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German Pages 355 [356] Year 1999
B E I H E F T E
Z U
edüio Herausgegeben von WINFRIED WOESLER Band 13
Produktion und Kontext Beiträge der Internationalen Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition im Constantijn Huygens Instituut, Den Haag, 4. bis 7. März 1998
Herausgegeben von H. T. M. van Vliet
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1999
Redaktion: Rüdiger Nutt-Kofoth
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme [Editio/ Beihefte] Beihefte zu Editio. - Tübingen : Niemeyer Früher Schriftenreihe Reihe Beiheft zu: Editio Bd. 13. Produktion und Kontext. - 1999 Produktion und Kontext : Beiträge der Internationalen Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft für Germanistische Edition im Constantijn Huygens Instituut, Den Haag, 4. bis 7. März 1998 / hrsg. von H. T. M. van Vliet. - Tübingen : Niemeyer, 1999 (Beihefte zu Editio ; Bd. 13) ISBN 3-484-29513-9
ISSN 0939-5946
© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 1999 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: AZ Druck und Datentechnik, Kempten Einband: Buchbinderei Geiger, Ammerbuch
Inhalt
Vorwort des Herausgebers
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Hans Voorbij The Chronicon of Helinand of Froidmont: A Printed Edition in an Electronic Environment
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Martin J. Schubert Third Maker under Jove. Edition als Produktion am Beispiel Gustav Roethes ....
13
Wernfried Hofmeister Die Edition als .offenes Buch': Chancen und Risiken einer TransponierungsSynopse, exemplarisch dargestellt an der Dichtung Von des todes gehugede des sog. Heinrich von Melk
23
Rudolf Bentzinger, Bob Duijvestijn, Annegret Haase Wortbildung und Kontext. Beobachtungen bei der Text- und Glossarherstellung für die DTM-Edition Der deutsche Malagis
41
Christa Baufeld Schreibstrategien in einer Sammelhandschrift des 15. Jahrhunderts
49
Janny Schenkel Medieval Miscellanies from the Low Countries in Diplomatic Editions
65
Margarete Springeth Textvarianz und Kontextvariabilität als implikative Kategorien am Beispiel des Nibelungenliedes in Lienhart Scheubels Heldenbuch (Hs k)
77
Thomas Schmidt-Beste Die humanistische Staatsmotette - Probleme und Möglichkeiten der Edition alter Musik
91
Gerard Huijing Textual Variants in Erasmus' Polemics with Edward Lee
Ill
VI
Carry Ridderikhoff Die Historia Emanuel van Meterens der Zensur unterworfen: vom Verbot zur offiziellen Anerkennung
125
Henk J. M. Neuen Confidentiality and Indiscretion: The Intricacies of Publishing Grotius' Correspondence Posthumously
135
Gert Vonhoff Kontextualisierung als Notwendigkeit. Die Edition .ästhetischer Objekte' am Beispiel der Lyrik von Jacob Michael Reinhold Lenz
145
Diane Coleman Brandt Intertextualität bei Personendarstellungen in den Briefen von Therese Huber ...
155
Kristina Hasenpflug Genetische Spuren im Lesartenapparat. Zur Lyrik Clemens Brentanos
167
Rüdiger Nutt-Kofoth Von Fettflecken und anderen Zufälligkeiten des Manuskriptzustandes. Zu einer Ursache der Exzeptionalität von Annette von Droste-Hülshoffs Haidebild: Die Steppe
179
Jürgen Hein Schreibort,Volkstheater'. Editorische Überlegungen am Beispiel Johann Nestroys. Mit zwei Brief-Entwürfen
191
Walter Hettche Von der Allmählichkeit. Schreibprozesse und Erzählprozesse in Adalbert Stifters Prosa
203
Peter Jost Richard Wagners
213
/ia'wser-Bearbeitung für die Pariser Aufführungen 1861 ...
Ulrike Leuschner Tugend und Form. Marie von Ebner-Eschenbachs aphoristisches Schreiben im Zeit- und Gattungsbezug
225
Marita Mathijsen De mortuis nil nisi bene. The Influence of Romantic Friendship on the Genesis of Some Nineteenth-Century Publications
237
VII
Andreas Thomasberger Textproduktion im Kontext von Poetologie und Thematik - mit Beispielen aus der Lyrik Hugo von Hofmannsthals
245
Hermann Zwerschina Angepaßtes Schreiben? Zu den Wechselwirkungen zwischen Georg Trakl und dem Herausgeber der Zeitschrift Der Brenner
251
Wieneke 'tHoen Flämisch und Niederländisch: Willem Eisschot auf der Suche nach einer .klassischen' Redewendung
263
Sigurd Paul Scheichl Fassungen bei Karl Kraus als Reflex des Ersten Weltkriegs - Untergang der Welt durch schwarze Magie
271
Jan Bürger „Immer wieder weist man auf Joyce hin ...". Wie entstehen Entstehungsgeschichten? Thesen über Probleme eines editionsphilologischen Genres
283
Gregor Ackermann, Günther Nickel Defizite der Kontextvermittlung in Editionen literarischer Publizistik
295
Peter de Bruijn „Zwischen Biographismus und Biographobie". Die historisch-kritische Ausgabe der Gedichte Gerrit Achterbergs (1905-1962) ,
307
Winfried Woesler Dürrenmatt und Brecht. Schreiben im Schatten eines anderen
315
Klaus Kanzog Baustein, Kontext, Intertextualität. Zur Beziehung von Eigen- und Fremdtext als typologisches und editorisches Problem
329
Peter Robinson Digital Manuscripts and Electronic Publishing
337
Autorenverzeichnis
347
Vorwort des Herausgebers
Texte werden während ihrer unmittelbaren Entstehungs- und späteren Druckgeschichte in mehr oder weniger großem Maße von vielfältigen externen Faktoren beeinflußt. Diese Faktoren variieren entsprechend der Arbeitsweise eines Autors und sind darüber hinaus abhängig von biographischen oder gesellschaftlichen Umständen, der zeitgenössischen Rezeption sowie den jeweiligen Publikationsmedien. Die Faktoren lassen sich vermehren, wenn die Aspekte um Musik und Theater erweitert werden. Das Verhältnis von Produktion und Kontext hat zwar schon immer in Editionen Berücksichtigung gefunden, z. B. im Kommentar oder bei der Darstellung der Entstehungsgeschichte eines Texts oder Werks, es ist aber noch nie systematisch und übergreifend behandelt worden. Insbesondere ist bisher nicht grundsätzlich diskutiert worden, in welcher Form der Einfluß externer Faktoren erörtert werden soll und welche Konsequenzen er überhaupt für die Edition hat. Deshalb standen Fragen nach kontextuellen Einflüssen auf die Produktion im Mittelpunkt der siebten Tagung der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition, die vom 4. bis 7. März 1998 im Constantijn Huygens Instituut der Königlichen Niederländischen Akademie der Wissenschaften in Den Haag stattfand. Obwohl in einigen Referaten theoretische Reflexionen über den Begriff .Kontext' angestellt wurden und in den Diskussionen immer wieder eine unbedingt notwendige Differenzierung des Begriffs betont wurde, ist keine neue und schon gar nicht eine allgemein verbindliche Definition gefunden worden. Wohl aber stellte sich heraus, daß zwei Fragenkomplexe für die editorische Diskussion von besonderer Bedeutung waren. Dies war zunächst die Frage, inwieweit kontextuelle Einflüsse in einer Edition dokumentiert und erläutert werden sollten, wobei die Benutzbarkeit einer Edition als beachtenswertes Kriterium angeführt wurde. Kontrovers diskutiert wurden jedoch solche Verfahrensweisen, bei denen sich der Editor stärker in eine Edition einbringen muß und damit ein Überschreiten von interpretatorischen Grenzen befürchtet wurde. Die zweite Frage konzentrierte sich auf Probleme der Textkonstitution in solchen Fällen, in denen verschiedene kontextbedingte Fassungen vorliegen. An zahlreichen Beispielen wurde deutlich gemacht, daß kontextuelle Faktoren wie Zensur, Eingriffe von Freunden oder Verlegern den Text eines Werks derart stark beeinflussen können, daß die Entscheidung für die eine oder andere Fassung Konsequenzen nach sich zieht, denen aus prinzipieller Perspektive nicht immer angemessen zu begegnen ist. Über die Diskussion des Tagungsthemas hinaus wurde das Ziel verfolgt, die internationalen editorische Kontakte zu vertiefen, wobei zunächst ein Schwerpunkt auf dem
Austausch zwischen deutschen und niederländischen Editoren lag. Die Tagung hatte nicht nur ein internationales, sondern auch ein interdisziplinäres Profil. Editoren aus der Germanistik und der Niederlandistik diskutierten mit Fachkollegen aus der Anglistik, der Philosophie und der Musikwissenschaft. Zum ersten Mal nahmen auch amerikanische Kollegen von der Society for Textual Scholarship an einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition teil. Außerdem war das Institut des textes et manuscrits modernes des C.N.R.S. in Paris vertreten. An der EDV-Sektion beteiligten sich u. a. Kollegen aus Großbritannien und Kanada mit Beiträgen. Wie auch bei den vorangegangenen Tagungen der Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition üblich, erscheinen die Grundsatzfragen behandelnden Beiträge in editio (Bd. 12, 1998 und Bd. 13, 1999), während die autor- und problembezogenen Referate in das vorliegende, 13. Beiheft zu editio aufgenommen wurden. Die Beiträge sind soweit möglich - chronologisch in bezug auf den behandelten Autor bzw. Text angeordnet, obwohl sich bei einem Thema wie Produktion und Kontext Grenzen nicht immer scharf ziehen lassen, weil sie fließend sind. Darum war auch eine weitere Unterteilung des Bandes nicht notwendig und sinnvoll. Die Redaktion dieses Bandes lag in den Händen von Rüdiger Nutt-Kofoth, dem ich für sein Engagement und seine gewissenhafte Arbeit sehr dankbar bin. Bodo Plachta danke ich für gute Ratschläge und seine Unterstützung. Die Herstellung der Satzvorlage besorgte Connie Klützow vom Constantijn Huygens Instituut, auch ihr danke ich für ihre sorgfältige und umsichtige Arbeit. Die Durchführung einer internationalen Tagung mit mehr als 150 Teilnehmern erfordert nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch das Engagement vieler. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Constantijn Huygens Instituut für ihren großen Einsatz bei der Vorbereitung der Tagung. Der Königlichen Niederländischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Forschungsgemeinschaft gilt mein Dank für die großzügige finanzielle Förderung der Tagung. Den Haag, im Januar 1999
H. T. M. van Vliet
Hans Voorbij
The Chronicon of Helinand of Froidmont: A Printed Edition in an Electronic Environment
It may come as a surprise that this contribution is about a printed edition, be it a printed edition with a few electronic by-products.1 I will discuss here why the team that is executing a critical edition of the Chronicon of Helinand of Froidmont, has chosen to prepare a printed edition. I will sketch how a few software tools support this team in its enterprise, to achieve a six-volume edition of the Chronicon. But first I will briefly introduce Helinand of Froidmont and his Chronicon, and the edition of this work that is being prepared. Helinand lived from about 1160 till after 1229. He pursued the life of a minstrel before his conversion, around 1182, after which he entered the Cistercian monastery at Froidmont near Beauvais in France. He was the author of the well-known vernacular Les Vers de la Mart, and became a famous preacher, of whom about sixty Latin sermons have so far been traced. Helinand also wrote several treatises and letters, still known today only because the author himself incorporated them into his Chronicon.2 During the years 1211-1223, he compiled this Chronicon, a voluminous worldchronicle in Latin containing 49 books, of which less than half have survived. Today we have the text of books 1-18, covering the period from the Creation to the death of Alexander the Great, and books 45-49, which deal with the period from 634 to 1204, at which year the text ends rather abruptly. Several fragments of books 19-44 have survived as copies, notably scattered through the whole of the Speculum Maius of Vincent of Beauvais (d. 1264), who already complains about the loss of part of the Chronicon.3
I am most grateful to Ms. Tosca Janssens (Utrecht University) for her help with advice on the English text. For general information on Helinand and his oeuvre, see Edmö R. Smits: Helinand of Froidmont and the -Text of Seneca's Tragedies. In: Mnemosyne 36,1983, pp. 324-358; idem: An unedited correspondence between Helinand of Froidmont and Philip, abbot of Val Ste Marie, on 'Genesis' 27:1 and the ages of the world. In: Studies in Medieval Cistercian History. Vol. 11: Erudition at God's Service. Ed. by J. R. Sommerfeldt. Kalamazoo 1987 (Cistercian Studies Series. Vol. 98), pp. 243-266; idem: Editing the 'Chronicon' of Helinand of Froidmont: the Marginal Notes. In: Sacris Erudiri 32, 1991, pp. 269-289; Beverly M. Kienzle: Helinand de Froidmont et la piidication cistercienne dans le Midi, 1145-1229. In: La predication en Pays d'Oc (XIIc - dobut XVe siecle). Toulouse 1997 (Cahiers de Fanjeaux. Vol. 32), pp. 37-67. Vincent of Beauvais: Speculum Historiale XXX c.108. In: Bibliotheca Mundi. Vincentii Burgundi, ex ordine Praedicatorum venerabilis episcopi Bellovacensis, Speculum Quadruplex, Naturale, Doctrinale,
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Hans Voorbij
Helinand's work may be qualified as a compilatory world chronicle. Its overall structure is based on the progression of time. It is frequently interrupted, however, by sometimes voluminous and learned - digressions wherein Helinand includes whatever material he feels pertinent to the historical line, which he has taken from a great variety of sources. Thus we find commentaries on the Scripture, a treatise against astrology, a long mirror for princes, several lives of saints and legends, information on the animal world, and material from Latin and vernacular literature, to mention just a few examples.4 Helinand's intentions with such an extensive treatment is left for his editors and interpreters to attempt to understand. For lack of a prologue, the work simply begins with the list of chapters of book one. The greater part of Helinand's work has never been edited.5 In about 1986, the team that is working on the critical edition of the Chronicon had sketched the first outlines for a printed edition, at a moment when the option of an electronic edition was not so obvious as it is today.6 The team has developed in the past years a Master Plan for the
Morale, Historiale [...]. Ed. by the Benedictines of St. Vaast. Douai 1624 (reprint: Graz 1964/65), vol. 4, p. 1222. Vincent also cites from the surviving parts of the Chronicon. For the relation of Helinand's Chronicon to the works of Vincent, see Monique Paulmier-Foucart: Ecrire 1'histoire au XIIIe siecle. Vincent de Beauvais et Holinand de Froidmont. In: Annales de l'Est 33,1981, pp. 49-70; Edmi R. Smits: Vincent of Beauvais: a note on the background of the 'Speculum'. In: Vincent of Beauvais and Alexander the Great. Studies on the 'Speculum Maius' and its translations into medieval vernaculars. Ed. by Willem J. Aerts, Edmi R. Smits and Johannes B. Voorbij. Groningen 1986 (Mediaevalia Groningana. Vol. 7), pp. 1-9; Johannes B. Voorbij and Marinus M. Woesthuis: Editing the 'Chronicon' of Helinand of Froidmont: the use of textual witnesses. In: Media Latinitas. A Collection of Essays to mark the Occasion of the Retirement of L. J. Engels. Ed. by Rende I. A. Nip et al. Steenbrugge, Turnhout 1996 (Instrumenta Patristica. Vol. 28), pp. 345-354; Marinus M. Woesthuis: Vincent of Beauvais and Helinand of Froidmont. In: 'Lector et compilator'. Vincent de Beauvais, fröre prScheur. Un intellectuel et son milieu au XIIIe siecle. Ed. by Serge Lusignan and Monique Paulmier-Foucart. Grane 1997, pp. 233-247. Books 45-49 of the Chronicon have also been a source for the fairly unknown chronicle by the Cistercian monk Aubri de Trois-Fontaines (ca. 1241); see Paulmier-Foucart 1981 (as above), pp. 67-69. For practical reasons, Aubri's work will be left aside here. See, e. g., Malgorzata Hanna Malewicz: Libellus de efficatia artis astrologice. Traitö astrologique d'Eudes de Champagne, Xlle siecle. In: Mediaevalia Philosophica Polonorum 20, 1974, pp. 3-95; Johannes B. Voorbij: The Legend of Guntram in Helinand of Froidmont's Chronicon. In: Non Nova, Sed Nove. M61anges de civilisation modi£vale de"dids ä Willem Noomen. Ed. by Martin Gosman and Jaap van Os. Groningen 1984 (Mediaevalia Groningana. Vol. 5), pp. 261-277; Marinus M. Woesthuis: The origins of Anonymus Primus. Vincent of Beauvais, Helinand of Froidmont and the Life of St. Hugh of Cluny. In: Analecta Bollandiana 105, 1987, pp. 385-411. The list of chapters of books 1 to 18 as well as the margins of the Vatican manuscript of the Chronicon, discussed below, are edited by Monique Paulmier-Foucart: He"linand de Froidmont. Pour eclairer les dixhuit premiers livres inödits de sä chronique. Edition des litres des chapitres et des notations marginales d'apres le ms. du Vatican, Reg. lat. 535. In: Spicae 4, 1986, pp. 81-254. Malewicz 1974 [n. 4] produced a partial edition of book six. An unpublished these of the Ecole Nationale des Charles contains an edition of book eight; see Marie-Paule Arnaud-Cancel: Le huitieme livre de la Chronique d'Hdlinand de Froidmont. In: Positions des Theses. Ecole Nationale des Charles. Paris 1971, pp. 9-14. Books 45-49 are available in an early-modern printed edition; see discussion below. The edition project, initiated by the late Edmo Smits, is currently being executed by M. Geertsma, C. H. Kneepkens, E. L. Saak (all of the University of Groningen), J. B. Voorbij (Utrecht University), and M. M. Woesthuis (University of Leeds).
The , Chronicon' of Helinand of Froidmont
5
completion and publication of this edition, in which it has identified several goals for this enterprise.7 First of all, Helinand's Chronicon is an invaluable source of information about the intellectual life of the late twelfth and early thirteenth centuries, particularly for the Cistercian world, which played an important role in the intellectual history of that period. Being a prime example of encyclopedic spirit and erudite compilation, the Chronicon sheds light on the genre of compilatio. It contributes to our understanding of the reading, functions and use of traditional texts, in context of the dissemination of knowledge in the high and late Middle Ages. Further, the manuscript tradition of the Chronicon which I will discuss later - allows us to study the process of textualization, that is: how texts received their concrete, written form. The edition will contribute to our understanding of text creation and production in the high Middle Ages. In the fourth place, the edition of the Chronicon requires reflection and theorizing on the nature of editions as such. Apart from technical skills, it demands theoretical sophistication, which - as the team hopes - will contribute to the development of editorial theory. Finally, the edition of Helinand's Chronicon will be of great importance to those who are researching the Speculum Maius of Vincent of Beauvais. Since the Chronicon is a major source for the Speculum Maius, the edition will provide Vincent scholars with a much needed resource. So, for these reasons the edition of the Chronicon is being prepared. The edition is primarily designed for research focusing on medieval literary and intellectual traditions, the transmission of texts and knowledge, medieval historiography, Cistercian religious culture, and medieval textuality, thus meeting the interests of, among others, historians, students of literature, philosophers, and philologists. Viewing these goals and intended audience, the editorial team decided to produce an 'historical-critical, genetic edition'. This type of edition tries to give an understanding of the process of composition and textualization of the Chronicon. It is not 'the' text of the Chronicon, nor even 'a' text thereof that will be edited, but rather the Chronicon as a 'work'. Today Helinand's work is available only in two manuscripts and an earlymodern printed edition. One manuscript (London, British Library, Ms. Cotton Claudius B.IX) dates from the early fifteenth century, and preserves an early version of the text of books 1-16, be it with a few lacunas. The second manuscript (Vatican City, Bibliotheca Apostolica, Ms. Reg. lat. 535) dates from the second quarter of the thirteenth century, and contains a later version of books 1-18 of the Chronicon, which was certainly not the final version - it is better designated as a witness to Helinand's intended revisions. The early-modern printed edition (by Bertrand Tissier in 1669) comprises books 45-49, taken from a manuscript that once belonged to Froidmont abbey, which was lost
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The text of the following paragraphs owes much to and in several cases literally copies from Helinandi Frigidi Montis Monachi 'Chronicon': Masterplan for the Critical Edition. Ed. by Eric L. Saak, in cooperation with M. Geertsma, C. H. Kneepkens, J. B. Voorbij and M. M. Woesthuis. [Groningen 1997], pp. 39.
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Hans Voorbij
during the first World War.8 Close reading revealed that Tissier's edition omits several sections that must have been present in the manuscript.9 These are the main textual witnesses, containing in total some 450.000 words of Helinand's work. There is no evidence that the Chronicon ever had a wider circulation, apart from the many quotations incorporated into Vincent of Beauvais' Speculum Maius, mentioned earlier, and those in the chronicle of Aubri de Trois-Fontaines (see note 3). The manuscript evidence revealed that the Chronicon never achieved a final form. Helinand continued to revise his work in various ways and added a marginal apparatus of source references. He himself was also responsible for some of the textual revisions and some further marginal notes, but certainly not for all of them. Therefore, the editorial team employs the concept of 'composite author'. The name 'Helinand' refers not only to the historical individual Helinand of Froidmont, but also to the entire composition, compilation and revision of the work known as the Chronicon, whether such authorial action was carried out by Helinand himself, or by a corrector or scribe working under his authorization. The edition will show how Helinand's work was given a concrete, written form. The London and the Vatican manuscript do not represent two completely distinct versions, thus requiring either an edition of one or both versions separately or a parallel edition. The texts in these manuscripts are rather to be seen as two distinct 'textual phases', neither having a privileged state. The manuscript tradition of the Chronicon, combined with the compilatory nature of the work, demands an edition that makes visible the process of composition and of compilation. The editors are thus faced with the challenge of preserving both the textual integrity of the two textual phases and the codicological integrity of the two extant manuscripts in which the two textual phases are present, while creating an edition that will best meet the stated goals. To do so, the editors are preparing an edition that consists of four socalled 'zones' (see figure 1). Zone I offers a reconstruction of the text with Helinand's last revisions. The second zone presents variants between the zone I-text and the texts of both manuscripts that can reasonably be argued to have resulted from Helinand's reworking of the text. It also supplies information on the physical appearance of the text in the manuscripts, and variants resulting from scribal errors. The third zone presents Biblical references, references to Helinand's immediate sources, to his many indirect sources, and cross references to parallel passages in the Chronicon, in Helinand's sermons and in the Speculum Maius of Vincent of Beauvais. The final zone consists of editorial comments.
Bibliotheca Patrum Cisterciensium.[...] Ed. by Bertrand Tissier. Vol. 7. Paris 1669, pp. 73-205. Reprinted with adaptations in Patrologia Latina. Ed. by Jacques-Paul Migne. Vol. 212. Paris 1855, col. 771-1082. For a description of the Froidmont manuscript, see LeOpold Delisle: La chronique d'He"linand moine de Froidmont. In: Notices et documents publics par la Socie~t£ de l'Histoire de France 40,1884, pp. 141-154. VoorbijAVoesthuis 1996 [n. 3], pp. 348-351.
The , Chronicon' of Helinand of Froidmont
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These zones are distinct, but inseparable components of the historical-critical, genetic edition, and are designed to function as a unit. They allow the user to reconstruct the text as present in the London manuscript and as present in the Vatican manuscript, as well as to analyze Helinand's use of sources. The composition process is made visible in zone II, the compilation process in zone III. The Chronicon, with its distinct textual phases, its marginalia and revisions, with its structures and networks of thousands of references to sources Helinand actually had access to and of many thousands of sources he mentioned without really using them, with its cross references to other sections of his work, and with many other features I leave undiscussed here - this work, in short, seems an excellent candidate for an electronic edition. Hypertext and hypermedia seem the obvious means to allow multiple representations of this work, to reproduce its distinct textual phases, to show or hide indirect source references, to show the consequences of changes in word order, and so on - not to mention the many possibilities for retrieval. I would like to prepare such an electronic edition of the Chronicon. Today, conforming to modern information technology, this would involve the edition to be prepared using a standard notation (markup scheme) that is independent of specific hardware and software platforms. The use of such a markup scheme, like the Standard Generalized Markup Language (SGML), guarantees durability and accessibility of the electronic text for the next decades, preventing the text from being tied to a particular piece of software. In this enterprise, I would follow the Guidelines of the Text Encoding Initiative (ΤΈΙ), which provides among others an SGML-conforming encoding scheme for editions.10 However, I am the only member of the editorial team who prefers this option of an electronic edition; all other members are in favour of a printed edition. This being the case, I have no choice but to follow the majority. The team rejected the electronic edition for several reasons. First of all, such an edition would involve a rethinking of the entire edition project, and probably a redoing of the work already accomplished. Around 1986, when the first outline of the project was sketched, the execution of an electronic edition was not yet such an appealing option as it is today. In fact, the printed edition was the only option that could reasonably be considered. Since then, the team spent much time and energy to reflect on the intellectual requirements of that printed edition and the requirements for its actual use. Afterwards, when discussing the feasibility of an electronic edition, the team felt uncertain about which textual features to represent in an electronic edition 10
Guidelines for Electronic Text Encoding and Interchange. Ed. by C. M. Sperberg-McQueen and Lou Burnard (ΤΕΙ Ρ3, Text Encoding Inititative). Chicago, Oxford, 1994, especially chapters 18 'Transcription of Primary Sources' and 19 'Critical Apparatus'. See also C. M. Sperberg-McQueen: Textual Criticism and the Text Encoding Initiative. Paper read at the 'Conference of the Modern Language Association', San Diego 1994 (available on the Internet: http://www-tei.uic.edu/orgs/tei/misc/mla94.html).
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Hans Voorbij
and how. The edition of the Chronicon, as it is progressing, is not a static, but rather a dynamic one. The Chronicon itself is not a work of just one single nature. Its compilatory character and the existence of two textual phases complicate the representation of its structure and content. New textual features deserving to be identified as constituent elements within the entire structure, and thus requiring their own encoding, may be discovered as the editorial work progresses and our understanding of the Chronicon advances. The team feared that such discoveries might force us to re-encode parts that were already dealed with, implying a considerable loss of time, or that the encoding already applied might obstruct us when new ideas about textual phenomena ask for expression. Time was also a factor which frustrated the preparation of an electronic edition. The planning of the project does not allow us a restart. Part of our activities is executed in the context of a four-years post-doctoral research project - time is running out, and the first volume scheduled to be ready by the end of 1998. Faced with such time limits, even when a satisfactory choice of SGML software tools is available, nobody is willing to invest time in learning about SGML and TEI or to be trained in the practice of encoding. The latter point may seem trivial, but it is not. The encoder of a text should be aware of the decisions underlying the encoding scheme that will be applied on that particular text. The encoder should also very well understand which encoding matches a specific textual feature, and be keen to consistently implement the same encoding throughout the text. In the case of team work, these requirements are perhaps even more important: the results of each team member should meet the standards of the whole group, each part reflecting the basic encoding principles applied to the entire edition. Switching to an electronic edition would delay the execution of the edition considerably. It would demand frequent discussions, on decision making, settlement of procedures, basic instruction, and so on. However, the members of the Chronicon edition project are working in three different places, and can only meet at intervals. We use e-mail and other communication means, of course. We experienced, however, that these means of communication meet with limitations when it comes to a detailed explanation of procedures and basic skills. Face-to-face instruction of team members has proved to be the most effective, but cannot be organized on a regular basis. All these points taken in consideration, the electronic edition inevitably became an unfeasible option. There is another important external factor playing a role in the decision making process, which is in favour of the printed edition. We want our edition to be published. We do not have the facilities to publish this voluminous edition, which would involve investments for the production, advertising, handling and selling. In other words, we need a publishing house to take care for that part of the edition project. This implies, of course, that the editors have to adhere to a set of guidelines imposed on them by the publisher. The edition of Helinand's Chronicon will be published by Brepols Publishers (Turnhout), in the series Corpus Christianorum, Continuatio Mediaeualis. The work will be published as a multi-volume paper edition, but there will be a few electronic by-
The , Chronicon' ofHelinand of Froidmont
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products as well. The publisher demands that an electronic version of the critical text, stripped from all its apparatuses, will be handed over to the CETEDOC at Louvain-laNeuve, who will then issue it electronically, on the CD-ROM of the CETEDOC Library of Christian Latin Texts. To the best of my knowledge, this is a self-contained sort of electronic edition, coming with its own particular software tools for consulting the text. Other products in this context are word indices and further computer generated lexicographical material, issued on the Cetedoc Index of Latin Forms (CILF), and on microfiche, in the Brepols series Instrumenta Lexicographica Latina.u This publication process does not testify to the use of encoding schemes applied by the editors. Since the editorial team did not receive indications that that pan of the intellectual work required for an electronic edition - and I would like to stress that good encoding requires a lot of thinking - was going to be used in the ultimate publishing, the option of an electronic edition, which would involve a reorganization of the whole project, was definitively rejected. This rejection does not imply, however, that we do not employ information technology in our editorial work. Apart from word processors, we use other software tools for personal computers, three of which I will mention here. The first one is the old-fashioned, but still very useful Oxford Concordance Program (OCP).12 The multitude of word indices and concordances which OCP has generated for us, allowed us to come to grips with such matter as the orthography of Helinand's work, the interpretation of abbreviations,13 spelling of names, questions about joining words or, the opposite, separating words, and questions about the functions of the marginal notes of the Chronicon, crucial to the understanding of the genesis of Helinand's work. Thus we are able to obtain a high degree of consistency of our critical text, based on qualitative and quantitative arguments. The second software tool I would like to mention, is Celeste, a collation program for prose texts running on PC's, designed at our Faculty.14 It is an excellent, but not very user friendly assistant in recording differences between two versions of a text. The third electronic assistant to be discussed here, is a system for typesetting editions. Word processing software for personal computers usually is not the solution when it comes to the production of an edition with apparatuses. Most word processing tools offer some facilities for several series of footnotes, from which apparatuses can be constructed. Usually these programs can compute line numbers in the margins of texts. But these facilities usually do not compute line numbers in front of the lemmata in the apparatuses; these numbers will have to be entered manually. Revisions of the text - a normal procedure in the process of preparing an edition - can lead to the alteration of all line numbers following these revisions in the apparatuses. Since these changes are not 1
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I hope that, in near future, the Instrumenta Lexicographica Latina will be published on CD-ROM. Usually we use Micro-OCP, the PC implementation of OCP, released by Oxford University Press in 1988. It appeared that several abbreviations were interpreted differently by individual team members. Bart Jongejan and Hans Voorbij: Celeste. Grafisch tekstvergelijkingsprogramma voor MS-DOS computers. [Utrecht, Vakgroep Computer en Letteren, 1988].
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Hans Voorbij
automatically expressed in the footnotes, they must be changed manually, a procedure which is time consuming as well as subject to errors. Thus, the appearance of wrong line numbers in the apparatuses seems almost inevitable. For the printed publication of the Chronicon, the editorial team, following the guidelines of the publisher, was facing a publication procedure which promised to lead to errors. The final critical text was to be typeset by a compositor first. Next, the final text of the eight apparatuses was to be typeset, the references to line numbers of the critical text to be inserted on proofs manually, by the editors. Finally, the typeset text and apparatuses were to be merged and printed. Such a procedure, again, is bound to cause errors. Apart from this, it has another great disadvantage. During the editorial process, the editors should have a firm grip on the consequences of their decisions for the text and the apparatuses as a whole. These need to be visible instantaneously, on a screen or on a printer. In the case of the publication procedure under discussion, it is only after the final text and apparatuses have been typeset, that the editor can do these examinations. At that point, it is often too late to make any revisions. To bypass the obstacles raised by both word processing software and the publication procedure described above, the editorial team decided to use Bernt Karasch's Critical Edition Typesetter (GET).15 This system for typesetting critical editions offers editors a series of special facilities, such as management of up to nine independent footnote and/or endnote series, computation of line numbers in the margin and line numbers in front of the lemmata in the apparatuses, replacement of symbolic references with the correct page and line numbers, abbreviation of lemmata in the apparatuses, and previews on the screen or printouts of the results. The editor can immediately examine the consequences of his decisions, and can continue to revise his material to meet his professional standards. The example in figure 1 has been produced with GET. Moreover, GET provides the editor with a number of standard PostScript fonts and generates a PostScript file of the edition, which can then be fed into a PostScript typesetter in the printing office without further intervention by a compositor. In the case of the Chronicon edition, the publisher wellcomed this option and supported us to follow the publication procedure we preferred. By way of conclusion, one remark should be made here. The choice of GET does not imply that the edition of Helinand's Chronicon is entirely built around this typesetting system. The kernel of GET is the program TeX; it uses a TeX version that has been ported to the architecture of PC's. The input files must be encoded according to the TeX syntax; that notation is thus being added to the material prepared so far. The notation is applied easily, albeit that in the case of the Chronicon, through the number of appara15
Critical Edition Typesetter. A system for typesetting critical editions on PCs, developed by Bernt Karasch, University of Bochum, Germany (information available at the web-address: http://s.top.ruhr-uni-bochum. de/bemt/cetinfo.htm). We do not employ the Classical Text Editor developed by Stefan Hagel and others, for the Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum at the Austrian Academy of Sciences, since it seems too much tied to the Windows environment: (see: http://www.oeaw.ac.at/~kvk/cte/cte_e~l.htm).
The , Chronicon' ofHelinand of Froidmont
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tuses used, the result sometimes looks rather complex. These input files, however, constitute just one version of the material prepared so far. The editorial team is archiving and updating other versions of that material (separate files of the text and the apparatuses), using a very simple encoding scheme. It is used for collation and concording purposes. I hope that one day this material will be the starting point for a hypertext edition of the Chronicon.
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12 CHRONICON III
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SO
parilitate sed accedit quadam similitudine. * Filius autem ymago rest, sed1 non ad ymaginem quia cqualis patri. Anima autem in hoc facta est similis deo quia immortalis et indissolubilis. Imago igitur pertinere uidetur ad formam, similitude ad naturam. Vel ymago secundum rationem, similitude) secundum dilectionem. * Ilia secundum cognitionem ueritatis, ista secundum amorem uirtutis. Vel ymago secundum scientiam. similitudo secundum substantiam. Imago quia omnia in ipsa secundum sapientiam, similitudo quia una et simplex ipsa secundum essentiam. Imago enim pertinet ad figuram, similitudo ad naturam. * Beda tarnen dicit quod secundum corpus dici potest factus ad similitudinem dei quia corpus erectam {habet staturam} in celum que anime rational) congruit. Idem dicit quod non corporeis instruments credendus est deus uel formasse corpus hominis uel insufflasse ei spiraculum uite, sed formauit corpus eius de limo terre iubendo uolendo idest uoluit et uerbo suo iussit ut ita fieret. * Flare est datum facere, datum autem facere est animam facere iuxta illud Isaye: Omnemflatum ego fed. * Est ergo sensus: lnsufflau.it in faciem eius spiraculum uite, idest substantiam anime in qua uiueret, non de materia aliqua corporali uel spirituali, sed de nichilo creauit.
App.red.
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34 est sed ] etsi L
App.script. 34 * in marg.: Augustinus in libro De Quantitate Anime] om. L 38 · in marg.: Hugo et Origenes] om. L 40 Imago quia ] imago quia L cum par. nova 41 essentiam substantiam L sed corr. in textu 42 * in marg.: Beds] om. L 46 formauit tin. not. L de limo terre /in. not. L idest L fol. 24" 47 * in marg.: Augustinus] om. L 48 · in marg.: Beda] om. L 48/49 Insufflauit - uite /in. not. V L App.var.lect.
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42 factus ] fons L 43 dei ] om. V
Bibl. 46 Gen. 2,7
48 Is. 57,16
habet staturam ] staturam habet L
48/49 Gen. 2,7; cf. Sap. 15,11
Font.propin. 34 Augustinus - Anime] in textu Lombardi 35/37 Anima - naturam] Lombardus 2 Sent. 16,3,5 (Brady. 408,19-21) 37/41 ymago - essentiam] Hugo de S. Viet. De Sacr. 1,6,2 (PL 176.264D) 41/42 Imago - natuiam] Lombardus 2 Sent. 16.3,5 (Brady. 408.20-21) 42 Beda] in marg. Lombardi 42/44 Beda - congruit] cf. Lombardus 2 Sent. 16,4,2 (Brady, 409,26-28) 44/47 Idem - fieret] cf. Lombardus 2 Sent. 17,1,3 (Brady, 410,15-411,2) 47 Augustinus] Responsio Augustini in marg. Lombardi 47/48 Flare - feci] Lombardus 2 Sent. 17.1.5 (Brady, 411,12-13) 48 Beda] in marg. Lombardi 48/50 Est - creauit] Lombardus 2 Sent. 17,1.3 (Brady, 410,18-411.2) Font.rem. 35/36 Anima-indissolubilis] Aug.d*guan.an.2,3,(PL32.1037) 47/48 Flare -feci] Aug.degen. ad lit. 7,1,2 (PL 34,356f;CSEL 28-UOlf) 48/50 Insufflauit - creauit ] Beda In gen. 2.7 (PL 91.42C-D; CCSL 118A,44f) App. ad alios
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Comm.abbr. 47/48 Flare-feci] cf. Brady. 411, nota editoris.
Fig. 1: A page from the Chnmicon edition (first draft)
Martin J. Schubert Third Maker under Jove Edition als Produktion am Beispiel Gustav Roethes
Von den Anfängen altgermanistischer Editionspraxis bis zur heutigen Zeit haben sich die Anforderungen und Erwartungen an Editionen sehr verändert. Besonders die verstärkte Betonung der Textgeschichte, der Variabilität und Mutabilität der Texte haben zu einer veränderten Einstellung zur Konjekturalkritik und zur Erschließbarkeit eines .originalen' Textes geführt,1 was zur Überarbeitung und Revision zahlreicher Editionen der Frühzeit Anlaß gab.2 Durch den historischen Abstand wurde dabei erkennbar, wie Editionstätigkeit an ihre Epoche gebunden ist und wie manche zunächst für selbstverständlich genommenen Voraussetzungen mit der Zeit relativiert werden - so die in Ausgaben des 19. Jahrhunderts vorzufindenden, durch die Geniezeit geprägten Vorstellungen von der künstlerischen Werkeinheit und vom Dichterindividuum.3 Die folgenden Anmerkungen zu Gustav Roethes Edition der Gedichte Reinmars von Zweier (1887)4 verstehen sich nicht als Aufruf zur Revision dieser herausragenden Ausgabe, sondern als Versuch, die Arbeitsweise eines bedeutenden Forschers offenzulegen. Im Vergleich der Anforderungen, die damals und heute an solche Editionen 1
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Siehe zum Überblick: Altgermanistische Editionswissenschaft. Hrsg. von Thomas Bein. Frankfurt a. M. u. a. 1995 (Dokumentation Germanistischer Forschung. Bd. 1); vgl. Methoden und Probleme der Edition mittelalterlicher deutscher Texte. Bamberger Fachtagung 26.-29. Juni 1991, Plenumsreferate. Hrsg. von Rolf Bergmann und Kurt Gärtner, Tübingen 1993 (Beihefte zu editio. Bd. 4); Editionsberichte zur mittelalterlichen deutschen Literatur. Beiträge der Bamberger Tagung [...]. Hrsg. von Anton Schwob. Göppingen 1994 (Litterae. Bd. 117) sowie zur Auseinandersetzung mit der ,New Philology' Karl Stackmann: Neue Philologie? In: Modernes Mittelalter. Neue Bildereiner populären Epoche. Hrsg. von Joachim Heinzle. Frankfurt a. M., Leipzig 1994, S. 398-427 sowie den Themenband zur .New Philology' Zeitschrift für deutsche Philologie 116, 1997, Sonderheft: Philologie als Textwissenschaft. Alte und neue Horizonte. Hrsg. von Helmut Tervooren und Horst Wenzel. Vgl. Christoph Cormeau: Überlegungen zur Revision von Lachmanns Walther-Ausgabe. In: Methoden und Probleme der Edition mittelalterlicher deutscher Texte 1993 [Anm. 1], S. 32-39, bes. S. 32 (zu Carl von Kraus); Ders.: Das höfische Lied - Text zwischen Genese, Gebrauch und Überlieferung. Am Beispiel von Walther von der Vogelweide L. 63,32. In: Die Genese literarischer Texte. Modelle und Analysen. Hrsg. von Axel Gellhaus u. a. Würzburg 1994, S. 25-42; Günther Schweikle: Prämissen der Textkritik und Editionsmethode der Lachmann-Schule überprüft an der Lyrik Oswalds von Wolkenstein. In: Methoden und Probleme der Edition mittelalterlicher deutscher Texte 1993 [Anm. 1], S. 120-136. Zur Wissenschaftshistorie s. Ulrich Hunger: Die altdeutsche Literatur und das Verlangen nach Wissenschaft: Schöpfungsakt und Fortschrittsglaube in der Frühgermanistik. In: Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im 19. Jahrhundert. Hrsg. von Jürgen Fohrmann und Wilhelm Voßkamp. Stuttgart, Weimar 1994, S. 236-263, bes. S. 259f. Vgl. Jens Haustein: Marner-Studien. Tübingen 1995 (MTU. Bd. 109), S. 1. Die Gedichte Reinmars von Zweier. Hrsg. von Gustav Roethe. Leipzig 1887. Nachdruck Amsterdam 1967.
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gestellt wurden, wird sich zeigen, inwiefern die Ausgabe für heutige Fragestellungen benutzbar ist. Es werden auch Editionsentscheidungen aufgezeigt, die heute so nicht rrtehr nachvollzogen würden; den nicht nur historischen Wert der Ausgabe dürfte dies nicht schmälern. Roethes Ausgabe ist bis heute unersetzt und für alle weiterführenden Untersuchungen als maßgeblich übernommen. Diese Wirkung verdankt sie nicht nur ihrer hohen Präzision, sondern auch der in vielen Einzelheiten vorausweisenden Methode. Die Grundlagen seines editorischen Vorgehens hat Roethe in der Ausgabe nicht offengelegt;5 sie mußten aus dem Rückvergleich mit dem Apparat, den ihm zugänglichen Handschriften und den Bemerkungen im Kommentar erschlossen werden. Roethes vom ersten Satz des Vorworts an bekräftigte Absicht, die Gedichte „in möglichst reiner Gestalt" darzubieten,6 läßt vermuten, daß er in Verfolgung der durch Grimm, Benecke und Lachmann vorgegebenen Zielsetzung7 versucht habe, nach Möglichkeit einen archetypischen Urtext herzustellen. Die genaue Durchsicht wird zeigen, daß dies nicht der Fall ist. Die Untersuchung, wie Roethe die minimalen Entscheidungsfreiheiten eines Editors gezielt nutzt, soll im folgenden dienen, mögliche Motivationen dieser Entscheidungen aufzudecken. Wesentliche Quelle für dieses Vorhaben ist Roethes Kommentar, in welchem die Analysen einen festen Verbund bilden mit Wertungen, „die in ihrem Geist und ihrer Ästhetik der Gründerzeit verpflichtet waren".8 Ganz in der Nachfolge der Genieästhetik gilt bei Roethe das Gedicht als individuell geprägte Äußerung, deren literarischer Stellenwert sich nach der Intensität dieser Äußerung bemißt. Im Zusammenhang mit dieser Ästhetik steht Shaftesburys Diktum, der Dichter sei ein „second maker under Jove";9 wenn der Titel dieses Beitrags den Herausgeber provokativ in diese Reihe stellt und ihm die Rolle des dritten Schöpfers zuweist, dann geschieht dies, um die schöpferische Seite der Editionstätigkeit zu betonen, die Roethe im gezielten Auswählen des Vorhandenen zu nutzen weiß, so daß die Rekonstruktion des Kunstwerks eine produktive, nachgerade künstlerische Seite bekommt. Hervorzuheben an Roethes Arbeitsweise ist die intensive Auseinandersetzung mit den Umgestaltungsprozessen lyrischer Texte. Bei einer divergierenden frühen Doppel-
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Die .Vorbemerkungen zum Text', Roethe 1887 [Anm. 4], S. 392-396 erläutern orthographische und grammatische Eingriffe, nicht aber die Methodik der Textrekonstruktion. Roethe 1887 [Anm. 4], S. V. Siehe Magdalene Lutz-Hensel: Prinzipien der ersten textkritischen Editionen mittelhochdeutscher Dichtung. Brüder Grimm - Benecke - Lachmann. Berlin 1975, S. 210f. Vgl. femer Sebastiane Timpanaro: Die Entstehung der Lachmannschen Methode. Autorisierte Übertragung aus dem Italienischen von Dieter Inner. 2. erweiterte und überarbeitete Ausgabe. Hamburg 1971; Harald Weigel: „Nur was du nie gesehn wird ewig dauern". Carl Lachmann und die Entstehung der wissenschaftlichen Edition. Hamburg 1988. Helmut Tervooren: Sangspruchdichtung. Stuttgart, Weimar 1995 (Sammlung Metzler. Bd. 293), S. 3. Oskar F. Walzel: Shaftesbury und das deutsche Geistesleben des 18. Jahrhunderts. In: GermanischRomanische Monatsschrift l, 1909, S. 416-437; Ders.: Das Prometheussymbol von Shaftesbury zu Goethe. Leipzig, Berlin 1910 u. ö., S. 7f.; vgl. die Betonung der aufklärerischen Komponente bei Lothar Jordan: Shaftesbury und die deutsche Literatur und Ästhetik des 18. Jahrhunderts. Ein Prolegomenon zur Linie Gottsched-Wieland. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift N. F. 44, 1994, S. 410-424.
Third Maker under Jove
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Überlieferung druckt er beide Versionen vergleichend ab;10 die Texteingriffe der Meistersinger faßt er in eine typisierende Liste.11 Angesichts des erklärten Bemühens um einen .reinen' Text ist naheliegend, daß die Erkenntnisse über Umformungsvorgänge vor allem dem rekonstruierenden Rückbau ursprünglicherer Textformen dienen.12 Aus Roethes Verfahren ist auch eine grundlegende Scheidung der beiden Überlieferungsstränge erkennbar, welche die Reinmar-Überlieferung kennzeichnen: der größte Teil entspricht der übrigen Lyriküberlieferung mit Streuformen, punktuellen Sammeltätigkeiten mit verschiedensten Strophengruppierungen und Variantenbildungen; dem gegenüber steht die mutmaßliche Autorsammlung in der Heidelberger Handschrift D (cpg 350), zu der vier Fragmente und Auszüge treten, welche die Strophen in gleicher Reihenfolge enthielten.13 Da die über 150 Strophen umfassende Sammlung im Textumfang einem kleineren Epos entspricht, ist ihre gezielte Vervielfältigung ein Vorgang, der sich deutlicher auf rein schriftliche Weitergabe festlegen läßt als die anderen Formen der Lyriküberlieferung. Hier läßt sich am ehesten der Versuch rechtfertigen, stemmatische Verhältnisse aufzuzeigen; Roethe beschränkt seine Angaben zu genealogischen Zusammenhängen weitgehend auf diese Gruppe. Der Wert der anderen Handschriften für die Textherstellung bemißt sich bei Roethe nach einem noch darzulegenden Qualitätsmaßstab. Die Handschriften sieht Roethe nahezu ausnahmslos als korrupt und schwer entstellt an; dies betrifft vor allem die Haupthandschrift D. Den Grad der Korruptheit bestimmt Roethe anhand von Logik und Grammatik, vor allem aber anhand der Form. Der Unterschied wird an der Häufigkeit der verbessernden Eingriffe deutlich: Die Überprüfung der Edition zeigt,14 daß Roethe knapp 60 sinnverbessernde Konjekturen vornimmt (von denen nur etwa jede fünfte durch Kursivierung markiert wird); zu diesen Konjekturen kommen über 40 handschriftlich nicht belegte Formen, die aus älteren Ausgaben übernommen werden. Weit größer ist die Zahl metrisch begründeter Eingriffe, da Roethe ein streng alternierendes Idealschema anstrebt, das er zuvor aus den Zeugnissen extrahiert hat.15 Gegen alle Handschriften werden knapp 100 Silben eingefügt und etwa 350 Silben gekürzt (gelegentlich mit kühner Neubildung wie dazs für daz si oder nustz für nu ist ez).16
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Spruch Nr. 193, Roethe 1887 [Anm. 4], S. 506f. Roethe 1887 [Anm. 4], S. 157-159. Vgl. Roethe 1887 [Anm. 4], S. 154 zu der nur spät überlieferten, aber für alt erachteten Strophe Nr. 242 sowie die Textrekonstruktion dort, S. 529f. B[urghart] Wachinger: [Art.] Heidelberger Liederhandschrift cpg 350. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2., völlig neu bearb. Aufl. Unter Mitarbeit zahlreicher Fachgelehrter hrsg. von Wolfgang Ruh. Berlin 1977ff., Bd. 3, Sp. 597-606; zu den Fragmenten und Auszügen vgl. unten. Die folgenden Zahlen beziehen sich auf die Überprüfung der Ehrentonspru'che, welche den Löwenanteil des Texts ausmachen. Genaue Stellenangaben biete ich demnächst im entsprechenden Kapitel meiner Habilitationsschrift. Vgl. das Schema bei Roethe 1887 [Anm. 4], S. 172. Spruch Nr. 54,7; 113,6.
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Martin J. Schubert
Solche metrische Eingriffe finden sich vor allem in unikal überlieferten Strophen; in mehrfach bezeugten Strophen sind sie seltener, obwohl die einzelnen Handschriften das metrische Idealschema nicht besser erfüllen. Der Grund liegt in der bei Mehrfachüberlieferung gebotenen Verfügungsmasse an Lesarten, die in freier Kombination zum strengen Schema führen können: R. 52,2: [52,1: „Maneger waenet vrouwen leben"] C: „der in lop mit fuoge halben weg niht kan geben," D: „der ir wirde nicht kiunde halbez lop zu rehte geben," m: „dem vrowen rad nicht halben weck tzo rechte kan ghe gheben," Roethe: „der in lop niht künde halben wec ze rehte geben."
Unter Bevorzugung der beiden älteren Handschriften kombiniert Roethe vier Bruchstücke zu einem Vers, der streng alterniert und eine deutliche Cäsur an der erwarteten Stelle trägt. Roethes Vers gibt den Inhalt treffend wieder, der in den handschriftlichen Versionen anklingt. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß in diesem Fall die Summe der Teile mehr ist als die ganze Überlieferung: es ist ein neuer Vers entstanden. Die strikte metrische Idealvorstellung, die heute so nicht mehr verfolgt wird,17 hat also prägend auf den Text gewirkt. Die Eingriffe im Textbeispiel mögen geringfügig scheinen, aber die weiterführenden Auswirkungen des Ideals sind nicht zu unterschätzen: es dient Roethe zur Einschätzung der Qualität der Einzelhandschriften sowie als Argument in der Echtheitsdiskussion. Der Vergleich der Handschriften zeigt, daß Roethe häufig Einzellesarten folgt, wenn diese besser alternieren, was mehrfach bei Einzellesarten in C gilt. Als Echtheitsargument nutzt Roethe die Cäsur im 12. Vers des Ehrentons. Beim Kurfürstenspruch, Nr. 240, liegt diese Cäsur vor; Roethe stellt fest, daß dieser trotz später unikaler Überlieferung zu Reinmars Werken gehören könne. Die umfangreiche Forschungsdiskussion, die bis heute versucht, den Spruch in Reinmars Lebenszeit einzupassen,18 zeigt, wie sehr die Konstitution des Korpus und die Deutung der Einzelsprüche von dem formalen Argument einer solchen Zuweisung abhängen.19 17
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Vgl. Joachim Heinzle: Klassiker-Edition heute. In: Methoden und Probleme der Edition mittelalterlicher deutscher Texte 1993 [Anm. 1], S. 50-62, hier S. 55 über die ,,metrische[...] Frisierkunst älterer Herausgeber". Vgl. Volker Schupp: Der Kurfürstenspruch Reinmars von Zweier (Roethe, Nr. 240). In: Zeitschrift für deutsche Philologie 93, 1974, S. 68-74; Ruth Schmidt-Wiegand: Kiesen und wein in der mittelhochdeutschen „Spruchdichtung". In: Studien zur deutschen Literatur und Sprache des Mittelalters. Festschrift für Hugo Moser zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Werner Besen u. a. Berlin 1974, S. 358-369, hier S. 366f.; Alison E. Cooke: The political songs of Reinmar von Zweier. A re-examination of their content and chronology in light of recent scholarschip. London 1974, S. 138-145; Hans-Joachim Behr: Literatur als Machtlegitimalion. Sludien zur Funklion der deulschsprachigen Dichiung am böhmischen Königshof im 13. Jahrhundert. München 1989 (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur. Bd. 9), S. 72f.; Heinz Thomas: König Wenzel L, Reinmar von Zweier und der Ursprung des Kurfürstentums im Jahre 1239. In: Aus Archiven und Bibliotheken. Festschrift für Raymund Kottje zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Hubert Mordek. Frankfurt a. M. u. a. 1992 (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte. Bd. 3), S. 347-372. Eine genauere Untersuchung dieser Zuweisung folgt an anderem Ort.
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Zu den für Roethe zeitgenössischen Prämissen einer Edition gehört nicht allein die als Wiederherstellung verstandene Durchsetzung eines strengen metrischen Schemas, sondern auch die Durchsetzung der als „unwandelbares Hochdeutsch"20 gedachten Dichtersprache. Roethe erkennt hinter der Überlieferung die Prägung durch die „mhd. Hof- und Schriftsprache"21 und bereinigt mitteldeutsche Formen, um die Texte des Dichters „in seiner Sprache"22 mitzuteilen. Dieses scheinbar mechanische Vorgehen aber hat Konsequenzen, die fragen lassen, inwieweit eine gegenseitige Beeinflussung von Kommentar und Editionstext anzunehmen ist. Im Kommentar wird im Zusammenhang mit der Annahme, der Dichter sei ungebildet gewesen, angeführt, daß „lateinische Flexionsformen [...] nie im Reim erscheinen".23 Die Häufigkeit, mit der sie an anderen Stellen auftauchen, wäre also lateinkundigen Schreibern zuzuschreiben. Dem Argument zuwider läuft folgendes Beispiel:24 Nr. 279,lf. nach D (einzige Handschrift): „(n)Eronis volger vnd (h)erodis. di sint des immer wernden todis."
Der korrekt gebildete lateinische Genitiv steht hier im Reim auf todis, das durch / in unbetonter Tonsilbe als mitteldeutsche Form erkennbar ist. Im Bestreben nach oberdeutscher Vereinheitlichung wird in der Ausgabe nicht nur die Form todis verändert: Nr. 279,1 f. nach Roethe: „Nerones volger unt Herödes die sint des immerwernden tödes"
Die lateinischen Flexionsformen wurden wie mitteldeutsche Mundartformen behandelt und sind dadurch ungrammatisch geworden. Die Nebeneinanderstellung zeigt, daß zumindest für diesen Spruch eine Entstehung in „mhd. Hof- und Schriftsprache" unwahrscheinlich ist, denn grammatische Korrektheit ist nur im Zusammenspiel mit mitteldeutschen Formen erreichbar. Daß in der Edition dieser Umstand in den Apparat verdrängt wird, ist eine Editionsentscheidung, die sich allzu gut zu der im Kommentar ver-
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Karl Lachmann: Auswahl aus den hochdeutschen Dichtem des dreizehnten Jahrhunderts. Berlin 1820, S. VIII. Roethe 1887 [Anm. 4], S. 12. Roethe 1887 [Anm. 4], S. 392. Roethe 1887 [Anm. 4], S. 193. Vgl. dort, S. 288 und 121: „Latein verstand er gewiss nicht". In der Ausgabe sind entsprechend lateinische Formen rückübersetzt: so wird „leo" zu „lewe" geändert (Spruch Nr. 8,5+9 sowie 9,8). Die Ausgabe fuhrt diesen Spruch unter „Sprüche von zweifelhafter Gewähr" (dort S. 524, vgl. dort S. VIII); S. 123 zählt Roethe den ohne Namensbeischrift überlieferten Spruch aber zu Reinmars Werken. Durch die Namensbeischrift in der Losse-Handschrift wurde diese Annahme mittlerweile bekräftigt: Kassel. Gesamthochschulbibliothek, 2° Ms. iurid. 25, fol. 263V; siehe Edmund E. Stengel, Friedrich Vogt: Zwölf mittelhochdeutsche Minnelieder und Reimreden. Aus den Sammlungen des Rudolf Losse von Eisenach. Köln, Graz 1956. Zugleich in: Archiv für Kulturgeschichte 38, 1956 [Reprint 1971], S. 174217, hier S. 190f.
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Martin J. Schubert
tretenen Argumentation fügt. Lateinische Flexionen erscheinen nicht im Reim, weil der Herausgeber sie selbst getilgt hat. Nach dieser Feststellung werden auch andere Eingriffe des Herausgebers mit Vorsicht zu betrachten sein; es sollte stets gefragt werden, ob sie durch Intentionen des Kommentators begründet sein könnten. Besondere Aufmerksamkeit verlangen in diesem Zusammenhang Roethes Eingriffe in die Strophen Nr. 62, 130 und 194. Hier werden Sachverhalte pointiert (130, 194) oder Stellen bereinigt, die im Widerspruch zu anderen Strophen stehen (Nr. 62). Den auffällig komplizierten Spruch Nr. 62 über die .gerechte' Verteilung des Besitzes, der in der handschriftlichen Fassung nur als ironischer Gegenentwurf deutbar ist, hat Roethe gegen die übereinstimmende Lesart der drei Handschriften inhaltlich umgepolt.25 Roethe sah sich dazu veranlaßt, um das Gedicht einem konventionellen Spruch über Besitzverteilung, Nr. 163, anzupassen. Nach dieser mutmaßlichen Korrektur eines verbreiteten Überlieferungsfehlers haben beide Sprüche die gleiche Aussage, welche nur sprachlich etwas anders gefaßt wird. Polyvalenzen des Korpus entfallen so; Roethe setzt seine Vorstellung eines widerspruchsfreien Korpus durch. Hier springt ins Auge, daß ausgerechnet die hergestellte Entsprechung zwischen Nr. 62 und 163 im Kommentar Beweisfunktion übernehmen muß, wenn es darum geht, das Ende der Sammlung X festzustellen: „Str. 163 jedenfalls gehört nicht mehr zur Sammlung: sie steht inhaltlich Str. 62 so überaus nahe, dass sie notwendig neben ihr stehen müsste, wenn der Ordner sie mit zur Hand hatte."26 Dies gilt uneingeschränkt für Roethes Fassung der beiden Strophen; stellt man allerdings die handschriftlichen Versionen nebeneinander, dann prallt der Gegensatz von konventioneller und ironischer Behandlung der Thematik hart aufeinander. Auch bei den erwähnten Strophen 130 und 194, die im einzelnen wichtige Argumente für die Datierungsdiskussion und für das Verhältnis Reinmars zu Walther liefern,27 ist festzustellen, daß der Editionstext - durch Betonung einzelner Aspekte oder durch Unterdrücken anderer - besser zur Argumentation des Kommentars paßt als der Handschriftentext. Gemessen an der Textmenge der Edition ist die Zahl solcher Eingriffe, hinter denen sich eine Motivation vermuten läßt, gering. Bisher bleibt offen, ob im gezielten Kombinieren von Lesarten, in der Bevorzugung des Passenden und im Nutzen kleiner Entscheidungsräume bereits eine schöpferische Leistung des Herausgebers zu sehen sei oder ob die Eingriffe vor allem auf das Bemühen um Vereindeutigung zurückzuführen sind. Der Vorwurf, daß Roethe durch Anordnung und Deutung Neues hinzufügt, welches die Evidenz des Überlieferten weit überschreitet, wurde bisher nur im Zusammenhang mit seiner Konstruktion von Reinmars Lebenslauf erhoben;28 hier erstellte Roethe 25
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Siehe den vergleichenden Abdruck bei Martin J. Schubert: Parody in Thirteenth-Century German Poetry. In: Parody: Dimensions and Perspectives. Hrsg. von Beate Müller. Amsterdam, Atlanta 1997, S. 237-273, hier S. 243-245. Roethe 1887 [Anm. 4], S. 104. Vgl. zu Nr. 130 Roethe 1887 [Anm. 4], S. 39,43; zu Nr. 194: dort S. 22. Siehe besonders Ulrich Müller: Untersuchungen zur politischen Lyrik des deutschen Mittelalters. Göppingen 1974, S. 59-76, bes. S. 75f.
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auf Grundlage der politischen Sprüche „einen regelrechten Lebensroman".29 Im Vergleich mit dem Konstrukt Biographie ist das Konstrukt Editionstext weit weniger an Hypothesen gebunden und folgt der Überlieferung, wie gezeigt, relativ eng. Wenn das Korpus hier in einer zuvor nicht belegten metrischen Reinheit und inneren Schlüssigkeit vorgelegt wird, dann könnte dies auch verstanden werden als gelegentlich über das Ziel hinausschießender Versuch, das vermutete ursprüngliche Dichterwort zu rekonstruieren. Die Annäherung an den Dichter wird ja häufig genug gesucht, wenn Roethe die von ihm nachvollzogenen Charakterzüge und Einstellungen des Dichters in den Argumentsgang einbezieht.30 Hier muß allerdings noch näher ausgeführt werden, daß das Ziel von Roethes Bestreben letztlich gar nicht im archetypischen Text oder im Urtext als mutmaßlichem Dichterwort zu suchen ist. Roethe verfolgt vielmehr eine bestimmte komponierte Form, für die bisher ein editionswissenschaftlicher Fachbegriff fehlt: einen Text, der bisherige Editionsziele übertrifft. Dieses nicht explizit, aber gezielt verfolgte Ideal läßt sich nur mühsam aus den Bemerkungen zu den Filiationsverhältnissen des schriftlichen Überlieferungszweigs isolieren. Dieser Zweig muß, wie erwähnt, auf eine umfangreiche ursprüngliche Verschriftlichung zurückgehen, die noch während des 13. Jahrhunderts, also bereits relativ früh, vorlag. Zu ihm gehören fünf Textzeugen, neben Handschrift D die Fragmente TUV und ein in C enthaltenes Exzerpt der Sammlung, das Roethe mit C^ bezeichnet.31 Die Verwandtschaftsverhältnisse dieser Handschriften zeichnet Roethe zwar nicht stemmatisch auf, aber aus seinen Hinweisen32 läßt sich der von ihm festgestellte Zusammenhang dieser Handschriften rekonstruieren. Roethe isoliert innerhalb der Handschrift D eine Ursammlung X, die er auf den Autor selbst zurückführt.33 Diese Überlieferungsstufe sei von anderer Hand erweitert zur Sammlung Y,34 welche die Grundlage des gesamten Überlieferungszweigs bildet. Den Archetyp des Überlieferungszweigs sieht Roethe nicht in Y: er stellt fest, daß dem Handschriftenverbund ein „höchst fehlerhafter Archetypus"35 zugrundeliegt, woraus zu schließen ist, daß von Y bis zum erschließbaren Archetypus bereits eine Zahl von Fehlern in die Überlieferung eingegangen sind. Die in D festzustellenden zahlreichen 29
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Joachim Heinzle: Wandlungen und Neuansätze im 13. Jahrhundert (1220/30-1280/90). Geschichte der deutschen Literatur von den Anfangen bis zum Beginn der Neuzeit. Bd. 11,2. 2. Aufl. Tübingen 1994, S. 24. Die Wichtigkeit der Empathie stellt Roethe 1887 [Anm. 4], S. 101 heraus, wo er die Ordnung von D einem Ordner „ohne gründliches Hineindenken in den Dichter" nicht zutraut; S. 110 rühmt er „die hohe Vollendung der Ordnung und ihre Uebereinstimmung mit dem Geiste des Dichters". Siehe zu den Handschriften: Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts. Hrsg. von Horst Brunner und Burghart Wachinger. Bd. 5. Tübingen 1991, S. 225 und die weiterführenden Hinweise in Bd. 1. Tübingen 1994. Siehe besonders Roethe 1887 [Anm. 4], S. 114-118, 141-144. Strophe D 1-159, Roethe 1887 [Anm. 4], S. 96, 107, 111. Strophe D 1-193, Roethe 1887 [Anm. 4], S. 109f. Roethe 1887 [Anm. 4], S. 115: „In C3 sind die Hss. C und D sehr nahe verwant: ein bereits höchst fehlerhafter Archetypus liegt beiden zu Grunde".
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Martin J. Schuhen
Fehler36 wären also nur zum Teil dieser Handschrift zuzuschreiben; ein gehöriger Anteil würde bereits zur vorgängigen Überlieferung gehören. Daß mit der Setzung eines fehlerhaften Archetyps, also mit der Ansetzung von Verderbnissen vor dem erschließbaren Anfang der Überlieferung der Rahmen des textkritisch Überprüfbaren verlassen wird, hat Helmut Brackert in seiner Untersuchung von Wilhelm Braunes Textkritik des Nibelungenliedes betont.37 Wie mit den erschlossenen archetypischen Fehlern in der Edition verfahren wird, dürfte einen Aufschluß geben über die Art von Text, welche der Herausgeber anstrebt. Die Bestimmung der archetypischen Fehler bezieht Roethe aus dem Vergleich der fünf Handschriften. Insgesamt sieht er enge Verwandtschaft; enger als mit D ist C3 mit TUV verwandt, unter denen wiederum T und V besonders dicht beisammen stehen.38 Im umfangreichen Reinmar-Korpus der Handschrift C versucht Roethe, neben C3 noch zwanzig andere Vorlagen zu bestimmen;39 darunter sieht er auch einzelne, nicht mehr erhaltene Spruchbücher verarbeitet, die nicht auf den .fehlerhaften Archetypus* zurückgreifen.^ Eine genauere Vorstellung vom Archetypen folgert aus dem Vergleich zwischen DTUV und C3. Bei der Bestimmung der Filiationen benutzt Roethe einen rigiden Fehlerbegriff, bei dem beispielsweise noch Abweichungen von der Alternation als Bindefehler gewertet werden können und bei dem die Bewertung der Lesarten von selbstgesetzten Qualitätsmaßstäben abhängt. Im folgenden wird nicht versucht, die aufgestellten Verhältnisse anhand neuerer, texthistorisch vielleicht adäquaterer Vorstellungen zu revidieren,41 sondern hier soll der Vergleich von Roethes Feststellungen mit seinen Editionsentscheidungen seine Vorgehensweise beleuchten. Es stellt sich heraus, daß allein mit der Scheidung von Lesarten nach Qualität und mit der Ansetzung eindeutiger Abhängigkeiten der komplexen Überlieferungskette nicht beizukommen ist. Roethe bemerkt bereits, daß die von ihm aufgrund der .Fehler' festgestellten Bezüge nicht ohne Rest aufgehen, da mehrfach »bessere1 Einzellesarten in Handschriften auftauchen, die eigentlich von einer früheren Überlieferungsschicht abhängen, welche an gleicher Stelle eine .schlechtere' Lesart hat. Grundsätzlich bieten 36
Roethe 1887 [Anm. 4], S. 118: „da kommt es peinlich zum Bewusstsein, welch trübe Quelle uns in D fliesst". 37 Siehe Helmut Brackert: Beiträge zur Handschriftenkritik des Nibelungenliedes. Berlin 1963 (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der Germanischen Völker N. F. Bd. 11), S. 8. 38 Roethe 1887 [Anm. 4], S. 142-144. 39 Roethe 1887 [Anm. 4], S. 114-118. 40 Da die Lesarten nach subjektiven Qualitätsmaßstäben geschieden werden, entsteht durch diese Spruchbilcher eine Verbindung zum Original, die dem Herausgeber ermöglicht, Einzellesarten von C zu favorisieren. Die erschlossene Verbindung zum Original ähnelt Roethes Stammbaum für die Leichüberlieferung (Roethe 1887 [Anm. 4], S. 110), wo eine der Vorlagen der Handschrift W die gleiche Funktion erfüllt; vgl. meine Kritik an diesem Stemma: Martin J. Schubert: Die Form von Reinmars Leich. In: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 41, 1995, S. 85-141, hier S. 110-115. 41 Neben dem veränderten Fehlerbegriff und der geänderten Auffassung von texthistorischen Vorgängen müßten in eine solche Revision auch die seit Roethe entdeckten Neufunde zu T einbezogen werden. Siehe Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder, Bd. l [Anm. 31], S. 109.
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sich dem Herausgeber zwei Erklärungen für einen solchen Sachverhalt an: er könnte versuchen, die ,bessere' Lesart über eine vermutete Kontamination auf eine andere Überlieferungsschicht zurückzuführen und so die Einzellesart als dem Original näher anzusehen. Roethe enthält sich einer solchen Spekulation42 und wählt die zweite mögliche Erklärung: daß es sich um Lesarten handelt, die erst im Lauf der Textgeschichte in den Text gelangt sind. Er stellt beispielsweise fest, daß eine .bessere' Lesart in C3 gegen gemeinsames DU aufgrund der Filiationsverhältnisse nicht original sein könne: hier „liegt die Möglichkeit selbständiger Verbesserung in C [...] nahe genug".43 Ebenso verfährt Roethe bei der Gegenüberstellung von CD und T. Bei Oppositionen führt er Fehler auf den Archetyp zurück; eine ,bessere' Lesart von T kann in diesem Fall nicht ursprünglich sein, da T vom Archetypus abhängt: „einem gemeinsamen Fehler von CD gegenüber [...] kann die La. von T nur den Wert einer guten Conjectur haben".44 In der Edition ist Roethe den Besserungen und Konjekturen gefolgt; er hat also die für unursprünglich erkannten Formen zunächst isoliert, dann aber - mit dem Stellenwert guter Konjekturen - in den Text übernommen. Daß darauf verzichtet wird, diese Eingriffe zu kennzeichnen, entspricht dem erwähnten Vorgehen bei der Übernahme von Konjekturen anderer Herausgeber. Der von Editoren sonst gefürchtete denkende Schreiber bringt hier wertvolle Anregungen ein. Durch das Verschachteln verschiedener Stufen der Textgeschichte wird ein Text erstellt, der die Schwierigkeiten des erschlossenen fehlerhaften Archetypus glättet - es entsteht ein möglichst .fehlerfreier' Text. Jetzt könnte eingewendet werden, daß auf dem Hintergrund der zu Roethes Zeit statthaften Konjekturalkritik nur ein gradueller Unterschied bestehe zwischen eigenem Konjizieren und der Übernahme fremder Konjekturen, die für gelungen erachtet werden. Daß dieser Unterschied aber auch für Roethe bestand, zeigt sich in den Ansätzen, seine eigenen Konjekturen zu kursivieren. Fremde Konjekturen, von Schreibern oder früheren Herausgebern, werden nirgends kursiviert, und zu ihrer Identifizierung bleibt der Benutzer auf die Durchforstung des Apparats oder die Überprüfung des Kommentars angewiesen. Die fremden Konjekturen bekommen so, als Stück der Textgeschichte, den Status von gleichberechtigten Textteilen im Oeuvre. Das Verfahren ist also nicht ein lineares Bestreben, das den Überlieferungstext von seinen Schlacken befreit und über den erschlossenen Archetyp hinaus auf einen mutmaßlichen Autortext zielt. Mit der gängigen Unterscheidung nach Autortext-, Archetyp-, Redaktions- oder Handschriften42
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Nur im Fall einer plötzlichen Verschlechterung der Lesartenqualität innerhalb von C3 geht Roethe von Kontamination aus; s. Roethe 1887 [Anm. 4], S. 116: „in Str. 27 benutzte der Schreiber der Vorlage wol eine andre Quelle als sonst oder er müsste unglaublich eigenmächtig mit dem überlieferten Text umgesprungen sein." Roethe 1887 [Anm. 4], S. 143. Es handelt sich bei den angeführten Stellen um metrische Vorteile: bessere Alternation in R. 28,10, Betonung der Cäsur in R. 80,12. Roethe 1887 [Anm. 4], S. 142. Die hier gegebenen Beispiele stammen nicht aus C3, aber aus anderen Abschnitten von C, bei denen Roethe parallelen Aufbau mit feststellt, und zwar: R. 14 - C5, R. 55 C16, R. 90 - C14. Vgl. zu diesen Abschnitten Roethe 1887 [Anm. 4], S. 116f. Die Argumentation ist nur dann schlüssig, wenn impliziert ist, daß auch diese Abschnitte auf den .fehlerhaften Archetypen' zurückgehen.
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Martin J. Schubert
editionen läßt sich Roethes Edition nicht klassifizieren. Das, was hier als Autortext präsentiert wird, ist ein großer Querschnitt durch die erwähnten Typen. Die Rolle des Herausgebers beschränkt sich darauf, im vielstimmigen Chor der Textgeschichte die entsprechenden Stimmen hervorzuheben und dadurch eine neue Einheit zu schaffen. Heutzutage dürfte anerkannt werden, daß es sich bei dieser Tätigkeit ebenfalls um einen kreativen Vorgang handelt; schließlich werden in bildender Kunst, Literatur und Musik vielfältigste Formen des Pastiche und der Collage schon seit längerem urheberrechtlich geschützt.45 Die Feststellung der kreativen Züge in Roethes Arbeit soll nicht als Ruf nach einer neuen Edition verstanden werden; es gibt gerade im Bereich der Sangspruchdichtung noch viele Bereiche, die dringender der Aufmerksamkeit bedürfen.46 Dieser Beitrag soll nur Hinweise darauf geben, worauf im heutigen Umgang mit dieser Edition zu achten ist. Offensichtlich ist, daß nach heutigem Verständnis die Grenzen der Textkritik in der vorliegenden Edition gesprengt sind, denn das ihr Erreichbare, der Archetypus, wird als unzufriedenstellend abgelehnt. Beim Editionstext, auf dem Kommentar, Dichterbiographie und ein guter Teil der heutigen Vorstellung von .Reinmar von Zweier' fußen, handelt es sich nicht um die nächstmögliche Annäherung an den Autor, sondern um ein Gemeinschaftsprojekt aus einer 600jährigen Überlieferungsgeschichte. Das Ergebnis, jene in Roethes Vorwort berufene „möglichst reine Gestalt", ist ein Text besser als D, besser als der Archetypus, besser als X und - wenn man in dieser Terminologie bleibt folglich auch besser als Reinmar von Zweier.
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Man denke hier an die kompilatorischen Werke im Schaffen eines Marcel Duchamps, Peter Weiss oder Karlheinz Stockhausen. Siehe Haustein 1995 [Anm. 3], S. 13 zur Frage einer Neuedition des Mamers: „Die editorische Erschließung der Sangspruchdichtung ist freilich so wenig befriedigend, daß man eine solche [Neu-] Edition noch nicht einmal zu den dringlichsten Desideraten wird rechnen müssen."
Wernfried Hofmeister
Die Edition als ,offenes Buch': Chancen und Risiken einer Transponierungs-Synopse, exemplarisch dargestellt an der Dichtung Von des todes gehugede des sog. Heinrich von Melk
Zwei Beobachtungen bilden den Ausgangspunkt meiner Überlegungen: Editionen gewähren ihrem Publikum für gewöhnlich keinen oder zumindest keinen bequemen Einblick in deren Prozeß der Textkonstituierung und sie geben nur sporadisch Auskunft über die in der Originalvorlage anzutreffenden feinen Informationsnetze. Genau hier setzt mein Konzept der Transponierungs-Synopse1 an und versucht beides miteinander zu verbinden: das Öffnen der Überlieferung für den kritisch prüfenden Blick mit dem Kodieren möglichst aller faßbaren Textinformationen. Durch solche Hinwendung an Details scheint mir noch ein Erkenntniszuwachs möglich. Welcher Art die Chancen, aber auch Risken sind, die sich dahinter auftun, sollte sich spätestens gegen Ende des Beitrages abzeichnen. - Das Rahmenthema dieses Symposiums .Produktion und Kontext' mag vorweg in dem Hinweis anklingen, daß die ins Licht zu rückenden Details einiges über den .Produktions-Kontext' der handschriftlichen Überlieferung aussagen können: Kodikologische, schreibtechnische und vor allem sprachsystematische Bedingungen einer hochmittelalterlichen Textaufzeichnung werden hervortreten. Am Beginn und zugleich im Mittelpunkt eines jeden Editionsprozesses steht die unvoreingenommene Erkundung der Überlieferung bzw. deren .Exploration'. Gemeint ist das vorurteilsfreie Wahrnehmen, die Perzeption der Handschrift in all ihren Einzelheiten. Dieser Ansatz wirkt vielleicht banal, ist es aber nicht, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß unser scheinbar objektives Sehen in Wirklichkeit ein Vorgang ist, der wesentlich auf subjektiv geprägten, konventionalisierten Mechanismen beruht, welche über Art und .Synopse' meint hier-jenseits der theologischen Bedeutungsspezifik (für eine simultane Präsentation der vier Evangelien) - ganz allgemein eine augenfällige Gegenüberstellung in Form eines Paralleldruckes: Der fachsprachlich erweiterte Terminus .Transponierungs-Synopse' bezeichnet demgemäß einzelne Stufen der Textkonstituierung eines Textzeugen; .Überlieferungs-Synopse' bietet sich als Begriff für den Paralleldruck von mehreren Überlieferungszeugen an, .Editions-Synopse' meint weiter unten die Gegenüberstellung (reprografisch entsprechend adaptatierter) Ausgaben zum Zwecke wissenschaftsgeschichtlicher und textkritischer Vergleiche. Einen ersten Schritt in Richtung eines verfeinerten synoptischen Editionskonzepts habe ich in folgendem Beitrag versucht: Wernfried Hofmeister: Neu-Edition des Seitenstettner Ei/o/anz-Fragments A: ein philologisches Abenteuer. In: Durch aubenteuer muess man wagen v/7. Festschrift für Anton Schwob zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Wernfried Hofmeister und Bernd Steinbauer. Innsbruck 1997 (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. Germanistische Reihe. Bd. 57), S. 159-175.
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Wemfried Hofmeister
Umfang des Wahrgenommenen bestimmen. „Gerade bei Entzifferungen von Handschriften läßt sich die Subjektivität nie ganz ausschließen; unzureichende Sprachkompetenz und wahrnehmungspsychologische Defekte führen immer wieder zu Fehlleistungen".2 Es geht darum, uns in diesem Sinne neu zu sensibilisieren für den vorschnell gefilterten (ungesehenen oder unbeachteten) Teil des Informationsmaterials. Diese Ansicht trifft sich grundsätzlich mit jener Hans-Gert Roioffs, der „zur .Andacht zum Kleinen'"3 mahnt, um etwa für textlinguistische Belange „auch die kleinsten und unscheinbarsten Textelemente zu konservieren".4 Als Edierenden wächst uns also zunehmend die Aufgabe zu, auch diesen sprachspezifischen Erkenntnisinteressen unser Wissen um kodikologische, paläographische und allgemein schreibtechnische sowie textgeschichtliche Zusammenhänge mittels einer detaillierten Aufbereitung der Originalvorlage nutzbar zu machen. Einem solchen Anspruch kann schon eine ausschnitthafte minuziöse Transliteration5 in Form einer editorischen Vorstufe weitgehend genügen. Sie würde unseren Wahrnehmungshorizont schärfen helfen und es dem Fachpublikum der Edition ermöglichen, „auch Antworten auf Fragen zu finden, die der Herausgeber nicht beantwortet, noch nicht gestellt hat und nicht voraussehen konnte."6 Auf welche Weise mein Modell einer Transponierungs-Synopse diesem Ziel gerecht zu werden vermag, soll die Abbildung l verdeutlichen. Die folgende »Legende' streicht ihre wesentlichsten Punkte prägnant hervor: Modellbildend ist die Darstellung des sukzessiven, mehrstufigen ÜberleitungsProzesses eines einzelnen Überlieferungsträgers von der Original-Vorlage bis hin zur Edition. Ad .Original/Vorlage (Autopsie)': Die Autopsie des Originals bildet den unverzichtbaren Ausgangspunkt, da nur die eigene Beurteilung des Originals einen vollständigen Eindruck von der Materialität und den allgemeinen Überlieferungsspezifika bietet. Die zu edierende Handschrift sollte daher vom Editor unbedingt persönlich eingesehen werden. Ad »Faksimile (Digitalisierung)': Jede Fotografie, selbst das beste Faksimile, reduziert den Informationsgehalt der Vorlage; aber durch die Technik der Digitalisierung eröffnen sich für uns neue Möglichkeiten: Die einmal eingelesenen Bilddaten stellen 2 3 4 5
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Klaus Kanzog: Faksimilieren, transkribieren, edieren. Grundsätzliches zu Gerhard Schmids Ausgabe des Woyzeck. In: Georg Büchner Jahrbuch 4. 1984, S. 286. Hans-Gert Roioff: Probleme der Edition barocker Texte. In: Jahrbuch für internationale Germanistik 4, 1972, H. 2, S. 27. Roioff 1972 [Anm. 3], S. 27. Begriff nach Althaus: Die Cambridger Löwenfabel von 1382. Untersuchung und Edition eines defektiven Textes. Berlin u. a. 1971 (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker. N. F. Bd. 42), S. 238: „Transposition eines Textes von einer Graphemsprache in eine andere, wobei die Graphemstruktur der graphemischen Ausgangssprache die Konstitution des transliterierten Textes bestimmt." Hans Zeller: Befund und Deutung. Interpretation und Dokumentation als Ziel und Methode der Edition. In: Texte und Varianten. Probleme ihrer Edition und Interpretation. Hrsg. von Gunter Martens und Hans Zeller. München 1971, S. 49.
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Abb. l: Modell einer Transponierungs-Synopse
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Wernfried Hofmeister
nämlich eine Basis dar, von der aus wir - ohne das (oft unberechenbare!) Zutun von Fotolabors7 - in der Lage sind, ganz autonom, spontan und in voller Reversibilität das Bildmaterial experimentell zu erkunden. Auf diese Weise können wir es für jede individuelle Präsentationsaufgabe auswerten und de facto an editionstechnische Rahmenbedingungen optimal anpassen. - Als technische Ausrüstung genügt das, was uns mittlerweile bereits ein Standard-PC-Arbeitsplatz bietet; er ist unsere .philologische Werkbank'.» Ad 1. Stufe, ,graphie-orientiertes Faksimile': Diese Faksimile-Art stellt eine Optimierung des Ausgangsbildes für seine Einfügung in die Transponierungs-Synopse dar. Das geschieht, indem vor allem die Basis-Parameter .Bildausschnitt', .Größe', .Kontrast', .Helligkeit' und .Schärfe' in Hinblick auf die bestmögliche Lesbarkeit der Handschrift maßgeschneidert angepaßt werden. Für das textkritische Werkzeug der Synopse an sich braucht man wohl keine Lanze mehr zu brechen, da sie seit längerem durchaus üblich ist.9 Noch nicht so gebräuchlich ist sie jedoch in Form einer Faksimile-Synopse. Auch wurden Faksimile-Beigaben bislang mitunter als Ersatz für eine penible Transliteration gesehen. Bei mir hingegen sollen die Bildabdrucke in simultan lesbarer Form die Kodierungs-Genauigkeit fördern, also auch der Selbstkontrolle dienen. Ad 2. Stufe, ,'prä-diplomatisch' explorative Perzeptionsstufe': Diese verstehe ich, wie bereits erwähnt, als editorische Vor- bzw. Zwischenstufe. In ihr wird zunächst quasi auf der untersten Ebene Textkritik geleistet: Das geschieht durch die Selektion der schriftrelevanten Informationen und durch ihre adäquate typographisch gleichförmige Umsetzung. Dementsprechend noch nicht aufgelöst (transkribiert), sondern typographisch nachgebildet werden rekurrente Schrift-Elemente wie Kürzel sowie Super- und Subskripte; bewahrt wird ferner der originale Spalten- und Zeilenspiegel zwecks Verdeutlichung des formalen Niveaus der Vorlage.
So mag man etwa an die Probleme denken, die sich bei der Wahl des korrekten Bildausschnitts ergeben oder bei den Wünschen nach bestimmten Vergrößerungsstufen. Da kaum etwas schneller altert als die Leistungsdaten von Personalcomputern, beschränke ich meinen Hinweis zum Standard-Arbeitsplatz auf die allgemeine Anmerkung, daß seit dem Beginn der neunziger Jahre alle aktuellen PC-Modelle mittels ihrer Hardware und konventioneller Grafik- sowie Textverarbeitungsprogramme die Funktionen dieses .editorischen' Arbeitsplatzes zu erfüllen vermögen, wobei speziell die mittlerweile intuitiv bedienbaren Softwarepakete recht rasch zu ansprechenden Ergebnissen führen. Vgl. z. B. den historischen Aufriß der mediävistischen Synopsentechnik bei Gabriele Schlieb: Editionsprobleme altdeutscher Texte. In: PBB (Ost) 89, 1967, S. 425, der mit der Feststellung schließt, daß synoptische Textpräsentationen „dem verbleibenden Unsicherheitsfaktor freimütig Rechnung tragen und jedem Benutzer das Material an die Hand geben, textkritisch selbst noch weiter zu kommen." Gemäß diesem Grundsatz habe auch ich in meiner textkritisch orientierten Dissertation versucht, eine Brücke zu schlagen zwischen dem Handschriftentext und einer (unter besonderen Überlieferungsbedingungen) vorsichtig emendierten Fassung: W. H.: Die kleineren steirischen Minnesänger: Biographisches, Textkorpus und Interpretation. Phil. Diss. Graz 1981. Publiziert in leicht veränderter Form als: W. H.: Die steirischen Minnesänger. Edition, Übersetzung, Kommentar. Göppingen 1987 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik. Bd. 472)
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Prinzipiell können uns zwei Kodierungswege zur Erstellung der explorativen Perzeptionsstufe dienen, welche einander nicht unbedingt ausschließen: nämlich die soeben vorgestellte nachahmend-ikonische oder eine abstrakt-formelhafte Symbolisierung des Wahrgenommenen. Erstere, auf die ich mich hier konzentriere, vermag das Gesehene mittels einer schematischen typographischen Nachbildung sehr augenfällig darzustellen, letztere bedient sich überall dort, wo der internationale Zeichenvorrat nicht ausreicht, spezieller Kodierungs-Kombinationen. Das nötige Instrumentarium für die drucktechnisch anspruchsvollere ikonische Nachahmung bietet uns wiederum unsere philologische Werkbank. Ad 3. Stufe, .Lesetext': Aufbauend auf der detaillierten, konstant und objektiv überlieferungsbezogenen Vorstufe, mag sich die Gestaltung des Lesetextes bzw. Zitiertextes bis hin zur .Normalisierung' bzw. schreibsprachlichen Standardisierung nach den Bedürfnissen des Publikums richten. Die synoptische Einbindung dieser dritten Stufe in den partiellen Abdruck der Stufen l und 2 wäre dabei sicher aufschlußreich. Zur nun folgenden, punktuellen Analyse eines konkreten Textbeispiels möchte ich etwas über Textwahl und Erkenntnisziel vorausschicken: Für die Demonstration der Transponierungs-Synopse hätte sich jeder beliebige Text geeignet. Ich habe einen mittelalterlichen Text gewählt, der als Herausforderung für mein Modell dienen kann, gerade weil er schon mehrmals und sorgfältig ediert worden ist. Angeboten hat sich hier ein Ausschnitt aus der Dichtung Von des Todes gehugede des sog. Heinrich von Melk, welche von 1837 bis 1994 durch nicht weniger als sieben wissenschaftliche Editionen erschlossen wurde;10 darunter streben zwei, auf die ich später kurz eingehen werde, dezidiert nach höchster Authentizität ihres Abdruckes. Als Hauptziel meiner Textanalyse gilt mir die exemplarische Präsentation ausgewählter Schriftinformationen, nicht aber eine erschöpfende Darstellung und Auswertung des Beispieltextes. Die Methode steht im Mittelpunkt; der kurze Textausschnitt wird nicht mehr bieten als einen ersten Ausblick auf die analytische Ergiebigkeit dieser analytischen Methode, und es sollen hier nur die ersten beiden Stufen der Transponierungs-Synopse erläutert werden. Als Beispiele für die Bandbreite an Realisierungsformen der 3. Stufe verweise ich ganz allgemein auf die Editionen von Massmann, Diemer, Heinzel, Kienast und zuletzt Bein11 - über deren bewußt gewählte Nähe zur oder Entfernung von der Handschrift mag man sich dort selbst ein Bild machen. 10
Angemerkt sei noch - gleichsam in eigener Sache -, daß sich unter den ersten Herausgebern mit Joseph Diemer ein externer Grazer Kollege und mit Joachim Heinzel ein Grazer Ordinarius aus fernen, aber nicht vergessenen Tagen befindet. Vgl. dazu den wissenschaftsgeschichtlichen Abriß bei Andrea Hofmeister (Hrsg.): Editorische Leistungen am Grazer Institut für Germanistik (l851-1996). Katalog zur Ausstellung an der Universitätsbibliothek Graz. Graz 1996, S. 18 und 23-25. 1 ' Vgl.: H. F. Massmann (Hrsg.): Deutsche Gedichte des zwölften Jahrhunderts und der nächstverwandten Zeit. Zweiter Teil. Quedlinburg, Leipzig 1837 (Bibliothek der gesammten deutschen National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit. Bd. 3,2), S. 343-357; Joseph Diemer (Hrsg.): Kleine Beiträge zur älteren deutschen Sprache und Literatur. III. Theil. Wien 1856, S. 71-104; Richard Heinzel (Hrsg.): Heinrich von Melk. Berlin 1867, S. 53-80; Richard Kienast (Hrsg.): Der sogenannte Heinrich von Melk.
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Eine Sonderstellung haben Mitchell12 und Maurer13 durch ihre erklärt handschriftennahen Abdrucke inne: Beide nehmen gleichsam eine Position vor den Lesetexten der erstgenannten fünf Herausgeber und bereits in der Nähe meiner Explorationsstufe ein, und nur sie empfehlen sich ob dieser Ausrichtung für ein paar kritische Vergleiche; zu diesem Zweck ist im Anhang des Beitrages eine Editions-Synopse eines repräsentativen Ausschnitts der beiden Vergleichstexte von Mitchell und Maurer beigefügt.14 Für die nötige Dokumentierung von deren Selbstverständnis, an dem diese Editoren zu messen sein werden, mögen zwei Schlüsselzitate hilfreich sein: Mitchell erläutert seine editorische Vorgangsweise folgendermaßen: „In my edition of the poems I have tried to reproduce them exactly as they appear in the manuscript."15 Vereinfachungen nimmt Mitchell bei der Darstellung von Initialen vor (wegen technischer Probleme). Und weil die Gestaltvarianten keine Differenzierung wert seien, setzt Mitchell nur punkt-behaftete /-Graphe sowie immer runde s-Graphe. (Nicht unerwähnt lasse ich, daß Mitchell ob seiner texanischen Disloziertheit nach eigenen Angaben nicht mehr als einen Mikrofilmausdruck vor sich hatte, was aber die wiederholt auftretenden Falschlesungen eindeutig erkennbarer Buchstaben nur zum Teil erklären mag.) Maurer genoß - ganz abgesehen von seiner besonderen editorischen Kompetenz - den Vorteil, das Original selbst einsehen zu können. Er wählte für seine Textpräsentation einen zweiteiligen synoptischen Abdruck. Davon habe ich nur den für unseren Zusammenhang relevanten ersten Teil in Form der noch nicht normalisierten und nicht metrisch rekonstruierten Fassung ausgewählt; sie charakterisiert Maurer bündiger, aber ähnlich wie Mitchell als „getreuen Abdruck der Handschrift[...]".16 Unser unikal überlieferter Text stammt aus dem Wiener Codex 2696, einer um 1300 im bairisch-österreichischen Raum entstandenen Sammelhandschrift religiöser Literatur.17 Wir haben mit ihr zwar sicher keine Prachthandschrift vor uns, immerhin aber - nach bisherigem Kenntnisstand, den ich aber weiter unten zu ergänzen hoffe (vgl. ad Revisionen, Punkt l a) - die durchaus sorgfältige Arbeit eines einzigen Schreibers: Dieser
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Nach R. Heinzeis Ausgabe von 1867 neu herausgegeben. Heidelberg 1946, S. 30-57; Thomas Bein u. a. (Hrsg.): Heinrich von Melk. Von des todes gehugde. Mahnrede über den Tod. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Übersetzt, kommentiert und mit einer Einführung in das Werk. Stuttgart 1994 (Universal Bibliothek. Bd. 8907), S. 8-71. Vgl. Earl Douglas Mitchell (Hrsg.): Heinrich von Melk. A Diplomatie Edition, a Translation, and a Commentary. Phil. Diss. Texas 1967. Vgl. Friedrich Maurer (Hrsg.): Die religiösen Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts. Nach ihren Formen besprochen und herausgegeben. Bd III. Tübingen 1970, S. 302-359. Zum Begriff,Editions-Synopse' s. Anm. 1. Der Neuabdruck der Ausgaben von Maurer und Mitchell ist durch Einscannen beider Texte erfolgt, wobei die drucktechnische Qualität von Mitchells Text darunter leidet, daß mir nur ein qualitativ mäßiger Mikrofilmausdruck des Typoskripts zur Verfügung stand. Mitchell 1967 [Anm. 12], S. 19. Friedrich Maurer (Hrsg.): Die religiösen Dichtungen des 11. und 12. Jahrhunderts. Nach ihren Formen besprochen und herausgegeben. Bd I. Tübingen 1964, S. XII. Vgl. dazu Peter-Erich Neuser: Der sogenannte Heinrich von Melk. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Aufl. Bd 3. Berlin, New York 1981, Sp. 789.
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Wernfried Hofmeister
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