Prinzipien des Kulturgüterschutzes: Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht [1 ed.] 9783428485383, 9783428085385

Die europäischen und weltpolitischen Entwicklungen seit Ende der achtziger Jahre haben zu einer verstärkten Rückbesinnun

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German Pages 308 Year 1996

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Prinzipien des Kulturgüterschutzes: Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht [1 ed.]
 9783428485383, 9783428085385

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Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Band 37

Prinzipien des Kulturgüterschutzes Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht

Herausgegeben von

Frank Fechner / Thomas Oppermann Lyndel V. Prott

Duncker & Humblot · Berlin

FRANK FECHNER / THOMAS OPPERMANN LYNDEL V. PROTT (Hrsg.) Prinzipien des Kulturgüterschutzes

Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Heinz-Dieter Assmann, Hans v. Mangoldt Wernhard Möschel, Wolfgang Graf Vitzthum sämtlich in Tübingen

Band 37

Prinzipien des Kulturgüterschutzes Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht

Herausgegeben von Frank Fechner / Thomas Oppermann Lyndel V. Prott

Duncker & Humblot • Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Prinzipien des Kulturgüterschutzes : Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht / hrsg. von Frank Fechner . . . - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht ; Bd. 37) ISBN 3-428-08538-8 NE: Fechner, Frank [Hrsg.]; GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7654 ISBN 3-428-08538-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Vorwort Rechtsfragen des Kulturgüterschutzes werden in den neunziger Jahren wieder verstärkt erörtert, nicht zuletzt in Deutschland. Dies hängt möglicherweise mit der großen politischen Wende in Europa 1989-1991 zusammen, die mit der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, der Verselbständigung der Staaten Mittelund Osteuropas und der Auflösung der Sowjetunion viele der alten nationalen Strukturen des Kontinentes Wiederaufleben ließ. Vielerorts ging so eine verstärkte Besinnung auf die eigene Geschichte und Kultur einher. Der Wunsch, sich der Kulturgüter des eigenen Landes nicht nur zu erinnern, sondern sie nach Möglichkeit endlich wieder in eigenem Besitz zu wissen, war ein wesentlicher Aspekt dieses neu erwachten Interesses am geschichtlich-kulturellen Erbe. Der deutsche Wunsch, die als Kriegsbeute des Zweiten Weltkrieges in die Sowjetunion gelangten Kulturgüter zurückzugewinnen, stellt das bekannteste Beispiel in diesem Zusammenhang dar. Der Fall des früher in Berlin, nunmehr in Rußland befindlichen „Schatzes des Priamos", auf den neben Deutschland auch die Türkei als ursprüngliches Herkunftsland Ansprüche erhebt, beleuchtet gleichzeitig schlaglichtartig die vielschichtigen Kriterien, die bei Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes angelegt werden. Plötzlich erinnerte man sich wieder an die in den siebziger Jahren im Dreieck Bundesrepublik-DDR-Ägypten vielerörterte und bis heute nicht ganz verstummte Frage: „Wem gehört die Nofretete"? Worin liegt die eigentliche Legitimation des Besitzes und Schutzes von Kulturgut: Historische Herkunft? Regulärer juristischer Erwerb? Kriegsvölkerrechtliche Titel? Oder etwa die optimale Fähigkeit, das kulturelle Objekt zu pflegen und es als nationales, europäisches oder gar universales Kulturerbe der Allgemeinheit zugänglich zu machen? Fragen über Fragen, bei Lichte betrachtet nach den leitenden Prinzipien, von denen sich Kulturgüterschutz rechtlich leiten läßt. Oder fehlt es überhaupt an solchen allgemeinen Grundsätzen des Kulturgüterschutzes im nationalen, europäischen und internationalen Recht? Dies waren einige der Fragestellungen, die meinen seit langem im juristischen Kulturgüterschutz tätigen wissenschaftlichen Mitarbeiter Frank Fechner und mich im Sommersemester 1994 veranlaßten, ein dreitägiges Seminar über Rechtsfragen des Kulturgüterschutzes zu veranstalten. Zu unserer Freude gelang es, in Gestalt von Lyndel V. Prott und ihres Ehemannes Patrick O'Keefe (Sydney / UNESCO Paris) zwei namhafte internationale Kulturrechtsexperten für dieses Unternehmen mit zu gewinnen. Vielleicht deshalb, weil es für Frau Prott ein Wiedersehen mit ihrem Promotionsort Tübingen bedeutete. War es der Genius loci der frisch restaurierten Fürstenzimmer des Schlosses Hohentübingen, in denen das Seminar statt-

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Vorwort

fand? Die Referate und Erörterungen des Seminars erschienen uns so fruchtbar und anregend, daß der Gedanke entstand, der Frage nach Existenz und Gehalt von Rechtsprinzipien des Kulturgüterschutzes in einer Publikation unter Beteiligung eines erweiterten kompetenten Autorenkreises nachzugehen. Die Tatsache, daß der Verlag Duncker & Humblot in Gestalt von Norbert Simon das Unternehmen freundschaftlich in seine Obhut nahm, bestärkte uns in der Idee. Nachdem es in kurzer Zeit gelungen war, nahezu alle auswärtigen Autoren zu gewinnen, die uns für die Thematik wesentlich erschienen, nahm der Band endgültig Gestalt an. Prinzipien des Kulturgüterschutzes - Frank Fechner hat in seiner eingehenden Einführung die vielerlei Facetten umschrieben, die sich aus diesem Vorstellungsbild gewinnen lassen. Er hat zugleich die Auswahl der Themen des Bandes erläutert, in dem auf diese Weise vom hoffnungsvollen Jungjuristen beiderlei Geschlechts bis zur etablierten gelehrten Autorität mehrere Generationen zu Wort kommen. Mich selbst hat an der Fragestellung interessiert und fasziniert, welche zunehmende Bedeutung „Prinzipien" oder allgemeine (Rechts)grundsätze auch im Kulturgüterschutz zu gewinnen scheinen. Gewiß beschränkt sich die Fülle der Beiträge in diesem Buch nicht auf die Prinzipienfrage, sondern erbringt reichen Ertrag zu den verschiedensten Themen - vom nationalen Denkmalschutz als Ursprung des Kulturgüterschutzes über die europarechtlichen Spannungslagen zur Warenverkehrsfreiheit bis zu den vielfältigen völkerrechtlichen Aspekten. Aber immer wieder durchzieht die Beiträge wie ein Leitmotiv die Suche nach dem, was Martin Philipp Wyss hier den „kulturpolitischen Ordre Public" des Kulturgüterschutzes genannt hat, mit anderen Worten, die Leitideen, auf deren Grundlage die vielfältig zwischen den drei Rechtsebenen verschlungenen Einzelfragen einer akzeptanzfähigen Lösung zugeführt werden können. Diese Suche nach anerkennungsfähigen allgemeinen Prinzipien ist ein Charakteristikum nicht nur des Kulturgüterschutzes. Sie begegnet uns in den letzten Jahrzehnten vielerorts. Grundsätze in diesem Sinne finden sich nicht nur innerhalb des Rechtes im engeren Sinne, d. h. unter den geltenden und nötigenfalls durchsetzbaren Normen („Hard Law"). Im Vorhofe des juristischen Arkanums beginnt bereits die Suche nach regulativen Konzepten, die eher auf erstrebte Ziele hinweisen als auf die instrumentalen Mittel, mit denen sie erreicht werden sollen. Solche Prinzipien - beispielsweise im Kulturgüterschutz der Gedanke der Substanzerhaltung, die Zugänglichkeit des Werkes für eine wie auch immer näher zu bestimmende Allgemeinheit, das Kulturgut als nationales Erbe oder als gemeinsames Erbe der Menschheit oder auch der Grundsatz der Restitution des Kulturgutes an seinen legitimen Ort - sind notwendig von einer beträchtlichen Bandbreite oder dienen, anders ausgedrückt, als allgemeiner Argumentationsrahmen, innerhalb dessen sich breiter Konsens erzielen läßt. Zur normativen Geltung bedarf das „Soft Law" solcher Prinzipien im Einzelfall der Konkretisierung durch spezifische Rechtsnormen. „The concept of the common heritage of mankind as a basic principle has entered into the corpus of public international law to be specified by internationally agreed regimes ..." hat die International Law Association 1986 in Seoul in ihrer Erklä-

Vorwort

rung über ein „Progressive Development of Principles of Public International Law" in einem wichtigen Fall glücklich formuliert. Im Europäischen Gemeinschaftsrecht bietet die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Findung ungeschriebener Gemeinschaftsgrundrechte aus den „allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind" (Art. 215 Abs. 2 EG-Vertrag) einen ähnlichen methodischen Ansatz. Im deutschen Verfassungsrecht fängt man an zu rätseln, welche Rechtsqualität dem „Grundsatz der Subsidiarität" zuzuerkennen ist, den Art. 23 Grundgesetz für die Struktur der Europäischen Union einfordert. So befindet sich unser Unterfangen in bester Gesellschaft, wenn hier der Frage nachgegangen werden soll, auf welchen Legitimationsgrundlagen der Gedanke des Kulturgüterschutzes auf der nationalen, europäischen und internationalen Ebene letztlich beruht. Namens der Herausgeber ist allen Autoren für die spontane Bereitschaft zu danken, im Rahmen ihrer allgemeinen Arbeitsbelastung die nötigen Mußestunden für die „Orchidee" des Kulturgüterschutzes abzuzweigen. Norbert Simon sind wir für das neuerliche verlegerische Engagement im Rahmen unserer Tübinger europäisch-internationalen Reihe verpflichtet. Die Hauptlast der Redaktion des Bandes hat Frank Fechner - gerne - getragen. Hoffen wir, daß die Anstrengungen aller Beteiligten ein wenig zur Besinnung auf die vielfältigen Werte eines kulturellen Erbes beitragen, das in unserer immer stärker der Technisierung anheimfallenden Welt nur allzu leicht in den Hintergrund gedrängt wird. Tübingen, im Sommer 1995

Für die Herausgeber: Thomas Oppermann *

* Professor Dr. iur. Dr. h.c., Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

Inhalt Frank Fechner Prinzipien des Kulturgüterschutzes. Eine Einführung

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Felix Hammer Zur Geschichte des rechtlichen Kulturgüter- und Denkmalschutzes

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Klaus Abele Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem? Daneben auch ein Beitrag zum Begriff des Kulturgüterschutzes

67

Peter Häberle National-verfassungsstaatlicher und universeller Kulturgüterschutz - ein Textstufenvergleich

91

Ignaz Seidl-Hohenveldern Kulturgüterschutz durch die Europäische Union versus Waren Verkehrsfreiheit

113

Georg Ress Kultursubventionen und Rundfunkfreiheit in der EU

123

Kurt Siehr Die Schweiz und der Kulturgüterschutz in Europa Wilfried

145

Fiedler

Vom territorialen zum humanitären Kulturgüterschutz. Zur Entwicklung des Kulturgüterschutzes nach kriegerischen Konflikten

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Christiane Freytag „Cultural Heritage": Rückgabeansprüche von Ursprungsländern auf „ihr" Kulturgut?

175

Martin Philipp Wyss Rückgabeansprüche für illegal ausgeführte Kulturgüter. Überlegungen zu einem kulturpolitischen Ordre public 201

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Inhalt

Sabine von Schorlemer Der internationale Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse. Vom kurativen zum präventiven Kulturgüterschutz 225 Markus Müller Kulturgüterschutz: Mittel nationaler Repräsentation oder Wahrung des Gemeinsamen Erbes der Menschheit? 257 Patrick O'Keefe Formulating General Principles by Reference to International Standards. An Example from the Council of Europe 277 Lyndel V. Prott The International Legal Protection of the Cultural Heritage

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Prinzipien des Kulturgüterschutzes Eine Einführung

Von Frank Fechner*

Der Schutz von Kulturgütern ist in den letzten Jahren verstärkt ins Blickfeld der Allgemeinheit gerückt. Ursächlich hierfür ist zum einen die zunehmende Gefährdung von Kulturdenkmälern durch natürliche Einflüsse, wie auch durch menschliches Handeln aus Gleichgültigkeit oder Habgier. Zum anderen ist die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit durch kulturell orientiertes Freizeit- und Reiseverhalten und verbesserte Informationsmöglichkeiten geschärft. Die Beachtung des Kulturgüterschutzes durch die Öffentlichkeit hat ihren Niederschlag auch in der juristischen Literatur gefunden. Gerade in letzter Zeit wird vor allem von jüngeren Autoren die Frage gestellt, wie dem Verfall und der Zerstörung von Kulturgütern mit rechtlichen Mitteln Einhalt geboten werden kann. Motivation hierfür ist die Erkenntnis der Unwiederbringlichkeit einmal zerstörter kultureller Substanz.

I. Ursprünge und Teilgebiete des Kulturgüterschutzes Die jüngere Entwicklung des Kulturgüterschutzes darf nicht die langen Entwicklungslinien dieses Rechtsgebiets vergessen lassen, die ihrerseits aus Bemühungen gegen die Zerstörung und den Raub von Werken der Kunst und der religiösen Verehrung hervorgegangen sind, die bis in die Antike zurückreichen. 1 Klassisches Gebiet rechtlicher Regelungen zur Erhaltung historischer Substanz ist der Denkmalschutz. Baudenkmäler betreffende Vorschriften folgten bald solche für Bodendenkmäler nach, die vor allem in der Renaissance Aufmerksamkeit erregten. Bewegliche Kulturgüter wurden hingegen erst später Gegenstand rechtlicher Normierung.

* Dr. iur., Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Tübingen. 1 Beispiele bei Wilhelm Treue , Kunstraub. Über die Schicksale von Kunstwerken in Krieg, Revolution und Frieden, Düsseldorf 1957, S. 9 ff.; Ludwig Engstier , Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, Köln u.a. 1964, S. 193.

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Die zweite wichtige Wurzel des Kulturgüterschutzes bilden die Normen des Kriegsvölkerrechts zum Schutz von Kulturgütern gegen Zerstörung, Plünderung und Verschleppung im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen, die den früheren Zustand des Kriegsbeuterechts ablösten. Erst später wurde der völkerrechtliche Schutz im Kriegsfall in Gebiete des Friedensvölkerrechts hinein ausgedehnt und fortentwickelt. Eine dritte Wurzel des Kulturgüterschutzes gründet in dem Wunsch nach Fixierung bestimmter beweglicher Kulturgüter auf dem jeweiligen Staatsgebiet. Es handelt sich dabei vor allem um einen der Nationalstaatsidee des 19. Jh. entspringenden Zuordnungsgedanken. Das Anliegen, das „nationale Erbe" zu wahren, teilweise ergänzt durch finanzielle Gründe führte zur Schaffung mehr oder weniger wirksamer gesetzlicher Regelungen. In neuerer Zeit entwickelte sich aus dem Zuordnungsgedanken die Forderung einzelner Staaten, abgewandertes Kulturgut wieder zurückzuerhalten. Die genannten Rechtsgebiete haben sich weitgehend unabhängig voneinander entwickelt. Die ihnen zugrundeliegenden Prinzipien sind unterschiedlicher Natur und teilweise widersprüchlich. Der Kulturgüterschutz umfaßt desungeachtet alle angesprochenen Bereiche. Der Begriff Kulturgüterschutz wird zwar teilweise auf Maßnahmen mit zwischenstaatlicher Wirkung begrenzt,2 indessen scheint es zutreffender, die völkerrechtlichen Aspekte unter den Begriff „Internationaler Kulturgüterschutz" zu fassen und „Kulturgüterschutz" als umfassenden Begriff zu verstehen, dem völkerrechtliche, europarechtliche und nationale Regelungen unterfallen.3 Der Trennung der Begriffe entspricht die weitverbreitete Vorstellung, dem Denkmalschutz komme lediglich erhaltende Wirkung, dem übrigen „Kulturgüterschutz" zuordnende Funktion zu. Diese Aufteilung trifft schon für das gegenwärtige Recht nicht zu. Denkmalschutzgesetze, die sich auch auf bewegliche Kulturgüter beziehen können, kennen örtliche Zuordnungen, völkerrechtliche Verträge hingegen auch Schutz vor Zerstörung. Noch weniger kann die Trennung der zukünftigen Entwicklung einer sich räumlich annähernden Welt und einem umfassenden Konzept des Kulturgüterschutzes entsprechen.

2 Felix Ermacora, Der völkerrechtliche Schutz des Menschen und seiner Kultur in den bewaffneten Konflikten der Gegenwart, in: Gerhard Sladek (Hrsg.), Das kulturelle Erbe im Risiko der Modernität, Wien 1993, S. 35 (36). 3 Teilweise wird unter Kulturgüterschutz der Begriff Denkmalschutz in größtmöglichem Umfang verstanden: Emst Bacher, Denkmalschutz und Kulturgüterschutz, in: Gerte Reichelt (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz, Wien 1992, S. 111.

Prinzipien des Kulturgüterschutzes

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II. Einheitlicher Ansatz im Kulturgüterschutz Das vorliegende Buch soll dazu beitragen, die Zusammengehörigkeit der verschiedenen Teilgebiete des Kulturgüterschutzes zu belegen und zur Suche nach zugrundezulegenden gemeinsamen Prinzipien aufrufen. In der Praxis des Kulturgüterschutzes wird meist nach einem politischen Ausgleich von Interessen gesucht, jedoch nicht in rechtlichen Strukturen gedacht. Das gilt sowohl bezüglich der verschiedenen Rechtsgebiete als auch in geographischer Hinsicht. Der pragmatische Ansatz mag häufig zu brauchbaren Ergebnissen im Sinne des Interessenausgleichs führen. Allerdings nimmt der politische Konsens in vielen Fällen nicht Rücksicht auf die sachlichen Gegebenheiten der Kulturgüter, weshalb der Begriff des Kulturgüterschutzes dafür nicht immer angebracht erscheint. Effektiv kann nur ein System sein, das die verschiedenen Rechtsgebiete und Rechtsstrukturen mit einbezieht und auf dieser Grundlage ein umfassendes Schutzsystem schafft. 4 In der heutigen verflochtenen Welt kann Kulturgüterschutz nur wirksam werden, wenn nationale Rechtsvorschriften und internationale Regelungen sich nicht widersprechen, sondern gemeinsam wirksam werden. Denkmalschutz, Schutz gegen Abwanderung etc. sind dieser Auffassung nach einander ergänzende Teilbereiche eines einheitlichen übergeordenten Kulturgüterschutzes. Ein umfassendes Schutzssystem bedeutet keine Vereinheitlichung der Normen. Das wäre im übrigen nicht sachgerecht. In einem kleineren Bereich kann schutzwürdig sein, was für den jeweiligen Staat oder gar weltweit diesen Anspruch nicht erheben kann. Indessen erscheint es sinnvoll, die Regelungen auf den verschiedenen Ebenen aufeinander abzustimmen. Regelungen, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig aufheben, sind sinnlos. Das gilt zwischen den Staaten wie innerhalb des einzelnen Landes. Sinnwidrig ist es z. B., wenn die Denkmalschutzgesetze der einzelnen Bundesländer zu Umgehungen einladen5 und wenn vom deutschen Zoll beschlagnahmte Kulturgüter öffentlich versteigert werden, so daß diejenigen, die das beschlagnahmte Stück bestellt hatten, es schließlich doch erwerben können.6 Dem umfassenden Kulturgüterschutz zuwider ist es ebenso, wenn die verschiedenen nationalen Gesetze Kunsträubern und Hehlern eine „Rechtswahl" für den gutgläubigen Erwerb gestohlener Gegenstände einräumen. 4

Demgemäß wurde formuliert, ein eigenständiges Internationales Recht des Kulturgüterschutzes sei zu erwarten: Kurt Siehr , Öffentliches Recht und internationales Privatrecht beim grenzüberschreitenden Kulturgüterschutz, in: Rudolf Dolzer/Erik Jayme/Reinhard Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, Heidelberg 1994, S. 83 (103). 5 Wenn etwa der staatliche Funderwerb an archäologischen Objekten nicht einheitlich geregelt ist und Raubgräber sich auf die für sie günstigere Rechtslage eines anderen Bundeslandes berufen können. 6 FAZ vom 4. 2. 1994, S. 9.

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I I I . Gründe für die Suche nach Prinzipien In derartigen Fällen, in denen sich Normen in ihrer Wirksamkeit gegenseitig aufheben, wäre es wünschenswert, wenn sich die Normgeber an einheitlichen Prinzipien orientieren könnten. Einen prinzipiengeleiteten Kulturgüterschutz gibt es indessen bisher allenfalls ansatzweise. Der Kulturgüterschutz befindet sich augenblicklich auf einer Zwischenstufe, auf der man sich in vielen Fällen in ethisch-moralischer Hinsicht einig ist, auf der indessen kaum Normen und damit Rechtspflichten bestehen. In dieser Phase der Entwicklung scheint es erstrebenswert, Prinzipien aufzufinden, an denen die zu schaffenden Rechtsregeln des Kulturgüterschutzes ausgerichtet werden können. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, weitere Zufälligkeiten der Rechtsentwicklung zu vermeiden, wie sie für die im Kompromißweg gefundenen Normen charakteristisch sind. Zudem würde das Verfahren der Normfindung transparenter. Von Seiten der Politiker ist die Formulierung von Prinzipien des Kulturgüterschutzes nicht zu erwarten. Die politische Entscheidungsfindung ist auf den Kompromiß hin angelegt. Prinzipien können den politischen Prozeß nicht ersetzen. Illusorisch wäre es auch anzunehmen, sie könnten Vorrang vor politischen Kompromissen erlangen. Dies zeigt die Tätigkeit der UNESCO. Wenn es auch nicht anders praktikabel sein mag, so ist es doch ernüchternd, inwieweit die UNESCO sich auf politische Kompromisse einlassen muß - unter Hintanstellung kulturgüterrechtlicher Prinzipien. 7 Selbst die Aufforderung an die UNESCO, die Regeln aufzuzeigen, die von so allgemeiner Gültigkeit sind, daß sie für alle Staaten verbindliche Kraft haben,8 scheint aus diesen Gründen vergeblich zu sein. Die Notwendigkeit, sich auf das politisch Machbare zu beschränken, entbindet indessen nicht von der Pflicht, eine Dogmatik des Kulturgüterschutzes zu konzipieren. Es ist daher die Aufgabe wissenschaftlicher Auseinandersetzung, die bestehenden Ansätze auszuwerten und zu einer tragfähigen Grundlage eines zukünftigen Kulturgüterschutzes fortzuentwickeln.

IV. Aufgabe dieses Buches Die Frage, welche Prinzipien für einen zukünftigen Kulturgüterschutz maßgeblich sein können, war Anlaß für die Herausgeber, verschiedene Autoren um ihre Meinung zu befragen und die Antworten in einem Sammelband zusammenzufüh7 Vgl. Martin Philipp Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung. Vom Kulturgüterschutz zur internationalen kulturellen Kooperation, Zürich 1992, S. 51; Jeanette Greenfield, The Return of Cultural Treasures, Cambridge u.a. 1989, S. 257. Auch wenn, was wünschenswert ist, der UNESCO vor allem bei bewaffneten Konflikten mehr Befugnisse eingeräumt werden, so hängt ein wirksamer Kulturgüterschutz doch immer auch von der Bereitschaft der Staaten ab, Sanktionen zu verhängen; Prott, in: Sladek (Anm. 2), S. 118 f. 8 Ermacora (Anm. 2), S. 40.

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ren. Mit Bedacht wurden Repräsentanten unterschiedlicher Rechtsgebiete und verschiedener Generationen ausgewählt, um ein möglichst facettenreiches Bild zu erhalten. Die divergierenden Antworten verdeutlichen, wie sehr sich das Rechtsgebiet des Kulturgüterschutzes augenblicklich noch auf der Suche nach Prinzipien befindet. Am Beginn dieses Sammelbands steht die geschichtliche Entwicklung des Kulturgüterschutzes (Beitrag Felix Hammer) sowie der Schwerpunkt des Konflikts zwischen Eigentümerinteressen und Denkmalschutz im nationalen Recht (Klaus Abele). Beachtenswert ist vor allem der Hinweis auf die praktischen Probleme des Denkmalschutzes, insbesondere die Abhängigkeit von finanziellen Mitteln. Seine Grenzen erfährt der Denkmalschutz beispielsweise dort, wo Strafen bzw. Bußgelder für die Zerstörung von Denkmälern von vorneherein in die Kosten eines Neubaus eingerechnet werden.9 Ein zu den Grundfragen zu rechnender Beitrag befaßt sich mit den unterschiedlichen kulturgüterrechtlichen Normen und zieht, nationale und internationale Grenzen überschauend und juristische und sprachwissenschaftliche Methoden vereinigend, aus dem „Textstufenvergleich" Folgerungen für eine Entwicklung des Kulturgüterschutzes (Peter Häberle). Besondere Probleme stellen sich im Rahmen des Europarechts, das seinem Ziel nach auf die Aufhebung von Handelsbeschränkungen ausgerichtet ist und dennoch den Handel mit Kulturgütern in nicht unerheblicher Weise reglementiert und erschwert hat (dazu der Beitrag von Ignaz Seidl-Hohenveldern). Ein weiterer Teilaspekt ist die Frage des Kulturgüterschutzes durch Kultursubventionen, der von Georg Ress untersucht wird. Die Frage nach den rechtlichen Pflichten hinsichtlich der Rückgabe von Kulturgütern an die jeweiligen Herkunftsländer wird in einem eigenen Kapitel behandelt (Christiane Frey tag). Ein Sonderproblem ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen ansonsten gebotene Rückgaben verweigert werden dürfen (Martin Philipp Wyss). In diesen Zusammenhang gehört auch die Entwicklung des Kulturgüterschutzes nach kriegerischen Konflikten, für die Wilfried Fiedler eine Tendenz vom territorialen zum humanitären Kulturgüterschutz feststellt. Für das vorliegende Thema von besonderer Bedeutung ist zudem seine Feststellung eines Zurückweichens des völkerrechtlichen Kulturgüterschutzes und einem lediglich schwachen verbleibenden zivilrechtlichen Schutz. Anhand des Schutzes von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse stellt Sabine von Schorlemer die Frage nach der Entwicklung vom kurativen zu einem präventiven Kulturgüterschutz. Die Grundfrage, ob Kulturgüterschutz als Mittel nationaler Repräsentation oder zur Wahrung des gemeinsamen Erbes der Menschheit dient bzw. dienen soll, wird von Markus Müller vertieft. Ein Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Kulturgüterschutzes bilden die beiden Aufsätze des Kulturgüterrechtler-Ehepaars Prott und O'Keefe, die wohl das breiteste wissenschaftliche Werk in diesem Bereich vorgelegt haben und zudem auf praktische Erfahrung bei der UNESCO und dem Europarat verweisen können. Der Beitrag von Patrick O'Keefe befaßt sich vor allem mit der Frage, inwieweit 9

ten".

Dazu das Beispiel in der FAZ vom 22. 1. 1994, S. 30: „Der Vandalismus des Architek-

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eine rechtliche Unbeweglichkeit eine Verbesserung des Schutzes für Kulturgüter bedeutet. Der Beitrag von Lyndel V. Prott rüttelt an den bisherigen Festen des Kulturgüterschutzes, indem er seine mögliche zukünftige Ausdehnung darstellt und verdient es daher, als besonders bedeutungsvoll hervorgehoben zu werden. Mit seinen unterschiedlichen Beiträgen verfolgt das vorliegende Buch eine doppelte Aufgabe: Die Diskussion um Prinzipien des Kulturgüterschutzes in Fachkreisen anzuregen und diejenigen, die sich erstmals für den Kulturgüterschutz interessieren, durch das Spektrum der Darstellungen zu weiterer Beschäftigung mit der Thematik anzuregen.

V. Hauptfragen und Prinzipien des Kulturgüterschutzes Auf den folgenden Seiten sollen kurz einige Hauptfragen des Kulturgüterschutzes angesprochen und mögliche Prinzipien des Kulturgüterschutzes aufgezeigt werden. Der Kulturgüterschutz ist ein vergleichsweise junges Rechtsgebiet, dessen Grundlagen sich erst noch verfestigen müssen. Elementare Fragen dieses Gebiets lassen sich bisher nicht klar beantworten, insbesondere, was von Rechts wegen als Kulturgut zu behandeln ist. Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs Kulturgut gibt es nicht. Aus diesem Grund wird häufig derselbe Begriff für unterschiedliche Begriffsinhalte verwendet. Das kann zu Mißverständnissen führen und ermöglicht mißbräuchliche Begriffsverwendungen zur Erreichung außerhalb des Kulturgüterschutzes liegender politischer Ziele. Zudem setzen rechtliche Regelungen eine klare Begrifflichkeit voraus, vor allem wenn sie mit Beschränkungen für Bürger oder Pflichten für Staaten verbunden sind. Eine zu weite Fassung des Kulturgutbegriffs kann sich für die Schutzwirkung als ebenso schädlich herausstellen wie eine zu enge Umschreibung. Fallen bei einer Verkürzung des Begriffs möglicherweise wichtige Gegenstände aus dem Schutzbereich heraus, so ist eine zu weite Fassung in Gefahr, keine praktikablen Schutzbestimmungen zu ermöglichen. Die Überdehnung des Kulturgüterbegriffs kann zu einer Verwässerung nicht nur des Begriffs selbst, sondern vor allem der Wirkungsintensität von Schutzmechanismen führen. In dieser Gefahr befindet sich der Kulturgüterschutz in seiner gegenwärtigen Aufschwungphase. Nachdem ein gewisses Interesse weiterer Kreise erkennbar geworden ist, versuchen verschiedenste Interessengruppen, ihre Ziele innerhalb des Kulturgüterschutzes unterzubringen. Einer Usurpation des Kulturgüterschutzes aus rechtlicher Sicht ist indessen dann eine Absage zu erteilen, wenn es sich um sachfremde Erwägungen handelt.

Prinzipien des Kulturgüterschutzes

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1. Begriff des Kulturguts Die erste Aufgabe des Kulturgüterschutzes ist es daher, den Begriff des Kulturguts zu klären. Ein Erfolg wäre es bereits, wenn über die wesentlichen Grundsätze Einigkeit erzielt werden könnte. Eine allgemeine Definition ist nicht zu erwarten, zumal eine Differenzierung für verschiedene Ebenen oder Zusammenhänge sachgemäß sein kann.

a) Grundlagen einer Definition Für eine Begriffsklärung können sowohl nationale Gesetze als auch die internationalen Konventionen hilfreich sein. 1 0 I m nationalen Recht sind es vor allem die Denkmalschutzgesetze, die aus Gründen der Rechtssicherheit eine klare Umschreibung verlangen. 11 Die internationalen Konventionen überlassen es teilweise den Einzelstaaten, den Kreis ihrer Kulturgüter zu bestimmen, 1 2 wobei die Offenheit für einzelstaatliche Selbstbewertung zu recht als problematisch angesehen w i r d . 1 3 Demgegenüber gibt es auch Ansätze eigenständiger Definition. 1 4 Besonders zukunftsweisend ist die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten von 1954. Die Konvention versteht unter Kulturgütern bewegliche oder unbewegliche Güter, die für das kulturelle Erbe aller Völker von großer 10 Vgl. den rechtsvergleichenden Ansatz bei Sabine Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Ansätze des Kulturgüterschutzes, Berlin 1994, S. 46 ff. 11 Als „Kulturdenkmal" werden Sachen, Sachgesamtheiten und Teile von Sachen verstanden, an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht, so § 2 Abs. 1 bwDSchG; vergl. jeweils § 2 Abs. 1 der Denkmalschutzgesetze Hessens, des Saarlands, Sachsens und Sachsen-Anhalts. - Im nationalen Recht ergibt sich die Notwendigkeit zur Interpretation des Begriffs weiterhin hinsichtlich des Schutzes deutschen Kulturguts gegen Abwanderung ins Ausland in Art. 75 Abs. 1 Nr. 6 GG (Rahmengesetzgebungskompetenz im Gegensatz zur früheren konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit in Art. 74 Nr. 5 GG a.F.) und dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung. Bei „deutschem Kulturgut" handelt es sich nicht nur um Kulturgut deutscher Herkunft, vielmehr sind alle Kulturgüter erfaßt, die sich nicht nur vorübergehend im Geltungsbereich des Grundgesetzes befinden; Theodor Maunz , in: MaunzDürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 74, Rdnr. 100. 12 Im Übereinkommen der UNESCO über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut von 1970 findet sich die Definition des Kulturguts als das von jedem Staat aus religiösen oder weltlichen Gründen als für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft besonders bedeutungsvoll bezeichnete Gut, das bestimmten Kategorien angehört, Art. 1. - Eine Mischung aus einzelstaatlicher Definition und vorgegebenen übernationalen Prinzipien findet sich in den Regelungen der EU. 13 Wilfried Fiedler, Neue völkerrechtliche Ansätze des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt (Anm. 3), S. 69 (74). »4 Der UNIDROIT-Entwurf von 1990 definierte in Art. 2 Kulturgut als alle körperlichen Gegenstände von kultureller, insbesondere künstlerischer, historischer, geistiger und ritueller Bedeutung. (Anzumerken ist, daß es zumindest „oder" heißen müßte.)

2 Fechner u. a.

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Bedeutung sind ohne Rücksicht auf Herkunft und Eigentumsverhältnisse.15 Aus ihrem nationalen Bezug herausgelöst und als bedeutsam für die gesamte Menschheit behandelt werden Kulturgüter auch durch das Übereinkommen der Vereinten Nationen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt aus dem Jahr 1972.16

b) Objektqualität der Kulturgüter Die Gesetze und Konventionen gehen von zu schützenden Sachen aus, wie sich das auch aus dem Begriff Kulturgwi ergibt. Der Kulturgüterschutz bezieht sich somit - jedenfalls nach herkömmlicher Auffassung - auf physisch greifbare Objekte. 17 Hierin liegt eine deutliche Beschränkung gegenüber den Tendenzen, die auch nicht materialisierte Kulturleistungen im Kulturgüterschutz unterbringen wollen. Die Gefahr der Ausweitung des Kulturgüterbegriffs ergibt sich aus dem Wort Kultur, das überwiegend als politisches Schlagwort und nicht als juristischer Begriff verwendet wird. Wie unterschiedlich die Bereiche sind, zeigt bereits die Forderung nach Sonderregelung für Kulturgüter in internationalen Handelsabkommen (insbesondere im Rahmen des GATT), mit denen das subventionierte nationale bzw. europäische Filmschaffen vor der amerikanischen Konkurrenz geschützt werden soll. Diese Forderung zielt darauf ab, Bedingungen zu schaffen, die der Entstehung bestimmter Kulturgüter (Filme) förderlich sein soll, hat jedoch nicht die Erhaltung originalen Filmmaterials zum Ziel. Allenfalls sollen bestimmte „Kulturen" vor amerikanischer Beeinflussung geschützt werden. 18 Nicht anders verhält es sich hinsichtlich der Forderung, Klassiker des Theaters gegen verunstaltende Aufführungen zu schützen. Soweit nicht die physische Erhaltung eines Originalmanuskripts in Frage steht, handelt es sich dabei nicht um eine Aufgabe des Kulturgüterschutzes, da „werkgetreue" Aufführungen aufgrund des Originalmanuskripts immer möglich bleiben. Weitergehend ist die Forderung, unter Kulturgütern auch immateriellen Kulturbesitz zu verstehen wie Musik, Tanzformen und angewandte Kunst, aber auch religiöse Riten, sowie Handwerkstechniken und andere Methoden zur Herstellung bestimmter Gegenstände, wie sie etwa in Japan geschützt sind. 19 Darüber hinaus 15

Karl Josef Partsch, Schutz von Kulturgut in: Dieter Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts im bewaffneten Konflikt, München 1994, S. 306 (310). 16 Beiden Konventionen ist die Bundesrepublik Deutschland beigetreten im Gegensatz zur UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut aus dem Jahr 1970. 17 Sabine von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz. Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, Berlin 1992, S. 50 - Eine andere Ansicht wird von der UNESCO vertreten, Wyss (Anm. 7), S. 110. 18 Dasselbe gilt für die Quotenregelung der EG-Fernsehrichtlinie und die französische Sprachgesetzgebung.

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lassen sich Gebräuche und Lebensweisen als erhaltenswert bezeichnen, bis hin zur Forderung, ganze Siedlungsgemeinschaften vor Berührungen mit der Zivilisation zu bewahren. Dabei handelt es sich zweifellos um Bereiche hoher Schutzwürdigkeit. Allerdings fragt sich, ob ein solcher Schutz nicht anderer Methoden bedarf als ein objektbezogener Kulturgüterschutz. Die Erhaltung von Gebräuchen usw. hat zwar ebenfalls konservatorischen Charakter, bezieht sich indessen auf menschliche Verhaltensweisen und gesellschaftliche Strukturen, deren zwangsweise rechtliche Reglementierung (im Gegensatz zu fördernden Leistungen des Staates) per se gefährlich erscheint. Zudem kann der Schutz des Objekts mit dem Schutz von Bräuchen und Riten sehr leicht in Widerspruch geraten. Die neueren Ansätze sind daher besser im Rahmen des Minderheitenschutzes, der Religionsausübungsfreiheit, des Urheberrechts etc. zu verorten und allenfalls mit einem umfassenden Begriff wie „Kulturenschutz" zu umschreiben. 20 In Anlehnung an den ebenfalls weiten englischen Begriff „des „cultural heritage" 21 scheint es akzeptabel, den Begriff „Schutz kulturellen Erbes" als Oberbegriff von „Kulturgüterschutz" und „Kulturenschutz" zu verwenden und auch insoweit nach umfassenden Schutzmechanismen zu suchen. Letztlich handelt es sich um einander ergänzende humanitäre Aufgaben. Kulturgüterschutz dient nicht nur dem Schutz von Sachen, sondern immer auch den Menschen.22 In der Praxis geschehen Rechtsverletzungen meist gleichzeitig. Werden Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Leben mißachtet, so werden auch die Kulturgüter nicht geachtet.23 In Fortführung dieses Gedankens wurde das Kulturgüterrecht als Menschenrecht bezeichnet.24 Das heißt indessen nicht, daß Kulturgüterschutz vor jedem Anspruch gegenwärtig lebender Menschen zurückzutreten hätte.25 Wie in anderen Rechtsbereichen, vor allem dem Tierschutz- und

19 Das japanische Gesetz zum Schutz von Kulturgut aus dem Jahr 1950 schützt auch Folklore, Traditionen und Zeremonien; vergl. Wyss (Anm. 7), S. 110 mit FN 127; Kifle Jote , International Legal Protection of Cultural Heritage, Stockholm 1994, S. 139. 20 Denkbar wäre auch der Begriff „Kulturgutschutz", so hinsichtlich des Urheberrechts Manfred Rehbinder , Die Parsifal-Frage oder der Gedanke des Verbraucherschutzes im Urheberrecht, in: Robert Dittrich (Hrsg.), Die Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes im Lichte seiner Geschichte, Wien 1991, S. 91 (99). 21 Lyndel V. Prott!Patrick J.O'Keefe, Cultural Property, in: EPIL, Bd. 9, S. 62; zu einer grundlegenden Begriffsunterscheidung dies., „Cultural Heritage" or „Cultural Property"?, in: International Journal of Cultural Property, 1992, S. 307 ff. 22

Ermacora (Anm. 2), S. 36. Ermacora (Anm. 2), S. 37; vergl. auch Prott , in: Sladek (Anm. 2), S. 111 ff. Unsinnig ist daher auch der Vorwurf, der kriegsrechtliche Kulturgüterschutz befördere den Krieg, so auch Reinhard Mußgnug , Der kriegsrechtliche Kulturgüterschutz, in: Helmut Neuhaus (Hrsg.), Verfassung und Verwaltung. Festschrift für Kurt G.A. Jeserich zum 90. Geburtstag, Köln u.a. 1994, S. 333 (353 f.). 2 4 Ermacora (Anm. 2), S. 40. 23

25 Zu dem zugrundeliegenden Konflikt John Henry Merryman , Two Ways of Thinking about Cultural Property, AJIL, Bd. 80, 1986, S. 831 (840).

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dem Umweltrecht, wächst die Einsicht in die begrenzte Gültigkeit einer rein anthropozentrischen und gegenwartsbezogenen Betrachtungsweise.26 Im Kulturgüterschutz läßt sich der umfassende Schutzgedanke mit dem Stichwort „primauté de l'objet" 2 7 charakterisieren, der der Erhaltungsbedürftigkeit der Sache selbst einen besonderen Stellenwert einräumt.

c) Umfeld des Objekts Eine ebenfalls als modern anzusprechende Methode ist die, das Umfeld eines Objekts mit in den Schutzbereich einzubeziehen. Stand früher überwiegend das Objekt als solches im Vordergrund, so ist es einsichtig und zumindest theoretisch inzwischen weitgehend anerkannt, daß der Erkenntnisweit eines Objekts zunimmt, wenn Informationen über sein Umfeld vorliegen, d. h. die Beziehungen der Sache zu ihrer Umgebung bekannt sind, wodurch dem Gegenstand selbst ein umfassenderer Informationswert zukommt. Vorrangiges Beispiel ist der Fundzusammenhang eines archäologischen Objekts,28 aber auch der Gebrauch eines ethnographischen Sammlungsstücks. Vom Begriff des Kulturguts kann daher nicht nur sein Zubehör etc. umfaßt sein, sondern auch seine Umgebung.29 Eine Einbeziehung des Umfelds in den Schutzbereich ist dann sinnvoll, wenn der Gegenstand physisch, optisch oder in anderer Weise eingebunden ist. Dann kann gerade der Bezug zu seiner Umgebung von besonderer Schutzwürdigkeit sein. 30 Das heißt nicht, daß diese Gegenstände nur in ihrem Umfeld eine Funktion hätten und unter keinen Umständen von diesem getrennt werden dürften. Vielmehr kann die Trennung gerade erforderlich sein, sollen sie auch in Zukunft von der betreffenden Kultur künden. In diesen Fällen ist indessen zu verlangen, daß das Umfeld mit dem Objekt zusammen dokumentiert wird. 31

26 Vgl. den 1994 in das Grundgesetz eingefügten Art. 20a GG, demzufolge der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen schützt. 27 Wys5 (Anm. 7), S. 171. 28 Zu den rechtlichen Konsequenzen Frank Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts. Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht sowie Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung, Berlin 1991; ders. Rechtliche Aspekte von Unterwassergrabungen, DÖV 1994, S. 321 ff. 29 So können ganze Fundstellen in Form von Grabungsschutzgebieten Gegenstand von Schutzmaßnahmen in den Denkmalschutzgesetzen sein. 30 Die Einbeziehung des Umfelds findet sich in vielen nationalen Schutzgesetzen. Gem. § 2 Abs. 2 bwDSchG gehört zu einem Kulturdenkmal auch das Zubehör, soweit es mit der Hauptsache eine Einheit von Denkmalwert bildet. Abs. 3 erklärt die Umgebung eines Kulturdenkmals zum Gegenstand des Denkmalschutzes, soweit sie für dessen Erscheinungsbild von erheblicher Bedeutung ist. Weitere Beispiele bei Wyss (Anm. 7), S. 105 f. 31 Frank Fechner, Grenzen der Forschungsfreiheit am Beispiel der Bodendenkmalpflege, JZ 1992 S. 777 ff.

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Darüber hinaus kann eine Gesamtheit von Sachen zu einem Kulturgut vereinigt sein, 32 etwa eine Sammlung an sich unbedeutender Gegenstände.33 Beispiele sind noch erhaltene Kunst- und Wunderkammern der Renaissance, die manches für sich unbedeutende Stück enthalten, das als Teil des Ganzen jedoch beredtes Zeugnis über die Beweggründe ihres Sammlers ablegen. Gleiches gilt für Archive und Bibliotheken. Von besonderer Bedeutung sind wiederum archäologische Fundstellen, die möglicherweise kein einziges „sammelwürdiges" Objekt enthalten, indessen in ihrer zeitlichen Abfolge der Fundschichten, der Zusammensetzung u.s.w. eine Fülle von Aussagen über vergangene Lebensweisen ermöglichen.

d) Bezug zur Kultur Kulturgüter müssen, dem Begriff entsprechend, einen Bezug zur Kultur aufweisen. Paläontologische Objekte, Mineralfundplätze und sonstige Naturdenkmale (Tropfsteinhöhlen, Bäume etc.) unterfallen dem Kulturgüterbegriff nicht. Sie sind in vielen Fällen ebenfalls in hohem Maße schutzwürdig, jedoch erfordern ihre Besonderheiten zumindest teilweise gesonderte Regelungen.34 Es kann indessen sinnvoll sein, die verschiedenen Bereiche durch ein gemeinsames Regelwerk zu schützen. Ein Beispiel ist das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des „Kultur- und Naturerbes der Welt". 35 Dagegen wird es nicht zum Erfordernis gemacht werden können, daß es sich um eine Kulturleistung, um ein Werk im engeren Sinne handelt, wenn nur Rückschlüsse aus dem Objekt auf kulturelle Leistungen möglich sind. Die Einbeziehung begleitender oder erklärender Güter in den Schutzbereich erscheint dagegen nicht systemwidrig. 36

32 S.a. Art. 1 der UNESCO-Konvention von 1972. 33

Patrick J. O'Keefe , The Héritage Value of a Private Collection, in: Quentin Byrne-Sutton/Marc-André Renold (Hrsg.): La libre circulation des collections d'objets d'art. The Free Circulation of Art Collections, Zürich, 1993, S. 179 ff. 34 Bernhard Walter , Rückführung von Kulturgut im internationalen Recht, Bremen 1988, S. 15. - Dies gilt besonders für paläontologische Funde. In diesem Bereich kann es zwar ebenfalls einmalige Stücke geben, indessen sind Fälle verbreiteten Vorkommens bestimmter Fossilien in einer Schicht der Regelfall; dazu Wighart von Koenigswald , Bodendenkmalpflege und Forschung aus der Sicht eines Paläontologen, in: Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland, Archäologische Denkmalpflege und Forschung, Weimar 1993, S. 37 ff. 35 Konsequent wird das Kulturerbe anders als das Naturerbe definiert (Art. 1 bzw. Art. 2). - Gefordert wurde in diesem Sinne zu recht die Einbeziehung von Naturschutzgebieten in den Schutz der Haager Konvention von 1954; Prott , in: Sladek (Anm. 2), S. 116. 36 Beispielsweise menschliche Knochen einer Bestattung.

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e) Bedeutung Als ein weiteres Begriffsmerkmal eines Kulturguts wird häufig seine Bedeutung angeführt. Durch dieses Merkmal wird der Kreis der Objekte, die kulturgüterrechtlichen Regelungen unterfallen, eingeschränkt. 37 Die Einschränkung ist notwendig, soll ein Ausufern des Schutzes und damit dessen Unpraktibilität vermieden werden. Die Bedeutung ist aus diesem Grund bereits auf begrifflicher Ebene und nicht erst im Rahmen einer Abwägung heranzuziehen. Sowohl die Denkmalschutzgesetze als auch verschiedene Konventionen machen die Bedeutung des Objekts zur Voraussetzung der Kulturgütereigenschaft. Problematisch ist es indessen, die Bedeutung eines Gegenstands festzulegen. Je nach befragter Person oder Gruppe und Zeitgeschmack kann das Ergebnis sehr unterschiedlich ausfallen. Aufgrund dieses nicht zu umgehenden Subjektivismus besteht die Gefahr, die Bedeutung einer Sache zu verkennen, weshalb das Merkmal mit Vorsicht anzuwenden ist. Eine Aussonderung aus dem Kreis der Kulturgüter entzieht das entsprechende Objekt von vorneherein der Unterschutzstellung. Andererseits kann es Aufgabe eines universellen Kulturgüterschutzes nur sein, die Erhaltung solcher Objekte zu gewährleisten, denen eine übergeordnete Bedeutung zukommt. 38 Sinnvoll kann ein abgestuftes System sein, demzufolge ein Objekt einen umso weitergehenden lokalen, nationalen oder internationalen Schutz genießt, je allgemeiner seine Bedeutung ist. 39 Es muß darüber hinaus aber immer ein regionaler Schutz für unbedeutendere Objekte möglich sein. Eine in internationalen Vereinbarungen verbreitete Methode ist die, den einzelnen Staaten zu überlassen, was sie zu ihren „national treasures", ihren „trésors nationaux" rechnen, wobei vorgegebene Kategorien eine Begrenzung der Definitionsfreiheit der Vertragsstaaten schaffen. 40 Diese Vorgehensweise entspricht dem Subsidiaritätsprinzip und damit föderalistischem Denken und ist vor allem dann sinnvoll, wenn einzelstaatliche Schutzmaßnahmen im internationalen Bereich gegenseitig abgesichert werden sollen. Mit Gefahren für Kulturgüter ist diese Metho37 Riodha Fraoua , Réglementation de la circulation internationale des biens culturels, in: Nationale Schweizerische UNESCO-Kommission, Sektion Kultur (Hrsg.), Informationstag „Kulturgüter zwischen Markt und Museum", Schlußbericht, Bern 1993, S. 41 (42) zufolge kann der kulturelle Wert einer Sache nur dann juristische Bedeutung haben, wenn es ein Alter hat und wenn es von historischem, wissenschaftlichem oder künstlerischem Wert für eine bestimmte Gemeinschaft ist. 38 Dabei ist indessen durchaus denkbar, daß es sich lediglich um einen lokal begrenzten Kulturkomplex handeln. 39 Im Rahmen einer für weltweite Geltung ausgerichteten Konvention ist ein außergewöhnlicher universeller Wert zu verlangen, so sechs mal in Art. 1 und 2 der UNESCO-Konvention von 1972. Ähnlich die Haager Konvention von 1954; Einzelheiten bei Partsch (Anm. 15), Rdnr. 901. - Der Kulturbegriff der UNESCO ist kritisiert worden, soweit z. B. Industriedenkmäler, nicht aber gotische Dome als Weltkulturerbe anerkannt wurden; FAZ vom 19. 12. 1994, S. 3 und vom 3. 4. 1993, S. 27. 40

EU.

So Art. 1 UNESCO-Konvention von 1970. Dem vergleichbar ist auch die Regelung der

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de dann verbunden, wenn der einzelne Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, sich um sein Kulturgut zu kümmern. Kriegerische Auseinandersetzungen oder innere Wirren sind nur extreme Beispielsfälle, Gleichgültigkeit oder Geldmangel reichen aus, Kulturgüter preiszugeben. Aus diesem Grund wird hier davor gewarnt, das in der neueren Literatur immer wieder unterbreitete Kriterium der identitätsstiftenden Funktion von Kulturgütern überzubewerten, bzw. dessen Anwendungsbereich zu überdehnen. Kulturgüter können eine Grundlage für den Zusammenhalt von Gemeinschaften, die sog. kollektive Identität, bilden. Der Entzug von Kulturgütern kann daher gegen den aus der Menschenwürde hergeleiteten Grundsatz sittlicher Gemeinschaft verstoßen.41 Das Kriterium der identitätsstiftenden Funktion ist brauchbar, soweit es um die Zuordnung von Kulturgütern zu bestimmten Gruppen von Menschen geht. Indessen erscheint es für die Definition von Kulturgütern ungeeignet, da es zu sehr an spontane und gefühlsmäßige Regungen gebunden ist. Es obliegt nicht allein der betroffenen Gruppe, die Erhaltungswürdigkeit einer Sache zu bestimmen, ebensowenig wie dies dem Eigentümer eines Denkmals obliegt. 42 Aus diesem Grund erscheint es als eine Verkürzung, im Kulturgüterschutz den Versuch zu sehen, die identitätsstiftende Funktion von kulturellen Symbolen gegen äußere Bedrohungen abzuschirmen.43 Eine untergegangene oder uns fremde Kultur ist doch nicht deswegen aus dem Kulturgüterschutz auszunehmen, weil wir keinen direkten Bezug zu ihr haben.44 Den per se subjektivistischen Ansätzen gegenüber scheint es vorzugswürdig, nach allgemein nachvollziehbaren Bedeutungsgehalten zu suchen, die einen Gegenstand zu einem Kulturgut machen. Die angebotenen Kriterien sind vielfältig. Bei näherer Betrachtung läßt sich das Vielerlei der Begriffe, die in diesem Zusammenhang genannt werden, in der Dreiheit von geschichtlicher, künstlerischer und wissenschaftlicher Bedeutung zusammenfassen. 45 Es ist somit das Alter, 46 der ästhetische Gehalt 47 eines Objekts oder sein Erkenntniswert, die es als Kulturgut aus41 Beat Sitter-Liver, Wider das Recht des Stärkeren. Ehtische Überlegungen zum Umgang mit Kulturzueugen, in: Nationale Schweizerische UNESCO-Kommission (Anm. 37), S. 12 (17). 42 Als Parallele mag auf den Kunstbegriff des nationalen Rechts hingewiesen werden, der, wie inzwischen weithin anerkannt ist, ebenfalls nicht der Definition durch die Betroffenen, die Künstler überlassen werden kann. 43 Roman Schlauss , Kulturgüterschutz als Teil der Identitätsfindung, in: Sladek (Anm. 2), S. 23. 44 Dies ist etwas anderes als der indirekte Bezug, der bereits als gegeben angesehen werden mag, wenn es sich um eine Äußerung von Menschen handelt. 4 5 So auch Art. 1 des UNESCO-Übereinkommen von 1972. 46

Alter und geschichtliche Bedeutung sind nicht synonym. Die Umschreibung dient daher lediglich der Veranschaulichung. 47 Umfaßt ist damit sowohl die Bedeutung als künstlerisches Anschauungsmaterial, als auch die des Wirkens im Sinne der Kunst sowie der schlichte Kunstgenuß.

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weisen.48 Die drei Kriterien sind unabhängig voneinander und brauchen nicht kumulativ vorzuliegen, wenn das auch vielfach der Fall sein wird. 49

f) Unmaßgebliche Kriterien Eine Reihe von Kriterien stellt sich für die Definition von Kulturgut als unmaßgeblich heraus. 50 Neben der eben aufgeführten Bedeutung eines Objekts ist die Qualität kein eigenständiges Merkmal. Hierin zeigt sich, daß Kulturgut und Kunstwerk streng voneinander zu trennende Begriffe sind, die sich indessen in weiten Bereichen überlappen. Viele kulturgeschichtlich interessanten Objekte sind keine Kunstwerke. Ebensowenig ist der Erhaltungszustand eines Objekts für die Einordnung als Kulturgut entscheidend.51 Eine schlechte Erhaltung mag zwar die Bedeutungslosigkeit eines Objekts im Einzelfall nach sich ziehen, indessen können auch schlecht erhaltene Gegenstände schutzwürdig sein. Zweifellos kein geeignetes Kriterium für die Bestimmung von Kulturgut ist der Marktwert eines Objekts. Der wirtschaftliche Wert eines Gegenstands mag in verschiedenen Zusammenhängen bedeutungsvoll sein, 52 für die Einordnung als Kulturgut ist er hingegen nicht ausschlaggebend. Aus diesem Grund scheinen die Wertgrenzen, die die EG-Regelungen zur Voraussetzung des Kulturgüterschutzes machen,53 zweifelhaft. 54 Häufig sind unscheinbare Gegenstände, die für Sammler 48 Der geschichtlichen Bedeutung gegenüber hat das Kriterium „national" bzw. „identitätsstiftend" keinen Raum. Geschichte ist dabei in einem weiten Sinne zu verstehen und umfaßt daher auch die Geschichte abgeschlossener Lebensräume und Kulturen. Der Begriff „heimatgeschichtlich" z. B. in § 2 Abs. 1 bwDschG ist insoweit ebenfalls als Unterbegriff zu verstehen. Der religiösen Bedeutung eines Objekts kommt ebenfalls keine eigenständige Bedeutung zu, zudem kaum ein Fall vorstellbar ist, in dem nicht wenigstens eines der anderen Kriterien erfüllt ist. 49

So kann es sein, daß ein Gegenstand geschichtliche Bedeutung hat, ohne zugleich künstlerischen oder wissenschaftlichen Wert zu haben (beispielsweise die auf Schloß Hohenzollern verwahrte Tabaksdose, die Friedrich dem Großen in der Schlacht bei Kunersdorf das Leben rettete). 50 Unerheblich ist für die Definition auch, in welcher Weise Kulturgüter in der konkreten Regelung erfaßt werden, ob in einer abschließenden Aufzählung oder anhand allgemeiner Umschreibungen. Denn beide Methoden können sich nicht über die erwähnten Begriffsmerkmale hinwegsetzen, sondern diese nur ausgestalten. 51 Bezüglich des Denkmalschutzes Ernst-Rainer Hönes, Zur Denkmaleigenschaft nicht erhaltbarer Gegenstände, DÖV 1983, S. 332ff.; Heinz Strobl/ Ulrich Majocco/Helmut Birn, Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg. Kommentar, Stuttgart u.a. 1989, § 2, Rdnr.

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52 Etwa für die Frage, ob die Allgemeinheit ein Interesse an der öffentlichen Zugänglichkeit hat. 53 Anhang der Verordnung über die Ausfuhr von Kulturgütern vom 9. 12. 1992, ABl. 1992 L 395, S. 1 (4 f.) und Anhang der Richtlinie über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem

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uninteressant sind und daher auch keinen hohen oder gar keinen Marktwert erzielen, für die Wissenschaft von höchster Bedeutung. Der monetäre Wert eines Kulturguts ist zudem modischen und konjunkturellen Schwankungen unterworfen. Eine zeitliche Eingrenzung des Begriffs erscheint nicht sachgerecht.55 Regelmäßig wird sich die Bedeutung eines Kunstwerks o.ä. erst nach einiger Zeit herausstellen. Dennoch kann ein Werk auch auf Anhieb seine Bedeutung zu erkennen geben. Eine zeitliche Grenze („vor 1800" oder „mehr als 100 Jahre alt") mag ein Anhaltspunkt für die Praxis sein, läßt sich indessen aus dem Sinn des Kulturgüterschutzes nicht ableiten und sollte daher vermieden werden. 56 Die räumliche Abgrenzung ist ebensowenig sachgerecht wie die aus zeitlichen Gründen. Die Herkunft eines Objekts darf für seine Unterschutzstellung gerade nicht maßgeblich sein.57 Kulturgüter, die aus dem Ausland stammen, dürfen vom jeweiligen Belegenheitsstaat nicht ignoriert und der Zerstörung preisgegeben werden. Zudem trägt jeder Staat Verantwortung für Handelsware, die unter Zerstörung von Kulturgütern auf sein Hoheitsgebiet gelangt. Die Entscheidung über die Kulturgütereigenschaft einer Sache muß schließlich ohne Rücksicht auf den konkreten Eigentümer getroffen werden. 58 An das Vorliegen der Kulturgütereigenschaft lassen sich die verschiedensten Rechtsfolgen knüpfen. Im folgenden soll untersucht werden, welche Rechtsfolgen sich aus den Prinzipien des Kulturgüterschutzes begründen lassen.

Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern vom 15. 3. 1993, ABl. 1993 L 74 S. 74 (78 f.), wobei zu beachten ist, daß es auch die Wertgruppen Null gibt. 54 Frank Fechner, Die Vorhaben der EG zum Kulturgüterschutz, DÖV 1992, S. 609 ff.; ders., Conséquences for German Law of the European Union Rules on the Export of Cultural Goods, in: Quentin Byrne-Sutton/Marc-André Renold (Hrsg.), Les objets d'art dans l'Union Européenne. Aspects juridiques et pratiques / Works of Art in the European Union. Legal and Practical Aspects, Zürich 1994, S. 127ff.; Reinhard Mussgnug , Überlegungen zur Umsetzung der neuen EG-Vorschriften über den Verkehr mit Kulturgütern, in: FS für Rudolf Bernhardt, Berlin u.a. 1995, S. 1225 ff. 55 Walter (Anm. 34), S. 14. 56 Von den gesetzlichen Regelungen zu beachten sind allerdings die Interessen lebender Künstler, ihre Kunstwerke zu höheren Preisen ins Ausland zu veräußern und die der Erben von Künstlern. 57 Die Herkunft kann für die Frage bedeutsam sein, ob es einem bestimmten Ort zuzuordnen ist. 58 OVG Rheinl.-Pfalz, DÖV 1984, S. 75; Ernst-Rainer Hönes, Zum Denkmalschutzrecht in der Bundesrepublik Deutschland, NVwZ 1983, S. 213 ff.; Strobl/Majocco/Birn (Anm. 51), § 2, Rdnr. 24. - Die Frage nach dem Eigentümer kann indessen an anderer Stelle von Bedeutung sein, etwa ist hinsichtlich der Erhaltungspflicht die Zumutbarkeit für den Eigentümer von Gesetzes wegen mit heranzuziehen; z. B. § 6 bwDSchG; Christoph Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (308).

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Frank Fechner 2. Primäre Ziele des Kulturgüterschutzes

a) Substanzerhaltung Sinn und Zweck des Kulturgüterschutzes ist in erster Linie die Erhaltung der Kulturgüter in ihrer Originalsubstanz. Grund für die Erhaltung ist die Einmaligkeit und Unwiederbringlichkeit der Kulturgüter. 59 Die Bemühung um die Erhaltung drückt die Achtung vor den Leistungen anderer Menschen und früherer Kulturen aus und erwächst aus dem Interesse an der eigenen Vergangenheit. Zugleich bedeutet die Gewährung von Schutz die Wahrnehmung der Verantwortung für die Kulturgüter gegenüber den künftigen Generationen. 60 Die Substanzerhaltung ist gegenüber jeder Zuordnung eines Kulturguts vorrangig. Führt die Zuordnung kultureller Substanz zu einem Staatsgebiet zur Gefahr ihrer Beschädigung oder Zerstörung, so trägt sie für denjenigen keinen Sinn in sich, dem sie mehr bedeutet als nur ein Statussymbol. Diese Behauptung hat sich schon im Salomonischen Urteil bewahrheitet. Substanzerhaltung umfaßt neben dem Schutz vor Zerstörung auch Vorkehrungen gegen Beschädigung und gegen Diebstahl. Sie macht es zudem erforderlich, optimale Erhaltungsbedingungen sicherzustellen. Schließlich kann auch die aktive Behandlung der Substanz zu ihrer Erhaltung, d. h. es können insbesondere Restaurierungen notwendig sein. Ein Annex der Erhaltung kann die Erfassung und die Dokumentation des Bestandes an Kulturgütern und ihres Zustands sein, bis hin zu Materialanalysen, Sammlung von Farbproben etc. Die Dokumentation ist zum einen Vorsorgemaßnahme angesichts möglicher späterer Beschädigungen oder der Zerstörung des Objekts und zum andern Grundlage wissenschaftlicher Bearbeitung. Im Fall archäologischer Ausgrabungen ist sie Surrogat des Befunds und tritt somit an die Stelle des Kulturguts selbst. Eine immer wieder erörterte Frage ist die, ob auch die Wiederherstellung zerstörter Substanz zum Kulturgüterschutz zählt. Hierfür spricht auf den ersten Blick manches, etwa die Erhaltung eines geschlossenen Stadtbildes bei einzelnen zerstörten Häusern oder um eine Erinnerungsstätte nicht zu verlieren. 61 Lediglich soweit eine Wiederherstellung ohne Änderung der Substanz möglich ist, kann die Wiederherstellung zum Kulturgüterschutz gezählt werden. Das ist der Fall, wenn 59 Sitter-Liver (Anm. 41, S. 21): Kulturzeugen sind ihrem Wesen nach im Prinzip einmalig und jedenfalls unersetzlich. Charakteristisch bereits der Vorwurf Kaiser Karl V. gegen die christlichen Mönche in der ehemaligen Abderrahman-Moschee in Cordoba: „Ihr habt etwas gebaut, was man auch anderswo finden kann, aber ihr habt etwas zerstört, was einzig war in der Welt!", zit. nach Schlauss in: Sladek (Anm. 2), S. 23 (25). 60 Die inzwischen in Art. 20a GG Eingang in die Verfassung gefunden hat. - S.a. SitterLiver, S. 21. 61 Paradebeispiel ist der Streit um die Wiederherstellung des Goethehauses in Frankfurt am Main nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg.

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eine abgebrochene Statue wieder an ihrem ursprünglichen Platz befestigt wird. Alle anderen Wiederherstellungen mögen mehr oder weniger erfreulich oder touristenwirksam sein, stellen indessen dem Wortlaut zuwider nicht den ursprünglichen Zustand wieder her, sondern schaffen lediglich Repliken. 62 Diese Vörgehensweise ist umso bedenklicher, wenn für die Nachbildung die Reste der Originalsubstanz beseitigt werden müssen, etwa brüchige Originalfundamente zugunsten neuen Mauerwerks.

b) Erhaltung am Ort der unmittelbaren Zugehörigkeit Über die Erhaltung hinaus kann es Zweck des Kulturgüterschutzes sein, bestimmte Objekte mit rechtlichen Mitteln an einem bestimmten Platz zu bewahren. Im Sinne des Kulturgüterschutzes ist das dann der Fall, wenn durch die Herauslösung eines Objekts der dem Kulturgut innewohnende Zusammenhang zerstört würde. Darüber hinaus ist es sinnvoll, Kulturgüter an dem Ort zu belassen, an dem er seine größte Bedeutung entfaltet. Der hier aufgeführte Grundsatz beinhaltet die Erhaltung von Sachgesamtheiten, deren Auseinanderreißen dem Wert des Teilobjekts wie der Gesamtsache nachteilig wäre. 63 Dieses sind die primären Ziele des Kulturgüterschutzes. Über viele weitere Aspekte läßt sich diskutieren. Aus kulturgüterrechtlicher Sicht handet es sich dabei um sekundäre Prinzipien. Die Prinzipien der zweiten Kategorie lassen sich nicht ohne Ausnahmen formulieren, die aus dem Kulturgüterschutz selbst abzuleiten sind, während das primäre Prinzip der Substanzerhaltung allenfalls außerhalb des Kulturgüterschutzes stehenden Werten gegenüber zu weichen braucht.

3. Weitere im Rahmen des Kulturgüterschutzes erörterte Ziele

a) Zugänglichkeit für die Allgemeinheit Häufig wird als Ziel des Kulturgüterschutzes die Zugänglichkeit von Kulturgütern für die Allgemeinheit genannt. Die Zugänglichkeit ist im Regelfall die Rechtfertigung staatlicher Ausgaben zum Ankauf von Kunstschätzen und für die Restaurierung von Gebäuden. Sehr mißlich ist es für die Bevölkerung, wenn Ankäufe in Magazinen verschwinden oder wenn eine mit staatlichen Mitteln restaurierte Burg 62 Dazu Hartwig Schmidt, Antike Bau- und Bodendenkmale - vom Sinn und den Möglichkeiten ihrer Erhaltung und Gestaltung, in: Günter Ulbert/Gerhard Weber (Hrsg.), Konservierte Geschichte? Antike Bauten und ihre Erhaltung, Stuttgart 1985, S. 17 (insbes. S. 32). 63 Dies entspricht der Dreiheit „preservation, context, and integrity" bei Merryman, Cultural Property Export Controls, in: UFITA 111 (1989), S. 63, (88 f.) und ders. (Anm. 25), S. 843, der diese Form der Zerstörung kulturellen Wissens als eine Art Vandalismus bezeichnet.

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nicht besichtigt werden darf. 64 Es kann in vielen Fällen ein sinnvolles Ziel kulturgüterrechtlicher Regelungen sein, auf die Zugänglichkeit von Kulturgütern hinzuwirken. Zulässig erscheinen aus diesem Grund z. B. staatliche Vorkaufsrechte, die dazu dienen, ein Verschwinden hochrangiger Kunstwerke in Privatsammlungen zu verhindern. Dem genannten Ziel dient es auch, wenn steuerliche Vergünstigungen hinsichtlich der Vermögensteuer an die Voraussetzung öffentlicher Zugänglichkeit der Sammlung geknüpft werden. 65 Allerdings ist die Frage des Stellenwertes dieses Prinzips im Verhältnis zur Erhaltung der Sache zu erörten. Im Sinne echten Kulturgüterschutzes kann es nicht richtig sein, Kulturgüter der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wenn sie dadurch in ihrer Substanz gefährdet werden. Mit dem Kulturgüterschutz vereinbar ist es daher, wenn der Zugang zu gefährdeten Kulturgütern reglementiert oder ganz verhindert wird. Das gilt etwa für durch Atemluft und mechanische Einwirkungen gefährdete ägyptische Gräber oder Höhlen mit steinzeitlichen Malereien. Traditioneller Ort öffentlicher Zugänglichkeit sind die Museen. Sie sind idealiter der geeignetste Aufbewahrungsort für Kulturgut. Gefahren für Kulturgüter können sich indessen auch dort ergeben. Eine Schwierigkeit ist die Konservierung der aufzubewahrenden Objekte, die bei bestimmten Materialien bisher nur unvollkommen möglich ist. Eine weitere Gefahr kann sich aus der Ankaufspolitik von Museen ergeben, die den illegalen Kunsthandel fördern und insbesondere das Raubgräbertum unterstützen kann. Insoweit hat jeder Staat seine Museen in die Pflicht zu nehmen. Aus dem Vorrang der Erhaltung eines Gegenstands gegenüber seiner Zugänglichkeit ergibt sich das grundsätzliche Verbot, solche Objekte für Wanderausstellungen zur Verfügung zu stellen, die durch den Transport in ihrer Substanz gefährdet sind. 66 In diesen Fällen erscheint vorrangig, den dokumentarischen Wert eines Objekts für die Zukunft zu erhalten. 67

64 Beispiel bei Ursula Weber, Burg Katzenstein - Mit Steuermitteln erhalten, für Besucher jedoch verschlossen, Schwäbische Heimat 1991, S. 3 ff., an dem allerdings fraglich ist, ob die Behörde das Problem nicht vorher hätte bedenken und entsprechende Vergabebedingungen hätte vereinbaren müssen. 65 Einzelheiten bei Frank Fechner, Sammlertum, Mäzenatentum und staatliche Kunstförderung in Geschichte und Gegenwart - aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Ekkehard Mai/ Peter Paret (Hrsg.): Sammler, Stifter und Museen. Kunstförderung in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, Köln u.a. 1993, S. 12 (21). 66 Da unter den Restauratoren Einigkeit herrscht, daß die besten bekannten Transportmethoden Kunstwerke auf Reisen nicht vor Veränderungen bewahren können, mögen geringere Nachteile hinzunehmen sein. (Vgl. die Tagungsberichte in der FAZ vom 12. 4. 1994, S. 35 und 1. 12. 1994, S. 37.) 67

Die Zugänglichkeit kann insoweit kein oberster Wert sein, wie ein Vergleich mit dem Urheberrecht belegt, kann und darf doch das „Interesse der Allgemeinheit, Zugang zu den Kulturgütern zu haben" nicht grundsätzlich Vorrang vor dem Urheberrecht haben, BVerfGE 31,229 (244 f.).

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b) Zugänglichkeit für die Forschung Ein weiteres wichtiges Prinzip ist die Zugänglichkeit von Kulturgütern für die Forschung. Nur so können sie ihren Erkenntnisgehalt erschließen. Mit der Objektivität nicht vereinbar ist es, den Zugang auf bestimmte Forscher oder Wissenschaftler einer bestimmten Nation zu beschränken. Nicht verschwiegen werden dürfen angesichts dieses Prinzips Gefahren, die von der Forschung selbst ausgehen. Beispiele sind Materialentnahmen, die Abnahme von Übermalungen und insbesondere archäologische Ausgrabungen. Bei der letztgenannten wissenschaftlichen Disziplin ist die Erkenntnis des Befundes mit seiner Zerstörung untrennbar verbunden. 68 Hier hat eine Abwägung ganz besonders sorgfältig zu erfolgen und ist die Sicherstellung der Befunddokumentation von vorrangiger Bedeutung.

c) Zuordnung zu bestimmten Menschen , Gemeinschaften und Staaten Ein sinnvolles Prinzip des Kulturgüterschutzes kann es sein, Objekte bestimmten Menschengruppen zuzuordnen, sie in ihrem „lebendigen Umfeld" zu belassen. In der extremen Form bedeutet das nicht nur, sie ihnen museal zugänglich zu machen, sondern sie darüber hinaus zum Gebrauch zur Verfügung zu stellen. Die wichtigste Untergruppe ist die Zuordnung im kultischen Gebrauch stehender Gegenstände zu religiösen Gemeinschaften. Eine als wundertätig verehrte Statue wird man nicht ohne Grund den Gläubigen entziehen und in einem Museum aufstellen. Im übrigen können sowohl nationale als auch ethnische Minderheiten ein starkes Interesse an ihren „identitätsbildenden" Gegenständen haben. Schließlich kann ein ganzes Volk Anspruch auf bestimmte Symbole erheben. 69 Die gruppenmäßigen Zuordnungen scheinen in immer stärkerem Maße gegenüber der traditionellen territorialen Bindung an Bedeutung zu gewinnen.70 Die Frage nach der Bedeutung des Prinzips der Zuordnung macht eine genaue Differenzierung zwischen den verschiedenen Fallgruppen erforderlich, die nicht vorschnell einheitlich behandelt werden dürfen. An erster Stelle steht die Zuordnung zu einem bestimmten Menschen, dem Eigentümer. Der Schutz dieser Zuordnung ist vor allem aus allgemein menschenrechtlich-rechtsstaatlichen Gründen geboten. Darüber hinaus lassen sich auch 68

Von schonenden neueren Methoden wie Luftbildarchäologie und Satellitenradar, Magnetfeld- und Bodenwiderstandsmessung etc. einmal abgesehen. 69 Für Deutschland beispielsweise die schwarz-rot-goldene Fahne, in der sich die Hoffnungen des Hambacher Festes konkretisiert hatten und die heute im Bundesverfassungsgericht aufgestellt ist. 70 Fiedler (Anm. 13), S. 74 f.

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Gründe des Kulturgüterschutzes angeben, ist doch der Diebstahl von Kunstgut regelmäßig mit einer Gefährdung der Originalsubstanz verbunden. 71 Zudem verschlechtert sich die Zugänglichkeit und die Kenntnis über den Verbleib des Objekts und Informationen über dessen Herkunft gehen verloren. Der Eigentümer eines wertvollen Gegenstands ist im Regelfall immer noch der beste Garant für dessen Erhaltung, zumal im Falle einer Substanzgefährdung eine Überführung in liquidere Hände wirtschaftlich die einzig sinnvolle Entscheidung sein wird. Alle diese Argumente sprechen dafür, das Band zwischen Eigentümer und Kulturgut zu schützen. Lediglich im Fall von Mißbrauch und Vernachlässigung des Eigentums kann eine zwangsweise Separierung vom Eigentümer geboten sein. In fortschrittlicher Weise neigen vor allem amerikanische Gerichte dazu, den Eigentümer zu entlasten, indem nicht mehr er die Bemühung um die Rückgewinnung des Objekts nachweisen muß, sondern der Besitzer den rechtmäßigen Erwerb darzutun hat. 72 Eine völkerrechtliche Pflicht des einzelnen Staates, den illegalen Kunsthandel durch entsprechende Schutzgesetze zu verhindern, besteht bei aller Wünschbarkeit jedoch nicht. 73 An zweiter Stelle steht die Zuordnung eines Gegenstands zu Menschen, für die er von religiöser Bedeutung ist. Nach Möglichkeit sollte der Kulturgüterschutz auf religiöse Gefühle Rücksicht nehmen. Indessen ist auch hier die Abwägung mit dem Prinzip der Substanzerhaltung erforderlich, die im Einzelfall nicht leicht zu treffen ist. Erschwert wird die Entscheidungsfindung, weil der Glaube an die religiöse Wirkung meist untrennbar mit der Originalsubstanz verbunden ist, so daß eine Replik von der betroffenen Gruppe nicht als gleichwertig und damit ausreichend angesehen wird. Soweit die Sicherheit eines Objekts nicht gewährleistet ist, etwa ein Kirchenraum nicht hinreichend gegen Diebstahl gesichert werden kann, erscheint die Belassung des Originals leichtfertig. Die Trennung des Objekts von seinem neuen Standort ist hingegen jederzeit reversibel. Die Diskussion ist vor allem um die Rückführung von Ikonen aus russischen Museen in die Kirchen entbrannt, in denen sie durch die Atemluft der Kirchenbesucher gefährdet sind, sich nicht hinreichend gegen Diebstahl sichern lassen und die bei Prozessionen durch Regen gefährdet sind. 74 Eine noch extremer gelagerte Frage ist die der Rückführung von Kulturgütern zum Zweck ihrer bewußten Zerstörung aus religiösen Gründen. Sie kann sich ergeben, wenn eine ethnische Einheit behauptet, von einem museal gelagerten Kultge71 Neben unsachgemäßer Entnahme von Kulturgut, Herausschneiden von Bildern aus dem Rahmen, unsachgemäßem Transport, Lagerung und Bearbeitung sind auch die Fälle zu nennen, in denen Objekte der leichteren Beweglichkeit, des Schmuggels oder des höheren Gewinns wegen absichtlich zerstückelt werden. 72 Georg von Gehren , Umgekehrte Beweislast, FAZ v. 22.12.93, S. 25, s.a. ders ., Ius nudum, FAZ v. 10. 7. 1992, S. 31. 73 Insbesondere privatrechtliche Erwerbsmöglichkeiten können durch das Völkerrecht nicht ausgeschlossen werden, Fiedler (Anm. 13), S. 73. 7 4 FAZ vom 3. 3. 1992, S. 32; Die Zeit vom 6. 5. 1994, S. 61.

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genstand gehe Unheil für ihre Gemeinschaft aus, weshalb er in bestimmter Weise vernichtet, etwa in einem heiligen Fluß versenkt werden müsse.75 Es erscheint widersinnig, die Rückführung in diesen Fällen mit dem Kulturgüterschutz begründen zu wollen. Es kann sich allenfalls um eine Abwägung mit Gegengründen handeln, die seit der Aufklärung an Bedeutung verloren hatten. Mag die Anwendung pulverisierter Mumien auch heutzutage von manchen Menschen als wohltuend empfunden werden, 76 so fragt sich doch, ob die noch verbliebenen informationsreichen Zeitzeugen diesem Bedürfnis zum Opfer gebracht werden müssen. Außer religiösen Gefühlen, können Kulturgüter das Selbstbewußtsein einer Volksgruppe stärken. 77 Kulturgüter stellen in diesen Fällen Symbole dar, an denen sich eine Zugehörigkeit manifestiert oder politische Ziele konkretisieren. Eine solche Zuordnung ist meist sinnvoll, vorausgesetzt sie geht nicht mit einer Gefährdung des Kulturguts einher. Sicherlich nicht zu tolerieren ist die bewußte Vernichtung des Kulturguts eines Volkes78 oder dessen vollständiger Ausverkauf. Die traditionellen Zuordnungssubjekte von Kulturgütern sind die Einzelstaaten. Viele Staaten haben Gesetze normiert, die die Zuordnung bestimmter Kulturgüter zum Staatsgebiet sicherstellen sollen, indem der Export dieser Objekte verboten wird. 79 Es handelt sich um nationale Gesetze des öffentlichen Rechts, die in anderen Staaten keine Wirksamkeit entfalten. 80 Etwas anderes ergibt sich, wenn ein Staat sich verpflichtet, die Exportbeschränkungen eines fremden Staates anzuerkennen, wie dies zwischen den USA und einigen Staaten Süd- und Mittelamerikas hinsichtlich archäologischer Funde der Fall ist. 81 Schließlich gibt es auch Konven75

Vgl. das Beispiel bei Prott, in diesem Band, S. 303. Peter Ehlebracht, Haltet die Pyramiden fest ! 5000 Jahre Grabraub in Ägypten, Düsseldorf, Wien 1980, S. 9 ff. 77 Beispielsweise hat es sich der Aztekenhäuptling Xokonoschtletl zur Lebenaufgabe gemacht, die im Völkerkundemuseum in Wien aufbewahrte sog. Federkrone Montezumas zurückzubringen, um sein Volk zusammenzuführen und zu neuem Selbstbewußtsein zu führen; FAZ vom 27. 10. 1994, S. 10. Einen historischen Zusammenhang mit König Moctesuma schließt aus: Wilfried Seipe, Museen und Kulturgüterschutz, in: Reichelt (Anm. 3), S. 133 (139). 78 Ermacora (Anm. 2), S. 38. 76

79 Exportgesetzgebung der verschiedenen Staaten bez. Kulturgütern: Lyndel V. Prott!Patrick J. O'Keefe, National Legal Control of Illicit Traffic in Cultural Property, UNESCO 1983 und dies. (Hrsg.), Manuel des règlements nationales relatives à l'exportation des biens culturels, UNESCO 1988. Bez. Deutschland Bodo Pieroth/Bernd Kampmann, Außenhandelsbeschränkungen für Kunstgegenstände, in: NJW 1990, S. 1385 ff. Zum internationalen Vergleich Kurt Siehr, Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz. Eingriffsnormen und der internationale Kunsthandel, in: Bernhard Pfister/Michael R. Will (Hrsg.): Festschrift für Werner Lorenz, 1991, S. 525 ff. 80 Selbst Staatseigentum erlischt durch eine nach lex rei sitae gültige Rechtsübertragung; Hermann J. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts. Internationalprivatrechtliche und rechtsvergleichende Aspekte zum Herausgabeanspruch des privaten Eigentümers und des Herkunftsstaates, Baden-Baden 1990, S. 102. si Einzelheiten bei Walter (Anm. 34), S. 62 ff.

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tionen, die auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von Exportbeschränkungen aufbauen, wie das UNESCO-Abkommen von 1970.82 Exportgesetze sind hinsichtlich Umfang und Intensität sehr unterschiedlich. Neben sehr liberalen Systemen finden sich strenge Gesetze, insbesondere in Ländern mit reichem kulturellem Erbe, die indessen in der Praxis häufig umgangen werden. Jeder Staat wird für seine Regelung ausreichend Gründe anführen können. Fraglich ist indessen, ob die Gründe dem Kulturgüterschutz im engeren Sinne zuzuordnen sind, oder ob sie einem Kulturnationalismus entsprechen.83 Weit verbreitet ist die Umschreibung, der Gegenstand müsse aufgrund seiner engen Verbindung zur Landesgeschichte, seiner künstlerischen Qualität oder seines wissenschaftlichen Wertes von hervorragender Bedeutung für das betreffende Land sein, dessen Abwanderung ins Ausland einen nachhaltigen Verlust für das nationale Erbe darstellen würde. 84 Diese weite Fassung erscheint angesichts der Gegenrechte bedenklich, ist doch der Austausch von Kulturgütern grundsätzlich wünschenswert und ein Eingriff in den freien Handel begründungsbedürftig. Aus kulturgüterrechtlicher Sicht erscheinen nur solche Beschränkungen gerechtfertigt, die sich aus den Prinzipien des Kulturgüterschutzes heraus begründen lassen. In erster Linie gilt das für alle Kulturgüter, die durch eine Wegnahme von ihrem Lageort an geschichtlichem, künstlerischem oder wissenschaftlichem Wert verlieren. 85 Exportbeschränkungen können sinnvoll sein, um das Auseinanderreißen der Inventare von Schlössern, von Archiven, Bibliotheken und wichtigen Sammlungen zu verhindern, was indessen vor allem nach Erbfällen immer wieder vorkommt. 86 In besonderem Maße trifft das auf unausgegrabene archäologische Objekte zu. 87

82 Das Europarecht erkennt einzelstaatliche Interessen an, indem es in Art. 36 EGV Ausnahmen von der Warenverkehrsfreiheit aus Gründen „des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert" zuläßt. So auch Art. XX lit. f) GATT. 83 John Henry Merryman, Cultural Property Export Controls, in: UFITA 111 (1989), S. 63 (74); Siehr (Anm. 79), S. 526; Merryman stellt dem einen kulturellen Internationalismus entgegen (Anm. 25), S. 842, 846. 84

So im Recht Großbritanniens, das auch von den EU-Regelungen übernommen wurde, Wyss (Anm. 7), S. 148. Genauere Differenzierungen UNESCO-Konvention von 1970 in Art. 4 und von Nafziger, ebd., S. 152 f.; Für die nationale Identität als Anknüpfungskriterium, insbes. die Nationalität des Künstlers Erik Jayme, Die Nationalität des Kunstwerks als Rechtsfrage, in: Reichelt (Anm. 3), S. 7 (28). 85

Anschauliche Beispiele des Auseinanderreißens von Zusammengehörigem auch bei Jürgen Schick, Die Götter verlassen das Land. Kunstraub in Nepal, Graz 1989. - Bereits Savigny meinte hinsichtlich einer Kunstsammlung, das Eigentum sei nach dem Ort ihrer Bestimmung zu behandeln, nicht aber nach dem jeweiligen Lageort; Erik Jayme, „Entartete Kunst" und Internationales Privatrecht, Heidelberg 1994, S. 25. 86 In Deutschland machten vor allem Fürstenhäuser in dieser Weise von sich reden, wobei es um Sammlungen unterschiedlicher Bedeutung ging. 87 Anschaulich die Dokumentation „Fundort: Unbekannt. Raubgrabungen zerstören das archäologische Erbe" (1993), insbes. S. 23 ff.

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Die Rechtsordnungen dürfen das Auseinanderreißen kultureller Gesamtheiten nicht erleichtern. 88 Darüber hinaus könnte eine sinnvolle juristische Handhabe für die Anbindung sein, bestimmte Kulturgüter rechtlich als unbeweglich zu behandeln, auch wenn sie faktisch beweglich sind. 89 Diese rechtliche Anbindung erscheint erforderlich, seit sich fast alles beweglich machen läßt, 90 wie die Tempelfassade von Campeche in Mexiko beweist, die mit Motorsägen abgenommen und mithilfe einer eigens in den Urwald geschlagenen Landebahn in die USA gebracht wurde. 91 Sie gilt auch für Fresken und Mosaiken in einer Kirche. 92 Als weiteres Zuordnungssubjekt für Kulturgüter ist schließlich die Menschheit als solche zu erörtern. Die Idee zielt dahin, die Kulturgüter der Willkür einzelner, insbesondere auch einzelner Staaten zu entziehen und sie allen Menschen, unabhängig von ihrer Nationalität zuzuordnen. Verschiedene Ansätze dieser an sich nicht neuen Idee sind zu unterscheiden, die heute fast ausschließlich unter dem Stichwort des common heritage ofmankind 93 diskutiert wird. Das common-heritage-Prinzip wurde zunächst im Streit um die Bodenschätze auf dem Meeresgrund und anderer staatsfreier Räume und um das geistige Eigentum angeführt und zwar mit dem Ziel, nicht nur den Industriestaaten, sondern auch den Entwicklungsländern Anteil an dem sog. „gemeinsamen Erbe der Menschheit" zu geben.94 Das Prinzip diente damit in erster Linie dazu, natürliche Ressourcen und geistiges Eigentum ohne weiteres nutzen zu können,95 weshalb seine Übertragung auf Kulturgüter per se als ungeeignet angesehen wurde. 96 Tatsächlich wird

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Lyndel V. Prott, Movables and Immovables as Viewed by the Law, in: Internat. Journal of Cultural Property, 1992, S. 389 (391). 89 Es läßt sich dann die Unterscheidung zwischen beweglichen Kulturgütern machen, deren Verkauf rechtmäßig und sinnvoll ist und „nicht beweglichen" Kulturgütern, mit denen nur illegal gehandelt werden kann; John H. Merryman, zit. nach FAZ vom 8. 10. 1994, S. 37; O'Keefe, in diesem Band, S. 277 ff. 90 Wyss (Anm. 7), S. 81; Ignaz Seidl-Hohenveldern, La protection internationale du patrimoine culuturel national, Revue Générale de Droit International Public, 1993, S. 395 (396). 91 Greenfield (Anm. 7), S. 272 f.; Karl E. Meyer, Geplünderte Vergangenheit. Der illegale Kunsthandel - Fälscher, Diebe und Bewahrer, Zug 1977, S. 39 ff. 92 So hätten die abgenommenen Fresken von Casenoves zusammen mit der Kirche als einheitliches Kulturgut angesehen werden sollen; Gerte Reichelt, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes - aktuelle Entwicklungen, in: Sladek (Anm. 2), S. 61 (66); dies., Kulturgüterschutz und Internationales Privatrecht, in: IPRax 1986, S. 73 ff.; dies., Internationaler Kulturgüterschutz - rechtliche und kulturpolitische Aspekte, Saarbrücken 1988, S. 33. 93 Daher in der Abkürzung auch CHOM-Prinzip. 94 Zum Prinzip und seinem Gebrauch in anderen Rechtsgebieten Sharon Anne Williams, The international and national protection of movable cultural property. A comparative study, New York 1978, S. 57 ff. 95 Sitter-Liver (Anm. 41), S. 25 zufolge der Abwehr einzelstaatlicher Eigentums- bzw. Souveränitätsansprüche. 96 Rudolf Dolzer, Die Deklaration des Kulturguts zum „common heritage of mankind", in: Dolzer/ Jayme / Mußgnug (Anm. 4), S. 13 (20, 23).

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das common-heritage-Prinzip teilweise in dem Sinne von Herkunftsländern gegen die Belegenheitsstaaten angewendet, daß diese sich nicht des gemeinsamen Erbes der Menschheit bemächtigen dürften. Hier wird das Prinzip dazu benutzt, die Zuordnung zu einem anderen Staat als dem der augenblicklichen Belegenheit zu rechtfertigen. Eine andere Verwendungsweise kommt zum gegenteiligen Ergebnis und zeigt damit die Schwäche des Prinzips. Gerade die großen Museen berufen sich auf dieses Prinzip, indem sie betonen, die in ihrem Besitz befindlichen Kulturgüter im Interesse der gesamten Menschheit zu bewahren und zugänglich zu hal. „ 97

ten. Präziser ist dagegen der Vorschlag, Kulturgüter als internationales Kulturerbe, als eine neue Art von Eigentum zu behandeln, das von der internationalen Staatengemeinschaft als solcher besessen und von einer internationalen Behörde verwaltet wird, die sie für alle verfügbar zu machen hat. 98 Dieser Vorschlag hat wenig Aussicht auf Realisierung, da er den Prestigewert von Kulturgütern unbeachtet läßt, sich darüber hinaus aber auch der Chance begibt, den Eigentümer für die Erhaltung der Sache verantwortlich zu machen. Am Prinzip der Verantwortlichkeit des Eigentümers, von dem das Denkmalschutzrecht geprägt ist, 99 sollte auch für den Kulturgüterschutz grundsätzlich festgehalten und gerade nicht eine Kollektivierung in ungewisse administrative Verantwortlichkeiten vorangetrieben werden. Vorzugswürdig ist demgegenüber ein modifizierter Gedanke, der ebenfalls im Zusammenhang mit dem common-heritage-Prinzip genannt wird, indessen schon lange vor diesem geäußert wurde. Kulturgüter sind danach als gemeinsames Erbe der Menschheit zwar einzelnen Staaten zugeordnet, die jedoch die Pflicht haben, ihre Kulturgüter im Interesse der gesamten Menschheit zu schützen und zu bewahren. 1 0 0 Diesem Gedanken des treuhänderisch gebundenen Eigentums gegenüber mag ebenfalls der Vorwurf erhoben werden, es ließen sich aus ihm nur schwer konkrete Rechtsfolgen ableiten. 101 Die Idee des gemeinsamen Erbes der Menschheit erscheint indessen im Sinne eines übergeordneten Prinzips und als Entscheidungshilfe durchaus sinnvoll zu sein. Dieser Verwendungsweise des Begriffs „gemeinsa-

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Da die Menschheit lediglich eine unverkörperte Idee ist, erweckt der Entzug von Kulturgut zu ihren Gunsten immer den Verdacht, konkreten Macht- und Prestigeinteressen zu dienen; Sitter-Liver (Anm. 41), S. 26. 98 Williams (Anm. 94), S. 201 f. 99 Andreas Lubberger, Eigentumsdogmatik. Gegenwärtige Probleme der Systembildung und Rechtsanwendung, dargestellt am Beispiel des Denkmalschutzrechts, Baden-Baden 1995, S. 79. 100 Walter (Anm. 34), S. 21; von Schorlemer (Anm. 17), S. 564 ff., Wyss (Anm. 7), S. 14; Sitter-Liver (Anm. 41), S. 23. Es handelt sich dabei um das Interesse jedes einzelnen Individuums, das vom Völkerrecht geschützt wird, indem es den Staaten Pflichten für ihr Handeln nach innen auferlegt; Stefan Turner, Die Zuordnung beweglicher Kulturgüter im Völkerrecht, in: Wilfried Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, Berlin 1991, S. 19(22). 101 Dolzer (Anm. 96), S. 15, 25; Wyss (Anm. 7), S. 122.

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mes Erbe der Menschheit" geht es gerade nicht darum, bestehende Rechte umzuverteilen, sondern darum, sie durch Erhaltungspflichten zu ergänzen. Kulturgüter sind zu bedeutungsvoll, als daß sie ausschließlich einzelnen Personen oder Staaten gehören könnten und damit ihrer Willkür bis hin zur Zerstörung überlassen werden dürften, sie sind vielmehr grundsätzlich der gesamten Menschheit zugeordnet. Eine an diesem Prinzip orientierte Entscheidung über ein Kulturgut muß daher die Prüfung beinhalten, ob die Entscheidung unter Berücksichtigung des Interesses der Menschheit daran richtig ist. Damit verbunden ist die Prüfung, ob die Entscheidung unter Beachtung des Interesses zukünftiger Generationen mit möglicherweise geändertem Geschmack und anders lautenden Fragestellungen Bestand haben kann. Angesichts dieser Fragen relativieren sich allzu kurzlebige und subjektive Interessen und es rückt die Bedeutung des Objekts in den Vordergrund. Dies geht weniger weit als der Gedanke, Kulturgüter wie geistiges Eigentum an literarischen und musikalischen Werken oder Patenten nach Ablauf einer bestimmten Zeit gemeinfrei werden zu lassen. 102 Das gemeinsame Erbe der Menschheit im Sinne des Treuhandgedankens beinhaltet einen weiteren Aspekt. Mit dem Kulturgüterschutz in einem universalen Sinne ist es unvereinbar, Rechtsregeln lediglich zum Schutz der „eigenen" Kulturgüter zu erlassen, Kulturgüter fremder Herkunft aber unbeachtet zu lassen.103 Ein verantwortungsvoller Kulturgüterschutz sucht Kulturgüter auch dann zu erhalten, wenn sie einer fremden Kultur angehören. 104

4. Weitere vom Kulturgüterschutz zu berücksichtigende Rechte und Interessen

Wurden zunächst die sich aus dem Wesen des Kulturgüterschutzes selbst ergebenden Prinzipien erörtert und sodann die sekundären Prinzipien, so ist in einem weiteren Teil auf Rechte und Interessen hinzuweisen, die gerade nicht als Prinzipien des Kulturgüterschutzes angesprochen werden können, vielfach diesen sogar widersprechen, die jedoch vom Kulturgüterschutz nicht unberücksichtigt bleiben können, wenn er akzeptabel sein soll. Vielleicht das wichtigste und ernstzunehmendste Interesse ist das des Eigentümers von Kulturgut. Vielfach reduzieren sich im nationalen Bereich die Fragen auf das Verhältnis des Staates zum Eigentümer. Aus diesem Grund wurde als die Hauptaufgabe des Denkmalschutzes der Schutz des Denkmals vor dem Eigentümer 102 José Alvarez, zit. nach Corinne Ibram, Der Kunstraub kennt keine Grenzen. Der Osten wird ausgeplündert, Forum des Europarats, 1/1994, S. 20 (22). 103 Siehr (Anm. 4), S. 88 spricht im Zusammenhang mit dem Prinzip der absoluten Territorialität von einer „Wüstentherorie", einer Vorstellung, derzufolge es außerhalb des eigenen Staatsgebiets keine erhaltenswerten Kulturgüter gibt. 104 Sitter-Liver (Anm. 41), S. 27 zufolge rechtfertigen die Achtung vor dem Kulturgut als Manifestation von Menschenwürde und die internationale Solidarität eine Pflicht zum Einsatz auch für fremde Kulturgüter.

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angesehen.105 Aus Sicht des Eigentümers stellt sich das anders dar. 106 Vielfach ist der Eigentümer der beste Schutz für ein Kulturgut. Zu einem Interessenkonflikt kann es indessen dann kommen, wenn die Erhaltung des Kulturguts den Eigentümer in seiner Freiheit in besonderer Weise beschränkt, indem er hohe Erhaltungsaufwendungen hat oder mit dem Eigentum nicht mehr nach Belieben verfahren kann, etwa ein Grundstück nicht anderweitig bebauen oder ein bewegliches Kulturgut nicht veräußern oder nicht ins Ausland veräußern darf. Geht das Interesse des Eigentümers darauf, das Erworbene behalten und nutzen zu dürfen, so geht das Interesse des Sammlers und der Museen darauf, Neuerwerbungen tätigen zu können. Mit den Rechten der Eigentümer und Sammler in engem Zusammenhang steht das Interesse an einem möglichst freien Handel sowohl im jeweiligen Land, insbesondere unter Anerkennung des Verkehrsschutzes, als auch des Handels im europäischen Binnenmarkt und des freien Welthandels. Der Austausch von Kulturgütern kann dem gegenseitigen Verstehen, damit dem Frieden dienen und somit zur Erhaltung von Kulturgütern beitragen. Überzogene, d. h. nicht von Prinzipien des Kulturgüterschutzes gerechtfertigte Handelsbeschränkungen erscheinen aus diesem Grund nicht sinnvoll. 107 Neben den Interessen einzelner 108 haben die unterschiedlichen Interessen der Staaten faktische Auswirkungen auf die Regelungen des Kulturgüterschutzes. Vielfach handelt es sich um rein wirtschaftliche Interessen, etwa Kulturgüter zu veräußern, um den Außenhandel zu beleben und Devisen einzunehmen. Ein anderes ebenfalls gefährliches wirtschaftliches Interesse ist der Tourismus. 109 Der Tourismus kann zwar einerseits dem Kulturgüterschutz förderlich sein, indem er Interesse der Besucher an den Kulturgütern erwecken und damit den Belegenheitsstaat zu deren Erhaltung bewegen kann. Direkte Gefahren ergeben sich dagegen vor allem durch die Masse der Besucher. 110 Bedenklich ist es darüber hinaus, wenn zur Beförderung des Tourismus verfälschend oder zerstörend in Kulturgüter eingegrif105 Raimund Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz. Die Pflicht zur Erhaltung von Baudenkmälern im Lichte der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung, Berlin 1992, S. 17. 106 Charakteristisch bereits der Titel „Von der Angst, ein Denkmal zu besitzen" der Abhandlung von Frank Niebaum / Jürgen Eschenbach, DÖV 1994, S. 12 ff. 107 Für die restriktive Auslegung von Ausfuhr- und Handelsbeschränkungen Wyss (Anm. 7), S. 172. 108 Zu denken sind auch an weitere Rechte, etwa die Kunstfreiheit. Im Einzelfall kann auch die Kunstfreiheit im Widerspruch zum Kulturgüterschutz stehen, wie die Über- oder Umarbeitungen alter Werke zeigen (etwa die Übermalung antiker Kratere, wie sie eine Zeitlang beliebt war, die Überarbeitung von Originalzeichnungen berühmter Maler z.B. durch Rubens (FAZ vom 26. 7. 1995, S. N 5) oder das Umgießen einer historischen Krone zu einem Osterhasen). 109 Einzelheiten bei Wyss (Anm. 7), S. 98. n o

Zu den Problemen des Kulturtourismus auch Reichelt, in: Sladek (Anm. 2), S. 75.

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fen wird. 1 1 1 Weiterhin spielt die staatliche Selbstdarstellung durch Kulturgüter und die Volksbildung durch die Museen eine gewichtige Rolle.

5. Begründungsbedürftigkeit von Eingriffen

Die aufgeführten Interessen zeigen, daß ihnen zuwiderlaufende kulturgüterrechtliche Regelungen einer Begründung bedürftig sind. In Konfliktfällen kann lediglich ein weitender Ausgleich zwischen den Rechtspositionen zu akzeptablen Lösungen führen. Im Sinne der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit erscheint es erforderlich, den Kreis der Begründungsmöglichkeiten eng zu halten. Nicht jedwede Begründung kann den Eingriff zugunsten von Kulturgütern rechtfertigen. Indessen ist eine Regelung, die das Eigentum unberührt läßt, unter weniger engen Voraussetzungen zulässig, als eine ins Eigentum eingreifende Maßnahme. Aus diesem Grund ist die Entziehung bereits erworbener Kunstgegenstände nur in besonders gelagerten Fällen legitim, hingegen das Verbot eines Eigentumserwerbs etwa durch Schatzregalien oder Importbeschränkungen unproblematischer. 112

6. Schutz und Pflege

Kulturgüterschutz kann auf zweierlei Weise betrieben werden. Die eine Form ist die Hilfe zur Erhaltung von Kulturgütern. Hilfe kann dem Eigentümer vom Staat oder von internationalen Organisationen (beispielsweise der EU) 1 1 3 gewährt werden, regelmäßig in Form von Zuschüssen, aber auch durch Steuererleichterungen. Hilfeleistungen sind in ähnlicher Weise zwischen den Staaten denkbar, durch finanzielle Leistungen wie durch Entsendung von Experten zur Denkmalrestaurierung. Die UNESCO-Konvention von 1972 begründet im wesentlichen ein solches System zwischenstaatlicher Hilfe. Spektakuläres Erfolgsbeispiel war die Koordination der nationalen Hilfeleistungen bei der Versetzung der Tempel von Abu Simbel. Im nationalen Recht wird dieser Bereich mit Denkmalpflege umschrieben und dem Denkmalschutz gegenübergestellt, der hoheitliche Maßnahmen mit Eingriffscharakter umfaßt. 114 Der internationale Kulturgüterschutz ist gerade nicht auf Akte 111

Dieter Bogner, Tourismus und Denkmalpflege, in: Reichelt (Anm. 3), S. 119 ff. Das Beispiel des geplanten Touristendorfes auf dem Gelände der Pyramiden bei Patrick J.O'Keefe, Foreign Investment and the World Heritage Convention, in: Internat. Journal of Cultural Property, 1994, S. 259 ff. 112 Ein Kompromißcharakter vieler Entscheidungen ist aus diesem Grund unvermeidlich. Die Notwendigkeit von Einzelfallentscheidungen darf indessen nicht dahin verstanden werden, daß die Prinzipien des Kulturgüterschutzes grundsätzlich zur Disposition stünden. 113 Z.B. Entschließung der im Rat vereinigten, für Kulturfragen zuständigen Minister vom 13. 11. 1986 über die Erhaltung des europäischen architektonischen Erbes, ABl. 1986 C 320, S. 1 114 Strobl/Majocco/Birn (Anm. 51), § 1, Rdnr. 3; Bacher (Anm. 3), S. 112 zufolge schirmt Denkmalschutz Denmkäler gegen Willkürakte des Menschen ab.

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mit Eingriffscharakter beschränkt, 115 wenn diese zweite Form, in der Kulturgüterschutz betrieben werden kann, auch den ungleich größeren Bedarf an juristischen Regelungen aufweist. Eingriffe gegenüber dem einzelnen Bürger sind im Denkmalrecht in Form verschiedener Erhaltungs- und Genehmigungspflichten geläufig und können in der Enteignung des Eigentümers gipfeln. Inzwischen kennt auch das Europarecht die Anordnung der Rückgabe eines nach der lex rei sitae gutgläubig erworbenen Kulturguts. 116 Im Völkerrecht werden die Staaten selbst in Pflicht genommen. Überraschenderweise sind die Pflichten der Staaten gegenüber den Kulturgütern im Kriegsfall stärker als im Frieden. Dies liegt an der historischen Entwicklung des überstaatlichen Kulturgüterrechts, das sich aus dem Kriegsvölkerrecht heraus entwickelt hat. Bezüglich willkürlicher Zerstörungen und Beutenahme im Krieg bestand schon Ende des vorigen Jahrhunderts Einigkeit, so daß in der Haager Landkriegsordnung von 1907 bereits eine Normierung erfolgen konnte. Nach den Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg wurde dieser Ansatz eines „Rotkreuz der Kulturgüter" in der Konvention von 1954fortentwickelt. 117 Demgegenüber bleibt es in Friedenszeiten noch immer jedem Staat freigestellt, die auf seinem Territorium befindlichen Kulturgüter zu vernachlässigen oder vorsätzlich zu zerstören. Nach völkerrechtlichen Pflichten der Staaten, ihre Kulturgüter zu schützen und zu erhalten, wird nur sehr zögerlich gefragt, da dies mit einem Eingriff in ihre Souveränität verbunden wäre.

7. Rückführung von Kulturgütern

Die Zuordnung von Kulturgütern zu bestimmten Personen, Bevölkerungsgruppen oder Staaten betrifft auch die im Rahmen des Kulturgüterschutzes sehr wichtige Frage nach der Rückführung von Kulturgütern nach einer Verlagerung. 118 Wie115

Im Gegensatz zur Bewahrung von Kulturgütern, die lediglich den achtungsvollen Umgang mit den Gütern meint, versteht Ermacora (Anm. 2), S. 36 unter Schutz die präventiven und repressiven Maßnahmen, die gegen die Gefährung der Güter gesetzt werden. 116 Die Rückgabe der unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgüter gem. Art. 2 der Richtlinie über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (ABl. 1993, L 74 S. 74) wird unabhängig davon angeordnet, ob nach den Regeln der lex rei sitae rechtmäßig gutgläubig Eigentum erworben wurde, der Eigentümer hat lediglich einen Entschädigungsanspruch gem. Art. 9. 117 Das bestehende Instrumentarium zum Schutz von Kulturgütern hat sich im Kriegsfall als wenig wirkungsvoll erwiesen, Martin Philipp Wyss, Kulturgüter: Ziel und Opfer der Gewalt, Vereinte Nationen, 3/1994, S. 92, 97, wobei zu bedenken ist, daß das Instrumentarium der UNESCO in Fällen kriegerischer Konflikte beschränkt ist, ders., Der völkerrechtliche Schutz von Kulturgütern - Neue Impulse innerhalb der UNESCO in: Humanitäres Völkerrecht 1994, S. 12(14). 118 Grundlegend vor allem Lyndel V. ProttlP. J. O'Keefe, Law and the Cultural Heritage, Bd. 3, Movement, London und Edinburgh 1989, S. 802 ff.

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derum sind die praktischen Fälle vielgestaltig, können jedoch in bestimmte Fallgruppen unterschiedlichen Charakters eingeteilt werden. Die Restitution von gestohlenen Kulturgütern ist hinsichtlich der Begründung unproblematisch. Dem Diebstahl gleichzusetzen ist die unautorisierte Ausgrabung von Kulturgütern. Läßt sich die Herkunft aus einer illegalen Grabung nachweisen, so ist eine Rückgabe heutzutage kaum mehr zu verweigern. 1 1 9 Der Nachweis der Herkunft eines archäologischen Stücks ist indessen in der Praxis normalerweise nicht zu führen. 1 2 0 Problematisch werden die Rückforderungsfälle, wenn am Diebesgut gutgläubig Eigentum erworben wird. Gutgläubiger Erwerb an gestohlenen Sachen ist in einigen Staaten möglich. Traurige Berühmtheit hat neben Italien vor allem die Schweiz erlangt. 1 2 1 Haben die gestohlenen Werke einmal den Weg über ein solches Land genommen, so können sie auch dann wieder in das Land des Diebstahls zurückgebracht und dort offen angeboten werden. 1 2 2 Vor allem amerikanische Gerichte haben sich bei Herausgabeklagen verschiedentlich von den Besonderheiten des Kulturgüterschutzes leiten lassen. 1 2 3 I m Fall der i m nördlichen Teil Zyperns nach der türkischen Besetzung unbefugterweise aus einer Kirche abgenommenen Mosaiken, die i m Genfer Freihafen von einer amerikanischen Kunsthändlerin gekauft und in die USA verbracht wurden, entschied das Gericht in Indiana nach dor119 Spektakulär war die Rückgabe des „Schatzes des Krösus" vom New Yorker Metropolitan Museum of Art, nachdem die türkische Regierung ihn zurückgefordert hatte. Zur Rückgabeklage der Türkei gegen das Baseler Antikenmuseum FAZ vom 14. 8. 1995, S. 28 120 Das zeigte sich etwa im Prozeß um den Seuso-Fund, einem kunstgeschichtlich wie merkantil hochrangigen Fundkomplex, dessen illegalen Export mehrere Staaten gleichzeitig behaupteten; FAZ vom 2. 19. 1993, S. 34 und vom 8. 1. 1994, S. 31; s.a. Antike Welt 2/ 1990, S. 70 ff. Es gibt seltene Ausnahmen. Eine war die „Kapitolinische Trias", die in der Nähe von Rom mit einem Bagger ausgegraben wurde, wobei ein Arm verlorenging. Der anpassende Arm war der Beweis, auf dessen Grundlage die Gruppe aus dem Schweizer Kunsthandel zurückgeholt werden konnte; FAZ vom 30. 4. 1994, S. 29. 121 Die Schweiz kennt auch keine Handelsbeschränkungen für national bedeutendes Kulturgut; Wyss (Anm. 7), S. 153. - Ein positives Beispiel ist demgegenüber die Abschaffung des englischen Gesetzes des „Offenen Markts", demzufolge auf dem offenen Markt der Erwerb vom Nichteigentümer möglich war und aufgrund dessen sich Treffpunkte für den Handel mit gestohlenen Kunstwerken entwickelt hatten, FAZ vom 21.1. 1995, S. 34. 122 Im Fall Winkworth v. Christie, Manson & Woods Ltd. waren in England gestohlene Kunstgegenstände nach italienischem Recht gutgläubig erworben worden, so daß die Gegenstände auf einer nachfolgenden Auktion in England vom Auktionator (aufgrund der maßgeblichen lex rei sitae zur Zeit des Erwerbs) nicht herausgegeben werden mußten; Hans Hanisch , Internationalprivatrechtliche Fragen im Kunsthandel, in: Albrecht Dieckmann u.a. (Hrsg.), Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, Baden-Baden 1986, S. 193 (217 ff.). 123 Zu erinnern ist zudem an den Versuch einer Rechts Vereinheitlichung auf diesem Gebiet durch UNIDROIT. Einzelheiten und Text bei Lyndel V. Prott , The Preliminary Daft Unidroit Convention on Stolen or Illegally Exported Cultural Objects, in: The International and Comparative Law Quarterly, Vol. 41 (1992), S. 160 ff.; Gerte Reichelt , Die Vereinheitlichung des privatrechtlichen Kulturgüterschutzes nach dem UNIDROIT-Vertragsentwurf 1990, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (Anm. 4), S. 67 ff. Die Konvention wurde 1995 unterzeichnet.

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tigern Sachrecht. Bei der Frage des gutgläubigen Erwerbs des Käufers stellte es hohe Anforderungen hinsichtlich der Nachforschungspflicht nach der Herkunft der Mosaiken, wodurch den Besonderheiten des kulturgüterrechtlichen Falles Rechnung getragen wurde und die Rückgabe angeordnet werden konnte. 124 Allerdings wurden die Mosaiken nicht in die Kirche zurückgebracht, aus denen sie entfernt worden waren, sondern werden im Ikonenmuseum von Nikosia aufbewahrt. Die Durchsetzung des kulturgüterrechtlichen Prinzips der Anbindung an den Ort der unmittelbaren Zugehörigkeit wäre hier für den Eigentümer - solange die Zypernfrage ungelöst ist - unzumutbar. Kaum ein Beispielsfall eignet sich in gleicher Weise, die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des Kulturgüterschutzes zu verdeutlichen, wie die der Mosaiken von Lythrankomi. 125 In Staaten, die keinen gutgläubigen Erwerb von gestohlenen Sachen kennen, kann an Kulturgütern aus Museumsbesitz Eigentum erworben werden, wenn Museumsmitarbeiter Gegenstände veruntreuen 126 oder wenn Sachen in einer öffentlichen Auktion versteigert werden. 127 In Deutschland würde die wünschenswerte Herausnahme aus dem Kreis handelbarer Güter eine Widmung voraussetzen, die indessen bisher einer gesetzlichen Grundlage entbehrt. 128 In der Praxis wird - auch in rechtlich scheinbar eindeutigen Lagen - unsicheren und zeitraubenden Herausgabeklagen gegenüber teilweise vorgezogen, dem Dieb oder seinen Nachkommen für die Herausgabe einen „Finderlohn" zu bezahlen.129 124

Autocephalous Greek-Orhodox Church of Cyprus v. Goldberg; Einzelheiten bei Siehr (Anm. 4), S. 83 (94f.); ders. Zivilrechtliche Fragen des Kulturgüterschutzes, in: Reichelt (Anm. 3), S. 41 (59 ff.). 125 In ähnlicher Weise von kulturgüterrechtlichen Erwägungen geleitet war das New Yorker Gericht im berühmten Fall der Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon. Es ordnete die Rückgabe der in den USA vom beklagten Anwalt und Kunstsammler Elicofon nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs einem Soldaten abgekauften Dürerbilder an die Kunstsammlungen zu Weimar an, nachdem gutgläubiger Erwerb verneint worden war; Hanisch (Anm. 122), S. 216. 126 Ein praktisches Beispiel ist der Bibliotheksangestellte, der neben wertvollen Urkunden aus Büchern herausgetrennte Stahlstiche auf Sammlerbörsen und an Antiquariate verkaufte; FAZ vom 10. 6. 1994, S. 9. Erwähnenswert ist zudem der Fall des amerikanischen Kunsthistorikers, der Manuskripte aus der Bibliothek des Vatikan ausgeliehen hatte und sie später einem Buchhändler zum Weiterverkauf anbot, FAZ vom 24. 5. 1995, S. 11 und vom 1. 6. 1995, S. 32. § 935 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB. Hieran scheiterte im Hamburger Stadtsiegelfall die Stadt Hamburg, die zunächst im Zivilrechtsweg und dann, auf öffentlich-rechtliche Widmung gestützt, im Verwaltungsrechtsweg das nach Ausgang des Zweiten Weltkriegs entwendete und später öffentlich versteigerte Stadtsiegel vergeblich herauszuklagen versuchte; BGH NJW 1990, S. 899 ff. und Urteil des OVG Münster, 20 A 1289/91 vom 25. 2. 1993; Gerrit Manssen, Der Hamburger Stadtsiegelfall, JuS 1992, 745 ff.; Frank Fechner, Der Hamburger Stadtsiegelfall, JuS 1993, S. 704. Verschiedene Konzepte und ihre Schwierigkeiten bei Reinhard Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium"?, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (Anm. 4), S. 199 ff.; ders. Museums- und Archivgut als „res extra commercium"?, in: Reichelt (Anm. 3), S. 141 ff. M 128

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Charakteristisch dafür ist der Fall des Quedlinburger Domschatzes. 1 3 0 So überzeugend diese Vorgehensweise auf den ersten Blick erscheint, ist doch hinsichtlich der vielen zu erwartenden Parallelfälle die Gefahr einer Festlegung auf das einmal gewählte Verfahren nicht zu übersehen, das allzuschnell an finanzielle Grenzen stoßen wird. In der Theorie noch unproblematischer ist die Rückführung von im Krieg als Beute entführten KulturgutsP x Ebenso wie beim Diebstahl oder illegaler Ausgrabung ist die Rückführung in diesen Fällen ein Gebot der Gerechtigkeit und zudem eine Sanktion gegenüber dem Rechtsbrecher. Seit der Haager Konvention von 1954 ist die Rückgabepflicht nicht zweifelhaft, jedoch ist bereits zuvor eine entsprechende völkergewohnheitsrechtliche Pflicht anzunehmen, liest man diese nicht aus der Haager Landkriegsordnung von 1907 heraus. In der Praxis der Rückführungsfälle lassen sich die rechtlichen Vorgaben allerdings nicht von den politischen Implikationen trennen. 1 3 2 Von der Restitution gestohlenen Kulturguts zu unterscheiden ist die Rückstellung von unerlaubt ausgeführtem Kulturgut. 133 Soweit keine Abkommen existie-

129 Die Berufung auf eine frühere Eigentümerstellung kann, etwa wenn es sich um ein Museum handelt, das auf ein Inventarverzeichnis verweisen kann, zumindest Kaufinteressenten davon abhalten, den Preis in die Höhe zu treiben. 130 Im Fall des von einem amerikanischen Soldaten am Ende des Zweiten Weltkriegs gestohlenen Quedlinburger Domschatzes handelte es sich um mehrere Millionen Dollar. Anklagend Siegfried Kogelfranz / Willi A. Körte, Quedlinburg - Texas und zurück. Schwarzhandel mit geraubter Kunst, München 1994. 131

Zur Geschichte der Rückführung von im Krieg entführten Kulturgütern Engstier (Anm. 1), S. 78ff. Zum Kunstraub während und nach dem zweiten Weltkrieg: Lynn H. Nicholas, , Der Raub der Europa. Das Schicksal europäischer Kunstwerke im Dritten Reich, München 1995; Jakob Kurz, Kunstraub in Europa 1938-1945, Hamburg 1989; Günther Haase, Kunstraub und Kunstschutz. Eine Dokumentation, Hildesheim 1991; Charles de Jaeger, Das Führermuseum. Sonderauftrag Linz, München 1988; Cay Friemuth, Die geraubte Kunst. Der dramatische Wettlauf um die Rettung der Kulturschätze nach dem Zweiten Weltkrieg (Entführung, Bergung und Restitution europäischen Kulturgutes 1939-1948), Braunschweig 1989; Günter Wermusch, Tatumstände (un)bekannt. Kunstraub unter den Augen der Alliierten, Braunschweig 1991. 132 Das von Rußland vorgetragene Argument, die Haager Konvention von 1907 habe im Zweiten Weltkrieg ihre Gültigkeit verloren, weil der deutsche Aggressor zuvor in der Sowjetunion unvorstellbare Kriegsverbrechen begangen habe (FAZ vom 14. 5. 1994, S. 27, „Legaler Kunstraub?") entbehrt der rechtlichen Grundlage, dazu Wilfried Fiedler, Warum wird um die Kriegsbeute noch immer gestritten?, FAZ vom 4. 11. 1994, S. 42; Christine Höhn, Die Verlagerung deutscher Kulturgüter nach dem Zweiten Weltkrieg aus völkerrechtlicher Sicht, Humanitäres Völkerrecht, 1995, S. 26 (31 f.); Ansgar Grow/ Peter Weiss, Einleitung zu Pawel Nikolaewitsch Knyschewskij, Moskaus Beute. Wie Vermögen, Kulturgüter und Intelligenz nach 1945 aus Deutschland geraubt wurden, München u.a. 1995, S. 7 ff. Klaus Goldmann/ Wolf gang Schneider, Das Gold des Priamos. Geschichte einer Odyssee, Leipzig 1995, insbes. S. 172, 174 ff. Zu den gegensätzlichen Positionen auch Konstantin Akinscha/Grigori Koslow, Beutekunst. Auf Schatzsuche in russischen Geheimdepots, München 1995, insbes. S. 298 ff. 1 33 Reichelt, in: Sladek (Anm. 2), S. 69.

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ren, hat ein einzelstaatliches Exportverbot nur territorial begrenzte Wirkung. 134 Die Rückgabe auf freiwilliger Basis wird seitens staatlicher Stellen oftmals vermieden, um keine Präzedenzfälle zu schaffen. Desungeachtet sind Rückgaben verschiedentlich ohne äußeren Druck erfolgt. 135 In den meisten Fällen handelt es sich um Rückgaben privater Sammler, die ein Gerichtsverfahren vermeiden möchten. Beispielsweise mußte die Tempelfassade von Campeche zurückgegeben werden, da das Metropolitan Museum, dem sie angeboten wurde, den Ankauf ablehnte und mit gerichtlichen Schritten drohte. 136 Es lassen sich indessen Fälle benennen, in denen Gerichte Exportgesetze anderer Staaten anerkannten. 137 Von besonderer Weitsicht zeugt es, wenn Gerichte völkerrechtliche Regeln, die erst im Entstehen begriffen sind, anwenden, auch wenn eine völkervertragliche oder völkergewohnheitsrechtliche Pflicht tatsächlich nicht oder noch nicht besteht. Der Bundesgerichtshof hat sich im Nigeria-Fall (in dem es um die Wirksamkeit eines Versicherungsvertrags für illegal exportierte Kunstgegenstände ging) auf die Grundsätze der UNESCO-Konvention von 1970 berufen, die von der Bundesrepublik nie ratifiziert worden ist. 1 3 8 Zwei weitere Fallgruppen betreffen länger zurückliegende Fälle der Verlagerung von Kulturgütern. In allen Fällen länger zurückliegender Verlagerungen wird der Herausgabeanspruch regelmäßig an Verjährung, Ersitzung oder Verwirkung scheitern. Rückwirkende Rückgabepflichten sind vor allem bei legalem Erwerb aus Gründen der Rechtssicherheit problematisch. Wurde ein Gegenstand rechtmäßig erworben, besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Rückgabe von Kulturgütern aus allgemeinem Völkerrecht. 139 Es haben sich zudem häufig neue, ebenfalls wirkungsvolle Bindungen ergeben, etwa die in einer historisch gewachsenen Sammlung. 1 4 0 Andere Argumente, die gegen eine Herausgabe angeführt werden, sind

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Im berühmten Fall Attorney General of New Zealand v. Ortiz verlangte Neuseeland die Rückgabe einer eindeutig illegal ausgeführten geschnitzten Figur der Maori, die ein Sammler von einem englischen Auktionshaus versteigern lassen wollte. Die englischen Gerichte lehnten das Herausgabeverlangen unter Hinweis auf die territorial begrenzte Wirkung des Exportverbots ab; Greenfield (Anm. 7), S. 168 ff.; Hanisch (Anm. 122), S. 204 ff. »35 Beispiele bei Greenfield (Anm. 7), S. 260 ff. 136 Greenfield (Anm. 7), S. 272 f.; Meyer (Anm. 91), S. 39 ff. 137 So wurde im Fall „Republik Ekuador gegen Danusso" die Herausgabe einer Sammlung präkolumbianischer Kunst, die ohne Ausfuhrgenehmigung nach Italien gebracht und dort ausgestellt worden war, von einem Gericht in Turin angeordnet; Hanisch (Anm. 122), S. 200 f. 138 BGHZ 59, 82 ff. 139 Rudolf Dolzer, Kulturgüter im Friedensvölkerrecht, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (Anm. 4), S. 149 (152). Eine generelle Provenienzregel für Kulturgüter hat sich bisher im Völkerrecht nicht herausgebildet, Walter (Anm. 34), S. 123. u o In bestimmten Fällen gibt es keinen Rechtsnachfolger des rechtmäßigen Eigentümers und ein rechtmäßiger Besitz kann zu Eigentum erstarken. Hartmut Schiedermair, Kunst im Völkerrecht. Das Eigentum am Krönungsschatz des Heiligen Römischen Reiches, in: Eckart

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hingegen oft sehr umstritten, etwa die Behauptung, das Objekt könne am Herkunftsort nicht ausreichend geschützt werden. In vielen Fällen trifft es zu, daß eine Rückführung an den ursprünglichen Ort nicht sinnvoll ist und allenfalls eine Aufstellung in einem Museum des Herkunftsstaates möglich erscheint. 141 Sinnlos ist eine Rückgabe vor allem, wenn ein Objekt nicht die intendierte Verortung erfährt, sondern wieder in den Kunsthandel zurückgeführt wird. 1 4 2 Als Spezialfall im Rahmen der Rückgabefrage wird der Abtransport von Kulturgütern aus früheren Kolo143

nien erörtert. Ein echtes Bedürfnis an einer Rückführung ist dann anzunehmen, wenn ein Land so starke Verluste an Kulturgütern erlitten hat, daß es nicht mehr in der Lage ist, seine Kulturgeschichte für die eigene Bevölkerung adäquat zu dokumentieren. 144 Eine Repatriierungspflicht kann aus kulturgüterrechtlicher Sicht vor allem bei bodenständigem Kulturgut angenommen werden, das nur an seinem Herkunftsort sinnvoll zu nutzen ist. 1 4 5

8. Nationale und internationale Schutzmechanismen

Abschließend ist kurz zu überdenken, welche Rechtsnormen die Prinzipien des Kulturgüterschutzes am besten wirksam machen können. Anzustreben ist auf längere Sicht ein umfassendes Schutzsystem, das auf der Zusammenarbeit der Staaten aufbaut. 146 Allerdings darf die Schwäche von Konventionen nicht übersehen werden, die häufig keine echten Pflichten auferlegen und nur einzelne Staaten einbeziehen, wenn es nach jahrelangen Verhandlungen überhaupt zu einem Konsens Klein (Hrsg.), Grundrechte, soziale Ordnung und Verfassungsgerichtsbarkeit. FS für Ernst Benda, Heidelberg 1995, S. 235 (263). 141 Das trifft etwa hinsichtlich der „Elgin Marbles" zu. Bezüglich der Elgin Marbles s. insbes. Greenfield (Anm.7), S. 47 ff.; Walter (Anm. 34), S. 136 ff. 142 Die Afo/A/Kom, eine Statue, die angeblich den geistigen, politischen und religiösen Gehalt des Kom-Volkes verkörperte, gelangte bald nach der Rückgabe wieder auf den Kunstmarkt; Greenfield (Anm. 7), S. 273 f. 143 Insoweit mit vielen Beispielen anklagend vor allem Gert v. Paczensky / Herbert Ganslmayr , Nofretete will nach Hause. Europa - Schatzhaus der „Dritten Welt", München 1984. Eine Restitutionspflicht sowohl aus kolonialer Herrschaft als eines deliktsrechtlichen Unrechtstatbestands wird ebenso diskutiert wie aus dem Selbstbestimmungsrecht ehemaliger Kolonien mit ihrem Recht auf Entwicklung; Dorothee Schulze , Die Restitution von Kunstwerken, Bremen 1983, S. 71 ff., 135 ff.; Walter (Anm. 34), S. 93 ff. 144 Lyndel V. Prott , Restitutionspolitik der UNESCO in Zusammenarbeit mit Museen, in: Reichelt (Anm. 3), S. 157(161). 14 5 Reinhard Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, in: Kunst und Recht. Justiz und Recht, Heidelberg 1985, S. 15 (29). Zu den Argumenten für eine Bewahrung von Kulturgut in dem Gebiet, in dem es entstanden ist und den Gegenargumenten Engstier (Anm. 1), S. 15 ff. 146 Vgl. Ignaz Seidl-Hohenveldern, La protection internationale du patrimoine culuturel national, Revue Générale de Droit International Public, 1993, S. 395 (397).

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kommt. Zudem werden regelmäßig, wenn überhaupt, nur Pflichten im Verhältnis zu den anderen Vertragsstaaten begründet. 147 Aus Sicht des Kulturgüterschutzes ist daher ein Handeln der Nachfragestaaten erforderlich und zwar auch, soweit es sich nicht um „eigenes" Kulturgut handelt. Ein eklatanter Widerspruch zu den Prinzipien des Kulturgüterschutzes ist es, wenn die Staaten, die ausländische Kulturgüter absorbieren, die Verantwortung für die Kulturgüter ausschließlich bei den Herkunftsstaaten sehen wollen. Die Vorstellung, die Herkunftsstaaten müßten die Ausfuhr ihrer Kulturgüter und ihre Fundstellen besser kontrollieren, 148 geht an der Realität vorbei. Eine wirksame Überwachung ist für viele Staaten kaum möglich. Fundstellen sind häufig groß und unübersichtlich, 149 soweit sie überhaupt bekannt sind. Darüber hinaus ist es aufgrund kriegerischer Ereignisse oder innerer Wirren oftmals faktisch unmöglich, Fundstellen, Kirchen, Tempel usw. zu schützen, wie die Ausplünderung der Länder Osteuropas, Afghanistans usw. augenscheinlich macht. 150 Dies zeigt, daß eine Liberalisierung der Ausbeutung von Kulturgütern 151 nicht den gewünschten Erfolg haben kann. Hat ein Land keine Verbotsgesetze, so kann es freilich keinen illegalen Handel geben. Für Kulturgüter ist es indessen gleichgültig, ob sie legal oder illegal zerstört werden. Schließlich gibt es auch Staaten, die nicht ungern am Verkauf der eigenen Kulturgüter profitieren. 152 Der Verweis auf die Verantwortung der anderen Staaten verfängt schon deswegen nicht, weil es Fundstellen außerhalb des Hoheitsgebiets von Staaten gibt, die in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden, nämlich die auf dem Meeresboden im Gebiet der Hohen See. Aus diesem Grund ist die immer wieder geforderte Anerkennung ausländischer Exportgesetze aus Sicht eines prinzipiengeleiteten Kulturgüterschutzes nicht der 147 Kritisch auch Schmeinck (Anm. 10), S. 202. 148

Andrea Jäger, Internationaler Kulturgüterschutz. Rechtslage - Rechtspraxis - Rechtsentwicklung, Köln u.a. 1993, S. 80. 1 49 Beispielsweise werden abgeschlagene Köpfe und Reliefs der Tempel von Angkor, wo sich sieben Tempelstädte auf hunderten von Quadratkilometern verteilen, direkt an Ort und Stelle verkauft. Aus Thailand können Stücke aus dem Fotoalbum, quasi nach Katalog bestellt werden. Ein Wächter wurde erschossen, um im Büro des des Konservators von Angkor Wat lagernde Steinobjekte zu stehlen; FAZ vom 16. 8. 1994, S. 9; Die Zeit vom 29. 1. 1993, S. 63. Aus China werden Antiquitäten mithilfe chinesischer Zöllner ins Ausland geschmuggelt; FAZ vom 3. 5. 1994, S. 12; hinsichtlich der Grabplünderungen FAZ vom 22. 8. 1992 (Bilder und Zeiten). 1 50 Sehr aufschlußreich für die Praktiken des Kunsthandels mit illegal ergrabener oder exportierter Ware die Darstellung eines „Insiders", Michel van Rijn, Hot Art, Cold Cash, London 1993. 151 So unverständlicherweise Merryman (Anm. 63), S. 96 und ders. (Anm. 25), S. 849 bezüglich archäologischer Substanz! 152 So beispielsweise die frühere DDR; FAZ vom 21. 2. 1992, S. 4 zum zweifelhaften Fall BGH W M 1988, S. 1739ff.; s.a. den Diskussionsbeitrag Eckhard Leberl, in: Dolzer/Jayme/ Mußgnug (Anm. 4), S. 139; s.a. „Durch eine Hintertür auf den Weltmarkt. Plünderungen bestätigt: Die problematischen Tauschgeschäfte der Völkerundemuseen in Leipzig und Dresden", FAZ vom 8. 6. 1995, S. 38.

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richtige Weg. Einerseits müßte der importierende Staat überzogene Exportverbote einzelner Länder anerkennen, 153 während umgekehrt zu liberale oder nicht bestehende Exportgesetze dem Kulturgüterschutz nicht gerecht würden. 154 Vorzugswürdig erscheinen insoweit Importverbote, die an den Prinzipien des Kulturgüterschuztes ausgerichtet sind. 155 Gerade angesichts einer gebotenen Liberalisierung des Welthandels gilt es, die Ausnahmen zugleich mit zu formulieren. Importverbote sind durch weitere nationale Gesetze zu ergänzen, um dem Verbot im Inland zur Wirksamkeit zu verhelfen. Die Vorschläge dafür sind vielfältig. Ihre Realisierbarkeit, zu erwartende Akzeptanz und Praktikabilität sind hingegen sehr unterschiedlich. Beispielsweise wird die Einführung eines sog. „Kunstobjekt-Briefs" erwogen, der die ursprüngliche Herkunft des Stückes dokumentiert. 156 Immerhin läßt sich fragen, warum für Kulturgüter nicht verlangt werden sollte, was für Kraftfahrzeuge eine Selbstverständlichkeit ist. Einige Staaten kennen die Pflicht, Ausgrabungsstücke bis zu einem bestimmten Zeitpunkt registrieren zu lassen. Objekte die später unregistriert auftauchen, unterstehen der Vermutung unrechtmäßiger Ausgrabung. 157 Als eine weitere Ergänzung von Export- und Importgesetzen ist die Einführung einer „Unredlichkeitsvermutung" für bestimmte Warengruppen bzw. Waren bestimmter Herkunft zu erwägen, wie sie vom Europarat vorgeschlagen wurde. Kunsthändler und Käufer wären - in Umkehrung der bisherigen Beweislastregeln - insoweit für die legale Herkunft eines Stückes beweispflichtig. 158 Weniger effektiv, indessen leichter praktikabel und ohne großen Aufwand durchsetzbar ist die Einführung eines Erlaubnissystems, etwa für Händler, die mit archäologischen Fundstücken Handel treiben wollen, wobei der Handel mit Neufunden, die nicht aus wissenschaftlichen Grabungen stammen, ausgeschlossen wäre. 159 Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn nicht besonders aufgeführte Versagungsgründe gegeben sind, etwa die Unzuverlässigkeit des Händlers. Die Er153

In dieser einseitigen Unterstützung des Kulturnationalismus liegt der Grund für das Scheitern der UNESCO-Konvention von 1970; Merryman (Anm. 25), S. 844 f., 850. 154 Ein gegenwärtig „legaler" Erwerb im Inland kann dennoch den Prinzipien des Kulturgüterschutzes widersprechen. 155 Ein Vorbild dafür kann das Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen sein. Durch das Artenschutz-Übereinkommen ist z. B. der internationale Markt für Elfenbein zusammengebrochen, nachdem zuvor ca. 95 % des Elfenbeins auf dem internationalen Markt illegalen Ursprungs gewesen war; FAZ vom 19. 10. 1994, S. N1 und vom 19. 11. 1994, S. 1; s.a. 6. 7. 1992, S. 31. 156 Hanisch (Anm. 122), S. 223. 157 Patrick J. O'Keefe , Feasibility of an International Code of Ethics for Dealers in Cultural Property for the Purpose of More Effective Control of Illicit Traffic in Cultural Property, Paris 1994, S. 17. 158 Corinne Ibram (Anm. 102), S. 24.

159 Dazu Frank Fechner , Archäologie und Kunsthandel aus juristischer Sicht, in: Hans Georg Niemeyer (Hrsg.), Archäologie, Raubgrabungen und Kunsthandel. Podiumsdiskussionen auf der 23. Mitgliederversammlung des Deutschen Archäologen-Verbandes in Münster, 26. Juni 1993, Hannover 1995, S. 41 (47 f.).

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laubnis ist zu widerrufen, wenn sich herausstellt, daß der Händler unautorisiert ergrabenes Fundgut i m Handel ankauft oder vertreibt, wobei dem Händler hinsichtlich der Herkunft der Ware in gewissem Umfang eine Nachweispflicht aufzuerlegen i s t . 1 6 0 Ein solches System hat den Vorteil, freiwillige Verhaltenskodices, zu denen sich viele seriöse Kunsthändler verpflichten, 1 6 1 lediglich gesetzlich festzuschreiben und mit staatlichen Sanktionen zu versehen und nicht verbandsmäßig organisierte Händler in den Regelungsbereich mit einzubeziehen. 1 6 2 Die theoretischen Überlegungen hinsichtlich des Kulturgüterschutzes können somit ohne weiteres zu konkreten rechtlichen Regelungsvorschlägen führen, die innerstaatliche Normen ebenso umfassen wie internationale Konventionen. Erforderlich für den Erfolg ist der politische Wille, Kulturgüter um ihrer selbst willen zu schützen und sich daher von sachgererechten Prinzipien leiten zu lassen. Das vorliegende Buch möge dazu einen Beitrag leisten.

160 Auch dies ist in einigen Staaten bereits Praxis, Patrick J. O'Keefe, Feasability of an International Code of Ethics for Dealers in Cultural Property for the Purpose of More Effective Control of Illicit Traffic in Cultural Property, UNESCO-Report 1994, S. 21. 16 1 Nachdem bereits 1986 der Internationale Museumsrat (Council of Museums) in einem Kodex des Berufsethos formuliert hat, daß ein Museum keine Objekte anschaffen sollte, bei denen begründeter Verdacht besteht, daß ihre Beschaffung eine unwissenschaftliche oder wissentliche Zerstörung oder Beschädigung von alten Monumenten oder archäologischen Plätzen in der jüngeren Zeit beinhaltet, hat sich 1987 auch der internationale Kunsthandelsverband Confédération Internationale des Négociants en Oeuvres d'Art (C.I.N.O.A.) einen Verhaltenskodex gegeben. Demzufolge verpflichten sich die Mitglieder von Verbänden, die der C.I.N.O.A. angeschlossen sind, im Rahmen des Möglichen, sich nicht am Import, Export oder Handel solcher Kunstwerke zu beteiligen, bei denen ein hinreichender Grund zur Annahme besteht, daß sie unrechtmäßig erworben wurden, daß ein importierter Gegenstand in seinem Herkunftsland oder unter Verstoß gegen das dort geltende Recht erworben oder exportiert wurde, oder daß ein importierter Gegenstand ohne die erforderliche Erlaubnis ausgegraben oder aus Ausgrabungsstätten erworben wurde. Der Verhaltenskodex fordert darüber hinaus unter bestimmten Voraussetzungen die Rückführung solcher Gegenstände in ihr Ursprungsland; abgedruckt in: Die Weltkunst 1987, S. 2913; O'Keefe, a.a.O.., S. 68. 162 Eine Chance für die Realisierung einer nationalen, an übergeordneten Prinzipien des Kulturgüterschutzes ausgerichteten Regelung bietet die Neufassung des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes von 1954, die durch die Regelungen der EG überfällig geworden ist.

Zur Geschichte des rechtlichen Kulturgüterund Denkmalschutzes Von Felix Hammer*

I . Kulturgüterschutzrecht und Denkmalschutzrecht Der rechtliche Kulturgüterschutz beruht auf langen und bedeutenden Traditionen 1 . Ausprägungen lassen sich in den meisten höher entwickelten Gemeinwesen und Rechtsordnungen Europas seit der Antike feststellen. Z u m Kulturgüterschutzrecht i m strengen Sinn dürfen freilich nur solche Vorschriften gerechnet werden, die Gegenstände primär wegen der in ihnen enthaltenen Kulturwerte schützen. Somit ist zum einen ein - bereits i m klassischen Griechenland und i m römischen Reich bekannter - Kultstättenschutz, der sich geheiligter Objekte allein wegen ihrer sakralen Qualität annahm 2 , aus den Betrachtungen auszuschließen. Dasselbe gilt für Bestimmungen, die Kulturwerte aus ökonomischen oder sicherheitsrechtlichen Motiven bewahren wollten. Derartige Vorschriften lassen sich insbesondere in der Polizeigesetzgebung der frühen Neuzeit vielfach feststellen. Sie räumten et* Dr. iur., Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Tübingen. 1 Aus Raumgründen werden nur einige Literatur- und Quellenbelege beigefügt. Zur Ergänzung sei auf folgende Arbeiten verwiesen: Hans Foramitti, Kulturgüterschutz. Empfehlungen zur praktischen Durchführung, Teil 1, Wien u.a. 1970, S. 17 ff.; Kifle Jote, International Legal Protection of Cultural Heritage, Stockholm 1994, insb. S. 25 ff.; für Deutschland: Martin Hechel, Staat Kirche Kunst. Rechtsfragen kirchlicher Kulturdenkmäler, Tübingen 1968, S. 18 ff.; Edmund Gassner, Geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts und des städtebaulichen Gestaltungsrechts, in: Rudolf Stich/ Wolfgang Burhenne u.a. (Hrsg.), Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Loseblattausg., Berlin 1983ff., Glied.-Nr. 090/S. 1 ff.; Felix Hammer, Die geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts in Deutschland, Tübingen 1995; England: Nikolaus Boulting, The Law's Delays: Conservationist Legislation in the British Isles, in: Jane Fawcett (Hrsg.), The Future of the Past. Attitudes to Conservation 11741974, London 1976, S. 9ff.; Frankreich: Paul Léon, La Vie des Monuments Français. Destruction. Restauration, Paris 1951; Österreich: Theodor Brückler, Vom Konsilium zum Imperium. Die Vorgeschichte der österreichischen Denkmalschutzgesetzgebung, in: Österr. Zeitschr. für Kunst u. Denkmalpflege, XLV (1991), S. 160 ff.; Ernst Bacher, Öffentliches Interesse und öffentliche Verpflichtung, ebd., S. 152 ff.; USA: Charles B. Hosmer, Jr., Presence of the Past: A History of the Preservation Movement in the U.S. before Williamsburg, New York 1965; ders., Preservation Comes of Age: From Williamsburg to the National Trust, 1926-1949, 2 Bde., Charlottesville / Virginia 1981; William J. Murtagh, Keeping Time. The History and Theory of Preservation in America, New York 1988, 1993; Schweiz: Albert Knoepfli , Schweizerische Denkmalpflege. Geschichte und Doktrinen, Zürich 1972, S. 11-55. 2 Karl-Jürgen Krause, Denkmalschutz im Altertum, Die alte Stadt 1986, S. 267 ff., 267 ff.

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wa der kostengünstigeren Substanzerhaltung Vorrang ein gegenüber einer aufwendigeren Ersetzung3. Das Denkmalrecht im eigentlichen Sinne, das die Vorschriften umfaßt, die bestimmte Kulturgüter wegen der in ihnen manifestierten Geschichte, gleichzeitig aber auch wegen eines ihnen immanenten, überzeitlich bedeutsamen, historisch radizierten Geistes schützen, bildet nur einen Teilbereich des allgemeinen Kulturgüterschutzrechts und ist erheblich jünger als dieses. In seiner vollendeten Form ist es im wesentlichen ein Resultat der europäischen Aufklärung und Romantik.

II. Frühe Erscheinungsformen kulturgüterund denkmalschützender Vorschriften Kulturgüterschutzvorschriften im strengen Sinne ergingen bereits seit Ende der Republik in Rom 4 ; sie lassen sich während der gesamten Spätantike, ebenso wenn auch eher selten - im Verlauf des Mittelalters feststellen. Teils lag ihnen nur die Idee eines Schutzes wertvoller Kunstwerke zugrunde, teils bezweckten sie auch die würdige und gute Gestaltung von Gebäuden oder Stadtbildern und die Erhaltung von Monumenten, die für deren Prägung wichtig waren. Mehrere derartige Bestimmungen römischer Kaiser aus dem 3. bis 5. Jahrhundert finden sich im Codex Justinianus 5, die sowohl öffentliche als auch private Gebäude betreffen. So wurde verboten, Gebäude abzubrechen und dadurch den öffentlichen Anblick zu verunstalten, oder Bau Verzierungen zu entfernen und so das Stadtbild zu schädigen. Andererseits wurde zur Ausbesserung und Vollendung ruinöser und unfertiger Gebäude aufgefordert und befohlen, Geldmittel zur Ausbesserung öffentlicher Gebäude einzusetzen, oder Neubauten erst zu beginnen, wenn die vorhandenen Bauwerke in guten Stand gesetzt wurden. Ein wichtiges Beispiel aus dem früheren Mittelalter stellt das 807 ergangene Capitulare Aquense Karls des Großen dar 6. Vom Ende des Mittelalters mag die Erwähnung einer - privatrechtlichen - Bestim3

Genannt seien nur zwei Vorschriften, die im 17. Jh. im Herzogtum Württemberg ergingen: Verfügung in Betreff des Abbruchs von Häusern v. 24. 11. 1645, abgedruckt: A. L. Reyscher (Hrsg.), Vollständige, historisch und kritisch bearbeitete Sammlung der württembergischen Gesetze, 13. Bd., Regierungsgesetze 2. Theil (bearb. von G. Zeller ), Tübingen 1842, S. 52 f.; General-Rescript, die Aufsicht über die Anfertigung und Ausbesserung von Kirchenorgeln betr., v. 2. 5. 1673: ebd., S. 512 f.; hier der Sparsamkeitsaspekt eigens und deutlich erläutert. 4 J[osef] Kohler , Das Recht der Kunstwerke und Alterthümer, in: Archiv für Bürgerl. Recht, Bd. 9 (1894), S. 56ff.; Krause (Anm. 2), S. 277 ff. 5 Publiziert am 16. 11. 534. Cod. Just. 8, 10, 2; 8, 10, 6; 8, 10, 7; 8, 11, 5; 8, 11, 11; 8, 11, 16; 8, 11, 22; in deutscher Übersetzung bei: Gottfried Härtel/Frank-Michael Kaufmann (Hrsg.), Codex Justinianus, Leipzig 1991, S. 168 ff. 6 Abgedr.: Monumenta Germaniae Histórica, Leges, Bd. I, Hannover 1835, Neudruck 1965, S. 148 f., unter Nr. 7: Bei Kirchen sollte dafür Sorge getragen werden, daß sie sich insbesondere im Erscheinungsbild („necnon in pictura") in gutem Zustand befänden.

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mung aus Nürnberg genügen: Im frühen 16. Jahrhundert nahm der Karmeliterprior Andreas Stoß eine Bestimmung in sein Testament auf, wonach ein von ihm gestifteter und von seinem Vater Veit Stoß geschaffener Flügelaltar nicht farbig gefaßt und nur an Feiertagen geöffnet werden dürfe, sowie daß vor ihm wegen des Rauchs keine großen Kerzen aufgestellt werden sollten7. Ebenfalls im Wege testamentarischer Verfügungen ordneten in der frühen Neuzeit württembergische Herzöge zunächst die Unteilbarkeit der Stammkleinodien, später auch die der Kunstkammer an, um sie vor Aufspaltung und Verschleuderung zu bewahren8. Diverse Vorschriften zum Schutz von Kunst- und Kulturwerten waren seit der Spätantike auch in der katholischen Kirche vorhanden, die ganz offensichtlich nicht allein religiös motiviert waren 9. Seit der Reformation trafen die evangelisch gewordenen Landesherren ebenfalls immer wieder Maßnahmen zugunsten der in ihren Territorialkirchen vorhandenen Kulturgüter 10. Eine ganze Reihe von Normen, die im Interesse eines wohlgestalteten Stadtbildes den Abbruch von Gebäuden verboten (oft mit der Einschränkung: sofern sie nicht in besserer Form wiederaufgebaut würden), findet sich seit der Renaissance in Italien, besonders in Rom 11 , ähnliche Vorschriften sind aber auch im übrigen Europa anzutreffen 12. In besonderem Maße bezog der aufgeklärte Absolutismus die Pflege der Kultur in seine umfassende Wohlfahrtsgesetzgebung ein 13 . 7

Alfred Schädler, Stetigkeit und Wandel im Werk des Veit Stoß, in: Veit Stoß in Nürnberg. Werke des Meisters und seiner Schule in Nürnberg und Umgebung, München 1983, S. 27 ff., 39. 8 Stammkleinodien: Hzg. Ludwig, Testament von 1592/93, abgedr.: Reyscher (wie Anm. 3), 2. Bd., Staats=Grund=Gesetze 2. Theil, Stuttgart/Tübingen 1829, S. 236ff., 241 f.; außerdem Kunstkammer: Eberhard III., Testament von 1664, revidiert 1674, abgedr.: ebd., S. 401 ff., 404. 9 Louis Carlen, Denkmalschutz u. Kirchenrecht, in: Das Denkmal und die Zeit. FS f. Alfred A. Schmid, Luzern 1990, S. 38 ff., 39f.; Peter Leisching, Haec Aedes Mysterium Adumbrat Ecclesiae. Kirchliches Recht zur Wahrung von Kunstwerken, in: Österr. Archiv f. Kirchenrecht, 29. Jg. (1978), S. 340 ff., 341 f. 10 Zu Wesen und Grenzen: Heckel (Anm. 1), S. 18 f. u Kohler (Anm. 4), S. 63 ff.; Peter Leisching, Roma Restauranda. Versuch einer Geschichte des päpstlichen Denkmalschutzrechtes, in: Erwin Gatz (Hrsg.), Römische Kurie. Kirchliche Finanzen. Vatikanisches Archiv, Studien zu Ehren v. Hermann Hoberg, 1. Teil, Rom 1979, S. 425 ff., 429 ff. 12 So im Herzogtum Württemberg: Neue Bauordnung des Fürstenthums W. v. 1. 3. 1568, abgedr.: Reyscher (wie Anm. 3), 12. Bd., Regierungsgesetze 1. Theil (bearb. von G. Zeller), Tübingen 1841, S. 347 ff., 357, ebenso Zweite BauO v. 2. 1. 1655, Reyscher, 13. Bd. (Anm. 3), S. 152 ff., 192. 13

So finden sich einerseits Verunstaltungsschutzvorschriften in den großen Kodifikationen des späten 18. Jhs., andererseits aber auch Bestimmungen, die Beschädigungen von Statuen und Denkmälern (noch nicht im späteren Sinn des historischen Denkmals) unter Strafe stellten. Ein Beispiel bietet das preußische ALR, das Allgemeine Gesetzbuch für die Preuß. Staaten (in Kraft getreten 1794): I. Theil 8. Titel §§ 33, 35 f., 66, 71, 78; II. Theil 20. Titel §§ 211-213, 1151; weiterhin der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756: II. Theil 1. Cap. § 3 („Res Sanctae"). Daneben ergingen Vorschriften von beschränkter Tragweite. 1787 4 Fechner u. a.

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An diesem Überblick zeigt sich, daß bis zum Einsetzen einer umfassenderen Kulturgesetzgebung im aufgeklärten Absolutismus in aller Regel nicht der Schutz bestimmter Kulturgüter oder Kulturgutgattungen das Motiv der Vorschriften bildete. Vielmehr war deren zentrales Schutzgut der kulturelle Standard einer Institution, etwa einer Kirche oder Stadt. Er sollte durch Verschleuderung oder Zerstörung von Kulturgütern nicht vermindert werden; war dies gewährleistet, so durften aber vorhandene Kulturwerte durch neue ersetzt werden. Ausnahmen bestanden nur insoweit, als einzelne Personen ein spezifisches Interesse an einem konkreten Werk hatten. Doch waren in diesem Fall kaum Rechtsnormen, die abstrakt-generelle Tatbestände erfordern, als Schutzinstrument geeignet. Konsequenterweise wurde der Schutz daher vor allem im Wege besonderer Bindungen, in privatrechtlichen Formen, insbesondere durch Testamente, realisiert, weil Adressat der Erhaltungsanordnung primär die Nachkommenschaft war.

I I I . Vorformen eines historisch orientierten Denkmalschutzes Daneben erscheinen verschiedentlich bereits historisch orientierte oder beeinflußte Maßnahmen des Kulturgüterschutzes. Im Gegensatz zum modernen Denkmalschutz nahmen sie sich aber der Kulturwerte nicht deswegen an, weil sie Dokumente für die Geschichtsforschung und Zeugnisse vergangener Lebens- und Kulturerscheinungen darstellten, sondern weil Zeichen und Symbole noch fortbestehender oder für die Gegenwart vorbildlicher, bedeutender Traditionen bewahrt oder das Andenken wichtiger Personen aufrechterhalten werden sollten 14 . Sie waren mithin der Idee einer geistigen Kontinuitätspflege verpflichtet. Prokop von Kaisarea berichtet etwa, die Römer seien eifrigst bemüht, sämtliche Denkmäler der alten Zeit zu schützen und zu bewahren; in Rom seien noch Denkmale vorhanden, die sich auf die Zeit der Stammväter bezögen, so das Schiff des Äneas15. Ähnliche Kulturgutschutzmaßnahmen wurden auch in Mittelalter und früerließ etwa Friedrich II. für Berlin und Potsdam ein Publikandum, in dem er befahl, daß die Bewohner von Häusern, die auf seine Kosten erbaut wurden, an den Hausfassaden nichts verändern dürften, und wenn Schäden aufträten, dies von mittellosen Bewohnern sogleich dem Oberhof-Bauamt anzuzeigen sei, um unverzüglich Reparaturarbeiten einleiten zu können (abgedr.: Preuß. Landtag, Haus der Abgeordneten, Sess. 1907, Anlagen, Bd. 4, Drucks. Nr. 227, S. 2842 f.). 14

Deutlich zeigt dieses Denkmalverständnis noch die lateinische Stiftungsinschrift von 1611 am Sakramentshaus der Stadtkirche in Weil der Stadt /Württ. (wobei Denkmalsetzung stets Denkmalpflege erwartet): „Zum ehrwürdigen Gedächtnis der Wunder des Herrn, zum frommen Andenken an seine Vorfahren, der Nachkommenschaft aber zum Vorbild ließ Franz Marquard von Flade dies fertigen". Ganz ähnlich schon der römische Jurist Florentin (Dig. 11, 7, 42; bezogen freilich auf Grabmale und Kenotaphe): „Monumentum generaliter res est memoriae causa in posterum prodita" (= ein Denkmal ist ganz allgemein eine zum Zwecke des Gedenkens für die Zukunft hinterlassene Sache); dazu: Krause (Anm. 2), S. 268. 15 Gotenkrieg IV, 22 (endgültige Publikation 551 n. Chr., Deutsche Übersetzung von D. Coste, Neuausgabe Essen 1981, S. 230f.).

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her Neuzeit getroffen. Auf Churburg in Südtirol wurden seit dem späten 14. Jahrhundert Waffen sorgfältig aufbewahrt, die von Familienmitgliedern der Vögte von Matsch getragen wurden. Bei einer 1422 vorgenommenen Besitzteilung wurde bestimmt, daß „alles Familienheiligtum zu Churburg daselbst verbleiben" solle „zu aller Händen" 16 . In England erging 1560 unter Elizabeth /. eine „Proclamation agaynst breakyng or defacing of Monumentes of antiquitie, being set up in Churches or other publique places for memory, and not for superstition" 17. Verschiedentlich verwahrten auch Städte in der frühen Neuzeit - vor allem in ihren Kirchen - nicht nur Kunstwerke, sondern auch Gegenstände, die ihre Bedeutung und ihre Geschichte illustrierten 18. Der Erlaß von Schutzvorschriften war hier freilich schon deswegen nicht erforderlich, weil ein die Zeiten überdauerndes Traditionsbewußtsein existierte. Ging es verloren, mußte wiederum die Schutzwürdigkeit enden. Soweit die historisch orientierten Kulturgutschutzmaßnahmen überhaupt zu Vorschriften Anlaß zu bieten vermochten, waren diese in ihren Intentionen äußerst beschränkt: Besonders die englische Proclamation zeigt deutlich, daß Werte, die für die Gegenwart bedeutungslos waren oder sogar ihrem Geist widersprachen, keinen Schutz erfahren konnten. Die Erkenntnis, daß Geschichte und Gegenwart zum einen wesensverschieden sind, und daß zum anderen wiederum die Gegenwart von der Geschichte bedingt ist, ist erst der Aufklärung gelungen19. Die hiermit korrespondierende Idee, daß Denkmale einerseits Dokumente einer niemals wiederkehrenden Vergangenheit, andererseits aber Zeugnisse eines überzeitlich bedeutsamen Geisteserbes sind, konnte daher diesen Bemühungen um den Schutz von Monumenten notwendigerweise noch nicht innewohnen.

IV. Schutz für Denkmale als Schutz von Dokumenten für die Geschichtsforschung Vor allem die Päpste schufen für Rom eine ganze Reihe denkmalschützender Vorschriften 20; umfangreich waren auch die in Schweden seit dem 17. Jahrhundert zugunsten prähistorischer Objekte getroffenen Maßnahmen21. Sie richteten sich 16 Zit. nach Oswald Trapp, Tiroler Burgenbuch, I. Bd., 3. Aufl. Bozen 1980, S. 84. Daß die Stücke aus Erinnerungsgründen aufbewahrt wurden, zeigt ein Inventar der Rüstkammer, das etliche Stücke als „alt-vätterisch" bezeichnet {Trapp, S. 114). 17 Boulting (Anm. 1), S. 11 (m. Abb.). 18 Nachw. bei Hammer (Anm. 1), S. 18 f. 19

Hierzu Wolf gang Hardtwig, Die Verwissenschaftlichung der Geschichtsschreibung zwischen Aufklärung und Historismus, in: ders., Geschichtskultur und Wissenschaft, München 1990, S. 58 ff., 66, 79 f. 20 Kohler (Anm. 4), S. 68 ff.; Leisching, Roma Rest. (Anm. 11), S. 428 ff.; Carlen (Anm. 9), S. 38 f. 21 Vgl. nur Sigurd Curman, Entstehung und Entwicklung der schwedischen Denkmalpflege, Die Denkmalpflege 1931, S. 1 ff. 4*

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teilweise schon auf die Erforschung von Denkmalen oder wollten Denkmale als Geschichtsdokumente schützen; doch erfolgten sie gleichfalls im wesentlichen im Rahmen der Bewahrung oder Pflege geistiger Traditionen oder nach wie vor lebendiger Werte. So waren die römischen Ruinen in besonderem Maße Ausdruck der Größe der „ewigen Stadt", die in ungebrochener Kontinuität von der Antike bis zur Gegenwart bestand, und des für die Renaissance so eminent bedeutsamen antiken Geisteserbes und legten gerade deshalb ihre Erhaltung nahe. Das Königreich Schweden entwickelte sich zu einer Großmacht im nordosteuropäischen Raum und wollte seine Stellung besonders auch mittels der Geschichte legitimieren 22. Ansätze eines wissenschaftlich-historischen Denkmalinteresses, das - freilich sehr langsam - auch zu ersten Schutzvorschriften Anlaß bot, lassen sich auch in Deutschland mit dem Einsetzen der humanistischen Geistesbewegung feststellen. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts begannen einzelne Humanisten damit, römerzeitliche Funde zu sammeln, zu dokumentieren und in historischen Darstellungen auszuwerten, ja selbst erste Ausgrabungen wurden schon vorgenommen. Doch beruhten auch diese Tendenzen noch nicht auf einem Interesse an der Natur historischer Erscheinungen und Entwicklungsprozesse. Vielmehr suchten sie - vergleichbar den entsprechenden Bestrebungen in Rom - primär, das römisch-antike Erbe, das diese Zeit zutiefst verehrte, und das sie als ihr Richtmaß betrachtete, sichtbar zu machen. Hinzu kam gelegentlich ganz vordergründig das Bemühen, deutsche Geschichtstraditionen bis zurück zur Römerzeit zu rekonstruieren. In diesen Kontext gehört ein württembergisches Reskript, in dem Herzog Eberhard III. 1670 befahl, römische Funde und Antiquitäten, die im Lande zutage treten, an ihn abzuliefern 23. Es mag auch durch die Sammelleidenschaft des Herzogs motiviert worden sein, da er die Objekte seiner Kunstkammer zuführen wollte. In anderen Territorien lassen sich vergleichbare Vorschriften nachweisen; die bislang bekannten sind jedoch jünger und bezogen sich teilweise nur auf Münzfunde 24. Für eine nun deutlich wissenschaftlich-historische Ausrichtung der Beschäftigung mit den Denkmalen waren Fortschritte in der Geschichtsschreibung maßgeblich, die ihrerseits in einem sukzessiven Entfaltungsprozeß seit dem Beginn der Aufklärung wissenschaftliche Züge im modernen Sinne aufzuweisen begann25. Dabei ist vor allem von Bedeutung, daß die Geschichtsforschung in zunehmendem Maße quellenorientiert arbeitete und sich allmählich nicht mehr nur auf Schriftquellen, sondern auch auf gegenständliche Zeugnisse der Geschichte stützte. So wurden zunächst Münzfunde, dann aber auch Grabmale, Wappen- und andere Inschriftensteine und schließlich sogar Bau- und Bodendenkmale für historische Ar22 Evald Gustafsson, Stadtsanierung und Denkmalschutz in Schweden, Die alte Stadt 1989, S. 213 ff., 213. 23 Vgl. dazu Werner Fleischhauer, Die Geschichte der Kunstkammer der Herzöge von Württemberg in Stuttgart, Stuttgart 1976, insb. S. 83 f. (mit Wiedergabe des Reskripts). 24 Nachw. bei Hammer (Anm. 1), S. 28/Anm. 69. 2 5 Hierzu Hardtwig (Anm. 19), S. 58 ff.; Hammer (Anm. 1), S. 32 ff.

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beiten ausgewertet26. Wie weit der Dokumentationswert derartiger Denkmale im späten 18. Jahrhundert schon erkannt wurde, wird deutlich an zwei Ausschreiben, die 1771 und 1780 in Brandenburg-Ansbach ergingen, und an einer Verordnung, die 1780 in Hessen-Kassel erlassen wurde. Sie schützten vor allem Grabsteine, Wappen- und Inschriftentafeln 27. Die Vorschriften zeigen freilich deutlich, daß sie vor allem am Schutz von Geschichtsdokumenten interessiert waren, da sie, wenn die Originalstücke gefährdet waren, eine Pflicht zur Abzeichnung und Beschreibung aufstellten, aber keine Instandsetzungsmaßnahmen auftrugen. Freilich blieben sie noch für längere Zeit die einzigen umfassenderen Denkmalschutzvorschriften Deutschlands. Die politischen und verfassungsrechtlichen Wirren, Konflikte und Umbrüche im Zusammenhang mit der französischen Revolution und der Ära Napoleons mußten für eine geregelte Kulturgut- und Denkmalschutzgesetzgebung eher hinderlich sein. Doch zeigen diverse Dekrete Napoleons zum Schutz bedeutender deutscher historischer Denkmale28, daß zu dieser Zeit schon ein ausgeprägteres Interesse an Denkmalen der Geschichte bestand.

V. Die Entdeckung der Doppelnatur der Denkmale als Geschichtsdokumente und Träger eines überzeitlich bedeutsamen Geistes Eine gänzlich neue Dimension erhielt der Denkmalschutz durch die Idee, daß Monumente nicht nur Dokumente für die Geschichtsforschung darstellten, sondern daß ihnen eine geistige Qualität eigen sei. Für diese Erscheinung sind grundsätzlich zwei Deutungsansätze denkbar, die vom späteren 18. bis zum 20. Jahrhundert in immer wieder wechselnder Akzentuierung und Ausprägung entwickelt wurden. Zum einen lassen sich Denkmale verstehen als formgewordene Ausprägungen vergangener, gleichzeitig aber überzeitlich wertvoller geistiger Werte. Sie bilden somit ein dauerhaftes Medium zur Vermittlung geistiger Gehalte, die ihre Schöpfer ihnen gegeben haben. Die andere Deutungsmöglichkeit besteht darin, daß sich einerseits durch die Schicksale, die die Denkmale durchlebten und deren Spuren ihnen eingeprägt sind, die Ausdruck sind sowohl der menschlichen Vergänglichkeit als auch des Triumphes menschlicher Fähigkeit, diese Vergänglichkeit in nicht unwesentlichem Maße zu überwinden 29, andererseits aber auch dadurch, daß Denk26

Nachw. bei Hammer (Anm. 1), S. 34. Abgedr.: Hans Ramisch, Inventarisation der Altertümer im Fürstentum BrandenburgAnsbach, Arbeitshefte des Bayer. Landesamtes für Denkmalpfl., 56 (1991), S. 10 ff., 16 f. (Ansbach 1771); Norbert Huse (Hrsg.), Denkmalpflege. Deutsche Texte aus drei Jahrhunderten, München 1984, S. 26 ff. (Vorschriften 1780; Hessen-Kassel, dort - sicher irrig - 1779 datiert). Brandenburg-Ansbach 1780 bildete ganz offensichtlich das Vorbild für die hessische Verordnung. 27

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Vgl. die Nachw. bei Hammer (Anm. 1), S. 41. So: John Ruskin, The Seven Lamps of Architecture, 1849, Neuausg. (mit einer Einführung von Andrew Saint), London u.a. 1988, The Lamp of Memory, X./S. 186 f.; das zuletzt genannte Element (ewig Entgleitendes zu bleibendem Dasein zu zwingen) auch bei Hans 29

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male Abbild der wechselvollen, niemals stillstehenden Menschheitsgeschichte sind, dieser geistige Wert ausbildet, etwa indem sie unmittelbare Stimmungswirkungen auf das menschliche Gefühl hervorrufen 30. Damit entsteht ihre geistige Qualität unabhängig vom Genius ihrer Schöpfer, sie wächst ihnen gewissermaßen von außen zu. Diese Entdeckung war von eminenter Bedeutung für einen großangelegten, breitenwirksamen Denkmalschutz. Denn als Dokumente für die Geschichtsforschung werden Monumente immer nur für eine kleine Minderheit der Gebildeten von Interesse sein, während sie als Träger geistiger Werte, indem sie vor allem fähig sind, Emotionen anzusprechen, tendenziell für alle Bevölkerungsschichten unmittelbar wertvoll sein können31 . Dabei ist die zuerst genannte Deutungsalternative die historisch frühere. Sie bildete das Fundament der nachgerade revolutionären Neuorientierung der Kunstbetrachtung durch Johann Joachim Winckelmann 32, die etwa seine 1755 erschienenen „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst" prägt. Nachahmung im Sinne Winckelmanns intendierte dabei keineswegs die schlichte Kopie oder die nur im Äußerlichen verhaftete Reproduktion griechischer Werke, sie forderte vielmehr ein Eindringen in den - nun immens wichtigen - Geist der griechischen Kunstschöpfungen. Denn nur so seien zugleich alle Teile der schönsten Natur und der idealischen Schönheiten, die im edelsten Kontur in den Figuren der Griechen vereinigt seien, zu erfahren 33. Nicht minder wichtig für die Entstehung des modernen Denkmalschutzes ist aber Johann Wolf gang v. Goethe. Konnten die Gedanken Winckelmanns noch nicht unmittelbar Anlaß bieten zu Denkmalschutzmaßnahmen, da griechische Werke in Mitteleuropa allenfalls in Sammlungen vorhanden waren, so würdigte Goethe Tietze, Denkmalkult, GENIVS 1921, S. 195 ff., wiederabgedr. in: ders., Lebendige Kunstwissenschaft, Wien 1925, S. 67 ff., 67. 30 So der Kernpunkt der Denkmaltheorie Alois Riegls, die er entwickelte vor allem in den Schriften: Der moderne Denkmalkultus, sein Wesen und seine Entstehung (1903), sowie: Neue Strömungen in der Denkmalpflege, in: Mitteilungen der k. k. Zentral-Kommission für Kunst- und historische Denkmale, 3. Folge, 4. Bd. (1905), beide wiederabgedr. in: Georg Dehio/A. Riegl, Konservieren nicht restaurieren. Streitschriften der Denkmalpflege um 1900. Mit einem Kommentar von M. Wohlleben und einem Nachwort von G. Mörsch, Braunschweig/Wiesbaden 1988, S. 43 ff. und S. 104ff.; zu Riegl: Wolfgang Kemp , Alois Riegl, in: Heinrich Dilly (Hrsg.), Altmeister moderner Kunstgeschichte, Berlin 1990, S. 37 ff. 31 Ganz zentral Riegl, Denkmalkultus (Anm. 30), S. 61 f. 32 Zu ihm und seiner Kunsttheorie: Wilhelm Waetzoldt, Deutsche Kunsthistoriker, [Bd. 1] Von Sandrart bis Rumohr, Leipzig 1921, S. 51 ff.; Udo Kultermann, Geschichte der Kunstgeschichte, München 1990, S. 53 ff. 33 In der Neuausg., hrsg. von Ludwig Uhlig, Stuttgart 1969/1990 [Reclam], S. 15; vgl. dort auch S. 5: „Die Kenner und Nachahmer der griechischen Werke finden in ihren Meisterstükken nicht allein die schönste Natur, sondern noch mehr als Natur, das ist, gewisse idealische Schönheiten derselben, die ... von Bildern bloß im Verstände entworfen, gemacht sind"; weiterhin S. 10 f., 13 ff. und passim.

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1771/72 nun ein grandioses mittelalterliches Denkmal, das Straßburger Münster 34 . Die Gedanken Winckelmanns und Goethes wurden aufgegriffen von der Romantik, doch erfuhren sie durch sie auch ganz wesentliche neue Impulse. Die Romantik suchte in den Denkmalen nicht mehr nur - wie Winckelmann - das Idealische, die Richtigkeit im Kontur, sie suchte in ihnen den Geist einer größeren, aufrichtigeren, wahren Werten zugetanen Welt, die sie vor allem (aber keineswegs ausschließlich) im Mittelalter zu finden glaubte und daher vor allem dessen Denkmalen enorme Verehrung entgegenbrachte35. Wilhelm Heinrich Wackenroder, Ludwig Tieck und Friedrich Schlegel in Deutschland36, François René de Chateaubriand 37 in Frankreich oder - relativ spät aber hochbedeutend - A. W. N. Pugin 3S in England waren lediglich besonders einflußreiche und wirkungsmächtige Vertreter dieser Idee. Besonders scharf ausgeprägt war dieses Verständnis bei dem Architekten und Architekturtheoretiker Fugin. Aus der Überzeugung, daß das Mittelalter eine redlichere, bessere Zeit gewesen sei, zog er nicht nur den Schluß, daß man zum Katholizismus zurückkehren müsse, der das Mittelalter geprägt habe, sollten die mittelalterlichen Werte wieder zum Leben erweckt werden (konsequenterweise war er Konvertit), sondern er nahm auch die Stilformen der Zeit, die er für die vollkommenste hielt, nämlich diejenigen des frühen englischen Decorated Style der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wieder auf. Auch wenn die romantischen Schriftsteller - indem sie die Wahrheit primär im Mittelalter suchten - vielfach von einer Gegenwartsflucht geprägt waren, erkannten sie doch sehr feinfühlig, daß den Denkmalen eine geistige Qualität eigen ist, 34 Von deutscher Baukunst, in: Goethes Werke. Hamburger Ausgabe, hrsg. v. Erich Trunz, Bd. XII, Textkrit. durchges. v. W. Weber /H. J. Schrimpf. Kommentiert v. H. v. Einem/ H. J. Schrimpf\ München 1973, S. 7ff.; Kommentar S. 560ff.; vgl. weiterhin: Karl Koetschau, Goethe und die Gotik, in: Festschr. z. 60. Geburtstag v. Paul Clemen, Düsseldorf/Bonn 1926, S. 460ff.; Kultermann (Anm. 32), S. 71 f.; Nikolaus Pevsner , Some Architectural Writers of the Nineteenth Century, Oxford 1972, S. 9ff.; ders., Goethe and Architecture, in: ders., Studies in Art, Architecture and Design, Vol. I, London 1968, S. 164 ff. 35 Überblicke über die Epoche bieten: Hugh Honour , Romanticism, New York u.a. 1979; Eckart Kleßmann, Die deutsche Romantik, 4. Aufl. Köln 1987. 36 Sehr bedeutend etwa: Wackenroder/Tieck, Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders, Berlin 1797 (eigentl. Herbst 1796); dies., Phantasien über die Kunst für Freunde der Kunst, Hamburg 1799; Schlegel, Nachricht von den Gemählden in Paris /Zweiter Nachtrag alter Gemähide/Dritter Nachtrag alter Gemähide, in: Europa. Eine Zeitschrift, 1. Bd., Heft 1 (1803), S. 108ff./2. Bd., Heft 2 (1805), S. 1 ff./2. Bd., Heft 2 (1805), S. 109 ff.; dazu Waetzoldt (Anm. 32), S. 217 ff., 252 ff.; Kultermann (Anm. 32), S. 80 ff. 37 Insbesondere: Le Génie du Christianisme, 1802; hierzu: Honour (Anm. 35), S. 157 f., 184, 282 f.; Kultermann (Anm. 32), S. 84, 120. 38 Contrasts, 1836; The True Principles of Pointed or Christian Architecture, 1841; zu ihm: Pevsner, Writers (Anm. 34), S. 103 ff.; Henry-Russell Hitchcock, Architecture: Nineteenth and Twentieth Centuries, New Haven/London, Neuaufl. 1987, S. 148 ff.; Guy Williams, Augustus Pugin versus Decimus Burton: A Victorian Architectural Duel, London 1990, insb. S. 31 ff., 67 ff.

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und diese Erkenntnis verkündeten sie allenthalben mit tiefempfundener Begeisterung 39 . Dies hatte nicht nur die Folge, daß sie weite Kreise der Gebildeten und der politisch Verantwortlichen für den Schutz und die Erhaltung von Denkmalen gewinnen konnten 40 , sondern führte auch dazu, daß das neuerrungene Verständnis des Werts der Denkmale in den folgenden Epochen nicht mehr verloren gehen sollte. In der Denkmalschutzgesetzgebung, die durch diese Ideen einen ganz neuen Impetus erfuhr, schlugen sich jene inhaltlich jedoch kaum nieder. Nicht nur in der Romantik, sondern auch in ungebrochener Tradition seither beschränkten sich die Schutzvorschriften darauf, das technisch-juristische Instrumentarium zur Bewahrung des Kulturerbes zur Verfügung zu stellen. Die Art und Weise, wie dieses und der ihm immanente Geist zu pflegen sei, überließen die Normen stets weise den für die Denkmalerhaltung Verantwortlichen. Kulturell derart sensible Bereiche sind den eher groben Kategorien juristischen Denkens kaum oder gar nicht zugänglich. Im 20. Jahrhundert fanden verwandte Gedankengänge wiederum sehr starke Betonung in Frankreich etwa bei Auguste Rodin 41 oder - zum Teil beeinflußt durch Rodin - in Deutschland in der Zeit nach dem I. Weltkrieg, die - in Überwindung des Historismus sowie der Kunsttendenzen und des Denkmalkultes der Jahrhundertwende - sehr stark die den Denkmalen innewohnenden unmittelbaren Lebenswerte betonte, und die daher auch eine lebendige Denkmalpflege sowie statt einer Museifizierung der Denkmale eine künstlerische Auseinandersetzung mit ihnen forderte 42. 39

Deutlich etwa bei Wackenroder , Die Peterskirche, in: ders./Tieck, Phantasien (Anm. 36); in der Neuausg., hrsg. v. Wolfgang Nehring, Stuttgart 1973/1983 [Reclam], S. 36 ff., 38: „Doch du prangst in deinem Dasein und hast nichts mehr an dir von deinem Ursprünge. Menschen erschufen dich, und du bist höherer Natur als das Geschlecht deiner Schöpfer, lässest die sterblichen Scharen langer Jahrhunderte niederknieen unter deinem Dome und umhüllst sie mit der Gottheit, die ewig aus deinen Mauern spricht". 40 So wurden etwa die Könige Ludwig I. v. Bayern und Friedrich Wilhelm IV. v. Preußen ganz wesentlich vom Gedankengut der Romantik erfaßt; auch auf bedeutende Architekten, wie Karl Friedr. Schinkel , Georg Moller und Friedrich Weinbrenner , wirkte es ein. Im späteren 19. Jh. war ein enthusiastischer Fürsprecher des Denkmalschutzes im Preuß. Abgeordnetenhaus und später im Reichstag August Reichensperger, der - unter anderem - von A. W. N. Pugin beeinflußt war; Nachw. bei Hammer (Anm. 1), S. 63 ff., 87. 41 Les Cathédrales de France, Paris 1914, ins Deutsche übertragen von Max Brod unter dem Titel: Die Kathedralen Frankreichs, Leipzig 1917, Neuausg. 1988, so S. 13: „Die gotische Architektur, die das Volk voraussetzt, für das Volk bestimmt ist, sie spricht zu ihm in der grandiosen einfachen Sprache der Meisterwerke"; S. 22: „Hier liegt ein Wissen, das heute fehlt, eine bedächtige, maßvolle, geduldige und kräftige Wärme, die unser gieriges, hastiges Zeitalter nicht begreift. Man muß die Vergangenheit neu durchleben, auf die Grundsätze zurückgehen, um die Kraft wiederzuerlangen." 42 Von Bedeutung etwa: Hans Tietze : Denkmalkult (Anm. 29), S. 67 ff., 71: „Die ungebrochene Kraft in diesen Dingen ist es, die mitreißt, nicht die Jahrhunderte, die sie überdauerten; nicht ihr Leib, der gealtert sein mag, sondern ihre Seele, die köstlich jung geblieben ist wie am weit entschwundenen Tage ihrer Entstehung". Weiterhin ders., Verlebendigung der Kunstgeschichte, in: Lebend. Kunstwiss. (Anm. 29), S. 45 ff.; Hans Karlinger , Denkmal-

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Die zweite Deutungsalternative ist von grundlegender Bedeutung bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts bei John Ruskin 43. In theoretischer Durchdringung vollends zur Entfaltung gebracht wurde sie kurz nach 1900 durch den Wiener Kunsthistoriker Alois Riegl. Allerdings wurde sie weder von Ruskin noch von Riegl absolut gesetzt, vielmehr rekurrierten beide daneben bei der Bestimmung des Denkmalwertes auf den in den Denkmalen präsenten Geist ihrer Schöpfer, mit dem Ergebnis, daß sie mehrere den Denkmalen eigene Werte anerkannten 44. Im wesentlichen in diesem Rahmen, wenn auch häufig in stark vereinfachter Ausgestaltung, bewegten sich auch die politischen Strömungen, die den Denkmalschutz nach 1970 wieder ungemein populär werden ließen. Sie beschränkten sich freilich in recht oberflächlich psychologisierender Weise gelegentlich darauf, die positiven Wirkungen historischer Architektur auf das menschliche Wohlbefinden lediglich zu konstatieren 45. Variierten also die Deutungen hinsichtlich der geistigen Gehalte der Denkmale vielfach, so wurde diese Qualität doch kaum bestritten. Eine Ausnahme stellen einige Überlegungen aus neuerer Zeit dar, die wiederum den Denkmalen weitgehend nur die Bedeutung von Geschichtsdokumenten zuerkennen wollen 46 , aber in ihrer Begründung deutlich zu kurz greifen dürften. Denn ein Gedanke Hans Uetzes von 1913 dürfte nach wie vor Gültigkeit besitzen: Das „rückwärts, den Erzeugnissen alter Kunst zugewandte Interesse, das ihr [der Denkmalpflege] belebender Puls ist, floß und fließt aus vielen Quellen, unter denen der rein wissenschaftliche Betätigungsdrang nur ein dünnes und spät einmündendes Rinnsal heißen könnte" 47 .

pflege - Gegenwart und Ausblick, Zeitschr. für Denkmalpflege 1928/29, S. 105 ff.; H. K Zimmermann, Lebendige Denkmalpflege, ebd., S. 169 ff. 43 So: Lamp of Memory (Anm. 29), S. 186 f.: „For indeed, the greatest glory of a building is not in its stones, nor in its gold. Its glory is in its Age, and in that deep sense of voicefulness, of stern watching, of mysterious sympathy, nay, even of approval or condemnation, which we feel in walls that have long been washed by the passing waves of humanity". Zu Ruskin und dessen Bedeutung: Wolfgang Kemp , John Ruskin. Leben und Werk, München/ Wien 1983; Michael W. Brooks, John Ruskin and Victorian Architecture, London 1989; Pevsner, Writers (Anm. 34), S. 139 ff. 44 Besonders sorgfältig ausdifferenziert bei Riegl, der neben dem Alterswert ausdrücklich etwa einen historischen, einen gewollten Erinnerungs- und einen Kunstwert nennt (Denkmalkultus [Anm. 30], S. 62 ff., 68 f., 73 ff.). Deutlich aber auch bei Ruskin (Lamp of Memory [Anm. 29], XVIII./S. 194f.: „ . . . that spirit which is given only by the hand and eye of the workman"). 4 5 Ein gutes Beispiel bietet: VG München, Urteil v. 6. 5. 1974, BayVBl. 1974, S. 649f.: Denkmalschutz sei nicht nur Bausubstanz-, sondern auch Psychotopschutz. 46 Wolfgang Brönner, Geschichte als Grundlage und Kategorie des heutigen Denkmalbegriffs, Die alte Stadt 1986, S. 268 ff., bes. S. 291 f.; im wesentlichen auch Ernst-Rainer Hönes, Der Kulturdenkmalbegriff im Denkmalschutzrecht, DVB1. 1984, S. 413 ff., 415 ff. 4 ? Die Methode der Kunstgeschichte, Leipzig 1913, S. 279.

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VI. Geschichtliche Entwicklung des rechtlichen Denkmalschutzes seit der Romantik Die intensive Verehrung alter, vor allem mittelalterlicher Kunst in der Romantik führte alsbald zu einer freilich langsamen, aber nachhaltigen Belebung der Denkmalschutzgesetzgebung. Diese entfaltete sich in zwei Richtungen. Zum einen entstanden unmittelbar denkmalschützende Normen, die Veränderungen an Denkmalen, insbesondere deren Zerstörung, ohne vorherige Genehmigung verboten. Zum anderen wurden durch organisationsrechtliche Vorschriften spezielle Denkmalverwaltungen ins Leben gerufen, die allerdings selbst in größeren deutschen Ländern durchweg sehr bescheiden ausgestatteten Konservatorenämter. Deren Kompetenzen waren im wesentlichen auf die Inventarisation der Denkmale und deren Begutachtung beschränkt; auf Denkmaleigentümer durften sie nur dahingehend einwirken, daß sie ihre Denkmale in würdigem Stand erhalten sollten; unmittelbare Exekutivbefugnisse standen ihnen dagegen nicht zu. Der erste große europäische Staat, der eine besondere Denkmalpflegeorganisation schuf, war Frankreich, wie überhaupt die französische Denkmalpflege während des gesamten 19. und weithin im 20. Jahrhundert eine Spitzenstellung in Europa einnahm und für viele andere Staaten vorbildlich wirkte 48 . Am 23. 10. 1830 wurde dort die Generalinspektion der geschichtlichen Denkmale gegründet und Ludovic Vitet zum inspecteur général ernannt, dem 1833 Prosper Mérimée in diesem Amt folgte. Am 29. 9. 1837 erfolgte die Errichtung der commission des monuments historiques, die im Laufe der Zeit zahlreiche bedeutende Mitglieder besaß, so Victor Hugo oder den Architekten Viollet-le-Duc. 1835 entstand in Bayern nach französischem Muster - eine Generalinspektion der plastischen Denkmale des Reichs49, 1843 wurde in Preußen Ferdinand v. Quast zum Konservator der Kunstdenkmäler ernannt, 1853 und 1858 folgten Baden und Württemberg, 1894 wurde schließlich in Sachsen eine Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler gebildet50. Enormen Schwierigkeiten begegnete dagegen - nicht nur in Deutschland, sondern weithin in Europa - der Erlaß unmittelbar denkmalschützender Vorschriften oder gar die Schaffung einer Denkmalrechtskodifikation. Vor allem der Liberalismus des 19. Jahrhunderts, der sich gegen sämtliche in das Privateigentum eingreifenden Denkmalschutzvorschriften vehement zur Wehr setzte, besonders in Deutschland und Österreich aber auch der Adel und die Kirchen - die damals bedeutendsten Gruppen von Denkmaleignern - sowie einige weitere Interessengrup48 Dies wurde selbst im Deutschland der Jahrhundertwende ohne Vorbehalte anerkannt; vgl. nur Paul Clemen , Frankreichs Führerstellung in der Denkmalpflege, in: Zeitschr. für Bauwesen 1898, wiederabgedr. in: ders., Gesammelte Aufsätze, Düsseldorf 1948, S. 143 ff. 49 Der Begriff ist in Abgrenzung zu Denkmalen der Literatur etc. zu verstehen und umfaßte auch Gebäude; vgl. dazu Hammer (Anm. 1), S. 75/Anm. 165. so Nachw. bei Hammer (Anm. 1), S. 75 f., 118 f.

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pen verstanden es immer wieder, Ansätze einer Denkmalschutzgesetzgebung, jedenfalls aber effektivere Lösungen, zu verhindern. Dabei waren die Fähigkeiten, Denkmalschutzgesetze zu erstellen, durchaus vorhanden, wie einige erfolgreiche Gesetzesprojekte, die im früheren 19. Jahrhundert - freilich durchweg in Sondersituationen - entstanden, deutlich zeigen. 1820 erhielt der Kirchenstaat mit dem Editto Pacca und 1834 Griechenland jeweils ein umfangreiches Denkmalschutzgesetz51. Eine 1818 in Hessen-Darmstadt erlassene Verordnung erfüllte demgegenüber keineswegs die Voraussetzungen eines Denkmalschutzgesetzes: Sie betraf vor allem Baudenkmale und enthielt keine Eingriffsbefugnisse gegenüber Privateigentümern 52. In Griechenland bewirkten der europäische Philhellenismus und die Befreiung von der türkischen Herrschaft sowie das gewaltige antike Erbe, im Kirchenstaat das reiche Kulturerbe Roms und die Interessen der Päpste die Schaffung von Gesetzen. Im übrigen Europa fehlte es dagegen an vergleichbaren Motivationen, so daß hier die Gesetzgebung nur relativ zögerlich einsetzte. So bot etwa auch das berühmte französische Denkmalschutzgesetz von 1887 nur in sehr beschränktem Maße Möglichkeiten, Denkmale in Privateigentum zu schützen, noch schwächer waren die Wirkungen des englischen „Ancient Monuments Protection Act" von 1882. Doch erließen verschiedene Staaten - manchmal nur für Teile des Hoheitsgebiets, etwa besonders denkmalreiche Kolonien - im späteren 19. Jahrhundert durchaus schon Gesetze, die eine gute Grundlage für den Schutz von Denkmalen bildeten und manchmal auch spürbar die Eigentumsfreiheit beschränkten, wobei freilich eine große Vielfalt bezüglich der Reichweite und der Regelungsintensität der Gesetze herrschte. Oftmals wurden nur Einzelprobleme gelöst oder nur einzelne Denkmalgattungen (so vor allem archäologische Funde) geschützt53. Ein bemerkenswertes Gesetz war etwa - das zu Unrecht in Deutschland nur wenig bekannt gewordene - ungarische Denkmalschutzgesetz von 1881. Obwohl es in seiner Geltung auf Boden- und Baudenkmale sowie deren Zubehör beschränkt war, enthielt es effektive, ganz erheblich in das Privateigentum eingreifende Schutzvorschriften, die auch schon Denkmalerhaltungspflichten vorsahen. Mit sehr guten Schutzmechanismen war gleichfalls das Denkmalschutzgesetz der Türkei 51 In deutscher Übersetzung abgedruckt bei A. v. Wussow, Die Erhaltung der Denkmäler in den Kulturstaaten der Gegenwart, Anlagenbd., Berlin 1885, S. 277 ff. und 252 ff. 52 Abgedruckt bei Huse (Anm. 27), S. 32 ff. (dort fälschlich als „Denkmalschutzgesetz" bezeichnet). 53 Denkmalschützende Vorschriften ergingen etwa in folgenden Staaten bzw. Staatsteilen: Schweden 1867; Ungarn, Indien 1881; England 1882; Ägypten 1880/81/83; Finnland 1883; Türkei 1874/84; Tunesien 1886; Frankreich 1887; Bulgarien 1889; Rumänien 1892; Überblicke über die Denkmalschutzgesetzgebung dieser Zeit bieten: Kohler (Anm. 4), S. 74ff.; Leander, Denkmalschutz, GRUR 1909, S. 154 ff., 156ff.; A. v. Wussow, Erhaltung (wie Anm. 51), Textbd., Berlin 1885, S. 121 ff. Diverse Vorschriften sind abgedruckt bei v. Wussow, Anlagenbd. (Anm. 51), S. 241 ff., so die Gesetze Ungarns von 1881 und der Türkei von 1884 (S. 296 ff., 314 ff.).

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von 1884 ausgestattet, das auch in erheblichem Umfang bewegliche Denkmale schützte. Wie erfolgreich die politischen Gegner einer Denkmalschutzgesetzgebung agieren konnten, zeigt sich besonders deutlich an der Habsburger-Monarchie: Nach dem Erlaß des ungarischen Gesetzes wurden auch in Österreich Versuche unternommen, ein Denkmalschutzgesetz zu schaffen. Doch obwohl immer wieder neue Entwürfe aufgestellt wurden, ließ sich keiner von ihnen verwirklichen 54 . Ein - nun freilich ausgezeichnetes - Denkmalschutzgesetz erhielt Österreich erst 192355. In Deutschland wurden zwar noch im 19. Jahrhundert verschiedentlich Gesetzentwürfe aufgestellt; freilich wurden diese noch nicht einmal den Abgeordnetenkammern vorgelegt. Das erste deutsche Denkmalschutzgesetz erging erst 1902 im Großherzogtum Hessen, 1911 folgte Oldenburg und 1915 Lübeck. In anderen Ländern erarbeitete Entwürfe scheiterten. Soweit keine Denkmalschutzgesetze zustande kamen und bevor sie erlassen werden konnten, wurde mit Aushilfsbestimmungen und Notlösungen operiert: In Kommunal- und Kirchenaufsichtsbestimmungen wurden denkmalschützende Regelungen aufgenommen, mit der Hilfe von Ministerialerlassen wurde versucht, wenigstens Staatsbehörden zum Schutz von Denkmalen anzuhalten oder die Bürger - in rechtlich unverbindlicher Weise - hierzu zu animieren. In Württemberg wurde diese „suasorische Einwirkung" zur sachadäquaten, besten Lösung der Denkmalschutzproblematik erklärt und stilisiert - in anderen Ländern war es ähnlich 56 . Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden wenigstens in einige Bauordnungen auch Privateigentümer verpflichtende, häufig jedoch äußerst schwache Denkmalschutzbestimmungen aufgenommen. Die bald nach 1900 einsetzende Heimatschutz- und Verunstaltungsschutzgesetzgebung brachte ebenfalls einige - regelmäßig aber wiederum geringe - Verbesserungen. Die Zeit nach 1918 - die in Deutschland trotz der politischen und staatsrechtlichen Umwälzungen fast frei war von denkmalfeindlichen Strömungen - führte vor allem in den europäischen Nachbarländern teils zum Erlaß von Denkmalschutzgesetzen, teils aber auch zu deren gründlicher Überarbeitung. In Frankreich und England wurden nun auch umfangreiche planungsrechtliche Instrumentarien zum flankierenden Schutz aufgestellt. In Deutschland dagegen ergingen Denkmalschutzgesetze wiederum nur in wenigen Ländern, nämlich 1920 in Hamburg und Lippe und 1929 in Mecklenburg-Schwerin; 1921 wurde das Gesetz Lübecks novelliert 57 . Diese schwach ausgeprägte Gesetzgebung war nicht zuletzt Folge der eigentümer54 Dazu Brückler (Anm. 1), S. 162 ff. 55 Bundesges. v. 25. 9. 1923, BGBl. Nr. 533, betr. die Beschränkungen in der Verfügung über Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung; Nachw. zu Lit. u. weiteren Vorschr.: Hammer (Anm. 1), S. 224. 56 Hierzu (m. Nachw.) Hammer (Anm. 1), S. 106, 209; zum ganzen: Heckel (Anm. 1), S. 26 ff. 57 Einzelheiten und Nachw.: Hammer (Anm. 1), S. 211 ff.; Lippe: Heimatschutzgesetz mit stark ausgeprägten Denkmalschutzpartien.

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freundlichen Rechtsprechung des Reichsgerichts, die eigentumsbeschränkende Schutzmaßnahmen weitgehend nur gegen Entschädigung zuließ 58 . Die Länder waren jedoch nicht fähig, hierfür größere Finanzmittel aufzubringen. Immerhin war aber die Weimarer Verfassung die wohl erste Staatsverfassung, die - in Art. 150 Schutz und Pflege der Kunst-, Geschichts- und Naturdenkmale zum Staatsziel erhob 59 . Die Zeit nach 1933 führte keineswegs zu einer besonderen Verehrung des deutschen nationalen Kulturerbes und zu intensiven rechtlichen Maßnahmen zu seinem Schutz: Das primitive, oftmals nur utilitaristische Denken der Nationalsozialisten konnte die den Denkmalen innewohnenden Werte nicht erfassen. Es orientierte sich vielfach vor allem an vordergründig nützlichen politischen Zielen. Für die Propaganda oder Legitimationsversuche für die Aggressionskriege in Zentral- und Osteuropa (die etwa Anlaß boten zu archäologischen Kampagnen: Wo immer Funde als germanisch bezeichnet werden konnten, wurde eine Region zu altem germanischem Siedlungsland erklärt) 60 ließ sich mit Hilfe der Denkmalpflege wenig an Erfolgen erzielen. Aus dieser Epoche verdient nur ein sächsisches Denkmalschutzgesetz (bezeichnenderweise als Heimatschutzgesetz betitelt) von 1934 Erwähnung; ein braunschweigisches Heimatschutzgesetz vom selben Jahr war demgegenüber nur ein Blankettermächtigungsgesetz, das das Staatsministerium pauschal zum Erlaß aller erforderlich erscheinenden Denkmalschutzanordnungen ermächtigte. Nach Kriegsende wirkten die ungeheuren Zerstörungen - nicht nur in Deutschland - häufig keineswegs schockierend, vielmehr sahen Architekten und Städteplaner die Möglichkeit, endlich befreit von den Fesseln eines allgegenwärtigen historischen Erbes, Städte und Siedlungen für die Zukunft zu gestalten. Die englische Wendung „a disaster - but an opportunity" wurde auch in Deutschland zum geflügelten Wort 61 . In dieser Situation bestand kaum ein Interesse an Denkmalschutzgesetzen. Nur im kleinen Land Baden, das unter anderem die Denkmale als Grundlage badischen Heimatbewußtseins im Kampf gegen die Vereinigung der südwestdeutschen Länder zum Staat Baden-Württemberg einsetzen wollte, wurde schon 1949 ein ausdifferenziertes Denkmalschutzgesetz erlassen; ein weiteres erging 1958 in Schleswig-Holstein62. 58

Berühmtheit erlangte insoweit vor allem die „Hamburger-Galgenberg-Entscheidung" (Urt. v. 11. 3. 1927, RGZ 116, S. 268 ff.). 59 Verf. d. Deutschen Reichs v. 11. 8. 1919 (RGBl. S. 1383); zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Art. 150 WV: Heckel (Anm. 1), S. 58 ff. 60

Dazu: Bettina Arnold, The Past as Propaganda, in: Archaeology, Vol. 45 (1992)/Nr. 4, S. 30 ff., 74 (m. w. Nachw.). 61 Vgl. dazu: Werner Durth/Niels Gutschow, Träume in Trümmern. Stadtplanung 19401950, München 1993, insb. S. 356 ff., 370; Jürgen Paul, Der Wiederaufbau der historischen Städte in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg, in: Cord Meckseper/Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Die alte Stadt: Denkmal oder Lebensraum?, Göttingen 1985, S. 114ff.; besonders deutlich: Wolf gang Hojfmann, Ein Unglück ja - aber auch eine Gelegenheit, Die Neue Stadt 1947, S. 102 f.

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Eine groß angelegte Gesetzgebungswelle initiierte erst die um 1970 einsetzende Rückbesinnung auf die bedeutenden Werte des historischen Erbes. Zwischen 1971 und 1980 erhielten dann endlich alle westdeutschen Länder moderne und leistungsfähige Denkmalschutzgesetze63, die östlichen Länder folgten zwischen 1991 und 1993 nach, also bereits bald nach ihrem Beitritt zur Bundesrepublik 64. Das zuvor dort geltende Denkmalrecht der DDR - die im übrigen eine intensive Denkmalschutzgesetzgebung besaß - war in seiner Struktur an sich durchaus brauchbar, äußerst mangelhaft war lediglich die Denkmalpflegepraxis und die Verwirklichung des Rechts65. Bemerkenswert ist, daß die DDR außerdem ein Kulturgutschutzgesetz besaß66, mit dessen Hilfe in sehr weitgehendem Maße auch Kulturgüter, die der Gegenwart entstammten, geschützt werden konnten; freilich berücksichtigte es in keiner Weise die gegenüber Denkmalschutzgesetzen anders gelagerten, mit dem kulturstaatlichen Erhaltungsanspruch konkurrierenden, grundrechtlich geschützten Interessen, die bei Kulturgütern der Gegenwart im Rechtsstaat stets in die Überlegungen einzubeziehen sind 67 . Nichtgegenständliche Kulturgüter schützte bislang kein deutsches Gesetz, obwohl wiederholt Tendenzen vorhanden waren, auch ihnen Schutz angedeihen zu lassen. Insbesondere die kurz nach 1900 entstandene Heimatschutzbewegung nahm sich auch immaterieller Heimatwerte an, so etwa tradierter Sitten und Gebräuche, Feste und Feiern. Unter die sehr vage Legaldefinition des Kulturguts in § 2 des Kulturgutschutzgesetzes der DDR hätten derartige Werte zwar noch subsumiert werden können, doch zeigt der Gesamtsinn des Gesetzes, daß offensichtlich nur Kulturgüter erfaßt werden sollten, die zumindest eine Verkörperung in einer Sache gefunden hatten68. Sehr offen gehalten war auch der Schutzbereich des badischen Denkmalschutzgesetzes, der sich auch auf Kulturdenkmalen „gleichzustellende Werte" erstreckte 69. Sofern damit nicht nur Straßen-, Platz- oder Ortsbilder gemeint waren 70 , so galt doch ohne Zweifel die Beschränkung auf körperliche Gegenstände bei Denkmalen71 auch für diese Werte. Doch handelt es sich dabei kei62 Landesges. z. Schutze d. Kulturdenkmale (Badisches Denkmalschutzges.) v. 12. 7. 1949 (Bad. GVB1. S. 303); Ges. z. Schutze d. Denkmale (Denkmalschutzges.) v. 7. 7. 1958 (GVOB1. S. 217). 63 Nachw. bei Hammer (Anm. 1), S. 329 ff. Hamburg und Schleswig-Holstein, die bereits im ganzen Land geltende Denkmalschutzgesetze besaßen, novellierten diese grundlegend. 64 Vgl. hierzu: Felix Hammer, Das Recht des Denkmalschutzes in den neuen Bundesländern, NVwZ 1994, S. 965 ff. 65 Zum Denkmalschutz der DDR: Hammer (Anm. 1), S. 351 ff. 66 Vom 3. 7. 1980 (GBl. I Nr. 20 S. 191).

67 So gewährt die Kunstfreiheit (Art. 5 III 1 GG) dem Künstler grundsätzlich auch ein Recht zur Vernichtung seiner Werke, die seiner künstlerischen Idee nicht (mehr) entsprechen. 68 Etwa Zeugnisse der Literatur in Büchern, der Musik in Notenblättern etc. 69 Vom 12. 7. 1949 (Anm. 62) § 11. 70 Schutz- und Pflegevorschriften in §§ 34-37, 48-51 Bad DSchG. 71 § 212 Bad DSchG.

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neswegs um eine der Idee des Denkmal- und Kulturgüterschutzes immanente Begrenzung. So schützt das japanische „ L a w for the Protection of Cultural Propert i e s " 7 2 auch „intangible cultural products" 7 3 sowie „folk-cultural-properties" 7 4 .

V I I . Kulturgüterschutz i m Völkerrecht. Europäische Union Noch i m 19. Jahrhundert, nämlich mit der in Den Haag abgeschlossenen Konvention vom 29. 7. 1899, wurden - freilich noch sehr schwach ausgebildete - Kulturgutschutzvorschriften in die erste, in der Folge von zahlreichen Abkommenspartnern (so auch vom Deutschen Reich) ratifizierte, große Kodifikation der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs aufgenommen 75 , nachdem bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ein Kulturgutschutz i m Kriege von der Völkerrechtslehre postuliert worden war und allmählich auch Eingang ins Völkergewohnheitsrecht gefunden hatte 7 6 . Eine 1874 auf einer internationalen Konferenz, die auf Initiative Zar Alexanders II. zustande gekommen war, in Brüssel angenommene Deklaration, 72 Law for the Protection of Cultural Properties (Law No. 214 v. 30. 5. 1950, i.d.F. von Law No. 78 v. 2. 12. 1983; Art. 2 II u. III, Kap. III-2, III-3 [Art. 56-3 bis Art. 56-21]); zu dem Gesetz: Jote (Anm. 1), S. 139 f. 73 Die beispielhafte Aufzählung in Art. 2 II nennt: Art and skill employed in drama, music and applied arts. 74 Legaldefinition in Art. 2 III: Manners and customs related to food, clothing and housing, to occupations, religious faiths, festivals etc., to folk-entertainments and clothes, implements, houses and other objects used therefor, which are indispensable for the understanding of changes in our people's modes of life. 75 Convention concernant les lois et coutumes de la guerre sur terre (RGBl. 1901, S. 423/ 482): Art. 1 i.V.m. Art. 27, 56 II und mittelbar auch Art. 28 des als Annexe beigefügten Règlement concernant les lois et coutumes de la guerre sur terre (RGBl. 1901, S. 436). Ergänzt und erweitert durch: Convention concernant les lois et coutumes de la guerre sur terre v. 18. 10. 1907 (RGBl. 1910, S. 107/375): Art. 1 i.V.m. Art. 22, 27, 56 und mittelbar Art. 23 lit. g), 25, 28 des Annexe à la Convention: Règlement concernant les lois et coutumes de la guerre sur terre (RGBl. 1910, S. 132); Convention concernant le bombardement par les forces navales en temps de guerre v. 18. 10. 1907 (RGBl. 1910, S. 256/375): Art. 5. 76

Die Literatur zum völkerrechtlichen Kulturgüterschutz ist mittlerweile sehr umfangreich; historische Überblicke bieten etwa: Foramitti (Anm. 1), S. 17 ff.; Sharon A. Williams, The International and National Protection of Movable Cultural Property. A Comparative Study, Dobbs Ferry, New York 1978, S. 5ff., 52 ff.; Michael Kilian, Kriegsvölkerrecht und Kulturgut, NZWehrR 1983, S. 41 ff.; Wilfried Fiedler, Zur Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts im Bereich des internationalen Kulturgüterschutzes, in: Kay Hailbronner u.a. (Hrsg.), Staat und Völkerrechtsordnung. FS f. Karl Doehring, Berlin u.a. 1989, S. 199 ff.; Walter Rudolf Über den internationalen Schutz von Kulturgütern, ebd., S. 853 ff.; Sabine v. Schorlemer.; Internationaler Kulturgüterschutz. Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, Berlin 1992, passim; Jote (Anm. 1), insb. S. 25 ff.; Reinhard Mußgnug, Der kriegsrechtliche Kulturgüterschutz, in: Helmut Neuhaus (Hrsg.), Verfassung und Verwaltung. FS f. Kurt G. A. Jeserich z. 90. Gebtg., Köln/Weimar/Wien 1994, S. 333 ff.; Karl Josef Partsch, Schutz von Kulturgut, in: Dieter Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, München 1994, S. 306 ff.

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die den Versuch unternahm, das Recht des Landkrieges zu kodifizieren, und dabei auch den Kulturgüterschutz berücksichtigte, scheiterte, weil sie von den Teilnehmerstaaten nicht ratifiziert wurde. Jedoch übte sie deutlichen Einfluß auf die Konvention von 1899 aus. Das erste, speziell dem Schutz von Kulturgütern im Kriege dienende und tatsächlich in Kraft getretene Übereinkommen stellte der sogenannte Roerich-Pakt dar, der am 15. 4. 1935, allerdings nur zwischen amerikanischen Staaten, in Washington geschlossen wurde. Nach den furchtbaren Verwüstungen, die durch den II. Weltkrieg am Kulturgutbestand Europas angerichtet worden waren, wurde in der am 14. 5. 1954 auf einer internationalen Konferenz in Den Haag unter der Ägide der UNESCO verabschiedeten Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict ein ausdifferenziertes Regelwerk für den Kulturgüterschutz bei bewaffneten Konflikten bereitgestellt; freilich sind diverse bedeutende Staaten keine Vertragsparteien 77. Für Fälle, in denen die Beteiligten an militärischen Konflikten hierzu gehören, suchten die 1977 vereinbarten Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen von 1949 wenigstens einen Mindeststandard an Kulturgutschutz zu ermöglichen 78. Internationale Übereinkommen des Friedensvölkerrechts enthalten Kulturgutschutzvorschriften erst seit der dem II. Weltkrieg folgenden Zeit, nachdem vom Völkerbund initiierte entsprechende Bemühungen letztlich nicht erfolgreich waren 79 . Einige Übereinkommen mit kulturgüterschützender Wirkung entstanden unter der Ägide der UNESCO, andere unter der des Europarats. Dementsprechend sind sie teils auf weltweite Geltung angelegt oder sie beschränken sich - im wesentlichen - auf Europa 80. 77 Von der Bundesrep. Deutschland ratifiziert durch Ges. z. Konvention v. 11. 4. 1967 (BGBl. II S. 1233; dort auch die Konvention abgedruckt). Sie verpflichtet gemäß Art. 19 die Vertragsparteien auch in Konflikten nichtinternationalen Charakters. 78 Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen vom 12. 8. 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. 6. 1977; Protokoll I (BGBl. II 1990, S. 1551), Art. 53; Protokoll II (BGBl. II 1990, S. 1637), Art. 16 (jeweils: Schutz von Kulturgut und Kultstätten); vgl. dazu Mußgnug (Anm. 76), S. 336 f.; Partsch (Anm. 76), S. 307. 79 Hierzu Jote (Anm. 1), S. 193 f.; Williams (Anm. 76), S. 53. 80 Bedeutung besitzen vor allem: Europäisches Kulturabkommen v. 19. 12. 1954 (BGBl. II 1955, S. 1128), Art. 1, 5; Europäisches Ubereinkommen zum Schutz archäologischen Kulturguts v. 6. 5. 1969 (BGBl. II 1974, S. 1285), revidiert durch Konvention von Valletta über den Schutz des archäologischen Erbes v. 16. 1. 1992; [UNESCO-] Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut v. 14. 11. 1970, für die Bundesrepublik noch nicht in Kraft getreten, dem Bundestag mitgeteilt durch BT-Drucks. VI/3511 (v. 26. 5. 1972), Vertragspartei war aber die DDR: Bekanntmachung über die Annahme d. Konvention ..., v. 10. 6. 1974 (GBl. II Nr. 20 S. 397); Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt v. 23. 11. 1972 (BGBl. II 1977, S. 213); Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes Europas v. 3. 10. 1985 (BGBl. I I 1987, S. 623). Die UNESCO-Dokumente sind gesammelt in: Conventions and Recommendations of UNESCO concerning the protection of the cultural héritage, Neuausg. Genf 1985.

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Im Gegensatz zum Recht der meisten Staaten nahmen diese Vorschriften teilweise nicht nur historische Denkmale in ihren Schutz auf, sondern auch der Gegenwart entstammende Kulturgüter. Dieser Unterschied ist nicht zufällig, sondern resultiert aus der gänzlich anderen Gefahrenkonstellation, an der sich die völkerrechtlichen Vorschriften zu orientieren haben. Sollte sich das Recht des - freiheitlichen - Staates hinsichtlich der Kultur der Gegenwart im wesentlichen darauf beschränken, die Kunstfreiheit umfassend zu garantieren, und sollte der Staat die Kunst- und Kulturpflege weitgehend dem Spiel der gesellschaftlichen Kräfte überlassen und insoweit nur fördernd eingreifen, muß das historische Erbe stets durch Gesetze vor einer verständnislosen Gegenwart beschützt werden. Im Völkerrecht hingegen ist weiteren Gefahren zu begegnen. Kriegshandlungen bedrohen neue wie alte Kunstwerke und Kulturgüter in gleicher Weise; durch das Wohlstandsgefälle zwischen verschiedenen Staaten oder durch einzelne finanzkräftige Kaufinteressenten besteht die Möglichkeit, daß sowohl das kulturelle Erbe einzelner Staaten als auch ihre Bestände an Gütern, die aus anderen religiösen oder weltlich-kulturellen Gründen für sie oder die kulturelle Identität ihrer Völker besonders bedeutungsvoll sind, schwerwiegend oder schmerzhaft dezimiert werden 81. Im Gegensatz zum innerstaatlichen Bereich existiert bislang noch kein homogenes Kultursystem auf internationaler Ebene, so daß auf derartige kulturgüterrechtliche Vorschriften im Völkerrecht auch auf längere Sicht ohne Zweifel nicht verzichtet werden kann. Der Kulturgüter- und Denkmalschutz wurde des weiteren gerade in neuerer Zeit in bilateralen Nachbar- und Partnerschaftsverträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abschloß, wiederholt berücksichtigt 82. Die Europäische Gemeinschaft / Union, die auch nach dem Vertrag über die Europäische Union die Kulturgutschutzrechtsetzung grundsätzlich den Mitgliedstaaten überläßt, beschränkt sich im wesentlichen auf Förderungsmaßnahmen, unter anderem zur Erhaltung und zum Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung83. Entschließungen des Europäischen Parlaments oder der für Kulturfragen zuständigen Minister der Mitgliedstaaten sowie finanzielle Beiträge zu Denkmalpflegemaßnahmen erfolgten aber auch schon zuvor 84 . Mit der Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes wurden allerdings Vorschriften der EU erforderlich, die im EU-Binnenbereich einen Ausgleich zwischen der Warenverkehrsfreiheit auch für Kulturgüter und einem grundsätzlichen Bestandsschutz für das natio81

Vgl. nur Präambel, Art. 1-4 der Konvention v. 14. 5. 1954 (Anm. 77), sowie Präambel, Art. 1-2 der Konvention v. 14. 11. 1970 (Anm. 80). 82 Vertr. mit der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit v. 17. 6. 1991 (BGBl. II S. 1315), Art. 28; dto. mit der Republik Ungarn v. 6. 2. 1992 (BGBl. II S. 475), Art. 25; dto. mit der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik v. 27. 2. 1992 (BGBl. II S. 463), Art. 24; dto. mit der UdSSR v. 9. 11. 1990 (BGBl. II 1991, S. 702), Art. 16, 18. 83

Rechtsgrundlagen: Art. 36, 128 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft v. 25. 3. 1957 i.d.F. des Vertrags über die Europäische Union v. 7. 2. 1992. 84 Diverse EG-Dokumente bei: Stich/Burhenne (Anm. 1), Glied.-Nr. 550. 5 Fechner u. a.

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nale Kulturerbe der verschiedenen Mitgliedstaaten zu gewährleisten, sowie gegenüber Drittländern EU-einheitliche Grundsätze für die Ausfuhr von Kulturgütern herzustellen hatten 8 5 . Angesichts der konkreten Gestalt und Gesamtprägung der neuen EU-Vorschriften ist freilich der Vorwurf, sie seien auf der Basis streng nationalstaatlichen Besitzdenkens entstanden 86 , nicht gänzlich von der Hand zu weisen.

85 Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates v. 9. 12. 1992 (AB1EG 1992 Nr. L 395, S. 1) über die Ausfuhr von Kulturgütern; Richtlinie 93/7/EWG des Rates v. 15. 3. 1993 (AB1EG 1993 Nr. L 74, S. 74) über die Rückgabe von Kulturgütern; VO (EWG) Nr. 752/93 der Kommission v. 30. 3. 1993 (AB1EG 1993 Nr. L 77, S. 24) zur Durchführung der VO (EWG) Nr. 3911/92 des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern; hierzu etwa: Wolf gang Eberl , Probleme und Auswirkungen der EG-Vorschriften zum Kulturgüterschutz, NVwZ 1994, S. 729ff.; Gerte Reichelt , Europäischer Kunstmarkt, ÖJZ 1994, S. 339ff.; Frank Fechner , Die Vorhaben der EG zum Kulturgüterschutz, DÖV 1992, S. 609 ff.; der s., Conséquences for German Law of the European Union Rules on the Export of Cultural Goods, in: Quentin Byrne-Sutton/Marc-André Renold (Hrsg.), Les objets d' art dans 1' Union Européenne/ Works of Art in the European Union, Zürich 1994, S. 127 ff. 86 So Eberl (Anm. 85), S. 729.

Ist das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum ein Finanzierungsproblem? Daneben auch ein Beitrag zum Begriff des Kulturgüterschutzes Von Klaus Abele* I. Einleitung Der Kulturgüterschutz ist in jüngster Zeit zunehmend in den Blickpunkt von Literatur und Rechtsprechung gerückt. Die Betrachtungsweisen sind dabei sehr unterschiedlich. Den Architekten und Handwerkern geht es primär um die Weiterentwicklung von technischen oder handwerklichen Mitteln zum Erhalt von Bausubstanz und um neue Methoden der Konservierung. Unter juristischem Blickwinkel sind die Problemlagen gänzlich anders. Hier werden Fragen gestellt nach dem Begriff des Kulturguts, den Gründen für seinen Schutz, nach dem Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum und damit nach seinen rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen. Im ersten Teil des vorliegenden Beitrags soll zunächst das Verhältnis zwischen Kulturgüterschutz und Eigentum etwas näher betrachtet werden. Vor allem wird auf die Frage eingegangen, wie sich finanzielle Spielräume oder Engpässe bei den Denkmalschutzbehörden in Deutschland auf den Kulturgüterschutz auswirken. Des weiteren werden verschiedene juristische Möglichkeiten zum Schutz von Kulturgütern vorgestellt und über Möglichkeiten der Verbesserung nachgedacht. Der zweite Teil ist ein Beitrag zur Vereinheitlichung und Systematisierung des Begriffs Kulturgut. II. Kulturgüterschutz und Eigentum 1. Solange Kulturgüter im Eigentum von Bürgern stehen, kann wirksamer Kulturgüterschutz nur durch die Beschränkung der Eigentümerfreiheiten stattfinden. Damit ein gewisses Maß an Rechtssicherheit für den Eigentümer garantiert werden kann, ist u.a. notwendig, daß die geschützten Kulturgüter als solche erkennbar sind. Dazu kann die im zweiten Teil dargestellte Systematisierung und Bewertung * Rechtsanwalt in Schorndorf. 5=

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von Kulturgütern einen Beitrag leisten.1 Restliche Zweifel werden nur dann ausgeschlossen, wenn durch einen konstitutiven Akt die Schutzwürdigkeit eines Kulturdenkmals festgelegt und dem Eigentümer bekanntgemacht wird. 2 Besonders im internationalen Kulturgüterschutz ist eine solche Entwicklung wünschenswert. Die eindeutige Einordnung eines Gegenstands als besonders schützenswertes Kulturgut 3 und die Aufnahme in eine veröffentlichte Liste kann am ehesten dessen Schutz vor Diebstahl und Schmuggel gewährleisten. 2. In Deutschland ist der Kulturgüterschutz grundsätzlich Länderkompetenz.4 Er ist in den einschlägigen Denkmalschutzgesetzen geregelt, die je nach Bundesland inhaltlich etwas abweichen.5 Trotz einiger Unterschiede im Detail ist das rechtliche Instrumentarium durchaus vergleichbar. Die Darstellung der rechtlichen Grundlagen zur Eigentumsbeschränkung im Überblick und der Zusammenhang zwischen Eigentumsbeschränkung und Finanzkraft der Denkmalschutzbehörden sollen auf ein Problem aufmerksam machen, das national wie international von großer Relevanz ist. Mit der „Unterschutzstellung" eines Gebäudes erhält die Denkmalschutzbehörde das Recht, den Eigentümer in seinen Eigentumsrechten einzuschränken.6 Bei Baudenkmalen7 sind hier insbesondere zu nennen: die Genehmigungspflicht, die Erhaltungspflicht, Auskunfts- und Duldungspflichten, Anzeigepflichten und die Enteignung als schwerster Eingriff. Genehmigungspflichtig ist jeder Eingriff in die Substanz oder das Erscheinungsbild eines Denkmals, auch die völlige Entfernung desselben aus seiner Umgebung. Von dieser Genehmigung hängt die Bebaubarkeit von Grundstücken, der Abriß von Gebäuden und u.U. auch die Nutzungsänderung ab.8 Die Erhaltungspflicht ist eine Rechtspflicht, die dem Eigentümer und Besitzer9 auferlegt, im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um das Denkmal in gutem Zustand zu erhalten. Im wesentlichen umfaßt diese Pflicht die Instandhaltung, In1

Siehe unten III. Das z. B. in Baden-Württemberg normierte Generalklauselprinzip (§2 DSchG B-W), nach dem ein Objekt ex lege geschützt ist, wenn es die Merkmale des Denkmalbegriffs erfüllt, ist aus diesem Grund abzulehnen. 3 Zu diesem Begriff siehe unten III. 8. 4 Das GG enthält keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes, so daß es bei dem Grundsatz des Art 70 GG bleibt. 5 R. Kleeberg/W. Eberl , Kulturgüter in Privatbesitz, 1990, 3., 6. und 7. Abschnitt. 2

6 § 6 ff. DSchG B-W; § 9 ff. DSchG Bre; § 9 ff. DSchG Saarl. 7 Mit Abweichungen im Detail gilt dies auch für andere Kulturdenkmale. 8 Strobl/Majocco/Birn , Kommentar zum Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg, 1989, Rn. 11 ff. zu § 8 DSchG B-W. 9 Da die Erhaltungspflicht an das Eigentum anknüpft, sind alle dinglich Berechtigten zur Erhaltung des Denkmals verpflichtet; Strobl/Majocco/Birn , DschG B-W, Rn. 6 zu § 6 DSchG B-W.

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standsetzung bei Beschädigung, die sachgemäße Behandlung mit Rücksicht auf den Denkmalcharakter und den Schutz vor Gefährdungen (Diebstahl, Brand, Schädlinge etc.). 10 Auskunfts- (z. B. Alter, Bausubstanz) und Duldungspflichten (z. B. Betretungsrecht) sollen der Behörde ermöglichen, alle für ihre Entscheidungen relevanten Daten zu erheben. Außer diesen im Gesetz fixierten Einschränkungen, sind noch weitere denkbar. So kann mit der „Unterschutzstellung" eine (nicht unerhebliche) Verkehrswertminderung einhergehen. Bei der Veräußerung wirken sich bestehende Nutzungsbeschränkungen oder Erhaltungsauflagen meist kaufpreismindernd aus. Die Erhaltungsaufwendungen sind in der Regel höher und gehen oft mit Ertragsminderungen einher. Obwohl durch diese Beschränkungen das Eigentum in seiner Substanz nicht angetastet wird, 11 läßt sich ein Vorrang des Kulturgüterschutzes ausmachen. Der Eigentümer hat sich grundsätzlich nach den denkmalschutzrechtlichen Belangen zu richten. Weitreichende Befugnisse der Behörden ermöglichen den effektiven Schutz der Kulturgüter. Je schutzwürdiger das Kulturgut ist, desto stärkere Beschränkungen hat der Eigentümer zu dulden; im DSchG B-W kommt dies deutlich zum Ausdruck. Besonders schützenswerte Kulturgüter bedürfen z. B. bei jeder geplanten Veränderung der Genehmigung. Darüber hinaus ist durch § 15 DSchG BW auch die Umgebung eines besonderen Kulturguts geschützt. Obwohl sie selbst kein Denkmal zu Eigentum haben, bedürfen Eigentümer in der Nachbarschaft des besonderen Denkmals der Genehmigung, wenn sie eine Veränderung ihres Gebäudes planen. 3. Nach diesen Ausführungen liegt der Schluß nahe, daß mit diesem rechtlichen Instrumentarium dem Kulturgüterschutz in fast jedem Fall zum Erfolg verholfen werden kann. Doch wie so oft, trügt auch hier der Schein. Der Kulturgüterschutz ist in Deutschland zwar rechtlich gut ausgestattet, in der Praxis dennoch oft nicht durchsetzbar. Mit jeder denkmalbedingten Aufgabe entstehen für den Eigentümer zusätzliche Kosten (besondere Materialien, sorgfältigere und aufwendigere Handwerkerarbeiten etc.). Das wirft die Frage auf, inwieweit er mit diesen denkmalbedingten Aufwendungen belastet werden kann. Die Pflicht zur Erhaltung des Denkmals besteht zwar; aber welche finanziellen Opfer können von ihm rechtmäßig abverlangt werden? Vor einer Antwort ist zunächst festzustellen, daß Kulturgüter- oder Denkmalschutz eine öffentliche Aufgabe ist. 12 Denn es ist in erster Linie eine Aufgabe der Gemeinschaft, Werte zu erhalten, die Zeugnis einer Kultur sind. Nicht der einzelne Eigentümer, sondern das Gemeinwesen ist zum Schutz des gemeinsamen Erbes 10 Strobl/Majocco/Birn, 11

DschG B-W, Rn. 3 zu § 6 DSchG B-W.

Es handelt sich mit Ausnahme der förmlichen Enteignung um Inhaltsbestimmungen; für viele: R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, Berlin 1992, S. 126. 12 So z. B. auch C. Moench, Denkmalschutz und Eigentumsbeschränkung, BauR 1993, S. 420 (425).

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aufgerufen. Deshalb muß auch die Finanzierung von Erhaltungsmaßnahmen in erster Linie von den zuständigen Behörden geleistet werden. Dogmatisch ist diese Fragestellung in dem Spannungsverhältnis von Eigentümer- und Gemeinwohlinteressen angesiedelt, welches Art. 14 GG zu lösen versucht, speziell bei der Unterscheidung von verfassungsmäßigen und nicht verfassungsmäßigen Inhaltsbestimmungen (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG). 13 Nun ist es anerkannt, daß der Eigentümer wegen der „Situationsgebundenheit"14 seines Eigentums verpflichtet werden kann, einen gewissen Anteil an den denkmalbedingten Aufwendungen zu tragen. In der Praxis schwankt er zwischen 20 und 25 %, je nach Einzelfall. Mehr dürfte in aller Regel nicht rechtmäßig sein.15 Durch eine im Detail sehr schwierige Berechnung wird versucht, die denkmalbedingten Kosten von denen zu trennen, die der Eigentümer eines nicht schutzwürdigen Gebäudes für die anstehende Maßnahme aufbringen müßte. Danach wird der denkmalbedingte Aufwand mit dem denkmalbedingten Ertrag verglichen. Denkmalbedingte Erträge können freiwillige Zuschüsse der Behörden und Einsparungen verschiedenster Art sein. 16 Es gibt auf Landesebene eine Vielzahl von Förderprogrammen, die finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.17 Hinzu kommen Fördermittel der Kommunen, des Bundes und der EG. Darüber hinaus genießt der Eigentümer eines Denkmals verschiedenste Steuererleichterungen bis hin zur Steuerbefreiung (z. B. bei der Einkommens-, Erbschafts-, Gewerbe- oder Umsatzsteuer).18 Sind nach dieser Berechnung die denkmalbedingten Aufwendungen höher als beschriebene 20-25 %, so ist die zwangsweise Durchsetzung der Maßnahme unverhältnismäßig und damit rechts- bzw. verfassungswidrig. 19 Hiernach wird deutlich, wie stark die Finanzkraft der Kommunen den Denkmalschutz beeinflußt. Ca. 80 % der denkmalbedingten Aufwendungen müssen von ihnen aufgebracht werden. Im Ergebnis hängt effektiver Denkmal- bzw. Kulturgüterschutz maßgeblich von den finanziellen Möglichkeiten der öffentlichen Hände ab. Das rechtliche Instrumentarium zur Beschränkung des Eigentums ist zwar vorhanden; umsetzbar ist es aber nur, wenn der größte Teil der denkmalbedingten Auf13 Siehe unten II.6. 14 Dazu z. B. BGH NJW 1979, S. 210ff.; zur bemerkenswerten Kritik dieses Abgrenzungsmerkmals, R. Körner ; Denkmalschutz, S. 96ff.; Schink , DVB1. 1990 S. 1375 (1382). 15 Strobl/Majocco/Birn, DschG B-W, Rn. 12ff. zu § 6 DSchG B-W. 16 Ein Überblick findet sich in R. Kleeberg/W. Eberl , Kulturgüter Rn. 171 ff.; z. B. Strukturprogramm ländlicher Raum; Zuschüsse nach § 6 Abs. 2 DSchG B-W werden überwiegend durch die staatliche Sportwette, Spiel 77 und der Losbrieflotterie finanziert; W. Maier , Denkmalschutz in Baden-Württemberg, 1991, S. 36. 17 Beispiele in R. Kleeberg/W. Eberl , Kulturgüter Rn. 171 ff.; z. B. Strukturprogramm ländlicher Raum; Zuschüsse nach § 6 Abs. 2 DSchG B-W werden überwiegend durch die staatliche Sportwette, Spiel 77 und der Losbrieflotterie finanziert; W. Maier , Denkmalschutz, S. 36. 18 R. Kleeberg/W. Eberl , Kulturgüter, Rn. 351 ff. 19 Zu der dogmatischen Anknüpfung etwas eingehender unten II.6.

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Wendungen durch die Öffentlichkeit finanziert wird. Fragt man derzeit bei Denkmalschutzbehörden oder Landesdenkmalämtern nach, so ist erkennbar, daß die finanziellen Mittel für den Denkmalschutz stark reduziert und vorwiegend für besonders schutzwürdige Kulturgüter 20 eingesetzt werden. Mancher Eigentümer hat nun die Gelegenheit, sein unliebsames Denkmal (Gebäude) abzubrechen, weil der Erhalt nicht finanzierbar ist. Diese Problematik setzt sich im internationalen Kulturgüterschutz fort. Das Spannungsverhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum gibt es unter jeder Rechtsordnung, die privates Eigentum vorsieht. Und Enteignungen oder sehr weitgehende Beschränkungen führen in der Regel zu Kompensationen. Gerade Länder mit einem hohen Bestand an Kulturgütern können deren Erhaltung aus diesem Grund oft nicht finanzieren. Zuschüsse internationaler Institutionen (z. B. UNESCO) reichen bei weitem nicht aus, diese Defizite zu beseitigen. Effektiver internationaler Kulturgüterschutz ist deshalb nur auf der Basis einer soliden finanziellen Ausstattung der zuständigen Behörden möglich. 4. Im folgenden wird der Schutz von Kulturgütern betrachtet, die einen hohen Handels wert besitzen und bei denen ein behördlicher Zwang z. B. zur Erhaltung grundsätzlich nicht notwendig ist. Insbesondere wertvolle Gemälde, Schmuck etc. rücken hier in den Blickpunkt. Bei diesen Gegenständen hat der Kulturgüterschutz eine andere Aufgabe. Hier gilt es zu erreichen, daß dieses Kulturgut nicht zerstört, nicht völlig unkontrolliert gehandelt wird und, so weit als möglich, der Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Für eine Art dieser Kulturgüter, nämlich die „Schätze",21 stellen die meisten Bundesländer mit der Regelung des „Schatzfundes" 22 ein Schutzinstrument zur Verfügung. Hier wird bestimmt, daß das Land ex lege Eigentümerin von Schätzen wird, die bei Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten auf dem Gebiet des Landes entdeckt werden. Vom BVerfG wurde das „Schatzregal" für verfassungsmäßig erklärt. 23 Weil die gesetzliche Bestimmung festlege, wer Eigentümer von Schätzen wird, sei das Eigentum des Grundstückseigentümers nicht tangiert; ein Eingriff in dasselbe könne mithin nicht vorliegen. Art. 14 GG schütze nicht Erwerbschancen, sondern das Erworbene. Die Regelungskompetenz der Länder ergebe sich aus Art. 73 EGBGB, nach dem die Länder in Abweichung von den grundgesetzlichen Gesetzgebungskompetenzen alte Regalien erhalten und neu regeln dürfen. 24 Damit haben die Länder ein schneidiges Instrument zum Kulturgüterschutz. Es ermöglicht den soforti20 Zum Begriff siehe unten III.8. 21 Zum Begriff des Schatzes: Strobl/Majocco/Birn, DschG B-W , Rn. 2ff. zu § 23 DSchG B-W; in Baden-Württemberg reicht es aus, wenn der Schatz einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert hat. 22 Z.B. § 23 DSchG B-W. 23 BVerfGE 78, S. 205 ff.; H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, 1994, S. 275. 24 E.-R. Hönes, Das Schatzregal, DÖV 1992, S. 425 (429).

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gen und umfassenden Zugriff auf das Kulturgut durch staatliche Behörden. Der Vorteil besteht darin, daß Kulturgüter ohne aufwendige Verfahren und Kosten Eigentum des Staates werden. So können sie ohne größeren Aufwand der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Bisher erfaßt das „Schatzregal" vor allem 25 Grabungsschutzgebiete und staatliche Grabungen. Die Ausdehnung auf alle Schatzfunde wäre angebracht.26 Damit könnte der Raubgräber mit der Bergung des Schatzes kein Eigentum erwerben und der Besitz wäre einklagbar. Darüber hinaus ist es notwendig, über die Erweiterung des „Schatzregals" in Bezug auf den gutgläubigen Erwerb Dritter nachzudenken. Bei den Schatzfunden handelt es sich in der Regel um herrenlose Sachen.27 Nimmt der Finder die Sachen an sich, so wird er unmittelbarer Besitzer derselben. Die Anwendung des § 935 BGB, wonach ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten vereitelt wird, ist nicht möglich. Denn § 935 BGB setzt voraus, daß dem Eigentümer bzw. dem berechtigten Besitzer der unmittelbare Besitz unfreiwillig und vollständig entzogen worden ist. 28 War das Land aber niemals unmittelbarer Besitzer, so kann der Besitz auch nicht entzogen werden. Ergrabene Schätze können deshalb an gutgläubige Dritte veräußert werden, wodurch das jeweilige Bundesland sein Eigentum verliert. Um den Kulturgüterschutz in diesem Bereich zu vervollständigen, ist eine gesetzliche Regelung notwendig, die mit dem Auffinden des Gegenstands nicht nur das Eigentum, sondern auch den unmittelbaren Besitz auf das jeweilige Bundesland überträgt. Man kann an eine Bestimmung denken, die dem § 857 BGB ähnelt. Durch diese Norm erhalten die Erben den Besitz am Nachlaß in der jeweils vor dem Erbfall bestehenden Form (Allein-/ Mit-/mittelbarer Besitz). Wenn nun das jeweilige Bundesland mit dem Fund unmittelbarer Besitzer würde, so läge in der Besitzergreifung des Finders zum Zwecke der Weiterveräußerung ein Besitzentzug ohne den Willen des Berechtigten. Damit wären die Voraussetzungen des § 935 BGB erfüllt und ein gutgläubiger Erwerb durch den Nichtberechtigten könnte nicht stattfinden. Das „Schatzregal" wird, wie bereits ausgeführt, von den Ländern auf Grund einer vom Bund übertragenen Gesetzgebungskompetenz (Art. 73 EGBGB) geregelt. Fraglich ist, ob die Länder die eben skizzierte Besitzrechtsänderung kraft eigener Kompetenz ändern können. Wenn die Regelung zum bürgerlichen Recht gehört, ist nach Art. 74 Nr. 1 GG der Bund für die Gesetzgebung zuständig. Nur soweit er nicht oder nicht abschließend regelt, haben die Länder eine Gesetzgebungskompetenz. Unter bürgerlichem Recht i. S. d. Art. 74 Nr. 1 GG versteht man den Inbegriff 25

Z.B. erfaßt § 23 DSchG B-W auch Schätze von hervorragendem wissenschaftlichen Wert; dazu im einzelnen, Strobl / Majocco / Birn, DschG B-W, Rn. 3 zu § 23 DSchG B-W. 2 6 So auch E.-R. Hönes, Das Schatzregal, S. 432. 27

H. Melchinger , Die Eigentumsdogmatik, S. 275; dies gilt wohl auch für die Fälle, in denen der Eigentümer nicht mehr aufzufinden ist. 28 E Baur, Sachenrecht, 14. Auflage, § 52 V Nr. 2.

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aller Normen, welche „die den Personen als Privatpersonen zukommende rechtliche Stellung und die Verhältnisse, in welchen die Personen als Privatpersonen untereinander stehen, zu regeln bestimmt sind." 29 Das Sachenrecht und damit auch das Besitzrecht ist dem bürgerlichen Recht zuzuordnen, weil es Normen enthält, die üblicherweise dem Zivilrecht angehören.30 Nun ist noch von Interesse, ob die Normen des Sachenrechts eine abschließende Regelung treffen sollen. Gerade beim BGB geht die allgemeine Meinung davon aus, daß es sich um eine Kodifikation handelt. Und Kodifikationen beinhalten grundsätzlich abschließende Regelungen. Gerade das Sachenrecht, welches Rechtssicherheit vermitteln soll (numerus clausus - Prinzip), kann und will Abweichungen nicht zulassen.31 Das Grundgesetz erlaubt es den Bundesländern demnach nicht, eine solche Regelung zu erlassen. Zuletzt kann man an Ermächtigungen denken, die im EGBGB enthalten sind. Eventuell enthalten die Art. 109 und Art. 111 EGBGB eine Ermächtigung der Bundesländer zur Regelung der Besitzverhältnisse. Art. 111 EGBGB erfaßt ausdrücklich nur „tatsächliche Verfügungen" nicht aber „rechtliche Verfügungen". 32 Gemeint sind damit vor allem Baubeschränkungen, aber auch tatsächliche Beschränkungen im Denkmalschutzbereich.33 Die Besitzzuweisung ist keine Beschränkung des Eigentums hinsichtlich von tatsächlichen Verfügungen. Vielmehr wird der Besitz einer juristischen Person ex lege zugeordnet. Im übrigen liegt überhaupt keine Eigentumsbeschränkung vor. Denn durch die Besitzzuweisung wird das Eigentumsrecht gestärkt, nicht beschränkt. Wie aus dem Wortlaut des Art. 109 EGBGB zu entnehmen ist, können die Bundesländer Regelungen zur Entziehung, Beschädigung oder Benutzung einer Sache aber auch zur Beschränkung des Eigentums, sowie zur Entziehung und Beschränkung von Rechten treffen. Die angestrebte Regelung enthält keine dieser Alternativen. Das Eigentum des Landes wird dadurch nicht negativ betroffen. Im übrigen würde eine derartige Regelung auch an grundsätzlichen Erwägungen scheitern müssen. Das BVerfG hat schon früh entschieden, daß es dem Landesgesetzgeber nicht erlaubt ist, die sachenrechtlichen Regelungen des Bundes, insbesondere den sogenannten „numerus clausus" der Sachenrechte zu verändern. 34 Die bisher vor-

29 BVerfGE 42, 29 (30). 30

H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 54 zu Art 74 GG. 31 H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Rn. 55 zu Art 74 GG. 32 D. Merten/F. Kirchof, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, 12. Aufl. 1985, Rn. 4 zu Art. 111 EGBGB. 33

D. Merten/F. Kirchof\ in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Rn. 6 zu Art. 111 EGBGB. 3 * BVerfGE 45, S. 297 (343 f.).

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geschriebenen Formen der Besitzerlangung und Übertragung (§§ 854ff.) würden durch eine Länderregelung unzulässig erweitert. Alles in allem ist festzustellen, daß die Regelungsbefugnis, mit der dem jeweiligen Bundesland der unmittelbare Besitz an einem Schatzfund bei dessen Auffinden übertragen wird, durch Bundesgesetz auf die Länder delegiert werden muß. Im Zeichen eines effektiven Kulturgüterschutzes sollte auf Bundesebene über eine Ergänzung des EGBGB nachgedacht werden. Möglich wäre auch eine Änderung des § 935 BGB in Bezug auf Kulturgüter. Aber dafür ist wiederum nur der Bund zuständig. 5. Im Kontext zu den vorhergehenden Ausführungen ist eine weitere, derzeit stark diskutierte Möglichkeit des Kulturgüterschutzes zu erwähnen. 35 Das Rechtsinstitut der „res extra commercium" soll die zu schützende Sache dem freien Handel entziehen. Eine wirksame Veräußerung gegen den Willen der Behörde ist danach nicht mehr möglich. In der Literatur wird vorgeschlagen, wie die Umwandlung erfolgen kann. Bei der privatrechtlichen Lösung soll die Privatrechtsordnung so abgeändert werden, daß für bestimmte Kulturgüter die herkömmliche Sachenrechtsordnung nicht mehr gilt (insbesondere §§ 935 und 937 BGB). 36 Der gutgläubige Erwerb, und das ist besonders erwähnenswert, wird dadurch ausgeschlossen. Die öffentlich-rechtliche Lösung sieht vor, daß das zu schützende Kulturgut einem öffentlichen Zweck gewidmt wird. Diese Widmung ist „privatrechtsresistent" auszugestalten, sie schließt die Möglichkeit der vom Widmungszweck abweichenden Nutzung aus. Das Eigentum bleibt zwar formal erhalten, der Besitz wird aber z. B. den Museen zugeordnet. Diese Zuordnung kann durch nichts anderes aufgehoben werden, als durch die Entwidmung der Sache. Herausgabeansprüche können damit auch gegen den Eigentümer durchgesetzt werden. Vorlage für diesen öffentlichrechtlichen Weg des Kulturgüterschutzes ist das Straßenrecht. Mit der Widmung einer Straße werden die Rechte des Eigentümers beschränkt, denn jedermann soll das Recht haben, diese Straße zu benutzen. Die Widmung setzt sich gegen Veräußerungen der Grundstücke durch und alle Eigentümer sind daran gebunden (z. B. § 5 Abs. 1 und 8 StrG B-W). Diese Rechtskonstruktion wurde auf dem Hintergrund des sogenannten „Hamburger Stadtsiegelfalls" 37 erneut diskutiert: Der Stadt Hamburg ist 1945 ein wertvolles Stadtsiegel gestohlen worden, also i. S. d. § 935 BGB abhanden gekommen. Durch eine öffentliche Versteigerung hat die Stadt ihr Eigentum an dem Stadtsiegel verloren (§ 935 S. 2 BGB). Der zivilrechtliche Herausgabeanspruch nach § 985 BGB konnte nicht mehr durchgesetzt werden. Es stellte sich dann die Frage, ob ein öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch besteht. Dieser, so die Überlegungen, 35

R. Mußgnug , Museums- und Archivgut als „res extra commercium", in: Dolzer/ Jayme/Mußgnug, (Hrsg.), S. 199 ff. 36 Gesetzgebungskompetenz hat der Bund! siehe oben II.4. 37 BGH NJW 1990, S. 899 ff.

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könnte sich aus der Eigenschaft des Siegels als „res extra commercium" ergeben. Denn das Siegel sei zum Gebrauch durch die Stadt Hamburg gewidmet. Die Widmung sei mit der einer Straße durchaus vergleichbar, so daß dadurch private Rechte überwunden werden können. Im Ergebnis wurde diese Auffassung letztinstanzlich abgelehnt. Nur durch eine gesetzliche Regelung könne das Rechtsinstitut im Bereich des Kulturgüterschutzes eingeführt werden. Ohne auf die Problematik des Falles im einzelnen einzugehen, dürfte die Entscheidung wohl richtig sein. Eine Widmung von Sachen zum Gebrauch durch die Öffentlichkeit oder die Verwaltung ist nur möglich, wenn sie gesetzlich fixiert, vor allem der Umfang der Widmung festgelegt ist. Denn eine derartige Widmung beschränkt die Rechte Dritter stark. Mit ihr würde, wie im Straßenrecht zu sehen ist, auch die Privatrechtsordnung teilweise überwunden. In der Praxis müßte die Widmung eines Kulturguts, vorausgesetzt, das notwendige Gesetz wäre erlassen, nach außen deutlich gemacht werden. Dies könnte z. B. durch entsprechende Veröffentlichung und Aufnahme in ein Verzeichnis gewidmeter Kulturgüter geschehen. Um den Verwaltungsaufwand in Grenzen zu halten muß dann eine Beschränkung auf bedeutendere Kulturgüter erfolgen. Soweit das Rechtsinstitut des „res extra commercium" auch auf Kulturgüter im Eigentum von Bürgern angewendet werden soll, ohne daß diese damit einverstanden sind, begegnet es erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.38 Denn vom Eigentumsrecht bleibt dann nahezu nichts übrig. Der Eigentümer hat keinen Anspruch auf den Besitz, konsequenterweise muß er auch mit Erhaltungsmaßnahmen einverstanden sein. Die Veräußerung ist zwar grundsätzlich möglich, tatsächlich aber nicht zu realisieren. Denn wer erwirbt ein Kulturgut zu Eigentum, das in einem Museum ausgestellt wird und dem Zugriff des Eigentümers auf Dauer entzogen ist. Im Ergebnis scheitert diese Möglichkeit an den Grundsätzen des Art. 14 GG. Auch im Straßenrecht wird insoweit auf das Eigentum Rücksicht genommen (z. B. § 5 Abs. 1 StrG B-W), wenn dort geregelt ist, daß eine Straße im Privateigentum nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Eigentümers als Straße gewidmet werden darf. 6. Zuletzt soll noch eine Maßnahme erörtert werden, die zumindest in einem kleinen Bereich effektiven Schutz von Kulturgütern gewährleisten kann. Der Staat, bzw. das Bundesland sollte versuchen, besonders schutzwürdige Kulturgüter 39 in sein Eigentum zu überführen. Damit wird das Spannungsverhältnis von Kulturgut und Eigentum aufgehoben und zugleich ein Höchstmaß an Schutz geboten.40

38 Die Beschränkung ist derart stark, daß die Dispositionsfreiheit des Eigentümers faktisch aufgehoben wird. Das ist m.E. mit Art 14 GG nicht zu vereinbaren; so auch BGHZ 72, S. 211 ff. für den Fall, in dem durch die Verweigerung einer Abbruchgenehmigung faktisch die Dispositionsfreiheit aufgehoben wird. Auch im Straßenrecht wird die Widmung davon abhängig gemacht, daß die Straße im Eigentum des Trägers der Straßenbaulast steht oder der Eigentümer mit der Widmung einverstanden ist (z. B. § 5 StrG B-W). 39

Zum Begriff siehe unten III.8.

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Staatseigentum garantiert die Erhaltung der Kulturgüter und bis zu einem gewissen Grade auch den Schutz vor Diebstahl und illegalem Export. Im übrigen ist dann der Zugang der Öffentlichkeit zu Kulturgütern am ehesten gewährleistet. 41 Die Staaten bzw. Bundesländer sollten danach streben, Kulturgüter soweit als möglich zu erwerben. Wo dies nicht möglich ist, kann ein Enteignungsverfahren weiterhelfen. 42 In Baden-Württemberg z. B. wird derzeit von der Möglichkeit einer Enteignung nur sparsamster Gebrauch gemacht.43 Hingegen wird versucht, die bestehenden gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen weit auszulegen, um den maximalen Schutz des Kulturguts zu erreichen. Über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird die Sozialpflichtigkeit bei national oder international wertvollen Kulturgütern stark angespannt. Vergleicht man die Handlungsmöglichkeiten des Eigentümers eines solchen Kulturguts mit dem enteigneten Eigentümer, so ist der Unterschied nur minimal. Das läßt sich z. B. anhand des DSchG B-W nachweisen. Die zentrale Einschränkung des Eigentümers erfolgt durch die Pflicht zur Erhaltung des Denkmals. Geregelt ist diese Pflicht in § 6 DSchG B-W. Die bestimmende Tatbestandsvoraussetzung für die Pflicht ist die Zumutbarkeit der Erhaltungsmaßnahme. Unabhängig von den Abgrenzungskriterien im einzelnen sind Literatur und Rechtsprechung sich darin einig, daß die äußerste Grenze der Zumutbarkeit dann überschritten ist, wenn das Denkmal von dem Eigentümer nicht mehr sinnvoll genutzt werden kann, also „nur noch Denkmal" ist. 44 Genauso kann eine Wertminderung des Grundstücks durch die Versagung einer Abbruchgenehmigung die Unzumutbarkeit zur Folge haben, wenn dadurch eine Veräußerung des Grundstücks ökonomisch sinnlos wird und einem Veräußerungsverbot gleichkommt.45 Unzumutbarkeit soll des weiteren vorliegen, wenn dem Eigentümer auf Dauer zugemutet wird, finanzielle Mittel für den Denkmalschutz zuzuschießen.46 40

Diese Auffassung setzt allerdings einen Staat voraus, der demokratisch legitimiert und kontrolliert, sowie frei von existentiellen Finanzierungsproblemen ist. Wo dies nicht der Fall ist, sind die Kulturgüter enorm gefährdet. 41 Mit den DSchG der Länder kann der Zugang zu privaten Kulturgütern nur schwer oder gar nicht durchgesetzt werden. 42 Da die Enteignung „ultima ratio" ist, müssen zunächst alle Möglichkeiten des zwanglosen Erwerbs genutzt werden; H.-J. Papier , in: Maunz/Dürig/Herzog, Rn. 507 zu Art 14 GG; Leibholz/Rinck/Hesselberger, Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung Stand: Oktober 1993, Rn. 1131 zu Art. 14 GG; a.A. wohl noch G. Schwerdtfeger , Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 34; Schmidt-Bleibtreu , Kommentar zum Grundgesetz, Bonn, München u.a. 7. Aufl. 1990, Rn. 13 zu Art 14 GG. 43

Auskunft des Landesdenkmalamts B-W und der Stadt Stuttgart. VGH (B-W.) VwBlBw 1989 S. 18 (22); C. Moench , Denkmalschutz und Eigentumsbeschränkung, BauR 1993, S. 420 (425). 4 5 BGHZ 72, S. 211 ff.; grds. stellt eine Wertminderung keinen Eingriff in Art 14 GG dar. Art 14 GG schützt das vorhandene Vermögen, nicht aber Erwerbschancen oder Gewinnmöglichkeiten; Maurer , Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 1992, Rn. 21 zu § 26. 44

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Für viele C. Moench , Denkmalschutz und Eigentumsbeschränkung, BauR 1993, S. 425.

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In allen anderen Fällen muß die Zumutbarkeit durch eine Güterabwägung der zuständigen Behörde festgestellt werden. Da das Merkmal der Zumutbarkeit eine Inhaltsbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 4 7 ist, ist in der Güterabwägung auch die Abgrenzung zwischen verfassungsmäßiger und verfassungswidriger Inhaltsbestimmung enthalten. Grundsätzlich sind Inhaltsbestimmungen nur im Rahmen der Sozialbindung und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erlaubt. 48 Die §§6 und 8 DSchG B-W stellen die Entscheidung über die Genehmigung und die notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung des Denkmals in das Ermessen der zuständigen Behörde. Der gerechte Ausgleich im Konflikt Denkmalschutz versus Eigentümerinteresse soll also auf der Stufe der Verwaltungsentscheidung angestrebt werden. 49 Eine unzumutbare Maßnahme nach den §§ 6, 8 DSchG B-W ist demnach grundsätzlich einer verfassungswidrigen Inhaltsbestimmung gleichzusetzen. Das BVerfG hat in seiner Pflichtexemplarentscheidung dargelegt, daß verfassungswidrige Inhaltsbestimmungen „kompensationsfähig" und damit „wieder" verfassungsmäßig sein können.50 Voraussetzung sei eine entsprechende gesetzliche Regelung. Ist eine solche nicht vorhanden, müsse gegen den Eingriffsakt vorgegangen werden. Im Denkmalschutzrecht ist weitgehend anerkannt, daß durch „gesetzlich vorgesehene" Ausgleichszahlungen (z. B. § 24 DSchG B-W) eine unzumutbare Maßnahme zumutbar, das heißt rechtmäßig werden kann. 51 Vorausgesetzt wird eine ermessensgerechte Entscheidung der Behörde. 52 Im Ergebnis kann die Behörde, sofern die Finanzierung gesichert ist, das Eigentum nahezu vollständig entwerten. 53 Die Enteignung scheint dagegen der bessere Weg zu sein und sollte in Zukunft beschritten werden. Sie ist ein Akt, der den Eigentümer nur einmal belastet; Genehmigungs- und Erhaltungspflichten begleiten ihn dagegen ständig. Im übrigen ist die Enteignung auch der ehrlichere Weg. Wird das Eigentum zwar nicht angetastet, aber enorm beschränkt, so führt dies zu Rechtsunsicherheit und Unzufriedenheit bei den Betroffenen. Die Enteignung hat sich wegen der erheblichen finanziellen Belastungen (Entschädigungen) und weil das Eigentum so weit als möglich ge47 Z.B. Strobl/Majocco/Birn, DschG B - W , Rn. 3 zu § 8 DSchG; R. Körner, Denkmalschutz S. 126. 48 VGH (B-W.) VwBlBW 1989, S. 18 (22). 49 Strobl/Majocco/Birn, DschG B-W, Rn. 6 zu § 8 DSchG B-W. so BVerfGE 58, S. 137 ff. 51 Strobl/Majocco /Birn, DschG B-W ,Rn. 14 zu § 6 DSchG B-W; W. Maier, Denkmalschutz, S. 37 f.; VGH (B-W.) VwBlBW 1989, S. 18 (25); die ansich unzumutbare Belastung ist dann nicht angreifbar! 52 VGH (B-W.) VwBlBW 1989, S. 18 (25). 53 In seiner jüngsten Rechtsprechung kommt der BGH nun erstmals zu dem Ergebnis, daß es nicht nur verfassungsmäßige und verfassungswidrige (aber ausgleichsfähige), sondern auch sogenannte „unzulässige" Inhaltsbestimmungen gebe, die nicht hingenommen werden müßten. Der Interessenkonflikt zwischen Eigentümer und Allgemeinheit könne in diesen Fällen nur durch Enteignung überwunden werden; BGH DVB1. 1993, S. 1085 ff.

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schützt werden muß, auf besonders schutzwürdige Kulturgüter 54 zu beschränken. Natürlich ist die Enteignung mit großen finanziellen Belastungen verbunden. Der eigentliche Mehraufwand beschränkt sich aber auf die Enteignungsentschädigung. Denkmalbedingte Erhaltungsaufwendungen müssen bei diesen Kulturgütern ohnedies zum weit überwiegenden Teil von den Behörden getragen werden. 55

I I I . Der Kulturgüterschutz als Begriffsproblem 1. Schon nach kurzem, intensivem Studium der Literatur zum Kulturgutbegriff gelangt man zu der Erkenntnis, daß international eine Fülle verschiedener Auslegungen vorhanden sind, von Einheitlichkeit also keine Rede sein kann. Diese Einschätzung wird auch allgemein geteilt. 56 Unterschiedlich sind jedoch die daraus gezogenen Konsequenzen. Während einerseits die Auffassung vertreten wird, der Kulturgutbegriff solle in seiner Vielfalt erhalten bleiben, weil ansonsten „nicht mehr auf die autonomen Einheiten des Kulturbegriffes Rücksicht genommen werden kann", 57 versuchen sich andere einer einheitlichen Auslegung anzunähern, um die Basis für allgemeingültige Schutzstandards zu finden. 58 Diese Auffassung verdient den Vorzug. Der Kulturgüterschutz hat eine noch junge Geschichte,59 beginnt sich aber allmählich zu entwickeln. Wie im ersten Teil des Beitrags deutlich wurde, kann mit dem Kulturgüterschutz eine enorme Einschränkung privater Rechte einhergehen.60 Die Forderung, so berechtigt sie auch sein mag, Museums- und Archivgüter de lege ferenda als „res extra commercium" behandeln zu können, ist ein Beispiel für diesen Weg. 61 Eine solche Entwicklung kann nur dann rechtmäßig sein, wenn der betroffene „Gegenstand" mit einiger Sicherheit auszumachen ist. Die Notwendigkeit, den Begriff des Kulturguts national und international zu harmonisieren zeigt sich auch, wenn man die Verwirklichung der Ziele des Kulturgüterschutzes ernst nimmt. Als Ziele sind insbesondere der Erhalt von Originalsubstanz zu nennen, die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit, die Verhinderung illega54

Zum Begriff siehe unten III. 8. 55 Siehe oben II. 2. 56 Z.B. S. v. Schorlemer , Internationaler Kulturgüterschutz 1992, S. 46 f. 57 Reichelt , in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (Hrsg.), 1993, Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 31 f. 58

Boguslawsky , Der Begriff des Kulturguts und seine rechtliche Relevanz, in: Dolzer/ Jayme/Mußgnug (Hrsg.), S. 3ff. 59 „Kulturgüterschutz" gibt es zwar schon seit der Antike. Dieser ist aber nicht mit dem heutigen zu vergleichen. Massenhafte Raubgräberei mit Detektoren und der vielfältige internationale Handel sind jüngere Erscheinungen, die einer Regelung bedürfen. 60 Das gilt für Eigentum, Urheberrechte, Patente etc. gleichermaßen; siehe oben II. 61 R. Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium", in: Dolzer/ Jayme/Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 141 ff.

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len Handels mit Kulturgütern und der Schutz vor Diebstahl, Raubgräberei und Zerstörung. Die eben skizzierten Aufgaben sind derart aufwendig und schwierig zu bewältigen, daß zumindest das „Objekt" des Schutzes mit einiger Sicherheit bestimmbar sein muß. 2. In der Bundesrepublik Deutschland hat der Begriff des Kulturguts im „Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung" (Kulturgüterschutzgesetz), einem Gesetz des Bundes, zentrale Bedeutung erhalten. In diesem Gesetz, das vom Bund auf Grund Art. 74 Nr. 5 GG erlassen werden konnte, wird der Begriff des Kulturguts weiter ausgelegt, als der des Denkmals oder des Kulturdenkmals in den Denkmalschutzgesetzen der Länder. So werden Von ihm neben Bau-, Bodendenkmalen, Bildern, Schmuck u.s.w. auch Sammlungen, Archive, Nachlässe und Kunst bis in die unmittelbare Gegenwart erfaßt. 62 Nachdem nun seit 1. 11. 1994 der Schutz von Kulturgütern gegen Abwanderung im Zuge verschiedener Grundgesetzänderungen als Rahmenkompetenz des Bundes ausgestaltet ist, haben die Länder mehr Möglichkeiten auf den Begriff des Kulturguts Einfluß zu nehmen. Es bleibt zu hoffen, daß dadurch keine neuen Rechtsunsicherheiten entstehen, sondern nach Möglichkeit die Vereinheitlichung des Kulturgutbegriffs weiter voranschreitet. 3. Damit international wirksamer Kulturgüterschutz möglich ist, muß versucht werden, diese Differenzen aufzuheben. Denn nur wenn die Grundlagen des Kulturgüterschutzes und damit auch dessen Begriff konvergent ist, können die beteiligten Staaten praktischen Kulturgüterschutz leisten. Auf europäischer Ebene wurde dazu mit der Verordnung Nr. 3911/9263 über die Ausfuhr von Kulturgütern ein Versuch gemacht. Diese Regelung beinhaltet als Anhang eine Auflistung von Gegenständen, die unter den Begriff des Kulturguts fallen. 64 Für die Einordnung als Kulturgut ist danach das Alter in Verbindung mit dem materiellen Wert (in ECU) ausschlaggebend. Abgesehen davon, daß Wertangaben bei Kulturgütern starken Schwankungen unterliegen und deshalb nur bedingt als Maßstab für die Definition von Kulturgütern einsetzbar sind, überzeugen auch die Altersangaben nicht. Ohne weitere Differenzierung werden danach z. B. alle archäologischen Gegenstände aus Grabungen zu Lande und unter Wasser, die mehr als 100 Jahre alt sind, als Kulturgüter geschützt. Obwohl das Alter für die Einordnung eine große Rolle spielt, 65 kann diese holzschnittartige Auflistung zum Schutz der Kulturgüter nur wenig beitragen. Bei der schier unendlichen Vielzahl von Gegenständen, die davon erfaßt werden, ist eine effektive Kontrolle nicht möglich.

62 E. Jayme, Neue Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im internationalen Privatrecht, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (HrsG.); Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, S. 35 (39); Stich /Burhenne, Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Nr. 420, S. 8 f. 63 ABl. L 395 v. 31. 12. 1992, S. 1 ff. 64 Z.B. ABl. L 74 v. 27. 3. 1993, S. 78 f.

65 Siehe dazu unten II 6. d).

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4. Ein weiterer Streitpunkt auf der Suche nach einem einheitlichen Begriff des Kulturguts ist die Frage, ob nichtgegenständliche Werte in den Begriff mit einbezogen werden sollen. 66 Geht man zunächst von dem Wortlaut „Kulturgut" aus, liegt es nahe, diese immateriellen Werte nicht zu erfassen. In erster Linie werden unter einem „Gut" im herkömmlichen Sprachgebrauch bewegliche oder unbewegliche Sachen, also materielle Werte verstanden. Bei näherer Betrachtung sind auch andere Inhalte erkennbar. So ist es nicht unüblich, Werte wie Ehrlichkeit, Gesundheit etc. als „Güter" zu bezeichnen.67 Der Wortlaut kann deshalb nicht entscheidend sein, immaterielle Werte einer Gesellschaft (Tänze, Rituale, Zeremonien, Sagen, Mythen etc.) als „Kulturgut" abzulehnen.68 Die überwiegende Literatur neigt bisher dennoch einem Kulturgutbegriff zu, der nur Gegenständliches erfaßt. 69 Im angloamerikanischen Sprachraum wird Kulturgut „cultural property" und inzwischen vermehrt „cultural heritage" 70 genannt. Im französischen Sprachraum spricht man von „biens". Diese Begriffe schließen ein Ausdehnung auf immaterielle Güter nicht aus. Bei dem Begriff des „cultural heritage" wird das sehr deutlich: denn das kulturelle Erbe umfaßt alle Werte, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Aber auch die Begriffe „cultural property" und „biens" lassen die Einbeziehung sog. „intangibles" zu, wenngleich das Wort „property" andere Assoziationen auslöst. Lyndel V. Prott und Patrick J. O'Keefe stellen dazu fest: „ .. .if the word „property" is used, it must be used with great care and will have to be re-interpreted in many cases."71 Unabhängig von diesem Streit ist in der Zwischenzeit anerkannt, daß „intangibles" Werte sind, die des Schutzes bedürfen. 72 Im Namen eines effektiven Kulturgüterschutzes sollte deshalb der Streit beendet werden, ob die nichtgegenständlichen Werte einer Gesellschaft auch unter den Begriff des Kulturguts fallen. Und zwar in dem Sinne beendet, daß auch die immateriellen Werte davon erfaßt sind. Denn gerade weil der Begriff „Kulturgut" sehr weit ist, kann die Einbeziehung der immateriellen Werte nicht als Überfrachtung oder unnatürliche Auslegung aufgefaßt werden. Man darf den Begriff entgegen seinem natürlichen Sprachgehalt nicht in ein Korsett zwängen und damit auf wenige Topoi beschränken. 66

S. v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz S. 46 ff. m.w.N. Diese Art der Verwendung ist in der Ethik beheimatet; dtv-Lexikon Band 7, S. 246. 68 So u.a. auch L. v. Prott / PJ. O'Keefe , „Cultural Heritage" or „Cultural Property"?, International Journal of Cultural Property 1992, S. 307 (308); sie schränken aber gleich ein, daß trotz der Vielfalt schützenswerter Kultur nicht alles geschützt werden soll. Faktoren, die die Schutzwürdigkeit beinhalten seien z. B. die Seltenheit des Guts oder die besondere Exemplifizierung der Entwicklung einer Gesellschaft. 69 S. v. Schorlemer , Internationaler Kulturgüterschutz, S. 50 m.w.N. 70 L. v. Prott/PJ. O'Keefe , „Cultural Heritage", S. 310. 67

71 L. v. Prott/PJ. O'Keefe , „Cultural Heritage", S. 310. 72 S. v. Schorlemer , Internationaler Kulturgüterschutz, S. 49 f. mit dem Hinweis auf die Erklärung von Mexiko-City anläßlich der Weltkonferenz über Kulturpolitik vom 6.7. - 6. 8. 1982, in der die gleiche Schutzwürdigkeit für materielle und immaterielle Werten proklamiert wurde.

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Folgt man diesen Ausführungen und legt den weiten Kulturgutbegriff zugrunde, ist zu beachten, daß die Schutzinstrumente für materielle und immaterielle Kulturgüter grundlegend unterschiedlich sein müssen.73 Für die immateriellen Güter ist es wichtig, Kriterien zu erarbeiten, wie schützenswerte „intangibles" von nicht schützenswerten zu trennen sind und wie der Schutz rechtlich und tatsächlich gewährt werden kann. Hier spielen z. B. Fragen des Urheberrechts eine wesentliche Rolle. Im begrenzten Rahmen dieses Beitrags ist eine weitere Ausführung hierzu nicht möglich. Es sollte aber deutlich werden, daß unter dem gemeinsamen Dach des Begriffs „Kulturgüterschutz" verschiedensten Ausprägungen einen Platz haben. Die Vielfalt in der Einheit sollte das angestrebte Ziel sein. 5. Legt man das Schwergewicht der Betrachtung auf den Begriffsteil der „Kultur", ist der Inhalt ebenfalls nur schwer zu bestimmen. Bei weiter Auslegung sind alle Objekte, Werte und Einstellungen erfaßt, die eine Gesellschaft prägen und sie als solche kennzeichnen.74 Dabei wird nicht unterschieden, ob diese Werte aus der Vergangenheit übernommen oder erst in der Gegenwart entstanden sind. 75 In der bisherigen Literatur wird überwiegend versucht, dem Begriff Konturen zu geben, indem bestimmte Eigenschaften bei Objekten vorausgesetzt werden (z. B. Alter, Originalität, Wert, Bedeutung).76 Das in irgendeiner Beziehung „Besondere" soll für Kulturgüter bestimmend sein. An dieser Stelle ist m.E. eine notwendige Distinktion vorzunehmen. Ähnlich wie im Recht des Naturschutzes sollte zwischen dem Begriff des „Kulturguts" und der Schutzwürdigkeit von Kulturgütern unterschieden werden. Ohne diese Trennung besteht die Gefahr, Werte oder Objekte einer Gesellschaft als Kultur zu verneinen, obwohl ihnen „nur" die Schutzwürdigkeit abgesprochen wird. 77 Werden die eben genannten einschränkenden Merkmale beiseite gelassen, so sind vom Begriff des Kulturguts alle Werte und Objekte erfaßt, die für eine Gesellschaft, eine Epoche oder für einen Kontinent spezifisch, also prägend sind. Zugegeben: Dieser Kulturgutbegriff ist sehr weit und keinesfalls geeignet, betroffenen Rechtsinhabern Rechtssicherheit zu geben. Erst im Zusammenspiel mit dem Begriff der Schutzwürdigkeit, erhält der Begriff Konturen. Und weil der Begriff der Schutzwürdigkeit im Gegensatz zu dem des Kulturguts steigerungsfähig ist, kann differenziert 73 Notwendig sind hier Regelungen zum Schutz geistigen „Eigentums", aber auch Überlegungen, ob und wie Zeremonien, Rituale oder Traditionen überliefert werden können, wenn sich die Gesellschaft geändert hat und die Zeremonien etc. Anachronismen geworden sind. 74 Dtv-Lexikon Bd. 10, S. 182; davon können auch sog „natürliche Kulturgüter", wie Fossilien, menschliche, tierische oder pflanzliche Überreste erfaßt sein; S. v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 82. 75 Diese Auslegung liegt dem Kulturgüterschutzgesetz zu Grunde. Der Begriff des Kulturguts im Kulturgüterschutzgesetz beinhaltet deshalb auch zeitgenössische Kunst; Stich/Burnenne, Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Nr. 420, S. 9. 76 5. v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 59 ff. m.w.N. 77 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer vermischen beide Begriffe; dazu unten II.6.

6 Fechner u. a.

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werden. Wie noch zu zeigen ist, entscheidet weniger der Inhalt des Begriffs Kulturgut über seine Praktikabilität, als vielmehr die Systematik, mit der versucht wird, zu praxistauglichen Ergebnissen zu gelangen. 6. Im Zuge der versuchten Systematisierung soll zunächst zwischen besonderen und allgemeinen Merkmalen der Schutzwürdigkeit unterschieden werden. Als Vorlage dienen dabei die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer. Da der Begriff des Denkmals wesentlich enger als der des Kulturguts ist 7 8 , werden in den einzelnen Denkmalschutzgesetzen die darzustellenden Kriterien der Schutzwürdigkeit bei der Begriffsdefrnition des Denkmals verwendet. Das Ergebnis dieser Vorgehensweise besteht darin, daß die Denkmalschutzgesetze bezüglich der Schutzwürdigkeit, als Beispiel, nicht zwischen der Würzburger Residenz und dem durchschnittlich erhaltenen Fachwerkhaus aus dem 17. Jhdt. unterscheiden können.79 Alle Denkmalschutzgesetze enthalten deshalb ein Korrektiv durch das Tatbestandsmerkmal des „öffentlichen Interesses". 80 Das „öffentliche Interesse" wird etwa folgendermaßen definiert: „Ein öffentliches Interesse liegt vor, wenn eine allgemeine Überzeugung von der Denkmalwürdigkeit einer Anlage/Sache und der Notwendigkeit ihrer Erhaltung besteht. Dies setzt voraus, daß die Denkmalwürdigkeit entweder in das Bewußtsein der Bevölkerung oder eines breiten Kreises von Sachverständigen eingegangen ist". 8 1 Mit dieser Einschränkung sollen „unbedeutende" Objekte ausgeschlossen werden. Zu einer echten Vereinfachung kann diese Einschränkung angesichts der sehr unbestimmten Begriffe aber nicht beitragen. Das Ergebnis der folgenden Aufzählung von besonderen Merkmalen der Schutzwürdigkeit kann bei der Vielgestaltigkeit der Materie keine Formel sein, deren Anwendung zum Ergebnis führt. Dies umso mehr, als die Bewertung von Objekten auch dem Zeitgeist unterliegt. 82 a) Nach allen Denkmalschutzgesetzen können wissenschaftliche Gründe den Denkmalcharakter bzw. die Schutzwürdigkeit des Kulturguts begründen. 83 Dahinter steht das grundgesetzlich verbürgte Recht aus Art. 5 Abs. 3 GG. Als „schrankenloses"84 Grundrecht kann es weitgehende Einschränkungen des Eigentums rechtfertigen. Ob wissenschaftliche Gründe oder die Freiheit der Forschung den

78 Siehe oben III. 2. 79 Eine Ausnahme enthält das DSchG B-W, welches einen weitergehenden Schutz für besonders bedeutsame Denkmale vorsieht; §§ 12 ff. DSchG B-W. 80 Dazu im einzelnen: H. Wurster , in: Hoppenberg (Hrsg.), Handbuch des öffentliche Baurechts, 1993, Rn. 35 ff. 81 P.A. Memmesheimer/D. Upmeier/H.D. Schönstein, Kommentar zum Denkmalrecht in Nordrhein-Westfalen, 1989, Rn. 26 zu § 2 DSchG (N-W). 82 Dies wird z. B. bei der Frage deutlich, ob Industriegebäude als Kulturgut schützenswert sind. 83 Z.B. § 1 Abs. 2 DSchG Schl.Holstein; § 2 Abs. 1 DSchG Sachs.- Anh. 84 Das Grundrecht enthält keinen Schrankenvorbehalt, wird aber durch verfassungsimanente Schranken eingeschränkt.

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dauernden Erhalt des Kulturguts erzwingen können, ist dagegen fraglich. Es läßt sich die Auffassung vertreten, daß nach Untersuchung, Beschreibung und Dokumentation des Objekts der weitere Schutz aus wissenschaftlichen Gründen nicht erforderlich ist. 85 Denn die Wissenschaft lebt nicht von der dauernden Verfügbarkeit des Objekts, sondern von den gewonnenen Erkenntnissen. Ausnahmen sind denkbar und notwendig. So gibt es Kulturdenkmale, die während der gesamten Zeit ihres Bestehens von wissenschaftlichem Interesse sind. Speziell bei Bodendenkmalen und archäologischen Funden kann die dauernde Verfügbarkeit notwendig sein. Werden im Zusammenhang z. B. mit anderen Grabfunden neue Erkenntnisse gewonnen, könnte das in der Zwischenzeit zugeschüttete und überbaute Grab zur weiteren Festigung der neuen Erkenntnisse beitragen. In jüngerer Zeit werden zum Teil auch sogenannte „technische Denkmale" als Kulturgut angesehen.86 Darunter fallen Brücken, Fabrikgebäude, Bahnanlagen etc., sofern ihnen eine besondere wissenschaftliche Bedeutung anhaftet. 87 Dasselbe gilt für bewegliche Sachen, die wegen ihrer technischen Besonderheit als Kulturdenkmale gelten. So können Autos, Lokomotiven, Maschinen oder sonstige Gebrauchsgüter den Schutz eines Kulturguts erfahren. b) Als weiteres besonderes Merkmal wird die (Heimat-)Geschichte des Objekts herangezogen.88 Danach sind vor allem Gebäude schutzwürdig, die einen Teil der Geschichte einer Gemeinde (heimatgeschichtlich)89, eines Landes oder der Bundesrepublik verkörpern. Hier könnte man ebenfalls behaupten, allein die Geschichte, also das Nachvollziehen und das Erinnern an Vergangenes, könne den weitreichenden Schutz eines Objekts nicht begründen. Die Aufarbeitung der Geschichte und der Umgang mit ihr sei nicht zwingend mit der Erhaltung von Originalsubstanz 90 verbunden. 91 An dieser Stelle ist aber zu bedenken, daß Geschichte ohne Zeitzeugnisse für die Mehrzahl der Menschen nicht „erlebt" werden kann. Sie benötigen dazu eine emotionale Bindung, die nur durch die tatsächliche Verfügbarkeit hergestellt werden kann. Erst die Verbindung vom Wissen um die Ein85 Ähnlich: P.A. Memmesheimer/D. zu § 2 DSchG N-W.

Upmeier/H.D.

Schönstein, Denkmalschutz., Rn. 28

86 In den Denkmalschutzgesetzen werden sie umschrieben als Gegenstände, die aus „technischen" oder „technologischen" Gründen Denkmale sind; z. B. § 2 Abs. 1 DSchG Brdbg.; § 2 Abs. 1 DSchG He; § 2 Abs. 1 DSchG Sachs-Anh. 87 Z.B. Strobl/Majocco/Birn, Kommentar zum Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg; Rn. 26 zu § 2 DSchG B-W. 88 Z.B. Art 1 DSchG Bay; § 2 DSchG Berl.; § 2 Abs. 1 DSchG Brdbg. 89 Ist in § 2 Abs. 1 DSchG B-W besonders erwähnt. 90 Auf die Frage, welche Restaurierungsmethoden zulässig sind, um auch weiterhin von Originalsubstanz zu sprechen, bzw. welche Eingriffe in diese noch hingenommen werden, soll hier nicht diskutiert werden; dazu im einzelnen E. Bacher, in: Reichelt (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz, S. 115 ff. 91 Ähnlich S. v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 72 für Kulturgüter, die nicht Kunstwerke sind, für „natürliche Kulturgüter" und für maschinell hergestellte Naturgüter.

6*

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zigartigkeit mit der „vita" des Objekts machen die Geschichte lebendig.92 Ein tieferer Grund für die Anerkennung der Geschichte als prägendes Merkmal eines Kulturguts, kann der Wunsch des Menschen sein, etwas zu „bewahren". Möglichst ursprünglich und original soll die Substanz erhalten bleiben. Dadurch wird, und dies ist sehr bedeutsam, eine direkte Verbindung zwischen dem Damals und dem Heute hergestellt. Sie zu festigen, ist ein Wesensmerkmal des schützenswerten Kulturguts. Ansonsten müßten alle originalgetreuen Nachbildungen von Gebäuden, Kunstgegenständen etc. mit ihrer Fertigstellung schützenswert sein.93 In diesem „Bewahren" drückt sich ein tiefes menschliches Bedürfnis nach Beständigkeit, nach dem Spüren und Erleben von Geschichte aus. Nur das Original, nur das Bewußtsein, der Gegenstand oder das Gebäude wurde in früherer Zeit „gelebt", kann die gewonnenen Erkenntnisse dauerhaft vermitteln. c) Nicht zuletzt sind künstlerische Gründe für die Schutzwürdigkeit als Kulturgut ausschlaggebend. Bei aller Schwierigkeit der Definition von „Kunst", 94 stehen bestimmte Objekte als absolut schutzwürdig außer Frage. Hier ist z. B. an herausragende Gemälde oder an alte, sehr aufwendig gearbeitete und oft mit edlen Materialien verzierte Handschriften zu denken. Wenn Kunstwerke als schutzwürdige Kulturgüter angesehen werden, haftet ihnen immer ein gewisses Alter an. Kunst der letzten zehn Jahre, so die weitverbreitete Meinung 95 , ist als Kulturgut nicht schutzwürdig, bzw. ist kein Kulturgut. 96 Das Original aus vergangener Zeit wird auch hier vorausgesetzt. Die besondere Schutzwürdigkeit liegt in dem Wert des Gegenstandes begriffen, der durch den schöpferischen Akt und die Ausführung durch Meisterhand begründet wird. Verschiedene Denkmalschutzgesetze erklären daneben auch städtebauliche,97 volkskundliche,98 und landschaftsgestalterische 99 Gründe als besondere Merkmale für bedeutsam. Diese Merkmale spielen in den nationalen Denkmalschutzgesetzen zwar eine gewisse Rolle, international sind sie aber von eher untergeordneter Bedeutung. Auf nähere Ausführungen soll deshalb verzichtet werden. 92

Für viele E.-R. Hönes, Denkmalrecht und Dorferneuerung 1988, S. 16f. So auch Strobl/Majocco/Birn , DschG B-W, Rn. 26 zu § 2 DSchG B-W. 94 BVerfGE 75, S. 369 (377); A. Mäckler, Was ist Kunst? 1989, stellt 1083 Definitionen von Kunst vor! 93

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5 Z.B. Strobl/Majocco/Birn

96

, DschG B-W ; Rn. 20 zu § 2 DSchG B-W.

An dieser Stelle wird ein Unterschied zum Kulturgüterbegriff des Kulturgüterschutzgesetzes deutlich. 97 Z.B. § 2 Abs. 2 DSchG Berl.; § 2 Abs. 1 DSchG He.; § 2 Abs. 1 DSchG Thü.; die städtebaulichen Gründe dürfen nicht mit dem „Ensembleschutz" verwechselt werden. Soweit städtebauliche Gründe die Denkmaleigenschaft begründen können, sind damit z. B. städtebaugeschichtlich wertvolle oder charakteristische Einzelobjekte gemeint; P.A. Memmesheimer/D. Upmeier/HD. Schönstein , Denkmalschutz, Rn. 43 ff. zu § 2 DSchG N-W. Der Ensembleschutz hingegen hat zum Ziel, Straßen-, Platz- und Ortsbilder zu schützen. 9

« Art. 1 Abs. 1 DSchG Bay.

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§ 2 Abs. 1 DSchG Sachs.

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d) Neben den bisher aufgezählten besonderen Merkmalen, die die Schutzwürdigkeit von Kulturgütern grundsätzlich begründen können, ist ihre Funktion als Integrationsfaktor, als identitätsstiftendes Element zu nennen. Kulturgüter bieten durch die Rückschau in die Vergangenheit eine Möglichkeit der Identifikation des Einzelnen mit der Gemeinschaft. 100 Voraussetzung ist, daß die Erinnerung an das Kulturgut und vor allem an seine Bedeutung für die Gemeinschaft wach bleibt und gepflegt wird. Ist das Kulturgut im Bewußtsein einer Vielzahl von Angehörigen der Gemeinschaft und entfaltet es dort seine identitätsstiftende Wirkung, so reicht dies zur Begründung der Schutzwürdigkeit aus. Umgekehrt reicht aber mangelnde Identitätsstiftung allein nicht aus, um die Schutzwürdigkeit von Kulturgütern abzulehnen. Denn auch Kulturgüter aus anderen Gesellschaften, die in der Bundesrepublik vorhanden und zum Teil auch ausgestellt sind (z. B. die Nofretete-Büste im ägyptischen Museum in Berlin/Charlottenburg), bedürfen des Schutzes.101 Die identitätsstiftende Kraft als Merkmal eines Kulturguts darf nicht überbewertet werden. Denn zum einen gibt es wegen der wachsenden Egoismen in der Gesellschaft immer weniger Interesse an der Identifizierung mit der Geschichte und der Kultur einer Nation und zum anderen sollte das Bestreben sein, einen universellen Kulturgutbegriff zu erarbeiten, der allgemeine Gültigkeit beanspruchen kann. 7. Eben dargestellte besondere Merkmale können in der Bundesrepublik die Schutzwürdigkeit eines Kulturguts begründen. Aber auch international werden diese Merkmale angewendet. Häufig jedoch werden sie hinter Bewertungskriterien wie „Bedeutung", „Wert" etc. versteckt. 102 Die Frage, inwieweit dadurch die dauernde Erhaltung, auch gegen den Willen des Eigentümers, durchgesetzt werden kann, hängt davon ab, wie stark das Erhaltungsinteresse z. B. aus historischer, wissenschaftlicher oder städtebaulicher Sicht ist. Die folgenden allgemeinen Merkmale, die allen Kulturgütern anhaften, sind in diesem Zusammenhang von Wichtigkeit. a) Das Alter ist ein entscheidender Gradmesser für die Schutzwürdigkeit des Kulturguts. Es kann ihm einen Wert angedeihen lassen, der seinen besonderen Schutz begründet. 103 In der Praxis verschiedener Behörden wird häufig mit Faustformeln gearbeitet (z. B. Denkmale müssen grundsätzlich mindestens 30 Jahre alt sein). Die Anwendung von Faustformeln gerade in diesem Bereich ist sehr problematisch. Das Alter ist zwar ein wesentlicher Aspekt bei der Beurteilung, ob es sich 100

Sie können in dieser Funktion auch mißbraucht werden. Nationalismen, die gegen Fremde(s) gerichtet ist/ sind, lassen sich ebenfalls durch „einheitsstiftende" Kulturdenkmale fördern. 101 Nach dem Kulturgüterschutzgesetz werden Kulturgüter aus fremden Ländern nationale Kulturgüter, sofern sie wegen ihrer Bedeutung für die deutsche Kultur als „dauernd besonders wertvoller Bestandteil deutschen Kulturbesitzes" anzusehen sind; L. Engstier, Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts 1964, S. 37. 102 Siehe z. B. S. v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 73 ff. 103 Für viele: S. v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 73 ff. m.w.N.; allerdings im Zusammenhang mit dem Begriff des Kulturguts.

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um schützenswertes Kulturgut handelt, aber nicht allein ausschlaggebend. Da ein Konglomerat von Gründen für die Schutzwürdigkeit als Kulturgut sprechen kann, darf die Entscheidung niemals formelhaft gefällt werden. Vielmehr sind in jedem Einzelfall alle Gründe in die Entscheidungsfindung einzustellen. Altersgrenzen haben, wie schon erwähnt, den Vorteil der Praktikabilität und sollten deshalb auch festgelegt werden. Wichtig ist, eine Altersgrenze zu finden, bei deren Überschreitung grundsätzlich vom Vorhandensein eines schützenswerten Kulturguts ausgegangen wird, bei deren Unterschreitung grundsätzlich kein schützenswertes Kulturgut vorliegen soll. Mit einer solchen Vorgabe ist es einfacher, die Objekte einzuordnen. b) Ein weiteres wichtiges Merkmal ist die Häufigkeit und die Verbreitung des Objekts. 104 Je öfter es vorhanden ist (gleiches Alter, gleicher Baustil, gleicher Architekt, ähnlicher Standort etc.), je weniger schutzwürdig ist es. Ist es einmalig, so genießt es den größten Schutz. Nun stellt sich die Frage auf welchen Bezugsraum bei der Ermittlung abzustellen ist. In der Gemeinde ist das Gebäude einmalig, im Landkreis gibt es zehn ähnliche Gebäude, auf Landesebene 200 und bundesweit 10.000. Tatsächlich könnte diese Frage mit dem Gesetzestext beantwortet werden: jede Denkmalschutzbehörde hat einen genau abgegrenzten räumlichen Wirkungsbereich und nur für diesen kann sie verbindlich entscheiden. Deshalb werden nur Objekte zur Bewertung herangezogen, die in diesem Wirkungskreis belegen sind. Wäre der Blickwinkel derart verkürzt, so könnten im einen Bundesland Objekte als Kulturgut geschützt werden, die im anderen wegen ihrer enormen Häufigkeit für nicht schutzwürdig erachtet werden. Diese Betrachtungsweise ist unter Beachtung des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich bedenklich. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt die Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte und die unterschiedliche Behandlung von ungleichen Sachverhalten. 105 Wenn die Denkmalbehörden nur ihren Einflußbereich betrachten, könnten Eigentümer vergleichbarer Objekte unterschiedlich behandelt werden. Denn der Eigentümer des geschützten Kulturguts ist in vielfältiger Weise beschränkt, der andere hingegen nicht. 1 0 6 Soweit sich keine tragfähigen Unterschiede finden lassen (regionale Besonderheiten des Baustils etc.) können die Eigentümer nicht verschieden behandelt werden. Die Häufigkeit der Verbreitung hat für die Frage der Schutzwürdigkeit des Objekts ein großes Gewicht. Es muß aber immer ein besonderes Merkmal der Schutzwürdigkeit hinzukommen (z. B. geschichtliche Gründe). Ansonsten ist selbst ein Unikat nicht schutzwürdig. 107 c) Der Erhaltungszustand eines Kulturguts ist ein weiteres wichtiges Merkmal zur Bestimmung des Grads der Schutzwürdigkeit. 108 Je mehr und je bessere Origi104 Strobl/Majocco/Birn,

DschG B-W, Rn. 23 zu § 2 DSchG B-W.

i° 5 G. Dürig , in: Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum GG, Rn. 321 zu Art. 3 GG. 106 Siehe dazu oben II. 107 So auch VGH B-W; zit. nach W. Leisner , Denkmalpflege in Baden-Württemberg Jan.März 1991, S. 16. los Strobl/Majocco/Birn, DschG B-W Rn. 26 zu § 2 DSchG B-W.

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nalsubstanz vorhanden ist, je wertvoller und damit schutzwürdiger ist das Kulturgut. Ein schlechter Erhaltungszustand führt nicht zwangsläufig zur Ablehnung der Schutzwürdigkeit. 109 Ein anderes Merkmal, welches die Schutzwürdigkeit begründen kann, muß dann aber stärker ausgeprägt sein. 8. Mit den bisherigen Ausführungen sollte, unter Heranziehung der Regelungen der Denkmalschutzgesetze der Bundesländer, dem Begriff des schützenswerten Kulturguts etwas mehr Konturen gegeben und zu einer Systematisierung beigetragen werden. Das ist ein Schritt, um praktikable Ergebnisse im Kulturgutschutz zu erreichen. Aber es kann m.E. nur der erste Schritt sein. Darauf aufbauend muß die Frage beantwortet werden, welche Kulturgüter nicht schutzwürdig, welche schutzwürdig und welche besonders schutzwürdig sind. Diese Grobeinteilung, die beliebig ausdifferenziert werden kann, genügt für die Bestimmung der Kulturgüter, die international geschützt werden sollten. Und international schützenswert sind m.E. nur die besonders schutzwürdigen Kulturgüter. Das liegt nicht zuletzt an dem bereits angesprochenen Zusammenhang von Kulturgüterschutz und finanzieller Ausstattung der Behörden. 110 Bei der Einordnung der Kulturgüter in eine der eben beschriebenen Kategorien kann der Katalog von allgemeinen und besonderen Merkmalen helfen. In der Praxis kann dabei auf sachverständige Ausführungen von Fachleuten nicht verzichtet werden. Sie sind es letztlich, die die Zuordnung der Kulturgüter vornehmen müssen. Die vorgeschlagene Systematisierung und Differenzierung macht es aber möglich, Entscheidungsprozesse auch für den Laien durchschaubarer und nachvollziehbarer zu gestalten. Zur Bestimmung des Grades der Schutzwürdigkeit ist durchaus vorstellbar, daß national aber auch international ein einheitliches Punktesystems entwickelt wird. Die allgemeinen und besonderen Merkmale müßten dazu aufgeschlüsselt und mit Punktzahlen versehen werden. Relativ einfach ist dies bei den allgemeinen Merkmalen. Das Baujahr 1200 z. B. bekommt eine höhere Punktzahl als das Jahr 1800. Da auch das Alter eine relative Größe ist, je nachdem welches Kulturgut zur Bewertung ansteht (archäologischer Fund oder Gemälde), sollte zur Vereinfachung die weitere Einteilung in „Kulturgutgruppen" vorgenommen werden (Baudenkmale, Bodendenkmale, Ensembles, Gemälde etc.). Genauso kann der Erhaltungszustand und die Verbreitungshäufigkeit objektiv bestimmt und bewertet werden. Bei den besonderen Merkmalen ist eine weitere Aufschlüsselung etwas schwieriger, will man allgemeine und besondere Merkmale streng trennen. Es ist dennoch möglich. Bei den geschichtlichen Gründen z. B. kann die Punktzahl danach differieren, welch bewegte Geschichte dem Kulturgut anhaftet. Ist das zu bewertende Gebäude „nur" wichtiges Zeugnis eines bestimmten Baustils oder auch Ort histori109 P.A. Memmesheimer/D. DSchG N-W. ho Siehe oben II. 3.

Upmeier/H.D. Schönstein, Denkmalschutz, Rn. 27 zu § 2

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scher Verhandlungen, Vertragsabschlüsse oder Lebensmittelpunkt einer historisch bedeutsamen Persönlichkeit? 111 Nach Aufaddierung aller Einzelbewertungen ist die Gesamtpunktzahl für die Einordnung des Kulturguts maßgebend. Für Sonderfälle, die durch das Punktesystem nicht ausreichend gewürdigt werden können, kann unter Umständen ein besonderes Verfahren notwendig sein. Die weit überwiegende Anzahl der Fälle könnte mit einem solchen oder ähnlichen Verfahren entschieden werden. Dieses Punkteverfahren hat den Vorteil, daß kein diffuses Bild der Schutzwürdigkeit entsteht. Zu jedem Zeitpunkt ist klar, welches Kriterium gerade bewertet wird. So kann ein Kunstwerk Gegenstand genauer Betrachtung und Analyse werden, ohne in die Gefahr zu geraten, völlig falsch eingeschätzt zu werden. Die internationale Erarbeitung eines einheitlichen Standards für die Bewertung von Kulturgütern ist ein wichtiges, vielleicht sogar das wichtigste Ziel für die Zukunft. Erst wenn ein praktikables System zur Einordnung der Kulturgüter gefunden ist, kann der konkrete nationale und internationale Schutz effektiv organisiert werden. Sollte die Kooperation an nationalen Interessen oder Egoismen scheitern, ist auch das Scheitern des internationalen Kulturgüterschutzes zu befürchten. Damit die Kulturgüter bis zur Erreichung dieses Ziels nicht jeglichem Schutz entbehren, sollten die Kulturgüter international geschützt werden, die von den Nationalstaaten nach ihren eigenen Kriterien, als besonders geschütztes Kulturgut eingeordnet werden. Dazu ist eine Liste dieser Kulturgüter in jedem beteiligten Staat wünschenswert. Sind diese Listen frei verfügbar, kann, unabhängig von den noch vorhandenen begrifflichen Differenzen, eine eindeutige Zuordnung stattfinden und Schutzmaßnahmen schnell und effektiv durchgeführt werden.

IV. Internationaler Kulturgüterschutz Zum Schluß soll noch kurz auf auf den internationale Kulturgüterschutz eingegangen werden. Das Ziel des nationalen wie des internationalen Kulturgüterschutzes muß es sein, eine einheitliche Werteskala zu schaffen, die den zuständigen Behörden Rechts- und damit Handlungssicherheit bietet. Wie schwer das ist, belegen die vorhergegangenen Ausführungen zum Denkmalschutz in der Bundesrepublik. Es ist eine komplexe und sehr ausdifferenzierte Eigentumsdogmatik notwendig, um das Verhältnis von Kulturgüterschutz und Eigentum zu regeln. In anderen Staaten tritt dieses Problem in ähnlicher Weise auf, weil auch dort Eigentümerinteressen stark ausgeprägt sind. Um dem beschriebenen Ziel näher zu kommen ist es notwendig, noch einen Schritt weiter zu gehen. Denn auf internationaler Ebene müssen Regeln entwickelt werden, die festlegen, welche besonderen Kulturgüter welchem Staat zugeordnet werden (Belegenheit, Nationalität des Herstellers, 111

An dieser Stelle sind auch subjektive Wertschätzungen mit zu berücksichtigen.

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historische Gründe, Volksbewußtsein etc.), wie die Rückführung von unberechtigt ausgeführten Kulturgütern ermöglicht werden kann, welche Rechte den Staaten eingeräumt und welche Institutionen geschaffen werden müssen, um deren Rechte durchzusetzen. Im Rahmen dieses Beitrags ist eine Antwort auf diese Fragen nicht zu leisten. Und die bisher dargestellte Eigentumsdogmatik (aber auch keine aus anderen Staaten) eignet sich derzeit nicht, Anregungen für den internationalen Kulturgüterschutz zu geben. Voraussetzung dafür wäre, daß ein ähnliches Subordinationsverhältnis zwischen den Staaten und einer übergeordneten Institution besteht, wie zwischen dem Staat als Hoheitsträger und dem betroffenen Eigentümer in der Bundesrepublik Deutschland. Ausgehend von der Eigentumsdogmatik in der Bundesrepublik und einer einheitlichen Begriffsbildung kann aber angeregt werden, daß die Staatengemeinschaft Regelungen erarbeitet, die Eigentumsbeschränkungen in abgestufter Form enthalten. Mit dieser Rechtsvereinheitlichung würde eine Basis für die Bewältigung oben angesprochener Probleme geschaffen. Denn erst wenn gesichert ist, daß ein Kulturgut überall annähernd den gleichen Schutz erfährt (Erhaltungspflicht etc.), können z. B. Rückführungsvereinbarungen gelingen. Unterschiedliche Schutzstandards erweisen sich meist als Hemmschuh einer Entwicklung. 1. Für nicht schutzwürdige Kulturgüter 112 ist überhaupt keine Eigentumsbeschränkung notwendig. Hier muß es bei dem Grundsatz bleiben, nach dem der Eigentümer mit seinem Eigentum tun und lassen kann was er will. 1 1 3 2. Die schutzwürdigen Kulturgüter sollten einen gesetzlichen Schutz erfahren, der ihre Erhaltung bei ausreichender Finanzkraft der Kommunen garantieren kann. Eine Enteignung sollte ausgeschlossen sein. Genehmigungs- und Erhaltungspflichten sind notwendig, sollten aber an die konstitutive Eintragung in eine Kulturgüterliste gebunden sein. 114 Die neuen Regelungen können auch die teilweise Übertragung des denkmalbedingten Aufwands beinhalten. Eine Beschränkung des internationalen Handels ist für diese Kulturgüter nicht notwendig. 3. Bei den besonders schutzwürdigen Kulturgütern ist darauf zu achten, daß sie eindeutig als solche gekennzeichnet und durch konstitutive Eintragung in eine Kulturgüterliste als Kulturgüter mit besonderem Rang sofort erkennbar sind. 115 Diese Listen sollten veröffentlicht und frei verfügbar sein. Parallel dazu sind Ein- 1 1 6 und Ausfuhrbeschränkungen wünschenswert, die von den beteiligten Staaten durchge112 Zum Begriff siehe oben III.8. 113 § 903 BGB. 114 Das Generalklauselprinzip wie es z. B. in Baden-Württemberg normiert wurde, ist wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit abzulehnen. 115 Dies wurde auch verlangt in der „Convention of the means of prohibiting and preventing the illicit Import, Export and transfer of ownership of cultural property" von 1970. Diesem Vertrag ist die Bundesrepublik Deutschland bisher nicht beigetreten. 116 Zu deren Problematik: S. v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 513 f.

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setzt werden. 117 Nicht zuletzt sind auch strafrechtliche Bewehrungen einzusetzen, um generalpräventiv den Diebstahl von und den illegalen Handel mit diesen Kulturgütern einzudämmen. Obwohl die Rechtsordnungen der einzelnen Nationen sehr verschieden sind, auch gerade was den Kulturgüterschutz anlangt, sollte versucht werden, einheitliche Standards für die Bewertung von Kulturgütern zu erarbeiten. Denn allein diese Standards, am besten in Verbindung mit der Überführung von Kulturgütern in staatliches Eigentum, können einen wirksamen Kulturgüterschutz garantieren. Die Ausführungen haben, so meine ich, auch deutlich gemacht, daß der Kulturgüterschutz maßgeblich ein finanzielles Problem ist und sich auch deshalb nur auf ausgewählte, besonders schutzwürdige Kulturgüter beziehen kann.

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F. Fechner , Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts, 1991, S. 116 ff., befürwortet eine Anlehnung an die Regelungen beim Artenschutz.

National-verfassungsstaatlicher und universaler Kulturgüterschutz - ein Textstufenvergleich Von Peter Häberle*

I . Problem Der Kulturgüterschutz hat als Thema von Politik und Wissenschaften besonders in den letzten Jahren „Karriere" gemacht. Die geschichtlichen Etappen der „Intensivierung des Kulturgüterschutzes" nach dem Zweiten Weltkrieg 1 und die „Stufen des kriegsrechtlichen Kulturgüterrechts" 2 werden ebenso behandelt wie sich jüngst neben der völkerrechtlichen Dimension die europarechtliche in den Vordergrund schiebt 3 . Viele Literaturgattungen (z. B. Festschriftenbeiträge 4 und Symposien 5 ) und viele juristische Teildisziplinen (z. B. das internationale Privatrecht 6 , das Privat-, Verwaltungs- sowie das Völkerrecht 7 ) nehmen sich des Themas an. Doch fällt auf, daß eine Textstufenanalyse, die in Raum und Zeit vergleichend in Bezug auf

* Professor Dr. Dr. h. c. iur., Universitäten Bayreuth und St. Gallen. 1 Vgl. W. Fiedler, Zur Entwicklung des Völkergewohnheitsrechtes im Bereich des internationalen Kulturgüterschutzes, FS f. K. Doehring, 1989, S. 199 ff. 2 Vgl. S. Turner, Die Zuordnung beweglicher Kulturgüter im Völkerrecht, in: W. Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, 1991, S. 19 (48 ff.). 3 Dazu F. Fechner, Die Vorhaben der EG zum Kulturgüterschutz, DÖV 1992, S. 609 ff.; K. Siehr, Handel mit Kulturgütern in der EWG, NJW 1993, S. 2206ff.; J. Schwarze, Der Schutz nationalen Kulturgutes im europäischen Binnenmarkt, JZ 1994, S. 111 ff.; s. auch den Tagungsbericht „Kunstwerke im Binnenmarkt" von F. Fechner, JZ 1994, S. 132 f. 4 Vgl. etwa W. Rudolf, Über den internationalen Schutz von Kulturgütern, FS f. K. Doehring, 1989, S. 853 ff.; /. Seidl-Hohenveldern, Ausfuhr und Rückführung von Kunstwerken, FS f. D. Schindler, 1989, S. 137 ff. R. Mußgnug, Überlegungen zur Umsetzung der neuen EG-Vorschriften ..., FS f. Bernhardt, 1995, S. 1225ff.; H. Schiedermaier, Kunst im Völkerrecht, FS f. Benda, 1994, S. 235 ff. 5 Vgl. etwa zum Heidelberger Symposion „Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes" (1990): P. Metzger, NJW 1991, S. 69f.; E. Jayme, in: IPRax 1990, S. 347 f.; s. jetzt den Tagungsband, hrsg. von R. Dolzer/E. Jayme/R. Mußgnug, 1994. 6 Dazu G. Reichelt, Kulturgüterschutz und Internationales Privatrecht, IPRax 1986, S. 73 ff.; dies., Kulturschutz und Internationales Verfahrensrecht, IPRax 1989, S. 254f. 7 Vgl. H. Hugger, Rückführung nationaler Kulturgüter und internationales Recht am Beispiel der Elgin Marbles, JUS 1992, S. 997 ff.); R. Dolzer u. a. (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994 (Anm. 5).

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neuere Verfassungen vorgeht, bislang nicht vorliegt 8. Das überrascht, denn ein Problem, das den Nationen, ihren Politikern und Wissenschaftlern zunehmend „wichtig" wird, schlägt sich früher oder später auch in Verfassungstexte nieder. Und die Methode der vergleichenden Textstufenanalyse, die bislang z. B. im Blick auf Präambeln, einzelne Grundrechte, die Staatsaufgaben, Ewigkeitsklauseln und Feiertagsgarantien unternommen wurde 9, verspricht beim Thema des Kulturgüterschutzes schon prima facie reichen Ertrag. Denn im internationalen Bereich hat sich das Thema spezifisch rechtstextlich entwickelt: greifbar vor allem in der Haager Landkriegsordnung (1907) und sich ständig verdichtend und erweiternd in der Haager Konvention von 1954 bis hin zu den Unesco-Konventionen von 1970 und 197210. Diese Stufenfolge im internationalen Recht legt es nahe, „Parallelen" oder doch „Wahlverwandtschaften" im nationalen Verfassungsrecht zu suchen. Wann und wie wird der Kulturgüterschutz zum „Verfassungsthema"? Gibt es ein Zwiegespräch, einen „schubweisen Stoffwechsel" zwischen der internationalen Themenund Textkarriere des Kulturgüterschutzes und der national verfassungsstaatlichen so, wie die Grund- und Menschenrechte zunächst national „gedacht" und fortgeschrieben wurden (1776, 1789, 1849), ehe sie in das Internationale / Universale hineinzuwachsen begannen? Wie verschränkt sich der Gedanke eines „kulturellen Internationalismus" (J. H. Merryman 11) mit dem „kulturellen Nationalismus"? Und: Welches sind die verfassungstheoretischen Konsequenzen, die aus dem thematischen Gleichklang zwischen universaler Weltebene und nationaler Verfassungsstaatsebene in Sachen Kultur folgen? Wenn das Haager Abkommen von 1954 auf der Konzeption beruht, daß jeder Staat Treuhänder gegenüber der ganzen Menschheit für das in seinem Herrschaftsbereich befindliche Kulturerbe ist 1 2 , so gelangen Verfassungsstaat, Menschheit bzw. Kultur in eine „neue Nähe", die theoretisch erst noch auszuleuchten ist. Doch sei vermutet, daß gerade neuere Verfassungen auf den wachsenden internationalen Kulturgüterschutz nationale Antworten geben.

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Einen eindrucksvollen Rechtsvergleich der verschiedenen „Regelungstypen" auf ein/¿zc/igesetzlicher Ebene leistet K. Siehr , Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz, FS f. W. Lorenz, 1991, S. 525 (527 ff.), mit Beispielen unterschiedlich intensiven „Kultur-Nationalismus". Auf die Gesetze bezogen ist auch der Rechtsvergleich bei L. Engstier , Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, 1964, S. 26 ff., 59 ff. 9 P. Häberle , Rechtsvergleichung im Kraftfeld des Verfassungsstaates, 1992, S. 3 ff., 176 ff., 597 ff. u. ö.; ders ., Feiertagsgarantien als kulturelle Identitätselemente des Verfassungsstaates, 1987. 10 Nachweise in W. Fiedler , a.a.O., FS f. Doehring, 1989, S. 199 ff. 11 Dazu W. Rudolf,\ a.a.O., S. 853 (861). 12 Vgl. W. Rudolf a.a.O., S. 861.

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I I . Kulturgüterschutz im Spiegel neuerer (nationaler) Verfassungstexte (Elemente einer Bestandsaufnahme) I m folgenden kann nur mit Auswahltexten und Beispielgruppen gearbeitet werden - zu unüberschaubar ist das gesamte Material. Doch seien so viele Texte zusammengestellt, daß sich gewisse theoretische Folgerungen ziehen lassen. Vergleichsgröße bilden die Pioniertexte der Konventionen von 1954 bzw. 1972 1 3 . In der Präambel der Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (1954) heißt es: „In der Überzeugung, daß jede Schädigung von Kulturgut, gleichgültig welchem Volk es gehört, eine Schädigung des kulturellen Erbes der ganzen Menschheit bedeutet, weil jedes Volk seinen Beitrag zur Kultur der Welt leistet; in der Erwägung, daß die Erhaltung des kulturellen Erbes für alle Völker der Welt von großer Bedeutung ist und daß es wesentlich ist, dieses Erbe unter internationalen Schutz zu stellen". Das Unesco-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (1972) verfeinert seinen Präambeltext in den Worten: „ . . . im Hinblick darauf, daß das Kulturerbe und das Naturerbe zunehmend von Zerstörung bedroht sind,... in der Erwägung, daß der Verfall oder der Untergang jedes einzelnen Bestandteils des Kultur- oder Naturerbes eine beklagenswerte Schmälerung des Erbes aller Volker der Welt darstellt..., in der Erwägung, daß Teile des Kultur- oder Naturerbes von außergewöhnlicher Bedeutung sind und daher als Bestandteil des Welterbes der ganzen Menschheit erhalten werden müssen ..., daß es angesichts der Größe und Schwere der drohenden neuen Gefahren Aufgabe der internationalen Gemeinschaft als Gesamtheit ist, sich am Schutz des Kultur- und Naturerbes von außergewöhnlichem universellen Wert zu beteiligen."

1. Deutschsprachige Verfassungstexte In Deutschland haben Weimarer Reichs Verfassung früh und GG später (Art. 150 Abs. 2 1 4 bzw. Art. 74 Nr. 5) einen Schutz des Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland thematisiert. Während das GG nur eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes konstituiert hat, sah die W R V den Kulturgüterschutz dringlicher als Staatsaufgabe an („Es ist Sache des Reiches.. . " ) 1 5 . Beide Normen erwei13 BGBl Teil II 1967 S. 1233 bzw. 1977 S. 215. - Aus der Lit.: T. Witschen, Erläuterungen zum Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 23. Nov. 1972, in: W. Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, 1991, S. 183 ff. 14 In der Lit. bis heute unerreicht: A. Hensel, Art. 150 WRV und seine Auswirkung im preußischen Recht, AöR 53 (1928), S. 321 ff. 15 Bemerkenswert Art. 109 Abs. 2 Verf. Danzig 1920/22: „Es ist Pflicht des Staates, die Abwanderung des Kunstbesitzes in das Ausland zu verhüten". (Zit. nach O. Ruthenberg (Hrsg.), Verfassungsgesetze des Deutschen Reichs und der deutschen Länder, 1926.) - Art. 141 Abs. 2 Verf. Bayern (1946) differenziert den herkömmlichen Kunst- und Naturschutz in den Sätzen: „herabgewürdigte Denkmäler der Kunst und der Geschichte möglichst ihrer

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sen sich im Rückblick als eher mager. (Vgl. jetzt die Rahmenkompetenz des Bundes in Art. 75 Abs. 1 Ziff. 6 GG). Nicht direkt dem Schutz nationaler Kulturgüter (der Bundessache ist), doch weitgehend der Achtung vor anderen Kulturen verschreiben sich neuere deutsche (Landes)Verfassungstexte in ganz anderem Zusammenhang: bei den Erziehungszielen. Sie haben z. B. nach Art. 28 Verf. Brandenburg (1992) „die Friedfertigkeit und Solidarität im Zusammenleben der Kulturen und Völker und die Verantwortung für Natur und Umwelt zu fördern". Ähnlich lautet Art. 22 Abs. 1 Verf. Thüringen (1993). Wenn Art. 34 Abs. 2 Verf. Brandenburg eine Kulturschutzklausel normiert („Das kulturelle Leben in seiner Vielfalt und die Vermittlung des kulturellen Erbes werden öffentlich gefördert. Kunstwerke und Denkmale der Kultur stehen unter dem Schutz des Landes..."), so mag das noch national gedacht sein. Über die erwähnten Erziehungsziele kommt indes schon der übernationale Gedanke zum Ausdruck. Kurz: Der Kanon der Erziehungsziele bringt - richtig und konsequent gedacht - (biographisch) rechtzeitig, d. h. den Jugendlichen bildend, den internationalen Kulturgüterschutz auf den Weg. Eine Vorstufe dieses Denkens darf man in Art. 61 Verf. Mark Brandenburg (1947) 16 entdecken: „Als Mittlerin der Kultur hat die Schule die Aufgabe, die Jugend im Geiste friedlichen und freundschaftlichen Zusammenlebens der Völker zu Demokratie und Humanität zu erziehen" 17. 2. Andere europäische Verfassungen

Italien hat schon früh einen Verfassungstext geschaffen, der fast einer kulturellen Erbes-Klausel nahekommt. Art. 9 Abs. 2 Verf. Italien (1947) lautet 18 : „Sie (sc. die Republik) schützt die Landschaft und das historische und künstlerische Erbe der Nation".

Eher konventionell heißt es in Art. 24 Abs. 6 Verf. Griechenland (1975): „Die Denkmäler und historischen Stätten und Gegenstände stehen unter dem Schutz des Staates".

Man sieht, daß dieser Text noch nicht greifbar von dem Geist der internationalen Kulturgüterschutz-Abkommen inspiriert ist 19 . früheren Bestimmung wieder zuzuführen, die Abwanderung deutschen Kunstbesitzes ins Ausland zu verhüten". 16 Zit. nach B. Dennewitz (Hrsg.), Die Verfassungen der Modernen Staaten, II. Bd. 1948. 17 Ähnlich Art. 88 Abs. 2 Verf. Sachsen (1947), zit. nach O. Ruthenberg , a.a.O., sowie Art. 88 Abs. 2 Verf. Sachsen-Anhalt (1947) zit. ebd. 18 Aus der Lit.: G. Lombardi , Die behördliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Handels mit Kunstwerken und sonstigen Kulturgütern, in: R. Dolzer/E. Jayme/R. Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 191 ff.; B. Caravita , Art. 9, in: V. Crisafulli/L.Paladin, Commentario breve alla Costituzione, 1990, S. 9ff.

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3. Iberische und lateinamerikanische Verfassungen

Ein eindrucksvoller „Textschub" in Sachen konstitutioneller Kulturgüterschutz ist den beiden iberischen und zahlreichen neueren lateinamerikanischen Verfassungen zu verdanken. Das mag mehrere Gründe haben: Zum einen dürfte im Bewußtsein auch der nationalen Verfassunggeber die Idee des internationalen Kulturgüterschutzes weiter gereift sein, in der Erkenntnis, daß der nationale und der internationale Kulturgüterschutz letztlich zwei Seiten derselben Sache sind. Überdies ist zu vermuten, daß die internationalen Texte, einmal als Texte in der Welt, auch auf die nationale Textgestaltung ausstrahlen, wie dies etwa bei den Menschenrechten auf Schritt und Tritt erkennbar ist. Zum andern könnten die sich neu konstituierenden Verfassungsstaaten wie Portugal und Spanien nach Jahren der Diktatur für die Wichtigkeit der Gewinnung nationaler Identitätselemente besonders sensibel sein. Nationale Kulturgüter begründen ein Stück des nationalen Konsenses, gerade auch in offenen Gesellschaften. In manchen lateinamerikanischen Ländern, vor allem Entwicklungsländern, erscheint die Bewahrung des und die Arbeit am durch Kulturgüter vermittelten Grundkonsens angesichts ökonomischer Nöte als besonders dringlich. Die Verfassung Portugals (1976/89) geht systematisch-formal und inhaltlich in Sachen Kulturgutschutz neue Wege. Bereits in den „grundsätzlichen Bestimmungen" wird als „wesentliche Aufgabe des Staates" genannt (Art. 9 lit. e): „das Kulturgut des portugiesischen Volkes zu bewahren und zu mehren, die Umwelt und die Natur zu schützen und die natürlichen Ressourcen zu erhalten...".

Auffällig ist der hohe Stellenwert des (nationalen) Kulturgutschutzes, aber auch die Erwähnung von Kultur und Natur im gleichen Kontext. Wie intensiv der portugiesische Verfassunggeber den Ausbau des Kulturverfassungsrechts bzw. des Kulturgutschutzes betreibt, zeigt sich auch an anderen „Stellen" der Verfassung. Im Abschnitt „Kulturelle Rechte und Pflichten" figuriert der Kulturgüterschutz zusätzlich in drei Kontexten: in Art. 73 Abs. 3 (Zusammenarbeit mit den Vereinigungen, 19 Traditionell ist auch Art. 24 sexies Abs. 2 Schweizer Bundesverfassung: „Der Bund hat in Erfüllung seiner Aufgaben das heimatliche Landschafts- und Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler zu schonen und, wo das allgemeine Interesse überwiegt, ungeschmälert zu erhalten". (Zur Schweiz: M. P. Wyss, Kultur als Dimension der Völkerrechtsordnung, 1992, S. 241 ff.). Gleiches gilt für Art. 64 Abs. 1 Verf. Türkei (1982), zit. nach JöR 32 (1983), S. 552 ff. „Der Staat gewährleistet den Schutz der Geschichts-, Kulturund Naturschätze und Werte." Die neueren Schweizer Kantonsverfassungen (zit. nach JöR 34 (1985), S. 424ff.), sind in Sachen Kulturgutschutz ergiebig: vgl. etwa § 36 Abs. 2 Aargau von 1980 („Er (sc. der Kanton) sorgt für die Erhaltung der Kulturgüter. Er schützt insbesondere erhaltenswerte Ortsbilder sowie historische Stätten und Baudenkmäler"), § 102 Abs. 2 Verf. Basel-Landschaft von 1984 („Sie (sc. Kanton und Gemeinden) schützen erhaltenswerte Landschafts- und Ortsbilder sowie Naturdenkmäler und Kulturgüter"). Besonders gelungen ist Art. 107 Verf. Solothurn (1985): Kanton und Gemeinden fördern die individuelle und schöpferische Entfaltung und erleichtern die Teilnahme am kulturellen Leben. Sie schützen und erhalten die Kulturgüter".

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deren Zielsetzung die Wahrung des Kulturgutes ist), in Art. 78 Abs. 1 (Pflicht von jedermann, „das Kulturgut zu bewahren") sowie in Art. 78 Abs. 2 lit. d (Pflicht des Staates, „das Kulturgut zu fördern und zu schützen, damit es zu einem erneuernden Element der gemeinschaftlichen kulturellen Identität werde"). Diese auch sprachlich schöne Identitätsklausel liefert ein prägnantes Stichwort zum Kulturgutverfassungsrecht und sie eröffnet eine neue Textstufe. Ebenso schöpferisch ist die Vielfalt der Textgruppen, in denen der Kulturgüterschutz erscheint: als Grundpflicht, Verfassungsauftrag, als Staatsaufgabe, als Aspekt des kulturellen Trägerpluralismus. Nimmt man - teils zurückschauend, teils vorgreifend - das ganze Spektrum möglicher und wirklicher verfassungsstaatlicher Kulturgut-Regelungen hinzu (Präambelelement, Erziehungsziel, Grundrecht und Grundpflicht, kulturelle ErbesKlauseln, Verfassungsauftrag, Staatsaufgaben bzw. bloße Kompetenz), so zeigt sich schon jetzt, wie weit sich der innerstaatliche Kulturgüterschutz formal und materiell ausdifferenziert hat und wie sehr er zum integrierenden Bestandteil des Typus Verfassungsstaat heranzureifen beginnt. Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zu der Erkenntnis, daß nationaler und universaler Kulturgüterschutz eine „weltbürgerliche Aufgabe" darstellen, die die Menschheit als Kulturgutgemeinschaft und den einzelnen Verfassungsstaat als „Treuhänder" etablieren und alle zusammenführen. Der „status mundialis hominis" und der „allgemeine" Kulturgüterschutz konvergieren 20. Der Verfassung Spanien (1978) gelingt ein eigenes Textbild in dem gehaltvollen Artikel 46: „Die öffentliche Gewalt gewährleistet die Erhaltung und fördert die Bereicherung des historischen, kulturellen und künstlerischen Erbes der Völker Spaniens und der darin enthaltenen Güter, ungeachtet ihres Rechtsstatus und ihrer Trägerschaft. Das Strafgesetz ahndet jeden Verstoß gegen dieses Kulturerbe".

Und sie denkt dieses hohe Verfassungsgut mit Schärfe in die kompetenzrechtliche Ebene um, wenn Art. 149 Abs. 1 Ziff .28 in die ausschließliche Zuständigkeit des Staates (gegenüber den autonomen Gemeinschaften) u. a. verweist: „Schutz des kulturellen, künstlerischen und baulichen Erbes Spaniens gegen Ausfuhr und Plünderung; staatliche Museen, Bibliotheken und Archive, unbeschadet ihrer Verwaltung durch die Autonomen Gemeinschaften".

Die neuen ibero-bzw. lateinamerikanischen Verfassungen seit Ende der 70er Jahre bauen den (nationalen) Kulturgutschutz eindrucksvoll aus 21 . Dabei mag vieles 20 Zum „status mundialis hominis" mein Beitrag: Das Konzept der Grundrechte, Rechtstheorie 24 (1993), S. 397 ff. (408 ff.). 2 1 Weniger ergiebig sind: Art. 89 Verf. Costa Rica (1949), zit. nach JöR 35 (1986), S. 481 ff., als „kulturelle Ziele der Republik" u. a.: „Schutz der Naturschönheiten, Bewahrung und Entwicklung (!) des geschichtlichen und künstlerischen Erbes der Nation...". - Art. 19 Ziff. 10 Verf. Chile (1980), zit. nach JöR 30 (1981), S. 661 ff.: Aufgabe des Staates, „wissenschaftliche und technische Forschung und künstlerisches Schaffen zu fördern sowie das nationale kulturelle Erbe zu bewahren". - Inhaltsreich aber Art. 10 Ziff. 19 Autonomie-Statut des Baskenlandes (1979), zit. nach JöR 43 (1995), S. 558 ff.

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zusammenwirken: das Vorbild der „Mutterländer" Portugal und Spanien, die wachsende Ausstrahlung der internationalen Abkommen von 1954 und 1972, die Sensibilisierung des allgemeinen Bewußtseins für das „gemeinsame Erbe der Menschheit", aber auch, zumal in etwaigen Entwicklungsländern, das Bedürfnis, in der eigenen Kultur Halt zu finden: gegenüber einebnenden Mächten der Wirtschaft oder weltzivilisatorischer Gleichmacherei. Im folgenden sei eine kleine Auswahl von besonders aufschlußreichen Verfassungen in Gestalt der Textstufenmethode präsentiert. Dabei wird die historische, entwicklungsgeschichtliche Darstellung bevorzugt, da die Verfassunggeber heute bei der Redaktion ihrer Texte in engen Produktions- und Rezeptionsprozessen untereinander stehen. Die Verf. Peru (1979) 22 stimmt sich schon in ihrer Präambel auf den Kulturgutschutz ein 23 : „ . . . Getragen von dem Vorsatz, die historische Persönlichkeit des Vaterlandes, die sich aus den vornehmsten Werten vielerlei Ursprungs zusammensetzt und aus ihnen hervorgegangen ist, aufrechtzuerhalten und zu festigen, ihr kulturelles Erbe zu verteidigen und die Beherrschung und Bewahrung der natürlichen Ressourcen zu sichern..

Art. 36 nimmt diesen Grundsatz ebenso auf („Die zum Kulturbesitz der Nation erklärten archäologischen Fundorte und Überreste, Bauten, Monumente, Kunstgegenstände und Zeugnisse von historischem Wert, stehen unter dem Schutz des Staates") wie die Ressourcenklauseln der Art. 118 bis 123 („Die natürlichen Ressourcen, die erneuerbaren und die nicht erneuerbaren sind Erbe der Nation" 24 ). Ähnlich geht die Verfassung Guatemalas (1985) vor 2 5 . In der Präambel ist von der Anerkennung „unserer Traditionen und unserer kulturellen Erbschaft" die Rede, und nicht weniger als fünf Artikel nehmen sich - im Anschluß an die Garantie eines Rechts zur Teilnahme an der Kultur (Art. 57) sowie des „Rechts der Person und der Gemeinschaft an einer Identität ihrer Kultur" (Art. 58) - des „Schutzes der Kultur bzw. des kulturellen Erbes" an (Art. 59 bis 62 und 65). Dabei finden sich Aussagen zum „nationalen kulturellen Erbe", das Verbot des Exports von Kulturgütern (unter Gesetzesvorbehalt) und die Einführung einer besonderen Kulturschutzbehörde. Ein Durchbruch ist Guatemala in Art. 61 insofern geglückt, als hier der Schutz des Staates ausdrücklich auf bestimmte Stätten wie einen archäologischen Park und die Stadt Altguatemala erstreckt wird, „die zu Bestandteilen des 22 Zit. nach JöR 36 (1987), S. 641 ff. 23 Zu den Funktionen von Präambeln mein Beitrag: Präambeln im Text und Kontext von Verfassungen (1982), jetzt in Rechtsvergleichung ..., 1992, S. 176 ff. 24 Die neue Verf. von Peru (1993), hier zit. nach der Volksausgabe in spanischer Sprache, begnügt sich mit dem Schutz des „patrimonio cultural de la Naciön" (Art. 21), verweist aber auch auf gesetzliche Maßnahmen zur Rückführung von illegal ins Ausland verbrachten Gütern. Zu diesen Fragen der Restitution: G. Reichelt, Die Vereinheitlichung des privatrechtlichen Kulturgüterschutzes ..., in: R. Dolzer u. a. (Hrsg.), Rechtsfragen, a.a.O., S. 67ff.; /. Seidl-Hohenveldern, a.a.O., (Anm. 4), S. 137 ff. Zur „Rückführung von Kulturgut im internationalen Recht" gleichnamig: B. Walter, 1988. Anschaulich A. Heinick, Zollbeamte als Kunsthistoriker, FAZ vom 1. Okt. 1994, S. 39 f. 25 Zit. nach JöR 36 (1987), S. 555 ff. 7 Fechner u. a.

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Welterbes erklärt worden sind, als auch die Fundstätten, die in gleicher Weise anerkannt werden". Dieser verfassungsrechtliche, offengehaltene, „dynamische" nationale Verweis auf den internationalen Kulturgüterschutz und seine Konkretisierung in Gestalt bestimmter Gegenstände des „Welterbes" kann gar nicht genug gerühmt werden. Denn damit verzahnen sich der verfassungsrechtliche interne Kulturgüterschutz mit dem internationalen sichtbar und greifbar. Das sollte Schule machen26. Von den späteren Verfassungen dieses Kulturraumes seien noch einige summarisch erwähnt: so die sprachlich schöne Wendung vom jeweils nationalen „tresoro cultural" (Art. 63 Verf. Salvador von 198327), vom „patrimonio cultural de la Nación" (Art. 172 Abs. 1 Verf. Honduras von 1982), zu dessen Schutz nicht nur der Staat, sondern auch alle Bürger von Honduras verpflichtet sind (Abs. 4 ebd.). Auch die Verf. von Paraguay (1992) spricht von „patrimonio cultural de la Nación" (Art. 81 Abs. 1); sie bereichert das Textmaterial um die Verpflichtung des Staates, ins Ausland gelangte Kulturgüter zurückzugewinnen (Abs. 2 ebd.) sowie um den Begriff des „kollektiven Gedächtnisses der Nation". Die neue Verf. von Kolumbien (1991) verwendet ebenfalls den Begriff „patrimonio cultural de la Nación" (Art. 72), sie erklärt überdies bestimmte Kulturgegenstände, die „die nationale Identität bilden", für unveräußerlich und unverjährbar, und sich macht es dem Gesetz zur Aufgabe, sie zurückzugewinnen, wenn sie sich in privater Hand befinden 28.

4. Neue osteuropäische Verfassungen

Die Verfassungsbewegung in den postkommunistischen Ländern Osteuropas kennzeichnet sich z. T. durch produktive Rezeption westlicher Verfassungsideen 29. Die Methode des Textstufenvergleichs ist auch hier ertragreich, so groß die Differenz zwischen (neuem) Text und (alter) Wirklichkeit noch sein mag. Im vorliegenden Zusammenhang interessiert nur, ob und wie sich die osteuropäischen Verfassunggeber dem Problem des nationalen Kulturgutschutzes stellen. Zu vermuten ist, daß etwaige kulturelle Erbes-Klauseln auch deshalb gewählt werden, weil die Re26 Die Verf. von Nicaragua (1986), zit. nach JöR 37 (1988), S. 720 ff., formuliert ihre nationale Kulturschutzklausel wie folgt (Art. 128): „Der Staat schützt das archäologische, historische, sprachliche, kulturelle und künstlerische Erbe der Nation". 27 Die folgenden Texte sind zit. nach L. López Guerra /L. Aguiar (Hrsg.), Las Constituciones de Iberoamérica, 1992. 2 » Art. 216 Verf. Brasilien von 1988, zit. nach JöR 38 (1989), S. 462 ff., definiert - im Kontext von Art. 215 (Garantie der kulturellen Rechte, der Zugangsrechte zu den „Quellen der nationalen Kultur", Kulturförderung) - den brasilianischen Kulturbesitz aus „den materiellen und immateriellen Kulturgütern, die im einzelnen oder in ihrem Zusammenhang Eigenart, Leistung und Andenken der verschiedenen Gruppen, die die brasilianische Gesellschaft bilden, verkörpern". Eine lange Liste zählt Beispiele auf und die Schutzaufgaben werden ausdrücklich spezifiziert (Inventarisierung, Registrierung, Überwachungen, Denkmalschutz, Enteignungsmaßnahmen etc.). 29

Dazu mein Beitrag Verfassungsentwicklungen in Osteuropa - aus der Sicht der Rechtsphilosophie und der Verfassungslehre, AöR 117 (1992), S. 169 ff.

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formstaaten mühsam genug ihre nationale Identität suchen müssen, um das Vakuum nach dem Zusammenbruch des Marxismus-Leninismus zu füllen und Kontinuität zu ihrer „Vorgeschichte" herzustellen 30. Hier einige Beispiele: Die Verfassung Sloweniens (1991) 31 sagt bereits in ihren allgemeinen Bestimmungen vorweg im Kontext von Staatsaufgaben (Art. 5): „Er (sc. der Staat) sorgt für die Erhaltung der Naturgüter und des kulturellen Erbes". Im Grundrechtsteil wird diese Aussage spezifiziert unter dem Stichwort „Wahrung des Natur- und Kulturerbes" und zur Grundpflicht umgeformt (Art. 73): „Jedermann hat die Pflicht, in Einklang mit dem Gesetz Naturdenkmäler und -Seltenheiten sowie Kulturdenkmäler zu schützen. Der Staat und die lokalen Gemeinschaften sorgen für die Erhaltung des Natur- und Kulturerbes".

Die Verfassung der Tschechischen Republik (1992) plaziert schon in ihrer Präambel den Natur- und Kulturschutz im Feiertagston eines Bekenntnisses: „.. .entschlossen, den geerbten natürlichen und kulturellen, materiellen und geistigen Reichtum gemeinsam zu hüten und zu entfalten."

Art. 7 normiert spezieller: „Der Staat achtet auf schonende Nutzung der natürlichen Ressourcen und auf den Schutz des Naturreichtums".

Die Verfassung Estland (1992) geht auf das Thema Kultur- und Naturschutz an drei Stellen ein: In der Präambel wird das Bild des eigenen Staates beschworen, „which shall guarantee the preservation of the Estonian nation and its culture throughout the ages". Art. 5 bestimmt: „The natural wealth and resources of Estonia are national assets, which shall be used sparingly". Art. 53 normiert eine Grundpflicht („Everyone shall be obligated to preserve human and natural environment.. .") 3 2 . Die Verfassung der Russischen Föderation (1993) 33 ist insofern auf dem neuesten Entwicklungsstand, als sie die Sache Kultur von der Grundrechtsseite her regelt und zwar als Freiheitsrecht, aber auch als kulturelles Teilhaberecht von jedermann (Art. 44 Abs. 1 und 2) und überdies die Grundpflicht ausspricht, „sich um die Erhaltung des historischen und kulturellen Nachlasses zu sorgen und die Denkmäler der Geschichte, Kultur und Natur zu bewahren" (Abs. 3 ebd.). Jeder 30 Die Verf. der Republik Serbien (1990) kennt den Kulturgut- und Naturschutz in Form eines Enteignungsartikels (Art. 60 Abs. 4): „Eigentum an Dingen von besonderer kultureller, wissenschaftlicher oder historischer Bedeutung oder von Wichtigkeit für den Naturschutz kann beschränkt werden...". 31 Zit. nach JöR 42 (1994), S. 89 ff. 32 Die Verf. Litauens (1992) kennt den Kulturschutz im Rahmen der Kulturfreiheit (Art. 42 Abs. 2: „protection of Lithuanian history, art, and other cultural monuments and valuables") sowie den Natur- und Ressourcenschutz (Art. 54: „protection of the natural environment, its fauna and flora, separate objects of nature ... moderate utilization of natural resources ..."). 33 Zit. nach 7. Ch. Traut (Hrsg.), Verfassungsentwürfe der Russischen Föderation, 1994, S. 381 ff. 7*

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wird überdies verpflichtet, „die Natur und Umwelt zu bewahren" (Art. 58). Der Staat kommt von der Kompetenzseite ins Spiel, insofern nach Art. 72 Ziff. 1 lit. e Umweltschutz, Schutz der Geschichts- und Kulturdenkmäler Sache der Föderation sind und Art. 74 Ziff. 2 Einschränkungen des Transfers von Waren und Dienstleistungen vorsieht, wenn dies für die Umwelt und die „kulturellen Werte" notwendig ist. Das ist eine neue Textform für das Verbot des „kulturellen Ausverkaufs". Von den zahlreichen Verfassungsentwürfen Osteuropas verdient der der Ukraine vom Juni 1992 Beachtung34. Im Abschnitt über Grundpflichten findet sich die Pflicht von jedermann, „to prevent damage to nature, to natural resources, and to the historical and cultural heritage, and historical and cultural monuments of Ukraine". Und damit greift der Entwurf eine auch sonst zu beobachtende Textstufe in Sachen Kultur- und Naturschutz auf. Einen neuen Weg wagt die Ukraine aber in Art. 89, insofern auf das „Erbe der Weltkultur" Bezug genommen wird, womit die Ukraine mit dem „kulturellen Universalismus" ernst macht: „The State shall create conditions for the free and thorough developement of education, science, and culture, shall develop the Spiritual heritage of the nation of Ukraine, as well as the heritage of world culture".

Eigene Wege geht auch Art. 94, insofern er nicht nur das kulturelle Erbe der Ukraine vor der Abwanderung ins Ausland schützen möchte, sondern auch den Staat zu Maßnahmen verpflichtet, die die Rückgewinnung historischer und kultureller Güter von jenseits der Grenzen zum Ziel haben. Diese Erweiterung der staatlichen Kulturschutzpflicht mag mit der besonderen Situation nach der Auflösung der UdSSR mit ihren früheren diktatorischen Kulturgutverschiebungen zu erklären sein; sie könnte sich auch als Vorbote eines allgemeinen Rechtsgedankens im nationalen und internationalen Kulturgutrecht erweisen.

5. Eine Zwischenbilanz

Der Textstufenvergleich hat gezeigt, daß der (nationale) Kulturgutschutz ein wesentliches Element des Typus Verfassungsstaat zu werden beginnt. Freilich, die verfassungsrechtlichen Ausgestaltungen weisen eine große Vielfalt auf: vom Präambelelement über Grundrechte bzw. Grundpflichten, Verfassungsaufträge, Schutzpflichten des Staates, Staatsaufgaben bis zur bloßen Kompetenz, wobei die nicht seltene Einbettung des Kulturgutschutzes in eine allgemeine Kulturklausel im Kontext von kulturellen Freiheiten und individuellen Zugangsrechten auffällt. Auch sind die swbkonstitutionellen Regelungen von Nation zu Nation sehr ver34 In Polen sagt der Entwurf des Seym (April 1991) in Art. 44 Abs. 3 immerhin: „The state is obliged to safeguard and protect the cultural assets." Auch dies wieder im Kontext des Prinzips der Freiheit zu schöpferischer Aktivität und Forschung und des freien Zugangs aller zum kulturellen Leben einschließlich den „national monuments of culture". Der staatliche Kulturgutschutz figuriert auch sonst oft als Teil der Freiheit der Kultur, was der Sache nach richtig gedacht ist. (Zit. nach JöR 43 (1995), S. 212 ff.).

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schieden35. Überdies ist der Begriff „Kulturgut" in Praxis und Wissenschaft höchst umstritten 36. Dennoch wird der hier unternommene Textstufenvergleich auch praktisch relevant: z. B. im Europa der EG wegen der Auslegung von Art. 36 EG-Vertrag („nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert" 37 ). Der EuGH wird in auch sonst bewährtem „wertendem Rechtsvergleich" der Verfassungsregelungen der Mitgliedsstaaten letztlich zu einem „autonomen" europaeinheitlichen Begriff von nationalen Kulturgut kommen müssen, der den Einzelstaaten vielleicht eine gewiße „marge d'appréciation" läßt, aber doch spezifisch europarechtlicher Natur ist 38 . Das hier zu suchende mittlere Sowohl-Als-auch spiegelt sich in den Kultur-Artikeln von „Maastricht": einerseits Art. F Abs. 1 („Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten") sowie Art. 128 Abs. 1 („Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt"), andererseits die „gleichzeitige Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes" (ebd.) bzw. die subsidiär (!) zu denkende „Erhaltung und Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung" (Abs. 2 ebd.). Diese spannungsvolle europarechtliche Textstufe des Kulturgutschutzes ist erst noch auszudeuten. Denkt man zu den hier aufgeschlüsselten verfassungsrechtlichen Kulturschutzklauseln zahlreicher Verfassungsstaaten die vielen anderen Mosaiksteine des heute weit ausdifferenzierten Kulturverfassungsrechts hinzu 39 , so zeigt sich, wie sehr die Kultur ein „ viertes " Staatselement bildet 40. Die Verfassungsstaaten definieren sich 35

Einige Hinweise z. B. für Italien, Portugal, Spanien und Peru in: R. Dolzer u. a. (Hrsg.), Rechtsfragen, a.a.O., S. 191 ff. (Lombardi), S. 35, 38, 41, (.Jayme), S. 232 (Virgos Soriano), S. 123 f. (v. Bennigsen); s. auch die unterschiedlichen Regelungen der Länder in Bezug auf die Zulässigkeit des Exports von Kulturgut in privater Hand, dazu R. Mußgnug, in: Rechtsfragen, a.a.O., S. 217 f. (Diskussion) und seine inspirierende Frage: Museums- und Archivgut als „res extra commercium"?, in: Rechtsfragen, ebd., S. 199ff. - Zum deutschen BKultSchG: B. Pieroth/B. Kampmann, Außenhandelsbeschränkungen für Kunstgegenstände, NJW 1990, S. 1385 (1386ff.); F. Fechner, a.a.O., DÖV 1992, S. 609f. m. w. N.; zu Vollzugsrichtlinien der KMK: E. Jayme, a.a.O., S. 35 (39 f.). 36 Dazu ergiebig das Heidelberger Symposion und besonders E. Jayme, a.a.O., S. 35 ff., 125 f.; Fiedler, ebd., S. 142. S. auch die Definition des UNIDROIT-Entwurfs von 1990, dazu G. Reichelt in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Rechtsfragen, a.a.O., S. 67 (72 f.). 3 7 Aus der Lit.: J Schwarze, a.a.O., (Anm. 3), JZ 1994, S. 111 ff.; F. Fechner, a.a.O., DÖV 1992, S. 609 ff. sowie die Diskussion auf dem Heidelberger Symposion, insbes. Sack, S. 131 f., Fiedler, S. 132. Siehe auch W. Eberl, Probleme und Auswirkungen der EG-Vorschriften zum Kulturgüterschutz, NVwZ 1994, S. 729 ff.; A.-K UhU Der Handel mit Kunstwerken im europäischen Binnenmarkt, 1993. 38

In Richtung auf einen die Kulturkompetenz der Mitgliedsstaaten betonenden Kompromiß deuten die Ausführungen von J. Schwarze, a.a.O., S. 113 f.: „Die Einschätzungsbefugnis der Mitgliedstaaten endet dort, wo sich die Geltendmachung kultureller Eigeninteressen als mißbräuchlich oder als übermäßig darstellt". 39 Dazu meine Beiträge: Europa in kulturverfassungsrechtlicher Perspektive, JöR 32 (1983), S. 9 ff., Neuere Verfassungen und Verfassungsvorhaben in der Schweiz, JöR 34 (1985), S. 303 (318 ff.) sowie unten Anm. 45. 40 Vgl. G. Dürig, Der deutsche Staat im Jahre 1945 und seither, VVDStRL 13 (1955), S. 27 (49 f.); s. auch ders., ebd., S. 45: „Es gibt... einen gemeinsamen deutschen Kultur- 'be-

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auch aus „ihrer" Kultur. Jedenfalls ist die Problematik des nationalen Kulturgüterschutzes in die Koordinaten einer kulturwissenschaftlich gearbeiteten Verfassungslehre und die des internationalen Kulturgüterschutzes auf die Ebene einer weltweiten pluralen Kultur, durch die Menschenrechte geeinten Weltgemeinschaft als „Menschheit" zu heben („Menschheitslehre") 4 1 . Dabei verschränken und stützen sich beide Ebenen in einer noch zu klärenden Weise: Menschheit und Verfassungsstaat 42 . Vielleicht sollte man die Zuordnungsfrage 43 der nationalen Kulturgüter erklärtermaßen und systematisch auf die Lehre von den Staatselementen beziehen: die Rolle des Territoriums („Ursprungsort", „Lageort") nimmt bezug auf das „Staatsgebiet", der Streit um den personalen Anknüpfungspunkt der Staatsangehörigkeit des Kulturschaffenden meint das „Staatselement Volk", die Frage der anzuwendenden Rechtsordnung und der kulturrechtlichen Schutzpflichten ist (auch) eine Frage der sog. Staatsgewalt, und das neue „vierte" Staatselement „ K u l t u r " ist ein alles überformender Aspekt 4 4 . Der Hauptertrag des Textstufenvergleichs dürfte aber vorläufig darin liegen, daß er Anstösse für die „Philosophie" des Kulturgutschutzes gibt.

sitz" im dinglichen Sinne. Hierunter verstehen wir jeglichen in der Materie verkörperlichten Niederschlag des Geistes; also reichend vom aufgeschriebenen Volkslied bis zur Symphonie, von der Hausgiebelform bis zum Münster, vom Volksmärchen bis zum Drama usw.". Die Verknüpfung mit dem Staatselement „Territorium" ist m. E. eigens zu begründen: Herstellung der Kulturgüter im Land („Staatsgebiet"), aber auch Nationalität des Künstlers („Staatsvolk"), Bestimmungsort, Fundort, „Sujet" („Staatsgebiet") werden möglicherweise Kriterien allgemeiner Rezeptionsvorgänge „im Laufe der Zeit" (so wächst z. B. ein Gut in die nationale Kulturqualität hinein). Viele Aspekte sind diskutiert auf dem Heidelberger Symposion von 1990 (z. B. S. 35 ff., 125 f., 142 f.). 41 Treffend M. Gorbatschow in seiner „Bayreuther Erklärung" (1993), zit. nach Nordbayerischer Kurier vom 26. Juli 1993, S. 10: „Die Kultur ist weiser denn die Politik, weil sie von Natur aus jeglichem Separatismus, Isolationismus und Nationalismus entgegensteht. Für die Romane von Dostojewski und Thomas Mann, die Musik von Bach und Mussorgski gibt es keine Barrieren in bezug auf die Zeit und die politische Ordnung, in bezug auf Zollgrenzen und Marktbegierden. Sie gehören allen und jedem, der ganzen Menschheit." 42 Erste Überlegungen zum Natur- bzw. Kulturschutz als „Menschheitsschutz" in meiner Besprechung: AöR 116 (1991), S. 271 (277). 43 Die Unesco-Konvention von 1970 sieht die Nationalität des Kulturgutes vor allem durch die Nationalität seiner Schöpfer vermittelt, dazu E. Jayme , in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Rechtsfragen, a.a.O., S. 35 (38). Ihr eigenes Textstufenelement verdient Beachtung: „cultural property created by the individual or collective genius of nationals of the State concerned, and cultural property of importance of the State concerned created within the territory of that State...". 44 Wohl angedeutet in der These von E. Jayme , „Entartete Kunst" und Internationales Privatrecht, 1994, S. 24, Im Kunstwerk seien „geistige Energien verkörpert. ..", die als „Ausdruck der Identität des Künstlers und der Nation, die es als das ihre rezipiert, anzusehen sind."; s. schon ders ., Kunstwerke und Nation, 1991, bes. S. 28 ff. Den Aspekt „kulturelle Selbstbestimmung" des Staates betont S. von Schorlemer , Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 42 ff.

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I I I . Verfassungstheoretische Überlegungen 1. Eine kleine Verfassungslehre des Kulturgüterschutzes

Die theoretische Auswertung des hier aufgeschlüsselten Textmaterials führt zu einer „kleinen Verfassungslehre" des Kulturgüterschutzes. Das vielfach behandelte Kulturverfassungsrecht 45 sieht sich um ein wichtiges Element bereichert. Der nationale Kulturgüterschutz erweist sich im verfassungsstaatsbezogenen Textstufenvergleich als ein ebenso lebendiger - und wachsender interner - Baustein der Verfassung als Kultur, wie er dank des internationalen Kulturgüterschutzes über sich selbst hinausweist: auf die Menschheit, ihr universales Erbe, ihre zugleich transnationale und multinationale Kultur. Erst dank des nationalen Kulturgüterschutzes gelingt der internationale. Beides greift ineinander und bedingt sich. Je differenzierter und effektiver der nationale Kulturgüterschutz ist, desto mehr Chancen bestehen, daß der internationale nicht nur „platonisch" bleibt. Umgekehrt sieht sich jeder Verfassungsstaat genötigt, wegen des internationalen Kulturgüterschutzes bzw. der daraus folgenden völkerrechtlichen Verpflichtungen seinen nationalen auszubauen, ernst zu nehmen und weiter zu entwickeln. Die neueren Verfassungstexte haben hier viel geleistet. So mag es im ganzen zu einer an die „regula aurea" erinnernden Gegenseitigkeitsordnung kommen: einer dank des Kulturgüterschutzes - und den Menschenrechten - vermittelten Weltkultur(güter)gemeinschaft, die in Zeiten fortschreitenden Ökonomismus und sich mehrender Rückfälle ins Barbarische wegen der Humanität um so wichtiger wird. Jeder Verfassungsstaat ist gut beraten, aus den bisher schon entwickelten Textgruppen zu lernen. In formaler Hinsicht kann der Kulturgüterschutz bereits in der Präambel angelegt werden, in den Grundlagenabschnitt einer Verfassung vorgezogen oder im Staatsaufgaben-, sogar Grundrechtsteil plaziert werden. Inhaltlich kann er von den Erziehungszielen her „vorgedacht" und bis zum Strafrecht und Privatrecht hin zu Ende gedacht werden. Das Bildungsziel „Achtung vor anderen Kulturen und Völkern" schafft schon einen Brückenschlag zwischen nationalen und internationalen Kulturgüterschutz, wenn auch in der „sanften" Form des „soft law" der Erziehungsziele 46. Der nationale Kulturgüterschutz hat sich - verglichen mit den traditionellen Schutzklauseln in bezug auf Denkmale (vgl. z. B. Art. 150 Abs. 1 und 2 WRV) - enorm verfeinert, ja „vitalisiert". Er hat sich durch die Zugangsrechte zur Kultur verlebendigt, er hat sich in manchen Verfassungen zur Grundpflicht verstärkt, er hat sich da und dort zum Erziehungsziel „verinnerlicht" und er hat sich durch generelle kulturelle Erbesklauseln verallgemeinert. 45

P. Häberle, Kulturverfassungsrecht im Bundesstaat, 1980; ders., Vom Kulturstaat zum Kulturverfassungsrecht, in: ders., (Hrsg.) Kulturstaatlichkeit und Kulturverfassungsrecht, 1982, S. 1 ff.; T. Oppermann, Ergänzung des GG um eine Kultur(Staats)klausel?, FS f. Bachof, 1984, S. 3 ff.; U. Steiner/D. Grimm, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, VVDStRL 42 (1984), S. 7 ff.; P. Pernthaler (Hrsg.), Föderalistische Kulturpolitik, 1988. 46

Dazu meine Studie: Erziehungsziele und Orientierungswerte im Verfassungsstaat, 1981.

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Diese rechtstextlichen Entwicklungen sind kein Selbstzweck. Sie deuten auf tiefere Zusammenhänge: Der Verfassungsstaat definiert sich (auch) aus seiner nationalen Kultur (sie stiftet seine Identität 47 ), und die Freiheit wird zu einer solchen und „erfüllten" Freiheit erst durch Kultur. Der Mensch gewinnt „aufrechten Gang" dank der Kultur. Die Hervorbringungen der kulturellen Grundrechte wie der Religions-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit 48, nämlich die Kulturwerke, reifen „im Lauf der Zeit" zu dem, was nationale und internationale Texte als Kulturgut qualifizieren. Ein Durchbruch wäre es, wenn eines Tages die nationalen Verfassungen über sich hinauswüchsen und expressis verbis Textelemente des Unesco-Abkommen von 1972 rezipierten, also auch „fremde" bzw. Welt-Kulturgüter schützten (Ansätze finden sich in Guatemala und in der Ukraine). Wenn manche Erziehungsziele auf die Achtung vor anderen Kulturen und Völkern verweisen, so ist damit ein Anfang in dieser Richtung gewagt.

2. Verfassung als Kultur

Der nationale Kulturgutschutz ist nur ein Ausschnitt eines viel allgemeineren Zusammenhangs: Jede verfassungsstaatliche Verfassung lebt letztlich aus der Dimension des Kulturellen. Der Kulturgutschutz, die speziellen kulturellen Freiheiten, ausdrückliche kulturelle Erbes-Klauseln und allgemeine Kulturstaats-Artikel bilden nur besondere Verdeutlichungen der - allgemeinen - Kulturdimension der Verfassung 49. Wenn der Verfassungsstaat der heutigen Entwicklungsstufe seinen 47

Die Verfassungslehre steht freilich erst am Anfang der wissenschaftlichen Erarbeitung von Begriffen wie „nationale Identität". Dabei mögen Anregungen aus der allgemeinen Identitätsdebatte helfen, einen Weg zwischen „Identitätsbeschwörung" und „Identitätsleugnung" zu finden. Hilfestellung geben Aussagen wie: „Nation ist Ausdruck des durch Geschichte Form und Wirklichkeit Gewordenen" (M. Walser) oder die Frage von J. Habermas (1974): „Können komplexe Gesellschaften eine vernünftige Identität ausbilden"?. Eine Provokation ist die These von R. Walther („Was ist 'nationale Identität'", in: Die Zeit Nr. 33 vom 12. August 1994, S. 28): „Das Identischste an der nationalen Identität ist ihre Unstetigkeit und Beliebigkeit". M. E. führt nur der kulturwissenschaftliche Ansatz weiter, der i. S. des „offenen Kulturkonzeptes" (dazu meine Studie: Kulturpolitik in der Stadt, 1979) wagt, von seiner „plural angelegten, offenen nationalen Identität" (W Weidenfeldt/K.-R. Körte, 1991) zu sprechen. Wegweisend J. Habermas, Staatsbürgerschaft und nationale Identität, St. Gallen (o. J.), 1991, S. 32: „Die Identität des politischen Gemeinwesens, die auch durch Immigrationen nicht angetastet werden darf, hängt primär an den in der politischen Kultur verankerten Rechtsprinzipien und nicht an einer besonderen ethnisch-kulturellen Lebensform im ganzen". Die Herausforderung durch die oder „Wahlverwandtschaft" zu der Leit-Idee von Art. 27 der Canadian Constitution 1981 (zit. nach JöR 32 (1983), S. 632 ff.) liegt nahe („This Charter shall be interpreted in a manner consistent with the preservation and enhancement of the multicultural heritage of Canadians".) 48 Zur „Freiheit der Kunst in kulturwissenschaftlicher und rechtsvergleichender Sicht" gleichnamig mein Beitrag, in: R Lerche u. a., Kunst und Recht, 1994, S. 37 ff. 49 Ausgearbeitet in P. Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 1982, bes. S. 19 und seitdem, z. B. in ders. y Europäische Rechtskultur, 1994, ders., Altern und Alter des

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Kulturgüterschutz besonders effektiviert, verfeinert und weiterentwickelt, so geschieht dies im Dienst seiner kulturellen Identität insgesamt. Zugleich gewinnt das kulturwissenschaftliche Verständnis von Verfassungen im ganzen an Überzeugungskraft: „Verfassung ist nicht nur rechtliche Ordnung für Juristen und von diesen nach alten und neuen Kunstregeln zu interpretieren - sie wirkt wesentlich auch als Leitfaden für Nichtjuristen: für den Bürger. Verfassung ist nicht nur juristischer Text oder normatives „Regelwerk", sondern auch Ausdruck eines kulturellen Entwicklungszustandes, Mittel der kulturellen Selbstdarstellung des Volkes, Spiegel seines kulturellen Erbes und Fundament seiner Hoffnungen."

3. Die Kontextualität von Kultur und Natur eine anthropologische Konstante in vielen Varianten

Ein eigenes Wort verdienen die Natur-Schutz-Klauseln. Auch sie haben sich im Vergleich mit den traditionellen Textformen verfeinert und sie sind vor allem im Kontext des neuen Umweltverfassungsrechts zu lesen50. Besonders auffällig ist aber die Kontextualität, in der der konstitutionelle Kultur- und Naturschutz fast durchweg stehen. So wie das Unesco-Übereinkommen von 1972 sich auf das „Kultur- und (!) Naturerbe der Welt" im gleichen Atemzug richtet, so führen die neueren Verfassungen beides denkbar eng zusammen. Die Parallelität der Textstufenentwicklung verblüfft. Natur wird, wenn nicht selbst ein Stück der von Menschen gestalteten Kultur 51 , so jedenfalls dem Verfassungsstaat gleichermaßen nahe und „wichtig". Verfassungsstaatliche Beispiele dieses inneren Sowohl-Als-auch bzw. Zugleich von Kultur und Natur 52 sind Texte wie „Aufgabe, die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaften zu schützen und zu pflegen" 53 . Gelegentlich wird der Schutz von Natur und Umwelt noch eigens herMenschen als Verfassungsproblem, FS f. Lerche, 1993, S. 189 ff.; ders., Das Staatsgebiet als Problem der Verfassungslehre, FS f. Batliner, 1994, S. 397 ff. 50 Z. B. Art. 141 Abs. 1 Verf. Bayern: „Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist ... der besonderen Fürsorge jedes einzelnen und der staatlichen Gemeinschaft anvertraut. Mit Naturgütern ist schonend und sparsam umzugehen". - Art. 31 Abs. 1 Verf. Bern (1993): „Die natürliche Umwelt ist für die gegenwärtigen und künftigen Generationen gesund zu erhalten". Art. 32 ebd.: „Kanton und Gemeinden treffen in Zusammenarbeit mit privaten Organisationen Maßnahmen für die Erhaltung schützenswerter Landschafts- und Ortsbilder sowie der Naturdenkmäler und Kulturgüter". 51 Darum ist an dem Merkmal „von menschlicher Hand geschaffen" für das „Kulturgut" zur Abgrenzung vom „Naturerbe" festzuhalten. Zum Streitstand G. Reichelt, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Rechtsfragen, a.a.O., S. 67 (72 f.); v. Bennigsen, ebd. S. 30 f. (Diskussion). „Kultgegenstände" der „Naturvölker" können m. E. über den Gedanken der „Widmung" bzw. „Rezeption" und insofern „Gestaltung" unter den Kulturgutbegriff gebracht werden. 52 Zum philosophischen Hintergrund das Blaubeurener Gespräch Natur in den Geisteswissenschaften, Bd. I, hrsg. von R. Brinkmann, 1988 (dazu meine Besprechung in AöR 116 (1991), S. 271 ff.). 53 Art. 141 Abs. 2 Verf. Bayern; ähnlich Art. 18 Abs. 2 Verf. Nordrhein-Westfalen, Art. 40 Abs. 3 Verf. Rheinland-Pfalz, Art. 34 Abs. 2 Verf. Saarland, Art. 30 Abs. 2 S. 1 Verf. Thüringen.

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ausgestellt (so Art. 31 bis 33 Verf. Thüringen). Prägnant zusammengedacht sind Natur und Kultur in Art. 24 Abs. 1 Verf. Griechenland („Der Schutz der natürlichen und der kulturellen Umwelt ist Pflicht des Staates"). Auch die Verfassung Spanien nimmt sich des Umwelt- und Kulturschutzes in zwei unmittelbar aufeinander folgenden Artikeln an (Art. 45 und 46). Diese Kontextualität wurzelt wohl in der conditio humana, die von „Natur und Kunst" (bzw. allgemeiner Kultur) geprägt ist, die ihrerseits in einem selbst von vielen Klassikern letztlich wohl nicht erfaßbaren Zusammenhang stehen (vgl. Goethes „Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen..."). Das Unesco-Abkommen von 1972 hebt ihn nun auf den universalen Menschheitsmaßstab. Menschliches Leben gedeiht nur auf der Basis innerstaatlichen und weltweiten Kultur- und Naturschutzes.

IV. Die Konstituierung der Menschheit aus nationalem und internationalem Kulturgüterschutz Sieben Thesen: Menschheitsbezüge (des Verfassungsstaates) in kulturwissenschaftlicher Sicht, die Weltgemeinschaft der Kulturstaaten, weltbürgerliche Freiheit dank Kultur, das multikulturelle Erbe der Welt, die Kultur der Menschheit, Bedingtheitsverhältnisse

1. Die Weltgemeinschaft der Kulturstaaten

Die Abkommen zum Kulturgüterschutz, insbesondere „zum Schutz des Kulturund Naturerbes der Welt" lassen eine auch juristisch greifbare Weltgemeinschaft der Kulturstaaten heranwachsen. Mag es in der Praxis noch viele Vollzugsdefizite geben, jüngst schmerzlich erfahrbar etwa in der Zerstörung von Dubrovnik, überhaupt im Krieg in Ex-Jugoslawien: ideell haben sich die Staaten 1954 bzw. 1972 als Kulturstaaten dargestellt und verpflichtet. Unabhängig davon, ob die Staaten sich selbst in ihren Verfassungen ausdrücklich dank allgemeiner bzw. spezieller Kulturstaatsklauseln als Kulturstaaten ausweisen, wachsen ihnen über die UnescoKonvention von 1972 Elemente konstitutioneller Kulturstaatlichkeit zu: z. B. über die Aufgabe nach Art. 4: „Erfassung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen, in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes sowie seine Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen", über die Verpflichtung gemäß Art. 5, „eine allgemeine Politik zu verfolgen, die darauf gerichtet ist, dem Kultur- und Naturerbe eine Funktion im öffentlichen Leben zu geben" 54 . Dieser kulturstaatlichen Innenansicht bzw. -ver54 Die Verarbeitung von Prinzipien des internationalen und nationalen Kulturgüterschutzes muß bis in die Satzung von Kulturstiftungen durchschlagen; vorbildlich ist insofern der Staatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg „Stiftung Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg" von 1994. in ihm heißt es (zit. nach FAZ vom 24. August 1994, S. 5): „Die Stiftung hat die Aufgabe, die ihr übertragenen Kulturgüter zu bewahren, unter Berücksichtigung

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pflichtung entspricht das Außenverhältnis, etwa die Festlegung auf die „Errichtung eines Systems internationaler Zusammenarbeit und Hilfe" (Art. 7) oder die Beitragspflicht der Vertragsstaaten in bezug auf den Fonds nach Art. 15 ff. Sieht man die Außen- und Innenseite der Staaten bzw. ihre Verpflichtungen in Sachen Kulturschutz zusammen und nimmt man die Unesco- Strukturen und Aktivitäten insgesamt ebenso hinzu wie den unter I. und II. analysierten Ausbau des nationalen Kulturgutverfassungsrechts vieler Länder, so ist es keine Übertreibung, von einer sich konstituierenden „Weltgemeinschaft der Kulturstaaten" zu sprechen. Der „andere" Gegenstand des Abkommens von 1972, der Schutz des Naturerbes der Welt, ist angesichts der Kontextualität von Natur und Kultur auf dem einen „blauen Planeten" Erde, zumal im Rahmen der „Wüste des Weltalls", stets mitzudenken.

2. Der „Weltgesellschaftsvertrag" in Sachen Kultur und Natur

Im Rahmen des dichten Netzes der die Welt umspannenden UN-Verträge (etwa der Menschenrechtspakte) legt es das Unesco-Abkommen von 1972 besonders nahe, sich der Denkfigur des Gesellschaftsvertrages zu bedienen. Der Trust-Gedanke eines John Locke, der dem Verfassungsstaat intern bis heute den Weg gewiesen hat, läßt sich für den Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt fruchtbar machen. Alle kulturellen Erbes-Klauseln evozieren die Treuhand-Idee. Die Vertragsstaaten sind „Treuhänder" ihrer eigenen Kultur und der Kultur „von universellem Wert". Zum Schutz des „Welterbes" muß die „internationale Staatengemeinschaft" als Gesamtheit zusammenarbeiten (vgl. Art. 6 Abs. 1). Die Völker bzw. Vertragsstaaten sind einander gleichgestellt, insofern und „weil jedes Volk seinen Beitrag zur Kultur der Welt leistet" (vgl. Präambel der Konvention von 1954). Der reale Abschluß eines Gesellschaftsvertrages in Sachen Kultur und Natur unter den Staaten bzw. Völkern (1954 bzw. 1972) ist im Blick auf die einzelnen Menschen verlängert zu „denken". Die in den Menschenrechtspakten der UN von 1966 geschützten Menschen sind gedachte Vertragspartner - auch in der Generationenperspektive (vgl. Art. 4 des Abkommens von 1972: „sowie seine Weitergabe an künftige Generationen sicherzustellen"), d.h. als kultureller Generationen vertrag. Es ist ja die von Menschenhand geschaffene Kultur und die den Menschen „machende" Natur, die als „Erbe" erhalten werden sollen. Der Durchgriff auf den Menschen bzw. Bürger der einen Welt liegt heute so nahe, wie J. Locke ihn zu seiner Zeit zum Vertragspartner im Interesse der Sicherung von Freiheit und Eigentum im Staat gedacht hatte und wie I. Kant in die „weltbürgerliche" Dimension ausgriff. Weltbürger kann der Mensch nicht zuletzt dank des Schutzes des Kultur- und Naturerbes der Welt werden bzw. sein. Der Kultur- und Naturgüterschutz vermittelt dem Menschen von heute seinen „status mundialis hominis" - Hand in Hand mit historischer, kunst- und gartenhistorischer und denkmalpflegerischer Belange zu pflegen, ihr Inventar zu ergänzen, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die Ausweitung dieses Kulturbesitzes für die Interessen der Allgemeinheit insbesondere in Wissenschaft und Bildung zu ermöglichen."

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den Menschenrechtspakten: als „status culturalis", (neu verstanden) auch als „status naturalis" 55. 3. Welt- (und staatsbürgerliche Freiheit dank Kultur

Der sich wechselseitig verstärkende internationale und nationale Kulturgüterschutz, wie gezeigt in griffigen Texten dokumentiert, „erinnert" daran, daß Freiheit und Kultur zusammengehören. Alle Freiheiten sind in einem tieferen Sinne „kulturelle Freiheiten", es gibt keine „natürlichen" Freiheiten! Gewiß, die Philosophie der Menschenrechte bedarf zur Sicherung gegen die sich immer wieder absolut setzende Staatsgewalt der Fiktion, der Mensch sei „von Natur aus" frei, „frei geboren" (vgl. Art. 1 All. Erklärung der Menschenrechte der UN von 1948). Das ändert aber nichts an der Erkenntnis, daß sich, biographisch gesehen, Freiheit erst durch kulturelle Sozialisation entwickelt, der Mensch dank eines Kanons an vom Verfassungsstaat immer stärker „verinnerlichter" Erziehungsziele (wie Achtung vor der gleichen Würde des anderen und den Menschenrechten, Toleranz, Verantwortung für Natur und Umwelt, soziale Gerechtigkeit, Friedfertigkeit im Zusammenleben der Kulturen und Völker) buchstäblich „bildet" 56 . Die national und dank des internationalen Abkommens auch transnational geschützten Kulturgüter sind als „kulturelle Kristallisationen" Hervorbringungen der Menschen vieler Zeiten und Völker, heute durch die Trias der grundrechtlichen Freiheiten von Religionen, Wissenschaften und Künsten ermöglicht. Was als „kulturelles Erbe der ganzen Menschheit" (Präambel der Konvention von 1954) geschützt wird, was die einzelnen Verfassungsstaaten heute immer intensiver und differenzierter sichern, wirkt auch als Erziehungsziel für den jungen Bürger und als ein Orientierungs- und Bildungswert für den älteren. Die innerverfassungsstaatlichen und international geschützten Kulturgüter ermöglichen dem Menschen als Staatsbürger und Weltbürger ein Stück seines „aufrechten Ganges". Der Kulturgüterschutz ist insofern Korrelat der universalen und innerstaatlichen Menschenrechtsgarantien bzw. -pakte 57 . Diese liefen 55

Die Menschenrechte sind auf eine Weise vom „europäisch-atlantisch kulturellen Erbe" zum „Welterbe" geworden; ebenso sind Anspruch und Verständnis von „Wissenschaft" europäisches Erbe und jetzt ein Stück des universalen kulturellen Erbes. 56 Dazu P Häberle, Erziehungsziele und Orientierungswerte im Verfassungsstaat, 1981. 57 Treffend W. Fiedler, Kunstraub und internationaler Kulturgüterschutz, Magazin Forschung, Universität des Saarlandes 2/1991, S. 2 (4): „Kulturwerke nicht nur Ausdruck einer bestimmten staatlich-nationalen Besonderheit i. S. von „Identität", sondern auch weil Kulturwerke einen erheblichen menschenrechtlichen Gehalt aufweisen". - Werden Kulturgüter menschenrechtlich gedeutet, so hat dies z. B. praktische Folgen für die Frage der Zugangsrechte. Manche neuere Verfassungen kennen Zugangsrechte als Jedermannrechte, andere beschränken sie auf die Staatsangehörigen. M. E. bestehen Zugangsrechte für jeden Menschen, jedenfalls bei Kulturgütern, die zum „kulturellen Erbe der ganzen Menschheit" gehören, bei EG-Bürgern zumindestens solchen Gütern, die zum „kulturellen Erbe von europäischer Bedeutung" gehören. Zur völkerrechtlichen Problematik, (freilich sehr restriktiv): R. Dolzer, in: ders. u. a. (Hrsg.), Rechtsfragen, S. 149 (157 f.). - Zum deutsch-russischen Streit um die „Beutekunst": W. Fiedler, FAZ vom 4. Nov. 1994 S. 42 und vom 27. Jan. 1995 S. 38.

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ins Leere, gäbe es nicht die Halt schaffenden Werke der Kultur, die als „Erbe" die Möglichkeit der inneren Aneignung eröffnen 58 und damit auch neue kulturelle Schaffensprozesse in der Zukunft anregen, die ihrerseits eines Tages zum kulturellen Erbe „aller Völker der Welt" bzw. der „Menschheit" heranreifen können59 (neben „Maulbronn" und „Quedlinburg" z. B. die „Völklinger Hütte").

4. Das universal geschützte kulturelle Erbe als Multi-Kultur

Auf Verfassungsstaatsebene ist heute besonders umstritten, wie „multikulturell" ein Volk sein kann, so fordernd sich der Schutz kultureller Minderheiten in vielerlei Formen (Grundrecht, Staatsziel, Erziehungsziel, Gruppenrecht) 60 geltend macht. Begriffe wie (in der Schweiz) „Willensnation", (vor allem in Deutschland) „Kulturnation", nationale Identität (z. B. in Feiertagen wie dem 4. Juli oder 14. Juli greifbar 61) werden angesichts weltweiter Migrationsbewegungen und Bürgerkriegen, aber auch angesichts der wegen der globalen Kommunikationstechniken „grenzenlosen Weltgesellschaft" immer stärker in Frage gestellt. Die internationalen Kulturgüterschutzabkommen indes lehren, daß das kulturelle Erbe der Welt bzw. Menschheit multikulturell bleibt und insofern alle nationalen Überhöhungen oder Vormachtansprüche zurückzuweisen sind. Die Textelemente von 1954 („weil jedes Volk seinen Beitrag zur Kultur der Welt leistet") bzw. von 1972 („Bedeutung der Sicherung dieses einzigartigen und unersetzlichen Gutes, gleichviel welchem Volk es gehört, für alle Völker der Welt"). Was „außergewöhnlichen universellen Wert" hat, also „kulturellen Universalismus" begründet, ist national entstanden, „geworden", geprägt und wächst erst durch bestimmte Rezeptionsvorgänge in die Welt- bzw. Menschheitsebene hinein. Die Völker bzw. Vertragsstaaten als Kulturstaaten bleiben gerade in ihrer Verschiedenheit die eine Seite (territorial oder personal), als „Ursprungsland" „ihrer" Kulturgüter; konstitutionell bauen sie, wie gezeigt, auf der heutigen Entwicklungsstufe des Verfassungsstaates den Kulturgüterschutz immer stärker aus, weil dieser ihnen selbst Identität vermittelt. Die Möglichkeit nationaler Kulturgüter, zu dem von den Abkommen geschützten Gütern von „universellem Wert" zu werden, macht die „Weltkultur" ebenso offen wie pluralistisch. Und sie lehrt uns, allen Einebnungen der Kultur (etwa von manchen 58 Treffend M. Herdegen, Der Kulturgüterschutz im Kriegsvölkerrecht, in: Dolzer u. a. (Hrsg.), Rechtsfragen, a.a.O., S. 161 (173): „Die Individualität des einzelnen lebt auch von der sinnlich erfahrbaren Vermittlung ihrer geistesgeschichtlichen Wurzeln"; s. auch seinen Hinweis auf die „kulturgeschichtliche Komponente menschlicher Existenz". 59 Das Textelement „Erbe" darf also nicht zu eng, d. h. allein retrospektiv verstanden werden: es entwickelt sich fort, ist offen und hat von vornherein prospektive Dimensionen („kulturelle Zukunft-Klausel"). - Anschaulich jetzt: Das Weltkulturerbe, Deutschsprachiger Raum, hrsg. von H. C. Hoffmann, 1994. 60 Dazu nur der Streit um den Minderheitenschutz im Rahmen der GG-Reform (Art. 20 b), vgl. Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, Zur Sache 3/1993, S. 140 ff. 61 Dazu meine Studie: Feiertage als kulturelle Identitätselemente des Verfassungsstaates, 1987.

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westlichen Zivilisationserscheinungen) aus entschlossen entgegen zu treten. Die universelle Kultur des Unesco-Abkommens lebt aus der Vielfalt. Ja, vielleicht hilft diese Erkenntnis aus den internationalen Texten sogar dabei, auf nationaler Ebene das Problem des Multikulturellen neu, d. h. tolerant zu durchdenken.

5. Menschheitsbezüge „im" Verfassungsstaat

Beide Abkommen von 1954 und 1972 nehmen textlich und sachlich zentral auf die „Menschheit" Bezug: Die Präambel von 1954 will eine „Schädigung des kulturellen Erbes der ganzen Menschheit" verhindern, die Präambel von 1972 möchte Teile des Kultur- oder Naturerbes, die von „außergewöhnlicher Bedeutung" sind, als „Bestandteile des Welterbes der ganzen Menschheit" erhalten wissen. Angesichts des Aufeinanderangewiesenseins von internationalem und nationalem Kulturgüterschutz liegt die Frage nahe, ob die verfassungsstaatlichen Verfassungen ihrerseits schon „intern" an die Menschheit bzw. die Welt als Bezugsgröße von Grundwerten denken. Überall da, wo die Verfassungen Grundrechte als Jedermannrechte, d. h. Menschenrechte anerkennen, denken sie die „Menschheit" jedenfalls von der individuellen Seite her mit. So wagt das GG von 1949 früh den großen Satz (Art. 1 Abs. 2): „Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt". Art. 7 Verf. Portugal (1976) votiert für die Zusammenarbeit mit allen Völkern „zum Fortschritt der Menschheit" und es sucht bei seinen Grundrechten die „Übereinstimmung mit der Allgemeinen Menschenrechtserklärung" (Art. 16 Abs. 2) 6 2 . In manchen neueren Erziehungszielen bricht sich der Menschheitsaspekt ebenfalls Bahn (vgl. Art. 22 Abs. 1 Verf. Thüringen von 1993: „Friedfertigkeit im Zusammenleben der Kulturen und Völker und die Verantwortung für die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen"). Diese Auswahl von konstitutionellen Menschheitsbezügen muß genügen. Sie zeigt, daß die nationalen Verfassunggeber auf dem Weg sind, die Menschheit bzw. die Welt ebenso zur Bezugsgröße zu machen, wie dies die beiden internationalen Kulturgüterschutz-Abkommen tun. Anders gesagt: zu einem Teil wird die „Menschheit" Verfassungsthema., wodurch sie sich ihrerseits konstituiert. Der Kulturgüterschutz auf der nationalen und internationalen Ebene umschreibt nur eine Etappe auf diesem gewiß langen Weg, der in Kants „Tractat zum ewigen Frieden" (1795) seinen bis heute Bahn brechenden Klassikertext gefunden hat 63 . 62 Vgl. auch Präambel und Art. 10 Abs. 2 Verf. Spanien (1978). 63

Gewiß hat der deutsche Idealismus seinen ideengeschichtlichen Beitrag zur Konzeption von „Menschheit" geleistet, etwa dank J.G. Herders „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" (1784 bis 1791), dank /. Kant („Das Weltbürgerrecht", „Bürger eines allgemeinen Menschenstaats" als „notwendige Ergänzung des Staats- und Völkerrechts zum öffentlichen Menschenrechte") und dank F. Schiller (vgl. dessen Abhandlung: „Etwas über die erste Menschengesellschaft", 1789, und die Brieffolge „Über die ästethische Erziehung des Menschen", 1795).

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6. Die Konstituierung der Menschheit aus dem internationalen Kulturgüterschutz

Die UN-Charta von 1945 bzw. das Ziel der Sicherung des „Weltfriedens" und der Förderung der „internationalen Zusammenarbeit" (z. B. auf den „Gebieten der Kultur und der Erziehung") stellen sich der Form und Sache nach in den Dienst der Menschheit bzw. der Welt. Die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" der UN von 1948 bildet ein zweites Dokument zur Konstituierung der Menschheit als solcher (vgl. die Präambelelemente: „Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde", Mißachtung der Menschenrechte als Verletzung des „Gewissens der Menschheit" sowie das Ausbildungsziel Achtung der Menschenrechte in Art. 26 Ziff. 2), und in ihrer Nachfolge stehen die beiden Menschenrechtspakte der UN von 1966. Als dritter großer Schritt ist zusammen mit der Unesco-Satzung von 1945 64 der „Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt" anzusehen65. Denn die schon erwähnten Menschheitsbezüge in den beiden Texten von 1954 und 1972 sehen die Menschheit66aus der Perspektive des Kulturgüterschutzes, ja sie schaffen sie geradezu aus diesem Blickwinkel. Sie konzipieren die ganze Welt bzw. die Menschheit als Kulturgemeinschaft und sie bereichern den universalen Grundwertekanon um die „Vertikale" der Kultur. Durch die Erkenntnis, daß die je nationale Kultur eine universale Dimension haben kann, konstituieren sie die Menschheit durch eben diese Kultur. Neben den Weltfrieden und die universalen Menschenrechte tritt der Kulturgüterschutz mit seinen zwei Ebenen. Er „macht" aus vielen einzelnen Menschen die „Menschheit", nicht als abstractum sondern als lebendige, erfahrbare, eben in der Kultur sich spiegelnde und aufrichtende Größe. Es entsteht eine weltbürgerliche Allgemeinheit aus Kultur, die eigentliche „Internationale der Menschheit" dieses einen „blauen Planeten" 67 . 64

Vgl. Art. I Ziff. 2 lit. c: „Erhaltung und Schutz des Erbes der Welt an Büchern, Kunstwerken und Denkmälern der Geschichte und Wissenschaft...". 65 Aus diesen Kontexten wohl ist das dem maltesischen Botschafter Arvid Pardo 1967 geglückte Wort vom „Gemeinsamen Erbe der Menschheit" anzusiedeln. Dazu T. Oppermann, Vom Marktbürger zum EG-Bürger?, in: G. Nicolaysen/H. Quaritsch (Hrsg.), Lüneburger Symposion für Hans Peter Ipsen, 1988, S. 87 ff. 66 Der Weltraumvertrag von 1967 nennt mehrfach die „Menschheit" als Bezugsgröße: in der Präambel („großartige Aussichten, die der Vorstoß des Menschen in den Weltraum der Menschheit eröffnen", „gemeinsames Interesse der gesamten Menschheit an der fortschreitenden Erforschung und Nutzung des Weltraumes"), in Art. I Abs. 1 und in Art. V („Raumfahrer als Boten der Menschheit im Weltraum"). Aus der Lit. zum „Gemeinsamen Erbe der Menschheit im geltenden Völkerrecht": R. Dolzer, in: R. Dolzer/E. Jayme/R. Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen, a.a.O., S. 13 (17 ff.); T. Fitschen, in: Fiedler (Hrsg.), a.a.O., S. 183 (206 ff.). - Eine frühe Bezugnahme auf das „Gemeinsame Erbe der Menschheit" findet sich im Seerecht (vgl. W. Graf Vitzthum, Der Rechtsstatus des Meeresbodens, 1972, S. 247 ff., 358), eine spätere im Mondvertrag von 1979 (dazu R. Dolzer, in: ders. u. a. (Hrsg.), Rechtsfragen, a.a.O., S. 13(19)). 67 "Weltbürgertum" aus Kunst und Kultur wäre ein im Geiste Goethes zu entwerfendes Programm. Perspektiven dazu bei E. H. Gombrich, dem Goethe-Preisträger 1994, und in seiner Rede „Goethe und die Geister aus dem Kunstgrunde der Vergangenheit" (FAZ vom

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Peter Häberle 7. Das Bedingtheitsverhältnis von internationalem und nationalem Kulturgüterschutz

Die letzte These bringt das schon bislang mitgedachte Bedingtheitsverhältnis beider Ebenen des Kulturgüterschutzes zur Sprache. Die Textanalysen haben gezeigt, wie sich die Normgruppen „entgegenwachsen", welche Textschübe das nationale Verfassungsrecht in Sachen Kulturgüterschutz von Seiten der internationalen Abkommen erfahren hat (vgl. die Verpflichtung nach Art. 4 und 5 des Abkommens von 1972). Umgekehrt sind auch Tendenzen der Internationalisierung im nationalen Verfassungsrecht allenthalben erkennbar (etwa bei den Menschenrechten und Erziehungszielen, bei der internationalen Zusammenarbeit). Das Abkommen von 1972 stellt den Vertragsstaaten als Kulturstaaten bestimmte Aufgaben (z. B. in Art. 5), nachdem es in Art. 4 den Kulturgüterschutz in erster Linie als deren „eigene Aufgabe" definiert. Gerade darin zeigt sich, wie intensiv beide Ebenen ineinander greifen, technisch-praktisch wie theoretisch. Die einzelnen „Kulturnationen" und der „kulturelle Universalismus" gehören zusammen. Je phantasievoller die Verfassungsstaaten ihren nationalen Kulturgüterschutz ausgestalten und ihre verfeinerten Texte in die Wirklichkeit umsetzen, um so effektiver wird der internationale Kulturgüterschutz. Die sich hier abzeichnende Gegenseitigkeitsordnung68 erweitert den kategorischen Imperativ Kants in den Weltmaßstab des Heute und der „Nachwelt" späterer Generationen, wie dies H. Jonas für die Bewahrung der Natur vorgedacht hat („Handle so, daß die Folgen deines Tuns mit einem künftigen menschenwürdigen Dasein vereinbar sind, d. h. mit dem Anspruch der Menschheit, auf unbeschränkte Zeit zu überleben"). Die Umrisse eines „Weltkulturvertrags" werden sichtbar. Die verfaßte Menschheit lebt aus und von nationaler ins Universale gedachter Kultur. Verfassungspolitisch ist das hier skizzierte Bedingtheitsverhältnis beider Ebenen erst dann zu Ende geführt, wenn der nationale Kulturgüterschutz auch die internationale Dimension zur Sprache bringt (z. B. begonnen in den Erziehungszielen sowie in Guatemala und der Ukraine). Der Ausbau einer „neuen Nähe" zwischen den Nationen dank des internationalen und nationalen Kulturgüterschutzes und die Konstituierung der Menschheit aus Kultur, flankiert von der Menschenrechtsidee, ist bei allen Fortschritten freilich eine wohl „ewige" Aufgabe 69. Daß der Typus „Verfassungsstaat" um sie ringt, adelt ihn. Daß das internationale Recht hier Zeichen gesetzt hat, gibt Hoffnung, auch wenn seit 1989 bzw. der „Weltstunde des Verfassungsstaates" mancher Optimismus schmerzhaft gedämpft wurde. 29. August 1994, S. 29). In solcher Sicht fühlt sich der Bürger dank des kulturellen Welt-Erbes überall „zu Hause"! 68 Zur Verfassung des Verfassungsstaates als ,»rechtlich vermittelter Gegenseitigkeitsordnung": G. Haverkate, Verfassungslehre, 1992, S. 48 ff. 69 Die Weltöffentlichkeit sensibilisiert sich zunehmend in Sachen „kulturelles Erbe der ganzen Menschheit". So erregte der Terroranschlag auf die Kirche San Georgio in Velabro in Rom 1993 die gebildete Welt nicht nur Europas; ähnliches gilt für Attentate auf Gemälde in Museen (Florenz) oder den Raub von Bildern (Frankfurt/Main).

Kulturgüterschutz durch die Europäische Union versus Warenverkehrsfreiheit Von Ignaz Seidl-Hohenveldern*

Idealvorstellungen mit äußerster Konsequenz zu vertreten, ist immer gefährlich - auch im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz von Kulturgütern und der Warenverkehrsfreiheit innerhalb der EU. Es wäre eine allzu hehre Auffassung von Kultur, wenn man deren Güter generell als unbezahlbar, also als res extra commercium betrachten würde. Wovon würden dann die Künstler leben? Die Kunsthändler ihrerseits würden das allgemeine Bedürfnis nach Besitz von Kulturgütern eben im Schwarzhandel befriedigen. Die Menschen suchen nun einmal solche Güter, sei es um sich an ihnen zu erfreuen, sei es, um andere durch deren Besitz zu übertrumpfen, sei es als Spekulationsobjekt. Auch wenn man nur Kulturgüter im Eigentum von Museen oder auch nur Hoheitszeichen des Staates oder der Städte de lege ferenda zu res extra commercium erklären wollte,1 wie sollte an den Grenzen des Binnenmarktes der EU ein Zollbeamter eines anderen Mitgliedstaates wissen können, daß es sich um solche handelt? Würden z. B. bei Gemeindezusamenlegungen in Deutschland die bisherigen Stadtsiegel wieder legitime Handelsware? Wenn Kulturgüter aber Waren sind, können sie doch nicht Waren wie jede andere, also etwa wie Staubsauger sein. Auch das Ideal des freien Warenverkehrs und des freien Wettbewerbs in der EU kann übertrieben werden. Es hat auch in Deutschland Notzeiten gegeben, in denen es nicht undenkbar gewesen wäre, z. B. alle, selbst die letzte Gutenbergbibel, noch dazu zu unangemessen niedrigen Preisen, an das Ausland zu verschleudern. Aus Furcht vor einem nationalen Aufschrei kam es aber nicht dazu. Es wäre wohl auch heute nicht anders, selbst wenn die Kulturgüter im europäischen Binnenmarkt blieben. Die EU hat aber diesen besonderen Charakter der Ware „Kulturgut" erkannt. Sie mutet ihren Mitgliedstaaten nicht zu, dieses Opfer für das Ideal des freien Warenverkehrs im Binnenmarkt zu erbringen. Gemäß Art. 36 EGV stehen dem freien Warenverkehr nicht die Maßnahmen entgegen,... die zum Schutz ... „des nationa* Professor Dr. iur. Dr. h.c., Wien. 1 R. Mußgnug, Museums- und Archivgut als „res extra commercium"?, in: G. Reichelt (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz, Wien 1992, S. 144-146. 8 Fechner u. a.

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len Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichen oder archäologischem Wert gerechtfertigt sind". Die Ausnahmen des Art. 36 betreffen aber nicht nur den Schutz des Kulturguts sondern z. B. auch den der Gesundheit. Die Bedeutung des Art. 36 wird allerdings durch dessen zweiten Satz stark eingeschränkt. Maßnahmen zum Schutz des Kulturgutes werden zwar kaum willkürliche Diskriminierungen darstelllen. Bedenklicher ist der zweite Satzteil. Die Maßnahmen dürfen danach keine „verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten sein". Der Handel mit Kulturgütern soll ja gerade beschränkt werden dürfen. Pescatore2 versucht, diesen Widerspruch an Hand der Rechtsprechung des EuGH zu den anderen Ausnahmebestimmungen des Art. 36 zu erklären. Dieser Artikel schütze nur die nicht kommerziellen Aspekte der von den einzelnen Staaten getroffenen Maßnahmen. Ein Staat würde die ihm hiezu eingeräumte Berechtigung aber mißbrauchen, wenn er damit kommerzielle Ziele verfolgte. Es wäre also willkürlich und rechtsmißbräuchlich, wenn er für ein Objekt eine Ausfuhrsperre verhängen würde, um dieses vorgeblich als Kulturgut zu schützen, in Wahrheit aber, um es auf Grund seines Vorkaufsrechtes zu einem Preis zu erwerben, der infolge dieser Exportsperre beträchtlich unter dem Weltmarktpreis liegen würde. Diese Absicht wird unsrer Meinung nach aber nicht leicht nachzuweisen sein. Das begehrte Objekt ist ja tatsächlich ein nationales Kulturgut. Die Möglichkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechtes kann doch kein Beweis für das Gegenteil sein.Überdies spielt es für den Eigentümer keine Rolle, ob ein durch eine Exportsperre entwertetes Objekt vom Staat oder von einem Privaten gekauft wird. Die mit Art. 36 EGV eingeräumten Ausnahmen vom freien Warenverkehr stehen unter der Kontrolle des EuGH,3 der aber beim Handel mit Kunstgütern bisher kaum4 Gelegenheit hatte, diese auszuüben. Nach Ansicht der Kommission5 wäre es auf lange Sicht ideal, wenn der Gedanke eines allen Europäern gemeinsamen Kulturgutes Fortschritte machen würde. Nur heute müßte noch den nationalen Empfindlichkeiten im Rahmen des EGV Rechnung getragen werden. Diese Hoffnung erscheint uns aber auch für künftige Zeiten keineswegs verlockend. 6 Vorderhand ist man aber noch lange nicht so weit. Es besteht nicht einmal Einverständnis über die Methoden, nach denen der Kulturgüterschutz harmonisiert 2

P Pescatore, Le Commerce de l'Art et le Marché Commun in: Pierre Lalive (Hrsg.), International Sales of Works of Art, Paris 1988, S. 587-588. 3 A. Mattera, La Circulation des Oeuvres d'Art dans l'Europe du Marché Unique, in: Q. Byrne-Sutton/M.-A. Renold (Hrsg.) Les Objets d'Art dans l'Union Européenne, Zürich 1994, S. 99 und Diskussionsbeitrag, ebd., S. 150-152. 4 Siehe unten Text bei Anm. 23. 5 Communication de la Commission au Conseil relative à la protection des trésors nationaux ayant une valeur artistique historique ou archéologique dans la perspective de la suppression des frontières intérieures en 1992 (23 novembre 1989), in H. Coutau-Bégarie / J.-M. Schmitt (Hrsg.) Le Patrimoine Mobilier, Paris 1990, S. 234. 6

Siehe unten Text bei Anm. 45.

Kulturgüterschutz durch die EU versus Warenverkehrsfreiheit

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werden7 könnte. Einige Mitgliedstaaten stellen Listen der Kulturgüter auf, deren Ausfuhr sie verbieten. Der Umfang dieser Listen schwankt dramatisch. Andere Staaten bestehen auf einem generellen Ausfuhrverbot mit sehr unterschiedlich weitem Erlaubnisvorbehalt. Diese Unterschiede gehen auf einen Nord - Süd Konflikt innerhalb der EU zurück. Der reiche Norden sieht sich eher als Importeur, der arme Süden als unwilliger Exporteur von Kulturgut. 8 Der Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen der EU - Staaten nahm diesen Staaten die Möglichkeit, die Einhaltung ihrer unterschiedlichen Gesetze zum Schutz ihres Kulturguts an ihren Grenzen zu überwachen. Aus diesem Grund erließ die EU eine Verordnung über die Ausfuhr von Kulturgütern 9 (in Drittstaaten) und eine Richtlinie über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgutes. 10 Gegen die „Verfassungsmäßigkeit" dieser beiden Normen sind Bedenken laut geworden. Sie beschränkten das in Art. 8a EGV jedem Unionsbürger gewährte Recht auf Freizügigkeit 11. Eine Unionsbürgerin, die bisher in Italien ansässig war, sei nicht mehr frei, in einen anderen Mitgliedstaat auszuwandern, wenn sie dabei ihren Matisse wegen eines italienischen Ausfuhrverbots zurücklassen müsse. Allerdings gilt das Recht auf Freizügigkeit nur, „vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen". Die Eigentümerin des Matisse könnte sich immerhin darauf berufen, daß die Praxis Art. 44 der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen12 dahin auslegt, daß die Rückreisefreiheit des Diplomaten bei Beendigung seiner Mission auch dessen Rechte umfaßt, im Inland erworbene Vermögensgegenstände auszuführen, deren Ausfuhr verboten ist. Dies ergibt sich als argumentum a contrario aus Art. 39 Abs. 4 zu Lasten der Erben eines während seiner Mission verstorbenen Diplomaten.13 Nicht nur Österreich hat eine solche Ausfuhr heimischen Kulturgutes durch US Diplomaten hinnehmen müssen.14 Die logische Abwehrreaktion bestünde darin, den im Inland vorgenommenen Verkauf von Kulturgut an dort tätige exterritoriale Personen deren Export gleichzusetzen.15 Diese Reaktion wäre allerdings nicht mehr zielführend, wenn jedem Bürger aus einem anderen Unionsland ein Recht auf Freizügigkeit zustände, das ihn von solchen Exportver7 Zu den Grenzen einer möglichen Harmonisierung S. v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, Berlin 1992, S. 51 Iff. 8 Mattera, a.a.O., S. 101. 9 Verordnung (EWG) des Rates, Nr. 3911/92 vom 9. 12. 1992, ABl. L 395/1 vom 31. 12. 1992. 10 Richtlinie des Rates 93/7/EWG vom 15. 3. 1993, ABl L 74/74 vom 27. 3. 1993. 11 F. Fechner, Consequences for German Law of the European Union Rules on the Export of Cultural Goods, in: Byrne-Sutton / Renold (Hrsg.), a.a.O., S. 131. 12 BGBl 1964II 958. 13 I. Seidl-Hohenveldern , La protection internationale du patrimoine culturel national, RGDIP 97 (1993), S. 403 f. 14 S. v. Schorlemer , a.a.O., S. 471. 15

I. Seidl-Hohenveldern , Ausfuhr und Rückführung von Kunstwerken, in: W. Haller u.a. (Hrsg.), Festschrift für Dietrich Schindler, Basel 1989, S. 141 f. 8*

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boten freistellen würde. Unseres Erachtens würde eine solche Freistellung den Begriff der Freizügigkeit überdehnen. Der Matisse bleibt ja Eigentum der Auswanderungswilligen. Sie muß ihn nur in Italien zurücklassen. Jede Auswanderung ist mit - zumutbaren - Verzichten verbunden. Auch ein arbeitsloser Capri-Fischer, der als Kellner in eine Pizzaria nach Bochum geht, muß manches aufgeben. Die Verordnung und die Richtlinie verstoßen also nicht gegen die Freizügigkeit. Die Verordnung und die Richtlinie ziehen die Folgerung aus der Tatsache, daß eine Kontrolle der Ausfuhrverbote der einzelnen Mitgliedstaaten an deren Binnengrenzen wegfällt. Das hat einerseits zur Folge, daß Kulturgut ohne Kontrolle leichter unrechtmäßig in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates verbracht werden kann. Die Richtlinie ermöglicht die Rückholung solchen Kulturguts. Andrerseits kann die unrechtmäßige Ausfuhr von Kulturgut in Drittstaaten nur von den Zollorganen an den Außengrenzen der Gemeinschaft verhindert werden. Eine Person, die solches Gut illegal ausführen will, wird das aber kaum über die Grenze des Landes zu tun versuchen, dessen Exportverbot sie verletzen will. Es wäre unzumutbar, von den Behörden jedes Mitgliedstaates zu erwarten, daß sie die so unterschiedlichen Bestimmungen der anderen Mitgliedstaaten zum Schutz des jeweiligen Kulturgutes in allen Einzelheiten nachvollziehen. Die Richtlinie ist also nur auf Kulturgüter anwendbar, deren Export auf Grund der Gesetze des letzten Herkunftlandes verboten sind und auch im gleichlautenden Anhang dieser beiden Normen aufscheinen. 16 Auf Grund der Verordnung bedürfen alle Objekte, die in die in diesem Anhang angeführten Kategorien fallen, einer Ausfuhrgenehmigung, selbst wenn diese Objekte nach dem Recht des Staates, aus dem sie ausgeführt werden, kein nationales Kulturgut darstellen. Die Präambel zu beiden Normen stellt zwar klar, daß der Anhang nicht die Gegenstände definieren will, die im Sinne von Art. 36 EGV als 'nationales Kulturgut' anzusehen sind. Er will lediglich einen harten Kern 17 der nationalen Exportverbote festlegen, um die Handhabung der Richtlinie und der Verordnung zu ermöglichen. Der Inhalt des Anhangs wird u.a. auch deshalb kritisiert, 18 weil die Anwendung des Exportverbotes z. T. vom in Geld ausgedrückten Wert der Objekte abhängt. Gewiß, der Marktwert eines Künstlers oder eines Kunstwerkes kann genau so gut manipuliert werden wie der Preis einer Markenschokolade, aber welcher andere Maßstab böte sich dann an? Der Anhang sieht aus, als ob er eine Addierung der Wunschlisten der einzelnen nationalen Denkmalschutzämter wäre. Nur so scheint erklärlich, daß er unter Zahl A 13 „über 75 Jahre alte Transportmittel^umfaßt. Auch wenn hier die Wertgrenze bei 50.000 ECU liegt - handelt es sich dabei wirklich um nationale Kulturgüter! 16 Mattem, a.a.O., S. 109-110. 17

Motivenbericht der Kommission § 15 S. 8, zitiert nach F. Rigaux , Le commerce des oeuvres d'art dans le Marché Commun, in: Dominicé u.a. (Hrsg.), Etudes de droit international en l'honneur de Pierre Lalive, Basel 1993, S. 746. 18

K. Siehr, International Protection of Cultural Property in the European Community, in: Dominicé u.a. (Hrsg.), a.a.O., S. 766 bezweifelt die Berechtigung solcher Kritik.

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Es bestehen auch Zweifel, ob die Verordnung überhaupt zu handhaben ist. Ihr Art. 5 Abs. 1 sieht zwar vor, daß jeder Staat die Zahl der Zollämter beschränken kann, über die Kulturgüter ausgeführt werden dürfen. Dort sollten dann wohl Beamte mit genügendem Sachverstand vorhanden sein. Wie wird sich aber z. B. ein kleines Zollamt an der österreichisch-ungarischen Grenze verhalten, über das denkmalgeschützte portugiesische Azuleyos als Badezimmerkacheln deklariert ausgeführt werden? Wird - umgekehrt - ein solches Zollamt nicht einen Bauern, der das ererbte Ölbild aus der „guten Stube" seiner österreichischen Großeltern mit dem trinkenden Mönch nach Ungarn verbringen will, an das für Kulturgüter zuständige Zollamt verweisen? Mattera, 19 der als Direktor in der EU Kommission an der Ausarbeitung der Verordnung mitwirkte, legt großen Wert auf die Feststellung, daß die durch Art. 36 EGV möglichen Einschränkungen des freien Warenverkehrs für Kulturgüter nicht für die Mitgliedstaaten selbst, möglicherweise auch nicht für ihre Gebietskörperschaften und für Kirchen gelten. Er leitet dies aus Art. 222 EGV ab. Aus dieser Sicht ist es auch erklärlich, daß Art. 1 Z. 1 der Richtlinie über die Rückgabe von Kulturgut darunter nicht nur Gegenstände versteht, die unter Ausfuhrbeschränkungen gemäß Art. 36 EGV fallen sondern auch Gegenstände in öffentlichen Sammlungen des Staates und der Gebietskörperschaften sowie im Besitz kirchlicher Einrichtungen. Die praktische Bedeutung dieser Unterscheidung ist gering. Aus dem Wortlaut des Art. 36 EGV geht nicht hervor, daß er nur für Privatpersonen gelten sollte. Selbst wenn er auch auf die Mitgliedstaaten und deren Untergliederungen anzuwenden wäre, hätten diese, soweit sie nach ihrem nationalen Recht zur Erlassung von Ausfuhrverboten berechtigt wären, es in der Hand, ein geschütztes Kulturgut auszuführen, wenn dies etwa aus politischen Gründen tunlich erscheint, z. B. als Gastgeschenk bei Staatsbesuchen. Sie müßten vorher lediglich den Gegenstand von ihrer Verbotsliste streichen. Allerdings könnte dies den Wert des Geschenks in den Augen des Gastes mindern. Bedenklich erscheint die von Mattera angesprochene Ausnahme zu Gunsten der Kirchen. Die katholische Kirche hat zwar 1988 eine Päpstliche Kommission für das Kulturerbe der Kirche geschaffen. Diese dringt auf dessen Katalogisierung und Schutz vor illegaler Entfernung. 20 Zumindest in krassen Fällen kann z. B. gemäß des österreichischen Konkordats eine Veräußerung des an und für sich Verfügungsberechtigten wegen mangelnder Zustimmung höherer kirchlicher Stellen angefochten werden. 21 Die Anwendung des staatlichen Ausfuhrverbots auf Kulturgut in kirchlichem Besitz scheint aber doch einen wirksameren Schutz gegen die Versuchung eines Pfarrers zu bilden, eine gotische Statue gegen einen Beitrag zur Reparatur des Kirchendaches zu verkaufen. 19 20

Mattera, a.a.O., S. 106 und Diskussionsbeitrag, ebd., S. 150-151.

Marchisano, The Holy See and its recently issued Guidelines for the Conservation of the Historic and Artistic Heritage of the Church in einem Beitrag zu dem 5. Kongreß über International Art Trade and Law, Wien 1994. 21 OGH 19. 6. 1975 SZ 48/71, hierzu /. Gampl, Veräußerung und Belastung von Kirchenvermögen, JB1 1985, S. 705ff.

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Der Motivenbericht der Kommission zur Verordnung und Richtlinie 22 und deren Präambeln betonen eindringlich, daß diese Normen und ihr Anhang einer Definition der zuständigen EU Instanzen für den Begriff des Kulturgutes im Sinne des Art. 36 EGV nicht vorgreifen wollen. Hier stellt sich die Frage, ob der EuGH diese Bestimmungen eng oder weit auslegen soll. Art. 36 und die darauf gestützten Normen wären als Ausnahmen zu Art. 30 eng auszulegen. So hat der EuGH diesen Artikel in dem bisher einzigen Fall eng ausgelegt, der Kunstgüter betraf, nämlich den, über die Zulässigkeit der italienischen statistischen Abgabe auf den Export solcher Güter 23 . Diese Auslegung ist aber keineswegs zwingend. Man hätte , vor Maastricht, in Art. 36 EGV nicht nur eine Ausnahme von Art. 30 EGV sehen können sondern Art. 30, insoweit er Kulturgüter betraf, als eine Ausnahme von der Regel, daß die EWGV nicht in die Kulturhoheit der Mitgliedstaaten eingreifen dürfe. 24 Dann wäre Art. 36 EGV als Ausnahme von der Ausnahme weit auszulegen gewesen.25 Seit Maastricht fällt zwar auch die Kultur in die Zuständigkeit der EU. Nach Art 128 Abs. 1 EGV leistet die EU einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten"unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt". Das Regel-Ausnahme-Verhältnis dürfte also gegenwärtig offen sein. Der EuGH müßte jedenfalls Klarheit in der sprachlichen Vielfalt der Ausdrücke schaffen, die das Objekt des Kulturschutzes bezeichnen.26 „Tresor national" findet seine Entsprechung im Griechischen, Englischen und Dänischen. Dieses spricht von „nationale skatte", verwendet also dasselbe Wort wie das deutsche Wort „Schätze". Dennoch spricht die deutsche Fassung lediglich von „Gütern", die niederländische von „bezit". 27 Die italienische, spanische und portugiesische Fassung liegen mit „patrimonio" zwischen diesen Extremen , näher bei „Schatz" als bei „Gütern". Im Sinne der wahrscheinlich gewollten Auslegung geht der Anhang zu weit, wenn er Oldtimerautos als nationale Schätze zu schützen bereit ist. Selbst wenn das Herkunftsland ein solches Schutzrecht für diese Objekte vorsieht, sollte der EuGH den Schutz auf ein vernünftiges Ausmaß zurückstutzen. Das wird allerdings nicht so leicht sein, die Aufnahme eines Gegenstandes in den Anhang zeigt doch - trotz aller Vorbehalte - daß eine Einstufung solcher Gegenstände als Kulturgut zumindest nicht von vornherein absurd ist. Das Übermaßverbot müßte den EuGH dazu bringen, auch einen zu weit gehenden Schutz von Gegenständen, die zweifelsohne Kulturgüter sind, als unvereinbar mit Art. 36 EGV anzusehen. Das 22

Wiedergegeben in Coutau-Bégarie/ Schmitt, a.a.O., S. 237. EuGH 10. 12. 1968, Rs 7/68 Kommission gegen Italienische Republik Slg. 1968, S. 617 zustimmend Rigaux, a.a.O., S. 744 und der in Anm. 5 zitierte Bericht der Kommission, Coutau-Bégarie/ Schmitt (Hrsg.), a.a.O., S. 237. 24 So auch Pescatore, a.a.O., S. 587 . 23

25 Entscheidung Nr. 136 der Französisch-Italienischen Vergleichskommission vom 25. 6. 1952 in re Rizzo (Nr. 1), ILR 19, S. 478,482 UNRIAA, 13, 390, 397. 2 * Mattera, a.a.O., S. 102. 27 Virgos-Soriano , Patrimoine National ou Patrimoine Communautaire : Le Problème de la Définition, in: Coutau-Bégarie / Schmitt, a.a.O., S. 164.

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gilt etwa von griechischen Gesetzen,28 die jedes archäologisch interessante Objekt, auch solche, die noch unausgegraben sind, zu Staatseigentum und zum nationalen Schatz erklären. Besonders bedenklich ist dies im Hinblick auf das in der Richtlinie vorgesehene Rückforderungsrecht. Zwar soll die Richtlinie nicht rückwirkend gelten,29 dem Verfasser sind aber noch recht gut die Kämpfe in Erinnerung, mit denen die durch die Dekolonialisierung entstandenen Neustaaten auf der Staatenkonferenz über die Nachfolge in Vermögen, Archive und Schulden von Staaten vom 8.4. 1983,30 ihren Standpunkt gegenüber ihren ehemaligen Mutterländern verfochten, obwohl auch diese Konvention nicht rückwirkend gelten sollte. Es liegt so nahe, einen in einem multilateralen Vertrag pro futuro verankerten Grundsatz dazu zu verwenden, in bilateralen Vereinbarungen dessen Anwendung auch auf vergangene Ereignisse zu verlangen und manchmal auch zu erreichen. Rechtsschöpferisch könnte der EuGH auch darüber zu entscheiden haben, ob und ab wann ein bestimmtes Kulturgut zum nationalen Kulturgut eines Staates wird, also von dessen Ausfuhrverbot, trotz des grundsätzlich freien Warenverkehrs, erfaßt werden kann. Der Wortlaut der Normen geht offenbar von dem Land aus, in dem es sich unmittelbar vor dem Export befunden hat. Aber genügt diese Tatsache, um z. B. eine chinesische Vase zu einem französischen nationalen Kulturgut zu machen?31 Zumindest sollte eine gewisse Verweildauer in dem betreffenden Land vorgesehen sein, bevor ein solches Kulturgut zu einem nationalen Kulturgut wird. Weiter ging der Duquesne Bericht an die EWG Kommission von 1988,32 der ähnlich wie die österreichische Bagatellverordnung 33 einen Anhaltspunkt für die nationale Bindung von Kunstwerken geben will, die Grenze aber viel enger zieht. Während Jayme34 und viele andere 35 dazu Gedanken entwickeln , hält Sparr 36 diese Frage kaum für justiziabel. Der EuGH wird aber zumindest dazu Stellung nehmen müssen, ob er Sparr's Meinung teilt oder ob er wenigstens in krassen Fällen einen Mißbrauch von Kulturgüterschutz abstellen könnte. 28

Mattera, a.a.O., S. 151. Rigaux a.a.O., S. 747 hält diese Vorgangsweise für zulässig. Art. 13 der Richtlinie und Mattera, a.a.O., Diskussionsbeitrag S. 159. 30 Hierzu /. Seidl-Hohenveldern, Das Wiener Übereinkommen über Staatennachfolge in Vermögen, Archive und Schulden von Staaten, Österr. Z.f.öff. Recht u.VR, 34 (1983), S. 173, 195 f. 31 Conseil d'Etat 7. 10. 1987 Ministère de la Culture c. Consorts Genty, Recueil p. 104, AFDI 1988, S. 884. Gegen diese, auch schon früher geübte Praxis, Goy, Le Régime Administratif de l'Exportation des Oeuvres d'Art, in Etudes en l'honneur du Doyen Georges Péquignot (1984), S. 7 des Sonderdruckes, unter Hinweis auf die EWG Problematik. 32 Zitiert bei Mattera, a.a.O., S. 105. 33 ÖBGB1 1986/323 in der Fassung des öBGBl 1991/266 zitiert in /. Seidl-Hohenveldern, Kunstraub im Krieg, in: Graf v. Westphalen/O. Sandrock (Hrsg.), FS f. Reinhold Trinkner (erscheint 1995) Text bei Anm. 25. 34 E. Jayme, Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im Internationalen Privatrecht, in: Chr. Dominicé (Hrsg.), a.a.O., S. 717ff. 35 Zuletzt Mattera, a.a.O., S. 104. 29

36 J Sparr, Kulturhoheit und EWG-Vertrag, Baden-Baden 1991, S. 93.

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Die Begrenzung der Handelsfreiheit von Kulturgütern wird vielfach, insbesondere vom Kunsthandel, beklagt. Dennoch ist dem EuGH bisher kein einschlägiger Fall vorgelegt worden. Der völligen Freiheit des Handels mit Kulturgütern stehen nicht nur nationale Gefühle entgegen. Durch Grabräuber entgehen der Wissenschaft wertvollste Informationen und auch die Möglichkeit, archäologische Lagerstätten vorläufig nicht auszubeuten, in der Hoffnung, daß in Zukunft entwickelte neue Verfahren bessere Aufschlüsse bringen als das heute möglich wäre. 37 Es ist vorgeschlagen worden, archäologische Funde nach dem Vorbild der Artenschutzkonvention extra commercium zu stellen,38 aber dies fördert hier wie dort nur den Schwarzhandel. Der freie Handel kommt ferner in Konflikt mit dem Rechtsgefühl, wenn es um den Gutglaubensschutz und die Verjährung geht. Für den Gutglaubensschutz sieht die Richtlinie eine angemessene Regelung vor. 39 Kaye 40 hält Plünderungen im Krieg wegen der darin liegenden Verletzung der Art. 47 und 56 der HKO 4 1 mit Recht für Kriegsverbrechen. Er will daher darauf sinngemäß die UN Konvention über die Nichtverjährung von Kriegs verbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anwenden.42 Zusammenfassend ist zu sagen, daß wohlgemeinte perfektionistische Regelungen oft ihren Zweck verfehlen. Allzu komplizierte Vorschriften zum Schutz von Kulturgütern laufen Gefahr, einfach nicht beachtet zu werden. Weniger kann oft mehr sein. Wir wollen hier nicht der völligen Freiheit des Handels mit Kulturgütern das Wort reden und die Staaten, die den Ausverkauf ihres nationalen Kulturerbes fürchten, damit trösten, daß sie bei Besserung ihrer Wirtschaftslage, diese ja zurückkaufen können. Gewiß ist es Deutschland gelungen, auf diese Weise die Aderlässe durch Inflation und rassistische Verfolgung teilweise rückgängig zu machen - aber das ist wohl ein Trost auf zu lange Sicht. Es wäre auch kein Trost, wenn die so ausgeführten Gegenstände „wenigstens in Europa verbleiben". Es wäre falsch, den Begriff des „europäischen Kulturgutes" in diesem Sinn zu verstehen. Dies tut auch Siehr 43 nicht, obwohl er einer italieni-

37

F. Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturgutes, Berlin 1991, S. 68-72für Abwägung im Einzelfall. 38 F. Fechner, ebd., S. 119. 39 Art. 9 der Richtlinie über die Voraussetzungen für die Gewährung einer angemessenen Entschädigung entspricht der Resolution des Institut de Droit International vom 3. 9. 1991 über La vente internationale d'objets d'art sous l'angle de la protection du patrimoine culturel, AnnIDI 64 II (1992), S. 406 auf Grund des Berichtes von A. Ferrer-Correia 40 L.M. Kaye, Cultural Property Theft during War : Application of the Statute of Limitation, Beitrag zum 5. Kongreß über International Art Trade and Law, Wien 1994. 4 1 RGBl 1910, S. 107. 42 UN GA Resolution vom 26. 11. 1968, 2391 (XXIII) Hierzu M.P. Ityw, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, Zürich 1993, S. 225. 43

K Siehr, a.a.O., S. 775.

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sehen Stimme 44 in diesem Sinne zur hypothetischen Entfernung des David von Michelangelo in ein anderes EU Land anscheinend zustimmt. Der Zusammenhang zeigt, daß er von der - leider nicht immer zutreffenden - Voraussetzung ausgeht, daß ein in öffentlichem Eigentum stehender nationaler Kunstschatz niemals veräußert werden würde. Es könne daher solches Gut nur als Diebsware in das andere EU Land kommen, wo dessen Gerichte und Polizei fähig und willens sein würden, es zurückzugeben. Der Begriff des „europäischen Kulturgutes" ist auch als Zwischenstufe zwischen nationalem und Weltkulturgut überflüssig, es sei denn, Europa wäre in der Lage, solchen europäischen Kulturgütern einen besonderen Schutz angedeihen zu lassen. Eine Verschmelzung der nationalen und regionalen Kulturen der Mitgliedstaaten zu einem europäischen Einheitsbrei wäre abzulehnen. Die nationale und regionale Vielfalt der Kulturen der Mitgliedstaaten ist gemäß Art. 128 EGV zu erhalten, trotz der gleichzeitigen Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes 45. Die zwecks Warenverkehrsfreiheit notwendige Harmonisierung der Vorschriften über den Kulturgüterschutz darf also nicht zu deren völliger Beseitigung führen.

44 II Giornale dell'Arte, Juli/August 1991, S. 1. 45 K. Siehr, a.a.O., S. 774-775, allerdings möchte dieser europäischen Gemeinsamkeit ein Übergewicht zuschreiben. Das liegt aber nicht auf der Linie der Einschätzung des Maastrichter Vertrages in den meisten Mitgliedländern.

Kultursubventionen und Rundfunkfreiheit in der EU Von Georg Ress*

I. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Fernsehrichtlinie Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Fernsehrichtlinie 1 läßt Vorstellungen darüber, was zum harten Kern der Rundfunkfreiheit gehört und im Rahmen einer teleologischen Interpretation nicht von der Kompetenz zur Harmonisierung der grenzüberschreitenden Dienstleistung erfaßt werden soll, in Umrissen erkennen.2 Das Gericht wehrt ausdrücklich eine „uferlose" Erstreckung des Dienstleistungsbegriffes auf alle grenzüberschreitenden entgeltlichen Leistungsvorgänge ab3 und versucht damit, eine inhaltlich Aussonderung des Kernbereiches der Rundfunkfreiheit (Organisation, Programminhalte, Finanzierung) zu erreichen. Ob dies gelingen kann, insbesondere ob dieser Ansatz dem Gemeinschaftsrecht entspricht, ist zweifelhaft. Der Dienstleistungsbegriff selbst ist relativ umfassend. 4 Der Wechsel von einer funktionalen zur sachbereichsbezogenen Interpretation der Begriffe des EGV, den das Gericht anstrebt,5 wird daran wenig ändern, weil der Umfang schon im Generalbegriff (Sachbereich) der Dienstleistung angelegt ist. Daran läßt sich nur im Wege der teleologischen Reduktion etwas ändern, was die Berücksichtigung einer Art „Gegen-Finalität" bedeutet und als Begründung deutlicher Hinweise darauf bedarf, daß bestimmte Gegenstände (nicht wirtschaftlicher Art/ kultureller Art etc.) nicht erfaßt werden sollten. Diese Fragen der Auslegung des Gemeinschaftsrechts kann letztverbindlich, was das BVerfG anerkennt6, nur der EuGH entscheiden. Dazu gehört auch die Frage, wieweit die Finanzierungssysteme des Rundfunks von den Kompetenzen und Regelungsbefugnissen des EGV erfaßt werden.

* Professor Dr. iur. Dr. rer.pol. Dr. hc. mult., Universität des Saarlandes, Saarbrücken. 1 Urteil des Zweiten Senats vom 22. März 1995/ -2 BVG 1/89-,= EuGRZ 1995, 125 -137; EuZW 1995,277-284; DVB1. 1995, 561 -565; NJ 1995,335; UPR 1995, 240. 2 Unter C 2b des Urteils, a.a.O. 3 Unter C II 2 a bb des Urteils, a.a.O. Vgl. die Kommentierung von P. Troberg zu Art. 60 EVG, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EGV, 4. Aufl. 1991. 5 Unter C II 2b des Urteils, a.a.O. 6 Unter C 14b des Urteils, a.a.O. 4

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Georg Ress I I . Die Änderungen durch den Maastrichter Vertrag

Die Finanzierung des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland steht seit einiger Zeit auf dem „Prüfstand" des EG-Beihilferegimes. 7 Diese Prüfung hat offensichtlich noch zu keinem eindeutig gesicherten Ergebnis geführt. Die Einfügung des neuen Tatbestandes der „Beihilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes" in Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV durch den Maastrichter Vertrag hat die Rechtslage eher kompliziert und führt zu einer Fülle von zusätzlichen Problemen. 8 Der durch den Maastrichter Vertrag neu eingefügte Art. 128 EGV und insbesondere Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV, der mitgliedstaatliche Beihilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes grundsätzlich der Aufsicht und dem Genehmigungsvorbehalt der EG-Kommission unterwirft, zeigen eindeutig, daß es dem Willen der Mitgliedstaaten und des deutschen Gesetzgebers i m Zustimmungsgesetz entsprach, die Kultur nicht außerhalb der Ermächtigungen der EG zu belassen. 9 Vielmehr sind durch Art. 128 und insbesondere durch Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV der EG Aufgaben zur Förderung und Befugnisse zur Kontrolle staatlicher Kulturpolitik übertragen worden. Es läßt sich deshalb nach Abschluß des Maastrichter Vertrages noch weniger als zuvor argumentieren, daß die Kultur als eine Art Bereichsausnahme von den der EG eingeräumten Kompetenzen unberührt zu bleiben habe. Der Art. 128 EGV ist nicht etwa als Begrenzung der bisher der Gemeinschaft zugebilligten Ermächtigungen konzipiert, son-

7

Vgl. Peter Selmer und Hubertus Gersdorf, Die Finanzierung des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Prüfstand des EG-Beihilferegimes, 1994. 8 Es liegt im Ermessen der Kommission, ob und wann sie gegen Kultursubventionen einschreitet; zu den Grenzen der Ermessensausübung vgl. Georg Ress, Die Zulässigkeit von Kulturbeihilfen in der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Eberhard Grabitz, 1995, S. 595, 601. - Die bisherige Praxis zeigt, daß die Kommission aufgrund des alten Art. 92 Abs. 3 lit. c EWGV nur dann eingeschritten ist, wenn in der Beihilferegelung Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten diskriminiert wurden, vgl. Francis Rawlinson, in: Carl-Otto Lenz, Kommentar zum EG-Vertrag, Rn. 33 zu Art. 92. Da nun aber mit dem neuen Art. 128 EGV die Kulturförderung zu einer Gemeinschaftsaufgabe erhoben worden ist, könnte sich daraus ein strengerer Maßstab der Kommission ergeben. Die weitere Praxis wird zeigen, ob die Kommission ihre Auffassung ändert. 9 Vgl. dazu Georg Ress, Kultur und Europäischer Binnenmarkt, 1991, S. 27f: Die gegenteilige These ist früher vertreten worden; vgl die Argumentation der dänischen Regierung , zitiert nach B. De Witte (Hrsg.), in: Community Law of Education, 1989, Introduction, S. 9, daß „areas which were clearly and on purpose left outside the treaty, such as culture, defence and education in general, cannot be regulated under the treaty." Auch die griechische Regierung vertrat vor dem EuGH die Ansicht, daß Tätigkeiten wie das Betreiben von Privatschulen durch EG-Bürger „be they establishments or services, cannot fall within the Treaty at all as education is not within the Treaty. Not being part of economic life but being closely linked with the traditional and cultural life of the Memberstates, education was deliberately excluded." - Im Fall Gravier, Rs. 293/83, Slg. 1985, S. 593, 612 hatte selbst der EuGH für einen Teilbereich ausdrücklich anerkannt, daß „die Organisation des Bildungswesens und die Bildungspolitik als solche nicht zu den Materien (gehören), die der Vertrag der Zuständigkeit der Gemeinschaft unterworfen hat." Dafür ist jetzt Art. 127 in den EGV eingeführt worden.

Kultursubventionen und Rundfunkfreiheit in der EU

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dem als eine zusätzliche Erweiterung in den Bereich der Kulturpolitik hinein. Art. 128 Abs. 4 macht klar, daß die Gemeinschaft im Rahmen ihrer bisher eingeräumten Kompetenzen so wie bisher tätig werden darf. Sie muß aber nunmehr „den kulturellen Aspekten bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrages Rechnung tragen". 10 Damit wird deutlich, daß die Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrages, z. B. im Rahmen der Dienstleistungs-, Warenverkehrs- und Niederlassungsfreiheit, kulturelle Aspekte nicht ignorieren darf. „Rechnung tragen" in diesem Sinne bedeutet, daß die Berührung von mitgliedstaatlicher Kulturpolitik und gewachsenen kulturellen Einrichtungen mit der Folge zu berücksichtigen und zu achten ist, daß Eingriffe in diese Bereiche so schonend wie möglich erfolgen müssen. „Rechnung tragen" kann aber auch zur Folge haben, daß eine Regelung kulturelle Aspekte erfassen darf, mit anderen Worten, eine Regelung im Bereich der Dienstleistungsfreiheit unter Berücksichtigung der kulturellen Aspekte ergehen, d. h. auch diese mit in ihren Regelungsbereich aufnehmen darf. Der Begriff „Rechnung tragen" hat demnach eine positive und eine negative Seite. Derartige Querschnittskompetenzen,11 für die auch Praxis im Bereich der Umweltpolitik vorliegt, können nicht so interpretiert werden, daß sie als eine Art mitgliedstaatliches Reservat gelten, sondern sie weisen der Gemeinschaft bei der Ausübung ihrer an sich bestehenden Kompetenz eine Verpflichtung zu, die darauf zielt, komplexe Gesamtzusammenhänge in die Abwägungen für Regelungsmaßnahmen mit einzubeziehen. Diese Verpflichtung kann eine Begrenzung, aber auch eine Erweiterung des Regelungszusammenhanges zur Folge haben.

I I I . Koordinierung der grenzüberschreitenden Dienstleistungen und Grundrechte Durch die Einordnung von Rundfunk- und Fernsehsendungen als Dienstleistungen 12 ist schon in der Vergangenheit der Rundfunk in den Mitgliedstaaten durch Regelungen der EG berührt worden. 13 Das primäre Gemeinschaftsrecht wirkt sich 10 Es ergibt sich daraus ein Gebot, auf die kulturellen Interessen der Mitgliedstaaten Rücksicht zu nehmen, vgl. Georg Ress, in: DÖV 1992, S. 948, Die neue Kulturkompetenz der Mitgliedsstaaten. 11 Vgl. Art. 130r Abs. 2 S. 3 EGV (sogenannte Umweltverträglichkeitsklausel), vgl. dazu PeterKrämer in: Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, 4. Aufl., Baden Baden 1991, Rn. 41 zu Art. 130r. 12 Siehe z. B.: EuGH Urt. v. 30. 4. 1974, Rs. 155/73 (,Sacchi), Slg. 1974, S. 428; EuGH Urt. v. 26. 4. 1988, Rs. 352/85 (Kabeiregeling), Slg. 1988, S. 2085, 2131; EuGH Urt. v.18. 3. 1980; Rs 52/79 (Debauve), Slg. 80, S. 833 ff. Eine ausführliche Zusammenstellung findet man bei W.Hakenberg/R.Erhard, Rn. 17 im Anhang zu Art. 52-66 in: Carl-Otto Lenz, EGVertrag, Kommentar 1994. 13 Z.B. EG-Fernsehrichtlinie 89/552 vom 3. 10. 1989, ABl. EG Nr.L 298/23 vom 17. 10. 1989. Vgl. dazu Martin-Perez de Nanclares, Die Fernsehrichtlinie (Schriften des Europa- Institutes Nr. 253, 1991).

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durch die Pflicht zur Beseitigung der Behinderung der grenzüberschreitenden Dienstleistungen deshalb ohnedies schon unmittelbar auf den Rundfunk aus. Es wäre ein Irrtum zu glauben, daß dieser Eingriff erst durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geschähe. Wie tief das Gemeinschaftsrecht schon unmittelbar in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen eingreift, läßt sich auch durch einen Vergleich mit anderen grenzüberschreitenden Dienstleistungen, z. B. im Versicherungs- und Bankensektor, 14 deutlich machen. Die grenzüberschreitende Rundfunksendung ist hier kein Sonderfall. Der EuGH hat im übrigen zur Aufrechterhaltung mitgliedstaatlicher Besonderheiten ein erhebliches öffentliches Interesse anerkannt, auf das sich die Mitgliedstaaten berufen können.15 Sofern das sekundäre Gemeinschaftsrecht bemüht wird, um Behinderungen der grenzüberschreitenden Dienstleistungen abzubauen, sind Maßstab für Reichweite und Tiefe derartiger Abbau(koordinierungs)maßnahmen zunächst: 1. der objektive Charakter der Behinderung und die Pflicht zur Beseitigung aus primärem Gemeinschaftsrecht; 2. die Frage, wieweit Unterschiede in den einzelnen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen hingenommen werden können, ohne daß dadurch eine wirkliche „Behinderung" der grenzüberschreitenden Dienstleistung eintritt. Eine mitgliedstaatliche Regelung, die sich im öffentlichen Interesse rechtfertigen läßt, die also als Behinderung des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs aufrechterhalten werden darf, ist grundsätzlich in diesem Sinne zumutbar und kann dazu führen, daß de facto keine grenzüberschreitende Dienstleistung stattfinden kann. Die Beseitigungspflicht setzt gerade an dieser Situation und rechtlichen Ausgestaltung an und soll im Wege der sekundären Rechtsetzung überwunden werden. 16 Es ist von der Einschätzung der europäischen Organe abhängig bzw. ihnen überlassen, wann ein Harmonisierungs- bzw. Koordinierungsgrad erreicht ist, bei dem eine „unbehinderte" grenzüberschreitende Dienstleistung möglich wird. Der nationale kulturelle Bereich ist im Prinzip kein abgeschotteter Bezirk für diese Koordinierungsmaßnahmen. Aus den Art. 128 und 93 Abs. 3 lit. d EGV läßt sich schließen, daß es insofern keine Grenze aus den grundsätzlich den Mitglied14 Seit 1. 7. 1994 gilt im Bereich des Versicherungswesens die volle Öffnung der nationalen Versicherungsmärkte für ausländische Anbieter aufgrund der Dritten Richtlinie 92/96/ EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung vom 10. 11. 1992, ABl. L 360,1. Im Bankwesen ist die Liberalisierung hauptsächlich durch die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen erfolgt, welche theoretisch die vollständige Liberalisierung seit dem 1.1. 1993 ermöglicht hat. Maßgebend waren hier die Richtlinien 89/646/EWG des Rates vom 15. 12. 1989, ABl. L 386, 1; 89/299/EWG des Rates vom 17. 4. 1989, ABl. L 124, 16 sowie 89/647/EWG des Rates vom 18. 12. 1989, ABl. L 386, 14; vgl. dazu den Überblick bei Georg Ress zu Art. 67, in: Grabitz-Hilf, Kommentar zum EGV, Rn. 30-39. 15 Vgl. Urteil Sacchi v. 30. 4. 1974, Rs. 155/73, Slg. 1974, S. 428 Leitsatz 8.

16 Rechtsgrundlage dafür sind die Art. 59, 66, 57 Abs.2 des EGV.

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Staaten verbliebenen Kulturkompetenzen gibt. Ein solches Denken in verschiedenen abgeschotteten Sphären wird der Ausgestaltung der Kompetenzzuweisung durch den EG-Vertrag nicht gerecht. Die Regelungsgrenzen liegen im Begriff der Dienstleistung selbst und im Begriff der „Behinderung" des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs, nicht jedoch in der Art der Rechtsmaterie, aus welcher sich die Behinderung ergibt. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Koordinierung der grenzüberschreitenden Dienstleistungen Eingriffe in die Grundrechtsausübung und die Finanzierung mit sich bringt. Die Grundrechte sind auf der EGEbene durch allgemeine Rechtsgrundsätze im Prinzip wesensgleich mit dem Grundrechtsschutz des Grundgesetzes ausgestaltet. Durch die Anwendung von Art. 10 EMRK wird ein allgemeiner Standard gesichert, und es ist nicht ersichtlich, daß dieser Standard im Prinzip geringer ist als der, den das Grundgesetz in Art. 5 Abs. 1 S. 2 einräumt. 17 Mit jeder Regelung und Koordinierung der grenzüberschreitenden Dienstleistung ist ein Eingriff in die Grundrechtsausübung verknüpft, weil jeder, der Dienstleistungen erbringen möchte, dadurch in einer bestimmten Weise in einen rechtlichen Rahmen eingebunden wird. Die Grenze (Schranke) kann also nicht darin liegen, ob überhaupt Grundrechte berührt werden, sondern allenfalls in der Frage, ob ein Regelungsexzess, also eine unverhältnismäßig eingreifende Regelung vorliegt, die nicht mehr durch den Zweck, Behinderungen zu beseitigen, gedeckt ist.

IV. Dienstleistungskoordinierung und Dienstleistungsfinanzierung Auch die Auswirkungen auf die Finanzierung von Einrichtungen, die Dienstleistungen erbringen, stellten im Prinzip keine Grenze für sekundärrechtliche Regelungen dar. Selbstverständlich muß bei derartigen Veränderungen von Finanzierungsmöglichkeiten durch den Richtliniengeber beachtet werden, wieweit ein derartiger Eingriff tatsächlich zur Beseitigung von Behinderungen grenzüberschreitender Dienstleistungen notwendig ist und wieweit Möglichkeiten zu einer adäquaten Fortsetzung der Finanzierung eröffnet werden können.18 Einbußen in 17

Für Differenzierungen aufgrund unterschiedlicher FreiheitsVerständnisse siehe Nachweise bei Georg Ress, Die Rundfunkfreiheit als Problem der europäischen Integration, Zeitschrift für Rechtsvergleichung, 1992, S. 434, 437. 18 Das BVerfG hat die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Gebühren festgeschrieben, vgl. BVerfGE 73, S. 118, (158); 87 S. 181, (199), und dabei folgendes festgelegt (Urteil v. 22. 2. 1994 - l B v L 30/88, sogenanntes 7. Fernsehurteil): „Die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäße Art der Finanzierung ist [danach] die Gebührenfinanzierung. Sie erlaubt es ihm, unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anzubieten, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht. In der ungeschmälerten Erfüllung dieser Funktion und in der Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen im dualen System findet die Gebührenfinanzierung ihre Rechtfertigung." vgl. BVerfGE 90, 60 ff.; DVBL. 1994, 465.

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eine Finanzierungsmöglichkeit sind deshalb grundsätzlich auch unter einem erweiterten Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes19 zu betrachten, denn Finanzierungsund Verdienstmöglichkeiten, selbst wenn sie bloße Chancen darstellen, können sich doch so verdichten, daß sie eigentumsrechtliche Relevanz haben. Dies gilt vor allem, wenn eine Einbuße in Finanzierungsmöglichkeiten Erdrosselungscharakter hat. 20

V. Rundfunkfinanzierung, Beihilfeproblematik und Sonderstellung nach Art. 90 Abs. 2 EGV Bei der Finanzierung des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland durch Gebühren und durch Einnahmen für Werbesendungen ist zu bedenken, ob sich eine Gebührenfinanzierung nicht als Beihilfe im Sinne von Art. 92 Abs.3 d EGV darstellt. Dabei ist aber zu untersuchen, ob überhaupt der Beihilfebegriff 21 erfüllt ist. Möglicherweise stellt sich eine derartige Leistung als eine Ersatzleistung für ein Unternehmen dar, dem im Sinne von Art. 90 Abs. 2 EGV eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse übertragen worden ist . Oder anders gefragt: müssen nicht gerade wegen der den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten übertragenen Pflicht zur Grundversorgung, 22 die eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse darstellt, die Wettbewerbsregelungen und damit die Regelungen über die staatlichen Beihilfen soweit außer Betracht bleiben, als die Anwendung dieser Vorschriften die Erfüllung der den Rundfunkanstalten übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindern würde? Eine Beihilfekontrolle der Rundfunkgebühren durch die EG-Kommission hätte zur Folge, daß jede einzelne Gebühr im Lichte von Art. 92 Abs. 3 EGV zu prüfen und noch dazu einer an sich schon problematischen Ermessensentscheidung der Kommission unterworfen wäre. 19 Zum Eigentumsschutz unter dem EGV vgl. zum Beispiel EuGH Rs 44/79 Hauer, Slg. 1979, S. 3727; Rs 265/87 Schräder, Slg. 1989, 2237 (2267 f.); verb. Rs C-143/88 = EuZW 1991, S. 313 und C-92/89 Zuckerfabrik Dithmarschen\ Rs C-44/89 - van Deetzen, EuZW 1992, S. 120 (122); vgl. auch H.W.Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft 1992, S. 30 ff. zur Frage, wieweit die Finanzierung des Rundfunks darunter fällt. 20 Zum Eingriffscharakter vgl. H.W Rengeling, a.a.O., S. 37, 43, 46 und allgemein S. 219.

21 Zu dessen näherer Qualifizierung vgl. Fritz Harald Wenig, Rn. 3 ff. zu Art. 92, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWGV, 4. Aufl. 1991. 22 Vgl. dazu die Aussage des BVerfG in NJW 94, 1992 ( 7. Rundfunkurteil, a.a.O.): „Die Grundversorgung verlangt, ein Programm anzubieten, das den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht. Dazu sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verpflichtet. Diese Verpflichtung bleibt in einem dualen System mit privaten Rundfunkanstalten solange gerechtfertigt, wie die privaten Anstalten keine Gewähr für ein den verfassungsrechtlichen Ansprüchen entsprechendes meinungsvielfältiges Programm anbieten (können)." Vgl. dazu auch Günter Herrmann, in: Rundfunkrecht 1994, S. 182.

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Da es sich bei der Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Grundversorgung um eine den Rundfunkanstalten übertragene besondere Aufgabe nach Art. 90 Abs. 2 S. 1 EGV im allgemeinen Interesse handelt,23 bleibt die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen (Art. 92 ff. EGV) von vornherein außer Betracht, soweit die Anwendung der Beihilfevorschriften die den Rundfunkanstalten übertragene besondere Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindern würde. 24 Die Kommission, die nach Art. 90 Abs. 3 EGV auf die Anwendung dieser Vorschrift achtet und erforderlichenfalls geeignete Richtlinien oder Entscheidungen an die Mitgliedstaaten richten kann, hat demnach auch darauf zu achten, wo die Grenzlinie zwischen der Anwendung der Beihilfevorschriften einerseits und des Freiraums, der durch die übertragene besondere Aufgabe gekennzeichnet ist, verläuft. Ein Eingriff in die Gebührenfinanzierung und ihre prinzipielle Infragestellung würde die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in ihrer Existenz und in ihrer Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Grundversorgung 25 nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich verunsichern und damit die Wahrnehmung der übertragenen besonderen Aufgabe nicht nur behindern, sondern tatsächlich wohl auch verhindern. Es ist wichtig zu sehen, daß es bei Art. 90 Abs. 2 EGV nicht um eine bloße Behinderung, sondern um eine Verhinderung geht. Aber die Verhinderung setzt - was die Bezugnahme auf tatsächliche Gründe deutlich macht - schon im Vorfeld an. Tatsächlich wird die Wahrnehmung der übertragenen besonderen Aufgabe auch dann verhindert, wenn die Rundfunkanstalt in ihrer Finanzierungssicherheit „nur" gestört wird. Gegenüber einer derartigen Absicherung müssen Interessen von privaten Rundfunkanstalten, die in Konkurrenz zur öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt stehen, aber nicht mit der Pflicht zur Grundversorgung belastet sind, zurücktreten. Andererseits darf die Pflicht zur Leistung der Grundversorgung, so wie sie vom BVerfG für die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entwickelt worden ist, nicht als ein Deckmantel dafür gelten, sich im übrigen wie eine private Rundfunkanstalt zu gerieren und in gleicher Weise auf dem Markt zu operieren. Die besondere Aufgabe muß auch eine wirtschaftliche Bedeutung haben, weshalb Art. 90 Abs. 2 EGV zutreffend nicht nur die besondere Aufgabe erwähnt, sondern von einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse spricht. 23

Grundsätzlich gelten auch für öffentliche Unternehmen die Wettbewerbsvorschriften der Art. 85 ff. EGV, vgl. Art. 90 Abs. 2 EGV. Die Unternehmereigenschaft von öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten ist vom EuGH seit langem anerkannt, vgl. das Urteil Sacchi, Slg. 1974, 409. Das Unternehmen muß dabei mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sein, vgl. G. Grill, in: Carl-Otto Lenz, EG-Vertrag, Kommentar 1994 , Rn. 18 zu Art. 90. 24 Dieser Teil des Art. 90 Abs. 2 S. 1 EGV ist als Ausnahme der Wettbewerbsfreiheit allerdings eng auszulegen, vgl. EuGH, BRT/SABAM und Fonior, Rs. 127/72, Slg. 1974, 313. Eine bloße Erschwerung oder Behinderung der Aufgabenerfüllung reicht nicht aus. 2 5 Dies hat das BVerfG im 7. Rundfunkurteil vom 22. 2. 94 bestätigt, vgl. NJW 1994, S. 1942 ff.

9 Fechner u. a.

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Eine Dienstleistung von einem allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegt dann vor, wenn mit der Dienstleistung besondere Einschnitte oder Verluste von wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten verbunden sind. 26 Gerade dies ist mit der Pflicht zur Grundversorgung der Fall. Das Äquivalent für diese Pflicht ist auf der anderen Seite ein gewisser Verlust an Werbemöglichkeiten.

VI. Einschränkung der Rundfunkwerbung Sofern Beschränkungen der Werbemöglichkeiten und des Sponsoring Einschnitte in die Finanzierung nicht nur der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern auch der privaten Rundfunkanbieter mit sich bringen, sind sie so auszugestalten, daß sie die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Rundfunkveranstalter so wenig wie möglich beeinträchtigen. 27 Andererseits ist - wie schon ausgeführt eine derartige Beeinträchtigung der Finanzierungsmöglichkeiten kein Sonderfall bei der Regelung einer grenzüberschreitenden Dienstleistung. Dafür gibt es auch in anderen Bereichen, z. B. im Versicherungs- und Bankenbereich, Parallelen. Dem Verlust an Werbe- und Sponsoringmöglichkeiten steht auf der anderen Seite der Vorteil gegenüber, der durch die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung bzw. durch die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung erzielt wird. In der Regel erhält der Dienstleistungserbringer für eine derartige grenzüberschreitende Dienstleistung ein Entgelt. Der Rundfunkveranstalter, der seine Rundfunksendungen nicht nur im nationalen Rahmen, sondern grenzüberschreitend oft über Kabel durch Lizenzunternehmen verbreiten läßt, erhält nunmehr Lizenzgebühren, die ihm dann nicht zugeflossen wären, wenn er seine Dienstleistung nicht an den allgemeinen europaweiten Standard, wie er im sekundären Gemeinschaftsrecht vorgeschrieben ist, angepaßt hätte. Eine derartige kompensatorische Betrachtungsweise ist weder neu noch bei Grundrechten verboten. 28 Es muß daher eine Gewinn- und Verlustrechnung aufgemacht werden, bei der die reale „Finanzierungs"einbuße ermittelt wird. Es kann sich ergeben, daß in Wirklichkeit keinerlei Finanzierungseinbuße, sondern ein Gewinn vorliegt, der sich zugunsten auch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und insbesondere der privaten Rundfunkanstalten auswirkt. Dabei sind Finanzierungseinbußen von Rundfunkveranstaltern aus Drittstaaten (z. B. aus 26

Die Anforderungen sind aber nicht zu hoch anzusetzen, vgl. dazu etwa G. Grill , in: Lenz, Kommentar zum EGV zu Art. 90 , Rn. 18 unter Bezugnahme auf die EuGH Urteile der Rs. 155/73 Sacchi , Slg. 1974, S. 428, Rn. 14-15;Rs C-260/89, ERT ; Slg. 91-1-2925 Rn. 10-11 oder bei IngolfPernice, in: Grabitz /Hilf, EGV-Kommentar, 2. Auflage 1994, Art. 90, Rn. 35. 27 Zur Ausgestaltung der Fernsehrichtlinie ABl Nr.L 298 v. 17. 10. 1989 und der Europaratskonvention über grenzüberschreitendes Fernsehen (ERÜ) v. 19. März 1989, Traités européens-Serie Nr. 132, Straßbourg 1989, vgl. die Analyse von Martin Perez de Nanclares, in: Die Fernsehrichtlinie, 1994, S. 77 ff. 2

» Vgl. Eckart Klein , DÖV 1990, S. 187.

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USA), die reine Werbesendungen (Teleshopping u.ä. Werbesendungen) nicht anbieten können, weil sie sich den begrenzten Werbemöglichkeiten der Fernsehrichtlinie 2 9 unterwerfen müssen, außer Betracht zu lassen. Verglichen werden können nur die Möglichkeiten, die in einem Mitgliedstaat bestünden, der z. B. Werbung autonom in größerem Umfang zulassen möchte, dafür aber in Kauf nimmt, daß Fernseh- und Rundfunksendungen nicht in andere Staaten gesendet werden dürfen, weil dort ein wesentlich strengerer Maßstab herrscht.

VII. Finanzierung des privaten Rundfunks In ihrer Untersuchung zur Finanzierung des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland „auf dem Prüfstand des EG-Beihilferegimes" 30 kommen Selmer und Gersdorf zu dem Ergebnis, der Grundsatz der Wettbewerbsgleichheit verlange, daß auch eine Finanzierung des privaten Rundfunks aus dem Gebührenaufkommen nicht von vornherein ausgeschlossen werden dürfe. 31 Sie sind der Auffassung, daß Rundfunkgebühren eine „wettbewerbsverfälschende staatliche Beihilfe" darstellen können. Sofern sie zur Finanzierung solcher Programme und Programmsegmente verwendet werden, die sich durch Rundfunkwerbung nicht finanzieren lassen, seien die Voraussetzungen des Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV erfüllt. Eine solche Beihilfe sei von der Kommission nach Art. 93 EGV zu genehmigen, soweit sie die Handelsund Wettbewerbsbedingungen nicht in einem Maße beeinträchtigt, daß sie dem gemeinsamen Interesse der Gemeinschaft zuwiderlaufe. Nach der hier vertretenen Auffassung findet Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV in solchen Fällen überhaupt keine Anwendung, weil insoweit durch Art. 90 Abs. 2 EGV eine abschließende Regelung besteht, so daß bei Vorliegen der Voraussetzungen nie eine „wettbewerbsverfälschende staatliche Beihilfe" vorliegen kann. Die Anwendung der Beihilfevorschriften wird durch Art. 90 Abs. 2 EGV ausgeschlossen. Schon der Wortlaut des Art. 90 Abs. 2 EGV legt diese Auslegung nahe.32 Unter 29 EG ABl. Nr. L 298, v. 17. 10. 1989 RL 89/552/EWG. Die vorgeschlagene Neufassung der Fernsehrichtlinie sieht eine Liberalisierung von Teleshopping in zweifacher Hinsicht vor. Sendern, die ausschließlich diese Dienstleistung anbieten, wird kein zeitliches Limit gesetzt. Die in andere Dienstleistungen eingebetteten Teleshopping-Fenster können ein bis drei Stunden täglich angeboten werden, vgl. Jusletter, EG-Recht v. 7.April 1995, Heft 13. 30

Siehe oben Anm. 7. Allerdings auf der Prämisse aufbauend, daß Art. 92 Abs. 3 lit. d als speziellere Vorschrift den allgemeinen Vorbehalt des Art. 90 Abs.2 zugunsten nationaler Belange verdrängt, sofern es um die Sicherstellung spezifisch kultureller Zielsetzungen der Mitgliedsstaaten geht (Selmer/Gersdorf, a.a.O., S. 44). Stellt sich die Gebührenfinanzierung im Bereich der Kulturförderung als staatliche Beihilfe dar, dann wäre es nach ihrer Ansicht innerstaatlich sogar geboten, auch in diesem Segment den privaten Fernsehanstalten zur Förderung der Kulturvielfalt einen Teil der Gebühren zukommen zu lassen. 31

32 Vgl. auch die Ansicht der spanischen und griechischen Regierung in der Rechtssache C-387/92 Banco Exterior de España SA/Ayuntamiento de Valencia, Urteil v. 15. 3. 1994, referiert in den Schlußanträgen von Generalanwalt Carl-Otto Lenz Ziff. 51 und 52.

9=

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Bezugnahme auf die Ausführungen des EuGH zum Verhältnis von Art. 90 Abs. 2 EGV zu Art. 85 EGV in der Rs. C-393/92 v.27. 4. 1994 Almelo, ist auch Piet Jan Slot in seinem Aufsatz „State Aids In The Cultural Sector" 33 der Ansicht, daß für den Bereich der kulturellen Beihilfen ein Ausschluß von Art. 92 EGV durch Art. 90 Abs. 2 EGV gegeben sei. 34 Für das Verhältnis von Art. 85 zu Art. 90 Abs.2 EGV hat der EuGH 35 festgestellt, daß die Wettbewerbsregeln für öffentliche Unternehmen gelten, sofern deren Anwendung mit der Erfüllung der Aufgaben nicht nachweislich unvereinbar ist, was auch für den Vorrang der Prüfung von Art. 90 Abs. 2 spricht. Explizit ist dies in der Rs. C- 393/92 Almelo 36 statuiert worden. Unter Punkt 2c des Tenors heißt es: „Nach Art. 90 Abs. 2 EWG-Vertrag fällt die Verwendung einer solchen Klausel über ausschließliche Abnahme durch ein regionales Stromversorgungsunternehmen insoweit nicht unter die Verbote der Art. 85 und 86 EWG-Vertrag, als diese Wettbewerbsbeschränkung erforderlich ist, um Unternehmen die Wahrnehmung ihrer im allgemeinen Interesse liegenden Aufgabe zu ermöglichen". Ist eine Finanzierung des privaten Rundfunks aus dem Gebührenaufkommen aber dann nicht geboten, wenn der private Rundfunk ähnliche Sendungen, wie sie der „Grundversorgung" zugeordnet werden können, anbietet? Man könnte sagen, daß der private Rundfunkanbieter damit eigene Zwecke und Zielvorstellungen verfolgt, nicht aber in Erfüllung einer ihm obliegenden öffentlichen Aufgabe und rechtlichen Pflicht handelt. Konkretisiert haben sich diese Rechtsfragen in einer vom privatisierten Fernsehsender TF 1 im März 1993 bei der Europäischen Kommission eingelegten, auf Art. 92 i.V. mit Art. 90 EGV gestützten Beschwerde gegen Frankreich, weil Frankreich die öffentlichen Fernsehanstalten France II und France III finanziell unterstützt. 37 Da der französische Staat finanzielle Defizite der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten in Frankreich in erheblichem Umfang abdecke, erlaube er ihnen damit oftmals Angebote für Senderechte außerhalb des kaufmännisch Verantwortbaren und ermögliche einen staatlich geförderten, unfairen Wettbewerb gegenüber der rein privatwirtschaftlichen und auf Rentabilität angewiesenen Konkurrenz. Auch die beiden spanischen privaten Fernsehveranstalter „Antena 3" und „Tele 5" haben

33

In Vorträge und Berichte des Zentrums für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Bonn, Heft Nr. 40. 34 Vgl. S. 26, a.a.O.: „It would seem that the Court's interpretation in the Almelo judgement of Art. 9 0 I I leaves considerable room for exemptions in the cultural field". 3 5 Rs. C.41/90, Arbeitsvermittlungsmonopol, Urteil v. 23. 4. 1991; Slg. 1991, S. 1-1979. 36 Rs C-393/92, Urteil des EuGH v. 27. April 1994, vgl. EuZW 1994, 408 sowie die Anmerkung von Barbara Rapp-Jung, in: EuZW 1994, S. 464. 37

„Plainte de TF 1 auprès de la Commission des Communautés Européennes en vertu des Articles 85, 90 et 92 du Traité" vom 10. März 1993 zitiert aus Selmer/Gersdorf (Anm. 7, S. 10); siehe auch Francis Rawlinson: Deregulated Television & The State Funding Of Broadcasting, 1993, Paper From the European Television Symposium.

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ähnlich gelagerte Beschwerden bei der Kommission erhoben, 38 ebenso italienische und portugiesische Privatsender. Die Europäische Kommission hat aufgrund dieser Beschwerden eine Untersuchung eingeleitet, die bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Befürchtung erweckt hat, daß die Europäische Kommission die Abdeckung von Defiziten öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter durch staatliche Finanzmittel oder gar das Gebührenfinanzierungssystem insgesamt als mit Art. 92 EGV für unvereinbar erklären könnte.

VIII. Die tatsächliche und die rechtliche Betrachtungsweise Die Kommission soll sich in einer ersten Stellungnahme dahingehend geäußert haben, daß die staatliche Finanzierung (nur) dann gerechtfertigt sei, wenn diese Fernsehanstalten tatsächlich Aufgaben erfüllen, die private Fernsehanstalten nicht gewährleisten können.39 Daraus ließe sich schließen: wenn also in Deutschland auch private Fernsehanstalten die Grundversorgung objektiv gewährleisten könnten, besteht keine schützensweite Aufgabe mehr, aus der sich eine Privilegierung herleiten läßt. Dies könnte jedenfalls dann der Fall sein, wenn private Fernsehanstalten mit Vollprogrammen ein Niveau erreicht haben, das dem aus Art. 5 Abs.l S. 2 GG hergeleiteten Anspruch des Bürgers auf eine ausgewogene Grundversorgung ebenfalls genügt. Dann ließe sich argumentieren, daß die Aufgabe Grundversorgung keine mehr wäre, welche im Sinne von Art. 90 Abs. 2 S. 1 EGV eine Sonderstellung der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten in bezug auf die Wettbewerbsvorschriften rechtfertigen würde. Bei Auswirkungen auf den gemeinsamen Markt müßte die Gebührenregelung dann auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 92 EGV überprüft werden. Dieser Ansatz, der auf einen tatsächlichen Vergleich der Programme (und Grundversorgungsanteile) der öffentlichen und privaten Rundfunkanstalten abhebt, ist deshalb fragwürdig, weil erhebliche Unterschiede in der rechtlichen Gestaltungsfreiheit bestehen. Darauf wird zurückzukommen sein. Selbst wenn aber derzeit tatsächlich die Grundversorgung nur von den öffenlich-rechtlichen Fernsehanstalten aufrecht erhalten werden kann, wofür noch vieles spricht, 40 und der Entzug der Gebührenfinanzierung zu einer Verhinderung der übertragenen Aufgabe führen würde, könnte die Gebührenregelung aber an Art. 90 Abs. 2 S. 2 EGV scheitern, wenn der zwischenstaatliche „Handelsverkehr" (wozu der Dienstleistungsbereich zählt) wegen dieser Gebühr in einem Ausmaße beeinträchtigt würde, der den Interessen der Gemeinschaft widerspricht. Die vage Formulierung „Interessen der Ge38

Erwähnt in der Einführung von Selmer / Gersdorf (Anm. 7, S.10.). Vgl. in der Einführung von Selmer/Gersdorf, ebd. 40 Vgl. aber auch die Hinweise auf problematische Entwicklungen bei Georg Ress, Die Rundfunkfreiheit als Problem der europäischen Integration, in: Zeitschrift für Rechtsvergleichung 1992, S. 434. 39

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meinschaft" in Art. 90 Abs. 2 S. 2 EGV wird als besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verstanden.41 Dabei gilt das Diskriminierungsverbot des Art. 6 EGV als absolute Schranke einer zulässigen Einräumung für eine Sonderstellung öffentlicher Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wahrnehmen. 42 Daß die öffenlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland ohne die Gebührenzahlungen bei der derzeitigen Werberegelung und dem Auftrag, die Grundversorgung zu gewährleisten, im Wettbewerb mit den privaten Fernsehanstalten wirtschaftlich nicht existieren könnten, liegt auf der Hand 4 3 Mit 20 Minuten erlaubter Werbung pro Werktag 44 ist es unmöglich, die Programmgestaltung ausschließlich mittels Werbeeinnahmen zu finanzieren. Ohne die Gebühr würde die Gewährleistung der übertragenen (Grundversorgungs)Aufgabe im Sinne von Art. 90 Abs. 2 S. 1 EGV verhindert. Unter der Annahme, daß private Fernsehanstalten in Deutschland eine Grundversorgung, wie sie das BVerfG statuiert hat, 45 derzeit tatsächlich nicht gewährleisten können, die Gebühr auch keine unverhältnismäßige oder diskriminierende Regelung im Sinne des Art. 90 Abs. S. 2 EGV ist, scheidet die Anwendung des EGV und damit auch der Beihilfevorschriften auf die Gebührenregelung grundsätzlich aus. Diese rein tatsächliche Analyse hat allerdings ihre Schwächen, weil sie notgedrungen auf Einschätzungen des Programmes der privaten Anbieter über gewisse Zeiträume hinweg beruht. Entgegen der Ansicht der Kommission, ist deshalb auf den rechtlichen Unterschied abzustellen, also darauf, daß den öffentlich-rechtlichen Anstalten von Rechts wegen eine besondere Aufgabe zur Grundversorgung 46 obliegt, die ihre Werbemöglichkeiten entscheidend beschneidet und nach einem kompensatorischen Ausgleich verlangt. Demgegenüber sind die privaten Anbieter in der Programmgestaltung frei und können Werbemöglichkeiten relativ beliebig nutzen.47 Siehe G. Grill, in: Lenz, EG-Vertrag Kommentar, 1994 Rn. 23 zu Art. 90, sowie Selmer/Gersdorf, oben Anm. 7, S. 42 m.w.N. 42 Siehe G. Grill, a.a.O. 43 Vgl. dazu die Ausführungen von Hubertus Gersdorf, in: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S. 360 ff. 44 Siehe § 15 I ZDF Rundfunkstaatsvertrag v. 31. 8. 1991, Amtsblatt des Saarlandes 1991,425, 1301 ff. und Günter Herrmann, Rundfunkrecht, München 1994, § 10 Rn. 99 f. 45 BVerfGE 73, S. 118; 74, S. 325; 83, S. 238; vgl. auch Günter Herrmann, Rundfunkrecht, § 7 Rdnr. 88 ff. 46 Vgl. dazu Günter Hermann, a.a.O. § 10 Rn. 146 ff. 47 § 25 Rundfunkstaatsvertrag v. 31. 8. 1991, Amtsblatt des Saarlandes vom 17. 12. 1991, S. 1301 ff. lautet: „Private Veranstalter können ihre Rundfunkprogramme durch Einnahmen aus Werbung, durch sonstige Einnahmen, insbesondere durch Entgelte der Teilnehmer (Abonnements oder Einzelentgelte) sowie aus eigenen Mitteln finanzieren." Weiter heißt es dann: „Eine Finanzierung privater Veranstalter aus der Rundfunkgebühr ist unzulässig." Demgegenüber statuiert § 15 Rundfunkstaatsvertrag für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, daß die Gesamt-

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Selbst wenn sie sich de facto einer Art Grundversorgung annehmen, liegt darin noch kein Grund, ihnen diese freiwillige Programmgestaltung besonders zu honorieren. Es fehlt an der Rechtspflicht, diese Aufgabe wahrzunehmen, und damit auch an dem rechtlichen Pendant für eine Kompensationspflicht.

IX. Beihilferegime als Spezialvorschrift? Für den Bereich „Kultur" sind Selmer und Gersdorf 48 der Ansicht, Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV sei eine Spezialvorschrift zu Art. 90 Abs. 2 EGV. 49 Sie begründen diese Ansicht mit der Annahme, daß Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV genauso wie Art. 90 Abs. 2 EGV „Ausdruck eines grundsätzlichen und generellen Vorbehaltes zugunsten der Erfüllung spezifischer Aufgaben der einzelnen Unionsstaaten" sei. 50 Die Regelungsstrukturen seien gleich, und in grammatikalischer Hinsicht sei eine deutliche Parallele zu erkennen. Lediglich in der Breite ihres Anwendungsfeldes seien sie different. Während Art. 90 Abs. 2 EGV einen Vorbehalt zugunsten öffentlicher Interessen der Mitgliedstaaten festschreibe, gelte der Vorbehalt des Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV alleine für kulturelle Beihilfen zugunsten nationaler Interessen. Würde man nun eine als kulturelle Beihilfe zu qualifizierende Begünstigung eines öffentlichen Unternehmens schon am Maßstab des Art. 90 Abs. 2 EGV messen, bliebe für Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV kein Anwendungsfeld, mithin sei im Anwendungsbereich Kulturbeihilfe Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV lex specialis mit der Konsequenz, daß ein Rückgriff auf Art. 90 Abs. 2 EGV ausscheide. Eine als Beihilfe auf dem Gebiet der Kultur zu qualifizierende Maßnahme im Sinne von Art. 92 Abs.3 lit d EGV, wie sie die Rundfunkgebühr 51 zumindest teildauer der Werbung „jeweils höchstens 20 Minuten werktäglich im Jahresdurchschnitt" betragen darf. 48 Siehe oben Anm. 7. 49 Ebd., S. 43 f.: Gegen Art. 92 Abs. 3 lit. d als Ausnahme zu Art. 90 Abs. 2 Piet Jan Sloot, „State Aids In The Cultural Sector" aus Vorträge und Berichte Nr. 40 des Zentrums für Europäisches Wirtschaftsrecht, Bonn, S. 25-26 unter Berufung auf die Rs. Almelo C-393/92 Urteil des EuGH v. 27. April 1994, EuZW 1994, S. 408. 50

Selmer /Gersdorf,\ a.a.O. Die Qualifizierung der Rundfunkgebühr unter den Beihilfebegriff des Art. 92 EGV bereitet im Grunde keine Schwierigkeiten, vgl. dazu die Ausführungen von Selmer/Gersdorf, a.a.O. S. 23-34. Das einzige problematische Element ist, daß der erbrachte Vorteil unmittelbar zu Lasten des Haushaltes des Mitgliedstaates gehen muß, vgl. Fritz-Harald Wenig, in: Groeben / Thiesing / Ehlerrmann, Rn. 11 zu Art. 92 EWGV Kommentar, 4. Aufl. 1991. Auch eine Umwegfinanzierung durch zwangsweise staatlich determinierte direkte Heranziehung der Nutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muß jedoch von Art. 92 erfaßt werden,da es ansonsten der Staat in der Hand hätte, mittels Umwegfinanzierung den Anwendungsbereich von Art.92 EGV zu umgehen, obwohl die Begünstigung die gleiche ist, wie wenn eine direkte Finanzierung zu Lasten der Haushaltsmittel erfolgen würde. Im Ergebnis wird man deshalb eine Fernsehgebühr als vom Staat veranlaßte Begünstigung dem Beihilfebegriff des Art. 92 EGV zurechnen müssen. 51

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weise ist, wird zunächst einmal im Sinne von Art 90 Abs. 2 S. 1 EGV als Mittel zur Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe (Grundversorgung) verwendet. 52 Die Rundfunkgebühr fällt demnach unter die sich auf den ersten Blick möglicherweise überschneidenden Anwendungsbereiche beider Normen. Allerdings spricht das Erfordernis der „besonderen übertragenen Aufgabe" dafür, daß Art. 90 Abs. 2 EGV eine Sonderregelung enthält, also lex specialis ist. Nicht jedes Unternehmen, dem eine kulturelle Beihilfe gewährt wird, ist mit einer besonderen Aufgabe betraut oder von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Fördert ein Mitgliedsstaat private Unternehmen (z.B. Theater, Konzerthäuser und -agenturen, Galerien etc), 53 welche kulturelle Ereignisse veranstalten, in finanzieller Weise, so muß der Tatbestand des Art. 90 Abs. 2 S. 1 EGV nicht unbedingt erfüllt sein. In der Regel fehle es schon an dem Merkmal des (vom Staat) mit allgemeinen wirtschaftlichen Interessen betrauten Unternehmens. Denn weder sind Konzerthäuser, Theater oder Galerien von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse,54 noch handelt es sich um vom Staat mit einer besonderen Aufgabe betraute Unternehmen. Die Anwendung von Art. 90 Abs. 2 EGV scheidet damit aus, da der Anwendungsbereich der Norm nicht gegeben ist. Art. 90 Abs. 2 EGV kann in dieser Konstellation keine Sperrwirkung für Art. 92 EGV entfalten. 55 Derartige Konstellationen, welche den Anwendungsbereich des Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV eröffnen, ohne daß Art. 90 Abs. 2 EGV diesen Weg versperrt, sind bei Kultursubventionen sogar der Regelfall. Bei kulturpolitisch motivierten Beihilfen an öffentliche Unternehmen 56 ist Art. 90 Abs. 2 S. 1 EGV in den seltensten Fällen einschlägig. Ist der Anwendungsbereich des Art. 90 Abs. 2 EGV ausnahmsweise gegeben (bei öffentlichen Unternehmen oder vom Staat mit besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgestatteten Unternehmen nach Art. 90 Abs. 1 EGV, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopoles haben),57 kommt eine Überprüfung und Be-

52 Der EuGH hat dies in der Rechtssache C-3 87/92 Banco Exterior de España SA/ Ayuntamiento de Valencia Urteil v. 15. 3. 1994 unter Ziffer 17 implizit festgestellt, indem er die Zuständigkeit der Kommission für die Überprüfung von Beihilfen nach Art. 93 EGV „auch auf staatliche Beihilfen, die den in Artikel 90 Abs. 2 genannten und insbesondere den von den Mitgliedstaaten mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrauten Unternehmen gewährt werden", erstreckt hat. 53 Vgl. die Beispiele bei Georg Ress, Staatliche Kulturförderung und Beihilfenaufsicht der EG, in: Gedächtnisschrift für Eberhard Grabitz, 1995, S. 595, (596). 54 Vgl. dazu Ingfried F. Hochbaum, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWG Kommentar, 4. Auflage 1991 Rn. 48 zu Art. 90. 55 Georg Ress, a.a.O., S. 595 (601 ff.). 56 Auf diese beziehen sich Selmer/Gersdorf a.a.O., S. 39 ff. fast ausschließlich. 57 Unter den in der Praxis diskutierten Beispielen (vgl. beispielsweise die Aufstellung bei G. Grill, in: Carl-Otto Lenz, EG- Kommentar, Art. 90 Rn. 20) sind Unternehmen mit kulturellem Geschäftsbereich die Ausnahme. Es findet sich dafür nur das hier diskutierte Problem des primär kulturellen Grundversorgungsauftrages der öffentlich-rechtlichen Rundfunkan-

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anstandung der Maßnahme an Art 92 EGV immer dann und nur dann in Betracht, wenn die Erfüllung der übertragenen besonderen Aufgabe auch ohne diese staatliche Unterstützung nicht verhindert würde. Auf die Rundfunkgebühr übertragen folgt daraus, daß ohne die Rundfunkgebühr der Grundversorgungsauftrag verhindert werden müßte, um eine Ausnahme nach Art. 90 Abs. 2 S. 1 EGV zu rechtfertigen. Bei dieser Betrachtungsweise sind demnach folgende Schritte zu unterscheiden: a) die Überprüfung (Kontrolle) der finanziellen staatlichen Unterstützung im Lichte der Beihilfevorschriften b) die evtl. Einordnung als kompensatorischer Ausgleich für die Wahrnehmung der besonderen übertragenen Aufgabe nach Art. 90 Abs. 2 EGV (Rechtspflichtenkompensation) c) die Prüfung, ob die Aufgabe auch ohne den kompensatorischen Ausgleich wahrgenommen werden kann bzw. wahrgenommen wird (tatsächliches Kompensationsverhältnis) d) je nach Ergebnis von b) und c) eine Prüfung, ob die Förderung als Beihilfe zu beanstanden ist. 58 Problematisch bleibt nach wie vor das Element c), weil das Ergebnis von der wandelbaren Entwicklung tatsächlicher Verhältnisse abhängig gemacht wird. Insofern kann es allenfalls eine grobe negative Evidenzkontrolle geben. Wenn sicher (evident) ist, daß die Aufgabe auch ohne die besondere staatliche Förderung wahrgenommen werden kann und wahrgenommen werden würde, entfällt die Anwendung von Art. 90 Abs. 2 nicht schon, wenn einige Unternehmen auch Teilaspekte der Aufgabe pflegen. 59

X. Die richtige Prüfungsreihenfolge Wie in den erörterten Prüfungsschritten vorgeschlagen, ist es denkbar, eine Prüfung des Art. 90 Abs. 2 EGV nach Art. 92 EGV vorzunehmen. 60 Der Wortlaut von Art. 90 Abs. 2 EGV allein zwingt nicht zur Annahme einer Ausnahme Vorschrift, die auch Prüfungsvorrang vor Art. 92 EGV hat. Denkbar wäre es auch, Art. 90 Abs. 2 vorab zu prüfen, weil dann dahingestellt bleiben kann, ob die zu überprüfende Maßnahme eine Beihilfe ist oder nicht. Kann nämlich vorab festgestellt werstalten, das z. B. bei L. Emmerich, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechtes 1993, zu Punkt H. II Rn. 46 erwähnt wird. 58 Zur Ausübung des Ermessens siehe Georg Ress, in: Gedächtnisschrift für Eberhard Grabitz, a.a.O., S. 595,601. 59 Die Tatsache, daß private Rundfunkanbieter Teilaspekte der Grundversorgung wahrnehmen, ist demnach nur ein Teil des geforderten Beweises. 60 So Generalanwalt Carl-Otto Lenz in den Schlußanträgen zur Rs. C-387/92 v. 11. 1. 1994 (.Banco Exterior de España S.A./ Ayuntamiento de Valencia), Ziff. 71.

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den, daß ohne diese Maßnahme die besondere Aufgabe verhindert würde und diese auch verhältnismäßig und nicht diskriminierend ist, so kann ein Verstoß der Fördermaßnahme gegen das Beihilferegime des Art. 92 EGV an der wegen Art. 90 Abs. 2 EGV zulässigen Aufrechterhaltung der Maßnahme nichts ändern. Da die Kommission aber auch Art. 90 Abs. 2 EGV zu beachten hat, hilft ihr eine theoretische Einstufung der Maßnahme als unzulässige Beihilfe nicht weiter. Umgekehrt entsteht das Problem überhaupt erst, wenn die Fördermaßnahme sich als Beihilfe im Sinne der Art. 92ff. EGV darstellt; denn erst dann greift die Rechtfertigung durch Art. 90 Abs. 2 EGV ein. Gegen diese Einordnung des Art. 90 Abs. 2 als „Rechtfertigung" im Rahmen des Beihilferegimes spricht aber, daß sich dann bei einer Überprüfung von Art. 90 Abs.2 EGV im Rahmen des Beihilferegimes ein einzelner nicht auf die Privilegierung des Art. 90 Abs. 2 EGV berufen könnte, unabhängig von der Streitfrage, ob Art. 90 Abs.2 EGV überhaupt unmittelbare Anwendung zukommt. 61 Denn für diese Überprüfung nach Art. 93 EGV ist allein die Kommission zuständig. Sollte die Überprüfung, ob Art. 90 Abs. 2 EGV vorliegt, aber im Rahmen von Art. 92 EGV alleine der Kommission nach Art. 93 Abs. 1 EGV vorbehalten sein, so hätte man Art. 90 Abs. 2 EGV auch in die von Art. 92 Abs. 3 EGV behandelten Fälle aufnehmen können.62 Systematisch gesehen ist deshalb Art. 90 Abs. 2 EGV bei in Betracht kommenden Konstellationen vorab zu prüfen. Art. 90 Abs. 2 EGV geht deshalb dem Beihilferegime nach Art. 92 EGV als lex specialis vor. 63 Die Situation ist vergleichbar mit der Rechtsprechung des EuGH 61 Vgl. die Darstellung dieses Problemkreises in den Schlußanträgen zur Rs. C 387/92 Ziff. 47, oben Anm. 34; nach der neuesten Rechtsprechung im Fall Almelo Rs. C.393/92 Urteil des Gerichtshofes v. 27. 4. 1994, EuZW 1994, 408, ist es Sache der nationalen Gerichte zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 90 Abs. 2 EGV vorliegen (2c letzter Satz des Tenors). 62 So auch die spanische und griechische Regierung in der Rechtssache C-387/92 a.a.O, referiert in den Schlußanträgen von Carl-Otto Lenz Ziff.51 und 52. Für das Verhältnis zu Art. 85, 86 EGV hat der EuGH in dem vorerwähnten Fall Almelo ausdrücklich judiziert, daß unter diese Verbote nicht fällt, was durch Art. 90 Abs 2 EGV gedeckt ist (2c des Tenors). Dies impliziert eine vorrangige Prüfung von Art. 90 Abs. 2. EGV. 63 A.A. ist die Kommission in Rs. C-387/92 Schlußanträge Ziff. 53; der EuGH prüfte in einem Fall (Rs. 52/76, Benedetti / Munari, Slg. 77, S. 163, Urt. v. 3. 2. 1977) zuerst, ob eine Beihilfe vorlag und dann, ob die Sonderregel des Art. 90 Abs. 2 EWG nicht eingreift, kam aber nicht zu einer abschließenden Beurteilung mangels hinreichender Sachverhaltsinformationen; in der Rechtssache Steimke, Slg. 77, 595, Rn. 18, Urt. v. 22. 30. 1977, führte der EuGH aus:" Artikel 92 des Vertrages umfaßt - mit dem alleinigen Vorbehalt in Art. 90 Abs. 2 des Vertrages - sämtliche privaten und öffentlichen Unternehmen.". Dies stützt meiner Meinung nach die Annahme, daß Art. 90 Abs. 2 EGV vorab zu prüfen ist. In der schon erwähnten Rechtssache C-387/92, Urt. v. 15. 3. 1994 entschied der EuGH, daß die Zuständigkeit der Kommission nach Art. 93 EGV sich auch auf staatliche Beihilfen erstreckt, die den in Art. 90 Abs. 2 genannten Unternehmen gewährt werden, vgl. Ziff. 17 des Urteils. Der EuGH ließ die Frage, ob und in welchem Umfang die in diesem Fall vorliegende Beihilfe gemäß Art. 90 Abs. 2 EWG-Vertrag vom Verbot des Art. 92 ausgenommen sein könnte, ausdrücklich offen, vgl. Ziff. 21 des Urteils.

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zum Verhältnis von Art. 90 Abs. 2 EGV zu den Vorschriften des Wettbewerbsrechtes. 64 Nachdem Art. 90 Abs. 2 EGV allgemein vor Art. 92 auf sein Vorliegen zu überprüfen ist, 65 ist nicht ersichtlich, warum gerade im Bereich von Kulturbeihilfen im Sinne des Art. 92 Abs. 3 d EGV die Anwendbarkeit von Art. 90 Abs. 2 EGV ausgeschlossen sein soll. Diese Norm paßt sich zwanglos in das System ein. Die Kommission wird aus ihrer Sicht des Verhältnisses von Art. 90 Abs. 2 EGV und 92 EGV zueinander, die Gebühr anhand von Art. 92 EGV überprüfen. Sie kann anhand Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV aber nur den Teil der Gebühren messen, welcher auch wirklich zur Produktion von Kulturprogrammen verwendet wird, und nicht das gesamte Gebührenaufkommen, wie Selmer / Gersdorf wohl meinen.66 Die Aufgabe der Grundversorgung ist nicht nur mit der Gewährleistung von Kulturprogrammen erfüllt, sondern umfaßt die „volle Breite des klassischen Rundfunkauftrages". 67 Informationsprogramme wie Nachrichten, Politmagazine, Verbraucherinformationen, Dokumentationen u. ä. können nicht als Kulturbeiträge angesehen werden und fallen deshalb nicht in den Anwendungsbereich von Art. 92 Abs. 3 d EGV, sondern unter Art. 92 Abs. 1 EGV als allgemeine Beihilfe.

XI. Die Rundfunkgebühr als „Beihilfe"? Die Kommission wird zwar aus ihrer Sicht des Verhältnisses von Art. 90 Abs. 2 EGV und 92 EGV zueinander die Gebühr anhand von Art. 92 EGV überprüfen. Dabei muß sie als erstes die Frage prüfen, ob diese Gebühren überhaupt Beihilfecharakter (Leistung ohne jedwede Gegenleistung) haben. Einer Einstufung der Rundfunkgebühren als Beihilfe steht entgegen, daß Gebühren nach deutschem Recht durch das Element der Gegenleistung gekennzeichnet und auf einen konkreten Nutzungszusammenhang (Gegenleistung für konkrete Inanspruchnahme) ausgerichtet sind. 68 Da durch die Anmeldung des Rundfunk- und Fernsehgeräts die 64 Vgl. nur die Rs C-393/92 Almelo im Tenor der Entscheidung unter 2c, Urteil v. 27. 4. 1994; EuZW 1994, 408. 65 So schon EuGH Urteil v. 22. 3. 1977 Steimke, Slg. 1977 S. 595/612, offengelassen in EuGH Urteil v. 15. 3. 1994, Rs.C-387/92 Banco Exterior de España SA/ Ayuntamiento de Valencia Ziff.21, EuZW 1994, S. 346; vgl. auch Francis Rawlinson, in: Carl-Otto Lenz, Kommentar zum EG-Vertrag 1994, Vorbemerkungen zu Art. 92-94 EGV Rn. 16; Siegfied Magiern, in: Handkommentar zum EWG-Vertrag, 1991, zu Art. 92, Rn. 5, und auch die Mitteilung der Kommission über öffenliche Unternehmen im ABl. C 1993, 307/3 Ziff. 4. 66 Selmer/Gersdorf, a.a.O., S. 44 a.E. 67 Vgl. BVerfGE 83, S. (238), (6.Rundfunkurteil) wo es heißt: „Es muß sichergestellt sein, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für die Gesamtheit der Bevölkerung Programme anbieten, die umfassend und in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrages informieren." 68 Vgl. Günter Hermann, a.a.O., § 13 Rn. 1 ff.; Hans Jürgen Steimer, Grundprobleme der Rundfunkfinanzierung, 1985.

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Möglichkeit der Nutzung rechtlich gestattet, aber kein Entgelt für eine konkrete Inanspruchnahme, sondern nur für die Betriebsbereitschaft erhoben wird, wäre es korrekter, von einem Rundfunk- und Fernsehbeitrag zu sprechen.69 Obwohl die Zurechnung einzelner Kostenfaktoren zu der jeweiligen Höhe der Rundfunkgebühr/beitrag schwierig sein mag, zeigen diese Erwägungen, daß von einer staatlich oder staatlich veranlaßten „Beihilfe" in der Regel nicht gesprochen werden kann, jedenfalls nicht ohne eine sehr sorgfältige Analyse und Zurechnung der Kostenfaktoren. Käme die Kommission gleichwohl zu dem Schluß, daß es sich um eine „Beihilfe" handelt und daß die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland mit Gebühren beihilferechtlich nicht oder nicht im gegebenen Umfang gerechtfertigt ist, so müßte sie aber auf jeden Fall noch Art. 90 Abs. 2 überprüfen. Sie kann anhand Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV aber nur den Teil der Gebühren messen, welcher zur Produktion von Kulturprogrammen verwendet wird, und nicht das gesamte Gebührenaufkommen, wie Selmer/Gersdorf meinen.70 Die Aufgabe der Grundversorgung ist nicht nur mit der Gewährleistung eines „Kulturprogrammes" erfüllt, sondern sie umfaßt die „volle Breite des klassischen Rundfunkauftrages". 71 Informationsprogramme wie Nachrichten, Politmagazine, Verbraucherinformationen, Dokumentationen u. ä. können nicht als Kulturbeiträge angesehen werden und fallen deshalb nicht in den Anwendungsbereich von Art. 92 Abs. 3 d EGV, sondern unter Art. 92 Abs. 1 EGV als allgemeine Beihilfe. Art. 90 Abs. 2 geht aber auch hier als lex specialis vor.

XII. Schlußbemerkung Von Interesse bleibt die Frage, ob die Verwendung der Gebühren auch für die Programme, welche sich auch durch Werbung finanzieren lassen, erforderlich ist, um die übertragene besondere Aufgabe nach Art. 90 Abs. 2 EGV erfüllen zu können. Ist es möglich, zulässig oder gar geboten, zwischen mittels Werbegeldern finanzierbaren und nichtfinanzierbaren Sendungen im Hinblick auf die Grundversorgungsaufgabe und deren Finanzierung mittels Gebühren zu unterscheiden?

6

9 Zur Rechtsnatur der Rundfunkgebühr vgl. Hans Peter Ipsen, Die Rundfunkgebühr, 2. Aufl. 1958. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Rechtsnatur der Rundfunkgebühr als landesrechtlich zu ordnende Abgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, BVerwGE 29, S. 214, (215). Günter Hermann wertete 1965 die Rundfunkgebühr als „Beitrag zu den Kosten des allgemeinen Rundfunks", AöR 90, S. 324f., (340); ders., in: Rundfunkrecht, a.a.O., §31 Rn. 39 ff., (47). 70

Selmer/Gersdorf, a.a.O., oben Anm. 1, S. 9. 71 Vgl. BVerfGE 83, S. 238, (6.Rundfunkurteil): „Es muß sichergestellt sein, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für die Gesamtheit der Bevölkerung Programme anbieten, die umfassend und in der vollen Breite des klassischen Rundfunkauftrages informieren."

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Kann ein Teil der Grundversorgung mittels Werbung finanziert werden , so wären nach den Kriterien der Kommission72 Gebühren für diesen Teil nicht erforderlich, um die übertragene Aufgabe im Sinne des Art 90 Abs. 2 EGV erfüllen zu können, vorausgesetzt, daß durch die Werbefinanzierung eines abgrenzbaren Teiles des angebotenen Programmes die Erfüllung der übertragenen Aufgabe tatsächlich nicht verhindert würde. Die Verwendung der Gebühren für diese Sendungen müßte dann ausschließlich auf ihre Vereinbarkeit mit den Beihilfevorschriften überprüft werden, da dieser Teil der Grundversorgungsaufgabe eine Ausnahme nach Art. 90 Abs. 2 S. 1 EGV nicht rechtfertigen würde. Wegen des Prinzips der Wettbewerbsgleichheit müßte dieser Teil der Gebühren, folgt man dieser „Logik", möglicherweise mit den anderen (privaten) Wettbewerbern geteilt werden oder die Gebühr auf das Maß der nicht finanzierbaren Sendungen reduziert werden. Da mittels des Maßstabes des Art. 90 Abs. 2 EGV eine objektivierte Überprüfung der Erlaubnis zur Gebührenerhebung erfolgt, andererseits über die Einstufung der Gebühr als Beihilfe und ihre Vereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt nach Art. 92 Abs. 3 lit. d EGV eine m.E. allerdings stark gebundene Ermessensentscheidung von der Kommission zu treffen ist, ist es nicht nur theoretischer Natur, ob eine Trennung zwischen werbefinanzierbaren und nur durch Gebühren finanzierbaren Sendungen möglich ist und ggf. auch vorgenommen werden muß. Solange die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten von Verfassungs wegen die Grundversorgung zu gewährleisten haben, steht ihnen auch der dazu erforderliche Gestaltungsspielraum von Rechts wegen zu. Dabei handelt es sich um einen Spielraum, der es ihnen gestattet, flexibel und schnell ein attraktives und pluralistisches Programm mit einer angemessenen Mischung aus Nachrichten, Meinungsmagazinen, Unterhaltungssendungen, Musik etc. zu gestalten. Nur so könnten sie dieser verfassungsrechtlich hergeleiteten Aufgabe zur Grundversorgung genügen. Würde man die Sendungen in gebührenfinanzierbare und werbefinanzierbare unterteilen, was z.B. durch Ermittlung von Einschaltquoten möglich wäre, so hätte diese Trennung erheblichen Einfluß auf die Programmgestaltung. Jede Sendung bzw. jede neue Sendung müßte auf ihre Finanzierbarkeit überprüft werden. Prognosen im Hinblick auf die Attraktivität der jeweiligen Sendung wären erforderlich, um die Gebührengestaltung darauf auszurichten. Diese Umstände erschweren die Programmgestaltung erheblich, da die Frage der Finanzierung bei (fast) jeder neuen Sendung geklärt werden müßte. Für den - innerhalb einer Bandbreite flexiblen - öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsauftrag ist es deshalb als zulässig anzusehen, daß ein Mittelweg gegangen wird, der in beschränktem Maße Einnahmen durch Werbesendungen erlaubt und grundsätzlich eine Gebühr für eine auch attraktive, pluralistische Programmgestaltung vorsieht. Dabei läßt sich streiten, wie die Grenzen zu ziehen sind. Be72

Siehe Nachweise bei Selmer/Gersdorf,

a.a.O., S. 9.

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stünde für die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten nach dem EG-Beihilferegime eine Verpflichtung, attraktive Sendungen mit Werbespots zu finanzieren, so müßten im Gegenzug zwangsläufig die Werbebeschränkungen der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gelockert werden, damit das öffenlich-rechtliche Fernsehen sich auf diese Weise finanzieren kann und der Grundversorgungsauftrag nicht gefährdet wird. Eine solche Konsequenz ist aber weder in Art. 92 noch in Art. 90 Abs. 2 EGV angelegt. Denn soweit der Gebühr als Beitrag eine angemessene Gegenleistung gegenübersteht, handelt es sich schwerlich um eine Beihilfe i.S. von Art. 92 EGV. Soweit Zweifel am Charakter einer echten Gegenleistung angebracht sind, weil es sich um eine Art „Grundversorgung" handelt, für die nur ein Teil der potentiellen Empfänger Interesse haben (staatlicher Kultur- und Informationsauftrag), ist die Gebühr als kompensatorische Leistung nach Art. 90 Abs. 2 EGV berechtigt. Eine scharfe Abgrenzung der beiden Bereiche erübrigt sich deshalb, zumal der Bereich des „Grundversorgungsauftrages" nicht zu eng gesehen darf und auch die Sphäre dessen, was als echte „Gegenleistung" eingestuft wird, vage bleibt und bleiben muß. Im Ergebnis ist daher die Verwendung der „Gebühr" für die Gestaltung des kompletten Programmes im Hinblick auf den Grundversorgungsauftrag nicht zu beanstanden, solange private Fernsehanstalten diesen Auftrag nicht haben und der Grundversorgungsauftrag seine Legitimation behält. Im programmattraktiven Sektor haben die privaten Sender einen Werbevorteil, da sie gemäß dem Rundfunkstaatsvertrag von 1991 die Erlaubnis zur Sendung von mehr Werbeeinheiten pro Tag als die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten haben und im Gegensatz zu diesen auch noch nach 20.00 Uhr Werbung zeigen dürfen. 73 Dies hat auch schon praktische Auswirkungen dergestalt, daß die Werbeeinnahmen der öffentlichen-rechtlichen Fernsehanstalten drastisch gesunken sind, während die der privaten Sender ständig steigen.74 Mittels dieser umfassenderen Möglichkeit der Werbung können die privaten Sender Programme ausstrahlen, an welchen sich die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten finanziell nicht mehr beteiligen können, wenn sie die Aufgabe der Grundversorgung nicht wegen finanzieller Engpässe gefährden wollen. Da sie auch der Prüfung der Rechnungshöfe bezüglich der Verwendung ihrer Mittel unterliegen, 75 sind sie kaum in der Lage, einzelne Angebote auf dem Programmarkt zu Preisen zu erwerben, die für sich gesehen zwar wirtschaftlich „unvernünftig", für 73

Vgl. §§ 15-17 Rundfunkstaatsvertrag 1991, z. B. Amtsblatt des Saarlandes v. 17. 12. 1991, S. 1301 ff. für die Werbemöglichkeiten von ARD und ZDF und den Dritten Programmen (keine Werbung!) einerseits, sowie §§ 25-27 Rundfunkstaats vertrag 1991 für den privaten Rundfunk andererseits. 74 So sank der Werbeumsatz der ARD-Werbetöchter von 944 Mio. DM im Jahre 1988 auf 577 Mio. DM im Jahre 1992. Für die großen privaten Fernsehsender (RTL, Sat 1, Pro 7) errechnete man für das Jahr 1992 Werbeeinnahmen in Höhe von 3,2 Mrd. DM. 75 Vgl. § 30 Abs.3 des ZDF Staatsvertrages, z. B. Amtsblatt des Saarlandes v. 17. 12. 1991, S. 1301 ff.

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die Attraktivität des Programmes und die Zukunft des Senders jedoch von großer Bedeutung sein könnten. Der „Programmrenner Fußball" z. B. kann von den privaten Fernsehanstalten nur deshalb finanziert werden, weil teure Werbeblöcke in den Abendstunden plaziert werden können. Was in dieser Sparte mittlerweile in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten angeboten wird, ist ein „Restprogramm", das aus Zweitverwertungsrechten besteht, bzw. auf alten Sendeverträgen beruht. Trotz Geblihrenfmanzierung und damit verbundenem attraktivem Programm ist auch eine Erosion der Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu erkennen, was sich in sinkenden Einschaltquoten niederschlägt. Ein Wegfallen der Gebühr bei Programmen, die sich nur durch Werbung finanzieren ließen , würde die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten im Hinblick auf die Grundversorgungsaufgabe vor noch schwierigere Probleme stellen, als sie ohnehin schon, bedingt durch die Strukturvorgaben des Rundfunkstaatsvertrages, gegeben sind. Würde man den freien Wettbewerb auf die an und für sich werbefinanzierbaren Sendungen anwenden, was im Grunde die Abschaffung der Werbezeitbegrenzung bzw. Angleichung an die für Privatsender geltenden Regeln impliziert, so könnten die Privatsender aufgrund der fehlenden Rückkoppelung über die Verwendung ihrer Mittel und einen der Grundversorgung entsprechenden Auftrag die öffentlichrechtlichen Fernsehanstalten in einen ruinösen Wettbewerb zwingen, der bei Sendern wie RTL , Sat 1 und Pro 7 durch die dahinterstehenden finanzstarken Verlagsgruppen aufgefangen werden könnte. Im Sinne von Art. 90 Abs. 2 EGV gibt es deshalb gute Gründe dafür, daß eine strikte Trennung von werbe- und gebührenfinanzierbaren Sendungen, sofern dies möglich ist, die übertragene besondere Aufgabe der Grundversorgung nicht nur gefährden könnte, sondern auf absehbare Zeit durch den freien Wettbewerb mit den privaten Anbietern auch tatsächlich verhindert.

Die Schweiz und der Kulturgüterschutz in Europa Von Kurt Siehr* I. La Marquesa de Santa Cruz Francisco de Goyas Gemälde „La Marquesa de Santa Cruz", lange Zeit in spanischem Besitz der Nachkommen der Portraitierten, hatte seit Beginn dieses Jahrhunderts schon manchen Sammler angezogen und zu Kaufangeboten verleitet. Überliefert ist die Ablehnung solcher Angebote mit den Worten: „Ich kann doch meine Großmutter nicht verkaufen, oder?" 1 Erst im Jahre 1983 verkaufte die Eigentümerin das Gemälde für ca. 200.000 US-Dollar an einen Spanier. Was dann geschah, ist in mehrerer Hinsicht aufschlußreich: Da der Käufer das Gemälde für viel Geld weiterverkaufen wollte, mußte es einem ausländischen Kunstmarkt mit zahlungskräftigem Publikum zugeführt werden. Das war leichter ersehnt als verwirklicht; denn das Gemälde durfte wegen eines spanischen Exportverbotes nicht ausgeführt werden. Also mußten spanische Exportbewilligungen gefälscht werden. Mit solchen Dokumenten wurde das Gemälde aus Spanien ausgeführt, und zwar via Zürich nach London. Dort lieferte es die Endabnehmerin Overseas Art Investment Ltd., eine Liberia-Gesellschaft mit Sitz auf den British Virgin Islands, beim Auktionshaus Christie, Manson & Woods Ltd. zur Versteigerung ein. Christie's publizierten einen schönen Katalog mit der Abbildung des Gemäldes, schilderten dessen Provenienz - und sahen sich dann einer Klage durch das Königreich Spanien ausgesetzt2. Wieso diese Klage und die Entscheidung aus dem Jahre 1986 soviel Schwierigkeiten bereiteten, werde ich noch schildern. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung war, daß Spanien das Gemälde für 6 Millionen Dollar (also für das 30fache des ursprünglichen Kaufpreises) kaufte 3 und nun im Prado zur Schau stellt. Fragen läßt sich, was dieses Beispiel mit Kulturgüterschutz zu tun hat; denn ist es nicht einerlei, ob das Goya-Gemälde in Madrid, Malibu, London oder Zürich zu sehen ist? Überall wäre es bestens geschützt und bewahrt. Meine Frage zeigt, daß das Schlagwort „Kulturgüterschutz" mehrdeutig ist und mit ihm sehr unterschiedliche Interessen und Ziele bezeichnet werden. * Professor Dr. iur., M.C.L. (Ann Arbor), Universität Zürich. 1 Havemeyer, Sixteen to Sixty. Memoirs of a Collector, New York 1993, S. 172. 2 Kingdom of Spain v. Christie, Manson & Woods Ltd., [1986] 1 W.L.R. 1120 (Ch.D.). 3 Greenfield , The Return of Cultural Property, Cambridge 1989, S. 246. 10 Fechner u. a.

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II. Schutz vor Diebstahl 1. Problematik

Das „Annuaire international des oeuvres et objets d'art volés 1992-1993" verzeichnet mehrere Tausend Kunstwerke, die in den letzten Jahren, vor allem in Frankreich, gestohlen wurden 4. Daß nicht jedem Kunstwerk ein Diebstahl bekommt, bedarf keines Beweises. Doch wie schützen wir selbst unser eigenes Kulturgut? Die Sicherung obliegt jedem Eigentümer, Kunstmuseum oder ähnlichen Institutionen. Die Strafbarkeit des Diebstahls hat wohl noch keinen Spitzbuben von seinen Raubzügen abgehalten, und wie reagiert unser Privatrecht? Selbst gestohlene Sachen brauchen nach Ablauf von fünf Jahren vom gutgläubigen Erwerber nicht zurückgegeben zu werden5. Wir behandeln also jedes Kunstwerk wie ein altes Velo, lassen unserem Kulturgut keinen größeren Schutz angedeihen als jeder anderen Mobilie. Angesichts dieser Regeln und ähnlicher ausländischer Rechtsordnungen muß man sich fragen, ob man vom internationalen Recht einen wirksameren Schutz erwarten darf, als ihn das nationale Recht dem Kulturgut zugestehen will. Das Internationale Privatrecht jedenfalls kann einen effektiveren Schutz nur sehr bedingt leisten, weil es stets auf nationales Recht verweist.

2. Internationales Privatrecht

Daß das Internationale Privatrecht, also das ganz einfache nationale IPR nicht ganz hilflos ist, zeigen mehrere Gerichtsentscheidungen, die auch durch die internationale Presse bekannt geworden sind. Ein solcher Fall betraf byzantinische Mosaiken aus Nordzypern, die dort aus einer Kirche gestohlen und über München sowie Genf nach Indianapolis verkauft wurden. Dieser Erwerb blieb nicht lange verborgen, auch nicht der zyprischen Kirche. Diese klagte in den Vereinigten Staaten auf Rückgabe und war in beiden Instanzen erfolgreich 6. Das amerikanische IPR und materielle Recht, also kein Staatsvertrag, werteten das Recht des Bestohlenen höher als die leichtfertige Gutgläubigkeit der etwas naiven Kunsthändlerin aus Indianapolis. Zu hoffen ist, daß dieser Fall in der Schweiz ebenso entschieden würde, hätte ein Schweizer Kunsthändler die Mosaiken erworben. Die Zürcher Affaire um die in Nigeria gestohlene Benin-Statue vor einigen Jahren legt diesen Schluss nahe7. Sicherheit gäbe allerdings erst ein bindender und direkt anwendbarer Staats vertrag. 4

Annuaire international des oeuvres et objets d'art volés 1992-1993, Paris 1993, S. 1 ff. 5 Vgl. Art. 9341 Schweiz. ZGB.

6 Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. 717 F.Supp. 1374 (S.D.Ind. 1989), affirmed 917 F.2d 278 (7th Cir. 1990). 7 Vgl. Obayemi/Pemberton III, The Recovery of a Benin Bronze Head: African Arts, Juli 1991, S. 8-12.

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3. Übereinkommen von UNIDROIT

Bisher standen staatsvertragliche Regelungen gegen den Kulturgüterraub nicht im Vordergrund zwischenstaatlicher Bemühungen. Diese bezogen sich auf Kulturgüterschmuggel, jedoch kommen diese, wie sich zeigen wird, auch gestohlenen Kulturgütern zugute. Das Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT) in Rom hat ein Übereinkommen ausgearbeitet, das die Rückgabe gestohlener Kulturgüter regelt. Der Übereinkommensentwurf 8 geht bei gestohlenen Kulturgütern von drei Prinzipien aus: - Gestohlene Kulturgüter müssen zurückgegeben werden. - Der Rückgabeanspruch geht weder durch gutgläubigen Erwerb noch durch Ersitzung, Verwirkung oder Verjährung verloren, wenn der Rückgabeanspruch rechtzeitig geltend gemacht wird. - Der gutgläubige Erwerber wird entschädigt, wenn er die gestohlene Sache zurückgibt. Dieser Übereinkommensentwurf ist im Juni 1995 von einer diplomatischen Konferenz in Rom etwas revidiert und dann gebilligt worden 9.

I I I . Schutz vor illegalem Export von Kulturgütern 1. Problematik und Probleme

In vielen Staaten dürfen nationale Kulturgüter ohne staatliche Bewilligung nicht exportiert werden. Die Gründe für diese Haltung sind vielschichtig. Wie der eingangs geschilderte Fall um Goyas „La Marquesa de Santa Cruz" zeigt 10 , geht es bei dem spanischen Exportverbot nicht um den Schutz von Kulturgütern vor Zerstörung, Zerstückelung oder Gefährdung. Vielmehr ist häufig sogar das Gegenteil der Fall: Exportverbote führen unweigerlich zu Schmuggel, also zu illegalem Handel und damit zur Gefährdung von Kulturgütern. Deshalb werden auch Exportverbote nicht mit dem Schutz von Kulturgütern vor physischen Gefahren gerechtfertigt; denn ein Goya-Gemälde ist im Prado wohl genauso gut aufgehoben wie in jedem anderen Museum derselben Grössenkategorie. Im Vordergrund steht bei Exportverboten vielmehr die Furcht, nationales Kulturgut könne das Land verlassen und damit dem inländischen Bedürfnis nach Selbstdarstellung im Inland verloren-

8 Draft UNIDROIT Convention on the International Return of Stolen or Illegally Exported Cultural Objects (draft of October 1993): International Journal of Cultural Property 3 (1994), S. 303. 9 Vgl. die vorgesehene Publikation des Übereinkommens in: International Journal of Cultural Property 5 (1996), Heft 1. 10 Vgl. oben Anm. 2. 10*

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gehen. Dieser Kulturgüterschutz ist national geprägt und dient primär dem Schutz der Nation vor psychischer Gefährdung durch Verlust von eigenem Kulturgut. Nicht alle Staaten verbieten den Export von Kulturgüter. Wenn sie es jedoch tun, bezieht sich das Exportverbot nur auf die im Inland belegenen Kulturgüter und mißbilligt nicht den Import ausländischer Kulturgüter. So kommt es, dass bis heute kein Staat ausländische Verbote, Kulturgüter zu exportieren, honoriert und geschmuggelte Kulturgüter dem Herkunftsstaat nach autonomem Recht, d. h. ohne spezielle zwischenstaatliche Vereinbarungen oder Spezialgesetze, zurückgibt. Dies ist auch Englands Haltung im eingangs erwähnten Goya-Fall 11 . Die Schweiz steht auf demselben Standpunkt und beachtet Exportverbote nur indirekt 12 . Abhilfe können auch hier nur internationale Übereinkünfte schaffen.

2. UNESCO-Übereinkommen von 1970

Das UNESCO-Übereinkommen vom 14. 11. 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut 13 , ist zwar von vielen Staaten ratifiziert worden, jedoch mit zwei schwerwiegenden Nachteilen behaftet: Zum einen haben nur wenig importierende Staaten das Übereinkommen ratifiziert, und zum anderen haben es viele Vertragsstaaten bisher versäumt, die nicht unmittelbar geltenden Vertragsbestimmungen in innerstaatliches Recht umzuwandeln. Das UNESCO-Übereinkommen von 1970, das die Schweiz ratifizieren will 1 4 , hat das Verdienst, zum ersten Mal auf das Problem illegalen Kunsthandels aufmerksam gemacht zu haben. Um diesem Treiben zu begegnen, verpflichtet das Übereinkommen die Vertragsstaaten, den Ankauf illegal exportierter Kulturgüter durch Museen zu verhindern, den Import solcher Gegenstände zu untersagen und die Erwerber zur Rückführung gegen Entschädigung bei Gutgläubigkeit zu verpflichten (Artikel 7). Obwohl viele Staaten den Export eigener Kulturgüter verbieten, respektieren sie entsprechende ausländische Verbote nicht. So klagte z. B. der französische Staat erfolglos vor italienischen Gerichten auf Rückgabe illegal aus Frankreich exportierter Gobelins, obwohl Italien selbst einen solchen Export verboten hätte. Das itaVgl. Attorney General of New Zealand v. Ortiz, [1982] 2 W.L.R. 10 (Q.B.), [1982] 3 All E.R. 432 (Q.B.), [1984] 1 A.C. 1 (C.A., H.L.). 12 Die Schweiz dürfte kaum Art. 19 IPRG anwenden und ausländische Exportverbote unmittelbar durchsetzen. Eher dürften die schweizerischen Gerichte wie im deutschen NigeriaFall (BGH 22. 6. 1972, BGHZ 59, 82) vorgehen. 13 UNESCO Convention of 14 November 1970 on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property, 823 U.N.T.S. 231. 14 Vgl. Eidgenössisches Department des Innern (Hrsg.), Handel und Verkehr mit Kulturgütern und die Schweiz, Bern 1993 (unveröffentlichtes Dokument), S. 3.

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lienische Gericht begründete seine Entscheidung damit, das UNESCO-Übereinkommen von 1970 sei noch nicht in nationales Recht transformiert worden 15 . Besser wäre es gewesen, die Anwendung des Übereinkommens deshalb abzulehnen, weil Frankreich es nicht ratifiziert hatte, also keine Vertragspartei geworden war, und die Rückgabe kraft nationalen Rechts anzuordnen. Mittlerweile hat Frankreich zumindest einen Gobelin zurückgekauft und nach Frankreich zurückgebracht 16.

3. Übereinkommen von UNIDROIT

Das erwähnte Übereinkommen von UNIDROIT über die internationale Rückgabe gestohlener oder illegal exportierter Kulturgüter 17 enthält in seinem Kapitel III Bestimmungen über die Rückgabe illegal exportierter Kulturgüter. Diese Bestimmungen sollen die bislang praktizierte Mißachtung ausländischer Verbote, Kulturgüter zu exportieren, zwischen den Vertragsstaaten beenden und die Vertragsstaaten verpflichten, außer Landes geschmuggelte Kulturgüter fremder Staaten zurückzugeben. Wäre das bereits genannte Goya-Gemälde „La Marquesa de Santa Cruz" 18 unter Geltung eines zukünftigen UNIDROIT-Übereinkommens aus Spanien nach England geschmuggelt worden, und hätten beide Staaten dieses Übereinkommen ratifiziert, so könnte Spanien in England die Rückgabe des Gemäldes verlangen. Bei Gutgläubigkeit des Besitzers oder Eigentümers müßte Spanien diesen entschädigen, sofern der Eigentümer das Gemälde nicht behalten und in seiner Wohnung in Spanien oder als Leihgeber eines spanischen Museums besitzen will. Das UNIDROIT-Übereinkommen führt also nicht ohne weiteres dazu, daß das Gemälde öffentlich zugänglich wird. Die Rückgabe in das Herkunftsland ist keine Enteignung. Es gibt jedoch Länder, die einen illegal exportierten Kunstgegenstand dem Staat für verfallen erklären, als Schmuggelgut einziehen und damit in Staatseigentum überführen. In diesen Fällen wird ein zurückgeführtes Kulturgut als Staatseigentum öffentlichen Museen anvertraut.

4. Europäische Union

Was bei der UNIDROIT bis zum Inkrafttreten des Übereinkommens von Rom noch Zukunftsmusik ist, soll in der Europäischen Union seit 1994 bereits geltendes Recht sein. Denn der Rat der Europäischen Union erließ am 15. 3. 1993 eine Richtlinie über die Rückgabe von unrechtmässig aus dem Hoheitsgebiet eines Mit15 Tribunale di Roma 27. 6. 1987 (Stato francese c. Ministero per i beni culturali e ambientali e De Contessini), Riv.dir.int. 71 (1988), S. 920. 16 Vgl. Bourguignon , Retour en France d'une tapisserie volée, Journal des arts, November 1994, S. 2. 17 s. oben Anm. 8 und 9. 18 s. oben Anm. 2.

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gliedstaates verbrachten Kulturgütern 19. Hintergrund dieser von den Mitgliedstaaten umzusetzenden Richtlinie ist der europäische Binnenmarkt, der auf Grund der Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. 2. 1986 20 Anfang des Jahres 1993 entstand. Damit fielen die Zollgrenzen zwischen den Mitgliedstaaten der EU, und vor allem die Mittelmeerländer fürchteten, ihre Verbote, Kulturgut zu exportieren, würden wirkungslos und es könnte einen „cultural drain", einen Abfluß von Kulturgütern nach Nordeuropa geben. Bisher haben noch lange nicht alle Mitgliedstaaten der EU die Richtlinie vom 15. 3. 1993 in nationales Recht umgesetzt21. Wenn dies jedoch der Fall sein wird, und ein Italiener seine Gemälde ins Ausland bringen will, um sie in London versteigern zu lassen, so sehen die Richtlinie und deren nationale Ausführungsvorschriften folgendes vor: Italien kann direkt oder über die britische zentrale Stelle die Rückführung des Gemäldes nach Italien verlangen, wenn folgendes nachgewiesen wird: - das Gemälde muß nationales Kulturgut i.S. der Richtlinie sein, - das Gemälde muß zu denjenigen Kulturgütern gehören, die nach italienischem Recht ohne staatliche Genehmigung nicht außer Landes gebracht werden dürfen, - das Verbringen des Gemäldes nach London muß nach italienischem Recht rechtswidrig sein, - das Begehren auf Rückführung muß rechtzeitig erfolgen, d. h. - innerhalb von 30 Jahren nach dem unrechtmäßigen Verbringen und - binnen eines Jahres, seitdem Italien vom Ort der Belegenheit des Kulturguts und der Identität seines Eigentümers oder Besitzers Kenntnis erhalten hat, - Italien muß einem gutgläubigen Eigentümer eine angemessene Entschädigung zahlen. Diese Regelung bedeutet eine völlige Umkehr vom bisher geltenden Recht in zweierlei Hinsicht: - Das europäische Recht verpflichtet die Mitgliedstaaten, fremde Verbringungsverbote im Inland zu honorieren und unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter zurückzuführen. - Der Rückführungsanspruch geht absolut erst 30 Jahre nach der unrechtmäßigen Verbringung verloren und erst 1 Jahr nach positiver Kenntnis der Anspruchsvoraussetzungen.

19 ABl. EG 1993 L 74/74. 20 Single European Act of 17/28 February 1986, ABl. EG 1987 L 169/1. 21 Bis zum 31. 12. 1994 hatten nur Dänemark, Irland, Spanien und das Vereinigte Königreich die Richtlinie umgesetzt.

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Die Richtlinie hat nur beschränkte Auswirkungen auf das inländische Recht. Wird nämlich ein in Italien gestohlenes Kulturgut in Italien gutgläubig erworben und dann unrechtmässig außer Landes gebracht, so kann Italien die Rückführung der Sache verlangen, aber nicht den gutgläubigen Erwerb rückgängig machen. Ob das Kulturgut wegen der verbotenen Verbringung konfisziert werden darf, liegt bei Italien. Doch dies ist nicht das ganze Problem der Richtlinie. Eine noch ungelöste Frage stellte sich vor einiger Zeit. Die Familie Pagenstecher-Lutterotti war nach Italien gezogen und lebte dort mit ihrer Sammlung von Gemälden französischer Impressionisten 20 Jahre lang. Nach dem Tod ihres Ehemannes wollte Frau PagenstecherLutterotti zu ihrer Schwester nach England ziehen und natürlich ihre Gemälde mitnehmen. Dem widersprach Italien: Die Gemälde seien italienisches Kulturgut, und deren Verbringung ins Ausland sei nach italienischem Recht verboten 22. Damit kollidierte nationale Kulturpolitik mit einer der vier Grundfreiheiten der EU, mit der Niederlassungsfreiheit; denn was nützt die Freizügigkeit innerhalb Europas, wenn jeder Mitgliedsstaat privates Eigentum, selbst wenn es erst vor wenigen Jahren ins Land gebracht worden ist, als nationales Kulturgut für sich in Anspruch nehmen und dessen Verbringung verbieten kann. Leider entschied sich Frau Pagenstecher-Lutterotti für die italienische Sonne und gegen den Londoner Nebel, blieb in Italien und entzog deswegen einem möglichen Prozess vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Grundlage. So bleibt dieses Problem noch ungelöst und harrt der nächsten Gelegenheit für eine Klärung.

IV. Schutz bestimmter Kulturgüter 1. Archäologische Funde

Allzu leicht werden alle verschiedenen Kulturgüter nach denselben Kriterien beurteilt. Zumindest bedürfen archäologische Kulturgüter besonderer Regelungen; denn diese Gegenstände haben nur zusammen mit ihrem Kontext wissenschaftliche Bedeutung. Lediglich wenn bekannt ist, wo eine Sache gefunden worden ist, in welcher Bodenschicht und zusammen mit welchen anderen Gegenständen, kann der archäologische Gegenstand gewürdigt werden. Deswegen sollten alle bekannten und potentiellen Grabungsfelder bewacht und vor Grabräubern geschützt werden. Zusätzlich müßte die Nachfrage nach archäologischen Kulturgütern unterbunden oder zumindest vermindert werden. Dies könnte dadurch geschehen, daß archäologische Kulturgüter nur mit Provenienznachweis gültig veräußert und erwor22

Vgl. Consiglio di Stato 24. 1. 1989, n. 22 (Pagenstecher c. Provincia autonoma di Bolzano), II Consiglio di Stato, Rassegna di giurisprudenza e dottrina 40 I (1989) S. 41; 23. 9. 1991 n. 7, Riv.dir.int.priv.proc. 29 (1993) S. 431; Lemme, II caso Pagenstecher é chiuso: Rimane aperto il problema dell' oggetto di tutela, in: Lemme, Tra arte e diritto, Turin 1993, S. 163-168.

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ben werden können. Wie das zu erreichen ist, ist nicht leicht zu beantworten. Eine Möglichkeit wäre, einen gutgläubigen Erwerb abzulehnen und deswegen bei Rückgabeprozessen eine Entschädigung zu verweigern, wenn der Erwerber den archäologischen Gegenstand ohne Provenienznachweis erworben hat 23 .

2. Zeugnisse lebender Glaubens- oder Volksgemeinschaften Aus einem ganz anderen Grund bedürfen eines besonderen Schutzes die in Gebrauch befindlichen Zeugnisse lebender Glaubens- oder Volksgemeinschaften. Zu solchen Gegenständen gehören z. B. Totems afrikanischer Völker oder Kultgegenstände religiöser Verehrung, wie etwa der kürzlich gestohlene „bambino" aus der Römischen Kirche „Santa Maria in Aracoeli", nicht aber die heute in Museen aufgewahrten Altäre christlicher Kirchen. Die heute noch gebrauchten Gegenstände lebender Gemeinschaften sollten dem Handel entzogen sein und müßten stets zurückgegeben werden, einerlei wie man zu den anderen Kulturgütern steht24.

V. Behandlung von Altlasten 1. Uralt-Lasten Bereits im Altertum wurden Kunstwerke geraubt, gestohlen, erpresst und als Beutegut verschleppt 25. Die ägyptischen Obelisken in Rom, Paris und London zeugen von diesen Sitten ebenso wie die Berichte von Flavius Josephus26 oder die Reden Ciceros gegen Verres 27. Wollte z. B. Ägypten diese Obelisken zurückfordern und dies rechtlich begründen, hätte dieser Staat keine Aussicht auf Erfolg; denn im Altertum war Plündern und Beutemachen nicht verboten, besiegte Feinde waren rechtlos, wurden als Sklaven behandelt, und selbst Fremde genossen wenig Rechte. Durch Zeitablauf wird ein ehemals rechtmäßiges Geschehen nicht nachträglich unrechtmäßig.

23 Siehr, International Art Trade and the Law: Ree. des Cours 243 (1993-VI), S. 9-292 (264, 271 f.). 24 Genauer hierzu Siehr (Anm. 23), S. 244 f. 25 Überblick bei Siehr, Kunstraub und das internationale Recht: SchwJZ 1981, S. 189-197, 207-212 (191 f., 209 f.). 26 Flavius Josephus, De bello judaico. Der jüdische Krieg. Griechisch und Deutsch, Bd. II 2, Darmstadt 1969, S. 102 f. (Buch 7, Kapitel 5 § 5): Beraubung des Tempels in Jerusalem. 27 Marcus Tullius Cicero, Sämtliche Reden (hrsg. von Fuhrmann) III, Zürich / Stuttgart 1971, S. 126-133; IV, ebd. S. 148-231 (2. Rede gegen Verres 146-61, IV 3-151).

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2. Verluste aus Zeiten der Fremdherrschaft

Die Elgin-Marbles des Parthenon in Athen gelangten nach England, als Griechenland noch unter türkischer Herrschaft stand28. Aus Ibero-Amerika flössen Schätze nach Europa seit der Eroberung durch europäische Mächte, unter anderem auch nach Wien und in andere Städte. Im Laufe der Kolonisation ganzer Erdteile füllten sich europäische Sammlungen und Völkerkundemuseen mit Kunst- und Gebrauchsgegenständen der außereuropäischen Kulturen. Müssen heute diese Kulturgüter an die Herkunftsländer zurückgegeben werden? Haben diese Länder einen klagbaren Rechtsanspruch auf Rückgabe dieser Kulturgüter? Als Jurist habe ich nicht zu untersuchen, ob es moralische oder sittliche Ansprüche auf Rückgabe gibt; denn gerade weil die Anschauungen über Moral, Sitte und Anstand divergieren, gibt es Rechtsnormen, die für alle gelten und unabhängig von individuellen Ansichten durchsetzbar sind. Es gibt zwei verschiedene Typen von Rechtsordnungen mit unterschiedlichem räumlichen Geltungsbereich: einerseits nationale Rechtsordnungen mit national beschränktem Geltungsbereich und andererseits Völkerrecht mit internationalem Geltungsbereich. Was das nationale Recht angeht, so ist mir keine Rechtsordnung bekannt, die einen ausländischen Anspruch auf Rückforderung von solchen Kulturgütern anerkennt, die in Zeiten der Fremdherrschaft im Ausland außer Landes gebracht worden sind. Sofern ehemalige Kolonial- oder andere Herrschaftsmächte Kulturgüter zurückgegeben haben, taten sie dies entweder auf Grund nationaler Gesetze (Dänemark im Verhältnis zu Island 29 ), auf Grund völkerrechtlicher Verträge (Österreich im Verhältnis zu Ungarn und zur Tschechoslowakei30) oder freiwillig ohne Anerkennung einer Rechtspflicht (Belgien gegenüber Zaire 31 ). Allein das nationale Recht der rückfordernden Staaten bindet nicht diejenigen Staaten, von denen Kulturgüter zurückgefordert werden. Dazu bedarf es übernationaler völkerrechtlicher Normen, die beide Staaten binden, sowohl den anspruchstellenden Staat als auch den Staat, von dem etwas verlangt wird. Die heute geltenden völkerrechtlichen Verträge haben ausdrücklich keine rückwirkende Kraft und verpflichten die Vertragsstaaten lediglich zu vertragskonformem Verhalten seit Inkrafttreten der Verträge. Wenn ein Staat dem Vertrag rückwirkende Kraft beilegt, bindet dies die ande28 St. Clair , Lord Elgin and the Marbles, London 1967, S. 89 f. („firman" der Hohen Pforte vom 6. 7. 1801). 29 Greenfield (oben Anm. 3), S. 35-43; Walter, Altisländische Handschriften vor dänischen Gerichten: ZaöRV 27 (1967) 278 ff. 30

Convention spéciale du 4 mai 1920 afin de résoudre les controverses relatives au patrimoine historique et artistique de l'ancienne monarchie austro-hongroise, und Convention of 18 May 1920 between the Republic of Austria and the Czechoslovakian Republic Concerning the Implementation of Certain Provisions of the Treaty of St. Germain, beide Verträge bei: Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, Berlin 1991, S. 259 und 266. 31

H. van Geluwe , Belgium's Contribution to the Zairian Cultural Heritage: Museum 31 (1979) Nr. 1,S. 32 ff.

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ren Vertragsstaaten nicht; denn einseitiges Handeln eines Staates kann einem anderen Staat keine Pflichten auferlegen, die er nicht selber freiwillig und durch eigenes Tun übernommen hat. Fazit ist: Vergangenheit bleibt Vergangenheit und wird selbst dann rechtlich nicht aufgerollt, wenn noch so überzeugende moralische Ansprüche erhoben werden.

3. Kriegsverluste aus jüngster Vergangenheit

Seitdem die Mauern im Osten gefallen sind und der westliche Markt auch dem Osten offensteht, taucht so manches kriegsverschollene Kunstwerk im Westen auf. Aber auch aus dem amerikanischen Westen kamen Meldungen über Kriegsbeute in Nachlässen amerikanischer Soldaten. Ebenfalls zu schweizerischen Kunstauktionen können solche Schätze eingeliefert werden, und dann erhebt sich wie überall die Frage, wem diese Kulturgüter gehören. Für diese Kriegsverluste gelten dieselben Grundsätze wie für die Verluste aus Zeiten der Fremdherrschaft. Ebenfalls hier gilt nationales Recht nur im Herrschaftsbereich der jeweiligen Rechtsordnung. Wenn also Russland den Schliemann-Schatz des Priamos für legale Kriegsbeute erklären sollte 32 , so kann diese nationale Haltung andere Staaten nicht binden, insbesondere geschriebenes und ungeschriebenes Völkerrecht nicht außer Kraft setzen. Aber solche Völkerrechtsnormen gelten in vorliegendem Fall; 'denn das Plündern und Beutemachen ist seit einiger Zeit völkerrechtlich verboten 33, und außerdem haben sich die ehemalige Sowjetunion und später erneut Rußland vertraglich verpflichtet, Beute aus dem Zweiten Weltkrieg dem Herkunftsland zurückzugeben 34. Das eigentliche Problem ist vielmehr recht banal und für einen Nichtjuristen kaum verständlich: Wie setzt man Völkerrecht gegenüber einem Staat durch, der nicht freiwillig seine völkerrechtlichen Pflichten erfüllt? Dieses Problem erleben wir täglich, wenn im Fernsehen über Kriege und Kriegsverbrechen berichtet und in den übrigen Medien über fehlende Sanktionen geklagt wird. In den Vereinigten Staaten ist bereits häufig mit Erfolg auf Rückgabe von Kriegsbeute geklagt worden. Das bekannteste Beispiel ist der New Yorker Prozeß 32 Bisher liegt nur eine russische Stellungnahme einiger Mitglieder einer russischen Kommission vor: Frankfurter Allgemeine Zeitung 14. 5. 1994, S. 27; 16. 8. 1994, S. 25. 33 Vgl. Art. 56 der Haager Landkriegsordnung (Convention concerning the Laws and Customs of War on Land) i.d.F. vom 18. 10. 1907, 205 C.T.S. 277; und Trial of the Major War Criminals before the International Military Tribunal, Nürnberg 1948, Bd. 22, S. 411 ff., 482 ff., 540 f. 34

Vgl. Art. 16 des Abkommens vom 9. 11. 1990 über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, BGBl. 1991 II, S. 703; Art 15 des Kulturabkommens vom 16. 12. 1992 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über kulturelle Zusammenarbeit, BGBl. 1993 II, S. 1256.

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um die Rückgabe von zwei Dürer-Portraits an das Kunstmuseum in Weimar 35 . Diese Gemälde waren kurz nach Beendigung der Kampfhandlungen im Mai 1945 von einem amerikanischen Gl erbeutet und dann in New York an einen Käufer veräussert worden, der jahrelang nicht wußte, welche Preziosen er in seinem Rur hängen hatte. In der Schweiz hätte ein Herausgabeprozess nach soviel Jahren gutgläubigen Besitzes keinen Erfolg gehabt. Denn wir behandeln rechtlich jedes Kunstwerk wie ein altes Velo und sprechen nach fünf Jahren gutgläubigen Besitzes die ersessene Sache dem Besitzer zu 3 6 . Anders das New Yorker Recht: Ein gutgläubiger Erwerb jeder Sache ist so gut wie ausgeschlossen, und Ausschlußfristen beginnen erst dann zu laufen, wenn der Rechtsinhaber erfahren hat, gegen wen er seine Ansprüche auf Rückgabe geltend machen muß 37 . Was in den Vereinigten Staaten möglich ist, müßte überall erreichbar sein. Die Realität sieht jedoch anders aus. Denn höchst zweifelhaft ist, ob ein Prozeß deutscher Museen in Rußland auf Rückgabe des Schliemann-Schatzes Erfolg haben würde. Und selbst in anderen Ländern dürften zu generelle Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb, die Ersitzung und den Fristablauf einer Rückgabe entgegenstehen.

VI. Unbewegliche Kulturgüter Unbewegliche Kulturgüter wie z. B. Kirchen, Schlösser, Tempel oder andere Bauwerke geben nur dann Anlass zu internationalen Verwicklungen, wenn diese Immobilien geplündert oder wenn vormals unbewegliche Dekorationen ganz legal in bewegliche Kulturgüter verwandelt worden waren. Beispiele hierfür sind die Plünderung von Angkor durch den jugendlich ungestümen André Malraux 38 , der Raub byzantinischer Mosaiken aus Kirchen in Nordzypern 39, die Zertrümmerung so mancher präkolumbischer Kulturdenkmäler Ibero-Amerikas in der Absicht, die abgeschlagenen Teile zu verkaufen 40, und der Verkauf der legal abgelösten Fresken von Casenove in die Schweiz41. Sobald diese Kunstwerke zu beweglichen Sachen 35 Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 536 F.Supp. 829 (E.D.N.Y. 1981), affirmed 678 F.2d 1150 (2d Cir. 1982). Der Fall begann als Federal Republic of Germany v. Elicofon, 358 F.Supp. 747 (E.D.N.Y. 1972), affirmed in Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon, 478 F.2d 231 (2d Cir. 1973), cert. den. 415 U.S. 931 (1974). Hierzu Drobnig , Amerikanische Gerichte zum internationalen Sachenrecht auf dem Hintergrund der Teilung Deutschlands: IPRax 1984, S. 61-65. 36 Art. 717, 934 Abs. 1 Schweiz. ZGB. 37 Solomon R. Guggenheim Foundation v. Lubell, 567 N.Y.S. 2d 623 (1991). 38 Vgl. Clara Malraux , Nos vingt ans, Paris 1966, S. 314 f. 39 Autocephalous Greek Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc. (oben Anm. 6). 40 Vgl. Siehr (oben Anm. 23), S. 172-176. 41 Cour d'appel de Montpellier 18. 12. 1984 (Ville de Genève et Fondation Abegg c. Consorts Margail), Rev.crit. 74 (1985) S. 559 mit Anm. Batiffol; Cass. 15. 4. 1988 (Fondation Abegg et Ville de Genève c. Mme Ribes), Rev.crit. 78 (1989), S. 100 mit Anm. Droz.

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geworden sind, ergeben sich dieselben Probleme wie bei allen anderen beweglichen Kulturgütern. Zusätzlich jedoch besteht ein Problem, das mit einem unbeweglichen Kulturdenkmal als Gesamtkunstwerk zusammenhängt. Wie verhindert man, daß Gesamtkunstwerke geplündert und zerstört werden und gerade dadurch ihren Charakter als Gesamtkunstwerk verlieren? Auch hier müßte man wie bei archäologischen Funden und dann, wenn der Kunstgegenstand als Teil eines Bauwerks erkennbar ist, einen Provenienznachweis verlangen, bevor man einen gutgläubigen Erwerb zulässt. VII. Zusammenfassung Will man das bisher Gesagte zusammenfassen, so läßt sich dreierlei sagen.

1. Internationale Rechtshilfe

Im Europa der Europäischen Union beginnt sich ein System der Kulturkooperation zu entwickeln, das einerseits zu begrüßen ist, andererseits Zweifel hervorruft. Zu begrüßen ist die internationale Rechtshilfe bezüglich gestohlener Kulturgüter. Zweifel regen sich jedoch bei der Durchsetzung nationaler Verbringungsverbote; denn diese Rechtshilfe internationisiert einen Kulturnationalismus, schränkt das Privateigentum bedenklich ein und droht, die Niederlassungsfreiheit zu begrenzen.

2. Vergangenheitsbewältigung

Die antike, imperiale oder kolonialistische Vergangenheit läßt sich nur gemeinsam mit allen beteiligten Staaten rechtlich bewältigen. Das ist bisher nicht geschehen, und es besteht auch wenig Aussicht, daß dies in absehbarer Zeit erfolgt. Nur wo völkerrechtliche Normen gemeinsame Grundlagen bereitstellen, ist an eine Bereinigung der Vergangenheit zu denken. Häufig dürfte auch diese Bereinigung deshalb ausbleiben, weil Völkerrecht ohne Kooperation der Beteiligten nur schwer durchsetzbar ist. 3. Kulturpolitik

Zum Schluß stellt sich die Frage, nach welchen Prinzipien man bewegliche Kulturgüter schützen, bewahren und sonstwie behandeln soll. Thesenartig möchte ich folgende Grundsätze formulieren: - Schutz ist wichtiger als die Frage, wo ein Kulturgut aufbewahrt wird. Insofern ist jeder Inhaber von Kulturgut nur Treuhänder für die gesamte Menschheit. - Gestohlenes Kulturgut ist stets zurückzuerstatten. Registrierte Kulturgüter von überragender Bedeutung sollten dem Handel ganz entzogen sein.

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- Besonderheiten gelten für archäologische Kulturgüter, Zeugnisse gelebter Glaubens- und Volksgemeinschaften und für Teile von Bauwerken. Sie sollten nur mit Provenienznachweis handelbar sein. - Kulturgut in Privatbesitz sollte nur dann als nationales Kulturgut vom Lagestaat in Anspruch genommen werden können, wenn der betreffende Gegenstand seit langer Zeit im Lagestaat ist und übernational als Zeugnis der Kultur des Lagestaates angesehen wird. - Kulturgüterschutz ist teuer. Selbst der Staat ist heute überfordert, wenn von ihm der Schutz allen Kulturgutes verlangt wird. Deshalb ist Privatinitiative durch Sammler, Liebhaber und Sponsoren notwendig. - Kulturgut wird am besten an Ort und Stelle geschützt. Ausländische Rechtshilfe dürfte lokale Spitzbuben kaum von ihrem Tun abhalten. Deshalb darf jegliche Form internationalen Kulturgüterschutzes nicht überschätzt werden.

Vom territorialen zum humanitären Kulturgüterschutz Zur Entwicklung des Kulturgüterschutzes nach kriegerischen Konflikten

Von Wilfried Fiedler*

I. Praxis und Entwicklung eines rechtlichen

„Beuteverbots"

Das geltende Völkerrecht ist nicht arm an Beispielen der gelungenen Restitution von Kulturgütern nach kriegerischen Konflikten. 1 Dennoch herrscht der Eindruck vor, die spektakulärsten Fälle der Rückführung von Kulturgütern seien im Bereich des internationalen Privatrechtes und auf Initiative der jeweiligen Eigentümer zu verbuchen. So liefern die mit sehr viel Aufwand betriebenen Fälle Elicofon 2 und des Quedlinburger Domschatzes3 Beispiele für private Initiativen, die letztlich eine Korrektur von Maßnahmen herbeiführten, die während oder im Zusammenhang mit einem Kriege, z. B. während einer Periode der Besetzung bewältigt werden mußten. Damit sind freilich nur Beispiele für ein sehr viel größeres juristisches Arbeitsfeld geliefert, das vor allem vom internationalen Privatrecht beherrscht wird. 4 Auf der Seite des Völkerrechtes verbergen sich aktuelle Beispiele sehr häufig hinter der politischen Bewältigung kriegerischer Konflikte und allgemein-politischen Rücksichtnahmen. Dennoch ist es in der jüngeren Zeit zu einer verstärkten völkerrechtlichen Diskussion des internationalen Kulturgüterschutzes gekommen, etwa im Hinblick auf die Restitution der nach dem Zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion abtranspor* Professor Dr. iur., Universität des Saarlandes, Saarbrücken. 1 Zur Geschichte der Restitutionen vgl. die bei J. Greenfield behandelten Fälle (The Return of Cultural Treasures, 1989, passim). 2 Federal Republic of Germany v. Elicofon, 358 F. Supp. 747 (EDNY 1970); näher K Siehr , International Art Trade and the Law, RdC 243 (1993-VI), S. 128; U. Drobnig , Amerikanische Gerichte zum internationalen Sachenrecht auf dem Hintergrund der Teilung Deutschlands, IPrax 4 (1984), 61 ff. 3 Nw. bei K Siehr (Anm. 2), S. 109 FN 301; ausführlich zum historisch-rechtlichen Zusammenhang S. Kogelfranz ! W.A. Körte, Quedlinburg - Texas und zurück, 1994. 4 Vgl. L Prott , Problems of Private International Law for the Protection of the Cultural Heritage, RdC 217 (1989-V), S. 217ff; G. Reichelt , International Protection of Cultural Property, Second Study, Unidroit 1988, Study LXX - Doc. 4.

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tierten deutschen, niederländischen und französischen Kulturgüter 5 aber auch i m Hinblick auf Fragestellungen ähnlicher Art, die in jüngster Zeit i m Hinblick auf Kuwait oder Ex-Jugoslawien auftauchten. 6 Beispiele gelungener Rückgaben von Kulturgütern erscheinen oft nur an verborgener Stelle 7 . Die Zahl der völkerrechtlich bemerkenswerten Beispiele ließe sich ohne weiteres vermehren 8 , doch taucht i m Zusammenhang vor allem mit dem Zweiten Weltkrieg und in seinem Rahmen verlagerten Kulturgütern eine besondere Dimension des internationalen Kulturgüterschutzes auf. Nicht die „spontane" Wegnahme i m Rahmen allgemeiner Kriegsereignisse steht an vorderster Stelle, sondern das planmäßige, systematische Ausräumen ganzer Kulturlandschaften. 9 Museen, Sammlungen, Archive und Dokumentationszentralen wurden auf allen Seiten in unvorstellbarer Weise geplündert und in das jeweils eigene Herrschaftsgebiet abtransportiert. 10 So bot der Plan eines für Adolf Hitler zu errichtenden Kunstmuseums in Linz den Grund für ungeheure Raubzüge von Sondereinheiten in ganz Europa, vor allem Osteuropa. Umgekehrt hatte Josef Stalin schon 1943/44 die Errichtung eines gigantischen Beutemuseums in Moskau ins Auge gefaßt, das in seinen Ausmaßen auch den Louvre überstrahlen sollte. 1 1 Nicht die Reaktion auf erlittenes Unrecht oder die spontane Reaktion auf 5 Die Bundesrepublik Deutschland verlangt die Rückgabe von ca. 200 000 Kunstobjekten, 2 Millionen Büchern und 3 km Archivgütern auf der Grundlage von Art. 16 des Deutsch-Sowjetischen Nachbarschaftsvertrages vom 9. Nov. 1990 (BGBl. 1991, II, 703) und von Art. 15 des Deutsch-Russischen Abkommens über kulturelle Zusammenarbeit vom 16. Dez. 1992. Nach Feststellungen des Politbüros der KPdSU anläßlich der Rückgabe eines Teiles der „Kriegsbeute" an die frühere DDR hatte die UdSSR über 2,6 Millionen Werke der Kunst aus Deutschland weggeführt. 6 Ausführlich M. Ph. Wyss, Kulturgüter: Ziel und Opfer der Gewalt, Vereinte Nationen 1994, S. 92 ff., 94 ff. 7 Vgl. etwa die Rückgabe von 723 Büchern von Deutschland an die Ukraine, die als NSKriegsbeute fast 50 Jahre lang unentdeckt im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen aufbewahrt worden waren, FAZ v. 5. 1. 1995, S. 26; vgl. ferner die Rückkehr von 6 mittelalterlichen Elfenbeinkunstwerken aus Frankreich nach Darmstadt mit Hilfe von privaten Spenden, FAZ 6. 1. 1995. Weiter Nachweise bei K. Siehr (Anm. 2), S. 152ff. 8 Im Schatten standen bisher die unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg von den Westalliierten in den Central Collecting Points in Deutschland gesammelten, von den Nationalsozialisten zuvor insbesondere in Osteuropa geraubten Kulturgüter und ihre Rückführung in den ersten Nachkriegsjahren. 9 Zum historischen Beispiel der napoleonischen Beutezüge P Wescher, Kunstraub unter Napoleon, 1976. Weitere historische Beispiele, darunter die Heidelberger „Palatina", bei K. Siehr (Anm. 2), S. 110. 10 Zu den nationalsozialistischen Beutezügen während des 2. Weltkrieges, insbesondere zum „Einsatzstab Rosenberg" vgl. die Urteilsbegründung der Nürnberger Prozesse, Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Bd. I, 1947, S. 267 ff.; vgl. ferner L. Nicolas, The Rape of Europa, 1994. 11 Dazu ausführlich K. Akinsha/G. Kozlow/C. Toussaint, Operation Beutekunst. Die Verlagerung deutscher Kulturgüter in die Sowjetunion nach 1945, 1995, S. 16 ff., in ihrem Referat über „The discovery of the secret repositories" während des Symposiums über „The Spoils of War", New York 19-21. Januar 1995 (veranst.v. Bard Graduate Center for Studies in the Decorative Arts).

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Vermögensverluste boten die Erklärung für im Umfang ungeheuere Kulturgutverlagerungen, sondern die faktische Zugriffsmöglichkeit im Rahmen eines kriegerischen Konfliktes. Freilich soll dieser eher negativ stimmende Rückblick nicht verbergen, daß auch der Zweite Weltkrieg verschiedene Aktivitäten der Rückführung nach sich zog, so etwa in bezug auf die in Deutschland aufgefundenen Kulturgüter verschiedener Staaten12, aber auch die von der Sowjetunion in den fünfziger und sechziger Jahren vorgenommenen Rückführungen an die damalige DDR. 1 3 Gleichwohl ist die Gesamtbilanz der gelungenen Restitutionen eher mager, wenn man das breite Feld der Staatenpraxis betrachtet. Nicht zuversichtlich stimmt, daß auch heute, nach den bekannten Kunstraub-Aktionen der verschiedenen Staaten, die Autoren sehr häufig die Üblichkeit des Beutemachens während eines kriegerischen Konfliktes schildern und eine Linie bis zurück zur Antike ziehen. Die Zuversicht leidet in erster Linie darunter, daß seit dem späten 19. Jahrhundert die einseitige Wegnahme von Kulturgütern während und nach kriegerischen Konflikten zwar völkerrechtlich verboten war, daß die Staatenpraxis gleichwohl auf dem „alten" vermeintlichen „Beuterecht" beharrte und oft klar völkerrechtswidrige Aktionen praktizierte. Die Reaktion des Rechts auf diese Praxis war seit über hundert Jahren eindeutig.14 Will man geltende Normen des Völkergewohnheitsrechtes hervorheben, so ist in erster Linie die Haager Landkriegsordnung (HLKO) zu erwähnen, die in den Art. 56 und 46 den Raub von Kulturgütern 15 in besetzten Gebieten untersagt und Ausnahmen in nur geringfügiger Weise zuläßt.16

II. Die herausgehobene Stellung des internationalen Kulturgüterschutzes Bereits bei der Durchsicht der HLKO stellt sich die Frage, warum der internationale Kulturgüterschutz eine derart herausgehobene Stellung einnimmt und Art. 56 der HLKO eine Sondernorm des Schutzes der Kunst und der Wissenschaft bzw. der ihnen gewidmeten Anstalten vorsieht. Wer die Vorläufer dieser Bestimmung betrachtet, gelangt zu dem Ergebnis, daß bereits seit langem und insbesondere im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Kulturgüter einen besonderen Schutz genossen und eine Sonderstellung einnahmen.17 Dabei kann sich die Frage stellen, 12 Vgl. Anm. 8. 13 Vgl. S. Turner, in: W. Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, 1991, S. 127 m.w.Nachw. 14 Am spektakulärsten wohl in den Nürnberger Kriegs Verbrecherprozessen (Anm. 10). Vgl. ferner W. Rudolf\ Über den internationalen Schutz von Kulturgütern, in: FS f. Karl Doehring, 1989, S. 853 ff., 857 ff. 15 „Jede Beschlagnahme, jede absichtliche Zerstörung oder Beschädigung ... ist untersagt und soll geahndet werden", Wortlaut bei W. Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, 1991, S. 249. 16 Vgl. Art. 53, ebd.

11 Fechner u. a.

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ob der Schutz der Kulturgüter dem Eigentumsschutz lediglich in technischer Weise folgte, oder ob die Individualorientierung des Privateigentums auch beim Schutz der Kulturgüter den Ausschlag gab. Man wird in dieser Frage angesichts des Standes der Völkerrechtswissenschaft am Ende des 19. Jahrhunderts möglicherweise eher zu einer Orientierung an anderen Gesichtspunkten gelangen, statt dem individuellen Schutz ohne weiteres den Vorrang zu geben. Bevor man der Frage allerdings weiter nachgehen kann, ist die weitere Frage nach dem inneren Grund für den besonderen internationalen Schutz der privaten oder staatlichen Kulturgüter zu beantworten. Den Tendenzen der Zeit würde es entsprechen, dem Staat als dem herausragenden Völkerrechtssubjekt die Schutztendenzen des Völkerrechts zuzuordnen. In konsequenter Weise würde es auch dem Völkerrecht der Gegenwart entsprechen, zunächst die Staaten als Bezugsgröße im Vordergrund zu sehen. So beziehen sich die Konventionen der UNESCO und anderer internationaler Organisationen in erster Linie auf die Rückführung der Kulturgüter in ihren Herkunftsstaat, 18 weniger auf andere Orientierungsgesichtspunkte. Fragt man jedoch nach der Herkunft des besonderen Schutzes für Kulturgüter, so tauchen ältere Tendenzen auf, die die religiösen und kultischen Aspekte der Kulturgüter betonen. Das gemeinsame Erbe der Menschheit, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts für kurze Zeit diskutiert wurde 19 , ging als Thema in der Diskussion um den Kulturgüterschutz während des 19. Jahrhunderts wieder unter und wurde nicht mehr in erster Linie herangezogen.20

I I I . Die humanitäre Schutzrichtung der HLKO Gleichwohl zeigt die Sonderstellung der zu religiösen Zwecken herangezogenen Gegenstände, daß allein schon die kirchlichen Güter eine andere Richtung wiesen.21 Dies konnte nicht ohne weiteres mit einer bloßen Staats- oder Territorialbezogenheit erklärt werden, sondern mußte andere Ursachen aufweisen. Deutlich wurde dies bei der Formulierung der Haager Landkriegsordnung (HLKO), die in der Tradition der Brüsseler Konferenz von 187422 nicht nur die Kriegsführenden 17 Näher W. Fiedler, Zur Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts im Bereich des internationalen Kulturgüterschutzes, in: Staat und Völkerrechtsordnung, FS f. Karl Doehring, 1989, S. 199 ff. 18 Vgl. z. B. Art. 2 der UNESCO-Konvention vom 14. Nov. 1970 („countries of origin"). 19 s. näher S. Turner (Anm. 13), S. 48 ff. 20 W. Fiedler (Anm. 15), S. 204 ff. 21 Zu diesem Gesichtspunkt seit Grotius M.Ph. Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, 1992, S. 86 mit weiteren Hinweisen. Zur Diskussion um Kultgegenstände vgl. E. Jayme, Neue Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im internationalen Privatrecht, in: R. Dolzer/E. Jayme/R. Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 35 ff., 43 f. 22 Näher S. von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 262 mit dem Wortlaut des Art. VII. Zur führenden Rolle des russischen Regierungsberaters F. de Martens

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untereinander als Adressaten nannte, sondern auch die Bevölkerung erfaßte. Die humanitäre Zielrichtung der HLKO wird etwa deutlich bei der Bezugnahme der Präambel auf die „Leiden des Krieges", die gemildert werden sollen. An anderer Stelle wird wiederum die Bevölkerung eigens genannt, und in der berühmten „Martens'schen Formel" tauchen „die Gesetze der Menschlichkeit" und die „Forderungen des öffentlichen Gewissens" mit aller Deutlichkeit auf. 23 Die HLKO zeigt in ihrer gesamten Anlage daher zumindest zwei Denkrichtungen. Zum einen die des Schutzes der Interessen der an kriegerischen Konflikten beteiligten Staaten, den „Kriegführenden", zum anderen des humanitären Schutzes der von dem Kriege unmittelbar betroffenen Bevölkerung. Dem Schutz der Bevölkerung dient auch der in Art. 46 u.a. auftauchende Schutz des Privateigentums und der religiösen Überzeugungen. Der in Art. 56 wiederum aufgenommene Gedanke des Schutzes der Kulturgüter knüpft an der individualbezogenen Sonderstellung des Privateigentums an. Hinzu traten Gesichtspunkte, die dem Völkerrecht des 19. Jahrhunderts ein besonderes Gepräge gaben. In der Konsequenz der französischen Revolution wuchsen die Völker in eine Stellung, die ihnen zwar keine Völkerrechtssubjektivität verlieh, die sie jedoch bei der Mediatisierung durch den Staat in besonderer Weise zu Orientierungsgrößen machte. Der Schutz vor Plünderungen und dem Entzug der in den Kulturgütern verkörperten historischen Leistungen von Individuen und Völkern kennzeichnet zugleich den Schutzgedanken, der den Staaten selbst zugeordnet war. Indem die Rückführung der in einem kriegerischen Konflikt geraubten Kulturgüter nicht nur völkervertraglich, sondern auch völkergewohnheitsrechtlich gefestigt wurde, wurde zugleich eine personenbezogene, humanitäre und auf diese Weise auch die jeweilige historische Leistung eines Volkes schützende Schranke errichtet.

IV. Die Geltung der HLKO während und nach dem Zweiten Weltkrieg Im Zeitpunkt der Formulierung der HLKO hatte das Völkerrecht bereits einen humanitären Standard erreicht, der die Kulturgüter aus gerade diesen Gründen in einer besonderen Weise schützte. Später tauchte die Frage auf, ob die HLKO den modernen Entwicklungen der Kriegsführung noch gewachsen war. Vor allem die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg ließen diese Fragestellungen noch deutlicher während der Kodifikationen von 1874 bis 1907 W. Fiedler , Safeguarding of Cultural Property during Occupation - Modifications of the Hague Convention of 1907 by World War II? S i m p o s i u m „Licit Trade in Works of Art", Vienna 28.-30. Sept. 1994, MS Anm. 14. 23 „ . . . daß in den Fallen, die in den Bestimmungen ... nicht einbegriffen sind, die Bevölkerung und die Kriegführenden unter dem Schutze und der Herrschaft der Grundsätze des Völkerrechts bleiben, wie sie sich ergeben aus dem unter gesitteten Völkern feststehenden Gebräuchen, aus den Gesetzen der Menschlichkeit und aus den Forderungen des öffentlichen Gewissens". Ii*

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werden. 24 Die Diskussion, die danach einsetzte, fragte nach der Unzulänglichkeit der HLKO, stieß dabei jedoch auf die ganz bewußte Offenheit der Regelungen von 1907, die von sich aus einräumten, daß die HLKO sich nicht auf alle in der Praxis vorkommenden Fälle erstrecken könne.25 Für die Fälle, die nicht behandelt werden konnten, wurde eine Richtschnur gegeben, die mit der „Martens'sehen Formel" die Grundsätze festlegte, die in einem künftigen Fall der Anwendung der HLKO unter veränderten Bedingungen praktiziert werden sollte. 26 Die HLKO war daher von vornherein zukunftsgerichtet und technischen Veränderungen der Kriegsführung geöffnet. Als am Ende des Zweiten Weltkriegs die Frage auftauchte, ob denn die HLKO überhaupt auf den Weltkonflikt anwendbar sei, waren es nicht nur vereinzelte Stimmen aus der Reihe der späteren Siegerstaaten, sondern auch der Nürnberger Militärgerichtshof selbst, der die Geltung der HLKO während des Zweiten Weltkrieges zugrundelegte.27 Gerade diese Zuordnung wurde von den Angeklagten der Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse lebhaft bestritten. Das Kriegstribunal setzte sich über diese Bedenken hinweg und ging sowohl bei der Anklageerhebung als auch bei der Verurteilung von einer Verletzung auch des Art. 56 HLKO aus.28 Auf diese Weise verfügt die geltende Völkerrechtsordnung über ein Dokument der Fortgeltung der HLKO wie es angesichts der äußeren Bedingungen des Krieges kaum noch vorauszusetzen war.

V. Die Wetterführung der Tradition durch die UNESCO Als die UNESCO 1954 die Tradition der HLKO in bezug auf den Schutz der Kulturgüter wieder aufnahm 29, wurden gleichwohl die humanitären Gesichtspunkte nicht so stark in den Vordergrund gestellt, wie dies die Grundtendenz der HLKO hätte erwarten lassen können. Die UNESCO-Koriventionen betonen demgegenüber in unterschiedlicher Weise auffallend die Zuordnung der Kulturgüter zu dem jeweiligen Staatsterritorium 30, erwähnen auch die „Völker", ohne aber andere 24

Zur Bedeutung dieser Fragestellung während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse W. Fiedler , Legal Issues bearing on the Restitution of German Cultural Property in Russia, MS Symposium „The Spoils of War", New York 19.-21. Jan. 1995, S. 10. 25

„Es war indessen nicht möglich, sich schon jetzt über Bestimmungen zu einigen, die sich auf alle in der Praxis vorkommenden Fälle erstrecken" (Präambel). 2 6 Vgl. K. Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl., 1990, S. 1023. 27 A.a.O. (Anm. 10), S. 242. 2

« Ebd., S. 267 f. Dazu L. Prott , The Protocol of the Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict, a.a.O. (Anm. 24) MS, S. 3 f.; M. Herdegen , Der Kulturgüterschutz im Kriegesvölkerrecht, in: R. Dolzer/E. Jayme/R. Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 161 ff., 168 ff. 29

30

Vgl. z. B. Art. 15 der Konvention von 1970: „territory of origin".

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Gesichtspunkte in der Konsequenz der HLKO stärker einzubeziehen.31 Wichtig erscheint es jedoch, daß immerhin ein in der Praxis ganz augenscheinlich überschrittenes Gebot des geltenden Völkerrechtes verstärkt und ausgebaut wurde, um so die in kriegerischen Konflikten besonders gefährdeten Kulturgüter auf eine ganz besondere Weise in ihre Schutzbereiche aufzunehmen. Freilich zeigte sich zu Beginn der Aktivitäten der UNESCO eine Verstärkung des humanitären Gesichtspunktes in ganz anderer Richtung. Denn die Orientierung der UNESCO-Konventionen am Weltkulturerbe und am gemeinsamen Erbe der Menschheit suchte die Dominanz der Staaten in ganz anderer Weise zu überhöhen und letztlich zu überwinden. Daß dies in aller Konsequenz noch nicht gelungen ist, mag hier dahinstehen. Denn die Zweispurigkeit des Kulturgüterschutzes durch die UNESCO ist bestehen geblieben und setzt das nationale Kulturerbe und das Kulturerbe der Menschheit in ganz spezifischer Weise gemeinsam in ein durchaus nicht nur harmonisches Beziehungsfeld. 32

VI. Die Beibehaltung des Territorialbezugs Immerhin zeigte sich an dem Beginn der Kodifizierungen nach 1945 die Kombination von Staatenschutz mit humanitär orientierten Schutzinstrumenten, die in der Aufnahme des Heritage-Gesichtspunktes Konsequenzen aus einer veränderten Lage der Völkerrechtswissenschaft zog. Gleichwohl dominierte in den ersten Jahrzehnten nach 1945 die staatsbezogene und in erster Linie territorial orientierte Schutzrichtung auch in dem weiten Feld des Kulturgüterschutzes. Ganze Bereiche des internationalen Kulturgüterschutzes sind daher territorial orientiert, wie etwa ganz selbstverständlich im Hinblick auf archäologische Schutzbereiche33. Auf der anderen Seite waren es gerade einzelne Menschengruppen, die das Interesse für einen besonderen Kulturgüterschutz in spezieller Weise auf sich zogen, wie etwa die Autochthonen, deren Probleme in eine zentrale Lage rückten. 34

31 Vgl. z. B. Art.l (a) des Paktes von 1954: „Cultural heritage of every People". Vgl. auch Art. 4 (a) der Konvention von 1970: „Cultural property created by the individual or collective genius of the nationales of the State concerned." 32 Vgl. K. Siehr (Anm. 2), S. 259 ff.; W. Fiedler , Neue völkerrechtliche Ansätze des Kulturgüterschutzes, in: G. Reichelt (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz, 1992, S. 69ff., 75 f.; R. Dolzer, Die Deklaration des Kulturguts zum „common heritage of mankind", in: R. Dolzer/E. Jayme/R. Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 13 ff., bes. S. 20ff.; E. Jayme, Kunstwerk und Nation: Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz, 1991, S. 13 f. 33

Dazu ausführlich F. Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts, 1991. Vgl. z. B. R. Falk , The Rights of Peoples (In particular indigenous Peoples), in: J. Crawford (Ed.), The Rights of Peoples, 1988, S. 17 ff.; L. Prott , Cultural Rights as Peoples' Rights in International Law, ebd., S. 93 ff. 34

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Der besondere Territorialbezug des Kulturgüterschutzes ergab sich jedoch nicht notwendig aus der territorialen Belegenheit der einzelnen Kulturgüter, sondern aus der Struktur des Völkerrechts und seiner zentralen völkerrechtlichen Bezugsgröße. Die Zuordnung von Kulturgütern zum Staat als dem wesentlichen Völkerrechtssubjekt brachte es mit sich, daß die äußeren Merkmale des Staates, auch wenn sie statisch und wenig differenziert schienen, zum eigentlichen Ausgangspunkt wurden. Der Territorialbezug trat in den Vordergrund, weil er in adäquater Weise die Souveränität des Staates wie auch die Zuordnung zum menschlichen Substrat, der Bevölkerung, zu symbolisieren schien.35 Mit der Zuordnung zum Einzelstaat schien zugleich die geistige Identität des Staatsvolkes gewährleistet zu sein. Denn in der Regel war mit der Zuordnung zum Staatsterritorium zugleich die jeweilige kulturell dominante und kreative Bevölkerungsgruppe mitgemeint. Diese Tendenzen der UNESCO-Konventionen wurden in verschiedenen Publikationen, insbesondere etwa von Engstier beschrieben, und insofern ist das Territorium als Ordnungsfaktor der Zuordnung der Kulturgüter hinreichend deutlich geworden. 36

VII. Die Trennung von Bevölkerung und Territorium Dennoch muß gefragt werden, ob diese Orientierung die Gegenwart des geltenden Völkerrechtes noch hinreichend beschreibt. Denn die geschilderte Zuordnung beruht auf der Annahme eines Regel-Verhältnisses zwischen Bevölkerung und Territorium, das in neuerer Zeit nicht mehr gewährleistet scheint. In vielen Fällen ist die Verbindung zwischen Bevölkerung und Territorium zerrissen und hat durch die massenhaft auftretende zwangsweise Trennung von Territorium und Bevölkerung eine völlig neue Dimension erreicht. Es geht dabei nicht nur um die Fälle der Deportation und Vertreibung, sondern auch der Schaffung von millionenfachen Flüchtlingsbewegungen, die von den angestammten Kulturbereichen wegführen. Die zwangsweise Trennung von Territorium und Bevölkerung hat für den Kulturgüterschutz ein zentrales Problem entstehen lassen, das grundsätzliche Fragen aufwirft. Denn es geht nicht um die Schaffung von Ersatzlösungen für derartige Fälle, sondern um die Grundüberlegung, welche Faktoren der rechtlichen Existenz des Staates für den Kulturgüterschutz im Krisenfall vorherrschend sein können. Dabei ist die Entscheidung angewiesen auf die Feststellung des für die Schaffung und Erhaltung der Kulturgüter wesentlichen Staatselementes, das in der Gegenwart maßgeblich erscheint, auch wenn in der Vergangenheit Gewichtungen anders verlaufen sein mögen. 35 Zur Grundannahme der „Seßhaftigkeit der Menschen" auch durch das Völkerrecht O. Kimminich , Die Menschenrechte in der Friedensregelung nach dem Zweiten Weltkrieg, 1990, S. 103. 36 L Engstier , Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, 1964 („Bewahrung des Kulturgutes in dem Gebiet, in dem es entstanden ist", S. 15).

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Wenn der internationale Kulturgüterschutz im wesentlichen die Funktion hat, die geistige Identität 37 eines (Staats)Volkes zu symbolisieren, so ist die Frage nach dem Urheber der Kulturgüter selbst gestellt. Auch eine intensive Betrachtung der Existenz moderner Staaten führt nicht zu der Annahme, daß die Kreativität, die zur Schaffung von Kunstwerken erforderlich war, in erster Linie von einem abstrakten Staatswesen oder von einem staatlichen Territorium ausging, sondern es ist die menschliche Kreativität, die am Beginn jeder kulturellen Leistung steht. Hinzu mögen bewahrende und fördernde Elemente staatlich-organisatorischer Tätigkeiten kommen, doch beruht die substantielle Hervorbringung eines Kunstwerkes stets auf menschlich-kreativer Aktivität. 38 Sie steht daher im Vordergrund jedes inhaltlich verstandenen Kulturgüterschutzes, der nicht nur formalen Ordnungselementen entsprechen soll.

VIII. Geistige Identität und menschlicher Faktor Kommt es daher zu einer zwangsweisen Trennung von Bevölkerung und Territorium, so dient zur geistigen Identifizierung dieser Personengruppe in erster Linie das betreffende Kulturgut, das von dieser geschaffen wurde. Nicht umsonst taucht in neueren Diskussion über die „Nationalität" eines Kunstwerkes verstärkt der menschliche Faktor auf, der entweder in der Person des Schöpfers oder in der Person des Sammlers bzw. Kulturpflegenden die Existenz eines geistigen Erbes vermittelt. 39 Bringt man die historisch-geistige Leistung der Kulturgut-Entstehung mit diesem menschlichen Faktor in eine nähere rechtliche Beziehung, so liegt es nahe, stärker als bisher den menschlichen Faktor im internationalen Kulturgüterschutz zu berücksichtigen, auch wenn formale Ordnungskriterien mit dem traditionellen Bezugsobjekt des Territoriums klarere Verhältnisse zu schaffen scheinen. Die in der Vergangenheit feststellbaren Fälle des Bevölkerungsaustausches sahen von vornherein, sofern es sich um einen geregelten Vorgang handelte, die Mitnahme der wesentlichen Kulturgüter beweglicher Art vor. Die von einer Bevölkerungsgruppe geschaffene kulturhistorische Prägung darf nicht dadurch verloren gehen, daß diese Gruppen etwa von einem Zentralstaat zum Verlassen des Staatsterritoriums gezwungen werden. Insofern kann keine kulturelle Prämie auf die erfolgreiche 37

Zur „Cultural Identity" vgl. etwa L. Prott (Anm. 34), S. 97; zur „national identity" L. Prott/PJ. O'Keefe, Law and the Cultural Heritage, Vol. 3, S. 842 f., in bezug auf Kolonialvölker. 38 Zutreffend hebt J. Greenfield die „original creative and aesthetic intervention of human beings" hervor (Anm. 1), S. 255; vgl. auch R. Dolzer (Anm. 32), S. 23; zum „élan vital einer verfaßten Gemeinschaft" P. Häberle, Die Freiheit der Kunst in kulturwissenschaftlicher und rechtsvergleichender Sicht, in: Berka/Häberle/Heuer/Lerche, Kunst und Recht im In- und Ausland, 1994, S. 37 ff., 48. 39 Vgl. E. Jayme (Anm. 32), passim.

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Deportation gewährt werden. Dasselbe gilt für die erfolgreiche Vertreibung von ganzen Völkern wie dies in vielen Teilen der Welt, etwa im früheren Jugoslawien, zu beobachten ist. Internationaler Kulturgüterschutz kann nicht ohne Rücksicht auf den wesentlichen Schöpfer der Kulturgüter betrieben werden und muß angesichts der rigiden Trennung von Bevölkerung und Territorium im Einzelfall zugunsten der Identifizierung der Bevölkerungsgruppe praktiziert werden. Insofern zeigt sich eine erhebliche Diskrepanz zu dem Grundmuster mancher UNESCO-Konvention, die von einer Rückführung der Kulturgüter in den Herkunftsstaat ausgeht. Dabei ist auch den Interpreten der Konventionen klar, daß der Begriff des „Herkunftsstaates" einen doppelten Sinn erlangen kann. 40

IX. Die Tendenzen des neueren Volkerrechts Betrachtet man in diesem Zusammenhang neuere Tendenzen des Völkerrechts, so erkennt man ohne weiteres, daß das Völkerrecht sein Gesicht in den letzten Jahrzehnten gewandelt hat, etwa dadurch, daß die Menschenrechte heute stärker als bisher vertraglicher oder gar gewohnheitsrechtlicher Bestandteil des geltenden Völkerrechts geworden sind. 41 Dieser Entwicklung würde es nicht entsprechen, wollte man ausgerechnet in bezug auf die geistige Identität die kulturelle Dimension des Menschen in seiner individuellen und gruppenmäßigen Kreativität außer acht lassen. Daher ist es konsequent, wenn auch die UN-Menschenrechtspakte in Art. 1 von der kulturellen Selbstbestimmung der Völker ausgehen und in der Diskussion auch das Recht jeden Volkes auf Information über seine Vergangenheit mitbehandelt wird. 42 Es entspricht der Stärkung der Menschenrechte im geltenden Völkerrecht, wenn der internationale Kulturgüterschutz diese Veränderungen aufnimmt und im Sinne seines Schutzzwecks berücksichtigt. 43 Eine ganz andere Frage ergibt sich im Blick auf mögliche neue Dimensionen der Menschenrechte und des Völkerrechts überhaupt. 44 So sehr diese Perspektiven zu begrüßen sind, so notwendig erscheint es, 40 Deutlich J. Greenfield (Anm. 1), S. 256; zu anderen Grenzen des Territorialbezugs W. Rudolf (Anm. 14), S. 868 f. 41 Vgl. L. Henkln, Human Rights, in: R. Bernhardt (ed.), Encyclopedia of Public International Law (EPIL), Inst. 8 (1985), S. 268 ff. C. Tomuschat, Die Vereinten Nationen und die Menschenrechte, in: ders. (Hrsg.), Menschenrechte, DGNV-Texte 42, 1992, S. 4 ff.; J.A. Frowein, The European Convention of Human Rights as the Public Order of Europe, Academy of European Law (ed.), Vol. I, Book 2, 1992, S. 273 ff.; K.J. Partsch , Hoffen auf Menschenrechte, 1994. 42 Vgl. W. Fiedler (Anm. 32), S. 75. In diesem Kontext gewinnt auch Art. 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte eine besondere Bedeutung, vgl. S. von Schorlemer (Anm. 22), S. 43 ff. 43 Auch insoweit ist es treffend, von der „Reappearence of the Individual" zu sprechen, J.A. Frow ein (Anm. 41). 44 So eindrucksvoll M.P. Wyss (Anm. 21), S. 189 ff.

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in erster Linie die gefestigten Standards des Menschenrechtsschutzes heranzuziehen. 45 Auf diese Weise schließt sich zugleich der Kreis zu der Tradition der HLKO, die für den kriegerischen Konflikt die humanitäre Schutzfunktion auf dem Gebiet des Kulturgüterschutzes manifestiert. Es ist daher auch kein Zufall, daß die Zusatzprotokolle zu den Genfer Rotkreuz-Konventionen den Kulturgüterschutz ganz selbstverständlich berücksichtigen. 46 Die Wiederaufnahme des humanitären Schutzgedankens der HLKO durch die Völkerrechtsentwicklung der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aktiviert zugleich eine bemerkenswerte Tradition gerade dieser Kodifikation. Die HLKO hat in der erwähnten Weise humanitäre Traditionen formuliert, die eine besondere Leistung der Staatengemeinschaft zur Jahrhundertwende gewesen sind. Nach einem rechtlichen Kampf während nahezu eines ganzen Jahrhunderts nach den napoleonischen Kriegen, war mit der HLKO endlich ein Standard erreicht, der bislang nicht erzielbar erschien. Die historische Entwicklung während des 20. Jahrhunderts verhinderte eine weitere Fortentwicklung dieses Prozesses, und erst die Kodifizierungen, die insbesondere von der UNESCO ausgingen, führten zur Fortsetzung von Schutzaktivitäten, die schon in der Zwischenkriegszeit kurzfristig immer wieder ergriffen worden waren. 47 So ergibt sich aus der Gesamtsicht ein Zusammenwachsen der neueren Bedeutung der Menschenrechte mit manchen Tendenzen eines kulturellen Selbstbestimmungsrechtes48 im Zusammenhang mit den tragenden geistigen Elementen des geltenden Völkerrechtes. Sie weisen in ihrer Gesamtheit in eine Richtung, die die starre Entgegensetzung von staatlichem Herrschaftsanspruch und menschlicher Existenz im Sinne einer Mediatisierung durchbricht. Diese Entwicklung leuchtet umso eher ein, als sie die natürliche Fortsetzung der schon im 19. Jahrhundert feststellbaren Linie des internationalen Kulturgüterschutzes weiterführt, die durch die kriegerischen Auseinandersetzungen des 20. Jahrhunderts zu einem zeitweiligen Stillstand gezwungen worden war. An dieser Stelle ist die Frage zu stellen, ob humanitäre Traditionen der HLKO in einer Zeit der massiven Zerstörung, Verlagerung und Entwendung von Kulturgütern überhaupt eine rechtliche Tradition entfalten konnten. Die Frage war insbesondere während des Zweiten Weltkrieges gestellt und führte bis in die Gegenwart hinein zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen den beteiligten Staaten. Eine Teilantwort hat bereits die erwähnte Stellungnahme des Internationalen Militärgerichtshofes von Nürnberg gebracht, doch sind damit nicht alle Fragen beant45 Beispiele aus der Praxis Internationaler Organisationen bei M. Ph. Wyss (Anm. 6), S. 92 ff. 4 6 Text der Art. 53 (Prot. I) und 16 (Prot. II), in: W. Fiedler (Hrsg.), (Anm. 15), S. 253 f. 47 Vgl. S. von Schorlemer (Anm. 22), S. 268 ff. 48 Vgl. S. von Schorlemer, a.a.O. (Anm. 22), S. 42f.; zur Problematik der Schranken R. Dolzer, Kulturgüter im Friedensvölkerrecht, in: R. Dolzer/E. Jayme/R. Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 149 ff., 150 ff.

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wortet. Die Frage stellt sich darüber hinaus, ob Kulturgüter eines Staates oder Volkes möglicherweise dazu dienen können, die Verluste anderer Staaten auszugleichen und im Wege einer Kompensation die Wegnahme fremder Kulturgüter zuzulassen.

X. Die Richtung des internationalen Kulturgüterschutzes Eine Antwort kann sich nur ergeben, wenn die besondere Richtung des Kulturgüterschutzes beachtet wird. Dienen Kulturgüter nicht zuletzt der Symbolisierung und Bewahrung einer bestimmten geistigen Leistung, so kann die Kompensation selbst für erhebliche Verluste nicht auf die Weise geschehen, daß nun der betreffende Staat selbst im Wege der gewaltsamen Wegnahme einen Ausgleich für eigene Verluste schafft. Denn der Verlust an eigener kultureller Identität kann nicht dadurch ausgeglichen werden, daß die Kulturgüter eines anderen Staates oder eines fremden Volkes die aufgetretenen Verluste auffangen. Derartige Maßnahmen würden ihrerseits nichts anderes bedeuten als die Verletzung der kulturellen Identität eines anderen Volkes, folglich eine Maßnahme, die gerade durch die HLKO von 1907 und ihrer Vörkodifikationen vermieden werden sollte. Kulturgüterschutz im Wege der Verletzung der kulturellen Substanz eines anderen Volkes oder Staates erscheint zutiefst sinnwidrig und widerspricht grundlegend dem weltumfassenden Gedanken des Schutzes des kulturellen Erbes. Auf der anderen Seite steht möglicherweise die Frage nach der Herleitung entsprechender Maßnahmen aus dem Gedanken des „gemeinsamen Erbes der Menschheit". Auch die Schutzkonventionen der UNESCO gehen nicht davon aus, daß mit dem Beitritt zu entsprechenden Konventionen die einzelnen Kulturgüter aus dem Souveränitätsbereich des Einzelstaates entlassen worden wären. Vielmehr tritt ein spezieller Schutz durch Internationale Organisationen hinzu und schafft eine weitere Förderung für bestimmte Kulturgüter, die von weltumspannender Bedeutung sind. Die Frage des „nationalen" Kulturerbes ist durch den Hinweis auf das Weltkulturerbe nicht beantwortet, sondern nur verlagert. 49 Nationales Kulturerbe hat in einer Zeit internationaler Verflechtung ungeachtet des Eigentumsfaktors seinen Platz vor allem im Hinblick auf die regionale und bevölkerungsnahe Präsentation der Kulturgüter, die aus einem bestimmten territorialen Bereich stammen und daraus ihre besondere Bedeutung und Wertschöpfung erfahren. Daß dazu auch Kunstwerke zählen, die in jeder Region der Welt als Kostbarkeit besonderer Art gelten, kann nicht darüberhinwegtäuschen, daß die spezielle Zuordnung zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe die jeweilige Besonderheit des Kunstwerkes ausmachen, denn sie gewinnt dadurch Originalität und Unverwechselbarkeit. Aus diesem Grunde kann es daher auch nicht möglich sein, Museumsinhalte durch einen gewaltsamen Transfer regional zu verlagern, um auf 49 Vgl. F. Fechner (Anm. 33), S. 88, 98; S. von Schorlemer (Anm. 22), S. 582 f.

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diese Weise die Bestände einiger internationaler Museen zu verbessern. Die gewaltsame Wegnahme etwa französischer Kulturgüter, um sie in einem Museum z. B. Australiens auf Dauer auszustellen, würde im Zeichen moderner Verkehrsverhältnisse zwar keine unüberwindbaren technischen Schwierigkeiten bereiten, doch wäre die Zugänglichkeit am Orte der ursprünglichen Sammlung und Entstehung nicht mehr möglich.

XI. Der internationale Kunsthandel In diesem Zusammenhang lohnt es sich, einen Blick auf die Verwendung nationaler Schutzinstrumente zulasten des internationalen Kunsthandels zu werfen. Die Verwechslung dieser Instrumentarien mit nationalistischen Schutzeinrichtungen 50 ist fehl am Platz, wenn es darum geht, der jeweiligen Region die erleichterte Zugänglichkeit zu ihren geistigen Wurzeln zu ermöglichen. Insofern hat die notwendig eintretende Beschränkung des freien Kunsthandels ein durchaus humanitäres Element. Wollte man die regionale Zugänglichkeit für entsprechende Herkunftsvölker und Volksgruppen verneinen, so würde dies eine Mißachtung gerade des humanitären Schutzfaktors darstellen, der in oft jahrhundertelanger Bemühung geschaffen worden ist. Auf diese Weise soll jedoch keineswegs einem übertriebenen 51 nationalen Schutz zugunsten der jeweiligen regionalen Kulturwerke das Wort geredet werden. Es geht in jedem Falle um die Möglichkeit der Aufrechterhaltung eines Maximums von internationalem Kunsthandel, der nicht verhindert, sondern gerade gefördert werden soll, soweit es darum geht, jenes Kulturerbe der Menschheit zu symbolisieren, das an anderem Orte gepflegt und gefeiert wird. Gerade die Ermöglichung eines freien Kunsthandels unter Beachtung der erwähnten Schutzeinrichtungen trägt dazu bei, den internationalen Kunsthandel nicht in eine Sphäre der Illegalität zu drängen. Es wird daher darauf ankommen, die einzelnen Staaten dazu zu bewegen, die von ihnen zentral geschützten Werke in einem angemessenen Verhältnis 52 zu den auf dem freien Markt verfügbaren Objekten zu halten. Denn zum Schutz des menschlichen Faktors zählt auch die Verfügbarkeit des Künstlers über sein Werk und die internationale Verbreitung des Kunstwerkes. Hier ein vernünftiges Mittelmaß zu finden, stellt eine der wichtigsten Aufgaben des internationalen Kulturgü50

Zuletzt wiederum J.A. Merryman, A Licit International Traffic in Cultural Objects, S^Symposion „Licit Trade in Works of Art", Vienna 28.-30. Sept. 1994, MS, S. 19 ff. 51 Zutreffend die Warnung vor einer „übertriebenen nationalen Kulturpolitik", K. Siehr, Öffentliches Recht und internationales Privatrecht beim grenzüberschreitenden Kulturgüterschutz, in: R. Dolzer/E. Jayme/R. Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, 1994, S. 83 ff., 101. 52

Vgl. Qu. Byrne-Sutton , Le trafic international des biens culturels sous l'angle de leur revendication par l'Etat d'Origine, 1988, S. 248: „compromis intelligent entre un protectionisme trop absolu et un libéralisme trop poussé".

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terschutzes dar. 53 Damit ist hinreichend klargestellt, daß der Schutz der Kulturgüter auch in einer humanitären Funktion diesen nicht in sein Gegenteil verkehren darf, sondern einen ausbalancierten Weg zwischen Schutz und Verfügbarkeit wählen muß. Im Falle kriegerischer Konflikte ist gerade diese Fragestellung nicht mit der gleichen Präzision gestellt. Denn es geht nicht um den freien Kunstmarkt, sondern um die illegale Beschaffung von Kunstwerken eines anderen Volkes bzw. Staates, die man in völkerrechtswidriger Weise ihrer wichtigsten Identifikationsmerkmale beraubt. Die Konsequenzen der hier vertretenen Positionen liegen auf der Hand. In dem Bestreben, der menschenrechtlichen Entwicklung des geltenden Völkerrechtes gerecht zu werden und den humanitären Faktor stärker als bisher zu betonen, ist ein ausdifferenziertes Schutzsystem zu entwickeln, das im Falle kriegerischer Konflikte zu eindeutigen Positionen verhilft, im übrigen aber einen Weg der Balance gerade auch im Hinblick auf den internationalen Kunsthandel einschlägt.

XII. Konsequenzen für die Restitution Fragen stellen sich nicht zuletzt für die Abwicklung einer nach einem kriegerischen Konflikt vorgenommenen Restitution von Kunstwerken. Wenn Kulturgüter auch die geistige Entwicklung eines Volkes symbolisieren, so kann es nicht ausreichen, die örtliche Bewahrung der zurückerstatteten Kulturgüter ohne Rücksicht auf den humanitären Faktor zu gestalten. Denn wenn der betreffende Staat, um dessen kulturelle Identität es ebenfalls geht, durch eine Vielzahl von kulturell eigenständigen Bevölkerungsteilen gekennzeichnet ist, so erscheint es selbstverständlich, die restituierten Kulturgüter wieder an ihre Herkunftsorte gelangen zu lassen, um auf diese Weise den regionalen Bezug herzustellen. 54 Entsprechende Überlegungen sind in aller Regel in die Entscheidung der inneren Organisation eines Staates gestellt. Wenn jedoch aus der humanitären Tendenz des modernen Kulturgüterschutzes eine angemessene Konsequenz gezogen werden soll, so hat auch die Restituierung entsprechende regionale Besonderheiten zu beachten. Wo allerdings die Grenzen zwischen einer zulässigen und einer bereits rechtswidrigen Zentralisierung von Kulturgütern in einem Staate liegen, kann in abstrakter Weise nicht festgestellt werden.

53 Vgl. auch K. Siehr (Anm. 2), S. 260 f. 54 Vgl. auch K. Siehr, ebd., S. 258.

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XIII. Völkerrechtlicher und privatrechtlicher Kulturgüterschutz Ein letzter Gedanke gilt dem Verhältnis des völkerrechtlichen zum privatrechtlichen Kulturgüterschutz. Werden im Verlauf von kriegerischen Handlungen die Kulturgüter eines Staates in das Territorium eines anderen Staates verbracht, so wäre es eine Aufgabe des jeweiligen Staates, die geraubten Kulturgüter zurückzuverlangen und den betreffenden Staat, in dem die Kulturgüter nunmehr lagern, zur Rückgabe der entsprechenden Kunstschätze zu zwingen. Hier fehlt es jedoch an einer rechtlichen Möglichkeit der Durchsetzung entsprechender Ansprüche, da das geltende Völkerrecht auf andere Weise seinem Standard in der Gegenwart gerecht zu werden hat. So ist die Durchsetzung entsprechender Ansprüche ganz selbstverständlich vom geltenden Gewaltverbot begrenzt und muß die Dominanz des Souveränitätsgedankens beachten, der trotz veränderter Verhältnisse nach wie vor eine zentrale Rolle spielt. Solange es an internationalen Durchsetzungsmechanismen fehlt und auch die Internationalen Organisationen keine praktikablen Lösungsmöglichkeiten verschaffen, wird der internationale Kulturgüterschutz aus der zwischenstaatlichen Welt in einen privatrechtlichen Rahmen gedrängt mit der Konsequenz, daß der einzelne während eines kriegerischen Konfliktes beraubte Eigentümer eines Kulturgutes, der Sammler oder das betreffende Museum, sich vor den Gerichten des Aufbewahrungsstaates sein Recht mühsam selbst verschaffen muß, was durch die entsprechende Gesetzeslage in dem jeweiligen Staat eher erschwert als erleichtert wird. 55 Auf diese Weise ist es zu der erwähnten grundlegenden Verlagerung des internationalen Kulturgüterschutzes auf die Aktivitäten des Einzelnen gekommen mit einem entsprechenden Zurückweichen des zwischenstaatlichen Schutzes. Solange eine entsprechende Verlagerung nicht korrigiert ist, wird es vielfach davon abhängen, ob der Einzelne faktisch in der Lage ist, in dem betreffenden Staat gerichtliche Unterstützung zu finden. Von dem jeweiligen innerstaatlichen Recht des Staates, in dem das Kulturgut aufbewahrt wird, hängt es ab, ob der Einzelne bei seinem Vorgehen Erfolg haben kann, etwa bei dem Eingreifen in gerade stattfindende Auktionen. Angesichts dieser Lage erscheint es notwendig, die völkerrechtlichen Ausgangspositionen in zeitgerechter Weise zu verstärken, statt sie in immer stärkerem Maße verschwimmen und verblassen zu lassen.

55

Vgl. etwa K. Siehr, Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz, in: Festschrift f. Werner Lorenz zum 70. Geburtstag, 1991, S. 534 ff.

„Cultural Heritage": Rückgabeansprüche von Ursprungsländern auf „ihr" Kulturgut? Von Christiane Freytag*

Rückgabeansprüche von Ursprungsländern auf „ihr" Kulturgut lassen sich thematisch in zwei Komplexe einteilen, zum einen in Ansprüche auf im Krieg verschlepptes Kulturgut, zum anderen in Ansprüche auf in Friedenszeiten verbrachtes Kulturgut, die im Rahmen dieser Betrachtung im Vordergrund stehen sollen. Dabei ist zunächst auf Rückgabeansprüche als Folge illegalen Kunsthandels, also auf gestohlenes und unter Verstoß gegen nationale Exportverbotsgesetze ausgeführtes Kulturgut einzugehen. Hier stehen sich einerseits das Interesse des Ursprungslands an der Integrität seines nationalen Kunst- und historischen Erbes, andererseits die gutgläubigen Erwerb schützende Rechtsordnung des Belegenheitsstaats und die Idee eines kulturellen Internationalismus' gegenüber. Anschließend werden Besonderheiten in Bezug auf ehemals kolonisierte Staaten untersucht, deren Rückforderungen sich insbesondere auf die Bedeutung von Kulturgut für die nationale Identität eines Volkes stützen und auf Einwände unter dem Gesichtspunkt des ursprünglich legalen Erwerbs, des Schutzes und der allgemeinen Zugänglichkeit der Kulturgüter stoßen.

I. Rückgabeansprüche auf gestohlenes und illegal exportiertes Kulturgut 1. Rückgabeansprüche im Internationalen Verwaltungs- und Privatrecht

Dem Ursprungsland steht die Möglichkeit offen, vor den nationalen Gerichten des Belegenheitsstaats auf Rückgabe des Kulturguts zu klagen. Dabei soll zunächst auf die Erfolgsaussicht einer auf autonomes internationales Verwaltungsrecht gestützten Klage eingegangen werden. Einem Rückgabeanspruch auf der Grundlage eigener Kulturgüterschutzgesetze des Ursprungsstaats steht das im internationalen öffentlichen Recht geltende Territorialitätsprinzip entgegen, wonach jeder Staat ausschließlich sein eigenes Verwaltungsrecht anwendet1. Daher wurde z. B. im

* stud. iur., Tübingen / Aix-en-Provence. 1 L. Engstier, Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, Köln u.a. 1964, S. 46; K. Siehr, Öffentliches Recht und internationales Privatrecht beim

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Fall „Attorney General of New Zealand v. Ortiz" in den Revisionsinstanzen die Durchsetzung der neuseeländischen Verfallsregelung in England abgelehnt2. Attorney-General of New Zealand v. Ortiz and Others; ILR 78, 591 ff. (Queen's Bench Division S. 594 ff.; Court of Appeal S. 608 ff.; House of Lords S. 631 ff.) Eine wertvolle, jahrhundertealte Holztüre vom Schatzhaus des Volkes der Maori wurde 1972 in einem Sumpf in Neuseeland von einem Stammesangehörigen entdeckt. Ein englischer Kunsthändler überredete diesen, ihm die Tür zu verkaufen und exportierte sie ohne die nach dem New Zealand Historie Articles Act von 1962 erforderliche Ausfuhrlizenz nach N.Y., wo er sie an den schweizer Kunstsammler George Ortiz weiterverkaufte. Diesem hatte er erklärt, daß die Tür zwar ohne Lizenz exportiert worden war, er aber rechtmäßiger Eigentümer sei und daher Eigentum übertragen könne. Als 1977 Ortiz' Tochter entführt wurde, sandte Ortiz die Tür zu Sotheby's nach London, um vom erwarteten Versteigerungserlös das Lösegeld zu bezahlen. Durch den Auktionskatalog erfuhr die neuseeländische Regierung von dem Vorfall. Der Attorney-General of New Zealand stellte Antrag auf Erlaß einer den Verkauf verbietenden einstweiligen Verfügung und auf Feststellung, daß die Tür der englischen Krone gehöre. Der N.Z. Historie Articles Act 1962 verbietet gem. Sec.5(l) den Export eines „historic article" ohne Exportzertifikat. See. 12(2) sieht vor, daß „a historic article knowingly exported or attempted to be exported in breach of this Act shall be forfeited to Her Majesty". Zu klären war daher erstens, ob die englische Krone aufgrund See. 12(2) Eigentümerin der Tür geworden war, und zweitens, ob diese Vorschrift in England durchsetzbar ist. In 1. Instanz legte Richter Slaughton die See. 12(2) so aus, daß ein automatischer Verfall der Türe an die Krone eintreten konnte, solange sie sich noch auf neuseeländischem Boden befand. Da zur vollständigen Entstehung eines in England anerkennbaren Eigentumsrechts noch Besitz oder ein anderes nach außen hin sichtbares Zeichen für die Berechtigung nötig ist, mußte geklärt werden, ob eine Beschlagnahme in England nachgeholt werden konnte. Da es seiner Ansicht nach keine allgemeine Regel gebe, wonach ausländisches öffentliches Recht in England nicht durchsetzbar sei, und es sich bei See. 12(2) nicht um eine undurchsetzbare Steuer- oder strafrechtliche Norm handle, stellte er fest, daß englische Gerichte die See. 12(2) durchsetzen müßten und gab der Klage statt. In der durch das House of Lords bestätigten 2. Instanz vertraten die Richter die Auffassung, daß See. 12(2) einen Verfall erst mit Beschlagnahme vorsehe und die Krone mangels Beschlagnahme auf neuseeländischem Territorium daher kein Eigentum erlangt habe. Als obiter dictum wurde auf die zweite Frage eingegangen. Lord Denning vertrat die Ansicht, daß ausländisches öffentliches Recht als Akt iure imperii in England unter keinen Umständen durchgesetzt werden könne. In ihren Sondervoten hielten die Richter Ackner und O'Connor Sec. 12(2) für ein Strafgesetz und daher für undurchsetzbar. Der Berufung wurde nicht stattgegeben.

grenzüberschreitenden Kulturgüterschutz, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, Heidelberg 1994, S. 83 (89). 2 ILR 78, 591, 609 ff.

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Rückgabeansprüche nach autonomem internationalem Verwaltungsrecht bestehen also nur, wenn der Belegenheitsstaat die Exportverbote des Ursprungslands mit eigenen Importverboten unterstützt3. Erfolgsversprechender erscheint daher eine Rückforderung auf privatrechtlichem Wege, wobei hier zwischen gestohlenem Kulturgut und unter Verstoß gegen ein Kulturgüterschutzgesetz exportiertem Kulturgut zu unterscheiden ist. Die Rückführung von gestohlenem Kulturgut kann durch Geltendmachung eines Eigentumsherausgabeanspruchs gegen den Besitzer bewirkt werden. Das Eigentum wird aufgrund des kollisionsrechtlichen Grundsatzes der „lex rei sitae" nach dem Recht des Staates, in dem das Kulturgut zur Zeit seiner Übereignung belegen war, beurteilt. Dem Rückgabeanspruch können jedoch gutgläubiger Erwerb eines Dritten und Verjährung bzw. Ersitzung entgegenstehen, was sich auch nach der durch die „lex rei sitae" berufenen Rechtsordnung richtet4. Von Bedeutung ist insbesondere die Klärung der Frage, welche Rechtsfolgen der geltendgemachte Verstoß gegen ein nationales Kulturgüterschutzgesetz des Ursprungsstaats hat. In den meisten nationalen Rechtsordnungen bestehen Kulturgüterschutzgesetze, in denen auf unterschiedliche Weise versucht wird, Kulturgut vor Abwanderung ins Ausland zu schützen. Teilweise wird sämtliches Kulturgut zu Staatseigentum erklärt, teils enthalten sie Regelungen, wonach bei illegalem Export das Eigentum an den Staat verfällt, oder bloße Exportverbote für Kulturgut ohne vorherige Genehmigung5. Hoheitsakte des fordernden Staates werden von Gerichten des Belegenheitsstaats grundsätzlich nur beachtet, solange sie sich auf Kulturgut beziehen, das sich zum Zeitpunkt des Hoheitsakts noch auf dem Territorium des fordernden Staats befand 6. Gesetze, die Kulturgut zu Staatseigentum deklarieren, finden daher Beachtung, das illegal exportierte Kulturgut wird wie gestohlenes behandelt. Wie der Fall „Attorney-General of New Zealand v. Ortiz" zeigt, ist bei Verfallsregelungen als Folge illegalen Exports zu differenzieren: Tritt der Verfall automatisch noch auf dem Staatsgebiet des Ursprungslands ein, wird dieser anerkannt. Zu diesem Ergebnis kam Richter Slaughton aufgrund seiner Auslegung des 3 Siehr(Anm. 1), S. 89. 4

H. Knott, Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal erworbenen Kulturguts - Internationalprivatrechtliche und rechtsvergleichende Aspekte zum Herausgabeanspruch des privaten Eigentümers und des Herkunftsstaates, Baden-Baden 1990, S. 71; B. Walter, Rückführung von Kulturgut im internationalen Recht; Veröffentlichungen aus dem Überseemuseum Bremen, Reihe D, Bd. 14; Bremen 1988, S. 32 f.; z. B. in Italien ist gutgläubiger Erwerb an gestohlenen Sachen möglich (Art. 1153 cc), vgl. Winkworth v. Christie, Mason & Woods, 1 All E.R. (1980) 1121. 5 Überblick bei K Meyer, The plundered past; N.Y. 1973, S. 240 ff.; Knott (Anm. 4), S. 89 f., 105 ff. 6 S. v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz: Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, Schriften zum Völkerrecht, Bd. 102, Berlin 1992, S. 526; Knott (Anm. 4), S. 92.

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N.Z.-Historical Articles Act von 1962 in 1. Instanz. Tritt der Verfall dagegen erst mit Beschlagnahme des Kulturguts ein - so die Auslegung der Revisionsinstanzen - , kommt dieser Regelung aufgrund des oben dargestellten Territorialitätsprinzips grundsätzlich keine Wirkung zu. Dasselbe gilt für Exportverbotsgesetze ohne das Eigentum betreffende Sanktionsmechanismen. Allerdings kommt eine Durchsetzung solcher Regelungen über den „ordre public" des Belegenheitsstaats in Betracht, indem aufgrund Sittenwidrigkeit der Eigentumsübergang verneint wird 7 . Beispielweise entschied der BGH in seinem „Nigeria-Urteil", daß das nigerianische Exportverbotsgesetz im Inland zwar keine unmittelbare Verbindlichkeit besitze, ihm mittelbar bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen die guten Sitten aber Bedeutung zukomme, und kam zu dem Schluß, daß die Umgehung eines Kulturgüterschutzgesetzes dem „nach heutiger Auffassung allgemein zu achtenden Interesse aller Völker an der Erhaltung von Kunstwerken an Ort und Stelle" zuwiderlaufe und daher verwerflich sei8. Im Fall „Attorney General of New Zealand v. Ortiz" entschied Richter Slaughton in erster Instanz ebenfalls, daß der Historical Articles Act mit dem englischen ordre public vereinbar und daher in England durchzusetzen sei9. Festzuhalten bleibt also, daß eine Rückgabeklage auf gestohlenes oder illegal exportiertes Kulturgut Erfolg hat, wenn das Ursprungsland sein Eigentum nachweisen kann. Bei Verstoß gegen nationale Exportverbotsgesetze ist der Rückgabeanspruch nur über den ordre public des Belegenheitsstaats durchsetzbar und liegt somit weitgehend im Ermessen der dortigen Richter.

2. Strafrechtliche Rückführungsmöglichkeiten

Rückgabeansprüche auf als „Diebesbeute" sichergestelltes Kulturgut ergeben sich zum Teil aus zwischenstaatlichen Rechtshilfeübereinkommen 10. Die Rückführung kommt zum einen über ein nationales Strafverfahren des Ursprungsstaats gegen den Täter mit anschließendem Rechtshilfeersuchen an den Belegenheitsstaat in Betracht, zum anderen über ein nationales Strafurteil des Ursprungslands mit anschließender Anerkennung und Vollstreckung durch den Belegenheitsstaat. In beiden Fällen bestehen Rückgabeansprüche jedoch nur nach Maßgabe der zwischen 7 Vgl. Bleckmann, A.: Sittenwidrigkeit wegen Verstoßes gegen den ordre public international - Anmerkung zum Urteil des BGH vom 22. 06. 72, ZaöRV 34 (1974) 112, 130; Siehr: Kunstraub und das internationale Recht, SJZ 81, 189, 191. s BGHZ 59, 82, 85; vgl. auch den bei Nott ICLQ 1984, 203, 206 aufgeführten Fall Regazzoni v. K.C. Sethia, in dem ein englisches Gericht die Verurteilung zum Vollzug eines Vertrags, der eine in einem dritten Land illegale Handlung bedeuten würde, verweigerte. 9 ILR 78, 591, 607. 10

Z.B. Art. 20 des Europäischen Auslieferungsabkommens v. 13. 12. 57, Art. 6 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens v. 20. 4. 59 (BGBl. 1964 II, 1369; 1984 I, 2071); Art. 36, 4711 i.V.m. 461 der European Convention on the International Validity of Criminal Judgements v. 28. 5. 70 (Eu.T.S. Nr. 70); Näheres bei Walter, S. 38-43.

Rückgabeansprüche von Ursprungsländern auf „ihr" Kulturgut?

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den betreffenden Staaten bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen und auch nur vorbehaltlich Rechte Dritter am Kulturgut.

3. Zwischenergebnis

Die bisherigen Ausführungen zeigen, daß die Durchsetzbarkeit von Rückgabeansprüchen über Autonomes Internationales Verwaltungsrecht aufgrund des Territorialitätsprinzips, im Zivilrecht aufgrund unterschiedlicher nationaler Gutglaubens-, Verjährungs- und Ersitzungsregeln und des „ordre public"-Kriteriums und im Strafrecht aufgrund der Beachtlichkeit von Rechten Dritter weitgehend beschränkt ist. Neuere Tendenzen, die eine Vereinheitlichung der nationalen Rechtsordnungen, die Zulassung einer Sonderanknüpfung bei Kulturgutdiebstahl oder ein Lösungsrecht für den gutgläubigen Erwerber vorsehen, haben sich bisher noch nicht durchgesetzt11. Angesichts der weitreichenden Unwirksamkeit der nationalen Kulturgüterschutzbestimmungen im zwischenstaatlichen Verkehr bleibt für eine effektive Regelung der Rückführung von Kulturgut allein die Interessenkoordination im völkerrechtlichen Bereich. Dies umso mehr, als je nach verfassungsrechtlicher Grundsatzentscheidung zum Verhältnis des innerstaatlichen Rechts zum Völkerrecht die Staaten gehalten sind, zur Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen bestehende Rechtsschranken zivilrechtlicher und auch öffentlichrechtlicher Natur zu beseitigen12.

4. Völkerrechtliche Rückgabeansprüche

a) Rückgabeansprüche im Völkervertragsrecht Ursprungsstaaten können ihre Rückgabeansprüche auf entsprechende Bestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen stützen. Solche Rückgabeansprüche haben zwar den Vorteil, daß sie durch die vertraglichen Formulierungen genau bestimmbar sind, lassen sich direkt allerdings nur gegenüber anderen Vertragsparteien durchsetzen. Auf die Möglichkeit, sich gegenüber Nichtvertragsstaaten auf Rückgabeansprüche in völkerrechtlichen Verträgen zu berufen, wird im Rahmen der Darstellung des derzeitigen Völkergewohnheitsrechts einzugehen sein. Rückführungsansprüche auf im Krieg abhanden gekommenes Kulturgut wurden bereits seit dem Westfälischen Frieden von 1648 wiederholt in Friedensverträgen 11 UNIDROIT-Entwürfe zur Vereinheitlichung der Gutglaubensvorschriften v. 1968/74; Knott (Anm. 4) S. 83, 181; G. Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz - rechtliche und kulturpolitische Aspekte, in: Ress/Will, Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut Nr. 143, Saarbrücken 1988, S. 18 ff. 12

Überblick bei F. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. 1, 2. Auflage, München 1975, S. 96 ff. 12=

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niedergelegt. Mit den Haager Landkriegsordnungen von 1899/190713 wurde das Kriegsvölkerrecht erstmals in größerem Rahmen kodifiziert und das Beuterecht weitestgehend ausgeschlossen. Art. 3 HLKO verpflichtet die Vertragsparteien zu Schadensersatz für durch „zu ihrer bewaffneten Macht gehörende Personen" begangene Vertragsverletzungen; aus dem Grundsatz der restitutio in integrum folgt bei Wegnahme von Kulturgut daher die Pflicht, diese zurückzugeben. Das erste speziell auf den Kulturgüterschutz bezogene kriegsvölkerrechtliche Abkommen stellt die Haager Konvention von 1954 14 dar. Während aus der Konvention selbst kein Rückgabeanspruch hergeleitet werden kann, verpflichtet Art. I, 3 des Protokolls die Vertragsparteien zur Rückgabe von im Verlauf des bewaffneten Konflikts verbrachtem Kulturgut. Gem. Art. I, 1 des Protokolls trifft die Besatzungsmacht darüberhinaus eine Erhaltungs- und Bewahrungspflicht für die sich auf dem von ihr besetzten Gebiet befindlichen Kulturgüter. Da dem Rückgabeanspruch nicht die nationale Privatrechtsordnung des verpflichteten Staates entgegengehalten werden kann, ist dieser auch gegen einen gutgläubigen Erwerber durchsetzbar 15. Für in Friedenszeiten verbrachtes Kulturgut haben sich Rückgabeansprüche in multilateralen und bilateralen Verträgen seit Anfang dieses Jahrhunderts entwikkelt. Beispielhaft seien hier einige Abkommen erwähnt, um gemeinsame Grundgedanken aufzeigen zu können. Nach dem durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bedingten Scheitern der Konventionsentwürfe des Völkerbunds von 1932-193916 ist als erstes multilaterales (regionales) Abkommen der sog. Washingtoner Vertrag vom 15. 4. 1935 zu nennen, der in Art. 5 und 6 einen Rückgabeanspruch auf illegal exportiertes Kulturgut vorsieht 17. Danach sollen die Zollbehörden des Belegenheitsstaats Kulturgut, das ohne Exportgenehmigung importiert werden soll, und bereits illegal eingeführtes Kulturgut beschlagnahmen und an den Herkunftsstaat zurückgeben. Rückgabeansprüche sind auch gegenüber gutgläubigen Erwerbern durchsetzbar, da

13 RGBl. 1901, S. 423 ff./ 1910, S. 107 ff. 14 Haager Konvention zum Schutz von Kulturgütern im bewaffneten Konflikt; BGBl. II, 1967, S. 1233 ff. 15 Art. I, 4 des Protokolls sieht aber eine Entschädigung des gutgläubigen Erwerbers durch diejenige Vertragspartei vor, die die Ausfuhr des Kulturguts hätte verhindern müssen. 16 Der Konventionsentwurf des Völkerbunds von 1932 sah nach Änderungen 1936/39 eine Rückstellungspflicht bzgl. Kulturguts vor, das aus öffentlichen Sammlungen gestohlen oder in einem nationalen Register aufgeführt und illegal exportiert worden war. Außerdem wurden alle entgegen nationalen Kulturgüterschutzgesetzen vorgenommenen Rechtsgeschäfte für nichtig erklärt. Vgl. Engstier (Anm. 1), S. 49 ff.; v. Schorlemer (Anm. 6), S. 420 ff. 17 Treaty on the Protection of Movable Property of Historie Value, abgedruckt bei Hudson, International Legislation VII, S. 59 f.; Mitgliedstaaten sind Chile, El Salvador, Guatemala, Mexiko und Nicaragua. Auch das Comecon-Abkommen über die Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe in Zollfragen vom 5. 7. 62 (Gesetzblatt der DDR, 12.11.62 II, Nr. 84, S. 736 ff.) verpflichtete in Art. 8 I b die Zollbehörden des Belegenheitsstaats zur Aushändigung illegal exportierten Kulturguts.

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Kulturgut gem. Art. 8 als „res extra commercium" dem Privatrechtsverkehr entzogen ist. Das für Rückführungsverlangen bisher bedeutendste völkerrechtliche Abkommen ist die UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 14. 11. 197018. Nach Art. 7 b ii sind die Vertragsparteien verpflichtet, auf Ersuchen des Ursprungsstaats geeignete Maßnahmen zur Wiedererlangung und Rückgabe von registriertem, aus einer öffentlichen Sammlung gestohlenem Kulturgut (Katalog in Art.l), das nach Inkrafttreten der Konvention für beide betreffenden Staaten eingefühlt wurde, zu ergreifen, sofern der ersuchende Staat einem gutgläubigen Erwerber oder einer Person mit einem Rechtsanspruch an dem Gut eine angemessene Entschädigung zahlt. Die Abwicklung erfolgt auf diplomatischem Weg. Nach Art. 15 sind Rückwirkungsvereinbarungen zwischen den Staaten erwünscht, soweit ersichtlich jedoch bisher noch nicht abgeschlossen worden. Art. 7 b ii geht als Anspruchsgrundlage weit über das hinaus, was Zivilrecht oder Rechtshilfeabkommen bieten, da weder gutgläubiger Erwerb noch nationale Verjährungsregeln dem Ursprungsland entgegengehalten werden können. Der Belegenheitsstaat ist vielmehr verpflichtet, dem privaten Eigentümer nach den Regelungen seines nationalen Rechts, dessen Eigentumsposition zu entziehen. Zwar wurde die UNESCO-Konvention bisher eher zögerlich aufgenommen 19, dennoch sind bereits Rückführungsfälle auf ihrer Grundlage zu konstatieren. So wurden z. B. das 1978 aus dem Mahmoud Khalie-Museum in Kairo gestohlene und in Kuweit aufgetauchte Van Gogh-Gemälde „Vase mit Viscaria" 1980 zurückgegeben. 1981 gab Kanada zwei präkolumbianische Stelen, die dem mexikanischen Staat verfallen waren, an Mexiko zurück. Auch im Fall „Repubblica dell' Ecuador v. Danusso" gab das Turiner Gericht unter Berufung auf die von Italien zur Zeit des Imports allerdings noch nicht ratifizierte Konvention der Klage Ecuadors auf Herausgabe illegal exportierter präkolumbianischer Artefakte statt 20 . Im Zuge fortschreitender Bemühungen der UNESCO um den Internationalen Kulturgüterschutz wurden in der Folgezeit eine Reihe bilateraler Verträge abgeschlossen, die Rückgabeansprüche enthalten. So sehen Art. III des Kooperationsvertrags zwischen den USA und Mexiko von 1970, Art. II des Abkommens zwischen Mexiko und Guatemala von 1975, Art. VII, VIII des Übereinkommens zwischen Mexiko und Peru von 1978 und die Abkommen der USA mit Peru von 1981 18 Convention Concerning the Means of Prohibiting the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property, abgedruckt in ILM 10 (1971), 289; dt.: Walter (Anm. 4), S. 225.

Bis 1993 von 72 Staaten ratifiziert, wobei davon nur 4 als „Importstaaten" angesehen werden können (Argentinien, Australien, Kanada, USA); die BRD ist bisher nicht beigetreten. 20 Walter (Anm. 4), S. 55; J. Greenfield, The return of cultural treasures, Cambridge 1989, S. 258; Tribunale di Torino, Riv.Dir.Priv.Proc. 1982, 625.

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bzw. mit Guatemala von 1984 Rückgabeansprüche auf in diesen Verträgen näher definierte Kulturgüter vor. Der Belegenheitsstaat ist verpflichtet, die nach seiner Rechtsordnung möglichen Schritte zu unternehmen und insbesondere juristische Verfahren einzuleiten, um das gestohlene oder illegal importierte Kulturgut zurückzugeben 21. Nachteil dieser Abkommen ist daher die Unmöglichkeit der Rückerlangung von Kulturgut bei gutgläubigem Erwerb bzw. Verjährung nach dem jeweiligen nationalen Recht des Belegenheitsstaats. Im Rahmen des Europarates ist ein Rückgabeanspruch in Art. 8 II der European Convention on Offences Relating to Cultural Property vom 23. 6. 85 2 2 vorgesehen. Danach hat die ersuchte Partei gemäß ihrem nationalen Recht Beschlagnahmungen durchzuführen und in Anhang II der Konvention definiertes Kulturgut zurückzugeben, das aufgrund eines in Anhang III bezeichneten Vergehens auf ihr Gebiet gelangt ist. Gem. Anh. III 2 h gehört dazu auch der Verstoß gegen ein Exportverbot, sofern beide Staaten ein entsprechendes Exportverbotsgesetz beim Generalsekretariat registrieren ließen. Diese Konvention bringt zwar Erleichterungen für die Durchführung, geht aber in der Rückführungsfrage nicht über bereits bestehende Rechtshilfeübereinkommen hinaus und hat aufgrund der strafrechtlichen Basis den Nachteil, daß Kulturgut lediglich dem Täter, nicht aber einem Dritten entzogen werden kann. Im Rahmen der EU ist auf Art. 2 der Richtlinie Nr. 93/7 / EWG des Rates vom 15. 3. 93 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern 23 hinzuweisen. Mit der Umsetzung, die gem. Art. 18 in allen Mitgliedstaaten bis spätestens 15. 4. 94 stattfinden sollte, machen sich alle Mitgliedstaaten die Verbringungsverbote aller Staaten zu eigen und müssen diese als innerstaatliche Ansprüche - auch gegenüber gutgläubigen Erwerbern - durchsetzen24. Die Darstellung der derzeitigen Lage im Völkervertragsrecht verdeutlicht, daß von weltweit durchsetzbaren Rückgabeansprüchen keine Rede sein kann. Zum einen basieren viele Rückgabeansprüche nur auf bilateralen bzw. regionalen Abkommen, die oft sogar nur Rückführungen nach Maßgabe der jeweiligen nationalen Rechtsordnung vorsehen und damit nicht über zivilrechtliche Rückgabeansprüche hinausgehen. Zum anderen entfalten bestehende multilaterale Abkommen nur eingeschränkte Wirkung aufgrund mangelnder allgemeiner Ratifikation und fehlender 21

Walter (Anm. 4), S. 62 ff.; v. Schorlemer (Anm. 6), S. 415 ff. Einen nicht über zivilrechtliche Rückforderungsmöglichkeiten hinausgehenden Anspruch enthält auch Art. 11 der OASConvetion on the Protection of Archaeological, Historical and Artistic Heritage of American Nations v. 16. 6. 76 (ILM 15 (1976), 1350), die aufgrund der Nichtratifizierung durch die USA jedoch relativ bedeutungslos blieb. 22 Abgedruckt in ILM 25 (1986), 44; 1992 ratifiziert von Griechenland, Italien, Liechtenstein, Portugal, Türkei, Zypern. 23 AB1EG Nr. L 74 vom 27. 3. 93 , S. 74. 24 Vgl. dazu J. Schwarze, Der Schutz des nationalen Kulturguts im europäischen Binnenmarkt, JZ 94, 111, 116; K. Siehr, Handel mit Kulturgütern in der EWG, NJW 93, 2206, 2207.

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Rückwirkung. Daher ist auf die mögliche Existenz völkerrechtlicher Rückgabeansprüche mit allgemeiner Gültigkeit einzugehen. b) Rückgabeansprüche im Völkergewohnheitsrecht Unumstritten ist heute ein gewohnheitsrechtlicher Anspruch auf im Krieg verbrachtes Kulturgut, dessen Umfang dem des in der Haager Landkriegsordnung enthaltenen Rückgabeanspruchs entspricht, somit nur gegenüber am Krieg beteiligten Staaten geltend gemacht werden kann 25 . Im folgenden gilt es zu klären, ob und gegebenenfalls inwieweit ein Rückgabeanspruch auf in Friedenszeiten abhanden gekommenes oder illegal exportiertes Kulturgut i.S.e. Regel, die im staatlichen Verkehr beachtet und von der Überzeugung, daß eine Rechtspflicht zur Befolgung besteht, getragen wird 2 6 , anerkannt ist.

aa) Staatenpraxis Eine gewohnheitsrechtliche Übung müßte sich aus dem Handeln der zur Exekutive gehörenden und mit der Wahrnehmung internationaler Beziehungen betrauter Staatsorgane von gewisser Dauer, Einheitlichkeit und Verbreitung ergeben. Bisher haben allerdings nur wenige Rückführungen von illegal exportiertem oder gestohlenem Kulturgut, die nicht auf vertraglichen Verpflichtungen beruhten, stattgefunden 27 . Festzustellen ist, daß die Belegenheitsstaaten eher geneigt sind, Kulturgut zurückgeben, das aus gewachsenen Sammlungen gestohlen wurde bzw. aufgrund seiner besonderen religiösen Bedeutung oder seiner Zugehörigkeit zu einem Bauwerk o.ä. in enger Beziehung zum ursprünglichen Standort steht28. Allerdings kann noch nicht von einer dauerhaften, einheitlichen und verbreiteten Übung gesprochen werden 29. Mangels entsprechender Staatenpraxis ist daher die Existenz eines gewohnheitsrechtlichen Rückgabeanspruchs zu verneinen. 25 Walter (Anm. 4), S. 78; R. Fraoua, Le trafic illicite des biens culturels et leur restitution - analyse des réglementations nationales et internationales, critiques et propositions, Fribourg 1985, S. 134. Der Annahme eines gewohnheitsrechtlichen Anspruchs entsprechend dem des Protokolls zur Haager Konvention von 1954 auch gegenüber am Krieg unbeteiligten Staaten steht bisher noch die Staatenpraxis entgegen. 2 6 Definition des IGH im North Sea Continental Shelf Case, ICJ-Rep. 1969, 3; vgl. Art. 38 I b IGH-Statut. 27 Rückgabefälle bei Greenfield (Anm. 20), S. 5, 260, 264 f. (auf die Rückgabepraxis im Verhältnis zu ehemaligen Kolonien wird erst später eingegangen). 28 Z.B. USA: Rückgabe des aus einer italienischen Kunstsammlung gestohlenen „BostonRaffael" 1971, der illegal exportierten Afo-A-Kom-Kultstatue an Kamerun und eines gestohlenen Teils einer Statue an Guatemala 1973; F: Rückgabe einer gestohlenen und illegal gehandelten Amon-Min-Statue an Ägypten 1981; vgl. Greenfield, (Anm. 20), S. 260 ff., 273 f. 2 9 So auch: G. Dahm, Völkerrecht, Bd. 2, Stuttgart 1961, S. 771; Fraoua (Anm. 25) S. 139,142; ders. im Schlußbericht des Informationstags „Kulturgüter zwischen Markt und

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bb) Opinio iuris Dennoch soll auf die Rechtsüberzeugung der Staaten eingegangen werden, um Tendenzen aufzuzeigen, die auf eine Änderung der Staatenpraxis und eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung eines allgemeinen Rückgabeanspruchs hinauslaufen könnten. Diese Überzeugung i.S.e. gefestigten Position, daß eine bestimmte Verhaltensweise geboten ist, weil sie dem entspricht, was die Völkerrechtssubjekte als dem Recht gemäß betrachten, kann sich aus Akten nationaler Legislativ- und Judikativorgane, Entscheidungen internationaler Gerichte und aus völkerrechtlichen Verträgen ergeben. (1) Akte nationaler Legislativorgane Die Herausbildung einer allgemeinen Rechtsüberzeugung würde gleichartige nationale Gesetzgebungstendenzen hinsichtlich der Kulturgutrestitution erfordern. In einigen nationalen Rechtsordnungen bestehen zwar einander entsprechende Kulturgüterschutzgesetze mit Rückführungsklauseln für gestohlenes und illegal importiertes Kulturgut, so z. B. im amerikanischen Raum 30 und - nach Umsetzung der Rückgaberichtlinie - im Rahmen der EU. Diese sind jedoch sowohl sachlich (präkolumbianisches Kulturgut/Kulturgut von EU-Mitgliedstaaten) als auch räumlich (z. B. nur gegenüber anderen EU-Staaten) begrenzt. Auch die insgesamt geringe Quantität übereinstimmender nationaler Rückgabevorschriften spricht eher gegen das Bestehen einer entsprechenden Rechtsüberzeugung. (2) Akte nationaler Judikativorgane Entscheidungen nationaler Gerichte können zur Entwicklung einer opinio iuris beitragen, wenn darin eine neue Verhaltensweise des Staates in internationalen Beziehungen deutlich wird. Im „Nigeria-Fall" hatte der BGH zwar nicht über einen Rückgabeanspruch zu entscheiden, stellte jedoch unter Berufung auf die UNESCO-Konvention von 1970 fest, daß „in der Völkergemeinschaft bestimmte grundsätzliche Überzeugungen über das Recht jedes Landes auf den Schutz seines Museum" vom. 2.7.93, Bern 1993, S. 50; R. Goy, Le retour et la restitution des biens culturels à leur pays d'origine en cas d'appropriation illégale, Rev.Gén.de Droit Int. Publ. 83 (1979), 962, 966,974; Walter (Anm. 4), S. 71; für archäologisches Kulturgut: F. Fechner , Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts - Regelungen im innerstaatlichen Recht, im Europa- und Völkerrecht sowie Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung, Berlin 1991, S. 101; a.A.: K. Becher ; On the obligation of subjects of international law to return cultural property to its permanent place, Annu. de l'A.A.A. 44 (1974), 96; Zschiedrich/Hoffmann, Völkerrechtlicher Schutz der Kulturgüter vor Wegnahme und illegaler Verbringung ins Ausland, N.J. 84, 86, 87 f. bejahen Rückgabeansprüche aufgrund eines völkerrechtlich anerkannten Territorialitätsprinzips, begründen Staatenpraxis jedoch nur mit Rückführungsfällen von im Krieg verbrachtem KG. 30 Z.B. US-Gesetz über Import präkolumbianischen Kulturguts 1970, Kanadischer Cultural Property Export and Import Act 1975; vgl. Fraoua (Anm. 25), S. 146.

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kulturellen Erbes" und das „allgemein zu achtende Interesse aller Völker an der Erhaltung von Kulturwerten an Ort und Stelle" bestünden. Er versagte der Ausfuhr von Kulturgut entgegen einem Verbot des Ursprungsstaats den bürgerlich-rechtlichen Schutz unter ausdrücklicher Betonung, daß „die in früherer Zeit übliche und geduldete Mißachtung des Wunsches der Völker, im Besitz ihrer Kunstschätze zu bleiben, nicht als Maßstab des nach heutiger Auffassung mit den guten Sitten Verträglichen gemacht" werden könne 31 . Auch das Turiner Gericht gab im Fall „Ecuador v. Danusso" unter Berufung auf die von Italien im Zeitpunkt des Imports des präkolumbianischen Kulturguts noch nicht ratifizierte UNESCO-Konvention der Herausgabeklage Ecuadors statt 32 . Im Fall „Attorney General of New Zealand v. Ortiz" kam Richter Slaughton in 1. Instanz bei der Prüfung der Vereinbarkeit des neuseeländischen Kulturgüterschutzgesetzes mit dem englischen ordre public zu dem Schluß, daß „comity requires that we should respect the natural heritage of other countries by according both recognition and enforcement to their laws... The hope of reciprocity is an additional ground of public policy leading to the same conclusion"33. In 2. Instanz lehnte Lord Denning aufgrund anderer Auslegung des neuseeländischen Gesetzes dessen Durchsetzung in strenger Anwendung des Territorialitätsprinzips jedoch ab, prüfte auch keinerlei völkerrechtliche Ansprüche, sondern verwies vielmehr darauf, daß „the retrieval of such works of art must be achieved by diplomatic means. Best of all, there should be an international convention on the matter where individual countries can agree and pass the necessary legislation" 34 . Als weiteres Beispiel kann der Fall „US v. McClain" angeführt werden. United States v. McClain and Others; 545 F.2d 988 (5th cir.) (1977); 593 F.2d 658 (5th cir.) (1979) Eine Reihe von Personen, darunter McClain, wurden beschuldigt, bei Transport, Hehlerei und Verkauf gestohlener präkolumbianischer Artefakte zusammengewirkt und so den US-National Stolen Property Act verletzt zu haben. Nachdem unbekannte Personen die Artefakte von einer mexikanischen Fundstätte entfernt hatten, wurden diese von den Angeklagten ohne Genehmigung ausgeführt und in den USA an einen FBI-undercover agent verkauft. Das US-Gesetz sah in Fällen, in denen Kunstwerke gestohlen, unterschlagen oder betrügerisch erlangt wurden, ein Transport- und Besitzverbot innerhalb der USA vor. Eine der wesentlichsten Fragen war, ob das präkolumbianische Kulturgut i. S. d. NSPA „gestohlen" war. 31 BGHZ 59, 82, 85-87. 32 Riv.dir.int.priv.proc. 1982, 625; Reichelt (Anm. 11), S. 32. 33 ILR 78, 591, 607. 34 ILR 78, 591, 614,620, bestätigt durch House of Lords, a.a.O., 631, 636; die UNESCOKonvention war mangels Ratifikation durch beide Staaten unanwendbar, hätte aber zu keinem anderen Ergebnis geführt, da es sich nicht um Kulturgut aus einer öffentlichen Sammlung handelte.

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Das Gericht entschied sich für eine weite Definition von „stolen" i. S. d. USNational Stolen Property Act und stellte fest, daß dieser auch auf Objekte Anwendung finde, die außerhalb der USA erlangt worden seien, während sie noch i m nach der lex rei sitae zu bestimmenden - Eigentum des Opfers standen. Darüberhinaus vereinfachte es die Beweislast für die fremde, um den Schutz ihres Kulturerbes bemühte Regierung, indem auf den Nachweis der konkreten Wegnahmehandlung verzichtet wurde. Das mexikanische Gesetz, das praktisch alle präkolumbianischen Kulturgüter dem Privatrechtsverkehr entzieht und zu Staatseigentum erklärt, wurde anerkannt. Aufgrund der Beurteilung des illegalen Exportes von Staatseigentum als Diebstahl i. S. d. US-Gesetzes kam es zur Verurteilung der Täter und zur Rückgabe des Kulturguts. Daß US-Gerichte geneigt sind, Kulturgut eine besondere Bedeutung beizumessen, zeigt sich auch i m Fall „Autocephalous-Greek Orthodox Church v. Goldberg". Autocephalous-Greek Orthodox Church v. Goldberg; 717 F.Supp. 1374 (S.D.Ind. 1989); bestätigt: 917 F.2d 278 (7th cir. 1990) In diesem Fall ging es um den Anspruch der griechisch-orthodoxen Kirche Zyperns und des griechisch-zypriotischen Staates gegen die amerikanische Kunsthändlerin Goldberg auf Herausgabe von vier byzantinischen Mosaiken aus dem 16. Jh. Die Mosaiken waren zwischen 1976 und 1979 aus der Apsis einer im seit 1974 von der Türkei besetzten Nordteil Zyperns liegenden Kirche entfernt und 1988 über holländische Kunsthändler Goldberg zum Kauf angeboten worden. Goldberg kaufte die Mosaiken in Genf, nachdem sie sie im zollfreien Bereich des Flughafens besichtigt hatte. Als Goldberg die Mosaiken zum Weiterverkauf anbot, erfuhren die griechisch-zypriotische Regierung und die Kirche von deren Verbleib und erhoben Klage. Der District Court von Indianapolis hielt aufgrund der nächsten Beziehung zum Sachverhalt das Recht von Indiana und nicht Schweizer Recht, das nach der lex rei sitae berufen wäre, für anwendbar. Nach Indiana-Recht gibt es keinen gutgläubigen Erwerb von gestohlenen Sachen. Die Mosaiken seien im Eigentum der griechisch-orthodoxen Kirche verblieben, da weder diese selbst noch der griechisch-zypriotische Staat die Entfernung erlaubt hätten (eine eventuell vorliegende Erlaubnis durch die 1983 ausgerufene Türkische Republik Nordzypern könne mangels Anerkennung dieses Staates durch die USA nicht zu einem rechtmäßigen Eigentumstitel des Verkäufers verhelfen). Zu klären war daher nur, ob der Anspruch verjährt war (6-Jahres Frist). Die Verjährung beginne nach der „discovery rule" erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, ab dem der Kläger bei gehöriger Sorgfalt von Lage und Besitzer der Sache hätte wissen müssen. Da die griechisch-zypriotische Regierung, sofort nachdem sie 1979 vom Fehlen der Mosaiken erfahren hatte, dies weltweit bei UNESCO, Museen usw. bekannt gemacht hatte, trotzdem dadurch erst 1988 die Besitzerin hätte ausmachen können, sei der Anspruch nicht verjährt. Alternativ wurde die Rechtslage nach Schweizer Recht geprüft, wonach gutgläubiger Erwerb durch Goldberg möglich gewesen wäre. Das Gericht stellte fest, daß Herkunft und ursprüngliche Unbeweglichkeit der Mosaiken, niedriger Preis, schnelle Verkaufsabwicklung, mangelndes Hintergrundwissen über Verkäufer und Mittelsmänner verdachtserregend seien und hielten Goldberg, obwohl sie sich bei UNESCO, International Foundation for Art Research in N.Y. und Zollbehörden in USA, Schweiz, Deutschland und

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Türkei nach den Mosaiken erkundigt hatte, für bösgläubig, da sie nicht noch bei der griechisch-orthodoxen Kirche, der griechisch-zypriotischen Republik und der Türkischen Republik Nordzypern nachgefragt hatte. Der Herausgabeklage wurde stattgegeben.

Das Gericht kam aufgrund einer von der „lex rei sitae" abweichenden Sonderanknüpfung an den „Ort der nächsten Beziehung" zur Anwendung des für die Rückforderung günstigeren Rechts von Indiana, stellte bei seiner Alternativbetrachtung nach Schweizer Recht extrem hohe Anforderungen an den Gutglaubensnachweis der Käuferin und begründete sein der Klage stattgebendes Urteil u.a. damit, daß „the mosaics are unique. The paramount significance of their existence is as part of the religious, artistic, and cultural heritage of the Church and the government of Cyprus, and as part of the national unity of the Republic of Cyprus" 35 . Im „Montpellier-Fall" fingierte der Cour d'Appel de Montpellier im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung Fresken auch nach ihrer Abnahme als unbeweglich, weil das dem Schutz nationalen Kulturguts diene 36 . Obgleich die nationalen Gerichte keine Prüfung gewohnheitsrechtlicher Rückgabeansprüche vornehmen, solche also auch nicht der derzeitigen opinio iuris entsprechen können, ist m.E. doch eine Tendenz erkennbar, die territoriale Bindung von Kulturgut an das Ursprungsland zu betonen und Kulturgut zumindest eine gewisse Sonderstellung im Vergleich zu sonstigem Eigentum einzuräumen.

(3) Internationale Rechtsprechung Die soweit ersichtlich einzige Entscheidung eines internationalen Gerichts über die Rückführung von Kulturgut findet sich im „Temple of Preah Vihear"-Fall des IGH 3 7 . IGH Case concerning the temple of Preah Vihear; Cambodia v. Thailand; Judgement of 15. 6. 1962; ICJ, Reports of Judgements, Advisory Opinions and Orden 1962, S. 6 Der Tempel von Preah Vihear, der noch heute von großer künstlerischer und historischer Bedeutung und Ziel zahlreicher Wallfahrten ist, liegt im Grenzgebiet zwischen Kambodscha und Thailand. Zwischen den Ländern bestand Streit über den Grenzverlauf, beide hielten das Tempelgebiet für ihr Territorium. 1954 besetzte Thailand dieses Gebiet militärisch. 1962 brachte Kambodscha den Fall vor den IGH, um auf diese Weise die Anerkennung seiner Rechte auf das umstrittene Gebiet durch internationalen Titel und zugleich den Abzug der thailändischen Truppen aus dem Tempelgebiet zu erreichen. Unter Nr. 5 seiner Schlußanträge vom 20.5.62 unterstellte es der Jurisdiktion des IGH „to adjudge and declare the sculptures, stelae, fragments of monuments, sandstone mo35 717 F.Supp (1989) 1374, 1376, 1400-1404. 36 G. Reichelt Kulturgüterschutz und Internationales Privatrecht, 6 IPrax (1986), 73, 74. 37 IGH, ICJ-Rep. 1962, S. 6, 36.

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Christiane Freytag del and ancient pottery which have been removed from the Temple by the Thai authorities since 1954 are to be returned to the Government of the Kingdom of Cambodia by the Government of Thailand" (S. 11). Nachdem der IGH entschieden hatte, daß der Tempel im Hoheitsgebiet Kambodschas liege, gab er als selbstverständliche und automatische Folge daraus dem Restitutionsbegehren statt: „As regards to the 5th Submission of Cambodia concerning restitution, the Court consideres that the request made in it does not represent any extension of Cambodia's original claim. Rather is it.. .implicit in, and consequential on the claim of sovereignty itself. The question of restitution is one on which the Court can only give a finding of principle in favour of Cambodia, without relating it to any particular ojects." (S. 36)

Ohne auf kulturelle Argumente oder die bestehende Rechtsüberzeugung in der Staatengemeinschaft einzugehen, stellte der IGH hier die Rückgabepflicht eines Staates bezüglich des von seinen Staatsorganen auf fremdem Staatsgebiet weggenommenen Kulturguts und die Bindung von Kulturgut an ein bestimmtes Territorium fest. Allerdings handelt es sich aufgrund der untergeordneten Bedeutung im Rahmen des eigentlich zu entscheidenden Territorialstreits wohl nicht um eine Präzedenzentscheidung .

(4) Völkerrechtliche Verträge Normen völkerrechtlicher Verträge können für den Nachweis der Rechtsüberzeugung der Unterzeichnerstaaten herangezogen werden und können gewohnheitsrechtliche Geltung erlangen, wenn sie auch von Nichtvertragsstaaten anerkannt werden. Hier soll nur auf die UNESCO-Konvention von 1970 eingegangen und geprüft werden, ob in der Nichtratifizierung durch die meisten „Marktstaaten" deren grundsätzliche Ablehnung jeglicher Rückgabeansprüche gesehen werden muß. Bedenken der Nichtmitgliedstaaten betreffen insbesondere den „Blankocheque für die Ursprungsländer" durch Definition von „illicit" über die nationale Gesetzgebung (Art. 3), außerdem tatsächliche Durchführungsprobleme im Importkontrollbereich und rechtliche Probleme der innerstaatlichen Eigentumsordnung bei der Durchsetzung des Rückgabeansprüche aus Art. 7 b ii gegenüber gutgläubigen Erwerbern. Sie richten sich weniger gegen die allgemeine Zielsetzung der territorialen Bindung von Kulturgut und den in Art. 7 statuierten Rückgabeanspruch auf Kulturgut aus öffentlichen Sammlungen als solchen38. Das zeigt auch die Berufung von Gerichten aus Nichtmitgliedstaaten auf die Konvention, der Abschluß inhalts38 R. Mußgnug, Das Kunstwerk im internationalen Recht, Schriften der deutschen Richterakademie, Heidelberg 1985, S. 25; S. Nahlic International cooperation to prevent illicit trafic of cultural property, 51-53 Annu. de l'A.A.A. (1981-83), 73 ff.; D. Schulze, Die Restitution von Kunstwerken - Zur völkerrechtlichen Dimension der Restitutionsresolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen, Veröffentlichungen aus dem Überseemuseum Bremen, Reihe D, Bd. 12, S. 36 f.

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ähnlicher bilateraler 39 bzw. regionaler Verträge und die EU-Richtlinie, die ebenfalls eine Enteignung gutgläubiger Erwerber gegen Entschädigung vorsieht. Die Richtlinie stellte zwar in erster Linie eine Reaktion auf die Errichtung des Binnenmarkts zum 1. 1. 93 dar, um das Leerlaufen der nationalen Kulturgüterschutzgesetze durch Wegfall von Zollkontrollen an den Binnengrenzen zu verhindern. Dennoch deutet die Statuierung von Rückgabeansprüchen darauf hin, daß auch „Marktstaaten" die territoriale Bindung von Kulturgut und einen daraus folgenden Rückgabeanspruch grundsätzlich anerkennen.

cc) Bewertung Es ist festzustellen, daß in der Völkergemeinschaft derzeit noch keine allgemeine Überzeugung bezüglich einer Rechtspflicht zur umfassenden Rückgabe von in Friedenszeiten gestohlenem oder illegal exportiertem Kulturgut besteht, diese sich vielmehr auf die „Exportstaaten" beschränkt. Anerkannt ist aber bereits ein Rückgabeanspruch auf aus historisch gewachsenen und insbesondere öffentlichen Sammlungen gestohlenes Kulturgut und auf solches, das im Rahmen des internationalen Leihverkehrs unter Museen trotz Zusicherung freien Geleits einbehalten worden ist 4 0 . Im Verhalten der „Importstaaten" und deren nationalen Gerichtsentscheidungen zeichnet sich m.E. jedoch eine neue Einstellung gegenüber dem Kulturerbe der Ursprungslands ab. Diese kommt auch in dem 1970 vom Internationalen Museumsrat ICOM aufgestellten Verhaltenskodex für Museen zum Ausdruck, in dem i.S.e. Selbstbeschränkung von den Museen gefordert wird, beim Erwerb von Kunstwerken auf lückenlose Herkunftsnachweise zu achten und die Gesetze der Ursprungsstaaten zu respektieren. Zahlreiche Museen und Museumsverbände haben erklärt, sich an diese empfohlene Erwerbspolitik halten zu wollen 41 . Die dargestellten Tendenzen können als Anhaltspunkte für die Entstehung einer neuen völkergewohnheitsrechtlichen Norm bewertet werden. Soweit es sich um sog. bodenständiges Kulturgut handelt, das wie Teile von Bauwerken oder Gegenstände von besonderer religiöser oder symbolischer Bedeutung nur an seinem Herkunfsort sinnvoll genutzt werden kann, befindet sich diese Entwicklung schon in fortgeschrittenerem Stadium42.

39 Str., ob als Nachweis für opinio iuris anführbar; dagegen: K. Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl., München 1990, S. 261 Rz. 44; dafür Mössner, in: Lex.d.VöR S. 257; /. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 7. Aufl., Köln u.a. 1992, Rz. 473, 528. 40 Engstier (Anm. 1), S. 276, 281 \Mußgnug (Anm. 38), S. 29.

41 Meyer (Anm. 5), S. 254-262, 264-268; Siehr, SJZ 81, 198, 209. 42 So auch: Mußgnug (Anm. 38), S. 27; Fraoua (Anm. 25), S. 142.

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II. Rückgabeansprüche ehemals kolonisierter Staaten Nach erlangter Souveränität trat auch das Kulturbewußtsein ehemals kolonisierter Staaten in den Vordergrund. Ausschlag für vermehrte Rückforderungen aus den ehemaligen Kolonien gab die Rede des zairischen Präsidenten General Motubu, in der er auf der 28. Generalversammlung der Vereinten Nationen am 4. 10. 1973 forderte, daß Kulturgüter, die während der Kolonialzeit aus den Ursprungsländern entfernt worden waren, zurückgegeben werden sollten. Daraufhin verabschiedete die UN-Generalversammlung die Resolution 3187 43 , in der sie zur sofortigen entschädigungslosen Restitution von Kulturgütern aufforderte, die während kolonialer oder fremder Okkupation aus ihren Ursprungsstaaten entfernt wurden, als Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht und unter besonderer Pflichtigkeit der Staaten, die nur im Zuge kolonialer oder fremder Okkupation Zugang zu diesen Kunstschätzen hatten. In vielen folgenden UN- und UNESCO-Resolutionen wurden entsprechende Rückführungsforderungen wiederholt 44 . Bei der im Rahmen dieser Betrachtung vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung solcher Restitutionsforderungen ist daher insbesondere auf die rechtliche Bindungswirkung der UN- und UNESCO-Resolutionen selbst und auf die darin angesprochenen Gedanken der Wiedergutmachung für begangenes Unrecht bzw. der ungerechtfertigten Bereicherung einzugehen, bevor allgemeine Tendenzen im Völkergewohnheitsrecht dargestellt werden. Der Vollständigkeit halber sollen jedoch eine Betrachtung zivilrechtlicher und konkreter völkervertragsrechtlicher Rückgabeansprüche vorangestellt werden.

1. Privatrechtliche Rückgabeansprüche

Gültigkeit und Wirksamkeit von Rechtsgeschäften richten sich nach der zur Zeit ihres Zustandekommens geltenden Zivilrechtsordnung. Das war in Kolonien i.d.R. die Rechtsordnung der Kolonialmacht45. Daher ist beispielsweise ein von Tansania als Rechtsnachfolger von ehemals Deutsch Ostafrika geltend gemachter Rückgabeanspruch auf den Königsthron des Karagoue, der um 1900 vom Sultan von Tanganjika (Deutsch Ostafrika) einem deutschen Arzt geschenkt worden war und sich heute im Lindenmuseum in Stuttgart befindet, zu verneinen. Diese Schenkung war nach dem dort geltenden deutsch-preußischen bürgerlichen Recht wirksam. Zivilrechtlichen Rückgabeansprüchen stehen heute außerdem in aller Regel - selbst bei Annahme einer Hemmung durch die mangelnde Prozeßfähigkeit bis zur Anerkennung durch den Gerichtsstaat nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit46 43

UN-Res.3187 (XXVIII) „Restoring works of art to countries victims of expropriation" vom 18. 12. 1973; abgedruckt in 13 ILM (1974) 274. 44 Nachweise bei Schulze (Anm. 38), S. 15 ff., Walter (Anm. 4), S. 94 Fn. 4, 6. 4 5 Walter (Anm. 4), S. 101 m.w.N.

Rückgabeansprüche von Ursprungsländern auf „ihr" Kulturgut?

die Verjährungs- und Ersitzungsvorschriften Rechtsordnung entgegen.

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der entsprechenden nationalen

2. Volkerrechtliche Rückgabeansprüche

a) Rückgabeansprüche im Völkervertragsrecht Rückgabeansprüche auf Kulturgut ergeben sich teilweise aus sukzessionsrechtlichen Vereinbarungen im Rahmen der Dekolonisierung 47 bzw. aus bilateralen Rückgabeübereinkommen zwischen ehemaliger Kolonialmacht und Kolonie, die sich allerdings nur auf vertraglich genauer bestimmte Objekte beziehen48. Als multilaterales Abkommen ist das Wiener Übereinkommen über die Staatennachfolge in Vermögen, Archive und Schulden vom 7. 4. 198349 zu nennen. Danach soll bewegliches und unbewegliches Staatsvermögen, das ursprünglich zum Nachfolgegebiet gehört hatte und während der Kolonialzeit Eigentum der Kolonialmacht geworden war, auf den Nachfolgestaat übergehen (Art. 15 I b, e). Außerdem wird bewegliches Staatsvermögen - unabhängig von der Belegenheit - Eigentum des Nachfolgestaats, wenn es mit einer auf das Nachfolgegebiet bezogenen Tätigkeit des Vorgängerstaats in Verbindung steht (Art. 14 II b, 15 I d, 17 I b, 18 1 c). Diese Konvention ist allerdings noch nicht in Kraft 50 und entfaltet gem. Art. 4 auch grundsätzlich keine Rückwirkung. Es ist festzustellen, daß vertragliche Regelungen rar und - soweit sie sich nur auf bestimmtes Kulturgut bezogen - bereits erfüllt sind, so daß sie keine Anspruchsgrundlage für weitere Restitutionsförderungen mehr darstellen. Außerdem führen sie nur zu einer Rückführung, wenn sich das Kulturgut noch im Eigentum der ehemaligen Kolonialmächte befindet. b) Resolutionen der Generalversammlung der UN und der UNESCO als Anspruchsgrundlage ? In UN- und UNESCO-Resolutionen finden sich Rückgabeverpflichtungen, die unabhängig von der Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit des Erwerbs nach damaligem lokalen Recht und Völkerrecht allein an die Tatsache kolonialer Herrschaft an46 Vgl. „Kunstsammlungen zu Weimar v. Elicofon", 536 F.Supp. 829, 847 (1981), 678 F.2d 1150, 1152: Hemmung der Verjährung bis zur Anerkennung der DDR durch die USA. 47 Engstier (Anm. 1), S. 267; Walter (Anm. 4), S. 119; z. B. Art. 37 Friedensvertrag mit Italien v. 1947: Rückgabe aller seit 3. 11. 1935 entfernten Kultugüter an Abessinien. 48 Abkommen zwischen Frankreich und Laos 1950/Algerien 1968, Belgien und Zaire 1977, Niederlande und Indonesien 1977; vgl. Greenfield (Anm. 20), S. 260. 49 Abgedruckt in ILM 83, 306. 50

Bis 1990 lag keine der 15 gem. Art. 50 nötigen Ratifikationen vor, Ipsen (Anm. 39), S. 319 Rz. 6.

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knüpfen 51. Angesichts der großen Bedeutung Internationaler Organisationen im internationalen Verkehr haben sich neuere Theorien entwickelt, die von einer formell-rechtlichen Bindungswirkung der UN-Resolutionen ausgehen52. Solch weitgehende Konstruktionen sind jedoch auf dem heutigen Stand der Völkerrechtsentwicklung abzulehnen53. Gem. Art. 10, 13 UN-Charta ist die Generalversammlung nur zum Erlaß rechtlich unverbindlicher Empfehlungen befugt, dasselbe sieht Art. IV 4 der UNESCO-Satzung vor. Resolutionen können daher nicht als Anspruchsgrundlage für Kulturgutrückführungen dienen.

c) Anspruch aus völkerrechtlichem

Delikt

Ein Rückgabeanspruch könnte sich aus der Wiedergutmachungspflicht als Rechtsfolge eines völkerrechtlichen Delikts ergeben, sofern die Verbringung von Kulturgut aus Kolonien ein von einem Völkerrechtssubjekt gegen ein anderes begangenes völkerrechtswidriges, schädigendes Verhalten darstellte. Dies bestimmt sich nach dem zur Zeit der Wegnahme geltenden Recht, so daß zwischen der Wegnahme im Rahmen der Kolonisierung und der Wegnahme während der Kolonialzeit zu unterscheiden ist. Nach zur Zeit der Kolonisierung geltendem Völkerrecht waren die von keiner im Kreis der europäischen Völkerrechtsgemeinschaft anerkannten Gebietshoheit beherrschten Gebiete „herrenlos" und damit der Okkupation als anerkanntem Gebietserwerbstitel zugänglich54. Den von der Kolonisierung betroffenen Gebieten fehlte die Völkerrechtssubjektivität und somit die passive Deliktsfähigkeit. Aber auch wenn man zwischen der Kolonisierung des von nomadisierenden Stämmen bewohnten Gebiets und der von seßhaften, kulturell höherstehenden Völkern bewohnten Staatswesen differenziert und bei letzteren Annexion bzw. kriegerische Unterwerfung als Erwerbsgrund annimmt, läge aufgrund des bis Anfang des 20.Jh. geltenden freien Kriegsführungs- und Beuterechts kein völkerrechtliches Delikt vor 55 . Aus der Kolonisierung an sich ergibt sich somit kein deliktsrechtlicher 51 Insb. UN-Res. 3187 Restoring works of art to countries victims of expropriation v. 18.12.73; 13 ILM (1974) 243; UN-Res. 34/64 v. 29.11.79, VN 1980, 105; UNESCO-Res. 3428 (1974) und viele folgende; weitere Nachweise bei Schulze (Anm. 38), S. 15; Walter (Anm. 4), S. 93f. 52 Theorien von der universell wirkenden Rechtsquelle, von der Legislativgewalt der UNGV, vom Vertragsschluß, vom instant customary law, von der Bindung über Treu und Glauben bzw. das Estoppel-Prinzip; vgl. dazu Schulze (Anm. 38), S. 39 ff.; Mössner, Lex.d.VöR S. 255. 53 So auch die h.M.: Ipsen (Anm. 39), S. 197 Rz. 23; Seidl-Hohenveldern (Anm. 39), Rz. 490; Wolfrum, Lex.d.VöR S. 148; für UNESCO- Resolutionen: Dohm (Anm. 29), S. 764. 54 Schulze (Anm. 38), S. 82; Walter (Anm. 4), S. 108 m.w.N. zur damaligen Völkerrechtslehre. 55 Berber (Anm. 12), S. 349; Schulze (Anm. 38), S. 83; Walter (Anm. 4), S. 106 ff., 111; anders: Erwerb in Befreiungskriegen (z. B. Algerien 1954-65; Besitzungen Portugals

Rückgabeansprüche von Ursprungsländern auf „ihr" Kulturgut?

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Rückgabeanspruch. Was die Wegnahme von Kulturgut während der Kolonialzeit anbelangt, so ist zu beachten, daß Kolonien i.e.S. als integrierter Teil des Staatsgebiets des Mutterlandes dessen Staatsgewalt unterworfen sind, so daß ihnen keine eigenständige Völkerrechtssubjektivität zukommt 56 . Auch die Ausbeutung von Kolonien stellt daher kein völkerrechtliches Delikt dar. Teilweise wird versucht, einen Rückgabeanspruch aus der heute anerkannten57 Völkerrechts Widrigkeit kolonialer Herrschaft herzuleiten 58. Ob eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Rückwirkungsverbots unter Bezugnahme auf Prinzipien des post-kolonialen Völkerrechts möglich ist, ist jedoch keine spezifisch deliktsrechtliche Frage, sondern ein Problem des heutigen Völkergewohnheitsrechts, auf das später einzugehen sein wird. Anders verhält es sich im Verhältnis zu Protektoraten, Mandats- und Treuhandgebieten, denen nur die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit, nicht aber die Völkerrechtssubjektivität fehlt 59 . Hier kommen daher Rückgabeansprüche aus völkerrechtlichem Delikt im Betracht, wobei nur am Einzelfall überprüft werden kann, ob die betreffende Verhaltensweise den Tatbestand eines völkerrechtlichen Unrechts erfüllt 60 . d) Anspruch aus ungerechtfertigter

Bereicherung

Das Prinzip der ungerechtfertigten Bereicherung ist ein allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz i. S. d. Art. 38 I c IGH-Statut, wonach jeder Staat zurückgeben muß, was er auf Kosten eines anderen ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Auch hier muß die Wegnahme dem Belegenheitsstaat zurechenbar sein. Sowohl die Bereicherung des Belegenheitsstaats durch Vergrößerung „seines" kulturellen Erbes und finanziell durch Museumseinnahmen oder Verkaufserlöse sowie die kausale Schädigung des Ursprungslands, dem genau diese Möglichkeiten entgehen, sind in aller Regel zu bejahen. Die Feststellung des Fehlens eines rechtlichen Grundes für 1960-74), da Rückgabeansprüche auf im Krieg verbrachtes Kulturgut bereits völkergewohnheitsrechtlich anerkannt (allerdings praktisch irrelevant). 56 Berber (Anm. 12), S. 161. 57 Spätestens seit 1960: UN-Res. 1514 Declaration on the Granting of Independence to Colonial Countries and Peoples v. 14.12.60; L.Prott/P. O'Keefe , Law and the cultural heritage, Vol. Ill, London 1989, S. 831. 58 Sondervotum Ammoun, IGH (South-West-Africa), ICJ-Rep. 1971, 86; Schulze (Anm. 38), S. 87 m.w.N. 59 Berber (Anm. 12), S. 160f.; Protektorate: z. B. F-Tunis 1881/83-1956, F-Marokko 1912-56; Mandats- und Treuhandgebiete: z. B. Australien-Papua Neuguinea. 60 Allgemeine Voraussetzung ist hierbei, daß die Kulturgutverbringung dem Staat zurechenbar ist, entweder also die betreffende Person in hoheitlicher Funktion gehandelt oder der Staat für ein Handeln „ultra vires" wegen unsorgfältiger Auswahl oder Überwachung seiner Organe einzustehen hat; näher dazu Strupp/Schlochauer-Schüle, Wörterbuch des Völkerrechts, S. 332. 13 Fechner u. a.

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die Wegnahme bedarf jedoch der Einzelfallbetrachtung, wobei wiederum das Rückwirkungsverbot im intertemporalen Recht zu beachten und auf die Rechtslage zur Zeit der Wegnahme abzustellen ist. Wie für deliktsrechtliche Rückgabeansprüche bestehen auch hier Erwägungen, ob diese Bedingung unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Erwerbs nach damaligem Recht immer dann erfüllt sei, wenn einem Land ohne seinen Willen Kulturgut, das Bestandteil seines kulturellen Erbes ist, weggenommen wird 6 1 . Diese sind im Hinblick auf das heutige Völkergewohnheitsrecht zu beurteilen.

e) Rückgabeansprüche im Völkergewohnheitsrecht aa) Staatenpraxis Rückführungen von Kulturgütern an ehemalige Kolonien finden seit den 50er und mit steigender Tendenz seit den 70er Jahren statt. Die Rückgabepraxis beschränkt sich nicht nur auf ehemalige Kolonialmächte, sondern erstreckt sich auch auf Drittstaaten, führende kunstimportierende Länder wie die USA spielen eine immer größere Rolle 62 . Zwar scheuen die Regierungen der „Importstaaten" davor zurück, Präzedenzfälle zu schaffen und betonen teils die nur moralische Basis der Rückgabe, dennoch wurden mittlerweile einige Tausend Objekte zurückgegeben, so daß von einer Staatenpraxis gesprochen werden kann, die eine völkergewohnheitsrechtliche Regel bestätigen könnte 63 .

bb) Opinio iuris Kulturgutraub in Friedenszeiten aus Kolonien wurde bereits seit der Antike von namhaften Persönlichkeiten wie Cicero, de Vitoria und Lord Byron verurteilt, von letzterem zwar nur moralisch, durch erstere jedoch auch aufgrund rechtlicher Bedenken64. Für die Herausarbeitung der heutigen Rechtsüberzeugung der Staaten sind die Behandlung von Sukzessionsfällen insbesondere in früheren Friedensverträgen und Resolutionen der Generalversammlung der UN und UNESCO heranzuziehen. 61 Fraoua (Anm. 25), S. 155, 170. 62 Z.B.: 1950 F-Laos; 1970/77 Belgien-Zaire, NL-Indonesien; 1971 DK-Island (Flateyjarbook, Codex Regius = Manuskripte von überragender histor. Bedeutung); 1976 USA-Mexiko; 1981 Südafrika-Zimbabwe; 1982 I-Äthiopien; weitere Bsp. bei Greenfield (Anm. 20), S. 260 ff., 294. 63 So auch: Prott/O'Keefe (Anm. 57), S. 825; Greenfield (Anm. 20), S. 294. 64 Cicero, In Verrem IV, bzgl. Plünderung der Provinz Sizilien durch Rom; de Vitoria 1532 bzgl. indian. KG in Südamerika durch Spanien; vgl. Prott/O'Keefe (Anm. 57), S. 803; Lord Byron bzgl. Abtransport der Elgin-Marbles, vgl. Engstier (Anm. 1), S. 34.

Rückgabeansprüche von Ursprungsländern auf „ihr" Kulturgut?

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(1) Behandlung von Kulturgut bei Staatensukzession Grundsätzlich tritt eine Nachfolge nur in auf dem Territorium belegenes Eigentum ein. Als Ausnahme ist ein Rückgabeanspruch auf historische Archive, die dem Ursprungsland territorial zugeordnet werden können, gewohnheitsrechtlich anerkannt 65 . Ob eine solche Ausnahme auch für sonstiges Kulturgut gilt, ist zweifelhaft. In Friedensverträgen finden sich vielfach Anordnungen einer allgemeinen Repatriierung von Kulturgut, die sich auch auf in Friedenszeiten verbrachtes Kulturgut beziehen; andererseits wird die Integrität bedeutender Kunst- und historischer Kollektionskörper ohne Rücksicht auf Herkunftsverhältnisse anerkannt 66. Auch das Wiener Übereinkommen über Staatennachfolge in Vermögen, Archive und Schulden sieht ausdrückliche Rückgabeansprüche auf Archive vor, während Kulturgut im allgemeinen gerade nicht erfaßt ist. Eine die Territorialbindung sämtlichen Kulturguts - vergleichbar der von Archiven - anerkennende Rechtsüberzeugung besteht derzeit noch nicht; sie ist jedoch insoweit feststellbar, als es sich um sog. bodenständiges Kulturgut handelt67.

(2) Beitrag der UN und der UNESCO Resolutionen der Generalversammlung der UN und der UNESCO können eine bestehende Rechtsüberzeugung dokumentieren, wobei die Breite der Zustimmung ein gewichtiges Argument für die allgemeine Anerkennung der Befolgung eines Resolutionsgebots ist. Mit Konsens angenommene Resolutionen können u.U. sogar als „soft law" betrachtet werden. Entschädigungslose Rückgabeansprüche auf Kulturgut von besonderer Bedeutung für das kulturelle Erbe des Ursprungsland sind von der UN seit UN-Res. 3187 von 1973 und von der UNESCO seit Res. 3428 von 1974 in vielen, meist mit großer Mehrheit angenommenen Resolutionen vorgesehen68. Auch in sonstigen entwicklungspolitischen Grundsatzdokumenten der UN-Generalversammlung wurden Folgenbeseitigungsansprüche als Folge eines Dekolonisierungsgebots proklamiert 69 . Die Industrieländer lehnen jedoch eine Verantwortlichkeit zur Wiedergutmachung kolonialer Hinterlassenschaften ab 70 . Auch ist zu beachten, daß die Staa65 Engstier (Anm. 1), S. 273; Walter (Anm. 4), S. 121 \ Schulze (Anm. 38), S. 117. 66 Vgl. Rückgabeanspruch in Art. 11 FV v. Riga zw. Polen und Rußland / Ukraine v. 1921 (da Polen zum ersten Mal seit 1795 als unabhängiger Staat wiederentstand, ist die Situation der von Kolonien vergleichbar); Prott/O'Keefe (Anm. 57), S. 829; ausführlich Engstier (Anm. 1), S. 236 ff. 67 Engstier (Anm. 1), S. 15 ff.; Fechner (Anm. 29), S. 102; Mußgnug (Anm. 38), S. 29. 68 Schulze (Anm. 38), S. 13 ff. m.w.N.; Walter (Anm. 4), S. 93. 69 Z.B. Art. 16a Charta der ökonomischen Rechte und Pflichten v. 1974 (Res.3281(XXIX)); Schulze (Anm. 38), S. 98 ff. 70 Vgl. Änderungsvorschlag zu Art. 16 Charta der Ökonom. Rechte u. Pflichten; Schulze (Anm. 38), S. 103. 13*

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ten der sog. Dritten Welt als von der Wegnahme Betroffene über eine Zweidrittelmehrheit in den Generalversammlungen verfügen und sich die Belegenheitsstaaten bei solchen Abstimmungen meist enthalten. Es kann daher nicht von einer allgemeinen Anerkennung von Rückgabeansprüche aufgrund heutiger Verurteilung des Kolonialismus gesprochen werden. cc) Bewertung Einen allgemeinen Rückgabeanspruch ehemals kolonisierter Staaten auf sämtliches während dieser Zeit verbrachtes Kulturgut gibt es nicht. Gewohnheitsrechtliche Rückgabeansprüche sind aber für historische Archive und bodenständiges Kulturgut zu bejahen. Für besonders bedeutendes Kulturgut ist die moralische Berechtigung von Rückgabeansprüchen allgemein anerkannt 71, fortgesetzte Bemühungen der UN und UNESCO und zunehmende Staatenpraxis deuten hier darauf hin, daß ein gewohnheitsrechtlicher Rückgabeanspruch in der Entstehung begriffen ist. f) Neue Ansätze aa) Rückgabeanspruch aufgrund des „Rechts auf Entwicklung" Unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Solidarität zwischen den Staaten (vgl. Art. 55 f. UN-Charta) drängen seit einiger Zeit insbesondere Staaten der Dritten Welt auf Anerkennung sog. „Menschenrechte der dritten Generation", die insbesondere auch ein Recht auf Entwicklung enthalten. Aufgrund der großen Bedeutung, die der Rekonstruktion des Kulturerbes für das Bewußtsein kultureller Identität und damit für die Weiterentwicklung dieser Staaten und die Überwindung von Entwicklungsdefiziten zukomme, begründe dieses Recht auf Entwicklung einen Rückgabeanspruch auf Kulturgut 72 . Außer dem schon lange anerkannten Recht der Völker auf Selbstbestimmung sind Menschenrechte dieses Typs heute jedoch noch nicht Bestandteil des universellen Völkerrechts 73, so daß sich daraus auch kein Rückgabeanspruch ableiten läßt. bb) Rückgabeanspruch aufgrund des „kulturellen Selbstbestimmungsrechts" Es wird versucht, Rückgabeansprüche auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu stützen, das grundsätzlich auch die Freiheit zur ökonomischen und kulturelAnerkannt in Res. 808 des Europarates von 1983; Prott/O'Keefe (Anm. 57), S. 823. In UN-Erklärung zum Recht auf Entwicklung v. 4. 12. 86 mit überwältigender Mehrheit anerkannt; Beyerlin, Lex.d.VöR S. 210; Schulze (Anm. 38), S. 136, Nachweise zum Meinungsstand S. 141. 73 C. Tomuschat , Das Recht auf Entwicklung, GYIL 25 (1982), 85, 105; Benedek , in: Lex.d.VöR S. 74; Beyerlin , ebd. S. 210. 72

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len Bestimmung umfaßt. Die Schaffung einer eigenen kulturellen Ordnung setze ein Recht des Volkes voraus, sein kulturelles Erbe zurückzuholen, zu erhalten und zu erweitern 74. Ein Rückgabeanspruch wäre jedoch nur gegeben, wenn sich das Völkerrecht über die ursprüngliche Legalität des Erwerbs hinwegsetzte. Die bisherige Entwicklung des Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Dekolonisierung zeigt jedoch, daß es primär als Recht zur künftigen Eigenverantwortung eines Volkes im Rahmen der bestehenden Ordnung, nicht dagegen als Recht zur Umgestaltung bestehender Rechtspositionen verstanden wird 7 5 . Im übrigen kann auf obige Ausführungen zum derzeitigen Stand des Völkergewohnheitsrechts verwiesen werden. Die Entwicklung eines „kulturellen Selbstbestimmungsrechts" ist noch nicht so weit gediehen, als daß heute schon damit operiert werden könnte 76 .

cc) Bewertung Neue Ansätze, die sich hauptsächlich auf Resolutionsrecht stützen, haben bisher noch keinen rechtlich verbindlichen Stellenwert. Allerdings ist ihnen zumindest eine gewisse rechtliche Bedeutung insoweit, als sie eine weitere Etappe auf dem Weg zur Entstehung einer neuen gewohnheitsrechtlichen Restitutionsregel darstellen, nicht abzusprechen.

I I I . Rückführungsansprüchen entgegenstehende Rechtsinstitute 1. Prinzip des „Common Heritage of Mankind"

Insbesondere bei Rückgabeansprüchen auf vor längerer Zeit verbrachtes Kulturgut wird das „Common heritage of mankind"-Prinzip angesprochen. Einerseits könnte unter dem Gesichtspunkt der gerechten Teilhabe am gemeinsamen Erbe der Menschheit an eine Bestärkung der Rückgabeansprüche gedacht werden. Meist wird es jedoch vom Belegenheitsstaat i.S.e. „Welteigentums" an Kulturgut, das der Verfügungsbefugnis einzelner Staaten entzogen sei und somit am derzeitigen Aufenthaltsort treuhänderisch für die Menschheit bewahrt werden müsse, gegen Rückgabeansprüche angeführt 77. 74 Fraoua (Anm. 25), S. 161; Dolzer, Kulturgüter im Friedensvölkerrecht, in: Dolzer/ Jayme / Mußgnug (Anm. 1), S. 149. 75 Bestätigung territorialer Grenzen, wirtschaftlicher Verträge, privater Rechte, vgl. Dolzer,, (Anm. 74), S. 150 f. 76 So auch M. Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtordnung - Vom Kulturgüterschutz zur internationalen kulturellen Kooperation, Zürich 1992, S. 282; Reichelt (Anm. 11), S. 37. 77 Dolzer, Die Deklaration des Kulturguts zum „common heritage of mankind", (Anm. 74), S. 21; v. Schorlemer (Anm. 6), S. 568.

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Rechtlich anerkannt ist das „Common heritage of mankind"-Prinzip im Bereich des See- und Weltraumrechts, wo es Räume und Reichtümer, die noch keiner einzelstaatlichen Souveränität zugeordnet waren, staatlicher Verfügungsbefugnis entzieht 78 . Bereits bestehende staatliche Souveränität wird jedoch anerkannt 79. Da Kulturgut der Staatssouveränität unterliegt und durch nationale Rechtsordnungen einem Eigentümer zugeordnet ist, kann dieses Lösungsmuster nicht übertragen werden. Aus dem „Common heritage of mankind"-Prinzip sind daher keine Besitzoder Eigentumsrechte ableitbar, außerhalb seiner vertraglichen Ausgestaltung kommt ihm keine rechtliche Bedeutung zu 8 0 . Die Betonung eines gemeinsamen Kulturerbes der Welt in völkerrechtlichen Verträgen und UN- und UNESCO-Resolutionen hat jedoch insofern Bedeutung, als sich daraus eine Verpflichtung der Staaten ergibt, Kulturgut im Interesse der gesamten Menschheit zu schützen, zu bewahren und öffentlich zugänglich zu machen81. Das „Common heritage of mankind"-Prinzip steht Rückgabeansprüchen von Ursprungsländern somit grundsätzlich nicht entgegen. Diese sind jedoch nur durchsetzbar, wenn das Ursprungsland Schutz, Erhaltung und öffentliche Zugänglichkeit garantieren kann.

2. Berufung auf mögliche Zerstörung oder Eingliederung in Sammlungen

Die von Belegenheitsstaaten oft geltend gemachte mögliche Zerstörung oder anderweitige Wegnahme des Kulturguts, wenn es im Ursprungsland belassen worden wäre, ist als hypothetischer Kausalverlauf weder im nationalen Recht noch im Völkerrecht als Hinderungsgrund für die Geltendmachung eines bereicherungs- oder deliktsrechtlichen Anspruchs anerkannt 82. Völkervertrags- oder gewohnheitsrechtlichen Ansprüchen, die allein an die derzeitige Situation anknüpfen, können solche Umstände ohnehin nicht entgegengehalten werden. Allerdings ist das Prinzip der Integrität organischer und historisch gewachsener Sammlungen mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannt und kann daher Rückgabeansprüchen entgegenstehen 83 . Das betrifft hauptsächlich Rückforderungen von Kulturgut aus den Altertumsabteilungen bedeutender Museen in den „Marktstaaten". Aufgrund der heuti78 Z.B. Art. 2 WeltraumV v. 27. 1. 67 (BGBL. 1969 II, 1968); Art. 136f. UN-Seerechtskonvention v. 10. 12. 82; Walter (Anm. 4), S. 18 f. 79 Vgl. Art. 149 UN-Seerechtskonvention, wonach Kulturgegenstände im zum CHOM erklärten Gebiet mit Rücksicht auf vorrangige Rechte des Ursprungsstaates zu behandeln sind (UN-Doc. A / Conf.62/122). so So auch: Dolzer (Anm. 77), S. 24; v. Schorlemer (Anm. 6), S. 578 f., 582; Walter (Anm. 4), S. 21. 81 Z.B. Art. 61 des UN-Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt v. 1972; v. Schorlemer (Anm. 6), S. 562 m.w.N., 566; Siehr (Anm. 1), S. 101; Goy (Anm. 29), Rev.Gen.de Droit Int.Publ. 1979, 962, 972 f. 82 Walter (Anm. 4), S. 172 ff. 83 Engstier (Anm. 1), S. 276, 281; s.o. II. 4. b) cc).

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gen technischen Möglichkeiten lassen sich solche Probleme jedoch u.U. durch Anfertigung von Repliken lösen.

3. Verjährung völkerrechtlicher Ansprüche

Im Völkerrecht wird zwischen erwerbender Verjährung (acquisitive prescription, Ersitzung) und erlöschender Verjährung (extinctive prescription) unterschieden, wobei erwerbende Verjährung nur in Verbindung mit Gebietserwerb angesprochen wird, einem Rückgabeanspruch auf Kulturgut also nicht entgegenstehen kann 84 . Erlöschende Verjährung ist ein allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz i. S. d. Art. 38 I c IGH-Statut 85 . Die Verjährung von Rückgabeansprüchen beginnt grundsätzlich mit der Wegnahme des Kulturguts zu laufen und endet mit der ersten gerichtlichen oder diplomatischen Geltendmachung des Anspruchs. Es bestehen keine feststehenden Verjährungsfristen, der Zeitablauf muß allerdings auf Fahrlässigkeit der klagenden Partei beruhen und zu einem Beweisführungsnachteil des beklagten Staates geführt haben86. Teilweise wird die Verjährbarkeit von Rückgabeansprüchen unter Hinweis auf lang zurückgreifende Repatriierungsregelungen in Friedensverträgen und die unerwünschte Folge einer Verjährung verneint 87. Eine Ausnahme vom allgemeinen Prinzip der Verjährung ist jedoch nur für Kriegsverbrechen anerkannt, insofern mag über die Unverjährbarkeit von Rückgabeansprüchen auf im Krieg verbrachtes Kulturgut nachgedacht werden. Eine allgemeine Ausnahme für Kulturgutverbringungen ist m.E. jedoch nicht anzunehmen und auch nicht nötig, da das Fahrlässigkeitserfordernis und die Möglichkeit, bereits durch diplomatischen Protest die Verjährung zu hemmen, dem Ursprungsland genügend Schutz bieten. Im Interesse von Rechtsfrieden und -Sicherheit ist daher an der Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln festzuhalten 88. Für Klagen ehemaliger Kolonien ist aufgrund der dargestellten Voraussetzungen zumindest eine Hemmung der Verjährungsfrist bis zum Zeitpunkt ihrer Unabhängigkeit anzunehmen. Hat das Ursprungsland längere Zeit Kenntnis vom Ort des fraglichen Kulturguts gehabt und sich so verhalten, daß der Belegenheitsstaat auf das Nichtbestehen oder die Nichtgeltendmachung eines Rückgabeanspruchs vertrauen durfte, können auch Institute des Verzichts und der Verwirkung Bedeutung erlangen 89. 84 S/S III-Fleischhauer, S. 509; Lagoni, Lex.d.VöR, S. 100 m.w.N. 85 H.M.: Dahm, VöR III S. 170; Seidl-Hohenveldern, Lex.d.VöR S. 349; S/S III-Fleischhauer, S. 512. 86 Zu den Voraussetzungen: King, BYIL 15(1934), 82, 88 f.; Schwarzenberger, I S. 569. 87 Fraoua (Anm. 25), S. 184; Prott/O'Keefe, S. 881; sie gehen aber wohl von schlichtem Zeitablauf als Voraussetzung aus. 88 So auch: Dolzer (Anm. 74), S. 154; Goy (Anm. 29), Rev.Gen.de Droit Int.Publ. 83 (1979), 962, 971; Walter (Anm. 4), S. 90 . 89 Dahm (Anm. 29), S. 171; Dolzer (Anm. 74), S. 154.

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IV. Schlußbetrachtung Rückgabeansprüche auf im Krieg verbrachtes Kulturgut sind mittlerweile weitgehend gewohnheitsrechtlich anerkannt. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg haben auf dieser Grundlage große Kulturgutrückgabetransaktionen stattgefunden, so daß die Durchsetzbarkeit kriegsvölkerrechtlicher Rückgabeansprüche kaum noch in Frage gestellt ist. Da der Umfang des gewohnheitsrechtlichen Anspruchs derzeit jedoch noch nicht die im Protokoll zur Haager Konvention von 1954 niedergelegten Schutzpflichten bezüglich erbeuteten, rückgabepflichtigen Kulturguts beinhaltet, besteht hier insoweit noch Handlungsbedarf. Daß nämlich der Respekt kriegsvölkervertraglicher Pflichten - und besonders solcher, die militärischen Interessen entgegenstehen - in hohem Maße vom Goodwill der Vertragsstaaten abhängt, beweisen leider nur zu gut die aktuellen Geschehnisse im Balkankonflikt. Was das Restitutionsverhalten der Staaten bezüglich in Friedenszeiten verbrachten Kulturguts angeht, ist festzustellen, daß Rückgaben sehr häufig aufgrund von Einzelfallverhandlungen erfolgen, die eher auf politischer denn auf rechtlicher Ebene geführt werden. Dennoch lassen sich einige Grundprinzipien erkennen, die entweder bereits als rechtlich anerkannt betrachtet werden können oder sich zumindest auf dem Wege zu gewohnheitsrechtlicher Anerkennung befinden. Dazu zählen die Rückgabe von Kulturgut von herausragender religiöser oder historischer Bedeutung, von bodenständigem Kulturgut oder Bestandteilen des „Kulturerbes" einer Nation, das sich durch einen besonders hohen Identifikationsgrad der Bevölkerung auszeichnet. Demgegenüber stehen jedoch ebenso achtenswerte Interessen wie der Eigentumsschutz als hoher Verfassungsweit vieler Staaten, die Anerkennung des Ensembleprinzips oder das Bemühen um öffentliche Zugänglichkeit und allem voran den Schutz und die Erhaltung des Kulturguts. Für einen Interessenausgleich Rechtsklarheit schaffende internationale Konventionen - wie insbesondere die UNESCO-Konvention von 1970 - stellen einen guten Ansatzpunkt dar, leiden aber unter der Tatsache nur zögerlicher Ratifikation durch die sogenannten „Marktstaaten". Es wurde jedoch bereits dargestellt, daß die Gründe hierfür weniger in der Statuierung von Rückgabeansprüchen als solcher, sondern vielmehr in den Bedenken gegenüber einem eventuellen „Mißbrauch" von Rückgabeansprüchen angesichts unzureichender Definition der geschützten Güter liegen, zumal die grundsätzliche Bereitschaft zu Kulturgutrückgaben auch anderweitig - neuerdings erst wieder durch Erlaß der Rückgaberichtlinie der EU - bewiesen wurde. Eine Überarbeitung der Konvention um größerer Akzeptanz willen wäre daher wünschenswert, sollte jedoch nicht die Einigung auf einen kleineren gemeinsamen Nenner im Bereich der Rückgabeansprüche, sondern eher den Abbau des besonders im Bereich des Entwicklungsvölkerrechts erkennbaren Mißtrauens der Staaten untereinander zum Ziel haben.

Rückgabeansprüche für illegal ausgeführte Kulturgüter Überlegungen zu einem kulturpolitischen Ordre public Von Martin Philipp Wyss* I. Einleitung Die Frage, ob ein Staat ausländische Rückforderungsgesuche für illegal ausgeführte Kulturgüter zu beachten und zu vollstrecken verpflichtet sei, vermag Kunstliebhaber, Altertumsforscher, Politiker und Vertreter der Rechtswissenschaften in zwei kaum versöhnliche Lager zu spalten. Die eine Seite betont die sozial-integrierende und nationalstaatliche Identität stiftende Funktion von Kulturgütern, deren rechtliche Grundlage zuletzt im Selbstbestimmungsrecht geortet wird. Ursprungsstaaten leiten daraus privilegierte staatliche Eigentums- und Rückgabeansprüche für die Bestandteile ihres nationalen Erbes ab. Die Gegenseite verweist auf die universale Bedeutung von Kulturgütern als Zeugnisse der Menschheitsgeschichte und stellt überstaatliche Erhaltungsinteressen in den Vordergrund. Zu den traditionell geläufigsten Argumenten gegen die Zulässigkeit und Vollstreckung von Rückgabebegehren gehört jeweils der Hinweis, daß die fordernden Staaten weder politisch gewillt noch finanziell und personell befähigt seien, den faktischen und rechtlichen Schutz von Kulturgütern umfassend sicherzustellen. Insbesondere den europäischen Museen1 und den passionierten Privatsammlern 2 sei es aber zu verdanken, daß bedeutende Kulturgüter überhaupt der Nachwelt erhalten werden konnten. Im * Dr. iur., Bern. 1 Vgl. beispielsweise die Debatte um die Revision der British Museum Act, auszugsweise wiedergegeben in: Jeanette Greenfield, The return of cultural treasures, Cambridge 1989, S. 115 ff. Aufschlußreich sind auch die Ausführungen im Vorwort zu einer Ausstellung „Schmuck und Knüpfkunst der Turkmenen der St. Galler Sammlung für Völkerkunde aus dem Jahre 1991: „Nun ist aber die traditionelle Lebensweise der Turkmenen seit gut hundert Jahren schwersten Angriffen ausgesetzt, nicht zuletzt durch den noch immer schwelenden Afghanistankonflikt. Durch Flüchtlinge, die sich aus Überlebensgründen von ihrem Schmuck trennen mußten, gelangten viele Stücke in den westlichen Kunsthandel, wo sie zunehmend zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Es ist sicher die Aufgabe eines Museums, sie wenigstens zu einem kleinen Teil diesem ,Markt' zu entziehen und sie, wie in einer ,Arche Noah', für künftige Generationen zu bewahren und zugänglich zu machen." 2 Vgl. dazu etwa George Ortiz, The Collector and the Regulation of the Art Market, in: Centre du droit de l'art (Ed.), La libre circulation des collections d'objets d'art, Zürich 1993, S. 147 ff., insbesondere S. 152 ff.

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Ursprungsland verblieben - so wird argumentiert wären sie längst schon dem bürokratischen Schlendrian, der fachlichen und kunsthistorischen Ignoranz und den Folgen mangelnder Sorgfalt, verfehlter Konservierungsmethoden und fehlender sonstiger Ressourcen zum Opfer gefallen - oder in den Irrungen und Wirrungen des internationalen Schwarzhandels verschwunden. In rechtlicher und politischer Hinsicht ist in jüngster Vergangenheit eine gewisse Annäherung der Positionen zu verzeichnen. Verschiedene Vorschläge, die zuerst von der juristischen Lehre vorgebracht wurden, haben Eingang gefunden in nationale Rechtsetzungsvorhaben und internationale Kodifikationsversuche. Für den internationalen Kulturgüterschutz von besonderem Interesse ist die Tatsache, daß der Grundsatz, ausländische Vorschriften des öffentlichen Rechts seien für den inländischen Richter per se unbeachtlich, an Überzeugungskraft und Autorität verloren hat. Rechtsordnungen zeigen sich heute eher bereit, ausländisches öffentliches Recht - dem auch Ausfuhrvorschriften für national bedeutendes Kulturgut zuzuordnen sind - im Rahmen der ihrer international-privatrechtlichen Vorschriften unter bestimmten Voraussetzungen anzuerkennen und anzuwenden3. Kurt Siehr hat jüngst in Thesenform Konsequenzen dieser dogmatischen Trendwende4 für den internationalen Kulturgüterschutz skizziert und ausführlich begründet5. Für die Zulässigkeit eines gestützt auf ausländisches öffentliches Recht vorgebrachten Rückforderungsanspruches soll auf die kulturelle, soziale oder historische Bedeutung des Kulturgutes für das Herkunftsland abgestellt werden. Weil das Objekt und sein physisches Schicksal im Mittelpunkt der Überlegungen stehen müßen, kommt er zum Schluß, daß die Rückgabe dann zu verweigern sei, wenn der das Objekt zurückfordernde Staat dem „internationalen kulturpolitischen Ordre public" nicht ausreichend Rechnung zu tragen befähigt oder gewillt ist: „Ist zweifelhaft, ob der Herkunftsstaat das ausgeführte Kulturgut hinreichend schützen und bewahren kann, so sollte mittels eines internationalen kulturpolitischen Ordre public die Rückgabe solange verweigert werden können, bis der Schutz und die Erhaltung des 3 Siehe dazu auch die ausführliche Darstellung bei Sabine von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz - Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, Berlin 1992, insbesondere S. 549ff.; Pierre Lalive, Sur le retour des biens culturels illicitement exportés, in: Nouveaux itinéraires en droit, Hommage à François Rigaux, Bruxelles 1993, S. 283 ff. (nachfolgend: Lalive, Retour); zum Ganzen vgl. unten II. 3. a). 4 Wesentliche Impulse hat diese Trendwende durch die Schlußerklärung des Institut de droit international vom 1. September 1977, wiedergegeben in Schweizerisches Jahrbuch für Internationales Recht 33 (1977), S. 429 f. erhalten. Vgl. dazu Anton Heini, Kommentar zu Art. 13, in: Heini u.a. (Hrsg.), IPRG-Kommentar, Zürich 1993, S. 102ff.; Frank Wischer, Kommentar zu Art. 19, a.a.O., S. 205 ff.; Pierre Lalive, Le statut des biens culturels en droit international privé suisse, in: Rapports suisse présentés au XlVème Congrès international de droit comparé, Zürich 1994, S. 91 ff., insbesondere S. 101 ff. 5 Kurt Siehr , Öffentliches Recht und interationales Privatrecht beim grenzüberschreitenden Kulturgüterschutz, in: Dolzer/Jayme/Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, Heidelberg 1994, S. 83 ff. (nachfolgend: Siehr, Kulturgüterschutz). Siehe aber bereits ders., The UNIDROIT Draft Convention on the International Protection of Cultural Property, International Journal of Cultural Property 2 (1992), S. 321 ff., S. 328.

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Kulturgutes im Herkunftsstaat sichergestellt ist und damit der kulturpolitische Vorbehalt entfällt." 6

Diesen Ansatz in seinen rechtlichen und politischen Dimensionen näher auszuleuchten, ist Absicht und Ziel dieses Aufsatzes. Einleitend wird die Frage zu beantworten sein, welche Ziele das Postulat nach einem kulturpolitischen Ordre public anstrebt. Einer kommentierten Übersicht von bereits entwickelten normativen Ansätzen soll die Ermittlung des möglichen Inhalts eines kulturpolitischen Ordre public folgen, um abschließend ausgewählte praktische und dogmatische Einzelprobleme herauszugreifen.

II. Funktion und Ratio eines kulturpolitischen Ordre public 1. Entwicklungslinien des internationalen Kulturgüterschutzes

Der juristische Begriff des Kulturgüterschutzes kennt eine wechselhafte, oft mehrspurige Geschichte. Aus den Ansätzen der klassischen völkerrechtlichen Literatur schälte sich jenes Prinzip heraus, das heute den durch das Haager Abkommen von 1954 und die Zusatzprotokolle zu den Genfer Rotkreuz-Konventionen kodifizierten und streckenweise völkergewohnheitsrechtlich abgesicherten Kernbestand des Kulturgüterschutzes darstellt: Pönalisierung der kriegerischen Zerstörung und der militärischen Nutzung von Denkmälern, Sakralbauten und Sammlungsstätten. Als gemeinsames, von den Lagestaaten treuhänderisch zu verwaltendes Erbe der Menschheit müßten Kulturgüter vor willkürlicher Beschädigung geschützt werden, um sie zukünftigen Generationen zu überliefern. Die in den 60er Jahren einsetzende politische Diskussion um den Kulturgüterschutz rückte indes das partikuläre Interesse der Staaten an Besitz und Erhalt ihres jeweils eigenen kulturellen Erbes in den Vordergrund 7. Dieses Interesse erschien durch illegale Transaktionen mit dem Ausland und durch archäologische Raubgrabungen gefährdet und sollte daher mittels Ausfuhr- und Erwerbs verboten abgesichert werden 8. Kritiker wiederum ver6 Siehr, Kulturgüterschutz (Anm. 5), S. 103. In einer ebenfalls von Siehr vorgelegten Musterkonvention befindet sich in Art. 11 Abs. 4 die Vorschrift, daß die Rückgabe solange sistiert werden solle, „until adequate physical préservation of the object is guaranteed in the requesting State of origin", siehe Kurt Siehr, International Art Trade and the Law, in: Académie de droit international, Receuil des cours 243 (1993/VI), S. 13ff. (nachfolgend: Siehr, Receuil), S. 268 und S. 278 7

Zur Schwierigkeit der Zuordnung von Kunstwerken und Kulturgütern zu den sogenannten Herkunftsstaaten vgl. Erik Jayme, Die Nationalität des Kunstwerks als Rechtsfrage, in: Gerte Reichelt (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz, Wien 1992, S. 7 ff. 8 Entsprechend argumentierte auch das deutsche Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27. Mai 1993, BVerwGE 89, S. 288 ff., wonach die „Zielsetzung, den durch den Krieg stark dezimierten deutschen Kulturbesitz gegen weitere Abwanderung zu schützen, (...) verfassungsrechtlich legitim" sei. Der Schutz national wertvoller Kulturgüter vor Abwanderung ins Ausland „dient mithin allein einem qualifizierten öffentlichen Interesse an der

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wiesen auf die Wirkungslosigkeit solcher Handelsbeschränkungen für die Bekämpfung des illegalen Verkehrs mit Kulturgütern. Eine erneute, bis heute anhaltende Trendwende begann sich nahezu parallel abzuzeichnen: Die bisweilen selbst im Grundsatz, öfter nur in der konkreten Ausgestaltung bestrittenen staatlichen Besitzes- und Eigentumsansprüche müßten - so die Forderung - durch die universellen Interessen an physischer Erhaltung von Kulturgütern, an Sicherung ihres Erkenntniszusammenhanges sowie an der Zugänglichkeit zum kulturellen Erbe aller Länder relativiert werden9. Es ist insbesondere der Verdienst von John Henry Merryman, diese Ansätze unter der Formel „preservation, truth, access" weiterentwickelt zu haben10.

2. Annäherung durch Interessenabwägung

Als Waren sind Kulturgüter dem Spiel von Angebot und Nachfrage ausgesetzt. Über ihren kommerziellen Wert hinaus verkörpern Kulturgüter aber auch ideelle und immaterielle Interessen: Kulturgüter sind unersetzliche Zeugnisse der Menschheitsgeschichte. Sie bieten nicht nur ästhetischen Genuß, sondern eröffnen Einblikke in die Vergangenheit. Ihre Erforschung erlaubt Rückschlüsse auf Lebensbedingungen und -einstellungen früherer Epochen, veranschaulicht geschichtliches und kulturelles Werden und Wachsen und dient dem Menschen zur sozialen Orientierung und Integration in ein gesellschaftliches und historisches Ganzes. Die Erhaltung des uns überlieferten kulturellen Erbes als Referenzpunkt für die Gegenwart muß daher ein Anliegen der gesamten Menschheit sein. Damit ist jedoch nichts ausgesagt über die Berechtigung und Zulässigkeit von privilegierten Besitzansprüchen der Ursprungsländer. Wenngleich unbestritten ist, daß Kulturgüter durch Transport und Verlagerung vielfältigen Gefahren physischer Beschädigung ausgesetzt werden und daß dadurch die Einsicht in geschichtliche und soziale Zusammenhänge gefährdet wird, bietet der Verbleib im Ursprungsland - für sich alBewahrung herausragender deutscher Kulturgüter", a.a.O., S. 291 f. Der deutsche Bundesgerichtshof hielt in seinem bis heute zwar singulären, von der Lehre jedoch vielbeacheteten Urteil vom 22. Juni 1972, BGHZ 59, S. 82 ff., ebenfalls fest, daß die Erhaltung von Kunstwerken an Ort und Stelle einem „nach heutiger Auffassung allgemein zu achtenden Interesse aller Völker" entspreche, a.a.O., S. 85. 9 Vgl. etwa Judith Church , Evaluating the Effectiveness of Foreign Laws on National Ownership of Cultural Property in U.S. Courts, Columbia Journal of Transnational Law 30 (1992), S. 179 ff., S. 209 f.; Wilfried Fiedler, Neue völkerrechtliche Ansätze des Kulturgüterschutzes, in: Gerte Reichelt (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz, Wien 1990, S. 69 ff., S. 75 f. 10 Vgl. John Henry Merryman , The Retention of Cultural Property, U.C. Davis Law Review 21 (1988), S. 477ff. (nachfolgend: Merryman, Retention); ders ., The Public Interest in Cultural Property, California Law Review 77 (1989), S. 339 ff. (nachfolgend: Merryman , Interest); Deidre L Crow eil, Autocephalous Greek-Orthodox Church of Cyprus v. Goldberg & Feldman Fine Arts Inc.: Choice of Law in the Protection of Cultural Property, Texas International Law Journal 27 (1992), S. 173 ff., S. 206 ff..

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lein genommen - keine Garantie für die Erhaltung von Objekt und objektimmanenten Werten 11. Dies ist umso weniger der Fall, je mehr staatliche Retentionsansprüche primär politisch, d. h. durch nationale Selbstbestätigungsanliegen motiviert sind. Weil aber von einem universellen Interesse an der Erhaltung von Kulturgütern und an ihrer Weitergabe an zukünftige Generationen auszugehen ist, haben nationale Besitzansprüche unter bestimmten Voraussetzungen hinter überstaatliche Erhaltungsinteressen zurückzutreten 12. Diese Erhaltungsinteressen werden - in Anlehnung an die von Merryman entwickelte Terminologie - wiederum unterteilt in die Trias physische Bestandessicherung („préservation"), Bewahrung des Informationswertes („truth") und Zugänglichkeit für Forschung und Öffentlichkeit („access")13. Unter Umständen ist es geboten, diese (Teil-)Interessen für die verschiedenen Kategorien von Kulturgütern unterschiedlich zu gewichten. Für archäologische Fundgegenstände, die zwar in ausländischen Privatsammlungen womöglich besser vor Zerfall und Verlust geschützt sind, ist die wissenschaftliche Erforschung des Fundzusammenhanges von vorrangigem Interesse. Für Objekte, die hingegen von noch lebenden Kultur- und Völkergemeinschaften zu säkularen Zwecken oder religiösen Kulthandlungen genutzt werden, steht das Interesse an der Zugänglichkeit dieser besonders betroffenen Gemeinschaften im Vordergrund. Denkbar ist sogar auch, daß das Nutzungsinteresse das Erhaltungsinteresse überwiegt, daß also der durch die Nutzung verursachte Verlust hinzunehmen wäre 14 . In dieses Interessengeflecht sind auch die Besitzesansprüche der Ursprungsstaaten einzubinden, die nicht schlechterdings unberücksichtigt bleiben dürfen 15. Jeweils zuerst ist zu prüfen, ob ein bestimmtes Objekt einen so engen Bezug zum Uru Vgl. Merryman, Retention (Anm. 10), S. 506. 12 Merryman, Retention (Anm. 10), S. 504; von Schorlemer (Anm. 3), S. 566 ff. sowie Fiedler (Anm. 9), S. 76; Martin Philipp Wyss, Kultur als eine Dimension der Völkerrechtsordnung, Zürich 1992, S. 171 ff.. 13 Dazu ausführlich Merryman, Interest (Anm. 10), S. 355 ff. 14 Besonders aufschlußreich dafür sind die von der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften anläßlich eines Symposiums über „Archäologie - Stimme im interkulturellen Dialog zwischen Süd und Nord" erarbeiteten und vorläufig noch nicht publizierten „Principles for Partnership in Cross-Cultural Human Sciences Research with a Particular View to Archaeology". Diese schreiben als viertes allgemeines Prinzip fest: „Professionals must not isolate cultural objects from the original contexts which give them their cultural value, without the prior consent of the community affected or its culturally competent representatives." Und für die archäologische Forschung wird als Grundsatz festgehalten: „Archaeologists do not seek objects as such, but scientific information". 15 So verlangt Hermann J. Knott , Der Anspruch auf Herausgabe gestohlenen und illegal exportierten Kulturguts, Baden-Baden 1990, S. 135 f.: „Grundsätzlich soll der Einfuhrstaat verpflichtet sein, das Interesse an der Erhaltung des Werks, am Schutz für Belege für vergangene Zivilisationen, an der Einheit eines Gesamtkunstwerks sowie am Schutz der spezifischen, über den rein ästhetischen Genuß hinausgehenden Bedeutung des Werks für die Einwohner des Herkunftsstaats zu respektieren." Dazu auch Elizabeth Lee Roberts, Cultural Policy in the European Community: A Case Against Extensive National Retention, Texas International Law Journal 28 (1993), S. 191 ff., S. 206 ff.

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sprungsstaat aufweist, daß dessen Besitzesinteresse - wie sie in öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen zum Ausdruck kommen - auch von Drittstaaten legitimerweise anerkannt werden muß 16 . Bejahendenfalls wäre zweitens die Respektierung der überstaatlichen Erhaltungsinteressen durch den Ursprungsstaat zu evaluieren. Der von Siehr postulierte kulturpolitische Ordre public vermag dabei die sich entgegenstehenden Interessen materiell zu harmonisieren und verfahrensmäßig zu ordnen.

3. Ansätze der Doktrin für einen kulturpolitischen Ordre public

Frühere Ansätze der von Siehr nun in Thesenform verfaßten Forderung nach einem kulturpolitischen Ordre public finden sich insbesondere im amerikanischen Schrifttum. Bereits 1983 formulierte Nafziger ähnlich lautende Bedingungen für die Behandlung von ausländischen Rückgabegesuchen: ,,[T]he claimant state must ensure that the recovered property will be protected by conservation, safety and security measures that meet international standards, and that the object will be adequately displayed and, normally, accessible to the public." 17

Diese Forderungen sind in der Lehre mit teils unterschiedlicher Gewichtung und meist ohne dogmatische oder verfahrensrechtliche Erörterungen regelmäßig wiederholt worden 18. Sie machen jeweils nur unter der Annahme Sinn, daß Exportvorschriften ausländischer Staaten von der lex fori in irgendeiner Form zu berücksichtigen sind, bzw. daß man die Zulässigkeit von ausländischen Rückgabeansprüchen im Grundsatz anzuerkennen bereit ist. Dies ist wiederum nur dann möglich, wenn bestimmte Prinzipien des internationalen Privatrechts einer interessenorientierten Abwägung zugänglich gemacht werden können. a) Zur international-privatrechtlichen ausländischen öffentlichen

Berücksichtigung Rechts

Unter Berufung auf das Territorialitätsprinzip, wonach öffentlich-rechtliche Vorschriften ausschließlich im eigenen Hoheitsgebiet Geltung beanspruchen können, wurde traditionellerweise die Anwendung ausländischer Exportvorschriften durch 16

Anläßlich des Wiener Symposiums über „Legal Aspects of International Trade in Art" vom September 1994 Merryman hat dafür neuerdings die Unterscheidung in „culturally movable" und „culturally immovable objects" vorgeschlagen. 17 James A. R. Nafziger , The new international legal framework for the return, restitution or forfeiture of cultural property, New York University Journal for International Law and Politics 15 (1983), S. 789 ff., S. 808. is Vgl. z. B. Merryman , Retention (Anm. 10), S. 508: „The State that wishes to retain cultural property should maintain the physical and technical facilities and personnel to protect und present it."

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die Gerichte von Drittstaaten abgelehnt19. Von dieser fundamentalistischen Haltung sind Lehre und Gesetzgebung nach und nach abgerückt 20. Besonders deutlich und damit exemplarisch tritt dies beim schweizerischen Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG) 21 zutage: Art. 13 IPRG schließt nämlich die Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts, auf das die lex fori verweist, nicht schlechterdings aus. Art. 19 IPRG wiederum läßt unter bestimmten Voraussetzungen sogar die Anwendung ausländischen Rechts außerhalb der lex causae zu: »/Anstelle des Rechts, das durch dieses Gesetz bezeichnet wird, kann die Bestimmung eines anderen Rechts, die zwingend angewandt sein will, berücksichtigt werden, wenn nach schweizerischer Rechtsauffassung schützenswerte und offensichtlich überwiegende Interessen einer Partei es gebieten und der Sachverhalt mit jenem Recht einen engen Zusammenhang aufweist. 2

Ob eine solche Bestimmung zu berücksichtigen ist, beurteilt sich nach ihrem Zweck und den daraus sich ergebenden Folgen für eine nach schweizerischer Rechtsauffassung sachgerechten Entscheidung."

Für das Erfordernis des engen Sachzusammenhangs in Art. 19 Abs. 1 IPRG ist in der schweizerischen Lehre bereits auf Exportverbote des Lageortes für Kulturgüter hingewiesen worden 22 . Andererseits wurde auch die Meinung geäußert, eine Klage eines ausländischen Staates auf Herausgabe eines unter Verstoß von Exportvorschriften ausgeführten Kulturgutes und ein Eingriff in das eigentumsbegründende und an sich anwendbare Privatrecht sei mit einem universalen Ordre public zu begründen, wie er vom deutschen Bundesgerichtshof skizziert worden ist 23 . Ob die Anwendbarkeit ausländischer Exportvorschriften nach den Bestimmungen des schweizerischen internationalen Privatrechts kollisionsrechtlich über eine Sonderanknüpfung gemäß Art. 19 IPRG oder materiellrechtlich über einen - noch zu definierenden - universalen Ordre public zu erfolgen hätte, braucht hier nicht näher erörtert zu werden. Es genügt die Feststellung, daß das schweizerische Recht die Berücksichtigung ausländischer Exportvorschriften grundsätzlich zulassen kann 24 . Voraussetzung für eine solche Berücksichtigung in Einklang mit der schweizeri19 Dazu statt vieler Knott (Anm. 15), S. 114ff.; Siehr, Receuil (Anm. 6), S. 183ff.; Sabine Schmeinck, Internationalprivatrechtliche Aspekte des Kulturgüterschutzes, Berlin 1994, S. 81 ff. 20 Vgl. von Schorlemer (Anm. 3), S. 549 ff. 21 SR 291; das Gesetz trat am 1. Januar 1989 in Kraft. 22 Frank Wischer, Kommentar zu Art. 19 IPRG, Rz. 14, in: Anton Heini u.a. (Hrsg.), IPRG Kommentar, Zürich 1993, S. 192 ff. 23 Anton Heini, Kommentar zu Art. 100 IPRG, Rz. 29 ff., in: ders. u.a. (Hrsg.), IPRG Kommentar, Zürich 1993, S. 806 ff. 24 In diesem Sinne neuerdings auch Quentin Byrne-Sutton/Marc- André Renold , Rôle et contenu d'une nouvelle réglementation suisse en matière de circulation des biens culturels, in: Centre du droit de l'art, (Hrsg.), La réglementation suisse de l'importation et de l'exportation des biens culturels, Zürich 1994, S. 15 ff., S. 24.

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sehen Rechtsauffassung von einem freien Kunstmarkt muß es sein, daß ein Ausfuhrverbot nicht „engherzig" gehandhabt wird, also qualifiziert bedeutende Kulturgüter des Ursprungsstaates betrifft 25 . Starre Anwendungsregeln sind im Bereich des internationalen Kulturgüterschutzes kaum sachgerecht. Die Beachtung von ausländischem öffentlichem Recht darf ohne Blick auf seine konkrete Ausgestaltung und ohne Rücksicht auf seinen potentiellen Beitrag zur Kulturgütererhaltung weder strikte abgelehnt noch blindlings befürwortet werden. Die oben skizzierte Interessenabwägung zwischen der Sicherung der Standortgebundenheit und einem international anerkannten Erhaltungsinteresse muß in eine Analyse der sich gegenüberstehenden Rechtsordnungen und der von ihnen verfolgten Ziele und Zwecke einfließen 26. Dies hat unabhängig davon zu geschehen, ob ausländisches öffentliches Recht - wie in der Schweiz - aufgrund eines Anwendungsbefehls der lex fori oder aufgrund staatsvertraglicher Vereinbarungen berücksichtigt wird. Verfrüht ist allerdings die Hoffnung, eine solche Interessenabwägung bereits aus gesicherten und verbindlichen völkerrechtlichen Prinzipien ableiten zu können. So oder so wird die Aufgabe jenes Richters, der über Zulässigkeit und Berechtigung eines ausländischen Rückgabeanspruchs zu entscheiden hat, nicht einfacher, obliegt ihm somit doch die Aufgabe, die Interessen des Ursprungsstaates und jene des gegenwärtigen Besitzers materiell zu gewichten. b) „ Gegenleistung " der Ursprungsstaaten Obschon sie Ausmaß und Gefahr des illegalen Kunsthandels nicht bestreiten, zögern kunstimportierende Länder davor, die nicht selten wenig differenzierten ausländischen Schutzvorschriften unbesehen anzuerkennen oder gar zu vollstrekken. Neben den soeben geschilderten dogmatischen Überlegungen 27 spielt dabei eine gewisse rechtspolitische Skepsis die gewichtigste Rolle: Importländer sind umso weniger bereit, ausländische Eingriffsnormen zu beachten, je weniger der Ursprungsstaat selber den Vollzug seines eigenen Rechts zu gewährleisten vermag oder gewillt ist 2 8 . Gewissermaßen als Gegenleistung wird von den retentionswilligen Ländern daher verlangt, daß sich sie selber sowohl um die effektive Durchsetzung der eigenen einschlägigen Bestimmungen in ihrem Hoheitsgebiet wie auch um die Erhaltung und Erforschung der als nationales Erbe beanspruchten Kultur25 Kurt Siehr, Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz, in: Pfister/Will (Hrsg.), FS f. Werner Lorenz, Tübingen 1991, S. 525 ff., S. 540 f. mit reichhaltigen Beispielen 26 So unter Berufung auf Merryman nun Byrne-Sutton/Renold (Anm. 24), S. 33 f. 27 Mitunter wird die Anwendbarkeit von ausländischem öffentlichen Recht auch am Maßstab eines verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes gemessen: Genügen pauschal formulierte ausländische Eigentumsansprüche den Grundsätzen der Klarheit und Vorhersehbarkeit nicht, sollen sie von der lex fori nicht anerkannt werden. 28 Vgl. statt vieler die am Wiener Symposium 1994 von Merrymann geäußerte Meinung, unveröffentlichtes Manuskript, S. 35

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gliter zu bemühen haben29. Diese „Eigenleistung" kann in einer wirksamen Marktregulierung und der Inventarisierung des kulturellen Erbes bestehen30 oder in Maßnahmen der Verbrechensverhütung, der Ausbildung und adäquaten Entlohnung von Museumspersonal oder verschärften strafrechtlichen Sanktionen31. Das kulturpolitisch Wünschbare läßt sich nicht ohne weiteres mit dem wirtschaftlich Machbaren in Einklang bringen. Jene Länder, die ein reichhaltiges und zahlenmäßig umfangreiches kulturelles Erbes besitzen, verfügen nur in seltenen Fällen über die zur Bewahrung und Erschließung notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen32. Kulturgütererhaltung ist stets ein kostspieliges Unterfangen. Diebstahlssicherungen, Laboreinrichtungen, Archiv- und Lagerräumlichkeiten sind teuer, Personalkosten belaufen sich - selbst bei niedrigem Lohnniveau auf beträchtliche Summen und der restauratorische und deontologische Wissensbedarf ist groß. Der Erlaß von strengen Rechtsnormen wie generelle Export- oder Ausgrabungsverbote erweist sich naturgemäß als der einfachere, weil weniger kostenintensive Weg 33 . Vollzugsschwächen und massive Lücken in polizeilichen Kontroll- und Überwachungssystemen bleiben meist unberücksichtigt und erleichtern illegale Praktiken. Unzureichende Forschungs- und Museumsstrukturen, mangelhafte Inventarisierung und Dokumentation und unzureichend qualifiziertes Personal fügen Kulturgütern Schäden in ähnlichem Umfang zu, wie dies durch den illegalen Handel geschieht34. Mit Nachdruck ist daher immer wieder darauf hingewiesen worden, daß Ursprungsländer mehr Sorgfalt bei der einschlägigen Gesetzgebung walten lassen müßten und sich auch den Vollzugsproblemen mit der gleichen politischen Priorität zu widmen haben35. Dokumentationspflichten für archäologische Ausgrabungen, Inventarisierung von Sammlungsbeständen, öffentli29 Vgl. Church (Anm. 9), S. 212 30 Knott (Anm. 15), S. 136. 31 So skizziert bei von Schorlemer (Anm. 3), S. 552 f. 32 Vgl. Church (Anm. 9), S. 224. 33 Illustrativ das Vorgehen Jemens im Nachgang zu den bürgerkriegsähnlichen Unruhen im Jahre 1994: In den Wirren der bewaffneten Auseinandersetzungen gingen zahlreiche Kulturgüter verloren, Museen wurden geplündert und Archive verschleppt. „Um die Schäden nicht noch größer werden zu lassen," so ein Pressebericht, „erließ das Parlament ein Verbot für den Handel mit Antiquitäten; das ist in dem wenig ausgebildeten jemenitischen Staat jedoch mehr ein Signal als ein Instrument zur Unschädlichmachung der Museumsräuber"; Neue Zürcher Zeitung Nr. 6 vom 9. Januar 1995, S. 7. 34 Als ein Beispiel unter vielen sei die Lage in Ecuador erwähnt; dazu Norma Albuja Wirz> Ecuador, das Kulturerbe und der Kommerz, in: Nationale Schweizerische UNESCO-Kommission (Hrsg.), Informationstag Kulturgüter zwischen Markt und Museum, Schlußbericht, Bern 1993, S. 63 ff. 35 Siehe dazu die entsprechenden Empfehlungen von Lyndel V. Prott/Patrick J. O'Keefe, National Legal Control of Illicit Traffic in Cultural Property, Paris 1983, Unesco Dok. CLT83/WS/16, S. 138 ff., insbesondere auch die Forderung, „that exporting States should survey their administrative practices and guidelines to ensure that proper motivation and priorities are established at all levels and in all sections of the administration to enhance the protection of the cultural heritage", a.a.O., S. 139. 14 Fechner u. a.

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che Sensibilisierungsprogramme zur Bekämpfung des illegalen Kunsthandels gehören zu den wesentlichsten flankierenden Maßnahmen, die zusätzlich zu gesetzgeberischen Aktivitäten verlangt werden miißen 36 . Diesem an Exportstaaten gerichteten Forderungskatalog müßen jedoch Transit- und Importstaaten ein Maßnahmenpaket zur Seite stellen, welches die gemeinsame Verantwortung bei der Bekämpfung des illegalen Kunsthandels absichert. Dazu gehören autonome Kooperationsmechanismen, die aktive Mitwirkung bei Forschungsprogrammen der UNESCO oder auch die freiwillige Sanktionierung von Verstößen37.

4. Ansätze de lege lata und de lege ferenda

Wenn das nationale Recht oder zwischenstaatliche Vereinbarungen überhaupt die Berücksichtigung ausländischer Ausfuhrvorschriften vorsehen, so geschieht dies in der Regel vorbehaltslos. Insbesondere ist es dem um Rückgabe ersuchten Staat verwehrt, die Einhaltung von Schutz- und Erhaltungspflichten durch den Ursprungsstaat zu überprüfen oder in seine Erwägungen über die Zulässigkeit und Berechtigung des Rückgabeanspruchs einzubeziehen. Dementsprechend sieht die für die Europäische Union maßgebliche Richtlinie 93/7 /EWG vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern 38 in Art. 5 für die Zulässigkeit eines Rückgabeanspruchs lediglich vor, daß der ersuchende Mitgliedstaat eine Beschreibung des Objekts und eine Erklärung über die illegale Ausfuhr vorzulegen hat. Allerdings haben die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen zentralen Stellen der Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Ziff. 4 erforderlichenfalls die „notwendigen Maßnahmen für die physische Erhaltung des Kulturguts" zu erlassen. Als weiteres Beispiel sei das Protokoll zum Haager Abkommen über den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten 39 erwähnt. Dieses regelt die Ausfuhr und Rückgabe von Kulturgut aus Besatzungsgebieten. Demnach sind sicherungshalber im Ausland deponierte Kulturgüter oder wegen illegaler Ausfuhr in Gewahrsam genommene Objekte nach „Beendigung der Feindseligkeiten" zurückzugeben. Einen Vorbehalt des Inhalts, daß dies erst dann zu geschehen habe, wenn die zuständigen Behörden des Ursprungsstaates den Schutz der Objekte wieder gewährleisten können, findet sich im Protokoll jedoch nicht. 36

Vgl. dazu die Resolution 48/15, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 11. November 1993 mit 106 Stimmen und ohne Gegenstimme angenommen wurde. Zu den 25 Enthaltungen zählten weitgehend kunstimportierende Staaten. 37 Siehe dazu Prott/O'Keefe (Anm. 35), S. 142f., die von Importstaaten verlangen, daß sie „wherever possible, initiate or improve administrative co-operation with exporting and transit States, especially in respect of customs, police and cultural authorities", a.a.O., S. 143. 38 ABl Nr. L 74, S. 74 ff. 39 Dazu unten III. 1. a).

Rückgabeansprüche für illegal ausgeführte Kulturgüter

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An dieser Regel der - meist staatsvertraglichen - automatischen und vorbehaltslosen Zulässigkeit von ausländischen Rückforderungsansprüchen sind unter dem Einfluß der neueren Lehre Anpassungen vorgenommen oder vorgeschlagen worden, um eine möglichst international konsensfähige Lösung zu erzielen. Einerseits wird der Kreis der rückgabefähigen Kulturgüter auf bedeutende Objekte beschränkt, andererseits wird vom Ursprungsstaat ein Mindestmaß an eigenen Schutzbemühungen verlangt. Mit unterschiedlichem Erfolg und in jeweils anderer Ausgestaltung hat diese Forderung insbesondere in der Diskussion um den von UNIDROIT erarbeiteten Vertragsentwurf über die Rückgabe von gestohlenen und illegal ausgeführten Kulturgütern sowie in die einschlägige amerikanische Ausführungsgesetzgebung ihren Niederschlag gefunden.

a) Der UNIDROIT-Vertragsentwurf Der von der UNIDROIT-Studiengruppe unter der Leitung von Ricardo Monaco nach drei Sitzungen und auf der Basis der Expertisen von Gerte Reichelt vorgelegte und am 26. Januar 1990 verabschiedete Vorentwurf enthielt in Art. 5 Abs. 2 folgende Bestimmung: „Toute demande (...) doit contenir toute information utile sur la conservation, la sécurité et l'accessibilité du bien culturel après son retour dans l'Etat demandeur." 40

Der vom UNIDROIT-Sekretariat erstellte Bericht zum Vorprojekt erläuterte die Hintergründe dieser Bestimmung wie folgt: „II ne s'agit en aucune façon de poser des obstacles au retour, mais de protéger le bien et de renforcer la demande pour qu'elle soit crédible (donner des garanties que le bien sera conservé et non réexporté), ce qui est tout à fait conforme à la philosophie de l'ensemble de l'avant-projet qui est de protéger les biens culturels et non pas les intérêts d'un Etat. (...) En fait, cette disposition a un double but: tout d'abord, de protéger le bien culturel à travers l'engagement moral exigé de l'Etat demandeur, et deuxièmement, grâce à cet engagement, on enlève un argument à l'Etat requis de s'opposer au retour." 41

Die Arbeiten der 14-köpfigen Studiengruppe wurden in der Folge von einem aus Regierungsexperten zusammengesetzten Ausschuß fortgesetzt. Dieser konnte anläßlich seiner vierten Sitzungsrunde im Oktober 1993 einen bereinigten Vertragsentwurf vorlegen 42. Die in Art. 5 Abs. 2 des Vorentwurfes enthaltene Bestimmung ist jedoch ersatzlos entfallen. Bereits an der ersten Sitzung im Mai 1991 erwies sich diese Vorschrift als kaum konsensfähig. Wenngleich Mitglieder der Studiengruppe den Hintergrund der Norm mit dem Hinweis zu erhellen versuchten, daß 40 UNIDROIT Etude LXX, Doc. 19 41 A.a.O., Ziff. 53, S. 26 f. 42 Projet de Convention d'Unidroit sur le retour international des biens culturels volés ou illicitement exportés, UNIDROIT Etude LXX - Doc. 48, Annexe IV. 14*

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der Schutz von Kulturgütern Ziel und Zweck einer zukünftigen Konvention sein müße und daß das alleinige Abstellen auf die Existenz von Ausfuhrvorschriften ohne Rücksichtnahme auf ihre tatsächliche Durchsetzung zu Mißbräuchen Anlaß geben könnte 43 , stieß der Vorschlag auf wenig Verständnis. Einerseits wurde vorgebracht, daß jeder Staat unabhängig sei zu entscheiden, ob überhaupt und mit welchen rechtlichen und tatsächlichen Mitteln er seine Kulturgüter erhalten und schützen wolle; andererseits wurde bemängelt, daß unklar sei, wer über die Einhaltung von Erhaltungsmaßnahmen zu befinden habe und welche Sanktionen im Unterlassungsfall von wem zu ergreifen wären 44 . Trotz verschiedener Korrekturvorschläge gelang es auch an der zweiten Sitzung im Januar 1992 nicht, Einigkeit über die vorgeschlagene Bestimmung zu erzielen. Allgemein wurde zwar betont, daß der um Rückgabe ersuchende Staat die Glaubwürdigkeit seiner Ansprüche durch ein entsprechendes gesetzgeberisches oder denkmalpflegerisches Engagement zu unterstreichen habe, doch stehe es ihm rechtlich frei, über die Nutzung und Verwendung eines Kulturgutes zu bestimmen45. Zudem fürchtete eine Mehrzahl der Regierungsdelegationen, daß ein solcher Vorbehalt lediglich als Vorwand zur systematischen Verweigerung der Rückgabe mißbraucht werden könnte, weshalb die Bestimmung endgültig fallengelassen wurde und im bereinigten Vertragsentwurf nicht mehr erscheint 46. Trotz Verständnis für die vorgebrachten Gegenargumente ist dieser Ausgang der Diskussion zu bedauern 47. Eine gewisse Auffangfunktion könnte allerdings Art. 5 Abs. 2 lit. a des Entwurfes erfüllen. Demnach ist einem Rückforderungsgesuch für ein illegal aus dem Herkunftsstaat exportiertes Kulturgut Folge zu leisten, wenn der Nachweis erbracht wird, daß die illegale Ausfuhr dem Interesse an der physischen Erhaltung eines Kulturgutes oder seines Kontextes („la conservation physique du bien ou de son contexte") maßgeblich zuwiderlaufe. Es ist unbestritten, daß Kulturgüter durch die Manipulationen ihrer illegalen Entfernung und Verlagerung Schaden nehmen können. Will man die Behauptung von Kulturgütern als Teil eines der Menschheit gemeinsamen Erbes ernst nehmen, wird verständlich, daß der Umgang mit Kulturgütern nach jenen Grundsätzen zu erfolgen hat, die das Prinzip des „common heritage" verkörpert. Die Bestandessicherung gehört dabei an die erste Stelle; Teilgehalt davon ist das Bemühen, den von Kulturgütern verkörperten Informationswert zu erhalten und zu erschliessen. Diesen Interessen trägt die nun ermittelte Formulierung von Art. 5 Abs. 2 des UNIDROIT-Entwurfes durchaus Rechnung. Unklar bleibt jedoch, wer mit welchen Mitteln über diese Interessen zu befinden hat. Fraglich ist etwa, ob ein bestimmtes Kulturgut im Anwendungsbereich des Vertrages

43 44 45 46 99. 47

UNIDROIT Etude LXX - Doc. 23, S. 27, Ziff. 101. A.a.O., S. 27 f., Ziff. 102 ff. UNIDROIT Etude LXX - Doc. 30, S. 22 f., Ziff. 91 ff. Rapport explicatif, UNIDROIT 1994 CONF 8/3 vom 20. Dezember 1994, S. 25, Ziff. Vgl. dazu auch Lalive, Retour (Anm. 3), S. 291 ff.

Rückgabeansprüche für illegal ausgeführte Kulturgüter

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durch den illegalen Export bereits Schaden genommen haben muß, damit die Voraussetzungen von Buchstabe a) oder b) als erfüllt betrachtet werden können, oder ob die potentielle Gefährdung genügen darf. Weiter könnte gefolgert werden, daß einem Ersuchen um Anordnung der Rückgabe jeweils dann nicht Folge zu leisten ist, wenn das fragliche Objekt im Ursprungsland physisch schlechter geschützt wäre als am gegenwärtigen Lageort. Allerdings schweigt sich der Vertragsentwurf darüber aus, ob Gerichte und zuständige Behörden überhaupt befugt wären, eine entsprechende Interessenabwägung vorzunehmen. Zu erinnern ist auch daran, daß der gesuchstellende Staat lediglich den Nachweis, nicht aber einen förmlichen Be^ weis zu erbringen hat, daß die Rückführung der physischen Bestandessicherung dient 48 .

b) Die amerikanischen Ausführungsvorschriften

zur UNESCO-Konvention

1970

Daß Rückgabeersuchen ausländischer Staaten unter Umständen nicht nur auf die Existenz einschlägiger Exportvorschriften und ihrer Verletzung abgestützt werden können, sondern auch die konkreten kultur- und denkmalpflegepolitischen Rahmenbedingungen in die Erwägungen miteinzubeziehen sind, verdeutlicht die U.S.-amerikanische „Convention on Cultural Property Implementation Act" vom 22. Dezember 198749. Gestützt auf Art. 9 der UNESCO-Konvention 1970 kann jeder Staat, der der Konvention beigetreten ist, die USA um Erlaß von Importbeschränkungen für bestimmte Kategorien von Kulturgütern ersuchen. Gemäß See. 303 (a)(1)(B) hat der ausländische Staat zu beweisen, daß er Maßnahmen zum Schutz seines kulturellen Erbes getroffen hat. Das Gesuch soll daher Informationen u.a. über die einschlägige Gesetzgebung und deren Vollzug, über bisherige Bestrebungen um Rückgabe von Kulturgut sowie über meinungsbildende Informationsprogramme zur Bedeutung des kulturellen Erbes enthalten50. Bei der Beratung des Gesetzesentwurfes wurde darauf hingewiesen, daß der um Kooperation ersuchende Staat den Nachweis von Selbsthilfemaßnahmen zum Schutz seines Kulturerbes zu erbringen habe51. In der Praxis verlangen die amerikanischen Behörden ausführliche Auskünfte über die autonom erbrachten Schutzleistungen des um Kooperation 48

Jene Vertreter, die den Begriff „établir" durch das stärkere „prouver" ersetzen wollten, blieben in der Minderzahl, vgl. Rapport explicatif (Anm.), S. 24, Ziff. 83. 49 Public Law No. 97-446; 19 U.S.C.A. §§ 2601 ff.; wiedergegeben bei John Henry Merryman/Albert E. Elsen, Law, Ethics and the Visual Arts, Bd. 1, 2. A., Philadelphia 1987, S. 97 ff. 50 Siehe United States Information Agency , Curbing Illicit Trade in Cultural Property: U.S. Assistance Under the Convention on Cultural Property Implementation Act, May 1994, Tab B, S. 2f. 51 Der House of Representative Report No. 97-989 vom 21. Dezember 1982, HR 4566, spricht unter anderem davon, daß die vorgeschlagene Gesetzgebung den ausländischen Staaten zu erkennen erlaube, „what minimum showing is required to obtain the full range of U.S. cooperation".

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ersuchenden Staates52. Die gesetzlichen Bestimmungen sind von der Überzeugung getragen, daß die von den USA zu verhängenden Importverbote eine zu den eigenen Schutzbemühungen subsidiäre Hilfeleistung darzustellen haben. Innerstaatliche Vollzugsdefizite bei der Erhaltung und Bewahrung des nationalen Kulturerbes sollen nicht durch einen Anspruch auf solidarische Unterstützung des Auslands verharmlost oder gar kompensiert werden.

I I I . Grundlage und Inhalt eines kulturpolitischen Ordre public Wer einen kulturpolitischen Ordre public postuliert, muß diesen im bestehenden Normengefüge rechtlich verankern können. Wer von Drittstaaten Gewährleistungen für angemessene Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen fordert, muß zur politischen Rechtfertigung und rechtlichen Begründung die Existenz von entsprechenden völkervertrags- oder gewohnheitsrechtlichen Normen nachweisen können. Verweise auf allgemeine Prinzipien wie jene des „Common heritage of mankind" oder auf nationale Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen53 zum Schutz des Kulturgutes mögen zwar als Indizien hilfreich sein, können aber als normativer Maßstab kaum genügen. Vertiefter Reflexion bedarf weiter die dogmatische Situierung eines kulturpolitischen Ordre public, seiner verfahrensrechtlichen Verankerung und den damit verbundenen Völlzugsmechanismen.

1. Völkerrechtliche Rahmenbedingungen zum Umgang mit Kulturgütern

a) Haager Abkommen vom 14. Mai 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten Bereits in Friedenszeiten ausreichende und geeignete Sicherungsmaßnahmen zum Schutz des eigenen Kulturgutes gegen die voraussehbaren Folgen eines bewaffneten Konflikts vorzusehen, macht Art. 3 des Haager Abkommens vom 14. Mai 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (nachfolgend: Haager Abkommen) zur Pflicht aller Vertragsparteien. Daß das einzelne Monument, die einzelnen Kulturgüter in ihrem physischen Bestand im Zentrum der Bemühungen zu stehen haben, verdeutlicht weiter auch Art. 5: Demnach hat die Besatzungsmacht die zuständigen nationalen Denkmalschutzbehörden bei der Siche52 Regelmäßig werden Abschriften der einschlägigen nationalen Gesetzgebung und „descriptions of any public education programs" verlangt; dazu Ann Guthrie Hingston, Preserving Mankind's Heritage - U.S. Efforts to Prevent Illicit Trade in Cultural Property, United States Information Agency, Washington 1991, S. 14. 53 Vgl. dazu etwa Wyss (Anm. 12), S. 235 ff.; Raymond Goy, La protection internationale des biens culturels et le droit public interne, in: Conseil de l'Europe, La protection juridique internationale des biens culturels, Straßburg 1984, S. 48 ff.

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rung und Erhaltung der Kulturgüter zu unterstützen (Abs. 1) und bei Bedarf die notwendigsten Erhaltungsmaßnahmen zu treffen (Abs. 2). Auf entsprechenden Antrag oder selbst aus eigener Initiative hat die UNESCO den Vertragsparteien bei der konkreten Ausgestaltung der Schutzmaßnahmen mit fachlichem Rat beizustehen (Art. 23). Das Haager Abkommen konkretisiert die Schutzpflichten in Friedenszeiten nur bruchstückhaft und beschränkt sich in Art. 7 darauf, die Vertragsparteien zur Schulung und Instruktion von Fachpersonal für den Kulturgüterschutz zu verpflichten. Damit ist es in das Ermeßen der einzelnen Staaten gestellt, welche Maßnahmen anzuordnen wären, ob beispielsweise eine lückenlose Inventarisierung nötig, bauliche und sicherheitstechnische Einrichtungen erforderlich oder kulturgüterspezifische Katastrophenszenarien unerläßlich seien54. Ausgelöst durch die irakische Besetzung Kuwaits und den jugoslawischen Bürgerkrieg hat nun aber die UNESCO eine kritische Prüfung des Haager Abkommens an die Hand genommen, deren endgültige Ergebnisse sich zwar nur skizzenhaft abzeichnen, aber eine Neuorientierung im Verhältnis zu den übrigen kriegs- und konfliktrechtlich einschlägigen Bestimmungen - insbesondere der Zusatzprotokolle von 1977 zu den Genfer Konventionen, dem Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt sowie den Rahmenbedingungen friedenserhaltender Missionen der Vereinten Nationen - sichtbar werden läßt 55 . Denk- und wünschbar ist, daß dannzumal der Bereich der Schutzpflichten in Friedenszeiten genauere Konturen des völkerrechtlich Verbindlichen gewinnen wird.

b) Das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 23. November 1972 Trotz zunehmender zwischenstaatlicher Kooperationspflichten geht das Völkerrecht im Bereich des Kulturgüterschutzes nach wie vor vom Grundsatz aus, daß es Aufgabe und Pflicht jedes einzelnen Staates ist, für die Erhaltung seines kulturellen Erbes besorgt zu sein. Unmißverständlich ist diesbezüglich Art. 4 des UNESCO-Übereinkommens vom 23. November 1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt: „Jeder Vertragsstaat erkennt an, daß es in erster Linie seine Aufgabe ist, Identifizierung, Schutz, Erhaltung und Erschließung des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen (...) Kul54 Siehe dazu von Schorlemer (Anm. 3), S. 304 ff.; Karl Josef Partsch, Schutz von Kulturgut, in: Dieter Fleck (Hrsg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, München 1994, S. 306 ff., S. 314; Patrick J. Boylan, Réexamen de la Convention pour la protection des biens culturels en cas de conflit armé, Paris 1993, Unesco-Dok. CLT93/WS/12, S. 61 ff. 55 Siehe dazu Martin Philipp Wyss, Der völkerrechtliche Schutz von Kulturgütern - Neue Impulse innerhalb der UNESCO, Humanitäres Völkerrrecht - Informationsschriften 1994, S. 12 ff.; ders., Kulturgüter: Ziel und Opfer der Gewalt - Kriegsrechtliche Schutzbestimmungen und neue Initiativen der UNESCO, Vereinte Nationen 1994, S. 92 ff.

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Martin Philipp Wyss tur- und Naturgutes sowie dessen Weitergabe an zukünftige Generationen sicherzustellen. Er wird hierfür alles in seinen Kräften Stehende tun, unter vollem Einsatz seiner eigenen Hilfsmittel und gegebenenfalls unter Nutzung jeder ihm erreichbaren internationalen Unterstützung und Zusammenarbeit, insbesondere auf finanziellem, künstlerischem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet." 56

Der für die Liste der Kultur- und Naturgüter der Welt verantwortliche Ausschuß („World Heritage Committee") hat in seiner Praxis die Notwendigkeit einzelstaatlicher Schutzmaßnahmen als Voraussetzung für die Aufnahme eines (seil, unbeweglichen) Kulturgutes in die Liste immer deutlicher hervorgehoben. Gemäß den Verfahrensrichtlinien hat jeder Staat sein eigenes Engagement in seinem Gesuch darzulegen: „Each property nominated should therefore (...) (b)(ii) have adequate legal and/or traditional protection and management mechanisms to ensure the conservation of the nominated cultural property or cultural landscapes. The existence of protective legislation at the national, provincial or municipal level or well-established traditional protection and/ or adequate management mechanisms is therefore essential and must be stated clearly on the nomination form. Assurances of the effective implementation of these laws and/ or management mechanisms are also expected. Furthermore, in order to preserve the integrity of cultural sites, particuarly those open to large numbers of visitors, the State Party concerned should be able to provide evidence of suitable administrative arrangements to cover the management of the property, its conservation and its accessibility to the public." 57 Ergreift der betroffene Staat die für die Erhaltung eines bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme gefährdeten Objekts notwendigen Maßnahmen nicht innert nützlicher Frist, kann die Eintragung des Kulturgutes auf der Liste unter Umständen wieder gelöscht werden 5 8 . Für die getrennt zu führende Liste des gefährdeten Welterbes („List of World Heritage in Danger" Art. 11 Abs. 4) wurden ähnliche Kriterien eingefühlt. Eine potentielle Gefahrenlage, die eine internationale Koordination erforderlich macht, kann enstehen durch:

56 Eine ähnliche Zielsetzung verfolgte bereits Art. 5 des Europäischen Kulturabkommens vom 19. Dezember 1954: „Jede Vertragspartei betrachtet die europäischen Kulturgüter, die sich unter ihrer Kontrolle befinden, als Bestandteil des gemeinsamen europäischen kulturellen Erbes, trifft die erforderlichen Maßnahmen zu ihrem Schutz und erleichtert den Zugang zu ihnen." 57 Intergovernmental Committee for the Protection of the World Cultural and Natural Heritage, Operational guidelines for the implementation of the World Heritage Convention, UNESCO-Dok. WHC/2/Revised, Stand Februar 1994 (nachfolgend: Operational Guidelines), S. 8, Ziff. 24. 58 Operational Guidelines (Anm. 57), S. 16 f., Ziff. 48 ff. Weil eine geplante Umfahrungsstraße um Kairo bedeutende archäologische Fundstätten auf dem Pyramidenplateau von Gizeh gefährdet, drohte die UNESCO mit der Streichung der Pyramiden von der Liste der Weltkulturgüter. Dies führte zu einem vorläufigen Baustopp für die Schnellstraße, ohne daß jedoch bereits eine allseits befriedigende Lösung gefunden werden konnte; vgl. „Autobahn bei den Pyramiden von Gizeh?", Neue Zürcher Zeitung Nr. 37 vom 14. Februar 1995, S. 18.

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,,a) modification of juridical status of the property diminishing the degree of its protection; b) lack of conservation policy; c) threatening of regional planning projects; d) threatening effects of town planning; (.. .)." 5 9

Das Übereinkommen bietet jenen Staaten, die nicht in der Lage sind, ihren Erhaltungspflichten nachzukommen, allerdings auch die Möglichkeit von Kooperationsprogrammen im Ausbildungs- und technischen Bereich sowie von Finanzhilfen (Art. 19 ff.) 60 Obschon das Übereinkommen nur in groben Zügen zu umreißen vermag, welche Pflichten einem Vertragsstaat für die Erhaltung der auf seinem Hoheitsgebiet befindlichen Kulturgüter von universeller Bedeutung obliegen, schreibt es völkerrechtlich verbindlich fest, daß überhaupt solche Schutzpflichten existieren. Insbesondere der australische High Court hat in mehreren Urteilen verdeutlicht, daß die Vertragsparteien den Vorgaben des Übereinkommens - sogar noch vor oder ohne Eintragung eines Objekts in die entsprechenden Listen - durch geeignete praktische und gesetzgeberische Maßnahmen nachzuleben haben61. Die Tatsache, daß das Übereinkommen nur wenig ausgeprägte Kontroll- und Sanktionsmechanismen vorsieht, darf nicht über den normativen Bestand von völkervertragsrechtlichen Schutz- und Erhaltungspflichten hinwegtäuschen.

c) Weitere Instrumente der UNESCO Eine Konkretisierung einzelstaatlicher Schutzpflichten findet sich weiter im „Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut" vom 14. November 1970. Dieses verpflichtet die Vertragsparteien in Art. 5, in jeweils geeignetster Weise staatliche Dienststellen vorzusehen, welche mit der Inventarisierung des nationalen Kulturerbes, dem Auf- und Ausbau wissenschaftlicher und technischer Einrichtungen, der Überwachung archäologischer Ausgrabungen, der Durchführung von Bildungsprogrammen und Informationskampagnen sowie der Erarbeitung von 59 Operational Guidelines (Anm. 57), S. 27, Ziff. 71. 60 Zu den Unterstützungsformen und -verfahren siehe Operational Guidelines (Anm. 57), S. 31, Ziff. 87. Praktische Beispiele solcher Programme finden sich in den Jahresberichten des World Heritage Committee, zuletzt der Bericht der 17. Sitzung vom Dezember 1993, Unesco-Dok. WHC-93 /CONF.002/14 vom 4. Februar 1994, S. 49 ff. 61 Siehe dazu Patrick O'Keefe, Foreign Investment and the World Heritage Convention, International Journal of Cultural Property 1994, S. 259 ff. In den diskutierten Fällen - Commonwealth v. Tasmania (1983) 158 C.L.R. 1, Richardson v. Forestry Commission (19871988) 164 C.L.R. 261 und Queensland v. Commonwealth (1989) 167 C.L.R. 232 - überrascht, daß dem Übereinkommen auch Anweisungen über die bundesstaatliche Kompetenzverteilung entnommen worden sind, d. h. daß der Zentralstaat im Verhältnis zu den für die Denkmalpflege und den Naturschutz primär zuständigen Gliedstaaten gestützt auf das Übereinkommen, spezifische gesetzgeberische oder vollziehende Kompetenzen beanspruchen kann.

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Rechts- und Verhaltensvorschriften zum Schutz des Kulturerbes betraut werden sollen. Trotz des offenen, geringe Verbindlichkeit evozierenden Wortlautes von Art. 5, der großzügig Rücksicht nimmt auf die gesetzestechnischen, finanziellen und personellen Rahmenbedingungen der Vertragsstaaten, darf der völkervertraglich verpflichtende Charakter der Bestimmung nicht übersehen werden: Die Vertragsstaaten dürfen lediglich darüber frei entscheiden, mit welchen Mitteln sie den Anforderungen von Art. 5 genügen wollen, nicht aber, ob sie überhaupt die Verpflichtung zu übernehmen in der Lage sind 62 . Die Generalkonferenz der UNESCO hat zudem in einer Vielzahl von Empfehlungen Prinzipien für innerstaatliche Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen formuliert. Namentlich zu erwähnen ist dabei die „Recommendation for the Protection of Movable Cultural Property" vom 28. November 1978 63 , welche einen umfangreichen Katalog spezifischer Maßnahmen der Gefahrenprävention und der Denkmalpflegepolitik enthält.

d) Abkommen des Europarates Je enger umgrenzt und umgrenzbar ein bestimmtes Sachgebiet ist, desto leichter fällt es, einen international konsensfähigen Katalog konkreter Schutz- und Erhaltungspflichten zu formulieren. Ein besonders illustratives Beispiel stellt die Europäische Konvention zum Schutz des archäologischen Erbes in der revidierten Fassung vom 16. Januar 1992 dar 64 . Obschon die Konvention den Vertragsparteien weite Ermessensspielräume bei der Erfüllung der Vertragspflichten überläßt, formuliert sie Kernaussagen darüber, was heute gemeinhin unter dem effektiven Schutz archäologischer Kulturgüter zu verstehen ist 65 . Die Bestimmung von archäologischen Schutzzonen, Genehmigungspflicht für archäologische Ausgrabungen, Inventarisierungsgebot und Konservierungspflicht stellen demnach den verbindlichen Rahmen dar, in dem sich einzelstaatliches Handeln zu bewegen hat. Die Pflicht, die Interessen der archäologischen Forschung im Rahmen von räum- und siedlungsplanerischen Aktivitäten integral zu wahren (Art. 5), ergänzt diesen deontologischen Kanon ebenso wie die Obliegenheit, die zuständigen innerstaatlichen Fachstellen personell und finanziell ausreichend zu dotieren. Austausch von Forschungsergebnissen und -methoden, Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die An62

Vgl. dazu Ridha Fraoua, Convention concernant les mesures à prendre pour interdire et empêcher l'importation, l'exportation et le transfer de propriété illicites des biens culturels Commentaire et aperçu de quelques mesures nationales d'exécution, Paris 1986, Unesco Dok. CC-86/WS/40, S. 60 ff. 63 Wiedergegeben in: UNESCO, Conventions and Recommendations of Unesco concerning the protection of the cultural heritage, Paris 1985, S. 209 ff. 64 E.T.S. No. 143. 65 Vgl. dazu auch die umfassende Darstellung bei von Schorlemer (Anm. 3), S. 165 ff., sowie bei Frank Fechner , Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts, Berlin 1991, S. 105 ff.

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liegen der archäologischen Forschung und Maßnahmen zur Eindämmung von Raubgrabungen und dem damit zusammenhängenden Handel runden die Vertragspflichten ab. Angesichts der länderspezifisch unterschiedlich ausgestalteten Denkmalschutzordnungen festlegen zu wollen, mit welchen gesetzgeberischen und verwaltungstechnischen Instrumenten den Vertragspflichten Nachachtung zu verschaffen sei, würde die Tragfähigkeit eines völkerrechtlichen Vertrages überstrapazieren. Immerhin ist es aber gelungen, das äußerst schwache Kontrollsystem der ursprünglichen Vertragsfassung 66 durch einen griffigeren Überwachungsmechanismus zu ersetzen: Ein unabhängiges Expertengremium hat nun die Umsetzung der Konventionspflichten durch die Vertragsparteien zu verfolgen und soll dem Ministerkomitee des Europarates Verbesserungsvorschläge unterbreiten dürfen (Art. 13). Wegen der fehlenden politischen Akzeptanz von nur theoretischer Bedeutung ist die „Convention européenne sur les infractions visant des biens culturéis " vom 23. Juni 198567. Dennoch müßen an diesem als strafrechtlichem Rechtshilfeabkommen ausgestalteten Übereinkommen zwei für unsere Fragestellung interessante Besonderheiten auffallen: Einerseits verpflichtet Art. 4 die Vertragsparteien dazu, durch geeignete Maßnahmen das öffentliche Bewußtsein für den Kulturgüterschutz zu fördern. Andererseits enthält der Anhang III in seinem gemäß Art. 3 Abs. 2 fakultativen zweiten Teil Verweise auf nationale und gemäß diesem Übereinkommen rechtshilfefähige Strafbestimmungen im Zusammenhang mit der Verletzung von denkmalpflegerischen Schutzvorschriften 68. Die Koppelung von nationalen Vorschriften des Denkmalpflegerechts mit internationalen Kooperationspflichten ist unter dem rechtstechnischen Gesichtswinkel - zwar nicht neu, bietet aber die Möglichkeit, international konsensfähige Minimalanforderungen an die einzelstaatlichen Schutz- und Erhaltungspflichten zu verfestigen.

66 Art. 9 lautete: „Jede Vertragspartei wird zu gegebener Zeit dem Generalsekretär des Europarates die Maßnahmen bekanntgeben, die sie zur Anwendung diese Übereinkommens allenfalls ergreift." 67 E.T.S. 119; vgl. auch den dazugehörigen „Rapport explicatif, Straßburg 1985. Die Konvention wurde zwar von sechs Staaten unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Gemäß Art. 21 sind jedoch drei Ratifikationen erforderlich, damit die Konvention in Kraft treten könnte. Zum Übereinkommen siehe auch von Schorlemer (Anm. 3), S. 456ff.; Fechner (Anm. 65), S. 94f.; M^s(Anm. 12), 134f. 68 Der Anhang zählt unter Buchstabe i) auch: „violation des dispositions juridiques qui, dans la Partie intéressée: i) subordonnent les modifications apportées à un monument d'architecture, un monument mobilier, un ensemble monumental ou un site protégés, à l'octroi préalabe d'une autorisation par les autorités compétentes, ou ii) font obligation au propriétaire ou au détenteur d'un monument d'architecture, d'un monument mobilier, d'un ensemble monumental ou d'un site protégés, de le maintenir dans un état de conservation adéquate ou de signaler les défectuosités qui en menacent la conservation."

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Martin Philipp Wyss 2. Dogmatische und praktische Überlegungen

Der von Siehr postulierte kulturpolitische Ordre public scheint nach dem bisher Gesagten durchaus geeignet zu sein, die verschiedenen Interessen des Kulturgüterschutzes aus- und einander anzugleichen. Daß es insbesondere im Rahmen der Vorarbeiten zum UNIDROIT-Vertragsentwurf nicht gelungen ist, zumindest ansatzweise eine Informationspflicht über Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen vorzusehen, mag vorerst enttäuschen, soll aber eine dogmatische und praktische Erörterung des Postulats nicht überflüßig werden lassen. In diesem Sinne sollen abschließend einige ausgewählte Fragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung an dieser Stelle nur in groben Konturen erwartet werden darf.

a) Zum Begriff des kulturpolitischen

Ordre public

Der Begriff eines kulturpolitischen Ordre public mag sprachlich irrefiihrend sein. Dieser ist nicht in seinem technischen und im internationalen Privatrecht gebräuchlichen Sinne zu verstehen als von der lex fori für jene Fälle ausgesprochenes Anwendungsverbot für ausländisches Recht, in denen das materielle Entscheidungsergebnis zu unerträglichen Widersprüchen mit der einheimischen - unter Umständen international standartisierten - Rechtsordnung führen würde. Substantiell ist mit dem kulturpolitischen Ordre public vielmehr eine temporäre Suspensivbedingung gemeint: Dem ausländischen öffentlichen Recht wird nicht die Anwendung versagt, sondern es wäre - im Gegenteil - gestützt auf das ausländische Exportverbot der Anspruch des Ursprungsstaates materiell zu beurteilen und gegebenfalls in Form eines Feststellungsurteils über seine Zulässigkeit und Berechtigung zu entscheiden. Der Eintritt der Rechtsfolge - Rückgabe des Kulturgutes - würde indessen solange aufgeschoben, bis die Voraussetzung des Ordre public - angemessene Schutz-, Konservierungs- und Präsentationsmaßnahmen erfüllt ist 69 . Eine gewisse Nähe zum Rechtsmißbrauchsverbot als Bestandteil eines völkerrechtlichen Ordre public ist allerdings nicht zu übersehen: Einem Staat, der die Rückgabe eines illegal ausgeführten Kulturgutes verlangt und offensichtlich weder in Lage noch gewillt ist, dieses Gut angemessen zu schützen, könnte in extremis die rechtsmißbräuchliche Klageerhebung vorgeworfen werden 70. Nahezu selbstverständlich muß dann aber auch vom ersuchten Staat verlangt werden dürfen, daß er für die fachgerechte Aufbewahrung des Kulturgutes besorgt ist, solange eine 69 Das Postulat nach einem kulturpolitischen Ordre public wäre demnach eher mit dem englischen Ausdruck einer „international public policy" des Kulturgüterschutzes begrifflich zu erfassen. Für das Deutsche wäre der Begriff eines kulturpolitischen Rechtsfolgevorbehalts zu erwägen. 70 In der Literatur ist für ein solches Verhalten von „ destructive retention" und „covetous neglect" gesprochen worden, vgl. Merryman, Retention (Anm. 10), S. 507; Crowell (Anm. 10), S. 206.

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Rückgabe im übergeordneten Interesse an der Objekterhaltung und -bewahrung als rechtlicher Anspruch zwar anerkannt wird, die Durchführung aber verweigert werden muß. Erfüllt selbst der ersuchte Staat die minimalen Anforderungen des Ordre public nicht, müßte seine Berufung auf diesen als rechtsmißbräuchlich zurückgewiesen werden. Einer zusätzlichen Klärung bedürfte der Anwendungsbereich des kulturpolitischen Ordre public, der sich primär auf Rückgabegesuche oder -klagen für jene Objekte erstreckt, die unter Verstoß gegen ausländische Ausfuhrvorschriften dem Ursprungsland abhandengekommen sind. Ob der Vorbehalt auch auf gestohlene, während bewaffneten Konflikten entfernte oder illegal ausgegrabene Objekte ohne weiteres übertragen werden könnte, muß fraglich bleiben.

b) Vollzugsprobleme So faszinierend die These vom kulturpolitischen Ordre public auch sein mag, als so mannigfaltig erweisen sich bereits auf den ersten Blick die damit verbundenen Durchsetzungsprobleme. Zu entscheiden wäre, an welchen Maßstäben ein Gericht die vom Ursprungsstaat zu ergreifenden Schutzmaßnahmen zu messen hätte. Einheitliche Standards sind abstrakt kaum festzulegen und hochentwickelte Museumsund Forschungsstrukturen können nicht überall verlangt und erwartet werden. Zu klären ist auch die Frage, wem die Beweislast dafür obliegt, daß der Ursprungsstaat zur fachgerechten Erhaltung des Kulturgutes in der Lage ist. Überhaupt wären die Anforderungen für den Nachweis entsprechender Erhaltungsmaßnahmen wohl tief anzusetzen, will sich der Forumsstaat oder der gegenwärtige Besitzer nicht dem Vorwurf zivilisatorischer Überheblichkeit oder der Einmischung in die inneren Angelegenheiten aussetzen. Zudem können selbst Experten die Frage nach der fachgerechten Erhaltung und Erforschung unterschiedlich oder gar widersprüchlich beurteilen. Ziel des internationalen Kulturgüterschutzes muß es schließlich sein, die minimalen Schutzmaßnahmen sicherzustellen und die elementaren Erhaltungsinteressen zu sichern; das technisch und wissenschaftlich Bestmögliche zu verlangen, sprengt hingegen diesen Rahmen. Weiter könnte das Gericht die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse im Ursprungsland nicht aus eigener Sachkunde vornehmen, sondern bedürfte der fachlichen Beratung. Berufs- und Standesorganisationen, wissenschaftliche Körperschaften oder ausgewählte Experten könnten jedoch eine Evaluierung der Verhältnisse vor Ort erleichtern. Insbesondere der Internationale Museumsrat (ICOM) könnte dabei wertvolle Hilfe leisten. Zu berücksichtigen wäre auch, ob sich der Ursprungsstaat um internationale Unterstützung beim Aufbau geeigneter Museumsund Denkmalpflegestrukturen bemüht hat, wie sie vor allem auch die UNESCO für verschiedene Länder durchführt 71. 71

Vgl. dazu etwa Lyndel V. Prott, Restitutionspolitik der UNESCO in Zusammenarbeit mit Museen, in: Gerte Reichelt (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz, Wien 1992,

222

Martin Philipp Wyss

c) Entschädigung Einer gesonderten Prüfung bedarf die Frage, ob bis zur Rückgabe von Privaten oder staatlichen Institutionen getätigte Konservierungs- oder Forschungsarbeiten vom Ursprungsstaat zu entschädigen wären. Dafür sprechen würde die Überlegung, daß der aktuelle Lageort das fragliche Objekt gewissermaßen treuhänderisch und im Interesse des Ursprungsstaates verwahrt und geschützt hatte. Andererseits ist von einem Anliegen der gesamten Staatengemeinschaft an der Erhaltung von Kulturgütern auszugehen. Damit wären entsprechende Aufwendungen des Lagestaates als Beitrag zugunsten überstaatlicher Interessen zu verstehen und von diesem selber zu tragen 72. Zwar wird von um Rückgabe ersuchenden Staaten regelmäßig verlangt, daß sie die Kosten für Rückgabeverfahren sicherzustellen und unter Umständen gutgläubige Erwerber zu entschädigen haben. Dennoch scheint es wenig hilfreich und politisch kaum praktikabel, diese Entschädigungspflicht auf weitere Aufwendungen ausdehnen zu wollen. Kulturgüterschutz als internationale Kooperationspflicht muß mitunter auf „Vorschußleistungen" der wirtschaftlich und technisch privilegierten Staaten beruhen. Nur so kann ein gerechter Ausgleich zwischen legitimen nationalen Besitzansprüchen und ebenso berechtigten überstaatlichen Erhaltungsinteressen erreicht werden.

IV. Vorläufiges Fazit Der von Kurt Siehr als These formulierte kulturpolitische Ordre public versucht nationale Besitzesinteressen und überstaatliche Erhaltungsinteressen aufeinander abzustimmen. Als rechtspolitisches Postulat stellt er einen konkreten Ansatz für ein harmonisiertes Regelungsgefüge des internationalen Kulturgüterschutzes dar. Wie die vorbereitenden Diskussionen um den UNIDROIT-Vertragsentwurf gezeigt haben, stößt die Forderung nach völkerrechtlicher Kodifikation eines kulturpolitischen Ordre public auf Widerstand. Dennoch ist es der Judikatur, aber auch dem einzelstaatlichen Gesetzgeber nicht verwehrt, gleichgerichtete Überlegungen anzustellen und die Berechtigung von ausländischen Rückforderungsansprüchen in Abhängigkeit zur Einhaltung völkerrechtlicher Schutzstandards zu setzen. Solange S. 157 ff. Die UNESCO will ihre fachliche, rechtliche und finanzielle Unterstützung im Bereich des Kulturgüterschutzes weiter intensivieren; dazu den Rapport du Directeur Général sur le renforcement de l'action de l'UNESCO pour la protection du patrimoine mondial culturel et naturel, UNESCO-Dok. 141 EX/18 vom 26. März 1993, Ziff. 15 f. 72 Die Frage ist insbesondere im Zusammenhang mit der kriegsbedingten Zerstreuung von Kulturgut aktuell geworden. Einerseits sieht das erwähnte Protokoll zum Haager Abkommen in Ziff. 3 vor, daß Kulturgüter nicht zur Wiedergutmachung von Kriegsschäden zurückbehalten werden dürfen. Andererseits hat etwa Rußland gegenüber deutschen Museen Entschädigungsansprüche in natura oder als Geldleistung für Kunstwerke zu beanspruchen versucht, die als Beute der sowjetischer Truppen seit dem zweiten Weltkrieg von den eigenen Institutionen konserviert oder restauriert worden sind.

Rückgabeansprüche für illegal ausgeführte Kulturgüter

223

nämlich eine überwiegende Mehrheit der Staaten die automatische und vorbehaltlose Berücksichtigung ausländischer Exportvorschriften weder vertraglich noch autonom anzuerkennen bereit ist, würde die Akzeptanz eines kulturpolitischen Ordre public einen entscheidenden Fortschritt für den internationalen Kulturgüterschutz darstellen.

Der internationale Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse Vom kurativen zum präventiven Kulturgüterschutz

Von Sabine von Schorlemer*

I . Einführung Trotz des sich in zahlreichen Ländern Ost- und Westeuropas, aber auch Staaten der Dritten Welt, rapide verschlechternden Zustandes des kulturellen Erbes durch Umwelteinflüsse verharrt der Kulturgüterschutz bei einem System konventioneller Kurativmaßnahmen. „Nachsorge" i m Sinne einer Schadensminimierung soll helfen, wo Schadensbeseitigung - infolge der Unersetzlichkeit des Originals 1 - nicht möglich ist. Die bislang verfolgte, grosso modo als reaktiv zu charakterisierende Strategie des Kulturgüterschutzes 2 wurde in der Vergangenheit auch in Fällen als ausreichend angesehen, in denen Verschmutzungen und Schädigungen von erheblichem Ausmaß geschahen. * Dr. iur., (M.A. in Kunstgeschichte) Frankfurt a. M./München. 1 Auch der Restaurator kann Verfall nur aufhalten, aber das Original nicht, selbst mit noch so großem finanziellen Einsatz, neu gestalten; bereits J. Ruskin bezeichnete die Restaurierung, die zu „falsification" führe als „the worst of all destructions", vgl. J. Ruskin, The Lamp of Memory, in: The Seven Lamps of Architecture (Reprint, N. Y. 1988), S. 184; nach Art. 9 der Internationalen Charta über die Erhaltung und Restaurierung von Kunstdenkmälern und Denkmalgebieten (Venedig 1964) gründet sich die Restaurierung „auf die Respektierung des alten Originalbestandes" und „findet ihre Grenze dort, wo die Hypothese beginnt". In seinem Aufsatz „das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" (1963/1977), S. 13-16 hat W. Benjamin die Einmaligkeit eines Kunstwerkes der besonderen „Aura" zugeschrieben"; kritisch zu diesem „Irrtum der Individualität" K. M. Meyer-Abich, In Würde altern dürfen- Überlegungen zur Leibhaftigkeit der Kunst, in: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 5 (1991), S. 89; vgl. auch J. Michler, Das Original in seiner Geschichte, Restauro 5/93, S. 330-333; kritisch hinsichtlich der „Tendenz zur Rekonstruktion" A. Hubel, Denkmalpflege zwischen Restaurieren und Rekonstruktion, in: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 7 (1993), S. 134-154; ders., Kann man „objektiv richtig" restaurieren, in: Restauro 2/94, S. 118-124; grundlegend: G. Dehio/A. Riegl, Konservieren, nicht restaurieren - Streitschriften zur Denkmalpflege um 1900 (Bauwelt-Fundamente 80) (1988), speziell S. 100. 2 So greifen unter präventiven Gesichtspunkten auch die von den Staaten unter der Ägide der UNESCO oder des Europarates durchgeführten internationalen Rettungsaktionen regelmäßig erst spät, vgl. S. v. Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz, Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt (1992), S. 95-100 m.w.N.

15 Fechner u. a.

226

Sabine von Schorlemer 1. Die Tendenz zur Symptombekämpfung im Kulturgüterschutz

Allerorts sind Denkmalämter, vielfach i m Wettlauf mit der Zeit, mit dem Erhalt von Bau- und Bodendenkmälern befaßt. Nachdem Experten schon lange vor Umweltgefährdungen gewarnt haben 3 , werden seit ca. Mitte der 80er Jahre i m Rahmen von Umweltschadensprogrammen vordringliche Restaurierungsmaßnahmen zur Behebung und Eindämmung umweltbedingter Schäden an Kulturdenkmälern gefördert 4 . Grundsätzlich bieten sich als Handlungsoptionen für den Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse an (1) reaktive ad hoc Maßnahmen i m Sinne einer „ersten Hilfe" für die geschädigte Substanz 5 , (2) mittelfristige, partikularistische Maßnahmen in Form von Instrumentarien, die auf eine Abschwächung (künftiger) Schadensverläufe zielen 6 , (3) längerfristige, übergreifende Maßnahmen mit dem Ziel in einem prozeßhaften, mehrschichtigen Vorgehen die Schadensursachen i m Vorfeld zu bekämpfen. Während Variante 1. und 2. am besten durch den Begriff der Denkmal- und Kulturgutpflege verkörpert werden und zu den gebräuchlichen Handlungsmodalitäten zählen, kommt Variante 3 - eine Bewahrung von Kulturgütern vor Schäden durch umfassenden, bereits i m Vorfeld ansetzenden „präventiven" Denkmal- und Kulturgüter schütz - bislang kaum zum Tragen. Es besteht weithin eine „strukturelle Tendenz zur Symptombekämpfung" 7 . 3

Vgl. nur das Memorandum von Karl Friedrich v. Schinkel aus dem Jahre 1815, der um den Denkmalbestand fürchtete und warnte, daß „wenn jetzt nicht allgemeine und durchgreifende Maßregeln angewendet werden, so werden wir in kurzer Zeit unheimlich, nackt und kahl, wie eine Colonie in einem früher nicht bewohnten Land dastehen". 4 Die drastische Zunahme umweltbedingter Schäden hat z. B. die baden-württembergische Landesregierung erstmals 1985 veranlaßt, 2 Millionen DM für die Restaurierung von Schäden an Natursteinfassaden und Steinskulpturen bereitzustellen; heute werden Fördermittel in Höhe von rund 5 Mio. DM für umweltgeschädigte Kulturdenkmale eingesetzt, vgl. R. Brechtken, Zum Tag des offenen Denkmals 1994, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4/ 1994, S. 137. 5 Als „Erstehilfemaßnahme" kann z. B. die Sicherung eines Denkmals gegen Zusammenbruch oder das Abstützen einer Fassade gelten; vgl. die Anbringung von Bleiblöcken am „schiefen Turm" von Pisa. 6 Z.B. wurde zur Sicherung der Glasgemälde am Regensburger Dom seit 1974 eine Außenschutzverglasung angebracht, wozu die originalen Gemälde ausgebaut, die Quereisennokken verlagert und die Schutzverglasung im alten Falz angebracht wurde, Koordinierungsund Beratungsstelle für Umweltschäden an Denkmälern, Literaturdokumentation „Regensburger Dom", Information des Bundesumweltamtes, Heft 1 (September 1989). Zu den erhaltenden Maßnahmen für Fassaden gehören u.a. Fluatierung, Imprägnierung, Glasur und Fassadenanstriche; ein neu entwickelter, abwaschbarer Fassaden-Schutzfilm gegen Luftverschmutzung wurde auf der denkmal '94 in Leipzig vorgestellt, siehe art 12/1994, S. 159. 7 M. Jänicke, Ökologische Modernisierung, Optionen und Restriktionen präventiver Umweltpolitik, in: U. E. Simonis (Hrsg.), Präventive Umweltpolitik (1988), S. 16; wortgleich D. Kanatschnig, Vörsorgeorientiertes Umweltmanagement (1992), S. 20; kritisch zur „bloßen Symptombehandlung" aufgrund des herrschenden reduktionistischen Umweltbegriffs B. Glaeser, Umweltpolitik - Neuansatz in der Spannung zwischen Theorie und Praxis, in: ders. (Hrsg.), Humanökologie, Grundlagen präventiver Umweltpolitik (1989), S. 23.

Der internationale Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse

227

2. Der Begriff der Prävention

Prävention, von „prae-venire (lat.)" zuvorkommen, bedeutet, das Entstehen von Schäden in vorausschauender Sicht zu erfassen und rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen, um ihr Eintreten zu verhindern: .. prevention is a unitary concept, designed to avoid harmful effects from arising, wherever their location."8

Insofern als ein antizipatorisches Element enthalten ist, läßt sich von einer „Klugheitsregel 44 sprechen. In den einzelnen Phasen der (1) Problemwahrnehmung, (2) Problemanalyse, (3) Ermittlung von Handlungsoptionen, (4) Bewertung von Handlungsalternativen, (5) Implementation und (6) Evaluierung soll nicht reagierend eingegriffen werden, nachdem es zu manifesten Schäden gekommen ist, sondern das Entstehen von Schäden soll in ganzheitlicher Perspektive vorausschauend vermieden werden. Präventives Handeln im Kulturgüterschutz ist durch das Ziel bestimmt, vorsorgend vor Schadenseintritt zu handeln, statt schadens- und krisenorientiert zu reagieren. Dabei weisen präventive Maßnahmen, abhängig von ihrer Reichweite auf der Zeitachse, eine zeitliche Dimension auf. Sinnvoll ist es, sie zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einzusetzen. Dies betrifft im Bereich des Umweltschutzes Bodenund Luftreinhaltemaßnahmen ebenso wie die umweltfreundlichere Gestaltung von Produktionsprozessen und technischen Innovationen sowie Strukturveränderungen durch ökologisch angepaßte Produktions- und Konsumformen.

3. Voraussetzungen für die Entwicklung präventionsrechtlicher Instrumentarien

Soweit es um den den Ausbau von Präventionskonzepten im hier untersuchten zwischenstaatlichen Bereich geht, ist internationaler Konsens notwendig. Gemäß dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten, der diese auf internationaler Ebene zu rechtlich gleichgeordneten Akteuren macht, erfordert kulturgüterrechtliche Prävention inhaltliche Übereinstimmung zwischen Staaten, die sich in Form s C. TomuschaU Global Commons, Outline, in: ILC, 45th Sssion, UN Doc. A/CN.4/454, 9. Nov. 1993, S. 98; zu Begriff und den einzelnen Ausprägungen des „Präventivprinzips" ausführlich H. Hohmann, Präventive Rechtspflichten und - prinzipien des modernen Umweltvölkerrechts (1992), S. 29-32 m.w.N.; P. C. Mayer-Tasch, Statt Vorsorge Nachsorgen. Das Präventivprinzip in der internationalen Umweltpolitik, in: L. Schulz (Hrsg.), Ökologie und Recht (1991), S. 23; neun mögliche Bedeutungen des „Vorsorgeprinzips", abgestuft nach dem möglichen „Vörsorgehalt", nennt E. Rehbinder, Vorsorgeprinzip im Umweltrecht und präventive Umweltpolitik, in: U. E. Simonis (Hrsg.), Präventive Umweltpolitik (1988), S. 133; vgl. auch F. Ossenbühl, Vorsorge als Rechtsprinzip im Gesundheits-, Arbeits- und Umweltschutz, in: NVwZ 5 (1986), S. 161-171; allgemein zum Prinzip der Vorsorge im internationalen Umweltschutz siehe den ILC-Bericht aus dem Jahre 1985, UN Doc. A/CN.4/Ser. A/1985/, Add. 1 (Part 1 / Add.l), in: YILC 1985, Vol. I, Part One, S. 58ff. 1*

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Sabine von Schorlemer

von völkerrechtlichen Abkommen, Völkergewohnheitsrecht oder - unverbindlichen -Empfehlungen 9 manifestieren kann. Präventiver Kulturgüterschutz erfordert darüber hinaus eine lernfähige und -willige internationale Gemeinschaft; diese muß bereit sein, ggfs. gesellschaftliche Rahmenbedingungen und rechtliche Kompetenzen zu verändern bzw. auszubaue n 1 0 . Dabei kommt Fachwissen und Information eine besondere Bedeutung z u 1 1 , denn Prävention vermag an Informationsrestriktionen oder auch -defiziten zu scheitern 12 . Insbesondere diejenige Richtung der Literatur, die, wie Haas, vom einflußreichen Wirken einer „epistemic community" ausgeht 13 , betont, daß nur bei Zunahme des vorhandenen Wissenspotentials ein Ausbau umweltschützender Instrumentarien auf nationaler Ebene erfolgen wird. Präventiv ausgerichteter Denkmal- und Kulturgüterschutz erfordert beispielsweise nicht nur Kenntnis über die Beschaffenheit der Objekte, Wissen um die Behandlungsmethoden und die Wirkung von Schutzeingriffen, sondern auch Kenntnis hinsichtlich der Schädlichkeit von Substanzen, Synergismen, ihrer Diffusion oder Akkumulation innerhalb eines komplexen Ursache- und Wirkungsgefüges 14 . Die Folge ist eine zunehmende Expertenorientierung. 9

Dabei wird in neuerer Sicht vertreten, daß die Erklärungen internationaler Organisationen und Gremien spätere Abkommen vorprägen und u.U. gleichberechtigt neben die in Art. 38 IGH-Statut genannten Rechtsquellen treten, vgl. H. Hohmann (Anm. 8), speziell S. 219239; kritisch K.J. Partsch, in: VN 5/1992, S. 164; siehe auch R. Hach, Völkerrechtliche Pflichten zur Vermeidung grenzüberschreitender Luftverschmutzung in Europa (1993), S. 5254; D. B. Magraw , International Law and Pollution, in: ders. (Hrsg.), International Law and Pollution (1991), S. 13 und S. 50 ff. !0 Zur Funktion der lernorientierten Experimentiergesellschaft H.-J. Fietkau , Institutionelle und individuelle Bedingungen präventiver Umweltpolitik, in: U. E. Simonis (Hrsg.), Präventive Umweltpolitik (1988), S. 98. 11 Es wird z.T. die These vertreten, daß Informationsmangel oder Unwissen als Hemmfaktoren für den Umweltschutz wirken, vgl. O. Keck , Präventive Umweltpolitik als Abbau von Informationsrestriktionen, in U.E. Simonis (Hrsg.), Präventive Umweltpolitik (1988), S. 108; M. Jänicke/U. E. Simonis/G. Weigmann (Hrsg.) Wissen für die Umwelt (1985); C. Sening , Umweltzerstörung, Recht und Information, in: NuR 7 (1985), S. 125-133; C. Gramm, Prävention durch staatliche Information, in: ZRP 1990, S. 183-189. 12 Für „nicht möglich" hält Kirsch Prävention, da Art und Ausmaß der Folgewirkungen oft nicht bekannt sind, G. Kirsch, Prävention und menschliches Handeln, in: B. Glaeser (Hrsg.), Humanökologie, Grundlagen präventiver Umweltpolitik (1989), S. 261. 13 Dabei bezieht sich der Begriff der 'epistemic Community' auf ein wissensbasiertes Netzwerk i.S. einer Gruppe von Experten, die gemeinsame Überzeugungen und Lösungsansätze im Umweltbereich verfolgen, näher P. M. Haas, Introduction: Epistemic Communities and International Policy Coordination, in: 10 46 (1992), S. 1-35; ders., Saving the Mediterranean: The Politics of International Environmental Cooperation (1990); ders., Banning Chlorofluorocarbons: Epistemic Community Efforts to Protect Stratospheric Ozone, in: IO 46 (1992), S. 189-224. 14

Hier setzt die bundesweit tätige Koordinierungs- und Beratungsstelle für Umweltschäden an Denkmälern (KUD) an, deren Aufgabe es ist, Behörden, Forschungseinrichtungen,

Der internationale Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse

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4. Rechtspolitische Herausforderungen

Der internationale Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse ist ein relativ junger Teilbereich des Völkerrechts, nicht anders als der internationale Umweltschutz selbst. Vor allem die UNESCO hat den Umweltgedanken mit den Thema Wahrung des kulturellen Menschheitserbes verknüpft 15. Im folgenden soll die von den Herausgebern des vorliegenden Bandes gestellte Frage nach den dogmatischen Grundlagen des Kulturgüterschutzes aufgegriffen und im Bereich der Umwelteinflüsse näher verfolgt werden. Insbesondere wird es darum gehen, geltende Rechtsprinzipien zu untersuchen (de lege lata) und zu überprüfen, inwieweit Anzeichen für ein spezielles Prinzip der Erhaltung von Kulturgütern vorliegen (de lege ferenda). Angesichts des Ausmaßes umweltbedingter Schäden16 besteht eine wichtige rechtspolitische Herausforderung darin, vorhandene Instrumente des präventiven Kulturgüterschutzes gegen Umweltschädigungen zu nutzen und auszubauen, evtl. auch neue zu entwickeln. Die Ausarbeitung eines solchen Konzepts und seine Umsetzung in die Praxis wird allerdings durch die internationale, grenzüberschreitende Dimension erschwert. So trifft zwar zu, daß nationale Prävention ein wichtiger Baustein der internationalen Prävention ist, doch genügt sie wegen der Unzulänglichkeit nationaler Mittel 1 7 und wegen der Gefahr der Kumulierung von Schadstoffen nicht: was dem Baudenkmal des Landes A nicht schadet, ist im Zusammenwirken mit B,C,D unter Umständen schädlich. Dazu näher im Folgenden.

Betriebe sowie alle in der Denkmalpflege Tätigen und die Öffentlichkeit zu Fragen der Vermeidung und Behebung von Umweltschäden an Denkmälern und den damit verknüpften Maßnahmen zu unterrichten; zu diesem Zweck werden auch Datenbanken wie MONUFAKT, ULIDAT, UFORDAT eingesetzt; mit Informationssammlung und der Lösung wissenschaftlicher Probleme befaßt ist ebenfalls die 1956 gegründete Internationale Studienzentrale für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut (BGBl 1970 II, S. 459 ff.). 15 Zutreffend M. Kilian, Umweltschutz, in: R. Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen (1991), S. 874. 16 Siehe dazu unten II.2. und II.3. 17 Die Unzulänglichkeit nationaler Mittel zum Schutz des Kulturerbes erwähnt das UNESCO Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (1972) in Präambel, Abschn. 4 hin (BGBl 1977 II, S. 215 ff.); darauf, daß nationale Prävention eine Grundvoraussetzung für eine wirksame internationale Prävention ist, weist P. C. Tasch, Statt Vorsorge Nach-Sorgen. Das Präventivprinzip in der internationalen Umweltpolitik, in: L. Schulz (Hrsg.), Ökologie und Recht (1991), S. 22, hin; ebenso R C. Mayer-Tasch/K R Merk, Präventive internationale Umweltpolitik, in: U. E. Simonis (Hrsg.), Präventive Umweltpolitik (1988), S. 260; auch A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht (1984), S. 648, Rdnr. 1032, legen dar, daß echte Fortschritte auf internationaler Ebene einen wirksamen nationalen Umweltschutz voraussetzen.

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II. Die Bedrohung von Kulturgütern durch Umwelteinflüsse 1. Kulturgüter als Teil der „Umwelt"

Es gibt zahlreiche den Kulturgüter- und den Umweltschutz gemeinsam betreffende Fragen. Verkehr beispielsweise bedroht die bauliche Umwelt - sei es durch Emissionen oder Erschütterungsgefahr - in vergleichbarem Maße wie die natürliche. Nicht übersehen werden sollte auch der indirekte Zusammenhang zwischen der Vernichtung der natürlichen und der baulichen Lebensgrundlagen: Der Erhalt der ersteren ermöglicht vielfach erst die Pflege der letzteren; so stellt das Waldsterben zahlreiche Burg- und Schloßbesitzer vor Existenzprobleme, die z.T. den Erhalt der denkmalgeschützten Anwesen selbst erschweren 18. Eine unterschiedliche Gewichtung zwischen Belangen des Kulturgüter- und des Umweltschutzes mag man hinsichtlich der Dringlichkeit konzedieren. Die Gefährdung der historisch gewachsenen, baulichen Umwelt bedroht die menschliche Existenz zweifelsohne nicht im selben Ausmaß wie die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen19. Und dennoch: Ihre fortschreitende Zerstörung hinzunehmen, hieße ihre Unersetzlichkeit, die Nicht-Erneuerbarkeit der Ressource Kulturgut in ihrer historischen Dimension zu verkennen. Wie das Institut de Droit International zutreffend hervorgehoben hat, verursacht grenzüberschreitende Luftverschmutzung "irreparable damage to buildings, monuments and sites" 20 . Unter dem Aspekt eines auf einen umfassenden, frühzeitigen Schutz zielenden Präventionskonzepts ist insbesondere relevant, inwieweit Kulturgüter auch im rechtlichen Sinn als Teil der Umwelt begriffen werden können. Über Jahre hinweg gab es keine allgemeinverbindliche Definition des Begriffs „Umwelt" und den bestehenden bi- und multilateralen Verträgen, den Empfehlungen sowie Entwürfen internationaler Organisationen ließ sich lediglich entnehmen, daß darunter allgemein die Gesamtheit der (physischen) Lebengrundlagen des Menschen verstanden wurde, also etwa Wasser, die Atmosphäre, der Boden sowie Flora und Fauna. Die „gebaute Umwelt" schien nach dem herkömmlichen Verständnis einer medialen Umweltpolitik nicht eingeschlossen. Es läßt sich jedoch eine Tendenz hin zu einem erweiterten, den Schutz des baulichen Erbes umfassenden Begriffs Verständnis von „Umwelt" erkennen 21. Sowohl 18 Vgl. nur H. Herzog, Bedrohte Denkmäler: 1. Rheinische Landschlösser zwischen Nutzung und Verbrauch - eine Denkmalkategorie ohne Zukunft, in: Burgen und Schlösser 1991/1, S. 49-57; M. Petzet, Denkmalschutz und Umweltschutz, Zur Situation des baulichen Erbes in unserer Umwelt in Stadt und Land, in: Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr (Hrsg.), Umweltschutz, Fremdenverkehr und Denkmalpflege (1988), S. 82; grundsätzlich zum Verhältnis Kulturgüter- und Umweltschutz S. v. Schorlemer (Anm. 2), S. 87-95. 19 Ausdrücklich M. Petzet (Anm. 18), S. 82. 20

Institut de Droit International, 63. Sitzung in Kairo, Resolution vom 20. 9. 1987 zur Transboundary Air Pollution, Präambel Abschn. 4.

Der internationale Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse

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in der EG-Richtlinie 85/337 EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten 22 als auch in der Entwurfskonvention des Europarates zur Umwelthaftung 23 wurde das kulturelle Erbe explizit in die Umweltdefinition einbezogen, wenn auch erst nach Widerstand der beteiligten Experten 24. Danach schließt Umwelt auch ein „Vermögenswerte, die dem kulturellen Erbe zugehören, und die charakteristischen Merkmale der Landschaft". Das bedeutet, daß auch im Falle der Beschädigung kulturhistorischer Bauwerke die Möglichkeit besteht, auf Kosten des Haftenden Wiederherstellungsmaßnahmen vornehmen zu können25. Dieses Ergebnis - die Einbeziehung von Kulturgütern in einen erweiterten Umweltbegriff - korrespondiert mit der Terminologie einschlägiger kulturgüterrechtlicher Dokumente26. 2. Das Gefahrdungspotential

Den umweltschädigenden Einflüssen auf das kulturelle Erbe sucht Art. 8 des Europaratsübereinkommens zum Schutz des architektonischen Erbes von 1985 Rechnung zu tragen, in dem sich die Vertragsstaaten verpflichten, „wissenschaftliche Forschungen zu unterstützen, welche die schädlichen Auswirkungen der Umweltverschmutzungen ermitteln und analysieren und Mittel und Wege zur Verringerung oder Beseitigung dieser Auswirkungen aufzeigen" 27. Ein präventiv ausgerichteter Kulturgüterschutz muß von der Vielfalt möglicher Belastungen und ihrer Ursachen ausgehen. Dazu gehören nach dem Stand heutiger Kenntnis vor allem:

21 Vgl. nur R. Lagoni, Umweltvölkerrecht, in: W. Thieme (Hrsg.), Umweltschutz im Recht (1988), S. 240ff. m.w.N.; E.-R. Hönes, in: O. Kimminich/H. Frhr. v. Lersner/R-C. Storm (Hrsg.), Handwörterbuch des Umweltrechts, Bd. I (2. Aufl. 1994), S. 394, weist darauf hin, daß Denkmalschutz auch als „mittelbarer kultureller Umweltschutz" bezeichnet wird. 22 ABl. der EG 1985, Nr. L 175, S. 40. 23 Zur Entstehungsgeschichte der Europaratskonvention zur Umwelthaftung siehe H.-J. Friehe, Der Ersatz ökologischer Schäden nach dem Konventionsentwurf des Europarates zur Umwelthaftung, in: NuR 14 (1992), S. 455 ff. 24 H.-J. Friehe, ebd., S. 454. 25

Zur Haftung siehe näher IV. 1.-4. 6 Dazu S. v. Schorlemer (Anm. 2), S. 86-88 m.w.N. 27 BGBl 1987 II, S. 624 ff.; das 1988 gegründete Deutsch-Französische Forschungsprogramm für die Erhaltung von Baudenkmälern fördert seit 1991 mit Hilfe von mehr als 40 Forschungseinrichtungen neue Erkenntnisse über die Ursachen umweltbedingter Schäden an historischen Baudenkmälern, näher S. Frhr. v. Welck (Hrsg.), Gemeinsames Erbe gemeinsam erhalten, Deutsch-Französisches Forschungsprogramm für die Erhaltung von Baudenkmälern, 1. Statuskolloquium, Champs-sur-Marne (1993), 318 S. 2

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a) Bodennutzungen Besonders besorgniserregend sind Eingriffe in Böden infolge intensiver landwirtschaftlicher Nutzung. Tiefpflügen beispielsweise sorgt für eine stärkere Durchlüftung des Bodens und ermöglicht dadurch eine raschere Oxidation von Metallfunden, welche unter sauerstoffarmen Bedingungen stabil geblieben wären. Pflanzenschutzmittel und landwirtschaftliche Düngung - vor allem Jauche- und Gülledüngung - lassen Chloride und Nitrate in den Boden gelangen, wo sie bereits vorhandene stabile Oxidationsschichten (Patina) auflösen und deren Schutzwirkung aufheben. Als besonders gefährdet gelten Eisenfunde, deren durch Chloride und Sulfate bewirkter Zerfall nur sehr schwer aufzuhalten ist 2 8 .

b) Ablagerung von Luftschadstoffen Eine große Gefahr für Kulturgüter ergibt sich des weiteren aus der Luftverschmutzung durch Qualm, Ruß und aggressive Emissionen aus Kohle- und Ölheizungen sowie Autoabgase. Bedroht sind nicht nur historische Friedhöfe, aus Naturstein errichtete Schlösser und Kirchen, Putz und Stuck am Außenbau historischer Bauwerke, sondern - durch den Säuregehalt der Luft - auch im Freien befindliche Bronzedenkmäler, mittelalterliche Glasgemälde etc. Dabei konstatieren Experten ein „sprunghaftes Ansteigen4' der Schäden seit der im 19. Jahrhundert einsetzenden Industrialisierung 29 und zwar zum einen proportional zur Dauer der Belastung und zum anderen proportional zur steigenden Belastung durch Schwefeldioxid 30. Hinzu kommt im Zuge der allgemeinen Luftverschmutzung eine hohe Staubbelastung, die für eine ständige Durchfeuchtung der historischen Bausubstanz sorgt und damit die Zerstörungsgefahr erhöht 31 . 28

Umweltbundesamt (Hrsg.), Jahresbericht 1993, S. 106; vgl. auch N. Natter , Intensive Landwirtschaft und Schutz archäologischer Denkmäler, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 (1991), S. 47. 2 9 So ausdrücklich M. Petzet , Anm. 18, S. 86. 30

Umweltbundesamt (Hrsg.), Jahresbericht 1993, S. 105. Außerdem konnte gezeigt werden, daß sich mikroklimatische Verhältnisse (Regen, Sonneneinstrahlung) stark auf den Erhaltungszustand von Putzen auswirken: Putze in 12,5 m Höhe enthalten nahezu dreimal so viel Gips wie Proben, die in 3,5 m Höhe über dem Bodenniveau entnommen wurden, vgl. Abb. 7.6 in Umweltbundesamt (Hrsg.), Jahresbericht 1993, S. 105; Filter sollen den Ausstoß von Schwefeldioxid einer staatlichen Ölraffinerie nahe des weltberühmten Baudenkmals Taj Mahal verringern, da die Emissionen zusammen mit Regen zu Schwefelsäure reagieren und so den Marmor des Grabdenkmals in Gips verwandeln; ausführlich zu Schäden durch Luftverschmutzung T. Klokkernes , The Influence of Air-Pollution on Ancient Monuments, Buildings, and Museum Objects, in: S. Hicks; U. Miller; S. Nilsson; /. Vuorela (Hrsg.), Airborne Particles and Gases, and Their Impact on the Cultural Heritage and its Environment, Proceedings of the European Workshops held at Ravello, European University Centre for the Cultural Heritage, December 12-13th 1989 and 14-16th 1990 (1991), S. 121-128. 31

Vgl. Simulation of the Degradation of Coupled Stones by Artificial Acid Rain, in: Stud. Conservation 37 (1992), S. 105-112; D. A. Scott , Bronze Disease: A Review of Some

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c) Bodenversauerung Eine erst in neuerer Zeit erkannte Gefahr besteht in der durch Depositionen von sauren Luftschadstoffen geförderten Bodenversauerung, die archäologische Bodenfunde aller Art, auch unter anderen Bodenverhältnissen stabile Keramikfunde, bedroht 3 2 . War bisher bei Archäologen, Bodendenkmalpflegern und Experten des Kulturgüterschutzes die Auffassung weit verbreitet, daß die sicherste Aufbewahrung für archäologische Funde deren Belassen i m ungeborgenen Zustand in situ sei 3 3 und erst mit ihrer Bergung Erhaltungsprobleme entstünden, so stellt sich nach heutigem Kenntnisstand die Frage, ob diese Auffassung noch haltbar ist. Indizien liegen vor, daß sich der Zustand speziell ungeborgener Funde in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich verschlechtert h a t 3 4 .

d) Unfälle Das Gefährdungspotential kann sich auch aus Unfällen, etwa aufgrund des Umgangs mit kulturgütergefährdenden Substanzen (Chemikalien), oder i m Zusammenhang mit Katastrophen 35 , speziell Erdbeben 3 6 und Überflutungen 3 7 ergeben. Chemical Problems and the Role of Relative Humidity, in: JAIC 29 (1990), S. 193-206; C. Reithmeir, Stuckmarmor. Wie wird er hergestellt, welche Schäden treten auf, wie kann man ihn restaurieren?, in: Restauro 8/92, S. 234-242; E. M. Winkler, Decay of Stone Monuments and Buildings: The Role of Acid Rain, in: Technology & Conservation (Spring 1982), S. 3236. 32 Vgl. dazu die Untersuchung „Gefährdung archäologischer Bodenfunde durch immissionsbedingte Bodenversauerung", die in Zusammenarbeit mit dem Verband der Landesarchäologen in Deutschland vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg durchgeführt wurde, Umweltbundesamt (Hrsg.), Jahresbericht 1993, S. 106. 33 Auch die UNESCO hatte wiederholt den Erhalt in situ gefordert, vgl. nur Recommendation Concerning the Protection, at National Level, of the Cultural Heritage (1972), adopted by the General Conference at its seventeenth session, Paris, 16. Nov. 1972, Abs. 22 (a); UNESCO Recommendation Concerning the Preservation of Cultural Property Endangered by Public or Private Works, adopted by the General Conference at its fifteenth session, Paris, 19. Nov. 1968, Abs. 9. 34 Umweltbundesamt (Hrsg.), Jahresbericht 1993, S. 106; vgl. auch J. Peets, Environmental Pollution and Archaeological Objects: Effects and Research Perspectives, in: Workshops at Ravello, Fn. 30, S. 183-185; F. G. Fechner, Rechtliche Aspekte von Unterwassergrabungen, in: DÖV Heft 8 (1994), S. 321; grundlegend zum Schutz archäologischer Funde P. O' Keefe/L. V. Prott, Law and the Cultural Heritage Bd. I, Discovery & Excavation (1984). 35 Zum Problembereich Katastrophen im Kulturgüterschutz B. O. Roberts , Establishing a Disaster Prevention/Response Plan. An International Perspective and Assessment, in: Technology & Conservation (Winter 1992/1993), S. 15-18; T Kemp , Disaster Assistance Bibliography: Selected References for Cultural/Historic Facilities, in: Technology & Conservation (Summer 1983), S. 25-27; D. F. Mathieson , Hurricane Preparedness: Establishing Workable Policies for Dealing with Storm Threats, in: Technology & Conservation (Summer 1983), S. 28-29; zu Ansätzen der Prävention: B. G. Jones, Preventing Damage, in: B. G. Jones (Hrsg.), Protecting Historie Architecture and Museum Collections from Natural Disasters

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Der Brand der Wiener Hofburg am 22. Dezember 1992, der zu gravierenden Zerstörungen i m 1. Stock des Redoutensaaltraktes führte, kann ebenfalls hier eingeordnet werden 3 8 . e) Sonstige Faktoren Ein nicht unerhebliches Gefährdungspotential für Kulturgüter geht des weiteren von einigen, hier nicht näher zu behandelnden, sonstigen „Umwelt"-faktoren aus, etwa der touristischen Übernutzung 3 9 oder baulichen Einwirkungen, die vielfach zu Zersiedelung und „Betonisierung" i m Umfeld von Baudenkmälern führen.

3. Erschwerende Faktoren Als ein Ergebnis dieser kurzen Übersicht über die Gefährdungen von Kulturgütern durch Umwelteinflüsse kann festgehalten werden, daß die Grenzlinie zwischen natürlich und zivilisationsbedingt verursachten Umweltschäden verschwimmt 4 0 . So präsentiert sich der die chemische Reaktion von Marmor zu Gips (1986), S. 177-187 m.w.N.; S. v. Schorlemer (Anm. 2), S. 122-128; allgemein zu diesem Problembereich: W. Lang, Umweltkatastrophen und das Völkerrecht, in: FS f. Rudolf Kirchschläger (1990), S. 135-142. 36 Anschaulich: W. Brown Morton , ///, On Earth as It Is: Recent Losses of Historic Structures From Earthquakes and Natural Disasters, in: B. G. Jones (Hrsg.), Protecting Historic Architecture and Museum Collections from Natural Disasters (1986), S. 39-47; P. M. Schwartzbaum/A. R. Mola/C. S. Silver , Lessons to be Learned from Friuli, ebd., S. 49-62; vgl. auch J. A. Blume , The Mitigation and Prevention of Earthquake Damage to Artifacts, ebd., S. 197-209. 37 So wurden in den Novembertagen 1994 einige der berühmten Pharaonengräber im ägyptischen Luxor und im Tal der Könige von schweren Regenfällen überschwemmt - ein in dieser Region bislang eher seltenes Ereignis. Wie die ägyptische Antiquitätenverwaltung bekannt gab, wurde daraufhin versucht, das Wasser aus mehreren Gräbern herauszupumpen (FR 7. 11. 1994, S. 22). 38 Die Gesamtfertigstellung wird Schätzungen zufolge bis 1997 dauern und ca. 550 Millionen österr. Schilling betragen, vgl. Österreichische Zeitschrift für Kunst- und Denkmalpflege, Heft 3/4 (1993), S. 208; ein Arbeitsbericht von M. Wehdorn , findet sich in: Steine sprechen, Zeitschrift der österreichischen Gesellschaft für Denkmal- und Ortsbildpflege No. 98, Jg. XXXII/1 (1993); allgemein zu diesem Komplex: S. E. Schur , Fire Safety Survey: Report on Programs & Problems in Cultural Institutions, in: Technology & Conservation (Winter 1982), S. 47-49. 39 Dazu S. v. Schorlemer (Anm. 2), S. 110-121 m.w.N.; R. Prentice , Tourism and Heritage Attractions (1993); D. Bogner , Tourismus und Denkmalpflege, in: G. Reichelt (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz, Wiener Symposium 18./19. Oktober 1990 (1992), S. 119-125. 40 In insgesamt 14 Beiträgen zur Wirkung von Luftverschmutzung auf Kulturgüter differenzierten die Experten allerdings konsequent nach „biogenetic" und „anthroponetic origins", vgl. S. Hicks/U. Miller/S. Nilsson/I. Vuorela (Hrsg.), Airborne Particles and Gases, and their Impact on the Cultural Heritage and its Environment, Proceedings of the European Workshops held at Ravello, European University Centre for the Cultural Heritage, December 12-13th 1989 and 14-16th 1990 (1991), S. 11-117; vgl. auch T. Klokkernes (Anm. 30), S. 121.

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mitverursachende „saure Regen" als eine Gemengelage zwischen dem natürlichen Vorgang des Sich-Abregnens verknüpft mit dem Vorhandensein eines hohen Schadstoffgehalts. Was die Probleme des Kulturgüterschutzes im Bereich der Umwelteinflüsse so dramatisch zuspitzt, ist die Kumulation von sog. „natürlichen", weil immer schon wirksamen („normalen"), und umweltbedingten („anormalen") Prozessen41. Bei der Zerstörung von Naturstein ebenso wie bei der Zerstörung von Putz, Glas und Metall gibt es eine Vielzahl physikalischer, chemischer und auch biologischer Prozesse, die gleichzeitig ablaufen und sich gegenseitig verstärken. Immer dann, wenn ein ohnehin dem (natürlichen) Zerfall unterliegendes Objekt zusätzlich ungünstige Umweltbedingungen antrifft, etwa raschen Temperaturwechsel, große Feuchtigkeitsunterschiede und/oder atmosphärische Verschmutzung, wird sein Erhalt zur Überlebensfrage. Dies trifft im Prinzip auch für in Gebäuden befindliche bzw. für vor direkten Witterungseinflüssen geschützte Objekte zu 4 2 . Festzustellen ist des weiteren, daß der Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse wesentlich erschwert wird durch die Relevanz, die dem „Ensemble", etwa Alleen und Gartenanlagen in Schloßnähe, im jeweiligen Kontext zukommt. Die ganz wesentlich zu bestimmten Denkmälern gehörende, „natürliche" Umgebung sollte möglichst nicht verändert werden. Die Anforderungen für den Konservator werden damit heraufgeschraubt: „This relationship to site causes tremendous problems in the conservation of immovable property. As the environment cannot be easily controlled, such property can suffer physical degradation from atmospheric pollution, misuse, or obsolence and vandalism from social and economic changes. (...) the need to preserve, wherever possible, the contextual relationship creates a whole series of requirements and restrictions" 43. 41 Dazu ausführlich: R. L. Feller , Aspects of Chemical Research in Conservation: The Deterioration Process, in: JAIC 33 (1994), S. 91-99; N. S. Baer/C. Sabbioni/A. /. Sors (Hrsg.), Science Technology and the European Cultural Heritage: Proceedings of the European Symposium, Bologna, Italy, 13-16 June 1989 (1991); J. D. Rodrigues/F. Henriques/F T. Jermias (Hrsg.), Proceedings of the 7th International Congress on the Deterioration and Conservation of Stone, Lisbon, Portugal, June 15-18, 1992 (1992); S. Frhr. v. Welck (Anm. 27); G. Caneva/M. P. Nugari/O. Salvadori , Biology in the Conservation of Works of Art, ICCROM, Rom (1991), 182 S. 42 Zu den Problemen der geeigneten „Umwelt" für nicht im Freien befindliche Objekte R. L. Kerschner, A Practical Approach to Environmental Requirements for Collections in Historic Buildings, in: JAIC 31 (1992), S. 65-76; R. L. Feller , Control of Deteriorating Effect of Light Upon Museum Objects, in: Museum 17 (1964), S. 57-98; zu den Auswirkungen auf das Gebäude selbst: W. Rose, Effects of Climate Control on the Museum Building Envelope, in: JAIC 33 (1994), S. 199-210; P L. Parrini, Problems of Airborne Particles: Their Effect on the Famous Frescoes of Masaccio Masolino and Filippino Lippi in Florence, in: Workshops at Ravello (Anm. 30), S. 129-134; Mona-I-Fahd, Biodeterioration of the Mural Paintings of the Tomb of Tutankhamun and its Conservation, in: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 8 (1994), S. 143-146. 43

F. G. Matern, The Conservation of Immovable Cultural Property: Ethical and Practical Dilemmas, in: JAIC 32 (1993), S. 16; eine Begriffsbestimmung der „Ensembles" enthält das

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Problematisch ist schließlich die kulturgutschädigende Einwirkung durch grenzüberschreitende Luftverunreinigung - und der damit in Zusammenhang stehende saure Regen, sowie die Boden Verunreinigung. Aus der „unmittelbaren oder mittelbaren Zuführung von Stoffen oder Energie durch den Menschen in die Luft, können sich abträgliche Wirkungen wie eine (...) Schädigung (...) von Sachwerten und eine Beeinträchtigung der Annehmlichkeiten der Umwelt oder sonst rechtmäßiger Nutzungen der Umwelt" ergeben 44. „Grenzüberschreitend" ist dabei nicht wie in früher üblicher, enger Sichtweise - dahingehend zu verstehen, daß die Beeinträchtigungen sich im Verhältnis geographisch benachbarter Staaten ereignen, sondern es zählt dazu jede Umweltbeeinträchtigung, die sich auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates auswirkt 45 . Das International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), Laxenburg, Österreich, hat in Zusammenarbeit mit der UN-Wirtschaftskommission für Europa (ECE) ein Modell des sauren Regens mit mehreren interaktiven, auch auf das kulturelle Erbe anwendbaren „sub-models" entwickelt. Dabei wurde deutlich, daß „Pollutants may remain airborne for several days and can travel over a distance of thousands kilometers" 46 . Insgesamt ist der Sachverhalt grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen mit kulturgutschädigender Wirkung komplex, seine rechtliche Einordnung problematisch. - Die Ursache einer kulturgüterschädigenden Beeinträchtigung kann in lokaler Nähe zum betreffenden Objekt liegen, etwa in Grenznähe, oder aber weiträumig entfernt (z. B. Schadstofftransport über größere Entfernung). - Der schädigende Akt kann bestehen in einem Handeln staatlicherseits oder in einem privaten Handeln47. Die konkrete Schädlichkeit der grenzüberschreitenUNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972, Art. 1 Abs. 2. 44 Art. 1 a) des Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung vom 13. Nov. 1979, (BGBl 1982 II, S. 374), in dem sich vor dem Hintergrund des „Waldsterbens" zunächst eine kleine Zahl von ECE-Staaten zusammengefunden hat, um eine Schwefeldioxid-Reduktion zu erreichen; praktisch wortgleich OECD, Recommendation of the Council C (77) 28, in: I L M 1977, S. 977; Art. 2 der Montreal-Regeln der International Law Association von 1982, ILA, 60th Conference Report (1982); Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 des Dritten Seerechtsübereinkommens von 1982. 45 Für einen umfassenden Begriff der „grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen" auch L. Gündling, Verantwortlichkeit der Staaten für grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen, in: ZaöRV 45 (1985), S. 269; vgl. auch T. Oppermann, Grenzüberschreitende Umweltbelastung, in: O. Kimminich; H. Frhr. v. Lersner/P.-C. Storm (Hrsg.), Handwörterbuch des Umweltrechts, Bd. I (1994), S. 906. 46 L. Hordijk, Acid Rain in Europe: An Energy-environmental Impact Study, in: Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr (Hrsg.), Umweltschutz, Fremdenverkehr und Denkmalpflege (1988), S. 54. 47 In dem von einem amerikanisch-kanadischen Schiedsgericht am 16. 4. 1938 und 11.3. 1941 entschiedenen Trail Smelter-Fall stellte das Gericht zugunsten der durch eine Bleischmelze im kanadischen Ort Trail geschädigten US-Forst- und Landwirtschaft fest: „A State

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den Umweltbeeinträchtigung für das betreffende Objekt kann aus dem schädigenden Akt eines einzelnen Staates herrühren, oder aber aus den synergetischen Effekten mehrerer, aus verschiedenen Ländern stammender Belastungen. - Ein voluntatives Element kann vorliegen oder aber fehlen. Die grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigung kann zum Beispiel vorsätzlich oder (grob) fahrlässig erfolgen. - Bei den Wirkungen von Umwelteinflüssen auf Kulturgüter kann z.T. differenziert werden zwischen solchen „direkter" und „indirekter" Natur 48 . Als direkte Wirkungen des sauren Regens kann beispielsweise die unmittelbare, korrosionsfördernde Berührung mit der Oberfläche eines Baudenkmales angesehen werden, während, wie oben beschrieben, die Versauerung des Bodens eine indirekt schädigende Wirkung für die in größerer Tiefe befindlichen Bodenfunde zeitigt.

4. Fazit

(1) Typischerweise handelt es sich bei der international relevanten Schädigung von Kulturgütern durch Umwelteinflüsse, vornehmlich Luftverunreinigung und Bodenversauerung, um Distanzschäden, d.h. Schäden, bei denen zwischen dem Ort des schadensbegründenden Ereignisses und dem Ort des Eintritts des Schadens größere Entfernungen liegen. (2) Zahlreiche umweltbedingte Schädigungen historischer Bausubstanz können als SummationsSchäden klassifiziert werden, also Schäden, bei denen mehrere schadensbegründende Ereignisse multikausal zusammenwirken. (3) Das kollektive Zusammenwirken vieler für sich genommen harmloser Verursachungsbeiträge impliziert, daß die Rückverfolgung vom Schaden zum Verursacher ein verhältnismäßig schwieriges Unterfangen darstellt, da die Verursacher vielfach abstrakt bleiben. Damit kommt es zu einer - auch ethisch relevanten49 „individuellen Folgeentlastung": kaum jemand nimmt seine eigene Person angesichts der z.T. verheerenden Schäden an Bau- und Bodendenkmälern als Verursacher wahr; vielmehr tritt eine Entkoppelung von den Folgen des eigenen zur Umweltverschmutzung beitragenden Tuns dadurch ein, daß sie zeitlich verlagert und global verteilt wurden 50 . (4) Typisch für die Schädigung von Kulturgütern durch Umwelteinflüsse ist des weiteren, daß stets nicht-regenerationsfähige Ressourcen betroffen sind. „Steiowes at all times the duty to protect other States against injurious acts by individuals from within its jurisdiction" (RIAA III, 1905, S. 1963); darüber hinaus darf ein Staat nach Völkerrecht nicht dulden, daß sein Gebiet dazu benutzt wird, um von ihm aus völkerrechtswidrige Handlungen vorzunehmen, vgl. IGH im Korfu Kanal-Fall, ICJ Reports 1949, S. 22. 48 L. Hordijk (Anm. 46), S. 54. 49 Zu den ethischen Grundlagen des Kulturgüterschutzes siehe auch V. 50

Allgemein zu diesem Problem C. Gramm (Anm. 11), S. 184.

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ne, Putze und Glasmalereien sind ja keine lebendigen Systeme, welche äußere Einwirkungen 'bekämpfen' und Schadstoffe ausscheiden können" 51 . (5) Infolge der Nichterneuerbarkeit solcher Ressourcen reichern sich bereits vorhandene Schadstoffe im Prinzip immer weiter an (Kumulation von Schadstofffaktoren). Selbst bei drastischen Emissionsverminderungen würde die Kumulation von schwer abbaubaren Substanzen auf dem Niveau früher aufgelaufener Belastungen ansetzen und die Gesamtbelastung könnte dennoch fortschreiten. Auch daran vermag man die Dringlichkeit eines umfassenden, präventiv-orientierten Schutzkonzepts ermessen.

I I I . Normative Grundlagen für den Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse Eine Erhaltung von durch grenzüberschreitende Umwelteinflüsse in großem Ausmaß gefährdeten Kulturgütern erfordert eine planmäßige internationale Zusammenarbeit. Die gesellschaftliche und politische Debatte um die Bewahrung des kulturellen Erbes erfuhr eine wesentliche Belebung durch die Tätigkeit internationaler Organisationen auf diesem Gebiet. Vor allem die in Paris ansässige UNESCO griff in die Diskussion um die drohende Gefährdung des kulturellen Erbes der Menschheit durch eine allgemeine Zerstörung der Lebensgrundlagen ein 52 , aber auch der Europarat 53 und die Europäische Union 54 , um nur einige zu nennen, wurden aktiv. 1. Vertragliche Grundlagen des Schutzes

Den Herausforderungen einer internationalen Zusammenarbeit sucht das Völkerrecht insbesondere durch den Abschluß von Verträgen zu genügen: „Rechtstechnisch kann die präventive Umweltpolitik die Gestalt von Verträgen annehmen, welche die Schwelle zum Rechtsbruch nicht erst bei einer wirklichen Verletzung der Umwelt ansetzt, sondern bereits bei der Gefahr der Verletzung. Nicht die Schadens51 M. Petzet (Anm. 18), S. 87. 52 Gem. der UNESCO-Satzung vom 4. Nov. 1946 hat die UNO-Sonderorganisation die Aufgabe, Kenntnisse zu bewahren, zu vertiefen und zu verbreiten, und zwar durch internationale Abkommen zur „Erhaltung und zum Schutz des Erbes der Welt an Büchern, Kunstwerken und Denkmälern der Geschichte und Wissenschaft." 53 Zu den Aufgaben des Europarats gehört u.a. der Abschluß von Abkommen und ein gemeinsames Vorgehen auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet, Art. 1 (b) Satzung des Europarates vom 5. Mai 1949. 54 Vgl. bereits Dok.KOM(87) 603 endg., Blatt 11,3, Die Erhaltung des kulturellen Erbes; auch die Entschließung in ABl Nr. 86/C/320/03 vom 13. Dez. 1986 hob die Notwendigkeit des Schutzes von Kulturgütern vor Umwelteinflüssen hervor.

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folgenregelung, sondern die Verhinderung des Schadenseintritts sind Ziele der Vorsorgepolitik. Der Betrieb von Anlagen und die Festlegung von Emissionsgrenzen werden so geregelt, daß die Vertragspartner den Anspruch auf Unterlassung bereits bei einer Bedrohung der Umwelt erlangen" 55.

Es existieren eine Reihe wichtiger auf Prävention i.S. einer Vermeidung von Schäden zielende Umweltabkommen, die neue instrumentelle Optionen im Vorsorgebereich ermöglichen und einen „Paradigmenwechsel" im kodifizierten Umweltrecht signalisieren 56. Einige dieser völkerrechtlichen Verträge haben zwar nicht unmittelbar den Erhalt von Kulturgütern zum Gegenstand, ihre Umsetzung kommt diesen jedoch zugute, da eine ernsthafte Bekämpfung der Verschmutzung an der Quelle unternommen wird. Beispielhaft genannt werden können hier diejenigen völkerrechtlichen Übereinkommen, die Abhilfe gegen den Steinfraß verursachenden „sauren Regen" schaffen sollen. Die zentrale Vorschrift, Art. 2, des 1979 geschlossenen Genfer Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung hält dem Wortlaut nach allerdings keine echte Verpflichtung, sondern lediglich eine vage Zielbestimmung, da die Vertragsparteien „unter gebührender Berücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten und Probleme" den Menschen und seine Umgebung gegen Luftverunreinigung zu schützen beschlossen; sie kamen überein, sich zu „bemühen", die Luftverunreinigung, einschließlich der weiträumigen grenzüberschreitenden Luftverunreinigung, einzudämmen und so weit wie möglich schrittweise zu verringern und zu verhindern. Erst das sog. Helsinki Protokoll von 198557 verpflichtete die Parteien, die nationalen jährlichen Schwefelemissionen oder ihren grenzüberschreitenden Fluß bis spätesten 1993 um mind. 30% zu verringern 58 . Inzwischen werden Protokolle für weitere, weiträumig transportierte Luftverunreinigungen vorbereitet. Das betrifft persistente organische Stoffe (POP, z. B. Dioxane, Furane, verschiedene halogenierte organische Kohlenwasserstoffe, die als Nebenprodukte in Industrieprozessen entstehen) und Schwermetalle. Für die Luftverunreinigungen Schwefeldioxid und Stickoxide sind bereits Fortschreibungen der Protokolle verabschiedet oder in Vorbereitung 59. 55 R. Dolzer, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit und Haftung für Umweltschäden, in: BerDGVR Heft 32 (1992), S. 202. 56 So E. Gawel, Über das „Flexible" in der Umweltpolitik, in: ZfW 42 (1993), S. 77. 57

ECE, Protocol to the 1979 Convention on Long-Range Transboundary Air Pollution on the Reduction of Sulphur Emissions or Their Transboundary Fluxes by at least 30 per cent (UN-Doc. ECE/EB.AIR 12, 1985, S. 1; BGBl 1986 II, S. 1117). 58 Vgl. Art. 2, ebd.; vgl. auch Art. 3 betreffend „weitere Verringerungen". 59 Das 2. Protokoll über Schwefelemissionen vom 13./14. Juni 1994, Oslo, sieht eine erneute Verringerung um ca. 30% bis zum Jahre 2010 vor (KOM(94) 177 endg.); auch das Übereinkommen zur Senkung der Mengenschadstoffe Stickoxide wird seit 1993 fortgeschrieben, (UN Doc. ECE/EB. AIR 21, 1988, S. 1; BGBl 1990 II, S. 1279), Umweltbundesamt (Hrsg.), Jahresbericht 1993, S. 143.

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Des weiteren gibt es eine Kategorie völkerrechtlicher Vertragsbestimmungen, die unmittelbar auf den Schutz von Kulturgütern zielen. Als das wohl bedeutsamste Übereinkommen dieser Art kann das UNESCO Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt vom 23. November 1972 60 gelten. Ziel dieses Vertragswerkes ist die Erfassung, den Schutz und die Erhaltung „in Bestand und Wertigkeit" des Kulturerbes sicherzustellen. Um dies zu erreichen, verpflichten sich die Vertragsstaaten auf nationaler Ebene alles in ihren Kräften stehende zu tun 61 , insbesondere geeignete rechtliche, wissenschaftliche, technische, Verwaltungsund Finanzmaßnahmen zu treffen 62. Auch internationaler Schutz für Kulturgüter, die Teil des Welterbes darstellen, wird angestrebt, und zwar, wie Art. 7 vorsieht, durch die Einrichtung eines Systems internationaler Zusammenarbeit und Hilfe, das die Vertragsstaaten in ihren Bemühungen um die Erhaltung und Erfassung dieses Erbes unterstützen soll. Zu diesem Zweck wurde ein zwischenstaatliches Komitee für den Schutz des Kulturerbes eingerichtet, das mit Zustimmung der betreffenden Staaten, eine Liste des Erbes der Welt führt (Art. 11). Hier kommt ein Moment vorausschauender Planung ins Spiel, dem durchaus präventive Wirkung zukommt, geht man wie oben dargelegt davon aus, daß umfassende Information, etwa hinsichtlich Lage, Beschaffenheit und Zustand des Objektes, ein wichtiger Aspekt der Prävention ist 63 . Unter Präventionsaspekten ist das UNESCO Übereinkommen auch noch aus einem anderen Grund interessant. Art. 6 Abs. 3 enthält eine Pflicht der Staaten, vorsätzliche Maßnahmen zu unterlassen, die das in ausländischen Staaten befindliche Kulturerbe mittelbar oder unmittelbar schädigen könnten. Die Bedeutung dieser Vorschrift wird allerdings durch das Vörsatzerfordernis entwertet 64. Im Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes in Europa 65, um ein weiteres Beispiel aus dem Völkervertragsrecht anzuführen, wurde ebenfalls eine Reihe von einzelstaatlichen Pflichten normiert, durch die eine Schädigung des nationalen kulturellen Erbes vermieden werden soll. Beispielsweise verpflichten sich die Vertragsparteien „zu verhindern, daß geschützte Güter verunstaltet, dem Verfall anheimgegeben oder zerstört werden" (Art. 4, Abs. 2, S. 1). In der Umgebung von Denkmälern, innerhalb von Ensembles und innerhalb von Stätten sind, nicht näher definierte „Maßnahmen zur allgemeinen Verbesserung der Umwelt einzuführen."

60 BGBl 1977 II, S. 213; vgl. dazu R. Goy, The International Protection of the Cultural and Natural Heritage, in: NYIL 4 (1973), S. 117-141, speziell S. 129 ff. 61 Ebd., Art. 4. 62 Art. 5 d. 63 Dazu siehe bereits 1.3.; auch Art. 15, 16 der Europaratskonvention zum Schutz des architektonischen Erbes von 1985 (ILM 25 (1986), S. 380ff; BGBl 1987 II, S. 624 ff.) betonen den Informationsaspekt der Prävention. 64 Kritisch dazu S. v. Schorlemer (Anm. 2), S. 148 f. 65 BGBl 1987 II, S. 624 ff.

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Im übrigen entsteht der Eindruck, das unmittelbar den Schutz von Kulturgütern betreffende völkerrechtliche Vertragsrecht bleibe überwiegend dem Grundsatz der Gefahrenabwehr verhaftet, also entsprechend der Differenzierung nach dem „Präventionsgehalt" einzelner Maßnahmen66 der niedrigsten Stufe der Prävention. Überwiegend geht es um die Verhütung unmittelbar bevorstehender Schäden oder die Abwendung einer noch größeren Schädigung. So verpflichtet sich gem. Art. 2 des Europaratsübereinkommens zum Schutz des architektonischen Erbes Europas jede Vertragspartei, „Inventare zu führen und in Fällen, in denen den betreffenden Gütern Gefahr droht, so früh wie möglich eine geeignete Dokumentation vorzubereiten". Auch die vom UNESCO Komittee für das Erbe der Welt geführte „Liste des gefährdeten Erbes der Welt" zählt Objekte auf, die bereits „durch ernste und spezifische Gefahren bedroht" sind; erst dann, also auf der Zeitachse gesehen67 relativ spät, kommen die in der Konvention für ihre Erhaltung vorgesehenen Unterstützungsmaßnahmen zum Zuge 68 .

2. Zur Frage der Existenz einer völkergewohnheitsrechtlichen „Präventionsnorm"

Ein entscheidender Fortschritt vom kurativen zum präventiven Kulturgüterschutz gelänge, würde der Nachweis einer völkergewohnheitsrechtlichen Präventionsnorm möglich, die den Staaten aufgäbe, ihr Verhalten so einzurichten, daß grenzüberschreitende Schäden am Kulturgut fremder Staaten gar nicht erst auftreten. Ausgangspunkt der seit Jahren im Umweltvölkerrecht geführten Diskussion hinsichtlich einer Präventionsnorm ist das aus dem Prinzip der territorialen Integrität fließende, völkergewohnheitsrechtliche Verbot der erheblichen Schädigung der Umwelt jenseits des eigenen Hoheitsgebietes69. Nicht jede Einwirkung auf frem66 Dazu s.o. E. Rehbinder, Anm. 8, S. 133. 67 Zum zeitlichen Element der Prävention s.o. 1.2. 68 Speziell Art. 11, 13, 15, 19 ff. 69 Es ist in der völkerrechtlichen Literatur heute nahezu unbestritten, daß kein Staat sein Territorium so nutzen darf, daß einem anderen Staat ein erheblicher Schaden entsteht, vgl. nur G. Handl/B. Simma, Grenzüberschreitende Auswirkungen von Kernkraftanlagen und Völkerrecht, in: ÖZöRVR 39 (1988), S. 2; W. Heintschel v. Heinnegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht (3. Aufl. 1990), S. 851; Eb. Klein, Umweltschutz im völkerrechtlichen Nachbarrecht (1976), S. 121; D. Rauschning, Allgemeine Völkerrechtsregeln zum Schutz gegen grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen, in: FS f. Schlochauer (1981), S. 562; L. Wildhaber, Rechtsfragen des internationalen Umweltschutzes (1987), S. 16; U. Beyerlin, Grenzüberschreitender Umweltschutz und allgemeines Völkerrecht, FS f. Doehring (1989), S. 38; L. Gündling (Anm. 45), S. 273; P.-M. Dupuy, Overview of the Existing Customary Legal Regime Regarding International Pollution, in: D. B. Magraw (Hrsg.), International Law and Pollution (1991), S. 63; P. Kunig, Nachbarrechtliche Staatenverpflichtungen bei Gefährdungen und Schädigungen der Umwelt, in: BerDGVR Heft 32 (1992), S. 16 spricht insofern von einem „gesicherten Befund"; hinsichtlich der Pflicht zum Schutz der Umwelt als völkerrechtlichem Rechtsgrundsatz siehe R. Dolzer (Anm. 55), S. 213 m.w.N. 16 Fechner u. a.

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des Staatsgebiet ist danach untersagt, sondern, wie das Schiedsgericht im Trail Smelter-Fall bereits darlegte, nur eine mit „serious consequences" und einem nachweisbaren Schaden70. Der Grund für das Erfordernis eines qualifizierten Schadens liegt auf der Hand: Müßten die Staaten jegliche Aktivität untersagen, die das Gebiet eines anderen Staates auch nur geringfügig beeinträchtigen könnte, müßte eine hohe Zahl von sich täglich ereignenden Vorgängen als völkerrrechtswidrig eingestuft werden. Mag man dieses Ergebnis auch aus einem gewissen Umweltfundamentalismus heraus begrüßen, so würde damit über das Ziel „hinausgeschossen" und dem längst überwundenen Grundsatz der absoluten territorialen Integrität zu neuer Geltung verholfen. Aus dem beschriebenen Verbot, die Umwelt jenseits des eigenen Hoheitsgebietes erheblich zu schädigen, läßt sich rechtstechnisch die Pflicht deduzieren, grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen seien ex ante so zu begrenzen, daß der Schadenseintritt selbst vermieden wird. Der zugrundeliegende Gedanke dabei ist, daß dem Schädigungsverbot „logischerweise" nur dann genügt wird, wenn bestimmte Schäden gar nicht zur Entstehung gelangen; eine präventiv wirkende Schadensverhinderungspflicht wäre die Konsequenz: „ . . . wohl aber sind solche grenzüberschreitenden Umweltbelastungen zu verhüten, die die Umwelt in den Nachbarstaaten (...) erheblich beeinträchtigen oder erheblich beeinträchtigen können. Die Staaten haben somit bereits solche Umweltbeeinträchtigungen zu verhüten, von denen bekannt ist, daß sie die Grenzen überschreiten und daß sie nach Art und dem Umfang, wie sie die Grenzen überschreiten, geeignet sind, erhebliche Schäden zu verursachen. Zu denken wäre hier an die Abgabe besonders gefährlicher Stoffe in die Umwelt, in die Flüsse, in die Atmosphäre, wenn man weiß, sie können in der schädlichen Konzentration einen anderen Staat erreichen (.. .) 7 1 .

Übertragen auf den Kulturgüterschutz könnte dies heißen, aus dem Verbot der erheblichen Schädigung resultiert die Pflicht der Staaten, die von ihrem Hoheitsgebiet ausgehenden Belastungen so zu begrenzen, daß bestimmte Schäden an dem kulturellen Erbe anderer Staaten nicht entstehen. Im Bericht der 65. ILA-Tagung in Kairo, 1992, wurde festgestellt, es sei allgemein anerkannt „that customary international law requires a State to prevent or abate transfrontier environmental pollution that causes or entails significant risk of causing harm in another State or in a global common (hereinafter referred to as the „prevention norm") 72 . Wie der Vor70

Im Trail Smelter-Fall entschied das Schiedsgericht, daß ein Staat dann für eine Nutzung seines Gebietes völkerrechtlich verantwortlich ist, „when the case is of serious consequences and the injury is established by clear and convincing evidence" (RIAA III, 1905, S. 1965); vgl. zum Erfordernis des qualifizierten Schadens auch Art. 10 der Helsinki „Rules on the Uses of Waters of International Rivers", ILA, 52nd Conference Report (1966), S. 484 ff.; Art. 3 Abs. 1 der „Montreal Rules", Legal Aspects of the Conservation of the Environment", mit dem Erfordernis des „substantial injury", ILA, 60th Conference Report (1982), S. 1, Resolution Nr. 2. 71 L. Gündling (Anm. 45), S. 282. 72

ILA, 65th Conference Report, Cairo, Egypt (1992), Legal Aspects of Long-Distance Air Pollution, S. 197.

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sitzende Rauschning ausführte, hat die Norm - zusammen mit der völkergewohnheitsrechtlichen Pflicht zur Zusammenarbeit - ihre Kraft behalten, obwohl Schadensersatzforderungen bzgl. ihrer Verletzung, etwa in Folge von Tschernobyl, ausgeblieben seien73 - eine Ansicht, die allerdings nicht unwidersprochen blieb 74 . In materieller Hinsicht wirft eine Schadensverhinderungspflicht im Bereich der Kulturgüter derzeit allerdings noch Probleme auf: Eine völkergewohnheitsrechtliche Präventionsnorm des Inhalts, daß eine Pflicht zur Verhinderung der Entstehung qualifizierter Schäden besteht, erfordert eine umfassende Beurteilung der Situation durch den Ausgangsstaat, und zwar im Vorfeld der potentiellen Umweltbeeinträchtigungen. Aufgrund des z.T. naturwissenschaftlich nur schwer übersehbaren Zusammenwirkens mehrerer Schadstoffursachen 75, ist diese Anforderung problematisch. Auch besteht dogmatisch Unklarheit hinsichtlich der Abgrenzung mehrerer verursachender Beiträge, da „the prevention norm does not determine how to allocate permissible transfrontier air pollution among states of origin" 76 . Schäden resultieren, wie dargelegt, oft aus der aggregierten Wirkung mehrerer Akteure und der Anteil des einzelnen Verursachers kann dabei minimal sein. Handlungen des Ausgangsstaates werden aber entsprechend dem Grundsatz der nicht absolut geltenden Territorialität nur erforderlich, wenn die grenzüberschreitende Luftverschmutzung eine gewisse Schwelle überschreitet. Wann also, und mit welchem Einsatz ist der Ausgangsstaat gehalten, Vorkehrungen gegen mögliche Schädigungen zu treffen? Wie von der International Law Association zutreffend hervorgehoben wurde, „the unelaborated prevention norm does little to inform States regarding exactly how much of that pollution must be curtailed and at what rate" 77 . Gewisse, unter der de minimis-Grenze liegende Mengen grenzüberschreitender Luftverschmutzung werden als unbedenklich angesehen78, nicht hingegen eine Umweltbeeinträchtigung „that causes or entails a significant risk of causing harm" 79 . Damit wird eine verhältnismäßig unbestimmte Obergrenze der zulässigen grenzüberschreitenden Luftverschmutzung statuiert. Zu konkretisieren wäre beispielsweise, wann ein „significant risk" für das bauliche Erbe eines anderen Staates zu erwarten stünde. 73 ILA, ebd., S. 197. 74 Kritisch insbesondere C. Bourne, Working Session, Committee on Legal Aspects of Long-Distance Air Pollution, Wednesday, 22. April 1992, in: ILA, 65th Conference Report, Cairo, Egypt (1992), S. 218: die im Bericht enthaltene Äußerung, daß „customary law requires a state to prevent or abate trans-frontier environmental pollution that causes or entails a significant risk of causing harm" gehöre „thrashed out", denn: „that what is asserted to be the 'preventive norm', is merely a desirable objective". 75

Dazu näher s.o. II.3. ILA, 65th Conference Report, Cairo, Egypt (1992), Legal Aspects of Long-Distance Air Pollution, S. 211. 77 ILA, ebd., S. 197. 78 „There thus is a de minimis level of long-distance transfrontier air pollution that is permitted and allocable", ILA, 65th Conference Report, Cairo, Egypt (1992), S. 199. 79 Ebd., S. 211. 76

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Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Eine völkergewohnheitsrechtlich geltende Schadensverhinderungspflicht - von der zweifelsohne eine positive Ausstrahlung für den Kulturgüterschutz zu erhoffen wäre - bedarf neben dem verbesserten Nachweis der internationalen Staatenpraxis auch einer weiteren inhaltlichen Ausarbeitung sowie Präzisierung, soll sie sich zu einer rechtlich tragfähigen Präventionsgrundlage verdichten.

3. Die Relevanz des Prinzips der guten Nachbarschaft für den Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse

Die Nützlichkeit allgemeiner Rechtssätze für den Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse ist vielfach begrenzt, da sie lediglich recht allgemein formulierte Prinzipien enthalten. Dies trifft im Prinzip auch für den z.T. dem Völkergewohnheitsrecht zugerechneten Grundsatz der guten Nachbarschaft zu, der in bestimmten Bereichen der Politik ein allgemeines, „nichtsdestoweniger aber rechtlich verbindliches Ziel" setzt80. Um ein vernünftiges Zusammenleben von Nachbarstaaten zu ermöglichen und die zwischen ihnen typischen Probleme einer Lösung zuzuführen, ist eine Ausübung derjenigen Rechte verboten, die den Nachbarn schädigen. Benachbarte Staaten sollen verpflichtet sein, auf ihre gegenseitigen Interessen gebührend Rücksicht zu nehmen81. Der Inhalt des aus dem Grundsatz der Nachbarschaft ableitbaren Rücksichtnahmegebotes läßt sich allerdings nicht abstrakt bestimmen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Eben hier setzt die Kritik an: Aus dem Grundsatz der guten Nachbarschaft, so lautet der Einwand, lassen sich aufgrund seines „generellen und unpräzisen Charakters" 82 kaum konkrete Rechte und Pflichten im Bereich des Umweltrechts ableiten. „Dirigierende Kraft" sei von ihm nicht zu erwarten 83. so U. Fastenrath, zu Art. 74, Rdnr. 2, in: B. Simma (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen. Kommentar (1991), S. 886; grundlegend T. Oppermann, „Gute Nachbarschaft" im internationalen und europäischen Umweltschutzrecht. Zum Einsatz internationaler und supranationaler Organisationen zur Stärkung grenznachbarlicher Positionen in Umweltfragen, in: FS f. Kutscher (1981), S. 301-318. 81 Der Inhalt des Nachbarschaftsgrundsatzes ist umstritten; G. Handl, Territorial Sovereignty and the Problem of Transnational Pollution, in: AHL 69 (1975), S. 56, zufolge handelt es sich um einen Ausdruck des Rechtsmißbrauchs; C. Hinds, Das Prinzip „sie utere tuo ut alienum non laedas" und seine Bedeutung im internationalen Umweltrecht, in: AVR 30 (1990), S. 311, sieht ihn als identisch mit dem Grundsatz des „sie utere" an. 82 W. Heintschel v. Heinegg (Anm. 69), S. 860; skeptisch auch F. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. I (1960), S. 219. 83 R Kunig (Anm. 69), S. 13, der insoweit mit G. Handl, Territorial Sovereignty and the Problem of Transnational Pollution, in: AJIL 69 (1975), S. 56 übereinstimmt. In dieselbe Richtung argumentiert W. Heintschel v. Heinegg (Anm. 69), S. 860, unter Verweis auf Eb. Klein, Umweltschutz im völkerrechtlichen Nachbarrecht (1976), S. 117.

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Zu einem anderen Schluß vermag man allenfalls zu kommen, wenn man auf die herausgehobene Stellung, die dem Grundsatz der guten Nachbarschaft in der UNCharta und verschiedenen Resolutionen der Generalversammlung zukommt 84 , abstellt. Seine Präventivwirkung könnte gerade in der von der UN-Charta angestrebten Vermeidung zwischenstaatlicher Streitigkeiten zu sehen sein. Als „gute Nachbarn im Frieden miteinander zu leben", wie es beispielsweise die Präambel der UN-Charta vorsieht (Abschn. 5), erfordert ein Minumum an Zusammenwirken, um die gegenseitigen, auf Schadensvermeidung bzw. -Verringerung gerichteten Interessen zu wahren. Das kann im Einzelfall heißen, daß zumindest über geplante bzw. drohende Umweltbeeinträchtigungen zu informieren ist 85 . Auch weitergehende Verhinderungspflichten für Gefahrenquellen, etwa hinsichtlich der Errichtung einer (kulturelles) Eigentum der Einwohner eines Nachbarstaates ernsthaft gefährdenden Anlage, werden angenommen86. Das Prinzip der guten Nachbarschaft macht es jedem Staat schon zur Rechtspflicht, solche schadensstiftenden Aktivitäten zu unterlassen87. So ist Oppermann darin zuzustimmen, daß für eine Entfaltung des Grundsatzes der guten Nachbarschaft der Bereich des Umweltschutzes, insbesondere die grenzüberschreitende Umweltbelastung, „laufend wachsende Aufgaben" bietet 88 . Die Reichweite des Grundsatzes der guten Nachbarschaft ist bislang allerdings, nicht zuletzt aufgrund des ihm innewohnenden Elementes der Gegenseitigkeit, beschränkt. Kraft seiner Reziprozität vermag das völkerrechtliche Nachbarrecht allgemein nur „ein Verhalten zu verbieten, dessen sich der Abwehranspruchsinhaber selbst zu enthalten bereit ist" 8 9 . Umweltbelastungen entstehen jedoch nicht nur zwischen benachbarten, unmittelbar betroffenen Staaten, sondern wie oben ausgeführt, weiträumig und ausgedehnt. Schäden an Kulturgütern treten deshalb nicht isoliert auf und sind auch nicht in jedem Fall einem einzelnen (Nachbar-)staat zurechenbar. Damit reicht der auf dem Gegenseitigkeitsprinzip aufbauende Grund84

Präambel der UN-Charta, Abschn. 5 und Art. 74 der UN-Charta; auch die Friendly Relations-Declaration (GA Res. 2625 (XXV) vom 24. Okt. 1970) enthält eine Bezugnahme auf das Prinzip der guten Nachbarschaft. 85 Von einer völkergewohnheitsrechtlichen Geltung der Informations- und Warnpflicht als Einzelausprägung des Grundsatzes der guten Nachbarschaft geht U. Beyerlin, Rechtsprobleme der lokalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (1988), S. 24 aus; a.A. W. Heintschel v. Heinegg (Anm. 69), S. 860, Rdnr. 28. A. Verdross/B. Simma (Anm. 16), S. 640, § 1025, sehen in der völkerrechtlichen Pflicht eines Staates, zu verhindern, daß sein Territorium dazu benutzt wird, um von ihm aus völkerrechtswidrige Handlungen vorzunehmen, eine konkrete Anwendung des Grundsatzes der guten Nachbarschaft. 87 U. Beyerlin (Anm. 85), S. 24 m.w.N.; grundlegend R. Wolfrum, Die grenzüberschreitende Luftverschmutzung im Schnittpunkt von nationalem Recht und Völkerrecht, in: DVBL 99 (1984), S. 494 f. 88

T. Oppermann (Anm. 45), S. 910. P. Kunig (Anm. 69), S. 19; G. Beckmann, Risiko als Schlüsselkategorie der Gesellschaftstheorie, in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung 74 (1991), S. 232, legt dar, daß es bei der Lösung von Zukunftsaufgaben „keine Reziprozität" geben kann und eine Moral, die auf Reziprozität setzt, „scheitern" wird. 89

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satz der guten Nachbarschaft für einen universell wirksamen Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse nicht aus. Aus diesem Grund empfiehlt sich unter kulturgüterrechtlichen Aspekten eine Weiterentwicklung des Nachbarschaftsgrundsatzes. Zu denken wäre de lege ferenda insbesondere an eine weitere Auslegung des Begriffs „Nachbarstaat", wie z.T. gefordert 90. Lediglich eine Anwendung auf das Verhältnis benachbarter Staaten i.e.S. vermag die für den Kulturgüterschutz typischen Probleme der Umweltschädigung nicht zu lösen.

4. Das Prinzip des gemeinsamen Erbes der Menschheit

Unter dem Aspekt der Notwendigkeit eines zukunftsgerichteten, universellen Kulturgüterschutzes vermag der Grundsatz des gemeinsamen Erbes der Menschheit weiterreichende, auf den vorbeugenden Schutz gefährdeter Umweltressourcen zielende Perspektiven zu eröffnen als der Nachbarschaftsgrundsatz. Der besondere Wert der Bezugnahme auf das Wohl der Menschheit wird darin gesehen, daß es damit gelingt „das gewohnheitsrechtlich nur im Nachbarschaftsverhältnis zu anderen Staaten auf der Basis des Reziprozitätsgedankens bestehende Rücksichtnahmegebot auch auf solche Güter oder Gebiete auszudehnen, die nicht einem einzelnen Staat zugewiesen sind" 91 . Der gegen Ende der 60er Jahre geprägte Begriff 92 des gemeinsamen Erbes der Menschheit (common heritage of mankind) hat auch Eingang in die Arbeit der UNESCO zum Schutz von Kulturgut gefunden. Im Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt 93 vom 16. Nov. 1972 heißt es, daß Teile des kulturellen Erbes der Völker „von herausragendem Interesse" als „Teil des universellen kulturellen Erbes der Menschheit" insgesamt erhaltenswert sind. Die Vertragsstaaten verpflichteten sich, auf ihrem Territorium befindliche Kulturgüter zu erfassen, zu schützen und zu erhalten und vereinbarten eine Zusammenbarbeit zugunsten des Welterbes. Der Versuch wurde damit unternommen, den Schutz be90 Ansätze dazu finden sich u. a. bei U. Beyerlin, Grenzüberschreitender Umweltschutz und allgemeines Völkerrecht, in: FS f. Doehring (1989), S. 312; Eb. Klein (Anm. 69), S. 23 f.; O. Kimminich , Umweltvölkerrecht, in: ders./H. Frhr. v. Lersner/P.-C. Storm (Hrsg.), Handbuch des Umweltrechts, Bd. II (2. Aufl. 1994), S. 2519 m.w.N.; vgl. auch den Diskussionsbeitrag von R. Wolfrum zum Referat P. Kunigs, in: BerDGVR Heft 32 (1992), S. 172. 91

T. Fitschen , Gemeinsames Erbe der Menschheit, in: R. Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen (1991), S. 218; ausführlich zu den Chancen, die das Common Heritage-Prinzip für den Kulturgüterschutz eröffnet, 5. v. Schorlemer (Anm. 2), S. 560-583; /. Seidl-Hohenveldern, Artefacts as National Cultural Heritage and as Common Heritage to Mankind. Essays in Honour of Judge Taslim Olawale Elias (1992), S. 163-168. 92 Ausgangspunkt war bekanntlich eine Erklärung des maltesischen UNO-Botschafter Pardo vom 1. Nov. 1967, in der dieser vorschlug, „to establish some form of international jurisdiction and control over the sea-beds (...)" (UN Doc. A / C . l /PV.1515). 93 BGBl 1977 II, S. 213.

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stimmter, als besonders wertvoll angesehene Güter zu einem Anliegen der gesamten Menschheit zu machen, wenngleich, wie Rauschning betonte, der Kern des allgemeinen Konzepts vom gemeinsamen Erbe der Menschheit, der Entzug der geschützten Güter aus dem Bereich der nationalen Souveränität, gerade nicht verwirklicht wurde 94 . Konkrete Rechtspflichten - und hier begegnen wir wiederum dem Vorwurf der mangelnden inhaltlichen Bestimmtheit der allgemeinen Rechtsgrundsätze - lassen sich aus dem Prinzip des gemeinsamen Erbes der Menschheit oder des neuerdings intensiv diskutierten Konzepts der Common Concerns 95 schwerlich ableiten. Ein Weg, um de lege ferenda das Prinzip des gemeinsamen Erbes operabel zu machen, könnte darin bestehen, in Anlehnung an Kiss die Verpflichtungen, welche der als solches nicht rechtsfähigen „Menschheit" zukommen sollen, in unilaterale Staatenverpflichtungen zu transformieren. Diese wären sodann im Menschheitsinteresse zu erfüllen 96 . Die allgemeine Staatenpraxis läßt bislang allerdings Zurückhaltung bei der Anerkennung eines solchen Prinzips erkennen.

IV. Prävention durch Haftungs- und Wiedergutmachungspflichten? Aus obigen Ausführungen wurde deutlich, daß eine Möglichkeit zu präventivem Vorgehen darin besteht, sozialschädliche Verhaltensweisen in Normen tatbestandsmäßig zu erfassen. Darüber hinaus kann theoretisch der Androhung von Sanktionen und der Verfolgung bei Zuwiderhandlung präventive Wirkung zukommen97. 94 D. Rauschning, Gemeinsames Erbe der Menschheit, in: O. Kimminich/H. Frhr. v. Lersner; P.-C. Storm (Hrsg.), Handwörterbuch des Umweltrechts, Bd. I (2. Aufl. 1994), S. 856; a.A. W. Stocker, Das Prinzip des Common Heritage of Mankind als Ausdruck des Staatengemeinschaftsinteresses (1993), S. 123. 95 Vgl. UN-Resolution 43/53 „Protection of Global Climate for Present and Future Generations of Mankind" vom 6. Dez. 1988, wo in Ziff. 1 die Klimaveränderung als „common concern of mankind" bezeichnet wird; zur Entwicklung vom „Common Heritage of Mankind-Prinzip" hin zum Konzept des „Common Concern of Mankind" A. Rest , Ökologische Schäden im Völkerrecht. Die internationale Umwelthaftung in den Entwürfen der UN International Law Commission und der ECE Task Force, in: NuR 14 (1992), S. 158, 159; weitreichend auch H. Hohmann, Ergebnisse des Erdgipfels von Rio, in: NVwZ 12 (1993), S. 313, der davon ausgeht, daß der Rechtsstatus „common concern of mankind" eine internationale Bewirtschaftung dieser Ressourcen und die Annahme von erga omnes-Pflichten erfordert. 96 A. Kiss, The International Protection of the Environment, in: R. St. J. MacDonald/D. M. Johnston (Hrsg.), The Structure and Process of International Law: Essays in Legal Philosophy Doctrine and Theory (1983), S. 1085; näher T. Fitschen (Anm. 91), S. 218; S. v. Schorlemer (Anm. 2), S. 566 ff. 97 Zur Auseinandersetzung, ob präventive Regelungen und Haftungsnormen im komplementären oder exklusiven Verhältnis zueinander stehen R. Dolzer (Anm. 55), S. 203; D. B. Magraw (Anm. 9), S. 8.

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Sabine von Schorlemer 1. Die präventive Funktion von Haftungs- und Wiedergutmachungspflichten

Die Einsicht wächst, daß eine Wiedergutmachung von Umweltschäden sich nicht in einem Schadensersatz durch reine Gelderstattung erschöpfen kann, sondern daß der internationale Haftungsanspruch auch den Unterlassungsanspruch mit umfaßt und ihm damit eine gewisse „präventiv-erzieherische Funktion" zukommt 98 . Da Wiedergutmachungs- und Haftungsansprüche regelmäßig an einen gegebenen Schadensfall - etwa am kulturellen Erbe eines Staates - anknüpfen, stellt sich die Frage, ob es eine Prävention nach Schadenseintritt überhaupt geben kann. Innerhalb des ILC Projektes „International Liability for Injurious Consequences Arising Out of Acts Not Prohibited by International Law" wurde z.T. differenziert zwischen den präventiven Maßnahmen vor Schadenseintritt und präventiven, auf Schadensminimierung gerichteten Maßnahmen nach Schadenseintritt. Wie der Special Rapporteur, Barboza , im 8. Bericht klargestellt hat, soll im letztgenannten Fall ein „Multiplikatoreffekt" verhindert werden 99. Schließlich wurde der etymologisch nicht ganz widerspruchsfreie und auch innerhalb der ILC umstrittene Begriff der nprevention ex post" zum Oberbegriff für Sachverhalte entwickelt, in denen es um Maßnahmen geht, „to be adopted after an incident had occurred, to reduce or control its effects and thus avoid greater harm.. ." 1 0 °. Die „Verhütung von Schlimmerem" wird damit als Teil vorsorgender Tätigkeit begriffen. Nicht ausgeschlossen ist zudem, daß von Haftungs- und Wiedergutmachungsvorschriften eine gewisse generalpräventive Wirkung auf die Allgemeinheit ausgeht, durch die diese zu sozialen und normgerechten Verhaltensweisen bzw. zur Verhinderung von normwidrigen Verhaltensweisen angeleitet wird. Daß Haftungsregeln im Umweltbereich auch unter Präventionsgesichtspunkten von Bedeutung und ein im Prinzip erstrebenswertes Ziel sind, daran ließ das Institut de Droit International in der auf der 63. Sitzung in Kairo 1987 angenommenen Resolution zur „Transboundary Air Pollution" keinen Zweifel: „With a view to ensuring an effective system of prevention and of compensation for victims of transboundary air pollution, States should conclude international treaties and enact laws and regulations concerning, in particular: (a) systems of strict liability and compensation funds" (.. .) 1 0 1 . 98 So A Rest (Anm. 95), S. 155. 99 Eighth Report on International Liability for Injurious Consequences Arising Out of Acts not Prohibited by International Law, UN Doc. A/CN./443, in: YILC 1992 Vol. II, Part One; vgl. die diesbezügliche Diskussion des 8. Berichts, UN Doc. A/CN.4/L.469, sect.D, A / CN.4/L.470, A/CN.4/L.476, in: YILC 1992, Vol. I, S. 120 ff.; zum Präventionsbegriff siehe den 6. Bericht, par. 22, UN Doc. A/CN.4/428 and Add.l) in: YILC 1990 Vol. II, Part One. 100 Tenth Report on International Liability, by Mr. J. Barboza , Special Rapporteur, UN Doc. A/CN.4/459, 4. April 1994, S. 5, Rdnr. 7; zum Widerstand der ILC-Mitglieder („strong opposition"), ebd.; Barboza rechtfertigte sein Vorgehen mit Beispielen aus der Staatenpraxis, u.a mit Art. 2 Abs. 9 der „Convention on Civil Liability For Damage Resulting From Activities Dangerous to the Environment" des Europarates (Barboza, ebd., S. 6, Rdnr. 13); vgl. auch Summary Records, 2273rd Meeting, 16. June 1992, in: YILC Vol. 1,1992, S. 124, Ziff. 2.

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Die wesentliche Präventivfunktion des völkerrechtlichen Haftungskonzepts dürfte in dem finanziellen Druckmittel bestehen, das zum Einsatz kommt, um die Haltung der Emittenten zu beeinflussen 1 0 2 . Werden Instrumentarien völkerrechtlicher Verantwortlichkeit angewendet, dann entsteht bei Umweltschäden eine Pflicht zur „restitutio in integrum", die nicht nur eine Herstellung in natura und Geldersatz, sondern auch Ersatz von Kosten für Wiederherstellung und u.U. auch Kostenersatz für Vorbeugemaßnahmen umfaßt. Durch die Haftung des Verursachers wird ein „Anreiz" in die Wirtschaftsordnung eingeführt, Umweltschäden zu vermeiden: „Die Haftung „zieht" ex post, also nachdem ein Schaden eingetreten ist. Da der Verursacher diese Haftung aber in seiner Entscheidung inhaltlich antizipieren muß, wirkt die Haftung grundsätzlich auch ex ante" 103 . Es ist davon auszugehen, daß die an eine Schädigung geknüpfte Ersatzpflicht das Bemühen fördert, möglichst alle Vorkehrungen zu treffen 1 0 4 . Wenn jeder Verursacher damit rechnen müßte, zu Kompensationszahlungen für die von ihm produzierten Umweltschäden herangezogen zu werden, würden diese in seinen Entscheidungskalkül eingehen: sie würden internalisiert 1 0 5 . Insofern wird die Errichtung von Umwelthaftungsfonds, etwa durch das Umwelthaftungsgesetz von 1991 1 0 6 , oder wie vom Institut de Droit International in der oben erwähnten Resolution gefordert, mit Skepsis beurteilt; eine Abschwächung des Präventionsprinzips wird befürchtet, insoweit als der Fonds an die Stelle 101 Auch der Grundsatz 22 der Deklaration der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen von 1972, UN Doc. A/CONF.48/14, besagt, daß die Staaten bei der Weiterentwicklung des Völkerrechts in bezug auf Haftung und Entschädigung für die Opfer der Verschmutzung und sonstiger Umweltschäden zusammenarbeiten sollen; vgl. auch das EU-Grünbuch über die Sanierung von Umweltschäden, (KOM (93) 47 endg.; Ratsdok. 7092/ 93; BR-Dr. 436/93); im neueren Schrifttum wird ebenfalls darauf hingewiesen, daß Haftungsregeln ein „wichtiges Element der antizipierenden Steuerung des Verhaltens der Rechtssubjekte zukommt", R. Dolzer (Anm. 55), S. 203 m.w.N. 102 Siehe in diesem Kontext auch § 19 „Deckungsvorsorge" im Rahmen des Gesetzes über die Umwelthaftung vom 10. Dez. 1990 (BGBl 1990 I, S. 2637); skeptisch wegen der Möglichkeit, Haftungsrisiken auf Versicherer abzuwälzen E. Vetter, Erweiterung des Umwelthaftungsrecht, in: F. Nicklisch (Hrsg.), Prävention im Umweltrecht. Risikovorsorge, Grenzwerte, Haftung (1988), S. 135; ebenso H. Koziol, Erlaubte Risiken und Gefährdungshaftung, ebd., S. 143 m.w.N. 103

H. Siebert, Haftung ex post versus Anreiz ex ante: Einige Gedanken zur Umweltpolitik bei Unsicherheit, in: F. Nicklisch (Hrsg.), Prävention im Umweltrecht. Risiko Vorsorge, Grenzwerte, Haftung (1988), S. 111. A.E. Boyle, Making the Polluter Pay? Alternatives to State Responsibility in the Allocation of Transboundary Environmental Costs in: T. Scovazzi, F. Francion (Hrsg.), International Responsibility for Enviromental Harm (1991), S. 366. 104 Explizit H. Koziol (Anm. 102), S. 143. i° 5 O. Keck (Anm. 11), S. 108; M. Lehmann, Umwelthaftungsrecht: Ein Beitrag zur Internalisierung von negativen externen Effekten, in: L. Schulz (Hrsg.), Ökologie und Recht (1991), S. 81 ff., speziell S. 83; H. Kötz, Ziele des Haftungsrechts, in: FS f. Steindorff (1990), S. 643ff.; D. Cansier, Umweltgüter, in: O. Kimminich/H. Frhr. v. Lersner/P.-C. Storm (Hrsg.), Handwörterbuch des Umweltrechts Bd. II, (2. Aufl. 1994), S. 2171. 106 BGBl 19901, S. 2634.

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des eigentlich Verantwortlichen tritt und dessen Ersatzverpflichtung übernimmt. Die beabsichtigte Steuerung zu möglichst umweltverträglichem Verhalten durch Haftung droht zu entfallen 107 .

2. Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit für Schädigungen des Kulturerbes

Keinem Staat kann verwehrt werden, daß er einen anderen Staat verantwortlich macht, wenn in dessen Territorium Umweltbeeinträchtigungen verursacht werden, die grenzüberschreitend wirken und für ihn nicht mehr zu akzeptierende negative Folgen haben 108 . Notwendige, aber auch hinreichende Voraussetzung, dafür, daß ein Staat einen anderen Staat völkerrechtlich verantwortlich machen kann, ist, daß jener durch eine zurechenbare Handlung oder Unterlassung gegen eine Völkerrechtsnorm verstoßen hat 1 0 9 . Ein - evtl. sogar irreversibler - Schaden, z. B. am kulturellen Erbe eines anderen Staates, muß nicht eingetreten sein. Grenzüberschreitende Umweltverschmutzung kann internationale Abkommen, wie etwa das UNESCO Übereinkommen zum Schutz des Weltkultur- und Naturerbes verletzen 110. Kommt ein Staat außerdem seiner Pflicht nicht nach, „auf seinem Gebiet keine Handlungen oder Maßnahmen vorzunehmen, zu fördern oder zu dulden, die auf dem Gebiet eines Nachbarstaates nicht unerhebliche, nicht unübliche Umweltschäden verursachen oder mit großer Wahrscheinlichkeit verursachen' 4, macht er sich dafür völkerrechtlich verantwortlich 111. Darüber hinaus geht die Staatengemeinschaft von einem Bestand an Grundsätzen und Regeln aus, die von so elementarer Bedeutung sind, daß sie für die völkerrechtliche Ordnung unverzichtbar und deshalb erga omnes zu schützen sind. In diesem Kontext erwähnt der ILC „Draft on State Responsibility" auch „a serious breach of an international Obligation of essential importance for the safeguarding 107

Vgl. die Kritik von R Salje , Risikovorsorge durch Errichtung eines Umwelthaftungsfonds am Beispiel des „Hamburger Entwurfs", in: Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung 74 (1991), S. 341 m.w.N.; WKöck, Umweltrechtsentwicklung und ökonomische Analyse, in: NuR 14 (1992), S. 412-420, speziell S. 419; für einen Einsatz von Umweltfonds „nur ersatz- und ergänzungsweise", wenn eine individualrechtliche Zuordnung nicht gelingt J. Knebel , Umweltfonds, in: O. Kimminich/H. Frhr. v. Lersner/P.-C. Storm, Handwörterbuch des Umweltrechts (2. Aufl. 1994), S. 2164. los L. Gündling (Anm. 45), S. 275. 109 Vgl. Art. 1 des ILC-Entwurfs „Draft Articles on State Responsibility", YILC 1980 II, Part One, S. 30 ff.: „Every internationally wrongful act of a State entails the international responsibility of that State". Danach tritt die Verantwortung eines Staates ein, wenn ein rechtswidriges Verhalten dieses Staates vorliegt; dazu bestimmt Art. 3: „There is an internationally wrongful act of a State when: (a) conduct consisting of an action or omission is attributable to the State under international law; and (b) that conduct constitutes a breach of an international obligation of the State". no Ausdrücklich D. B. Magraw (Anm. 9), S. 4; zu dieser Konvention siehe bereits oben III.l. in A. Verdross; B. Simma (Anm. 16), S. 644, Rdnr. 1029.

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and preservation of the human environment, such as those prohibiting massive pollution of the atmosphere or of the seas" 112 . Danach müßten im Falle eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Umwelt, der ggfs. auch Auswirkungen auf das kulturelle Erbe eines anderen Landes hat, scharfe haftungsrechtliche Konsequenzen gezogen werden. Diese Ansätze dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß Regierungen, was die Entwicklung eines Rechts der Verantwortlichkeit für grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigung angeht, insgesamt eine „bemerkenswerte Zurückhaltung" zeigen 113 . So enthält die Genfer Konvention über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung ausdrücklich keine Bestimmung zu einer vertraglich festgelegten Verantwortlichkeit. Auch die Anwendung des Instrumentariums der Verantwortlichkeit für den Bereich des grenzüberschreitenden Umweltschutzes durch die Staatenpraxis erfolgt nur zögerlich 114 .

3. Haftung für rechtmäßiges Handeln

Es gibt eine weite Bandbreite von kulturgutschädigenden Vorgängen, die, wie etwa C02-Emissionen im Verkehrsbereich oder nicht auf menschliches Versagen zurückzuführende (Chemie-) Unfälle, auf rechtmäßigem menschlichem Handeln beruhen. Nur kurz sei an dieser Stelle auf die im Jahre 1984 begonnenen Arbeiten der International Law Commission im Bereich der Haftung für rechtmäßiges Handeln hingewiesen. Bedeutung ist ihnen nicht zuletzt deswegen beizumessen, weil der Nachweis einer Gefährdungshaftung im allgemeinen Völkerrecht bislang noch nicht überzeugend gelang. Innerhalb der ILC-Diskussion um „prevention" wurde unterschieden zwischen Verfahrens Vorschriften, wie z. B. Notifikation, Information oder Konsultation, und einseitigen Präventionsmaßnahmen, zu denen insbesondere geeignete Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen gehören sollen. Das mit „prevention" überschriebene Grundprinzip besagt: „States of origin shall take appropriate measures to prevent or minimize the risk of transboundary harm or, where necessary, to contain or minimize the harmful transboundary effects of the activities in question. To that end they shall, in so far as they are able, use the best practicable, available means with regard to activities (.. .)" 1 1 5 . 112 Art. 19 Abs. 3 (d) ILC Draft on State Responsibility, „The Origin of International Responsibility", in: YILC 1980, Vol. II, Part 2, S. 30 ff. (International crime). 113 L. Giindling (Anm. 45), S. 274; vgl. auch B. Simma , Grundfragen der Staatenverantwortlichkeit in der Arbeit der International Law Commission, in: AVR 24 (1986), S. 357 f. 114 Die Staatenpraxis neigt nach Ansicht von Dolzer dazu, die „Haftungsfrage zu meiden oder gar zu ächten", vgl. R. Dolzer (Anm. 55), S. 196, ähnlich S. 210. us Art. 8 „Prevention", in YILC 1990, Vol. II, Part Two, S. 95; der ursprüngliche Art. 9 hatte noch vorgesehen, daß „all reasonable preventive measures" ergriffen werden sollten, vgl. Fifth Report, UN Doc. A/CN.4/423, in: YILC 1989 II, S. 140. Nicht zu verwechseln ist Art. 8 des Liability Projekts mit Art. 23 des ILC-Entwurfs über Staatenverantwortlichkeit von 1980, der die Verletzung einer Völkerrechtspflicht zur Verhütung eines bestimmten

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Kommt es zu einem, im einzelnen näher zu spezifizierenden Schaden, dann soll die zu leistende Wiedergutmachung im Verhandlungswege festgelegt werden 116 . Die Haftungskomponente selbst erscheint nach dem augenblicklichen Stand der stets die Notwendigkeit eines „balance of interests" betonenden Arbeiten eher schwach ausgeprägt zu sein 117 ; auch ist die Diskussion um die Verbindlichkeit der mittlerweile in einem Annex vorgesehenen „obligations of prevention" noch im Gange 118 . Im Ergebnis bleibt abzuwarten, welchen Fortschritt die Kodifikationsarbeiten der ILC machen werden. Darüber hinaus wird die Einbeziehung der „Global Commons" - also der common use zugänglichen, internationalisierten Umweltelemente119 - in das völkerrechtliche Haftungskonzept als „zukunftweisend" gesehen. Dieser Schritt, insbesondere der ILC, sei „als eine Maßnahme unter vielen notwendig, um Bedrohungspotentialen für die gesamte Menschheit rechtzeitig begegnen zu können. In diesem Bereich werde die Wandlung des klassischen, reagierenden Schadensbegriffs hin zu einem präventiv wirkenden Schadensbegriff besonders evident 120 . Tatsächlich vermöchten völkerrechtliche Normierungen auf dem „internationalen" Gebiet der „Global Commons" u.U. größere gestaltende Wirkung zu entfalten als im Bereich der bisher beschriebenen Präventionsmaßnahmen, da letztere praktisch alle auf eine Beeinflussung von Vorgängen innerhalb der Territorialstaaten zielen. Erfolgs zum Gegenstand hat; dieser lautet: „When the result required of a State by an international obligation is the prevention, by means of its own choice, of the occurrence of a given event, there is a breach of that obligation only, if, by the conduct adopted, the State does not achieve that result"; zu dieser Unterscheidung siehe auch Tenth Report on International Liability for Injurious Consequences Arising out of Acts not Prohibited by International Law by Mr. Julio Barboza, , Special Rapporteur, UN Doc. A/CN.4/459, 4. April 1994, S. 16, Ziff. 39; A. E. Boyle , State Responsibility and International Liability for Injurious Consequences of Acts not Prohibited by International Law: A Necessary Distinction?, in: ICLQ 39 (1990), S. 1-26; einen historischen Überblick über dieses ILC-Projekt gibt S. Erichsen , Das Liability Projekt der ILC. Fortentwicklung des allgemeinen Umweltrechts oder Kodifizierung einer Haftung für besonders gefährliche Aktivitäten, in: ZaöRV 51 (1991), S. 94 ff. 116 Art. 9, YILC 1990 Vol. II, Part Two, S. 95. 117 Siehe UN Doc. A/CN.4/428 und Add.l, Sixth Report, in: YILC 1990, Vol. II, Part One, S. 95; Seventh Report, YILC 1991, Vol. II, Part Two, S. 116, Rdnr. 239. Ausdrücklich betonte der Special Rapporteur, daß die in Betracht kommenden Maßnahmen „will not under any circumstances be measures to repair transboundary harm", UN Doc. A/CN.4/459, 4. April 1994, S. 5, Rdnr. 5. us Der Annex ist abgedruckt in: YILC 1992, Vol. I, S. 92-93; vgl. auch Summary Records of the 2268th meeting, 2. Juni 1992, in: YILC 1992, Vol. I, S. 92 CBarboza ), S. 120 (Mikulka)\ Summary Records of the 2268th meeting, in: YILC 1992, Vol. I, S. 94; darauf, daß die ILC sich erst in den „initial stages of its work on the topic" befindet, wies ausdrücklich der Chairman hin, C. Tomuschat , Summary Records of the 2271st meeting, 10. Juni 1992, YILC 1992, Vol. I,S. 115. 119 Im Dezember 1988 hat die UN-Generalversammlung das Klima zum „common concern of mankind" erklärt, UN GV-Res. 43/53, 6. Dez. 1988, abgedruckt in: I L M 28 (1989), S. 1326. 120 A. Rest(Anm. 95), S. 164.

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Innerhalb der ILC wurde jedoch vor zu viel Enthusiasmus hinsichtlich des Konzepts der Global Commons 121 gewarnt.

4. Grenzen des Haftungsrechts

Eine der Hauptschwierigkeiten des Haftungsrechts im Umweltschutz, weniger in der Lehre als in der Staatenpraxis, besteht in dem Problem des Geschädigten, den Kausalzusammenhang zwischen einem umweltrelevanten Handeln und dem bei ihm eingetreten Schaden nachzuweisen. Wie bereits erwähnt, kommt bei der Schädigung von Kulturgütern durch Umwelteinflüsse eine Vielzahl von Schadstoffen in Betracht, die allein oder im Zusammenwirken die Rechtsverletzung herbeigeführt haben können. Mehrere Emittenten sind denkbar; außerdem erhöht sich mit zunehmender Distanz die Schwierigkeit des Nachweises, daß tatsächlich ein bestimmter Stoff die Beeinträchtigung herbeigeführt hat. Schäden am baulichen Erbe stellen sich zudem i.d.R erst mit zeitlicher Verzögerung ein, so daß die Rekonstruktion des Ablaufes erschwert ist. Regelmäßig besteht die Situation, daß Abgase, Abwässer, verwendete Chemikalien erst nach längerer Zeit ihre schädlichen Auswirkungen erkennen lassen, die z.T. auch nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht voraussehbar sind (Beispiel: Schalenbildung)122. Auch eine „Prädisposition" des Materials, etwa eine altersbedingte Anfälligkeit historischer Bausubstanz, müßte ggfs. berücksichtigt werden. Im Falle solcher „ubiquitärer" Schäden, also Schäden, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sich die Vielzahl der Schadensursachen nach dem Schadenseintritt in ihrer kausalen, zum Teil auch synergetischen Wirkung nicht mehr unterscheiden lassen, stößt das Haftungsrecht an die Grenze seiner Funktion 123 . Zwar gelten grundsätzlich bestehende Haftungsnormen, doch erschwert die komplexe Zurechenbarkeit von Ursache und Wirkung - eine Grundvoraussetzung des gesamten Schadensersatzrechtes - ihre Anwendung. 121 Zu den Problemen der Behandlung von „Global Commons" innerhalb des LiabilityProjektes siehe den Sixth Report, UN Doc. A/CN.4/428 and Add. 1, S. 100-104 und YILC 1991, Vol. II, Part Two, S. 117 f., Rdnr. 254-255. Skepsis, „Global Commons" zu einem gesonderten, künftigen Projekt der ILC zu machen, ließ C. Tomuschat erkennen, Global Commons, Outline, in: ILC, Outlines Prepared by Members of the Commission on Selected Topics of International Law, UN Doc. A/CN.4/454, 9. Nov. 1993, S. 92-98. 122

Als ein besonders besorgniserregendes Phänomen wurde am Regensburger Dom die Schalenbildung angesehen. Obwohl die Gesteinsoberfläche intakt erschien, wurde beobachtet, daß sich durch die Berührung mit einem Stecken bis zu 1/3 m2 große Platten lösten und die dahinterliegenden Steinmassen abstürzten; der Befund, daß sich die Schalen parallel zur Oberfläche entwickelten und nicht der Schichtung des Gesteins folgten, wurde als Beweis für eine chemische Verwitterung durch Rauchgase angesehen, siehe Umweltbundesamt (Hrsg.), Regensburger Dom, Literaturauszug aus ULIDAT, Heft 1 (1989), S. 9 m.w.N. 123 Ausdrücklich R. Dolzer (Anm. 55), S. 224.

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Darüber hinaus mag es rechtspolitisch bedenklich scheinen, angesichts der Unersetzlichkeit und Irreparabilität wertvoller Kulturgutsubstanz die ex post- Wirkung des Haftungsrechts zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Die enormen Probleme des Kulturgüterschutzes erfordern in erster Linie geeignete materielle Regeln zur Vorsorge, insbesondere konkrete Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten, und erst in zweiter Linie die Anwendung bzw. den Ausbau völkerrechtlichen Haftungsrechts. V. Perspektiven Es gibt klare Grenzen eines präventiv ausgerichteten Kulturgüterschutzes, nicht zuletzt in praktischer Hinsicht. Auch die ägyptischen Pyramiden werden eines Tages verschwunden sein. Kein, und sei es noch so effizient ausgestaltetes System des Kulturgüterschutzes, vermag den Alterungs- und Zerfallsprozeß von Kulturgütern aufzuhalten. Hinzu kommt, daß selbst eine erfolgreiche Präventionspolitik die unmittelbare Gefahrenabwehr für Kulturgüter auf absehbare Zeit nicht entbehrlich machen wird. Aufgrund des hohen Grades der „Vorschädigung", insbesondere der jahrzehntelang akkumulierten Schadstoffanreicherung historischer Gesteinsschichten, werden weiterhin die oben beschriebenen „Erstehilfemaßnahmen" notwendig sein. Dies darf jedoch kein Grund sein, im Bemühen um den vorsorgenden Schutz von Kunstwerken gegen Umwelteinflüsse nachzulassen, denn hier entfaltet sich, wie gezeigt, ein Bedrohungspotential, das, wenn nicht bald durchgreifende Schritte erfolgen, der Nachwelt nichts als die Anschauung durch den Mikrofilm überläßt. Da die Maximalforderung, während des zur Zeit andauernden „industriegesellschaftlichen Krieges" die Kunstwerke in Sicherheit zu bringen, solange die Gefährdung andauert 124, auf absehbare Zeit nicht realisierbar und auch eine ex postSanierung nur begrenzt möglich ist, bleibt in erster Linie der Weg, kulturgutschädigende Umweltprobleme gemeinsam und nach Maßgabe völkerrechtlich verbindlicher Regeln anzugehen. Völkerrechtliche Verträge sind zweifelsohne das wichtigste Instrument für den Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse, da durch sie spezifische, den historisch gewachsenen Strukturen von Kulturgütern in geeigneter Weise Rechnung tragende Regelungen geschaffen werden können. Daneben finden sich zahlreiche Versuche, den Regelungsbereich durch völkergewohnheitsrechtliche Normen und allgemeine Rechtsgrundsätze, also im Bereich des ungeschriebenen Rechts, de lege ferenda auszuweiten. Es ist allerdings von Nachteil, daß sich das auf den Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse anwendbare Völkergewohnheitsrecht nur langsam entwickelt. Auch eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes erging bislang nicht. Statt eines veritablen „vorsorgenden" Kulturgüterschutzes trifft man i.d.R. auf eine langsame und all124 So K. M. Meyer-Abich (Anm. 1), S. 90.

Der internationale Schutz von Kulturgütern gegen Umwelteinflüsse

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mähliche Anpassung der Rechtslage an die sich rapide verschlechternden Umweltgegebenheiten. Eine „Ökologisierung" des Kulturgüterschutzes wird entscheidend vom inhaltlichen Konsens und dem politischen Willen der Internationalen Gemeinschaft zu durchgreifender, auf Vermeidung von Umweltschäden zielender Aktion abhängen. Dabei begegnet eine antizipatorisch ausgerichtete, präventive Kulturgüterschutzpolitik generell einem gewissen Begründungszwang, zielt sie doch auf die Vermeidung von Schädigungen, die noch nicht offensichtlich wurden. Zwei Begründungshilfen bieten sich: (1) Ökonomisch gesehen, ist es kostengünstiger, das Entstehen von Schäden zu vermeiden, als sie im nachhinein zu beseitigen. Das Betreiben ökologischer Nachsorge ist eine verhältnismäßig ineffektive, kostenträchtige, volkswirtschaftlich eher unproduktive Strategie, die an den Problemursachen nichts ändert 125 . Die zu erwartenden volkswirtschaftlichen Verluste durch Umweltschäden im Verhältnis zu den Kosten für rechtzeitige Schadensvermeidung werden mindestens dreimal so hoch veranschlagt 126, Vorsorgemaßnahmen erweisen sich mithin als ökonomisch rentabel. Unter Zugrundelegung dieses interessengerichteteten Begründungsmodells müßte auch die Bundesrepublik Deutschland ein großes Interesse am konsequenten Ausbau präventionsrechtlicher Instrumentarien im Kulturgüterschutz haben 127 . (2) Nicht mit ökonomischen Interessen der jeweils Handelnden, sondern mit der Existenz allgemein anerkannter Werte begründet die ethische Argumentations125

Als Vertreter dieser Argumentationslinie seien nur genannt M. Jänicke (Anm. 7), S. 13; U. E. Simonis, Präventive Umweltpolitik- Konzept und Informationsbedarf, in: Universitas 40 (1985), S. 122; D. Kanatschnig (Anm. 7), S. 28 m.w.N.; H. Siebert (Anm. 103), S. 111 ff.; vgl. auch D. Sprint, T. Vaahtoranta, The Interest-based Explanation of International Environmental Policy, in: 10 48 (1994), S. 78. 12 6 L. Wicke, Die ökologischen Milliarden. Das kostet die zerstörte Umwelt - so können wir sie retten (1986), S. 130; vgl. auch P. C. Tasch, Statt Vorsorge Nach-Sorgen. Das Präventivprinzip in der internationalen Umweltpolitik, in: L. Schulz (Hrsg.), Ökologie und Recht (1991), S. 22; häufig werden die volkswirtschaftlichen Kosten von Umweltschäden heruntergespielt, wenn nicht gar bestritten, die Kosten für ihre Erhaltung hingegen hochgerechnet, siehe nur O. Keck (Anm. 11), S. 118; auch das Europäische Parlament forderte in einer Entschließung die Einbeziehung des Faktors „Umwelt" in die Berechnung des Bruttosozialprodukts (ABl. C 128 vom 9. Mai 1994). 127 Zum einen ist die Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer zentralen Lage in hohem Maße mit grenzüberschreitenden Umweltproblemen konfrontiert. 1993 wurden beispielsweise mehrere 100 Mio. Tonnen von Luftschadstoffen zwischen den Staaten Zentraleuropas ausgetauscht, Umweltbundesamt (Hrsg.), Jahresbericht 1993, S. 135. Auch die Kosten für den Erhalt des baulichen Kulturerbes sind, wie verschiedene Berichte über Schäden an Gebäuden nachgewiesen haben, enorm, vgl. bereits den Zweiten Bericht über Schäden an Gebäuden, BT-Dr. 11/1830 von 1989, S. 12, 15. Über 40 Milliarden DM jährlich wären nach Auskunft des Bundesumweltministeriums erforderlich, um umweltgeschädigte Bauwerke in Deutschland zu restaurieren; die Sanierungsmaßnahmen an Denkmälern in Westdeutschland belaufen sich zur Zeit auf ca. 4 Milliarden im Jahr, im Osten ist der Bedarf zehnmal so hoch.

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Sabine von Schorlemer linie die Notwendigkeit der Prävention. Ethik als „unverzichtbare Voraussetzung für präventives H a n d e l n " 1 2 8 wird, je nach Standort des Verfassers, aus unterschiedlichen Blickwinkeln, auch in theologischer H i n s i c h t 1 2 9 , diskutiert; Ausgangspunkt einer umweltbezogenen Ethik ist dabei stets das instrumentelle Verhältnis zwischen dem Individuum und seiner Lebenswelt 1 3 0 .

Insofern als Kulturgüterschutz die Disparität zwischen der Staatenpraxis und den erreichbaren Zielen und die Suche nach dem „rechten Handeln" zum Gegenstand hat, weist er eine ethische Komponente 1 3 1 auf. Zu den Aufgaben des Kulturgüterschutzes gehört es, historische Kontinuität zu wahren und die Überlieferung kultureller Schätze an künftige Generationen sicherzustellen. Kulturgüter stellen deshalb ähnlich wie - Gesundheit und Leben - besondere Rechtsgüter dar, die den speziellen Schutz der Völkergemeinschaft erfordern. Dies impliziert sowohl die Übernahme individueller Verantwortung durch den einzelnen als auch neue wissenschaftliche, ökonomische und politische Initiativen der Gesellschaft. Nicht zuletzt durch die i m Handlungsentwurf einer jeden Ethik vermittelte Hoffnung mag für die Verantwortlichen eine zusätzliche Handlungsmotivation - hin zum Ausbau präventiver Instrumentarien i m Kulturgüterschutz - entstehen. 128 G. Altner, Ethische Fundierung des Präventionsprinzips in Technik, Wirtschaft und Gesellschaft, in: U. E. Simonis (Hrsg.), Präventive Umweltpolitik (1988), S. 80. 129 Zur religiös begründeten ökologischen Ethik siehe nur das Memorandum „Mensch sein im Ganzen der Schöpfung" - Ein ökologisches Memorandum im Auftrag und zuhanden der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK), verfaßt von P. Hafner/E. Meili/H. Ruh/P. Siber/C. Stückelberger/L. Vischer/E. Wirth, abgedruckt in: O. Bischofberger/ O. Eggenberger/C.-A. Keller/J. Müller (Hrsg.), „Umwelt -Verantwortung aus religiöser Sicht" (1988), S. 123-150; G. M. Teutsch, Umwelt als Schöpfung (1978). 130 S. Summerer, Umweltethik, in: O. Kimminich /H. Frhr. v. Lersner/P.-C. Storm (Hrsg.), Handwörterbuch des Umweltrechts Bd. II (2. Aufl. 1994), S. 2138; zwischen anthropozentrischen, biozentrischen und holistischen Ansätzen der Umweltethik unterscheidet W. Vossenkühl, Ökologie und Ethik, in: L. Schulz (Hrsg.), Ökologie und Recht (1991), S. 9-20; vgl. auch die naturphilosophische Ethik von K. M. Meyer-Abich, Eigenwert der natürlichen Mitwelt und Rechtsgemeinschaft der Natur, in: G. Altner (Hrsg.), Ökologische Theorie, Perspektiven zur Orientierung (1989), S. 254-276, der eigene Rechte der Natur fordert; ders., Wege zum Frieden mit der Natur (1984); ebenso J. Leimbacher, Die Rechte der Natur (1988); die Verantwortung gegenüber den späteren Generationen betonen insbesondere H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung (1979); D. Birnbacher, Verantwortung für zukünftige Generationen (1988); G. Patzig, Ökologische Ethik - Innerhalb der Grenzen bloßer Vernunft (1983). 13

1 Auch die konservatorische Tätigkeit selbst ist sich ihrer ethischen Grundlagen bewußt. Sowohl der Code ofEthics des American Institute for Conservation als auch die International Charter for the Conservation and Restoration of Monuments and Sites (Charta von Venedig 1964/1978) und die Australia ICOMOS Charter for the Conservation of Places of Cultural Significance (sog. Burra Charta 1981/1988) betonen den absoluten Respekt für die ästhetische, historische und physische Integrität eines Objektes sowie ein hohes Maß moralischer Verantwortung; zur aktuellen Reformdiskussion hinsichtlich des vom American Institute for Conservation of Historie and Artistic Works 1979 verabschiedeten Code of Ethics vgl. K. Berrett, Conservation Surveys: Ethical Issues and Standards, in: JAIC 33 (1994), S. 193-198; American Institute for Conservation of Historie and Artistic Works (AIC), Code of Ethics and Standards of Practice, in: AIC Directory (Washington 1993).

Kulturgüterschutz: Mittel nationaler Repräsentation oder Wahrung des Gemeinsamen Erbes der Menschheit? Von Markus Müller*

I. Einleitung Bei der Suche nach Rechtsgrundsätzen für den Kulturgüterschutz stoßen wir immer wieder auf einen Topos: wer ist der legitime Hüter des kulturellen Erbes? An dieser Fragestellung hat sich ein Disput entwickelt, bei welchem auf der einen Seite das einzelstaatliche Beharren auf die Integrität des jeweiligen nationalen Kulturerbes, sozusagen ein Kultur-Nationalismus\ steht und auf der anderen das Bemühen, Kulturgüter als gemeinsames Erbe der Menschheit im Interesse der Weltgemeinschaft zu schützen2. Beide Positionen sind keineswegs neu. Allerdings haben sich ihre Verwendungs- und Begründungsformen im Laufe der Zeit verändert. So können wir für den letztgenannten Ansatz zumindest ex post zwei unterschiedliche Phasen identifizieren. Die Formulierung Sir Alexander Crokes aus dem Jahre 1813 etwa dürfte für eine, nennen wir sie idealistische Position stehen, wenn er Kulturgüter als „the property ofmankind at large" bezeichnet3. Es ist dies Ausdruck des alten Traums von einer durch die Weltgemeinschaft getragenen und auf das globale Gemeinwohl ausgerichteten Politik bzw. Rechtsetzung. Weniger von Idealismus als von handfesten ökonomischen Begehrlichkeiten geprägt, und insofern als realistisch zu bezeichnen, ist wohl die Renaissance dieses Gedankens als common heritage of mankind4. Ursprünglich aus anderen Rechtsgebieten stammend, so etwa * cand. rer. soc., Tübingen / Providence (USA). 1 Vgl. K. Siehr, Nationaler und Internationaler Kulturgüterschutz. Eingriffsnormen und der internationale Kunsthandel, in: FS f. Werner Lorenz, Berlin 1991, S. 526. 2 Vgl. exemplarisch: R.H.M. Goy, The International Protection of the Cultural and Natural Heritage, in: Netherlands Yearbook of International Law 4 (1973), S. 117 ff.; S. von Schorlemer, Internationaler Kulturgüterschutz. Ansätze zur Prävention im Frieden sowie im bewaffneten Konflikt, Berlin 1992, S. 562 ff. 3 Zitiert nach W. Fiedler, Neue völkerrechtliche Ansätze des Kulturgüterschutzes, in: G. Reichelt, (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz. Wiener Symposion am 18./19. Oktober 1990, Wien 1992, S. 76. 4 Vgl. hierzu Kewenigs Stellungnahme, der dieses Prinzip überall dort auftauchen sieht, „wo es entweder um die Bewahrung, bzw. Verteilung nichtterrestrischer Räume und deshalb noch nicht einzelstaatlicher Souveränität Zugeordnerter Räume und Reichtümer oder aber um die Formulierung von Begehrlichkeiten im Nord-Süd-Dialog geht, die sich auf nicht erreich-

17 Fechner u. a.

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Markus Müller

dem Seevölkerrecht 5, fand dieser von Arvid Pardo6 geprägte Begriff rasch Eingang in den Kulturgüterschutz. Auch das wenig schmeichelhafte Schlagwort vom Kultur-Nationalismus suggeriert vermeintliche Klarheit und inhaltliche Stringenz. Doch ein genauerer und vor allem vergleichender Blick auf Ziele und Mittel einzelstaatlicher Maßnahmen zum Zwecke des Kulturgüterschutzes zeigt, daß auch dieser Ansatz ein weites und in sich keinesfalls einheitliches Feld abdeckt7. Um das Spannungsfeld zwischen den erwähnten beiden Extrempositionen behandeln zu können, teilt sich dieser Beitrag in vier Abschnitte. Zunächst werden wir uns mit der Maßstabsfindung beschäftigen: welche Zielsetzungen verfolgt der Kulturgüterschutz, welche Kriterien sind zu berücksichtigen? Danach werden die beiden Ansätze, Kultur-Nationalismus und Common Heritage-Ansatz, jeweils getrennt betrachtet und kritisch bewertet. In einem letzten Abschnitt werden wir schließlich versuchen, anhand der gewonnenen Erkenntnisse einige Hinweise auf mögliche Lösungsansätze zu diesem Spannungsfeld aufzuzeigen.

II. Warum sind Kulturgüter schützenswert? Bevor wir in der Lage sind, die beiden Ansätze hinsichtlich ihrer inhaltlichen Überzeugungskraft, praktischen Effektivität oder anderer Kriterien zu beurteilen, müssen wir uns erst über eben diese klar werden: welchen Stellenwert messen wir dem Kulturgüterschutz bei, was sind überhaupt Kulturgüter und wie können sie angesichts welcher Gefahren geschützt werden? M.a.W.: welche Absichten verbergen sich hinter dem Begriff „Kulturgüterschutz" und inwieweit wollen wir sie als legitim anerkennen? Sicherlich kann, was immer wir auch unter dem Etikett „Kulturgüterschutz" verstehen wollen, davon ausgegangen werden, daß es sich hierbei um einen Bereich staatlicher Politik handelt, der in einem Spannungsfeld zu anderen steht. Beispielhaft sei hier der freie Warenverkehr genannt. Die individuellen Eigentums- und Freiheitsrechte scheinen generell einen Antipol zu bilden, so daß wir prima facie zumindest eines feststellen können: der Kulturgüterschutz kann für sich lediglich beanspruchen, eine von mehreren Zielgrößen zu sein, die, sofern politisch eindeutige Vorgaben fehlen, nur nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in ein ausgewogenes Gleichgewicht gebracht werden können. Wir sollten uns insofern vor einer „Verabsolutierung" des Kulturgüterschutzes nicht nur aufgrund oder nicht bezahlbare Gegenstände richten." Zitiert aus W.A. Kewenig, Common Heritage of Mankind - politischer Slogan oder völkerrechtlicher Schlüsselbegriff?, in: Staatsrecht - Völkerrecht - Europarecht, FS f. Hans-Jürgen-Schlochauer zum 75. Geburtstag, Berlin und New York 1981, S. 386. 5 Vgl. ebd., S. 385, 389. 6

Vgl. ebd., S. 385. Dieser Terminus wird allerdings auch Aldo A. Cocca zugeschrieben, so etwa von R. Wolf rum, The Principle of the Common Heritage of Mankind, in: ZaöRV 43 (1983), S. 312. 7 Vgl. hierzu den 3. Abschnitt dieses Beitrages.

Kulturgüterschutz

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rechtsstaatlicher Überlegungen hüten, sondern auch deshalb, weil er mehr vielleicht als andere Bereiche von der Akzeptanz der Beteiligten abhängig ist. Die Frage der Akzeptanz von Schutzmaßnahmen sollte daher bei einer Begutachtung der unterschiedlichen Ansätze im Kulturgüterschutz nicht vernachlässigt werden. Was aber sind nun eigentlich Kulturgüter und wogegen müssen sie geschützt werden? Eine Definition des Begriffes Kulturgut ist insbesondere aus zwei Gründen problematisch8. Zum einen ist der Sprachgebrauch uneinheitlich, zum anderen sind die vorhandenen Begriffsbestimmungen gemessen an den Ansprüchen der Rechtwissenschaft häufig zu ungenau9. Betrachten wir zunächst die Begriffsvielfalt: Kulturgut, Kunstwerk, Kunst gegenständ oder Kulturerbe. Die Diskussion um die Güte der einzelnen Begriffe hat mitunter akademische Züge und führt uns letztlich nicht weiter. Von den drei erstgenannten wollen wir im folgenden Kulturgut als den umfassendsten verstehen 10. Die beispielsweise von Prott und O'Keefe geführte Diskussion um das Verhältnis von Kulturgut (cultural property) und Kulturerbe (cultural heritage) mag zwar auf den ersten Blick akademisch erscheinen. Sie führt uns jedoch zum Kern des Problems. Prott und O'Keefe sprechen sich für den Begriff des ,cultural heritage' aus, da er nicht nur die Objekte kulturellen Schaffens, sondern außerdem alle damit zusammenhängenden ,nichtmateriellen' Aspekte wie Fähigkeiten oder Gebräuche umfaßt 11. Dieser Typus von Definition, der versucht, möglichst allgemein zu bleiben und nichts a priori auszuschließen, hat eine für die Praxis wenig nützliche Konsequenz. Er spricht letztendlich jeder menschlichen Regung die Qualität eines potentiellen Kulturgutes zu. Dicke spricht folgerichtig von einer maximalist Solution und systematisiert wie folgt:

8 Vgl. A. Jaeger , Internationaler Kulturgüterschutz. Rechtslage, Rechtspraxis, Rechtsentwicklung, Köln u.a. 1993, S. 9; sowie S. von Schorlemer (Anm. 2), S. 46-86 (ausführlich); G. Reichelt, Internationaler Kulturgüterschutz - rechtliche und kulturpolitische Aspekte, Saarbrücken 1988, S. 12, 15 (insbesondere zur Uneinheitlichkeit). 9 Vgl. beispielhaft für viele dieser Definitionsversuche Geoffrey Lewis: „Cultural property represents in tangible form some of the evidence of man's origins and development, his traditions, artistic and scientific achievements and generally the milieu of which he is a part. The fact that this material has the ability to communicate, either directly or by association, an aspect of reality which transcends time or space gives it special significance and is therefore something to be sought after and protected". Zitiert nach J. Greenfield , The Return of Cultural Treasures, Cambridge u.a. 1989, S. 252. Ähnlich umfassend ist auch die Definition in Art. 1 der UNESCO-Konvention von 1970 (Convention on the means of prohibiting and proventing the illicit import, export and transfer of ownership of cultural property. 14 Nov. 1970). Zur Kritik vgl.: J. Greenfield, ebd., S. 252ff. 10 Wir folgen damit der Auffassung Jaegers, nach der „Kulturgut" der umfassendere Terminus ist, der „nahezu alles von Menschenhand Geschaffene umfaßt". Zitiert nach A. Jaeger (Anm. 8), S. 9. 11 „Currently the term »cultural heritage' is preferred as it more clearly includes the intangible cultural heritage (folklore, crafts and skills) not necessarily embodied in material objects but needing protection". Zitiert aus: L.V. Prott/P. O'Keefe, Cultural Property, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia and Public International Law, Amsterdam 1986, S. 62. 17*

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Markus Müller „On the one hand, one may include any object of any possible present or future cultural value - the maximalist Solution. On the other hand, one may restrict the catalogue to objects of a recognised high cultural value being of real importance for the respective countries - the minimalist Solution."12

Das zentrale Problem wird damit offensichtlich: einerseits sind allgemeine Definitionen zu weit, andererseits stehen restriktivere Begriffsbestimmungen wie etwa Dickes minimalist

Solution vor der Aufgabe, den recognised high cultural

value

being of real importance festzulegen. Die vermeintlich einfachste und klarste Möglichkeit ist die enumerative Auflistung derjenigen Kulturgüter, die als in welcher Form auch immer,schützenswert 4 gelten sollen. Problematisch ist hieran allerdings nicht nur, daß ,neue4 oder auch ,neu entdeckte4 Werke zunächst einmal nicht geschützt sind, also temporär,Lücken 4 auftreten können. Soll die Auswahl der Werke nicht willkürlich sein, erfordert auch dieser Ansatz die Festlegung von allgemeinen Kriterien zur Erstellung eben dieser Liste schützenswerter Kulturgüter. Ein Anhänger solch einer enumerativen Lösung kommt folglich nicht darum herum, sich Gedanken über das spezifisch Schützenswerte an Kulturgütern zu machen. Auch ein Kriterienkatalog, der etwa nach Alter, Wert oder Fundort sortiert 13, muß der Frage standhalten: treffen die ausgewählten Kriterien qualitativ und quantitativ die ,differentia specifica 4 der Kulturgüter? Legitimiert die Erfüllung einer Anhäufung solcher Topoi das besondere Schutzinteresse auch und gerade in Abwägung mit anderen Rechtsgütern? M.E. liegt das Spezifikum der Kulturgüter bzw. die einen besonderen Schutz erst legitimierende Bedeutung in ihrer funktionalen Stellung, die sie in einem Gemeinwesen einnehmen. Daher soll eine funktionale Definition Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen zum Kulturgüterschutz sein: Kulturgut ist, was die Funktionen eines Kulturgutes erfüllt. Welche Funktionen sind dies nun? Zunächst können wir feststellen: Kulturgüter sind Ausdruck gesellschaftlich und zeitlich bedingter Prozesse, die wir für gewöhnlich ,Kultur 4 nennen14. Die Art und Weise, wie dieser »Ausdruck4 Gestalt annimmt, ist dabei sekundär. Wesentlich ist aber, daß diese „Produkte44 kultureller Abläufe den Angehörigen ihres jeweiligen Kulturkreises die Möglichkeit bieten, ihre Persönlichkeit auszubilden15. Wyss spricht in diesem Zusammenhang von „Manifestationen von Menschenwürde 4416. 12 D.C. Dicke, The Instruments and the Agencies of the International Protection of Cultural Property, in: Council of Europe (Hrsg.), International Legal Protection of Cultural Property. Proceedings of the Thirteenth Colloquy on European Law. Delphi 20-22 Sept. 1983, Straßburg 1984, S. 17 ff., hierS. 19. 13 Vgl. hierzu beispielsweise R.H.M. Goy, International Protection of Cultural Property and Domestic Public Law, in: Council of Europe (Hrsg.) (Anm. 12), S. 44 ff., hier S. 54. 14 Vgl. B. Sitter-Liver, Wider das Recht des Stärkeren. Ethische Überlegungen zum Umgang mit Kulturzeugen, in: Nationale Schweizerische UNESCO-Kommission, Sektion Kultur (Hrsg.), Informationstag „Kulturgüter zwischen Markt und Museum". Bern, 2. Juli 1993. Schlußbericht, Bern 1993, S. 15. 15 Vgl. ebd.

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Es ist dies die wichtigste Funktion von Kulturgütern, ihre identitätsstiftende Wirkung 17 . Sie geben Auskunft über die historischen Wurzeln der Gegenwart und sind dabei entweder mit Symbolgehalt beladene „Verkünder des kulturellen Bekenntnisses eines ganzen Volkes" 18 (Engstier bezieht sich hier beispielsweise auf Delacroix' Freiheitsbild) oder Ausdruck allgemeiner kultureller Fähigkeiten des Menschen als Spezies. Freilich sind auch Zwischenstufen denkbar, etwa der europäische Kulturkreis oder das kulturelle Schaffen der African-Americans. Maßstab ist jedoch immer die jeweilige potentielle Bedeutung für einen kulturell-gesellschaftlichen Raum. Hierbei mögen die oben erwähnten Kriterien wie Alter oder Fundort wertvolle Anhaltspunkte liefern. Es ist dennoch immer am Einzelfall zu prüfen, ob und für wen in welchem Maße die im Sinne obiger Ausführungen dargestellte funktionale Bedeutung gegeben ist. Gleichzeitig wird hier die Problematik einer funktionalen Betrachtungsweise deutlich: ein beispielsweise in Euorpa geschaffenes Kunstwerk mag primär diesem Kulturraum zuzuordnen sein, deshalb ist es gleichwohl für andere Regionen dieser Welt nicht kulturell bedeutungslos'. Man könnte nun mittels einer „Rangliste" versuchen, nach der relativen Bedeutung einzelner Objekte für bestimmte Kulturkreise zu sortieren. Gegen die Verwendung einer solchen Liste für eine potentielle „Neuverteilung" von Kulturgütern muß aber vorgebracht werden, daß dieser Ansatz dem Sachverhalt deshalb kaum gerecht werden kann, da kunstgeschichtlich gesehen gerade von kulturellen Tauschprozessen häufig wichtige Impulse ausgingen 19 . Der erwähnten ersten Funktion ist daher eine zweite wichtige gegenüberzustellen, nämlich die des kulturellen Austausches20. Dienen Kulturgüter im Sinne der ersten dem Individuum als Objekt in dessen Sozialisations- und Enkulturationsprozess 21, so sind sie im Sinne der zweiten „Erziehungsfaktoren" zwischen kulturellen Einheiten22. Mitunter wird ihnen sogar die

16 M.P. Wyss, Kultur als eine Dimension der VÖlkerrechtsordung. Vom Kulturgüterschutz zur internationalen kulturellen Kooperation, Zürich 1992, S. 19. 17 Vgl. beispielhaft T. Fitschen, Internationaler Schutz des kulturellen Erbes der Welt, in: W Fiedler (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage. Völkerrechtliche Probleme der Auslagerung, Zerstreung und Rückführung deutscher Kulturgüter nach dem Zweiten Weltkrieg, Berlin 1991, S. 183 ff., hier S. 191 sowie zumindest implizit ebenso S. von Schorlemer (Anm. 2), S. 569 f. und S. 573, 581; E. Jayme, Die Nationalität des Kunstwerks als Rechtsfrage, in: G. Reichelt (Anm. 3), S. 7ff., hier S. 24, 28 f.; W. Fiedler, Neue völkerrechtliche Ansätze des Kulturgüterschutzes, in: G. Reichelt (Anm. 3), S. 69ff., hier S. 77; J. Greenfield (Anm. 9), S. 253; G. Reichelt (Anm. 8), S. 34, 39. 18 Zitiert aus L. Engstier, Die Territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, Köln u.a. 1964, S. 16. 19 Vgl. L. Engstier, ebd., S. 16 f. 20

Vgl. exemplarisch S. von Schorlemer (Anm. 2), S. 569 f. sowie L. Engstier (Anm. 18), S. 16 ff. 2 1 Vgl. B. Sitter-Liver (Anm. 14), S. 12 ff. 22 Zitiert aus L. Engstier (Anm. 18), S. 17.

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Bedeutung eines wertvollen Mittels zur Aufrechterhaltung des internationalen Friedens zugemessen23. Zwischen beiden Funktionen besteht ein nicht spannungsfreies Verhältnis. Dieser Umstand macht unsere Systematisierung trotzdem weder sinn- noch nutzlos. Mit der Aufstellung einer Identifikations- und einer Kommunikationsfunktion sind die praktischen Probleme, etwa die Zuordnung bei mehreren (legitimen) Ansprüchen, das Verhältnis des Kulturgüterschutzes zu anderen Rechtsgütern oder die Befugnis der Einzelfallentscheidung über das Vorliegen eines Kulturgutes im obigen Sinne zwar nicht verschwunden, nichtsdestoweniger liefert diese Betrachtungsweise einen Maßstab, mit dessen Hilfe das Grundsatzproblem, was denn ein Kulturgut überhaupt sei, in ein Verhältnismäßigkeitsproblem transformiert werden kann, d. h. ob und welches schutzwürdige Interesse im Einzelfall gegeben ist. Schließlich soll in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß weitere Funktionen denkbar sind, so beispielsweise eine ökonomische als Wertaufbewahrungsmittel. Diese dürfte allerdings m.E. keine besonderen Schutzmaßnahmen, die über den Eigentumsschutz hinausgehen, rechtfertigen. Wir wollen es im folgenden daher bei den genannten beiden Funktionen belassen. Neben der Frage der Legitimität von Maßnahmen zum Zwecke des Kulturgüterschutzes bzw. der Legitimität ihres Trägers steht das Problem der Wirksamkeit. Maßstab hierfür ist der Grad des Schutzes gegen die spezifischen Gefahren, denen Kulturgüter typischerweise ausgesetzt sind. Hier spätestens empfiehlt es sich, alle immateriellen Manifestationen' von Kultur für die folgenden Überlegungen explizit auszuklammern. Das Wissen um Brauchtum oder die Handhabung von Kulturgütern im engeren Sinne ist anderen Gefahren ausgeliefert als die Objekte. Für letztere lassen sich wohl drei Hauptfelder potentieller Gefahren benennen, welche von überragender Bedeutung sind 24 : - Natürliche Gefahren und Umwelteinflüsse, insbesondere Urbanisierungs- und Industrialisierungsprobleme sowie Natur- und sonstige Katastrophen; - bewaffnete Konflikte; - illegaler Kunsthandel. Ein flüchtiger Blick auf diese Punkte läßt vermuten, daß die Einzelstaaten einerseits und die Staatengemeinschaft andererseits in unterschiedlichem Maße fähig sind, gegen die genannten Gefahren geeignete Mittel einsetzen zu können. Ein legitimer aber ohnmächtiger Hüter des kulturellen Erbes kann jedoch kaum das gewünschte Ziel unserer Suche sein. Zu beachten ist darüber hinaus, daß die unterschiedlichen Realisierbarkeitsgrade der Ansätze im Kulturgüterschutz selbst Be23 Vgl. ebd. 24 Die Systematik wurde weitgehend von von Schorlemer übernommen, sie klammert jedoch einige weitere von ihr benannte Bereiche aus. Vgl. S. von Schorlemer (Anm. 2), S. 87 ff., 258 ff. und 387 ff.

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standteil dieses Wirksamkeitsaspekts sind: ein utopisch perfektes, praktisch aber chancenloses Konzept führt uns daher nicht weiter. Wir werden im folgenden sehen, daß, so selbstverständlich diese Prämissen sein mögen, sie gerade bei einem Vergleich von ,Kultur-Nationalismus4 und ,Common Heritage Prinzip' von besonderem Interesse sind.

I I I . Kulturgüterschutz - ein Mittel nationaler Repräsentation oder: von der Nationalität des Kunstwerks Betrachten wir Motive und Ziele nationalen Kulturgüterschutzes, so stellen wir prima facie fest, daß die Begründungen zumeist generalklauselhaft auf ein öffentliches Interesse zurückgreifen 25. Völkerrechtlich gesehen steht es jedem Staat frei, Kulturgut als national bedeutsam einzustufen und entsprechend zu schützen26. Gelegentlich wird in der Literatur ein Mindeststandard an Anforderungen diskutiert, demzufolge national bedeutsames Kulturgut einen valeur socio-culturelle essentielle pour les pays intéressés 27 haben muß. Dieser ist jedoch ausgesprochen auslegungsbedürftig. In praxi lassen sich nun Korrelationen zwischen quantitativem Ausmaß der unter Schutz gestellten Objekte, qualitativem Umfang der Schutzmaßnahmen und schließlich dem Kulturgüterreichtum bzw. -armut des jeweiligen Staates feststellen. Zum einen neigen die an Kulturgut reichen Länder eher zu strengen nationalen Gesetzen, um den Schutz bzw. Verbleib der Objekte im eigenen Land zu gewährleisten, während die an Kulturgut ärmeren Länder zu liberaleren, weniger protektionistischen oder auch überhaupt keinen Schutzgesetzen tendieren 28. Zum anderen sind es gerade diejenigen Staaten mit restriktiver Gesetzgebung, die Werke auch dann zu ihrem jeweiligen nationalen Kulturpatrimonium zählen, wenn sie sich eher aus einer Zufälligkeit denn wegen einer wie auch immer gearteten besonderen Bindung im betreffenden Land befinden 29. All das scheint den Verdacht zu bestätigen, daß die Einzelstaaten dort, wo sie es können, dazu neigen, Kulturgüterschutz als ein Mittel nationaler Repräsentation zu begreifen. Funktionale Gesichtspunkte, wie wir sie im vorangegangenen Abschnitt als Maßstab zur Bestimmung des legitimen Hüters des Kulturerbes aufgestellt haben, scheinen nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Dies gesagt, muß gleichwohl festgehalten werden, daß ein Verständnis von Kulturgüterschutz als Mittel nationaler Repräsentation nicht a priori illegitim ist. Wenn wir uns aber die hier ver25 Vgl. M.P. Wyss (Anm. 16), S. 148. 26 Vgl. J.H. Merryman, International Art Law: From Cultural Nationalism to a Common Cultural Heritage, in: New York University Journal for International Law and Politics 15 (1983), S. 757 ff. 27 Zitiert aus M.P. Wyss (Anm. 16), S. 149. 28 Vgl. G. Reichelt (Anm. 8), S. 9. 29 Vgl. hierzu den sog. Matisse-FalU nachzulesen bei E. Jayme (Anm. 17), S. 15.

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tretene funktionale Betrachtungsweise von Kulturgütern und Kulturgüterschutz vor Augen halten, so ergibt sich die Frage: was sind die Anhaltspunkte dafür, ein Kunstwerk zum nationalen Kulturgut zählen zu können, oder anders gefragt: welche Nationalität hat ein Kunstwerk? Als einer der wichtigsten Anhaltspunkte wird die Nationalität des Künstlers angeführt 30. Daneben wird auch die territoriale Bindung, also der Einschluß solcher Werke zum nationalen Kulturerbe, die sich im Inland befinden und, je nach Restriktionsgrad, von „geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung" sind 31 , als maßgebend benannt. Möglich ist darüber hinaus, eine im Inland erstellte Sammlung zum nationalen Kulturpatrimonium zu zählen, unabhängig davon, ob die Einzelstücke von einheimischen Künstlern geschaffen wurden oder eine besondere territoriale Affinität aufweisen. Auch der Erwerb mit Zustimmung des Herkunftsstaates darf wohl als legitime Grundlage zur Einrechnung eines Werkes zum nationalen Kulturgut gelten 32 . Ebenso der Verkauf jüngerer Werke durch den Künstler selbst, denn dessen Entscheidung über den Standort eines Objekte ist fraglos von besonderer Bedeutung. Greenfield weist noch auf die Relevanz von Herstellungs- und Fundort hin 3 3 . Im Spezialfall der Kultgegenstände, insbesondere wenn sie aktuell in Gebrauch sind, spielt darüber hinaus der Funktionszusammenhang eine herausragende Rolle 34 . Ingesamt gesehen wird hier deutlich, daß Kollisionen und folglich Interessensabwägungen unvermeidlich sind. Doch wie sollen diese entschieden werden? Während sich beispielsweise Nazfiger um die Erstellung einer Topik bemüht hat, welche als Prüfraster 13 entscheidungsrelevante Aspekte zusammenträgt35, betont etwa Greenfield als einziges Kriterium den strongest link 36. Wie kann das aber inhaltlich ausgefüllt werden? In Anlehnung an Jaymes Definition der Nationalität eines Kulturgutes als „das Ergebnis einer Rezeption des Kunstwerks durch eine Nation" 37 erscheint es m.E. sinnvoll, auf die Bedeutung eines Werkes für die geistig-kulturelle Entwicklung einer Nation und damit seine funktionale Stellung zu sehen, in den Worten Wyss' also seine „Qualität als Schlüssel zu Vergangenheit und Geschichte", in dem sich „chiffriert und symbolisch-konzentriert das histori30 Vgl. E. Jayme (Anm. 17), S. 9. 31 Zitiert aus E. Jayme (Anm. 17), S. 9. 32 Vgl. E. Jayme (Anm. 17), S. 25. 33 Vgl. J. Greenfield (Anm. 9), S. 256. 34 Vgl. E. Jayme (Anm. 9), S. 26; weitere Möglichkeiten listet Wyss auf. Vgl. hierzu M.P. Wyss (Anm. 16), S. 148 ff. 35 Vgl. J.A.R. Nazfiger , An Anthro-Apology for Managing the International Flow of Cultural Property, in: Houston Journal for International Law 4 (1982), S. 189ff, hier S. 194 und ders., The New International Legal Framework for the Return, Restitution or Forfeiture of Cultural Property, in: New York University Journal for International Law and Politics 15 (1983), S. 789 ff., hierS. 807. 36 Vgl. J. Greenfield (Anm. 9), S. 256. 37 E. Jayme (Anm. 17), S. 26.

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sehe Werden und Wachsen eines Staates und damit dessen Prestige und Würde" 38 spiegelt. Anders formuliert ist also das Moment der identitätsstiftenden Wirkung entscheidend. Die vorher erwähnten Anknüpfungspunkte wie etwa die Rationalität des Künstlers' mögen dabei Hinweise liefern. Sie sind jedoch nicht der eigentliche Maßstab, denn nicht jedes beispielsweise von einem deutschen Künstler geschaffene Objekt gehört automatisch zum deutschen Kulturerbe 39. Vielmehr ist die Rezeptionsgeschichte entscheidend. Wie sind nun die nationalen Schutzmaßnahmen hinsichtlich Art und Umfang zu bewerten? Ohne hier einen detaillierten Vergleich zu liefern, wollen wir zunächst die beiden Extrempositionen betrachten. Auf der einen Seite steht das generelle Ausfuhr- und Verfügungsverbot, auf der anderen die völlige Dispositionsfreiheit 40. Während einige Länder ihr Kulturgut zu öffentlichem Eigentum erklären, fehlen in anderen Schutzvorschriften überhaupt 41. Dazwischen lassen sich verschiedene Grade von Jmmobilisierungs versuchen4 ausmachen und man darf wohl die deutsche Verbotsregelung mit Erlaubnisvorbehalt in diese mittlere Gruppe einordnen. Wenngleich auch diesem durch Selbstbeschränkung gekennzeichneten Verfahren in der Literatur eine höhere Wirksamkeit als den ,groß angelegten Entwürfen 4, die letztlich an ihren eigenen Kontrollverfahren leiden 42 , bescheinigt wird, so steht es doch prinzipiell vor denselben Problemen wie die anderen. Hier sind vor allem die beiden letzten Gefahrenkomplexe unserer Auflistung im vorangegangenen Abschnitt zu nennen: der illegale Kunsthandel und die bewaffneten Konflikte. Nicht nur, daß in einem Europa ohne Grenzen die Verhinderung illegalen Exports an ihre praktischen Grenzen stößt, auch auf juristischer Ebene ist festzustellen, daß aufgrund rechtlicher Regelungen in einigen Staaten dort illegal importiertes Kulturgut zu rechtmäßigem Privateigentum wird 4 3 . In ähnlicher Weise ist der nationale Kulturgüterschutz ohne internationale Kooperation in Situationen des bewaffneten Konflikts machtlos. Unter dem Aspekt der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen gesehen, müssen wir feststellen, daß, unabhängig von der Frage, ob der nationale Kulturgüterschutz sinnvoll oder legitim ist, erhebliche Defizite bestehen. Hinsichtlich der Legitimität jedoch kann man dem nationenbezogenen Ansatz eine gewisse Plausibilität nicht absprechen. Die einzelnen Kulturgüter haben nicht zu jedem Gebiet dieser Erde eine gleichmäßig starke Bindung, ihre Rezeption verläuft regional unterschiedlich. Insofern ist es

38 Zitiert aus M.P. Wyss (Anm. 16), S. 145. 39 Vgl. E. Jayme (Anm. 17), S. 26. 40 Vgl. R. Mußgnug, Das Kunstwerk im Internaionalen Recht, in: R. Mußgnug (Hrsg.), Kunst und Recht, Heidelberg 1985, S. 15 ff, hier S. 22; im übrigen sei auf zahlreiche Beiträge zum internationalen Vergleich hingewiesen. 41 Vgl. M.P. Wyss (Anm. 16), S. 153 ff. 42 Vgl. etwa R. Mußgnug (Anm. 40), S. 22. 43 Vgl. A. Jaeger (Anm. 8), S. 107 ff. sowie R. Mußgnug (Anm. 40), S. 18 ff., hier vor allem S. 20.

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sinnvoll, sie zunächst einmal als in ihr jeweiliges geistig-kulturelles Umfeld gehörig zu betrachten. Damit kann allerdings nicht eine Monopolisierung hinsichtlich Zugang oder Forschungstätigkeit einhergehen. Der kulturelle Austausch darf nicht zu einer Residualgröße verkümmern. Zusammenfassend können zwei große Problembereiche eines nationenbezogenen Kulturgüterschutzes aggregiert werden. Zum einen bestehen Interessenkonflikte mit anderen Staaten oder auch der Völkergemeinschaft insgesamt, denn die Zuordnung ist nicht stringent und einheitlich zu bewerkstelligen, ein Umstand, der mit dem Wesen der Kulturgüter naturgemäß zusammenhängt. Zum anderen sind Ineffizienzen insbesondere hinsichtlich des illegalen Kunsthandels und bei bewaffneten Konflikten zu beobachten. Hier stößt ein die Staatengemeinschaft ignorierender Ansatz notwendigerweise an seine Grenzen. Es dürfte sich auch dabei um ein immanentes Problem dieser staatenbezogenen Position handeln, das nicht allein innerhalb nationalen Rechts lösbar ist. Vor dem Hintergrund dieser Probleme wollen wir uns im folgenden Abschnitt mit einem Vorschlag beschäftigen, der, das nationale Recht transzendierend, einige fundamentale Neuerungen verspricht.

IV. Kulturgüterschutz - Wahrung des Gemeinsamen Erbes der Menschheit? Die historische Entwicklungslinie des Common Heritage of Mankind-Gedankens beginnt bereits mit einer Studie aus dem Jahre 1939, die noch unter den Ägiden des Völkerbundes entstand44. 1945 wurde von Brasilien auf der Dumbarton Oaks Konferenz ein Zusatzartikel zu Kap. IX der UN-Charta vergeblich vorgeschlagen, der Kultur als gemeinsames Menschheitserbe verstanden haben wollte und zu diesem Zweck die Schaffung eines entsprechend institutionell verankerten Gremiums forderte 45. Dieser Vorschlag wurde damit zum Wegbereiter der UNESCO 4 6 . Im Haager Abkommen für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14. 5. 1954 (Haager Konvention) wurde der Begriff des cultural heritage of all mankind erstmals positivrechtlich aufgegriffen 47 und gelangte in der Folgezeit auch ins Friedens Völkerrecht 48. Die Haager Konvention schafft zum einen einen allgemeinen Schutz für Kulturgüter, zum anderen stellt sie solche Objekte unter , Sonder schütz4, die im Internationalen Register für Kulturgut unter Sonderschutz aufgeführt sind 49 . Die Eintragung wirkt konstitutiv. Wir werden im 44 Vgl. S.A. Williams, The International and National Protection of Movable Cultural Property - A Comparative Study, New York 1978, S. 53 sowie T. Fitschen (Anm. 17), S. 185 ff. 45 Vgl. Y. Trintigan, La protection internationale des biens culturels en temps de paix, Paris 1974, S. 158. 4 6 Vgl. S.A. Williams (Anm. 44), S. 53 sowie T. Fitschen (Anm. 17), S. 185 ff. 47

Vgl. Haager Konvention Art. 1. « Vgl. S.A. Williams (Anm. 44), S. 53 f. 4 9 Vgl. M.P. Wyss (Anm. 16), S. 89. 4

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folgenden noch die Wirksamkeit dieses Schutzes angesichts neuerer bewaffneter Konflikte zu betrachten haben. Im übrigen beschäftigt sich dieser Beitrag weiter jedoch nur noch mit friedensvölkerrechtlichen Manifestierungen. Hierzu zählt die schon erwähnte UNESCOKonvention von 1970, die man kaum treffender als mit den Worten Williams charakterisieren kann: „This is the first multinational Convention whose aim is to protect cultural property from destructive threats in time of peace. It refers, however, not to international culture but to national culture (Hervorhebung, d.A.) [.. .]." 5 0

Handelt es sich also vielleicht überhaupt nicht um einen „neuen" Ansatz, sondern lediglich um einen Optimierungsversuch auf der Basis des bestehenden »Kultur-Nationalismus' ? Dolzer extrahiert dies als eine von zwei gegenläufigen Ausprägungen des Common Heritage Prinzips 51. Wir können dies wohl zumindest als eine Zweckabsicht internationaler Zusammenarbeit systematisch unterscheiden und herausgreifen 52. Hierzu sind u.a. auch die Bemühungen um die Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts (vergleiche UNIDROIT 53 ) zu rechnen. Da die UNESCO-Konvention von 1970 jedoch von einer Vielzahl westlicher Staaten, so auch der Bundesrepublik Deutschland, nicht ratifiziert wurde, wollen wir sie hier nicht weiter betrachten. Der eigentlich interessante, weil im Ansatz neue, „Strang" ist die zweite systematisch unterscheidbare Zweckabsicht internationaler Kooperation, die auf den universalen Charakter des Kulturerbes und seine Bedeutung für die Menschheit in toto abstellt. Sie geht inhaltlich davon aus, daß das Interesse am Erhalt von Kulturgut global ist und nicht an den Staatengrenzen endet. Ebenso wie ein weltweites Interesse an der Einhaltung etwa der Menschenrechte besteht, so darf auch nicht der Kulturgüterschutz in das freie Belieben der einzelnen Länder gestellt werden. Daraus abgeleitet ist die Vorstellung, daß jeder Staat sich gewisse Beschränkungen in seiner Herrschaftsausübung wegen übergeordneter, globaler Interessen auferlegt 54.

50 S.A. Williams (Anm. 44), S. 54. 51 Vgl. R. Dolzer, Die Deklaration des Kulturguts zum ,common heritage of mankind', in: R. Dolzer/E. Jayme/R. Mußgnug (Hrsg.), Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, Heidelberg 1994, S. 13 ff., hier S. 16. 52 Vgl. auch exemplarisch K. Siehr (Anm. 1), S. 532; B. Schutter, The Harmonisation of Criminal Law and International Criminal Cooperation as Instruments of Protection, in: Council of Europe (Anm. 12), S. 72 ff.; J. Greenfield (Anm. 9), S. 258. 53 Vgl. beispielhaft A. Jaeger (Anm. 8), S. 131 ff. sowie K. Siehr, Zivilrechtliche Fragen des Internationalen Kulturgüterschutzes, in: G. Reichelt (Hrsg.) (Anm. 3), S. 41 ff.; G. Reichelt (Anm. 8); ders., Die Vereinheitlichung des privatrechtlichen Kulturgüterschutzes durch den UNIDROIT-Vertragsentwurf, in: Heidelberger Symposion Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes' (Juni 1990), Heidelberg 1990. 54 Vgl. M.P. Wyss (Anm. 16), S. 120.

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Zur inhaltlichen Ausfüllung dieser Absicht gab es eine Reihe von Vorschlägen, welche die Literatur immer wieder aufgreift. So postuliert Merryman die Schaffung möglichst umfassender Zugangsmöglichkeiten zu den Kulturgütern, deren bestmögliche Erhaltung sowie Erforschung und insoweit die Überwindung restriktiver nationaler Export- und Handelsbeschränkungen55. Daneben wird von der Etablierung des Treuhand-Gedankens berichtet, demzufolge die Staaten lediglich „Verwalter" der als schützenswert erachteten Kulturgüter mit der Pflicht seien, diese den künftigen Generationen vollständig zu übergeben56. Ausgehend davon wurden rasch Fragen einer abgestuften Eigentumsordnung aufgeworfen, die zwar mitunter detailliert ausgearbeitet, faktisch jedoch nicht realisiert wurden 57 . Mit dem UNESCO Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt aus dem Jahre 1972 (UNESCO-Konvention von 1972) als dem wichtigsten positivrechtlichen Ansatz in diesem Bereich beschritt man einen gemäßigteren Weg. Hier wurde versucht, die idealtypische Vorstellung von einer Erhaltung der Kulturgüter im Interesse aller Völker der Welt mit den realen Gegebenheiten zu kombinieren. Gemäß Art. 6 Abs. 1 erkennen die Staaten unter voller Achtung der einzelstaatlichen Souveränität und unbeschadet der innerstaatlichen Eigentumsordung an, daß jeder einzelne Bestandteil des Kulturguts Teil des kulturellen Welterbes ist, zu dessen Schutz die internationale Staatengemeinschaft zusammenarbeiten muß 58 . Dies manifestiert sich konkret darin, daß sich die Vertragsparteien verpflichten, gegenseitig bei der Erfassung, dem Schutz und der Erhaltung des Kulturerbes Beistand und gegebenenfalls Hilfe auf finanziellem, künstlerischem, wissenschaftlichem oder technischem Wege zu leisten59. Deutlich werden insbesondere drei Punkte. Erstens, Ziel ist zunächst die Erhaltung im Interesse aller Völker der Welt. Doch wie läßt sich das Interesse der Menschheit, geographisch-global und zeitlich über die Generationen hinweg, feststellen? Wer soll darüber entscheiden60? Die „Menschheit" ist als Rechtssubjekt nur schwer faßbar 61. All dies verdeutlicht die Schwierigkeiten, die bereits mit der 55 Vgl. J.H. Merryman (Anm. 26), S. 759; ähnlich auch Bischoff, F., Kunstrecht von A-Z, München 1990, S. 1; J.L. King, Cultural Property and National Sovereignty, in: P.M. Messenger (Hrsg.), The Ethic of Collecting Cultural Property: Whose Culture? Whose Property? Albuquerque 1990, S. 199; hingegen eher kritisch bezogen auf das deutsche Recht und seine Unzulänglichkeiten bei archäologischen Kleinfunden: F. Fechner, Rechtlicher Schutz archäologischen Kulturguts, Berlin 1991, S. 24. 56 Vgl. S. von Schorlemer (Anm. 2), S. 564 f. 57 Zur abgestuften Eigentumsordnung vgl. A. Elsen, Why Do We Care About Art?, in: Hastings Law Journal 27 (1976), S. 951 ff., hier S. 953; zu einzelnen Vorschlägen vgl. auch Koumantos, G., International Legal Protection of Cultural Property, in: Council of Europe (Anm. 12), S. 3 ff., hier S. 13 f.; S.A. Williams (Anm. 44), S. 64. Zur faktischen (Nicht-)Umsetzung vgl. exemplarisch S. von Schorlemer (Anm. 2), S. 583. 58 Vgl. S. von Schorlemer (Anm. 2), S. 134. 59 Vgl. ebd. 60 Vgl. hierzu kritisch T. Fitschen (Anm. 17), S. 207 sowie M.P. Wyss (Anm. 16), S. 120.

61 Vgl. S. von Schorlemer (Anm. 2), S. 129 sowie R. Dolzer (Anm. 51), S. 20 ff.

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selbstgestellten Zielsetzung verbunden sind. Die Konvention spricht darüber hinaus zunächst nur den Einzelstaat an, für die Sicherstellung von Erfassung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit des im jeweiligen Hoheitgebiet befindlichen Kulturgutes und damit dessen Weitergabe an zukünftige Generationen zu sorgen 62 . Die Staatengemeinschaft wird erst bei einem Ersuchen um Hilfe tätig. Sie respektiert dabei die Souveränität des betroffenen Staates in vollem Umfange. Die Unterstützungsmaßnahmen sind dabei abhängig nach Art und Umfang von der Eintragung entsprechenden Kulturgutes in die vom World Heritage Committee geführte Liste 63 . Ohne weiter Details besprechen zu wollen 64 , wird damit ein zweites Hauptproblem deutlich: mangels Sanktionsinstrumentarium läuft der eigentlich intendierte Welterbe-Charakter ins Leere 65 . Die vergleichsweise breite Akzeptanz wird mit eigener Machtlosigkeit bezahlt66, es handelt sich also um kein internationales Schutzregime, sondern ein zu den einzelstaatlichen Maßnahmen subsidiäres, wenngleich auch rechtsverbindliches Kooperationsabkommen 61. Das kulturelle Welterbe ist gleichzeitig auch immer Teil des nationalen Kulturpatrimoniums 68. Eine Internationalisierung wurde gerade nicht vereinbart 69. Wir erreichen damit drittens den großen Bereich der rechtsdogmatischen Problematik. Mit der generellen rechtlichen Qualität des Common Heritage Prinzips haben sich unabhängig vom Kulturgüterschutz eine Reihe von Autoren beschäftigt 70. Fraglich scheint insbesondere, welchen Stellenwert bzw. Verpflichtungscharakter das Prinzip einnimmt. M.a.W. ist es beispielsweise trotz der kurzen Zeitspanne seit seiner ersten Erwähnung bereits Teil des Völkergewohnheitsrechts? Als allgemeines Rechtsprinzip bleibt der Ansatz ebenso umstritten wie der Versuch seiner Ausdehnung auf andere Sachgebiete71. Dabei stehen diese dogmatischen Schwierigkeiten eng in Zusammenhang mit den intendierten Zielen und Motiven des Common Heritage Prinzips. White nennt etwa in diesem Zusammenhang in erster Linie die Ansprüche der Dritten Welt auf Teilhabe am Fortschritt bzw. der Ressourcenverteilung sowie die souveränitätsbeschränkenden praktischen Konsequenzen, die das 62 Vgl. Art. 4 Satz 2, 2. HS der UNESCO-Konvention von 1972. 63 Vgl. S. von Schorlemer (Anm. 2), S. 141, 135 sowie R. Mußgnug (Anm. 40), S. 34. 64

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Vgl. hierzu ausführlich S. von Schorlemer (Anm. 2), S. 128 ff. Vgl. hierzu T. Fitschen (Anm. 17), S. 195 f. Vgl. hierzu T. Fitschen (Anm. 17), S. 205. Vgl. M.P. Wyss (Anm. 16), S. 127 f. Vgl. T. Fitschen (Anm. 17), S. 208. Vgl. ebd. sowie M.P. Wyss (Anm. 16), S. 131.

70 So zum Beispiel L. Hannikainen, Preemptory Norms (Ius Cogens), in: International Law. Helsinki 1988, insbesondere S. 595; R.L. Wolfrum, a.a.O. (Anm. 6), S. 336; C. Breining-Kaufman, Hunger als Rechtsproblem - Völkerrechtliche Aspekte eines Rechts auf Nahrung, Zürich 1991, S. 135; W.A. Kewenig, a.a.O. (Anm. 4), S. 402. 71 Vgl. W.A. Kewenig, a.a.O. (Anm. 4), S. 405 sowie T. Fitschen, Gemeinsames Erbe der Menschheit, in: R. Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, München 1991, S. 211 ff., hier Rz 4.

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Prinzip bei einer konsequenten Umsetzung mit sich bringen müßte72. Dies betrifft in besonderer Weise auch seine Anwendung im Kulturgüterbereich. Die Parallele zu den Teilhabeansprüchen der Staaten der dritten Welt besteht hier vor allem in den entsprechenden Restitutionsforderungen 73. Dabei wurden, über moralische Appelle an ehemalige Kolonialstaaten hinaus keine rechtsverbindlichen Bestimmungen über die Notwendigkeit und Angemessenheit von Rückforderungsansprüchen etabliert. Es zeigt sich, daß die Übertragung dieses Prinzips von staatsfreien Räumen 74, die ihren internationalen Status behalten sollen und deren Nutzung im Sinne der Weltgemeinschaft unter Einschluß und besonderer Berücksichtigung der Entwicklungsländer erfolgen soll, auf andere Bereiche, die einem Rechtskreis bereits zugeordnet sind, das obige Problem der Interessenkollision noch verstärkt. Letzteres ist im Falle des Kulturgüterschutzes gegeben. Die erwähnten (potentiell) souveränitätsbeschränkenden praktischen Konsequenzen, nach White die zweite für die dogmatischen Schwierigkeiten verantwortliche Komponente, sind auch im Bereich des Kulturgüterschutzes zu beachten. Dolzer stellt fest, daß das Common Heritage Prinzip „nur in engen Grenzen auf den Bereich der Kulturgüter übertragen werden kann, weil das Prinzip hier in Konkurrenz mit anderen rechtlich anerkannten Strukturen und Rechtssubjekten steht, ohne daß die Zuordnung des Prinzips zu diesen Rechtsverhältnissen geklärt werden konnte" 75 . Dies gilt auch und gerade hinsichtlich fundamentaler Prinzipien des Völkerrechts 76, so daß es fraglich erscheint, ob und inwieweit ein Ausbau des Welterbe-Gedankens überhaupt möglich und wünschenswert ist. Unbeschadet solcher grundsätzlicher Überlegungen stellt sich auch hier die Frage nach der rechtlichen Qualität. Handelt es sich um einen ,rechtlichen Rahmen4 zur Interpretation von Regeln auf allen Ebenen des Völkerrechts betreffs Kulturgüter oder ist die Entfaltung von Rechtsfolgen für diejenigen Rechtsfragen, die in den entsprechenden Verträgen nicht ausdrücklich erwähnt wurden, ausgeschlossen77? Angesichts der positivrechtlichen Ausgestaltung dieses Ansatzes in der UNESCO-Konvention von 1972 ist man allerdings geneigt, die Priorität dieser rechtsdogmatischen Problematik als sekundär zu werten, denn selbst bei einer großzügigen extensiven Auslegung im Sinne des Kulturgüterschutzes zeigt sich die relative Wirkungslosigkeit. Grund hierfür ist, wie bereits gesehen, die Tatsache, daß die Konvention eher arm an Rechtsfolgen ist. Man muß wohl Dolzer zustimmen, wenn er meint: 72 Vgl. M.V. White, The Common Heritage of Mankind: An Assessment, in: Case Western Reserve Journal of International Law 14 (1982), S. 509 ff., hier S. 538. 7 3 Vgl. R. Dolzer, a.a.O. (Anm. 51), S. 20 f. 74 Vgl. ebd. 75 R. Dolzer, a.a.O. (Anm. 51), S. 24. 76 Vgl. etwa R. Wolfrum, a.a.O. (Anm. 6), S. 326. 77 Vgl. R. Dolzer, a.a.O. (Anm. 51), S. 17.

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„Der Begriff des Gemeinsamen Erbes verkörpert eher einen Tatbestand als eine Rechtsfolge." 78 Die Schwierigkeiten Tatbestand und Rechtsfolge im Kulturgüterbereich zusammenzubringen sind nicht verwunderlich: es handelt sich hier eben nicht um eine res nullius oder res communis. Und angesichts unserer Begriffsbestimmung wäre dies auch gar nicht wünschenswert. Es macht dies einen bedeutenden Teil des Wesens der Kulturgüter aus, nämlich deren „sozio-kultureller Identifikationswert" für ein bestimmtes Volk, eine Nation, eine Region oder auch einen spezifischen Staat. Kulturgüter beziehen ihren besonderen Charakter, der sie über andere, rein ökonomische Güter stellt, gerade aus diesem funktionalen Zusammenhang. Der Versuch, Kulturgüter als Common Heritage zu begreifen, steht damit vor einem ansatzimmanenten Dilemma: einerseits soll jede Nation ihre eigene kulturelle Identität mittels dafür geeigneter Objekte bewahren dürfen, andererseits verlangt ein diesem Partikularinteresse übergeordnetes Interesse der ,gesamten Menschheit' zumindest nach wirksamer physischer Erhaltung bzw. Sicherung ausgewählter Kulturgüter 79 . Dieses Dilemma, das in starker inhaltlicher Beziehung zu der anfangs erwähnten Gegenläufigkeit in den Zielsetzungen des Common Heritage Prinzips steht, verhindert damit m.E. die Etablierung dieses Ansatzes als umfassende Alternative zum bisherigen ,Kultur-Nationalismus'. Auch ein abschließender kurzer Blick auf die kriegsvölkerrechtliche Ausprägung in der Haager Konvention von 1954 bestätigt wohl diese eher pessimistische Einschätzung. Hält man sich die gerade in jüngster Zeit immer wieder berichtete massive Mißachtung einzelner Schutzbestimmungen vor Augen, die mitunter im Mißbrauch der UNESCO-Kennzeichnung als „Zielscheibe" für Angriffe gipfelt 80 , so zeigen sich hier deutlich die Grenzen einer ohne Sanktionsmittel ausgestatteten Regelung81. Wir wollen im folgenden Schlußteil sehen, ob und gegebenfalls welche Elemente dieses Ansatzes trotz aller besprochenen Einwände und Probleme für die Ziele des Kulturgüterschutzes maßgeblich und insofern weiterhin beachtenswert sein können.

V. Schlußteil und Ausblick Weder der,Kultur-Nationalismus' noch das ,Common Heritage Prinzip' können für sich in Anspruch nehmen, den Anforderungen des Kulturgüterschutzes umfassend gerecht zu werden. Das Konzept des Schutzes nationalen Kulturpatrimoniums 78 R. Dolzer, a.a.O. (Anm. 51), S. 15. 79 Vgl. hierzu auch M.P. Wyss, a.a.O. (Anm. 16), S. 139. so Vgl. hierzu etwa DER SPIEGEL 50/1991, Blauweiße Zielscheibe, S. 208. 8i Vgl. auch Prott, L.V., Kulturgüterschutz - Neue Aktionen der UNESCO, in: G. Sladek, Das kulturlle Erbe im Risiko der Modernität. Salzburger Symposion 1992, Wien 1993, S. 103 ff., hier S. 105.

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unter völliger Negierung aller internationaler Bindungen leidet m.E. vor allem unter drei Schwachstellen: Definitions- und Zuordnungsprobleme, ungelöste Interessenkonflikte und schließlich erhebliche Unwirksamkeit hinsichtlich transnationaler Probleme. Die Schwachstellen des Common Heritage Prinzips hingegen liegen vor allem auf den folgenden Gebieten: ungeklärte rechtliche Qualität bzw. Stellenwert im Völkerrecht, offensichtlich unterschiedliche, mitunter gegenläufige Regelungsziele, ein juristisch schwer faßbares Rechtssubjekt „Menschheit", das weitgehende Fehlen von Rechtsfolgen in praxi sowie die völkerrechtlich problematischen Erweiterungspotentiale. Die Problemfelder sind dabei ebenso wie im Falle des Kultur-Nationalismus' nicht voneinander unabhängig, sondern bedingen sich vielmehr gegenseitig. In der Literatur wird versucht, von beiden Seiten aus Verbesserungsvorschläge zu geben. Da die Unzulänglichkeiten des nationalen Kulturgüterschutzes vor allem im transnationalen Bereich liegen, wird hier zuvorderst eine internationale Harmonisierung postuliert 82. Inhaltlich intendieren diese Forderungen häufig eine Lockerung von Handelsrestriktionen, die Begrenzung der gesetzlichen Anwendungsbereiche auf zentrale Stücke oder die Zulassung von Dubletten zum Handel. Insgesamt sollen die vorhandenen Mittel, in Abhängigkeit von der Finanzkraft des jeweiligen Staates, auf die wirklich wesentlichen Stücke konzentriert werden. Gelegentlich gibt es auch Vorschläge zur Verbesserung der verwaltungsmäßigen Infrastruktur, etwa durch eine Spezialausbildung für Beamte in kulturbezogenen Arbeitsfeldern 83. Neben den Effektivitätsgesichtspunkten („Entkriminalisierung des Kunsthandels"84 stehen dabei auch inhaltliche Überlegungen, etwa verwirklicht in der Forderung nach einer Erleichterung des Kulturgüteraustausches 85, im Raum. Die Vorschläge zur Behebung der Defizite des Common Heritage Ansatzes sind noch zahlreicher. So werden etwa die Aufstellung umfassender Erhaltungspflichten sowohl für die Eigentümer als auch die Staatengemeinschaft, gegebenenfalls verbunden mit Ersatzpflichten, sowie die Verhinderung von Zerstörung eigenen Kulturgutes durch die rechtliche Gleichstellung von in- und ausländischen Kulturgütern mittels entsprechender Anwendung von Mindeststandards des völkerrechtlichen Fremdenrechts, die einheitliche Regelung von Restitutionsforderungen, die Förderung des kulturellen Austausches, die Möglichkeit der Intervention zur Rettung von Kulturgut und ein finanzieller Lastenausgleich gefordert 86. Desweiteren

82 Vgl. E. Herscher, International Control Efforts: Are There Any Good Solutions? P.M. Messenger, a.a.O. (Anm. 55), S. 117 ff., hier S. 123. 83 Vgl. M.P. Wyss, a.a.O. (Anm. 16), S. 156. 84 Vgl. M.P. Wyss, a.a.O. (Anm. 16), S. 152. 85 Vgl. W. Rudolf \ Über den internationalen Schutz von Kulturgütern, in: Staat und Völkerrechtsordnung. FS f. Karl Doehring, Berlin 1989, S. 853 ff., hier S. 868. 86 Vgl. S. von Schorlemer, a.a.O. (Anm. 2), S. 567, 569, 586 mit ihrer Relativierung S. 573 ff.

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wird vorgeschlagen, die Eigentumsrechte zwar unberührt zu lassen, aber deren Ausübung einzuschränken 87, etwa durch die Einführung einer besonderen „Gemeinnützigkeitspflicht" 88. Für das Kriegs Völkerrecht wird vor allem die Ahndung mittels Völkerstrafrecht sowie die Ausweitung der Kontrollbefugnisse der UNESCO gefordert 89. Wyss nimmt schließlich eine erwähnenswerte Mittelposition zwischen ,Kultur-Nationalismus 4 und ,Common Heritage Ansatz4 ein, indem er die „Internationalisierung des nationalen Kulturgüterschutzes 44 postuliert 90. Inhaltlich zu charakterisieren ist dieser Vorschlag durch eine objektzentrierte Betrachtungsweise (primaute de Vobjet) unter Einschluß des erwähnten „sozio-kulturellen Identifikationswertes 4491 sowie eine Erleichterung des Austausches von Kulturgut 92 . Nach meinem Ermessen sollten drei erfolgversprechende Verbesserungsansätze weiter verfolgt werden: Erstens, die Selbstbeschränkung staatlicher Schutzmaßnahmen und -Vorschriften auf ausgewählte Stücke. Eine Generalisierung des nationalen Kulturgüterschutzes ist weder inhaltlich aus Sicht einer funktionalen Definition noch unter Effektivitätsgesichtspunkten zu rechtfertigen. Die zur Verfügung stehenden Ressourcen sollten auf die wirklich wesentlichen Stücke konzentriert werden. In diesem Zusammenhang ist ein abgestuftes Modell denkbar, das zwischen verschiedenen Stufen der Schutzwürdigkeit unterscheidet. Die ,Spitzenobjekte4 sollten sich in Staatseigentum befinden, wenn sie denn für die kulturelle Identität des entsprechenden Landes tatsächlich von unersetzlicher Bedeutung sind. Zu ihrem verbesserten Schutz, insbesondere hinsichtlich des Zivilrechts, ist auch über die Möglichkeit einer Einführung der öffentlichen Widmung nachzudenken93. Eine Fortsetzung der Verbotsregelung mit Erlaubnisvorbehalt, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland praktiziert wird, ist für wichtige Objekte, die aber dennoch unterhalb der erstgenannten Ebene anzusiedeln sind, zu befürworten. Für alle übrigen Kulturgüter scheint der Eigentumsschutz, wie er in der Bundesrepublik etwa in Art. 14 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verankert ist, im Hinblick auf die Gefahren des physischen Untergangs bzw. illegalen Kunsthandels ausreichend. Private Eigentümer sind durchaus Willens und zumeist auch in der Lage, die in ihrem Besitz befindlichen Objekte hinreichend zu schützen. Eine „Kriminalisierung 44 des Kunstmarktes führt allenfalls zur Etablierung eines Schwarzmarktes', der den Überblick über die im Umlauf befindlichen Stücke nur erschwert. 87 Vgl. M.P. Wyss, a.a.O. (Anm. 16), S. 171. 88 Vgl. G. Sailer, Kulturgüterschutz und Denkmalschutz, in: G. Reichelt, a.a.O. (Anm. 3), S. 108 ff., hierS. 109. 89 Vgl. etwa L.V. Prott, a.a.O. (Anm. 81), S. 116. 90 Vgl. M.P. Wyss, a.a.O. (Anm. 16), S. 171. 91 Vgl. M.P. Wyss, a.a.O. (Anm. 16), S. 143. 92 Vgl. M.P Wyss, a.a.O. (Anm. 16), S. 171 f. 93 Vgl. hierzu G. Reichelt, a.a.O. (Anm. 8), S. 14 sowie R. Mußgnug, a.a.O. (Anm. 40), S. 22. 18 Fechner u. a.

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Zweitens sollte die Zusammenarbeit der Museen gestärkt und gefördert werden. Denkbar ist in diesem Zusammenhang auch, die UNESCO mit der Funktion einer Evidenzzentrale zur Verbesserung des internationalen Informationsaustausches zu beauftragen. Dies kann mit zwei weiteren Aufgaben gekoppelt werden. Zum einen mit einer „Erziehungsfunktion 4', um für die Belange des Kulturgüterschutzes weiterhin zu werben und zu sensibilisieren, zum anderen mit der Verwaltung und Verteilung von finanziellen Mitteln zur Kulturerhaltung. Beide Aufgaben werden von der UNESCO bereits wahrgenommen, können m.E. aber noch wesentlich ausgebaut werden. Wenn wir auch im vorangegangenen Abschnitt zu einem insgesamt eher pessimistischen Urteil über den ,Common Heritage Ansatz' gekommen sind, so bleibt doch ein positiver Aspekt zu beachten: die UNESCO-Konvention von 1972 bzw. die Führung der entsprechenden Listen durch die UNESCO haben durchaus eine sensibilisierende Wirkung auf die einzelnen Staaten ausgeübt. Auch wenn die „harten" juristisch greif- und durchsetzbaren Rechtsfolgen für Verstöße fehlen, ist die Konvention doch nicht völlig folgenlos geblieben. Die ,Stigmatisierung' von Kulturgutzerstörung als moralisch verwerfliche Handlung hat durchaus ihre Wirkung. Auf diese, wenn man so will, „weiche" Komponente im internationalen Kulturgüterschutz sollte daher nicht verzichtet werden. Es ist dies ein wesentliches Wirkungsprinzip von internationalen Regimen, denen ein Sanktionsinstrumentarium fehlt, und, folgt man etwa Shaws Einschätzung94, keineswegs ein erfolgloses 95. Die finanzielle Unterstützung von Erhaltungsmaßnahmen als eine mittlerweile für eine Reihe von Staaten wesentliche Hilfe im Kampf gegen den physischen Verfall ihrer Kulturgüter sollte überdacht werden. Hier sollten sich die Einzelstaaten insgesamt eher zurücknehmen und von der Sachkompetenz der UNESCO profitieren. Dies betrifft sowohl die zahlenden als auch die empfangenden Länder. Die Übertragung von Kompetenzen an Museen bzw. die UNESCO bietet die Möglichkeit, den Weg für pragmatische Lösungen (etwa im Bereich des Kulturaustausches zwischen den Museen) zu öffnen und beispielsweise die Hilfsmaßnahmen für die Staaten der Dritten Welt zu verstetigen. Drittens erscheint es schließlich angesichts der Geschehnisse im früheren Jugoslawien und trotz einer positiven Bewertung der „weichen" Komponente weiter oben notwendig, den Aufbau eines Kontroll- und Sanktionsinstrumentariums zu forcieren. Es gibt offenbar Situationen, in denen eine im wesentlichen auf ,good will' basierende internationale Regelung versagt. Hier kann eine frühzeitige Kontrolle und gegebenenfalls rechtliche Ahndung der Verstöße Abhilfe schaffen. Aller94 Vgl. M.N. Shaw, International Law, Cambridge (England) 1990, S. 7 ff. 95

Methodologisch sollte an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß bei der Betrachtung bzw. Evaluierung internationaler Schutzregime häufig nur auf die Verstöße gegen sie geachtet wird. Darüber wird meistens vergessen, daß sie in einer Unzahl anderer Fälle, in denen es nie zu einem Verstoß kommt, durchaus wirksam sind. Das methodische Dilemma diese Fälle zu identifizieren wird nicht selten gleichgesetzt mit ihrem Nicht-Vorhandensein.

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dings dürfte unter dem Gesichtspunkt der Realisierbarkeit gerade dieser Aspekt einige Problem aufwerfen. Zusammengefaßt ist m.E. ein Abrücken vom nationalen Kulturgüterschutz zugunsten einer internationalen Verwaltung weder möglich noch sinnvoll. Gleichwohl kann ein verbesserter ,Common Heritage Ansatz4 wichtige Verbesserungen bieten. Was bleibt damit als Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach dem legitimen Hüter des Kulturerbes zu sagen? Legitimiert sind tatsächlich sowohl die Einzelstaaten als auch die Staatengemeinschaft, wenngleich in unterschiedlicher Weise und m.E. auch mit unterschiedlichem Gewicht. Während man hier eine normative Entscheidung nicht vermeiden kann, so öffnet hingegen die Betrachtung der Frage nach dem geeignetsten Hüter zumindest den Weg für einige pragmatische Lösungen, die den obigen Dualismus relativieren.

1*

Formulating General Principles by Reference to International Standards An Example from the Council of Europe By Patrick O'Keefe*

The legal concept of the cultural heritage is of relatively recent origin. It has evolved out of efforts made by people to use the law to save from oblivion or at least from damage certain traces of humankind's past existence. Thus, laws were passed to control what could be done with monuments and, later, with buildings in general. Export of certain objects was forbidden or regulated to preserve their existence in the country with which they had a particular association. The interests of creators in their work came to be protected from copying, alteration and misappropriation. In most instances these laws came about as practical solutions to actual problems. There was little or no thought given to formulation of general principles or whether what was being done conformed to any particular principle. But now the time has come to examine the subject more closely and to attempt such a formulation. No longer is it sufficient to act on a piecemeal basis or in unconsidered reaction to an emergency. Protection of the heritage now demands that decisions be informed and consistent. This in turn requires the existence of acknowledged and understood general principles. These principles cannot be formulated in a vacuum. They can only come from the actions taken by States and other actors in the heritage preservation field. They must be extracted from practice and the existing legal regimes. This paper does not attempt to formulate principles across the whole heritage field. Rather it looks to one particular instrument currently in the process of formation and draws from that instrument certain general principles that seem to underlie it. The subject dealt with lies at the very interface of public and private rights, thus making these principles of great immediacy. As the document has not yet been considered at the political level, history will tell whether the suggested principles are valid.

* Ph.D.; LL.M.; M.A. (Business Law); LL.B.; B.A.; A.I.Arb.A.; F.S.A., ehem. Professor an der Universität Sydney - The author was consultant to the Group of Specialists on Movable Heritage. Opinions expressed herein are the author's and are not to be taken as in any way reflecting the views of the Group or the Council of Europe.

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I. Heritage Complexes Those who work with the tangible cultural heritage tend to fall into two groups - one dealing with objects, the other with structures. However, in recent years it has been recognized that the distinction is artificial. It came about because of the way in which the concept of the cultural heritage developed and from administrative convenience rather than from any rational decision. It is of course true that there are different types of problems involved. For example, it is much easier to steal an object than a structure. Many of the conservation problems are different. But, ignoring those aspects, there is a degree of overlap between structures and objects. This comes about when there is a particular relationship between the two in a heritage sense. There are many examples of such a relationship creating heritage value: the studio of an important artist still in the state it was when he died - paintings unfinished, implements about etc.; a house with furniture by a famous cabinet maker commissioned by the owners specifically for that house; an ancient church with its contents both devotional - statues, paintings - and functional - pews, candleholders; a shop with its stores and equipment; a mine in working condition exhibiting the pumps, drills, hoists, and other equipment. Many of these structures and objects can have heritage value in themselves. It is magnified when the two are brought together. It is not simply that works in an historic setting are more satisfying; they carry a different, and potentially far greater, meaning. It is through the study of furniture in its original settings that the Victoria and Albert Museum's Departement of Furniture, under Peter Thornton, transformed the subject from one which was largely dependent on connoisseurship - a rather one-dimensional approach - to something far more precise yet complex.1

On the other hand, the two separately may have none but gain it when assembled as a complex. Although the concept of the complex has emerged in thinking about the cultural heritage, the law greatly lags behind. In the United States the ability of the state to protect even the decorative aspects of the interiors of private buildings is far from clear. 2 In that country, the legal protection of the complex is not yet seen as a possibility. In Europe, most States have the ability to control what is done to aspects of a protected structure that the general law regards as part of the structure itself i.e. "fittings" in the Common Law and "immovables" by nature or by intention in the Civil Law. As part of the structure these have the same protection as the structure itself. For example, such features as doors, architraves, ceilings, fireplaces, pa-

1 Anon, Don't Take Our County Houses for Granted (1988) (June), Apollo 380, 381. A.H. Manwaring , American Heritage at Stake: The Government's Vital Interest in Interior Landmark Designations (1990), 25 New England Law Review 291. 2

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nelling of a room in a protected house are themselves protected from destruction, removal or damage. However, in the context of the complex, there are still two problems. The most important is that in many countries this legal division means that items which are not in effect "attached" are not protected and, in particular, cannot be kept in the place with which they have the peculiar relationship. Secondly, although an object may be physically attached to the structure, the law may not regard it as a fitting or an immovable. Consider a case involving removal of frescoes from an abandoned chapel in the south of France. The frescoes were sold to a Swiss museum which argued that they came into its possession as movables and therefore, according to a Franco-Swiss treaty, jurisdiction vested in the Swiss courts. The French court at first instance held that the frescoes were immovable by nature. The Court of Appeal of Montpellier held that they were immovable by intention3. The Cour de cessation held that they were movables4. The cultural heritage interests involved received little attention. The Montpellier court noted that immovables were better protected by law than movables and that this protection was all the more necessary for ensembles of artistic, historical or archaeological interest but the Cour de cessation gave no substantive reasons for the course it took. In England a recent example was that of the "Three Graces"; although the sculpture had been placed in a purpose built temple on a plinth, it was decided by the Secretary of State for the Environment that it was not a fixture. 5 The Orchardleigh case concerned a sundial, an overmantel mirror and a fender; all of which it was contended by the authorities were fixtures within a listed building. The court refused to accept this characterization. As one commentator states: In both systems of law [i.e. Civil and Common], rules devised without regard to the particular importance of the cultural heritage may have hampering effects on efforts to preserve it, because the rules indirectly encourage the dismemberment of important cultural ensembles.6

II. Council of Europe Action In 1985 the Convention for the Protection of the Architectural Heritage of Europe was opened for signature. The following statement appears in the Commetary on it: The Convention is concerned with buildings and sites. However, in recognition of the importance of the movable objects which have a particular historical association with 3

Ville de Genève et Fondation Abegg v. Consorts Margail D. 1985.208, note Maury. Fondation Abegg v. Ville de Genève D. 1988.325. 5 H. W. Wilkinson, Farewell, Ladies, We Must Leave You (1991) (July-August), The Conveyancer and Property Lawyer 251. 6 L.V. Prott, Movables and Immovables as Viewed by the Law (1992), 1 International Journal of Cultural Property 389, 391. 4

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Patrick O'Keefe the protected buildings, further consideration might be given to the possibility of extending the protection to these objects.7

This was followed by a preliminary expert study8 carried out in 1988 under the auspices of the Steering Committee for Integrated Conservation of the Artistic Heritage. The study concluded: All research aimed at co-ordinating current protection systems under common European legislation can only benefit the conservation of a heritage which has been depleted by wars and is threatened by theft, but is more routinely a victim of ordinary peacetime vandalism, sales and successions. A study foreshadowing such legislation could be entrusted on a priority basis to a multinational group of experts in civil law, international law and management of the heritage.

In 1991 the Council for Cultural Cooperation decided that a select Group of Specialists should be established to consider the topic: "Movable Heritage Items and Decorative Complexes". The stated aim of the Group would be ... to determine how national, regional or local heritage policies can conserve coherent complexes resulting from the incorporation of decorative or technical movable elements into an historic building of particular significance for the understanding of history or artistic consciousness.

The Group commenced work in 1991 and concluded in December 1993. In its deliberations, the Group had recourse not only to the expertise of its members but also the answers to two questionnaires distributed by the Secretariat to Member States. Furthermore, as part of the activity and as an extension of the work of the Group of Specialists, a Colloquy on "The Preservation of Historical Complexes and Their Movable Heritage" was held in El Escorial (Spain), 25-29 October 1993. This was organized jointly by the Council of Europe and the Patrimonio Nacional of Spain. From the information so gained, a set of Guidelines on Historic Complexes and Their Movable Heritage was prepared. 9 This document will be incorporated in a draft Recommendation for consideration by the Council of Ministers in early 1995. If accepted by the Ministers, it will then be transmitted to the Member States of the Council of Europe. After that it is a matter for those States to incorporate the standards set out into their national law and provide the incentives indicated in order to ensure the well-being of protected movable complexes.

7

Council of Europe Explanatory Report on the Convention for the Protection of the Architectural Heritage of Europe (Strasbourg, 1986) 11. 8 L. Pressouyre, Protection of the Movable Heritage Integrated With Protection of Europe's Architectural Heritage Council of Europe, Doc. CDPH (88) 65, 26 January 1989. 9 The change in title was found necessary in order to accommodate the true scope of the Group's work as it proceeded. The version of the Guidelines on which this article is written is that in existence on 12 December 1994.

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I I I . Principles The following general principles are reflected in the Guidelines: 1. States have not only rights but also duties in relation to the heritage 2. An historic complex and its movable heritage is a unity 3. Alteration of ownership rights must be commensurate with the need to preserve the heritage 4. Heritage should be treated equally irrespective of ownership 5. An exception applies for places of worship in the case of changes required by cult practice 6. Unauthorized transfer of ownership should be null and void 7. The State must practice effective management 8. Protected heritage should be recorded in some form 9. Consultation is essential before decisions are made 10. The fact of protection must be widely notified 11. Permission is required to actively change the heritage 12. Damage or destruction should incur sanctions 13. Public awareness of the value of the heritage is essential and must be promoted 14. Access is a relative public right The following discussion shows how each of these principles has been treated in the Guidelines.

1. States have not only rights but also duties in relation to the heritage

Governments often act as though putting legislation into place is sufficient in itself for protection of the cultural heritage. Even when funding schemes are arranged, often funds are not allocated or are insufficient. Governments must become concerned with the cost of heritage preservation. The entire cost cannot be put onto those who happen to own what the authorities consider should be preserved for the public benefit. In the case of historic complexes as defined in the Guidelines there will be a direct impact on the persons who own them. They will be unable to dispose of, or even move, objects which normally they could. There have to be advantages given in order to offset these restrictions. Such is demanded not only by ethical and philosophical considerations but also, and of more immediate importance, by political interests. If the Guidelines are going to work without the creation of a force of inspectors imposing draconian restrictions, there has to be a substantial element of goodwill on the part of those affected.

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Articles 14 to 17bis of the Guidelines contain general statements to the effect that governments should encourage owners of these complexes to take "all reasonable means to preserve them"; that States "should not be limited to enacting legislation in this field" but setting up conditions for "protection, conservation and promotion" "implies that appropriate legal, fiscal, financial and administrative measures are introduced". Although "financial and fiscal measures must be appropriate" to the complex concerned, the Guidelines suggest various incentives that governments should adopt. Article 18 sets out certain recommended, but not exclusive, incentives. First, there are "public subsidies, grants and low interest loans for conservation". Conservation is usually a very expensive process and one that bears heavily on the private owner in particular. Considering that the Guidelines recommend that it be an offence to allow a complex to deteriorate, it is essential that every help and assistance be given with conservation. Consequently, Article 18 goes on to state that there should be "contributions in kind such as provision at no cost of equipment and labour, materials and advice on correct conservation methods". Finally, governments should give "financial and fiscal benefits". The Council of Europe has had long experience in studying financial incentives for encouraging the preservation of cultural heritage. In 1991 a Group of Specialists presented a Report on "Funding the Architectural Heritage" and the Council of Ministers adopted Recommendation No. R(91)6 on measures likely to promote the funding of the conservation of the architectural heritage. The Guidelines draw on these documents in recommending certain fiscal incentives in non exclusive terms; there may be other incentives that some States may also wish to adopt. The Guidelines emphasize that any scheme to offset tax should include the overriding objective of encouraging owners to keep the property in question in place as long as the conditions of conservation of the complex are respected. The reason for this is simply that the tax is forgone for the public benefit which would be lost if the owner were later to split up the complex. The first fiscal incentive is that the "costs of conservation and maintenance should be an allowable deduction from taxation". This is a potent incentive for owners of complexes to accept the Guidelines and for effective conservation. In effect, owners do not have to pay for the costs of conservation - this comes from the general pool of tax and is an acknowledgment of the public interest in these complexes. The Guidelines state that the type of tax from which deductions will mainly be made is income and corporate tax. Many European countries now have in place value added tax i.e. a tax which is added to all goods and services when payment is made. The rate of this tax varies throughout Europe but always is a substantial addition to the cost of any conservation work. The Guidelines recommend that value added tax or any similar tax applied to materials and labour used in conservation should be at the lowest possible rate. This follows logically from the first recommendation in that there would be

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no sense in applying value added tax and then allowing the costs incorporating the tax to be deducted from income tax. Inheritance tax is another form of tax which causes great problems to owners of historic complexes. If the complex is taxed on the death of the owner the heirs may find it necessary to dispose of some movable objects in order to pay the taxes. In order to give the heirs relief and avoid splitting up the complex, the Guidelines recommend that such taxes be waived. However, because this is done for the public benefit and the public is in fact paying for it, such waiver should be conditional not only on the complex being kept as a unity but also its being made accessible to the public.

2. An historic complex and its movable heritage is a unity

What exactly are these historic complexes, the subject of the Guidelines? Article 1 refers to them as "Historic Complexes and Their Movable Heritage" and shortens this to HCMH. Complexes formed of buildings and structures of historical, archaeological, artistic, scientific, social or technical interest, including its movable heritage, whether situated inside or outside, when: i. they are physically attached to the building; or ii. they form part of the building for reasons of historical, artistic, cultural or functional coherence and cannot be separated from the whole without substantially damaging or diminishing the heritage value of the structure or the unity of the complex; or iii. they are conserved in situ and form an integral part of the complex for reasons of historical, artistic, cultural or functional coherence.

It must be clear at the outset that these historic complexes are exceptional. There will be buildings that are of great historic interest. They may contain furniture of great artistic interest. However, the two will not necessarily or usually form a HCMH. For that to happen, if the object is not physically attached to the building, there must be a very special relationship between the object and the building as set out in the second and third clauses quoted above. For example, furniture may have been constructed by a master craftsman for a particular room which itself has historic value. A HCHM includes not only objects situated within the structure but also those outside when they satisfy the criteria of the Article. One can think of a factory which has great historical significance and a piece of functional equipment situated in the yard, the removal of which would substantially damage the heritage value of

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the factory as a whole. Consider also, for example, the Henry Moore sculpture "Draped Reclining Figure" currently at the centre of a dispute between the Westminster City Council and the publisher Time-Life. In the early 1950's Time-Life was building a new headquarters in London, and for £2000, commissioned Moore to create this sculpture for the first floor terrace. The building was listed in 1988 as one of the finest examples of post-War British architecture. In 1991 the sculpture, now worth over £1 million, was removed by Time-Life; underwent minor conservation and was exhibited in Paris and Edinburgh. In 1993 the company announced it was moving out of the building. The following year the City of Westminster City Council took action to compel the company to return the sculpture to its place on the terrace. It was argued that the sculpture, weighing five tons, was a fixture but consider the case of the Three Graces above. There was dispute over whether Moore had created the figure specially for the terrace or used a preexisting design.10 If the sculpture is not a fixture, would it fall under either paragraph ii. or iii. of the definition? A individual item in itself may not have the requisite heritage value to create a movable complex from the building in which it resides. However, a collection of items may do so if they constitute an integral part of the complex as described above. The type of collection envisaged might be, for example, a library brought together by a family over generations and kept in the family home which itself has historic importance. The library witnesses the interests of the family over those years as well as being an historic record in itself. Also envisaged are the archives of a place kept in the residence of its former ruler; the equipment in a shop. The collection, in order to qualify, would have to have an underlying theme and not be merely an assemblage of objects. The latter would only qualify if they individually met the criteria of the definition.

3. Alteration of ownership rights must be commensurate with the need to preserve the heritage

It will be obvious that implementation of the Guidelines will alter the position of the owner - whether public or private - who will lose some control over the HCMH. This is necessary for long-term protection of the complex. However, it is restricted to a very few and special circumstances as set out above.

4. Heritage should be treated equally irrespective of ownership

The Guidelines recommend that each State should put in place legislation providing for the protection of HCMH. The level of protection should be the same for 10

M. Bailey, Henry Moore: Sculpture or Fixture?, The Art Newspaper, No. 43, December 1994, 3. At the time of writing the outcome of the legal proceedings is unknown.

General Principles by Reference to International Standards

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all HCMH, irrespective of who owns them. This means that complexes owned by the State should be treated the same way as those owned privately.

5. An exception applies for places of worship in the case of changes required by cult practice

In many European countries buildings used for religious purposes form the largest component of all listed or scheduled buildings. They are often of greater antiquity than other buildings because of the care spent on their construction and the objects they hold in many cases are of great artistic or historic value. Consequently, the Guidelines recommend that protected HCMH used for religious purposes should be subject to the legislation in force. There is, however, a qualification brought about by the special role played by such complexes in society. Because religion is still of major importance to a substantial proportion of the European population, any clash between the interests of society in general in preserving a religious HCMH and that of the cult in using it for its intended purposes goes to the very basis of society. Accordingly, a compromise had to be found. Thus, although the HCMH should be subject to the relevant legislation, "any alteration required by changes in the form of worship can be authorized, taking account of the coherence of the complex, after the competent civil and religious authorities have been consulted" (Article 8). This gives qualified precedence to the needs of the cult. Forms of worship change over time as dogma is reinterpreted and the cult conceives of new ways in bringing its mission to its followers. Houses of worship possess semiotic qualities for their religious communities and for others. Ecclesiastical structures reify particular theological, moral and social assertions. They express, among other things, the religious community's purpose, theology, identity, hope, unity and reverence for the divine and its identification with or separation from certain aspects of the culture. ... The symbiotic interaction of architecture and theology embodied in worship structures must be understood to be a dynamic one, perpetuating or redirecting religious emphases and practices. 11

However, while recognizing cult needs, the Guidelines require religious authorities who wish to alter a protected HCMH to first of all consult with the responsible civil authorities and then, if the latter are convinced the alterations proposed are required by changes in the form of worship and the coherence of the complex can be maintained, the alteration may be authorized. 12 11 A.C. Carmella, Houses of Worship and Religious Liberty: Constitutional Limits to Landmark Preservation and Architectural Review (1991), 36 Villanova Law Review 401, 450. 12 It is interesting to compare this approach with that some religious bodies have argued in the United States which would in effect prevent the secular authorities having any control at all: see generally P.J. O'Keefe, Public Control of Church Property Under Historic Preservation Laws (1994), 1 Journal of the Church Law Association of Canada 307-324.

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The Article talks of HCMH "used for religious purposes". This cannot be interpreted expansively. It is only those in which worship occurs that come within the scope of the exception. A number of religions either have, or are introducing, their own rules on heritage conservation. For example, the Church of England has a system of control exercised by Church Courts, part of whose jurisdiction "amounts to specialised planning control over churches within the jurisdiction of the diocesan bishop. For practical purposes this means parish churches, and guild churches in the City of London, their churchyards, internal fittings and even movable items such as vestments, candlesticks and plate" 13 . The Roman Catholic Church in 1989 established a Pontifical Commission for the Conservation of the Patrimony of Art and History of the Church. Its function is to protect the artistic and historic heritage of the entire Church and to develop an increased awareness among the members of the Church of the importance of that heritage. Where a Church or religious community has such a set of rules on heritage preservation, the Guidelines recommend that "there should be regular co-ordination and consultation with the competent authorities of the State with a view to harmonious implementation of the laws and regulations".

6. Unauthorized transfer of ownership should be null and void

The whole thrust behind the Guidelines is that if a HCMH is of such importance that it receives protection under the law, then it must be kept as a unity. The Guidelines contain provisions on the imposition of sanctions14, but these are only part of the answer. For example, a frne for removal of an object from a HCMH and its sale may be minuscule in relation to what is received for the object. Imprisonment is unlikely but even the threat of that may be seen as an acceptable tradeoff. In order to remove these temptations, the Guidelines recommend that the "transfer of an integral part unlawfully separated from the protected HCMH should be considered as null and void". The precise effect of this depends on the legal system of the country where the object is found and would have to take into account the passing of title under conflict of laws rules if the transaction took place in another country. Nevertheless, the objective is to render any purported sale or disposal of the object ineffective so that it can be returned to the HCMH without hindrance. However, a major problem is in keeping track of the integral parts of a HCMH. The Guidelines envisage regular inspections of HCMH's 1 5 but there will probably be substantial intervals between these during which objects could disappear into the international art market. The difficulty is to find them again. Articles 11, 12 13 J.D.C. Harte, Church v. State in Listed Building Control - 1 : The Faculty Jurisdiction; a case for Conservation (1985), Journal of Planning and Environment Law 611, 612. 14 Articles 23 to 26.

15 Article 28.

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and 13 are based on Article 10 of the European Convention on the Protection of the Archaeological Heritage (Revised) 1992 and are intended to encourage disclosure of trade in objects unlawfully removed from a HCMH. Firstly, there must be a pooling of information "on objects which, being integral parts of protected HCMH, have been unlawfully separated therefrom". In establishing a pooling system, States would have to take account of legislation on respect for privacy. Such a pool of information could be formed into a register of material mounted on computer which could be made accessible to police forces, authorities responsible for administering protected movable complexes and the public. Prospective purchasers could use the register to check if what they are proposing to buy has been unlawfully separated from a complex. The Code of Professional Ethics of the International Council of Museums (ICOM) states, inter alia: Museums should recognize the relationship between the marketplace and the initial and often destructive taking of an object for the commercial market, and recognize that it is highly unethical for a museum to support in any way, whether directly or indirectly, that illicit market. 16

The part of the Code in which this provision is found is mainly concerned with unlawful trade in items of the cultural heritage - specific mention is made of biological, geological and excavated material. In particular, museums are enjoined not to acquire an object to which they cannot obtain a valid title or one which has been "acquired in, or exported from, its country of origin and/or any intermediate country in which it may have been legally owned (including the museum's own country), in violation of that country's laws". These provisions would seem to cover most objects unlawfully separated from a protected HCMH. Articles 12 and 13 of the Guidelines accord with the ICOM Code. Public collecting bodies and bodies responsible for conservation work are required to investigate the origin of objects offered to them and to inform the authorities responsible for the protection of the complex in question of any offer of unlawfully separated objects. Implicit in this is a requirement that the institutions not acquire such objects and that they disclose all information concerning the offer. No regard should be had to the secrecy under which many dealers and auction houses like to operate. In the case of institutions not under public control, Article 13 suggests that the same principles be brought to their attention so that they are encouraged to respect them.

7. The State must practice effective management

Management is another aspect of the duty a State undertakes in establishing something as cultural heritage. An administration must be created and made re16

Paragraph 3.2.

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sponsible for the welfare of the heritage. The Guidelines recommend that there be an administrative body specifically responsible for protected HCMH's. This body should "provide co-ordination with all the relevant authorities and the latter should be informed of their duty to notify the said body of all actions and decisions having implications for the property concerned". It is not unknown for one government department to take action which has an impact on HCMH without informing anyone else, or else to delay notification until it is too late for opposition to be effective. Regular inspection of HCMH's is essential for monitoring conservation and preventing destruction by removal of integral parts. The Guidelines recommend that the authorities have this right; normally on giving notice but also "whenever an emergency situation requires". Moreover, they should have the power to stop unauthorized alterations when these come to their notice.

8. Protected heritage should be recorded in some form

A complex is not protected until it is listed or scheduled according to the procedures used in a particular country for buildings, architectural complexes or sites. The Guidelines consequently do not affect the decision to protect. A powerful government department may not wish to have one of its buildings and contents scheduled as a HCMH. Whether it is successful in resisting pressure to do so will depend on internal politics and public opinion. However, once scheduled, the HCMH must be treated as all other such complexes. The Guidelines give some guidance for the process of listing or scheduling. For example, they recommend that it be possible to protect by this means a part of a structure. There may be a large building of which one or two rooms have artistic importance and contain objects which make it necessary they be protected as a HCMH. The rest of the building is of no heritage significance. In this case there is little point in imposing restrictions on what the owner may do to it provided the rooms are kept unchanged. The Guidelines also suggest that objects which are part of the HCMH be individually listed at the time the HCMH is itself listed or scheduled but that failure to do so does not affect their status. Listing of all integral parts of the HCMH will certainly assist inspectors when they come to examine the complex at regular intervals 17. Individual listing is also purely a practical proposal to avoid later argument. If it is done, the owner knows right from the beginning what is affected and what his rights and duties are. If it is not done, whether a particular object is part of the HCMH becomes a matter of expert opinion. Argument and dispute can lead to bitterness and a breakdown of the scheme of protection. For the same reasons, the Guidelines stress that all documentation and administrative procedures make crystal clear to all parties involved that the listing or schedu17 Article 28.

General Principles by Reference to International Standards

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ling of a HCMH extends beyond what is physically attached to the structure to encompass objects which are free standing and can be moved around.

9. Consultation is essential before decisions are made

Unless there is an emergency such as when the owner cannot be identified, the procedure for listing or scheduling is not to be implemented until the owner has been consulted. This was seen as introducing a basic element of fairness into the procedure although it is not a current requirement in some European countries when putting a building under protection. However, consultation does not mean that the authorities are prevented from listing or scheduling over the wishes of the owner. Any objection by the owner must be considered by the authorities in reaching their decision - in most European legal systems this then means that the decision is open to challenge if the objections have not properly been taken into account. Furthermore, the Guidelines recommend that there should be provision for an administrative or judicial appeal. This could be on the grounds that the authorities have taken irrelevant matters into consideration or possibly that the decision is manifestly contrary to reason.

10. The fact of protection must be widely notified

A positive effort must be made by the authorities to ensure that the duties and benefits associated with a HCMH are known by all persons likely to be involved with it. This includes not only the owners, whether public or private, but also tenants and other occupiers and local elected officials. A notice given to the owner at the time of listing is not sufficient. Ownership changes and, although the new owner should be aware that the structure is listed from notation on the title, this may not mean very much to him. Obligations and, of course, benefits of listing must regularly be brought to his attention. How this is done will depend on the organizational structure of the particular government. The following procedure has been recommended in respect of listed buildings in England by the Victorian Society: The information in the present leaflet needs to be expanded and the message expressed in a much tougher way. ... A copy of the new document should initially be sent to the owner of every listed building in the country. Thereafter it would need to reach all purchasers of listed buildings whenever the property changed hands. Anyone buying a house will make a local search or have one made by a solicitor, so all potential purchasers would gain a copy if this was sent out with every local search made in respect of a listed building. ... Each District Council has a register of properties. This could be revised to include a reminder that a copy of the leaflet should be passed on to every prospective purchaser of a listed building. 18 18 T. Sladen, Coming Unstuck: The Removal of Fixtures from Listed Buildings (Victorian Society, London, 1992) 15.

19 Fechner u. a.

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Patrick O'Keefe 11. Permission is required to actively change the heritage

Of major importance in the scheme of protection offered by the Guidelines is Article 7: "Any modification or separation having the effect of altering the whole or part of a protected HCMH must be subject to written approval by a competent authority". It is significant that this Article is put in the imperative while most of the Guidelines are exhortatory. The problem is that even a small alteration of a HCMH might destroy the special character that creates it. Any deliberate change to the complex which has this effect must be prevented and any natural change minimized. But this is not to say that all change will destroy the special interest of the HCMH. Accordingly, if a competent person wants to modify or separate part of the complex, a proposal must be submitted to the appropriate authority for approval. The authority would then be put in the position of having to decide whether the proposal affects the special value of the complex. It may be necessary to take specialist advice. If the proposal is considered to be acceptable, approval must be expressed in writing. Any person making modifications or separations who cannot produce written approval should automatically be considered in default; a situation dealt with in the following paragraphs.

12. Damage or destruction should incur sanctions

Two types of action may cause deleterious effects to a HCMH: one, the removal of a integral part; second, the alteration of the HCMH whether active or passive. As to the first of these, the Guidelines recommend that that the "person responsible for the separation of an integral part from a protected HCMH, irrespective of ownership, should be subject to a major sanction as defined by each country's legislation". "Separation" means the taking of an integral part of a protected HCMH outside the boundaries of the complex as described in the listing or scheduling order. The Guidelines recommend only that the "separation" constitute a crime. No attempt is made to establish the nature and level of the punishment other than that it be a "major sanction". There are substantial variations among European States in imposing punishment for crimes and it was felt that no good purpose would be served by trying to standardise on this point. Some guidance is given to States in applying this provision. For example, it is irrelevant who brings about the separation. It may be the owner, an occupier or even a thief. In the case of a thief, two crimes would be committed - theft and unlawful separation. Moreover, the Guidelines specify that a person cannot avoid responsibility by claiming lack of knowledge of the protected character of the HCMH. It is very easy to say " I didn't know" and virtually impossible to counter if it is allowable as a defence. Passive alteration of a HCMH occurs when the owner allows it to gradually fall into decay. There are many possible reasons for this. The owner may hope that if the structure decays sufficiently the HCMH will be delisted or taken off the sche-

General Principles by Reference to International Standards

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dule and thus it can be split up and the land sold. Alternatively, the owner may not have the funds for conservation work. As we have seen, the Guidelines have broadranging suggestions for overcoming this problem. Whatever the reason for allowing such deterioration, the Guidelines recommend that the "public authorities should have the right to take conservation measures with part of the cost of the work being charged to the owner". In a case where the owner doesn't have the necessary funds to pay for the work and for some reason these cannot be obtained from the range of financial incentives available, the Guidelines suggest that the cost of the work become a charge on the estate of the owner. The notion here is that when the owner dies all such costs will have to be paid from the estate which may include assets other than the property e.g. life insurance policies. There is no suggestion that the State have a right of first refusal if it is necessary for the heirs to sell the HCMH to raise the money. It is suggested that the charge rank at least equally with taxation charges. In extreme cases, where financial resources are totally lacking, the property may be acquired by the public authorities. In Article 25, the Guidelines deal with the deliberate unauthorized alteration of a protected HCMH or its integral parts by the owner, whether public or private. Any such alteration should be subject to sanctions (Article 26). For example, the taking away of such things as fireplaces, doors, panelling, architraves constitutes an alteration in a room which is, or is part of, a protected HCMH even if the fireplace, for example, is intended to be used in another room. In the case of items such as books in a library, furniture and paintings which are not physically attached, provided they do not leave the confines of the protected HCMH, they can be moved around without constituting a "alteration" unless there is some special reason why they should remain in a particular room or place. In the event that there is such alteration of a HCMH, the authorities should have the right to order compulsory restoration of the alteration if technically possible. The desirability and nature of the restoration would depend on the opinion of the relevant authorities. If complete restoration is not technically possible, the effect of alteration should be reduced as far as possible and the complex stabilized. Whatever action is taken, the costs of it are to be paid by the owner. It may be that restoration is not technically possible in which case the HCMH may have to be delisted or taken off the schedule if the extent of the alteration has lead to the loss of its signifance. In that event it would be appropriate for the owner to be heavily fined or imprisoned. Furthermore, deliberate unauthorized alteration which leads to restoration for which the owner is unable to pay should give the State the right to compulsorily purchase the HCMH (Article 25). If this were to occur, the cost of the restoration would be deducted from the purchase price and the State would become owner of the HCMH.

19*

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13. Public awareness of the value of the heritage is essential and must be promoted

Preservation of the cultural heritage is ultimately for the benefit of the public. The reasons are many and varied; they alter according to the type of heritage being considered. The Guidelines recognize some of this when they say that: Policies for the protection and conservation of HCMH must seek to ensure that they are recognized as constituents of cultural identity and sources of inspiration and creativity for future generations. 19

But the public need to be aware of the value of the heritage in order that it not be deliberately or inadvertently destroyed. Regular campaigns are needed to increase public awareness through appropriate educational programmes, to stimulate citizen participation and promote the dissemination of information using the techniques and facilities of mass communications.

14. Access is a relative public right

The public must have access to the heritage and history that formed it. A court in the United States expressed the matter graphically when it said: A painting has no value except the pleasure it imparts to the person who views it. A work of art entombed beyond every conceivable hope of exhumation would be as valueless as one completely consumed by fire. Thus, if the paintings here involved may not be seen, they may as well not exist. 20

This statement is excessive as the right of access is relative, not unlimited. The Guidelines require that arrangements for visits by the public to protected movable complexes must make due allowance for the requirements of conservation, the nature of the property and, in the case of property in private ownership, the owner's rights and commitments.

IV. Conclusion

The above paragraphs show that there are general principles underlying the preparation of significant documents governing the cultural heritage, even though these may not have been explicitly formulated during the drafting process. The Guidelines provide general principles relevant to a particular aspect of the heritage. Reflection will show that these apply to other areas of the heritage as well although those areas may well have additional principles. For example, control of trade may

19 Article 32. 20 Commonwealth v. Barnes Foundation 159 A.2d 500, 502.

General Principles by Reference to International Standards

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well incorporate additional principles. The time has come to attempt formulation of a set of principles across the whole field of the cultural heritage so that future negotiation of international conventions and national laws, the decisions of courts and general commentaries be not subject to idiosyncratic views.

The International Legal Protection of the Cultural Heritage By Lyndel V. Prott*

I. Historical summary Between 1950 and the present, UNESCO developed a considerable body of international law relating to the cultural heritage. The preservation of culture is a mission entrusted to UNESCO by its constitution, and it is the only intergovernmental body of near-universal membership with this mission. Since UNESCO celebrates its fiftieth anniversary in 1996, it is appropriate to assess the effect of its work in this area and certainly of interest to try to evaluate the way in which its codification of principles has changed the law and how the concepts used in those 50 years have themselves changed. At its third session in Beirut in 1948, the General Conference decided to seek an international agreement to overcome the many economic obstacles to the free flow of ideas. Although designed to promote education, science and culture, it was regarded rather as an instrument on tariffs and trade and its first draft was submitted to GATT. A revised text was adopted by UNESCO at its fifth session in Florence in 1950 and opened for signature at Lake Success (the instrument is known as the Florence Agreement, although sometimes referred to as the Lake Success Agreement1). This agreement was adopted against the background of very severe interference with the free flow of ideas and cultural works during the Nazi era. It had an immediate success, and a Protocol adopted in 19762 extended the agreement to a wider range of materials. Another legacy of the Second World War was the desire to improve and redefine the rules for the protection of cultural property during war. Although destruction of "buildings dedicated to religion, art, science, or charitable purposes, historic monuments" had been forbidden by the Hague Convention concerning the Laws * Dr. iur., License S. en. D.I., B.A., LL.B., Chief, International Standards Section, Division of Physical Heritage, UNESCO, Paris, Professor of Cultural Heritage Law, University of Sydney. 1 2

131 U.N.T.S. 25. There are currently 83 States Party to this agreement. There are currently 25 Parties to this Protocol.

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and Customs of War on Land 19073 to which Germany was a party, the library of Louvain was a famous case of its violation. As for the Second World War, not only was there massive destruction by both sides of civilian targets, many of which were very significant cultural heritage (Coventry, Lübeck, Dresden, Warsaw being only a few examples of a systematic flouting of these rules) but there was also organized looting by the Einsatzstab Rosenberg. Accordingly, in 1954 UNESCO adopted the Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict (the Hague Convention) and its Protocol 4. The Convention itself, besides providing for precautionary measures to be taken in peacetime, reiterated the duty to refrain from targeting cultural property and to assist local authorities in occupied territory to preserve it. The Protocol laid down rules forbidding the removal of cultural property from occupied territory and obligations for its return, even by third States, thus implementing the provision of the Declaration of London of 19435 for future conflicts. The adoption of the 1954 Hague Convention and Protocol was of great significance, in that it moved from the fundamentally commercial orientation of the Florence Agreement adopted just four years before to an emphasis on the preservation in situ of important cultural property. It is evident that few States saw any conflict between the fundamental philosophy of these two Conventions since many became Party to both of them. However, what was very significant was that, at the insistence of the United Kingdom and United States delegations, and over the protests of a number of other States such as Poland which felt strongly on the matter, the provisions on movement of objects from occupied territory were relegated to a Protocol. This position was somewhat inconsistent with the position taken by both these States in the London Declaration, and disappointing when it is seen that neither of these States, despite this change at their request, ever became Party to the Hague Convention, to which there are at present 85 States Parties6. (There are 73 States party to the Protocol.) Since 1992, in the wake of the Gulf intervention and the conflict on the territory of the former Yugoslavia, UNESCO has developed a review of this Convention to improve its implementation7.

3

Article 27. Convention No. IV of the Hague, published in the International Red Cross Handbook (Geneva, 12th edn. 1983). 4 249 U.N.T.S. 240. 5 This Declaration made by 18 allied governments and the French National Committee reserved their right to declare transfers invalid which had been made under compulsion in countries occupied by the Axis powers. The full text is quoted in L.V. Prott/P.J. O'Keefe, Law and the Cultural Heritage: Vol. Ill-Movement (Butterworths, London) 1989, 805-806. 6 As at 1 February 1995. Canada and the United States are at present actively considering accession to the Convention. 7 A report was published by a consultant (Professor Patrick Boylan) in 1993 (UNESCO Doc. CLT-93/WS/12, available also in French) and three meetings of experts have been held: in the Hague in 1993, Lauswolt 1994 (both at the invitation of the Netherlands government) and in Paris in December 1994 at the invitation of UNESCO with the support of the Nether-

The International Legal Protection of the Cultural Heritage

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The next multilateral instrument for the protection of the cultural heritage was the Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property 19708. Here the conflict between the two approaches, commercial exchange and protection in situ, became more clearly evident. The industrialized States had exploited the Florence Agreement to the full and had lively art markets and many exchanges of cultural property. Many developing States found themselves suffering badly from this increased activity, for the rewards of the trade were so considerable as to encourage dealers to seek ever wider sources of material for the market. Not content with what was freely offered, considerable illicit activity in the illegal removal and export of ethnographic materials, labelled as "tribal art", and illegal excavation of antiquities to feed the antiquities market, had developed to such alarming proportions that some States were in the process of losing, and some had indeed already lost, all examples of some important categories of their cultural heritage. This situation was exacerbated by the fact that the most important cultural heritage had already been removed from many countries during colonial times. In a 1979 study for UNESCO, ICOM (the International Council of Museums) considered the cases of Bangladesh, Western Samoa and Mali. 9 In each of these cases there were no significant examples of complete categories of cultural property of major significance unique to that country, and in several cases no examples at all. In these circumstances it is not surprising that the negotiations were difficult and that the result is a compromise text which some States have found ambiguous. The United States is the only major market State to have become a Party 10 , subject to a number of reservations and declarations, an act which the Mexican government declared did not represent an acceptance of the Convention. Nonetheless the Convention has 81 States Parties (as at 1 February 1995) and is still the only universal international instrument on the topic, although, at the request of UNESCO, UNIDROIT has developed a new draft which deals especially with private law factors of relevance to the illicit trade in cultural objects, such as the protection of the "bona fide" acquirer of cultural objects as against their robbed owner 11 .

lands government. A meeting of all State Parties to the Convention will be held in Paris during the General Conference of UNESCO in October-November 1995. 8 823 U.N.T.S. 231. 9 UNESCO Doc. CC-79 / CONF.206/5, Intergovernmental Committee for Promoting the Return of Cultural Property to its Countries of Origin or its Restitution in case of Illicit Appropriation, Preliminary Study of Three National Situations in Regard to the Return of Cultural Property to its Country of Origin: Annex - Bangladesh, Mali, Western Samoa. 10 France, Switzerland and Thailand all have the Convention under active consideration at the moment. 11 This draft Convention, currently named "UNIDROIT Draft Convention for the International Return of Stolen or Illicitly Exported Cultural Objects", will be considered for adoption at a Diplomatic Conference to be held in Rome at the invitation of the Italian government from 7-24 June 1995.

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In 1972 UNESCO adopted the Convention concerning the Protection of the World Cultural and Natural Heritage 12 which established a World Heritage List of cultural and natural sites "of outstanding universal importance" and provided an international fund to assist in their preservation. This has proved by far the most popular of the UNESCO Conventions, having (at 1 February 1995) 140 Parties. There are several reasons for this: that a World Heritage Fund is available to support national conservation action is obviously a big attraction for poorer States. The prestige of having a national site placed on the World Heritage List obviously inspires national pride and is good politics for the government which nominates it. And many States see it as a way to enhance tourism, since world heritage status is quickly exploited as a drawcard for visitors. It is sad that many States who have been eager to seize on this Convention have not seen any necessity to become Party to the Hague Convention, which has rather more strenuous obligations attached to it than those of the World Heritage Convention and protects sites of national, regional and local importance as well as those of "outstanding universal significance" on the World Heritage List. It also protects cultural movables which are not included in the World Heritage Convention. Side by side with the development of these Conventions, UNESCO has continued developing "soft law" by way of Recommendations, ten of which concern the protection of cultural sites and movables. These are listed in the Annex. According to the Constitution of UNESCO, States Members are obliged to bring the text of these Recommendations to the attention of the appropriate national authorities, and to report to UNESCO on their implementation of them, or the reasons why they have not been implemented13. These Recommendations are based on the best professional opinion at the date of their adoption. They are used as a basis by UNESCO consultants working with States to assist them in the drafting of national legislation and some, being widely adopted by national legislation, have in fact had considerable impact in harmonizing such legislation. An example is the Recommendation on International Principles Applicable to Archaeological Excavations 1956 14 which has become the de facto standard for national legislation for the protection of the archaeological heritage. There is one major issue which has so far defied solution in the UNESCO context. That is the claims by formerly colonized States for the return of cultural property taken when they were not in a position to prevent it. This issue was discussed vigorously in the United Nations General Assembly during the 1970's15 and has been the subject of a biennial debate there ever since. In response to these claims, 12 1037 U.N.T.S. 151. 13 UNESCO Constitution 1945, Articles IV(4) and VIII; discussed in UNESCO/CUA/68 of 9 August 1955, 3-4. 14 Published by UNESCO in Conventions and Recommendations of UNESCO concerning the protection of the cultural heritage, 1983). 15 Beginning in 1973. A description of the evolution of the debate and the relevant resolutions is given in the work cited in n. 5, 814-818.

The International Legal Protection of the Cultural Heritage

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and after consultations with experts and discussions with States which made it clear that there was no likelihood of a consensus on which to base an international agreement, UNESCO established in 1978 the Intergovernmental Committee for Promoting the Return of Cultural Property to its Countries of Origin or its Restitution in case of Illicit Appropriation. According to its Statutes, this Committee has the power to mediate in a dispute between a holding and a requesting State in specific cases which cannot be settled by bilateral negotiation. Despite continued strong interest by the "victim" States in the sessions of the Committee, relatively few cases have been submitted to i t 1 6 . UNESCO has also developed some other materials which are influencing the development of cultural heritage law such as the Guidelines for the Use of the 'Standard Form Concerning Requests for Return or Restitution' to the Intergovernmental Committee for Promoting the Return of Cultural Property to its Countries of Origin or its Restitution in case of Illicit Appropriation 17, and the Operational Guidelines for the World Heritage Convention18. The former give extensive guidance on the practice of the Committee. The latter are so extensive, and cover matters in so much more detail than the World Heritage Convention itself, that they have become a substantial body of "soft law". These Guidelines are adopted by the World Heritage Committee, and, although said to represent the existing and intended practice of the Committee, they have become an interpretation of the Convention itself.

II. Features of the development of law by UNESCO Several interesting factors can be detected over the 50 years work of UNESCO in this area. The first is the changing concept of cultural heritage itself. While the early instruments spoke of "cultural property" and were phrased for the most part in terms drawn from property law, the evolution has been towards an independent concept of "heritage" and a range of specific duties towards that heritage. This has important implications for the law and its future development as I will try to show below. Next, any examination of the definitions of the subject matter of the various Conventions and Recommendations will amaze by their variety. Culture itself is so various, and its manifestations in physical things so individually stamped from culture to culture, that no satisfactory universal definition can yet be established. The 16

By Greece, Jordan, Turkey (2 claims), Ecuador, and Iran. Guidelines for the Use of the 'Standard Form Concerning Request for Return or Restitution' UNESCO Doc. CC-86/WS/3. 18 Operational Guidelines for the Implementation of the World Heritage Convention UNESCO Doc. WHC/2 revised February 1994. 17

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most that these instruments can achieve at this stage is a definition for the restricted purposes of each individual instrument. It is notable however, that, in the later stages, the instruments paid more attention to objects of ethnographic significance. This shift represents the increased attention to non-Western, and specifically to traditional, cultures and is likely to increase during the United Nations International Decade of Indigenous Peoples which was inaugurated in 1994. Such a development has implications for the restricted view of cultural heritage law as a law related to physical things, since the cultural wealth of these peoples is often represented by folklore, ritual and traditional knowledge which cannot be protected by the legal methods used to date for physical things. A third interesting development has been the discussion of how to assess cultural value. In the Hague Convention this was left to individual States, who could affix the protective emblem of the Convention "of great importance to the cultural heritage", with an International Register of Cultural Property under Special Protection 1 9 for which national States nominated sites and individual States Parties to the Convention could lodge an objection to a particular nomination. This procedure has clearly proved unattractive, and only one monumental site has been placed on the Register so far (Vatican City) 20 . But in the Operational Guidelines to the World Heritage Convention certain criteria are given as to how "outstanding universal value" is to be assessed for the purposes of inscription on the World Heritage List. Such efforts are of increasing importance when governments all over the world are continuously advised by economists to quantify value. Museum directors, site managers, archaeologists are increasingly called on to justify their activities in economic terms. The insistence on quality evaluation, as opposed to economically measurable factors, is an important step. Over the last five decades the threat to the cultural heritage, as to the natural environment, has increased enormously. Like the environment, the cultural heritage was long thought to be an inexhaustible supply, renewable indefinitely. However the unprecedented pace of technological change, huge population growth, the expansion of commercial activity, have called the survival of that heritage in question. Archaeologists speculate that there will be virtually no untouched sites left after the next two decades, given the systematic, well-financed and highly organized looting of archaeological sites. Historic areas are redeveloped without sufficient regard for the preservation of their historic context and materials because of speed of development, corruption, and population pressures on the urban fabric. Cultural movables in churches, tribal communities and museums are being stolen and misappropriated at a rate never before seen. Countries vulnerable because of economic or political transition, civil conflict or war are the immediate target of traffickers (Eastern Europe, post-conflict Iraq, Cambodia and Afghanistan are 19

Arts. 8. and 9 of Convention. The procedure for registration of sites on the Register, and other aspects of the operation of the Hague Convention, is currently under review within UNESCO. 20

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some recent glaring examples). The force of modern weaponry, even where direct targeting is avoided, is such that enormous damage can be done by secondary effects such as vibration, to the fragile texture of a heritage which has survived for centuries. The resurgence of cultural warfare, as seen on the territory of the former Yugoslavia, is a horrifying illustration of efforts to eliminate specific cultural heritages. The alarm of the preservationists at all these developments has placed a burden on lawyers to develop quickly an adequate framework for the protection of the heritage if any significant amount of it is to be handed down to succeeding generations.

I I I . Emergence of new legal concepts 1. "heritage"

It is clear that the development of laws for the protection of the heritage have created and are in the course of generating new legal concepts. Some of these have already made their way into legal instruments and respond either to trends in national legislation or to the philosophy of cultural experts - conservators and curators who are responsible for the practical realization of protection. Others have been proposed by cultural experts but not yet adopted - either because they are still controversial among cultural experts, or because the way in which they are to be accommodated in the legal system is not yet clear. A concept of the first type is that of "heritage" itself. The word "heritage" focuses on the need to hand on. "Property", in the Common Law, implies the right to exploit, the right to alienate and the right to exclude. All these incidences of the right of property may be interfered with in respect to heritage items. The right to exploit may be limited by restrictions on use, such a zoning laws on real property, or restrictions imposed on modifications, alterations, additions and the use of unsympathetic materials. Export controls may be imposed on movables. Duties as to preservation may be imposed. The right to alienate may be limited by rights of State preemption both on movables and immovables. In some cases transfers may be limited to a particular class of persons, be made subject to conditions or to State approval. The right to exclude others may be limited by the duty to permit access to the public, or to State officials verifying the condition of the item. It is thus clear that absolute rules of property need considerable revision when applied to heritage items. Similarly, the application of copyright law to folklore and salvage law to historic shipwrecks are equally maladapted. However the idea of "heritage" implies something to be handed down and for special pains to be taken for its preservation. The idea comes much closer to that of a "trust", where the owner at law has a special duty to preserve for the benefit of others. If the idea behind heritage law is preservation, then preservation is now understood to imply more than the preservation of an object. It is now very clear to cul-

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tural professionals how difficult it is to preserve the tangible cultural heritage without the intangible heritage which created it. Buildings made with traditional skills which have died out or are in the process of dying out are a good example. The art historian and museum conservator these days is in the business of preserving information: how an object was used, how it was made, the context of the object or monument, this is seen as the proper function of the preservationist, for without this information the object or monument is less valuable to those in other countries or future generations to whom these skills may some day be of use. Because of the fundamental place that "property" has had in the ideology of industrialized Western societies, opposition is often mustered to measures to preserve heritage on the basis that "property" has some kind of fundamental importance in our culture and its traditional legal incidences must, therefore, be given priority. This fundamentally ideological argument should not be prejudged by the unconscious use of a term such as "property" which carries an ideological load with it. The social goals behind property law and cultural heritage law should be clearly admitted and properly balanced so that a judgment of the social goal to be achieved in a particular case can be clearly made21.

2. "primacy of the object"

A concept of the second type, which has been discussed but not yet adopted, is "the primacy of the object". This principle was spelt out in the ICOM ad hoc Committee of Experts established in order to prepare a study on the Principles, Conditions and Means for the Restitution or Return of Cultural Property in View of Reconstituting Dispersed Heritages in 197722. This Report was put together from the views of seven experts and is not entirely consistent, representing at times the views of Western museologists, and at times those from other cultures. The significance of the object for Western collections goes back to the origins of the concept of "museum". Collections of curios, representing the whims of their owners, were often the basis of early (and even of more recent) museums. This object-oriented philosophy was also found among the forerunners of modern archaeology, whose expeditions represented trophy-hunting rather than science. But this view is representative of one culture, and not of all, nor even of a majority of them. The ICOM committee spoke of the raison d'être of those in charge of the cultural heritage, enshrined in their professional ethics, being to ensure conservation, dissemination and transmission. However, what if this conservation and safeguarding is at the cost of the very culture which produced it? What should be conserved - the object or the culture which created it? What should be transmitted 21 There is a longer discussion of this issue in L.V. Prott/P.J. O'Keefe, 'Cultural Heritage' or 'Cultural Property'?, 2 International Journal of Cultural Property (1992) 307. 22 Published in 31 Museum (1972) 62.

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the object, or the skill which produced it and should be handed down so that others can be created? Consider the following cases. An object used in ritual by a Native American tribe has been desecrated by its display and handling in a museum. Such an object, according the dictates of that cultural tradition, should be thrown in a river and no longer used23. Or consider the well-known case of the war-gods of the Zuni (American Indian) tribe, which, after use in ceremonies are left to be destroyed by the weather and not preserved. What about the case of the rare example of bark cloth, formerly made on the island of Erromango in Vanuatu, the age-old skill for making which had died out? The Australian Museum in Sydney returned an example to Vanuatu and, after an experimental period, which involved handling of the cloth, the skill was revived. Undoubtedly such activities would reduce the longevity of the original textile. A point of lively discussion in Russia at present is the fate of important embroideries and painted icons held by museums during the Communist period and whose return to the churches is now sought - an environment where they will be exposed to incense, candle smoke and changes in humidity. These cases make us pause to consider, what are we saving cultural objects for? Is it to demonstrate to members of our own culture the quaintness of unfamiliar ones? Or is it to help preserve cultural diversity and a reservoir of diverse skills? Is the "primacy of the object" a proper answer to members of the cultures which created the object for whom the entombment in a museum of objects which have a significant place in their culture is an offence, deprivation or desecration?

IV. Heritage Law as part of international law A yet deeper issue lies behind this one. If the formative years of international cultural heritage law placed heavy reliance on the concepts of Western legal systems and Western practice and terminology drawn from the sciences of archaeology, architecture and museology developed in the West, many of these basic concepts are now subject to challenge. This is for two reasons. The first is that the concepts of some non-Western societies are more effective for preservation than those relied on until now. The second is that, if international rules are developed, what moral justification is there for ignoring or overriding basic concepts of other societies, especially where these are more effective? To give one example: The protection of sites in Europe has been achieved with difficulty by imposing limitations on the rights of ownership. Each step in this pro23 This example was given by Pamina Yellowbird, of the North Dakota Indians, at a symposium on repatriation of cultural property, "Material Culture in Flux", organized by the University of British Columbia, Vancouver, 19-21 May 1994. The proceedings are to be published.

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cess has been slow and almost always contested. Yet in some other societies the relationship to sites has always had its fundamental basis in preservation and trusteeship, rather than exploitation. In a famous Australian decision, an Australian judge described the relationship of Australian Aboriginals to their land as a spiritual one and described them as regarding themselves as having been entrusted with the land by their spirit ancestors. They regarded themselves as belonging to the land, rather than the land belonging to them 24 . Sites of cultural importance therefore have a dimension of spiritual reverence now rare in systems derived from European traditions. In a subsequent case the Australian High Court held that where Aboriginal people still had native title to their lands, the content of that title was to be determined according to their traditional laws and customs and not by the imported Common Law 2 5 . This was a most significant development, because, in that society, there was always a clear responsibility on some group for the husbanding of the land and its resources. It is clear that the exploitation ethic of the immigrant white community has caused, by its pastoral and developmental processes (especially those such as mining and deforestation), immense damage to the fragile ecological system, and that a respect for traditional spiritually based land-holding systems may provide an important element for future conservation policy. Sites sacred to Australian Aboriginals are now regarded as important culturally by Western scholars, but the implications of that belief system go far beyond the hitherto accepted sense of "culture" in the West. A parallel case exists for movables. In a case brought to the English Privy Council from India 26 , the Council held that, although a Hindu idol does not have legal personality in the Common Law, the Common Law would recognize that it was a legal entity in its own right in Hindu law and was entitled to have its own interests represented in court by a "next friend" 27 . It is clear that such a rule is far more likely to ensure traditional care of the idol than the importation of rules of exploitability derived from the English system.

V. Proposals for repatriation The failure to reach agreement on the return of cultural material taken during colonial times has also led to some imaginative proposals to construct a conceptual scheme which would justify a compromise between two extreme positions: one taken by some of the major museums in Western countries, and the other by countries which have had major losses. 24 25 26 27

Milirrpum v. Nabalco Pty. Ltd. (1971) 17 F.L.R. 141 at 272. Mabo v. Queensland No. 2 (1992) 175 C.L.R. 1. Acting in this case as the supreme appeal tribunal from the Indian courts. Mullick v. Mullick L.R. LII Indian Appeals (1925) 245 at 255-256, 259-261.

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One such idea is that of "reconstitution of dispersed heritages". This idea emerged from a meeting of museum experts 28 trying to find a middle way between these two positions. It was difficult to deny the justice of the claims of many newly independent countries that they had been left without adequate representation of their own highest cultural achievements, with dire effects for the stimulation and training of creative artists. At the same time there was an alarmist reaction from some major museums that meeting these claims would "empty the museums of Europe". The principle suggested, of reconstituting a heritage which has been dispersed, both meets the major claim of dispossessed countries and sets limits to a process feared by museum directors. It has already had some acceptance in practice: the concept of "filling gaps" in national collections has been used in some instances of return, in some documents such as the Appeal of the Director-General of UNESCO in 1978 29 and has achieved some recognition among countries requesting return also - consider the following statement: . . . when we say that objects should be returned, we do not mean all objects. It would be wholly unrealistic . . . Our concern is simply to recover any particular object which is considered to be sufficiently important for a given cultural tradition, to the extent that, without that object, the cultural tradition cannot be explained, above all, to those who have inherited it. 3 0

This concept, then, is a possible candidate, therefore, for future legal developments. Another idea generated by the same problem is that of the "New International Cultural Order" 31 which addresses the problem of the inequitable distribution of cultural resources throughout the world. The great "universal" museums, whose preservation and continuance is seen as fundamental to many Western museum curators, are all located in the wealthy countries. Many countries are cut off not only from the best of their own heritage, but from any reasonable representation of any other culture. To ensure better accessibility of cultural resources on every con28 ICOM Study on the Principles, Conditions and Means for the Restitution and Return of Cultural Property in view of Reconstituting Dispersed Heritages 1977 published as UNESCO Doc. CC-78 / CONE609/3 Annex 1 and in 1979 31 Museum 62 "Study on the Principles, Conditions and Means for the Restitution and Return of Cultural Property in view of Reconstituting Dispersed Heritages". 29 UNESCO Doc. SHC-76/CONE615.5,3, quoted in full in the work cited n. 5 above, 820-822. 30 S. Stétié, The View of UNESCO's Intergovernmental Committee, in: I. Staunton/M. McCartney (eds.), Lost Heritage: Report of the Symposium on the Return of Cultural Property held at the Africa Centre, London, 21 May 1981, (Commonwealth Arts Association, London, 1981), 9. 31 S. Stétié , The Return and Restitution of Cultural Property: a Call for More International Justice (1983), 9 Cultures 50 at 63; R. Fraoua , Le traffic illicite des biens culturels et leur restitution (Editions Universitaires, Fribourg, 1985), 210; J.-P. Colin/ J. Lang, La culture entre les peuples et les états: vers un nouveau droit international, in: Mélanges offerts à Charles Chaumont (Pedone, Paris, 1987), 179 at 193.

20 Fechner u. a.

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tinent would require a considerable effort to build up important specialized collections of exotic cultures on other continents32. This idea has perhaps suffered by the lack of success of efforts to establish the parallel concept of the "New International Economic Order" and, if further consideration is given to it, it may need to be under another rubric.

VI. New methods of enforcement The few resources which can be devoted to traditional style enforcement of the law also lead to innovative ways of using law and other means of ensuring compliance. Economic incentives such as rewards (for reporting archaeological finds, for example) or tax credits (for placing significant cultural property into public hands) and even purely moral (such as recognition by publication or formal acknowledgement in a museum plaque etc.) have been used, in some areas extensively. Difficulties in enforcing the Hague Convention, even in civil wars where it is the country's own heritage which is in peril, has brought about a reconsideration of the significance of the Convention's provisions on education and public information. School programmes would seem to have the most impact - but only after a delay of twenty or thirty years. Again, there are some interesting inquiries to be made as to how other societies have successfully managed to preserve their heritage. The handing down of important cultural objects has been more successful in some societies than our own. In Australian Aboriginal society, for example, the handing over of a tjuringa, an inscribed stone representing the individual's ancestry and sacred traditions, which also represented, in a fashion, his relationship to a particular area of land, only took place to an initiated man, and only after he had been through many tests which assured the Elders that he was a responsible person, able to properly care for and safeguard it 3 3 .

VII. Conclusion The sorts of questions being discussed here bring us back to the much more fundamental one already addressed. Can we restrict discussion to traditional Western concepts of protecting cultural "property" when the impetus behind the development of this new area of the law is clearly not related to the standard meanings of that word? And what use is legal protection restricted to the physical fabric of a monument when in fact its best protection is the retention and transmission of tra32 P. Gathercole, Recording Ethnographic Collections: the debate on the return of cultural property (1986), 38 Museum 187, at 191-192. 33 T.G.H. Strehlow, Aranda Tradition (Melbourne University Press, Melbourne 1947) 119 discussed in work cited above n.5, 870.

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ditional craft skills without which its fabric cannot be kept in good condition? These are questions which will direct the path of future developments in cultural heritage law.

Annex Conventions

Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict (the Hague Convention) 1954 Protocol to the Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict (the Hague Convention) 1954 Convention on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Import, Export and Transfer of Ownership of Cultural Property 1970 Convention concerning the Protection of the World Cultural and Natural Heritage 1972 Recommendations

Recommendation on International Principles Applicable to Archaeological Excavations 1956 Recommendation concerning the most Effective Means of Rendering Museums Accessible to Everyone 1960 Recommendation concerning the Safeguarding of the Beauty and Character of Landscapes and Sites 1962 Recommendation on the Means of Prohibiting and Preventing the Illicit Export, Import and Transfer of Ownership of Cultural Property 1964 Recommendation concerning the Preservation of Cultural Property Endangered by Public or Private Works 1968 Recommendation concerning the Protection, at National Level, of the Cultural and Natural Heritage 1972 Recommendation concerning the International Exchange of Cultural Property 1976 Recommendation concerning the Safeguarding and Contemporary Role of Historic Areas 1976 Recommendation for the Protection of Movable Cultural Property 1978 Recommendation for the Safeguarding and Preservation of Moving Images 1980

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