frevler; an die Stelle des politischen Gegensatzes tritt der von Frommen und Frevlern. Der Text ist, wahrscheinlich durch die spätere Einfügung des Zusatzes 30,32 gestört; ich versuche eine Rekonstruktion: 32a 30b 30a 32b

Aber was wird man antworten den Boten des Volkes? Deine ,Nachkommen' lasse ich vor Hunger sterben, und töten will ,ich' dessen Rest. Die Armen aber werden auf meiner Trift weiden und die Geringen in Sicherheit lagern. Denn Jahwe hat Zion fest gegründet, dort sind die Armen seines Volkes geborgen.

8,9-10

Dieses Wort, das gleichzeitig den Feinden Israels den Untergang und Israel die Hilfe Gottes ankündigt, entspricht in seinen beiden Teilen der Struktur der zweiseitigen Ankündigung. Es schließt dabei offenkundig an Jes 7,4—9 und an den Immanuel-Namen 7,14 an. Es unterscheidet sich aber von den Heilsworten Jesajas in Kap 7 dadurch, daß nicht der jetzt Jerusalem bedrohende Feind, sondern alle Völker angeredet sind. „Erkennt es ihr Völker... all ihr fernen Nationen der Erde!" Es ist der Angriff der Völker der Erde gegen Jerusalem in der Endzeit gemeint. Buddes Begründung dafür (zitiert bei Wildberger z. St.) besteht noch heute zu Recht: „Nirgends hat Jesaja so bedingungslos dem Volk Israel Jahwes Schutz gegenüber der ganzen Welt zugesagt." Es kommt hinzu, daß der abschließende Satz als Bekenntnis der Zuversicht formuliert ist, was bei den späten Heilsworten mehrfach der Fall ist. Joel

2,18-20

18

„Da geriet Jahwe in Eifer für sein Land ... und Jahwe sprach zu seinem Volk:..."

Die zweiseitige Ankündigung

19

20

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Segen fur Israel: „ich schicke euch Korn, M o s t . . . und will euch nicht mehr der Schande der Völker preisgeben" Vernichtung der Feinde

Das Wort ist die erste Gottesantwort auf die Klage des Volkes aus der Heuschreckenplage, die dann auf den Völkeransturm gedeutet wird. Die Antwort V. 19 verspricht Segen, Fruchtbarkeit der Heuschreckenplage entgegen und, unorganisch darauf folgend: Gott wird sein Volk nicht mehr der Schande preisgeben (entgegen V. 17). Es folgt in 20 die Ankündigung des Vertreibens der Feinde und ihrer Vernichtung in grober, emotionaler Sprache „... daß sein Gestank aufsteigt". Der nachträgliche Zusatz am Ende von V. 20 „denn er hat überheblich gehandelt" will eine Begründung nachtragen. Das ganze Wort macht einen unorganischen Eindruck, es ist nur durch die Struktur der zweiseitigen Ankündigung zusammengehalten. Joel 4,18-21

18

„An jenem Tag" Segen fur Israel: „... werden die Berge triefen von Most it

19

Vernichtung der Feinde: „Ägypten wird zur Wüste und Edom..." „ A b e r j u d a wird ewig bestehen . . . J a h w e ... auf dem Zion ... daß sie unschuldiges Blut vergossen haben ... und ich werde rächen ihr Blut."

20-21 21a

Auch in diesem Text ist die eine Seite zunächst eine Segensverheißung. Den Kern des Wortes bilden 19a.20. Da sie eine ausgeprägt rhythmische Form haben (zwei Doppeldreier), fallt der Prosa-Zusatz 19b.21a besonders auf. Er bringt eine nachträgliche Begründung für das Gericht über Ägypten und Edom. Wie auch sonst werden Zusätze später oft an der falschen Stelle in den Text gerückt; hier ist 21a, das zum Zusatz gehört, von 19a getrennt worden. Wenn hinter der zweiseitigen Ankündigung der Doppelwunsch steht (s.u.), so erklärt das den Zusatz: zum Doppelwunsch gehört keine Begründung, wohl aber zur prophetischen Ankündigung· Wie in den meisten zweiseitigen Ankündigungen wird Juda-Jerusalem in V. 20 nicht Rettung, sondern das Bestehenbleiben verheißen. Dazu passen die zwei Motive der alten vorexilischen Zion-Tradition, die hier bewahrt sind: Jahwe wohnt auf dem Zion 21b und die Tempelquelle 18b, vgl. Ez 47,1-12, Sach 14,8.

154

Prophetische Heilsworte der Gruppe 2

Joel 4,15-17

15-16a 16b—17 15b 17a

Weltgericht, apokalyptisch Heil für Israel „doch fur sein Volk ist Jahwe eine Zuflucht..." „und ihr werdet erkennen, daß ich Jahwe bin, der auf dem Zion wohnt 17b Jerusalem wird heilig sein, kein Fremder ..."

Eine unorganische Aneinanderfügung verschiedener Motive, zusammengehalten allein durch die Struktur der zweiseitigen Ankündigung. Der Text ist zusammengesetzt aus Wendungen, die auch sonst begegnen; zu V. 15 vgl. 2,10; 3,4; zu 16a vgl. Am 1,2; zu 17aJoel 2,27; Jes 4,5; Ez 28,23. Daß dies keine wirkliche Ankündigung mehr ist, zeigt 16b; an ihre Stelle tritt das Bekenntnis der Zuversicht. Das Erscheinen Gottes zum Gericht ist einer Epiphanie nachgebildet; durch 15 wird sie ins Apokalyptische transzendiert. Nach 15 f. paßt die Erkenntnisformel schlecht, das Gefühl für den Stil, der besonderen Sprachformen eignet, ist verlorengegangen. Zu den Joel-Texten Im Ganzen der Prophenbücher bietet nur das Buch Joel eine Häufung von Texten, die die Struktur der zweiseitigen Ankündigung aufweisen. Der erste Teil, 1,2-2,17 ist bestimmt von Aufrufen zum Fasten und zur Klage angesichts einer Heuschreckenplage bzw. des in ihr dargestellten Tages Jahwes; er endet mit dem Flehen um Rettung in 2,15—17. Der zweite Teil, 2,18-4,21 ist bestimmt von der Gottesantwort auf die Klage, 2,19: „Und Jahwe antwortete und sprach zu seinem Volk". Die Antwort ist in 2,18—20 als zweiseitige Ankündigung gestaltet; sie ist in 2,21—27 durch eine breite Segensschilderung erweitert. Es folgen dann von 3,14,21, also bis zum Ende des Buches, nur noch zweiseitige Ankündigungen. Da nun das Buch Joel allgemein spät angesetzt wird (H. W. Wolfferste Hälfte des 4. Jh.), liegt damit der Nachweis vor, daß zu dieser späten Zeit die zweiseitige Ankündigung in den Kreisen, aus denen das Joel-Buch kommt, die eigentliche Heilsankündigung abgelöst hat. Bezeichnend sind dabei die Betonung der Segensverheißung und die Nähe zur Apokalyptik. Sach 9,1-8

1—7 Gericht über die Völker 1-3 , J a h w e gehören die" (Länder und Städte der Feinde) 4 , J a h w e wird es zum Besitz nehmen ... vom Feuer verzehrt ...

Die zweiseitige Ankündigung

5ff. 8 8a 8b

155

Askalonund Gaza ... Land der Philister . . . " Heil (Sicherheit) für Israel „dann lagere ich mich als eine Wache um . . . " „denn nun habe ich angeschaut ihre Not"

Nur in diesem Wort wird in 1-7 eine ganze Reihe von Völkern aufgezählt, über die Gottes Gericht gehen soll. Durch V. 8 wird es der Struktur der zweiseitigen Ankündigung zugeordnet. Die Aufreihung der Völker klingt wie eine stark abgekürzte Sammlung von Völkersprüchen, zusammengehalten durch die Vernichtungsdrohung. Merkwürdig abrupt steht am Ende das Motiv der Zuwendung Gottes aus den Heilsworten. Der Text zeigt den Weg, der von den älteren Völkersprüchen zu der jüngeren zweiseitigen Ankündigung führt. Ob 15-17 15 15-16 15a 15b 16a 16b 17 17a 17b

„denn nahe i s t . . . " Gericht über alle Völker als Vergeltung „Wie du getan hast, wird dir geschehen denn nahe ist der Tag J a h w e s für alle Völker Wie ihr getrunken habt, so werden trinken ... und werden sein als wären sie nie gewesen" Heil (Sicherheit) für Israel „Aber auf dem Berg Zion wird Bewahrung sein . . . das H a u s J a k o b wird in Besitz nehmen, die sie besaßen."

Angekündigt wird der Gerichtstag J a h w e s über alle Völker. Er wird begründet mit dem Leid, das die Völker über Israel gebracht haben. Der Vergleich V. 16 meint das Trinken aus dem Zornesbecher J a h w e s und spielt vielleicht auf die Eroberung Jerusalems an. Dem Gericht über die Völker wird in 17a das Bewahrtbleiben Israels vor dem Gericht entgegengesetzt; 17b ist Zusatz. Joel 3,1-5 Darnach werde ich . . . 1-2 Heil für Israel (Zusatz?) „meinen Geist über alles Fleisch ... alle werden weissagen" 3 - 4 Weltgericht, apokalyptisch, Zeichen am Himmel 5 Heil für Israel: ,Jeder, der den Namen . . . wird gerettet auf dem Berg Zion wird Rettung sein" Die Vernichtung der Feinde ist nicht ausgesprochen, sie ist nur impliziert in der Ankündigung „des großen und furchtbaren Tages Jahwes", des Gerichtstages über alle Völker. Dagegen ist die andere Seite, die Bewah-

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 2

rung des Gottesvolkes auf dem Zion V. 5 in V. 1 erweitert um eine apokalyptische Schilderung der Ausgießung des Geistes, die nun nicht mehr begrenzt ist auf besondere Charismatiker, sondern das ganze Volk in allen seinen Gliedern umgreift. Da 1-2 von 5 getrennt ist und 3-5 ein vollständiges Wort ist, könnte 1-2 ein apokalyptischer Zusatz sein. a) Die zweiseitige Ankündigung wird durch Zusatz hergestellt Jes 10,12

In das Gerichtswort über Assur 10,5-19 ist in V. 12 ein Zusatz eingefügt (so H. Wildberger mit den meisten Auslegern), der die Gerichtsankündigung an Assur in die nachexilische Zeit und auf deren Feindmacht überträgt. Er gebraucht dabei weitgehend die Sprache Jesajas. Wildberger deutet „sein ganzes Werk am Berg Zion und an Jerusalem" auf den Tempelbau. Das ist unwahrscheinlich, denn in allen anderen Heilsworten dieser Gruppe sind der Vernichtung der Feinde Befreiung und Wiederherstellung Israels gegenübergestellt; das wird auch hier gemeint sein. Als Zusatz zu dem Gerichtswort über Assur 10,5-19 bewirkt 10,12 die Zuordnung der Vernichtung Assurs zu einem zweiseitigen Geschehen: dann wird Jahwe zugleich sein Heilswerk an Israel vollenden. Darin zeigt sich die wirkende Kraft der Struktur der zweiseitigen Ankündigung. Jes 30,29.32b

Jes 30,27-33 ist ein Gerichtswort über Assur, es gehört zu den Völkersprüchen. Darin ist 29.32b ein Zusatz: die Vernichtung Assurs bedeutet Heil für Israel. Es kündigt aber nicht direkt die Befreiung an, sondern deren Auswirkung, eine Reaktion auf sie, so wie das oft bei Deuterojesaja der Fall ist, an den dieser Zusatz auch erinnert: „Dann werdet ihr Lieder singen in der Nacht des Festes und euer Herz wird sich freuen wie man bei Flötenspiel hinaufzieht um auf den Bergjahwes zu gehen, zum Felsen Israels, unter Paukenschlagen und mit Zithern und mit Reigentanz." Ein kultischer Akt wird geschildert: eine nächtliche Prozession auf den Tempelberg mit dem Singen von Liedern, von Instrumenten begleitet. Er zeigt, wie die alte Tradition der Siegeslieder weiterlebte; früher war es das Gotteslob nach dem Sieg über einen Feind, jetzt das die Vernichtung der Feinde besingende Gotteslob, die noch in der Zukunft liegt.

Die zweiseitige A n k ü n d i g u n g

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Jes 60,12

Der Zusatz: „denn das Volk und das Königreich, das dir nicht dient, wird zugrundegehen und die Völker werden vernichtet werden" fallt aus dem Zusammenhang des Heilswortes Kap 60 ganz heraus. Er funktioniert dieses Heilswort um zum Teil einer zweiseitigen Ankündigung: Vernichtung der Völker — Heil für Israel. Jer

30,IIb.16.17.20b

In die Sammlung von Heilsworten Jer 30,4—22 sind in IIb; 16.17; 20b Zusätze eingefügt worden, die die Vernichtung der Feinde ankündigen mit der Absicht, sie zu zweiseitigen Ankündigungen umzugestalten. Der Versuch ist hier ganz mißlungen. Sie heben sich von den festgefügten, in sich einheitlichen Heilsworten so deutlich ab, daß sie als Nachträge nur zu klar erkennbar sind. Zur Erklärung ist das zu Jes 30,4—22 Gesagte zu vergleichen. Dazu die an anderen Stellen behandelten Texte Jes 14,1-2; 14,30.32; 29,5b-8 (Zusatz zu 29,1-4); 66,6.15-16; Zusätze zu Mi 5; Mi 4,13; Sach 2,12f. b) Vernichtung der Feinde als Vergeltung

In einigen Texten ist die Vernichtung der Feinde als Vergeltung für das, was sie Juda-Israel angetan haben, bezeichnet, oder auch als Bestrafung für Überheblichkeit. Joel 4,18-21 „ob des Verbrechens an den Söhnen Judas, daß sie ... und ich werde rächen ihr B l u t . . . " Ob 15-17 „wie du getan hast, so wird dir getan werden ..." Jer 30,16-17 „alle die dich gefressen haben, sollen wieder gefressen werden ... die dich plündern ... geplündert werden." Ebenso oder ähnlich Jer 30,20b; 30,11; Joel 2,18-20; 4,2b-3; Sach 2,8; Jes 10,12; 34,8; 35,4b; Ez 38,10-13. An mehreren Stellen ist die Begründung nachgetragen, z.B. Joel 2,19b; 4,19b.21a. Typisch ist das Wortspiel der Entsprechung: „wie du getan hast, so wird dir getan werden"; „alle die gefressen haben, sollen gefressen werden". Dieses Motiv gehört nicht ursprünglich zur zweiseitigen Ankündigung. Da hinter dieser der Doppelwunsch steht, zu dem eine Begründung nicht gehört, ist diese eine Angleichung an die prophetische Gerichtsankündigung, zu der eine Begründung gehört. Nur in dieser Gruppe kündigt ein Gotteswort die Vergeltung an Israels Feinden an, niemals in der Gruppe 1.

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 2

c) Die Vernichtung der Feinde durch Juda als Werkzeug Ob 18-21

V. 18 geht über die zweiseitige Ankündigung 15-17 hinaus; das Gericht über Edom soll durch J u d a vollstreckt werden (Vergleich mit Feuer und Stoppeln). In 19-20 ist die Ankündigung erweitert durch die Aufzählung der Gebiete, die J u d a dann für sich in Besitz nehmen wird. In 21 ist die Rettung Judas nur angedeutet. Mal 3,19-21

Der Vergleich mit Feuer und Stroh für die Vernichtung ist hier etwas abgewandelt: „der Tag, der kommt, wird sie verbrennen". Daß aber die Angeredeten die Vernichtung vollziehen werden, sagt V. 21: „und ihr werdet zertreten die Gottlosen, denn sie sind wie Staub unter euren Fußsohlen an jenem Tag". Das Motiv hat sich hier mit dem anderen: Schicksal der Frommen - der Frevler verbunden, V. 18: „Ihr werdet den Unterschied sehen zwischen den Gerechten und den Gottlosen". Dagegen das Schicksal der Gottesfürchtigen 20: „aber euch, die ihr meinen Namen fürchtet..." Ihnen wird die Sonne des Heils aufgehen, hier klingt Tritojesaja an. Der schöne Vergleich in 20b zeichnet die Freude der Befreiten: „... springen wie die Kälber, die aus dem Stall kommen". In äußerst hartem Kontrast hierzu steht der nächste Satz: „und ihr werdet zertreten die Gottlosen ...". Jes 14,1-2

V. 2 ist Zusatz zu dem Heilswort 14,1. In diesem Wort wird nicht Vernichtung, sondern Versklavung der früheren Feinde Israels angekündigt. Darin ist vorausgesetzt, daß die Judäer selbst sie unterjocht haben. Jes 19,16-17

Eine Randglosse zu 19,1-15, einem Völkerspruch über Ägypten. Sie greift aus dem Text 1-15 den Satz lb heraus: „und es verzagt den Ägyptern das Herz". J u d a wird dann so stark sein, daß das mächtige Ägypten sich vor ihm fürchtet. Diese Glosse zeigt, daß das Wort keine wirkliche Ankündigung meint, es ist ein Wunsch. Sach 9,13-16

Die Ankündigung der Vernichtung der Feinde 13-15 ist bestimmt von dem Motiv, daß J u d a selbst die Vernichtung vollzieht; Jahwe benutzt es als Waffe der Vernichtung, ein bizarrer Vergleich! Eine Erweiterung ist die Epiphanie Jahwes 14, an die Jahwekriege der Frühzeit erinnernd. Die

Die zweiseitige Ankündigung

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Verschärfung in 15b läßt den emotionalen, blutrünstigen Ton nicht verkennen. Es spricht daraus die Verbitterung des Unterlegenen. Sack 10,3-6a.llb Der Text ist unsicher in der Abgrenzung und in vielen Einzelheiten. Aber so viel läßt sich erkennen: Es ist eine zweiseitige Ankündigung ähnlich 9,13-16. J a h w e tritt für sein Volk ein 3b.5.6a; aber es ist J u d a selbst, das den Sieg über die Feinde erkämpft, zu dem J a h w e es befähigt. Sack 12,1-9 Den Kern dieses Wortes bilden die Verse 7 und 8: alle Völker werden „verschlungen", Jerusalem aber wird bestehen bleiben, J a h w e wird seine Bewohner schützen. Dieser Kern ist in der Weise erweitert, daß V. 2-6 entfalten: diese Vernichtung wird durch J u d a vollzogen werden. Das sagen die Vergleiche mit der „Taumelschale für alle Völker" V. 2, dem „Hebestein" 3, dem „Feuerbecken im Holzstoß", der „Brandfackel im Strohhaufen" 6. Die H ä u f u n g der Vergleiche dient der Intensivierung. Es kommen drei Zusätze in Mi 4—5 hinzu: Mi 4,13, Zusatz zu dem Heilswort 4,9-12 (Gruppe 1), von H. W. Wolffin die Zeit um 587 datiert. V. 13 kann nicht ursprünglich zu ihm gehört haben; daß J u d a in der Situation um 587 die Befähigung zur Vernichtung „vieler Völker" angekündigt worden sei, ist undenkbar: „Auf, drisch, Tochter Zion, ... daß du viele Völker zermalmst!". Der Vergleich mit einem Raubtier (Hörner und Hufe) erinnert an die Stammessprüche. Mi 4,13 ist ein typisches Beispiel für eine zweiseitige Ankündigung, die erst durch einen Zusatz hergestellt wird. Nach den Parallelen ist der Zusatz erst in spät-nachexilischer Zeit angefügt worden. Mi 5,4-5, Zusatz zu der Ankündigung eines Heilskönigs, sieht auch H. W. Wolff als späteren Nachtrag an. Auch hier bewirkt der Zusatz eine zweiseitige Ankündigung. Wenn es in V. 4 heißt: „ . . . 7 und 8 Heerführer", so ist das eine stark vergröbernde Steigerung der Ankündigung des einen Friedenskönigs: so stark wird J u d a sein, daß es Assur 7 und 8 Heerführer entgegenstellen kann, die Assur vernichten werden. Mi 5,7-8 ist ein Zusatz, der im Wortlaut bewußt an das Heilswort V. 6 angeglichen ist: „der Rest Jakobs wird sein ...", der aber inhaltlich in einem krassen Gegensatz zu ihm steht und nicht zusammen mit ihm entstanden sein kann. V. 6 sagt Heil für Israel an, 7-8 Vernichtung der Völker, an der J u d a selbst mitwirkt: „wie ein L ö w e , . . . der niedertritt und raubt". Wie Mi 4,13 ist dieser Vergleich denen der Stammessprüche ähnlich. Wenn 5,8, der im Rhythmus von V. 7 abweicht, ursprünglich an 4,13 schloß, wie H. Guthe H S A T annimmt, kann es von dem Ergänzer

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 2

hierherversetzt sein, u m die zweiseitige A n k ü n d i g u n g deutlicher zu m a chen. Diese drei Zusätze sind insofern wichtig, als sie nicht n u r ergänzen, sondern in b e w u ß t e m Gegensatz zu den Heilsworten stehen, denen sie zugesetzt sind: Nicht ein Friedenskönig, sondern acht mächtige H e e r f ü h rer! Nicht ein Segen unter den Völkern, sondern „wie ein Löwe, der niedertritt und r a u b t " ! Wenigstens in diesen drei Micha-Zusätzen erklären deren Verfasser, d a ß sie auf eine andere Z u k u n f t warten als die in den Heilsworten angekündigte. Heil für J u d a erwarten sie allein von der Vernichtung der Feinde. Juda erhält das Gebiet der Nachbarvölker zum Besitz Arnos 9,12a „ . . . d a ß sie in Besitz n e h m e n den Rest von E d o m . . . " Zeph 2,7.9b „ U n d die Meeresküste wird dem Rest des Hauses J u d a . . . " Ob 17b „und das H a u s J a k o b wird in Besitz nehmen, die es besaßen . . . " Dazu O b 19-20; S a c h 9 , 7 b . Dieses Motiv tritt n u r in kurzen Zusätzen auf. Die Sätze gehören nicht direkt zu der G r u p p e der zweiseitigen Ankündigungen, aber diese stehen im H i n t e r g r u n d ; denn in j e d e m dieser Sätze ist vorausgesetzt, d a ß die Vernichtung der Feinde Israel z u m Vorteil gereichen m u ß . So soll Israel von der Vernichtung der Feinde auch profitieren, indem es das Gebiet der Nachbarvölker z u m Besitz erhält. - Es m u ß eine besondere Menscheng r u p p e im nachexilischen Israel gewesen sein, die ein besonderes Interesse a m Landgewinn hatte. I n dieser G r u p p e von Zusätzen wird nicht einmal m e h r vorgegeben, d a ß es sich u m prophetische A n k ü n d i g u n g handle. Es ist Zukunftserwartung, die sich hier zu Wort meldet.

2. Dem Vernichten der Feinde geht deren Heranziehen voraus I n diesen sieben Texten wird die zweiseitige A n k ü n d i g u n g d a d u r c h erweitert, d a ß das Heranziehen der Feinde gegen den Zion oder das L a n d J u d a hinzukommt. D a m i t wird einerseits die Bedrohung unterstrichen, die der Feind für J a h w e s Berg und J a h w e s L a n d bedeutet, andererseits wird d a m i t J a h w e s L a n d und J a h w e s Berg z u m Schauplatz der Vernichtung. Die Texte zeigen den ersten Schritt der Erweiterung der zweiseitigen A n k ü n d i g u n g z u m D r a m a , von dem d a n n die großen Kompositionen handeln. Jes 17,12-14 12-13

Das A n s t ü r m e n vieler Völker, wie Meerestosen Gott bedroht sie, da fliehen sie, wie Spreu vor d e m W i n d

Die zweiseitige Ankündigung

14

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Abends Schrecken - morgens vorbei, das ist das Los unserer Plünderer

In diesem kurzen, dichterisch ausdrucksvollen Wort wird die Vernichtung der gegen J u d a (den Zion) anstürmenden Feinde angekündigt. Die Schilderung des Ansturms hat keinen geschichtlich-konkreten Zug, keine Zeit- oder Ortsangaben, keine Namen („viele Völker"). Ganz anders redet J e s a j a K a p . 7—8; 36—38 von den gegen Jerusalem heranziehenden Feinden. Die Befreiung ist in 14b nur impliziert. Jes 29,5b-8, Zusatz zu 29,1-4, Gericht über Jerusalem (Ariel-Spr.) Das Kapitel ist umstritten, der Text schlecht erhalten. Mit Sicherheit läßt sich erkennen, daß 1 - 4 eine Gerichtsankündigung über Ariel = Jerusalem ist, 5 b - 8 ein Heilszusatz. 5 6 7—8a 8b

„der Schwärm deiner Feinde wird wie Spreu sein" Epiphanie angedeutet zwei Vergleiche: „wie ein Traum . . . wie ein Hungriger" „ s o . . . allen Völkern ... die gegen den Berg Zion ziehen"

Auch in diesem Text wird die Vernichtung der „Völker" angekündigt, die gegen den Berg Zion anstürmen. Das Erscheinen Gottes, in apokalyptischer Sprache angedeutet, läßt die Feinde zerstieben und bringt den Ansturm zum Scheitern. Hinter diesem Text, vielleicht auch hinter 17,12—14 wird eine alte Tradition von der Vernichtung der gegen den Gottesberg anstürmenden Feinde stehen. Jes 33,1-16 gehört nur bedingt hierzu. Text und Folge der Verse sind ganz fraglich; die Motive ergeben in ihrer jetzigen Reihenfolge keinen Sinn (das war auch der erste Eindruck von H. Gunkel). M a n kann die Motive nur nach ihrem sachlichen Zusammenhang gliedern: 1 2.7-9 10 3-4.12-13 11.14a 14—16

der Verwüster wird verwüstet Klage und Bitte um Gottes Hilfe Antwort Gottes in der Epiphanie Vernichtung der Feinde Deutung der Feinde auf die Frevler Heil für die Gerechten

Das Einschreiten Gottes gegen die Feinde Israels, das aus der Epiphanie folgt, entspricht dem ersten Teil der zweiseitigen Ankündigung. Als solche ist sie von einem Späteren aufgefaßt worden, der in den Zusätzen 11.14a und 14b—16 diese Feinde als Frevler erklärt und dem Geschick der Frevler das der Gerechten in Anlehnung an eine Torliturgie entgegensetzt. Das Heil für Israel klingt nur an in der Glosse V. 6: „ . . . und sichere Zeiten wirst du haben". Der Ansturm der Feinde ist vorausgesetzt in dem Wehe-Wort am Anfang und der angedeuteten Klage des Volkes.

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 2

Joel 4,1-3.9-14

(15-17)

Die Abgrenzung der Einheiten ist hier nicht mit Sicherheit festzulegen (vgl. H. W. Wolff, Komm.). Eine selbständige Einheit ist V. 4-8, ein Völkerspruch über Tyrus, Sidon und Philistäa. V. 1-3 und 9-14 sind eine zweiseitige Ankündigung, zusammengehalten durch die Ortsangabe „im Tal Josaphat" in 2 und 12. V. 15-17 könnte dazugehören, kann aber auch selbständig sein. 1 „Zu jener Zeit, da Jahwe das Geschick Judas ... wendet 2a da versammelt er alle Völker im Tal Josaphat zum Gericht" 2b-3 wegen ihrer Vergehen an Israel 9—12a. 14 ironischer Aufruf zum heiligen Krieg im Tal Josaphat 12b „dort wird Jahwe Gericht über sie halten" 13 Aufruf zur Vernichtung 15.16a Jahwe läßt vom Zion seine Stimme erschallen 16b. 17 Für sein Volk ist Jahwe Zuflucht Es wird ein Tag angekündigt, an dem Jahwe das Geschick Judas wendet und zugleich Gericht über die Völker hält. Dies wird in 2b.3 mit den an J u d a begangenen Vergehen begründet. „Alle Völker" werden beschuldigt, auch die, auf die die Beschuldigung gar nicht zutreffen kann. Der Anfang 1—2a ist ein abgewandeltes Heilswort: „Zu jener Zeit, da ich das Geschick Judas wende, da sammle ich (meine Söhne) und führe sie (in die Heimat) zurück." Dem Verfasser waren also Heilsworte, die so anfingen, geläufig, die zweiseitige Ankündigung setzt sie voraus. In V. 9-14 ist das Heranziehen der Feinde breit entfaltet, in der Weise jedoch, daß Jahwe selbst sie zum Tal Josaphat bringt. Dabei ist das Motiv „Aufforderung zum K a m p f ironisch abgewandelt. Dazu gehört die Umkehrung V. 10: „schmiedet eure Pflugscharen um zu Schwertern!", die Mi 4 als bekannt voraussetzt. Wenn 15-17 den Teil 9—14 fortsetzt, so klingen in der Epiphanie 15.16a apokalyptische Töne an. Sack 14,1-9 (11)

In diesem Wort tritt die apokalyptische Färbung stärker hervor, das apokalyptische Drama nimmt deutlichere Konturen an. 1—2a

„Es kommt ein Tag, an dem Jahwe alle Völker nach Jersualem zum Kampf bringt" 2b die Stadt wird eingenommen, die Hälfte zieht in die Verbannung 3 Jahwe wird ausziehen, mit den Völkern zu streiten wie einst

Die zweiseitige Ankündigung

4 5a 5b 6-11 8 9 lOf.

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Seine Füße auf dem Ölberg, der Ölberg wird sich in der Mitte spalten das Hinnomtal wird gefüllt... dann wird Jahwe einziehen und seine Heiligen mit ihm Wandlung des Kosmos, apokalyptisch Lebendige Wasser strömen von Jerusalem aus dann wird Jahwe König über die ganze Erde ... ,Jerusalem wird emporragen ... in Sicherheit sein"

Das Heranziehen der Völker wird auch in diesem Text von Jahwe bewirkt 2a. Die „Völker" vollstrecken zunächst Jahwes Gericht über sein Volk, aber dann vernichtet er sie in seinem Land in einer apokalyptischen Katastrophe. Dem Sieg folgt der Einzug des Königs in seine Stadt, „und seine Heiligen mit ihm" 5b. Da Jahwe alle Völker besiegt hat, wird er nun auch König über die ganze Erde. Den Beschluß bildet in 9-11 die andere Seite der zweiseitigen Ankündigung: Jerusalem in ragender Höhe wird als Hort der Sicherheit bestehen bleiben. Zusätze zu Sach 14,1—9(11) sind 12-15 und 16-19. Zu 16-19 s.o.S. 162. Jes 66,6.15-16

6

„Lautes Getümmel - Jahwe übt Vergeltung an seinen Feinden" 7-14 Heilswort für Israel 15-16 Jahwe kommt wie Feuer und richtet die ganze Erde Das Heilswort 7-14 wird von einem Späteren gerahmt durch eine Gerichtsankündigung gegen die Völker, die nach 6a Jerusalem bedrohen. Durch diese Rahmung ändert der Verfasser ein reines Heilswort zu einer zweiseitigen Ankündigung. Der Ansturm auf Jerusalem ist in diesem Zusatz nur vorausgesetzt, nicht entfaltet. Jes

66,18.20.22-24

Der Text ist ganz unsicher und gehört nur bedingt hierher. In einem Heilswort, das in seinem Text und der Folge der Verse unsicher ist, wird der beständige, ungestörte Gottesdienst auf dem Zion verheißen V. 2223. Durch den Zusatz V. 24 wird der Text zu einer zweiseitigen Ankündigung umgestaltet: 24

„Und gehen sie hinaus, so sehen sie die Leichen der Menschen an, die sich gegen mich empört haben; denn ihr Wurm wird nicht sterben und ihr Feuer nicht verlöschen und sie werden ein Abscheu sein für alles Fleisch."

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 2

Die Stetigkeit des ungestörten Tempelkultes ist das Ziel der Geschichte; ebenso aber ist die Vernichtung als Gottes Gericht verewigt: die ewige Verdammnis. - Der Text kann insofern zu dieser Gruppe gerechnet werden, als die von Gottes Gericht Erschlagenen auf dem oder am Zionberg liegen, der Vernichtungsschlag also am Zionberg gefallen sein muß.

3. Große Jes 34-35:

Kompositionen

Edom wird vernichtet, Zion erlöst (so H. Guthe) 1-5

6-8 9-15

Ergrimmt ist Jahwe über die Völker, übergibt sie der Schlachtung „daß der Gestank von ihren Leichen aufsteigt daß die Berge von ihrem Blut zerfließen" Vergleich mit dem Opferschlachten Schilderung der Verwüstung

Das viel diskutierte Problem der beiden Kapitel Jes 34—35, bei H. Wildberger ausfuhrlich dargestellt, erhält einen neuen Aspekt, wenn man es im Zusammenhang der Heilsworte sieht, aus dem sich die Verbindung von Kap. 34 und 35 erklärt. Sie sind verschiedenen Ursprungs (so H. Wildberger u.a.). Sie sind hier zu einem Ganzen gestaltet von der Struktur Vernichtung der Feinde - Heil für Israel her. Die bewußte Zusammenfugung ist u. a. daran erkennbar, daß 35,4b: „die Rache kommt, es naht Gottes Vergeltung" 34,8 entsprechend in Kap. 35 eingefugt wurde, um die beiden Kapitel zu verklammern. Denn Kap. 35 ist ein reines Heilswort der Gruppe 1 (Wildberger nennt Texte dieser Gruppe als Parallelen) und steht Deuterojesaja nahe: 1-2 5-9 10

Ruf zur Freude, furchte dich nicht! 3-4 Heilsankündigung Verheißung des Bleibens im Land

Vergleicht man damit den Aufbau von Kap. 34, wirkt dieser konstruiert als eine Erweiterung der einfachen Ankündigung der Vernichtung der Feinde, den sonstigen zweiseitigen Ankündigungen entsprechend. Der Kern von 34,1-15 ist 2 Jahwe ist ergrimmt über die Völker, übergibt sie der Schlachtung 6 „denn ein Opferfest hält Jahwe in Bozra ..." 8 „dies ist ein Tag der Rache Jahwes ..." Alles andere ist Erweiterung, Ausmalung, Verschärfung. Die Sprache dieser Erweiterungen ist emotional und blutrünstig, sie berührt die Spra-

Die zweiseitige Ankündigung

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che der Apokalyptik (O. Kaiser bezeichnet 34-35 als eine kleine Apokalypse). Dem Kompilator von 34—35 lag das Heilswort Kap. 35 schon vor, ebenso die einfache Form der Ankündigung der Vernichtung der Feinde. Kap. 34—35 ist ein Zeugnis für ein Spätstadium der zweiseitigen Ankündigung; die apokalyptischen Elemente weisen auf den Ubergang zur Apokalyptik. Ez 35-36 Kap. 35 ist eine Ankündigung der Vernichtung Edoms, die in der Sammlung der Heilsworte Kap. 33-37 fehl am Platz ist, ein Völkerspruch über Edom. Verständlich wird es an seinem Ort, wenn es nach dem Schema der zweiseitigen Ankündigung einem Heilswort an J u d a vorgefügt ist. Bestätigt wird die bewußte Zusammenfügung durch den Anfang der beiden Kapitel: Kap. 35 ein Wort gegen das Bergland Seir, 36 ein Wort an die Berge Israels gerichtet. Zwischen dieser Kombination und der Jes 34—35 bestehen mehrere Entsprechungen. 35,1—4 5-9 10-15 36,1-4 5-7 8-13 8 9 10-13

Gerichtsankündigung gegen Edom (Gebirge Seir) „Weil du dich an Israel verschuldet hast, darum ..." „weil du ... darum ..." Wort an die Berge Israels. „Weil der Feind ... d a r u m . . . " die Völker werden ihre Schmach zu tragen haben ... Heilsankündigung an Israel „Ihr aber, Berge Israels, sollt eure Zweige sprossen lassen denn siehe: ich wende mich euch zu ... ich vermehre Menschen und Vieh ..."

35,1-4 ist eine Gerichtsankündigung gegen Edom in rhythmischer Form, wahrscheinlich auf den Propheten Ezechiel zurückgehend. Es folgen in Prosa zwei lange Erweiterungen mit vielen Wiederholungen, 5-9 und ΙΟΙ 5, beide mit dem Aufbau: weil du ... darum ..., im Inhalt nur wenig verschieden. Wie in Jes 34 ist die Sprache verschärfend und blutrünstig. Auch hier ist von der kurzen Gerichtsankündigung 4 die nur steigernde Erweiterung 5-9; 10-15 zu unterscheiden. In Kap. 36 nimmt 2b-7 die Gerichtsankündigung an Edom Kap. 35 auf und begründet sie in der Anrede an Israel, die dann in 8-13 in eine Heilsankündigung an Israel übergeht, in jedem einzelnen Satz mit den Heilsworten der Gruppe 1 übereinstimmend wie Jes 35. Die Kombination Ez 35-36 gehört nahe zusammen mit der in Jes 34— 35, auch ihr ist eine kurze Gerichtsankündigung und ein Heilswort an Israel schon vorgegeben.

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 2

Ez 38-39: Got und Magog Abgesehen von 35-36 (und der Andeutung 28,24—26) begegnet die zweiseitige Ankündigung im Buch Ezechiel nur noch in Kap. 38-39, einem Fremdkörper im Ezechielbuch (so W. Zimmerli u.a.). Ez 38-39 ist unverkennbar von der Struktur Gericht über die Feinde — Heil fur Israel bestimmt. Auf die Ankündigung der Vernichtung der Völker auf den Bergen Israels folgt ein Heilswort für Israel. Das Besondere an diesem langen Text ist die ausführliche Schilderung der Vor- und Nachgeschichte des Gottesgerichts. Aus dem Akt des Gerichtes Gottes über den Feind Israels wird ein Drama in drei Akten. Eben darin ist Ez 38-39 das wohl deutlichste Beispiel des Ubergangs von der späten Prophetie zur Apokalyptik im AT. 38,1-17 18-23.39,1-7 9-24 25-29 25 26 27 27

Gogs Zug gegen Israel, die Vorgeschichte Gottes Gericht über Gog die Nachgeschichte Heilsankündigung an Israel „Nun will ich das Geschick Jakobs wenden ... sie werden wieder in ihrem Lande leben ... Wenn ich sie befreie, sammle und heimhole ... Sie werden erkennen, daß ich ihr Gott bin ..."

Die beiden Teile sind sehr ungleich, in der Form wie im Inhalt. Das ganze Gewicht liegt auf dem ersten Teil: Gericht über Gog. Der Kern dieses großen ersten Teils ist eine kurze Ankündigung des Gerichts über Gog: 18

„An dem Tag, an dem Gog ins Land Israel kommt, wird mein Zorn entbrennen; 22: ich werde mit ihm ins Gericht gehen."

Diese Gerichtsankündigung ist in 19—22 durch die Schilderung einer apokalyptischen Katastrophe erweitert, die in der Nachgeschichte 39,924 weitergeführt wird. Die Vorgeschichte 38,1-17 verfremdet das Gericht Gottes über sein eigenes Volk in den Auftrag, den er Gog erteilt, gegen das Land Israel zu ziehen. Auch dies ein Zeichen dafür, daß hier die wirkliche Geschichte in das apokalyptische Drama integriert wird. Dieses Drama ist mit 39,17-20 zu Ende. Die abschließenden Verse 21-24, die zu dem Heilswort überleiten, kehren zur wirklichen Geschichte zurück. Das Heilswort 39,25-29 hat mit dem apokalyptischen Gog-Drama gar nichts zu tun, hier liegt ein eingreifender Stilbruch vor. Es ist ein Heilswort der Gruppe 1, das sehr konzentriert dessen sämtliche Motive von Befreiung und Heimkehr enthält, ein Text also, der anderen Ursprungs ist als das Gog-Drama und das der Verfasser von 38-39 schon vorfand. Darin stimmen alle drei großen Kompositionen Jes 34—35; Ez 35-36; Ez 38-39

Die zweiseitige Ankündigung

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überein. Daran zeigt sich, daß eine Erklärung dieser Texte nur als Erweiterung der zweiseitigen Ankündigung möglich ist, nicht aber aus dem Kontext des Prophetenbuches, in dem sie stehen. Nur so wird z.B. deutlich, wie das Herankommen des Feindes in den kurzen Texten wie Sach 14,1-11 in diesen Texten ausgeweitet wird zum Akt eines apokalyptischen Dramas. Diese Untergruppe der zweiseitigen Ankündigung ermöglicht es, den Ubergang von der Prophetie zur Apokalyptik genauer zu fixieren.

II. Abschließend zur Gruppe 2: Vernichtung der Feinde - Heil iur Israel Sie ist als ganze, in allen drei Untergruppen, von der zweiteiligen, gegensätzlichen Ankündigung bestimmt. Eine besondere Kraft zeigt diese Form darin, daß sie bei vielen Texten erst durch Zusätze entsteht. Schon das läßt darauf schließen, daß eine geprägte Form vorgegeben war. Sekundäre Zusammensetzung zeigt sich auch darin, daß dem A k t der Vernichtung der Feinde in der Mehrzahl der Texte der Z u s t a n d des Bestehenbleibens und der Sicherheit entgegengesetzt wird. Die angekündigte Vernichtung: Auf ihr liegt durchgehend das größere Gewicht, nur bei diesem Teil findet sich die Intensivierung der Sprache durch emotionale Kraftausdrücke und übertreibende Vergleiche, eine Fülle von Vokabeln, die alle Vernichtung bedeuten. Die Vernichtung der „Völker", die hier angekündigt wird, ist nicht selten bis ins Groteske verschärft. Häufig werden Worte wie „niedertreten", „zertrampeln" gebraucht (Sach 9,15), „daß die Berge von ihrem Blut zerfließen" Jes 34,2; „das Schwert Jahwes ist voller Blut" Jes 34,6.7; 63,1-6. Besonders tritt diese Eigenart in einer Gruppe von Vergleichen zu Tage, die der Verschärfung dienen: Jahwe macht J u d a „zu einem Feuerbecken im Holzstoß, zu einer Brandfackel im Strohhaufen" Sach 12,6. Bezeichnend ist auch, daß frühe Traditionen der Jahwekriege wieder aufgenommen werden wie die Aufforderung zum Kampf Mi 4,13, die Weihe der Beute Mi 4,13, die Epiphanie Jahwes Sach 9,14; in dem Vergleich des „Restes" mit einem Löwen Mi 4,13 und 5,7 werden Erinnerungen an die Stammessprüche Gen 49 wachgerufen. Bei den „Völkern", deren Vernichtung angekündigt wird, fällt der Mangel an Konkretheit auf. Das gilt für die Namen der Völker, für Ort und Zeit der Vernichtung. Auch wo Namen genannt werden (ζ. B. Edom, Ägypten), sind dies nur Bezeichnungen der „Völker", der Feinde Jahwes und seines Volkes. Als Zeit wird nur die Zukunft angegeben, als Ort nur der Gottesberg. Daß in e i n e m Akt alle Völker der damaligen Welt

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vernichtet werden sollten, geht schon in apokalyptische Vorstellungen über. Hiermit wird auch das Fundament des biblischen Redens vom Schöpfer und von der Schöpfung verlassen. In der Urgeschichte erwachsen die Völker aus dem Segen Gottes, so die Genealogien und Gen 10. In der Verkündigung Deuterojesajas wird es ausdrücklich bewahrt: „nicht zur O d e habe ich sie geschaffen" J e s 45,18.24. Würde m a n die Bezeichnung „alle Völker" wörtlich nehmen, dann bliebe nach deren Vernichtung nur noch Juda-Israel übrig in einer nun wirklich zur O d e gewordenen Welt. Heil für Israel: Die Texte, in denen die Befreiung von den Feinden angekündigt wird, sind fast ganz auf das Jesajabuch beschränkt, in Anlehnung an Jesajaworte, wie auch der häufige Gebrauch der Sprache Jesajas zeigt. Die beiden Stellen, die zum Jubel über die Befreiung rufen, erinnern an Deuterojesaja, Mal 3,20 an Tritojes. In der Mehrzahl der Texte ist das Heil nicht Befreiung, sondern Bestehenbleiben, Sicherheit, also ein Heilszustand, z. B.Joel 4,20: „ . . . aber J u d a wird ewig bestehen, und Jerusalem von Geschlecht zu Geschlecht"; J e s 33,16: „ . . . und sichere Zeiten wirst du haben". Es fehlt beim Reden vom Heil in der zweiseitigen Ankündigung alles, was sich auf ein neues, gewandeltes Gottesverhältnis bezieht. Nicht einmal wird gesagt, daß Gott sich seinem Volk wieder zugewendet hat, daß Gott wieder Freude hat an seinem Volk oder Ahnliches. Es sind rein politische Heilsworte, und das Wirken Gottes ist auf das Vernichten der Feinde Israels und das Garantieren der Sicherheit Israels beschränkt. Das Erstaunlichste ist wohl, daß in dem Teil ,Heil für Israel' das heile Leben des Volkes keinen R a u m hat. D a ß m a n wieder seines Lebens froh werden, wieder in Frieden unter seinem Feigenbaum sitzen kann, irgend so etwas fehlt. Worte wie Ruhe und Frieden begegnen nicht. Bestätigt wird dieses Fehlen durch die drei großen Kompositionen J e s 34-35; Ez 35-36; und Ez 38-39, in denen der Teil ,Heil fur Israel' einfach aus Heilsworten der Gruppe 1 übernommen ist.

Exkurs: Vernichtung der Feinde bei Deuterojesaja M a n könnte fragen: Ist nicht die Vernichtung der Feinde auch ein Bestandteil der Botschaft Deuterojesajas, so daß m a n hier einen Gegensatz zu den zweiseitigen Ankündigungen nicht behaupten kann? Aber hier ist auf den Unterschied hinzuweisen: In der zweiseitigen Ankündigung wird die Vernichtung „der Völker" oder „aller Völker" angekündigt, wobei niemals eine bestimmte geschichtliche Situation erkennbar wird; bei Deuterojesaja bezieht sich die Ankündigung auf die geschichtliche Weltmacht Babylon in einer eindeutig bestimmbaren geschichtlichen Situation.

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Der Unterschied zeigt sich auch in den drei Kreisen, in denen das Motiv bei Deuterojesaja begegnet: 1. Im Zusammenhang des Lobes Gottes als des Herrn der Geschichte, insbesondere 4 0 , 1 8 - 2 4 schließt Gottes Wirken in der Geschichte auch den Untergang der Mächtigen ein: „ . . . der die Würdenträger zunichte macht . . . " . Als der Herr der Geschichte greift J a h w e für sein Volk ein 40,9-10. Niemals geht es dabei um die Vernichtung der oder aller Völker. 2. J a h w e erteilt dem Perserkönig den Auftrag, Babylon niederzuwerfen 44,24-45,7. Er rettet sein Volk anders als er es in der Geschichte vordem Zusammenbruch getan hat. 3. Es begegnen aber auch Worte, die der zweiseitigen Ankündigung ähnlich sind, z.B. 41,11-13: „Siehe, zu Schmach und Schanden werden alle, die gegen dich streiten . . . " ; auch 41,14-16; 49,24-26; 51,13b; 51,23, auch Nah 1,12-13.2,1-3; Zeph 3,14-20. Das sind Teile überlieferter Heilsorakel, mit denen der Prophet sein Volk tröstet. Es geht um das Ermutigen des Volkes im Exil in der Sprache überlieferter Heilsorakel, die auf die Klagen des Volkes antworten. Auch in diesen Worten geht es niemals um die Vernichtung der Völker als solche.

Ubergang in die Apokalyptik in der zweiseitigen

Ankündigung

Apokalyptische Motive fehlen (mit einigen Ausnahmen) in der zweiseitigen Ankündigung in ihrer einfachen Form. Sie beginnen mit der Erweiterung um das Heranziehen der Feinde. Sie zeigen sich im überwirklichen Schildern dieses Herankommens und in der plötzlichen Vernichtung, auch in der Ubersteigerung der Feinde in „die Völker" oder „alle Völker". Der apokalyptische Charakter wird verstärkt in den großen Kompositionen, in denen das Gericht über die Völker in kosmische Dimensionen reicht. J o e l 3,3-4: „Und Zeichen werden geschehen am Himmel und auf Erden", Blut und Feuer und Rauch; die Sonne wird sich zu Finsternis wandeln und der Mond zu Blut, J o e l 4,15—17. Die Sterne verlieren ihren Glanz, Jahwes Ruf läßt Himmel und Erde erzittern. Der Olberg wird sich in der Mitte spalten, der Rhythmus von Tages- und Jahreszeiten wird zerstört, die Ströme verwandeln sich zu Pech. Die Vernichtung ist ungeheuer, sie übersteigt jedes Maß. Als ein apokalyptisches Motiv kann man auch die Ankündigung der ewigen Verdammnis 66,24 ansehen. In der Form der zweiseitigen Ankündigung, insbesondere in deren Erweiterungen, zeichnet sich der Übergang von den späten Ausläufern der Prophetie in die Apikalyptik ab. Dabei ist zu beobachten, daß in den späten Schichten der Heilsworte der Gruppe 1 Motive der Heilsschilderung ins Überwirkliche gesteigert werden, in den späten Schichten (den Erweiterungen) der zweiseitigen Ankündigung aber es allein das Motiv

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der Vernichtung der Feinde ist, das apokalyptische Dimensionen annimmt.

III. Zur Herkunft der zweiseitigen Ankündigung Einige der Ankündigungen der Vernichtung der Feinde Judas haben eine Begründung bei sich: sie sei Vergeltung für das, was die Feinde J u d a angetan hätten. Ausfuhrlich ist sie in Joel 4,2-3 gegeben: „... wegen meines Volkes und Erbteils Israel ..."; Ob 15: „denn wie ihr getrunken habt, sollen sie ...". An einigen Stellen ist diese Begründung deutlich nachgetragen, so in Joel 4,18—22 die Verse 19b.21a. Solches Nachtragen einer Begründung zeigt, daß sie der zweiseitigen Ankündigung ursprünglich nicht angehörte. Die Hinzufügung ist wahrscheinlich Anpassung an die prophetische Gerichtsankündigung. Der Vorgang wird verständlich, wenn die zweiseitige Ankündigung ihre Wurzel in dem sog. „Doppelwunsch" hat, der ursprünglich ein selbständiges Eigenleben hatte, wie 1 Sam 25,29 zeigt: „Möge die Seele meines Herrn im Beutel des Lebens verwahrt sein bei Jahwe, deinem Gott! die Seele deiner Feinde aber schleudere er in der Schleuderpfanne fort!" Dieser Doppelwunsch hat keine Begründung bei sich, weil er eine Sonderform des Motivs Segen - Fluch ist. Eine Beziehung zwischen beiden legt sich nahe, weil in Mi 7, dem Psalm am Ende des Michabuches, ein solcher Doppelwunsch als Bestandteil des Psalms in engster Beziehung zur Heilsankündigung Mi 7,8-10 und 14-17 steht: 7,9

„... bis er mich zum Licht führt, daß ich sehe seine Gerechtigkeit... 10 ... sehen wird es meine Feindin und mit Schande bedeckt werden; jetzt soll sie zertreten werden wie Kot auf der Gasse!"

In den Klagepsalmen ist dieser nach zwei Seiten gerichtete Wunsch eine häufige Form am Schluß des Psalms, meist vor dem Lobgelübde. Die feste, ausgeprägte Form eines zweiseitigen Wunsches begegnet allerdings fast nur in Volksklagen wie Ps 80,17-18: „Die ihn mit Feuer verbrannt, abgehauen, sollen vergehen vor dem Drohen deines Angesichtes!

Die zweiseitige Ankündigung

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Es sei deine Hand über dem Mann deiner Rechten, ... den du dir stark machtest!" Dazu Ps 79,10b—12; 71,12-13; 74,19-21. Im Klagepsalm des Volkes hat der Doppelwunsch seinen eigentlichen Ort; dem entspricht auch die Übernahme in der zweiseitigen Ankündigung, in der es ja auch um die Feinde Israels geht. An vielen Stellen begegnet der Doppelwunsch in den Klagen des Einzelnen, hier aber meist abgewandelt zu einer Bitte, am Ende des Psalms, z.B. Ps 31,18f.: , Jahwe, laß mich nicht zuschanden werden, da ich dich anrief! Zuschanden werden sollen die Frevler und verstummen und niederfahren zum Abgrund ...!" Dazu Ps 32,10; 54,6-7 und noch etwa 26 Stellen. Das Beispiel zeigt, daß in den Klagen des Einzelnen an die Stelle des Gegensatzes zwischen Israel und seinen politischen Feinden meist der von den Frevlern und den Frommen getreten ist. Mit diesem zweiseitigen Wunsch stimmt die zweiseitige Ankündigung einmal in der Struktur überein: das Wort hat zwei Glieder, in denen es nach zwei Seiten gerichtet ist. Inhaltlich darin, daß der Gegensatz im wesentlichen der gleiche ist: die Feinde - ich (wir). Man kann daraus schließen, daß die zweiseitige Ankündigung unmittelbar oder mittelbar auf den Doppelwunsch zurückgeht, dessen Wurzeln im Bereich von Segen und Fluch liegen, vgl. H. Gunkel - J. Begrich, Einleitung in die Psalmen, 1933 21966, S. 228f.: „Wünsche gegen die Feinde und Wünsche für sich selbst" mit weiteren Stellenangaben. - Diese Herkunft macht es noch deutlicher, daß die zweiseitige Ankündigung ein Fremdkörper in den prophetischen Heilsworten ist, der diesen in einem späten Stadium zuwuchs. Ein Fremdkörper auch darin, daß der Doppelwunsch ein Gebetswort ist, das ein Glied der gottesdienstlichen Gemeinde spricht. Auch wenn er formal zu einer Ankündigung abgewandelt ist, bleibt er seinem Inhalt nach Wunsch. Damit wird bestätigt, daß sich die prophetische Ankündigung in den Spätstadien zur Erwartung oder zum Wunsch gewandelt hat.

IV. Die theologische Bedeutung der zweiseitigen Ankündigung Die zweiseitige Ankündigung stellt ein spätes Stadium in der Geschichte der Prophetenworte dar, sie ist mit Sicherheit spätnachexilisch. Zu dieser Zeit gab es Propheten im strengen Sinn in Israel nicht mehr. Wenn

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Prophetische Heilsworte der Gruppe 2

die zweiseitige Ankündigung die Form des Prophetenwortes annimmt (Botenformel und Gottesrede in der l.pers.), so ist das Nachahmung, die das Gesagte autorisieren soll. Es wird in dieser zweiseitigen Ankündigung nicht mehr ein Botenwort übermittelt; es wird vielmehr gesagt, was nach Meinung der Sprecher dieser Worte Gottes Absicht für die Zukunft war. Es war ihre Zukunftserwartung, die sie in ehrlicher Uberzeugung als Gottes Worte wiedergaben. Aber was diese Texte sagen, steht in einem unüberbrückbaren Gegensatz zu den Heilsworten der Gruppe 1. Sie wissen nichts von einer Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel außer dem einen, daß Gott Rache nehmen muß für das, was die Feinde seinem Volk angetan haben. Wo sie Traditionen einbezieht, sind es die der Kriege der Frühzeit, in denen Jahwe seinem Volk zu Siegen verholfen hat oder die Stammessprüche. Von der Schuld Israels, das seinem Gott untreu geworden ist, wird in diesen Texten nie gesprochen und natürlich auch nicht von ihrer Vergebung. Hier liegt in der Tat ein tiefer geschichtlicher Bruch vor. Die Verfasser dieser Worte stehen den vorexilischen Heilspropheten nahe, die von den Gerichtspropheten als falsche Propheten bezeichnet wurden. Sie stehen im Gegensatz zu der Verkündigung Deuterojesajas wie Chananja im Gegensatz zur Verkündigung Jeremias stand, vgl. auch Jer 29. Es ist dem dann nicht auszuweichen, daß im und nach dem Exil die Heilserwartung in zwei Richtungen auseinanderging. Die in der Nachfolge Deuterojesajas stehende Richtung spricht in den Heilsworten der Gruppe 1, die im Gegensatz zu ihr stehende in den Worten der zweiseitigen Ankündigung. Es sind nationalistisch-militaristische Kreise, die eine Zukunft für Juda-Israel nur in Siegen über die Feinde Israels und deren Vernichtung sahen. Es ist zu fragen, ob von diesen Texten der Gruppe 2 Linien führen zu einer Weiterführung zu der nationalistisch-militaristischen Erneuerung, nach der J u d a selbst das Werkzeug sein soll, durch das Jahwe die Feinde vernichtet, wie das schon in einer Gruppe dieser Texte angekündigt wird. Der Gegensatz, in dem Jesus von Nazareth stand zu dem „was zu den Vätern gesagt war", kann dann nicht nur in einzelnen verstreuten Worten des Alten Testaments gesehen werden, sondern besteht in einem großen, in sich festen Komplex von „Heilsworten", entstanden in der exilischnachexilischen Zeit, die das Heil für Israel allein durch die Vernichtung der Feinde Israels ermöglicht verstanden. Die Heilserwartung dieser Gruppe wird durch die Verkündigung, das Leben und das Leiden Jesu radikal verneint.

Nichtprophetische Heilsworte der Gruppe 3 und 4

Gruppe 3: BEDINGTE

HEILSANKÜNDIGUNG

IN DEN PROPHETENBÜCHERN

Einleitung: Bedingte Heilsankündigung im Deuteronomium und im deuteronomistischen Geschichtswerk E. W. Nicholson hat in seinem Buch „Preaching to the Exiles. A Study of the Prosa-Tradition in the Book ofjeremiah" (1970) nachgewiesen, daß das Buch Jeremia in zwei Stadien entstanden ist: a) Worte Jeremias, b) ihre Umgestaltung und Erweiterung während des Exils durch die Deuteronomisten, die Worte Jeremias während des Exils in ihre veränderte Situation so übersetzten, daß sie der Predigt und Lehre, an die Exilierten gerichtet, dienen konnten. Das gilt sowohl für die Rede-Texte (Mowinckels Quelle C) wie auch für die erzählenden Texte (Mowinckels Quelle B). Zu dieser dtr Umgestaltung und Erweiterung gehören nach Nicholson auch die meisten Heilsworte im Jeremiabuch, wie es die Sprache dieser Heilsworte zeige. — Kann man der These Nicholsons im wesentlichen zustimmen, so bedarf doch das, was er von den Heilsworten im Jeremiabuch sagt, einer Ergänzung. Er ist nur mit der Frage beschäftigt, ob ein Heilswort im Jeremiabuch von Jeremia stammt oder deuteronomistisch ist, fragt aber nicht, ob die Heilsworte, die nicht von Jeremia gesprochen sind (das sind auch nach Nicholsons Meinung weitaus die meisten), von Dtr selbst geprägt oder ob sie aus einer Tradition schon bestehender Heilsworte übernommen und umgestaltet wurden. Auch geht er auf Form und Inhalt dieser Heilsworte fast gar nicht ein. Die These, daß alle diese Heilsworte dtr seien, reicht aber schon deswegen nicht aus, weil sie unter sich viel zu verschieden sind. In einem Punkt ist Nicholson ohne Vorbehalt zuzustimmen, das ist auch schon von vielen Forschern vor ihm gesehen worden: Eine dtr geprägte Sprache bestimmt sowohl einige prophetische Gerichtsworte

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Nichtprophetische Heilsworte der Gruppe 3 und 4

wie auch viele Heilsworte. Eine deuteronomistische Überarbeitung dieser Prophetenworte ist unverkennbar. Hierzu die grundlegende Arbeit von W. Thiel, „Die deuteronomistische Redaktion von Jer 1-25" W M A N T 41, 1973, dazu (26-45) W M A N T 52, 1981.-Aber mit der bloßen Feststellung dieser Tatsache ist es nicht getan. Die Fragen fangen damit erst an. Ich beschränke mich auf die Frage, was diese Aufnahme und Bearbeitung von Heilsworten in Dtn und Dtr für diese selbst bedeuten. a) Dtn 4 ist nach der Meinung aller oder der meisten Forscher dtr. Das Kapitel zeigt das Gefüge der dtr Paränese in klassischer Form: 1-2

Mahnung: „Höre, Israel, auf die Satzungen und Rechte ..., damit ihr lebet... hineinkommt... in Besitz n e h m t . . . " 3—4 Geschichtserinnerung: „Ihr habt gesehen ..." 5-8 Fortsetzung der Mahnung 9—14 Warnung und Mahnung mit Geschichtserinnerung 15—24 speziell: Warnung vor dem Götzendienst 20Geschichtserinnerung 25-31 Bedingte Gerichts- und Heilsankündigung 25-28 „Wennihr ... dann ..." 29-31 „Wenn ihr ... dann ..." 32-38Geschichtserinnerung 35 „damit du erkennst, daß ..." 39-40 Abschließende Mahnung Der Aufbau von Dtn 4 umfaßt alle wesentlichen Elemente der dtr Paränese in einem klaren, sinnvoll durchdachten Gefüge: 1. Das Ganze ist unter Benutzung der Stilform der inclusio von der Mahnung gerahmt, 1-2 die einleitende, 39-40 die abschließende Mahnung. Der Mahnung wird also in der dtr Paränese eine besondere Bedeutung gegeben. Es ist in jedem Fall die Mahnung, auf Gottes Gebote zu hören. Sie ist als ein Element der Paränese dem Dtr offenbar schon vorgegeben. 2. In diesen Rahmen ist zunächst die Geschichtserinnerung gefugt, in 3-8 und 32-38. Sie gibt die Begründung für die Mahnung: „Ihr habt es selbst gesehen ..."! Die Hörer werden auf ihre eigene und ihrer Väter Geschichtserfahrung hin angeredet; das Hören auf Gottes Worte wird auf Israels Erfahrungen mit seinem Gott gegründet. 3. Von der Geschichtserinnerung eingefaßt sind die beiden Teile Warnung und Mahnung, insbesondere die Warnung vor dem Götzendienst 9-14; 15-24 und der konditionale Teil 25-31, bedingte Gerichts- und Heilsankündigung. Die durchdachte Struktur dieser paränetischen Rede,

Gruppe 3: Bedingte Heilsankündigung in den Prophetenbüchern

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die Rückblick und Vorblick auf die Geschichte in sich vereinigt, zeigt das Schema: 1-2

3-8 9-24 25-31 32-38 38-40

Einleitende Mahnung Geschichtserinnerung Mahnung und Warnung bedingte Gerichts- und Heilsankündigung Geschichtserinnerung Abschließende Mahnung

Dieses Gefüge läßt Sinn und Absicht der dtr Paränese erkennen. In ihrer Mitte steht die bedingte Gerichtsankündigung, an die die bedingte Heilsankündigung gefügt ist. In ihr nimmt die dtr Paränese die prophetische Gerichtsankündigung auf, 26f.: ,Jahwe wird euch unter die Völker zerstreuen!". In der zu einer bedingten abgewandelten Gestalt kann sie über das Exil hinaus Geltung behalten. So wie die vorexilische Gerichtsankündigung durch die Anklage begründet wird, so die bedingte durch eine Warnung. Die Abwandlung ist bedingt durch die neue Situation nach dem Eintreffen des Gerichts (so auch E. W. Nicholson). Die zweite Abwandlung besteht darin, daß in dieser gewandelten Situation die bedingte Gerichts- mit einer bedingten Heilsankündigung verbunden werden kann. Beide sind jetzt nicht mehr an eine bestimmte, begrenzte Situation gebunden, ihre Geltung ist jetzt zeitlich unbegrenzt. In Dtn 4 liegt das deuteronomistische Werk in nuce, etwas wie ein Modell dieses Werkes vor. Seine Absicht ist es, Geschichte, Gesetze und Propheten zu einem Ganzen zu verbinden und in diesem Ganzen Israels Geschichte mit Gott und Gottes Wort an Israel in Gesetz und Propheten in die Situation nach dem Ergehen des Gerichts hinein zu vergegenwärtigen und neu zu erwecken. In der Struktur von Dtn 4 ist zugleich das Ende der vorexilischen Prophetie konstatiert: In der Zeit nach dem Gericht tritt an die Stelle der Prophetie die Paränese. Für die Geschichte der Heilsworte ergibt sich daraus: der Umbruch vom unbedingten zum bedingten Heilswort liegt an dieser Stelle. Das bedingte Heilswort erhält seine Funktion nach dem Zusammenbruch in der dtr Paränese während des Exils. Das bedingte Heilswort tritt zum bedingten Gerichtswort hinzu als Hinweis auf die neue Möglichkeit des „Lebens", zu der die Mahnung aufruft. Diese Möglichkeit ist an den Gehorsam gegenüber Gottes Geboten gebunden, Dtn 30, 15-20. In dieser Mahnung haben auch feste Wendungen ihren Ort. Der Satz 4,35 „... damit du erkennst, daß ..." ist hier nicht formelhaft gemeint; Israel soll die großen Zusammenhänge in seiner Geschichte erkennen und aus dieser Erkenntnis heraus die Warnung und Mahnung beachten.

176

Nichtprophetische Heilsworte der Gruppe 3 und 4

b) Die Prophetie im dtr Geschichtswerk

Im dtr Geschichtswerk ist die Prophetie ein notwendiger Bestandteil der Geschichte Gottes mit seinem Volk. Die Funktion, die sie in ihm hat, ist in Dtn 18,9-22 ausfuhrlich dargestellt. 15—18 Gott verheißt Israel, wenn es im verheißenen Land wohnt, einen „Propheten wie Mose" aus seiner Mitte. Er soll Israel Gottes Wort verkünden, auf ihn soll Israel hören. 19 Gott wird Rechenschaft von dem fordern, der nicht hört. 20-22 Der falsche Prophet, der nicht Jahwes Wort sagt, muß sterben. Ein Prophetenwort, das nicht eintrifft, hat Jahwe nicht gesagt. Auf die vorexilischen Gerichtspropheten bezieht sich auch 2Kön 17,13-18:

13 Jahwe hatte Israel durch seine Propheten gewarnt... 14—17 „doch sie haben nicht gehört... 18 so ergrimmte ich ..." Dieser Text zeigt, daß die prophetischen Gerichtsankündigungen und Anklagen als Mahnungen und Warnungen verstanden wurden. Deswegen war es nach ihrer Meinung berechtigt, wenn die Paränese die prophetische Verkündigung nach dem Zusammenbruch weiterführte. Daraus folgt notwendig, daß Propheten in den Mund gelegte Worte, die Mahnungen und Warnungen enthalten, der dtr Vergegenwärtigung der Prophetenworte nach dem Zusammenbruch entstammen. c) Bedingte Heilsankündigung im dtr Geschichtswerk

Im Tempelweihgebet Salomos lKön 8 sieht der Dtr auf das Exil voraus, 46-51: 46 47 49 50 51

Abfall von Gott, Gottes Gericht, Wegführung ins Exil Besinnung, Umkehr, Sündenbekenntnis, Flehen zu Gott „So mögest du sie im Himmel hören und ... vergeben und sie Nachsicht finden lassen bei ihren Bezwingern denn sie sind dein Volk, das du ..."

In diesem Wort, das schon die Vernichtung des Tempels, der hier gerade erst eingeweiht wird, voraussetzt, will der dtr Verfasser zum Ausdruck bringen, daß das Anrufen Gottes um Gnade für sein Volk mit dem Gericht Gottes, das j a auch die Vernichtung des Tempels einschließt, nicht zu einem absoluten Ende gekommen ist; es ist auch in der Fremde, im Exil, in

Gruppe 3: Bedingte Heilsankündigung in den Prophetenbüchern

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der Richtung auf den Tempel in Jerusalem möglich. Gott hört es und es ist nicht ausgeschlossen, daß er ihm vergibt. Dieser Text ist für Dtr besonders wichtig, weil er von der Ermöglichung einer Zukunft Israels nach dem Gericht handelt. Nur aufgrund der Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk, die dessen Umkehr zu ihm voraussetzt, wird Heilsankündigung wieder möglich. Dieser Text erklärt aber auch, daß jetzt Heilsankündigung nur noch eine bedingte sein kann. Ein Beispiel ist Dtn 30,1-10: la

„Wenn der Fluch eingetroffen ... Jahwe dich verstoßen hat... I b—2 wenn du dann zu Jahwe umkehrst... 3a dann wird Jahwe dein Geschick wenden ... 3b-4 Er erbarmt sich ... sammelt dich ... bringt dich zurück 5b macht dich glücklicher und zahlreicher als deine Väter 9 Jahwe verleiht dir Uberfluß, hat wieder Freude an dir 10 Wenn du der Stimme Jahwes gehorsam bist, seine Gebote befolgst... umkehrst..." Eine traditionelle Heilsankündigung 3b—9 ist durch den Rahmen 1 f. und 10 zu einer bedingten abgewandelt, wie sie der dtr Paränese entspricht. Die vielfach bezeugte traditionelle Heilsankündigung ist aber unbedingt. Dem dtr Verfasser lagen solche unbedingten Heilsworte vor und er änderte sie in bedingte ab. Dann reicht die Unterscheidung Nicholsons zwischen Heilsworten, die Jeremia gesprochen hat und dtr Heilsworten nicht aus. Vielmehr hat die dtr Bearbeitung außer Heilsworten Jeremias auch andere Heilsworte vorliegen, die sich mit den gleichen Motiven und in der gleichen Motivfolge in mehreren Prophetenbüchern vorfinden. Auch die dtr überarbeiteten Heilsworte im Jeremiabuch müssen dann aus dem Kontext a l l e r exilisch-nachexilischen Heilsworte untersucht werden. Dtn

28,1-13

Die beiden Abschlußkapitel Dtn 28 und 29 sprechen denen, die das vorangehende Gesetz halten, den Segen, den diesem Gesetz Ungehorsamen den Fluch zu. Aus Segen und Fluch, die ihrem Wesen nach unbedingt sind (denn nur so können sie wirkendes Wort sein) wird bedingter Segen und bedingter Fluch, der dtr Paränese entsprechend. 1-2

3-8 9-13

„Wenn du der Stimme Jahwes ... treu gehorchst,... so erhebt dich Jahwe hoch über alle Völker und über dich kommen alle die Segnungen ... Gesegnet du in der S t a d t . . . auf dem Feld ... Und Jahwe verleiht dir Überfluß ... wenn du den Geboten gehorchst..."

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Nichtprophetische Heilsworte der Gruppe 3 und 4

In dem Mittelstück 3-8 ist die alte Form eines Segensrituals noch deutlich zu erkennen, in der der Segen vom Heiligtum her erteilt wurde. Er konnte nur die unbedingte Form haben, vgl. Num 6,24—26. Wird er zu einer bedingten Segensankündigung abgewandelt, so geht darin der ursprüngliche Charakter des Segens als eines wirkenden Wortes verloren. Durch die Bedingung wird der Segen Gottes an das Verhalten der Menschen gebunden.

I. Die bedingten dtr Heilsworte im Jeremiabuch Mit diesen Dtn-Stellen haben eine Reihe von Jeremiaworten gemeinsam, daß die unbedingte zu einer bedingten Heilsankündigung abgewandelt ist. Bei der Verteilung dieser Stellen ist ein bezeichnender Unterschied zu beobachten. Alle Texte in 30-33, der Sammlung von Heilsworten, deren Sprache einen dtr Einfluß aufweist, sind zwar dtr bearbeitet, aber trotzdem unbedingte Heilsankündigungen, während alle Texte außerhalb dieser Sammlung bedingte Heilsankündigungen sind. Die Tradenten müssen dann bewußt zwischen ihnen unterschieden haben. Sie erkennen damit an, daß ihnen unbedingte Heilsankündigungen schon vorgegeben waren. Die dtr Einfluß zeigenden Texte in der Sammlung SOSS werden deshalb dort mit der Gruppe, zu der sie gehören, behandelt. Es sind 30,1-3 (31,27-28); 32,37-44; 33,1-13. Die bedingten Verheißungen dagegen gehören dem weiteren Zusammenhang der dtr Paränese an, wie sie oben in Beispielen dargestellt wurde. Sie werden daher auch in diesem Zusammenhang behandelt. Es sind die Texte: 3,6-13; 3,19-4, 4; 7,3-8.23-23; 26,2-6; 13.19; 12,14-17; 17,19-27; 18,1-12; 24,4-10; 22,1-5; 29,10.12-14; (42,10-18). a) Eine Gruppe dieser Worte ist bestimmt vom Ruf zur Umkehr an Israel: 3,6-13: In 3,6-18 sind zwei ursprünglich selbständige Einheiten, V. 6-13 und 14—18, miteinander verbunden worden. Das ursprünglich selbständige Heilswort 3,14—18 gehört zu der Gruppe der Texte, die Befreiung und Wiederherstellung ankündigen. 3,6-13 ist ein typischer dtr Ruf zur Umkehr, verbunden mit einer bedingten Heilsankündigung. Er setzt ein mit einer ebenfalls für Dtr typischen Geschichtsdeutung, hier einem Vergleich zwischen der Abwendung Judas und Israels von Gott 6-10 und dem Ergebnis 11—12a, daß Israel weniger schuldig sei als Juda. Es folgt 12b der Ruf zur Rückkehr mit

Gruppe 3: Bedingte Heilsankündigung in den Prophetenbüchern

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dem Angebot der Wiederzuwendung Gottes, wenn es seine Schuld erkennt und eingesteht. 12b 13

„Kehre zurück, Abtrünnige Israel, spricht Jahwe, Ich will nicht mehr ... denn ich zürne nicht auf ewig... Aber erkenne deine Schuld, daß du gegen Jahwe, deinen Gott, gefrevelt h a s t . . . " (fortgesetzt in 3,14—18 „Kehret zurück, abtrünnige Söhne...")

3,19^,4 Der Text ist darin 3,6-13 ähnlich, daß der Ruf zur Umkehr 4,1-4 auch hier einem Geschichtsrückblick folgt, 3,19-25. 19 20 21 22a 22b-25 4,1—4 l-2a 2b 3-4

Gottes frühere Heilstaten Israels Abfall, Anklage der Untreue Klage des Volkes und Sündenbekenntnis Ruf zur Rückkehr, Angebot der Wiederannahme Vollzug der Umkehr, Vertrauensbekenntnis Angebot der bedingten Wiederannahme Bedingungen: wenn du ... dann wird Jahwe Segen schenken Mahnung und Warnung

Wahrscheinlich steht hinter 3,19-25 ein älteres unbedingtes Heilswort, das aber nicht zu rekonstruieren ist. Das Wort zeigt exemplarisch, wie in der Zeit nach dem Exil der Bußgottesdienst (Esra 9; Neh 9) an die Stelle der Klagebegehung tritt. Die Struktur der Volksklage ist deutlich zu erkennen. Der entscheidende Wandel besteht darin, daß an die Stelle der Gottesantwort (unbedingt) der Ruf zur Umkehr und damit die bedingte Heilsankündigung (4,1-4) tritt. Die dtr Paränese muß im Zusammenhang mit dem Bußgottesdienst gestanden haben, wie das auch Jes 48,18 zeigt. 7,3-8.23-24; 26,13 Die Tempelrede Jeremias ist, wie allgemein anerkannt, dtr erweitert. In der Erweiterung 3-8 ist eine Mahnung: „Bessert... dann ...", darauf eine Bedingung der Verheißung vorangesetzt: „Wenn ... dann ...". In V. 8 folgt der Ubergang zur Anklage. Dasselbe in V. 23-24. - Im Bericht von der Tempelrede in Kap. 26 ist ebenfalls eine bedingte Heilsankündigung zugefügt: „So bessert nun euren Wandel ... daß Jahwe sich des Unheils gereuen lasse..." (13). In 22,1-5 erhält Jeremia den Auftrag, dem König ein Wort Jahwes auszurichten 1-2. Es besteht in einer Reihe von Mahnungen: „Übt Recht

180

Nichtprophetische Heilsworte der Gruppe 3 und 4

und Gerechtigkeit...!" 3. Es folgt eine bedingte Heils- und Unheilsankündigung 4—5. Das Ganze ist typisch dtr Paränese. b) In einer weiteren Gruppe von bedingten Heilsankündigungen 24,4-10; 29,1-14; (42,10-18) steht diese im Zusammenhang von Scheidungen innerhalb des Gottesvolkes, bei denen dem einen Teil (bedingtes) Heil, dem anderen (bedingtes) Unheil angesagt wird. Die Texte zeigen, wie beides dem Dtr zu seiner Geschichtsdeutung dient. Man kann hierzu auch 3,613 rechnen (s.o.), sofern es hier um das verschiedene Schicksal Nordisraels und Judas geht. In 24,4—10 und 29,1-16 geht es um das verschiedene Schicksal der 597 Exilierten und der in Jerusalem Gebliebenen. 24,4-7: Die zwei Feigenkörbe Der Visionsbericht V. 1-3 gehört wahrscheinlich einer älteren Schicht an. Es fehlt ein deutendes Wort, das ganz kurz gewesen sein muß. Es ist ersetzt durch die dtr Deutung in V. 4—10 in offenkundig dtr Sprache. Sie ergeht ex eventu. Im Rückblick wird erklärt, warum an dieser Stelle im Handeln Gottes an seinem Volk Heil und Unheil auseinandertraten, den Heilsankündigungen entsprechend, wie sie nach der Katstrophe entstanden und wie sie in Jer 30-33 gesammelt sind. Die Reihe der Motive ist die gleiche: Gericht über das Volk - Begnadigung - Zurückfuhrung - Wiederherstellung - innere Wandlung. Nur der letzte Satz 7b deutet die Abwandlung zu einer bedingten Heilsankündigung an: „denn sie werden sich zu mir bekehren". 29,10.12-14 Der BriefJeremias steht der Verheißung in 32,15 nahe. Der dtr Redaktor fugt in 10a ein Datum hinzu (70 Jahre), das zu geben Jeremia damals keine Vollmacht hatte. Dem folgt eine bedingte Verheißung in 12-14 (vgl. 27,11; 39,17-20): 10 „Denn so spricht Jahwe: Erst wenn ... 70 Jahre ... abgelaufen sind 12 dann, wenn ihr mich anruft, werde ich euch erhören ... 13 wenn ihr mich sucht, werdet ihr mich finden ... 14 und ich werde euer Schicksal wenden und euch sammeln, ... und euch zurückfuhren ..." (42,10-18) An eine Gruppe des Volksrestes nach der Eroberung sagt Jeremia das Weiterleben im Land an, wenn sie im Land bleiben und nicht nach Ägypten ziehen 10-12. Ziehen sie aber ab, dann kündigt er ihnen Gottes Gericht an, 13-18.

Gruppe 3: Bedingte Heilsankündigung in den Prophetenbüchern

181

c) In einigen weiteren Texten geht es um Gottes Handeln in Heil und Unheil an den Völkern, 18,1-12 und 12,14-17. 18,1-12: Der Töpfer, dazu 12,14-17 Vom Tun des Töpfers ausgehend bietet 18,6b—10 eine Deutung des Handelns Gottes an den Völkern in ihrer Geschichte in der fur Dtr typischen Form von Bedingungssätzen: 6b

„So wie der Ton in des Töpfers Hand, so seid ihr, Haus Israel, in meiner Hand! 7-8 ... wenn dieses Volk sich von seiner Bosheit bekehrt... 16 ... wenn es aber tut ... laß ich mich des Guten gereuen tt Ebenso sind Bedingungssätze in 12,14-17 aufVölker bezogen. d) Von diesen Texten unterscheidet sich der späte Text 17,19-27, in dem die bedingte Heils- und Unheilsankündigung auf das Halten oder Nichthalten des Sabbatgebots angewandt wird, vgl. Jes 56,1-2; 56,3-8; 58,1314. 24 „Wenn ihr aber auf mich hört und ... den Sabbat heiligt 25 dann werden durch diese Tore Könige einziehen ... 27 Wenn ihr aber nicht hört, dann ... Feuer an diese Tore Li

In allen diesen Anwendungen der bedingten Ankündigung zeigt sich die eingreifende Umwandlung der prophetischen unbedingten Ankündigung in Richtung auf eine Geschichtsdeutung, wie sie in Teilen des Dtn und im dtr Geschichtswerk begegnet. II. Bedingte Heilsankündigung im Dodekapropheton In 10 Texten begegnet eine Gruppe von zweiteiligen Worten, die mit der Heilsankündigung eine Mahnung verbinden: Am 5,4—6.14.15; Zeph 2,3; Hos 10,12a und b; Hos 12,7.10;Joel 2,12-14; Sach 1,1-6; Mal 3,6-12; Sach 6,15b; Sach 8,14-17. Nicht nur ist an allen diesen Stellen der zweiteilige Aufbau der gleiche; der erste Teil besteht fast immer in einer Mahnung: „Suchet mich!", „Kehrt um zu mir!", „Suchet Gerechtigkeit!", „haltet auf Treue und Recht!", „suchet Demut!", einmal stattdessen ein Konditionalsatz „wenn ihr den Geboten Jahwes ... gehorcht, ...". Den zweiten Teil bildet die bedingte Verheißung in ganz verschiedenen Formulierungen, meist ein

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Nichtprophetische Heilsworte der Gruppe 3 und 4

Ausdruck f ü r die Z u w e n d u n g Gottes: „so kehre ich mich zu euch", so werdet ihr leben", „bis die Frucht des Heils zu euch gelangt", „ . . . J e r u s a l e m Gutes zu t u n " . Alles dies sind Sätze der Paränese, die in M a h n u n g u n d W a r n u n g , bedingter A n k ü n d i g u n g von Heil oder Unheil besteht. Das wird d u r c h die Parallelen im D t n bewiesen (hierzu C. Westermann, T h B 73, 1984, 107-118), in denen die m a h n e n d e n und w a r n e n d e n Konditionalsätze ebenso wie die m a h n e n d e n Imperative u n d bedingten Heilsankündigungen in großer Zahl begegnen. Was diese Redeform vom Reden der Propheten am schärfsten unterscheidet, ist das „vielleicht", das die A n k ü n d i g u n g des Heils relativiert und zu einer bloßen Möglichkeit macht: Am 5,14 Zeph 2,3 Joel 2,14 M a l 3,10

„vielleicht wird J a h w e . . . d a n n dem Rest J o s e p h s gnädig sein" „vielleicht werdet ihr d a n n geborgen sein a m Tag des Zornes J a h w e s " „vielleicht gereut es ihn doch noch u n d er läßt einen Segen hinter sich . . . " „ . . . und versucht es auf diese Weise mit mir, spricht Jahwe ob ich euch n i c h t . . . Segen im U b e r f l u ß ausgieße . . . "

Dieses „vielleicht" ist mit der Einleitung des Prophetenwortes: „So spricht J a h w e " unvereinbar. Die U n b e d i n g t h e i t der prophetischen Ank ü n d i g u n g entspricht der prophetischen Vollmacht. M i t ihr tritt der Prophet aus der Deckung heraus, hinter der sich der Sprecher eines bedingten Heils- oder Unheilswortes sichert. Das unbedingte Heils- oder Gerichtswort gehört zu einem „charismatischen" Auftreten n u r in besonderen, dieses fordernden Situationen; das bedingte gehört zu einem stetigen Amt, so wie etwa die „levitische Predigt". Die U b e r e i n s t i m m u n g der vier eben genannten Stellen in vier verschiedenen Prophetenbüchern ist so frappierend, d a ß d a r a u s gefolgert werden muß: der Kontext jedes dieser Sätze ist die übereinstimmende Stelleng r u p p e im weiteren Kontext der dtr Paränese. Es k o m m e n noch zwei andersartige Texte hinzu, Hag 2,6-9; 15-19 und Sach 3,6-7. A n beiden Stellen gehört die bedingte Heilsankündigung einem Bericht an; in H a g 2 d e m Bericht von Haggais Aufforderung z u m Tempelbau, in Sach 3 bei der Einsetzung J o s u a s in das Priesteramt. In H a g 2 verheißt Haggai Gottes reichen Segen, wenn der Tempel fertiggestellt sein wird 2,19: „von heute ab will ich Segen spenden . . . " 7: „Ich werde die Kostbarkeiten aller Völker herbeikommen lassen, u n d ich erfülle dieses H a u s mit Herrlichkeit!" In Sach 3 wird d e m J o s u a Segen verheißen, aber unter der Bedingung 6-7: „wenn d u in meinen Wegen w a n d e l s t . . . " (vgl. S a c h 6 , 1 5 b ) .

Gruppe 3: Bedingte Heilsankündigung in den Prophetenbüchern

183

Diese beiden Stellen entsprechen der d t r gestalteten Geschichtsdarstellung, hier aber bei Vorgängen in der nachexilischen Zeit. Hosea 3,1-5 steht den bedingten Heilsworten nahe. la 1b 2 3-5

Auftrag an Hosea: N i m m dir . . . Begr. Wie J a h w e Israel liebt, sie a b e r . . . (Götzendienst) A u s f ü h r u n g des Auftrags, Zeichenhandlung Wort an die Frau: lange Zeit abgesondert, d a n a c h U m kehr.

Auftrag und A u s f ü h r u n g entsprechen Hos l , 2 - 3 a mit Anklage gegen Israel. Die Zeichenhandlung, die in 4 gedeutet wird, entspricht einer Gerichtsankündigung. Die Folge dieser Vorgänge deutet die Geschichte Israels von seinem Abfall bis zu seiner U m k e h r , entsprechend der dtr Geschichtsdarstellung (ähnlich Gen 15,13-15), auch die Sprache ist dtr. Wie sonst ein Heilswort in einer gewandelten Situation einem Gerichtswort über Israel angefugt wird, so hier Hos 3,1—5 an Hos 1, hier erweitert d u r c h eine dtr Geschichtsdeutung.

III. Bedingte Heilsankündigung und Mahnung in Jes 1-39 Sie begegnet hier selten und n u r in Zustäzen: 1,19-20 (33,14—16) 2,5; 2,12; 31,6. 1,19-20, bedingte Heils- und Gerichtsankündigung: 19 20

„Wenn ihr willig und g e h o r s a m . . . das Beste des Landes, wenn ihr euch weigert, . . . das S c h w e r t . . . "

H . Wildberger will 1,19-20 einheitlich J e s a j a zurechnen und meint: „die Topik von 19f. e n t s t a m m t der Bundestradition". Das begründet er mit den Vokabeln in V. 19f., die ihre Parallelen u . a . in Lev 26 und D t n 28 haben. Die U b e r e i n s t i m m u n g trifft zu, und zwar auch für die Sprachform, bedingte Heils- und Unheilsansage. Aber diese beiden Texte sind n a c h übereinstimmendem Urteil nachexilisch. Sie sind charakteristisch für die d t r Paränese. Auch die für sich stehende M a h n u n g in den drei Zusätzen 2,5; 2,22; 31,6 ist Paränese wie an vielen anderen Stellen auch: 2,5 2,22

„ H a u s J a k o b , auf! L a ß t uns wandeln im Licht J a h w e s ! " „ L a ß t doch a b vom Menschen, in dessen Nase n u r ein Hauch, d e n n wofür ist er zu halten?" (Vergänglichkeitsklage)

184

Nichtprophetische Heilsworte der Gruppe 3 und 4

31,6

„Kehrt also um, zu dem, von dem ihr so tief abgefallen seid, ihr Söhne Israels!"

In einem weiteren Sinn steht die Sprache der Torliturgie 33,14—16 der bedingten Verheißung nahe. Es wäre zu fragen, ob hier nähere Beziehungen bestehen.

IV. Mahnung und bedingte Heilsankündigung in Jes 40-55 Jes 40-55 enthält zwei Mahnungen mit bedingter Heilsankündigung in Zusätzen: 55,6—7

„Suchet Jahwe, da er sich finden läßt, ruft ihn an, da er nahe ist! Es lasse der Frevler seinen Weg und ... seine Gedanken und kehre um zu Jahwe, daß er sich seiner erbarme! und zu unserem Gott, denn reich ist er an Erbarmen!"

Dieses Mahnwort mit bedingter Heilsankündigung entspricht ganz denen im Dodekapropheton; auch hier der Ruf „Suchet Jahwe!", auch hier die Mahnung zur Umkehr, der das Erbarmen Gottes in Aussicht gestellt wird. Die nachträgliche Einfügung erkennt man daran, daß das „denn" am Anfang von 55,8-11 sich auf V. 1-5, nicht auf 6-7 bezieht. Das andere Wort 48,18-19 ist eine Mahnung in Wunschform: „Ach, würdest du doch auf meine Gebote merken! so wäre dein Frieden wie ein Strom und dein Heil wie die Wogen des Meeres! Wie der Sand wäre dann dein Same und ... wie seine Körner; nicht würde vernichtet... getilgt sein Name vor mir!" Es ist ein Wunsch, der eine Mahnung zum Beachten der Gebote umschreibt. Er hat eine Parallele in Ps 81,14, eine Vermahnung, die auf ein Heilsorakel folgt (C. Westermann, ,Jesaja 48 und die Bezeugung gegen Israel", T h B 55, 1974, S. 138-148), ein gottesdienstlicher Vorgang, zu dem Mahnung und bedingte Verheißung gehören. Die Parallele bestätigt, daß das mit einer bedingten Heilsankündigung verbundene Heilswort dem exilisch-nachexilischen Wortgottesdienst angehört.

Gruppe 3: Bedingte Heilsankündigung in den Prophetenbüchern

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V. Bedingte Heilsankündigung in Jes 56-66 In der Sammlung Jes 56-66 sind vier bedingte Heilsankündigungen enthalten: 56,1-2; 56,3-8; 58,1-12; 58,13-14. Sie sind für diese Form und ihre Geschichte aufschlußreich. 56,1-2 „So spricht Jahwe: Bewahrt das Recht und übt Gerechtigkeit, denn nahe ist mein Heil, daß es komme und meine Gerechtigkeit, daß sie offenbar werde. Wohl dem Menschen, der das tut und dem Mann, der daran festhält der den Sabbat hält und ihn nicht entheiligt und seine Hände vor allem bösen Tun bewahrt." Auf die Einhaltung des Sabbat zielt auch 58,13-14, er ist als Bedingungssatz formuliert: „Wenn du vom Sabbat deinen Fuß fernhältst, deine Geschäfte... und du nennst den Sabbat Wonne ... und ihn ehrst... dann wirst du an Jahwe deine Wonne haben ... ich laß dich genießen das Erbe deines Vaters Jakob ..." Beide Texte zeigen, daß die Form der bedingten Heilsankündigung vorausgesetzt und auf eine bestimmte Mahnung angewandt wird. Das kann nur im Exil oder nachher geschehen sein, als der Sabbat eine hohe Bedeutung für das Bestehen der jüdischen Gemeinde bekam. Das gleiche gilt für den dritten Text 56,3-8, in dem ebenfalls allein der Sabbat besonders hervorgehoben wird: 3

„Und nicht sage der Fremde ... der Verschnittene ... Ach, ich bin ein verdorrter Baum! 4—5 Denn so ... zu den Verschnittenen, die meine Sabbate halten: Ich gebe ihnen ... Mal und Namen. 6-7 Und die Fremdlinge, die sich angeschlossen haben an Jahwe, alle, die den Sabbat halten ... Ich bringe sie zu meinem heiligen Berg... Denn mein Haus wird heißen Haus des Gebetes für alle Völker... 8 Spruch Jahwes, der die Versprengten Israels sammelt

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Nichtprophetische Heilsworte der Gruppe 3 und 4

Mit diesem Wort wird den Proselyten und Verschnittenen der Zugang zum jüdischen Gottesdienst geöffnet. Auch dies geschieht in der Form eines bedingten Heilswortes: die Bedingung für das Teilnehmen ist das Halten des Sabbat. Ganz anderer Art ist der vierte Text, 58,1-12: 1-5 6-12 6-7 8-9a 9b-10 10b—11 12

Verurteilung des falschen Fastens Mahnung zum rechten Fasten das rechte Fasten: „Fesseln des Frevels öffnen ... dann wird wie die Morgenröte dein Licht... Wenn du ... Bedrückung ... Hunger ... dann wird dein Licht... wie ein frischer Quell... gebaut werden die uralten Trümmer ..."

Dem falschen Fasten wird - an die Anklagen der vorexilischen Gerichtspropheten erinnernd - das Fasten, das Gott haben will, entgegengestellt in zwei Gängen in der Form der bedingten Heilsankündigung. Beachtenswert ist, daß den beiden ausführlichen Worten Motive des traditionellen (d.h. unbedingten) Heilswortes angefügt sind: das Sammeln der Versprengten 56,8, der Wiederaufbau der Städte 58,12; dazu die Segensverheißung 58,10b—11 und die universale Verheißung 56,7. Hier zeigt sich, daß die bedingte Heilsankündigung an die ihr voraufgehende unbedingte anschließt. Hier hat sie in allen vier Texten die Funktion, dem Aufbau und der Sicherung der nachexilischen jüdischen Gemeinschaft zu dienen. An die Stelle des Prophetenwortes ist die Paränese getreten.

VI. Bedingte Heilsankündigung im Buch Ezechiel Die beiden Kapitel 18 und 33 sind bei der Gruppe 1, Ezechiel behandelt.

VII. Zusammenfassung: Von der Prophetie zur Paränese Im Deuteronomium und deuteromistischen Geschichtswerk wird die Geschichte Israels unter dem einen Gesichtspunkt des Gehorsams bzw. Ungehorsams gesehen, an dem sich Heil und Unheil entscheidet. Das Deuteronomium entfaltet diesen Gesichtspunkt im Rückblick: Gottes Gericht ist durch den Ungehorsam Israels verursacht, und im Vorblick: Israel wird gemahnt, daß es nach dem Eintreten des Gerichts Gottes ihn suche und zu ihm umkehre; dann wird er sich ihm wieder zuwenden. Die Möglichkeit der Umkehr - im Flehen zu Gott und im Sündenbekenntnis - nach dem Eintreten des Gerichts beruht auf Gottes Heilshandeln an Israel vor dessen

Gruppe 3: Bedingte Heilsankündigung in den Prophetenbüchern

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Abfall, in der Befreiung aus Ägypten und im Bund mit ihm. Die Texte zeigen aber, daß diese bedingte Heilsankündigung eine schon ergangene unbedingte, wie sie durch die Heilsworte der Gruppe 1 reichlich belegt ist, voraussetzt, ebenso wie in Dtn 28 und 29 der bedingte Segen und Fluch den unbedingten. Auch in den Geschichtsbüchern lSam bis 2Kön setzen die bedingten Heilsworte das Voraufgehen von unbedingten voraus. In bestimmten Situationen wird das aus älteren Texten als unbedingt bezeugte Heilswort in ein bedingtes abgewandelt, so bei der Rettung aus Philisternot lSam 7 und 12, zwei Texten, die unverkennbar dtr Gepräge tragen. Die Bestätigung des Königtums Salomos lKön 9,1-9 wird zu einer bedingten abgewandelt, wobei verdeckt das Gericht Gottes als von Israel selbst verschuldet angekündigt wird wie dann offen in lKön 11,9-13. Dabei ist dem Dtr der vielfache Rückbezug auf früher an die Väter und an Mose ergangene Verheißungen wichtig, die in Erfüllung gegangen sind; sie sollen die Mahnung zur Umkehr bekräftigen. Ebenso wichtig ist dem Dtr die Kontinuität mit der vorexilischen Prophetie. Die bedingten Heilsworte im Jeremiabuch stehen denen im Deuteronomium und im deuteronomistischen Geschichtswerk so nahe, daß ein Zusammenhang offenkundig ist. Sie gehören einer dtr Bearbeitungsschicht an. In ihr sind entweder ein Ruf zur Umkehr in persönlicher Anrede an Israel bestimmend wie er in Deuteronomium und in deuteronomistischen Texten geläufig ist, oder die Tendenz des Dtr, von der Gegenwart aus die Linien in die Geschichte vorher und nachher auszuziehen, oder Scheidungen innerhalb des Gottesvolkes zu erklären (Jer 24 und 29), bedienen sich der bedingten Heils- und Gerichtsankündigung. Diese Geschichtsdeutung greift in Jer 12 und 18 noch weiter zur Deutung des Schicksals von Völkern, an denen Gott, durch das Verhalten der Völker bedingt, so oder so handelt. Von den 13 Texten im Dodekapropheton bilden zehn eine feste Gruppe, kurze, zweiteilige Worte, bestehend aus einer Mahnung und der durch sie bedingten Heilsankündigung. Außer der Form ist auch das Vokabular außerordentlich homogen. Das spricht dafür, daß hinter ihr eine geprägte Redeform steht, Mahnung mit bedingter Heilsankündigung, ein Topos der mündlichen Paränese, wie sie im Wortgottesdienst während des Exils entstanden sein kann. Die wichtigste Parallele ist Dtn 30,15-20, auch wenn hier die kurze Paränese zu einer Rede erweitert ist. Der Text läßt noch erkennen, daß diese aus der mündlichen Anrede an eine Gruppe entstanden ist. Im Buch Ezechiel gibt es keine nachträglich angefugten bedingten Heilsankündigungen. Aber die beiden Kapitel 33 und 18 bringen zum Ausdruck, daß mit dem Ende des Staates Israel auch die Prophetie mit ihrer unbedingten Heils- und Gerichtsankündigung zu ihrem Ende gekommen ist. An die Stelle des Propheten tritt der Wächter, 33,2-9. Er kann nur warnen; hört man auf seine Warnung nicht, so sind nur die dem Tod verfallen, die auf die Warnung nicht gehört haben, der Wächter aber ist frei von Schuld. Die beiden Kapitel sind etwas wie eine Ätiologie der vom Exil ab an die Stelle der Prophetie tretenden Paränese. Die vier Texte bei Tritojesaja zeigen die neue Funktion der Paränese nach dem Exil, dem Aufbau und der Sicherung der nachexilisch-jüdischen Gemeinschaft zu dienen, wobei sie bewußt an die prophetische Verkündigung anschließen. Deutlich ist einerseits das Bewußtsein einer anderen Weise des Anredens der Gemeinschaft, andererseits das einer Kontinuität, die sich in einer gewandelten Situation an die Propheten anschließen will.

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Nichtprophetische Heilsworte der Gruppe 3 und 4

Der im Vorangehenden nachgewiesene traditionsgeschichtlich bedingte Schritt von einer früheren unbedingten Heilsankündigung in der Prophetie zu einer späteren nachprophetischen bedingten Heilsankündigung wird durch den gleichen Schritt in der Traditionsgeschichte der Vätergeschichte-Verheißungen bestätigt. Die Väterverheißungen sind - ebenso wie die prophetischen - ihrem Wesen nach unbedingt. Erst in einer späten Schicht tritt in nachträglichen Zusätzen oder Erweiterungen die bedingte an ihre Stelle z.B. Gen 22,15-18, dazu C. Westermann, Die Verheißungen an die Väter, 1976, S. 121 f.

Gruppe 4:

SCHICKSAL DER FROMMEN -

SCHICKSAL DER F R E V L E R

Einleitung In einer Gruppe von Zusätzen — in den meisten Fällen handelt es sich eindeutig um solche - wird das Schicksal der Frevler dem der Frommen entgegengestellt. Das geschieht in Jes 1-39 in sieben Texten (1,27-28; 3,10-11; 10,12(?); ll,4b(?); 14,30; 29,19-21; 33,14-16; 32,6-8 stellt das Verhalten der beiden gegenüber), im Dodekapropheton in sechs (Am 9,8b—10; Hab 2,4; Zeph 3,11-13; Sach 13,l-2a; 14,20-21), in Tritojesaja in drei Zusätzen (57,1—2; 65,1—16a; 66,5). Zusätze dieser Art begegnen nicht in Jer, Dtjes, Ez. Wenn in immerhin 17 Texten Zusätze dieses Motivs begegnen, ist anzunehmen, daß deren Tradenten eine Beziehung zu den prophetischen Heilsworten gesehen haben. Das ist verständlich, sofern es in diesen Worten vom Schicksal der Frommen und Frevler um zukünftiges Heil bzw. Unheil geht. Jedoch sind die Unterschiede offenkundig: In den Sprüchen vom Frommen und vom Frevler ist der Sprecher niemals ein Prophet, sondern immer einer aus dem Volk, wie das etwa die Freundesreden im Hiobbuch zeigen. Ein zweiter Unterschied: In den prophetischen Heilsworten wird Israel Heil angekündigt, hier aber Einzelnen, den Frommen. Die Texte weisen auf eine Scheidung zwischen Frommen und Frevlern, die sich innerhalb Israels vollzogen hat. Ein dritter Unterschied ist, daß die Worte vom Schicksal des Frommen und des Frevlers keine Ankündigungen im strengen Sinn sind; es wird vielmehr eine Tatfolge festgestellt, das Schicksal der Frommen und Frevler ergibt sich aus ihrem Verhalten. Dieses In-Aussicht-Stellen einer Tatfolge bedarf einer ausdrücklichen göttlichen Autorisierung nicht. — Diese Unterschiede treten dort besonders heraus, wo ein Angleichen an die prophetischen Heilsworte versucht wird.

Gruppe 4: Schicksal der Frommen - Schicksal der Frevler

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I. Weisheitsspruch in reiner Form N u r zweimal begegnet ein Weisheitsspruch in reiner Form: Jes 3,10-11 „,HeiP dem Gerechten, es geht ihm wohl, denn die Frucht seiner Taten wird er genießen. Wehe dem Frevler, ,denn' es geht ihm schlecht, denn nach dem Tun seiner H ä n d e wird ihm vergolten." Das Wort besteht in einer einfachen Entgegensetzung. Es wird nur erweitert durch einen das Wohlergehen oder das schlechte Ergehen entfaltenden Satz. Die gleiche Entgegensetzung begegnet ζ. B. in Prot 28,14 „Wohl dem Menschen, der ständig achtgibt, wer aber sein Herz verhärtet, stürzt ins Unglück." Es ist die gleiche Entgegensetzung, von der auch der 1. Psalm bestimmt ist. Der Satz J e s 3,10-11 könnte unverändert in den Proverbien stehen, vgl. auch Prov 12,14b; 16,20; Ps 128,2. Der Gegensatz des Schicksals von Frommen und Gottlosen ist eines der Hauptmotive in den Freundereden im Hiobbuch. Ebenso ist ein Weisheitsspruch Hab 2,4: „Siehe: es vergeht, wer keine Redlichkeit in sich hat, der Gerechte aber wird leben durch seine Treue."

II. Verbindungen mit dem Heilswort Sonst geht das Motiv vielerlei verschiedene Verbindungen mit dem Heils wort ein: a) Verbindung mit Zion Jes 1,27-28 „Zion wird durch Recht erlöst werden . . . durch Gerechtigkeit doch zerbrochen werden die Abtrünnigen ... die Sünder und die J a h w e verlassen, kommen u m "

190 Jes

Nichtprophetische Heilsworte der Gruppe 3 und 4

33,14-15

„In Zion erbeben die Sünder und die Gottlosen erfaßt Entsetzen ... Wer von uns kann weilen bei diesem fressenden Feuer wer rechtschaffen ist und die Wahrheit r e d e t . . . " In Jes 1,27-28 wird das Schicksal der Frevler in der Sprache der frommen Weisheit beschrieben; im Gegensatz dazu wird nicht vom Schicksal der Frommen, sondern in der Sprache Jesaj as von Zion geredet, das durch Recht und Gerechtigkeit erlöst wird; 1,27 spricht die Sprache einer prophetischen Heilsankündigung. „Zion" wird auch sonst mehrfach gebraucht, z.B. Jes 33,14. In 33,1-16 ist das Motiv auf eine eigenartige Weise mit dem Heilswort verbunden. Auf die Epiphanie, in der Jahwe gegen Israels Feinde eingreift, folgt 14a: „In Zion erbeben die Sünder ..." Die Entgegensetzung der Gerechten erfolgt in der Weise, daß der im Gericht Bestehende in der Sprache der Torliturgie beschrieben wird: „Wer rechtschaffen ist...". b) Das Schicksal der Frommen und Frevler von Jahwe bewirkt In den Gegensatzsprüchen vom Schicksal des Frommen und Gottlosen wird dieses nicht als von Jahwe bewirkt bezeichnet, es ergibt sich aus dem Tun. Um aber diese Worte Prophetenworten anzugleichen, wird das Wirken Jahwes an einigen Stellen eingetragen: Jes 10,12; 14,30; 29,19; Zeph 3,11-13; Sach 13,1-2; Jes 57,1-2.13; 65,13-16.

c) Die Scheidung des Restes der Frommen von den Frevlern In einer Gruppe von Texten wird eine Scheidung angekündigt zwischen einem frommen Rest Israels und den Frevlern, die vernichtet werden sollen: Am 9,8b-10; Zeph 3,11-13; Sach 13,8-9; Jes 65,1-16. Zeph 3,11-13

„... denn ich werde den Stolzen aus deiner Mitte beseitigen, Ich lasse von dir einen Rest, der demütig und fromm ist." Dabei ist der Wandel von einem älteren zu einem jüngeren Gebrauch des Terminus „Rest" wahrzunehmen. Im älteren Gebrauch bezeichnet der Rest die Glieder des Gottesvolkes, die das Gericht überlebt haben. Im späteren Gebrauch vollzieht Gott eine Scheidung im Bestand des Volkes.

Gruppe 4: Schicksal der Frommen - Schicksal der Frevler

191

Er wird die Frevler beseitigen und läßt einen demütigen und frommen Rest übrig. Arnos 9,8b-10

, Jedoch will ich das Haus Jakob nicht ganz vertilgen, spricht Jahwe; denn siehe: ... ich schüttle das Haus Israel unter die Völker; durch das Schwert sollen fallen alle Sünder meines Volkes..." Das Gericht Gottes über Israel wird hier als Läuterungsgericht verstanden, bei dem die Sünder vernichtet werden. Sack 13,8-9

„Es wird geschehen: zwei Drittel sollen im ganzen Land ausgerottet werden ein Drittel soll übrig bleiben; dieses ... werde ich läutern dieser (der Rest) wird meinen Namen anrufen ... erhören ... Ich werde sagen: das ist mein Volk, und er ... Jahwe mein Gott." Dieser Text ist typisch fur das Läuterungsgericht. Die Frommen verstehen sich jetzt als die für immer von den Gottlosen Gesonderten; deren Ausrottung ermöglicht das heile Gottesverhältnis des Restes. Jes

65,1-16a

Dieser Text ist so ausfuhrlich, weil in ihm Anklage und Gerichtsankündigung gegen die Frevler mit der Scheidung des Restes der Frommen von ihnen verbunden werden. 1-7 8-16 8-10 11-12 13-16

Anklage und Gerichtsankündigung gegen die Frevler Einschränkung dieser Gerichtsankündigung Ich will nicht das Ganze vernichten ... Wiederholung von 1-7 Die Scheidung

Für diesen Text ist bezeichnend, daß die vorexilische Form der Anklage und Gerichtsankündigung jetzt nicht mehr auf Israel, sondern allein auf die Frevler bezogen wird. Hinzu kommt die ausfuhrliche, erbitterte Entfaltung der Scheidung zwischen Frommen und Frevlern in 13—16, die die tiefe Kluft zwischen ihnen erschütternd offenbart: „Meine Knechte sollen

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Nichtprophetische Heilsworte der Gruppe 3 und 4

essen — ihr aber sollt hungern; meine Knechte sollen trinken - ihr aber sollt dürsten ...". Jes 66,5

„Höret das Wort Jahwes, die ihr bangend auf sein Wort wartet: Es sagen eure Brüder, die euch hassen, die euch wegdrängen um meines Namens willen: Jahwe möge sich doch (an euch) verherrlichen! daß wir auf eure Freude sehen können! Doch sie werden zuschanden werden." In diesem Wort zeigt sich der Beginn einer Spaltung in den Worten „eure Brüder, die euch hassen". Sie werden noch als Brüder bezeichnet, die mit den Frommen zusammen leben. Aber sie verspotten die Frommen, die an den Verheißungen festhalten, und weil sie die Mächtigen sind, drängen sie die Frommen an die Seite. In dieser Lage können sich die Frommen daran halten: „Doch sie werden zuschanden werden". Jes 32,5-8

6

7 8

„Denn ein Frevler redet Frevel, er sinnt auf Unheil, um ruchlos zu handeln und lästernd gegen Jahwe zu reden, daß er den Hungrigen darben und dem Durstigen ... entziehen läßt. Die Waffen des Schurken sind böse, er schmiedet Pläne, daß er die Armen durch Lügenreden verderbe ... Aber der Edle sinnt auf Edles, er bleibt bei seinem edlen Sinn."

Auch dieses Wort ist weisheitlich; zu der Gegenüberstellung des Schicksals des Frommen und Frevlers gehört die des Verhaltens beider. Es ist ein Zusatz zu der Königsverheißung 32,1-5, anknüpfend an den Satz V. 5: „man wird den Toren nicht mehr einen Edlen nennen".

III. Abschluß Die Zusätze vom Schicksal der Frommen und der Frevler unterscheiden sich von den Zusätzen der zweiseitigen Ankündigung darin, daß der Gegensatz dort ein politischer ist, bei den Frommen und Frevlern ein Gegensatz innerhalb Israels. Dort wird der Gegensatz, vor allem der

Gruppe 4: Schicksal der Frommen - Schicksal der Frevler

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Untergang der Feinde Israels, äußerst realistisch dargestellt, hier theoretisch und abstrakt. Wie sich die in Aussicht gestellte Scheidung zwischen Frommen und Frevlern vollziehen soll, ist an keiner Stelle auch nur angedeutet. Der Vollzug ist auch schwer vorstellbar, da es sichja um zwei Gruppen desselben Gemeinwesens handelt. Es hört sich eher wie ein theoretisches Postulat an, dessen allgemeine Gültigkeit ζ. B. im Hiobbuch bestritten wird. — Zu einer umfassenden Beurteilung wäre es notwendig, die wenigen Stellen in den Prophetenbüchern, die ja hier nur Zusätze sind, in den größeren Zusammenhang der Sprüche vom Frommen und Frevler in der späten frommen Weisheit zu stellen. Zu den prophetischen Heilsworten kann man diese Gruppe nicht rechnen.

Exkurse D I E EINLEITUNG DER H E I L S W O R T E

I. Die Botenformel

kö'ämarjhwh

Auf den ersten Blick erscheint die Verteilung der einleitenden Botenformel willkürlich; eine Begründung, warum sie in dem einen Heilswort steht und in dem anderen fehlt, erscheint nicht möglich. Uberblickt man aber alle ca. 150 Heilsworte, treten zunächst einige Unterschiede heraus, die zu beachten sind. Voraussetzung fur die folgende Untersuchung ist die Bedeutung des Unterschiedes zwischen der Funktion der Botenformel beim prophetischen Gerichts- und Heilswort. Gemeinsam ist beiden, daß das mit der Formel eingeleitete Wort als Botenwort gemeint ist: der dieses Wort Sprechende ist von Gott beauftragt, es zu sagen. Ein Unterschied aber liegt darin, daß der Ort der Formel beim Gerichtswort ursprünglich zwischen dessen beiden Teilen ist; es leitet von der Anklage zur Gerichtsankündigung über, meist mit läken: „Darum so spricht Jahwe ..." (Grundformen prophetischer Rede 1964, 51978, S. 93). Beim Heilswort aber hat es die Funktion der Einleitung (die es in einem späteren Stadium auch beim Gerichtswort bekommen hat). Das hat zur Folge: Die Funktion der Formel beim Heilswort ist nicht in der gleichen Weise notwendig wie die beim Gerichtswort; daß das Heilswort ein im Auftrag Gottes gesprochenes Wort ist, kann auch aus dem Wort selbst hervorgehen. Daher kommt es, daß der Gebrauch der Botenformel als Einleitung der Heilsworte starken Schwankungen unterworfen ist. Die Unterschiede im Gebrauch sind die folgenden: 1. Bei Deuterojesaja begegnet die Formel bei der großen Mehrzahl der Heilsworte, bei 26 von 37 Texten, meist wörtlich, manchmal umschrieben. Sie begegnet nur dort, wo sie hingehört, nie wiederholt oder gar gehäuft, sie fehlt, wo sie nicht angebracht ist, also bei den Lobliedern oder Disputationsworten wie 40,12—31; die Formel ist in jedem Fall ein organischer Bestandteil des Textes. Hierin steht Deuterojesaja ganz in der Tradition der vorexilischen Gerichtsprophetie. 2. Bei den Heilsworten in einem Bericht (bei Jes und Jer, zusammen zehn Texte) steht „so spricht Jahwe" so gut wie immer. Auch dies ist der

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Exkurse

vorgegebenen Tradition entsprechend. Die Formel ist hier aus der Situation zu erklären, z.B. wenn ein Prophet in einer belagerten Stadt ein Heilswort spricht (Jes 7). Die Ankündigung der Rettung ist hier das Unwahrscheinliche, sie m u ß autorisiert werden. 3. Am meisten fallt das gehäufte Vorkommen der Formel (hier aber immer kö 'ämar 'adönäj jhwh) bei Ezechiel (fünfzehn Texte) auf. Sie fehlt hier nur in zwei Zusätzen zu Völkersprüchen, 29,21 und 16,53-55, in allen übrigen Texten steht sie fast immer wiederholt oder gehäuft, zusammen 43mal. Hier ist der Satz wie bei Haggai und Sacharja zur erstarrten Formel geworden. Der in dieser H ä u f u n g begegnende Satz ist auf eine frühnachexilische Redaktion zurückzuführen und steht im Gegensatz zu dem organischen Gebrauch bei Deuterojesaja. 4. Im Gegensatz zu dem Bestand bei Ezechiel, aber auch zu dem bei Deuterojesaja steht der in J e s 1-39 und im Dodekapropheton. Bei beiden nämlich überwiegen die Heilsworte ohne die Einleitung „so spricht J a h we". In J e s 1-39 steht kö "ämar jhwh nur bei den Heilsworten im Bericht (dazu s. o.), bei der Ankündigung der Rettung (8 X) mit einer Ausnahme nicht, bei den kurzen Heilszusätzen (10X) und bei der Ausweitung eines Motivs (5X) nicht. - I m Dodekapropheton (25 Stellen): In den beiden Hauptgruppen, Ankündigung der Befreiung ( I I a ) und Wiederzuwendung und Wiederherstellung (8X) begegnet die Formel nicht bis auf zwei Ausnahmen, auch nicht bei der Ausweitung eines Motivs (6X) mit einer Ausnahme und den Juda-Glossen (5X). Der Bestand im Dodekapropheton stimmt also im wesentlichen mit dem in J e s 1-39 überein und ist auf diese beiden begrenzt. Diese Besonderheit bedarf einer Erklärung, auch wenn diese nur ein Versuch sein kann. Es m u ß eine von Deuterojesaja abweichende und von ihm unabhängige Form des Heilswortes gegeben haben, die die Botenformel nicht enthielt. Diese andere Form begann mit einer Zeitangabe: „An jenem Tag" o. ä., der eine Ankündigung oder eine Zustandsschilderung folgte. Diese Zeitangabe setzt eine zeitliche Distanz voraus, die noch verstärkt wird durch die Wendung be aharlt hajjämim. Wo die Wendung „an jenem Tag" einen kurzen Heilszusatz einleitet, (in J e s 1-39 sind es zehn Texte), scheint es eine schon ergangene Heilsankündigung vorauszusetzen, auf die die Wendung „an jenem Tag" verweist. D a r u m ist das „so spricht J a h w e " entbehrlich, man kann auch sagen: es paßt hier nicht. Das zeigen einige Texte, in denen beide Wendungen kombiniert sind, ζ. B. J e r 31,31-34: „Siehe, es kommen Tage, spricht Jahwe; a u c h j e r 33,14—18. Die Formelhaftigkeit zeigt sich daran, d a ß das „an jenem Tag" oder „Tage kommen, da . . . " nicht von Gott her, sondern von den Menschen her gesprochen ist; besonders dort, wo die Ankündigung in die Erwartung übergeht. Wenn in J e r 33,14—18: „Siehe, es kommen Tage, spricht J a h w e , da erfülle ich das Wort, das ich . . . " Gott eine Zeit ankündigt, zu der das

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Die Einleitung der Heilsworte

von ihm Verheißene eintreffen soll, so ist das eine konstruierte, abstrakte Bildung; die wirkliche Verheißung nennt das Verheißene. Dies alles läßt auf eine nachträgliche Kombination zweier ursprünglich selbständiger Einleitungen schließen. 5. Bei Jeremia ist der Bestand anders. Bei den Sammlungen 30,1-31,22: Ankündigung der Befreiung (sieben Texte) steht die Formel mit je einer bzw. zwei Ausnahmen, bei Texten außerhalb dieser Sammlungen (sechs Texte) drei Texte ja, drei Texte nein; auch in der Gruppe zweigliedriger Heilsworte (sieben Texte) steht die Formel bei allen Texten, ebenso bei den Zusätzen zu Völkersprüchen (vier Texte) und bei Heilsworten in Berichten (sechs Texte). - Wenn im Jeremiabuch, anders als in Jes 1-39 und im Dodekapropheton die Einleitung „so spricht Jahwe" weit überwiegt, ist anzunehmen, daß dies auf eine Redaktion zurückzuführen ist, wahrscheinlich die deuteronomistische. 6. Bei Tritojesaja begegnet kö 'ämarjhwh bei fünf von sechs Texten, eine Häufung der Formel aber, wie bei Ez, in keinem Fall. Es ist anzunehmen, daß Tritojesaja hierin Deuterojesaja folgt. Es hat sich ergeben: Der Gebrauch der Formel kö'ämarjhwh als Einleitung bei den Heilsworten entspricht dem Gebrauch in den Gerichtsworten der vorexilischen Zeit. Er liegt am deutlichsten und eindeutigsten bei Deuterojesaja vor. Ebenso geht dem Gebrauch in den exilisch-nachexilischen Heilsworten der Gebrauch der Formel in vorexilischen Heilsworten in Berichten voraus. Daneben gab es eine Form des Heilswortes, das nicht mit der Botenformel, sondern mit „An jenem Tag ..." oder „Tage kommen ..." oder ähnlich eingeleitet waren. Diese Form setzt wahrscheinlich eine schon vorher ergangene Heilsankündigung voraus, auf die es sich bezieht. Diese Form überwiegt in Jes 1-39 und im Dodekapropheton. Bei den Heilsworten im Jeremiabuch überwiegt die Einleitung „so spricht Jahwe", die wahrscheinlich auf eine Redaktion (die dtr ?) zurückzuführen ist. Eine andere Redaktion hat im Buch Ezechiel die Formel stark gehäuft eingetragen. Tritojesaja, bei dem die Formel auch überwiegt, aber nie gehäuft begegnet, folgt Deuterojesaja.

II. Die Wendung

bajjöm

hahu

Sie begegnet in den Prophetenbüchern 105mal; als Einleitung von Gerichtsworten 35mal, von Heilsworten 57mal; an den übrigen Stellen ist es Zeitangabe. Die Verteilung der Stellendes 44; Jer 7; Ez 12; Hos 5; Joel 1; Am 6; O b 1; Mi 3; Zeph 5; Hag 1; Sach 19; Mal 1. Auffallig ist das häufige Vorkom-

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Exkurse

men in Jes 1-39 (44 Stellen) ebenso wie das völlige Fehlen in Jes 40-66; dazu das relativ häufige Vorkommen bei Sach (19), wo es immer ein Heilswort einleitet. Daß die Wendung ihren eigentlichen Ort in der Prophetie hat, ist offenkundig; es ist aber nicht auf sie beschränkt. Sie begegnet als einfache Zeitbestimmung in Erzählungen und Berichten, z.B. Gen 15,18: „An diesem Tag schloß Jahwe einen Bund ..."; Gen 26,32: „An diesem Tage kamen ..." oder Est 5,9; so auch in Prophetenbüchern, z.B. Sach 6,10: „der an jenem Tag von Babel gekommen ist"; Ez 23,39: „und sie kamen an jenem Tag zum Heiligtum", dazu 38,18; 45,22 und öfter. Die übliche Zeitangabe wurde in die Prophetie übernommen. Wie die Wendung „Tage kommen ..." wurde auch die Wendung „an jenem Tag" zuerst in der Gerichtsprophetie gebraucht und später in die Heilsprophetie übernommen. Es läßt sich nachweisen, daß sie in der Gerichtsprophetie ihre der Wendung eigentlich gemäße Funktion hatte. Die Gerichtsankündigung hat den Aufbau: Eingreifen Gottes - Folge des Eingreifens. Die Wendung „an jenem Tag" gehört dem Teil ,Folge des Eingreifens' an, setzt also das ,Eingreifen Gottes' voraus; die Wendung leitet eine Weiterfuhrung der Gerichtsankündigung ein, die ihr vorausgeht. So ist es ζ. B. in Mi 2,1-4: 2,3 4

„Darum so spricht Jahwe: Siehe ich plane Unheil... an jenem Tag wird man über euch ein Spottlied ..."

Ebenso in Jes 2,19 f. oder 7,17 f. Dasselbe gilt auch für den Gebrauch der Wendung als Zeitangabe in Berichten; sie setzt immer voraus, daß vorher gesagt ist, welcher „Tag" gemeint ist. Auch in den Heilsworten bezieht sich die Wendung auf etwas Vorangehendes zurück: auf den Akt der Befreiung, auch wenn das meist nicht ausgesprochen wird. Wenn die Wendung in Jes 1-39 als Einleitung von Heilsworten 25mal vorkommt, bei Deuterojesaja dagegen niemals, so ist der Grund dafür klar: Alle Heilsworte bei Deuterojesaja kündigen die Befreiung an, die späteren beziehen sich nur auf sie zurück. Daß die Wendung auch in Heilsworten noch die F o l g e des Eingreifens bezeichnet, zeigen einige Worte wie Jes 10,24—27: 25 27

„nur noch eine kleine Weile, dann wird Jahwe ... an jenem Tag wird deine L a s t . . . schwinden"

Im allgemeinen aber ist diese ursprüngliche Funktion der Wendung verblaßt und sie ist formelhafte Einleitung geworden. Aber auch in diesem formelhaften Gebrauch bleibt sie ein Beweis dafür, daß die prophetischen Heilsworte der exilisch-nachexilischen Zeit eigentlich auf einen „Tag" bezogen sind, das Ereignis der Befreiung. Die Bedeutung der Wendung „an jenem Tag" liegt darin, daß die sie

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Die Einleitung der Heilsworte

Gebrauchenden sich in ihr auf einen Tag in der Zukunft beziehen, den sie als den Hörern bekannt voraussetzen. Sie setzt eine Tradition voraus, die von diesem Tag spricht. Sie wäre zu ergänzen: an dem Tag, dessen Kommen uns die Propheten angekündigt haben. Im Gebrauch der Wendung insgesamt kann man einen Dreischritt feststellen: Schon vor Arnos wurde von einem Tag Jahwes gesprochen, an dem J a h w e zum Heil seines Volkes eingreift, das ergibt sich aus Am 5,18. Die Gerichtspropheten wandeln diese Heils- in eine Gerichtsankündigung ab, was ebenso Am 5,18 zeigt. Nach dem Eintreffen des Gerichts dient die Wendung wieder als Einleitung von Heilsworten. Aus diesem Dreischritt läßt sich schließen: Wo ein Heilswort mit der Wendung „an jenem T a g " eingeleitet wird, liegt es von vornherein nahe, daß dieses Wort nach der Gerichtsprophetie gesprochen wurde. Bei dem späten Gebrauch setzt die Wendung als solche einen Abstand zur Gegenwart: nicht heute, nicht morgen, sondern . . . Darin artikuliert sie den Unterschied zu einer Ankündigung der Rettung, die auf eine akute gegenwärtige Situation bezogen ist als die Wende der Not.

I I I . Die Wendungjämim

baim

Sie begegnet an folgenden 20 Stellen: J e s 39,6 = 2Kön 20,17; l S a m 2,31; J e r 7,32 - 19,6; 9,24; 16,14 = 23,7; 23,5; 30,3; 31,27; 31,38; 33,14; 48,12; 49,2; 51,47.52; Am 4,3; 8,11; 9,13. Man kann übersetzen: „Siehe, Tage kommen . . . " oder: „Siehe es kommt eine Zeit . . . " . Die Wendung leitet (im Unterschied zu „an jenem Tag") an allen Stellen eine prophetische Ankündigung ein; sie ist als solche ein Glied der Ankündigung. 15 Stellen stehen im Jeremia-Buch, drei im Buch Arnos, eine im Buch Jesaja. Prophetische Ankündigung sind auch 1 Sam 2,31 und 2Kön 20,17. Man kann mit Sicherheit feststellen, daß die Wendung zuerst als Ankündigung eines Unheils- oder Gerichtswortes diente und dann in den späten Heilsankündigungen übernommen wurde. Den ursprünglichen Gebrauch zeigt die kleine Gruppe von prophetischen Gerichtsankündigungen, besonders deutlich die des Arnos über die Frauen von Samarien Am 4,2: „Seht, es kommen Tage über euch, wo man euch mit Haken wegschleppt!" Dazu das Gerichtswort Samuels über das Haus Eli 1 Sam 2,31; J e s a j a über Hiskia 2Kön 20,17 = J e s 39,6; dazu J e r 7,32 = 19,6; 9,24. Der Sinn dieser Einleitung eines Gerichtswortes ist es, den Kontrast des kommenden Unheils zu der Gegenwart, in der die Ankündigung gesprochen wird und alles noch intakt ist, herauszustellen. Eine sekundäre Nachbildung ist der Zusatz Am 8,11 (vgl. H. W. Wolff, Kommentar).

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Exkurse

D a n n ist die W e n d u n g in einigen Völkersprüchen ü b e r n o m m e n worden, n u r in J e r 46-51: 48,12; 49,2; 51,47.52. Es bleiben acht Stellen, an denen die W e n d u n g eine Heilsankündigung einleitet: J e r 16,14 = 23,7; 23,5; 30,3; 31,27.31.38; 33,14; dazu A m 9,13. Dieser G e b r a u c h ist also fast ganz auf das J e r e m i a b u c h beschränkt, meist formelhaft beginnend: „Siehe, es k o m m e n Tage, spricht J a h w e , d a werde ich . . . " (auch bei den drei Völkersprüchen). F ü r späte E n t s t e h u n g spricht einmal, d a ß in der formelhaften Einleitung zwei ursprünglich selbständige Einleitungen kombiniert sind, n ä m lich „Siehe, Tage k o m m e n " und „So spricht J a h w e " . Deutlicher noch spricht dafür, d a ß das in diesen Sätzen Angekündigte sonst o h n e die formelhafte Einleitung begegnet, so 30,3: „da werde ich das Geschick wenden", oder 23,5: „Ich werde dem David einen gerechten Sproß erwekken", oder 31,38: „die Stadt wird wieder aufgebaut". Die späte Entsteh u n g dieser Heilsankündigungen wird d a m i t bestätigt. Bei Deuterojesaja k o m m t weder diese Einleitung noch die Einleitung „an j e n e m T a g " vor.

DIE WENDUNG süb sebüt = DAS GESCHICK WENDEN Die W e n d u n g begegnet a n 24 Stellen (27mal), verteilt auf 18 Stellen in P r o p h e t e n b ü c h e r n (Jer 10; Ez 3; Hos, Joel, A m j e 1; Zeph 2) vier in Psalmen; j e einmal in T h r u n d Hiob. Der auffälligste Z u g im Bestand der W e n d u n g ist, d a ß das Subjekt i m m e r J a h w e ist (auch in T h r 2,14 ist J a h w e das innere Subjekt) und d a ß die Funktion der Sätze, in denen sie steht, ganz überwiegend eine A n k ü n digung ist: die von Gott bewirkte Wende des Geschickes vom Unheil z u m Heil, eine U m k e h r u n g des vorangehenden Gerichts Gottes. Somit entspricht die W e n d u n g dem, was wir Heilsankündigung nennen. Es geht dabei fast i m m e r u m die W e n d u n g des Geschickes Israels, a n einigen Stellen a u c h eines anderen Volkes. N u r einmal, in H i o b 42,10, ist es das Geschick eines Einzelnen, dies offenbar eine abgeleitete A n w e n d u n g . I n einem gerade erschienenen Aufsatz: „süb sebüt: A Reappraisal", Z A W 97, 1985, 2, S. 233-244, h a t J o h n M . Bracke diese Bedeutung der W e n d u n g entgegen den Versuchen von E. Preuschen, Z A W 15 (1895) S. 1 - 7 4 und E. L. B a u m a n n , Z A W 47 (1929) S. 17-44, deren Bedeutung von der Etymologie her zu erklären, aber im wesentlichen übereinstimmend mit E. L. Dietrich, B Z A W 40, 1925, aus einer U n t e r s u c h u n g des Kontextes, in d e m die W e n d u n g begegnet, sicher nachgewiesen: „a model of restauration, whose p r i m a r y character is God's reversal of his j u d g m e n t " (S. 233); „a technical term indicating a restoration to an earlier time of well-being - restitutio ad i n t e g r u m " (S. 244).

Die Wendung süb sebüt = das Geschick wenden

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Diesem Ergebnis kann ich voll zustimmen; die Wendung läßt sich aber noch genauer bestimmen, nach ihrer Zeit und ihren Anwendungsbereichen. Sie wird in Jer 29, 12-14 entfaltet: „Ich werde euer Geschick wenden und euch sammeln aus allen Völkern und aus allen Orten, wohin ich euch verstoßen habe, und an die Stätte zurückfuhren, von der ich euch in die Verbannung geführt habe." Dazu Jer 30,3: „Denn siehe, es kommt die Zeit, spricht Jahwe, da werde ich das Geschick meines Volkes wenden und sie in das Land zurückkehren lasen, das ich ihren Vätern gegeben habe, damit sie es wieder in Besitz nehmen." 29,14 ist ein Teil der dtr Fassung des Briefes Jeremias an die Exilierten, Jer 30,3 Teil der redaktionellen Einleitung 30,1-3 der Sammlung von Heilsworten Jer 30-33. Die Wendung ist eine nachträgliche, zurückblikkende Bezeichnung all der exilisch-nachexilischen Heilsworte, in denen es um die Befreiung, Sammlung und Rückführung aus dem Exil und die ihr folgende Wiederherstellung geht. Sie ist aus der Erfahrung der Rettung Israels aus dem Exil entstanden und spiegelt diese Erfahrung wider. Indem sie mit der Erfahrung von Befreiung und Heimkehr die der Wiederherstellung nach dem Exil verbindet, bezeugt sie das Weiterleben dessen, was in der Wendung ausgedrückt wird, in der Zeit nach dem Exil. Wenn die Wendung bei Deuterojesaja fehlt, zeigt das an, daß sie n a c h Deuterojesaja, aber in der Nachfolge seiner Verkündigung entstanden ist. An den weitaus meisten Stellen, gehäuft in der Sammlung von Heilsworten Jer 30-33 (wovon J. M. Bracke mit Recht ausgeht) bezeichnet die Wendung die von Gott gewirkte Wende des Schicksals seines Volkes zum Heil. Dazu kommen einige Weiterbildungen: 1. In Jer 29,12-14 und in Dtn 30,2 f. ist die unbedingte zu einer bedingten Heilsankündigung abgewandelt: Jer 29,12 Dtn 30,2f.

„Wenn ihr mich anruft, werde ich euch erhören und ... euer Geschick wenden" „... und du kehrst um zu Jahwe, deinem Gott und hörst auf seine Stimme ... so wird Jahwe ... dein Geschick wenden und ... erbarmen"

Dies ist nicht prophetische Rede und gibt auch nicht vor, solche zu sein, sondern es ist Paränese in dtn-dtr Sprache. Wenn hier ein dem Jeremia

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Exkurse

zugeschriebenes und ein von „Mose" in der Schlußrede des Dtn gesprochenes Wort übereinstimmen, ist das ein sicherer Beweis dafür, daß hier das Prophetenwort abgelöst wurde durch die mahnende Rede der deuteronomistischen Predigt. 2. In einer Bearbeitungsschicht ist die Ankündigung der Heilswende, die ursprünglich und ihrem eigentlichen Sinn nach allein Israel gilt, auf Femdvölker übertragen worden. J e r 48,47 49,6 49,39 Ez 16,53 29,14

„Aber am Ende der Zeit werde ich das Geschick Moabs wenden, spricht J a h w e " „Danach werde ich das Geschick Ammons wenden, spricht J a h w e . " „Aber am Ende der Tage . . . das Geschick Elams wenden" „Aber ich will ihr Geschick wenden, Moabs . . . Samans . . . und dein Geschick" „Ich werde das Geschick Ägyptens wenden und sie in das Land Patros zurückbringen"

Alle diese späten Zusätze zu Fremdvölkersprüchen im Buch J e r und Ez gehören zu einer universalistischen Redaktion, die der Ankündigung der Vernichtung aller dieser Völker für immer nicht mehr zustimmen kann. 3. So wie in die deuteronomistische Predigt ist die Wendung dann auch in die Sprache später Psalmen eingegangen, ohne daß dabei ihre Bedeutung verloren ging: Ps 14,7 = 53,7 85,2 126,1 4 Klgl 2,14

„Wenn J a h w e das Geschick seines Volkes w e n d e t , . . . " „du hast das Geschick deines Volkes g e w e n d e t . . . " „Als Jahwe das Geschick seines Volkes wendete, da . . . Wende, Herr, unser Geschick . . . ! " „Deine Propheten legten deine Schuld nicht offen, um dein Geschick zu wenden . . . "

Diese Psalmen müssen dann in ihrer jetzigen Gestalt exilisch oder nachexilisch sein. In Ps 85,2 geht die Wendung in das Gotteslob ein und wird in ihm weiter tradiert. In Ps 126,1 wird die Erinnerung an die Befreiung aus dem Exil in die Worte dieser Wendung gefaßt. 4. Nur einmal wird die Wendung auf das Geschick eines einzelnen Menschen angewendet: in dieser Abwandlung lebt die Wendung weiter: Hi 42,10

, J a h w e wandte das Geschick Hiobs, weil er fur seine Freunde betete."

Bemerkungen zu einigen bisherigen Untersuchungen

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B E M E R K U N G E N ZU EINIGEN BISHERIGEN U N T E R S U C H U N G E N DER PROPHETISCHEN H E I L S W O R T E

S. Herrmann, Die prophetischen Heilserwartungen im Alten Testament, Ursprung und Gestaltwandel, BWANT85 (5), 1965

S. Herrmann gliedert seine Untersuchung in A: Formen der Heilserwarfung außerhalb Israels, Der Ursprung der Heilserwartung im Alten Testament, Die Aufnahme der Heilstraditionen in der klassischen Prophetie, und B: Der Gestaltwandel der prophetischen Heilserwartung. Es geht ihm dabei nicht eigentlich um die Heilsworte selber, nach deren Gestalt und Aufbau er nicht fragt, sondern um die in ihnen sich aussprechende Heilserwartung oder Heilshoffnung der in diesen Worten Redenden. Sie ist das klassische Thema der alttestamentlichen Wissenschaft, aber auch eines ihrer umstrittensten. Dabei ist die Frage immer wieder die nach den großen Persönlichkeiten, die Scheidung von „echt" und „unecht". Der erste Schritt ist die Prüfung des Verhältnisses der Heilserwartung zur Gesamtprophetie, in deren Zusammenhang sie auftreten. Die prophetischen Heilsworte bringen die Erwartungen, Hoffnungen, Gedanken und Zukunftsvorstellungen derer, die sie sprachen, zum Ausdruck. Von ihnen handelt die Untersuchung Herrmanns, gegliedert nach den Büchern der Propheten (aber nicht allen), in denen sie stehen. Die Schwierigkeit dabei ist, daß ein sehr erheblicher Teil der prophetischen Heilsworte in ihrer Herkunft von dem Propheten, in dessen Buch sie stehen, umstritten ist. Da die Untersuchung Hermanns auf die Heilsworte in den einzelnen Prophetenbüchern konzentriert ist, da er sie jeweils in der Relation zu dem Propheten sieht, in dessen Buch sie stehen, ist es verständlich, daß ihm das weitgehende Übereinstimmen von Heilsworten in ganz verschiedenen Prophetenbüchern nach Form und Inhalt nicht besonders auffallt. Er behandelt an keiner Stelle ihrer Art und ihrer Form nach zusammengehörige Heilsworte aus verschiedenen Prophetenbüchern. So kann er auch nicht sehen, daß sich aus den Gruppierungen und Wandlungen der Heilsworte eine Geschichte der Heilsworte ergibt, die von der Geschichte der großen Prophetengestalten relativ unabhängig ist. Allerdings läßt sich diese Geschichte erst erkennen, wenn man die Heilsworte in den exilischen und nachexilischen Büchern des Dodekapropheton einbezieht, was H. nicht tut. Einen „Gestaltwandel" der prophetischen Heilserwartung sieht er nur zwischen den Propheten des 8. und denen des 6. Jahrhunderts; für die Geschichte der Heilsworte ist aber der entscheidende Einschnitt der Zusammenbruch und das Exil. Sofern man die Heilsworte von den großen Prophetenpersönlichkeiten her versteht, sie als „Ideenbildungen" ansieht, die „im Lauf geistiger

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Exkurse

Auseinandersetzungen geboren werden" (S. 154), wird die gründliche und anregende Untersuchung von S. Herrmann ihre Bedeutung behalten. Anders sind sie nur zu beurteilen, wenn man sie, wie es in den Texten geschieht, als Botenworte versteht. W. Werner, Eschatologische Texte in Jesaja 1-39, Messias, Heiliger Rest, Völker, Forschung zur Bibel, Band 48,1982

Die Arbeit untersucht die exilisch-nachexilischen Heilsworte im Jesajabuch (1-39). Der Verfasser geht von der Frage aus (S. 12), ob Jesaja, der Prophet des 8. Jahrhunderts, außer dem Gericht auch Heil ankgeündigt habe und kommt zu dem Schluß, daß das nicht der Fall ist. Jesaja ist vielmehr ausschließlich Gerichtsprophet und die Heilsworte in Jes 1-39 gehören ausnahmslos der exilisch-nachexilischen Zeit an. In dieser Hauptthese, abgesehen von Jes 7 und 36-38, stimme ich dem Verfasser zu; auch darin, daß die Heilsworte in Jes 1-39 nicht oder nicht allein unter der Frage, ob sie von Jesaja stammen oder nicht, beurteilt werden dürfen (obwohl er selbst in seiner Einleitung von dieser Frage ausgeht), sondern aus dem Kontext aller Heilsworte in Jes 1-39. Ich stimme ihm auch darin zu, daß diese Heilsworte in der exilisch-nachexilischen Zeit die wichtige Funktion haben, als „Versuch, die Gegenwart mit Hilfe der in der Vergangenheit des Volkes gemachten Erfahrungen zu interpretieren" (S. 15), woraus folgt, daß man den Bestand in Gruppen formal und sachlich zusammengehöriger Heilsworte gliedern müsse. Er untersucht aber nur drei Gruppen: „Die messianischen Weissagungen" (1. Kap.), „Der heilige Rest" (2. Kap.), „Die Stellung der Völker im eschatologischen Geschehen" (3. Kap.). Das sind zusammen 15 Texte. Ich zähle in Jes 1-39 (ohne 24-27) 37 Texte, die als Heilsworte bezeichnet werden können oder müssen. Es wäre nach meinem Urteil notwendig gewesen, die in der Untersuchung nicht behandelten Texte wenigstens zu nennen und zu gruppieren. Diese Notwendigkeit ergibt sich allein schon daraus, daß Werner in dem Exkurs: „Der Name Jakob in Jes 1-39" zutreffend nachweist, daß die Bezeichnung, J a k o b " der Bezeichnung „Rest" entsprechen kann. Daraus folgt, daß die Texte, die von , J a k o b " sprechen, zu der Gruppe gehören, die vom „Rest" spricht. Diese Folgerung hat Werner nicht gezogen. Wie kann man aber behaupten, daß die Heilsworte in Jes 1—39 ausnahmslos (!) der exilisch-nachexilischen Zeit angehören, wenn von 3 7 Texten nur 15 untersucht sind! Es kommt hinzu: wenn der Verfasser die Funktion dieser Heilsworte in der exilisch-nachexilischen Zeit richtig bestimmt, so haben die gleiche Funktion die Heilsworte aus der gleichen Zeit in den anderen Prophetenbüchern. Diese müßte man dann - wenigstens potentiell - in die Untersuchung einbeziehen, was er aber nur bei den Königsverheißungen tut. Da

Bemerkungen zu einigen bisherigen Untersuchungen

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ein Überblick über den ganzen Bestand der Heilsworte in Jes 1-39 fehlt, ist auch die Gliederung in den drei ersten Kapiteln unglücklich, da sie von einer subjektiven Auswahl bestimmt ist; diese subjektive Auswahl kritisiert auch P. R. Ackroyd in der Book-List 1984, S. 85. Zutreffend bezeichnet ist nur die erste Gruppe, die messianischen Weissagungen. Zur zweiten Gruppe, „Der heilige Rest" rechnet Werner nur fünf Texte. Die Uberschrift der dritten Gruppe „Die Stellung der Völker im eschatologischen Geschehen" ist besonders unglücklich, da die Völker in den Texten manchmal nur ganz nebenbei erwähnt sind (z.B. 12,1-6) und die Mehrzahl der Texte zu der Gruppe Befreiung Israels - Vernichtung der Feinde Israels gehört. Daß Werner alle Heilsworte als „eschatologisch" bezeichnet, begründet er in der Einleitung S. 13-16. Er schließt sich der Definition von G. Wanke an. Aber weder Wanke noch der Verfasser begründen, warum „eschatologisch" nur Heilsworte, keine Gerichtsworte sein sollen. Wahrscheinlich rechnet der Verfasser wegen dieser Bezeichnung „eschatologisch" die Worte in Kap. 7 f. und 36-38, in denen Jesaja die Rettung Jerusalems ankündigt, nicht zu den Heilsworten, denn sie können keinesfalls als „eschatologisch" bezeichnet werden. Wenn aber die Ankündigung einer Rettung kein Heilswort ist, was ist es dann? Die Arbeit von Werner, die Wesentliches richtig erkannt hat, demonstriet, daß eine Untersuchung prophetischer Heilsworte eine Übersicht über deren Gesamtbestand voraussetzt. H. Wildberger, Jesaja, Bibl. Kommentar, Altes Testament, 197221980

§ 2 Das Heil, S. 1672-1681 Dieser Abschnitt im Schlußteil des Kommentars enthält eine wertvolle Zusammenstellung und Aufgliederung der Heilsworte in Jes 1-39 nach verschiedenen Kriterien. Für das Verständnis von „Heil" bei Wildberger ist wichtig, daß er Rettung von Heil unterscheidet: „Natürlich ist der Übergang von der Ankündigung der Errettung aus einer konkreten geschichtlichen Notlage und der Verheißung von Heil im Sinn eines Zustandes dauernden Friedens und unbeeinträchtigter Wohlfahrt nur fließend ..." (S. 1672). Diese Unterscheidung ist zutreffend; problematisch aber wird sie, wenn als Heilsworte im eigentlichen Sinn nur solche gelten sollen, die einen Zustand des Heils beschreiben: „Wenn Jesaja vom Scheitern Assurs vor Jerusalem spricht, so meint d a s . . . genau genommen nicht Heil für die Stadt, sondern nur gerade, daß sie aus schwerer Not befreit worden sind" (S. 1672). Das würde bedeuten, daß Deuterojesaja keine Heilsworte verkündet hat, weil seine Botschaft die Rettung Israels aus dem Exil ankündigt. Auch deswegen ist eine solche grundsätzliche Scheidung nicht möglich, weil aufch in Jes 1-39 viele Heilsworte die

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Ankündigung der Rettung mit der eines Heilszustandes verbinden. Dabei ist die Ankündigung der Rettung das Primäre, die eines Heilszustandes das Sekundäre. Durch die Sprachform ist beides eindeutig voneinander zu unterscheiden. Daß die Sprachform berücksichtigt werden muß, zeigt vor allem der Abschnitt f) „Der Zion als Stätte des Heils" S. 1678, in dem der bloße Name „Zion" Beweis für eine „Zion-Tradition" sein soll und der Abschnitt „Die Heilsrezension" S. 1565-1569, in der die Stellen nur nach der Reihe der Kapitel aufgezählt werden, ein Versuch sachlicher Gliederung der Stellen aber ganz fehlt. Von einer „Heilsrezension" kann bei den hier aufgezählten Stellen nicht die Rede sein. Es sind Zusätze und Einfügungen dermaßen verschiedener Art, daß sie unmöglich alle aus der Hand eines Rezensenten kommen können. Die Aufzählung setzt sich zusammen aus selbständigen Heilsworten, Zusätzen, Randglossen, die z.T. gar keine Heilsworte sind, sondern Motive der frommen Weisheit, Mahnworte, Paränese. Eine genaue Gliederung dieser Worte nach Form und Inhalt würde eine differenzierte Nachgeschichte der Sammlungen der Worte des Propheten Jesaja ergeben. Dafür aber wäre es notwendig, die entsprechenden Heilsworte in den anderen Prophetenbüchern heranzuziehen. R. Rendtorff, Das Alte Testament, Eine Einführung, 1983

Die kurze Darstellung der Heilsworte im AT bei R. Rendtorff S. 127— 129 ist hier positiv zu erwähnen, einmal weil er die Geschichte der prophetischen Heilsworte im ganzen, vom Anfang bis zum Ende skizziert, außerdem, weil er den ganzen Bestand der Heilsworte nach dessen Formen befragt, wobei er die Situation und die Adresse der Heilsworte einbezieht. Die Bezeichnung „eschatologisch" gebraucht Rendtorff nicht; die Heilsworte reden „von einer heilvollen Zukunft für Israel". H. D. Preuß (Hrsg.), Eschatologie im Alten Testament, 1978

Es ist verdienstvoll, daß dieser Band Aufsätze zur Eschatologie im Alten Testament von 1929-1974 zusammenstellt mit der Absicht, zu einer größeren Sorgfalt im Gebrauch dieses Begriffes zu helfen. Es bleibt aber am Schluß bei dem, was der erste Satz der Einleitung sagt, daß jeder, der in der Auslegung des Alten Testaments den Begriff „Eschatologie, eschatologisch" gebraucht, erst sagen muß, was er darunter versteht. Keiner der Autoren, die in diesem Band zu Wort kommen, hat zwingend nachweisen können, warum dieser aus der Dogmatik stammende und für sie geprägte Begriff (Abraham Calov, Systematis locorum Theologicorum Tomus duodecimus et ultimus ESCHATOLOGIA SACRA ... 1677; den Hinweis verdanke ich dem Kollegen J . Baur, Göttingen) für die Erklärung alttestamentlicher Texte notwendig ist. Wenn man vielfach erklärt,

Bemerkungen zu einigen bisherigen Untersuchungen

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man meine damit nicht einen dogmatischen Begriff, so ändert das nichts daran, daß er dies ist und bleibt. Mit Eschatologie kann nur eine logischgedankliche Zusammenfassung gemeint sein; die liegt im Reden von Zukünftigem im A T nicht vor; das Alte Testament enthält keine Lehre von den letzten Dingen. Wenn der Gebrauch des Begriffes Eschatologie, eschatologisch vielfach damit begründet wird, daß in den Heilsworten auch apokalyptische Züge begegnen, so ist dazu einmal zu sagen, daß apokalyptische Texte und Motive als solche bezeichnet werden sollten, weil sie an eindeutigen Kritierien erkennbar sind; es sind apokalyptische Texte und Motive, nicht eschatologische. Außerdem ist dazu zu sagen, daß sie in den exilisch-nachexilischen Heilsworten überwiegend nachträgliche Zusätze sind oder nicht zu den eigentlichen Heilsworten gehören. Wenn in den zweigliedrigen Heilsworten der eine Teil die Wiederherstellung ankündigt, will er zum Ausdruck bringen: die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk bewirkt, daß es wieder so wird, wie es früher, vor der Katastrophe, war. Dies wird auch oft wörtlich so ausgesprochen: Arnos 9,11-12; Nah 2,3; die Wunden sollen wieder heil werden J e r 30,17; 33,6; „sie sollen mir wert sein wie früher" J e r 30,20; „und baue sie wieder auf wie ehedem" J e r 33,7b. Solches Wiederherstellen hat mit Eschatologie nichts zu tun. Man wird wohl nicht daran vorbeikommen, daß die Anwendung des Begriffes Eschatologie, eschatologisch auf Texte oder Tatbestände des Alten Testaments sich aus diesem selbst nicht notwendig ergibt, sondern aus der Geschichte der Auslegung des Alten Testaments zu erklären ist, in der es eine Tendenz gab, dogmatisch-systematische Begriffe zur Erklärung alttestamentlicher Worte und Zusammenhänge heranzuziehen. Die Frage ist dann berechtigt, ob das Beibehalten solcher der Sprache des Alten Testaments fremder Begriffe den Texten wirklich angemessen ist.

A B S C H L U B UND FOLGERUNGEN

Eine frühe Schicht prophetischer Heilsworte begegnet in Berichten in den Büchern Jesaja und Jeremia. Diese Berichte gehören der vorexilischen Zeit an, der Zeit, von der sie berichten. Die Rettung, die in ihnen angekündigt wird, ist immer partielle Rettung, in einem kleinen Geschehensbogen. Sofern sie dem Volk angekündigt wird, ist es immer Bewahrung vor der Vernichtung, niemals Rettung (eines Restes) n a c h einer Katastrophe. Von der Katstrophe von 587 an ergeht eine Ankündigung der Rettung (eines Rests) nach dem Zusammenbruch als Ankündigung der Befreiung aus dem Exil. Sie bildet neue Heilsworte, solche, die es vorher noch nicht gab. Sie setzen ein mit der Verkündigung Deuterojesajas, der ausdrücklich von einer neuen Heilsbotschaft spricht. Die Untersuchung hat gezeigt, daß die Heilsankündigung nach dem Gericht einen sehr viel größeren Umfang hatte, als man bisher annahm. Sie erfolgte nicht nur in einzelnen Stimmen bekannter Propheten wie Deuterojesaja, Tritojesaja, Ezechiel und einiger der kleinen nachexilischen Propheten, sondern in einer weit ausgebreiteten und sich durch Jahrzehnte oder länger erstrekkenden Verkündigung der Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk, die das Gewicht und das Ausmaß eines großen Prophetenbuches ausmacht. Es ist ein großer, vielstimmiger Chor von Stimmen, deren Heilsankündigung eine erstaunliche Übereinstimmung zeigt. Wenn bisher das ganze Gewicht auf dem Wirken einzelner Propheten in der Zeit der vorexilischen Gerichtsprophetie lag, erhält dieses nun eine gewichtige Weiterführung in der Heilsprophetie nach dem Zusammenbruch, auch wenn sie zum größten Teil anonym überliefert und in ihrer Zerstreuung über die verschiedenen Prophetenbücher hin in ihrer Bedeutung nicht leicht zu erkennen ist. Ihre Bedeutung liegt darin, daß hier nicht eintrat, was in der Antike seit Beginn der Großreiche hundertfach geschehen war: daß die Verehrung eines Gottes oder eines Pantheons mit der Zerstörung des Heiligtums und der Exilierung der Bevölkerung abbrach. Diese Heilsprophetie bildet die Brücke hinüber in das Leben des „Restes" im Land der Väter nach der Rückkehr. Wenn zu Anfang das Zusammengehören dieser vielen, ζ. T. gesammelten, z.T. zerstreuten Heilsworte als das einer „Traditionsschicht" bezeichnet wurde, so kann das jetzt näher bestimmt werden. Alle Traditionen erwachsen aus Ereignissen. Den Heilsworten der exilisch-nachexilischen Zeit liegt der Zusammenbruch des jüdischen Staates und damit

Abschluß und Folgerungen

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auch des Tempelkultes zugrunde. Was danach übrig blieb, waren vor allem die Klagebegehungen der Übriggebliebenen (Threni), zu denen eine Gottesantwort auf die Klage gehörte. Aus diesen Klagebegehungen (sie sind sowohl für die im Land Gebliebenen wie für die Exilierten anzunehmen) entstand eine neue Tradition von Heilsworten. Das beweist die sehr häufige Verbindung der Heilsworte mit Klagemotiven zunächst bei Deuterojesaja, dann aber auch in der Fülle der anonymen Heilsworte. Die Weiterbildungen, angefangen mit dem Hinzutreten der Ankündigung der Wiederherstellung, zeigen, daß sich das Heilswort allmählich von diesem Sitz im Leben losgelöst hat. Manche kurzen Heilsworte, die nach einer Einleitung nur ein kurzes Heilsmotiv enthalten, machen den Eindruck eines Responsoriums aus der Gemeinde auf eine vorher ergangene Heilsankündigung. Dabei vollzieht sich der Wandel von der Ankündigung zum Ausdruck einer Hoffnung oder Erwartung. Zwar wird die Form der Ankündigung ganz oder teilweise beibehalten, der Anspruch aber, in prophetischer Vollmacht zu reden, wird nicht mehr erhoben. Uberlieferte Heilsworte, besonders von Deuterojesaja, werden vergegenwärtigt, dabei variiert und weitergeführt. Die Wandlung zeigt sich etwa in dem abschließenden Satz: „Der Eifer Jahwes ... wird das vollbringen". Neben die gottesdienstliche Antwort auf eine Klage in einem Heilswort tritt dann die literarische Entstehung. Heilsworte wurden als Zusätze einzelnen Worten vorexilischer Gerichtspropheten angefügt; diese literarische Entstehung war durch die Lesung der Prophetenbücher in den exilisch-nachexilischen Wortgottesdiensten bedingt. Dem literarischen Stadium gehören dann auch die verschiedenen Erweiterungen an: die Erweiterung zum zweigliedrigen Heilswort, Hinzutreten der Segensverheißung und Heilsschilderung, dazu mancherlei Varianten, wie der Ausbau eines Motivs zu einem selbständigen Heilswort und andere. Der wichtigste Vorgang in der Geschichte der exilisch-nachexilischen Heilsworte ist das Auseinandertreten der von Deuterojesaja herkommenden Linie und der dieser entgegengesetzten zweiseitigen Ankündigung. Das Neue in der Verkündigung Deuterojesajas war, daß seiner Heilsankündigung die Wiedergewinnung politisch-militärischer Macht fehlte. Es bekommt seinen sprachlichen Ausdruck darin, daß sie an den „Rest" gerichtet ist: die aus Gottes Gericht an seinem Volk Übriggebliebenen, die dieses Gericht anerkennen und bejahen. Dieses „Neue" begründet Deuterojesaja damit, daß die Befreiung als ein Werk des Retters seines Volkes zugleich das Werk des Schöpfers und des Herrn der Geschichte ist, der den König eines fremden Volkes mit der Befreiung beauftragt. Als Schöpfer und Herr der Geschichte ist er nicht auf die Vernichtung der Völker aus (Jes 45,18; Gen 10); er hat die Erde zum Bewohnen geschaffen, auch die von den Babyloniern Übriggebliebenen werden zum Heil eingeladen.

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Abschluß und Folgerungen

Das Weiterleben des Restes ist ermöglicht durch die Wiederzuwendung Gottes, die die Vergebung einschließt. Ein heiles Leben kann es für den Rest nur geben; wenn die Gottesbeziehung wieder heil wird; aber das schließt das Heilwerden aller übrigen Lebensbereiche ein. Das verheißene Heil umfaßt Gottes Retten und Gottes Segnen. In einem nicht auszugleichenden Gegensatz dazu steht die zweiseitige Ankündigung, für die Heil fur Israel nur durch die Vernichtung der Feinde möglich ist. Dieser Gegensatz hat seine Vorgeschichte im gleichen Gegensatz zwischen den Gerichtspropheten zu den Heilspropheten vor dem Zusammenbruch, wie er sich besonders im Gegeneinander der Ankündigungjeremias und der Chananjas zeigt. Das Ende der exilisch-nachexilischen Heilsprophetie ist dokumentiert in den nicht-prophetischen Heilsworten: der bedingten Heilsankündigung und den Worten vom Schicksal des Frommen und des Frevlers. Folgerungen fur eine biblische Theologie Die Bedeutung der exilisch-nachexilischen Heilsworte für die Beziehung des Alten zum Neuen Testament liegt nicht in erster Linie in einzelnen Aussagen einzelner Heilsworte, nicht in der Voraussage eines Heilskönigs oder eines künftigen Friedensreiches. Sie kann nur vom Ganzen dieser mit Deuterojesaja einsetzenden Heilsworte gesehen und gewertet werden. Das Ganze ist bestimmt von der Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk, die die Vergebung einschließt und die ihm ein neues, ein heiles Leben ermöglicht, zu dem aber nicht mehr das Wiedergewinnen politischer Macht, das Besiegen und Vernichten anderer Völker gehört, im Gegensatz zur zweiseitigen Ankündigung. Nur die eine, Deuterojesaja folgende Linie geht in die Richtung der Erfüllung im Neuen Testament, die andere nicht. Aber eine direkte, unmittelbar aus den Texten ablesbare Entsprechung zwischen der Heilsankündigung in der exilisch-nachexilischen Zeit und dem Bericht von der Erfüllung im Neuen Testament lassen die Texte auch nicht zu. Es bleibt ein Unterschied im Verständnis von Heil. Das Heilwerden, das in den hier untersuchten Texten angekündigt wird, gilt immer einer Gemeinschaft, dem Volk Israel als dem „Rest". Dagegen ist im Neuen Testament das Heil, das im Evangelium verkündigt wird, primär auf einzelne Menschen bezogen, die dieser Verkündigung glauben; in der Rechtfertigung durch den Glauben ist primär der Glaube je eines Einzelnen gemeint. Vom Heil einer Kirchengemeinde kann man nicht sprechen, auch nicht von der Rechtfertigung der Kirche oder einer Kirchengemeinde. Dazu kommt: Während in der Botschaft des Neuen Testaments das Heil auf das Heilsein der Gottesbeziehung begrenzt werden kann, umfaßt das in den exilisch-nachexilischen Heilsworten angekündigte Heil eo ipso

Abschluß und Folgerungen

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die heile Gottesbeziehung zusammen mit dem Heilwerden aller Lebensbereiche. Der Unterschied, der hierin zwischen dem Alten und dem Neuen Testament bestehen bleibt, ist noch nicht genügend zum Bewußtsein gekommen. Das Wort sälöm, das in den Heilsworten oft begegnet, bedeutet Heil und Frieden zugleich. Niemals bedeutet es das Aufhören des Krieges allein und niemals bedeutet es nur die Gottesbeziehung eines Einzelnen, also das, was wir Seelenfrieden nennen. Das Heil, das alle diese Worte ankündigen, wird durch die Wiederzuwendung Gottes zu seinem Volk ermöglicht, die sich in der Rettung aus dem Exil auswirkt. Das durch die Rettung bewirkte Heilwerden meint in erster Linie das Heilwerden der Gottesbeziehung; dazu gehört aber notwendig das Heilwerden aller übrigen Lebensbeziehungen. Es wird einer Gemeinschaft angekündigt, dem aus der Katastrophe geretteten Rest-Volk. Der einzelne Mensch hat an diesem Heil nur Anteil als ein Glied dieser Gemeinschaft. Deshalb entspricht es dem Sinn und der Absicht dieser Heilsworte nicht, wenn m a n das, was sie ankündigen, auf eines der Elemente, die zu diesem Ganzen gehören, isoliert. Das Einzelne lebt nur vom Ganzen her und erhält nur von ihm her seinen Sinn. Es ist dann ein Mißverständnis, wenn m a n die Ankündigung des Aufhörens der Kriege als eine isolierte Voraussage auf die Gegenwart oder Zukunft einer veränderten Welt bezieht, als werde hier das Ende der Kriege prophezeit. M a n kann den Frieden nicht ohne das Heilwerden der Gottesbeziehung und dem, was dazugehört, haben. - Ebenso aber ist es ein Mißverständnis, wenn m a n das hier angekündigte Heilwerden der Gottesbeziehung isoliert und die Erfüllung dieser Ankündigung in einer vom übrigen Leben gesonderten Gottesbeziehung des einzelnen Menschen sieht. M a n kann den „Frieden mit Gott", der hier angekündigt wird, nicht haben ohne seine Auswirkung auf das übrige Leben und das Zusammenleben der Menschen. Einen isolierten Seelenfrieden kennen diese Heilsworte nicht. Es wäre nicht Heil, es wäre nicht Frieden, wenn nicht dabei auch z.B. daran gedacht wäre, was der Schrecken des Krieges für die alten Leute und die kleinen Kinder bedeutet (Sach 8,4—5): „Es werden wieder alte Männer und alte Frauen auf den Straßen Jerusalems sitzen, jeder mit einem Stock in der H a n d wegen seines hohen Alters, und die Plätze der Stadt werden wieder voll sein von J u n g e n und Mädchen, die auf ihren Plätzen spielen." Frieden zwischen den Völkern aber kann nur das Wirken des Gottes sein, der sich seinem Volk wieder zugewandt und es gerettet hat. Die Ankündi-

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Abschluß und Folgerungen

gung des Friedens zwischen den Völkern entstammt nicht einer politischen Konzeption. Mit den Heilsworten universalen Ausmaßes kann nur gemeint sein, daß die Zuwendung des rettenden Gottes einen universalen Horizont hat. Sie ist auf das Ganze der Menschheit und das Ganze der Schöpfung bezogen, sowie das die Heilsbotschaft Deuterojesajas deutlich macht. Vergebung und neue Zuwendung Gottes zu seinem Volk gilt einem Rest, zu dessen Zukunft es nun nicht mehr gehört, andere Völker zu besiegen und seine Feinde zu vernichten. Dieser Rest lebt nun unter den Völkern für den Frieden in dem umfassenden Sinn, der in den Heilsworten entfaltet wird.

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214

Literatur

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STELLENREGISTER Josua

Genesis

12-36 12,1-3 12-50 46 48 49,10-12

19 20,21,23 20 21 21 23,91

1 1,5 2,24

19 21 22

Richter

1,1-2 13

22 24

Exodus

3 3,6-8 3,12 6,1-8 13,5.11 32,13 33,1

20 20,21,23 19,21 20 20 20 20

Leviticus

18,24.30

132

Numeri

11,12 14,16 14,16.23 24,5-7 24,16-17

20 20 20 23 96

Deuteronomium

18.35 4 4,31 6,10-11 7,12-13 8,7-9 18,9-22 18,23 26,1-3 26,5-9 28,3-6 28,1-13 30,1-10

20 174 20 20, 23 23 23 176 20 20 20 23 177 49,177

1 Samuel

1,17-28 7,3-15 9,9 9,27 10,1-8 12,19-22 14,12 14,36-37 14,41 15,1-3 17,47 22,5 25,29 25,32-33

24 25, 29 23 27 27 25 22 22 22 22 22 22 170 44

2 Samuel

3,18 7 7,8-11

27 28 27

1 Könige

3,4-15 8,24 8,46-51 8,53 9,1-9 11,9-13 12,21-24 17,14 20,28 22

28 29 176 30 28, 29,187 187 22 25 22 22

216

Stellenregister

2 Könige

12 3,17-20 3,18 3,19-20 4,8-17 8,7-15 13,14-19 13,23 17,13-18 19,2-6 19,14-34 19,30-31 20,1-7 22,18-20 22,19

56 22 22 22 24 25 22 30 176 25 26 26 25 25 29

Jesaja 1-39

1,19-20 1,25-26 1,27-28 2 2,1-5 2,5-23 3,10-11 4,2-6 7 7,1-17 7,21-22 8,1-4 8,9-10 9,1-6 10,12 10,20-21 10,24-27 11 11,4 11,1-9 11,10 11,11-16 14,1-2 14,3-4 14,22-23 14,24-27 14,30-32 14,30 16,1

183 65 188,189 17 70, 73 183 188, 189 57,60 15 53 64 55 152 66 156, 188, 190 63 150 23 188 67 68, 72 61 64, 158 150 150 150 150 188, 190 72, 73

16,4-5 17,7-8 17,12-14 18,7 19,16-17 19,19-25 24-27 28,5-6 28,16-17 29,5-8 29,17-21 29,22-24 30,18-26 30,29-32 31,4-9 31,6 32,1-5 32,6-8 33,1-16 33,14-16 33,17-24 34-35 35,1-10 36,12-20 37,1-7 37,30-32 38,1-8 38,9-20

68 64 160 71, 73 158 72,98,122 78 63 65 161 57,61, 188,190 57,58 57, 58 156 65 183 68 188, 192 161 188, 190 57, 59 164 61,62 54 55 56,63 56 56

Jesaja 40-66

40-45 40,1-11 40,12-31 41,1-5 41,8-13 41,17-20 42,9 42,10-13 42,14 42,14-17 42,18-25 42,24 43,1-17 43,8-15 43,16-21 44,1-5 44,3-5

17,33 33,41 34,, 40, 52, 169 34, 39 35, 169 36 51 41 34 36 40,108 34 35 35, 39 36 35 50

Stellenregister

44,6-8 44,20 44,21-22 44,23 44,24-45,7 45 45,8 45,9-13 45,14-17 45,18-46,13 45,20-25 45,20-24 46,1-4 48,1-17 48,5-11 48,18-19 48,20-21 49,7-12 49,13 49,14-26 49,15 49,24-26 50,1-3 51,3 51,9-52,3 52,7-12 54,1-55,5 54,1-10 54,1-2 54,4-6 54,11-13 54,14-17 55,1-5 55,6-7 55,8-13 55,10-11 55,12-13 56-66 56,1-8 56,1-2 57,1-2 57,14-19 58,1-12 58,13-14 60-62 60,1-22 60,12

34, 39 51 34, 39 41 37,169 15 41 38 36 38 51 16 51 39 33 184 41 36 41 36,40 34 169 41 41 36 41,109 49 50 41,109 35 50 50 50,51 184 33 51 52 144,148 181, 185 185 188, 190 145 186 181, 185 17 144 157

61,1-11 62,1-12 65,1-16 66,5 66,6-16 66,18-24

145 145 188, 190 188,192 146,163 163

Jeremia 1,8 1,4-10 3,6-44 3,6-13 3,14-18 3,19-4,4 7,3-8 8,23-24 12,14-17 16,14-15 16,15-21 17,19-27 18,1-12 22,1-5 23,1-4 23,5-7 24,1-10 28,1^ 29 29,1-14 30-33 30,1-3 30,4-9 30,10-11 30,11-16.17.20 30,12-17 30,18-20 30,46-47 31,1-6 31,7-10 31,10-14 31,15-22 31,23-26 31,27-28 31,29-30 31,31-34 31,35-37 31,38-40 32,1-35

19,21 112 17 178 120 179 179 179 181 114 114, 115 181 181 179 120 17, 114,121 124, 180 125 123 121, 180 17,105 106 106 107 157 107 117, 188 107 117,118 108,112 109 109 111 112 112 113, 116,138 113, 116 114 106

218 32,15 32,37-44 33,1-13 33,14-18 33,15-16 33,19-22 33,23-26 35,19 39,15-18 45,1-5 48,17 49,6 49,26 50,4-8 50,17-20

Stellenregister

123 118 119 115 17 115 116 125 125 125 122 122 122 120 120

Ezechiel

11,14-20 11,21-23 16,53-65 16,53-55 17,22-24 18,1-32 20,34-44 28,24-26 29,21 33-34 33,1-33 34,1-10 34,11-31 35-36 36,1-15 36,16-37 37,1-15 37,15-28 38-39 40-48 40,1-3 43,2-9 47,1-2 48,30-35

137 138 138 141 138 142 139 140 140 17,129 141 129 129 165 131 132, 137 133 134 17, 129, 135,136 19,129,136 136 137 137 136

Hosea

1,7 2,1-3 2,16-25 3,1-5

79, 100 79, 87 79,88 79,183

4,15 6,11 10,12 11,8-9 11,10-11 12,1 12,7-10 14,2-9

100 79,100 79,101 79, 92 79,81 79, 100 79, 100 79,89

Joel

2,12-14 2,18-20 2,21-27 3,1-5 4,1-3 4,9-14 4,15-17 4,18-21

79, 181,182 79, 152 79 79, 155 79,162 79, 162 79, 154 79, 153, 157

Arnos

5,4-6.14.15 9,8-15 9,8-10 9,12

181, 182 78, 99 188, 190 160

Obadja

1-15 15-17 18-21 19-20

80 155, 157, 160 158 160

Jona

3,7-10

80

Micha

2,12-13 4 4,1-5 4,6-8 4,9-12 4,13 5,1-3 5,4-5 5,7 5,8-14 7,9-10 7,11-12

79,81 17,98 79, 97, 159 79, 83, 95 79, 82 79, 159 79, 95 79, 159 79, 159 79 170 79,83

Stellenregister

Nahum

1,9-10 1,12-13 2,1-3

79,93 79, 93,169 79, 93,169

Habakuk

24

79, 181,182 79,160 79,97 79,188,190 79,94,169 79, 84,169

Haggai

1,13 2,4-5 2,6-9 2,20-23

80 80 80, 102 80

Sacharja

1,1-6 1,7-17 2,12-17 3,6-7 6,15 8,4-15 9,1-8 9,7 9,9-10 9,11-12 9,13-16 10,3-6 10,6-7 10,8-12 12,1-8 12,10 13,1-2

98 99, 190 162, 167 80,188

Maleachi

188, 189

Zephanja

23 2,7-9 3,9-10 3,11-13 3,14-18 3,18-20

13,1-6 13,8-9 14,1-19 14,20-21

80,181 80,92 80, 86,97 80, 159,182 80,181 80,84,94 154 160 96 80,85 158 159 80,85 80, 85 159 99 188, 190

3,6-12 3,10 3,19-21

181 182 80, 158

Psalmen

23 31,18-19 35,1 45 47 68,30-32 72,9-11 79,10-12 80,9 80,17-18 81,14 89 103 122 126,5 132 147,2-3 148

35 171 48 23,59,71 59 71 71 171 91 170 184 28 110 71,98 109 59 18 44

Klagelieder

3 3,31-33 3,37 4,19 5,22

35 94 52 82 82

Proverbien

28,14

189

Claus Westermann Das Buch Jesaja Kap. 4 0 - 6 6 . (Das Alte Testament Deutsch, Bd. 19). 5. Auflage 1986. 344 Seiten, kartoniert und Leinen „Einleitend wird zunächst jeweils über Deutero- und Triterojesaja gehandelt und dann im Anschluß an die Ubersetzung Abschnitt fur Abschnitt ihre Botschaft erläutert. Formgeschichtliche Überlegungen werden für die Exegese fruchtbar gemacht, so daß die Predigt der Propheten anschaulich und plastisch hervortritt und der theologische Gehalt ihres Wortes - gerade auch im Gegenüber zum Neuen T e s t a m e n t - sichtbar wird." Das Neueste

Lob und Klage in den Psalmen 6. Auflage von „Das Loben Gottes in den Psalmen" 1983. 212 Seiten, kartoniert „Die hier vereinigten Untersuchungen zu den Psalmen haben seit dem ersten Erscheinen nichts an Bedeutsamkeit und Aktualität verloren. Wer sich mit der Frage nach den Psalmengattungen beschäftigt, wird an Westermann nicht vorbeikommen." Theologische Revue

Ausgewählte Psalmen 1984. 210 Seiten, kartoniert „Es geht Claus Westermann nicht um einen Beitrag zur wissenschaftlichen Fachdiskussion, sondern er will die Psalmen zum Reden bringen. Das glückt ihm aufs beste." Kirchl. Amtsblatt Westfalen

Theologie des Alten Testaments in Grundzügen (Grundrisse zum Alten Testament, Bd. 6). 2. Auflage 1985. I V , 222 Seiten, kartoniert „Der Verfasser legt eine beachtenswerte Theologie des Alten Testaments vor, die von einem völlig anderen Ansatzpunkt, einem gattungs- bzw. formgeschichtlichen, ausgeht. Es gelingt ihm so, das Alte Testament in faszinierender Weise neu aufzuschließen." Bibel und Kirche

Die Verheißungen an die Väter Studien zur Vätergeschichte. (Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, Bd. 116). 1976. 171 Seiten, kartoniert und Leinen Die Verheißungen an die Väter werden in dieser Arbeit als ein selbständiger, wesentlicher Bestandteil der Väterüberlieferungen j e für sich und in ihrem Verhältnis zueinander untersucht. J e d e einzelne der in den Vätergeschichten begegnenden Verheißungen (des Sohnes, neuen Lebensraumes, des Beistandes, des Landbesitzes, der Mehrung, des Segens, des Bundes) hat ihren eigenen Ort, ihre eigene Funktion und Geschichte.

Predigten Hrsg. von Rudolf Landau. (Göttinger Predigthefte 33). 1975. 143 Seiten, kartoniert „Wohltuende Schlichtheit, hinter der strenge theologische Reflexion steht. Der Verfasser läßt sich ins Handwerk schauen, indem er in mehreren Schritten den Weg von Exegese und Theologie zur Predigt aufweist. Zu jeder Predigt werden Literaturangaben geboten." Kirchenblatt für die ref. Schweiz

Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen und Zürich

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Eine Titelauswahl 143 K. Arvid Tängberg Die prophetische Mahnrede Form- und traditionsgeschichtliche Studien zum prophetischen Umkehrruf. 1987. Ca. 212 Seiten, Leinen 142 Matthias Köckert Vätergott und Väterverheißungen Eine Auseinandersetzung mit Albrecht Alt und seinen Erben. 1987. Ca. 348 Seiten, Leinen 141 JörgJeremias Das Königtum Gottes in den Psalmen Israels Begegnung mit dem kanaanäischen Mythos in den Jahwe-König-Psalmen. 1987. 189 Seiten, kartoniert und Leinen 140 Martin Karrer Die Johannesoffenbarung als Brief Studien zu ihrem literarischen, historischen und theologischen Ort. 1986. 354 Seiten, Leinen 139 Wilhelm Pratscher • Der Herrenbruder Jakobus und die Jakobustradition 1987. Ca. 296 Seiten, Leinen 138 Gerhard Sellin · Der Streit um die Auferstehung der Toten Eine religionsgeschichtliche und exegetische Untersuchung von 1. Korinther 15. 1986. 337 Seiten, Leinen 137 Christoph Levin Die Verheißung des neuen Bundes in ihrem theologiegeschichtlichen Zusammenhang ausgelegt. 1985. 303 Seiten, Leinen 136 Hans Hübner - Gottes Ich und Israel Zum Schriftgebrauch des Paulus in Römer 9-11. 1984. 171 Seiten, kartoniert und Leinen 135 Hermann Michael Niemann Die Daniten Studien zur Geschichte eines altisraelitischen Stammes. 1985. 348 Seiten, Leinen 134 Egon Brandenburger Markus 13 und die Apokalyptik 1984. 182 Seiten, Leinen

133 Ulrich H.J.Körtner Papias von Hierapolis Ein Beitrag zur Geschichte des frühen Christentums. 1983. 371 Seiten, Leinen 132 Rainer Stuhlmann - Das eschatologische Maß im Neuen Testament 1983. XII, 265 Seiten, Leinen 131 Gerd Theissen · Psychologische Aspekte paulinischer Theologie 1983. 419 Seiten, kartoniert und Leinen 130 Gerd Lüdemann Paulus, der Heidenapostel Band I: Studien zur Chronologie. 1980. 301 Seiten, Leinen (Band 123 der Reihe). Band II: Antipaulinismus im frühen Christentum. 1983. 322 Seiten, Leinen 129 Hermann Spieckermann Juda unter Assur in der Sargonidenzeit 1982.446 Seiten, Leinen 128 Victor Maag · Hiob Wandlung und Verarbeitung des Problems in Novelle, Dialogdichtung und Spätfassungen. 1982. 232 Seiten, Leinen 127 Walter Klaiber Rechtfertigung und Gemeinde Eine Untersuchung zum paulinischen Kirchenverständnis. 1982. 306 Seiten, kartoniert und Leinen 126 Robert Maddox The Purpose of Luke-Acts 1982. 218 Seiten, Leinen 125 Hans Weder - Das Kreuz Jesu bei Paulus Ein Versuch, über den Geschichtsbezug des christlichen Glaubens nachzudenken. 1981. 275 Seiten, kartoniert und Leinen 124 Stefan Timm • Die Dynastie Omri Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Israels im 9. Jahrhundert vor Christus. 1982. 359 Seiten, Leinen 122 Hermann von Lips Glaube — Gemeinde — Amt Zum Verständnis der Ordination in den Pastoralbriefen. 1979. 327 Seiten, Leinen

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