Probleme der Übersetzung wissenschaftlicher Werke aus dem Arabischen in das Altspanische zur Zeit Alfons des Weisen [Reprint 2012 ed.] 9783111590189, 3484520752, 9783484520752


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German Pages 218 [220] Year 1979

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INHALTSÜBERSICHT
VORWORT
1. SPRACHWISSENSCHAFTLICHER TEIL
1.1. Der Begriff der Akkulturation
1.2. Sprachwissenschaftliche Grundlegung
2. PHILOLOGISCHER TEIL
2.1. Allgemeine Einleitung
2.2. Astronomische Werke Alfons’ X
2.3. Andere herangezogene Werke
3. EMPIRISCHER TEIL
3.1. UNIVERSALISIERUNG
3.2. KOMPLEKTISIERUNG
VERZEICHNIS DER ABGEKÜRZT ZITIERTEN LITERATUR
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Probleme der Übersetzung wissenschaftlicher Werke aus dem Arabischen in das Altspanische zur Zeit Alfons des Weisen [Reprint 2012 ed.]
 9783111590189, 3484520752, 9783484520752

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BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR ROMANISCHE PHILOLOGIE B E G R Ü N D E T VON GUSTAV G R Ö B E R F O R T G E F Ü H R T VON W A L T H E R VON H E R A U S G E G E B E N VON K U R T

BAND 169

WARTBURG

BALDINGER

GEORG BOSSONG

·»

Probleme der Übersetzung wissenschaftlicher Werke aus dem Arabischen in das Altspanische zur Zeit Alfons des Weisen

MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1979

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Neuphilologischen Fakultät der Universität Heidelberg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Bossong, Georg: Probleme der Übersetzung -wissenschaftlicher Werke aus dem Arabischen in das Altspanische zur Zeit Alfons des Weisen / Georg Bossong. - Tübingen : Niemeyer, 1979. (Zeitschrift für romanische Philologie : Beih. ; Bd. 169) ISBN 3-484-52075-2

ISBN 3-484-52075-2

ISSN 0084-5396

© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1979 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany Satz und Druck : Allgäuer Zeitungsverlag GmbH, Kempten Einband: Heinr. Koch, Tübingen

Für Alexander

INHALTSÜBERSICHT

Vorwort

IX

1. 1.1. 1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.2.2.1. 1.2.2.2.

SPRACHWISSENSCHAFTLICHER T E I L Der Begriff der Akkulturation Sprachwissenschaftliche Grundlegung Allgemeine Derivationstheorie Transpositionstheorie Allgemeine Transpositionstheorie Die Bedeutung der Transposition; Konstituierung von Verstandesgegenständlichkeiten 1.2.2.3. Semantik der Transposition; Sprache der Wissenschaft . . 1.2.3. Derivation und Übersetzung ; der Begriff der Metataxe . .

1 3 10 10 22 22

2. 2.1. 2.2. 2.2.1. 2.2.1.1. 2.2.1.2. 2.2.2. 2.2.3. 2.3.

PHILOLOGISCHER T E I L Allgemeine Einleitung Astronomische Werke Alfons' X Der Codex Complutensis Beschreibung des Codex und seines Fortwirkens Zur Quellenlage der einzelnen Traktate Der Codex Arsenalis Sonstige astronomische Werke Andere herangezogene Werke

55 57 59 59 59 69 81 82 83

3. 3.1. 3.1.1. 3.1.2. 3.1.3. 3.1.3.1.

EMPIRISCHER T E I L Universalisierung Allgemeine Einleitung Direkte Übernahmen Direkte Nachbildungen Direkte Nachbildungen auf lexematischem Rang

85 87 87 89 106 106

40 46 51

Exkurs: Besonderheiten der direkten Nachbildung in der Sentenz 129 3.1.3.2. Direkte Nachbildungen auf translexematischen Rängen: analytische Begrifflichkeit 141 3.1.4. Indirekte Übernahmen und Nachbildungen 149 3.1.5. Gesamtbilanz der bei der Universalisierung angewandten Methoden 162 VII

3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.2.1. 3.2.2.2.

165 165 166 166

3.2.3.

Komplektisierung Allgemeine Einleitung Negative Abgrenzung Das Problem der arabischen Relativsatzkonstruktion . . . Lexem i sehe Hypotaxe des Arabischen gegen phrasemische des Spanischen Komplektisierung des Altspanischen durch das Arabische .

4.

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

197

VIII

175 181

VORWORT

Die vorliegende Arbeit versteht sich als ein empirischer Beitrag zu der allgemeinen Problematik der Entstehung von Kultursprachen und der Neuentwicklung von Ausbauregistern nach fremdem Vorbild. Die Aktualität einer solchen Fragestellung wird schlagend deutlich, wenn man die im heutigen „sprachlichen Weltprozeß" beobachtbare Emanzipation zahlreicher Sprachen und die hiermit verbundenen Ausbauprobleme betrachtet, wie sie sich aus den spezifischen Bedingungen des „technischen Zeitalters" notwendig ergeben. Trotz ihrer immensen politischen und sozialen Bedeutung 1 tritt diese Problematik erst allmählich in das Blickfeld der gegenwärtigen Sprachwissenschaft. Um so wichtiger erscheint es, die hierbei auftretenden sprachlichen Phänomene an einem konkreten Beispiel in aller Ausführlichkeit zu untersuchen und dafür einen Beschreibungsapparat zu entwickeln, der sich auf analoge Fälle übertragen läßt. Ein historischer Untersuchungsgegenstand bietet sich für eine solche Fallstudie in besonderem Maße an, weil er in sich abgeschlossen und überschaubar ist. Für den Romanisten ist in diesem Zusammenhang die alfonsinische Ära mit ihrer außergewöhnlichen Dynamik und Vielgestaltigkeit ein denkbar günstiges Arbeitsfeld. In der Tat kann gerade die Entstehung wissenschaftlicher Fachprosa im Altspanischen unter dem Impuls des Arabischen zur Zeit Alfons des Weisen für die systematische Behandlung der eben skizzierten Fragestellung als Paradigma dienen, handelt es sich doch um den einzigen Fall innerhalb der uns näher stehenden Sprachen, in dem ein auf verstärkten Ausbau zielender fremdsprachlicher Impuls von einer genetisch nicht verwandten Sprache ausgegangen ist, ein Vorgang, der sich außerhalb Europas immer wieder abgespielt hat und noch heute hundertfach vor unsern Augen abspielt. Unabhängig von der überragenden, seit jeher bekannten historischen Bedeutung der arabisch-spanischen Kulturbeziehungen, die ebenso vielfältig wie tiefgreifend auf das mittelalterliche Geistesleben in Europa eingewirkt haben, kann daher diese Arbeit auch ein systematisches Interesse beanspruchen, insofern als die Historie hier im Licht einer übergreifenden sprachwissenschaftlichen Fragestellung gesehen wird : es wird versucht, bestimmte Bereiche der Sprachentwicklung in der Zeit Alfons 1

Cf. BOSSONG, Sprachpolitik. IX

des Weisen als Modell für diejenigen allgemein beobachtbaren Phänomene darzustellen, die hier unter den Begriff der sprachlichen Akkulturation subsumiert werden. Andererseits erhellt, wie ich glaube, der so entwickelte allgemeine Beschreibungsrahmen viele Aspekte dieses bislang noch nie im Detail untersuchten Gebietes. Theorie und Empirie sind unauflöslich miteinander verbunden und befruchten sich gegenseitig. Aus dem Gesagten ergibt sich die Gliederung der Arbeit. Im ersten, sprachwissenschaftlichen Teil wird der theoretische Rahmen entwickelt, der für eine adäquate Darstellung der Empirie unerläßlich ist. Ein weitergehender Anspruch wird in diesem Zusammenhang nicht erhoben ; sicherlich haben einige der hier vorgebrachten Gedanken weitreichende Implikationen, doch hätte deren Entfaltung den gesteckten Rahmen bei weitem überschritten2. Der zweite, philologische Teil bringt eine ausführliche Darstellung der Textbasis, auf deren Auswertung die empirische Untersuchung beruht. Schließlich werden im dritten, empirischen Teil die in (I) entwickelten Kriterien auf das in (II) beschriebene Material angewandt und entsprechende Schlußfolgerungen gezogen. Die Arbeit ist im wesentlichen in den Jahren 1973 bis 1975 entstanden, gleichzeitig mit der vor kurzem in derselben Reihe erschienenen Edition der Cánones de Albateni3. Auf diese Edition und insbesondere auf das ihr beigefügte ausführliehe Glossar wird im Verlauf der Untersuchung immer wieder verwiesen. Beide Publikationen sind eng aufeinander bezogen ; der Leser der vorhegenden Arbeit sollte daher auch den Text von C bei der Hand haben. Bibliographische Angaben werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit gemacht. Auf eine Aktualisierung von Gedankengängen, die ich inzwischen weiterentwickelt habe, wurde bewußt verzichtet; dies gilt besonders für den ersten, sprachwissenschaftlichen Teil. Bezüglich der angewandten Transkription orientalischer Sprachen verweise ich auf die entsprechenden Hinweise in C. In diesem Werk finden sich auch die Dankesbezeugungen an diejenigen Personen und Institutionen, denen das Forschungsprojekt, dessen zweiter Teil hiermit vorgelegt wird, Anregungen und Hilfe verdankt. Ich möchte indessen nicht versäumen, auch an dieser Stelle Herrn Professor Baldinger für seine verständnisvolle und engagierte Förderung sowie für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie von Herzen zu danken. Paris, im Sommer 1978

2 3

Georg Bossong

Erste Weiterentwicklung bestimmter Teilaspekte liegen mittlerweile gedruckt vor (BOSSONG, Terminologie und Abstracción). Bibliographische Angaben : siehe Primärtexte, C. X

SPRACHWISSENSCHAFTLICHER TEIL

1.1. In der Entwicklungsgeschichte vieler Kultursprachen läßt sich ein bestimmtes Grundmodell immer wieder beobachten: eine kulturell noch wenig entwickelte Gemeinschaft, deren Sprache bis dahin nur als ein lokales vernacular1 verwendet worden und daher in ihren Ausdrucksmitteln wie in ihrer Verwendbarkeit beschränkt geblieben ist, kommt in Kontakt mit einer hoch entwickelten Gemeinschaft und ihrer Sprache, die als Trägerin einer umfassenden Kultur über eine reiche und differenzierte Ausdrucksskala verfügt. Wenn nun auf Seiten der weniger entwickelten Gemeinschaft eine entsprechende Disposition vorhanden ist, kann von dieser Konfrontation eine befruchtende Wirkung ausgehen: aus dem Verlangen, das Niveau der überlegenen Kultur zu erreichen, erwächst das Bedürfnis, sich zunächst deren Leistungen zu eigen zu machen; da diese Leistungen zu einem wesentlichen Teil sprachlich fixiert sind und sich in Lexikon und Syntax der überlegenen Sprache niedergeschlagen haben, ergibt sich die Notwendigkeit, diese Sprache zu erlernen, die in ihr verfaßten Werke zu studieren und sie schließlich der eigenen Sprache und Kultur einzuverleiben; das Mittel zu dieser Aneignung ist die Übersetzung von Werken aller Art, in denen der höhere Standard der überlegenen Kultur zum Ausdruck kommt. Wegen der begrenzten Ausdrucksfähigkeit der weniger entwickelten Sprache stehen ihre Sprecher, die solche Übersetzungen anfertigen sollen, vor schwierigen Problemen, die eine Herausforderung an ihre sprachliche Kreativität darstellen. Durch die Überwindung dieser Schwierigkeiten gewinnen sie ihrer eigenen Sprache neue Bereiche hinzu, sie steigern ihre Ausdrucksfähigkeit und fördern die Universalität ihrer Verwendbarkeit durch die Präzisierung ihres begrifflichen Instrumentariums, die Schaffung neuer Terminologien und die Ausweitimg ihrer syntaktischen Möglichkeiten. Die Notwendigkeit von Übersetzungen wirkt somit als Katalysator, der in der Zielsprache Prozesse in Gang setzt, die sie schließlich dazu befähigen, ebenso wie die Ausgangssprache als Trägerin einer umfassenden Kultur zu fungieren. Erst nach solchen Übersetzungsbemühungen und der durch sie bewirkten Bereicherungen und Ausweitungen kommen in der bis dahin weniger entwickelten Zielsprache2 eigenständige Werke zustande, die denen der befruchtenden Kultur gleichrangig sind. Ich möchte den hier geschilderten Vorgang Akkulturierung nennen. Man kann nun" das Stimulus-Response-Schema des Behaviorismus auf diesen Vorgang anwenden und sagen, daß eine kulturell höher ent1

Cf. zur Unterscheidung von vernacular einerseits und langue véhiculaire bzw. koinè andererseits Jean Fourquet, Langue — dialecte — patois, in: M A R T I N E T , Encyclopédie, 571-596. * Zu den Begriffen Ausgangssprache und Zielsprache cf. die übersetzungswissenschaftliche Literatur, z.B. G Ü T T I N G E B , Zielsprache oder A I B R E C H T , Übersetzung, 3.

3

wickelte Sprache A als Stimulus auf eine weniger entwickelte Sprache Β wirkt, die ihrerseits durch Akkulturierung als Response hierauf reagiert. Im folgenden soll die Sprache A als S t i m u l u s - S p r a c h e (abgekürzt: S-Sprache) und die Sprache Β als R e s p o n s e - S p r a c h e (abgekürzt: R-Sprache) bezeichnet werden. Damit keine Mißverständnisse entstehen, sei gleich hier prinzipiell auf folgendes hingewiesen. Es soll nicht behauptet werden, daß es nur auf Grund einer Akkulturierung möglich sei, in einer gegebenen Sprache bestimmte Aussagen zu machen, daß also prinzipiell erst der Kontakt mit einem höher entwickelten Kulturidiom eine Sprache dazu befähige, bestimmte Dinge auszudrücken. Dagegen spricht allein schon die Tatsache, daß sich manche Sprachen, wie das Griechische, das Altindische und das Chinesische, ohne von außen kommendes Vorbild zu Kultursprachen entwickelt haben. Aus diesem Grunde wäre es auch ganz falsch, den hier beschriebenen geringeren Ausbildungszustand einer Sprache als Trägerin einer umfassenden Kultur im Sinne einer inhärenten »Primitivität« mißzuverstehen. Es unterliegt längst keinem Zweifel mehr, daß es keine Primitivsprachen gibt, daß vielmehr alle Sprachen grundsätzlich als gleichwertig und gleichrangig zu betrachten sind. Es ist sicher grundsätzlich möglich, in jeder Sprache alles auszudrücken, sonst gäbe es auch weder Übersetzungen noch Akkulturierungen. Jedoch ist es faktisch von erheblicher Bedeutung, über welche Dinge in einer Sprache gewöhnlich gesprochen wird8, welche Ausdrucksmittel geläufig sind und mit Selbstverständlichkeit bereitstehen und welche erst ad hoc gefunden oder langatmig umschrieben werden müssen. Ohne die mittlerweile sehr umfangreiche Diskussion über das sprachliche Relativitätsprinzip4 in extenso aufzugreifen, sei hier vermerkt, daß es nicht darum geht, einen sprachlichen Determinismus auf das Denken zu postulieren, etwa in dem Sinne, daß in einer Sprache ein Gedanke nicht gedacht werden kann, weil in ihr bestimmte Begriffe oder bestimmte syntaktische Kategorien nicht vorhanden sind5, als vielmehr darum, den instrumentalen und operationalen Charakter des sprachlichen Zeichensystems zu akzentuieren: wenn für die Erfassung eines bestimmten Seinsbereiches präzise begriffliche und voll ausgebildete syntaktische Hilfsmittel zur Verfügung stehen, liegt es näher, über diesen Seinsbereich nachzudenken, und ist es leichter, zu sinnvollen Aussagen über ihn zu gelangen, als wenn 8

Cf. die gleiche Formulierung in etwas anderem Zusammenhang bei Übersetzung, 11. Cf. u.a. die folgenden Titel: S A P I R , Language; W H O R F , Language; W E I S GERBER, Menschheitsgesetz; G I P P E R , Bausteine; G I P P E R , Denken; L U T H E R , Sprachphilosophie. In die Nähe der Behauptung eines solchen Determinismus tendieren manchmal die Thesen von Whorf, Weisgerber und Gipper. ALBRECHT,

1

5

4

dies nicht der Fall ist. So verstanden, hat der Weisgerbersche Terminus von den »sprachlichen Zugriffen«8 einen guten Sinn. Der Prozeß der Akkulturierung besteht gerade darin, solche Instrumentarien und Hilfsmittel nach fremdem Vorbild für die eigene Sprache zu schaffen und für ihre Sprecher bereitzustellen. Gerade in diesem Zusammenhang bewahrheitet sich somit Humboldts berühmter Satz von der Sprache als Energeia7, der ja viel mehr auf die im menschlichen Sprachvermögen liegende kreative Potenz verweist als auf jene eher technische Generativität, für die Chomsky den Humboldtschen Satz reklamiert hat8. Bei der Akkulturierung wirkt demnach die Notwendigkeit der Übersetzung kreativierend in dem Sinne, daß sie die Schaffung von Instrumentarien veranlaßt, die leichte Zugriffe auf bis dahin nur unter Schwierigkeiten erfaßbare Seinsbereiche ermöglicht. Eine weitere Abgrenzung ist nötig. Das Phänomen der Akkulturierung gehört zu dem Komplex des Kontaktes zwischen Sprachen®, jedoch ist zu beachten, daß es sich hierbei nicht um jenen quasi »natürlichen« Kontakt handelt, der auf direktem Wege durch die mündliche Verständigung zwischen zwei Individuen verschiedener Sprachen entsteht ; vielmehr geht es um eine Berührung auf der soziokulturellen Ebene der Schriftsprache, wobei die stilistischen Charakteristika dieser Sprachform auch dann dominant sind, wenn es zu mündlicher Kommunikation zwischen den Angehörigen der beiden Sprachgemeinschaften kommt10. Eine Beeinflussung durch Akkulturation ist demnach etwas grundsätzlich anderes als die Wirkung von Substraten. Während bei diesen die Einwirkung sozusagen an der Basis des Kommunikationsgefüges ansetzt und daher so fundamentale Gegebenheiten wie die phonetische Struktur, den grammatischen Bau und den elementaren Grundwortschatz betreffen und umgestalten kann, bezieht sich die Einwirkung der Akkulturation auf Phänomene an der Spitze der Kommunikationspyramide, nämlich die schriftliche oder doch zumindest stilistisch auf schriftsprachlicher Ebene stattfindende Kommunikation in jeweils fachspezifischen, nicht-elementaren Bedeutungsbereichen. Daher kann die Akkulturierung nur eine Erweiterung und Ausgestaltung von Teilbereichen der Sprache bewirken, nie eine grundlegende Umbildung tief 6

Cf.

Menschheitsgesetz, 74ff. Sprachbau, 4 1 8 (Akademie-Ausgabe V I I 4 6 ) : »Sie selbst ist kein Werk (Ergon), sondern eine Thätigkeit (Energeia)«. 8 C H O M S K Y , Current Issues, 1 7 ; C H O M S K Y , Cartesian Linguistics, 2 6 . Auf falsche Auslegung Humboldts durch Chomsky ist mehrfach hingewiesen worden, z.B. in C O S E R I U , Sprache, 2 1 3 (Semantik, innere Sprachform und Tiefenstruktur) ; W E Y D T , Chomsky, 5 6 - 7 4 . * Cf. hierzu die monumentale Arbeit mit ihrer reichhaltigen Bibliographie von W E I N R E I C H , Contact. 10 Cf. hierzu beispielsweise die Ausführungen von Nida zu den Unterschieden von schriftlichem und mündlichem Stil in NIDA, Übersetzung, 132-134. WEISGERBER,

' HUMBOLDT,

5

verwurzelter Sprechgewolmheiten. Entscheidend ist außerdem, daß durch die Akkulturation keine systemverändernden Neuerungen in eine Sprache eingebracht werden, sondern diese nur angeregt wird, die in ihr liegenden Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Es geht also nicht um Wandel und Umbau von Grund auf, sondern in erster Linie um Ausbau des bereits Bestehenden 11 . Was nun die Kriterien betrifft, nach denen man ein lokal wie strukturell begrenztes vernacular von einer Sprache unterscheiden kann, die als Vehikel einer umfassenden Kultur dient, so muß von vornherein betont werden, daß solche Kriterien immer nur eine relative Geltung haben und daß die Unterscheidung selbst nur graduell, nie als polarer Gegensatz gesehen werden darf. Es gibt nicht schlechthin kultivierte gegenüber schlechthin nicht kultivierten Sprachen, sondern nur jeweilige Grenzwerte für das, was in einer bestimmten Sprache in einem gegebenen historischen Moment nach zuvor definierten Kriterien als Äußerstes geleistet wird. Ich möchte die beiden grundlegenden Parameter, nach denen diese Grenzwerte bestimmt werden können, als U n i v e r s a l i t ä t und K o m p l e x i t ä t bezeichnen; der jeweils dazu gehörige Vorgang der Steigerung der Grenzwerte soll U n i v e r s a l i s i e r u n g beziehungsweise K o m p l e k t i s i e r u n g genannt werden. Das erste dieser beiden Kriterien bezieht sich auf die Tatsache, daß eine Kultursprache (vor allem mit Hilfe ihres Lexikons) auf allen Gebieten des jeweils historisch gegebenen menschlichen Wissens ein so differenziertes Inventar bereitstellt, daß sie universal in allen Bereichen angewendet werden kann; die Akkulturierung bewirkt also einerseits die äußere, auf die Anwendbarkeit bezogene Universalität einer Sprache, indem sie ihre Begrifflichkeit nach allen Richtungen hin erweitert und ausbaut. Das zweite Kriterium nimmt Bezug darauf, daß in einer Kultursprache (vor allem durch ihre syntaktischen Möglichkeiten) gedankliche Zusammenhänge von hoher Komplexität erfaßt und adäquat, das heißt unter Beibehaltung der hierarchischen Gliederung der sie konstituierenden Elemente, ausgedrückt werden können; die Akkulturierung steigert somit andererseits die innere, auf die Struktur bezogene Komplexität einer Sprache, indem sie die Versatilität und Ausdrucksfähigkeit ihrer Syntax erhöht. Man kann dementsprechend die Akkulturierung etwas genauer definieren als den Prozeß der Universalisierung und/oder der Komplektisierung einer R-Sprache Β unter dem Einfluß und durch die Anregung einer S-Sprache A. 11

Cf. zu dem Problem des systemimmanenten und des systemerneuernden Sprachwandels. C O S E R I U , Sprache, 7Iff. ( = Sincronía, diacronia y tipología, in: Actas del X I Congreso Internacional de Lingüistica y Filología Románicas Madrid 1965, Bd. I, Madrid 1968, 269ff.).

6

Es muß an dieser Stelle ausdrücklich betont werden, daß die hier vorgeschlagenen Begriffe primär einen heuristischen Wert haben; es wird mit ihnen nicht so sehr ein theoretisch-systematischer Anspruch erhoben, vielmehr soll mit ihrer Hilfe nur versucht werden, eine Reihe beobachtbarer, isolierter Einzelfakten zusammenzubringen und miteinander in Beziehung zu setzen. Insbesondere soll gezeigt werden, daß das, was sich mit der spanischen Sprache in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts abspielte, kein Einzelfall war, sondern vielfältige Parallelen in den verschiedensten Epochen und Kulturen hat. Vor einer ins Detail gehenden sprachwissenschaftlichen Analyse der bei der Akkulturation beteiligten Mechanismen sollen einige Beispiele die bisher vorgebrachten Thesen verdeutlichen. Man kann zunächst unterscheiden zwischen primären und sekundären S-Sprachen. Primäre S-Sprachen sind solche, deren Ausbildung sich ohne die von außen kommende Einwirkung einer Akkulturierung vollzogen hat und deren Entwicklung daher ganz nach eigenen Gesetzmäßigkeiten verlaufen ist, ohne den challenge einer fertig ausgeprägten Kultursprache, nur auf Grund des elementaren und allgemeinen challenge, der auch die Entstehung von Kulturen überhaupt bewirkt12. Wie schon erwähnt, können unter den großen Kultursprachen vor allem das Griechische, das Altindische und das Chinesische als primäre S-Sprachen gelten. Sie haben die Akkulturierung von R-Sprachen bewirkt, die dann ihrerseits wieder als sekundäre R-Sprachen neue RSprachen akkulturiert haben. So hat das Griechische auf die Ausgestaltung des Lateinischen entscheidenden Einfluß ausgeübt; weniger allgemein bekannt ist die Tatsache, daß auch das Arabische seine Universalisierung und Komplektisierung zu einem ganz wesentlichen Teil den Bemühungen der frühabassidischen Übersetzerschulen verdankt, die hauptsächlich aus griechischen Quellen schöpften13. Das Sanskrit wurde für die Entwicklung der neueren arischen und dravidischen Sprachen ebenso bestimmend wie für die Ausgestaltung einiger nicht-indischer Kultursprachen Südostasiens. Das Chinesische schließlich ist zur prägenden Kraft des von ihm bestimmten Kulturkreises geworden und hat zahlreichen Sprachen seinen Stempel aufgedrückt, unter denen das Japanische die bedeutendste geworden ist. I m chinesischen Einflußbereich läßt sich auch ein instruktives Beispiel einer erfolglosen Akkulturierungsbemühung beobachten: die großen Anstrengungen Kublai Khans um die Akkulturierung des Mongolischen durch die Einsetzung einer großen Übersetzerakademie, die umfangreiche Textsammlungen aus dem Chinesischen und Tibetischen ins Mongolische übersetzten, waren letztlich ohne 12

13

D e n Begriff des challenge entnehme ich der Geschichtsphilosophie A . Toynbees, der in ihm die eigentliche Triebkraft für die Entstehung von Hochkulturen sieht. Cf. TOYNBEE, Study, 61ff. Cf. hierzu beispielsweise : DAIBER, Placito ; GE ORB, Categories.

7

dauerhafte Auswirkung, da das Mongolische in der Folgezeit keine entscheidende Bedeutung als Kultursprache erlangt hat11. Das Beispiel zeigt, daß dafür, ob einer Akkulturierung weiterführende Bedeutung zukommt oder nicht, letzten Endes die sozialen und politischen Verhältnisse derjenigen Sprachgemeinschaft entscheidend sind, welche die R-Sprache verwendet. Auf diese Weise primär beeinflußte R-Sprachen können nun ihrerseits zu S-Sprachen werden und befruchtend weiterwirken. Für die Ausbildung aller neueren germanischen und romanischen Sprachen ist auf diese Weise das Lateinische zu einer maßgeblich formenden Kraft geworden15. Der Fall der romanischen Sprachen ist hierbei insofern von Interesse, als bei ihnen besonders deutlich wird, daß die Akkulturierung, wie oben ausgeführt, nicht von der Basis, sondern von der Spitze aus wirkt. An der Basis der Entwicklung der romanischen Sprachen steht das von Generation zu Generation in direktem, ununterbrochenem Kontakt weitergegebene gesprochene Latein; von der Spitze her wirkte daneben stets, und zu bestimmten Epochen in besonderem Maße, das geschriebene Latein als unerschöpfliches Reservoir für alle über den elementaren Bereich hinausgehenden Bedürfnisse. Von einer Akkulturierung kann man genau von demjenigen Zeitpunkt an sprechen, an dem die einzelnen romanischen Sprachen von ihren Sprechern als eigenständige, vom Lateinischen unabhängige Idiome empfunden worden sind, ein Zeitpunkt, der für die verschiedenen Sprachen bekanntlich verschieden anzusetzen ist. Aus dieser doppelten Wirkung erklärt sich das bekannte, in allen romanischen Sprachen beobachtbare Nebeneinander von sogenannten »volkstümlichen« und »gelehrten« Bildungen18. Solche Fälle von Akkulturation im Zusammenhang mit dem Bestehen einer Diglossie-Situation17 lassen sich immer wieder beobachten, beispielsweise bei der Akkulturation der neuindischen Sprachen18 oder bei dem Ausbau der modernen chinesischen Umgangssprache (Guóyu oder 14

Nach SABTON, History, 723. Diese Übersetzerakademie arbeitete fast gleichzeitig mit der von Alfons X . beauftragten Übersetzerschule in Spanien ! 15 Cf. zu diesem ganzen Komplex die bei aller Kürze bestechende Arbeit von W O L F F , Origines. " Cf. hierzu die Ausführungen von TAGLIAVINI, Origini, zu dem Thema »superstrato culturale latino« (§ 61, S. 325-332). 17 D.h. einer Situation, in der eine mit hohem Prestige versehene, aber aus dem normalen mündlichen Gebrauch verschwundene Sprache als Kultursprache für alle schriftsprachlichen Belange verwendet wird, während iin mündlichen Verkehr eine mit der Kultursprache eng verwandte, oft aus ihr entstandene Umgangssprache dominiert. Der Begriff stammt von F E R G U S O N , Diglossia. 18 Cf. für die Gegenwart beispielsweise Vladimir Miltner, Semantic Changes of Some Sanskrit Works in Modern Hindi, in: A S I A N , 1 0 7 - 1 2 6 .

8

Bâihuà) zur Kultursprache seit 19111·. In beiden Fällen sind die klassischen Modelle, nämlich das Sanskrit und die klassische chinesische Schriftsprache (Wényu), von prägender Kraft. Ein anderes Beispiel einer primär beeinflußten R-Sprache, die ihrerseits als sekundäre S-Sprache weitergewirkt hat, ist das Arabische, das in den Sprachen der islamischen Völker, Persisch, Türkisch und Urdu, tiefe Spuren hinterlassen hat. Natürlich können sekundär akkulturierte R-Sprachen ebenfalls ihrerseits zu S-Sprachen werden und so fort. Tertiäre S-Sprachen sind beispielsweise die neueren europäischen Sprachen, die als Kolonialsprachen und als Träger der modernen Zivilisation und Technik in weltweitem Maßstab als S-Sprachen gewirkt haben und immer noch wirken30. Komplikationen dieses Bildes können auf jeder Akkulturierungsebene dadurch entstehen, daß mehrere S-Sprachen gleichzeitig auf eine RSprache einwirken. Hierbei kann nun unterschieden werden zwischen der Einwirkung von S-Sprachen, die unabhängig voneinander sind und von solchen, die ihrerseits bereits durch eine Akkulturierungsrelation miteinander verbunden sind. Mehrere voneinander unabhängige S-Sprachen waren bei der Akkulturierung des Arabischen beteiligt : in erster Linie das Griechische, daneben auch das Mittelpersische, das Syrische und das Sanskrit. Zwei durch eine gemeinsame primäre S-Sprache miteinander verbundene sekundäre S-Sprachen haben auf die Ausgestaltung des Spanischen eingewirkt: das Lateinische und das Arabische, als Sprachen, die durch griechischen Einfluß selbst akkulturiert worden sind. Das Türkische schließlich hat persischem Einfluß fast ebensoviel zu verdanken wie arabischem ; es ist also durch eine sekundäre und eine tertiäre S-Sprache akkulturiert worden, wobei sich die tertiäre zur sekundären ihrerseits ebenfalls als R-Sprache verhält21. Schließlich sei noch auf die Problematik der Teilakkulturierung hingewiesen, wie ich den Fall bezeichnen möchte, der immer dann eintritt, wenn eine bereits voll ausgebildete Kultursprache durch einen von außen 18

20

!1

Cf. beispielweise F O B B E S T , Chinese, K a p . X I I (Contemporary Trends and Problems of Chinese, S. 239-248) ; Zdenka Hermanová-Novotná, Coinage and Structure of Economic Terms in Modern Chinese, in A S I A N , 45-77; AIXETON, Terminologie. Dieses außerordentlich aktuelle und sehr komplexe Thema kann hier nur gestreift werden. Cf. z . B . R I C E , Study; F I S H M A N , Language Problems; D E S E R I E V , Problemy. F ü r die spezielle Problematik des Arabischen als einer alten, aber erstarrten und heutigen Ansprüchen an Universalität nicht mehr gewachsenen Kultursprache cf. M O N T E I L , L'arabe moderne; ö u b r ä n H a l ü ö u b r ä n , Mustaqbal al-lugat al-'arabiyya, in: Ö U B B Ä N , Magmü'a, 554-562. Cf. zum Türkischen die ausgezeichnete und umfassende Darstellung von STEUEBWALD,

Untersuchungen.

9

kommenden challenge dazu angeregt wird, sich neue Bereiche hinzuzugewinnen und so ihre Universalität und/oder Komplexität zu erweitern. Dieser Prozeß kann sich im Laufe der Entwicklungsgeschichte einer Sprache immer wieder abspielen, so daß manche Kultursprachen schließlich die verschiedensten Einflüsse in sich aufnehmen und verarbeiten können. Ein Prototyp hierfür ist das Hebräische, das im Verlauf seiner langen Geschichte auf Grund der Diaspora der sie sprechenden Gemeinschaft mit einer solchen Vielzahl von Sprachen und Kulturen in Berührung gekommen ist und auf Grund einer jahrhundertelangen, eifrigen Übersetzungstätigkeit so viele Elemente in sich aufgenommen hat wie kaum eine andere Sprache22. Ob der Begriff der Akkulturierung, der hier entwickelt worden ist und der ja inchoativ-punktuellen Charakter trägt, für die Darstellung und Beschreibung solcher iterativer oder gar durativkontinuativer Vorgänge ein geeignetes Instrument ist, müßte anhand detaillierter Einzeluntersuchungen überprüft werden. Ich möchte in dieser Arbeit den Ausdruck Teil-Akkulturierung bei Bedarf im Sinne jeweils einmaliger Vorgänge verwenden, die strukturell mit denen der Grund-Akkulturierung vergleichbar sind, aber historisch nach ihr liegen. Ein quantitativ wie qualitativ besonders bedeutsamer Fall ist die Rezeption des Buddhismus in China. Das Chinesische hat sich durch die Übersetzung riesiger Textsammlungen aus dem Pali und dem buddhistischen Sanskrit (teilweise durch die Vermittlung noch weiterer Sprachen) einen neuen, wichtigen Bereich erschlossen und dadurch seine Universalität beträchtlich erhöht23. Auch die oben schon angedeutete Problematik der Fortentwicklung alter Kultursprachen durch westlichen Einfluß könnte unter den Begriff der Teil-Akkulturierung subsumiert werden : große Mengen von Texten philosophischer, wissenschaftlicher und technischer Natur mußten und müssen tagtäglich in Sprachen wie das Arabische, das Hindi, das moderne Chinesische, das Japanische usw. aus den modernen europäischen Sprachen übersetzt werden, was einerseits die Übersetzer vor äußerst komplizierte Probleme stellt, aber andererseits die betreffenden Sprachen in einem bis dahin kaum gekannten Ausmaß bereichert. 1.2.1. Nach dieser allgemeinen Einführung in den Begriff der Akkulturierung müssen nun zunächst die sprachlichen Mechanismen, die hierbei eine Rolle spielen, genauer untersucht werden. Das Sprachmodell, das hier zugrunde gelegt werden soll, geht von der Grundidee der Generativen Semantik aus, nach der nicht mehr, wie in der Generativen Transformationsgrammatik mit interpretativer Semantik-Komponente (dem sogenannten Standard-Modell), die Syntax die 82 23

STEINSCHNEIDER, Hebräische Übersetzungen. Einen sinnfälligen Ausdruck findet diese Bereicherung in dem klassischen Wörterbuch von SOOTHILL, Dictionary.

10

Eingabestruktur darstellt, sondern in der vielmehr die Ebene der semantischen Repräsentationen als Basis-Komponente angenommen wird. Diese Grundvorstellung, nicht ihre Ausgestaltung im einzelnen, wird von vielen der heute maßgeblichen Schulen der Linguistik geteilt ; nach meiner Auffassung stellt sie den adäquatesten Ansatz zur Erfassung des Wesens der Sprache dar. Es gilt demnach folgendes Grundprinzip: auf einer universalen (das heißt, außereinzelsprachlich zu definierenden) Ebene semantischer Tiefenstrukturen werden semantische Repräsentationen erzeugt, die durch eine Serie von Transformationen oder Derivationen in (einzelsprachliche) Oberflächenstrukturen überführt werden. Gleich an dieser Stelle möchte ich eine terminologische Konvention einführen, die dazu führt, daß die durch umfangreiche theoretische Diskussionen und wiederholte Um- und Neudeutungen stark vorbelasteten Termini Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur vermieden werden34. In seinen Arbeiten zur Erstellung einer applikativ-generativen Grammatiktheorie hat Saumjan das der Biologie entnommene Begriffspaar Genotyp (beziehungsweise genotypische Sprache) und Phänotyp (beziehungsweise phänotypische Sprache) als die in seiner Theorie den amerikanischen Begriffen Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur entsprechenden Analoga geprägt. Da ich hier nicht die Saumjansehe Theorie als Ganzes adaptiere, möchte ich dieses Begriffspaar nicht unmittelbar übernehmen. Ich verwende im folgenden die Termini G e n o s t r u k t u r und P h ä n o s t r u k t u r mit den dazugehörigen Adjektiven genisch und p h ä n i s c h . Diese Ausdrücke verbinden den Vorteil der Prägnanz mit dem leichter Übersetzbarkeit; sie bringen außerdem den grundlegend generativen Charakter der »Tiefenstruktur« (γενέσθαι) ebenso zur Geltung wie die empirische Beobachtbarkeit (φαίνεσθ-αι) der »Oberflächenstruktur«. Hiermit ergibt sich als grundlegendes Schema einer sprachlichen Äußerung das folgende Bild : Genostruktur

9

Derivation Phänostruktur

ό (1)

Dieses Modell soll auf Grund seiner Form e i n f a c h e s I - M o d e l l heißen. Es stellt nur den Bereich der Sprache dar und geht nicht darüber hinaus ; insbesondere sei festgelegt, daß die Ebene der Phänostruktur sich nicht " Mich stört, nebenbei bemerkt, an diesen Begriffen auch, daß sie räumliche Vorstellungen evozieren, die mit den üblichen graphischen Darstellungen in Widerspruch stehen: die Tiefenstruktur ist oben, die Oberflächenstruktur unten! (Cf. beispielsweise FUNKKOLLEG, 2, 8 1 - 8 2 EBNETEB, Strukturalismus, 2 2 8 - 2 5 4 usw.).

11

auf die akustisch-artikulatorische Substanz, sondern nur auf die Form des Ausdrucks bezieht, also auf ein Analogon des Saussureschen signifiant.

Man kann nun dieses Modell in drei Richtungen weiterentwickeln, die ich respektive E r w e i t e r u n g , S p e z i f i z i e r u n g und A u s b a u nennen will. Das erweiterte I-Modell bezieht den Bereich der außersprachlichen, aber durch Wahrnehmung und Bewußtsein erfaßbaren Wirklichkeit mit ein, das heißt also die Substanz des Inhalts und die Substanz des Ausdrucks : auf der einen Seite das Denotatum (thing, referent, außersprachliche Realität, auszudrückender Sachverhalt) oder, genauer gesagt, dessen vor jeder Sprache liegende mentale Abbildung; auf der anderen Seite die physikalisch faßbare Realität der konkreten sprachlichen Äußerung, sei sie nun akustisch-artikulatorisch als phonische oder optisch-motorisch als graphische Substanz gegeben. Es hat also folgende Gestalt: eine außersprachliche Eingabestruktur (beispielsweise ein Sachverhalt) wird auf der genischen Ebene semantisch repräsentiert, wobei hierauf die allen Einzelsprachen vorausliegenden allgemeingültigen Gesetze des menschlichen Denkens einwirken; an dieser Stelle wäre in dem System also auch Platz für den Chomskyschen Begriff der innate ideas, sofern man seinen Hypothesen zustimmt 25 . Durch eine Serie von näher zu bestimmenden Derivationen wird diese Basisstruktur in eine Struktur der phänischen Ebene umgewandelt; auch diese Ebene wird von universalen Bedingungen bestimmt, nämlich von außereinzelsprachlichen Gesetzen der Phonetik2". Das Ergebnis sind konkrete Äußerungen einer Einzelsprache. Mit dem Symbol für die Beziehung der Bedingtheit genischer und phänischer Strukturen durch Universalien ergibt sich folgendes Bild : Denotatum

£

Genostruktur

Q {

I Uni Versalien 1

Derivation Phänostruktur Äußerung

i

O
E2 gilt, daß Denotandum und Denotatum identisch sind (Modell (5)). Automatisch ist dann auch das Denotandum von Si identisch mit dem Denotatum von Es, das heißt, der Endempfänger (der Adressat der Übersetzung) hat den vom Anfangssender intendierten Sinn vollkommen verstanden. Schematisch läßt sich dies so darstellen :

Beim Übersetzer wirkt die Ausgabestruktur des ersten Teilaktes Si -> Ei gleichzeitig als Eingabestruktur des zweiten Teilaktes S2 -> E2. Im Idealfall muß die Identität von Ddi und Dti, die ohnehin gegebene von Dti und Dd2 sowie schließlich die Identität von Dd2 und Dt2 zur Identität von Ddi und Dt2 führen, also:

In der Identitätsrelation zwischen Ddi, Dti/Ddä und Dt2 liegt die Invarianzbeziehung der Übersetzung. Dieser Idealfall kann durch Störungen an jeder beliebigen Stelle unterbunden werden; des Ergebnis ist immer die Nicht-Identität von Ddi und Dt2. Man kann unterscheiden zwischen zufälligen und systematischen Störungsquellen. Zufällige Störungsquellen resultierten aus Faktoren, die beim Hören und Verstehen einer jeweiligen Äußerung eine Rolle spielen, also Elemente wie : mangelhafte Kodierung von Ddi durch Si auf Grund ungenauen Denkens oder nachlässiger Formulierung; Störung des außersprachlichen Übertragungskanals, wodurch die Phänostruktur bei Si und 84

Cf. beispielsweise 18

AXBBECHT,

Übersetzung,

23FF.

Ei verschieden wird ; mangelhafte Dekodierung oder falsche Bezugnahme auf Dti bei Ei ; schließlich dieselben Faktoren auch im zweiten Teilakt des W-Modells. Diese Faktoren sind im Prinzip beim einfachen Kommunikationsakt (V-Modell) die gleichen wie bei der Übersetzung (W-Modell); jedoch wirkt der längere Weg, der bei der Übersetzung zurückgelegt werden muß und die größere Zahl von Stellen, an denen potentielle Störungsquellen ansetzen können, in dem Sinne, daß die Wahrscheinlichkeit von Störungen größer ist als bei der einfachen Kommunikation. Systematische Störungsquellen sind im Gegensatz hierzu all jene Faktoren, die unmittelbar aus den paradigmatischen Gegebenheiten des Kodes resultieren. Sie bestehen darin, daß auf die Entstehung einer phänischen Struktur aus einer genischen die spezifischen paradigmatischen Gegebenheiten des Kodes einwirken in der Weise, daß auf der phänischen Ebene deutliche, jeweils sprachspezifische Verschiebungen gegenüber der genischen zu beobachten sind. Auf der Seite der Kodierung sind solche Verschiebungen allein schon dadurch möglich, daß die Unendlichkeit möglicher Denotanda durch den Filter der endlichen paradigmatischen Inventaríen des Kodes getrieben werden muß, so daß in jedem Fall zwischen genischem input und phänischem output eine mehreindeutige Beziehung besteht36. Man kann zwar davon ausgehen, daß sich die Bedeutung auf der semantischen Ebene der Genostruktur in atomare Grundeinheiten3® zerlegen läßt, die als solche außereinzelsprachlich definiert und mithin als universal postuliert werden; es ist jedoch von erheblicher Bedeutung, in welcher Weise diese »Atome« zu »Molekülen« oder noch größeren Einheiten kombiniert sind. Entscheidend ist nämlich die paradigmatische, dem einzelnen Sprechakt immer vorausliegende Natur des Kodes : die »Atome« werden nicht in erster Linie im jeweiligen Kommunikationsakt zu höheren Komplexen verbunden, vielmehr ist für den jeweiligen Sprecher eine ziemlich weitgehend paradigmatisch und daher jeweils einzelsprachspezifisch vorgegebene Kombinationsstruktur obligatorisch, wenn er zu mitteilbaren syntagmatischen Phänostrukturen gelangen will. Diese paradigmatischen Vorgegebenheiten haben ihr eigenes Gewicht, das genau in dem Sinne prägend auf den Kodierungsvorgang einwirkt, als eben ein Ganzes (etwa eine sprachspezifisch gebundene Lexikoneinheit) immer mehr ist als die Summe seiner Teile (etwa außereinzelsprachlich definierter semantischer »Atome«37). Cf. dieselbe Behauptung u . a . auch bei Gruber, in SEUBEN, Generative Semantik, 83. 3* Sei es, daß man hierbei an eine Noematik im Sinne Hegers oder an die »semantischen Primen« der generativen Semantik denkt. 37 Man vergleiche hierzu die in anderem Zusammenhang gemachte Bemerk u n g Chomsky's, wonach »das, was man glaubt, bemerkt etc. nicht nur 35

19

Man kann also sagen, daß der Kode einer Einzelsprache die Form spezifiziert, die ein möglicher, durch universale Gesetzmäßigkeiten bereits auf genischer Ebene vorstrukturierter Inhalt Ddi auf der phänischen Ebene annehmen kann. Diese prägende Wirkung spielt bei der Kodierung eines Denotands ebenso eine Rolle wie bei der Dekodierung, die ja nie von dem ursprünglichen Denotand ausgeht, sondern stets von der einzelsprachlichen Vermittlung durch die Phänostruktur. Wenn aus diesem Grunde die Herstellung einer Identitätsbeziehung zwischen Denotand und Denotat schon im einfachen Kommunikationsvorgang (V-Modell) meistens nur approximativ möglich ist, potenziert sich diese Problematik noch bei der Übersetzung. Der Übersetzer ist zunächst Empfänger ; er geht also, wie eben schon gesagt, nicht von einem ursprünglichen Denotand aus, sondern von jenem Denotat, das er aus den durch die einzelsprachlichen Gregebenheiten von Li determinierten phänischen Endketten rekonstruiert, »verstanden« hat ; erst das so vorgeprägte Denotat wird für ihn zur Grundlage der Rekodierung mit Hilfe eines zweiten Systems L2. Es ist sehr leicht möglich, daß ein eventuell bereits vorhandener Unterschied zwischen Ddi und Dti auf diese Weise beim Übergang zu Dt2 noch vergrößert wird. Bei der Analyse der so entstehenden Störungsquellen kann man syntagmatisch und paradigmatisch vorgehen. Die syntagmatische Analyse untersucht, an welchem Punkt im Prozeß der Kodierung, De- und Rekodierung die Störung ansetzt und was sie im Resultat bewirkt, das heißt in welchem Ausmaß Ddi und Dt2 durch die Einwirkung der Störung divergieren. Die paradigmatische Analyse setzt hingegen bei den systematischen Divergenzen zwischen den beiden beteiligten Kodes Li und L2 an und versucht deren potentielle Bedeutung als Störfaktoren in einem auf Übersetzung beruhenden kommunikativen Prozeß anzugeben; ihre Folie ist daher eine kontrastive Strukturanalyse der Kodes Li und L2. Zur schematischen Darstellung der möglichen Störfaktoren eines Übersetzungsvorgangs möchte ich auf das nach oben wie nach unten erweiterte Kommunikationsmodell (5) zurückgreifen und dabei noch eine Notation einführen, nach der — einen durch zufällige Faktoren, —I—y einen durch systematische Faktoren gestörten Kodierungs- bevon der Aussage abhängt, die ausgedrückt wird, sondern auch von einigen Aspekten der Form, in der diese Aussage ausgedrückt wird« (zu dem Beispiel »John's uncle« gegen »the person who is the brother of John's mother or father or the husband of the sister of John's mother or father«, C H O M S K Y , Studies, 8 5 ; cf. auch S E U R E N , Generative Semantik, 2 6 - 2 7 ) ; cf. zu dem ganzen Problem auch I M M L E E , Generative Syntax, 2 0 2 : »Wir wissen, daß . . . die »Ebene« der Wörter . . . gegenüber der Semantik eine gewisse Autonomie besitzt.«

20

ziehungsweise Dekodierungsverlauf bezeichnet. Es ergibt sich folgendes Bild: Denotat Genostruktur Derivation

1 1. ε 2 J

Phänostruktur Äußerung

^

3

$

7

J

3 3 -

T

8

I

¿ f — U -

V

v

J 7

^

·

12

r .

π

10 (0)

Dieses Modell zeigt die zwölf Stellen, an denen potentielle Störungen des Kommunikationsverlaufs durch Übersetzung ansetzen können. Zwecks einfacher Referenz sind sie durchnumeriert. Dargestellt sind nur die potentiell möglichen syntagmatischen Störungen. Die systematisch-paradigmatischen Störfaktoren sind in diesem Modell nicht direkt darstellbar; sie müssen mit Hilfe der Abbildung kontrastiver Strukturanalysen und der hierbei auftretenden systematischen Divergenzen zwischen Li und L2 symbolisiert werden. Wenn man nun versucht, die Prinzipien der Akkulturierung mit Hilfe dieses Übersetzungsmodells darzustellen, so konstatiert man, daß hierbei in erster Linie die systematischen Divergenzen zwischen S-Sprache und R-Sprache auf der zentralen (zweiten) Ebene der Derivation eine Rolle spielen, das heißt also, die paradigmatischen Kontraste in den Bereichen Lexikon und Syntax. Auf Grund dieser Kontraste kommt es zur Ausgangssituation der Akkulturierung : der Aporie des Übersetzers, der ein mittels der S-Sprache Li ausgedrücktes Denotat »verstanden« hat, dem aber in seiner Sprache L2 keine geläufigen, üblicherweise realisierten paradigmatischen Mittel zur Verfügung stehen, um das Denotand des so »verstandenen« Inhalts für einen Empfänger der R-Sprache zu rekodieren. Dieser Mangel wirkt als systematische Störungsquelle an der Stelle (8) im Modell (9). Das Bedürfnis, dem Mangel abzuhelfen und so die Störungsquelle zu beseitigen, wirkt als Herausforderung auf die sprachschöpferische Kraft des Übersetzers, entweder die in Ls vorhandenen, aber bis dahin latenten Möglichkeiten in Analogie zu den in Li beobachtbaren Phänostrukturen auszubauen oder aber neue Möglichkeiten überhaupt erst zu schaffen. Bevor nun diese Aporie und ihre Überwindung näher untersucht werden kann, muß zunächst noch genauer geklärt werden, wie die Begriffe Syntax und Lexikon hier verstanden werden und wie ihre gegenseitigen Beziehungen und Wechselwirkungen beschaffen sind. Hierfür soll nun eine Theorie entwickelt werden, welche die oben angestellten Überlegungen zu einer Spezifizierung des I-Modells weiter 21

verfolgt und sie im Hinblick auf konkrete, im Zusammenhang mit der Akkulturierung beobachtbare Phänomene, von denen im empirischen Teil die Rede sein wird, ausbaut. Ihre Aufgabe ist es, bestimmte Aspekte der Interdependenz von Syntax und Lexikon mit Hilfe des Begriffs der Transposition in den Griff zu bekommen. 1.2.2.1. Die Basiselemente des Lexikons als paradigmatisch.es Inventar sind die semantischen »Atome« (Noeme, semantische Primen), in die auf der Ebene der Genostruktur das außersprachliche Denotandum zerlegt wird. Diese Kategorie ist formal und weitgehend auch substantiell den Universalien zuzurechnen. Die Atome werden nun in jeweils sprachspezifischer Form gebündelt und so zu den Kernen der späteren Lexeme verschmolzen ; man könnte postulieren, daß sich dieser Vorgang auf der ersten Derivationsebene abspielt. Der output dieser Ebene bestünde demnach aus bedeutungstragenden, hinsichtlich ihrer syntaktischen Verwendbarkeit aber noch nicht näher spezifizierten Komplexen, die ich Proto-Lexeme nennen möchte. Auf diese Komplexe werden nun auf der zweiten Derivationsebene die generativ formulierbaren Erzeugungsregeln des eigentlichen Lexikons angewendet, wie sie beispielsweise Saumjan mit Hilfe des Mechanismus des Wortgenerators beschrieben hat38. Das Ergebnis sind die nun auch syntaktisch markierten Grundeinheiten des Lexikons, die Lexeme, deren hervorstechendes Charakteristikum die Abwesenheit eines die Assertion ausdrückenden Elementes ist, gleichgültig, wie komplex und »satzähnlich« sie ihrer inneren Struktur nach ansonsten auch sein mögen. Die im Verlauf des jeweiligen Kodierungsprozesses stattfindende Auswahl eines bestimmten Lexems zur Einfügung an einer bestimmten Stelle in der Kette erfolgt nach den Bedingungen der anderen auf dieser Ebene einwirkenden Komponente: der Syntax. Das konstitutive Element der axiomatischen Grundkategorie der Syntax, des Satzes, ist die Assertion38. In Analogie zu dem vom Lexikon entworfenen Bild kann man sich nun vorstellen, daß die genische Repräsentation des paradigmatischen Systems der Syntax aus »Elementarteilchen« besteht, die mit Hilfe von Grundbegriffen wie Term und Prädikat dargestellt werden können. Auf der ersten Derivationsebene könnte man die Einwirkung eines Faktors ansetzen, der in Analogie zur Bündelung semantischer Atome auf der Seite des Lexikons eine Hierarchisierung von Kernsatzgruppen möglich macht, etwa durch das Prinzip der Assertionsblockierung40 und 38

SAUMJAN, Lingvistika,

246-280.

3

* Cf. etwa die Definition von Signemen des Ranges R 8 bei HEGEB, Monem, 2 7 5 - 2 7 9 u n d 2 9 2 - 2 9 4 ; siehe a u c h KUBCZAK, Intension,

40

62-72.

Zu diesem Begriff siehe HEGEB, Monem, 273f. Außer acht bleiben soll hier die Thema-Rhema-Problematik. Vermutlich ist die Einwirkung einer dementsprechend wirkenden Komponente ebenfalls auf einer so frühen

22

durch die Bereitstellung hypotaktisch-hierarchisch aufgebauter Satzmodelle. Auf der zweiten Derivationsebene könnte dann jener transformationeile Regelapparat angesetzt werden, der diese Hierarchisierung im einzelnen regelt und Ketten produziert, die mit Hilfe der morphonologischen Komponente in phänische Ketten überführt werden. Ausgehend von diesem Modell der beiden komplementären paradigmatischen Systeme Lexikon und Syntax kann man nun den Begriff der Transposition einführen. Ich übernehme den Ausdruck von Bally, der ihn meines Wissens als erster gebraucht hat 41 . Ungefähr synonym verwendet Tesnière den Ausdruck »translation«42, den ich aber trotz der von ihm vorgebrachten Argumente 43 für weniger gut halte, insbesondere wegen der Suppletivität von lat. ferre, die zu gewissen Ungeschicklichkeiten bei den terminologischen Ableitungen führt, und wegen der Homophonie mit engl, translation. Vom Inhaltlichen her nehme ich jedoch die viel komplexere und weiter ausgebaute Theorie von Tesnière zur Grundlage. Analoge Ideen finden sich in der Theorie des Wortgenerators von

Saumjan14. Der Grundgedanke ist bei Saumjan wie bei Tesnière der, daß es eine gewisse Zahl syntaktisch definierter Kategorien für semantisch »volle« Wörter gibt 46 (das heißt für »Lexeme« im Sinne von Baldingers terminologischer Festlegung 46 ) und daß semantisch definierte Bedeutungskerne in mehr als eine dieser Kategorien überführt werden können. Hierbei unterscheiden sich die beiden Ansätze dadurch voneinander, daß Tesnière implizit davon ausgeht, daß ein Bedeutungskern quasi »von Natur aus« einer bestimmten Kategorie zugeschrieben ist und dann erst von dieser grundlegenden, inhärenten Kategorie aus in eine andere übertragen wird, während Saumjan von dem abstrakten Begriff des leeren Semions ausgeht, auf das erst Relatoren angewandt werden müssen, damit kategorial bestimmte Einheiten entstehen. Trotz unbestreitbarer Vorteile des Tesnièreschen Ansatzes, die vor allem darin liegen, daß er

41 42 43 44

46

Derivationsstufe anzusetzen. Cf. hierzu u.a. H E G E R , Monem, 2 8 7 - 2 9 1 und vor allem die Konversionsregel Saumjans, die auch auf einem sehr frühen Stadium einsetzt (SAUMJAN, Philosophie, 108f.). B A L L Y , Linguistique, 116FF. T E S N I È R E , Éléments, 361ff. T E S N I È B E , Éléments, 3 8 3 . S A U M J A N , Lingvistika, 264ff. Die Unterscheidung »leerer« und »substantieller« Wörter, die auf die chinesische Grammatikterminologie zurückgeht (xü ci gegen shi ei, cf. D B A G U N O V , Issledovanija, 7 - 8 ) , findet sich u.a. bei T E S N I È R E , Éléments 53-54.

46

Cf. B A L D I N G E R , Teoria, 3 8 . Die Unterscheidung von Lexem und Morphem entspricht der terminologischen Konvention von Martinet; Pottier und, ihm folgend, Heger ziehen stattdessen die Unterscheidung Lexem vs. Grammem vor (HEGER, Monem, 79f).

23

die naive Intuition des Sprachbenutzers widerspiegelt, nach der ein semantischer Komplex natürlicherweise einer bestimmten Wortart zugeordnet ist und seine Verwendung in jeder anderen Wortart als abgeleitet empfunden wird, möchte ich hier vom Saumjanschen Modell ausgehen, das sowohl stärker formalisiert als auch universaler anwendbar ist. Vor allem ist der Begriff des leeren Semions (Saumjan meint mit »leer« »frei von syntaktischen Markierungen«, nicht etwa »semantisch leer«) für die Einfügung in das skizzierte Sprachmodell sehr gut geeignet : er läßt sich unschwer mit dem hier vorgeschlagenen Begriff des Protolexems zusammenbringen. In der Definition und Exemplifizierung der Kategorien besteht zwischen beiden Autoren bemerkenswerte Übereinstimmung. Bei Saumjan wie bei Tesnière werden sie rein funktionell-syntaktisch definiert, ohne einen Seitenblick auf semantische oder morphologische Kriterien. Insofern unterscheiden sie sich deutlich von der traditionellen Einteilung in Wortarten, die teils semantische teils morphologische Kriterien mit den syntaktischen Eigenschaften vermengt und daher oft unzureichend ist47. Wenn man nun von den vier Kategorien oder Wortklassen ausgeht, die den Theorien von Saumjan und Tesnière gemeinsam sind (Saumjan fügt noch eine fünfte hinzu, die der ad-adjektivischen Adverbien48, was im Zusammenhang dieser Arbeit aber außer Betracht bleiben kann 4 '), nämlich den primären Klassen der Verben und Substantive sowie die im Sinne der Dependenzgrammatik diesen untergeordneten Klassen der Adjektive (Ad-Substantive) und Adverbien, so kann man gemäß den obigen Ausführungen die Notationen von Saumjan und Tesnière in folgender Weise zueinander in Beziehung setzen : dem ersten Ableitungsakt 50 des Wortgenerators bei Saumjan entspricht bei Tesnière die einfache Einführung der Lexeme 51 mit ihrer jeweiligen inhärenten Markierung, da Tesnière etwas dem leeren Semion O Äquivalentes, wie dargelegt, nicht kennt. 47

48

49

50 51

Cf. zu diesem Problemkomplex etwa auch die Ansatzpunkte der modernen chinesischen Grammatiker, deren kontroverse Auffassungen bezüglich der Bestimmung der Wortarten im Neuchinesischen (referiert u.a. in K U A N , Grundregeln, 39-51) insofern von besonderer Bedeutung sind, als im Chinesischen als einer »isolierenden« Sprache manche Aspekte deutlicher zutage treten als in den komplexeren flektierenden Sprachen des indoeuropäischen oder semitischen Typus. Im Nachwort des Übersetzers W. Girke zu SATJMJAJT, Lingviatika, 472, wird auf die Gründe hingewiesen, die Saumjan 1964 dazu veranlaßt haben, diesen fünften Relator einzuführen. Unter anderem deshalb, weil dem Arabischen, dessen Struktur im Hauptteil dieser Arbeit im Vordergrund steht, ad-adjektivische Adverbien so gut wie unbekannt sind. Cf. die Darstellung der Takte bei S A U M J A J S T , Lingvistika, 266-270. Die Einführimg dieser Notation und deren Begründung findet sich bei T E S N I È B E , Éléments, 6 4 .

24

Saum jan

RIO

R20

R3O

R4O

Tesnière

I

O

A

E

Verb

Substantiv

Adjektiv

Adverb

traditionell (annähernd)

Der zweite Ableitungstakt des Wortgenerators ist demnach der »translation simple« äquivalent. RIRIO -

R 2 RIO I > 0 R3R10

RIR 2 0

R1R3O

R1R4O

0 > I

A > I

E > I

R2R2O -

R3R2O

R2R3O

R2R4O

A > 0

E > 0

R3R3O

I > A

0 > A

R4R1O

R4R2O

R4R3O

I > E

O > E

A > E

-

R3R4O E > A R4R4O -

In genau entsprechender Weise kann man den dritten Ableitungstakt des Wortgenerators und die »translation double«, den vierten Ableitungstakt und die »translation triple« und so fort als äquivalent betrachten und entsprechend tabellarisch darstellen. Die grundlegenden Schwierigkeiten dieses Transpositionsmechanismus liegen nun in zweierlei : erstens darin, wie die Ausgangssymbole definiert werden und zweitens darin, wie der Mechanismus in den Gesamtzusammenhang der Sprache eingefügt ist. Beide Fragen hängen miteinander zusammen und können nur gemeinsam beantwortet werden. Die Ausgangssymbole sind in beiden Fällen die Kategorien beziehungsweise Wortklassen Substantiv, Verb, Adjektiv und Adverb, die, wie schon erwähnt, rein syntaktisch definiert werden. Diese syntaktische Definition hat den Vorteil, daß dadurch eine Begriffsverwirrung infolge der Vermengung mehrerer Kriterien vermieden werden kann 52 ; jedoch bleiben entscheidende Nachteile bestehen, die darin liegen, daß diese Begriffe einen vom herkömmlichen Wortgebrauch sehr stark abweichenden Bedeutungsbereich erhalten und daß die Grenzen der morphologisch Ein typisches Beispiel für die Vermengung morphologischer und semantischer Kriterien ist etwa das folgende : »Die Wortarten unterscheiden sich durch die besondere Weise, in der sie an der sprachlichen Erschließung der Welt teilnehmen, und durch das Vorhandensein oder das Fehlen einer Formenwelt.« (DUDEN, Grammatik, 64.)

25

definierbaren Wortklassen verschwimmen, obwohl ihnen zweifellos eine linguistische Realität entspricht. Beispielsweise verteilt sich, nach den Formulierungen von Saumjan, die herkömmliche Klasse der Substantive auf die Kategorien RiO, R2O, R3O und R4O53. Zur Behebung dieses Nachteils nun hat R. Conrad einen Lösungsvorschlag unterbreitet, der den Rahmen des generativ applikativen Modells nicht verläßt". Seine Vorstellungen basieren auf der Einführung eines zweiten Symbols P, das identisch mit dem R-Symbol indiziert wird; es entstehen somit zwei verschiedene Generierungsmechanismen, von denen der erste (mit R-Symbolen im oben referierten Sinn operierende) die herkömmlichen, morphologisch definierten Wortklassen generiert, während der zweite (der mit analogen P-Symbolen arbeitet) die entsprechenden syntaktischen Kategorien erzeugt. Das von Girke gegen diesen Vorschlag angeführte Gegenbeispiel55 scheint mir nicht überzeugend, doch ist es zweifellos richtig, wenn er die mit einer genauen Explizierung entsprechender Transformationsregeln verbundenen Probleme als äußerst komplex und von einer befriedigenden Lösung noch weit entfernt bezeichnet. Im Vorgriif auf eine solche, erst noch auszuarbeitende Transformationstheorie möchte ich die von Conrad modifizierten Saumj ansehen Notationen wegen ihrer leichten Handhabbarkeit zur vereinfachten Darstellung lexikalisch-syntaktischer Interdependenzen in dieser Arbeit verwenden. Zur Vermeidung terminologischer Ambiguitäten sollen hierbei die Termini Substantiv, Verb, Adjektiv und Adverb nur die mit Hilfe des R-Relators erzeugten Klassen bezeichnen, während die durch den PRelator generierten Klassen respektive Aktant, Prädikat, Adaktant und Adpiädikat56 heißen sollen. Tabellarisch kann man die Beziehung zwischen den so festgelegten Notationen und Terminologien folgendermaßen festhalten57 : Symbol

RiO

R20

R3O

R4O

Bezeichnimg

Verb

Substantiv

Adjektiv

Adverb

Hierbei ist festgelegt, daß, im Unterschied zu Schema (10), die durch den R-Relator generierten Objekte Wortklassen angehören, die ausschließlich morphologisch definiert werden. 63 54

56 5e

57

IAngvistika, 270/271. Verhältnis. Girke in: S A U M J A N , IAngvistika, 478. Diese letzteren Termini sind den in SATJMJAN, Philosophie, 175 verwendeten Ausdrücken Termdeterminator und Prädikatdeterminator wegen ihrer leichteren Ableitbarkeit vorzuziehen. Der Deutlichkeit halber sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ich hier keineswegs den gesamten Apparat des Applikativ-Generativen Modells übernehme, sondern nur gewisse Notationsweisen in modifizierter Form. SATJMJAN, CONBAD,

26

Symbol Bezeichnung

(RiO)Pi

(RiO)P 2

(RiO)Ps

(RiO)P 4

Prädikat

Aktant

Adaktant

Adprädikat

Hierbei ist festgelegt, daß die durch den P-Relator generierten Objekte Kategorien angehören, die ausschließlich syntaktisch definiert werden. Durch diese Trennung von morphologischer und syntaktischer Klassifizierung wird eine Präzisierung der Terminologie erreicht, die bei Saumjan selbst und ebenso bei Tesnière auf Grund der ambigen Verwendung der Termini Verb, Substantiv usw. im Sinne sowohl von Schema (12) als auch von Schema (13) nicht gegeben ist. Mit Hilfe der Applikation von Generierungstakten wie dem in (11) dargestellten auf die Elemente von (12) werden morphologische Wortbildungsprozesse dargestellt, die als Anfangs- und Endpunkte jeweils verschiedene Vokabeln im Sinne von Heger68 haben. Hingegen werden mit Hilfe von (13) syntaktische Prozesse darstellbar wie beispielsweise die funktionalen Änderungen, die aus einem Substantiv mittels eines obliquen Kasus ein »Adverb« oder ein »Adjektiv« (im Sinne Saumjans und Tesnières) machen; Anfangs- und Endpunkte der hiermit dargestellten Prozesse können also unter anderem verschiedene Flexionsformen einer Vokabel sein68. Die grundsätzliche Verschiedenheit beider Prozesse, die bei Tesnière und Saumjan verschleiert wird, kommt in dieser Notation sehr gut zum Ausdruck. Wie aus den obigen Andeutungen bereits hervorgeht, handelt es sich bei dieser Unterscheidung um das gleiche Problem, das Heger in Zusammenhang mit der Einführung der Begriffe »Flexionsform«, »Vokabel« und »Wort« angeschnitten hat und das sich auf die Unterscheidung von aszendent zu definierenden Wortklassen und deszendent zu definierenden Satzteilen bezieht60. Meiner Ansicht nach reicht jedoch die von Heger andeutungsweise vorgeschlagene Lösung einer getrennten Klassifizierung von Vokabeln (/* Wortarten) und Flexionsformen { / Satzteilen) für die hier in Frage stehende Problematik der Transposition unter anderem deshalb nicht aus, weil in ihr nicht zum Ausdruck kommt, daß ein bestimmtes Semem nicht automatisch einer bestimmten Wortklasse angehört, sondern daß vielmehr für ein Semem unter mehreren zur Verfügung stehenden Wortklassen gewählt werden kann und daß diese Auswahl beim jeweils aktuellen Prozeß der Erzeugung syntagmatischer Ketten im Hinblick auf die auf der anderen Seite des Derivationsmodells gewählte syntaktische Struktur erfolgt. In diesem Sinne kann hier nun eine Antwort auf die zweite der oben Siehe die Definition der Einheit des Ranges " Siehe die Definition der Einheit des Ranges Cf. H E G E R , Monem, 87-90. 58

Σ3' ; HEGER, Σ 3 ; HEGER,

Monem, 85f. Monem, 85.

27

erwähnten Schwierigkeiten bei der Ausformulierung des Transpositionsmechanismus versucht werden : er ist in den Gesamtzusammenhang der Sprache eingefügt, einerseits durch die unmittelbare Verknüpfung seiner Elemente mit der ersten Derivationsebene auf Grund des »leeren Semions« 0, das man mit dem hier vorgeschlagenen Begriff des Proto-Lexems identifizieren kann ; und andererseits durch die auf seine Elemente ausgeübte Wirkung des Relators Ρ, mit Hilfe dessen die Brücke zu der ebenfalls auf der zweiten Derivationsebene einwirkenden syntaktischen Komponente geschlagen wird. Die Verbindung zu der dritten Derivationsebene ist schließlich durch die morphologische Markierung der mit Hilfe von R (Modell (12)) erzeugten Elemente, die ja morphologisch definiert sind, ohnehin gegeben. Wenn man nun doch die oben skizzierte mögliche Spezifizierung einer Herleitung des paradigmatischen Systems der Syntax auf der zweiten Derivationsebene mit einbezieht, kann man die bis jetzt eingeführten Begriffe in folgender Weise in das einfache, nicht erweiterte und nicht ausgebaute I-Modell einbauen (wobei der Übersichtlichkeit halber die Abbildung des syntagmatischen Kodierungsprozesses weggelassen wird) : Genostruktur

1. Derivations ebene

2. Derivationsebene

3. Derivationsebene

semantisehe Atome

atomare Satzformen

Bündelung semantischer Atome zu Proto-Lexemen

Bündelung atomarer Satzformen

LexikonKomponente : Wirkimg von R

Lexikosyntaktische Komponente : Wirkung von Ρ

Syntaktische Komponente

morphonologische Komponente

Phänostruktur (14)

Auf der Ebene der Phänostruktur kann es keine paradigmatische Komponente mehr geben, da diese Ebene nur noch die formale Darstellung (type im Gegensatz zu token) der auf Grund der paradigmatischen Komponenten gebildeten syntagmatischen Ketten repräsentiert. Es sei nochmals betont, daß insbesondere die Darstellung auf der Seite der Syntax nicht mehr sein will als die Absteckung eines möglichen Rahmens für erst noch auszuführende syntaktische Theorien. Mit Hilfe dieses Beschreibungsapparats ist es nun möglich, die Phäno28

mene der Transposition genauer darzustellen. Zunächst ist aus der den Modellen (12) und (13) gemeinsamen Indizierung deutlich, daß zwischen den duich den Relator R und den durch Ρ generierten Objekten mit gleichem Index eine gewisse Affinität besteht, die man so ausdrücken kann: »natürlicherweise« wird ein Substantiv als Aktant, ein Verb als Prädikat, ein Adjektiv als Adaktant und ein Adverb als Adprädikat verwendet. Entsprechendes gilt für Substantive usw., die in einem zweiten oder höheren Generierungstakt erzeugt worden sind. Das bedeutet, daß auf einer primären Stufe die Indices des P-Relators und des am weitesten links stehenden R-Relatorsidentisch sind, also beispielsweise (RïO)P2 oder (R3RIR20)P3. Die Mittel, die dazu verwendet werden, um ein Proto-Lexem für eine ganz bestimmte syntaktische Verwendung brauchbar zu machen, sind also zunächst einmal morphologischer Natur: die Brauchbarmachung erfolgt mittels der Applikation des Relators R. Der Begriff der Transposition bezieht sich auf dieser Stufe darauf, daß die Ergebnisse primärer morphologischer Ableitung, das heißt, der einmaligen Applikation von R auf das Proto-Lexem O, weiter abgeleitet werden können durch mehrfache Applikation von R. Man kann von einfacher, zweifacher, . . . n-facher R-Transposition sprechen, um die Vorgänge RtO, RjRiO, R n . . . RjRiO zu beschreiben. Die einfache R-Transposition steht hierbei insofern auf einer anderen Stufe, als sie die Ableitung von Lexemen aus Proto-Lexemen, also den Übergang von der ersten zur zweiten Derivationsebene bewirkt, während die mehrfache R-Transposition innerhalb der zweiten Derivationsebene bleibt und Lexeme aus Lexemen ableitet. Bei einem Vergleich mit der Terminologie Tesnières wird deutlich, daß die einfache R-Transposition in seiner Theorie keinen Platz hat, da er von den Elementen I, Ο, A, E als gegebenen Größen ausgeht ; erst die mehrfache R-Transposition entspricht teilweise dem, was Tesnière als »translation du premier degré« (simple, double . . .) bezeichnet. In der Terminologie Saumjans entspricht die einfache R-Transposition dem ersten Arbeitstakt des Wortgenerators, die n-fache dem n-ten Takt, wobei in seinem Modell, wie erläutert worden ist, weder der Stufenübergang bei der ersten R-Transposition noch die grundsätzlichen Unterschiede der R- und P-Transposition zum Ausdruck kommen. Bei der Applikation des Relators Ρ kann man nun entsprechend dem oben Gesagten unterscheiden zwischen konformer und nicht-konformer P-Transposition, wobei sich diese Arten dadurch unterscheiden, daß im einen Falle die Indizierung des am weitesten links stehenden Relators R mit der von Ρ übereinstimmt, im anderen nicht. Die konforme P-Transformation besteht bei der einfachen R-Transposition also beispielsweise darin, daß ein Verb in ein Prädikat (durch finite Verbaffixe) oder ein Substantiv in einen Aktanten (durch aktantielle Kasusaffixe wie Nominativ oder Akkusativ) verwandelt wird: eine 29

Einheit RiO wird zu einer Einheit (RiO)Pi. Für mehrfache Transposition gilt Entsprechendes. In der nicht-konformen P-Transkription wird, bei einfacher R-Transposition, beispielsweise ein Substantiv in einen Adaktanten (durch adaktantielle Kasusaffixe wie den Genitiv) oder ein Verb in einen Aktanten (durch Infinitivaffixe) umgewandelt: eine Einheit RiO wird zu einer Einheit (RiO)Pj, wobei wiederum für mehrfache R-Transpositionen Entsprechendes gilt. Einige Beispiele sollen dieses abstrakte Schema illustrieren. Mit Hilfe dieses zweistufigen Systems wird es erstmals möglich, den Unterschied zwischen der Aktantisierung von Verben mit Hilfe von Nominalisierung und von infinitiven Verbindungen wie dem Infinitiv zu unterscheiden: asp. començamiento wäre demnach als R2R1O zu interpretieren (was dann in konformer P-Transposition zu (R2RiO)P2 weitergeleitet werden kann), während das entsprechende començar als (RiO)P2 erscheint. Eine nicht-konforme P-Transposition ist immer dann unumgänglich, wenn durch mit Pi konforme Endrelatoren Ri erzeugte Lexeme zu einem gegebenen Proto-Lexem OA nicht zur Verfügung stehen ; so kann man im Französischen zwar gleichermaßen sagen (le peuple) de Paris wie (le peuple) parisien ((R20)P3 beziehungsweise (R3R20)P3), jedoch ist im Falle von (le livre) de Pierre nur die nicht-konforme P-Transposition (R20)Pe möglich, da ein konformes Adjektiv (RsR20)P3 zwar systemimmanent im Französischen möglich wäre (z.B. *pierrien), aber als eine den einzelnen Sprechakt vorgegebene paradigmatische Lexikoneinheit nicht vorhanden ist. Übrigens spielt die hier deutlich werdende Unterscheidung von dem System nach möglichen, der Norm nach aber nicht realisierten R-Transpositionen bei der Akkulturierung eine große Rolle ; hiervon wird später noch die Rede sein. An dieser Stelle sei nun ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine Beschreibung dieser Phänomene ohne die Einbeziehung des Coseriu'schen Normbegriffs nicht möglich ist 61 . In dem hier interessierenden Zusammenhang kann man die lexikalische Norm definieren als die Menge der aus einem Protolexem de facto R-transponierten Lexeme, während das System die morphologisch in bezug auf die jeweilige Sprache spezifizierte Wirkungsweise der Regeln der R-Transposition beschreibt. Es ist eine empirisch feststellbare, vermutlich universale Tatsache, daß die generative Kapazität dieser Regeln weit größer ist als die Quantität der realisierten Einheiten der Norm 62 . 61 β2

CosERiu, Sistema. Cf. hierzu u.a. auch den Ansatz von M. D . Stepanowa, die für die Beschreibung der Wahrscheinlichkeit von systemimmanent möglichen Ableitungen den Begriff der inneren Valenz einführt (Die »innere Valenz« des Wortes und das Problem der linguistischen Wahrscheinlichkeit, in: H E L B I G , Beiträge, 1 3 3 - 1 4 2 ) .

30

E i n drittes Beispiel, die prädikative Verwendung v o n Substantiven, ist besonders instruktiv in Sprachen, die normalerweise keine K o p u l a verwenden 8 3 , wie etwa Arabisch oder Russisch. I n einem Satz ohne phänisch realisierte temporal-deiktische Elemente wie dem russischen ja student wird das Substantiv student (R2O) ohne morphologische oder sonstige Veränderung als Prädikat verwendet: (R20)Pi. W e n n m a n diesen Vorgang als »Translation eines Substantivs in ein Verbum« 64 bezeichnen würde oder einfach die so entstehenden Prädikate der Klasse der Verben zuordnet, wie S a u m j a n es explizit tut 6 5 , k a n n dies nur zur totalen Begriffsverwirrung führen. Eine Aufspaltung des v o n Protolexemen z u m Satzteil führenden Transpositionsvorgangs in die Einwirkung eines R - R e lators und eines P-Relators ist daher unerläßlich. W e n n m a n nun versucht, diesen Beschreibungsapparat auszudehnen in R i c h t u n g auf eine mehrfache P-Transposition, so stellt man fest, d a ß die hiermit erfaßten Tatsachen nicht mehr a d ä q u a t beschrieben werden können ohne eine Einbeziehung des aus der syntaktischen K o m p o n e n t e stammenden Begriffs der Dependenz 6 6 ; die mehrfache P-Transposition f ü h r t somit notwendigerweise einen weiteren Schritt v o m L e x i k o n weg hin zur S y n t a x . Man k a n n diese Einbeziehung durch Verwendung einer Klammerschreibweise erreichen, wobei festgelegt wird, d a ß die innerhalb eines Klammerausdrucks stehenden P-Relatoren gemäß ihrer Indizierung in Dependenzrelation zueinander stehen. Hierbei gilt, d a ß P i sowohl P2 als auch P4 dominiert, während P2 nur P3 dominieren kann. Schematisch : Pi

/ P3

P2

/

\

P4

(15)

E i n in dieser Weise auf den Prämissen der Dependenzgrammatik aufbauendes Modell zeigt eine fundamentale Asymmetrie. W e n n man eine S y n t a x voraussetzt, in der »Subjekt« und »Prädikat« einander gleichgeordnet sind, wie dies beispielsweise in der Chomsky'schen Linguistik der F a l l ist, so ergäbe sich folgendes Schema : 63

64

45 68

Cf. zu diesem Problemkreis die Reihe »The Verb >be< and its synonyms«, die mittlerweile die Verhältnisse in einer recht großen Zahl v o n Sprachen darstellt (Dordrecht, 1967ff.). Diese Ausdrucksweise wäre dem System Tesnières konform, obgleich er selbst sie nicht verwendet ; inkonsequenterweise behandelt er diesen wichtigen Fall nicht im Rahmen seiner Translationstheorie (cf. T e s n i è r e , Éléments, 156 und 471). Cf. Saumj a n , Lingvistika, 271. Eine allgemeine Einführung in die Dependenzgrammatik mit weiterführender Bibliographie findet sich u.a. bei E b n e t e b , Strukturalismus, 175-192.

31

Pi—P2

(16)

I IP3

P4

Da ich jedoch in dieser Arbeit die mir aus vielen Gründen zutreffender scheinende GrundVorstellung der Dependenzgrammatik zugrunde lege, soll im folgenden nur Schema (15) gelten". Auf Grund der Isomorphie von Klammerschreibweise mit Baumgraphen ist hiermit der P u n k t erreicht, an dem die entstehenden Ausdrücke unter Hinzufügung der konstitutiven Elemente der Syntax, wie Assertion und Assertionsblockierung, in syntaktische Strukturen überf ü h r t werden können. Hierbei wird festgelegt, daß die Möglichkeit einer Assertion an das Vorhandensein eines Elementes mit dem Relator P i gebunden ist, oder umgekehrt ausgedrückt, daß das syntaktische Element der Assertion auf Seiten der lexikalischen Komponente die Bereitstellung einer entsprechenden, mit P i als am weitesten rechts stehenden Relator versehenen Einheit erfordert. Entsprechend kann man sagen, daß eine auf seiten der Syntax erforderliche Assertionsblockierung die Bereitstellung von Einheiten erforderlich macht, deren am weitesten rechts stehender P-Relator nicht P i ist. So können beispielsweise die vom Lexikon bereitgestellten Elemente (17)

professeur arriv R 2 0 RiO

zunächst durch Einwirkung des P-Relators zu den konform P-transponierten Elementen (18)

le professeur arrive (R 2 0)P 2 (RiO)Pi

umgewandelt werden; hier steht eine Einheit mit P i als am weitesten rechts stehenden P-Relator zur Verfügung; ein von der Syntax bereitgestelltes Modell der Form (19)

(...(XO)Pi)S,

wobei S f ü r die Applikation des Assertionsrelators steht, kann somit unmittelbar die lexikosyntaktischen Einheiten (18) aufnehmen: (20)

le professeur arrive ((R 2 0)P 2 (RiO)PI)S

Wenn nun die Aktantisierung des Ausdrucks (20) deshalb erforderlich wird, weil er einem anderen Assertionsrelator untergeordnet werden soll, muß eine Assertionsblockierung eintreten, das heißt, es muß verhindert werden, daß der am weitesten rechts stehende P-Relator als P i indiziert 67

Cf. zur Begründung der Vorrangstellung des Verbs beispielsweise die Ausführungen v o n TESNXÈBE, Éléments,

32

103-105.

ist. Dies kann nun prinzipiell in dreifacher Weise geschehen: entweder mit Hilfe des R-Relators oder mit Hilfe einer nicht-konformen Transposition oder mit Hilfe eines P-Relators der zweiten Stufe. Wenn man den R-Relator anwendet, ergibt sich automatisch folgende Konsequenz : da die Dependenzbeziehung von Pi und P2 in (20) auch bei einer entsprechenden Umwandlung erhalten bleiben muß, verändert sich nach der Umwandlung von Pi in P2 der Ausdruck P 2 zwangsläufig in P3. Das allgemeine Schema einer Assertionsblockierung eines Ausdrucks wie (20) mit Hilfe des R-Relators sieht also so aus : (21)

(R 3 R 2 0)P 3 (R 2 RiO)P 2

Nun ist es eine Frage des Lexikons der jeweiligen Einzelsprache, ob zu einem gegebenen Proto-Lexem OA die zweifachen Transpositionen (R2O) -> (R3R2O) beziehungsweise (RiO) -> (R2R1O) in lexikalisch vorgegebener Form bereitstellen. Dies ist im hier gewählten Beispiel nur bei (R2R1O) der Fall : arriv- -> arrivée. Eine Transposition der Art professeur -»- *professeurien ist nicht gegeben; das Adjektiv professoral enthält zusätzlich zu den semantischen Elementen des Proto-Lexems von professeur noch weitere Elemente, die es für eine Verwendung in diesem Zusammenhang unbrauchbar machen. Die hier auftauchende, sehr komplexe Frage der zusätzlichen semantischen Markierungen von mehrfach R-transponierten Lexikoneinheiten läßt sich mit Hilfe allgemeiner Regeln nicht erfassen ; die Markierungen sind für jede Einheit spezifisch. Das Problem soll momentan hier nicht weiter verfolgt werden. Im obigen Beispiel jedenfalls muß für die Unterordnung des (R 2 0)P2 le professeur unter ein auf der gleichen Stufe stehendes Element (R2R1O) P2 auf die Möglichkeit der nicht-konformen P-Transposition rekurriert werden, die das (RaO)P3 du professeur ergibt. Wenn man nun bei der Notation die lineare Anordnung der späteren phänischen Elemente nicht berücksichtigt, sondern vereinbart, daß dependente P-Elemente immer links, dominante jedoch immer rechts stehen, ergibt sich l'arrivée du professeur (22)

(R 2 0)P 3 (R 2 RiO)P 2

zum Beispiel in dem Satz »L'arrivée du professeur nous surprit«. Von der Hypotaxe durch einfache nicht-konforme P-Transposition wird später noch die Rede sein. Zunächst soll die mehrfache P-Transposition behandelt werden. Die Anwendung des P-Relators der zweiten Stufe ist das, was Tesnière treffend als »translation du second degré« bezeichnet und mit Hilfe der Symbole > oder < notiert hat 68 . Sie ergibt folgendes : 68

TESNIÈRE,

Éléments, 543fF.

33

(23)

que le professeur arrive ((R 2 0)P 2 (RiO)PI) P 2 ,

zum Beispiel in dem Satz »Je crois que le professeur arrive«. Die internen Relationen des assertierbaren Ausdrucks (18) bleiben also erhalten, nur sorgt die Anwendung des P-Relators auf den ganzen Ausdruck für eine Assertionsblockierung, so daß der Ausdruck (20) als Aktant in einem untergeordneten Satz verwendbar wird. Es sei nun nochmals auf die oben angeschnittene Frage der »zusätzlichen semantischen Markierungen« durch R-Transposition eingegangen. Das Problem ist von Bally sehr klar gesehen und formuliert worden ; er unterscheidet eine »transposition fonctionelle«, zum Beispiel glace - glaciaire, sang - sanguin, von einer »transposition sémantique«, zum Beispiel glace - glacial, sang - sanglant™. Es ist deutlich, daß die »transposition fonctionelle« eine die Bedeutung vollständig bewahrende mehrfache RTransposition aus einem primär aus O transponierten Lexem einer gegebenen Wortklasse ist, die deswegen durchgeführt wird, damit eine konforme P-Transposition stattfinden kann, während die »transposition sémantique« den allgemeinen semantischen Gehalt eines gegebenen ProtoLexems in einer jeweils wortklassenspezifischen Weise umformt. Diese Umformung läßt sich zwar nicht im Detail vorausbestimmen und in entsprechende Regeln fassen; jedoch gibt es offensichtlich gewisse ganz allgemeine Kategorien, die die Wortklassen auch semantisch prägen 70 und die bewirken, daß der allgemeine semantische Gehalt eines Proto-Lexems unter bestimmten, jeweils wortklassenspezifischen Aspekten gesehen wird. Für die Klassen RiO bis R3O kann man approximativ sagen, daß eine primäre R-Transposition von 0 in die Kategorie des Verbs den semantischen Komplex O eher als Vorgang oder Zustand, eine Transposition zum Substantiv hingegen eher als Entität oder Gegenständlichkeit im weitesten Sinne und eine Transposition zum Adjektiv eher als eine Qualität erscheinen läßt. Es empfiehlt sich daher, immer dann, wenn eine »transposition sémantique« im Sinne Bally's vorliegt, die so entstandenen Einheiten als primär aus O abgeleitete Elemente zu betrachten, die den Gehalt des jeweiligen Proto-Lexems in ganz allgemein durch die Wortklassen gefärbter Weise widerspiegeln. So könnte man sanguin und glaciaire als R3R2OA/B, sanglant und glacial hingegen als R3OA/B schreiben. Die spezifische Art und Weise, in der diese Widerspiegelung geschieht, ist, das sei nochmals betont, von Lexem zu Lexem verschieden. ·· B a i l y , Linguistique, 116. Diese allgemeine semantische Prägung darf keinesfalls verwechselt werden mit der exakten morphologischen Definition ! Durch die Mischung dieser grundverschiedenen Elemente ist, wie schon gesagt, in der traditionellen Grammatik oft eine beklagenswerte Begriffsverwirrung entstanden. 34

I n diesem Sinne kann man beispielsweise die Relationen zwischen den folgenden Ausdrücken sinnvoll so notieren:

(24)

la noche comienza ((R 2 O B )P 2 (RIOA) PI) S el comienzo de la noche (RSOB) Pa (R 2 O A )P 2 el comenzamiento de la noche (R 2 0B)P 3 (R 2 RIO a )P 2

Zur weiteren Verwendbarmachung dieses Transpositionsmodells ist es unerläßlich, das Phänomen der Valenz wenigstens bis zu einem gewissen Grade explizit zu machen. Ich beziehe mich hierbei auf eine Fassung des Valenzmodells, wie es etwa in den Arbeiten von Heibig vorgetragen wird 71 . Wesentlich ist hierbei, daß die von Tesnière getroffene, noch nicht genügend klare Unterscheidung von octant und circonstant genauer gefaßt ist und, mit Bezug auf das Chomsky'sche Standard-Modell, neu formuliert wird als Unterscheidung von (obligatorischen oder fakultativen) Aktanten, deren Zahl und Art jeweils durch die dem Verb immanente Valenz determiniert wird und deren Elimination nur unter bestimmten, mittels Transformationsregeln genau angebbaren Bedingungen erfolgen darf, und freien Angaben, deren Zahl und Art nicht festgelegt ist und die höchstens semantischen (Selektions-)Restriktionen unterliegen. In der hier vorgeschlagenen Notationsweise entsprechen die durch den Relator P 2 transponierten Elemente den (obligatorischen oder fakultativen) Aktanten, während die durch P4 erzeugten Einheiten freie Angaben darstellen. Da die Valenz eine den einzelnen Verballexemen innewohnende Potenz darstellt, muß sie bei der Ableitung von Verben aus dem Proto-Lexem mittels des Relators Ri zum Ausdruck gebracht werden. Von den drei bei Heibig genannten Stufen der Beschreibung von Valenz72, nämlich der quantitativen, qualitativen und semantisch-kontextuellen Festlegung der Aktanten, ist im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit nur die erste, allenfalls gelegentlich die zweite von Interesse. Daher soll hier dem an dieser Stelle sich eröffnenden Problem einer außereinzelsprachlich definierten Kasusgrammatik und der Überführung universaler in einzelsprachliche Kasuskategorien nicht nachgegangen werden 73 . Bei der ersten Stufe der Beschreibung von Valenz, die sich ähnlich auch schon bei Tesnière findet, kann man rein numerisch einen ersten, 71

72 73

Ich beziehe mich hierbei besonders auf HELBIG/SCHENKEL, Valenz und HELBIG, Beiträge. Cf. jetzt auch SCHUMACHER, Verbvalenz sowie SCHUMACHER, Valenzlexikon. HELBIG, Beiträge, 38-39. Cf. z . B . FILLEMOBE, Case; HEGEB, Monem,

7 8 - 7 9 ; SAUMJAN,

Philosophie,

44—46. In SAUMJAN, Philosophie, 99ff. findet sich ein erster Versuch zu einer expliziten Überführung universaler in einzelsprachliche Kasus.

35

zweiten und dritten Aktanten unterscheiden 74 . Sie sollen hier durch entsprechende Indizierung des Aktanten erzeugenden Relators P2 angedeutet werden: P£, P 2 , Pjj oder 1 P 2 , 2 P 2 , 3P2, je nachdem, auf welches Verballexem der Aktant bezogen ist. Die Bedingung der Möglichkeit des Auftretens solcherart indizierter Aktanten ist durch die jeweils lexemspezifische Zahl der Leerstellen 76 gegeben, die ein Verb um sich herum eröffnet. Da die Valenz also an das einzelne Lexem gebunden ist, muß sie beim R-Relator indiziert werden; man kann somit schreiben: RJO f ü r einwertige, RJ 2 0 f ü r zweiwertige und R* 23 0 f ü r dreiwertige Verben. Es zeigt sich nun, daß die Valenz als die K r a f t des Verbs, dependente Elemente an sich zu binden, auch bei zweifacher deverbaler R-Transposition nicht verloren geht; eine gewisse Abschwächung manifestiert sich allerdings darin, daß die Aktanten eines in dieser Weise mehrfach R-transponierten Verbs häufig nur noch fakultativ sind. Wenn auch meist nicht mehr als Zwang, sondern nur noch als Möglichkeit, bleibt dennoch die aktantenbindende Potenz des Verballexems im Prinzip erhalten. Wenn man dementsprechend das Phänomen der Nominalisierung mit Hilfe dieser Notationsweise symbolisiert, erkennt man Regularitäten, die mit Hilfe anderer Betrachtungsweisen weniger deutlich zutage treten. Man kann davon ausgehen, daß die Passiv-Transposition als identisch indizierte R-Transposition bei gleichzeitiger Verringerung der Valenz um einen Aktanten darstellbar ist. So läßt sich beispielsweise ein Satzpaar wie »Der Lehrer bewundert den Kanzler« und »Der Lehrer wird von den Schülern bewundert«, so notieren : (25)

((R20)P22 (R20)P2I (RI120)PI) S ((R20)P41 (R20)P22 (RI2RI120)PI) S

I n dieser Notation wird deutlich, daß unmittelbare aktantielle Dependenz sich nur auf den am weitesten links stehenden oberen Valenzindex des Ri-Elements beziehen kann : a u f 1 und 2 im Aktiv, nur noch a u f 2 im Passiv. Die Beziehungen des Aktanten P 1 zu dem entsprechenden Valenzindex des primär R-transponierten Verbums läßt sich nicht mehr unmittelbar aktantiell abbilden, da das Verb sekundär weiterentwickelt wurde ; eine entsprechende Explizierung ist nur noch fakultativ als freie Angabe (Adprädikat) möglich: PJ. Das gleiche gilt f ü r dreiwertige Verben, wie sich an den Beispielsätzen »Der General übergibt die Stadt dem Feind« und »Die Stadt wird dem Feind vom General übergeben« unschwer ablesen läßt : 74

Cf. die Termini prime octant, second octant und tiers octant bei TESNIÈBE,

Éléments, 108. Die Frage, ob es vierwertige Verben gibt, kann nur empirisch beantwortet werden. Ich gehe von den Thesen von TESNIÈBE, Éléments, 258 und SAUMJAN, Philosophie, 76

47 aus, daß die Dreiwertigkeit

die oberste Grenze darstellt ; cf. jedoch Abramow in : HELBIG, Beiträge, 57f. Dieser Ausdruck kommt in noch vager Form bereits bei BÜHLES, Sprachtheorie, 173 vor.

36

(26)

((R 2 0)P 2 3 (R 2 0)P 2 2 ( R 2 0 ) P 2 1 (Ri 1 2 3 0)PI) S ((R20JP4 1 ( R 2 0 ) P 2 3 (R 2 0)P 2 2 (Ri 2 3 Ri 1 2 3 0)Pi) S

Auch, hier ist aktantielle Beziehung nur auf die Valenzindices des am weitesten links stehenden Ri-Relators möglich, während die Bezugnahme auf ein P2* des primär R-transponierten Verbs nur mittels eines Adprädikats möglich ist, das mit anderen freien Angaben wie zum Beispiel »gestern«, »überraschenderweise«, »in aller Heimlichkeit« syntaktisch auf einer Stufe steht. Analoge Resultate erhält man, wenn man die Ausdrücke in (25) und (26) »nominalisiert«, das heißt, wenn man Pi mit Hilfe konformer P-Transposition in P 2 verwandelt, um eine Assertionsblockierung zu erzielen. Gemäß den obigen Ausführungen müssen in einem solchen Fall die bislang von Pi aktantiell abhängigen Elemente P2* von dem neuen P 2 abhängig gemacht werden, also in mit P3 versehene Elemente verwandelt werden. Nun haben Aktanten ihrerseits aber keine Wertigkeit nach Art der Verbvalenz ; sie können, ohne Zuhilfenahme von Junktoren, die hier nicht zur Debatte stehen, jeweils nur ein dependentes Pe-Element (Adaktant) der gleichen Art dominieren ; in gewissem Sinne kann man sagen, daß sie stets monovalent sind; eine Ausdrucksweise, die nur im übertragenen Sinne verstanden werden darf; denn, grundsätzlich anders als beim Verb, ist die sogenannte »Valenz« des Substantivs nicht prädeterminiert7®. Nun wirkt in P 2 -Elementen, die in sich ein plurivalentes Ri-Element bergen, die ursprüngliche Valenz dieses Ri-Elementes nach. Man kann diese Wirkung mit der eines Magneten vergleichen, dessen ursprüngliche, stark wirkende Anziehungskraft in dem von ihm angezogenen Gegenständen in geschwächter Form weiterwirkt. Diese beiden Faktoren, die prinzipielle »Monovalenz« jedes P 2 -Elements und das Fortwirken der ursprünglichen Ri-Valenz auch nach der Aktantisierung führt zu dem Ergebnis, daß jeweils einer der ursprünglichen Verbalaktanten unmittelbar von dem P 2 -Element dominiert wird, während die übrigen als »freie Angaben« zu dem P 2 -Aktanten hinzutreten, als wäre dieser ein Prädikat. Es entsteht also die etwas paradoxe Situation, daß ein P 2 -Element (Aktant) ein P4-Element (Adprädikat) syntaktisch dominiert. Die Transposition der Sätze in (25) und (26) in assertionsblockierende Aktanten soll diese allgemeinen Angaben illustrieren. Die Aktantenkomplexe »die Bewunderung des Lehrers für den Kanzler« und »die Bewunderung des Lehrers durch die Schüler« lassen sich so notieren : (27)

(R 2 0)P 4 2 (RÜO)Ps1 (R 2 RI 1 2 0)P 2 ( R 2 0 ) P 4 1 (R 2 0)P 3 2 (R 2 Ri 2 RI 1 2 0)P 2

" Die Unterscheidung von prädeterminierter u n d nicht prädeterminierter Valenz im Zusammenhang mit einer weiter gefaßten Valenztheorie als es die von Heibig ist, findet sich bei Abramow, i n : HBLBIO, Beiträge, 51-66.

37

I m Falle von (26) kann man jedoch nur sagen »die Übergabe der Stadt an den Feind durch, den General«, da eine Nominalisierung vom Aktiv aus (Ri 1 2 3 0 —>• R 2 R i 1 2 3 0 ) im Deutschen lexikalisch nicht gegeben ist. Symbolisch : (28)

( R 2 0 ) P 4 I ( R 2 0 ) P 4 3 (RIIONS 2 ( R 2 R I 2 3 R I 1 2 3 0 ) P 2

Ein Fall, in dem die Nominalisierung vom Aktiv aus ebenso möglich ist wie vom Passiv aus, ist etwa »Der Lehrer teilt den Schülern einen Sachverhalt mit«, symbolisch : (29)

((R20)P23 (R20)P22 (R20)P2I (RI1230)PI) S

Die Notation der beiden hiervon möglichen Nominalisierungen soll nochmals einige grundlegende, in diesem Teil der Arbeit nur zu skizzierende Regularitäten der Transposition (RIO) -> (R2RIO) verdeutlichen. Man kann entweder sagen »die Mitteilung des Lehrers (von dem Sachverhalt) ((an die Schüler))« (30)

( R 2 0 ) P 4 3 (RI!«})?.! 2 ( R 2 0 ) P 3 1 ( R 2 R I 1 2 3 0 ) P 2

oder »die Mitteilung des Sachverhalts (durch den Lehrer) ((an die Schüler))« (31)

( R 2 0 ) P 4 3 ( R 2 0 ) P 4 ! (RIIONS 2 ( R 2 R I 2 3 R I 1 2 3 0 ) P 2

wobei die Klammern jeweils auf abnehmende Okkurrenzwahrscheinlichkeit wegen geringer werdender Akzeptabilität hinweisen sollen. Diese geringer bis minimal werdende Akzeptabilität der P 4 -Ergänzungen weist darauf hin, daß die »magnetische« K r a f t der Verbvalenz, die implizit in dem P 2 -Komplex vorhanden ist, mit der Entfernung von eben diesem Komplex abnimmt, so daß die Dependenz adprädikativer Komplexe von einem Aktanten im Grenzfall kaum mehr akzeptabel ist. Der unmittelbar zu dem P2-Komplex gehörende Adaktant P3 hingegen ist in jeder Hinsicht vollkommen akzeptabel. Er kann sich, wie ersichtlich immer nur auf den am weitesten links stehenden Valenzindikator des am weitesten links stehenden Ri-Relators beziehen. Auf die Frage der Einwirkung eines Konversionsoperators, der bei identischen Protolexemen O jeweils verschiedene RiO-Lexeme generiert, je nach der Anwendung ihrer Aktanten, kann hier nicht eingegangen werden, da dies eine Spezifizierung des Verhältnisses von genischen und phänischen Kasuskategorien voraussetzen würde ; eine solche Spezifizierung würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit bei weitem übersteigen". Wenn man n u n zum Abschluß dieser Überlegungen zu den Grundlagen einer möglichen Transpositionstheorie nochmals die Frage der Hypotaxe überdenkt und die Arten von Hypotaxe zu klassifizieren versucht, so ergibt sich zunächst die folgende Definition: Hypotaxe liegt 77

Cf. hierzu die Ausführungen zum Konversionsoperator in SAUMJAN,

Philosophie, 48ff. und 92ff. 38

immer dann vor, wenn ein assertionsfähiger Komplex, das heißt ein Komplex mit Pi als am weitesten rechts stehendem Relator, mit Hilfe von Transpositionsmechanismen assertionsblockiert und dadurch einem dominanten Pi-Komplex subordinierbar gemacht wird. Man kann nun hierbei unterscheiden einerseits nach der Transpositionsmethode und andererseits nach dem Transpositionsergebnis, wie es sich in dem am weitesten rechts stehenden P-Relator des untergeordneten Komplexes ausdrückt. Hinsichtlich der Methode kann, wie oben gezeigt worden ist, unterschieden werden zwischen konformer und nicht-konformer einstufiger Transposition sowie mehrstufiger Transposition. Die Hypotaxe setzt immer ein potentiell assertierbares Element voraus, im allgemeinen also einen Kern mit dem Relator Ri 7 8 ; eine konforme einstufige Transposition, die erreichen will, daß keine Prädikation mittels Pi zustande kommt, muß daher auf der Stufe des R-Relators ansetzen und das primär aus O generierte Lexem in eine Wortklasse ohne prädikative Potenz überführen. Schematisch (32)

(XO)Pi

(RiXO)Pi,

wobei i Φ 1 ist. Die allgemeine Form mit einem indefiniten X wurde gewählt, um im Prinzip auch jene Fälle nicht auszuschließen, die a) mehrfach R-transponiert sind, wie etwa abgeleitete Verben, und b) nur auf Grund nicht-konformer P-Transposition prädikabel sind, wie zum Beispiel Substantive in bestimmten Sprachen. Die spezifische Form für den Normalfall nicht abgeleiteter Verballexeme wäre (33)

(RiO)Px ->. (RiRiO)Pi.

Da mit dieser Methode Lexeme (Vokabeln im Sinne von Heger 79 ) erzeugt werden, kann m a n von l e x e m i s c h e r H y p o t a x e sprechen. Die nicht-konforme einstufige Transposition läßt den vorhandenen (XO)-Komplex unverändert und verwandelt nur den Pi-Relator in einen Relator Pi(i Φ 1) (34)

(ΧΟ)Ρχ

(XO)Pi,

oder, im Fall des nicht abgeleiteten Verbums, (35)

(RiO)Pi

(RiO)Pj.

Da in diesem Fall Flexionsformen im Hegerschen Sinne80 erzeugt werden, scheint es sinnvoll, von m o r p h e m i s c h e r H y p o t a x e zu sprechen. Die Hypotaxe durch mehrstufige Transposition schließlich sieht allgemein so aus (36)

(XO)Pi

( . . .(XOJPjJP!

" Es gibt allerdings auch Sprachen, in denen Assertion durch nicht-konforme P-Transpositionen eines Komplexes mit Ri (i = 1) erzielt wird; cf. das oben gegebene russische Beispiel ja student. 70 H E G E R , Monem, 8 6 . 80 H E G E R , Monem, 8 5 .

39

wobei j = 1/2/3/4 und i = 2/3/4; die Spezialform wäre : (37)

(RIO)PI ^

(. . . ( R I O ) P I ) P I .

Da hierbei Satzbegriffsformen bzw. spezifizierte Satzbegriffsformen entstehen81, möchte ich den Terminus p h r a s e m i s c h e H y p o t a x e vorschlagen. In all diesen Notationen ist die interne Struktur eines eventuell vorhandenen, durch Pi dominierten Komplexes nicht berücksichtigt. Hinsichtlich ihres Ergebnisses kann man die Hypotaxen einteilen in solche, die zu Aktanten, zu Adaktanten und zu Adprädikaten führen. Hierfür können die Kurztermini A k t a n t i s i e r u n g , A d a k t a n t i s i e r u n g und A d p r ä d i k a t i s i e r u n g verwendet werden. Die allgemeinen Schemata sind für die Aktantisierung (38)

ZPI

Z'P2,

für die Adaktantisierung (39)

ZPI

Z'P3

und für die Adprädikatisierung (40)

ZPI

Z'P4,

wobei jeweils Ζ für den ursprünglichen prädikativen Komplex, Z' für den durch eine der drei Transpositionsmethoden umgewandelten Komplex steht. Aus all dem Gesagten ergibt sich für die Klassifizierung möglicher Hypotaxen das folgende kreuzklassifikatorische Schema : lexemische Aktantisierung (XO)PI

(R2XO)P2

morphemische Aktantisierung (XO)PI

(XO)P2

phrasemische Aktantisierung (XO)PI

((XO)PI)P2

lexemische Adaktantisierung

morphemische Adaktantisierung

phrasemische Adaktantisierung

(XO)PI

(XO)PI

( X O ) P I -H- ( ( X O ) P I ) P 3

(R3XO)P3

(XO)P3

lexemische Adprädikatisierung

morphemische Adprädikatisierung

phrasemische Adprädikatisierung

(XO)PI

( X O ) P I -> ( X O ) P 4

(XO)PI

(R4XO)P4

((XO)PI)P4

(45)

1.2.2.2. Ich lasse nun auf diese Umrisse einer möglichen Transpositionstheorie einige allgemeine Ausführungen zu Stellung und Leistung der Transposition im Gesamtzusammenhang der Sprache sowie zu den in der 81

HEGER, Mortem, 217 bzw. 273f. Eine ähnliche Klassifizierung von Hypotaxen findet sich bei Milewski, Les équivalences des phrases composées indoeuropéennes dans les langues américaines, in: MILEWSKI, Etudes, 102-106; cf. auch MILEWSKI, Introduction, 177f.

40

Sprache der Wissenschaft beobachtbaren transpositionellen Besonderheiten folgen; diese Ausführungen stellen den Zusammenhang der bisher entwickelten Sprachtheorie zu den eingangs formulierten Thesen zur Akkulturation her. Eine Sprache ist u m so leistungsfähiger, als Instrument eines differenzierten Denkens u m so einsatzfähiger, je höher ihr Transpositionsmechanismus ausgebildet ist. Transpositionen aller Art ermöglichen es, einen bestimmten semantischen Komplex mit einer bestimmten sprachlichen Form in solchen Zusammenhängen zu verwenden, in welche diese ursprüngliche sprachliche Form, in die der semantische Komplex gegossen wurde, nicht hineinpaßt. Transpositionen eröffnen die Möglichkeit, auf allen sprachlichen Rängen einen einmal sprachlich gefaßten Gedanken je nach Bedürfnis immer wieder umzuschmelzen und f ü r stets wechselnde Kontexte verwendbar zu machen. Auf diese Weise trägt der Transpositionsmechanismus entscheidend dazu bei, die Sprache zu einem flexiblen Werkzeug zu machen, das dem Gang eines immer wieder neu ansetzenden Denkens sich immer neu anzupassen imstande ist. Diese Bedeutung der Transposition f ü r die Bedürfnisse des Denkens und der Kommunikation ist von ihren Entdeckern klar gesehen und beschrieben worden. So heißt es bei Charles Bally: » . . . à montrer quel rôle immense la transposition joue dans nos langues. Cantonnés dans leurs catégories de base, les signes offriraient de médiocres ressources aux multiples besoins de la parole. C'est grâce aux échanges intercatégoriels que la pensée s'affranchit, que l'expression s'enrichit et se nuance« 82 . Gougenheim schreibt: »Ce sont les usurpations de cette nature qui enrichissent les moyens d'expression d'une langue et lui permettent de s'adapter aux formes complexes de la pensée«83. Schließlich widmet Tesnière ein ganzes Kapitel seiner Éléments dem Thema »Rôle et importance de la translation«. Es heißt da unter anderem: »La translation a pour effet, sinon pour but, de résoudre la difficulté qui surgit pour le sujet parlant lorsqu'il s'est engagé dans une phrase de structure donnée et qu'il se voit obligé, en cours d'élocution, d'employer à l'improviste u n mot relevant d'une catégorie qui n'est pas directement connectable avec un des mots de la fraction de phrase déjà énoncée. Du point de vue de son rôle et de son utilité dans la phrase, la translation est donc le phénomène qui rachète les différences de catégories et permet de mettre sur pied n'importe quelle phrase en transformant n'importe quelle espèce de mot en n'importe quel autre. . . . La translation est ainsi le phénomène qui permet de réaliser n'importe quelle structure de phrase en se jouant des catégories de base, c'est-à-dire des espèces de mots fondamentales« 84 . 82

BAIXY, Linguistique,

83

Gougenheim, Le »nous« de solidarité et de substitution, in: Revue de Philologie Française 1933, p. 117; zitiert nach TESNIÈRE, Éléments, 383.

81

TESNIÈRE, Éléments,

126.

365.

41

Es ist demnach offensichtlich, daß die allgemeine Entwicklung der verschiedenen Transpositionsmechanismen für die Erweiterung der Ausdrucksfähigkeit einer Sprache von höchster Bedeutung ist. Wenn man nun die oben eingeführten Begriffe der Komplektisierung und Universalisierung wieder aufnimmt, so stellt man fest, daß ein Ausbau der Transpositionsfähigkeit in einer Sprache auf den ersten Blick nur eine Erhöhung der Komplexität zu bewirken scheint. Da durch die Transposition der Einbau immer komplexerer semantischer Blöcke in ein hierarchischhypotaktisch aufgebautes Satzgefüge möglich wird, bedeutet ein Ausbau der in einer Sprache vorfindbaren Transpositionsmechanismen eine Steigerung der in ihr möglichen syntaktischen Komplexität. Andererseits jedoch haben paradigmatisch in einer Sprache existierende Einheiten außer ihrer funktionellen Relevanz noch ein Eigengewicht und eine das Denken prägende Autonomie, die sie stets mehr sein läßt als die Summe ihrer Teile. Für den Bereich des Lexikons kann man diese allgemeine Feststellung in dem Sinne spezifizieren, in dem oben schon darauf verwiesen wurde, daß die morphologisch definierten Wortklassen eine gewisse Affinität zu gewissen, ganz allgemeinen semantischen Kategorien aufweisen. Das bedeutet, daß eine R-Transposition, die mit dem syntaktisch motivierten Ziel einer Erhöhung der Komplexität vorgenommen wurde, eine Tendenz zur Hypostasierung in dem Sinne aufweisen kann als das hierdurch neu entstandene Lexem den ursprünglichen semantischen Gehalt in neuem Licht erscheinen läßt, nämlich in der semantischen Einfärbung durch die neue Wortklasse. Dies gilt in ganz besonderem Maße für den Vorgang, der oben als lexemische Aktantisierung bezeichnet wurde und der bewirkt, daß ein Verb, das Prädikat und damit potentieller Satzkern sein kann, in ein Substantiv verwandelt wird. Hierdurch kann der Fall eintreten, daß ein dynamisches und deshalb ursprünglich auch als Vorgang gesehenes Denotandum kraft der relativen Autonomie und prägenden Kraft des paradigmatisch vorgegebenen Lexikons nunmehr als statische Entität gesehen und zu einem von der jeweiligen Aktualisierung unabhängig vorhandenen Gegenstand hypostasiert wird. Ein großer Teil der sogenannten Abstrakta, die den Begriffsschatz einer Kultursprache und den dadurch bedingten Grad an Universalität in so entscheidendem Maße prägen, kann auf diese Weise erklärt werden. Die hierdurch erreichte Universalität besteht mithin nicht so sehr in der Hinzugewinnung gänzlich neuer Bedeutungsbereiche, für deren Erfassung bis dahin gar keine Ausdrucksmittel zur Verfügung gestanden hätten; vielmehr liegt sie in einer ökonomisierung der Ausdrucksmittel, die eine leichtere Handhabbarkeit zur Folge hat. Wie oben schon ausgeführt, bedeutet Universalisierung ja nicht so sehr, daß Ausdrucksmittel für etwas vorher prinzipiell nicht Ausdrückbares geschaffen werden, als vielmehr, daß durch den Ausbau dieser Mit42

tel mit Leichtigkeit und selbstverständlich über etwas gesprochen werden kann, das zuvor nur umständlich und mit Mühe formulierbar war. Insofern also die Erweiterung und Ausschöpfung der Transpositionsmechanismen in einer Sprache zur Bildung ökonomischerer Ausdrucksmittel führt, trägt sie in entscheidender Weise nicht nur zur Komplektisierung, sondern auch zur Universalisierung dieser Sprache bei. In diesem Sinne kann man also die hier vorgeschlagene Formalisierung der empirisch beobachtbaren Transpositionsvorgänge als ein geeignetes Mittel zur Beschreibung der meisten im Zusammenhang mit der Akkulturierung feststellbaren Tatsachen ansehen. Zur Illustrierung dieser Thesen möchte ich einen besonders wichtigen Teilbereich, nämlich das starke Anwachsen substantivischer Ausdrucksweise in der Sprache der Wissenschaften, etwas genauer darstellen. Es ist wiederholt festgestellt worden, daß in allen Kultursprachen die Sprache der Wissenschaften, gleichgültig um welche Wissenschaft es sich im einzelnen handelt, durch eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Tendenz zum nominalen Stil gekennzeichnet ist. Das gilt für das Griechische und Lateinische ebenso wie für die neueren europäischen Sprachen, für das Arabische und die von ihm beeinflußten Sprachen ebenso wie für das Sanskrit und wohl auch für das Chinesische86. Das Prinzip, das hinter den hierbei beobachtbaren Einzelphänomenen sichtbar wird, ist von grundlegender Wichtigkeit für das menschliche Denken und ist auch von philosophischer Seite wiederholt formuliert und behandelt worden. Von besonderem Interesse ist hierbei der Ansatz der Phänomenologie, wie er etwa von Husserl entwickelt worden ist86. Husserl geht aus von der Prädikation als Grundform und Urzelle der erkennenden Tätigkeit: mittels der prädikativen Synthesis wird das Explikationssubstrat zum Subjekt, von dem die Explikate prädiziert werden87. Auf diesen Urzellen kann nun weiter aufgebaut werden, indem der in dem prädikativen Urteil zum Ausdruck kommende Sachverhalt seinerseits zur Gegenständlichkeit erhoben wird, einer Gegenständlichkeit, die ihrerseits wieder Substrat in neuen Urteilen werden kann und so fort. Husserl prägt für solche abgeleiteten Urteilssubstrate den Terminus »Verstandesgegenständlichkeiten«. In Husserls eigenen Worten: »Ist einmal eine solche prädikative Urzelle . . . zur Konstitution gekommen, so muß es nicht, sobald es zu einem aktuellen Werden fertig konstituiert ist, fallen gelassen werden und der Übergang zum nächsten Schritt erfolgen; vielmehr, da ja jeder solche 86

Zumindest gilt dies von der modernen Sprache. · Ich beziehe mich hierbei auf das posthum erschienene Werk H U S S E R L , Erfahrung, in dem gerade solche Gedankengänge im Mittelpunkt stehen. Allgemein über die Bedeutung Husserls für die Linguistik informiert jetzt HOLENSTEIN, Linguistik. 87 H U S S E B L , Erfahrung, 245f. 8

43

Urteilsschritt eine in sich geschlossene Sinnesleistung darstellt, kann auch auf dieser Leistung selbst wieder aufgebaut werden.. . . mit dem früheren Urteilssatz ist . . . eine eigentümliche Wandlung vor sich gegangen. Er hat seine Form als selbständiger Satz eingebüßt und tritt nun selbst als Substrat in einem neuen Urteil auf. Das setzt natürlich voraus, daß er substantiviert wurde. . . . in jedem Urteilsschritt geschieht nicht nur eine Bestimmung und Weiterbestimmung des vorangegangenen und bereits rezeptiv erfaßten ursprünglichen Substrates; nicht nur wird dieses in immer neuer Weise prädikativ vermeint und mit logischem Sinn umkleidet, sondern zugleich ist vorkonstituiert eine neue Art von Gegenständlichkeit, der Sachverhalt >S ist p< . . . Er kann nun seinerseits alle die Formungen annehmen, die alle selbständigen Gegenständlichkeiten annehmen können; er kann substantiviert und Subjekt oder Objekt in neuen Urteilen werden. . . . für die Substantivierung, in der aus einem Urteil der >Sachverhalt< entnommen wird und nunmehr als Substantiv in einem neuen Urteil fungiert, gibt es in der Unterstufe nichts Analoges. . . . Wir nennen solche Gegenstände daher mit Rücksicht auf ihren Ursprung syntaktische oder kategoriale, oder auch, weil sie aus Leistungen des urteilenden Verstandes entsprungen sind, Verstandesgegenständlichkeiten88.« Wie auch in der Sprachwissenschaft immer wieder festgestellt worden ist, ist die Konstitution solcher Verstandesgegenständlichkeiten und die Bereitstellung sprachlicher Mittel für ihre adäquate Formulierung von zentraler Bedeutung für die Entwicklung von Sprachen zu geeigneten Werkzeugen eines differenzierten Denkens. So heißt es etwa in der überaus anregenden Arbeit von Peter Hartmann über »Nominale Ausdrucksformen im wissenschaftlichen Sanskrit«: Es ist »die für Abstrakta typische Eigenart, daß sie den Inhalt eines ganzen Satzes enthalten, der nun in anderem Zusammenhang wie ein Gegenstand weiterverwendet werden kann . . . diese Weiterverwendbarkeit eines Satzinhaltes wird ermöglicht durch eine Vergegenständlichung, die mit der substantivischen Form von vornherein gegeben ist89.« Und an anderer Stelle: »In inhaltlicher Hinsicht, als Bezeichnung eines Geschehens, blieb das Verbum erhalten; da es aber nur noch in der Form des Vorgangsnoraews erscheint, ruht der Blick nicht mehr auf dem aktuellen Vorsichgehen, sondern auf dem Begriff der Handlung80.« Ahnliche Gedankengänge finden sich unter anderem bei Bruno Snell91 und Walter Porzig, bei dem es heißt : »Wichtig 88

89

HUSSERL, Erfahrung, 283-285 (Passagen aus dem § 58: »Übergang zu einer neuen Stufe prädikativer Leistungen. Die Vorkonstitution des Sachverhaltes als kategorialer Gegenständlichkeit und sein »Entnehmen« durch Substantivierung«). HARTMANN, Sanskrit,

81-82.

HARTMANN, Sanskrit,

121-122 (Hervorhebungen vom Autor).

" SNELL, Aufbau,

44

162.

ist nun, daß das abstrakte Substanti vum in der Lage ist, alle Bestimmungen des Satzes als eigene Bestimmungen aufzunehmen . . . Damit ist nun ein Werkzeug gewonnen, das das Denken in einer Weise erleichtert, die man gar nicht hoch genug einschätzen kann. Ein Satzinhalt in seiner ganzen Fülle kann bequem in beliebiger Eigenschaft einem weiteren Satz eingefügt werden92.« Wie den Ausführungen über die Transpositionstheorie dargelegt worden ist, ist die Verwendbarmachung eines assertierfähigen Komplexes, eben eines »Satzinhalts«, in übergeordneten Zusammenhängen ein allgemeines Charakteristikum der Hypotaxe und gilt auch für morphemische und phrasemische Unterordnungen. Das Spezifikum der lexemischen Hypotaxe, oder genauer, der lexemischen Aktantisierung, die ungefähr dem entspricht, was herkömmlich »Nominalisierung« genannt wird, liegt nun in zweierlei : die lexemische Aktantisierung bewirkt durch die semantischen Konnotationen der Wortklasse, in die transponiert wird, nämlich des Substantivs, eine Vergegenständlichung des verbalen Vorgangsbegriffs ; und sie bewirkt, durch das synthetische Vorgehen der Lexematisierung, eine mittels anderer Transpositionsmethoden nicht erreichbare Ökonomie des Ausdrucks. Diese beiden Faktoren nun, ökonomisierung und Vergegenständlichung, sind nicht isoliert voneinander zu betrachten, vielmehr sind sie in der folgenden Weise interdependent. Die Ökonomie beruht nicht nur auf der Prägnanz der lexikalischen Synthese, sondern auch und vor allem darauf, daß, wie oben gezeigt wurde, die ursprüngliche verbale Valenz zwar weiterwirkt, aber nurmehr in geschwächter Form; während die zentrifugale Potenz des Verbums (RiiO) prädeterminiert und obligatorisch war, ist nun die Potenz des Substantivs (ftaRnO) nur noch prädeterminiert nicht aber mehr obligatorisch93. Das bedeutet, daß die zuvor zwingend vorgeschriebene Notwendigkeit einer Präzisierung der Aktanten nunmehr entfällt: es kann offenbleiben, welche jeweils konkreten »Mitspieler« beim Zustandekommen eines Vorgangs beteiligt sind. Erst hierdurch wird es möglich, den Vorgang als abstraktes Bedeutungselement von seiner jeweils konkreten Realisierung abzulösen und ihn als solchen, das heißt als Begriff zu erfassen. Gerade in den Wissenschaften, wo es überaus häufig irrelevant ist, den Träger eines Vorgangs oder Zustande anzugeben, da nur der Vorgang oder Zustand als solcher anvisiert wird, ist die Möglichkeit der Aufhebung des Zwangs zur Aufgabe der »Mitspieler«, wie er in der Verbvalenz begründet ist, von zentraler Wichtigkeit für die Effektivität und Ökonomie der sprachlichen Werkzeuge des Denkens. In diesem Sinne hängt also die ökonomisierung von der Vergegenständlichung ab. 92

93

P O B Z I G , Wunder, 3 7 3 (zitiert auch in H A B T M A N N , Sanskrit, 8 1 Anm. 1 0 4 ) . Die Ausdrücke »zentrifugale Potenz« und »prädeterminiert« nach Abra-

mow, in: HELBIG,

Beiträge.

45

Umgekehrt kann man sagen, daß die Vergegenständlichung auf der ökonomischen Prägnanz des substantivischen Ausdrucks in dem Sinne beruht, daß bei der Transposition (RiO) -*• (R2R1O) notwendigerweise all jene näheren Bestimmungen unterdrückt werden, die beim Verb normalerweise obligatorisch sind und die sich als deiktisch im Sinne einer Bezogenheit auf das Bühlersche »Koordinatensystem ego - hic nunc« definieren lassen94. Insbesondere müssen beim Substantiv weder Temporalität noch Modalität ausgedrückt werden, was ja beim Verb zumindest in den Sprachen des indoeuropäisch-semitischen Typs obligatorisch ist. Besonders durch das Auslassen aller den Vorgang spezifizierenden temporal-deiktischen Elemente wird eben dieser Vorgang aus allen konkreten, in ihrer Zeitlichkeit festgelegten Realisierungen herausgenommen und so in abstracto gesehen. In diesem Sinne kann man die Vergegenständlichung des Vorgangs, wie sie mittels einer (RiO) -> (R2RiO)-Transposition vorgenommen wird, mit Husserl als die Konstitution »irrealer Gegenständlichkeiten« ansehen, deren Zeitform die »Allzeitlichkeit« ist95. Sprachliche Kennzeichnung dieser Herausnahme aus der Zeitlichkeit ist die Aufhebung des obligatorischen Charakters temporal-deiktischer Kennzeichnungen beim Verb. In diesem Sinne ist also die Vergegenständlichung eine Folge der ökonomisierung. Da nun Wissenschaft, sofern sie theoriebildend ist, es mit irrealen, allzeitlichen Abstraktionen in stärkerem Maße zu tun hat als irgendeine andere menschliche Verstandestätigkeit, ist es nicht verwunderlich, daß die von ihr verwendete Sprachform in besonders starkem Maß zum Gebrauch nominaler Ausdrucksweisen tendiert9' und daß dieses Phänomen universell beobachtbar ist. Daher wird auch jede Beschreibung von Akkulturierungsvorgängen auf die Ausbildung und den Ausbau von Transpositionsmechanismen, die zu lexematischen Aktantisierungen führen, besonderes Augenmerk richten müssen. 1.2.2.3. Aus den bisherigen Ausführungen geht, wie ich hoffe, die zentrale Bedeutung der Transposition für die Beschreibung von Sprache im allgemeinen und damit auch für die Beschreibung von Akkulturierungsvorgängen im besonderen deutlich hervor. Es müßte nun zumindest noch eine Komponente des in (14) skizzierten Sprachmodells etwas näher erläutert werden, ehe es möglich ist, die gewonnenen Erkenntnisse auf konkrete Phänomene anzuwenden. 84 96

Cf. B Ü H L E B , Sprachtheorie. H U S S E R L , Erfahrung, 3 0 9 - 3 1 4 .

"· Cf. J U M P E L T , Übersetzung, 3 4 : »Im Satzbau der Fachsprachen zeichnet sich wohl eine Tendenz deutlich ab, die charakteristisch ist: der nominalisierte Stil. Der Nominalstil vermag eine möglichst große Zahl von Mitteilungsgegebenheiten in der grammatisch und syntaktisch einfachsten Weise zu fassen«.

46

In der hier entwickelten Notationsweise der Transpositionsmechanismen ist das Symbol O als vorgegebene Größe bisher nicht genauer hinterfragt worden. Dies soll nun im folgenden nachgeholt werden, und zwar im Hinblick auf die Besonderheiten wissenschaftlicher Sprachverwendung. Bei der Erarbeitung eines entsprechenden theoretischen Bezugsrahmens kann natürlich nicht der Anspruch erhoben werden, die auch in diesem Bereich äußerst komplexe Realität vollständig zu erfassen ; es handelt sich vielmehr um die Postulierung eines Idealtypus, dem sich wissenschaftliche Sprache mehr oder weniger annähert und durch dessen prägendes Modell sie sich entsprechend mehr oder weniger deutlich von der normalen SprachVerwendung unterscheidet. Es scheint nützlich, hierbei von der von Dwight D. Bolinger in einem anderen Zusammenhang geprägten Unterscheidung von Konstrukt-Definitionen und Substanz-Definitionen auszugehen. Es heißt hierzu: »die Merkmale sind deshalb da, weil wir sie dort eingeben. Etwas anderes ist es, Merkmale in irgendetwas zu finden, das eine von unseren Benennungsoperationen unabhängige Lebensgeschichte hat. Ein Junggeselle ist deshalb ein Junggeselle, weil er unverheiratet ist, und Heirat ist eine willkürlich definierte soziale Zeremonie ; wir setzen die Bedingung fest. Ein Vogel oder ein Fisch sind Entitäten, die wir so nehmen, wie wir sie finden; die Markierungen werden wie ein Anzug angepaßt, und zwar häufig schlecht. Die Paßform ist roh, metaphorisch, etwas, das überarbeitet werden muß und überdies etwas, das der Veränderung bedarf, da die Entität selbst mit der Zeit wächst oder verfällt. Der Unterschied ist fundamental. Eine Konstrukt-Definition ist auf ein soziales Konstrukt anwendbar, und zwar mit Markierungen, die a priori definiert sind. Eine Substanz-Definition läßt sich auf die festen Gegenstände der natürlichen Welt anwenden97.« In diesem Sinne sind alle auf einer Theorie beruhenden wissenschaftlichen Begriffe Konstruktbegriffe. Ihre wesentliche Eigenschaft ist es, daß die extensionale Klasse der durch sie bezeichneten Gegenstände scharfe Grenzen hat : man kann genau angeben, welche Objekte unter den Begriff fallen und welche nicht. Es gibt, im Gegensatz zu den Begriffen der normalen Sprache, strittige Grenzbereiche weder durch metaphorische Übertragung noch durch jene vage Art der Begriffsabgrenzung, welche die Alltagssprache charakterisiert. Dies resultiert eben daraus, daß die intensionalen Merkmale, welche die Definition ausmachen, nicht, wie in der normalen Sprache, »naturhaft« gewachsen sind und auf diese Weise mehr oder weniger unbewußt durch den Sprachgebrauch ausgebildet wurden, sondern daß sie in einem willkürlichen Definitionsakt bewußt festgelegt worden sind. Mit dieser Auffassung vom Wesen wissenschaftlicher Begriffsbildung · ' BOLINGEB, Atomization,

258-259.

47

unterscheide ich mich von der von Coseriu98 vorgetragenen in folgender Hinsicht: während Coseriu's Unterscheidung mit der These steht und fällt, die wissenschaftliche Sprachschöpfung folge den objektiv in der Realität gegebenen Grenzziehungen, wird hier nichts dergleichen behauptet; das entscheidende sprachliche Kriterium scheint mir nicht in bezug auf die in der außersprachlichen Realität gegebenen Delimitationen zu liegen, sondern darin, daß der wissenschaftliche Definitionsakt bewußt und willkürlich ist, daß strikte Festlegungen und klare Grenzziehung auf sprachlicher Seite vorgenommen werden, während die Umgangssprache sich mit Begriffen begnügt, die einen deutlichen Kern, aber verfließende, unscharfe Randzonen haben. Streng genommen kann man also bei Begriffen der Alltagssprache gar nicht von Definiertheit sprechen, da sie niemals bewußt und klar voneinander abgegrenzt wurden, sich diese Abgrenzung vielmehr nur vage im alltäglichen Gebrauch entwickelt hat89. Inwiefern diese jeweiligen Abgrenzungen den Grenzen der objektiven Realität folgen, ist eine andere Frage, die sprachwissenschaftlich nicht einmal gestellt, geschweige denn gelöst werden kann. Dies ist ein Problem der Philosophie im weitesten Sinne. Jedenfalls kann der Wille des Sprachbenutzers, objektiv-reale Grenzziehungen sprachlich abzubilden, nicht als Distinktionskriterium für wissenschaftliche Sprachverwendung gelten, da dieser Wille auch bei der Verwendung »natürlich gewachsener« Begriffe der Alltagssprache vorhanden ist. Wenn man in der Alltagssprache den Wal der Klasse der Fische zurechnet oder zwischen »Pferd«, »Roß« und »Mähre« unterscheidet, so wird damit ganz gewiß auch auf die Abbildung objektiv gegebener Sachverhalte gezielt ; es ist nicht so, daß die alltagssprachlichen Grenzziehungen keine realen Grenzen zum Gegenstand hätten, wie die Formulierungen Coseriu's glauben lassen könnten; die Grenzen sind nur in anderer Weise gezogen als in der Wissenschaft. Der entscheidende Unterschied liegt darin, daß die wissenschaftlichen Grenzziehungen explizit und eindeutig sind, während die alltäglichen Abgrenzungen implizit bleiben und breite Randbereiche unbestimmt lassen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: während in der Alltagssprache 98

Eugenio Coseriu, Das Phänomen der Sprache und das Daseinsverständnis des heutigen Menschen, in: Die Pädagogische Provinz 2 1 ( 1 9 6 7 ) 1 1 - 2 8 ; wieder in : C O S E R I U , Sprache. Cf. auch die ausführlichen Zitate in B A I D I N GER, Teoria, 5 0 - 5 1 . ·· Cf. hierzu die operationale Bedeutungsdefinition, wie sie bündig etwa in dem berühmten, Wittgenstein zugeschriebenen Satz zum Ausdruck kommt: »Don't look for the meaning of a word, look for its use.« Gerade in den Philosophischen Untersuchungen des späten Wittgenstein wird diese Eigenschaft der Alltagssprache in besonderem Ausmaß thematisiert. Cf. auch G E C K E L E R , Semantik, 6 3 ; B B E K L E , Semantik, 5 9 ; L Y O N S , Introduction, 4 1 0 ; H E G E R , Monem, 3 2 . 48

die Grenzen zwischen Tag und Nacht100 unbestimmt bleiben und durch vage Begriffe wie »Dämmerung« ausgefüllt werden, deren Grenzen ebenfalls nicht festlegbar sind101, unterscheidet sich die wissenschaftliche Definition der Begriffe »Tag«, »Nacht« und »Dämmerung« durch ihre Willkürlichkeit; es wird festgesetzt, daß zwischen Tag und Nacht die Dämmerung liegt, wobei festgelegt wird, daß die »bürgerliche Dämmerung« vom Untergang der Sonne unter einen als ideal gedachten Horizont bis zum Erreichen eines Punktes von 6,5° unter dem Horizont dauert, die »nautische Dämmerung« von da an bis 12° und die »astronomische Dämmerung« von da bis 18°. Es ist ersichtlich, daß solche Grenzziehungen der objektiven Realität, die keine solchen Grenzen kennt, sogar weniger entspricht als die im Vagen bleibenden Abgrenzungen der Alltagsbegriffe! Jedoch kann es nicht Aufgabe der Sprachwissenschaft sein, die Berechtigung solcher Grenzziehungen auf Grund objektiver Gegebenheiten zu untersuchen; dies ist eine Sache allenfalls der Pragmatik, in jedem Fall aber der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie ; vielmehr kann und soll die Sprachwissenschaft beschreiben, wie die Grenzen gezogen werden und welche sprachlichen Mittel dafür Verwendung finden. Eine Sprachwissenschaft, die mit Coseriu die Beziehung auf objektive Gegebenheiten zum Kriterium einer Définition wissenschaftlicher Sprache machen wollte, wäre im Grunde nicht metasprachlich, was sie sein soll, sondern primär objektsprachlich ausgerichtet. Aus all diesen Gründen kann man sagen, daß die Begriffe einer idealtypisch aufgefaßten Wissenschaftssprache genau festgelegte, bewußt definierte Konstrukte darstellen, deren Geltungsgrenzen scharf bestimmt sind und keine Vagheiten kennen. Es ist selbstverständlich, daß eine so gesehene Sprachform nur in angenäherter Form erreichbar ist. Insbesondere ist es auch für die wissenschaftliche Begriffsbildung nicht immer möglich, den Gesetzen der Normalsprache zu entgehen, wie sie sich sowohl in deren allgemeiner, soeben skizzierter Gegensätzlichkeit zu dem Präzisionsideal der Wissenschaften als auch in jeweils einzelsprachlicher Besonderheit und Unzulänglichkeit manifestieren102. Man kann nun in dieser Hinsicht eine Reihe von Fällen unterscheiden, deren Klassifikation sich als nützlich für empirische Untersuchungen erweist. 100

101 108

Unberücksichtigt ist hierbei die von Coseriu hervorgehobene Doppeldeutigkeit von »Tag« 1. »heller Tag« und 2. »24 Stunden« (COSERIU, Sprache, 1 1 9 ) ; cf. auch B A I D I N G E R , Teoria, 5 3 ; G E C K E L E R , Semantik, 196 ; sowie das Glossar zu meiner Edition der Cánones de Albateni, s.v. dia. Cf. B A I D I N G E R , Teoria, 58. Cf. zu diesem letztgenannten Aspekt etwa Gippers Antrittsvorlesung über »Muttersprachliche Wirkungen auf die wissenschaftliche Begriffsbildung und ihre Folgen«, abgedruckt in G I P P E R , Denken, 3 6 - 5 5 .

49

In vollem Umfang und im strengen Sinne gilt das soeben geschilderte Ideal einer Sprache der Wissenschaft nux für Begriffe, die im Zusammenhang mit der Entwicklung einer wissenschaftlichen Theorie neu geprägt worden sind und hierbei nicht auf bereits bestehende Sígneme zurückgreifen. Daß auch bei einer solchen Begriffsbildung mit Vorliebe Sígneme eingeführt werden, die in irgendeiner Weise motiviert und in das vorhandene Sprachsystem einfügbar sind, ist eine Frage, welche die zweite Derivationsebene betrifft und uns daher momentan nicht beschäftigen soll. Jedenfalls gilt nur von solchen Begriffen, daß ihre Signifikate prinzipiell immer monosem sind. Eine große Zahl wissenschaftlicher Begriffe ist jedoch nicht auf diese Weise entstanden, sondern vielmehr dadurch, daß bestehende alltagssprachliche Signifikate in jeweils spezifischer Weise erst durch den wissenschaftlichen Definitionsvorgang monosemiert wurden. Diese Begriffe sind nun nicht mehr prinzipiell monosem, sie werden erst monosemiert durch den jeweiligen wissenschaftlichen Kontext, in dem sie erscheinen; in diesem Kontext allerdings, der nicht auf einen einzelnen syntagmatischen Zusammenhang beschränkt ist, sondern als spezifisches Merkmal der Zugehörigkeit eines ganzen Textes zu einer Textsorte fungiert, kann das jeweilige Signifikat dann als durchgängig monosem gelten. Eine dritte Art von Begriffen ist auch in einem Makrokontext mit dem Kennzeichen »wissenschaftlich« noch polysem. Wenn jedoch hierbei alle in diesem Kontext möglichen Sememe aus expliziter Übereinkunft resultieren, dann gilt für jedes einzelne von ihnen, daß es »wissenschaftlich« in dem hier angenommenen Sinn ist. Weiterhin sind noch Fälle denkbar, in denen auch in einem wissenschaftlichen Makrokontext nicht-wissenschaftliche Sememe eines Signifikats auftreten können, so daß zur Kennzeichnung der Wissenschaftlichkeit zusätzliche Indikatoren im Mikrokontext erforderlich werden. Da diese vierfache Unterscheidung wissenschaftlicher Begriffe in der nachfolgenden empirischen Untersuchung von Bedeutung ist, möchte ich eine terminologische Konvention einführen, mit deren Hilfe eine einfache Bezugnahme möglich ist. Ich möchte jene Termini, die ohne jeden Kontext eindeutig sind, da sie nur innerhalb bestimmter wissenschaftlicher Theorien einen Sinn haben, als unisem bezeichnen. Monosem sollen diejenigen Begriffe heißen, die durch einen wissenschaftlichen Makrokontext eindeutig werden und nur außerhalb eines solchen auch andere Bedeutungen haben können. Alle Signifikate, die in einem wissenschaftlichen Makrokontext mehrere wissenschaftliche Sememe bereitstellen, sollen plurisem genannt werden. Polysem nenne ich diejenigen Signifikate, die auch in wissenschaftlichem Makrokontext nicht-wissenschaftliche Sememe repräsentieren können. Die Ausdrücke mit lateinischem Präfix sind neu und daher eindeutig; die Ausdrücke mit griechischer Kennzeichnung können, zur Vermeidung von Ambiguitäten, durch 50

den Zusatz »wissenschaftlich (monosem beziehungsweise polysem)« im Bedarfsfall spezifiziert werden. Es ist deutlich, daß eine solche Betrachtungsweise im Prinzip für jeden Begriff gilt, der durch bewußte Definition festgelegt ist, daß also in diesem Sinne die Sprache der Wissenschaft einen Sonderfall von »Fachsprache« darstellt103. In graphischer Form104 kann man die hier getroffenen Unterscheidungen folgendermaßen darstellen, wobei ich mich einer Adaptation der von Baldinger vorgenommenen Erweiterung des Heger schen Trapezes bediene105 : wissenschaftlicher/nicht-wissenschaftlicher Makrokontext unisem

Seme Sememe Signifikat

Ύ

1

i

monosem

°ψ

i

Seme Sememe Signifikat

plurisem

Seme Sememe Signifikat

polysem

Seme Sememe Signifikat

i- —

ΟΟ.ΟΟ

i " Γ "

i I

QOOO

(47)

1.2.3. Wenn man nun zum Abschluß dieses allgemeinen Teiles versucht, die hier gewonnenen Kriterien einer möglichen Spezifizierung des einfach ausgebauten I-Modells auf das W-Modell der Übersetzung anzuwenden, so ist zunächst davon auszugehen, daß hierbei systematische, das heißt paradigmatisierbare Konvergenzen oder Divergenzen zwischen den beiden den Übersetzungsvorgang konstituierenden Teilakten nur im Bereich der Derivationsebenen auftreten können ; sie können sich ausschließlich auf die systematischen Konvergenzen oder Divergenzen zwischen den beiden beteiligten Kodes beziehen. Auf der Ebene der Genostruktur besteht, wie oben gezeigt wurde, prinzipiell Gleichheit, auf derjenigen der Phänostruktur hingegen prinzipiell Verschiedenheit : der mitgeteilte 103

101

los

Diesen Gedanken habe ich weiterentwickelt in B O S S O N G , Terminologie. Cf. auch das Schema in B A L D I N G E R , Teoria, 1 2 6 , in dem das Verhältnis Fachsprache - Allgemeinsprache dargestellt ist. Cf. hierzu auch die merkmalsklassifikatorische Darstellung dieser terminologischen Neuprägungen in der Einleitung zu meiner Edition der Cánones de Albateni. Cf. die Darstellungen eines hypothetischen semasiologischen und onomasiologischen Feldes bei B A U D I N G E B , Teoría, 160f.

51

Inhalt ist invariant, wird aber mit Hilfe zweier verschiedener phänischer K e t t e n formuliert. Abweichungen von diesem Prinzip in der einen oder anderen Richtung sind individuell-zufällig bedingt, sie betreffen nur jeweils Einzelfälle. Dies stimmt überein mit der Unterscheidung systematischer und zufälliger Störungsquellen in (9). Daraus folgt unmittelbar, daß eine empirische Untersuchung einer Übersetzung, das heißt, die kontrastive Analyse eines Textes einer Ausgangssprache Li und seiner Wiedergabe in L2, von der phänischen Diversität der beiden empirischen Texte zur genischen Identität des mit beiden Texten Gemeinten vordringen muß. Mit Hilfe des hier vorgeschlagenen Modells ist es möglich, die zwischen beiden Texten bestehenden syntagmatischen Konvergenzen und Divergenzen genau zu lokalisieren, indem man ihren Ort auf einer der drei hier zugrundegelegten Derivationsebenen angibt. Von Divergenz wird man hierbei sprechen, wenn die Blickrichtung von oben nach unten, also von der genischen Identität zur phänischen Diversität, verläuft ; umgekehrt kann man Konvergenzen feststellen bei einer Betrachtungsweise, die von der phänischen Diversität zur genischen Identität aufsteigt. Durch die Analyse einer größeren Zahl solcher syntagmatischer Divergenzen und Konvergenzen wird man dahin gelangen, daß m a n Hypothesen über systematische Divergenzen und Konvergenzen zwischen Li und L2 als Kode formulieren kann ; dies f ü h r t schließlich zu einer Darstellung paradigmatischer Kontraste und Analogien, die zwischen den zwei untersuchten Sprachen bestehen. Schematisch lassen sich die hiermit eingeführten Begriffe in der folgenden Weise auf das summarisch spezifizierte W-Modell eintragen : ^

Identität

Q

Genostruktur \. \

Derivation

\

TTJAnalogie Li ~ — K o n t r a s t Diversität

Phänostruktur

-λ ^VV

/

/ ^ V N ^ (48)

Konvergenz

Divergenz

Der Ausdruck »Identität« wird hier der Einfachheit halber gebraucht; im strengen Sinne konstituiert sich die Identität, wie oben ausgeführt, erst im außersprachlichen Denotatum. I n Anlehnung an einen von Tesnière eingeführten Ausdruck 108 möchte ich nun die im einzelnen jeweils feststellbaren Divergenzen als M e t a t a χ e η bezeichnen. Eine Metataxe besteht also darin, daß die übersetzende "« TESNIÈRE,

52

Éléments,

283FF.

Rekodiertmg eines Denotats in L2 an einer bestimmten Stelle des Derivationsprozesses nicht in Analogie zu der ursprünglichen Kodierung in Li erfolgt, sondern im Kontrast dazu. J e nach der Stelle, an der eine solche Metataxe auftritt, kann man im großen unterscheiden zwischen Metataxen der ersten, zweiten und dritten Derivationsebene, was dann im einzelnen jeweils noch spezifiziert werden kann. Der Grad der Diversität der beiden phänischen Endketten hängt einerseits ab von der Anzahl der Metataxen, die im Verlauf des Rekodierungsprozesses eingetreten sind ; zum anderen ist es aber auch wesentlich, auf welcher Derivationsebene die Metataxen ansetzen : je höher im Derivationsprozeß Metataxen auftreten, desto weitgehender ist die phänische Diversität. In diesem Sinn hat die erste auftretende Metataxe eine entscheidende Bedeutung. Diese Auffassung ist in gewisser Weise derjenigen analog, die Krzeszowski im Zusammenhang mit dem Entwurf einer Kontrastiven Generativen Grammatik geäußert hat ; auch dort spielt die Aufzeigung derjenigen Derivationsebene, auf der die erste »Diversifikation« vorkommt, eine zentrale Rolle für die Berechnung des »Ähnlichkeitsindex«107. Eine Metataxe auf der ersten Derivationsebene bedeutet auf lexikalischer Seite, daß die lexematische Bündelung in L2 anders vollzogen wird als in Li, oder auf syntaktischer Seite, daß Hypotaxe durch Parataxe ersetzt wird und umgekehrt. Es ist deutlich, daß eine so früh einsetzende Diversifikation zu sehr tiefgreifend voneinander abweichenden phänischen Ketten führen muß, da der output der ersten Ebene den input für alles Weitere bildet. Eine Metataxe auf der zweiten Ebene kann sich auf die Anwendung des P-Relators oder des R-Relators beziehen. Solche Unterschiede treten phänisch immer noch stark zutage, sind jedoch weniger tiefgreifend als die zuvor genannten. Metataxen auf der dritten Ebene schließlich betreffen nurmehr die morphonologischen Modalitäten, die die Erzeugung der phänischen Ketten bestimmen. Die Wahrscheinlichkeit von Metataxen ist auf dieser Ebene sehr hoch, die durch sie bewirkte Diversität jedoch nur noch gering. Im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit werden vor allem Metataxen auf der ersten und zweiten Derivationsebene von Belang sein.

10

' Cf. Krzeszowski, in:

NICKEL,

Reader,

80-82.

53

PHILOLOGISCHER TEIL

2.1. Es soll nun im folgenden versucht werden, den eingangs geprägten Leitbegriff der Akkulturierung wieder aufzugreifen und ihn für eine genauere Beschreibung der Rolle nutzbar zu machen, die das Arabische in der Entwicklung des Kastilischen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gespielt hat. Hierbei muß von allem Anfang an eine grundlegende Feststellung getroffen werden : alle romanischen Sprachen stellen Response-Sprachen primär in bezug auf das Lateinische dar; sie sind also in erster Linie durch das Lateinische akkulturiert worden, und zwar in beiden die Akkulturierung charakterisierenden Richtungen: 1. die unmittelbare Übernahme lateinischer Muster, die zur Prägung von cultismos in Wortschatz und Syntax führt und 2. das Entstehen bestimmter Ausdrucksbedürfnisse durch die Konfrontation mit den lateinischen Mustern, das zur verstärkten Ausbildung der genuinen Ausdrucksmittel führt. Diese generelle Feststellung, die nebenbei bemerkt auch für die germanischen Sprachen gültig ist, erfährt in bezug auf das Spanische eine wichtige Ergänzung ; neben der allgemeinen Einwirkung des Lateinischen tritt hier in bestimmten Teilbereichen diejenige des Arabischen als besonderes Spezifikum hinzu. Es muß hier gleich klargestellt werden, daß die hier mit dem Begriff der Akkulturierung anvisierte Einwirkung des Arabischen nicht die Durchdringung des Spanischen mit jenen zahlreichen lexikalischen1 und auch syntaktischen2 Arabismen ist, die sich auf Grund eines jahrhundertelangen, engen Zusammenlebens der beiden Sprachgemeinschaften innerhalb der gesprochenen Sprache in vielen Bereichen des täglichen Lebens durchgesetzt haben; vielmehr handelt es sich hier um jene von Alfons X. initiierte und tatkräftig geförderte Bemühimg, das Spanische als werdende Kultursprache so zu entwickeln und auszubauen, daß es zum Ausdruck aller Bereiche des damaligen Wissens befähigt wurde, eine Bemühung, die in dem hier untersuchten Teilbereich auf die Schaffung einer wissenschaftlichen und auch literarischen Prosa nach arabischem Vorbild hinauslief. Das Medium, in dem sich die so verstandene Akkulturierung oder genauer, Teilakkulturierung des Spanischen durch das Arabische vollzog, war die Übersetzung. Die Notwendigkeit, die in dem hochspezialisierten, in jahrhundertelanger Arbeit zu äußerst nuanciertem Ausdruck befähigten wissenschaftlichen Arabisch geschriebenen Werke nun nicht mehr, wie noch ein Jahrhundert zuvor in der sogenannten ersten Übersetzerschule von Toledo, im Lateinischen, sondern im Kastilischen adäquat wiederzugeben, stellte die Übersetzer vor schwierige Aufgaben, deren Lösung zu einer wesentlichen Bereicherung der Ausdrucksmittel und einer daraus resultierenden Erweiterung der Anwendbarkeit der Zielsprache führten. Auch diese Entwicklung verlief in zwei Richtungen, nämlich in derjenigen 1 2

Cf. N E U V O N B N , Arabismos. Cf. C A S T R O , España. 57

der direkten Übernahme und in derjenigen der Stimulierung von Eigenmitteln. Welchen Anteil jede dieser Richtungen in den verschiedenen Gebieten hatte, wird im einzelnen zu untersuchen sein. Zunächst ist festzuhalten, daß ein unmittelbar greifbarer Einfluß des Arabischen vor allem in der wissenschaftlichen Literatur zu beobachten ist. In diesem Bereich, der primär die Astronomie, daneben aber auch die Astrologie und andere heute als okkult geltende Wissenschaften umfaßt, ist das Wirken des semitischen Vorbilds nicht nur in den übersetzten, sondern auch in den selbständig entstandenen Werken deutlicher und tiefgreifender als irgendwo sonst. Die Tatsache, daß auch die eigenständigen Traktate ein semitisches Gepräge aufweisen, deutet darauf hin, daß die wissenschaftliche Prosa im Spanischen tatsächlich ex nihilo geschaffen werden mußte und daher stärker und nachhaltiger das fremde Vorbild widerspiegelt als die Sprache anderer Bereiche; die für eine Akkulturierung notwendige Anstrengung war hier, wo auf nichts innerhalb des Spanischen bereits Bestehendes zurückgegriffen werden konnte, zweifellos am größten. Aus diesem Grund ist eine Untersuchung der wissenschaftlichen Übersetzungen im Rahmen der Erforschung der Akkulturierungsbemühungen unter Alfons X. von zentraler Bedeutung ; sie steht daher auch in der vorliegenden Arbeit im Vordergrund. Weiterhin ist der arabische Einfluß in der moralisch-didaktischen Literatur, den Sprichwort- und Anekdotensammlungen deutlich nachweisbar. Gerade im Bereich der Spruchliteratur sind starke Wirkungen des arabischen Vorbilds zu beobachten, die primär die Entwicklung von Wortbildungsmechanismen betreffen, deren besonderer Ausbau durch bestimmte, unten näher zu untersuchende Besonderheiten der Sprache des Sprichworts notwendig wurde. Es ist daher angemessen, auch diesen Bereich gebührend zu berücksichtigen. Schließlich ist es allgemein bekannt, daß auch die erzählende Prosa dem arabischen Vorbild manches verdankt, da das erste Werk dieser Gattung, die 1251 auf die Initiative des damaligen Infanten Alfons hin entstandene altspanische Version des Pañcatantra auf der arabischen des Ibn al-Muqaffa' beruht. Insgesamt gesehen ist jedoch hier das arabische Element rein sprachlich sehr viel weniger greifbar, was sicher damit zusammenhängt, daß eine große erzählerische Tradition in der Epik und im mester de clerecía bereits vorlag ; die hier feststellbaren nachhaltigen Einflüsse sind in wesentlich höherem Maße inhaltlicher, das heißt literarischer und motivgeschichtlicher Art, als sprachlicher. Daher scheint es gerechtfertigt, diesen Textbereich, der übrigens im Zentrum der meisten bisherigen Forschungsbemühungen gestanden hat3, nur marginal zu berücksichtigen. s

Cf. die folgenden Arbeiten zu CD : cias; H O T T I N G E B , Kaiila.

58

DIETRICH,

Beiträge;

GALMÉS,

Influen-

Im folgenden, soll nun zunächst eine detaillierte Darstellung der in dieser Arbeit verwendeten Texte gegeben werden. 2.2. Die astronomischen Werke, deren Übersetzung oder Abfassung Alfons X. veranlaßt hat, sind im wesentlichen in zwei großen Sammelhandschriften erhalten, welche die für den Gebrauch des Königs bestimmten Originale des 13. Jahrhunderts sind4. Die erste dieser Handschriften befindet sich heute in der Universitätsbibliothek von Madrid; sie ist, da sie aus der alten Universitätsbibliothek von Alcalá de Henares stammt, allgemein als Codex Complutensis bekannt5. Die zweite Handschrift liegt in der Bibliothèque de l'Arsenal in Paris und mag daher Codex Arsenalis heißen. 2.2.1.1. Der Codex Complutensis trägt die Nummer 156 des Kataloges von Villaamil y Castro®. Diese seit den ältesten Zeiten stets als das authentische Original des 13. Jahrhunderts geltende Handschrift wird in dem erwähnten Katalog, bei Rico y Sinobas7 und bei Knecht8 beschrieben. Sie muß den vollständigen Text der folgenden alfonsinischen astronomischen Werke enthalten haben (ich zitiere nach dem Codex selbst ; fehlende und fragmentarische Bücher in eckigen Klammern) : 1. [Libro primero de las estrellas de septentrion] (fehlt). 2. [Libro segundo de las estrellas que son en el zodiago] (f° 2r-4r). 3. Libro tercero de las estrellas de medio dia (f° 4v-18r). 4. Libro del cuento de las estrellas del ochauo cielo (f° 18v-23r). Gefolgt von: Rueda de las estrellas del ochauo cielo (f° 23v). 5. Libro de la espera (f° 24r-39r). 6. Libro del Astrolabio redondo (f° 40r-65v). 7. Libro del astrolabio llano (f° 66r-80r). 4

Unberücksichtigt bleibt hierbei momentan nur der Einleitungstext zu den - verlorengegangenen — Alfonsinischen Tafeln, den Rico in LSA IV publiziert hat. Cf. unten S. 63, 67, 83.

6

S. z . B . TALLGREN,

Literaliamo.

' Catálogo de los manuscritos existentes en la Biblioteca del Noviciado de la Universidad Central (procedentes de la antigua de Alcalá) redactado por D. José Villaamil y Castro. Parte I: Códices. Madrid 1878. S. 67/68. ' LSA V 6-10. 8 K N E C H T , Versione.

59

8. Libro de la Lamina uniuersal (f° 80v-106r). 9. Libro de la Açafeha (f° 106v-132v). 10. Libro de las Armellas (f° 132v-152v). 11. Libro de las laminas de las .VII. planetas (f° 153r-166v). 12. [Libro del quadrante] (f° 166v-171v). 13. [Libro de la piedra de la sombra] (f° 172r-177r). 14. Libro del relogio del agua (f° 177r-183r). 15. Libro del relogio dell argent uiuo (f° 185r-189r). 16. Libro del relogio de la candela (f° 189r-195r). 17. [Libro del palacio de las horas] (f° 195r-197v). 18. [Libro dell ataçir] (f° 198r-201r). Folio 1 ist stark zerstört ; es enthält den Prolog des ganzen Werkes sowie den Beginn des Inhaltsverzeichnisses. Der Kodex befand sich zunächst wohl in Toledo; er gelangte dann bald nach Sevilla, wo er 1341 ins Italienische übersetzt wurde. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wurde er von D. Enrique de Aragón, Marqués de Villena erworben und nach Madrid gebracht. Nach dem Brand von dessen Bibliothek gelangte er in den Besitz des Kardinal Cisneros, der ihn um 1500 dem Colegio Ildefonsino von Alcalá vermachte. In dieser Stadt wurde er im 16. Jahrhundert unter anderem von Pedro Nunez, dem portugiesischen Nautiker und Juan de Herrera, dem Architekten des Escorial studiert. Wie aus einer Analyse der verschiedenen Kopien und Beschreibungen hervorgeht, muß der Kodex bis etwa zu Beginn des 16. Jahrhunderts unversehrt gewesen sein. Dies geht daraus hervor, daß die Kopien bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts (Ms. Acad. Hist, und Ms. BNM 3306, s.u.) noch die später verlorenen ersten Fixsternbücher enthalten, während die 1562 datierte Kopie, die heute im Escorial aufbewahrt wird, bereits dieselben Lücken aufweist wie der Codex Complutensis in seinem heutigen Zustand. Da die Beschädigungen der Handschrift nicht nur fehlende Seiten, sondern auch herausgeschnittene Bilder betreffen, kann man vermuten, daß diese oft etwas infantil wirkenden Verstümmelungen auf barbarische und mutwillige Behandlung durch 60

Schüler des erwähnten Colegio Ildefonsino in Alcalá zurückgehen. Außer den in der Aufzählung der Bücher kurz angedeuteten Lücken (eine große Lücke ist vor allem die der ersten beiden Fixsternbücher, von denen das erste ganz fehlt und das zweite nur noch als kleiner Rest erhalten ist; die übrigen Lücken sind klein und betreffen nur jeweils ein bis zwei Folios) wurden vor allem die kleinen, kunstvollen Sternbilddarstellungen in der »Nabe« der zu den einzelnen Sternbildern gehörenden großen »ruedas« systematisch ausgeschnitten, wodurch nicht nur die jeweilige »rueda« ihres Zentrums beraubt, sondern auch der auf der jeweiligen Rückseite stehende Text verstümmelt wurde. Von dieser Beschädigung sind die Folios 2, 3, 5, 6, 8-16, 18 betroffen. Die darüber hinausgehenden Beschädigungen, die dem Kodex sein heutiges desolates Aussehen verleihen, bestanden zur Zeit Ricos noch nicht9. Diese sind vielmehr während des Bürgerkriegs entstanden, als der Kodex mit vielen anderen zur Befestigung von Schützengräben diente; bis heute (1974) wurden sie nicht durch Restauration beseitigt. Diese zuletzt genannten Beschädigungen gehen auf die Einwirkung von Feuer, Wasser und Sand zurück: das Pergament ist großenteils stark gewellt, die Schrift stellenweise fast völlig abgewaschen; Löcher, Risse, dunkle Flecken und Brandspuren durchziehen den Text; einzelne Blätter sind heute noch sandbedeckt; auch der Rücken, der den (falschen) Titel Tablas del Rey D. Alonso trägt, ist lose und teilweise zerfetzt. Von diesem Kodex wurden die folgenden Übersetzungen, Kopien und Ausgaben angefertigt : 1. Codex Vaticanus (Lat. 8174). Diese Handschrift enthält die 1341 in Sevilla angefertigte Übersetzung fast aller Bücher des Codex Complutensis ins Italienische; es fehlen nur die beiden letzten (Palacio de las horas und Ataçir). Diese bis ins 18. Jahrhundert in Florenz, seitdem im Vatikan aufbewahrte Übersetzung ist von besonderer Bedeutung, da sie die vollständigste aller erhaltenen Fassungen darstellt. Insbesondere sind die Bücher 1., 2. und 3. perfekt mit allen Zeichnungen erhalten. Der Erhaltungszustand ist optimal. Die bereits erwähnte von A. Steiger angeregte Dissertation von Pierre Knecht 10 umfaßt die Edition der Fixsternbücher (1.-4.) 11 . 2. Der Kodex 12-26-D-97 der Academia de la Historia, Madrid, enthält, in einer Handschrift des 15. Jahrhunderts, die Bücher 1.-3. und den Beginn des 4.12 Diese Handschrift ist die älteste, die den spani» Cf. die Schilderung LSA V 6-10. K N E C H T , Versione. 11 Cf. hierzu auch LSA V 10-12 ; Enrico Narducci, Intorno ad una traduzione italiana fatta nell'anno 1341 di una compilazione astronomica di Alfonso X., in: Giornale Arcadico, 42 (Roma 1864) 81-112. 12 Cf. die Hinweise bei Rico, L S A V 1 2 - 1 4 ; SÁNCHEZ P É R E Z , Alfonso X, 9 8 ; M E N É N D E Z P I D A L , Crestomatía, 2 4 6 . 10

61

sehen Text der verlorengegangenen Teile der Fixsternbücher enthält; sie ist daher von besonderer Bedeutung für deren Rekonstruktion. 3. Das Ms. Bodleiana 340 enthält nach Rico LSA V 14r-16 die Libros de las Armillas. 4. Der Kodex L 97 == 3306 der Biblioteca Nacional, Madrid13, trägt den Titel Astrologia de los Arabes. Er enthält verschiedene Traktate in mehreren Handschriften des 15. Jahrhunderts, die teilweise sehr eng geschrieben, kürzelreich und schwer lesbar sind. F ° lr-34v enthält einen astrologischen Text, dessen Anfang fehlt ; f ° 34v-72v folgen die 54 Kapitel des Libro de las tablas Alfonsies von Rabizag; f° 73r-87v bringt die Cánones

mayores

de las tablas alfonsies

v o n »el b e n e r a b l e

bachiller francisco de Morales, clérigo presbitero«; es folgt eine sehr flüchtig geschriebene Abhandlung über das Astrolab auf f° 88r-94r. Nach mehreren leeren Blättern folgen sodann sämtliche instumentalen Bücher, die auch der Codex Complutensis enthält, aber in anderer Reihenfolge; es fehlen die Fixsternbücher (1.—4.) und das Libro

de las laminas

Schluß erhalten ist.

de las .VII.

'planetas

(11.), v o n d e m nur der

Im einzelnen enthält dieser Teil des Kodex folgendes : Libro de la alcora (f° 98r-117r). Libro del astrolabio redondo (f° 118r-150r). Libro del astrolabio llano (f° 150v-170v). Libro de la lamina uniuersal (f° 171v-204r). Libro de la açafeha (f° 205v-235v). Libro del ataçir (f° 236r-239v). Libro del quadrante (f° 240r-246v). [Libro de las laminas de las .VII. planetas] (f° 247r). Libro de las armellas (f° 247r-268v). Libro de la piedra de la sombra (f° 269r-275r). Libro del relogio de agua (f° 275v-289r). 18

C f . L S A V 1 6 - 1 7 ; SÁNCHEZ P É R E Z , Alfonso

62

X , 98.

Libro del relogio del argen biuo (f° 289v-293v). Libro del relogio de la candela (f° 294r-299r). Libro del palacio de las horas (f° 299v-302v). Da in diesem Kodex die im Codex Complutensis und den späteren Abschriften verstümmelten Bücher 12., 13., 17. und 18. noch vollständig im spanischen Text erhalten sind, stellt er eine wichtige Ergänzung zu jenem dar. 5. Der Kodex L 3 = 1197 der Biblioteca Nacional14 trägt den späteren Titel Libro de Astronomia, que mando hacer el Rey D. Alonso el Sabio : Item un Tratado sobre las piedras de su color, figura, y virtud . . . Über dem Titel findet sich der folgende interessante Schätzvermerk : P(recio ?) (unleserlich) que ha en quatro doblones de a dos escudos de oro. Madrid a 18 de Junio 1684. Si esta obra estuuiera entera, se estimaría en cien doblones. Parece original, y no tienen precio las laminas por su ajustamiento y hermosura, y no se a impresso, aunque es Obra Real compuesta y mandada hacer por el Rey Don Alonso el Sabio y es distinta de sus Tablas Astronómicas.

Es scheint, daß diese Kopie des frühen 16. Jahrhunderts ursprünglich vollständig war; jedenfalls sind im Inhaltsverzeichnis (f° 2r) alle Bücher aufgeführt. Die prächtig ausgestattete, reich verzierte Handschrift enthält heute nur noch die ersten drei Fixsternbücher (es fehlt ein Folio über Osa menor) und die ersten Sätze des vierten. Die 49 Pergamentblätter waren ursprünglich nicht zusammengebunden und sind total durcheinander geraten; sie sind später mit den 113 Papierblättern einer Kopie des Libro de las piedras zusammengebunden worden. Diese Handschrift ist wegen der im Codex Complutensis verlorenen Teile der Bücher 1.-3. besonders wertvoll. 6. Der Kodex j h 1 der Bibliothek des Escorial trägt den Titel Instrumentos Astrónomos. Über seine Entstehung gibt die am Schluß (f° 267v) in roter Schrift zugefügte Erklärung Auskunft, die im folgenden vollständig zitiert ist : Este libro fue sacado de uno quel Rey don Alonso dezeno mando traducir de Caldeo y Arábigo en lengua castellana Ayuda el Cohem so Alhaquin e Guillen Arremon daspaso clérigo enla hera de 1294. y emendado porel dicho Rey en lenguaje quitando lo superfluo y añadiéndole loque le faltaua. En lo qual le ayudaron Maestre Johan de Mesina y Maestre Johan de Cramoria y el sobredicho Yhuda el Samuel en el Veinte y cinco Anno de su Reynado que hera del nacimiento de Xpö. Ν . Sòr. 1278. Elqual libro esta en la libreria de las escuelas mayores de Alcala de Henares que se cree ser el mismo Origi14

Cf. L S A V 17-18; SÁNCHEZ PÉREZ, Alfonso

X,

98.

63

nal que se hizo pora el dicho Rey, y del le mando Trasladar Honorato Juan Maestro del muy alto y muy poderso Señor DON CARLOS Prinçipe de las Spañas y hijo del Inuictissimo Rey don Phelippe Nrö Señor a instancia de su Alteza por tener entendido del dicho Su Maestro ser el mas principal y mas necessario libro que en esta Sciencia se halla. Traslado la letra Diego de Valençia criado del dicho Honorato Juan y natural de la ciudad de Najera, y hizo las figuras Juan de Herrera Montanes criado de su magestad del Rey nrö S. Acabóse de Trasladar en la Villa de Alcala de Henares estando en ella la Corte de su Alteza del principe Don Carlos en la Hera de 1600 anno del nacimiento de Xpö Nrö Señor 1562, y deziseteno de la hedad de dicho Principe.

Die Abschrift ist sehr sorgfältig ausgeführt, der Kodex dem königlichen Auftraggeber entsprechend aufwendig hergestellt. Die ersten drei Fixsternbücher fehlen ganz; sie wurden wohl wegen ihres damals bereits fragmentarischen Erhaltungszustandes weggelassen, ebenso wie das Libro del quadrante. Die einzelnen Bücher erscheinen in diesem Kodex folgendermaßen (Titelformen nach dem vorangestellten Inhaltsverzeichnis) : Numero, y figuras de las estrellas del octavo cielo (f° lr-8r). Espera (f° 8v-30v). Fabrica y vsos del Astrolabio Redondo (f° 31r-68v). Fabrica y vsos del Astrolabio Plano (f° 69r-98v). Fabrica de la Lamina universal (f° 99r-103v). Vsos desta Lamina (f° 104r-136v). Fabrica y vsos de la Açafeha o Lamina (f° 137r-173v). Fabrica y vsos des Armellas (f° 174r-201v). Fabrica y vsos de las siete Laminas para los siete planetas, o de una que sirva por todas (f° 202r-217v). Fabrica y vsos de la piedra de la sombra, o del Relox desta piedra (f° 218r-226v). Fabrica y vsos de los Reloxes de agua (f° 227r-243v). Fabrica y vsos del Relox del argen viuo (f° 244r-249v). 64

Fabrica y vsos del Relox de la Candela (f° 250r-256v). Fabrica y traça del Palacio de las horas (f° 257r-261v). Fabrica y vsos del instrumento del leuamiento, llamado en Arábigo Ataçir (f° 262r-267v). Als im großen getreue Wiedergabe des Codex Complutensis mit vielen Zugeständnissen an die zeitgenössische Orthographie ist diese Handschrift relativ wertlos; einen gewissen Nutzen hat sie nur da, wo der Originalkodex durch Kriegseinwirkung so stark in Mitleidenschaft gezogen ist, daß der Text nicht mehr lesbar ist16. 7. Auch der Kodex ij ν 9. des Escorial trägt den Titel Instrumentos Astrónomos. Er ist von mindestens fünf verschiedenen Schreibern in Kursivschriften des 16. Jahrhunderts verfertigt worden und ist insgesamt wesentlich flüchtiger und weniger aufwendig geschrieben und gestaltet als der zuvor erwähnte, von dem er eine Abschrift zu sein scheint. Viele Zeichnungen fehlen oder sind nur skizziert, einige Blätter sind kleiner, eine Reihe von Blättern ist leer. Auf den Folios 82r-84v und 142v-143v finden sich Bruchstücke eines nicht zu den LSA gehörigen astronomischen Textes16 mit fragmentarischen Zeichnungen. Die Fixsternbücher fehlen ganz. Die instrumentalen Bücher sind sehr unvollständig; sie stehen in einer völlig anderen Reihenfolge als in den übrigen Handschriften. Im einzelnen enthält der Kodex folgendes : Fabrica y vsos de la Açafeha o Lamina (f° lr-25r). Fabrica y vsos del Relox del argent uiuo o açogue (f° 27r-31r). Fabrica y vsos del Relox de la Candela (f° 31r-38r). Fabrica y traça del palacio de las horas (f° 38r—42r). Fabrica y vsos del instrumento del leuamiento llamado en la lengua arabiga Ataçir (f° 42r—47r). Fabrica y vsos de las armellas que se dicen en arabigo Detalhae (f° 51r-69v). 16

11

Die Behauptung von SÁNCHEZ PÉBEZ, Alfonso X, 95, es sei dieser Kodex gewesen, den Rico seiner Edition der L S A zugrunde gelegt habe, ist falsch. Cf. hierzu Rico in L S A I X C I sowie LSA I 2. Dies wird auch von SÁNCHEZ PÉBEZ, Alfonso Χ, 98 erwähnt.

65

Fabrica y vsos de las Laminas de los 7 planetas o de una que sirva para todos (f° 65v-81v). Fabrica y vsos del astrolabio redondo (f° 88r-115v). Fabrica y vsos de la Lamina vniuersal (f° 116r-141v). 8. Das Manuskript 18.668 der Biblioteca Nacional17 trägt den Titel Manuscripto de las obras astronómicas del rey D. Alfonso él Sabio. Es stellt eine im 18. Jahrhundert begonnene, aber nie ausgeführte Abschrift dar, die mit den Worten beginnt : Copia de el Manuscripto de las obras astronómicas de el rei don Alfonso el Sabio X de Leon; I V de Castilla como se halla aunque maltratado por descuido en la Biblioteca de el Cologio Maior de San Ildefonso de Alcala con el titulo de tablas de el rei Don Alonso (Ir) (alies in Antiqua). Es folgt eine genaue Kopie des ersten Folios des Codex Complutensis, so wie es sich noch heute darbietet ; die Lücken sind abgemalt, die Schrift ahmt zunächst den originalen gotischen Duktus nach, fällt dann aber in die normale Kurrentschrift des 18. Jahrhunderts. Von der ersten rueda ist nur ein Viertel ausgeschrieben (3r), alles andere blieb unvollendet. Es sind danach noch 13 Blätter mit ruedas vorbereitet, die aber nicht mehr ausgefüllt sind. Für den Text der LSA ist dieses Manuskript natürlich wertlos, doch ist es interessant einerseits als historisches Dokument für den Zustand und Verbleib des Codex Complutensis im 18. Jahrhundert und andererseits als Beleg dafür, daß auch damals das Interesse an den astronomischen Werken Alfons X.' nicht gänzlich erloschen war. 9. Dem von Sánchez Pérez gegebenen Hinweis auf das Manuskript Colombina Gallardo 4.12618 bin ich im Rahmen der Vorarbeiten zu dieser Untersuchung nicht nachgegangen. Ich erwähne die Angabe der Vollständigkeit halber. 10. Zwischen 1863 und 1867 publizierte Manuel Rico y Sinobas auf Veranlassung der Madrider Akademie der Wissenschaften alle 18 Bücher des Codex Complutensis, das Libro de las taulas alfonsies und Fragmentos numéricos de las taulas alfonsies, die Rico für echt hielt, während Wegener sie als Bruchstück eines Almanach perpëtuum (Ephemeriden) nachgewiesen hat19. " Erwähnt bei S Á N C H E Z P É B E Z , Alfonso Χ, 9 8 , mit der falschen Angabe, es enthalte, ebenso wie L 3 = 1197, die Fixsternbücher. 1 8 S Á N C H E Z P É R E Z , Alfonso Χ, 98. 19 W E G E N E R , Werke, 171-174. Cf. jedoch Joaquina Bensaude, Les légendes allemandes sur l'histoire des découvertes maritimes portugaises, Genève 1917-1920, Annexe no. 2, Les tables alfonsines dans leur texte numérique original, 7-11 ; Bensaude nahm im Gegensatz zu Wegener an, daß die von

66

Diese unhandliche, in fünf großzügig ausgestatteten Bänden erschienene Ausgabe mit dem Titel Libros del saher de astronomía del rey D. Alfonso X de Castilla ist in einer Auflage von 200 Exemplaren gedruckt worden und daher nur in den größten Bibliotheken vorhanden 20 . Daß diese Edition, von dem Naturwissenschaftler Rico y Sinobas veranstaltet, philologischen Bedürfnissen in keiner Hinsicht genügt, ist wiederholt festgestellt und beklagt worden 21 . Die Kritik, die in dieser Beziehung an dem publizierten Text geübt werden muß, läßt sich, abgesehen von zahlreichen Druckfehlern und Versehen in drei Punkten zusammenfassen: 1. Das Transskriptionskriterium Ricos war nicht streng genug; die Graphie ist in schwankendem Ausmaß modernisiert worden, es ergibt sich kein Bild von der Graphie des Originaltextes; Rico selbst legt nirgendwo von seinen Kriterien Rechenschaft ab. 2. Rico selbst hat in starkem Maße nicht nur die Graphie, sondern auch dier Terminologie des Originals vereinheitlicht und normiert, wodurch ein falsches Bild vom Charakter dieser Texte entsteht. Gelegentlich führt das Normierungsbestreben Rico gänzlich in die Irre, so etwa, wenn er im Libro de la açafeha die im Kodex geschiedenen Formen derecho und erecho passim beide als drecho wiedergibt ; wie ein Vergleich mit dem arabischen Original ergibt, steht derecho (directus!) konsequent für mustaqlm, »gerade«, während erecho (erectus!) nur für qä'im, »aufrecht stehend«, verwendet wird ! Auch hier ist zu bemängeln, daß solche Normierungen nie explizit und überprüfbar gemacht werden, für den Leser erst aus dem Vergleich mit den Originalmanuskripten erkennbar werden. 3. Rico zeigt nicht, was in seiner Ausgabe aus dem Codex Complutensis stammt, und was anderen Manuskripten entnommen ist ; eine solche Edition kann natürlich in keiner Weise als eine kritische gelten. Aus diesen Gründen ist es offenkundig, daß keine ernsthafte Beschäftigung mit den Werken der alfonsinischen Astronomie vom publizierten Text der Libros del saber de astronomia ausgehen darf, son-

20

21

Rico publizierten Tafeln das alfonsinische Original darstellen. Cf. auch S A S T O N , History, 837f., 840f. ; M E T T M A N N , Stand, 173 A. 19. Das vermutlich letzte Wort zu dieser Frage hat M I L L A S VALLICBOSA, Azarquiel, 407-410 zugunsten der von Wegener vertretenen Auffassung gesprochen. S A B T O N , History, 839f. ; M E T T M A N N , Stand, 273. So zuerst und besonders detailliert T A L L G R E N , Literalismo, der in einer Note zu dem Aufsatz von M I L L A S VALLICBOSA, Literalismo konkret nachweist, wie stark der von Rico publizierte Text von dem des Codex Complutensis abweicht und wie wenig vertrauenswürdig daher diese Edition ist; seit diesem Hinweis war es eigentlich nicht mehr möglich, eine sprachwissenschaftlich orientierte Arbeit auf den Text von Rico zu gründen. Cf. noch die Hinweise bei H I L T Y , Aly Aben Ragel, K N E C H T , Versione, M E T T M A N N , Stand, 2 7 3 .

67

dem daß man unter allen Umständen auf die Originalmanuskripte zurückgreifen muß. Ich benutze daher auch in dieser Arbeit die Paginierung von Rico nur zum Zwecke der leichteren Referenz; der Text selbst ist überall nach dem Codex Complutensis gemäß den in der Einleitung zu meiner Edition der Cánones de Albateni niedergelegten Kriterien revidiert worden. Rico weicht auch in der Reihenfolge der einzelnen Bücher etwas von der Ordnung des Codex Complutensis ab. Der Vollständigkeit halber und zum besseren Vergleich führe ich die Reihenfolge der Bücher in der Edition nachstehend auf (Titelformen nach Ricos Inhaltsverzeichnis): Band I. De las estrellas y constelaciones boreales de la octava esfera (S. 3-56). De las estrellas y constelaciones zodiacales de la octava esfera (S. 59-84). De las estrellas y constelaciones meridionales de la octava esfera (S. 87-118). Del cuento de las estrellas y constelaciones de la octava esfera (S. 121-145). Libro de la alcora, ó sea el globo celeste (S. 149-208). Band II. Los dos libros de las armellas (S. 1-79). Libros del astrolabio redondo (S. 113-222). Libros del astrolabio llano (S. 225-292). Libro del atazir (S. 295-309). Band III. Libro de la Lamina universal (S. 1-132). Libro de la açafeha (S. 135-237). Libro de los VII Planetarios (S. 241-284). Libro del Cuadrante ó Cuarto de círculo de corredera (S. 288-316). Band IV. Libro del relogio de la piedra de la sombra (S. 3-23). 68

Libro del relogio dell agua (S. 24-64). Libro del relogio dell argento uiuo (S. 65-75). Libro del relogio de las candelas (S. 77-93). Libro del relogio del palacio de las oras (S. 94r-107). Libro que a por nombre el de las taulas Alfonsies (S. 111-183). Daß diese von Rico aus nirgends explizit gemachten Gründen gewählte Reihenfolge weniger organisch und einleuchtend ist als die des Originalkodex, zeigt sich besonders deutlich am Libro dell ataçir; mit gutem Grund steht dieses rein astrologische Werk am Ende dieser ansonsten (außer den Büchern 1—4) fast ausschließlich astronomisch ausgerichteten Kompilation. Die begriffliche Trennung von Astrologie und Astronomie bestand im Mittelalter durchaus, wenn sie auch in anderer Weise ausgedrückt wurde als heute22 ; daher ist es in sich stimmig, wenn das Korpus der LSA im Original mit den stark astrologisch gefärbten Fixsternbüchern beginnt (1.—4. des Codex Complutensis), sodann die verschiedenen Instrumente in fast ausschließlich astronomisch ausgerichteten Einzeltraktaten beschreibt (5.-17.) und erst ganz am Ende im Libro dell ataçir (18.) auf astrologische Spekulationen über »die gewaltigen Ursachen des Geschehens dieser Welt«23 zurückkommt. Durch die von Rico vorgenommene Plazierung des Libro dell ataçir mitten unter die astronomischen Traktate wird dieses Kompositionsprinzip zerstört24. 2.2.1.2. Was nun die Quellen der einzelnen LSA-Traktate betrifft, so ist zunächst zwischen Übersetzungen aus dem Arabischen und selbständig verfaßten Arbeiten zu unterscheiden. Selbständige Arbeiten, die entweder ausdrücklich als solche gekennzeichnet sind oder aber keine arabische Quelle angeben, sind die folgenden: 1. Im Libro del Astrolabio redondo (6.) wird ausdrücklich angegeben, daß Alfons, da er kein entsprechendes arabisches Werk habe finden können, dieses Buch bei Rabizag ( = Isaac ibn Sid) in Auftrag gegeben habe25. 2. Im Libro del Astrolabio llano (7.) fehlt zwar ein solch eindeutiger Hin28

" 24

26

Cf. mein Glossar zur Edition der Cánones de Albateni s.v. astrologia. W E G E N E R , Werke, 150. Wahrscheinlich kam diese falsche Einordnung durch mangelndes Textverständnis zustande. Cf. die teilweise grotesken Mißdeutungen, denen der Terminus ataçir ausgesetzt war, in dem erwähnten Glossar s.v. W E G E N E R , Werke, 148f. ; S A R T O N , History, 836 Nr. 9.

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weis, doch kann man annehmen, daß die Einleitung zu 6. in diesem Buch noch mitgilt2®. 3. Im Libro del quadrante (12.) wird der Hinweis darauf, daß arabische Quellen nicht vorlägen, ausdrücklich zwar nur in bezug auf den ersten Teil, die Herstellung des Instrumentes, gegeben; doch wird auch im zweiten Teil, der die mit dem Quadranten zu lösenden Aufgaben beschreibt, keine arabische Quelle angegeben, so daß man annehmen kann, daß das ganze Werk eine selbständige Schöpfung von Isaac ibn Sid darstellt". 4. Die fünf Uhrenbücher (13.-17.) sind alle eigenständige Werke, von denen eines Samuel ha-Levi zum Autor hat (Libro del relogio de la candela (16.), während die übrigen von Isaac ibn Sid stammen; nur einmal wird als Quelle ein nicht identifizierter Iran el filosofo genannt (Libro del relogio dell argent uiuo (15.)28. 5. Das den Abschluß der ganzen Sammlung bildende astrologische Libro dell ataçir (18.) ist wiederum laut ausdrücklichem Hinweis im Vorwort auf Geheiß von Alfons von Isaac ibn Sid verfaßt worden 29 . An zweiter Stelle sind diejenigen Traktate zu nennen, die teilweise selbständig sind oder die solche arabische Quellen angeben, die nicht nachgewiesen oder nicht erhalten sind : 1. Der zweite Teil des Libro de la Lamina uniuersal (8.) ist laut ausdrücklichem Vermerk nach einem arabischen Original von »Alyn el fijo de Halaf« übersetzt worden. Über die Identität dieses 'Ali ibn Halaf sind viele Mutmaßungen vor allem von Steinschneider und Suter angestellt worden, bis Millás Vallicrosa in seinen Estudios sobre Azarquiel den Nachweis erbracht hat, daß es sich um Abü 1-Hasan 'Ali ibn Halaf ibn Ahmad aus Toledo handelt, einem Zeitgenossen des Azarquiel, der von Ibn Sä'id in den Tabaqät al-umam30 erwähnt wird 31 . Von dem arabischen Original dieses Werkes ist keine Abschrift bekannt. Der erste Teil, der von der Herstellung des Instrumentes handelt, ist eine selbständige Arbeit von Isaac ibn Sid32. 28

" 28

29

30 31 32

So übereinstimmend W E G E N E R , Werke, 1 4 9 ; M E T T M A N N , Stand, 2 7 5 ; Cf. jedoch S A R T O N , History, 836 Nr. 10. W E G E N E R , Werke, 161f. ; S A B T O N , History, 137 Nr. 15. Dieser »Iran« wurde mit Heron in Verbindung gebracht ; cf. W E G E N E R , Werke, 1 6 2 - 1 6 4 ; S A R T O N , History, 1 3 7 Nr. 1 5 . W E G E N E R , Werke, 1 5 0 ; S A R T O N , History, 8 3 6 Nr. 1 1 . Sarton fügt an dieser Stelle den falschen Deutungen von ataçir (cf. oben Α. 24) noch die folgende hinzu: »this is probably the Arabic word tasyir, referring to the course of the planets«. Hier ist zwar die Etymologie, nicht jedoch die Bedeutungsangabe richtig. Ed. Cheikho, Beyrouth, 1912, S. 75. Cf. M I L L Á S V A L L I C R O S A , Azarquiel, 438-447, bes. 443. Cf. W E G E N E R , Werke, 150f.; S A R T O N , History, 836 Nr. 12. 70

2. Bezüglich der Frage, ob das Libro de las Armdias (10.) eine Übersetzung oder eine selbständige Bearbeitung darstellt, stehen die Aussagen zweier Textstellen gegeneinander. Im Prolog heißt es zwar este libro de como obran con ellas non era fallado en esta nuestra sazón. Et por ende mandamos a nuestro sabio Rabiçag el de Toledo que le fíziesse bien complido . . .33,

jedoch steht am Beginn des ersten Kapitels die für orientalische Werke so typische Formel Dixo el sabio Abuçach Azarquil34

(cf. die übliche Einleitungsformel qäla fulänun). In der Tat lassen viele sprachliche Eigentümlichkeiten die Vermutung zu, daß der Text zumindest teilweise direkt übersetzt ist, während andere Passagen, mit Wendungen wie a esta faz dizen an arauigo mohaddab. Et pornemos nombre a la faz de dentro la faz de yuso . . .35,

die in reinen Übersetzungstexten unmöglich wären, darauf hindeuten, daß Rabizag seiner Quelle nicht genau gefolgt ist. Vermutlich lehnte er sich an Werke von Azarqniel an, aus dem einige Passagen übernommen sein mögen; insgesamt jedoch muß das Werk wohl als mehr oder weniger eigene Schöpfung gelten. Jedenfalls ist über ein entsprechendes Werk des Azarquiel nichts bekannt; in den umfassenden Estudios sobre Azarquiel von Millás Vallicrosa ist kein Hinweis zu finden, ebensowenig in der übrigen Literatur36. 3. Das Libro de las laminas de las .VII. planetas (11.) stammt laut ausdrücklichem Vermerk jeweils zu Beginn seiner beiden Teile von zwei verschiedenen arabischen Autoren. Der erste Teil, der eine erste Entwicklungsstufe des Gerätes mit einer eigenen Lamina für jeden einzelnen Planeten darstellt, geht auf »Abulcacim Abnaçahm« zurück37, womit der bekannte granadinische Mathematiker und Astronom Abü 1-Qäsim Asbag ibn Muhammad ibn al-Samh gemeint ist38; das arabische Original ist nicht bekannt. Der zweite Teil, in dem eine zweite, mit einer Lamina für alle sieben Planeten auskommende Entwicklungsstufe des Gerätes beschrieben wird, stammt von »Abuzac el zarquiel«, also von Azarquiel. Millás Vallicrosa hat ein von Azarquiel stammendes Traktat dieses Themas in dem Ms. British Museum 42612 33 31 35 34 37 38

LS A II 1. LSA II 3. LSA II 5. Cf. W E G E N E R , Werke, 148; S A B T O N , History, 832 Nr. 8. Cf. W E G E N E B , Werke, 1 5 2 ; S A B T O N , History, 8 3 7 Nr. 1 4 ; M I L L Á S V A L L I CROSA, Azarquiel, 29f. Cf. W E G E N E B , Werke, 152 A. 3; S U T E B , Mathematiker, 85, 215; E I 2 1 928f. (D. Pingree).

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gefunden, teilweise publiziert und ganz übersetzt39. Jedoch wird schon bei oberflächlichem Vergleich sofort deutlich, daß es sich hierbei um eine andere Fassung handelt, die sich in Aufbau mid Einzelheiten sehr stark von der alfonsinischen Übersetzung unterscheidet10. Das arabische Original, auf welches dieses Werk unmittelbar zurückgeht, ist auch in diesem Falle unbekannt. An dritter Stelle sind schließlich diejenigen Werke zu nennen, die Übersetzungen darstellen und deren Originale bekannt und erhalten sind; die drei hierhergehörigen Werke bilden auch insofern eine besondere Gruppe, als sie alle 1255-1259 erstmals und 1276-1277 endgültig redigiert worden sind: 1. Die vier Fixsternbücher (1.—4.) gehen in Aufbau und Anlage auf Abu 1-Husayn 'Abd al-Rabmän ibn 'Umar al-Süfi zurück41, wie zuerst Steinschneider erkannt hat 42 . Nun hat aber schon Wegener auf Grund eines Vergleichs des spanischen Textes mit der wörtlichen französischen Übersetzung des Werkes von al-Süfi festgestellt, daß die beiden Texte nicht wörtlich übereinstimmen44. Man kann annehmen, daß die erste, 1256 entstandene Fassung dieses Werkes eine wortgetreue Übersetzung aus dem Arabischen45 war, während die zweite von 1276 eine so gründliche Umarbeitung erfuhr, daß von einer Übersetzung im strengen Sinne nicht mehr die Rede sein kann. Diese Annahme stützt sich auf die folgenden Quellen: a) die Übersetzung von 1256 wird in der Einleitung zu den Fixsternbüchern so dargestellt (ich übergehe die in diesem Zusammenhang nicht interessierenden Angaben zur Person des Königs und dem Datum der Übersetzung) : Este es el libro délas figuras de las estrellas fixas que son en eli ochavo çielo, que manAzarquiel, 4 6 0 - 4 7 9 . Cf. die Ausführungen bei M I L L Á S V A I L I C B O S A , Azarquiel 4 6 0 . Cf. zu diesem Autor STTTEB, Mathematiker, 62f. ; S T E I N S C H N E I D E R , Hebräische Übersetzungen, 980; EI 2 I 86f. (S. M. Stern). S T E I N S C H N E I D E R , Hebräische Übersetzungen, 6 1 6 ; Steinschneider, Die Mathematik bei den Juden, in: Bibliotheca Mathematica 1896, 113. H. C. F. C. Schjellerup, Description des étoiles fixes composée au milieu du dixième siècle de notre ère par l'astronome persan Abd-al-Rahman ai-Sufi. St. Petersbourg 1874. W E G E N E R , Werke, 141 ; S A R T O N , History, 836 Nr. 6. Cf. auch T A L L G R E N , Notas. Der arabische Text ist mit einer Einleitung von H. J. J. Winter kritisch ediert worden von M. Nizamuddin: Abü 1-Husayn 'Abd al-Rahman alSüfi, Kitäb suwar al-kawäkib al-tamäniya wal-arba'in. Dä'irat al-ma'ärif al-'utmäniyya: Haydaräbäd 1373/1954. Cf. auch die Angaben bei V E R N E T , Bibliografia, 228 und 235. Diese Ausgabe hat die alte Teiledition von M. Caussin (Les constellations d'Aboulhossain Abderrahman Es-Soufi ErRazi, in : Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque Nationale 12 (Paris 1831) 236-276) ersetzt.

• · MILLAS VAXLICROSA, 40 41

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do tresladar de caldeo e de aravigo en lenguaje castellano el Rey don Alfonso . . . E tresladolo por su mandado Yhuda el Conhen so alhaquim e Guillen ARemon d'Aspa, so clérigo4', b) Die Übersetzung von 1276 wird in folgender Weise erwähnt : E despues lo endereço y mando conponer este rey sobre dicho, e tollio las Razones quen entendió que heran soueranas e dobladas e que non eran en castellano derecho, e puso las otras que entendió que cumplían quanto al languaje e endereçolo el por si. Y en los otros saberes vuo por ayuntadores a maestre Juan de Mesina e maestre Juan de Carmona e a Huda el sobre dicho e a Samuel4', c) Schließlich wird bei Abraham Zacuto an einer seit dem 16. Jahrhundert zitierten und kommentierten Stelle folgendes ausgeführt: . . . »in dem Werk über die Fixsterne . . . Dieses Werk ist dasselbe Werk, welches Rabbi Jehuda Sohn Mose der Kohen (Ahronide) dem König übersetzt hat. Dieses Werk hat der Weise (oder Gelehrt«), welcher genannt wird Abul Hosein, verfaßt«48. Aus den angeführten Stellen gehen zwei Dinge hervor, nämlich erstens, daß Yehuda ben Moâe das Fixsternbuch von al-Süfi ( = Abul Hosein) im Auftrag von König Alfons übersetzt hat; und zweitens, daß die Bearbeitung des Jahres 1276 ungewöhnlich tiefgreifend war, daß sie nicht nur stilistische Details betraf, sondern die Substanz des Werkes. Diese Dokumente stützen somit die vorgetragene Vermutung, daß die Redaktion von 1256 eine wörtliche Übersetzung des Kitäh suwar al-kawäktb gewesen sei, ohne sie jedoch definitiv zu beweisen. Insbesondere bedürfte noch ein Punkt der Aufklärung, nämlich die Tatsache, daß die Quellenangabe entgegen dem ansonsten üblichen Gebrauch in den LSA vage und generisch ist: »tresladar de caldeo e de arauigo«. Die Tatsache, daß kein Autor genannt wird, verwundert ebenso wie diejenige, daß außer dem Arabischen auch das »Chaldäische« genannt wird. Möglicherweise wurden außer al-Süfi noch andere, vielleicht hebräische Quellen verwendet; durch eine solche Annahme würde auch der sonst nicht leicht einsichtige Ausdruck componer in der Schilderung der Übersetzung von 1276 eine einleuchtende Erklärung finden. In jedem Fall bleibt festzuhalten, daß die Fixstembücher in ihrer überlieferten Form keine Übersetzung eines arabischen Textes mehr darstellen, während eine ursprünglich wahrscheinlich einmal vorhandene Übersetzung dieses bekannten Textes nicht erhalten, sondern in der späteren Fassung aufgegangen ist. " Ich zitiere nach dem gedruckten Text M E N É N D E Z P I D A L , Crestomatía, 2 4 6 , der nach dem Ms. Ac. Hist. (Nr. 2) gestaltet ist. Cf. LSA I 7 ; H I L T Y , Libro complido, 44. 4 ' M E N Î N D E Z P I D A L , Crestomatía, 2 4 6 . 48 Diese von H. Ehrentreu aus dem Hebräischen (Ms. München hebr. 109, f° 22) übersetzte Stelle ist zitiert bei A. A. Björnbo, Hat Menelaos aus Alexandria einen Fixsternkatalog verfaßt ? In : Bibliotheca Mathematica 2 (1901) 199. Dort auch alle weiteren Angaben.

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2. Das Libro de la espera (5.)" ist ebenfalls zunächst 1259 wörtlich aus dem Arabischen übersetzt und dann 1277 für die Aufnahme in die Sammlung der LSA nochmals überarbeitet worden. Das Vorwort schildert genau diesen Hergang sowie Autor und Übersetzer; ich gebe die entsprechenden Passagen in der Textfassung des Codex Complutensis wieder (nur die gravierendsten Diskrepanzen mit dem Text von Rico sind in Anmerkungen angegeben) : De60 la fayçon dell espera, y de sus figuras, y de sus vuebras 51 . / Este libro es el52 dell alcora, que es dicha en latin: alcora, que compuso un sabio de oriente que ouo nombra Cozta. Et fabla de todo ell ordenamiento dell espera a que dizen en arabigo 63 : Vet alcorey, que quier tanto dezir; como la espera que esta sobre la siella, y fizo este libro en arabigo 83 . / E t despues mandolo trasladar de arabigo 53 en lenguage castellano el Rey don 61 Alfonso . . . a Mestre65 Johan daspa so clérigo, y a hyuda 68 el cohem so alhaquim 57 . / E t fue fecho yueues68 .vi. dias de febrero5" en era de Mil y dozientos· 0 y nouaenta 81 y siete annos, el seteno anno del regno deste Rey sobredicho. / E t en el tiempo que andaua la era en Mil y trezientos 82 y quinze annos, y auia .xxv. annos que el regnaua 63 ; fizolo componer y endereçar, et trasladallo aqui en este libro. . . . Este 64 libro era departido segund88 Cozta el sabio lo departiera en .lxv. capitolos. / Mas nos fiziemos f poner" quatro capitolos demas, que conuienen mucho a esta razon, ca son los primeros, y todos los otros uienen depos estos, y sin ellos non podría seer bien ordenado el libro, y poren 87 los posiemos" desta guisa«». Vermutlich ebenfalls anläßlich der Bearbeitung von 1277 wurde auf Geheiß des Königs ein weiteres Kapitel hinzugefügt, mit Hilfe dessen der Himmelsglobus auch für astrologische Zwecke brauchbar gemacht werden sollte ; dieses Kapitel wird wie folgt eingeleitet : " Cf. WEGENER, Werke, 147 ; SABTON, History,

826 N r . 7.

"> Rico : Libro de. 61 Rico: huebras. " Rico: el: fehlt. 63 Rico: aráuigo. " Rico: D. " Rico: maestro. 68 Rico: Yhuda. 67 Rico: Coheneso alhaquin. 68 Rico: jueues. " Rico: hebrero. ,0 Rico: dos cientos. 61 Rico: nouenta. 82 Rico : trescientos. 83 Rico : regnaba. 81 Rico : E t este. 85 Rico: segun. " Rico : poner y. 87 Rico: por ende. 88 Rico: possiemos. 8 » Codex Complutensis 24ra/b ; LSA I 153/154. Cf. HUTY, Libro complido, 38. 74

Et por que fuesae esta obra de la espera mas complida ; mandamos non Rey don A L F O N S O el sobredicho annadir h^ este capitulo70 pora fazer armillas en al espera pora saber eli ataçir, y egualar las casas segund la oppinion de hermes. Et mandamos a don Mosse'1 nuestro alfaquim78 que lo fiziesse'3.

Hieraus ergibt sich ein deutliches Bild vom Werdegang des Libro de la espera. Es wurde zunächst von Yehuda ben Moäe zusammen mit Johan daspa vermutlich sehr wörtlich übersetzt (abgeschlossen am 6. 2.1259) und dann zwischen Januar und Mai71 1277 überarbeitet (endereçar) und ergänzt (componer). Die Überarbeitung erstreckte sich in erster Linie auf stilistische Korrekturen; in der Tat wird noch zu zeigen sein, daß die Sprache des Libro de la espera in der heute allein erhaltenen definitiven Redaktion sehr gepflegt ist und auf einem vergleichsweise hohem stilistischen Niveau steht. An dieser Überarbeitung nahm, im Gegensatz zu derjenigen der Fixsternbücher, der König selbst offenbar nicht teil. Die Änderungen sind nicht tiefgreifend; der Text ist immer noch eine getreue Wiedergabe des arabischen Originals. Die Ergänzung des Werkes bezog sich auf die zusätzliche Einschaltung von vier Einleitungskapiteln, in denen die Herstellung des Himmelsglobus sehr detailliert beschrieben ist, sowie auf die Anfügung eines astrologischen Kapitels. Der Autor der Einleitungskapitel ist nicht genannt; für das astrologische Kapitel ist »don Mosse«, höchstwahrscheinlich wiederum Yehuda ben Mose, verantwortlich. Das arabische Original der Kapitel 5-69 ist bekannt und erhalten. Es handelt sich um das Kitab al-amai bil-kura al-falakiyya von Qustä ibn Lüqä al-Ba'labaki (f etwa um 912 n. Chr.). Von diesem Werk existiert eine Reihe von Handschriften, außerdem sind davon zwei weitere Übersetzungen (ins Hebräische und ins Lateinische)76 er70 71

72 73 74 75

Rico: capitolo. Rico: Xosse. (Diese fehlerhafte Transkription hat viel Verwirrung gestiftet; cf. PROCTER, King, 125; BAER, Juden, I I 51; CASTRO, España, 522. HILTY, Libro complido, 38f.). Rico: alfaquin. Rico: fiziese. Cf. HILTY, Libro complido, 40 A . 1. Cf. die Angaben bei STEINSCHNEIDER, Hebräische Übersetzungen, 552 (§ 3 4 2 ) ; S U T E R , Mathematiker,

4 0 - 4 2 (§ 7 7 ) .

Im einzelnen sei auf die folgenden Mss. hingewiesen : Ms. Berlin 5836 ( W . Ahlwardt, Verzeichnis der arabischen Handschriften der königlichen Bibliothek zu Berlin, Band V, Berlin 1893). Ms. British Museum 407 (Catalogue codicum manuscriptorum orientalium qui in Museo Britannico asservantur. Pars secunda codices arabicos complectens, Londoni 1846-71). Ms. Bodleiana I I . 297 ( = Huntington 584) (Bibliothecae Bodleianae codicum manuscriptorum orientalium . . . catalogue a Joanne Uri confectus. Partis secundae volumen primum arabicos complecteus confecit Alexander Nicoli. Oxonii 1821). Ms. Konstantinopel 2635 (Katalog der arabischen, persischen und türki-

75

halten; es erfreute sich also bei Arabern, Juden und Christen einer gewissen Beliebtheit. Ich benutze für den Vergleich der spanischen Übersetzung mit dem arabischen Original das Oxforder Manuskript Huntington 584; das in diesem Manuskript überlieferte Vorwort des Autors ist in der Übersetzung weggelassen und an seine Stelle ein eigener Prolog gesetzt worden. Die beiden Texte stimmen gut miteinander überein, es gibt keine Abweichung größeren Umfangs; der Grad der Wörtlichkeit (Nähe zum arabischen Text) ist allerdings etwas geringer als in dem Libro de la Açafeha, was sich aus der Entstehungsgeschichte des Werkes ergibt (s.u.). 3. Das Libro da la Açafeha (9.) 7 · ist nach einer ersten Übersetzung 1255 durch Fernando de Toledo im Jahre 1277 von Mestre Bernaldo el arabigo und Abraham »su alfaqui« auf Geheiß des Königs ganz neu übersetzt worden. Die entsprechenden Angaben finden sich im Prolog des Buches, den ich in der Fassung des Codex Complutensis wiedergebe : Este es el libro de la açafeha que es llamada lamina. / Dicho auemos fata aqui dell alcora como es fecha, y como deuen obrar por ella. Et otrossi dell astrolabio como es fecho, y de lets huebras que se pueden fazer por el. / Mas agora queremos fablar de la açafeha que fizo azarquiel el sabio astrolomiano de Toledo, a onra" del Rey almemun que era entonçe' 8 sennor dessa cipdat, y nombrola por ende" almemonia. E t despues80 fue a Seuilla y fizo esta açafeha misma 81 en otra manera mas complida y mas acabada. E t fizo otrossi el libro de como se deue fazer, y de como deuen obrar por ella a onra 88 del Rey almuhtamid aben abet 83 , que era sennor de essa81 cipdat en aquel tiempo y nombrola por end alhabedia. / Et este libro sobredicho traslado de arabigo 85 en romanço 88 nuestre 87 femando de Toledo, por mandado del muy noble Rey don Alfonso88. . . . en el anno quarto que el regno. / Et despues mandolo trasladar otra uez en Burgos meior y mas complidasehen Werke der Bibliothek der Moschee Aja Sophia in Konstantinopel. Konstantinopel 1304/1887 (türk.)). Außerdem existiert eine hebräische Übersetzung von Jacob ben Mahir ibn Tibbon aus Montpellier unter dem Titel »Sefer ha-ma'aseh be-kaddur ha-galgal« (nach S A B T O N , History, 851 Nr. 5; vermutlich »ba-kaddur ha-gadol« zu lesen!) und eine lateinische von Stephanus Arnaldus aus Barcelona ( S T E I N S C H N E I D E R , Hebräische Übersetzungen 77f. Nr. 112). " W E G E N E R , Werke, 151f.; S A R T O N , History, 836f., Nr. 13. " Rico: ondra. 78 Rico: entonces. 7 · Rico: end. 80 Rico: depues. 81 Rico: mesma. 81 Rico: ondra. 88 Rico: Almuhtamid-aben-a-bet. 84 Rico: dessa. 86 Rico: aráuigo. 88 Rico: romançe. 87 Rico: maestre. 88 Rico : Alphonso. 76

mientra a Mestre8· Bernaldo el arabigo90, y a don abrahem su alfaqui en el .xxvj. anno del so regno, que andaua la era de cesar en mil. y ccc. y XV. annos. / An diesem Prolog fällt einerseits die ungewöhnlich detaillierte Beschreibung der Quelle auf. Es wird nicht nur der Name Azarquiels erwähnt, wie dies in den übrigen LSA üblich ist, darüberhinaus werden auch die beiden Entwicklungsstufen, die das Gerät durchlaufen hat, beschrieben. Millás Vallicrosa vermutet in diesem Zusammenhang, daß ein der ersten Entwicklungsstufe entsprechender Text nie existiert habe, da ihn Alfons sonst hätte höchstwahrscheinlich übersetzen lassen*1. Wenn diese Annahme richtig ist, bleibt es verwunderlich, woher die entsprechende Information in den LSA stammt. Man könnte daher auch zu der Hypothese neigen, daß Alfons unter zwei oder mehr ihm vorliegenden arabischen Fassungen eine ausgewählt hat und übersetzen ließ. Andererseits ist es bemerkenswert, daß die Übersetzung des Libro de la Açafeha nicht wie diejenigen der Fixsternbücher und des Libro de la espera, bloß »überarbeitet« wurde (endereçar und componer in beiden Fällen), sondern vielmehr völlig neu bei anderen Übersetzern in Auftrag gegeben wurde (trasladar otra uez). Diese neue Übersetzung sollte »besser und vollständiger (vollkommener?)« sein (meior y mas complidamientre) als die vorangegangene. Offenbar hatte der König in diesem Falle nicht so sehr an der spanischen Form, an der sprachlichen Ausdrucksweise und am Stil etwas zu bemängeln ; denn solche Fehler wären durch eine simple Überarbeitung der ersten Übersetzung zu beseitigen gewesen ; vielmehr richtete sich seine Kritik auf die Übersetzung als solche, die ihm dem arabischen Text nicht gerecht zu werden schien. Nun fällt bei einem Überblick über die Verfasser, Übersetzer und Mitarbeiter der wissenschaftlichen Werke der alfonsinischen Schule' 2 auf, daß die erste Übersetzung des Libro de la Açafeha durch Fernando von Toledo der einzige Fall ist, in dem ein Christ allein, ohne die Mithilfe eines Juden den arabischen Text übersetzt hat ; alle übrigen Werke, seien es Übersetzungen oder selbständige Arbeiten, sind entweder von Juden allein oder von Juden in Zusammenarbeit mit Christen verfaßt worden. Es drängt sich die Vermutung auf, daß die Arabischkenntnisse dieses Fernando de Toledo, von dem im übrigen nichts bekannt ist 83 , nicht ausreichend waren, um einen so schwierigen technischen Text, wie ihn das Werk des Azarquiel darstellt, zu ver89 80 91

92 93

Rico: maestre. Rico: aráuigo. M I L L Á S V A L L I C B O S A , Azarquiel, 437f. Übersichtlich zusammengestellt bei METTMAISHST, Stand, 2 7 4 . Cf. P R O C T E R , King, 1 2 6 : »Of the Spaniards Maestre Fernando de Toledo, who was responsible for the first translation of the Libro de la açafeha in 1256, and Juan Daspa . . . are names only.«

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stehen und zu übersetzen. Zumindest steht es fest, daß der König zu den Übersetzungsfähigkeiten eines ohne die Hilfe eines Juden arbeitenden Christen kein Vertrauen hatte, so daß er es vorzog, das Werk von einem Juden, dem bekannten Abraham alhaquim94, und einem ansonsten nicht bekannten Christen mit dem Beinamen »el arabigo«'5, gänzlich neu übersetzen zu lassen. In Anbetracht dieser Umstände erscheint es nicht verwunderlich, daß die Sprache des Libro de la Açafeha stärker arabisiert, die Übersetzung in engerer Wörtlichkeit dem Original folgt als dies bei dem stilistisch überarbeiteten Libro de la espera der Fall ist; dies ist vielmehr auf Grund der Beziehung zu dem Original zu erwarten, wie sie sich schematisch so darstellen läßt :

Original

1. Übersetzung (verloren)

Espera

Açafeha

2. Übersetzung (erhalten)

/ / / / / / / z

//////

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/ / / / / / / ζ (49)

Die Quelle des Libro de la Açafeha ist das Kitäb al-'amal bil-safïha alzarqäliyya al-mu'adda li-gami' al-äfäq°* von Abü Ishäq Ibrahim ibn Yahyà al-Naqqäs, bekannt als Ibn al-Zarqäl, eines der bekanntesten P R O C T E R , King, 124f. ; S A R T O N , History, 844. W E G E N E R , Werke, 152 vermutet, daß dieser Abraham identisch sei mit Abraham de Balmes, der I b n al-Haytams Weltkonstruktion ins Lateinische übersetzt hat ; er unterliegt hierbei einer Verwechslung: zwar ist es ein »Abraham Hebraeus«, der auf Geheiß don Alfons das Werk des I b n al-Haytam aus dem Arabischen ins Spanische übersetzte (cf. W E G E N E R , Werke, 135; S U T E R , Mathematiker, 94; S T E I N S C H N E I D E R , Europäische Übersetzungen, 2) und dieser Abraham ist sicherlich mit dem Übersetzer der Açafeha identisch; jedoch ist dies nicht Abraham de Balmes, denn dieser lebte im 15. Jahrhundert und übersetzte Ibn al-Haytams Werk nach der hebräischen Version des Jacob ben Mahir ibn Tibbon (nach S A R T O N , History, 844 und 851 Nr. 6 ; cf. auch S U T E R , Mathematiker, 94). 96 P R O C T E R , King, 125f., vermutet, daß es sich u m einen islamischen Konvertiten handelt, bei dem, falls dies richtig ist, allerdings sehr gute arabische Sprachkenntnisse erwartet werden konnten: »The Don Xosse (s.o. Anm. 71) . . . cannot be identified, nor can >maestre Bernardo el Arábico die allgemeine akkulturierende Einwirkung im Sinne des von der S-Sprache ausgehenden Stimulus zur Schaffung von Ausdrucksmöglichkeiten für neue Begriffe in der R-Sprache, -> hingegen die spezifische Form der akkulturierenden Einwirkung mittels direkter Übernahme. Mit >w< werden wissenschaftliche Sememe bezeichnet. Wenn man diese Feststellung in Beziehung setzt zu der eingangs entwickelten allgemeinen Theorie der wissenschaftlichen Sprachverwendung, so erkennt man, daß diese Verbindung eines im Rahmen der R-Sprache willkürlich eingeführten, beziehungslosen Phonemkomplexes, der durch die akkulturierende Einwirkung auf der Ebene der zweiten Artikulation zustande gekommen ist, mit einem durch die akkulturierende Einwirkung auf der Ebene der ersten Artikulation zustande gekommenen Semem, welches zu seinem Signifikat in einer Eins-zu-Eins-Beziehung steht und von semantischen Assoziationen daher frei ist, in besonders hohem Maße den Anspruch einer idealtypisch gesehenen wissenschaftlichen Sprachverwendung erfüllt; denn wenn man das wesentliche Merkmal eines wissenschaftlichen Begriffs darin sieht, daß er ein bewußt definiertes Konstrukt darstellt 42 , so ist es klar, daß gerade ein willkürlich eingeführter, beziehungsloser Phonemkomplex besonders gebieterisch nach einer Definition verlangt und am wenigsten der Gefahr einer Überlagerung oder Verdrängung der mittels Konstruktdefinition 43 entstandenen wissenschaftlichen Bedeutung durch eine vorausliegende allgemeinsprachliche Bedeutung unterliegt. Es hat also den Anschein, daß die aus der direkten Übernahme resultierende Unisemie dieses Verfahren als für die wissenschaftliche Begriffsbildung besonders geeignet erscheinen läßt, da, wie ausgeführt, einerseits ein unisemer Begriff den Anforderungen wissenschaftlicher Sprach Verwendung optimal entspricht und andererseits die direkte Übernahme notwendigerweise zur Unisemie führt. So verwundert es auch nicht, daß « S.o. S. 49. " S.o. S. 47. 101

diese Art der wissenschaftlichen Begriffsbildung in solchen Sprachen die dominierende Rolle spielt, welche durch Akkulturierung zu ausgesprochenen Mischsprachen geworden sind, also beispielsweise im Neupersischen und im Japanischen. Auch in den neueren Sprachen Europas ist die direkte Übernahme von Lautkomplexen aus dem griechisch-lateinischen Fundus eine der wichtigsten Methoden zur Bildung neuer wissenschaftlicher Begriffe; allerdings liegt in diesem Fall heute nicht mehr eine Akkulturierung von Seiten des Griechischen und Lateinischen vor, vielmehr wirkt hier das Fortschreiten der wissenschaftlichen Erkenntnis als ständiger Stimulus. Auf diesem Problemkreis wird später noch ausführlicher eingegangen44 ; für den Augenblick sollen diese Hinweise nur dazu dienen, die ungeheuren Möglichkeiten deutlich zu machen, die in dem Verfahren der direkten Übernahme für die wissenschaftliche Begriffsbildung liegen. Vor diesem Hintergrund mutet die Tatsache, daß das Altspanische von diesen Möglichkeiten so geringen Gebrauch macht, um so erstaunlicher an. Die Feststellung der quantitativen Geringfügigkeit der direkten Übernahmen aus dem Arabischen wird noch zusätzlich akzentuiert durch eine qualitative Betrachtung. Es fällt auf, daß von den neun wissenschaftlichen Arabismen, die nicht im Sinne einer Verlegenheitslösung übernommen wurden 45 , sechs instrumentaltechnischer Natur sind und nur drei wissenschaftliche Begriffe in einem enger gefaßten Sinn darstellen; auch unter diesen dreien sind zwei astrologische, und nur einer der Arabismen stellt einen wirklichen astronomischen Fachausdruck dar. Dieser letztgenannte Arabismus ist darüber hinaus auch der einzige, zu dem in A, C und Q keine terminologische Übersetzung besteht. Bei strenger Auslegung reduziert sich somit die Zahl der aus dem Arabischen ins Spanische direkt übernommenen astronomischen Fachausdrücke in C, A und Q auf einen einzigen, nämlich zont(e), und selbst dieses Wort erscheint in einem der Texte, wie gezeigt, nur in indirekt (vermittelt) übernommener latinisierter Form. Zur besseren Verdeutlichung dieser doch recht erstaunlichen Bilanz füge ich eine Zusammenstellung der gesicherten technisch-wissenschaftlichen Arabismen der untersuchten Texte bei, wobei ich außer dem Etymon auch die jeweiligen zur Wiedergabe des Begriffs bestehenden Alternativen mit Hilfe von Übersetzung angebe (s. Tabelle S. 103). Eine so auffällig geringe Neigung zur direkten Übernahme läßt sich nicht nur auf Grund der Verschiedenheit der beteiligten Sprachen erklären. Sicherlich hat diese Verschiedenheit in vielen Fällen dazu geführt, daß man, um der transpositionellen Vielfalt arabischer Begriffe gerecht 44 46

S.u. S. 162ff. Dies war, wie oben gezeigt, bei adohar und alhazar der Fall; diese beiden Wörter sind hierbei also nicht berücksichtigt.

102

astronomische Instrumente

instrumental technische Begriffe

wissenschaftliche Begriffe im engeren Sinn

Teile von Instrumenten

astrologische Begriffe astronomische Begriffe

kura

alcora

espera

safïha

açafeha

lamina

'idäda

alhidada

regla

satba

axataba

tableta/ tabliella

mamarr

almamar

andamio/ andamiento

madärät

almodarates linnas circulares

hilâë

alhilech

significador

tasyïr

ataçir

leuamiento/ leuantamiento

samt

zont(e)/ cenit

(somo)

(57)

zu werden, zum Mittel der Übersetzung statt zu dem der kaum transponierbaren direkten Übernahme gegriffen hat. Doch dies reicht als Erklärung keineswegs aus, da, wie die oben angeführten Beispiele des Neupersischen und des Japanischen zeigen, auch eine sehr große Verschiedenheit von S-Sprache und Ii-Sprache die massenweise Übernahme von Fachtermini nicht verhindert hat. Es genügt auch sicher nicht darauf hinzuweisen, daß die Einwirkung des Arabischen bei der Entwicklung und Ausgestaltung der kastilischen Prosa im 13. Jahrhundert insgesamt gesehen einen vergleichsweise bescheidenen Platz einnimmt und daß quantitativ ungleich stärker sich auswirkende Akkultuxierungseinflüsse vom Lateinischen ausgegangen sind. Wenn diese Aussage an sich auch richtig ist, so bleibt doch festzuhalten, daß im Bereich der Astronomie arabische Quellen das einzige Vorbild waren, an dem sich die spanisch verfaßten Traktate orientierten, die arabische Fachsprache das einzige Muster darstellte, nach dem eine entsprechende spanische sich ausrichten konnte. Und gerade in diesem Bereich ist die Zahl der Arabismen besonders niedrig46 ! Schließlich ist es mit Sicherheit falsch, in dieser Tendenz zur Vermeidung von Arabismen die Folge eines politisch oder religiös motivier" Man müßte in diesem Zusammenhang zum Vergleich quantitative Untersuchungen zu den Arabismen in anderen alfonsinischen Texten anstellen. Die von NEUVONEN Arabismos, 3 0 3 gegebenen Angaben beziehen sich auf Vorkommenhäufigkeiten, nicht auf Anteile am paradigmatisch erfaßten Gesamtwortschatz, so daß keine unmittelbare Vergleichbarkeit mit den hier vorgelegten Ergebnissen besteht.

103

ten Abgrenzungsstrebens gegenüber der islamischen Welt zu sehen. Zwar werden in den untersuchten Texten alle spezifisch islamischen Anklänge nach Möglichkeit sorgsam vermieden17 ; die Originaltexte werden bis zu einem gewissen Grade ihrer kulturspezifischen Eigenheiten beraubt und insofern ist die soziokulturelle Situation des Spanischen gegenüber dem Arabischen sicherlich eine andere als etwa die des Persischen, das nicht nur arabisiert, sondern auch islamisiert worden ist. Jedoch zeigt die am Hof des Königs herrschende Atmosphäre der Toleranz48 im allgemeinen und die sorgfältige und genaue Nennung der jeweiligen arabischen Quellentexte im besonderen ganz deutlich, daß man nicht bestrebt war, die bestehende Abhängigkeit von der islamischen Wissenschaft zu kaschieren oder zu leugnen; vielmehr strich man sie geradezu heraus, so daß ein in diese Richtimg zielender Erklärungsversuch für den auffälligen Mangel an Arabismen sicherlich fehlgeht. Man wird nicht umhinkommen, den Hauptgrund für diese Tatsache in einem bewußten Streben des Königs und seiner Übersetzerakademie nach Hispanisierung, nach völliger Assimilation der fremden Muster zu erblicken. Gerade in der Spärlichkeit des Befundes bei der Suche nach direkten Übernahmen zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit die Eigenart der alfonsinischen Akkulturierungsbemühungen, die eben im wesentlichen auf schöpferische Nachbildung aus eigenen Mitteln und nicht auf bloße Übernahme des Fremden gerichtet war. Der Mangel an Arabismen ist ein unmittelbares Indiz für das Bemühen des Königs, dem Kastilischen als potentiell universaler Kultursprache neue Bereiche nicht durch einfache Aneignung, sondern durch schöpferische Anverwandlung zu erschließen. Diese Eigentümlichkeit, die im weiteren Verlauf dieser Untersuchung immer deutlicher werden wird und als ein roter Faden alle im einzelnen dargestellten Teilbereiche durchzieht, manifestiert sich im Bereich der direkten Übernahmen in dreifacher Weise : 1. in der geringen Gesamtzahl von Arabismen überhaupt, eine Beobachtung, die, wie bereits ausgeführt, um so bemerkenswerter ist, als es sich um eine im Großen wie in allen Einzelheiten ganz von arabischen Mustern abhängige Textgattung handelt ; 2. in der noch wesentlich geringeren Zahl der im engeren Sinne wissenschaftlichen (auf die theoretische Astronomie bezogenen) Arabismen : zwei Drittel der Arabismen bezeichnen Instrumente oder Instrumententeile, also in genau spezifizierten technischen Zusammenhängen " Cf. hierzu die im Glossar s.v. dios und in der Einleitung zur Edition S. 14 gemachten Angaben. Was dort von C ausgesagt ist, gilt auch für die anderen Texte. Insbesondere wurden die religiösen Betrachtungen gewidmeten Teile der jeweiligen Prologe nirgends übersetzt. 48 Cf. CASTRO, Esparia, 221-227.

104

vorkommende Gegenstände; das Spanische öffnete sich also am ehesten im Bereich konkreter Sachbezeichnungen dem Einfluß des Arabischen durch direkte Übernahme, eine Tatsache, die, wie allgemein bekannt, für die Arabismen in den europäischen Sprachen überhaupt charakteristisch ist49 ; es ist auf diesem Hintergrund also nicht erstaunlich, eine Reihe von Arabismen zu finden, die Gegenstände bezeichnen, wohl aber muß festgehalten werden, daß die altspanische astronomische Terminologie wissenschaftlich-theoretische Ausdrücke dem unmittelbaren Einwirken des Arabischen so gut wie nichts verdankt, daß also der eigentliche Zentralbereich der astronomischen Fachprosa durch Arabismen gerade nicht geprägt ist ; 3. in der Tatsache, daß mit einer Ausnahme alle Arabismen auch übersetzt werden, ja, in einigen Fällen nur die Übersetzung als jeweiliger Terminus gebräuchlich ist, wohingegen die direkte Übernahme marginal bleibt; mehrfach wird, wie oben im einzelnen gezeigt, in diesem Nebeneinander von Arabismus und übersetztem Terminus eine Entwicklung deutlich, die von der direkten Übernahme zum mit genuin spanischen Mitteln gebildeten Ausdruck führt, als ein besonderes aufschlußreiches Indiz für die sprachliche Haltung des Königs und seiner Mitarbeiter. Angesichts dieses Resultates scheint es verlockend, dem abschließenden Urteil von Neuvonen, das er mit Bezug auf das Gesamtkorpus der spanischen Literatur des 13. Jahrhunderts gefällt hat60, an dieser Stelle auch mit Bezug auf das begrenzte Korpus der astronomischen Übersetzungsliteratur zuzustimmen. Visto el número relativamente poco elevado de los arabismos y lo escaso de las atestiguaciones halladas, debemos concluir que la influencia del árabe sobre la lengua literaria española del siglo X I I I era, no insignificante, pero de ninguna manera muy importante 51 .

Doch wäre es ein großer Irrtum, hierbei stehen zu bleiben und einem »Einfluß« nur dort sehen zu wollen, wo er sich, mit Händen greifbar, als direkte Übernahme eines Lautkörpers manifestiert. " Cf. zum Französischen die onomasiologische Gliederung der Orientalismen in B A L D INGER, Elemente. Daß die Bezeichnungen für Konkreta weitaus überwiegen, zeigt schon ein flüchtiger Blick auf die in dieser Arbeit vorgenommene Gliederung in Bereiche. 10 Die Ergebnisse der gigantischen, von einem Einzelnen wohl kaum bewältigbaren Untersuchung von Neuvonen sind allerdings mit Vorischt zu behandeln; wie ein Blick auf die hier analysierten Arabismen aus den Texten A und Q zeigt, fehlt in seiner Zusammenstellung der größere Teil von ihnen, und das, obwohl er bei der Aufzählung der von ihm dem Anspruch nach exhaustiv berücksichtigten Quellen ausdrücklich auch die LS A einbezieht. 61 N E U V O N E N , Arabismos, 3 1 0 .

105

3.1.3. Spätestens seit den Untersuchungen von Américo Castro hat man sich daran gewöhnt, Arabismen nicht mehr nur dort zu sehen, wo sie als lautliche Entlehnungen unmittelbar erfaßbar sind, sondern auch da, wo sich ein irgendwie definierter arabischer Inhalt in romanischen Ausdruck kleidet. Castro selbst spricht in solchen Fällen von »Pseudomorphosen«52. Wenn auch viele seiner Beispiele sich als nicht haltbar erwiesen und einer eingehenden Untersuchung nicht standgehalten haben53, so bleibt doch der grundlegende Gedanke richtig, daß eine Einwirkung sich nicht nur lautlich manifestiert. Die hier untersuchten »semantischen Arabismen« (im weitesten Sinn) sind allerdings mit den von Castro postulierten Pseudomorphosen nur bedingt vergleichbar, da es sich nicht um die Auswirkungen des engen Zusammenlebens von Christen und Moslems in einer gemeinsamen »morada vital« handelt, und damit um sprachliche Ausdrucksformen des täglichen Lebens, sondern vielmehr um die Elemente einer bewußten Ausweitung der Möglichkeiten des Spanischen auf ihm bis dahin verschlossene Gebiete der Kultur und Wissenschaft, und zwar primär im Bereich der schriftlichen Sprachverwendung. Zugespitzt könnte man sagen, daß, während die Castroschen Pseudomorphosen an der Basis gleichsam organisch gewachsen sind, die semantischen Arabismen im wissenschaftlichen Bereich bewußt übernommene Konstrukte im Bereich des Überbaus darstellen. 3.1.3.1. Unter den so verstandenen semantischen Arabismen, die allesamt dazu dienen, die auf Grund des Arabischen deutlich gewordenen Lücken des spanischen wissenschaftlichen Vokabulars zu schließen, hebt sich zunächst die Gruppe der direkten Nachbildungen ab. Wie zu Beginn dieses Teils der Untersuchung festgestellt, bezieht sich die akkulturierende Einwirkung der S-Sprache im Fall der direkten Nachbildung auf den Bereich der Derivation von Phänostrukturen aus Genostrukturen, ohne daß dort diese Angabe näher spezifiziert worden wäre. Wenn man nun die im sprachwissenschaftlichen Teil dieser Arbeit eingeführte Spezifizierung des I-Modells (cf. Abb. (3)) heranzieht, kann man theoretisch Einwirkungen auf allen drei Derivationsebenen unterscheiden. Es zeigt sich jedoch bald, daß die dritte dieser Ebenen für direkte Nachbildungen irgendwelcher Art keinerlei Bedeutung hat ; auf diese Ableitungsebene soll daher im folgenden nicht mehr eingegangen werden. Eine einfache Überlegung zu den hiernach noch verbleibenden beiden Derivationsebenen führt weiterhin zu dem Ergebnis, daß Einwirkungen auf der zweiten Derivationsebene solche auf der ersten notwendig voraussetzen, nicht aber umgekehrt. Man kann daher zwischen Einwirkungen unterscheiden, die sich auf der ersten Derivationsebene allein, und solchen die sich auf der CASTRO, España, 1 0 5 . " Cf. CATALÁN, Lingüistica 113 f. ( Α . 286), 177 f ( Α . 458f.) ; mación 281 und die dort angegebene Literatur. "

106

BALDINGER,

For-

ersten und zweiten Derivationsebene abspielen. Diese Unterscheidung soll nun im folgenden zunächst im Vordergrund stehen. Hierbei könnte man nun aus guten Gründen postulieren, daß eine Einwirkung auf der zweiten Derivationsebene nicht automatisch bereits dann vorliege, wenn ein arabischer Terminus und sein spanisches Gegenstück in ihrer transpositionellen Struktur übereinstimmen, daß vielmehr eine solche Übereinstimmung auf der zweiten Derivationsebene nur dann als Indiz für eine Einwirkung angesehen werden dürfe, wenn die betreffende transpositionelle Ableitung eigens für die Wiedergabe des jeweiligen arabischen Terminus geprägt worden ist. So einleuchtend dies auch sein mag, so wenig läßt sich dieser Gesichtspunkt für eine überzeugende Klassifizierung der mit genuin spanischen Mitteln gebildeten wissenschaftlichen Termini des Altspanischen verwerten. Denn die Berücksichtigung dieses Postulates liefe in der Praxis darauf hinaus, daß in jedem Einzelfall genau geklärt werden müßte, ob es sich bei einer bestimmten Prägung um einen an der betreffenden Textstelle erstmals verwendeten Neologismus oder um eine Bedeutungsverschiebung bei einem bereits vorher existierenden und paradigmatisch bereitstehenden Wort handelt. Ein erster Grund hierfür ist mehr äußerlicher Art ; er betrifft den auch heute immer noch recht unbefriedigenden Zustand der altspanischen Lexikographie, der es kaum ermöglicht, wirklich sichere Aussagen über den ersten Beleg eines Wortes zu machen54. Ein zweiter Grund betrifft die hier untersuchten Texte. Diese sind so beschaffen, daß man, entsprechende lexikographische Hilfsmittel einmal vorausgesetzt, allenfalls en bloc angeben könnte, ob ein bestimmter Terminus in der Zeit Alfons X.' geprägt worden ist oder schon vorher. Im einzelnen nachzuweisen, welches Wort bereits in den 50er Jahren, welches hingegen erst in den 70er Jahren des 13. Jahrhunderts aufgekommen ist, erscheint unmöglich angesichts der Tatsache, daß eines der hier im einzelnen analysierten Werke, nämlich C, überhaupt nicht auf ein Jahr genau datierbar ist65, und daß die beiden anderen, nämlich A und Q, jeweils ein doppeltes Entstehungsdatum angeben6", von denen bald nach dem Beginn, das andere kurz vor dem Ende der Regierungszeit 64

Cf. in diesem Zusammenhang beispielsweise die Tatsache, daß die Ausarbeitung des ersten Glossars zu einem astronomischen Fachtext im Zusammenhang mit meiner Edition der Cánones de Albateni bei zahlreichen Wörtern eine Vordatierung von bis zu fünf Jahrhunderten nötig gemacht hat. Das einzige Werk, dessen Dokumentationsdichte so groß ist, daß ihm einigermaßen zuverlässige Angaben über Fragen der Erstdatierung entnommen werden könnten, der neue Diccionario Histórico der Akademie, ist leider erst bis zu einem Punkt gediehen, an dem von praktischer Verwendbarkeit noch kaum die Rede sein kann. 66 Cf. die Einleitung zu meiner Edition. " S.o. S. 74, 76.

107

Alfons X.' liegt, daß also jeweils zwei etwa zwanzig Jahre auseinanderliegende Redaktionen vorliegen, zwanzig Jahre, in denen sich die spanische Prosa im allgemeinen und die wissenschaftlich-astronomische im besonderen in einem Ausmaß und in einer Schnelligkeit entwickelt haben wie kaum je zuvor oder danach. Auf Grund der Textlage läßt sich in keinem Falle angeben, welche Elemente jeweils der ersten und welche der zweiten Redaktion angehören. Ein dritter Grund schließlich betrifft die interne Struktur der hierhergehörigen Termini. In vielen Fällen handelt es sich um Transpositionen aus in der Alltagssprache häufigen Wortstämmen mit Hilfe gebräuchlicher, produktiver Affixe. Auch wenn es in einer ganzen Reihe von Beispielen evident erscheint, daß die betreffenden Lexeme ad hoc auf Grund der unmittelbaren Konfrontation mit dem zu übersetzenden arabischen Text neugebildet worden sind, so fällt es doch in anderen Fällen schwer, eine Prägung nur deswegen als Neologismus zu klassifizieren, weil in den zeitlich voranliegenden schriftlichen Zeugnissen ein entsprechender Beleg fehlt. Aus all diesen Gründen scheint es mir unangebracht, die direkten Nachbildungen nach dem Gesichtspunkt zu klassifizieren, ob sie absolute Neuprägungen darstellen oder auf vorhandene, in der Norm67 bereits realisierte Einheiten zurückgreifen. Wenn eine solche Einteilung sich auch zuweilen aufdrängen mag, muß doch festgehalten werden, daß sie für die große Mehrzahl der Fälle undurchführbar ist. So soll im folgenden der Prozeß der wissenschaftlichen Begriffsbildung im Altspanischen nach arabischem Muster unabhängig davon dargestellt werden, ob in den resultierenden Lexikoneinheiten nur eine semantische Beeinflussung bereits bestehender oder eine Neubildung aus den Elementen bestehender Lautformen vorliegt. Wenn die grundlegende Einteilung in Einwirkungen nur auf der ersten und solche auf der ersten und zweiten Derivationsebene beibehalten wird, so kann man eine gewisse Korrelation dieser Klassifizierung mit der in »Neologismus vs. nicht-Neologismus« nur darin sehen, daß Neologismen nicht in denjenigen Fällen vorliegen können, wo die Einwirkung nur die erste Derivationsebene betrifft, nicht aber darin, daß bei den Nachbildungen auf der ersten und zweiten Derivationsebene notwendigerweise Neologismen entstünden ; dies kann sehr wohl der Fall sein, muß es aber nicht. Die Tatsache, daß die jeweiligen Lexeme ihren arabischen Mustern transpositionell nachgebildet sind, verliert dadurch, daß hierbei auf im voraus bereits bestehende Einheiten rekurriert wird, nichts von ihrer Relevanz. Zum Zweck einer Vereinfachung der etwas schwerfälligen bisher angewandten Ausdrucksweise sei im folgenden die akkulturierende Einwirkung im Sinne direkter Nachbildung auf der ersten Derivationsebene ·' »Norm« im Sinne von

108

COSEBIU,

Sistema.

s e m a n t i s c h e N a c h b i l d u n g genannt, diejenige im Sinne direkter Nachbildung auf der ersten und zweiten Derivationsebene hingegen transpositionelle Nachbildung. Wie schon aus dieser Festlegung sowie aus den oben gemachten Ausführungen hervorgeht, bildet einerseits die Klasse der transpositionellen Nachbildungen eine Untermenge derjenigen der semantischen Nachbildungen, da auch in transpositionellen Nachbildungen eine Einwirkung auf der ersten Derivationsebene besteht. Andererseits kann man das Verhältnis zwischen den beiden Arten von Nachbildungen auch so formulieren, daß die semantische Nachbildung einen Grenzfall transpositioneller Nachbildung darstellt, nämlich einer solchen, welche die Nachbildung nur eines Transpositionstaktes darstellt58. Wenn man in diesem Sinne das Kriterium der »transpositionellen Tiefe«6* zugrundelegt, erweist sich die semantische Nachbildung als eine transpositionelle Nachbildung mit dem Grenzwert eins, während für die eigentliche transpositionelle Nachbildung festgelegt wird, daß ihre transpositionelle Tiefe einen Wert größer als eins haben muß. Im Bereich der transpositionellen Nachbildungen in dem so definierten Sinn ist es von Interesse, nach der Anzahl der nachgebildeten Transpositionstakte zu fragen. Es soll daher im folgenden eine entsprechende Einteilung durchgeführt werden, wobei gleich gesagt sein soll, daß es im allgemeinen nur um die Frage geht, ob zwei oder drei Transpositionstakte nachgebildet sind ; es gibt nur wenige Fälle, wo in beiden Sprachen vier Transpositionsschritte übereinstimmend vollzogen worden sind. Im Bereich der drei- und viertaktigen transpositionellen Nachbildungen kann man außerdem noch unterscheiden zwischen Fällen, in denen alle vor dem letzten liegenden Transpositionstakte tatsächlich realisierte Lexeme darstellen, und solchen, in denen dies nicht der Fall ist, sondern wo einzelne Stufen des Transpositionsvorgangs durch hypothetische Zwischenformen repräsentiert werden. Bevor nun die direkten Nachbildungen im einzelnen aufgeführt werden, soll zunächst der Vorgang der akkulturierenden Einwirkung allgemein dargestellt werden, wie er sich in diesem Bereich ausprägt. Wie schon gesagt, liegt bei der direkten Nachbildung in jedem Fall eine Einwirkung auf der ersten Derivationsebene vor, so daß von den Besonder68

59

Hierbei bleibt allerdings außer Betracht, daß gelegentlich die erste, an das Protolexem 0 applizierte Transposition nicht in beiden Sprachen identisch ist oder daß gewisse Zweit-Transpositionen des Arabischen im Spanischen nicht nachvollzogen werden, wie dies vor allem bei Nominali sierungen immer wieder der Fall ist. Diese Erscheinungen sind jeweils im Einzelfall syntagmatisch bedingt und berühren insofern die hier vorgelegte paradigmatische Analyse nicht, als mir kein Beispiel bekannt geworden ist, in dem die Identität des ersten Transpositionstaktes in beiden Sprachen nicht den Normalfall dargestellt hätte. Das heißt die Anzahl der jeweils gemeinsamen Transpositionstakte.

109

heiten, die bei transpositionellen Nachbildungen auf der zweiten Derivationsebene auftreten, momentan abstrahiert werden kann. Die Ausgangssituation einer direkten Nachbildung ist das Gegenüber eines wissenschaftlich monosemen oder polysemen Terminus in der S-Sprache, für dessen wissenschaftliche(s) Semem(e) in der R-Sprache keine entsprechende Einheit zur Verfügung steht. Nun liegt in der Definition der wissenschaftlichen Monosemie beziehungsweise Polysemie ja bereits begründet, daß die betreffenden lexikalischen Einheiten neben wissenschaftlichen auch nicht-wissenschaftliche Sememe aufweisen. Für diese aber stehen in der R-Sprache normalerweise entsprechende gemeinsprachliche Äquivalente zur Verfügung. Die akkulturierende Einwirkung besteht nun darin, daß jeweils eines dieser gemeinsprachlichen Äquivalente in der R-Sprache eines oder mehrere neue Sememe annimmt, nämlich eben jene(s) wissenschaftliches (-en) Semem(e), die das akkulturierende Modell aufweist. Auf diese Weise wird die Lücke des Wortschatzes in der R-Sprache geschlossen und deren Anwendbarkeit erweitert. In Analogie zu Abbildung (56) lassen sich die Verhältnisse folgendermaßen schematisieren. R- Sprache

S- Sprache

(58)

Signifikant

Signifikat

Semem

Semem

Inhaltsseite der Sprache

Ausdrucksseite der Sprache

w

/

!

r-*?

Signifikat



Signifikant

\

Λ \

Hierbei bezeichnet die im voraus bestehenden paradigmatischen Äquivalenzen gemeinsprachlicher Sememe in S und R, =) hingegen gleichzeitig den allgemeinen akkulturierenden Stimulus, der von S auf R ausgeübt wird und der darin besteht, daß eine in S wahrgenommene Begriffsbildung nach Ausdrucksmöglichkeiten auch in R verlangt, sowie die spezifische Form der akkulturierenden Einwirkung mittels direkter Nachbildung. Das besondere Charakteristikum dieser Art von Universalisierung besteht nun darin, daß die so entstandenen Termini ebenso wie ihre Muster prinzipiell wissenschaftlich monosem oder polysem sein müssen. Hierin unterscheidet sich dieses Verfahren grundlegend von dem der direkten oder indirekten Übernahme, bei der uniseme oder pluriseme Termini entstehen. 110

Diese grundsätzliche Aussage erfährt jedoch eine wichtige Einschränkung, wenn man die Nachbildungen verschieden tief gestaffelter Transpositionen mit einbezieht. Es erweist sich nämlich, daß die nachgebildeten Termini realiter um so stärker zur Uni- (Pluri-)semie tendieren, je größer die transpositionelle Tiefe der Nachbildung ist. Wie es sich damit im einzelnen verhält, soll im Anschluß an die nun folgende tabellarische Übersicht über die in den untersuchten Texten beobachtbaren direkten Nachbildungen dargestellt werden. Diese Übersicht bringt, nach Sachgebieten geordnet, die semantischen und die nach Tiefe gestaffelten transpositionellen Nachbildungen mit ihren jeweiligen arabischen Mustern. Ein * deutet darauf hin, daß die transpositionellen Herleitungen der jeweiligen Nachbildungen hypothetische Zwischenglieder enthalten.

rabada

assestar60

Astronomie

raçada/qâsa catar' 0 raçd/qiyâs

catamiento

rasd/qiyâs

rectificamiento

man zar

catamiento

zuhür

apparecimiento·1

magîb

escondimiento'2

matla'

ascendimiento'3

hubüt

descendimiento

tulü'/ matla'/ matâli'/ çu'ûd

sobimiento

gurüb/ magrib/ magîb

ponimiento

hubüt

abaxamiento (59)

60 Cf. Glossar s.v. " A (212) (57r). *2 Cf. asconderse. , s Cf. ascendente.

rectificamiento.

Ill

masriq

*orientamiento

magrib

*occidentamiento

dawr/ madâr/ dawarân

reboluimiento

magâz / mamarr

passamiento

mayl

enclinamiento*4

inqilâb/ munqalab

mudamiento acomediarse

tawassata

acomediamiento

tawassut sa'a

anchura

'izam

grandez"

tûl

longura

tûl

longueza"

'ard

ladeza

ru'ya

parescimiento

ru'ya

uista"

martaba

estado

giha

parte

falak

cielo

çùra

figura

burg

signo

haqîqï/ haqqï

cierto

awsat mu'tadil

mediano egual

'addala

eguar

mu'addal

eguado

mu'addii

eguador

·* Cf. declinación. 65 Cf. grandeza. ββ Cf. longura. " Cf. parescimiento.

112

Astronomie

i'tidäl I istiwä'

egualdad

ta'dü

eguacion

qawwama

endereçar

taqwim

endereçamiento

muqawwam zäda

endereçado annader

ziyäda naqaça

annadimiento menguar menguamiento

nuq$än qasama

partir partición

qisma |ΐφ·

rayz

magdür Arithmetik

di'f

raygado doble

dâ'afa/ da"afa/ ad'afa

doblar

alqà

echar

adhala

entrar

tafâdala

annaderse annadimiento

tafadul eguacion

ta'dll

Φ

ΊΦ β ο

ê

harija

quinnon

gins

linage

tâniya

segundo

tâlita

tercio

râbi'a . . .

quarto . . .

handasï

geometriano

daraga

grado

guz·

parte

rabba'a

quadrar

rabba'a

quadrear

113

Geometrie

rabba'a

quartear

murabba'

quadrado

intabaqa

posarse

taqäta'a

taiarse

taqätu*

taiamiento

iltiqä'

contannimiento·8

munâsib

semeiante

nasaba

proporcionar8 '

qaws

arco

qawwasa

arquear

taqwïs

Trigonometrie

watar

arqueamiento cuerda

tâmm

complido

tamâm

complimiento

zill

sombra

mawqi*

caymiento

qâ'im

leuantado

inbisât

espandimiento

mabsùt mabsùt

espandido llano70

mabsùt

tendido

Astrologie

imtidäd

tendimiento

ahkâm

juyzios

mîlâd/ mawlid

nacencia

sakl

figura

ittaçala

allegarse

ittiçâl nazara

allegamiento catar

tanâzara

catarse71

nazax

catamiento

" A (235) (79v). 69 Cf. proportion. 70 Cf. espandir. 71 NUT in BP; cf. catar. 114

murtabit

atado

irtibât

atamiento

'ali

alto

munhafld

baxo

"âmir

sennor

Astrologie

sawwà

eguar

sami'a

oyr

atâ'a

obedecer

muti*

obediente

munçarif

esparzido

qawï

fuerte

quwwa

fortaleza

sayyara

leuar"

sayyara

leuantar 7 2

tasyir

leuamiento 72

tasyîr

leuantamiento 72

dalli

significador

ilq matrah

echamiento quadradura

Instrumentaltechnik

Geographie

tarbï' tatlît

*terciadura 7 3

tasdïs

*sestadura 7 3

tul

longura

tùl

longueza 71

"ar Π

(67)

P o m m l e n t o < R2Rl °>

Die spanischen Substantive müssen den (Bewegungs-) Begriff des Aufbeziehungsweise Untergangs ebenso abdecken wie den (lokalen) Begriff eines bestimmten Auf- beziehungsweise Untergangspunktes. Sie sind daher poly- oder plurisem. Nicht problematisch hingegen ist die lokale Umfunktionierung des miento-Suffixes im Falle der verwandten Begriffe orientamiento/occidentamiento, die aus der Notwendigkeit entstanden sind, die singularia tantum oriente und occidente in den Plural zu setzen. Das angewandte Verfahren, eine komplexe mehrstufige transpositionelle Nachbildung, läßt sich in folgender Weise rekonstruieren. Für den Begriff »Osten« beziehungsweise 90

I m modernen Arabisch (laut W) das Normalwort für »Schlafzimmer« ! " Proverbios morales, Copla 596, S. 367; zitiert bei Knust, BO 383.

126

»Westen« existieren im Arabischen jeweils zwei Ausdrucksmöglichkeiten, nämlich jeweils ein (R2R1O) und ein (I^'RiO) von den Verbalwurzeln, die »aufgehen« beziehungsweise »untergehen« bedeuten. Wenn man nun annimmt, daß der Übersetzer die jeweiligen (RgRiOJ-Transponate als primäre (R2O), die zugrunde liegenden Verballexeme hingegen als (R 1 R 2 0) aufgefaßt hat, dann erkennt man, daß seine transpositionellen Nachbildungen bis ins Detail mit dem Arabischen übereinstimmen. Während normalerweise die Begriffe »Osten« und »Westen« ohne Rücksicht auf die Herleitung der sie im Arabischen ausdrückenden Lexeme mit den primären (R2O) oriente und occidente wiedergegeben werden, lenkte im Falle von masäriq/magärib sowohl die pluralische Form als auch der besondere, auf Re-etymologisierung beruhende Gehalt des Begriffs die Aufmerksamkeit des Übersetzers auf die transpositionelle Herleitung der arabischen Wörter. Mit der soeben angenommenen Voraussetzung stellt sich demnach der Prozeß der transpositionellen Nachbildung folgendermaßen dar : sarq -»• oriente garb occidente saraqa -> ""orientar (R1R2O): garaba -*• *occidentar (68) (R 2 iRiR 2 0): maáriq —>- orientamiento magrib occidentamiento masäriq -»• orientamientos Plural: magärib -»• occidentamientos Die entstehenden Begriffe sind, da es sich um neologische Bildungen sowohl im zweiten wie im dritten Transpositionstakt handelt, völlig unisem ; in diesen Fällen führt die lokale Verwendung von -miento also in keiner Weise zu Schwierigkeiten. Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß das in der altspanischen wissenschaftlichen Begriffsbildung produktivste Wortbildungssuffix, nämlich -miento, in zweierlei Hinsicht funktional mehrdeutig ist, was in gegebenen Einzelfällen durchaus zu Ambiguitäten zumindest in dem Sinne führen kann, daß wissenschaftlich jeweils monoseme Begriffe des Arabischen mittels poly- oder plurisemer spanischer Lexeme wiedergegeben werden. Die eine dieser funktionalen Mehrdeutigkeiten liegt im System des Spanischen begründet, sie ist darüber hinaus für den Sprachtyp charakteristisch, dem das Spanische angehört, und daher im hier untersuchten Zusammenhang vor allem insofern von Interesse, als diese Mehrdeutigkeit erst auf dem Hintergrund des Arabischen überhaupt sichtbar wird. Die andere funktionale Mehrdeutigkeit entsteht hingegen auf Grund einer direkten Einwirkung des Arabischen auf das Spanische, sie wird daher im Rahmen der Übersetzungsliteratur überhaupt erst geschaffen und ist auch kaum darüber hinaus gelangt. Beide Faktoren zusammen tragen jedoch wesentlich dazu bei, die Grenzen und Unvollkommenheiten sichtbar zu machen, die der direkten transpositionellen (R2O) :

127

Nachbildung als einem Mittel zur wissenschaftlichen Begriffsbildung eigen sind. Diese Betrachtungen über das -wnewto-Suffix sollen nun nicht abgeschlossen werden, ohne daß zuvor noch dessen Rolle und Bedeutung im allgemeinen Rahmen der altspanischen Übersetzungsliteratur kurz beschrieben würde. Hierbei empfiehlt es sich neben der Berücksichtigung nicht-wissenschaftlicher miento- Ableitungen in den untersuchten wissenschaftlichen Texten vor allem auch die didaktische und Spruchliteratur zum Vergleich heranzuziehen ; es erweist sich nämlich bei näherer Untersuchung der hierhergehörigen Texte, daß in ihnen neugeprägte Ableitungen auf -miento, neben solchen auf -dor, einen unverhältnismäßig großen Platz einnehmen und oft so gehäuft auftreten, daß sie den Texten ein ganz besonderes stilistisches Gepräge geben. Es erscheint daher angebracht, an dieser Stelle einen Exkurs über bestimmte Besonderheiten der Sprache des Sprichworts, deren Gründe und deren Auswirkungen auf die aus orientalischen Quellen schöpfende altspanische Spruchliteratur einzuschieben. Die besondere Eigenart der wissenschaftlichen Neuprägungen wird auf diesem Hintergrund besonders auch da deutlich werden, wo sich beide Textgattungen rein äußerlich der gleichen transpositionellen Mittel und Modelle bedienen.

128

EXKURS

BESONDERHEITEN DER D I R E K T E N NACHBILDUNG IN D E R SENTENZ» 8 Als logische Grundform eines bestimmten, sehr verbreiteten Sprichworttyps kann man die ethische oder pragmatische Bewertung von Handlungsweisen ansehen. Beide für diesen Typus, den ich im folgenden Sentenz nennen möchte, konstitutiven Elemente, die Handlungsweise selbst und deren Bewertung, können im einzelnen in sehr verschiedenartiger Weise ausgedrückt werden; entscheidend bleibt, daß stets von einem Verhalten, einer Tätigkeit etwas prädiziert wird. Es ist somit festgelegt, daß die Terme in einer sentenzartigen Aussage stets Handlungen in einem abstrakten, allgemeinen Sinne sind, nicht jedoch bestimmte Handlungsträger. Eine Sentenz muß eine Regel aufstellen, die allgemeingültig viele Einzelfälle umgreift und ist insofern mit dem Gesetz verwandt ; sie interessiert sich nicht für das im jeweils Besonderen agierende Individuum, sondern für Normen, Verhaltensmuster, für Handlungsweisen als solche. Diese allgemeine Charakteristik hat natürlich Auswirkungen auf die sprachliche Formulierung; man kann erwarten, daß Sentenzen dieser Art generell bestimmte Besonderheiten aufweisen, die sie von anderen Arten der Aussage unterscheiden. Das primäre Postulat an eine Sprache der Sentenz muß es sein, daß eine Handlungsweise abstrakt, das heißt ohne Bezug auf einen konkreten Handlungsträger einerseits und ohne Bezug auf den jeweiligen Kommunikationsakt andererseits, dargestellt wird. Das bedeutet, daß in der Sentenz einerseits, logisch gesprochen, subjektlose Prädikate ihrerseits zum Subjekt gemacht und daß andererseits, linguistisch gesprochen, jede Art von Deixis vermieden werden muß. Damit eine Aussage zur Sentenz wird, müssen also zwei Reduktionsprozesse stattfinden: einer zur Beseitigung konkreter Aktanten, ein anderer zur Beseitigung deiktischer Elemente. Für beides gibt es in jeder Sprache eine Vielzahl von Mitteln, die zum Teil in dem Sinne kombiniert auftreten, daß die Anwendung ein und desselben Mittels beide Arten von Reduktion zur Folge hat. " Cf. zu den folgenden Ausführungen jetzt genauer BOSSONO, Abstracción.

129

Wenn man nun daraufhin Texte der arabischen Spruchliteratur untersucht, so stellt man fest, daß Subjektlosigkeit und Vermeidung von Deixis sehr oft mit Hilfe zweier grammatischer Kategorien erzielt wird, die jeweils kombiniert, das heißt in beiden Richtungen, wirken. Es sind dies die Nominalisierungstranspositionen (R2R1O) und (R3 a Ri lx O) 1 P2 (in der Regel als masdar beziehungsweise fä'il, das heißt, Verbalnomen beziehungsweise Partizip Aktiv realisiert). Bezüglich der Leistungen der (R2R1O)-Transpositionen kann auf die Darlegung im ersten Teil dieser Arbeit verwiesen werden9'. Es genügt in diesem Zusammenhang, nochmals zu betonen, daß durch die einfache Nominalisierung eines Verbalbegriffs die ansonsten zwingende Notwendigkeit der Angabe obligatorischer Aktanten entfällt, was in diesem Falle insbesondere bedeutet, daß die Angabe eines ersten Aktanten (Subjekt, konkreter Handlungsträger) unterbleiben kann; und daß beim Verbalnomen die beim Verbum ansonsten unumgängliche Bezeichnung temporaler und sonstiger deiktischer Kategorien unterbleibt. So ist es möglich, mit Hilfe dieser Transposition Handlungen als solche, losgelöst von ihren jeweiligen Trägern und ohne Bezug auf eine bestimmte, durch den jeweiligen Kommunikationsakt definierte Zeitlichkeit, auszudrücken und ihrerseits zu Subjekten neuer Aussagen zu machen. Da hierdurch ursprünglich konkrete Handlungen in der Weise abstrahiert werden, daß »Verstandesgegenständlichkeiten« (nach Husserl) entstehen, ist dieses sprachliche Mittel zur Formulierung von Sentenzen als Urteilen über Handlungsweisen besonders geeignet. Vielleicht weniger unmittelbar einleuchtend ist die abstrahierende Wirkung der für die arabische Spruchliteratur so ungemein charakteristischen (R3aRilxO)1P2-Transpositionen100. Sie wird aber sogleich deutlich, wenn man sich vor Augen führt, daß zum einen, was die Deixis betrifft, das arabische Partizip keinerlei temporal-deiktischen Elemente enthält (es steht damit im Gegensatz zu den indoeuropäischen Partizipien), und daß zum anderen durch die Aktantisierung des Verbaladjektivs der Ausdruck konkreter Handlungsträger vermieden wird 101 . Über den als erster Aktant zu (Ri lx O) fungierenden Handlungsträger wird nur ausgesagt, daß er die betreffende Handlung vollzieht, nichts sonst; er ist der Vertreter aller potentiell möglichen Subjekte des jeweiligen Verbums, Handlungsträger schlechthin. Auf diese Weise wird der Ausdruck des mit dem ** Cf. Sprachwissenschaftlicher Teil S. 45f. In dieser transpositionellen Schreibweise ist die Angabe a (für Agentiv) eigentlich redundant, da sie in derjenigen über Valenz und Realisierung der Valenz beim ersten Aktanten implizit enthalten ist. Ich füge sie hier zur Verdeutlichung hinzu. x beim Verbum kann die Werte O, 2 oder 2 3 annehmen, ohne daß die im Augenblick verfolgte Fragestellung dadurch berührt würde. 101 Wie er bei attributiver Verwendung des Partizips ((R 3 R 1 l x O)P 3 (R 2 0) x P 2 ) gegeben wäre. 100

130

zugrunde liegenden Verballexem ausgedrückten Geschehens mittels der aktantisierten Partizipialform ebenso allgemein und abstrakt wie derjenige mittels einfacher Nominalisierung. Statt unmittelbarer Hypostasierung der Handlung zu einer quasi-dinglichen Entität erfolgt hier der Abstraktionsprozeß mit Hilfe der Auslassung aller inhaltlicher Bestimmungen bei der Angabe des Handlungsträgers. In einem Fall wird die Handlungsweise als Handlung, im anderen als deren Träger von den jeweils konkreten Realisierungen »abgezogen«. Daß neben diesen beiden Methoden zur Abstrahierung natürlich noch zahlreiche andere existieren, ist selbstverständlich und soll an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden102. Jedenfalls steht fest, daß die beiden geschilderten Methoden sehr verbreitet sind, da sie einerseits in besonderem Maße dem Bedürfnis entgegenkommen, Sentenzen eine möglichst prägnante und konzise Form zu geben, und andererseits der Vorliebe der arabisch sprechenden Völker für Wortspiele und Reimassoziationen den größten Spielraum lassen. Was nun die Wiedergabe dieser Sentenzformen im Spanischen betrifft, so läßt sich generell sagen, daß die Verbalnomina entweder mit dem substantivierten Infinitiv ((RiO)P2) oder mit entsprechenden Verbalnomina ((R2RiO)P2), fast immer auf -miento, die aktiven Partizipien hingegen mit Agentivableitungen auf -dor ((R2aRilxO)1P2) wiedergegeben werden. Hierbei gilt nun, daß nur die erste Möglichkeit, nämlich (RiO)P2, auf einem grammatikalischen, durch die Norm in keiner Weise eingeschränkten Verfahren basiert, während die beiden anderen Methoden im Spanischen Wortbildungsmechanismen sind, die mit zwar produktiven, normativ jedoch begrenzten Suffixen arbeiten. Sehr viele der nach diesen Mustern dem Arabischen direkt nachgebildeten Formen sind in der Tat

Arabisch Spanisch 102

wortbildend

(69) Aktantisierung

grammatikalisch (R 2 R 1 0)P 2

-

Agentivierung

(R 3 a Ri lx O) 1 P 2

(R2/3aRilxO)iP2

Aktantisierung

(RiO)P2

(R2RiO)P2

Agentivierung

-

(R 2 a Ri lx O) 1 P 2

Ich weise nur kurz auf folgende Tatsachen hin : der erste Aktant kann mit Hilfe »neutraler« Personen wie der fiktiven zweiten Person (ohne Kommunikationsakt) oder mit Hilfe des allgemeinen insän jedes konkreten Bezuges enthoben werden; die (R3aR,lxO)1P1-Konstruktion kann durch allgemeine Relativsätze des Typus (. . . (R11XO)P1)1P2) (mit man oder mä) ersetzt werden ; als temporal-deiktische Kategorie kann beim finiten Verb eine »Allzeitlichkeit« ausgedrückt werden (im Arabischen sowohl mit Hilfe des Imperfekts als auch des Perfekts) etc. All diese erwähnten Möglichkeiten werden im Spanischen in reichem Ausmaß direkt nachgebildet (häufige Verwendimg von tu und omne im Sinne von »man«, Relativsätze des Typus el que . . ., allzeitliches Präsens oder, in Anlehnung an das arabische Imperfekt, allzeitliches Futur etc.). 131

auch Neologismen. Schematisch läßt sich dieses Verhältnis so darstellen: Siehe Abb. (69), S. 132 (cf. auch Abb. (60), S. 118). E s sollen nun im folgenden einige charakteristische Beispiele für jede der aus diesem Schema sich ergebenden vier Übersetzungsmöglichkeiten angeführt werden, wobei, gemäß der übergreifenden Fragestellung nach dem Wesen der direkten Nachbildung, vor allem die Formen auf -miento und -dor berücksichtigt werden. 1. ( R 2 R I O ) P 2

(RIO)P2:

tu puedes vençer el mal con el bien y es el mejor vençer de los vençeres. El vençer con el bien es nobleza y el vençer con el mal es avoleza BP (97) el sofrir103 es fuerte castillo BO (119) El buen callar es rretenimiento de la lengua, sabiendo que désir, e el mal callar es rreteniedola por non saber que désir BO (234) el cuydar es Have de la certedumbre BO (320) el non dar del tenedor es mejor qu'el dar del gastador BO (320) (zugleich ein Beispiel für (R 3 a Ri 1 I 0) 1 P2 non es buena la fabla sinon en Dios, nin es bueno el callar sinon (en) pensar en Dios BO (328)

qad tastatï'u an tagliba 1-sarra düna l-§arri wa-dâlika alrafu 1-galabatayni li-anna 1-galabata büSarri galdun wal-galabata bil-hayri fadilatun (28v) al-sabru hisnun manî'un (38) al-samtu imsâku 1-lisâni 'ani 1qawli ma'a l-ma'rifati bihï wal'iyyu imsâku 1-lisâni 'ani 1-qawli ma'a 1-gahli bihï (164) al-zannu miftâhu 1-yaqîni (255) man'u 1-hâfizi hayrun min i'tâ'i l-mudayyi'i (255) (R2 a Ri Ls O) 1 P 2 ) là hayra fï 1-kalâmi illâ bi-dikri llähi, wa-lâ hayra fï 1-suküti illâ bil-fikrati fï 1-ma'âdi (262)

(zugleich ein Beispiel für ( R 2 R I O ) P 2 -»• (R 2 RIO)P 2 )

2. (R 2 RiO)P 2 (R 2 RI0)P 2 : Con el abreviamiento segurase el dezidor del mal entendimiento del oydor BP (61) (zugleich ein Beispiel für (Rs a Ri lx O) 1 P 2 Non libra a omne de la muerte ni estuerçe della el grant guardamiento ny el fuymiento della BP (68) El endereçamiento de la vida es el buen asinamiento BP (68) eli apresuramiento trahe arrepentimiento BO (120) 108

bil-ïgâzi là yu'tà 1-natiqu min sü'i fahmi 1-sàmi'i (12v) (R2ARILXO)1P2)

là yungì mina 1-mawti 1-hadaru wa-lä yamna'u minhü 1-harabu (14v) qiwâmu 1-ma'äsi husnu 1-taqdìri (14v) al-'agalatu . . . qâ'idatun ilà 1-nadämi (38)

Cf. auch die in BP öfter vorkommende Verwendung von en beim Infinitiv in ähnlichem Zusammenhang (mit omne nach anderwärts vorkommendem insän) :

En soffrir omne las cosas que aborreçe, es bondat de la creençia B P (66)

132

al-sabru 'alà 1-makärihi min husni 1-yaqïni (14r)

el escarrnimiento fase perder el amor BO (99)

al-mizâhu yufnï 1-haybat a

nin ayuntamiento sin departimiento, nin allegamiento sin destajamiento BO (189)

ma'a kulli gtimâ'in tasattutun wama'a kulli waçlin inqitâ'un (112)

el desvergonçamiento en onbre es ceguedad (Text: nescedad) de su pensamiento BO (225)

al-qah[b]atu fi 1-insâni innamâ hiya 'amà fikrihï (150)

dos sofrimientos son

al-çabru çabrâni

BO (340)

por dos cosas se endereça el fecho del omne en este mundo, que son: por . . . acuciamiento con que se endereça la su vida BO (343)

(19)

(276)

Este mundo es sueño, e el otro despertamiento BO (382)

amrâni yastaslihu bihâ 1-mar'u dunyähü: . . . igtihädun yuhsinu bihî 'aysahü (oder: yahsunu bihl 'aysuhü) (280) al-dunyä hulmun wal-ähiratu yaqzatun (336)

3. (R8"Rii«0)ip 2 -> (R 2 a Ri l x O) 1 P 2 : El provador es mas sabidor que el fisico B P (60)

al-mugarribu ahkamu mina 1-tabibi ' (12v)

Non astraga la tierra sinon que es sabidor della ; el qui non es sabidor astraga la tierra a el B P (104)

qatala ardan häbiruhä wa-qatalat ardun gähilahä (31r)

mä sa'nu 1-bâkï wal-bukà (33v) Non tiene pro el llorar al llorador B P (110) (zugleich ein Beispiel für (R 2 R]0)P2 - (RiO)P 2 ) el mesclador miente a aquel a quien al-sä'i kädibun ilà man sa'à ilayhï, dise la mescla o es traidor del mesaw hä'inun li-man sa'à fïhî (19) ciado BO (99) los omnes son de dos maneras: o demandador que non falla lo que demanda, o fallador que non cumple lo que falla BO (lOOf) el ojo del amador es ciego en la cosa amada BO (228)

al-nâsu tnâni: tälibun lâ yagidu, wa-wâgidun la yaktafï (20)

el mejor desidor es el que non dise el dicho fasta que lo entiende, e el mejor obrador es el que non se atreve a la obra fasta que la bien asma BO (274)

ahkamu 1-qâ'ilîna qawlan man lam yutliqhü illä ba'da 1-rawiyyati, wa-awtaqu l-'âmilîna 'amalan man lam yuqdim 'alayhí illä ba'da 1-taqdiri (217)

el enviador tiene que en perder otro su bien es bien para el BO (319f)

al-hâsidu yarà zawâla gayrihï na'matan 'alayhï

los sesudos de los cogedores de los haveres cogen mas con mansedumbre que otros con soberbia BO (370)

al-'uqalä'u min gubäti 1-amwäli yunäwilüna min gam'ihâ bi-rifqin mâ lâ yunäwilüna min gam'ihä bil-sawlati wal-satwati (312)

4. (R 2 / 3 a Ri l x O)iP 2 (R 2 Ri 1 x O) 1 P 2 : Si non fuere sesudo y dezidor, sea callador y escuchador B P (65)

in lam takun hakïman natüqan fa-kim mustami'an §amütan (14r)

'aynu 1-muhibbi 'amyâ'u 'an 'aybi l-mahbubi ' (154)

na'mati (254)

133

non vos engannades por el sofrimiento del sofridor BO (200f)

ihdar hilma 1-halïmi

(124)

(zugleich (R 2 RIO)P 2 -»· (RARIO)P2 von derselben Wurzel)

conviene al sesudo que sea asechador de si BO (219)

yanbagï lil-'äqili an yaküna raqîban'alà nafsihî (143)

Wie aus diesen Beispielen, die sich leicht um ein Vielfaches vermehren ließen, hervorgeht, ist die Sprache der altspanischen, aus dem Arabischen übersetzten Spruchliteratur durch eine große Fülle von neugeprägten Ableitungen auf -miento und -clor gekennzeichnet. Die besonderen Anforderungen, welche die Formulierung von Sentenzen an die sprachlichen Ausdrucksmittel stellt (Vermeidung der Angabe des ersten Aktanten und deiktischer Elemente, Neigung zur Konzisität), wurden an das Spanische in Form arabischer Muster herangetragen, die nachzubilden sich als eine Aufgabe erwies, welche die sprachliche Kreativität 1 0 4 der Übersetzer stimulierte ; sie reagierten auf diese Herausforderung, indem sie den Anwendungsbereich vorhandener Ausdrucksmittel in einem bis dahin unbekannten Ausmaß erweiterten und dadurch der Sprache neue Bereiche erschlossen. Das Bestreben, arabische Sentenzen möglichst ohne Metataxen auf der zweiten Derivationsebene wiederzugeben, führte zu einem starken Anwachsen der nominalen Möglichkeiten des Altspanischen durch eine Produktivierung bestehender Ableitungsformen. Das Verfahren der direkten transpositionellen Nachbildung erweist sich somit als zentral auch in der nicht-wissenschaftlichen Übersetzungsliteratur.

»Sprachliche Kreativität« im Sinne einer Überschreitung und Ausweitung der Norm. 134

Wenn man nun versucht, auf dem skizzierten allgemeinen Hintergrund der direkten transpositionellen Nachbildungen in der Textgattung der Spruchliteratur die Besonderheiten der wissenschaftlichen Neuprägungen herauszuarbeiten, so stellt man zunächst fest, daß das für die Spruchliteratur konstatierte Bedürfnis nach Vermeidung der Angabe von Aktanten und deiktischen Elementen auch im Bereich der wissenschaftlichen Begriffsbildung festzustellen ist, aber einen anderen Stellenwert hat und daher eine andere Ausprägung erfährt als im Falle der Sentenz. I n der Sentenz dient, wie gezeigt wurde, die Nominalisierung von Verballexemen der Abstraktion von aktantiellen und deiktischen Angaben, wie sie für allgemeingültige Aussagen irrelevant, ja störend sind. Den gleichen Effekt hat die Nominalisierung auch im Bereich der wissenschaftlichen Prosa ; um feststellen zu können, ob dieses Resultat auch in dieser Textgattung ein erwünschtes ist, muß man zunächst nach einzelnen wissenschaftlichen Gebieten differenzieren und fragen, die Angabe welcher Art von Aktanten und welcher deiktischer Elemente durch Nominalisierung jeweils vermieden wird. Bezüglich der Vermeidung deiktischer Angaben ist die Antwort leicht zu geben: wissenschaftliche Äußerungen beziehen sich meistens auf Gegebenheiten, die von den subjektiven Koordinaten des jeweils sie äußernden Sprachbenutzers unabhängig sind und keinen Bezug auf sie nehmen. Personaldeiktische oder temporaldeiktische Angaben sind in solchem Zusammenhang daher störend und werden bewußt vermieden. Wo sie nicht vermieden werden können, nämlich bei »finiten Verbformen« (assertierbaren Elementen des Typus (. . . Ri.O)Pi), wird auf verschiedene Möglichkeiten deiktischer Neutralisierung rekurriert : als Tempus fungiert ein allzeitliches Präsens oder, in den übersetzten Texten im Zusammenhang mit Rechenregeln besonders häufig, ein allzeitliches Futur, das dem arabischen Imperfekt nachgebildet ist; als Person bei der obligatorischen Angabe des ersten Aktanten wird, in genauer Nachbildung des Arabischen, eine neutrale zweite Person Singular, eine ebenfalls neutrale erste Person Plural oder, vor allem zur Übersetzung des arabischen Passivs, das ja ebenfalls die Möglichkeit zur Vermeidung der Angabe des ersten Aktanten mit sich bringt, eine neutrale dritte Person Plural verwendet. All diese dem Arabischen fast sklavisch nachgebildeten Mittel 135

geben den hier untersuchten Texten ein unverwechselbares stilistisches Gepräge. Bei Nominalisierungen (assertionsblockierten Elementen des Typus (R.2.. . R]0)P2) entfällt im Spanischen, wie übrigens in allen anderen mir bekannten Sprachen, die Notwendigkeit deiktischer Spezifizierungen, so daß dieser Typus der Verwendung von Verballexemen für die Sprache der Wissenschaft sehr geeignet ist. So verwundert es, von daher gesehen, nicht, wenn unter den direkten Nachbildungen die Nominalisierungen einen beherrschenden Platz einnehmen. Nun bringt, wie gezeigt, die Nominalisierung ja nicht nur eine Befreiung von dem Zwang zu deiktischer Spezifizierung, sondern auch eine solche von der Notwendigkeit zur Angabe des ersten Aktanten mit sich. Dieser erste Aktant hat nun, wenn man die Nominalisierungen in der oben gegebenen Liste der direkten Nachbildungen überblickt, je nach Wissenschaftsgebiet verschiedene Funktionen zu erfüllen. In der Astronomie dient er zur Bezeichnung von Gestirnen oder Gestirnsörtern ; eine Ausnahme bilden nur die allgemeinen Begriffe der Beobachtung, in denen ein beobachtendes Subjekt die Stelle des ersten Aktanten einnimmt; in der Arithmetik vertritt der erste Aktant vor allem das rechnende Subjekt, gelegentlich jedoch auch bestimmte arithmetische Größen; in der Geometrie und Trigonometrie sind es Grundelemente dieser Wissenschaften, wie Punkt, Linie, Kreis, Schatten105, die als erste Aktanten der nominalisierten Verben fungieren; in der Astrologie sind es Gestirne als Ausgangspunkte wirkender Kräfte ; schließlich werden in instrumentaltechnischem Zusammenhang Nominalisierungen methaphorisch zu Bezeichnungen konkreter Instrumententeile verwendet, was quantitativ jedoch von geringerer Bedeutung ist106. Versucht man diese nach Sachgruppen spezifizierten aktantiellen107 Angaben insgesamt zu klassifizieren, so lassen sich drei große Gruppen bilden: 1. Gestirne allgemein und in speziellen Funktionen; 2. arithmetische, geometrische und trigonometrische Elemente; 3. menschliche Aktanten, die bestimmte wissenschaftliche Handlungen ausführen.

106

10β

Zu der Rolle des Schattens in der arabischen Trigonometrie siehe Glossar, s.v. sombra. Ableitungen auf -dor kommen hauptsächlich in diesem Zusammenhang vor. Diese in der Spruchliteratur so häufig auftretende Bildungsweise spielt in der astronomischen Literatur, in der menschliche Handlungsträger bedeutungslos sind, keine nennenswerte Rolle. Die beiden möglichen Übersetzungsschemata, die in der Spruchliteratur beobachtet werden, erscheinen auch hier: mu'tarida ->• trauessador folgt der Formel ( R / R ^ O ) ^ (R^R^O)1?!, a während qayyäs -»• amostrador nach der Formel (R 2 R 1 l x O) l P J -»• (R 2 »R 1 1 *0) 1 P 2 gebildet ist.

136

Es ist sogleich deutlich, daß aktantielle Spezifizierungen in der 3. Gruppe im allgemeinen irrelevant, in der 1. und 2. hingegen meistens von Interesse ist. I n die 3. Gruppe gehören einerseits die beiden Ausdrucksmöglichkeiten für den allgemeinen Begriff der »(astronomischen) Beobachtung«, catamiento und rectificamiento, andererseits die Nomina annadimiento, menguamiento und partición, sofern sie Grundrechenarten bezeichnen. Während im Falle der »Beobachtung« die Angabe des Aktanten durchaus wichtig sein kann, ist sie in der Arithmetik stets ohne Interesse. Die Nominalisierung ist in diesem letzten Fall unerläßlich zur sprachlichen Formulierung dessen, was heute in Formeln geschrieben wird ; beispielsweise repräsentiert die so häufig wiederkehrende Formel despues dell annadimiento ; o del menguamiento einfach die moderne Klammerschreibweise in Ausdrücken wie (x + y) · ζ = a oder (χ — y) : ζ = b. Die Angabe eines Aktanten im Sinne einer Bezugnahme auf einen konkreten, die Rechnung durchführenden Menschen wäre in einem solchen Fall gänzlich unangebracht. Die Nominalisierung dient zur Vergegenständlichung einer Handlung, die, verbal ausgedrückt, nur neutrale Personen als Aktanten hat. Hingegen ist in den Nominalisierungen der »Beobachtung« die Angabe des Aktanten oft wichtig. Es wird dann nach dem Muster (I^OBJPS1 (RIXOA)PI

(RZOBJPS1 (R2RI1OA)P2

verfahren, wobei das Spanische dem Arabischen hierin genau folgt : nuestro rectificamiento

los rectificamientos de ptholomeo10'.

Vollends in der 1. und 2. der angeführten Gruppen von Nominalisierungen wird deutlich, daß die Angabe der (in diesem Fall stets unbelebten) Aktanten sehr oft zwingend geboten ist; sie erfolgt im Prinzip ebenfalls meist nach der eben angegebenen Transpositionsformel. Als Beispiel führe ich aus jeder einzelnen Sachgruppe jeweils einen Beleg auf:

10

' Ich verwende im folgenden Zusammenhang der Einfachheit halber die Termini »Aktant« und »aktantiell« im Sinne von »Erstaktant« beziehungsweise »erstaktantiell«. 10 * Stellenangaben, arabische Äquivalente und nähere Hinweise siehe Glossar

s.v. 137

el parescimiento de la luna ell annadimiento de los grados el caymiento de la sombra eli allegamiento de quales dos planetas quier 10 ·.

Die Vermeidung der Angabe des ersten Aktanten kann hier also nicht der Zweck sein, wegen dessen die Nominalisierung auch in diesem Bereich eine so große Rolle spielt. Die (R.2RiO)-Transpositionen dient nicht einer Abstraktion im Sinne einer »Abziehung« vom jeweiligen konkreten Handlungsträger, vielmehr muß sie hier in einem anderen Sinne wirken, ihr allgemeiner Effekt einer Hypostasierung verbaler Handlungskerne zu gegenständlichen Entitäten hier im Dienste eines anderen Ausdrucksbedürfnisses stehen. In den hier untersuchten astronomisch-mathematischen Texten dient die Yergegenständlichung verbaler Komplexe mittels Nominalisierung in erster Linie der Quantifizierung, der Reduktion konkreter Einzelvorgänge auf meßbare Größen. Fast alle der oben (Abb. (59)) aufgeführten -miewio-Ableitungen, die zu den Gruppen 1. und 2. gehören, bezeichnen mathematisierte, zahlenmäßig erfaßbare Prozesse; die ursprünglich verbal gesehenen Vorgänge sind durch die Nominalisierungstranspositionen gleichsam erstarrt und zu vergegenständlichten Objekten eines mathematisch-naturwissenschaftlichen Denkens geworden. Dies ist die besondere Ausprägung, welche der auch in anderen Bereichen beobachtbare Abstaktionsschritt hin zu einer stärker nominalen Ausdrucksweise hier in bezug auf die Sprache der Astronomie erfährt ; es erweist sich, daß die Ausbildung äußerlich gleicher Ausdrucksmittel in verschiedenen Textgattungen unterschiedliche Funktionen erfüllen und unterschiedlichen Ausdrucksbedürfnissen Rechnung tragen kann. Zugespitzt könnte man sagen, daß die starke Zunahme der nominalen Bildungen, vor allem auf -miento, in der Spruchliteratur der abstrahierenden Verallgemeinerung von Handlungsweisen, in der astronomischen Literatur hingegen der mathematisierenden Vergegenständlichung von Vorgängen dient; in beiden Bereichen erfolgt sie nach denselben transpositionellen Mustern nach arabischem Vorbild. Wenn man nun versucht, die bisherigen Untersuchungsergebnisse zusammenzufassen und eine Bilanz der mit Hilfe des Verfahrens der direkten Nachbildung erzielten Resultate zu ziehen, so muß man zunächst den quantitativen Aspekt hervorheben. Auf den ersten Blick ist es offensichtlich, daß die Zahl der direkten Nachbildungen diejenige der direkten Übernahmen um ein Vielfaches übertrifft : 134 von mir registrierten direkten Nachbildungen stehen nur 9

loe

Cf. die vorige Anm.

138

beziehungsweise 11 1 1 0 direkte Übernahmen gegenüber. Schon a u s diesen Zahlenangaben wird deutlich, daß der direkten Nachbildung eine entscheidende Bedeutung in der Ausgestaltung des altspanischen astronomischen Begriffsapparates zukommt und daß dieses Verfahren unter denjenigen, die zur Universalisierung nach arabischem Vorbild benutzt wurden, d a s eigentlich zentrale ist. E i n e abschließende Bewertung dieser Methode wird sich allerdings erst nach der Behandlung der noch zu besprechenden indirekten Übernahme ergeben. Die Feststellung der quantitativen Überlegenheit der direkten Nachbildung erhält zusätzliches Gewicht, wenn m a n die Relationen der einzelnen Wissenschaftsbereiche betrachtet. Gegenüber den direkten Übernahmen, wo instrumentaltechnische K o n k r e t a ein starkes Übergewicht gegenüber a b s t r a k t e n astronomischen Termini hatten, läßt sich nun hier genau d a s Umgekehrte beobachten: die insgesamt 6 vorkommenden instrumentaltechnischen Ausdrücke stellen angesichts der Fülle der abstrakten Termini der verschiedenen Wissenschaftsbereiche f a s t eine quantité négligeable dar. Der Begriffsapparat gerade der zentralen Bereiche der hier untersuchten T e x t g a t t u n g , nämlich der Astronomie und Mathematik, wird primär mittels direkter Nachbildung gebildet. Auch in dieser Hinsicht erweist sich somit dieses Verfahren als essentiell f ü r die Ausbildung der altspanischen Wissenschaftssprache. Diese Bilanz nun k a n n erst d a n n in ihrer vollen Tragweite eingeschätzt werden, wenn m a n sich nochmals die wichtigsten Ergebnisse der semantischen Analyse der entstandenen Terminologien vor Augen f ü h r t : semantische Nachbildungen sind stets mono- beziehungsweise polysem; bei den transpositionellen Nachbildungen zeigt sich eine Tendenz zur Uni- beziehungsweise Plurisemie erst bei einer höheren Zahl von Transpositionstakten oder bei starker normativer Eingeschränktheit (geringer Produktivität) der verwendeten Ableitungsmittel ; nur eine recht kleine Zahl von so gebildeten Termini k a n n m a n mit Sicherheit als uni- beziehungsweise plurisem klassifizieren. Ganz allgemein bedeutet dies, daß die direkten Nachbildungen ganz überwiegend mono- oder polysem sind, also allgemeinsprachliche Grundbedeutungen haben und erst mit kontextuellen Mitteln auf ihre wissenschaftlichen Spezialbedeutungen eingeengt werden. Zusätzlich k o m m t es a n bestimmten Stellen des S y s t e m s a u s sprachimmanenten Gründen (Mehrfachbelastung des -miemio-Suffixes) zu funktionalen Mehrdeutigkeiten, w a s d a z u f ü h r t , daß manche Termini nicht uni- oder wenigstens monosem, sondern pluri- oder gar polysem sind. I m Bereich der direkten Nachbildungen besteht also durchgängig eine sehr starke, nur in Grenzfällen durchbrochene Neigung zur E n t stehung mehrdeutiger Termini, eine Neigung, welche dieses Verfahren

110

Wenn man adohar und alhazar hinzurechnet (s.o. S. 90f.).

139

für die Bildung wissenschaftlicher Begriffssysteme als nicht gerade besonders prädestiniert erscheinen läßt. Trotz dieser im Vergleich etwa zur direkten Übernahme offensichtlich geringeren Tauglichkeit dieses Verfahrens ist es das dominierende, dasjenige, mit Hilfe dessen gerade die für die Astronomie zentralen Bereiche dem sprachlichen Zugriff erschlossen wurden. Auf der Suche nach Gründen für diese erstaunliche Tatsache stößt man zunächst auf die bereits oben im Zusammenhang mit der direkten Übernahme geschilderten Eigenart111 der alfonsinischen Akkulturierungsbemühungen, die, wie gesagt, in dem bewußten Streben des Königs und seiner Mitarbeiter nach Hispanisierung, nach Assimilation und Nachschöpfung aus Eigenmitteln bestand. Jedoch kann man hierbei auch noch einen Faktor geltend machen, der vor allem auch im Vergleich mit dem konkurrierenden Verfahren der direkten Übernahme besonderes Gewicht erhält. Wie schon erwähnt, ist die wissenschaftliche Begriffsbildung im Arabischen, sei es als Nachbildung griechischer, syrischer oder indischer Muster, sei es eigenständig, fast ausschließlich auf die Schaffung monooder polysemer Termini hin angelegt; infolge der besonderen Struktur der arabischen Sprache bleiben auch neugeprägte Derivate stets durchsichtig, da sie sich fast immer deutlich erkennbar auf die jeweils zugrunde liegende, in der Allgemeinsprache verankerte Verbalwurzel beziehen. Das Verfahren der direkten Übernahme und die hieraus im Normalfall resultierende ünisemie sind extrem selten. Die Sprache der Wissenschaft ist somit im Arabischen einerseits in die Allgemeinsprache voll integriert, ihre Termini sind sekundär motiviert oder zumindest remotivierbar; andererseits muß sich das wissenschaftliche Semem eines gegebenen Signifikats gegen nicht nicht-wissenschaftliche zu demselben Signifikat gehörige Sememe stets durch ausreichende Kontextdetermination behaupten. Das Unterscheidungskriterium eines wissenschaftlichen arabischen Textes gegenüber einem nicht-wissenschaftlichen besteht infolgedessen auf lexematischer Ebene hauptsächlich darin, daß in ihm bestimmte, aus der Alltagssprache bekannte und geläufige Wörter in jeweils besonderen, im Rahmen wissenschaftlicher Theorien präzisierten Bedeutungen gebraucht werden, nicht jedoch darin, daß in größerer Zahl solche Lexeme aufträten, die in der normalen Sprache unbekannt wären. Das Arabische geht in dieser Hinsicht über das Griechische, in dem die Verhältnisse prinzipiell ähnlich liegen, noch hinaus, da in ihm sehr viele Ableitungsformen grammatikalisch, das heißt keiner normativen Einschränkung unterworfen sind, während die im Griechischen bestehenden, für eine

111

Siehe oben S. 104.

140

indoeuropäische Sprache typischen Normbegrenzungen oft zu Termini führen, die als transpositionelle Innovationen unisem sind; es steht in krassem Gegensatz zu den modernen europäischen Sprachen, die ihren Bedarf an wissenschaftlichen Neuprägungen in erster Linie durch uniseme Übernahmen decken. Das Altspanische nun, dies kann hier, vor der Behandlung der indirekten Übernahmen, bereits gesagt werden, geht in einem quantitativ wie qualitativ gleichermaßen bedeutsamen Teilbereich seiner Begriffsbildung diesselben Wege wie das Arabische. Es übernimmt, mit dem Verfahren der direkten Nachbildung, nicht nur einzelne, zu bestimmten Wörtern der Normalsprache gehörige Spezialbedeutungen oder einzelne transpositionelle Ableitungen; es übernimmt vielmehr zugleich das allgemeine Prinzip, das dahinter steht. Darin, daß die spanischen Übersetzer es ganz bewußt vermieden, für die Lösung ihrer terminologischen Probleme den leichteren und näherliegenden Weg der massenweisen direkten Übernahmen zu gehen, zeigt sich, daß sie den akkulturierenden Einfluß des Arabischen in einer wirklich tiefgreifenden Form erfahren haben: sie haben nicht Lautkomplexe übernommen, was oberflächlich gewesen wäre und darüber hinaus in der R-Sprache zu Resultaten geführt hätte, die eine von der S-Sprache gänzlich verschiedene semantische Struktur aufweisen würden (Unisemie statt Monosemie) ; vielmehr haben sie, zumindest in einem bedeutenden Teilbereich, die Art und Weise übernommen, in der sich wissenschaftliches Denken in arabischer Sprache artikuliert. Es ist eine Einwirkung nicht auf der phänischen, sondern, im eigentlichen Sinne, auf der genischen Ebene, dort wo die Ursprünge der Entstehung von Begriffssystemen liegen. Gerade in diesem Fehlen jeder äußerlichen Anpassung an das akkulturierende Vorbild wird dessen profunde, auf das Wesentliche abzielende Wirkung deutlich. 3.1.3.2. Es muß hier erneut betont werden, daß das bisher gezeichnete Bild so lange unvollständig bleibt, als das Feld der indirekten Nachbildungen noch nicht genauer abgesteckt ist. Bevor nun jedoch hierauf eingegangen werden kann, soll zunächst noch auf einen weiteren Aspekt der direkten Nachbildung eingegangen werden, bei dem die starke Prägekraft des Arabischen womöglich noch deutlicher hervortritt als bei den bisher behandelten Erscheinungen auf lexematischer Ebene. Ich meine ein Phänomen, das ich als »analytische Begrifflichkeit« bezeichnen möchte und das durch direkte Nachbildung auf unmittelbar translexematischen Rängen gekennzeichnet ist. Um das hiermit anvisierte Wesensmerkmal der Sprache der arabischen Wissenschaft zu verstehen, ist es notwendig, sich die Eigentümlichkeiten des Semitischen im Vergleich zu den klassischen indoeuropäischen Sprachen klarzumachen: es gibt im Semitischen keine Komposita, das heißt, keine Verschmelzung mehrerer Einzellexeme zu einer neuen lexe141

matischen Einheit. Insbesondere fehlt, außer der Möglichkeit einer Fusion freier Formen untereinander, auch die in Sprachen wie dem Sanskrit, dem Griechischen oder Lateinischen so reich ausgebildete Möglichkeit zur Differenzierung von verbalen und anderen Lexemen mit Hilfe von Präpositionen, also die Fusion bestimmter gebundener mit freien Formen. Diese, vom Indoeuropäischen her als »Mangel« erscheinende Besonderheit h a t weitreichende Konsequenzen f ü r die wissenschaftliche Begriffsbildung. Ganz allgemein gesprochen f ü h r t sie oft zu einer Ausdrucksweise, die zwar einerseits durch das Fehlen prägnanter Verkürzungen notwendigerweise weniger ökonomisch ist als etwa die des Griechischen, die aber andererseits infolge des Zwangs zur Ausführlichkeit in höherem Maße explizit und durchsichtig ist. Besonders stark t r i t t der analytische Charakter der arabischen Begriffsbildung zutage, wenn man hierzu noch die Entsprechungen in den modernen europäischen Sprachen vergleicht. I n diesen ist die bereits im Griechischen ansatzweise beobachtbare Tendenz zu synthetischer Begriffsbildung extrem stark ausgeprägt, was vor allem dadurch bewirkt wird, daß die in den modernen Sprachen in erster Linie verwendeten direkten Übernahmen, aus ihrem »natürlichen« Bedeutungszusammenhang herausgerissen, zu undurchsichtigen und daher unisemen Einheiten werden, die prägnant in einem ganz spezifischen Sinne gebraucht werden. Die größere Ökonomie im Umfang der Darstellung, die auf diese Weise erreicht wird, muß bezahlt werden mit einem höheren terminologischen Aufwand und mit der Arbitrarietät der gebrauchten Termini. Das Altspanische n u n bildet die Analytizität der arabischen Ausdrucksweise sehr getreu nach; hierin liegt eine der wichtigsten Eigentümlichkeiten, welche die Sprache der arabisch geprägten, mittelalterlichen Wissenschaft von derjenigen der neueren Zeit unterscheiden. Einige Beispiele sollen diese Thesen belegen. Der Begriff des »Himmelsäquators« wird im Griechischen mit Hilfe eines Kompositums aus zwei Lexemen ausgedrückt; das Arabische, dem solche Bildungen fremd sind, verbindet die beiden Lexeme, die den Begriff konstituieren, in analytischer Weise. I n beiden Sprachen sind die entstehenden Termini durchsichtig, die Bestandteile sind Elemente der gewöhnlichen Umgangssprache ; jedoch wird die Beziehung zwischen den beiden konstituierenden Elementen im Griechischen gänzlich offengelassen, die Komposition wirkt sich als »Kurzschlußverfahren« 112 aus, während im Arabischen die Explizierung dieser Beziehung wenigstens bis zu einem gewissen Grade unumgehbar ist. Das Resultat ist, daß im Griechischen auf lexematischem Rang ein einheitlicher, unisemer Terminus entsteht, während das Arabische Unisemie erst auf einem höheren Rang 11S

Cf. HEGEB, Monem,

142

164.

erreicht; die in ihrer Eigenwertigkeit nicht eingeschränkten Bestandteile des Terminus bleiben monosem : ό ισημερινός -> mu'addil al-nahär -»• eguador del dia.

Während im Griechischen keinerlei Beziehung zwischen den noch erkennbaren, aber ihrer Selbständigkeit beraubten Bestandteilen ίσ- und ήμερexplizit gemacht wird, stellt der arabische Terminus die Agentivierung eines Satzes dar, bei der die syntaktische Beziehung zwischen den Satzgliedern erhalten bleibt. Daß dies so ist, liegt notwendigerweise in der beschriebenen Eigentümlichkeit des Arabischen begründet, wonach es nicht möglich ist, isolierte Wurzeln, etwa in der Art der griechischen Kompositionsglieder, zu Gliedern komplexer Lexeme zu machen. Eine Verkürzung des zugrunde liegenden »Kernsatzes« liegt im Arabischen nur darin, daß das Prädikat »gleich sein« zweistellig ist und daß die Angabe der zweiten Stelle unterbleibt. Der zugrunde liegende Satz lautet nämlich in unverkürzter Form : »χ bewirkt, daß der Tag und die Nacht gleich sind.« Sowohl im Griechischen wie im Arabischen und daher auch im Spanischen wird die »Nacht« unterschlagen, in dem ansonsten an das Griechische transpositionell angelehnten lateinischen Wort aequinoctialis hingegen der »Tag«. Davon abgesehen ist der arabische Ausdruck expliziter und deswegen auch umständlicher handhabbar als sein griechisches Vorbild. Das Spanische bildet die analytische Begrifflichkeit des Arabischen genau nach. Die Besonderheit dieser Art und Weise, in der sich wissenschaftliches Denken artikuliert, wird besonders deutlich im Vergleich zu dem entsprechenden modernen Äquator (equator, équateur, ecuador etc.). Dieser Ausdruck ist innerhalb der jeweiligen Sprache nicht sekundär motiviert, er ist als direkt übernommenes, einfaches Substantiv jeweils u n i s e m und u n d u r c h s i c h t i g . I n beiden Punkten unterscheidet er sich von seinen Vorbildern im Mittelalter und Altertum: vom Griechischen nur durch seine Undurchsichtigkeit, vom Arabischen und Altspanischen darüber hinaus auch noch durch seine Unisemie. Lexematische Komposition ist ein hervorstechendes Merkmal nicht nur des Griechischen, sondern, in vielleicht noch höherem Maße, auch des Sanskrit. Der Begriff des »Cosinus« ist in dieser Sprache mit Hilfe des Kompositums kotijyä erstmals geprägt worden, wobei auch hier wieder festzustellen ist, daß beide konstitutiven Bestandteile Lexeme der Allgemeinsprache sind (ko ti, »Bogenende« und jyä »Sehne«), die jedes für sich erst durch den wissenschaftlichen Kontext auf die jeweils spezifische Bedeutung »Komplement auf 90°« beziehungsweise »Sinus« monosemiert werden. Durch die Komposition jedoch determinieren sich die beiden Glieder 143

wechselseitig in der Weise, daß aus zwei monosemen ein unisemer Terminus entsteht. Im Arabischen nun ist eine solche Bildungsweise nicht möglich; hier muß vielmehr jedesmal in umständlicher Weise der begriffliche Gehalt expliziert werden. Als Ausdruck für den Begriff des »Cosinus« finden wir daher terminologisch nicht ganz fixierte, in einer gewissen Bandbreite schwankende Periphrasen, von denen die folgende am häufigsten ist : wataru mä yabqà li-tamämi tilka 1-qawsi ilà rub'i I-dä'irati

Diese Ausdrucksweise wird im Spanischen geradezu sklavisch getreu nachgebildet 113 . Zum Vergleich sei wieder auf den modernen Terminus hingewiesen, der zwar diachronisch dieselbe Struktur aufweist wie kotijyä (Co- als Abkürzung von complementum), aber synchronisch davon verschieden ist, insofern als das erste Element nur in gebundener Form, und zwar ausschließlich im sprachlichen Feld der trigonometrischen Terminologie, vorkommt. Ein drittes Beispiel belegt die oben formulierte These, daß das Arabische bei der Wiedergabe der für das Indoeuropäische so kennzeichnenden Präverbien zu langatmigen Umschreibungen greifen muß. Ptolemäus prägte die konzisen und leicht handhabbaren Termini συνανατέλλειν, συμμεσουρανεΐν und συγκαταδύνειν (in (RaRiOJ-transponierter Form: συνανατολή, συμμεσουράνησις und συγκατάδυσις), was sich im Deutschen mit »Mitaufgang«, »Mitkulmination« und »Mituntergang« leicht direkt nachbilden läßt 114 . Da ökonomische Ausdrücke dieser Art im Arabischen nicht gebildet werden können, müssen die entsprechenden Begriffe folgendermaßen ausgedrückt werden: (al-guz'u lladi) yatlu'u ma'ahü (1-kawkabu) ; (al-daragatu llati) tatawassatu 1-samä'a ma'a (1-kawkabi) ; (al-daragatu llatï) yagïbu ma'ahä (1-kawkabu)116. (R2R1O)-Transpositionen wie im Griechischen sind hiervon nun nicht möglich ; die Ausdrucksmöglichkeiten des Arabischen sind in diesem Fall wegen des Fehlens von Nominalisierungen empfindlich eingeschränkt, ein Mangel, der wie gesagt darauf beruht, daß die für den Begriff konstitutive Präposition im Arabischen ein finîtes Verb verlangt und dem Substantiv nicht kompositionell beigefügt werden kann 116 . 113

111 115

116

Cf. die Einzelheiten hierzu im Glossar, s.v. complimiento, cnerda. Die spanische Übersetzung des zitierten Ausdrucks lautet : cuerda de lo que finca a complimiento de so arco al quarto del çerco. So die Übersetzung von Manitius. Der zweite Ausdruck ist zugleich ein Beleg für die analytische Wiedergabe lexematischer Komposita: μεσουρανεΐν -* tawassata 1-samä'a! Die Möglichkeit, die Bedeutung eines Grundwortes mit der Präfigierung von Präpositionen zu modifizieren, wird im zeitgenössischen Arabischen, insofern es unter dem akkulturierenden Einfluß der europäischen Spra-

144

Auch hier bildet das Spanische die periphrastische Terminologie des Arabischen mit all ihren Unzulänglichkeiten genau nach 117 . Vergleichbare moderne Termini existieren in diesem Fall nicht, da die Astronomie diese von Ptolemäus geprägten und nur im Rahmen seines Systems sinnvollen Begriffe längst nicht mehr benötigt. Ein weiteres Beispiel für die im Arabischen notwendige analytische Umschreibung von unisemen griechischen Präpositionalkomposita ist das folgende. Während Ptolemäus den Ausdruck räumlicher Verhältnisse einfach durch die Präfigierung von Präpositionen mit räumlicher Bedeutung an ein Substantiv erreicht, muß das Arabische den Gehalt dieser Präpositionen adjektivisch wiedergeben; so wird το περίγειον zu al-bu'd al-aqrab (»die nächste Distanz«) und τό άπόγειον zu al-bu'd al-ab'ad (»die fernste Distanz«), Das Spanische lernt diese Begriffe in ihrer arabischen Formulierung kennen; die bei dem Bestreben nach wörtlicher Nachbildung auftretende Schwierigkeit, die darin liegt, daß die Begriffe »nah« und »entfernt« im Altspanischen nur als Adverbien, nicht aber als (steigerungsfähige) Adjektive vorkommen, wird ad hoc durch eine ungewöhnliche nicht-konforme Transposition des Typus (RujOJPe gelöst : la longura mas cerca und la longura mas luenne.

Im Arabischen wie im Spanischen sind beide den analytischen Terminus jeweils konstituierenden Elemente allgemeinsprachliche Lexeme, die nicht einmal wissenschaftlich monosem sind; eine wissenschaftliche Bedeutung (Monosemie) entsteht erst durch die Verbindung beider Bestandteile. Die Analytizität der Begriffsbildung bewirkt hier also eine besonders große Affinität zur Allgemeinsprache118. Zum Vergleich sei auch hier wieder auf die entsprechenden modernen

117

118

chen steht, besonders schmerzlich vermißt. E s scheint, daß gelegentliche Versuche, diesem Mangel abzuhelfen, von vorneherein zum Scheitern verurteilt waren, da sie der Struktur des Arabischen allzu eklatant widersprachen. Cf. etwa hybride Bildungen wie tah(t)mä'i für sousmarin¡submarine. D a s moderne Hebräisch (Ivrit) hat sich in dieser Hinsicht als wesentlich wandlungsfähiger und fremden Einflüssen zugänglicher erwiesen. E s ist dies ein nicht unwesentlicher Grund für die bekannte Tatsache, daß diese Sprache heute so stark entsemitisiert und indoeuropäisiert erscheint (cf. B E B G S T R Ä S S E R , Einführung, 4 7 ) . Cf. auch M O N T E I L , L'arabe moderne, 135-138. Cf. die Einzelheiten hierzu im Glossar, s . v . subir, acomediarse und ponerse. Die spanische Übersetzung der zitierten Ausdrücke lautet respektive: (el grado el que) sube confia estrella) ; (el grado el que)se acomedía el cielo con (la estrella) ; (el grado) con (que) se pone (la estrella). Zu beachten ist, daß der prägnante Terminus awg, »Apogeum«, in anderen Texten als alaux oder auxe direkt ins Spanische übernommen wird (Libro de las laminas de las .vii. planetas, passim ; cf. L S A I I I 249ff.). Dieser Terminus ist natürlich unisem.

145

Begriffe hingewiesen. In den neueren Sprachen werden die griechischen Ausdrücke direkt übernommen in Form der unisemen, undurchsichtigen Termini PerigeumlApogeum (périgée¡apogée etc.), die natürlich seit Kopernikus einen anderen Bedeutungsumfang haben als die ptolemäischen Begriffe. Ein etwas anders gelagerter Fall von Modifizierung durch präpositionale Komposition ist der des griechischen παράλλαξις. Die Wirkung von παρά ist in diesem Falle nicht unisemierend in dem Sinne, daß seine Präfigierung alle allgemeinsprachlichen Bedeutungen von άλλάττω ausschlösse ; wohl aber ist sie monosemierend in dem Sinne, daß der Fachterminus nur mit seiner Hilfe, nicht mit der irgend eines anderen an άλλάττω anfügbaren Präverbiums gebildet werden kann. Das Arabische hat keine solche Möglichkeit zu wissenschaftlicher Monosemierung ; es bildet daher den Begriff, indem es präzisiert, was »sich ändert« beziehungsweise »verschieden ist«: der »Ort, an dem man etwas erblickt«. Der aus dieser Explizierung resultierende Terminus ihtiläf al-manzar wird im Spanischen direkt als diuerssidad del cata/miento nachgebildet. Auch hier ist in beiden Sprachen jeder der Bestandteile für sich allgemeinsprachlich; erst ihre wechselseitige Determination ergibt die wissenschaftliche Bedeutung. Wieder haben die modernen Sprachen den griechischen Terminus direkt übernommen und ihn, eben durch diese Übernahme, unisemiert (Parallaxe, parallaxe, paralaje etc.). Allgemein kann man also sagen, daß die Entwicklung in solchen Fällen von unisemen oder monosemen, durchsichtigen griechischen Komposita zu automatisch ebenfalls durchsichtigen Periphrasen des Arabischen und Spanischen führt, deren Bestandteile allgemeinsprachlich oder polysem sind und erst durch wechselseitige Determination auf einem translexematischen Rang 119 wissenschaftlich monosemiert werden ; im Vergleich dazu sind die modernen Ausdrücke durch direkte Übernahme durchweg unisem und undurchsichtig. Wenn man einen lexematischen Rang annimmt, der im Sinne der hier vorgetragenen Transpositionstheorie definiert ist als ein Rang, der Elemente umfaßt, die in einem links von einem P-Relator stehenden Klammerausdruck stehen, dann kann man hiervon einen translexematischen und einen sublexematischen Rang unterscheiden, Ränge, die sich negativ, das heißt in bezug auf den lexematischen, definieren lassen. In diesem Sinne können Einheiten, die normalerweise als Lexeme fungieren, auf einen sublexematischen Rang zu stehen kommen, nämlich beispielsweise dann, wenn sie Bestandteile eines Kompositums bilden. Ausgehend von dieser Unterscheidung lassen sich die bisher gewonnenen Ergebnisse bei 119

Ich entlehne den Begriff »Rang« hier und im folgenden der Theorie Hegers ( H E G E B , Mortem), ohne sein hierarchisches Modell in allen Einzelheiten anzuwenden.

146

der Untersuchung der analytischen Begrifflichkeit im Arabischen und Altspanischen in folgender Weise schematisch darstellen (hierbei bedeutet I llllllll I polyseme oder nicht-wissenschaftliche Einheit IUUUI mono- oder uniseme Einheit 1 —.—' die Verbindung von Einheiten niederen Ranges zu solchen höheren Banges i> akkulturierende Einwirkimg »· direkte Übernahme >• direkte Nachbildung) : (70)

Griechisch/ (Sanskrit)

Altspanisch

wm\ k n Mñ UM W&

translexematische Ränge lexematischer Rang sublexematische Ränge

Arabisèh

M

M durchsichtige Termini

neuere europäische Sprachen

*Mt undurchsichtige Termini

Der zutiefst semitisierte Charakter der Sprache der altspanischen Wissenschaft wird Arielleicht nirgends so deutlich wie in diesem Bereich der direkten Nachbildung auf translexematischen Rängen, einer Nachbildung, die hier ebenso wie beider oben behandelten lexematischen Nachbildung sowohl die Semantik als auch die transpositionelle Ableitung umfaßt. In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, daß das Phänomen der »analytischen Begrifflichkeit« gelegentlich auch in solchen Fällen auftritt, wo es nicht durch strukturelle Gegebenheiten des Arabischen bedingt ist. Das Beispiel, das ich in diesem Zusammenhang anführen möchte, ist instruktiv in bezug auf die Unterschiedlichkeit der Methoden, die in den antik-mittelalterlichen und in den modernen Sprachen zur wissenschaftlichen Begriffsbildung angewandt werden. Der astronomische Begriff der »Deklination« wird in den modernen Sprachen überall mit demselben Latinismus ausgedrückt wie im Deutschen (declination, déclinaison, declinación etc.), ohne daß hierbei die etymologische Bedeutung des Wortes auch nur im mindesten präsent wäre. Es handelt sich in allen Sprachen um einen undurchsichtigen, plurisemem120 Terminus, der ohne Metaphorik oder sonstige Motivation 120

Das W o r t h a t , wie bekannt, außerhalb der Astronomie noch weitere wis-

147

als arbiträres Zeichen für den gemeinten Begriff steht. Eine solche Bezeichnungsweise ist immer dann möglich, wenn direkte Übernahmen zur wissenschaftlichen Begriffsbildung herangezogen werden. Nun wird jedoch andererseits für die »Gesamtdeklination der Ekliptik« eine Nachbildung verwendet (Schiefe, obliquité, obliquity, oblicuidad121 etc.), die eine allgemeinsprachliche Bedeutung hat und daher stets durch den präzisierenden Ausdruck »der Ekliptik« ergänzt werden muß. Der entstehende Ausdruck Schiefe der Ekliptik etc. ist im Ergebnis nicht abstrakt und arbiträr wie Deklination etc., sondern anschaulich und motiviert. Nun verwendet das Arabische, wie gezeigt, fast ausschließlich Lexeme der Umgangssprache, denen eine wissenschaftliche Bedeutung untergeschoben wird, also Bildungen des zweiten der beiden soeben charakterisierten Typen. So besitzt es zwar für den Begriff der »Schiefe (der Ekliptik)« den anschaulichen und motivierten Ausdruck mayl, der problemlos auch von der Deklination einzelner ekliptikaler Punkte gebraucht werden kann (die einzelne »Neigung« wird als in der Gesamtneigung gleichsam eingebettet empfunden); für den allgemeinen Begriff der »Deklination« fehlt jedoch ein prägnanter Terminus, der dem der neueren europäischen Sprachen vergleichbar wäre : mayl ist hierfür nicht verwendbar, da einerseits von dem anschaulichen Gehalt dieses Wortes nicht abstrahiert werden kann und andererseits es sinnlos ist, die Deklination eines beliebigen Punktes der Himmelssphäre als dessen »Neigung« gegenüber dem Äquator zu bezeichnen. Den allgemeinen Begriff der Deklination bezeichnet das Arabische daher in analytisch-explikativer Weise: als den »Abstand eines Gestirns vom Äquator«. Die feste Wendung bu'du l-kawkabi 'an mu'addili l-nahäri für »Deklination« wird im Spanischen wörtlich als arredramiento de la estrella dell yguador del dia übernommen122. Ausdrucksweisen wie diese sind typisch für die allgemein beobachtbare Tendenz der arabischsprachigen Wissenschaft, an solchen Stellen, wo die neueren europäischen Sprachen zu prägnanter Terminologisierung neigen würden, die Begriffe mit Hilfe der Kombination mehrerer allgemeinsprachlicher Lexeme analytisch zu bezeichnen. Noch eine weitere Besonderheit soll an dieser Stelle kurz erwähnt werden. Es kommt gelegentlich vor, daß das Spanische über sein arabisches Vorbild in der Analytizität der Begriffsbildung noch hinausgeht, nämlich dann, wenn für einen bestimmten Begriff keine Ausdrucksmög-

121

182

senschaftliche Sememe, was aber für den hier interessierenden Zusammenhang ohne Belang ist. Natürlich sind auch obliquité etc. Latinismen, nur entstammen sie im Unterschied zu déclinaison etc. der Allgemeinsprache; sie sind wissenschaftlich monosem und durch die durchsichtige Bezogenheit auf die Adjektive oblique etc. sekundär motiviert. Die Einzelheiten im Glossar, s.v. declinación, arredramiento.

148

lichkeit besteht und auch nicht mit Hilfe einer der hier charakterisierten Methoden geschaffen werden kann. In solchen Fällen behilft sich dann der Übersetzer mit einer analytischen Umschreibung und es kommt zu einer Metataxe auf der ersten Derivationsebene. Insgesamt jedoch sind solche Fälle sehr selten ; ich verweise auf die vorkommenden analytischen Periphrasen der im Arabischen monolexematisch ausgedrückten Begriffe »parallel«123, »zylindrisch« und »konisch«124. Man könnte solche Fälle als Beispiele einer unfreiwilligen Analytizität der Begriffsbildung auffassen. Für die Bilanz der angewandten Akkulturierungsmethoden spielt dieses Verfahren keine Rolle, da das Bemühen des Königs und seiner Mitarbeiter gerade auf die Überwindung und Beseitigung solcher Ausdrucksmängel gerichtet war. 3.1.4. Es war bisher von direkten Übernahmen und direkten Nachbildungen aus Eigenmitteln sowohl auf lexematischen wie auch auf translexematischen Rängen die Rede. Im Sinne des eingangs aufgestellten Programms müßten nun nacheinander die Phänomene der indirekten Übernahme und der indirekten Nachbildung behandelt werden. Bei näherem Zusehen erweist es sich jedoch, daß die beiden Verfahren in ungleich engerer Weise zusammengehören als ihre direkten Gegenstücke. Aus diesem Grunde sollen beide zusammen betrachtet werden, wobei es sich empfiehlt, zunächst ihr gegenseitiges Verhältnis genauer zu untersuchen. Eine einfache Überlegung macht deutlich, daß es sich bei der Unterscheidung von indirekter Übernahme und indirekter Nachbildung nicht um eine exklusive, sondern um eine inklusive Opposition handelt. Die indirekte könnte man, in Analogie zur direkten Nachbildung, definieren als semantische und/oder transpositionelle Nachbildung von Einheiten der Sprache Si mit den Mitteln einer dritten, von R verschiedenen Sprache S2. Nun erweist es sich aber, daß einerseits indirekte semantische Nachbildung auch im Falle der indirekten Übernahme besteht, da bei dieser ja ebenfalls die Semantik von Si mit den Mitteln von S2 wiedergegeben wird, und daß andererseits eine indirekte transpositionelle Nachbildung immer auch eine indirekte Übernahme darstellt, da die Transpositionsschritte nach den Gesetzen von S2, nicht nach denen von R erfolgen und man also sagen kann, daß ein in S2 gebildetes Transponat in R als Ganzes, quasi en bloc übernommen wird. Es ist also ungünstig, mit dieser zunächst gegebenen Definition der indirekten Nachbildung zu arbeiten, da die Grenzen zur indirekten Übernahme nicht mehr klar gezogen werden können. Sinnvoller erscheint es, die Scheidung in Analogie zu derjenigen von direkter semantischer und direkter transpositioneller Nachbildung zu 123 124

Siehe Glossar, s . v . equidistante. Siehe beides im Glossar, s . v . redondo.

149

ziehen. Die indirekte Übernahme ist dann definiert als semantische Nachbildung einer Einheit aus Si mit Hilfe der direkten Übernahme einer Einheit aus S2, wobei zwischen den Einheiten aus Si und S2 nicht mehr als ein Transpositionstakt übereinstimmt. Die indirekte Nachbildung ist dementsprechend die transpositionelle Nachbildung einer Einheit aus Si mit Hilfe der direkten Übernahme einer Einheit aus S2, wobei zwischen den Einheiten aus Si und S2 mindestens zwei Transpositionstakte übereinstimmen. Hieraus ergibt sich automatisch die Schlußfolgerung, die soeben schon antizipiert worden ist, nämlich, daß zwischen der indirekten Übernahme und der indirekten Nachbildung eine inklusive Oppositionsbeziehung besteht : eine indirekte Nachbildung ist immer zugleich auch eine indirekte Übernahme, nicht jedoch umgekehrt. Es läßt sich nun beobachten, daß die Zahl der übereinstimmenden Transpositionsschritte bei den indirekten Nachbildungen nie über zwei hinausgeht. Bei der folgenden Zusammenstellung erübrigt sich daher die Angabe der transpositionellen Tiefe (wie in (59)). Bezüglich der zweiten S-Sprache, die bei den Vorgängen der indirekten Übernahme und der indirekten Nachbildung beteiligt ist, gehe ich grundsätzlich davon aus, daß hierfür nur das Lateinische in Frage kommt. Zwar gibt es in der hier behandelten Gruppe wissenschaftlicher Termini auch eine ganze Reihe von Gräzismen; mit Sicherheit jedoch wurden diese ausnahmslos durch das Lateinische vermittelt. Ich betrachte daher auch Substantive wie eclipsi als einfache indirekte Übernahmen, nicht als Nachbildungen, obwohl hier eine zweitaktige transpositionelle Übereinstimmung zwischen dem Griechischen und dem Arabischen besteht: für das Lateinische müssen solche Nomina als einfache (R2O) gelten. Grundsätzlich ist festzuhalten, daß, während direkte Übernahmen und direkte Nachbildungen Phänomene darstellen, die bei fast jedem Akkulturierungsvorgang beobachtbar sind und daher universalen Charakter haben, das Verfahren der indirekten Übernahme für das Altspanische eigentümlich ist. Im Regelfall vollzieht sich nämlich eine Akkulturierung nur auf Grund der Einwirkung einer einzigen S-Sprache auf R ; daß zwei Sprachen auf R einwirken, ist selten, noch seltener dürfte es sein, daß die Mittel von S2 dazu herangezogen werden, um den durch Si an R herangetragenen Anforderungen Genüge zu leisten. Der Sonderfall, daß eine indirekte Übernahme äußerlich fast wie eine direkte Übernahme aussieht, tritt in den hier untersuchten Texten zweimal auf: bei astrolabio und clima. Beide Male hat das Arabische eben den griechischen Ausdruck direkt übernommen der auch dem indirekt aus dem Lateinischen ins Spanische übernommenen zugrunde liegt. Jedoch zeigt die lautliche Behandlung dieser Lexeme, daß die Übernahme der Lautgestalt nicht nach arabischem, sondern nach lateinischem Muster erfolgte. 150

Hier manifestiert sich besonders deutlich die spezifische Akkulturierungssituation des Altspanischen: es steht unter der Einwirkung zweier sekundärer S-Sprachen, die beide durch ein und dieselbe primäre SSprache akkulturiert worden sind. Das Spanische als sekundäre RSprache übernimmt Einheiten aus Si unter dem Stimulus von Siii, aber in der durch S2 11 geprägten Lautgestalt. Wie übrigens die Etymologisierung gerade von astrolabio in einem anderen astronomischen Text beweist, war man sich der griechischen Herkunft dieses Terminus nicht bewußt, sondern etymologisierte ihn entsprechend falsch - nach dem Lateinischen125. Im folgenden sind die von mir in den Texten A, C und Q registrierten indirekten Übernahmen und Nachbildungen tabellarisch zusammengestellt, wobei wieder dieselbe Einteilung in Sachgruppen vorgenommen wird wie oben bei der Zusammenstellung der direkten Nachbildungen:

a a 0 ¡3 h0 48

126

129 127 128

rabada

rectificar

kawkab mutahayyir

planeta

mutahayyir

erratico 12 ·

matla'

ascension 127

magrib

descensión 128

tali'

ascendente

gârib

occidente

dawr

reuolucion

Die ganze Stelle ist sehr aufschlußreich für das Bedürfnis des Königs und seiner Mitarbeiter, in möglichst hohem Maße durchsichtige, »sprechende« Termini zu gebrauchen, ein Bedürfnis, das sich unter anderem in der starken Bevorzugung der direkten Nachbildung, in der Vermeidung direkter Übernahmen und in derartigen Etymologisierungsversuchen indirekter Übernahmen äußert: De mostrar por qué es dicho astrolabio llano. Astrolabio, maguer mostramos los nombres déll. et dixiemos qué quier dezir. un nombre a sennalado que queremos aquí mostrar quel conuiene mucho. Ca segund latin tanto quier dezir astra cuerno estrellas, et labra cuerno labros. E t por esta razón es este nombre muy proprio, ca bien assi cuerno la boca quando mueue los labros et muestra lo que quier dezir por razón, otrossí quando ell astrolabio paran et endereçan. et catan por él. faz entender por huebra de uista lo que muestran las estrellas, bien cuerno si lo dixiessen por palabra. (LSA I I 229 ; der Text konnte wegen des derzeitigen Erhaltungszustandes des Codex Complutensis nicht korrigiert werden und folgt unverändert der Edition.) Cf. Glossar s.v. planeta. Cf. ascendente. Cf. descendimiento. 151

maqäm

estación

rägi'

retrogrado12·

falak al· burüg

zodiacho

mu'addil al-nahär

equinoctio 130

istiwä'/ i'tidäl (als (P,))

equinoctial

inqiläb (als (P 3 ))

solsticiar131

mayl

declinación

martaba

officio

kusüf

eclipsi

nayyir

Φ

1o

nazir

tí o h


en arabigo< N I E D E R E H E ,

Sprachauffassung, 76f.

155

miqyäs) ; dann bringt er den entsprechenden Ausdruck en latin, was hier wohl tatsächlich »auf lateinisch« bedeutet, da das griechische (ή) κάθετος (sc. γραμμή) nur über das Lateinische ins Altspanische hat Aufnahme finden können ; der entscheidende Sprung liegt nun in der hierauf unmittelbar folgenden selbstverständlichen Verwendung des soeben noch als latin bezeichneten Lexems als normales spanisches Wort. Hieraus ergibt sich in kaum zu übertreffender Deutlichkeit, daß das Lateinische als beliebig benutzbares Reservoir zur Deckung von Wortschatzlücken angesehen wurde, wie sie sich aus der Notwendigkeit, arabische Texte wiederzugeben, ergeben hatten. I n den meisten Fällen ist die Tatsache, daß es sich um indirekte Übernahmen handelt, wie schon gesagt, nur am Ergebnis ablesbar. Allerdings gibt es gelegentlich zusätzliche Details, welche die Tatsache schlagartig verdeutlichen, daß sich, im Fall der indirekten Übernahme, arabischer Inhalt in lateinische Form kleidet. Die Grundrechenart, die im Arabischen als daraba/darb bezeichnet wird, erscheint zwar im Wortkörper selbst als Latinismus (multiplicar¡ multiplication) ; jedoch wird in der syntaktischen Verbindung die Rektion des arabischen Verbs genau nachgebildet. Während im mittelalterlichen Latein »(multiplizieren) mit« üblicherweise, auch in Übersetzungen aus dem Arabischen, als per erscheint, steht im Spanischen en, getreu dem arabischen fi. Hier zeigt es sich also, daß die direkte Übernahme des lateinischen Wortes eine recht äußerliche Angelegenheit ist und daß nicht nur der begriffliche Gehalt 144 , sondern auch die syntaktischen Eigenschaften sich ganz nach dem arabischen Vorbild richten. Unter den indirekten Nachbildungen möchte ich nun noch mehrere Gruppen hervorheben und gesondert kommentieren. Es fällt zunächst ins Auge, daß ganz im Gegensatz zu den direkten transpositionellen Nachbildungen fast die Hälfte der indirekten Nachbildungen Adjektivtranspositionen sind; wenn man Substantive wie ascendente als (ReXO)P2 auffaßt, erhöht sich diese Zahl auf weit über die Hälfte (10 beziehungsweise 14 von 23). Demgegenüber nehmen die Substantivtranspositionen einen erstaunlich unbedeutenden Platz ein. Unter den Bildungen auf das culto-Suffix -ion hat die Hälfte Konkurrenten auf das volkstümliche Suffix -miento (ascendimiento neben ascension, descendimiento neben descensión, rebóluimiento neben reuolucion und enclinamiento neben declinación) ; von der anderen Hälfte sind drei Substantive en bloc übernommen, ohne daß eine arabisch-spanische Äquivalenz der zugrunde liegenden Verben bestünde (neben maqäm ->- estación, kasr fraction und muqäbala ->· opposition steht keine Äquivalenz der Art *qäma -> estar, *kasara -*• frañir oder *qäbala ->• opponerse), und nur 144

Cf. etwa auch die getreue Übernahme analytischer Ausdrucksweisen wie daraba fl nafsihl multiplicar en si für »potenzieren«.

156

eine Nominalisierung stellt eine wirkliche Nachbildung eines (R2R1O)Transponates zu einem parallel gebrauchten Verballexem dar (multiplication zu multiplicar). Vergleicht man diesen spärlichen Befund mit der Vitalität und Produktivität des volkstümlichen -wwewio-Suffixes (cf. die Tabelle der direkten Nachbildungen), so wird deutlich, daß der allgemein in der Wissenschaftssprache beobachtbaren Tendenz zur Nominalität primär mit Hilfe der direkten Nachbildung und nur marginal mit Hilfe der indirekten Nachbildung Genüge getan wird. Dieses Ergebnis ist für die Gesamtbilanz der Leistungen, welche die einzelnen hier unterschiedenen Verfahren für die wissenschaftliche Begriffsbildung erbringen, von großer Bedeutung. Unter den Adjektiven hebt sich eine einheitliche Gruppe von solchen Lexemen deutlich ab, in denen die (R3R20)-Transposition zu einem gegebenen Erbwort des Grundwortschatzes mit Hilfe eines cultismo vollzogen wird ; es sind dies die Adjektive solar, lunar, temporal, diurno und nocturno. Man kann hierin einen Musterfall für das Verfahren der indirekten Nachbildung erblicken: für bestimmte elementare Gegebenheiten sind in der R-Sprache selbstverständlich Protolexeme mit einem jeweils dazugehörigen ersten Transpositionstakt (in diesem Falle (R2O)) vorhanden, jedoch fehlen zunächst noch die Möglichkeiten, diese Protolexeme in einer anderen als der durch den ersten Transpositionstakt vorgegebenen Kategorie zu verwenden; die Konfrontation mit einer S-Sprache, die über solche Möglichkeiten verfügt (in diesem Fall die arabische (R3R2O)Transposition mit Hilfe des unbegrenzt produktiven Suffixes -l) macht diese Mangelsituation deutlich, die Übersetzung bringt den Zwang mit sich, ihr abzuhelfen; da entsprechend produktive Transpositionssuffixe nicht zur Verfügung stehen, wird auf eine zweite S-Sprache rekurriert, die dort vorhandenen Transponate werden direkt übernommen; auf diese Weise ist die transpositionelle Versatilität der Sprache in bestimmten Einzelfällen gesteigert worden. Allerdings wird aus dieser Betrachtung auch zugleich ein grundsätzlicher Nachteil der Methode der indirekten Nachbildung deutlich: während durch eine direkte Nachbildung nicht nur eine ad hoc erkannte Lücke geschlossen, sondern darüber hinaus die Produktivität bestimmter Transpositionsmuster gefördert und gesteigert wird, ist die Auswirkung der indirekten Nachbildung auf den jeweiligen Einzelfall beschränkt; dadurch, daß aus der Sprache S2 nur derivierte Einheiten als Ganzes nicht jedoch die Muster ihrer Bildimg übernommen werden, bleiben solche Nachbildungen punktuell. Eine besondere Hervorhebung verdient noch das Begriffspaar ascendente ¡occidente, weil hier in besonderem Maße deutlich wird, wie bei der indirekten Nachbildung bewußt die Sprache Si mit den Mitteln von S2 in R widergespiegelt wird. 157

Das arabische tali', das auf griechisch άνατέλλουσα beruht, hat eine terminologisch fixierte direkte Nachbildung im Lateinischen, nämlich ascendens. Dieses Wort wird als durchsichtiger cultismo direkt übernommen. Zur Wiedergabe des seltener vorkommenden Gegenbegriffs (gärib nach δύνον) steht ein ähnlich fester lateinischer Terminus nicht zur Verfügung. I n Analogie zu ascendens bildet man von zwei verschiedenen Verben des »Untergehens« das entsprechende Partizip und übernimmt dieses, jeweils in verschiedenen Texten, ins Spanische. Dem ascendentie) steht somit bald ein occidente, bald ein ponent gegenüber; das arabische Partizip wird bewußt und aktiv im Lateinischen nachgebildet und der so entstehende lateinische Ausdruck direkt ins Spanische übernommen. Diese Nachbildung geht so weit, daß hierbei von der Tatsache abgesehen wird, daß occidente in der Regel und ponent (e)1** gelegentlich in anderer Bedeutung (nämlich »Westen«) gebraucht werden. Lateinisch occidens wird somit zweimal aus dem Lateinischen übernommen: einmal en bloc, als Ausdruck für den Begriff »Westen« ( = Untergangspunkt des Äquators) und zwar ohne Einwirkung des Arabischen, lange vor der Zeit der wissenschaftlichen Übersetzungen, mit gelegentlichen Spuren volkstümlicher Lautbehandlung; das andere Mal mit bewußter Reaktivierung der morphemischen Bestandteile des Wortes, als Ausdruck für den Begriff »Untergangspunkt der Ekliptik«, und zwar unter der Einwirkung des Arabischen, dessen transpositionelle Struktur mit Hilfe der lateinischen Mittel exakt nachgebildet wird. Die semantischen Resultate der Verfahren der indirekten Übernahme und der indirekten Nachbildung lassen sich sehr einfach beschreiben: es entstehen fast ausschließlich uniseme, nur ganz gelegentlich pluriseme Termini, in jedem Fall Lexeme, die keine anderen als wissenschaftliche Sememe enthalten. Dies unterscheidet sie grundsätzlich von den arabischen Mustern, da diese ganz überwiegend wissenschaftlich monosem (beziehungsweise polysem) sind, also neben ihrer wissenschaftlichen Bedeutung noch allgemeinsprachliche Sememe aufweisen und auf diese wissenschaftliche Bedeutung erst durch einen entsprechenden Kontext monosemiert werden müssen. Wie schon oben im Zusammenhang mit den lautlichen Arabismen dargestellt, bringt es eine direkte Übernahme stets mit sich, daß ein Terminus aus dem Polysemiegefüge, in dem er in der Ausgangssprache S steht, herausgebrochen wird und daß nur noch eine, in diesem Fall eben die wissenschaftliche Bedeutung in der Zielsprache R fortlebt. Da, wie eingangs definiert, die indirekte Übernahme oder Nachbildung aus Si als direkte Übernahme oder Nachbildung einer zweiten Ausgangssprache Sa definiert ist, gilt diese Gesetzmäßigkeit der direkten Übernahme natiir14S

Ponent erscheint als Gegenbegriff zu orient im ersten Buch des Libro dell astrolabio llano (LSA II 238 und öfter).

158

lieh auch im vorliegenden Fall, und zwar in bezug auf das Verhältnis von S2 zu R. Es ist also klar, daß die wissenschaftlich monosemen Ter mini des Lateinischen qua Übernahme unisemiert werden. Nun läßt es sich aber nicht leugnen, daß zwischen direkten Übernahmen aus dem Arabischen und solchen aus dem Lateinischen ein erheblicher Unterschied besteht, der im wesentlichen auf der engen Verwandtschaft beziehungsweise Nicht-Verwandtschaft des Spanischen zu diesen beiden Sprachen beruht. Diese genetische Beziehung wirkt sich so aus, daß die direkten Übernahmen aus dem Arabischen stets opak, diejenigen aus dem Lateinischen hingegen oft transparent oder wenigstens semitransparent sind. Diese Transparenz beruht auf der gleichsam naturgegebenen Kompetenz, welche ein Sprecher einer romanischen Sprache für lateinische Wortstämme hat. Es gilt hierbei, daß alle indirekten Nachbildungen schon automatisch auf Grund ihrer transpositionellen Zweitaktigkeit eine gewisse Durchsichtigkeit haben ; die indirekten Übernahmen sind immer dann transparent, oder semi-transparent, wenn es sich um Komposita handelt (retrogrado, equinoctio etc.). Nicht transparent sind allerdings die Termini, die aus dem Griechischen stammen. Ein bereits in anderem Zusammenhang analysiertes Beispiel mag diese semantische Sonderstellung der indirekten Übernahmen des Spanischen zwischen dem Arabischen und dem Lateinischen an dieser Stelle nochmals verdeutlichen. Der Begriff der »Multiplikation« wird im Arabischen mit einem Lexem ausgedrückt, das normalerweise »schlagen« und vieles andere bedeutet und zum elementaren Grundwortschatz der Sprache gehört. Auf sein arithmetisches Semem wird dieses Lexem erst mit Hilfe eines ausreichend spezifischen Kontextes eingeengt, es ist also wissenschaftlich monosem. Es ist semantisch motiviert, und zwar als Metapher. Das Spanische übernimmt zur Wiedergabe des wissenschaftlichen Semems von daraba den lateinischen Lautkörper multiplicar; die Beeinflussung des Arabischen zeigt sich, wie oben dargestellt, in der Nachbildung der syntaktischen Rektion. Jedenfalls ist das allgemeinsprachliche lateinische multiplicare durch die direkte Übernahme auf den Bereich der Arithmetik begrenzt worden; der spanische Terminus ist unisem. Andererseits ist auf Grund der genetischen Verwandtschaft zwischen dem Lateinischen und Spanischen der spanische Ausdruck semi-transparent: zumindest der erste Bestandteil des Kompositums kann unschwer mit mucho in Beziehung gesetzt werden, wenn auch die Identität von plicare und llegar nicht nur wegen der Lautentwicklung, sondern auch wegen des Bedeutungswandels für einen Sprecher des Spanischen wohl kaum mehr nachvollziehbar war. Im Sprachbewußtsein stellte somit der cultismo multiplicar ein auf einen bestimmten Bedeutungsbereich begrenztes Gegenstück zu dem allgemeinsprachlichen, 159

volkstümlich entwickelten amochiguar146 dar, und als solches ist es durchaus semantisch motiviert. Wenn man nun abschließend eine Bilanz zu ziehen versucht, so empfiehlt es sich, hierbei die indirekten Übernahmen und die indirekten Nachbildungen als eine einheitliche Gruppe anzunehmen und sie als solche mit den anderen Gruppen von Lexemen zu vergleichen; da, wie oben ausgeführt, zwischen beiden Verfahrensweisen eine inklusive Oppositionsbeziehung besteht, soll im folgenden der Terminus indirekte Übernahme in seinem allgemeineren, beide Gruppen umfassenden Sinne gebraucht werden. Rein quantitativ betrachtet, liegt die Zahl der in A, C und Q beobachtbaren indirekten Übernahmen mit 59 zwischen derjenigen der direkten Übernahmen und derjenigen der direkten Nachbildungen. Wir hatten anläßlich der Bilanz der direkten Übernahmen ein starkes Streben des Königs und seiner Mitarbeiter nach Hispanisierung, nach Assimilation und schöpferischer Umwandlung des Fremden in Eigenes konstatieren können. Es ist daher unmittelbar einleuchtend, daß die Zahl der mit genuin spanischen Mitteln gebildeten direkten Nachbildungen ganz erheblich höher liegt als diejenige der indirekten Übernahmen, wo mit lateinischen Mitteln gearbeitet wird. Andererseits ist die Zahl dieser letzteren immer noch so hoch, daß dies angesichts des festgestellten Bestrebens einer Erklärung bedarf. Für die relativ starke Position der indirekten Übernahmen im Gesamtzusammenhang der Universalisierung des Altspanischen nach arabischem Muster in der astronomischen Übersetzungsliteratur sind im wesentlichen zwei Gründe anzuführen. Da ist zum einen die Tatsache, daß das Lateinische nicht als etwas Fremdes empfunden wurde, als etwas im Gegensatz zur romanischen Volkssprache Stehendes, sondern vielmehr als etwas Zugehöriges, Eigenes, das mit der Volkssprache eine Einheit bildet. Dies geht ganz allgemein aus den häufigen Wendungen des Typus nuestro latinjnos los latinos in anderen alfonsinischen Texten hervor14' und ist in der Sekundärliteratur auch gebührend gewürdigt worden148. In den hier untersuchten Texten wird diese sprachliche Haltung ganz konkret deutlich in der Art und Weise, in der direkte Übernahmen aus dem Lateinischen als Übersetzung arabischer Termini explizit eingeführt und sofort, ohne weitere Rechtfertigung als spanische Termini verwendet werden ; in dieser Bruch146 147 148

Cf. zu diesem Wort die s.v. multiplicar angeführten Belege. Cf. S O L A L I N D E , Nuestro latin. Cf. H I L T Y , Aly aben Ragel, X L I X : »la conciencia de una comunidad profunda y antigua entre las lenguas latina y castellana . . . un importante aspecto lingüístico en el gran caudal de latinismos, cultismos, y semicultismos, incorporados a la lengua castellana.« Cf. auch N I E D E R E H E , Sprachauffassung, 78f.

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losigkeit, mit der direkte Übernahmen dem Spanischen inkorporiert werden, manifestiert sich ganz unmittelbar das Gefühl einer als selbstverständlich empfundenen sprachlichen und kulturellen Einheit. Der andere Grund liegt in der inneren semantischen Struktur der auf diese Weise geprägten Termini. Wie gezeigt wurde, sind sie einerseits überwiegend transparent, andererseits jedoch unisem. Wie aus vielen Indizien in den Werken des gelehrten Königs hervorgeht, stand sein Streben nach Hispanisierung im Dienste eines bestimmten sprachlichen Wollens. Es wäre sicherlich ganz falsch, diese Hispanisierungsbemühungen für die Ausprägung einer verfrühten nationalistischen Gesinnung halten zu wollen ; vielmehr dienten sie dem an zahllosen Stellen manifest werdenden Streben nach deutlichem, allgemein verständlichem, semantisch durchsichtigem Ausdruck. Immer wieder kommen in den alfonsinischen Werken Aussagen zweierlei Typs vor: zum einen Hinweise darauf, der König habe ein Werk in Auftrag gegeben, das so deutlich und klar formuliert sein müsse, daß jedermann, der es lese, in der Lage sein müsse, das darin beschriebene astronomische Gerät zu bauen oder zu benutzen149; zum anderen die Etymologisierungen oder Definitionen, die vor allem in den selbständig abgefaßten wissenschaftlichen und in den historischen Werken zahlreich sind und die stets das Bestreben erkennen lassen, ein auf den ersten Blick undurchsichtig erscheinendes Wort semantisch zu motivieren und dadurch transparent zu machen160. In beiden Arten von Aussagen manifestiert sich ein und dasselbe Wollen, das darauf gerichtet war, die bis dahin wenig ausgebildete spanische Volkssprache zu durchsichtigem und eindeutigem Ausdruck neuartiger Sachverhalte zu befähigen. Es leuchtet ein, daß bei der Bemühung zur Erreichung dieses Zieles das Verfahren der indirekten Übernahme notwendigerweise eine wichtige Rolle spielen mußte, verknüpften sich doch in den mit seiner Hilfe erzielten Resultaten die beiden Forderungen nach Transparenz und Eindeutigkeit in idealer Weise: Eindeutigkeit wegen der qua Übernahme erfolgenden Unisemierung, Transparenz wegen der genetischen Verwandtschaft des Lateinischen mit dem Spanischen. Indirekte Übernahmen bekleiden daher in der astronomischen Begriffsbildung des Altspanischen einen gewichtigen, wenn auch nicht den wichtigsten Rang. ,4

* Cf. die Prologe der einzelnen instrumentaltechnischen LSA. Als Beispiele verweise ich nur auf die oben gegebene Etymologisierung von astrolabio, eine Stelle, aus der das Bestreben nach semantischer Motivierung besonders deutlich wird, sowie auf den im Glossar zu meiner Edition der Cánones de Albateni s.v. planeta gegebenen Beleg. Cf. allgemein zu dem Problem der alfonsinischen Definitionen H I L T Y , Aly Aben Ragel, X L I I - X L I I I ; S C O Y , Lexicographer; N I E D E R E H E , Sprachauffassung, 165ff.

150

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3.1.5. Zum Abschluß dieser Untersuchungen über einige bei der Universalisierung des Altspanischen feststellbaren Besonderheiten soll nun noch versucht werden, in einer kurzgefaßten Gesamtbilanz die wesentlichen Ergebnisse nochmals hervorzuheben und die einzelnen Phänomene in einen größeren historischen Zusammenhang zu stellen. Hierbei möchte ich zunächst betonen, daß der Ausdruck bestimmter Begriffe spezielle, hier nicht in allen Einzelheiten gelöste Probleme aufweist, daß über die Einordnung einzelner Wörter in diese oder jene Kategorie durchaus andere Ansichten möglich sind und daß daher insbesondere alle quantitativen Angaben über die einzelnen Kategorien in ihren absoluten Werten diskutabel sind und auch stets diskutabel bleiben werden. Was jedoch nicht bestritten werden kann und was als zweifelsfrei feststehendes Ergebnis dieser Untersuchungen festgehalten werden muß, ist das Verhältnis, welches die einzelnen hier unterschiedenen Verfahrensweisen zueinander einnehmen, sind die quantitativen Angaben in ihren relativen Werten. Und hierbei möchte ich zusammenfassend die folgenden Tatsachen akzentuieren. 1. Obwohl, oder vielleicht gerade weil 151 es sich um Übersetzungen handelt, sind direkte Übernahmen aus der Ausgangssprache, Übernahmen, die notwendigerweise uniseme Termini bilden, sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht eine fast vernachlässigbare Größe. Lautliche Arabismen spielen bei dem Prozeß, in dem sich das Altspanische den neuen Seinsbereich der exakten Wissenschaften erschlossen hat, keine nennenswerte Rolle. 2. Nichtsdestoweniger artikuliert sich die altspanische Astronomie in einer Weise, die ihrem arabischen Vorbild mit extremer Treue folgt. Das Gros der terminologischen Neubedürfnisse wird durch die Verfahren der rein semantischen oder der semantisch-transpositionellen direkten Nachbildung abgedeckt. In besonderem Maße gilt dies für die Schaffung von Nominalisierungen, die, im Sinne der Hypostasierung von Vorgängen zu Verstandesgegenständlichkeiten, ein konstitutives Element von zentraler Wichtigkeit für die wissenschaftliche Begriffsbildung ist. Die diesem Verfahren inhärenten Gesetzmäßigkeiten bewirken, daß hierbei, außer in besonderen Fällen, prinzipiell mono- und polyseme Termini entstehen. Der überwiegende Teil der wissenschaftlichen Terminologie stimmt daher nicht nur in der Transpositionsstruktur und in der jeweils spezifischen Einzelwortsemantik, sondern darüber hinaus in der allgemeinen semantischen Struktur, der »Semie« (als Oberbegriff zu Uni-, Pluri-, Mono- und Polysemie) mit der stimulierenden Ausgangssprache überein. Mit dieser Eigentümlichkeit steht die altspanische Wissenschaft noch ganz in der Tradition der griechisch-antiken und der mittelalterlichislamischen. 181

Cf. S. 154.

162

3. Jedoch hebt sich, weniger bedeutend als die zweite, aber unübersehbar, eine dritte Gruppe von Termini deutlich ab : die mit Hilfe des Verfahrens der indirekten Übernahme dem Lateinischen entnommenen cultismos. Abgesehen von einer kleinen, relativ homogenen Gruppe von solchen Fällen, in denen das Lateinische zur Ausfüllung transpositioneller Lücken dient, sind die entstehenden Termini im Prinzip uni- oder plurisem, das heißt, sie haben keine anderen als wissenschaftliche Sememe. Mit dieser Besonderheit unterscheidet sich die altspanische Wissenschaft von ihren antiken und mittelalterlichen Vorbildern. Sie zeigt, noch relativ schwach ausgebildet, aber bereits zu erkennen und keinesfalls vernachlässigbar, eine Tendenz, die bereits hundert Jahre später, in der katalanischsprachigen Astronomie unter Pedro el Ceremonioso, sehr stark an Terrain gewonnen hat152 und die mit dem Anbrach der Neuzeit im iberoromanischen Raum153 wie auch sonst in Europa die Oberhand gewinnt : eine Tendenz zur unisemen und plurisemen wissenschaftlichen Begriffsbildung mit Hilfe lautlicher Übernahmen aus dem unerschöpflichen Fundus des Griechischen und Lateinischen. 4. Die Universalisierung des Altspanischen im Bereich der exakten Wissenschaften erweist sich somit als ein komplexes und beziehungsreiches Phänomen. Die Komplexität resultiert aus dem Zusammenwirken zweier direkter S-Sprachen (Arabisch und Lateinisch), die ihrerseits wenigstens zwei weitere S-Sprachen widerspiegeln (Griechisch und Sanskrit). Dieses gleichzeitige Nebeneinander vielfältiger Einflüsse hat einen Widerhall in der Menge der für die wissenschaftliche Begriffsbildung angewandten Verfahrensweisen; insbesondere wären die indirekten Verfahren nicht denkbar ohne das Zusammenspiel von mindestens zwei S-Sprachen. Der Beziehungsreichtum ergibt sich aus der historischen Zwischenstellung der alfonsinischen Astronomie zwischen der antiken und islamischen einerseits und der neuzeitlichen europäischen andererseits: in einer Vergangenheit verwurzelt, deren getreues Abbild sie überwiegend noch ist, weist die Begrifflichkeit der alfonsinischen Wissenschaft in einigen ihrer Aspekte doch schon deutlich auf eine sich abzeichnende Zukunft voraus, eine Zukunft, in der das Prinzip der Unisemie dasjenige der Monosemie immer mehr zurückdrängen wird. 152

Cf. beispielsweise Glossar s.v. ladeza. isa j m Vorgriff auf eine vorgesehene Arbeit über die Sprache der portugiesischen Nautik verweise ich darauf, daß sich der Übergang zu einer vorwiegend von lateinischen cultismos geprägten Begriffsbildung in der portugiesischsprachigen Wissenschaft des frühen 16. Jhdts. sehr deutlich erkennen läßt. Cf. Joaquim Bensaude, Histoire de la science nautique portugaise à l'epoque des grandes découvertes. Collection de documents. . . Munich 1914ff. 7 vis.

163

Diese Zukunft ist für uns Heutige seit langem Gegenwart. Abgesehen von aller Nuancierung, die generelle Aussagen dieser Art im einzelnen selbstverständlich immer erfahren müssen151, kann man doch feststellen, daß in der europäischen Naturwissenschaft der Neuzeit ganz überwiegend die organisch mit der Allgemeinsprache verbundene, durchsichtige und motivierte Begrifflichkeit der griechischen Antike einer von der Allgemeinsprache abgelösten, opaken und gleichsam artifiziellen Begrifflichkeit gewichen ist und daß so der Vorteil der Unisemie mit dem Verlust an Transparenz erkauft worden ist. In diesem großen, hier nur andeutungsweise skizzierbaren historischen Zusammenhang stellt das Altspanische, wie es unter Alfons dem Weisen zu einer Sprache der Wissenschaft universalisiert worden ist, eine Brücke zwischen zwei Extremen dar; es markiert eine Zone des Übergangs, in der das eine noch und das andere schon präsent ist, in der sich Altes und Neues, nahe und ferne Einflüsse zu einem komplexen und vielschichtigen Ganzen verbinden.

154

Insbesondere muß man sicherlich die germanischen und die romanischen Sprachen gesondert betrachten und auch innerhalb dieser Gruppen gibt es sehr deutliche Unterschiede; ganz abseits von der skizzierten Entwicklungslinie stehen übrigens Randsprachen wie das Ungarische oder unter den indoeuropäischen Sprachen - das Isländische. Doch würde eine detaillierte Untersuchung dieser Fragen nicht nur den Rahmen dieser Arbeit, sondern auch die Möglichkeiten eines Einzelnen bei weitem übersteigen.

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II. KOMPLEKTISIERUNG

3.2.1. Zum Abschluß dieser Untersuchungen sei auf einige Besonderheiten eingegangen, die den anderen Aspekt des Akkulturierungsvorgangs kennzeichnen, jenen nämlich, den ich Komplektisierung genannt habe. E s hat sich bei der Betrachtung der Universalisierung ergeben, daß der für die Schaffung neuer begrifflicher Instrumentarien zentrale Rang der lexematische ist, wenn auch in bestimmten Fällen sublexematische (Komposition) oder translexematische (Periphrase) Ränge zum Ausdruck neuer Begriffe herangezogen werden. In analoger Weise konstitutiv für den Bereich der Komplektisierung ist der Satzrang; Komplektisierung ist dementsprechend definiert als die Steigerung der in einer Sprache möglichen oder geläufigen Komplexität derjenigen Gruppe von Elementen, die von einem einzigen Assertionsrelator S dominiert wird. Damit werden natürlich einerseits Erscheinungen anvisiert, die traditionell in den Bereich der Syntax gehören; andererseits ist es klar, daß nur ein kleiner Teil der in den Texten beobachtbaren syntaktischen Phänomene unter den Begriff der Komplektisierung fällt. Es sind von den spanischen Übersetzern manche syntaktischen Besonderheiten des Arabischen wörtlich nachgeahmt worden, ohne daß dies zu einer Komplektisierung in dem genannten Sinne geführt hätte. Einige dieser Besonderheiten sind so häufig, daß sie den Übersetzungstexten ein eigenes stilistisches Gepräge geben, auf Grund dessen man sie sofort als semitisch beeinflußt erkennen kann. Hierzu gehört unter anderm der exzessive Gebrauch von y für arabisch wa- oder die stereotype Wiedergabe des indefiniten ayyu . . . èi'tajturìdu durch wörtlich entsprechendes quäl . . . qui (si) er (es j1^.

Solche äußerlichen Nachbildungen tragen nichts zur inneren Komplexität der im Spanischen mit Geläufigkeit bildbaren Sätze bei, sie sollen daher im folgenden nicht weiter berücksichtigt werden. E s wird sich im Gegenteil herausstellen, daß es gerade nicht die auf den ersten Blick als Semitismen erkennbaren Wendungen sind, welche den akkulturierenden Einfluß des Arabischen auf die Syntax der Übersetzungen ausmachen, sondern daß vielmehr gerade in der Vermeidung grober Semitismen die Tendenz und die Zielrichtung des vom Arabischen ausgehenden Impulses zu erblicken ist. 165 Cf. Glossar s.v. 165

Diese Tendenz läßt sich in Analogie zu derjenigen sehen, die oben in bezug auf die Universalisierung festgestellt werden konnte : der wesentliche Impuls zielt auf die Schaffung oder die Produktivierung von eigenständigen Ausdrucksmitteln, wohingegen die direkte Übernahme des Fremden, in diesem Falle die wörtliche Übersetzung bestimmter syntaktischer Wendungen, insgesamt gesehen von marginaler Bedeutung ist. 3.2.2.1. Ein instruktives Beispiel hierfür soll an dieser Stelle genauer behandelt werden; ich meine die Übernahme beziehungsweise die Vermeidung der Übernahme der semitischen Relativsatzkonstruktion. Zum Verständnis dieser Konstruktion ist es sinnvoll, von den Analysen Tesnières auszugehen, der in jedem Relativsatz zwei voneinander unabhängige Elemente unterscheidet : ein élément translatif und ein élément anaphorique15e. Das élément translatif, das im folgenden in Angleichung an die hier verwendete Terminologie (relatives) Transpositionselement genannt werden soll, bewirkt die Translation I A 157 , die in der hier gebrauchten Notationsweise als ( . . . (XO)Pi)P3-Transposition erscheint; es handelt sich um die Umwandlung eines Satzes in einen Adaktanten. Das élément anaphorique, das ich im folgenden (relatives) Pro-Element nennen möchte, stellt die syntaktische Beziehung zwischen dem assertionsblockierten Satz (. . . (XO)Pi) und demjenigen Element her, welches den Adaktanten P3 dominiert. Die allgemeinste Form des Relativsatzes ist demnach die folgende : ( . . .(XO A )Pm . . . ( Χ Ο Β ) Ρ ! ) Ρ 3 (XOA)P 2

Hierbei repräsentiert P3 das Transpositionselement; das Pro-Element wird auf einer weiteren Derivationsebene dadurch eingeführt, daß von den beiden referenzidentischen (XOA) eines, nämlich das am weitesten links stehende (ΧΟΑ)ΡΠΙ, durch einen Pro-Aktanten ersetzt wird. In dieser allgemeinen, auf die zweite Derivationsebene bezogenen Gestalt ist der Relativsatz eine universale Erscheinimg; auf der dritten Derivationsebene existieren jedoch in bezug auf die Wirkungsweise und die Interaktion des Transpositionselements und des Pro-Elements zwischen den einzelnen Sprachen ganz erhebliche Unterschiede. Viele Sprachen bilden auf der morphonologischen Ebene die allgemeine Form des Relativsatzes ganz unmittelbar ab, indem sie zwar eines der beiden (XOA) in ein Pro-Element verwandeln, die Transposition selbst jedoch mit einem von dieser Anaphorisierung gänzlich unabhängigen Element ausdrücken. Tesnière nennt dieses Vorgehen, im Hinblick auf die in den meisten europäischen Schriftsprachen vorherrschenden Verhältnisse, disjonction de l'élément translatif et de l'élément anaphorique158. 1ΔΒ 157 168

TESNIÈRE, Éléments, TESNIÈRE, Éléments, TESNIÈRE, Éléments,

166

561. 557. 570-573.

I n Wahrheit ist es zutreffender, die Geschiedenheit von Transpositionselement und Pro-Element als den Normalfall anzusehen und hiervon die insbesondere im indoeuropäischen Relativpronomen beobachtbare Fusion beider Elemente als Besonderheit abzuheben. Die Fusion besteht darin, daß die syntaktischen Beziehungen von ( Χ Ο Α ) Ρ Π Ι innerhalb des von ( X O B ) P I dominierten Satzes unmittelbar an dem entsprechend veränderten Transpositionselement P3 ausgedrückt werden. Diese Verschmelzung zweier Funktionen in einem Wort ist eine Eigentümlichkeit der meisten indoeuropäischen Sprachen, die allerdings auch in nicht-indoeuropäischen Sprachen vorkommt 1 6 9 . Jedenfalls ist es bemerkenswert, daß die Fusion von Transpositionselement und Pro-Element auch in den indoeuropäischen Sprachen nicht durchweg alleinherrschend ist, daß vielmehr in manchen Zweigen dieser Familie die Entwicklung dahin geführt hat, die beiden verschmolzenen Funktionen zu trennen und somit das Relativpronomen zu einer Relativpartikel zu reduzieren 160 . Zur Gänze durchgeführt ist diese Entwicklung im Neupersischen, wo die Relativpartikel Ice an die Stelle des alten Relativpronomens getreten ist und wo die syntaktischen Beziehungen des dominierenden Nomens obligatorisch mittels anaphorischer Bezugsetzung ausgedrückt werden. Der Fall des Persischen ist insofern bemerkenswert, als neben dieser nicht-fusionierten Relativsatzkonstruktion keine weitere Ausdrucksmöglichkeit besteht. Es steht damit auf derselben Stufe wie die semitischen Sprachen. I m Gegensatz hierzu kennt das Neugriechische neben der Relativpartikel πού (mit obligatorischem Pro-Element) auch noch das Relativpronomen ó όποιος, das aber in der Volkssprache nur in besonderen Fällen gebraucht wird; jedenfalls ist auch in dieser neu-indoeuropäischen Sprache die Nicht-Fusion von Transpositions- und Pro-Element vorherrschend. Genau umgekehrt liegen die Verhältnisse in den romanischen Schriftsprachen. Auch in den Abkömmlingen des Lateinischen ist durchgehend eine Tendenz erkennbar, das ererbte Relativpronomen durch eine Relativpartikel zu ersetzen und die anaphorische Funktion des Relativpronomens durch ein Pro-Element zu erfüllen. Am weitesten verbreitet ist dieser Gebrauch im Rumänischen und Okzitanischen, doch sind entsprechende Wendungen auch im Französischen, Spanischen und Italienischen belegt 161 . Nichtsdestoweniger bleibt festzuhalten, daß nirgendwo die Geltung der nicht-fusionierten Relativsatzkonstruktion alleinherrschend "· Cf. beispielsweise das georgische Relativpronomen romdic'; die Partikel suö des klassischen und modernen Chinesisch etc. 1.0 Cf. hierzu allgemein CCTENDET, Expansion. 1.1 Cf. hierzu die zahlreichen Beispiele bei M E Y E R - L Ü B K E , Grammatik I I I 674-675 (§ 628) sowie die Belege bei T E S N I È R E , Éléments, 570-572. 167

oder auch nur vorherrschend geworden ist ; vielmehr ist in den romanischen Sprachen die Verwendung fusionierter Relativpronomina stets das Normale, von der Schulgrammatik Sanktionierte geblieben. Die allgemeine Tendenz vieler neuerer indoeuropäischer Sprachen zur nichtfusionierten Relativsatzkonstruktion hat also auch in der Romania einen Widerhall gefunden, der aber insgesamt gesehen recht schwach geblieben ist und das überkommene System der fusionierten Relativpronomina im wesentlichen unangetastet gelassen hat. Vor diesem allgemeinen Hintergrund sollen n u n die Besonderheiten der arabischen und der spanischen Relativsatzkonstruktion etwas detaillierter betrachtet werden. Grundsätzlich unterscheidet man im Arabischen zwischen indefiniten (sifa) und definiten (sila) Relativsätzen. I n beiden Arten von Sätzen wird der anaphorische Bezug der beiden (XOA)IVElemente mittels der Wiederaufnahme durch ein Pro-Element hergestellt. Diese Wiederaufnahme erfolgt im Falle von (X0A)P2 1 ( = qui) beim Verbalsatz implizit, da das arabische Verbum subjektiv konjugiert wird und so die Pro-Form eines Erstaktanten in ihm in jedem Fall amalgamiert ist ; in allen anderen Fällen ( Ξ qui beim Nominalsatz, cuius, cui, quem . . .) erfolgt die Wiederaufnahme explizit 162 . Das Pro-Element, das diese Funktion erfüllt, heißt bei den arabischen Grammatikern 'ä'id oder rägi', eigentlich »das Zurückkehrende, Wiederkehrende« 163 . Das Transpositionselement ist verschieden je nachdem, ob es sich um einen indefiniten oder definiten Relativsatz handelt ; im ersten Fall ist es gleich null, im zweiten Fall wird es als eine nach Genus und Numerus, nicht jedoch nach Kasus veränderliche Partikel (allodi, aliati usw.) realisiert, die diachronisch gesehen aus mehreren Demonstrativelementen entstanden ist (arabisch al-isrn al-mawsül)163. Abgesehen davon, daß im Falle der sifa kein Transpositionselement realisiert wird 164 , kann man daher sagen, daß die auf der zweiten Derivationsebene vorliegende allgemeine Transpositionsstruktur des Relativsatzes im Arabischen ohne tiefgreifende Abänderungen in Phänostruktur umgewandelt wird. I m Spanischen liegen die Verhältnisse wesentlich komplizierter. Beschränkt auf que läßt sich sagen, daß dieses Wort im Regelfall die Funktionen eines Pro-Elementes und eines Transpositionselementes in sich vereint, daß es also ein echtes Relativpronomen darstellt. Allerdings gilt lea

163 164

Im Vorgriff auf eine geplante Arbeit über objektive Konjugation weise ich an dieser Stelle ausdrücklich daraufhin, daß diese Unterscheidung von impliziter und expliziter Wiederaufnahme nur dann einen Sinn hat, wenn man den Begriff »Konjugation« traditionell, das heißt nur im Sinne der subjektiven Konjugation versteht. Cf. W R I G H T , Grammar I I 319f. (§ 173). Man spricht in europäischen Grammatiken daher auch von »asyndetischen Relativsätzen« (BROCKELMANN, Grammatik, 155).

168

diese Doppelfunktionalität nur in zwei Fällen, nämlich ( X O A J I V und ( X O A ) P 2 2 ; diese Fälle werden übrigens formal nicht voneinander unterschieden. In allen übrigen Fällen muß prinzipiell entweder eine Präposition hinzutreten oder ein anderes fusioniertes Relativpronomen herangezogen werden, etwa donde für den Fall (X0A)P41 oder cuyo für den Fall (XOA)PS.

Nun war aber soeben festgestellt worden, daß die romanischen Sprachen eine Tendenz zur Umwandlung des Relativpronomens in eine Relativpartikel aufweisen; Entsprechendes läßt sich auch im Spanischen, ganz unabhängig von jedem arabischen Vorbild, aufweisen. Auf Grund dieser Tendenz mußte die arabische, nicht-fusionierte Relativsatzbildung zwar als etwas nicht selbstverständlich Geläufiges, jedoch keineswegs als etwas gänzlich Fremdes und Unvertrautes erscheinen: die semitische Wendung war assimilierbar. Sie wirkte zwar, wie aus den Indizien eindeutig hervorgeht, in gewisser Weise als ein Fremdkörper; jedoch war sie möglich, sie wirkte also nicht ungrammatisch. Es ist daher ohne weiteres einzusehen, daß die Verwendung von que als Relativpartikel und die anaphorische Wiederaufnahme des dominanten Gliedes innerhalb des Relativsatzes in den Übersetzungstexten häufig ist; man hat diese Tatsache mehrfach als gewichtiges Indiz für die Arabi sierung der Syntax der altspanischen Übersetzungsliteratur angeführt 1 * 6 , und in der Tat stellt die Übernahme der arabischen Relativsatzkonstruktion einen der spektakulärsten, am meisten ins Auge stechenden syntaktischen Arabismen dar. Jedoch muß man die Phänomene gerade in diesem Fall sehr differenziert und detailliert untersuchen, um vor falschen Schlußfolgerungen sicher zu sein. Zunächst muß nochmals betont werden, daß die wörtliche Übersetzung des arabischen Relativsatzes mit 'ä'id zwar sicherlich ein syntaktischer Arabismus ist, daß dieser aber nicht möglich gewesen wäre, das heißt zu grammatisch unakzeptablen Sätzen geführt hätte, wenn nicht im Spanischen bereits eine Tendenz zur Verwendung des Relativpronomens que als Relativpartikel von vornherein bestanden hätte. Der scheinbar so massive arabische Einfluß erweist sich in dieser Perspektive mithin als relativ : er bewirkt nur, daß eine im Prinzip mögliche, wenn auch seltenere Konstruktion des Spanischen häufiger als üblich gebraucht wird. Zum zweiten stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, daß die arabische Konstruktion nur in bestimmten Fällen übernommen wird, während in anderen Fällen auch fusionierte Konstruktionen dort verwendet werden, wo das Arabische ein 'ä'id hat. Schließlich bemerkt man, daß die Häufigkeit der arabischen Konstruktion in den verschiedenen hier untersuchten Texten ganz unterschiedlich ist. 1,5

C f . DIETRICH, Beiträge; lismo.

GAXMÉS, Influencias;

MILLÁS VAIXICBOSA,

Litera-

169

Zu diesen beiden letztgenannten Punkten müssen nun einige Detailausführungen gemacht werden. Rein empirisch lassen sich in den Texten drei Arten von Relativsatz konstruktionen unterscheiden, in denen bei der Verwendung von que als Relativpartikel eine Präzisierung des syntaktischen Bezugs mit Hilfe von Pro-Elementen nötig ist: der Fall (XO)P 3 und der Fall (X0)P 4 1 , jeweils bezogen auf das Pro-Element im Relativsatz ; daneben kommt (XO)Pi in anderer als lokaler Kasusspezifikation vor. Während im Arabischen in all diesen Fällen die übliche nicht-fusionierte Konstruktion angewandt wird, verhält sich das Spanische recht unterschiedlich : in C wird (XO)P3 immer dem Arabischen nachgebildet, (XO)P41 hingegen nie, bei (XO)P4 in anderer Spezifikation ist der Gebrauch schwankend; im Gegensatz hierzu kommt in A die Nachbildung des Arabischen nur bei (XO)P3 und auch da nur ganz sporadisch vor, während in allen anderen Fällen die fusionierte Konstruktion angewandt wird. Man kann die fusionierte Konstruktion noch danach unterscheiden, ob das syntaktisch in den Relativsatz eingeführte Relativpronomen seine Beziehung zu diesem in analytischer (durch Präpositionen) oder in synthetischer Weise ausdrückt. Wenn man in dieser Weise zwischen analytisch-fusionierter und synthetisch-fusionierter Relativsatzkonstruktion differenziert, dann ergibt sich für die Übersetzungsmöglichkeiten der verschiedenen arabischen Relativsätze folgendes Bild, wobei gilt η Φ 1: (72) Arabisch (nicht -fusioniert ) Spanisch : nicht -fusioniert analytisch fusioniert synthetischfusioniert

(XO)P 3 alladï. . .-hü

(XO)P 4 n alladi. . .ma'ahü

(ΧΟ)Ρ 4 ι alladï. . .fïhï

que. . .su

que. . .con

que. . .en

con que. . .

en que. . .



do. . .

cuyo. . .

Außer den Wörtern que und do sind alle Eintragungen in diesem Schema als Beispiele zu verstehen. Ich führe nun im folgenden alle in den Texten C und A vorkommenden Belege an 168 , in denen die arabische nicht-fusionierte Relativsatzkonstruktion wörtlich übernommen wird; hierbei sind mehrfach vorkommende Wendungen nur einmal zitiert. Jeweils im Anschluß an diese wörtliche Übernahmen werden charakteristische Beispiele für die entsprechenden fusionierten Konstruktionen angeführt. 1,6

Zur Entlastung der Darstellung wurde auf die explizite Einbeziehung von Q verzichtet; im Prinzip liegen die Verhältnisse in diesem Text ähnlich wie in A. 170

1. (XO)P 3 C: ángulos derechos que çerca cada ángulo dellos nouaenta grados (24)

arba'u zawäyä yuhïtu bi-kulli zâwiy a t i n minhâ tis'ïna guz'an (sic!) (15) el cuento que t u quisieres saber su al-'adadu lladï turïdu an ta'rifa cuerda retornada w a t a r a h û râgi'an (16) (27f) u n d öfter las [estrellas] que es so çenptro el [al-kawâkibu] llatï markazuhâ polo qutbun (40) u n d öfter (22) la linna que es su longura (44) al-hattu lladï b u ' d u h ü (23) la sombra que t u quieres saber su al-zillu lladï t u r ï d u an ta'rifa altura (70) rtifä'ahü (33) la altura la que non a so zonte al-irtifä'u lladï lä mayla li-samtihï declinación ninguna (79) u n d oft ~ (36) aquel grado que t u quieres saber tilka l-dara£atu llatï turïdu ma'risus sobimientos (91) f a t a matâli'ihâ (40) las esperas ; las que caen los cercos al-kuratu llatï t a q a ' u 1-dawâ'iru sobre sos dos polos (143) 'alà q u t b a y h ä (196) aquella hora que t u sopiste su alal-sâ'atu llatï ' a r a f t a 1-irtifâ'a f ï h â tura (166) (205) (im Arabischen ein Fall von (ΧΟ)Ρ·44! cerco que es so diametro .χ. uaras dâ'iratun q u t r u h â 'asaratu adru'in (191) (217)

Besonders beachtenswert sind solche Fälle, in denen im Spanischen diese Konstruktion auch dann angewandt wird, wenn kein unmittelbares arabisches Muster dafür gegeben ist : aquellos grados que t u quieres satilka 1-daragu (17) ber su cuerda (29) y que es so doblo Χ (80) wa-di'fu dälika X (37) la clima que es su ladeza çerca de al-iqlïmu . . . lladï y a k ü n u 'ardu la ladeza daquella cipdad mas que tilka 1-madïnati . . . aqraba ilayhï las otras climas (94) m i n gayrihï (41) otra estrella que sera so logar sak a w k a b u n äharu m a ' l ü m u 1-mawbudo (125) di'i " (55) (im Arabischen morphemische, nicht phrasemische Hypotaxe) A: los marmorea sobrefazados los quaal-ruhämätu 1-musattahatu llatï lä les non passan sus sobrefazes por t a m u r r u sutühuhä bi-samti 1-ra'si el cenit de las cabeças Pr(164) (163) (cf. den Hinweis auf dieses Beispiel in MILLÁS VALLICROSA Literalismo, 162)

los rayosos son aquellos los quales o en ellos o en alguno de sus miembros a dos forados Pr(164) (zugleich ein Beispiel f ü r (XOJPe 1 )

al-su'ä'iyyatu m ä k ä n a f ï h â aw f i ahadia'dä'ihä 1 * 7 taqbäni (163)

Der von Millás gegebene Text h a t - dem Sinne nach sicherlich vorzuziehen! - 'adä'idihä; jedoch setzt die Übersetzung die Lesart a'dä'ihä voraus. 171

son aquellos cuyos 1 · 8 sobrefazes pasean por el cénit de las cabeças Pr(164)

hiya llatï tamurru sutühuhä bisamti 1-ra'si (163)

Die synthetisch-fusionierende Konstruktion desselben Typus kommt in C nicht vor; sie ist jedoch der Normalfall in A : la linna derecha en cuyos lados . . . (164) el cerco cuyo centro . . . (226) la cosa a cuyo pie non puede omne llegar (232) el cuerpo cuya alteza a esto por natura (232)

al-ha^tu l-mustaqímu lladi 'inda ganbayhi (9r) al-dâ'iratu llatï markazuhä (71v) mä lä yü$alu ilà açlihï (76v) al-§ismu lladi sa'nu rtifa'ihi dälika l-sa'nu (76v)

Beachtenswert ist, daß in C diese Äquivalenz auch im Falle morphemischer (statt phrasemischer) Hypotaxe des Arabischen konstant ist : la estrella cuya alteza y cuyo cénit quieres (219)

al-kawkabu wa-samtihi

1-murädu bil-irtifä'i (64v)

Ihirch freie Wiedergabe wird die arabische Konstruktion vermieden in Fällen wie diesen: los grados que son

arredrados C (139) la linna circular que es alongada de la linna circular de la eguacion 2. (XO)P 4 n A (207) C: aquella [altura] que t u feziste con ella (64) por otro rectificamiento que pueden saber por el ; el grado de medici cielo (125)

al-agzä'u llatï bu'duhä

(195)

al-madäru lladi bu'duhü min mad i r i 1-istiwä'i (52v)

al-irtifä'u lladï 'amalta 'alayhi (30) bi-gayrihi mina 1-qiyäsäti llatï yatahayya'u an yu'hada bihä guz'u wasafi 1-samä'i (55)

A : keine Beispiele. Für die analytisch-fusionierte Wiedergabe der arabischen Konstruktion führe ich die folgenden Belege an: C: De saber quai grado del zodiaco es con que sube quai estrella quier, y con quai grado se pone (113) las dos horas con las que se arredro (149) 1,8

f i ma'rifati 1-daragati llatï yaflu'u ma'ahä 1-kawkabu wa-llati ma'ahä yagibu min falaki 1-burügi (49) al-sä'atäni llatäni ba'uda bihä (198)

Rico korrigiert diese Lesart des Manuskriptes nach dem heutigen Sprachgebrauch, indem er cuyo mit dem folgenden Substantiv kongruieren läßt, zu cuyas; offenbar ist jedoch die lectio difficilior des Kodex, in dem cuyo mit dem vorangehenden Beziehungswort kongruiert, vorzuziehen ! Grundsätzlich ist diese Kongruenzbeziehung jedoch die Ausnahme, nicht die Regel, wie auch aus den folgenden Beispielen hervorgeht. 172

A: el grado con que para en medio cíelo A (194)

al-daragatu llati yatawassatu 1-samà'a ma'ahà (39v)

3. (XO)P 4 l C: el cuento que cae sobrel [el] punto de .1. (191)

al-'adadu lladî taqa'u 'alayhï nuqtatù l (217)

Dieser Beleg, der einzige, ist insofern besonders bemerkenswert, als aus ihm hervorgeht, daß die Verwendung der arabischen, der nicht-fusionierten Konstruktion im Falle von (XO)Pi 1 ein unakzeptabler Arabismus war. Offensichtlich hatte der Übersetzer sobrel als Wiedergabe des arabischen 'ä'id 'alayhï intendiert; da diese Ausdrucksweise aber ganz und gar ungewöhnlich, ja unverständlich anmutete, beging er den charakteristischen Fehler, daß er sobrel auf punto bezog und daher das eigentlich zu punto gehörige d unter den Tisch fallen ließ. Die Konstruktion des Relativsatzes wird durch diesen Lapsus analytisch-fusionierend ; die Bedeutung wird gerade umgedreht : während es eigentlich heißen müßte el punto cae sobrel cuento, heißt es nun el cuento cae sobrel punto. Dieser Fehler bestätigt eindrucksvoll den Befund, daß die arabische Konstruktion im Falle von (ΧΟ)Ρ,ι1 ungrammatisch ist, ein Befund, der sich ansonsten aus dem Fehlen von Belegen ergibt. A : ein Beleg, s.o. unter Ziffer 1. Die nicht-fusionierte Konstruktion war in diesem Fall wegen der Beiordnung eines (XO)P 4 '- und eines ((X0A)P3 (XOx)P2)P41-Gliedes unumgehbar. Der Beleg kann also nicht als Widerlegung der These interpretiert werden, daß die nicht-fusionierte Konstruktion im Falle von (XO)Pi 1 als ungrammatisch empfunden wurde. Im Gegensatz hierzu sind sowohl analytisch-fusionierte als auch synthetisch-fusionierte Übersetzungen der arabischen Konstruktion ebenso in C wie in A häufig. Als Beispiele mögen die folgenden Belege dienen : a) analytisch-fusioniert C: la primera linna en que se declinan las sombréis (44) grand estraniente sobre que pudiesse caer la sombra (165)

awwalu 1-hutüti llatî tamïlu fihâ azlâlun (23) âlatun 'azïmatun yaqa'u 'alayhâ sathu 1-zilli (205)

A: el cerco de medio dia sobrel quai fuer la estrella (208)

dâ'iratu niçfi 1-nahâri llati yakiinu 'alayhâ 1-kawkabu (53r)

b) synthetisch-fusioniert 173

C:

el quarto del cerco do cae este punto (77) el grado do es el sol (100)

al-rub'u lladï taqa'u fïhï hâdihï 1-nuqtatu (36) al-guz'u lladï fïhï 1-samsu (44)

Aus diesem Belegmaterial lassen sich zwei wichtige Tatsachen entnehmen : 1. Als voll akzeptabel wird die nicht-fusionierte Konstruktion nur im Falle von (XOJPe empfunden; die Akzeptabilität ist geringer im Falle von (XO)P4n, sie ist nahe oder gleich null im Falle von (XO)P41. Dies hängt offenbar mit Gegebenheiten im System des Spanischen zusammen, die jedem arabischen Einfluß vorausliegen. 2. In dem stilistisch nicht überarbeiteten Text C ist die nicht-fusionierte Konstruktion für den Fall von (XO)P3 die einzig belegte, sie wird sogar ohne arabisches Muster verwendet; im Falle von (XO)P4n halten sich fusionierte und nicht-fusionierte Konstruktionen etwa die Waage. Hingegen wird in dem überarbeiteten Text A die nicht-fusionierte Konstruktion im Fall von (XO)Pe nur zweimal, im Fall von (XO)P4n überhaupt nicht gebraucht ; an die Stelle der nicht-fusionierten Konstruktion im Falle von (XO)P3 tritt in A die in C nicht belegte synthetisch-fusionierte Konstruktion mit cuyo. Hieraus ergeben sich zwei Schlußfolgerungen: 1. Eine »Beeinflussung« der syntaktischen Struktur des Spanischen durch das Arabische ist nur dort möglich, wo bereits Eigenelemente vorhanden sind, die in die gleiche Richtung weisen wie die jeweiligen arabischen Vorbilder; eine Beeinflussung »ex nihilo« in dem Sinne, daß völlig neue Elemente ins Spanische Eingang finden, läßt sich nicht beobachten. 2. Die unmittelbare Nachbildung fremder syntaktischer Muster ist dort am stärksten, wo keine stilistische Umarbeitung der Übersetzung stattgefunden hat. Die Tatsache, daß die arabisch induzierte, im Spanischen vollauf akzeptable nicht-fusionierte Konstruktion des Typus que ... su bei der stilistischen Überarbeitung durch die »gebildete«, an das Lateinische angelehnte synthetisch-fusionierte Konstruktion des Typus cuyo verdrängt wird, läßt darauf schließen, daß diese Überarbeitung auf bewußte Hispanisierung gerichtet war. Der besondere Akzent dieser Hispanisierungsbemühungen liegt gerade darin, daß die nicht-fusionierte Konstruktion im Spanischen ein gewisses Heimatrecht hat : sie ist zwar in der Norm des Spanischen möglich, wird aber in der Konfrontation mit den arabischen Texten als typisch arabisch empfunden und aus diesem Grunde ausgemerzt. Es bestätigt sich somit die bereits oben in bezug auf die Universalisierung konstatierte Tatsache, daß die akkulturierende Einwirkung des Arabischen primär auf die Anregung von Eigenmitteln zielt. Die Bewegung 174

weg von der Nachahmung des Arabischen bin zu echt spanischen, von arabischen Anklängen befreiten Ausdrucksweisen wird gerade an diesem Beispiel besonders deutlich. Die bewußte Arbeit der alfonsinischen Akademie an der spanischen Sprache bestand darin, die vom Arabischen herkommenden Impulse vollkommen zu assimilieren. I m Fall der Relativsatzkonstruktion des Typus (ΧΟ)Ρβ liegt die akkulturierende Einwirkung im Sinne der Komplektisierung, sofern man eine solche überhaupt annehmen will, darin, daß eine im Spanischen mögliche, aber arabisch wirkende Konstruktion bewußt zurückgedrängt und anstelle dessen eine dem Spanischen eigentümliche Konstruktion zwar nicht neu geschaffen, aber doch produktiviert und ausgebaut wird. Der fremde Impuls hat die verstärkte Ausbildung von Eigenmitteln stimuliert. 3.2.2.2. Dieselbe Tendenz zur Bevorzugung genuin spanischer Ausdrucksmittel findet man wieder, wenn man einen weiteren Bereich potentiell möglicher Beeinflussung untersucht; ich meine die im Spanischen und im Arabischen jeweils typischen Formen der Hypotaxe, besonders derjenigen der Adprädikatisierung. E s ist eine besondere Eigenart des Arabischen, daß es bis zu einem gewissen Komplexitätsgrad die lexemische Hypotaxe der phrasemischen vorzieht. Dies ist wohlgemerkt kein Gesetz oder eine feste Regel ; es ist nicht mehr als eine stilistische Tendenz, die allerdings so bedeutend ist, daß sie vielen Texten und Textkategorien ein spezifisches Gepräge verleiht. Die lexemische Hypotaxe, deren Häufung dem Ausdruck zu größerer Kürze und Prägnanz verhilft, steht ganz besonders da im Vordergrund, wo ihr Ergebnis ein Adprädikat ist. Es ist klar, daß dieser Eigenart des Arabischen mit dadurch Vorschub geleistet wird, daß die Transposition des Typus (R2R1O), wie oben ausgeführt, keinerlei normativen Beschränkungen unterliegt, so daß theoretisch jeder Satz in dieser Weise lexemisch subordiniert werden kann. Das Arabische unterscheidet sich durch diese Eigenart deutlich von den meisten europäischen Sprachen, in denen die Hypotaxe vorwiegend phrasemisch erfolgt 1 6 '; es ist aber noch weit von dem wissenschaftlichen Sanskrit entfernt, in dem Hypotaxe fast ausschließlich mit lexemischen Mitteln durchgeführt wird 170 . An einem einfachen Beispiel soll n u n die Wirkungsweise der lexemischen Adprädikatisierung kurz dargestellt werden. Der Satz tatlu'u 1-samsu ((RûObJPÏ1 (R^OAJPOS 188

1,0

Generalisierende Aussagen wie diese werden hier rein intuitiv gemacht; sie dienen nur zur Verdeutlichung und erheben keinen weitergehenden Anspruch, der nur durch statistische Untersuchungen an einem sehr großen empirischen Material erfüllt werden könnte. Cf. Habtmann, Sanskrit, passim. 175

kann sowohl mit den Mitteln der lexemischen als auch mit denen der phrasemischen Hypotaxe zu einem temporalen Adprädikat umgewandelt werden: 'inda tulü'i 1-samsi ((RÜOBJPS1 ( R 2 R 1 1 0 A ) P 2 ) P 4 T

oder idä tala'ati 1-samsu ((Rab B )P2 1 ( R 1 1 0 A ) P I ) P 4 T .

Jedoch wird, zumindest im späteren Arabisch und insbesondere in der Sprache der Wissenschaft, der ersten Lösung bei weitem der Vorzug gegeben. Die lexemische Hypotaxe findet auch dann noch Anwendung, wenn zu dem (R2RiO)-transponierten Verbalkern noch weitere Bestimmungen hinzutreten ; mit dieser Eigentümlichkeit steht das Arabische im Gegensatz zu den meisten europäischen Sprachen. Zur Illustration dieser These möchte ich einige Beispiele komplexerer lexemischer Hypotaxe aus einem Text aus einer Gattung zitieren, in der diese Ausdrucksweise ganz besonders dominant ist : der Philosophie. Ich bringe drei Belege aus dem großen Werk des al-Bïrûnï über Indien : li-huluwwi 1-nafsi 'ani 1-quwà 1-muhtalifati hiya gayru fa'ilatin 171 al-wugüdu 1-haqïqiyyatu lil-'illati 1-ûlà faqat li-stignä'ihä bi-dätihä fïhï wa-hägati gayrihä ilayhä 1 ' 2 al-mäddatu 'inda lubsi 1-çuwari ta'hudu f ï inmä'i 1-kä'inäti 'anhä173 Stellen wie diese sind typisch für die Tendenz des Arabischen, auch komplexere Satzgefüge nicht phrasemisch, sondern lexemisch zu subordinieren. E s ist ebenfalls kennzeichnend, daß der europäische Übersetzer des Werkes von al-Bïrûnï sich gezwungen sah, an den soeben zitierten wie an zahllosen weiteren Stellen die lexemische Hypotaxe des Arabischen durch phrasemische oder zumindest morphemische Hypotaxe zu ersetzen; Sachau schreibt : the soul is not an agent because it is devoid of the different faculties1'4 only the First Cause has real existence, because it alone is self-sufficing, whilst everything else absolutely requires it 1 " matter when assuming shape causes things to develop into new forms17·. Abu 1-Rayhan Muhammad ibn Ahmad al-Bïrûnï, Kitâb fï tahqïq mä lilHind, Ed. Haydaräbäd 1377/1958 (Dä'irat al-Ma'ärif al-'utmäniyya), S. 23, Z. 5. 178 Ebda. S. 24, Z. 13f. 173 Ebda. S. 31, Z. 9f. 174 Alberuni's India. An Account of the Religion, Philosophy, Literature, Geography, Chronology, Astronomy, Customs, Laws and Astrology of India about A. D. 1030. An English Edition with Notes and Indices by Dr. Edward C. Sachau. Band I, London 1910, S. 31. 175 Ebda. S. 33. "« Ebda. S. 41. 171

176

Es leuchtet sofort ein, daß eine nicht-metataktische, das heißt, ebenfalls mit lexemischer Hypotaxe arbeitende Übersetzung derartiger Passagen in die neueren europäischen Sprachen zumindest schwierig, wenn nicht unmöglich wäre. Vor diesem allgemeinen Hintergrund ist es zu erwarten, daß auch die spanischen Übersetzungen des Mittelalters die lexemische Hypotaxe des Arabischen vorzugsweise phrasemisch wiedergeben. In der Tat sind die Belege, welche in diese Richtung weisen, zahlreich und in allen untersuchten Texten auffindbar. Jedoch bedarf es noch einer etwas präziseren Abgrenzung, will man diese Erscheinung in ihrer richtigen Dimension sehen. Es ist oben in bezug auf die Universalisierung mit Hilfe der direkten Nachbildung festgestellt worden, daß sich in der starken Zunahme der (RaRiO)-Transponate, vor allem auf -miento, die allgemeine Tendenz der Sprache der Wissenschaft zur Nominalität und in diesem besonderen Fall das Ausdrucksbedürfnis nach mathematisch fixierbaren Vergegenständlichungen von Vorgängen manifestiert. Diese Aussage gilt uneingeschränkt für die Neuprägung astronomisch-mathematischer Begriffe. Wenn nun hier, im Zusammenhang mit den Phänomenen der Komplektisierung, davon die Rede ist, daß arabische Verbalnomina sehr oft als Nebensätze wiedergegeben werden, so ist dies keine Abschwächung der genannten Feststellung. Vielmehr handelt es sich hierbei um allgemeinsprachliche, nicht-wissenschaftliche Ausdrücke, deren Nominalisierung im Arabischen nicht mit einem spezifischen wissenschaftlichen Ausdrucksbedürfnis, sondern nur mit einer allgemein in dieser Sprache beobachtbaren stilistischen Tendenz zu tun hat. Wenn daher im wissenschaftlichen Arabisch Nominalisierungen besonders gehäuft auftreten, so ist hierbei zu unterscheiden, ob es sich um wissenschaftliche Begriffsbildung oder aber einfach um lexemische Hypotaxe handelt; im ersten Fall wird der Begriff im Spanischen im allgemeinen direkt nachgebildet, im zweiten Fall wird die Wendung entsprechend metataktisch übersetzt. Das Grundprinzip dieser Metataxe ist sehr einfach ; es läßt sich so formulieren: (RÜOBJPS 1 ( R 2 R I 1 O A ) P 2 ((RZOBJPS 1 ( R I 1 0 A ) P I ) P 2

Das Arabische wirkt in diesem Falle akkulturierend allenfalls durch die Tatsache der Subordinierung überhaupt, nicht jedoch durch die Art und Weise, in der diese Subordinierung vorgenommen wird. Die Bemühung der spanischen Übersetzer um adäquate, das heißt idiomatisch entsprechende Wiedergabe wird gerade an diesem Vorgehen besonders deutlich. Ich führe nun im folgenden aus einer großen Zahl von Belegen einige charakteristische Beispiele an177. 177

Cf. auch Glossar s.v. granado. 177

quando fablaremos de los sobimientos de los signos C (38)

'inda dikri matäli'i 1-burügi

(21)

An diesem Beispiel wird ein Vorteil der lexemischen Hypotaxe deutlich : während bei der phrasemischen Hypotaxe das Verb in der Form (RIO)PI erscheint, so daß seine Valenzen obligatorisch realisiert werden müssen, bewirkt die lexemische Hypotaxe (R 2 RIO)P 2 , daß die Ausfüllung der Valenzen fakultativ wird und je nach Bedarf vermieden werden kann. In diesem Fall führt die Metataxe (B2Ob)P32 (R2Ri12Oa)P2

«R 2 O b )P 2 2 (R20X)P2I (RI12Oa)PI)P2

zu der Notwendigkeit der Einführung eines allgemeinen, vom Kommunikationszweck und Informationsgehalt her völlig überflüssigen ( R a O x ^ 1 (realisiert als 1. Person Plural), das im Arabischen fehlen darf und auch tatsächlich fehlt. por que es el mouimiento del Sol muy tardío C (76)

li-ibtä'i harakati 1-samsi

(35)

In diesem Fall ist die Metataxe auch deswegen unumgänglich, weil das Altspanische über keine (R2R30)-Transposition zu tardío verfügt (cf. Glossar s.v. pressura). quando sube el Sol, y quando se pone C (78)

'inda tulü'i 1-samsi aw gurübihä ' (36)

Diese metataktische Übersetzung von tulü' und gurüb findet sich nur im Falle der Verwendung als P4, das heißt im Falle der Verwendung von subir bzw. ponerse in allgemeinsprachlicher Bedeutung, ohne mathematisierende Vergegenständlichung; ansonsten werden die Begriffe ohne Metataxe als sobimiento bzw. ponimiento übersetzt. Ebenso liegen die Verhältnisse in A : quando se pon el sol

A (223)

'inda magibi 1-Samsi

(69r)

Der folgende Beleg bietet zwei Beispiele metataktischer Wiedergabe : commo obran con ellas quando las ouiere ell omne menester C (135)

al-'amalu bihä 'inda 1-hägati (193)

Die Möglichkeit zu prägnanter Ausdrucksweise, welche die lexemische Hypotaxe bietet, wird hieran besonders deutlich. Das Spanische benötigt, da es phrasemisch subordiniert, zweimal ein (R 2 0x)P 2 1 , auf dessen Angabe das Arabische verzichten kann; verwendet wird einmal die unbestimmte 3. Person Plural, das andere Mal der unbestimmte Aktant eil omne. Diese Ausdrucksweise ist viel unökonomischer als die arabische, läßt sich aber kaum umgehen. Speziell die Einfügung von omne zur Wiedergabe von häfia ohne (R20B)P31 kommt des öfteren vor, so in dem folgenden Beispiel : passarsie la hora que lo omne ouiesse mester APr (165)

178

là . . . fata waqtu 1-hägati ilayhï (163)

Dieselbe Auslassung des Erstaktanten findet sich im Arabischen in bezug auf den Adressaten einer Anrede oder eines Befehls : el mando . . . que todauia ensayamara bil-mihnati wal-i'tibäri (7) assen y rectificaasen C (9) Gerade diese Metataxe ist auch in anderen, nicht-wissenschaftlichen Texten immer wieder zu beobachten. Man vergleiche etwa das folgende Beispiel aus der didaktischen Literatur : mandovos que temados a Dios e inni ämurukum bi-taqwà llähi walque le obedescades BO (279) tamaasuki bil-tä'ati (224) In den folgenden Beispielen steht im Arabischen ein aus einem primären Verb abgeleitetes (R2R1O), während im Spanischen das Primärwort jeweils ein (R3O) ist : por que es poco el desuariamiento li-qillati mä yaqa'u flmä bayna 1que cae entrellos C (90f) matäli'i mina 1-ihtiläfi (40) por que son muchas, y sus cuerpos, li-katratihä wa-htiläfi agrämihä y sus ladezas son diuersas A (212) wa-'urüdihä (57r) Während qilla und haïra stets metataktisch wiedergegeben werden, existieren für ihtiläf mehrere Möglichkeiten ; außer der metataktischen Übersetzung im zweiten Beleg und der nicht-metataktischen im ersten bestehen noch mehrere nicht-metataktische Alternativen 178 . Die unterschiedliche Wiedergabe von ihtiläf an diesen beiden Stellen ist übrigens ein Beleg für die oben vorgebrachte These, daß das Spanische (R2R1O)Transponate ohne Metataxe dann nachbildet, wenn es sich um die mathematisierte Vergegenständlichung von Vorgängen handelt, während einfache lexemische Hypotaxe metataktisch wiedergegeben wird : im ersten Fall ist die Angabe eines mathematisch erfaßbaren Größenbetrages intendiert (ihtiläf ist dem quantifizierenden qilla untergeordnet), im zweiten hingegen nur die Subordinierung eines Verbums unter den Kausalrelator P40 (Ii-) mit Hilfe lexemischer Mittel (ihtiläf ist dem quantifizierenden katra beigeordnet). prouando lo muchas uezes, y trauajando se de assestar fallaron lo muy grieue de certificar A (212)

wagadühü bi-tüli 1-tagribati wamu'änäti 1-rasdi ça'ban lil-tahqïqi (57r/v)

Dies ist eines der wenigen Beispiele, in denen die lexemische Hypotaxe des Arabischen nicht phrasemisch, sondern morphemisch wiedergegeben wird. Ein weiterer Beleg hierfür ist der folgende : so passsamiento en poniendo se mamarruhü wa-magäzuhü fï gurüA (290) bihi (199) Zweifellos stellt die metataktische Wiedergabe der lexemischen Hypotaxe des Arabischen einen wichtigen Faktor in einer kontrastiven Stilistik des Arabischen und Spanischen dar 179 . Ich betone : Stilistik ; denn daß beide 178 1,9

Cf. Glossar s.v. diuerssidad, demudamiento. Zu dem gleichen Ergebnis kommt H O T T I N G E B , Kaiila, 103-109. 179

Sprachen sowohl die lexemische als auch die phrasemische Hypotaxe kennen und benutzen, ist klar. Es handelt sich, dies sei hier nochmals hervorgehoben, nicht um strukturelle Gesetze, sondern um Vorlieben und Abneigungen Dieser Sachverhalt sei zum Abschluß noch einmal an einem charakteristischen zusammenhängenden Passus aus der didaktischen Übersetzungsliteratur verdeutlicht. envió el rrey Felipo su hueste con un oírme de los suyos que le guerreasefn] al fijo de Pilato porque le desobedecía. E envi o otra hueste con su fijo Alexandre a una villa que le desian Serapta por lidiar con los de la villa porquel' havian otrosí desobedecido BO (277f)

ba'ata Filibusu 'askaran ma'a ragulin min açhâbihï li-muhärabati . . . bni Fllätüsa li-annahü qad 'a$ähü; wa-ba'ata 'askaran ähara ma'a bnihï 1-Iskandari ilà madïnati Taräqüsa li-muhärabati ahlihä li'isyänihim lahü aydan (222f )

In diesem Passus kommen insgesamt vier Hypotaxen auf Ii- vor, von denen jeweils die erste finalen (P4f). die zweite kausalen Sinn (P40) hat; die Hypotaxen sind zweistufig in dem Sinne, daß jeweils der P4 c -Komplex dem P 4 f -Komplex untergeordnet ist. Von diesen vier Hypotaxen nun werden im Arabischen drei lexemisch, nur eine (li-annahü qad 'asähü) phrasemisch vollzogen. In einem Fall berücksichtigt hierbei die lexemische Hypotaxe beide Aktanten des zugrunde liegenden Verbums, sie erreicht also einen Komplexitätsgrad (li-'isyänihim lahü ist als ((R 2 O c )P4 2 (R 2 0 B )P3 1 (R 2 Ri 12 0 A )P2)P4 e zu interpretieren), der im Altspanischen nur noch mit phrasemischen Mitteln zu bewältigen ist. Im Spanischen ist das Verhältnis der eingesetzten hypotaktischen Mittel umgekehrt wie im Arabischen ; die Übersetzung weist drei phrasemische, eine morphemische, jedoch keine lexemische Hypotaxe auf. Es ist bezeichnend, daß die im Arabischen fehlende Angabe des Erstaktanten bei muhäraba im ersten Fall zu Unsicherheiten geführt hat: da bei der phrasemischen Hypotaxe die Aktanten expliziert werden müssen, es andererseits aber nicht klar ist, ob sich das zugrunde liegende Verb häraba auf raqui (Singular) oder auf ashäb (Plural) als Subjekt bezieht, existieren die beiden Lesarten guerrease und guerreasen nebeneinander. Im zweiten Fall wird die Schwierigkeit durch die Verwendung der morphemischen Hypotaxe (. . . (RiOa)P2)P·^ umgangen. Abschließend muß die Frage diskutiert werden, ob und inwiefern in dieser stilistischen Eigentümlichkeit beim Übergang vom Arabischen zum Spanischen eine akkulturierende Einwirkung im Sinne der Komplektisierung vorliegt. Es ist aus den Beispielen deutlich gworden, daß im Arabischen eine starke Vorliebe für lexemische Hypotaxe zwar bis zu einem Komplexitätsgrad besteht, bei dem in den meisten europäischen Sprachen, und also auch im Spanischen, die phrasemische Hypotaxe Anwendung findet, daß jedoch andererseits dieser Komplexitätsgrad nicht

180

unbegrenzt hoch ist. Insgesamt gesehen handelt es sich um eine mittlere Ebene, nämlich um subordinierte Sätze, die selten mehr als die jeweiligen Aktanten und ein oder zwei freie Angaben enthalten und die keine extreme Einbettungstiefe erreichen. Nebensätze dieses Komplexitätsgrades waren im Altspanischen auch vor der Konfrontation mit dem Arabischen gebräuchlich und geläufig ; eine komplektisierende Wirkung im eingangs definierten Sinne ist also in diesem Bereich kaum gegeben. Andererseits muß es als ein Resultat dieser Untersuchung festgehalten und gegenüber der These, die mittelalterlichen Übersetzungen seien allzu wörtlich, betont werden, daß das Spanische in der Art, wie es Hypotaxen mittleren Komplexitätsgrades bildet, sich von einer hervorstechenden stilistischen Besonderheit des Arabischen unbeeinflußt zeigt und ganz seine eigenen Wege geht; dies ist ein beweiskräftiges Indiz dafür, daß diese Übersetzungen, entgegen dem Ruf, in dem sie vielfach stehen, wirklich idiomatisch und ihrer Vorlage gegenüber frei genug waren, um im gegebenen Fall genuine, von der Ausgangssprache abweichende Ausdrucksmittel zu gebrauchen. Auf dem Hintergrund eines solchen Befundes erhalten die danach noch beobachtbaren Anlehnungen an das Arabische ein besonderes Gewicht : sie beruhen nicht auf Nachlässigkeit oder Sorglosigkeit gegenüber der eigenen Sprache, vielmehr sind sie das Ergebnis einer bewußten Übernahme fremder Muster180. Jedenfalls muß hier, vor allem im Hinblick auf den folgenden Abschnitt, festgehalten werden, daß die komplektisierende Einwirkung des Arabischen auf das Spanische sich nicht auf die Art und Weise bezieht, in der hypotaktische Gefüge gebildet werden; diese Einwirkung betrifft vielmehr nur, wie im nun folgenden Teil dieser Arbeit zu zeigen sein wird, die Einbettungstiefe, also den Komplexitätsgrad der Hypotaxe. 3.2.3. Die allgemeine Form der hypotaktischen Einbettung mit phrasemischen Mitteln (und nur von dieser soll im folgenden die Rede sein) läßt sich so schreiben : ((((.. . PN . . . P I ) P M . . . P I ) P I . .. PI)PK . . . PI)S,

wobei gilt, daß k . . . η Φ 1. In Anlehnung an die herkömmliche Terminologie möchte ich die jeweils von Pk/Pi/Pm . . . Pn dominierten Elemente als Hypotaxen (Nebensätze) 1., 2., 3., . . . n-ten Grades bezeichnen. Die Komplexität einer Äußerung hängt nun von zwei Faktoren ab: 1. von dem Grad des am tiefsten eingebetteten Nebensatzes und 2. von der Länge der einzelnen Nebensätze. Ein Satzgefüge ist umso komplexer, je höher der Grad und je größer die Länge der in ihm vorkommenden 180

Cf. das gleiche Ergebnis, zu dem Galmés bei der Beurteilung der in den Übersetzungstexten feststellbaren Arabismen kommt; sie sind »el fruto de una intención, más o menos expresa, de dejarse influir por un modelo preexistente de mayor alcance cultural« (GAUVEÉS, Influencias, 8). 181

Hypotaxen ist. Eine Sprache hat insgesamt eine höhere Komplexität im Sinne der eingangs formulierten Akkulturierungstheorie, je komplexer die in ihr vorkommenden Satzgefüge sind. Diese letzte Aussage muß noch etwas präzisiert werden. Es ist einerseits völlig klar, daß die Regelmechanismen, welche die Erzeugung hypotaktischer Gefüge bestimmen, auf Grund ihrer unbegrenzbaren Rekursivität im Prinzip die Bildung unendlich komplexer Sätze ermöglichen; dies ist ein Universale, das für alle Sprachen unabhängig von ihrem jeweiligen kulturellen Entwicklungsstand gilt. Jedoch andererseits ist es unbestreitbar, daß die einzelnen Sprachen die generative Kraft dieser Regelmechanismen in sehr unterschiedlichem Maße nützen und daß diese Unterschiedlichkeit vielfach in direkter Beziehung zu den Zwecken steht, für die eine Sprache zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt normalerweise verwendet wird. Die unterschiedliche Komplexität von Sprachen im Sinne der Akkulturierungstheorie bezieht sich daher nicht auf die der Sprache jeweils innewohnenden Möglichkeiten, sondern vielmehr auf das Ausmaß von deren üblicher und geläufiger Realisierung. Es werden durch die Akkulturierung keine gänzlich neuen syntaktischen Möglichkeiten geschaffen ; vielmehr wird der Gebrauch der vorhandenen erweitert und ausgebaut. Wenn daher im folgenden die These aufgestellt wird, die akkulturierende Einwirkung des Arabischen habe dem Spanischen zu größerer Komplexität verholfen, so darf dies nicht in dem Sinne mißverstanden werden, als sei das Spanische ohne diese Einwirkung zu solcher Komplexität nicht imstande gewesen ; vielmehr ist gemeint, daß der Impuls des Arabischen zu einer Steigerung der Produktivität der spanischen Erzeugungsregeln geführt hat. Wenn man mm auf Grund dieser Kriterien die vorliegenden Texte untersucht, so stellt man fest, daß der Text C besonders ergiebiges Material zum Nachweis einer Komplektisierung in diesem Sinne bereitstellt. Der Grund hierfür muß darin gesucht werden, daß C als nicht überarbeiteter Text die Schwierigkeiten, denen sich die Übersetzer gegenübersahen, noch ganz unmittelbar widerspiegelt. Die Bemühung darum, eine dem Arabischen adäquate syntaktische Form im Spanischen zu finden, sind in C noch unmittelbar am Text ablesbar, man kann das Ringen der Übersetzer in actu verfolgen, während in den überarbeiteten Texten nur noch dessen Ergebnis erkennbar ist. Gerade die Unzulänglichkeiten, Satzbrüche, ungeschickten Konstruktionen usw., die für C charakteristisch sind, erweisen sich in dieser Betrachtung als wichtige Indizien für die Beurteilung der Leistungen, die den Übersetzern astronomischer Fachliteratur aus dem Arabischen abverlangt wurden. Aus solchen Unzulänglichkeiten und ihrer Überwindung läßt sich die hier vorgebrachte Akkulturierungsthese ganz unmittelbar belegen. 182

Es wird zu zeigen sein, daß Satzbrüche und syntaktische Fehler nicht etwa darauf beruhen, daß die Übersetzer unfähig waren oder daß sie mangelhaft Arabisch konnten. Den wichtigsten Beweis dafür, daß dies nicht so ist, sehe ich darin, daß solche Dinge in der hundert Jahre früher entstandenen lateinischen Übersetzung des Plato Tiburtinus nicht vorkommen, daß Plato vielmehr trotz aller sonstigen Mängel, die seine Übersetzung aufweist, gerade mit der Syntax keinerlei Schwierigkeiten hat. Und ganz sicher beherrschte der aus Italien stammende Christ Plato das Arabische nicht besser als die im Dienste Alfons X'. stehenden toledanischen Juden ! Gerade aus dieser Kontrastierung geht, wie im einzelnen zu belegen sein wird, deutlich hervor, daß die beobachtbaren Unzulänglichkeiten nicht den Ausbildungsstand des Übersetzers, sondern denjenigen der Zielsprache widerspiegeln. Ich gebe nun zunächst einige Beispiele für Satzbrüche ; all diesen Beispielen ist gemeinsam, daß Dependenzbeziehungen von weit auseinanderstehenden Elementen nicht mehr erfaßt und wiedergegeben werden, daß also gleichsam ein syntaktischer Spannungsbogen, der im Arabischen vorhanden ist, in der Übersetzung abgebrochen wird, da es für das Spanische jener Zeit noch ungewohnt und schwierig war, Bögen über eine gewisse Länge und/oder Komplexität hinweg zu spannen. Ein Beispiel von relativ geringer Länge und Komplexität ist das folgende : ammä 'umränuhä fa-innahum fallaron todel poblado de la tierra ahadü hudüdahü mina 1-gazä'iri 1que son sos términos de las yslas 'ämirati. . . llatifibahriÜqiyänusa que son en la mar occeana, la occi1-garbiyyi wa-hiya sittatu gazä'ira dental. Et son .vj. yslas pobladas, ilà aqsà 'umräni 1-Sini (25) y desi uiene el poblado fata la fin de la tierra daçin. C (49) Es ist keine Frage, daß der Übersetzer den Text vollkommen verstanden hat ; er ist jedoch nicht in der Lage, den syntaktischen Spannungsbogen durchzuhalten und die zweite Bestimmung, diejenige mit ilà -> fata ebenso von dem übergeordneten Satzgefüge fallaron. .. que son.. . (entspricht (((. . . P i ) P 2 2 . . .)Pi)S) abhängen zu lassen wie die erste Bestimmung, diejenige mit min -> de. Der Grund hierfür ist, daß zwei koordinierte Relativsätze in die erste Bestimmung eingefügt sind; die syntaktische Spannung geht über diese Entfernung und diese Einbettung verloren, und um den wohlverstandenen Sinn dennoch richtig wiederzugeben, muß der Übersetzer parataktisch den nicht mehr zum gleichen Satzgefüge gehörigen, anaphorisch explizierenden Zusatz y desi uiene, el poblado einfügen. Jedenfalls ist der ganze Passus trotz dieses Zusatzes ungrammatisch, da der Plural términos innerhalb ein und desselben Satzgefüges nur mit einem einzigen P4 (de .. .) expliziert wird, während im Arabischen dem Plural hudüd exakt die beiden Bestimmungen min . . . und ilà . . . zugeordnet sind. 183

Die geringere Komplexität des Spanischen geht deutlich aus der Metataxenformel hervor : a (((... —> P2)P4< + ( ( . · . Pi)P«· + (· · • Pi)P 3 · - · P 2 ) P 4 . . . Pi)P2 ... Pi)S

((... P 2 )P 4 quando se ayuntan)"*, und weil der Nebensatz ersten Grades zusätzlich durch zwei koordinierte 1,1

188 184

Für das im Spanischen unübersetzt gebliebene aliati tusammà l-Hälidätu, »welche die (Inseln) der Seligen genannt werden«. Sicherlich verdruckt für acceperunt. Cf. WRIGHT, Grammar, I I , 2 1 . Cf. hierzu den vorigen Abschnitt über die Wiedergabe der lexemischen Hypotaxe des Arabischen. 184

Prädikate kompliziert wird. Über diese Hindernisse hinweg reicht das im Spanischen damals geläufige Gefühl für Hypotaxe nicht aus, es kommt daher zum Bruch. Auch hier ist es ganz eindeutig, daß die Unzulänglichkeit der Übersetzung nicht auf einer Unzulänglichkeit des Übersetzers beruht; daß dieser den Text sehr wohl verstanden hat, geht daraus hervor, daß er taltaqî sinngemäß richtig mit taian se wiedergibt, obwohl im Arabischen nicht tataqäta'u steht, sowie daraus, daß er mina l-fadli durch den explizierenden Zusatz y non lo a menester verdeutlicht. Plato bewältigt die Übersetzung des Passus offenbar nur deswegen ohne jede Schwierigkeit, ja mit Eleganz, weil er ins Lateinische überträgt, nicht weil er ein besserer Übersetzer wäre oder besser Arabisch könnte : quoniam radij stellarum cum in praedictis quatuor figuris associantur, nonnisi 186 in centro terrae coadunantur, earum latitudines obseruare euperuacuum est (P 82r)

Das folgende Beispiel ist typisch für den Fall, in dem das Durchhalten des syntaktischen Spannungsbogens nicht nur an der Einbettungstiefe der Nebensätze, sondern vor allem an der Länge eines gegebenen Komplexes scheitert. Es ist außerdem charakteristisch für die spezifischen Probleme beim sprachlichen Ausdruck einer geometrischen Beweisführung ; offensichtlich machte dem Altspanischen ein Beweis wie dieser (»weil 1. A, 2. B, weil C, D, E, deswegen F«) beträchtliche syntaktische Schwierigkeiten. porque son sabudos los lados del triangulo de A 188 el que es de ángulo derecho, et es semeiante al triangulo de Β lo menor porque es ell ángulo de Β ; egual con ell ángulo de C y es otrossi eli ángulo de D egual con ell ángulo de E ; y ell ángulo de F es común a los dos triángulos, et por esto es la proporcion de la linna de G a la linna de H tal commo la proporcion de I a la linna de Κ C (83f )

li-anna mutallata A 188 al-qä'ima 1zäwiyati qad §ära ma'lüma I-adlä'i wa-huwa munäsibun li-mutallati Β al-çagïri idä känat zäwiyatu Β musäwiyatan li-zäwiyati C wazäwiyatu D musäwiyatan li-zäwiyati E wa-zäwiyatu F mustarikatan lil-mutallatayni fa-li-dälika takünu nisbatu hatti G ilà hatti H mitla hatti I ilà hatti Κ (38)

Der Satzbruch wird in dem einem Wort et (por esto . ..) manifest. Die Einfügung dieser Partikel macht deutlich, daß der syntaktische Faden in dem voranstehenden Beweis längst verloren gegangen ist, auch wo man meinen könnte, die Hypotaxe werde noch als solche empfunden. Ein in

"* Innamä wird weder im Spanischen noch übrigens von Nallino übersetzt (»nur« im Sinne von »erst«). Der Einfachheit halber bringe ich hier und im Folgenden nicht die auf die jeweüigen Abbüdungen bezogenen Buchstabenkombinationen des Originals.

181

185

einen kausalen Nebensatz eingebetteter kausaler Nebensatz zweiten Grades, der zudem noch drei koordinierte Prädikate aufweist, stellt für das damalige Spanische ein nur sehr schwer zu bewältigendes Problem dar; so ist es nicht verwunderlich, daß die Erinnerung an die beiden subordinierenden porque verschwunden ist, sobald der Hauptsatz einsetzt. Man kann dieses Phänomen als eine gewisse syntaktische Kurzatmigkeit beschreiben. Übrigens ist es kein stichhaltiges Argument gegen diese These, wenn man dieses et als allzu wörtliche Übersetzung des die Apodosis üblicherweise einleitenden fa-1" auffassen würde ; denn erstens wird solches faxa zahllosen anderen Fällen richtig aufgefaßt und korrekt wiedergegeben, und zweitens hätte sich der Übersetzer, selbst wenn er mit dem Gebrauch von fa- nicht hinreichend vertraut gewesen wäre, niemals durch dieses Wort beirren lassen, wenn er nicht den syntaktischen Faden wegen der allzu großen Länge und Komplexität des Gefüges verloren hätte. Auch hier zeigt ein Vergleich mit der Übersetzung Piatos, daß die Schwierigkeiten bei der Wiedergabe eines solchen Passus sprachbedingt, nicht übersetzerbedingt sind : Quia ergo orthogoni trianguli A circa latera nota sunt, paruoque triangulo Β aesimi lantur 188 , eo quod angulus Β aequus est ángulo C, & angulus D ángulo E, angulus uero F duobus triangulis communis existit, erit proportio lineae G ad lineam H, sicut proportio lineae I ad lineam Κ (Ρ 17r)

Wenn auch in den bisher angeführten und analysierten Beispielen die beobachteten Satzbrüche im Ergebnis zu ungrammatischen Sätzen geführt haben, so muß doch betont werden, daß dies nicht zwangsläufig der Fall sein muß, daß vielmehr auch parataktische Konstruktionen, die hypotaktische des Arabischen übersetzen, grammatisch einwandfrei gebaut sein können. Allerdings ist im Regelfall ein semantischer Verlust, ein Weniger an Informationsgehalt die Folge der parataktischen Auflösung eines hypotaktischen Gefüges; im allgemeinen kommen nämlich in der Parataxe die hierarchischen Beziehungen der einander zugeordneten Einzelsätze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck, was gerade in wissenschaftlichen Texten um so gravierender ist, als in diesem Bereich oft sehr komplexe Dependenzgefüge adäquat formuliert werden müssen. Beispiele für die grammatisch zwar einwandfreie, aber mit Informationsverlust verbundene parataktische Wiedergabe eines hypotaktischen Komplexes sind die folgenden beiden. esto es en menguar los subimientos del grado de mediel cielo de los subimientos del grado con que tu 187 188

dälika bi-an tanquça matäli'a daragati wasati 1-samä'i min matäli'i 1daragati llatï tasta'milu idä känat

Cf. W R I G H T , Grammar, II, 345ff. Sic! Sinngemäß möglich, obwohl es grammatisch exakt nur heißen dürfte.

186

assimilatur

obras ; si fuere en la parte de oriente en mediel cielo. Et mengua los sobimientos daquel grado de los sobimientos del grado de mediel cielo ; si fuere en la parte de occidente C (152)

fï nâhiyati 1-maeriqi min wasa^i 1samâ'i wa-tanquça matäli'a tilka 1daragati min matâli'i daragati wasati 1-samâ'i idâ kânat fï nâhiyati 1-magribi (200)

Die im Arabischen explizite Unterordnung auch der zweiten Subtraktionsregel unter den vorangestellten Hauptsatz ist im Spanischen aufgegeben worden; sie ist, wenn man so will, implizit noch gegeben aufgrund des spezifischen mathematischen Zusammenhangs, jedoch bringt der Bruch des Satzes und der Verzicht auf die Hypotaxe eindeutig eine Verringerung der real ausgedrückten Informationsmenge mit sich: die zweite Subtraktionsregel steht isoliert im Raum. Eine Besonderheit dieses Beispiels liegt darin, daß hier ausnahmsweise eine phrasemische Hypotaxe des Arabischen morphemisch wiedergegeben wurde (bi-an tanqusa -»• en menguar). Wahrscheinlich wäre es für den Übersetzer unmöglich gewesen, nach dem relativ komplexen Gefüge der ersten Subtraktionsregel auch noch die zweite mit einer parallelen morphemischen Hypotaxe einzuleiten. Jedenfalls wird an dem Beispiel die »syntaktische Kurzatmigkeit« des Altspanischen schlagend deutlich. Der Vergleich mit der Übersetzung Piatos ist hier besonders instruktiv, da er zeigt, daß sprachbedingte syntaktische Schwierigkeiten völlig unabhängig sind von sachbedingten Schwierigkeiten des Sinnverständnisses. Plato gibt, obwohl er relativ frei übersetzt, die hypotaktischen Verhältnisse des Arabischen korrekt und einwandfrei wieder, das hierarchische Gefüge stellt ihm keinerlei syntaktische Probleme; dennoch ist im Ergebnis seine Übersetzung dem Sinn nach unklarer und unbefriedigender als die spanische mit ihrem Satzbruch : sic accipies, quod gradus medij coeli ex ascensionibus (gradus) 1 " per quem operabimur. Si l e o in orientali parte medij coeli fuerit minués, si in occidente fuerit demes. (P 84r)

Während in dem soeben analysierten Beispiel durch die Parataxe nur die allgemeine hierarchische Beziehung der Elemente verlorenging, ist der Verlust im folgenden Beispiel spezifischer und damit auch gravierender. non a menester en saber todas las cuerdas : mas de las cuerdas del medio çerco, que son de un grado fata .c. y .lxxx. grados, y los euerdaa dell otro medio: son tales

ka-dâlika fï 1-awtäri 1-tämmati laysa bika hägatun ilà aktara min ma'rifati awtâri niijfi l-dâ'irati lladï huwa min guz'in ilà mi'atin wal-tamânïna li-anna awtâra 1-

"» Fehlt in dem gedruckten Text von 1537. 190 Diese Interpunktion (Punkt; Majuskel bei Si) darf natürlich nicht im modernen Sinne mißverstanden werden; der von quod ausgehende Satzbogen reicht über den Punkt hinweg, es soll mit ihm nur eine größere phonetische Pause zum Ausdruck gebracht werden.

187

commo las cuerdas de los .c. y .lxxx. primeros conuerssos C (29)

niçfi 1-bâqi mitla awtäri 1-mi'ati wal-tamänina ma'küsatun (17)

Hier übersetzt der Spanier, den Gewohnheiten seiner Sprache gemäß, einen begründenden Nebensatz mit einem parataktisch angeschlossenen Hauptsatz (li-anna . . . -> y . . .), wobei wohl wiederum der begründende Charakter dieses Hauptsatzes implizit empfunden wurde. Es ist jedoch ein erheblicher Mangel in dem explizit ausgedrückten Sinngehalt zu konstatieren; wörtlich genommen, das heißt ohne die Berücksichtigung eines eventuell anzunehmenden impliziten »Gefühls« für die begründende Kraft des parataktisch angefügten Hauptsatzes, ist die resultierende Übersetzung zwar grammatisch richtig, aber sinnlos. Der Grund für das Abreißen des Satzbogens selbst in dem so einfachen Fall einer kausalen Hypotaxe ersten Grades ist auch hier wieder in der Länge und Komplexität des vorangegangenen Hauptsatzes zu erblicken ; der »syntaktische Atem« des Altspanischen trägt eben noch nicht ohne weiteres über solche Strecken hinweg. Nach allem bisher Gesagten erscheint es fast schon selbstverständlich, daß auch in diesem Falle die lateinische Übersetzung des Plato die Hypotaxe mit Leichtigkeit und Eleganz bewältigt : In chordis quoque perfectis plurimum quam chordarum semicirculi, quae ab uno usque ad 180 progrediuntur notitia non est necessaria, eo quod residuae medietatis chordae sunt, ut chordae de 180 conuersim (P 7v)

Der folgende Beleg ist eines der wenigen Gegenbeispiele zu der oben aufgestellten These, daß die parataktische Auflösung eines hypotaktischen Gefüges im Regelfall zu Informationsverlust führe. Sabe que la declinación de los signos el que es el circularlo del Sol do anda todauia : es su declinación dell yguador del dia que es el cielo derecho sobre que se mueue la Spera sobre sos polos, y esta declinación non se puede saber que tanta es sinon por el rectificamiento del Sol, y requerir so passamiento sobre los dos puntos de los dos mudamientos quando fuere en el cerco del mediodía el que es el cerco de mediel cielo el que taia a los dos polos del cerco dell yguador del dia, y al punto de] zonte de la cabeça, y al cerco dell orizon C (31)

inna mayla (falaki) 1-burügi lladi madäru 1-samsi lladì tura 'alayhï 'an (falaki) mu'addili 1-nahäri lladi 'alayhï madäru 1-kurati l-'uzmà llatï tadüru *alà qutbayhï innamä yu'rafu bi-raçdi 1-samsi wa-tafaqqudi magäzihä "alà nuqtatayi 1-inqiläbayni fï falaki niçfi 1nahäri lladi huwa dä'iratu wasati 1-samä'i 1-qäti'atu li-qutbay falaki mu'addili 1-nahäri wa-nuqtati samti 1-ra'si wa-dä'irati 1-ufqi (17f)

Durch die beiden anaphorisch-explizierenden Zusätze es su declinación und y esta declinación wird ein Satzgefüge erzielt, in dem auf parataktische Weise genau dasselbe zum Ausdruck kommt wie in dem hypotaktischen Gefüge des Arabischen. 188

Der eigentliche Grund f ü r dieses Vorgehen liegt in der Mehrfachbelastung des spanischen de, das sowohl f ü r den Genitiv als auch f ü r die Präpositionen min und 'an eintreten muß 1 9 1 ; wegen dieser Polyfunktionalität wäre es im Spanischen kaum mehr nachvollziehbar, wenn etwa in einer wörtlichen Übersetzung dell yguador del dia unmittelbar von dem ersten la declinación abhängen würde. Hinzu käme noch die syntaktische Schwierigkeit, einen Bogen über einen eingeschobenen Relativsatz hinweg spannen zu müssen, was infolge der festgestellten »Kurzatmigkeit« des Altspanischen kaum möglich gewesen wäre. Der Übersetzer hilft sich in angemessener Weise, indem er dem mit 'an de von mayl abhängigen Glied mittels der Hinzufügung der Kopula und der Wiederaufnahme von mayl —> declinación einen eigenen Assertionsrelator zuordnet, wodurch im Ergebnis aus einem Satz zwei Sätze werden. Der Vergleich mit der lateinischen Übersetzung zeigt hier zweierlei: erstens, daß in dieser Sprache die Schwierigkeit, die bei dem spanischen de auftritt, infolge der Differenzierung von Genitiv und ab nicht existiert ; und zweitens, daß f ü r das mittelalterliche Latein auch hypotaktische Gebilde von großer Komplexität und Länge keinerlei Problem darstellten : bei Plato wird, wörtlich nach dem Arabischen, der ganze zitierte Passus dem gleichen Assertionsrelator untergeordnet. Declinatio circuii signorum, quae192 Solis circumrodatio uisa terminât ab aequinoctiali circulo supra quam 193 grandis sphaerae circumrodatio fertur, quae super duos polos sibi proprios uoluitur, non nisi per Solis obseruationem, ipsiusque transitus per duo puncta solstitialia in circulo medij diei, qui est medij coeli circulus, & qui duos aequinoctialis circuii polo, punctumque zenith capitis, nec non & circulum horizontis abscindit, depraehenditur. (P 8r) Die Tatsache, daß im Lateinischen (und natürlich auch im Arabischen) ein ungleich höherer Komplexitätsgrad geläufig und problemlos verfügbar war als im Altspanischen, läßt sich kaum schlagender beweisen als durch diese Gegenüberstellung 1 ' 4 . Die bisher angeführten Beispiele dürften ausreichend sein, um die These zu belegen, daß dem Altspanischen zu dem Zeitpunkt der alfonsinischen Übersetzungen lange und komplexe Hypotaxen nicht geläufig waren und daß es daher eine natürliche Tendenz der Übersetzer gibt, hypotaktische Fügungen parataktisch aufzulösen. Daß hieraus agrammatische Sätze oder zumindest Sätze mit verringertem Informationsgehalt resultieren, wurde dabei oft in Kauf genommen. 1,1

Cf. Glossar, s.v. de. " Akkusativ Neutrum Plural, bezogen auf signa ! i»3 Wohl Druckfehler für quem. 1,4 Man beachte insbesondere die die Hypotaxe betonende Nachstellung (Klammerstellung) von depraehenditur gegenüber dem Spanischen und auch dem Arabischen. 1

189

Nun liegt die Besonderheit einer Akkulturierungssituation aber gerade darin, daß solche Resultate als unzulänglich und unbefriedigend empfunden wurden und daß man, stimuliert durch die vorliegenden Muster der S-Sprache, um Abhilfe durch Ausbildung von Eigenmitteln bemüht ist. So ist es innerhalb von C immer wieder beobachtbar, wie eine syntaktische Konstruktion von gewisser Komplexität in einem ersten Anlauf nur unvollkommen oder überhaupt nicht bewältigt wird, während beim zweiten Vorkommen derselben Konstruktion das Gefühl für Hypotaxe bereits geschärft ist und die Spannung des syntaktischen Bogens gelingt. Das Besondere an C ist es, daß man in diesem Text ein solches Ringen um die Bewältigung syntaktischer Probleme noch ganz unmittelbar verfolgen kann, weil die unvollkommenen Vorfassungen nicht, wie in den überarbeiteten Texten A und Q, später ausgemerzt worden sind. Ich führe hierzu das folgende, besonders instruktive Beispiel an. quando multiplicares la cuerda del sesto en si, y lo que fuere dello menguarlo as de lo que fuere de la multiplication de todel diametro en si, y tomares [korrigiert aus tomaras] la rayz de lo que fincare : sera cuerda del tercio del çerco . . . E t otrossi quando ouieres u n a pieça de archo que sea su cuerda sabuda, y multiplicaremos aquella cuerda en si, y minguaremos lo que se ayuntare dello : de lo que sale de la multiplication de todel diametro multiplicado en si, y tomaremos la rayz de lo que fincare, sera aquella rayz, cuerda del archo que es complimiento de medio el çerco

idâ duriba w a t a r u 1-sudsi . . . f ï mitlihï wa-nuqisa min gumlati 1qutri m a d r ù b a n fï mitlihï wa-uhida gidru m a y a b q à kâna huwa watara tulti 1-dâ'irati

wa-ka-dâlika kullu qawsin ma'lûm a t u 1-watari . . . idâ duriba w a t a r u tilka 1-qawsi fï nafsihï wa-nuqisa ma yagtami'u min dâlika min gamï'i 1-qutri m a d r ù b a n fï nafsihï wa-uhida gidru m a y a b q à kâna m a yahçulu minhû huwa watara 1-qawsi 1bâqiyati li-tamâmi nisfi 1-dâ'irati (13)

C (21)

I n dem ersten Satz ist das Problem der Hypotaxe noch nicht bewältigt ; nach dem ersten von quando abhängigen Pi, nämlich multiplicares, bricht die Hypotaxe ab : menguarlo as ist schon auf Grund des Modus eindeutig als parataktisch beigeordnetes Prädikat zu erkennen, die Unterordnung unter quando wird nicht mehr empfunden; dementsprechend fügte der Übersetzer auch das folgende Prädikat zunächst parataktisch an (tomaras), bemerkte dann auf Grund der gleich darauf folgenden Apodosis sera cuerda . . ., daß dieses Prädikat eigentlich noch von quando abhängen mußte und verbesserte dementsprechend in tomares. Man kann sagen, daß jeweils von den markierten Grenzsignalen des Nebensatzes (einleitende Konjunktion, anschließende Apodosis) gleichsam subordinierende Kraftlinien ausgehen, welche die Hypotaxe der jeweils am nächsten stehenden Prädikate wenigstens in nachträglicher Verbesserung bewir190

ken, während die subordinierende Kraft dieser Linien zunächst noch nicht ausreicht, auch das von beiden Punkten gleich weit entfernte mittlere Prädikat unter die Hypotaxe zu zwingen. Die syntaktische Kurzatmigkeit Altspanischen manifestiert sich zwar noch hierin, ist aber bereits einen Schritt (Korrektur tomaras -> tomares) über das anfängliche, rein parataktische Stadium hinausgekommen. Noch einen, den entscheidenden Schritt weiter geht der Übersetzer in dem folgenden, nach fast demselben Schema aufgebauten Satzgefüge: stimuliert zur Bewältigung der Hypotaxe durch den ersten, noch nicht ganz geglückten Versuch, verwendet der spanische Übersetzer nun beim zweiten Mal die ihm von Spanischen bereitgestellten syntaktischen Mittel in einer zwar etwas ungewohnten, aber korrekten Weise so, daß er die hypotaktische Struktur des Arabischen adäquat, ohne Bruch und ohne Minderung wiedergibt; die Unterordnung der ganzen komplexen Prädikatenkette unter einen einzigen Assertionsrelator ist gelungen, der Spannungsbogen wird durchgehalten bis zur Apodosis. An Beispielen wie diesem läßt sich die komplektisierende Wirkung des arabischen Musters auf die Ausgestaltung der altspanischen wissenschaftlichen Prosa mit Händen greifen. Die an dieses Beispiel sich anschließenden, alle nach einem ähnlichen Muster aufgebauten hypotaktischen Gefüge werden vom Übersetzer in einer zwar nicht von Unzulänglichkeiten freien, aber doch einigermaßen adäquaten Weise bewältigt. Auch in diesem Fall führe ich zur Bestätigung der vorgebrachten Thesen die Übersetzung Piatos an, welche von Anfang an keinerlei syntaktische Schwierigkeiten kennt, da eben das Lateinische eine voll ausgebildete Kultursprache war : Cumque in semetipsam sextae partís corda multiplicabitur, indeque collectum ex diametri quadrato minuetur, si residui radix accepta fuerit tertiae partis circuii corda iudicabitur. Omnis similiter arcus, cuius corda nota fuerit, corda in seipsam multiplicata, indeque collecto ex diametri quadrato minuto, si residui radix accipiatur corda arcus semicirculum perficientis efficietur. (P 5v-6r)

Außer in solchen Fällen, in denen die Kreativierung der spanischen Ausdrucksmittel unmittelbar sichtbar wird, läßt sich noch an einem anderen Phänomen nachweisen, daß die Bewältigung komplexerer Hypotaxen dem Altspanischen nur auf Grund bewußter Bemühungen möglich war. Es handelt sich um eine Erscheinung, die man metaphorisch »Hypotaxe auf Krücken« nennen könnte ; ein typisches, relativ einfaches Beispiel ist das folgende : sabido es que si non ouiere ladeza : que non se desuiara so passamiento en mediel cielo, y que so sobimiento, y so ponimiento: sera todauia con aquel grado : de los signos do

es

C (114)

ma'lümun annahü idä lam yakun lahü 'ardun lam yahtalif mamarruhü fi wasati 1-samä'i wa-käna tulü'uhü wa-gurübuhü ma'a 1-guz'i lladï huwa fïhï min agzä'i falaki 1burügi (50)

191

Die Unterordnung unter das ((.. . Pi)S sabido es que kann hier nur mittels der ständigen Bekräftigung der Hypotaxe durch mehrfache Wiederholung durch que erreicht werden; ohne dieses Hilfsmittel, gleichsam der Verwendung von Krücken zur Stützung des syntaktischen Bogens, wäre die hypotaktische Spannung nicht durchzuhalten. Es bedarf schon fast keiner Erwähnung mehr, daß das Lateinische solcher Krücken zur Aufrechterhaltung syntaktischer Spannung entraten kann: manifestum est, quod cum stella latitudine caruerit, eius transitus per coeli medium non diuersificabitur, eritque ipsius ascensus & occasus cum parte in qua fuerit, ex circuii signorum partibus. (P 21v)

Ein solches die Hypotaxe bekräftigendes que findet sich nicht nur als Wiederholung derselben Konjunktion, sondern auch als Bestärkung irgendeiner anderen den Nebensatz einleitenden Partikel. Dazu folgendes Beispiel : si partiéremos la linna de A por Χ partes lo que es el cuento de la meatat del diametro. Et partiéremos la linna de A a complimiento de Y partes. Et desi que tomemos el cuento que cae sobrel [el] punto de Β ; y sopieremos su meatat. Et desi arquear lo. Et ell arco que saliere ; que lo doblemos ; sera esta razón tal commo la primera sobredicha C(191)

law qasamnä hatta A bi-X guz'an 'alà qadri nisfi 1-qutri wa-qasamnä hatta A ilà tamâmi Y guz'an tumma ahadnâ l-'adada lladï yaqa'u "alayhî nuqtatu Β fa'arafnâ niçfahû wa-qawwasnähü wa-mä baiatati 1-qawsu ad'afnähü käna 1-ma'nà wähidan (217)

Eine unmittelbare Bestätigung der These von der relativen syntaktischen Kurzatmigkeit des Altspanischen ist darin zu erblicken, daß eine Bekräftigung der durch si eingeleiteten Hypotaxe durch que nicht bei jedem neuen Prädikat erfolgt, daß jedoch die Vorkommen von que so gestaffelt sind, daß keines der subordinierten Prädikate allzu weit davon zu stehen kommt. Der Vollständigkeit halber zitiere ich denselben Passus auch in der Übersetzung von Plato : Simili quoque modo si lineam A per X , quod est dimidium diametri quantitas, & eandem iterum lineam A usque ad Y partium perfectionem diuiseris, & numeri dimidium qui ad punctum Β peruenerit, accipiens, arcuaueris arcumque duplicaueris, ad idem incunctanter peruenies. (P 9Or)

Es ist beachtenswert, daß diese Art von Hypotaxenbildung nicht auf den nicht überarbeiteten Text C beschränkt ist, daß solches verstärkendes que vielmehr auch in A häufig ist. Das ist ein Zeichen dafür, daß Bildungen dieses Typus von den Überarbeitern nicht als anstößig empfunden wurden, vielmehr vollgültige, in jeder Hinsicht akzeptable Ausdrucksformen des Altspanischen darstellen. Hierfür ein Beispiel : 192

u i por bien de sennalar en u n a lamina sennales comunes pora saber todas estas obras en cada u n orizon de los orizones, por tal que quando fue perdida o m u y grieue de sacar alguna daquellas demand a s 1 " por aquellos estrumentes; que sea sabuda aquella demanda por esta lamina, y que 19 * lo que con ella fuer sacado en fecho que sea cierto APr (165f)

r a ' a y t u an arsuma ¡jafíhatan wähid a t a n rusümuhá m u s t a r a k a t u n lima'rifati dälika l-'urüdi f l kulli ufqin likay idä 'adima wa-'tâça ihrägu say'in min dälika 1-matlübäti 'ulima dälika 1-matlübu bihâdihï 1-çafihati wa-käna m ä yahrugu bihâ ilà l-fi'li çahîhan (163)

Der Nebensatz mit -por tal que (für likay) umfaßt zwei koordinierte Prädikate. Nicht nur, daß vor dem ersten dieser Prädikate, nach einem eingeschobenen Nebensatz zweiten Grades, die Hypotaxe mit einem zweiten que verstärkt wird, nicht nur, daß auch der zweite Teilsatz erneut mit que eingeleitet wird ; darüber hinaus steht noch ein drittes, die Hypotaxe verstärkendes que unmittelbar vor dem zweiten Prädikat. Im Ergebnis ist mithin in diesem Satz die Hypotaxe dreifach überdeterminiert. Zum Vergleich füge ich hier die wörtlich nach dem Spanischen entstandene italienische Version desselben Passus an, in der nur eines der drei überdeterminierenden que ausgelassen worden ist : ne (sic !) per bene di segnare in u n a lamina segnali comuni per sapere tucte queste opere in catuno orizone delli orienti (sic!) orizonj, per tale che quando fosse perduto o molto graue di prendere alcuna di quelle dimandite per quelli strumenti ; che sia saputa quella d i m a n d a per questa lamina, e quello che con essa fosse presa infecto che sia certo. (Cod. Vat. 139r)

Ein den bisher zitierten Beispielen analoger Fall ist derjenige, wo nicht einfach ein que zur Verstärkung der Hypotaxe eingeführt wird, sondern wo unmittelbar vor dem Einsetzen des Hauptsatzes der ganze Kern des vorangegangenen Nebensatzes in extenso wiederholt wird, wodurch die an diesem Punkte verlorengegangene syntaktische Spannung wiederhergestellt wird. Ein typischer Beleg für diese recht häufige Erscheinung ist der folgende : Quando quisieres saber ell arco del dia de quai estrella quier, y es su mora dessuso de la tierra desde que nasce f a t a que se pone. E t es otrossi los grados que suben dell yguador del dia: desde que nasce la estrella fasta que se pone. E t quando lo quisieres saber : multiplica... C (111)

idä a r a d t a an t a ' l a m a qawsa nahäri ayyi kawkabin si'ta wa-huwa m a k ä n u h ü fawqa l-ardi min hïni y a t l u ' u ilà an yagîbu wa-huwa m ä y a t l u ' u m i n falaki mu'addili 1nahäri min tulü'i 1-kawkabi ilà magibihi fa-drib . . .

(48)

1,5 demandas : fehlt bei Rico ! "· que·, fehlt bei Rico!

193

Die Bewältigung eines so ausgedehnten syntaktischen Spannungsbogens scheint demnach im Altspanischen zunächst nur mit Hilfe derartiger Hilfskonstruktionen möglich gewesen zu sein. Man vergleiche hiermit die lateinische Übersetzung desselben Passus, die wiederum die für das Lateinische so charakteristische, die Hypotaxe hevorhebende Klammerstellung aufweist : Cum arcum diei cuiuslibet stellae, quod est ipsius mora supra terrain, ab ipsius ortu usque ad eiusdem occasum, & quod ascendit ex aequinoctiali circulo ab ortu ipsius stellae usque a d eius occasum scire uolueris, . . . multiplica . . . (Ρ 21r)

Zum Abschluß dieser Reihe von Belegen zur komplektisierenden Einwirkung des Arabischen auf das Altspanische sei nun noch an Beispielen demonstriert, wie der Endpunkt der durch den arabischen Impuls angeregten Entwicklung aussieht: das vollkommen durchgegliederte, bruchlose, ohne verstärkende Hilfskonstruktionen auskommende hypotaktische Gefüge von relativ hoher Komplexität und/oder Länge. Ein Beispiel aus C, in dem, bei kurzer Satzausdehnung, eine Einbettung vierten Grades vorliegt, ist das folgende : . . . f a t a que se allega a la linna que es su longura dell yguador del dia X ; lo que es la quantia que mengua toda la declinación a nouaenta grados C (44)

ilà an y a n t a h i y a ilà 1-hatti lladï b u ' d u h ü 'an mu'addili 1-nahäri Χ aliati hiya miqdâru m a yanquçu 1-maylu kulluhû ilà tis'ïna (23)

Ein Beispiel, in dem, bei relativ geringem Komplexitätsgrad, eine recht lange Hypotaxe ohne Bruch durchgehalten wird, ist das folgende : si t u multiplicarles quai cuerda quier de las cuerdas partidas en medio en si, y lo que saliere, que lo mengues del medio del diametro multiplicado en si. E t tomares la rayz de lo que fincare, sera aquella rayz cuerda de lo que finca a complimiento de so arco al quarto del çerco C (29f)

kullamä duriba ahadu hâdihï 1awtâri 1-munassafati fï nafsihï wanuqiça min nisfi 1-qutri m a d r û b a n f i nafsihï kâna §idru m a yabqà huwa wataru m ä yabqà li-temami tilka 1-qawsi ilà rub'i 1-dä'irati (17)

Schließlich soll noch ein letztes Beispiel aus dem gepflegten und überarbeiteten Text A für das Gelingen eines hypotaktischen Gefüges angeführt werden, das sowohl der Länge als auch dem Komplexitätsgrad nach erhebliche Anforderungen stellt: E t las estrellas erraticas ya sabuda es la quantidat la quai quando entrel sol y eli orizon fuer aquella quantidat, y la estrella fuer en ell orizon; sera el comienço de su appareçimiento, o de su ascondimiento, y que si entrel sol y eli orizon ouier menos daquella quant i d a t non sera uista A (212)

194

wa-ammä 1 -kawäkibu 1-mutahayyir a t u fa-qad wuqifa 'alà l-miqdâri lladï idâ k â n a bayna l-samsi walufqi dâlika 1-miqdâru wa-kâna 1kawkabu hïna'idin fï 1-ufqi k â n a awwalu htifâ'ihî wa-in kâna b a y n a l-samsi wal-ufqi aqallu m i n dâlika lam yura (Text :