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German Pages 808 Year 2009
Soehring Presserecht
AfP
Praxisreihe Herausgegeben von
Rechtsanwalt Georg Wallraf
Presserecht Recherche, Darstellung und Haftung im Recht der Medien von
Dr. Jörg Soehring, LLM. Rechtsanwalt, Harnburg
4., vollständig überarbeitete Auflage
2010
oUs
Verlag Dr.OttoSchmidt
Köln
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verz:eiclmet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-67104-4
©2010 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Ühersetzungen, Mikroverfilml.lilge11 und die Einspei.chenmg und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten
Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: A. Quednau, Haan Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort zur 4. Auflage Hatte ich im Vorwort der dritten Auflage die Einschätzung geäußert, das Äußerungsrecht sei in den fünf Jahren zuvor in eine gewisse Konsolidierungsphase eingemündet – eine Einschätzung, der Erich Steffen in seiner schönen Rezension (AfP 2001, 257 ff.) schon für jenen Zeitraum widersprach –, so sind in den seither verstrichenen neun Jahren eine kaum zu übertreffende Anzahl von Gesetzesänderungen mit Relevanz für das Gebiet des Medienrechts sowie zahlreiche Weichenstellungen durch die Rechtsprechung zu verzeichnen. Zwar gibt es weiterhin kein einheitlich kodifiziertes Recht der Medien, und schon im Hinblick auf die durch das Grundgesetz vorgegebene Verteilung der Gesetzgebungskompetenz für Materien mit medienrechtlicher Relevanz auf Bund und Länder deutet nichts darauf hin, dass sich dies in Zukunft ändern wird. Gesetzgeberische Aktivitäten mit Auswirkungen auf die Medien waren im vergangen Jahrzehnt dennoch in großer Zahl und auf allen Ebenen zu verzeichnen. In diesen Zeitraum fallen so gravierende Entwicklungen wie die Schuldrechtsreform des Jahres 2002, die Novellierungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in den Jahren 2004 und 2008, die partielle Liberalisierung des Zeugnisverweigerungsrechts der Medien durch die Neufassung von § 53 StPO im Jahr 2002 sowie die Ersetzung des Teledienstegesetzes durch das Telemediengesetz im Jahr 2007 und der Tele- und Mediendienstestaatsverträge durch die im Dezember 2008 in Kraft getretene 10. Änderung des Rundfunkstaatsvertrags, der nun auch Bestimmungen für die elektronische Presse enthält. Zudem wurden nahezu alle Landespresse- und Mediengesetze novelliert und in Teilen medienübergreifend vereinheitlicht. Dem bereits 1990 intensivierten Schutz des gesprochenen Worts durch den erweiterten Straftatbestand des § 201 StGB hat der Gesetzgeber im Jahr 2004 nun denjenigen des § 201a StGB betreffend die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen zur Seite gestellt und damit auf die stark zunehmenden Paparazzi-Aktivitäten und die auf ihnen basierende Flut von veröffentlichten Lichtbildern aus dem Privatleben Prominenter reagiert. Auch der im Jahr 2007 eingeführte Straftatbestand des § 238 StGB betreffend das Stalking, derjenige des Scalping gemäß §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes sowie das neue Jugendschutzgesetz des Jahres 2003 mit der Flankierung durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sind in diesem Zusammenhang zu nennen; die zuletzt genannten Normen haben zugleich die Aufhebung des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften bewirkt, das über Jahrzehnte als einzige Quelle des Jugendmedienschutzes diente. Auf eine Erläuterung des neuen Medienschutzes habe ich aus Platzgründen verzichtet. Nicht weniger gravierend als diese Aktivitäten der Gesetzgeber waren erneut die Beiträge, die die Gerichte im vergangenen Jahrzehnt zur Fortentwicklung des Medienrechts zu leisten hatten. Erwähnt sei an dieser Stelle vor allem die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Sachen Caroline von Monaco mit den Folgeentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichthofs und zahlreicher Oberlandesgerichte zum Recht
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Vorwort zur 4. Auflage am eigenen Bild einschließlich des sich schon im Jahr 2000 abzeichnenden Abschieds von der Rechtsfigur der Person der Zeitgeschichte. Die von mir im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 formulierte Frage Caroline und ein Ende? (AfP 2000, 230 ff.) ist in diesem Zeitraum beantwortet worden: Ein Ende war damals und ist auch heute nicht in Sicht. Erwähnt seien hier aber auch so grundlegende Entscheidungen wie diejenige des Bundesverfassungsgerichts zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen in Sachen Stolpe oder zum Schutz des Redaktionsgeheimnisses gegen seine Durchlöcherung durch Ermittlungsbehörden in Sachen Cicero und des Bundesgerichtshofs zur Anerkennung vermögenswerter Bestandteile des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Sachen Marlene Dietrich oder aber zur Neubestimmung des Verhältnisses zwischen der Meinungsfreiheit und ihren etablierten wettbewerbsrechtlichen Beschränkungen in Sachen Lafontaine. Diese Skizzierung zahlloser Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit der Medien muss notgedrungen unvollständig und damit selektiv ausfallen, will sie nicht den Rahmen eines Vorworts sprengen. Sie beschreibt aber Art und Umfang der Neuerungen, die bei der Bearbeitung der nun vorliegenden Neuauflage zu berücksichtigen waren und dazu führen mussten, dass trotz Beibehaltung des Konzepts der Vorauflagen und derjenigen Abschnitte, die von Änderungen nicht betroffen sind, weite Teile des Buchs grundlegend zu überarbeiten waren. Dass ich diese Aufgabe neben meiner Tätigkeit in der internationalen Anwaltssozietät Latham & Watkins LLP aus zeitlichen Gründen nicht bewältigen, sie vielmehr erst nach meinem Ausscheiden aus der aktiven anwaltlichen Tätigkeit in Angriff nehmen konnte, erklärt zugleich den langen Zeitraum, der seit Erscheinen der Vorauflage verstreichen musste. Mein Dank gilt nach Abschluss des Manuskripts den Mitarbeiterinnen in den Bibliotheken des Hamburger Büros meiner ehemaligen Sozietät, die mich auch nach meinem Ausscheiden mit Effizienz und Freundlichkeit unterstützt haben, wo immer ich der Unterstützung bedurfte; so konnten Rechtsprechung und Schrifttum bis Ende Juli 2009 berücksichtigt und damit größtmögliche Aktualität bei Drucklegung gewährleistet werden. Mein Dank gilt aber auch Frau Sonja Behrens-Khaled im Lektorat und ihren Kolleginnen und Kollegen in der Herstellungsabteilung des Verlags Dr. Otto Schmidt für die effiziente Umsetzung des Manuskripts einschließlich der Tatsache, dass es ihnen gelungen ist, den äußeren Umfang des Buchs trotz der Fülle hinzugekommenen Materials nahezu unverändert zu halten; und er gilt vor allem meiner Frau, Dr. Marianne Soehring, die mich nach meinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben dazu ermuntert hat, das Projekt einer Neuauflage in Angriff zu nehmen. Hamburg, im August 2009
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Jörg Soehring
Aus dem Vorwort zur 1. Auflage Mit der vorliegenden Arbeit wird für ein Kerngebiet des Presse- und Medienrechts das Anliegen der AfP-Praxisreihe fortgesetzt, Rechtsgebiete mit Relevanz für die Arbeit von Presse, Hörfunk und Fernsehen in einer Weise darzustellen, die für die nicht juristisch vorgebildeten Angehörigen der Medien lesenswert und für die einschlägig tätigen Juristen nutzbar ist. Das Presse- und Medienrecht ist ein interdisziplinäres Rechtsgebiet, in dem straf- und zivilrechtliche Aspekte sowie Einzelheiten aus zahlreichen weiteren Rechtsgebieten zusammenwirken. Eine lückenlose Erfassung aller einschlägigen Literatur und Rechtsprechung ist daher nicht möglich. Entsprechend dem mit diesem Buch verfolgten Anliegen, dem an medienrechtlichen Fragen interessierten juristischen Laien einen verständlichen Überblick über alle einschlägigen Probleme, zugleich aber auch dem in diesem Rechtsgebiet tätigen Juristen eine verlässliche Arbeitshilfe zu geben, ist schwerpunktmäßig die für die behandelten Rechtsgebiete maßgebliche Rechtsprechung verarbeitet worden. Bewährter wissenschaftlicher Tradition entspricht es, bei der Verarbeitung der Rechtsprechung auf solche Entscheidungen besonders hinzuweisen, an denen der Verfasser oder seine anwaltlichen Sozien mitgewirkt haben. Anstelle von Einzelnachweisen sei hier generell darauf hingewiesen, dass der Verfasser auch solche gerichtlichen Entscheidungen berücksichtigt hat, an deren Zustandekommen er als Parteivertreter beteiligt war. Das speziell presserechtliche Schrifttum wurde weitgehend ausgewertet, während im Interesse der Übersichtlichkeit aus den angrenzenden Rechtsgebieten in der Regel lediglich ein eingeführter Standardkommentar herangezogen wurde; für die Bearbeitung von Detailproblemen muss auf das jeweils in den angegebenen Fundstellen genannte weiterführende Schrifttum verwiesen werden. Hamburg, im Juli 1989
Jörg Soehring
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Inhaltsübersicht Seite
Vorwort zur 4. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Aus dem Vorwort zur 1. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil I Material und Recherche Erster Abschnitt Einführung Seite
§ 1 Übersicht – Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen . . . . . . . . 2. Informationsermittlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sachliche Tragweite des Prinzips der Informationsfreiheit . . . . . . .
1 2 2 8
§ 2 Publizistische Sorgfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Landespressegesetze, Rundfunkrecht und Neue Medien . . . . . . . . 2. Inhalt der publizistischen Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Relevanz der publizistischen Sorgfalt . . . . . . . . . . . . . .
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Zweiter Abschnitt Nachrichten/Fakten – Quellen und Beschaffung § 3 Allgemein zugängliche Informationen – Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 4 Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auskunftsansprüche gegenüber staatlichen Stellen . . . . . . . . . . . . . 2. Auskunftsansprüche gegenüber Privaten und Unternehmen . . . . .
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§ 5 Akten- und Registereinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Handels- und Unternehmensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schuldnerverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Melderegister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsübersicht § 6 Zutritt zu Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Veranstaltungen staatlicher Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Private Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 § 7 Arbeit mit Informanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Information und Verschwiegenheitspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Informantenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Informationshonorare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exklusivverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bearbeitung eingereichter Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Interviews und Hintergrundgespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 8 Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Träger des Zeugnisverweigerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt des Zeugnisverweigerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 9 Bildbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Bildrecherche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Erwerb von Bildrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 § 10 Grenzen und Grenzformen der Recherche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Strafrechtliche Schranken der Recherche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Zivilrechtliche Schranken der Recherche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 § 11 Sicherung von Rechercheergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
Teil II Das Recht der Darstellung Erster Abschnitt Allgemeine Grundlagen § 12 Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung . . . . . . 1. Strafrechtliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zivilrechtliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen . . . . . . . . . . . . .
234 234 257 267
§ 13 Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene . . . . . . . . . . . . . . 1. Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personenvereinigungen des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erkennbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
279 279 289 291 294 300
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Inhaltsübersicht § 14 Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Meinungsäußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
305 306 309 310
§ 15 Wahrnehmung berechtigter Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 1. Rechtliche Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Zweiter Abschnitt Einzelfragen § 16 Verbreiterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Behaupten und Verbreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermitteln von Eindrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zitieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
340 340 370 380
§ 17 Identifizierung Betroffener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arten der Identifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit der Identifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gleichnamigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Namensnennung und Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 18 Unwahre Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 1. Grundsatz der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 § 19 Wahre Tatsachenbehauptungen – Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Intimsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geheimsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sozial- und Öffentlichkeitssphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
401 405 408 409 440 443
§ 20 Meinungsäußerungen und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 1. Meinungsäußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 2. Kunst und Satire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 § 21 Bildberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 1. Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 2. Sonstige Schranken der Bildberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 § 22 Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Produktkritik und Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pressefehde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirtschaftliche Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Boykottaufrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
516 516 520 533 538 540
XI
Inhaltsübersicht 6. Abbildung von Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 7. Rechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 § 23 Redaktionelle Empfehlungen und Ratschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 1. Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 2. Ratschläge und Handlungsanleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 § 24 Redaktionelle Arbeit und Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hörfunk und Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
559 560 572 587
§ 25 Impressum, Anbieterkennzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil III Haftung und Ansprüche Erster Abschnitt Strafrechtliche Haftung § 26 Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafantrag und Privatklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
597 597 602 605
§ 27 Beschlagnahme und Einziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 1. Kompetenzfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 2. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 Zweiter Abschnitt Zivilrechtliche Ansprüche § 28 Verantwortliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 1. Medienunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 2. Mitwirkende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 § 29 Gegendarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materielle Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Formelle Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Durchsetzung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erfüllung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Besonderheiten im Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Besonderheiten im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XII
619 619 623 638 649 657 666 669
Inhaltsübersicht § 30 Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 2. Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 § 31 Berichtigungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
694 694 704 707
§ 32 Schadenersatz und Bereicherungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709 1. Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709 2. Bereicherungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742 § 33 Anrufung des Deutschen Presserats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744
Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
746
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
753
XIII
.
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort zur 4. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Aus dem Vorwort zur 1. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXI
Teil I Material und Recherche Erster Abschnitt Einführung Tz. Seite
§ 1 Übersicht – Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 1. Die Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen . . . 2. Informationsermittlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sachliche Tragweite des Prinzips der Informationsfreiheit . .
1 4 6 12
1 2 2 8
§ 2 Publizistische Sorgfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Landespressegesetze, Rundfunkrecht und Neue Medien . . . a) Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hörfunk und Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Telemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt der publizistischen Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflicht zur Prüfung von Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Informationswert und Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . bb) Aktualität und Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Quelle und Sorgfaltsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anhörung des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Relevanz der publizistischen Sorgfalt . . . . . . . . .
1 2 3 6 7a 8 9 12 14 18 20 22 26
10 10 10 12 12 13 14 15 15 17 18 21 22
1 3 3 4
24 25 25 25
6
26
Zweiter Abschnitt Nachrichten/Fakten – Quellen und Beschaffung § 3 Allgemein zugängliche Informationen – Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Freiheit der Nachricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wörtliche Wiedergabe anderweitig publizierter Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XV
Inhaltsverzeichnis cc) Kleinzitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Pressestimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Bildzitate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pressespiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umfang der Nachdruckfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zum Nachdruck berechtigte Medien . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorbehalt der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematische Auswertung anderer Publikationen . . . . . . b) Anzeigenübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Füllanzeigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abkupfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragliche Sperrfristen und Verwendungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einseitige Sperrfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8 11 12 15 16 20 24 26 27 31 32 35 36
27 29 29 32 33 35 37 38 39 40 40 42 43
37 43
43 45
§ 4 Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche . . . . . . . . . . . . 1 1. Auskunftsansprüche gegenüber staatlichen Stellen . . . . . . . . 3 8 a) Die Regelung der Landespressegesetze . . . . . . . . . . . . . . . . 8 aa) Auskunftsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auskunftspflichtige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 cc) Inhalt und Schranken des Auskunftsanspruchs . . . . . 22 dd) Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 ee) Zumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 ff) Beschränkung auf Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 b) Abwägungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa) Geheimhaltungsbedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 bb) Gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften . . . . . . . . . . 44 cc) Steuergeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 dd) Straf-, Ermittlungs- und Verwaltungsverfahren . . . . . . 53 ee) Zivilrechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 ff) Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der früheren DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 gg) Schutzwürdige private Interessen als Auffangtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 c) Durchsetzung des Auskunftsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 75 d) Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77a 2. Auskunftsansprüche gegenüber Privaten und Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Folgen der Auskunftsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
46 47 49 49 52 56 60 64 65 65 65 66 69 70 75
§ 5 Akten- und Registereinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Handels- und Unternehmensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schuldnerverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundbuchrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landespressegesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Melderegister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91 92 93 94 94 98 98
XVI
1 3 5 7 8 15 16
79 83 85 87 87 87 89
Inhaltsverzeichnis § 6 Zutritt zu Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Veranstaltungen staatlicher Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Parlamentssitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gerichtsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Öffentlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hörfunk- und Fernsehaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fotografieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Raumkapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pressekonferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Öffentliche Ereignisse, Polizeiaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Private Veranstaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Printmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Hausrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Urheber- und Leistungsschutzrechte . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonstige entgegenstehende Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Sportliche Großereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Kurzberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hörfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 3 4 5 8 13 14 16 20 21 24 26 29 31 33 38 39 43
100 100 100 101 101 103 107 108 109 111 112 113 115 116 117 118 121 121 124
§ 7 Arbeit mit Informanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 125
1. Information und Verschwiegenheitspflichten . . . . . . . . . . . . a) Beamte und andere Hoheitsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Formelle Geheimhaltungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . (1) Amtsverschwiegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Private Geheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Post- und Fernmeldegeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Steuergeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Relevanz für die Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtfertigung des Geheimnisbruchs? . . . . . . . . . . . . . b) Private Informanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesetzliche Verschwiegenheitspflichten . . . . . . . . . . . (1) Privatgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Berufs- und standesrechtliche Restriktionen . . . . . (3) Geschäftsgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vertragliche Verschwiegenheitspflichten . . . . . . . . . . (1) Verschwiegenheitspflichten von Arbeitnehmern . (2) Sonstige vertragliche Schweigepflichten . . . . . . . . 2. Informantenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Strafrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zivilrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Begrenzung des Haftungsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Informationshonorare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Amtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 125 4 125 5 6 7 9 10 11 12 13 14 15 16 18 20 22 23 26 27 28 29 30 32 36 41 42
126 127 127 128 129 129 130 131 132 132 132 134 137 138 138 140 141 141 142 142 143 146 148 149
XVII
Inhaltsverzeichnis b) Privatpersonen und -institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerliche Behandlung von Informationshonoraren . . . . 4. Exklusivverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vereinbarungen zugunsten der Medien . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarungen zugunsten der Informanten . . . . . . . . b) Wirksamkeitsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bearbeitung eingereichter Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Angestellte Redakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einsender und freie Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Interviews und Hintergrundgespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Interviewfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt des Interviewvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hintergrundgespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 47 48 49 50 52 53 57 59 60 61 63 64 65 66 71 74
150 152 152 152 152 153 154 155 157 157 158 158 159 159 159 161 162
§ 8 Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Träger des Zeugnisverweigerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt des Zeugnisverweigerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Identität der Informanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anvertraute Mitteilungen und selbst recherchiertes Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anzeigenteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . 5. Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbot . . . . . . . . . . . . . .
1 2 8 11 12
164 164 170 172 172
16 22 23 24
174 177 178 179
§ 9 Bildbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bildrecherche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Herstellung von Lichtbildern und Filmen . . . . . . . . . . bb) Folgen von Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beschlagnahme, Notwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zivilrechtliche Abwehransprüche . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Schranken der Bildrecherche . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die allgemeinen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzliche Fotografierverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerb von Bildrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertragliche Rahmenbedingungen für den Erwerb von Bildrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abschluss von Nutzungsrechtsverträgen . . . . . . . . . . . bb) Inhalt von Nutzungsrechtsverträgen . . . . . . . . . . . . . . (1) Sperrfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Urheberbenennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 3 3 7 8 14 15 16 19 21 22 23 28
183 183 183 183 187 187 190 191 191 191 192 193 193 196
31 32 35 36 38
197 197 199 199 200
XVIII
Inhaltsverzeichnis (3) Verlust- und Blockierungshonorare . . . . . . . . . . . . c) Fehlen vertraglicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40 201 48 205
§ 10 Grenzen und Grenzformen der Recherche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 207 3 208 1. Strafrechtliche Schranken der Recherche . . . . . . . . . . . . . . . . 4 208 a) Hausrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimnis6 209 bereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 209 aa) Vertraulichkeit des gesprochenen Worts . . . . . . . . . . . bb) Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 211 cc) Briefgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 213 dd) Ausspähen und Abfangen von Daten . . . . . . . . . . . . . . 11 214 ee) Verletzung von Privatgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . . 13 215 ff) Nachstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14a 215 2. Zivilrechtliche Schranken der Recherche . . . . . . . . . . . . . . . . 15 216 a) Aufnahme des gesprochenen Worts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 216 b) Schutz des geschriebenen Worts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 217 c) Telefonanrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 219 d) Belagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 220 e) Herstellung von Psychogrammen etc. . . . . . . . . . . . . . . . . 24 221 f) Einschleichen, Täuschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 222 § 11 Sicherung von Rechercheergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mithören und Mitschneiden von Gesprächen . . . . . . . . . . c) Zeugenaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Parteivernehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 9 10 13 15 18
224 224 227 227 228 229 231
4 5 7 7 10 14 16 19 20 21
234 234 235 235 236 238 239 240 240 241
Teil II Das Recht der Darstellung Erster Abschnitt Allgemeine Grundlagen § 12 Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung . 1. Strafrechtliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Beleidigungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beleidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Üble Nachrede und Formalbeleidigung . . . . . . . . . . . . cc) Verleumdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener . . . . . . . . . . c) Beleidigungsdelikte zu Lasten des Staats . . . . . . . . . . . . . . aa) Verunglimpfung des Bundespräsidenten . . . . . . . . . . . bb) Verunglimpfung des Staats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIX
Inhaltsverzeichnis cc) Verunglimpfung von Verfassungsorganen . . . . . . . . . . 26 244 dd) Politische üble Nachrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 245 ee) Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten . . . 30 246 d) Offenbarung und Preisgabe von Staatsgeheimnissen . . . . 31 246 e) Jugendschützende Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 248 aa) Pornografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 249 bb) Gewaltdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 250 f) Volksverhetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 251 g) Beschimpfung von religiösen Bekenntnissen . . . . . . . . . . . 47 254 h) Scalping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48b 256 2. Zivilrechtliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 257 a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 258 b) Recht am Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 259 c) Verletzung von Schutzgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 261 d) Kreditgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 262 e) Sittenwidrige Schädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 266 3. Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen . . . . . . . . 72 267 a) Strafrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 268 aa) Veröffentlichung von Abhörprotokollen . . . . . . . . . . . 74 268 bb) Nicht öffentliche Gerichtsverhandlungen . . . . . . . . . . 77 270 cc) Wiedergabe von Aktenbestandteilen . . . . . . . . . . . . . . 79 271 dd) Veröffentlichung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der früheren DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 273 ee) Verletzung des Rechts am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . 83b 274 b) Zivilrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 275 § 13 Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene . . . . . . . . . 1 279 1. Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 279 2 279 a) Lebende Betroffene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 282 b) Der Schutz Verstorbener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 282 aa) Immaterielle Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vermögensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12c 287 2. Personenvereinigungen des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 289 3. Juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . 16 291 4. Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 294 a) Kollektivbeleidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 294 b) Individuelle Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 297 5. Erkennbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 300 a) Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 301 b) Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 303 § 14 Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung . . . . . . . . . . . . . 1. Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Meinungsäußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sinnzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XX
1 3 8 11 13 15 19
305 306 309 310 313 315 319
Inhaltsverzeichnis d) e) f) g)
Schlussfolgerungen und Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Qualifizierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslegungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Satire und Karikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20 22 24 28
320 321 323 326
§ 15 Wahrnehmung berechtigter Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschützte Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art und Intensität des Informationsinteresses . . . . . . bb) Sachlichkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Angemessenheit des Mittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Absicht der Interessenwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Anlass der Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Privilegierte Äußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 5 6 8 10 12 14 17 18 21 22
329 329 330 331 332 332 334 335 336 336 338 338
1 1 1 3 3 8 10 10 16 17 18 19 21 23 26 30 33 40 41 44 45 50 51 54
340 340 340 341 341 343 344 344 347 348 355 355 356 357 362 364 365 370 371 373 377 380 380 382
Zweiter Abschnitt Einzelfragen § 16 Verbreiterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Behaupten und Verbreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Behaupten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Printmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Hörfunk und Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verbreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Printmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Hörfunk und Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verdachtsberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gerüchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zitate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Anzeigenteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermitteln von Eindrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schlagzeilen, Inhaltsangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verdeckte Behauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Illustration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zitieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wörtliche Zitate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 17 Identifizierung Betroffener . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arten der Identifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit der Identifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 383 2 383 4 384 XXI
Inhaltsverzeichnis 3. Gleichnamigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Namensnennung und Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12 390 16 392
§ 18 Unwahre Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 396 2 396 3 397
§ 19 Wahre Tatsachenbehauptungen – Das Allgemeine 1 401 Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 405 1. Intimsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 408 2. Geheimsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Privatsphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 409 a) Privater Lebensbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 410 b) Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . 22 421 c) Literarische Vorbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23a 422 d) Strafrechtliche Verurteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 425 aa) Namensnennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 425 bb) Zeitliche Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 428 e) Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 434 4. Sozial- und Öffentlichkeitssphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 440 5. Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 443 a) Erteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 443 b) Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 445 c) Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 447 § 20 Meinungsäußerungen und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsäußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kunst und Satire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Satire und Karikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 7 13 13 16
449 449 449 455 461 461 464
§ 21 Bildberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens . . . . . . . . . . bb) Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit . . . . . . . . . cc) Demonstrationen und Polizeieinsätze . . . . . . . . . . . . . c) Berechtigte Interessen des Abgebildeten . . . . . . . . . . . . . . . d) Einwilligung und Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erteilung und Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Postmortaler Bildnisschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Veröffentlichung rechtswidrig hergestellter Aufnahmen . 2. Sonstige Schranken der Bildberichterstattung . . . . . . . . . . . . a) Urheberrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigentum und Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 3 5 10 15 20 21 22 24 28 31 32 36
470 470 470 478 478 482 489 492 502 502 502 504 508 510 510 513
XXII
Inhaltsverzeichnis c) Banknoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 22 Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Produktkritik und Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Produkt- und Dienstleistungskritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Objektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sachkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pressefehde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirtschaftliche Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Boykottaufrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ideelle Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirtschaftliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abbildung von Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 23 Redaktionelle Empfehlungen und Ratschläge . . . . . . . . . . . . . . . 1. Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ratschläge und Handlungsanleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auskunftshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Produzentenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 24 Redaktionelle Arbeit und Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Redaktionelle Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Koppelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bezahlte Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Umfeldgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kundenzeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hörfunk und Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Product Placement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sendungssponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ereignissponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Medienübergreifende Kooperationen . . . . . . . . . . . . . . 3. Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 515
1 3 8 8 17 21 25 30 32 38 43 44 46 49 52
516 516 520 520 526 528 530 532 533 538 540 540 542 543 546
1 549 3 5 7 7 12 16
549 550 551 551 553 555
1 559 4 6 10 14 16 18 24 26 27 30 31 38 40 47 51 54
560 562 563 565 566 566 570 572 572 574 575 579 579 582 585 587
§ 25 Impressum, Anbieterkennzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 589
1. Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 589 XXIII
Inhaltsverzeichnis 2. Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 592 7 592
Teil III Haftung und Ansprüche Erster Abschnitt Strafrechtliche Haftung 3 597 § 26 Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 4 597 1. Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 597 a) Verfasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 598 b) Chefredakteur und Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 599 c) Verantwortlicher Redakteur und Verleger . . . . . . . . . . . . . d) Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11a 602 2. Strafantrag und Privatklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 602 a) Strafantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 602 b) Privatklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 603 3. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 605 1 1 4 4 6
607 607 608 608 609
§ 28 Verantwortliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Medienunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitwirkende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Chefredakteur und Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verantwortliche Redakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Technische Verbreiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 7 8 10 11 14
611 611 613 613 614 615 616
§ 29 Gegendarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materielle Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Erstmitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt der Gegendarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 3 6 7a 8 9 12 17
619 619 620 622 623 623 623 626 630
§ 27 Beschlagnahme und Einziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kompetenzfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beschlagnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Abschnitt Zivilrechtliche Ansprüche
XXIV
Inhaltsverzeichnis
3.
4.
5.
6.
7.
d) Berechtigtes Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 632 e) Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 637 Formelle Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 638 a) Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 638 b) Zuleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 641 c) Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 643 Durchsetzung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 649 a) Verfahrensart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 649 b) Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 651 c) Änderung der Gegendarstellung im Prozess . . . . . . . . . . . . 45a 651 d) Rechtswidrige Anspruchsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . 46 656 e) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 656 Erfüllung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 657 a) Nächstfolgende Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 657 b) Waffengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 659 c) Glossierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 662 d) Fehlerhafte Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 665 Besonderheiten im Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 666 a) Sendemanuskript . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 666 b) Entgegnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 667 c) Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 668 d) Zur Ausstrahlung Verpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68a 668 Besonderheiten im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 669
§ 30 Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begehungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erstbegehungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darlegungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verbotsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beschränkung des Unterlassungsanspruchs . . . . . . . . . . . .
1 2 3 6 7 12 15 15 17 22 23 24 29 30
672 672 673 674 674 677 679 679 681 685 686 686 689 691
§ 31 Berichtigungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung auf Tatsachenbehauptungen . . . . . . . . . . . . c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahrensart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Hauptsacheklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 2 5 8 11 17 17 17
694 694 694 696 698 701 704 704 704 XXV
Inhaltsverzeichnis bb) Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 705 22 706 23 707
§ 32 Schadenersatz und Bereicherungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 709 1. Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 709 2 709 a) Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 709 aa) Schuldhafte Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 710 cc) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 712 b) Materielle Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 713 8 713 aa) Entgangener Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schadensmindernde Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . 11 716 c) Geldentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 719 aa) Anspruchsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 721 bb) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 723 (1) Schwerwiegende Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . 21 724 (2) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 730 (3) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 731 (4) Unabwendbares Bedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 734 cc) Anspruchshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 735 d) Lizenzgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36b 742 2. Bereicherungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 742 § 33 Anrufung des Deutschen Presserats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 744
Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
746
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
753
XXVI
Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. a. E. a. F. AfP AG AGB AktG Anm. AO AP ArbGG ArchPR Art.
anderer Ansicht Absatz am Ende alter Fassung Archiv für Presserecht (Jahr und Seite) Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktiengesetz Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgerichtsgesetz Archiv Presserechtlicher Entscheidungen (Jahr und Seite) Artikel
BAG Bay BayMG BayObLG BB BBG BDG BDSG BGB BGBl. BGH BGHSt
Bundesarbeitsgericht Bayern, bayerisch Bayerisches Mediengesetz Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebsberater (Jahr und Seite) Bundesbeamtengesetz Bundesdisziplinargesetz Bundesdatenschutzgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (Jahrgang, Teil, Seite) Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Band und Seite) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Band und Seite) Gesetz über das Bundeskriminalamt Berufsordnung für Rechtsanwälte Bundesrechtsanwaltsordnung Beamtenrechtsrahmengesetz Bundestagsdrucksache (Wahlperiode, Ausgabe, Seite) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band und Seite) Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Band und Seite)
BGHZ BKAG BORA BRAO BRRG BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE
XXVII
Abkürzungsverzeichnis DB DÖV DRiG DVBl. DVO
Der Betrieb (Jahr und Seite) Die Öffentliche Verwaltung (Jahr und Seite) Deutsches Richtergesetz Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung
EG EGGVG EGMR EMRK
Ehrengericht Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention
f./ff. FamFG
folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in allen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Richtlinie 89/552 EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/65/EG vom 11. Dezember 2007 – Fernsehen ohne Grenzen Finanzgerichtsordnung Film und Recht (Jahr und Seite) Fußnote
Fernsehrichtlinie
FGO FuR Fußn. GBO GEMA GG GRUR GRUR-RR GVG
Grundbuchordnung Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte Grundgesetz Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Jahr und Seite) GRUR-Rechtsprechungsreport (Jahr und Seite) Gerichtsverfassungsgesetz
HGB
Handelsgesetzbuch
InsO i. V. m.
Insolvenzordnung in Verbindung mit
JGG JMStV
Jugendgerichtsgesetz Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag) Jugendschutzgesetz Juristenzeitung (Jahr und Seite)
JuSchG JZ Kap. KG KUG KWG
XXVIII
Kapitel Kammergericht Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste Kreditwesengesetz
Abkürzungsverzeichnis LAG LG LMG LPG
Landesarbeitsgericht Landgericht Landesmediengesetz Landespressegesetz
MarkenG MDR MedR MMR MRRG MTV m. w. N.
Markengesetz Monatsschrift für Deutsches Recht (Jahr und Seite) Medizin und Recht (Jahr und Seite) Multimedia und Recht (Jahr und Seite) Melderechtsrahmengesetz Manteltarifvertrag mit weiteren Nachweisen
NJW NJW-RR NRW NStZ NVwZ
Neue Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite) NJW-Rechtsprechungsreport (Jahr und Seite) Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Strafrecht (Jahr und Seite) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Jahr und Seite)
OASG
Gesetz zur Sicherung der zivilrechtlichen Ansprüche der Opfer von Straftaten Österreichischer Oberster Gerichtshof Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitengesetz
ÖOGH OLG OVG OWiG RDG RG RGSt
Rz.
Rechtsdienstleistungsgesetz Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (Band und Seite) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band und Seite) Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien vom 31. August 1991 in der Fassung des Zehnten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 19. Dezember 2007, in Kraft getreten am 1. Dezember 2008 Randzahl
S. Schulze SchwarzArbG SGG StGB StPO
Seite Schulze, Entscheidungssammlung zum Urheberrecht Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Sozialgerichtsgesetz Strafgesetzbuch Strafprozessordnung
RGZ RiStBV RStV
XXIX
Abkürzungsverzeichnis StPOÄndG StUG
Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung Stasi-Unterlagen-Gesetz
TKG TMG Tz.
Telekommunikationsgesetz Telemediengesetz Textziffer
UFITA UrhG UWG
Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (Band, Jahr und Seite) Urheberrechtsgesetz Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
VerlG VersammlG VersR VG VG Wort VGH vgl. VwGO VwVfG
Verlagsgesetz Versammlungsgesetz Versicherungsrecht (Jahr und Seite) Verwaltungsgericht Verwertungsgesellschaft Wort Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz
WpHG WRP
Wertpapierhandelsgesetz Wettbewerb in Recht und Praxis (Jahr und Seite)
ZAW Ziff. ZPO ZUM ZUM-RD
Zentralausschuss der Werbewirtschaft Ziffer Zivilprozessordnung Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Jahr und Seite) ZUM-Rechtsprechungsdienst (Jahr und Seite)
XXX
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XLI
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Teil I Material und Recherche Erster Abschnitt Einführung §1 Übersicht – Verfassungsrechtliche Grundlagen Medien leben von der Information. Das gilt für die Presse, mithin die Printmedien und elektronische Presse,1 zwar mehr als für den Rundfunk mit den medialen Formen Hörfunk und Fernsehen, die ihren Zielgruppen neben Informationen in stärkerem Maß Unterhaltsames ohne direkten Informationswert wie z.B. Musik oder Hörspiele sowie Fernseh- und Spielfilme anbieten. Aber auch der Rundfunk kommt ohne die Vermittlung von Informationen nicht aus, und auch er und die Redakteure insbesondere in den Nachrichtenredaktionen von Hörfunk und Fernsehen verstehen sich als Informationsvermittler.
1
Erfolgreiche Medienproduktion setzt daher zu einem wesentlichen Teil erfolgreiche Informationsbeschaffung voraus. Dasjenige Medium seiner Kategorie wird in aller Munde und daher im Einzelfall am erfolgreichsten sein, dem es gelingt, die politisch oder gesellschaftlich relevantesten Informationen als erstes zu beschaffen, zu verifizieren und zu publizieren. Der Wettlauf der Redaktionen um Aktualität, um die heißesten Nachrichten, die spektakulärsten Interviews oder exklusive Informationen und Bilder ist daher ein wesentlicher Teil ihrer täglichen Arbeit. Dieser Wettlauf wird nicht nur unter Publikationen der gleichen Sparte ausgetragen wie Zeitungen, Magazinen oder Rundfunkredaktionen untereinander, sondern quer durch die verschiedenen Sparten der Medien. Er ist auch nicht etwa auf die großen Zeitungen, Zeitschriften oder Funkredaktionen beschränkt, sondern spielt sich auf lokaler Ebene gleichermaßen ab wie auf überregionaler oder nationaler.
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Die rechtlichen Kriterien aufzuzeigen, vor deren Hintergrund und in deren Rahmen sich dieses Bemühen der Redaktionen um Informationen und Materialien abspielt, deren sich die Beteiligten aber oftmals nicht oder nicht hinreichend bewusst sein werden, ist das Anliegen des ersten Teils des vorliegenden Buchs.
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1 Als elektronische Presse versteht man nicht nur die über das Internet zu beziehenden Ausgaben vorbestehender Printmedien, sondern jedes journalistisch aufbereitete, online verbreitete Angebot, das nach Gestalt und Inhalt einer Zeitung oder Zeitschrift entspricht; vgl. §§ 54 Abs. 2, 56 Abs. 2 RStV; dazu Engels/Jürgens, AfP 2008, 367; zur Gleichstellung des relativ jungen Mediums der elektronischen Presse mit der traditionellen, gedruckten Presse vgl. Soehring, Konvergenz, S. 43 f., 76. Sofern nicht im Text auf Besonderheiten hingewiesen wird, umfassen in diesem Buch die Begriffe Presse und Medien stets auch die elektronische Presse.
1
§ 1 Tz. 4
Material und Recherche – Einführung
1. Die Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen 4
Auszugehen ist von einem klaren Grundsatz: Jedermann hat das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Dieses Recht ist als Teil der Meinungsfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsrechtlich geschützt. Es steht selbstverständlich auch den Medien und ihren Beauftragten zu.1 Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zur Information setzt die Medien in den Stand, die ihnen in der freiheitlichen Demokratie zukommenden Aufgaben wahrzunehmen. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle, wenn sie geeignet ist, der Allgemeinheit, mithin einem individuell nicht bestimmten Personenkreis, Informationen zu verschaffen.2 Über die Zugänglichkeit und die Art des Zugangs entscheidet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts derjenige, der über das entsprechende Bestimmungsrecht und damit faktisch über die Information verfügt; dabei kann der Bestimmungsberechtigte auch Modalitäten des Zugangs zu den Informationen festlegen, soweit dem nicht für ihn geltende allgemeine Regeln entgegen stehen.3 Handelt es sich bei dem Inhaber des Bestimmungsrechts um Private, sind dies die Regeln des Privatrechts, handelt es sich um öffentliche Institutionen, diejenigen des öffentlichen Rechts. Das so definierte Recht auf Zugang zu allgemein zugänglichen Informationen ergibt sich unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Es gilt für jedermann und hat als solches keine medienspezifische Komponente.
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Nur reichen diese Quellen nach dem Selbstverständnis der Medien nicht aus: Eine Redaktion, die nur berichtet, was als Information sowieso schon auf dem Markt, was also bereits allgemein zugänglich ist, wird weder den Ansprüchen genügen, die sie an sich selbst stellt, noch wird sie ihre Aufgabe zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über alle relevanten Tatsachen und Vorgänge angemessen erfüllen. Und ihre Leser wird sie möglicherweise langweilen. Die Medien gehen also häufig davon aus, dass sie mehr als nur Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen brauchen, wenngleich sie auch auf diese angewiesen sind. Um erfolgreich zu sein und die ihnen innerhalb unserer Gesellschaftsordnung zugewiesene Aufgabe erfüllen zu können, wollen sie in der Lage und von Rechts wegen befugt sein, nicht nur selbst zu recherchieren, sondern sich insbesondere Informationen auch aus solchen Quellen zu beschaffen, die eben noch nicht allgemein zugänglich sind. 2. Informationsermittlungsfreiheit
6
Damit ist die Frage aufgerufen, ob dem Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG über seinen Wortlaut hinaus ein allgemeines und direkt gegen jedermann wirkendes Recht der Medien zu entnehmen ist, sich auch aus nicht allgemein zugänglichen Quellen zu informie_______________
1 BVerfG AfP 2001, 48 = NJW 2001, 1633 = ZUM 2001, 220 – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen. 2 BVerfG NJW 1970, 235; BVerfG NJW 1994, 1147; BVerfG AfP 2001, 48 = NJW 2001, 1633 = ZUM 2001, 220 – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen. 3 BVerfG AfP 2001, 48 = NJW 2001, 1633 = ZUM 2001, 220 – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen.
2
Übersicht – Verfassungsrechtliche Grundlagen
Tz. 8 § 1
ren. Die Antwort auf diese Frage ist deswegen von Relevanz, weil die weit überwiegende Mehrheit der für die Medien geltenden Landesgesetze1 zwar einen Auskunftsanspruch begründet, dieser jedoch nur gegenüber Behörden gilt2 und als Regelungsmaterie des Landesrechts nicht mit Verfassungsrang ausgestattet ist. Nach traditionellem Verfassungsverständnis gewähren die Grundrechte des Grundgesetzes dem Bürger Abwehrrechte gegen, nicht aber subjektive Ansprüche auf Gewährung konkreter Leistungen durch den Staat. Und schon gar nicht gelten sie im Grundsatz gegenüber dem nicht staatlichen Bereich.3 Für die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Presse- und Rundfunkfreiheit gilt die Qualifikation des Grundrechts als eines reinen Abwehrrechts allerdings nicht uneingeschränkt; diesem Grundrecht wird vielmehr sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts4 als auch im Schrifttum5 eine institutionelle Garantie der gewährten Freiheitsrechte entnommen. Nach wie vor umstritten ist im presse- und verfassungsrechtlichen Schrifttum jedoch die Frage, ob dieser institutionellen Garantie ihrerseits auch der hier erörterte Informationsermittlungsanspruch, mithin der unmittelbar gegen Dritte wirkende Anspruch der Medien auf Informationserteilung, zu entnehmen ist.
7
Die Auffassung, das Grundgesetz gewähre den Medien jedenfalls in eingeschränktem Rahmen einen unmittelbar durchsetzbaren Leistungsanspruch in Gestalt eines Anspruchs auf Gewährung von Informationen durch den Staat, liegt deshalb näher als bei den übrigen Grundrechten der Art. 1 ff. GG, weil Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nach allgemeiner, vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung gebilligter Rechtsüberzeugung mehr gewährleistet als ein klassisches Abwehrrecht: Eine freie Presse – für den Rundfunk gilt nichts anderes – ist, wie es das Bundesverfassungsgericht6 immer wieder und zu Recht ausgesprochen hat, für die freiheitliche Demokratie schlechthin konstitutiv, und folglich gilt dieses Grundrecht nicht nur als das klassische Abwehrrecht des Bürgers gegen staatliche Repression, sondern als institutionelle Garantie der Presse- und Rundfunkfreiheit. Es ist daher verfehlt, wenn im Schrifttum7 teilweise die Auffassung vertreten wird, der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch scheitere schon daran, dass das Grundrecht der Pressefreiheit nur ein klassisches Abwehrrecht sei. Die Landespressegesetze tragen dem Rechnung und bestimmen in ihrem jeweiligen § 3, wenn
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1 Einzelheiten unten § 4 Tz. 3. 2 Einzelheiten dazu unten § 4 Tz. 14 ff. 3 Zur Einschränkung dieses Grundsatzes gerade im Bereich des Presse- und Äußerungsrechts vgl. unten § 12 Tz. 51 ff. 4 BVerfG NJW 1960, 29; BVerfG NJW 1961, 819 – Schmid/Spiegel; BVerfG NJW 1984, 1742; BVerfG AfP 2000, 559 = NJW 2001, 503 – Grundbucheinsicht durch Pressevertreter. 5 Vgl dazu etwa Degenhart, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG Rz. 546 ff.; Maunz/Dürig/Herzog, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG Rz. 11 ff. 6 Für die Presse: BVerfG NJW 1958, 257 – Lüth; BVerfG NJW 1961, 819 – Schmid/ Spiegel; seither ständige Rechtsprechung; für den Rundfunk: BVerfG AfP 1973, 435 = NJW 1973, 1226; vgl. auch Hesse, Kap. 2 Rz. 29 ff. 7 Löffler/Ricker, Kap. 18 Rz. 7.
3
§ 1 Tz. 9
Material und Recherche – Einführung
auch in Nuancen unterschiedlich, dass die Presse – obgleich private Institution – eine öffentliche Aufgabe erfüllt.1 So definiert etwa § 3 des Landespressegesetzes von Nordrhein-Westfalen: „Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe insbesondere dadurch, dass sie Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt und auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt.“
9
Ähnliche oder identische Regelungen enthalten alle Landespressegesetze mit Ausnahme Hessens.2 Im Bereich des Rundfunks finden sich – bedingt durch die besondere historische Entwicklung dieses Mediums3 – vergleichbare ausdrückliche Gewährleistungen einer öffentlichen Aufgabe allerdings nur vereinzelt.4 Das ändert aber nichts daran, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Rundfunkfreiheit diesem Medium im Ergebnis dieselben Funktionen innerhalb des freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens zuweist wie der Presse.5
9a
Garantieren aber Verfassung und Landespressegesetze die Institution der Medien und geschieht das aufgrund der fest gefügten Rechtsüberzeugung, dass ein freiheitlicher demokratischer Rechtsstaat ohne die kritische Begleitung und Kontrolle seiner Organe durch die Medien nicht denkbar ist, so spricht viel dafür, allein aus dieser verfassungsrechtlichen Qualifikation der Medien auch deren Anspruch darauf abzuleiten, jedenfalls von staatlichen Organen und Institutionen mit denjenigen Informationen versorgt zu werden, deren sie bedürfen, um ihren Kontrollauftrag wirksam zu erfüllen.6
9b
Wäre dies anders, so stünde der heute in nahezu allen Landespresse-, Medienund Rundfunkgesetzen verankerte Auskunftsanspruch der Presse gegenüber den Behörden7 zur Disposition der Landesgesetzgeber.8 Sie wären durch Aufhebung der betreffenden gesetzlichen Bestimmungen ohne weiteres in der Lage, den Medien die Basis für die Erfüllung der Überwachungs- und Kontrollfunktionen zu entziehen, die ihnen in der freiheitlichen Demokratie nicht erst die Landesgesetzgeber verliehen haben, die ihnen vielmehr nach Auffas_______________
1 Dazu im Einzelnen Löffler/Bullinger, § 3 LPG Rz. 1 ff. 2 Vgl. die Landespressegesetze Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, jeweils in § 3; zur Entstehungsgeschichte des Begriffs der öffentlichen Aufgabe der Presse und zur Kritik daran vgl. Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 46 ff. 3 Dazu im Einzelnen Hesse, Kap. 2 Rz. 29 ff. 4 § 6 Abs. 1 LMG Baden-Württemberg; § 12 LMG Bremen; § 3 Abs. 1 Satz 1 Staatsvertrag über die Medien in Hamburg und Schleswig-Holstein;§ 31 Abs. 1 Satz 1 LMG Nordrhein-Westfalen; § 5 LMG Rheinland-Pfalz; § 4 LMG Saarland; kritisch für den privaten Rundfunk Hesse, Kap. 5 Rz. 5. 5 Vgl. Hesse, Kap. 2 Rz. 42 m.w.N. 6 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 20 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; Degenhart, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG Rz. 393 f.; Lerche, AfP 1976, 55 ff.; Partsch, AfP 2002, 198 f.; Groß, DÖV 1997, 133; Heintschel v. Heinegg, AfP 2003, 295 ff.; a.A. u.a. Löffler/Ricker, Kap. 18 Rz. 6; Wente, S. 25 ff.; Thum, AfP 2005, 30 ff.; Püschel, AfP 2006, 41, jew. m.w.N. 7 Einzelheiten unten § 4 Tz. 1 ff. 8 Zur Erwägung eines Minimalstandards in Form eines klagbaren Rechtsanspruchs vgl. Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 19 ff.
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Übersicht – Verfassungsrechtliche Grundlagen
Tz. 10a § 1
sung des Bundesverfassungsgerichts bereits von Verfassungs wegen zukommen. Dass eine solche Entwicklung nicht nur theoretischer Natur sein muss, haben in der Vergangenheit Bestrebungen einzelner Landesregierungen gezeigt, durch gesetzgeberische Eingriffe den gewachsenen Bestand der Pressegesetze zu reduzieren und damit die Pressefreiheit einzuschränken, wie dies etwa das Saarland mit der Erweiterung des Gegendarstellungsanspruchs zeitweilig praktiziert hat.1 Dennoch lehnt es die überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung2 und nun auch diejenige des Bundesverfassungsgerichts3 ab, allein aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Presse- und Rundfunkfreiheit einen Anspruch der Medien auf Gewährung von Informationen gegen staatliche Stellen und Institutionen abzuleiten. Stattdessen steht den Medien nach dieser Rechtsprechung auch außerhalb des durch den medienrechtlichen Auskunftsanspruch erfassten Bereichs ein Anspruch auf Entscheidung nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu, das sich im Einzelfall dahingehend reduzieren kann, dass nur die Entscheidung, ein konkretes Informationsverlangen zu erfüllen, rechtmäßig ist.4 Das Bundesverfassungsgericht5 erkennt an, dass das Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit den Medien in allen Fällen einen gegen den Staat gerichteten Anspruch auf Zugang zu Informationen verschafft,
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„… in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle aufgrund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber verweigert.“
Solange die öffentliche Verwaltung eine im Prinzip offensive Informationspolitik betreibt, mag das den Bedürfnissen der Medien genügen. Die Auffassung, die die Entscheidung über das Ob und Wie des Auskunftsanspruchs allein den Gesetzgebern zuweist,6 bleibt aber im Hinblick auf den hohen Stellenwert der Funktion der Medien im demokratischen Staat, den das Bundesverfassungsgericht7 auch im Zusammenhang mit seiner Ablehnung eines verfassungsimmanenten Auskunftsanspruchs ausdrücklich anerkennt, schon deswegen fragwürdig, weil einerseits die Landesgesetzgeber im Normgefüge des Grundgesetzes nicht die Kompetenz haben, grundrechtliche Gewährleistungen des Grundgesetzes einzuschränken oder gar außer Kraft zu setzen, und andererseits diese Auffassung die Gesetzgeber von Bund und Ländern im Er_______________
1 Zu dieser aufgrund der Neufassung des Saarländischen Mediengesetzes nicht mehr aktuellen Situation im Einzelnen Pöppelmann, AfP 1994, 100 ff. 2 BVerwG NJW 1985, 1655; BVerwG NJW 1991, 118; OVG Münster NVwZ 1998, 312; VGH Mannheim NVwZ 1998, 990; VG Saarbrücken AfP 2006, 596. 3 BVerfG AfP 2001, 48 = NJW 2001, 1633 = ZUM 2001, 220 – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen. 4 BVerwG NJW 1995, 2742. 5 BVerfG NJW 2001, 1633; ähnlich BVerfG AfP 2000, 559 = NJW 2001, 503 – Grundbucheinsicht durch Pressevertreter; BVerfG AfP 2001, 48 = NJW 2001, 1633 = ZUM 2001, 220 – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen; vgl. auch OVG Münster AfP 2004, 475 = NJW 2005, 618. 6 Thum, AfP 2005, 30, 35. 7 BVerfG AfP 2001, 48 = NJW 2001, 1633 = ZUM 2001, 220 – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen.
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10a
§ 1 Tz. 10b
Material und Recherche – Einführung
gebnis zu legitimieren scheint, durch legislatorische Stopfung von Informationsquellen, die bisher der Allgemeinheit zugänglich waren, die den Medien zugewiesene Wächter- und Kontrollfunktion gegenüber staatlichem Handeln zu beschneiden. 10b
Solange aber die Landespresse-, Medien- und Rundfunkgesetze sowie sonstige Normen, die den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationen gewähren wie etwa diejenigen über öffentliche Register,1 die zur Zeit geltenden Standards der Informationsmöglichkeiten der Medien gegenüber öffentlichen Stellen nicht reduzieren, mag man die praktische Bedeutung dieses Problems als vergleichsweise gering ansehen.2 Dies gilt umso mehr im Lichte einer Reihe von Erweiterungen allgemein bürgerrechtlicher Informationsrechte durch die Gesetzgebung insbesondere des letzten Jahrzehnts. So begründet die neue Transparenzverordnung der Europäischen Union3 ein umfassendes Akteneinsichtsrecht jedes Bürgers der EU – und damit automatisch auch der Medien – gegenüber den Europäischen Behörden.4 Am 1. Januar 2006 ist zudem das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes5 in Kraft getreten, das jedermann, und damit wiederum auch den Medien, gegenüber den Behörden des Bundes einen umfassenden, wenn auch keineswegs schrankenlosen Anspruch auf Informationserteilung einschließlich der Einsicht in Akten und andere, auch elektronische, Dokumente einräumt.6 Eine Reihe von Bundesländern war dem Bund in dieser Frage mit dem Erlass vergleichbarer, aber keinesfalls in jeder Hinsicht identischer Gesetze für ihren Bereich vorangegangen7 oder ist ihm inzwischen gefolgt.8
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Bei diesen Gesetzen handelt es sich nicht um pressespezifische Normen, sondern um Regelungen, die den Informationsanspruch für ihren jeweiligen Geltungsbereich jedermann eröffnen und die speziell für die Medien geschaffenen Auskunftsansprüche gemäß den Landespresse-, Medien- und Rundfunkgesetzen9 nicht einschränken.10 Inwieweit sie die Reichweite medialer Informa_______________
1 Dazu unten § 5 Tz. 1 ff. 2 Wegen der Inkongruenzen, die die Medien im Einzelfall veranlassen könnten, sich zur Begründung ihres Anspruchs auf Informationserteilung statt auf die Bestimmungen der Landespressegesetze unmittelbar auf Art. 5 GG zu berufen, vgl. Löffler/ Burkhardt, § 4 LPG Rz. 16 ff. 3 VO (EG) Nr. 1049/2201, abgedruckt u.a. in NJW 2001, 3172 ff. 4 Einzelheiten dazu bei Partsch, NJW 2001, 3154 ff. 5 BGBl. I 2005, 2722; dazu Klöpfer/v. Lewinski, DVBl. 2005, 851 ff.; Kugelmann, NJW 2005, 3609 ff. 6 Einzelheiten bei Kugelmann, NJW 2005, 3609 ff. 7 Brandenburg, Gesetz vom 10.3.1998, GVBl. I S. 46; Berlin, Gesetz vom 15.10.1999, GVBl. S. 561; Schleswig-Holstein, Gesetz vom 9.2.2001, GVBl. S. 166; NordrheinWestfalen, Gesetz vom 27.11.2001, GVBl. S. 806. 8 Mecklenburg-Vorpommern, Gesetz vom 10.7.2006, GVBl. 2006, 566; Hamburg, Gesetz vom 11. April 2006, GVBl. 2006, 167; Bremen, Gesetz vom 16. Mai 2006, Brem. GBl. 263; Saarland,Gesetz vom 12. Juli 2006, Amtsblatt 2006, 1624; Thüringen, Gesetz vom 20. Dezember 2007, GVBl. 2007, 256; Sachsen-Anhalt, Gesetz vom 19. Juni 2008, GVBl. LSA 12/2008, 242. 9 Dazu unten § 4 Tz. 1 ff. 10 OVG Münster NJW 2005, 618.
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Übersicht – Verfassungsrechtliche Grundlagen
Tz. 11 § 1
tionsrechte gegenüber dem tradierten Auskunftsanspruch in ihrem jeweiligen Geltungsbereich tatsächlich erweitern, lässt sich im Hinblick auf die vielfältigen Ausnahmetatbestände in den einzelnen Gesetzen jedenfalls zur Zeit noch nicht absehen; vereinzelt schon vorliegende gerichtliche Entscheidungen1 deuten eher darauf hin, dass die materielle Anspruchsgewährung durch beide Normstränge weitgehend parallel verläuft, während die Informationsfreiheitsgesetze die in der Praxis bedeutsame, im Rahmen der Landespressegesetze durch Rechtsprechung und Schrifttum vorgenommene Erstreckung des Informationsermittlungsanspruchs der Medien auf Mischformen öffentlich-/privatrechtlichen Verwaltungshandelns2 nur unzureichend nachvollziehen.3 Auch soweit man der hier vertretenen Auffassung folgt, dass den Medien ein verfassungsunmittelbarer Informationsanspruch zustehen muss, wirkt er allerdings nur gegenüber staatlichen Organen, nicht aber gegenüber Privaten.4 Diese sind zur Auskunftserteilung an die Medien unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet. Sie haben aber andererseits auch keinen Rechtsanspruch darauf, von Recherchemaßnahmen der Medien verschont zu bleiben. Wo die Recherche durch die Medien nicht im Einzelfall auf spezialgesetzliche Schranken insbesondere des Strafrechts stößt,5 müssen auch Private sie zwar nicht durch Auskunftserteilung oder sonstige Kooperationsmaßnahmen unterstützen, müssen sie sie aber jedenfalls tolerieren. Abwehransprüche gegen Informationsermittlungsmaßnahmen durch die Medien stehen auch Privaten nicht zu.6
10d
Auch die herrschende Meinung, die der hier vertretenen Auffassung nicht folgt und einen unmittelbar verfassungsrechtlich legitimierten Informationsanspruch der Medien gegenüber den Trägern hoheitlicher Gewalt ablehnt, erkennt jedenfalls an, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Presseund Rundfunkfreiheit für die Bestimmung des grundsätzlichen Stellenwerts des Bemühens der Medien um Informationen nicht ohne Bedeutung ist. Denn auch nach ihrer Auffassung gewährleistet das Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit jedenfalls die Freiheit, Informationen ohne Behinderung durch die Staatsgewalt zu ermitteln und zu beschaffen.7 Auch sind generelle Normen, die der Allgemeinheit Informationsansprüche gegenüber öffentlichen Institutionen verschaffen, im Lichte der Gewährleistung des Grundrechts der Presse- und Rundfunkfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG so auszulegen, dass sie dem Informationsanspruch der Medien möglichst weit-
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1 BayVGH JurPC Web-Dok 183/2008; VG Berlin AfP 2008, 107 = ZUM 2008, 252; VG Berlin ZUM 2008, 353. 2 Dazu unten § 4 Tz. 19 f. 3 Püschel, AfP 2005, 401, 403 ff.; Partsch, AfP 2002, 198, 201; der Verfasser wird im Text auf die Informationsfreiheitsgesetze nur eingehen, soweit bei Abschluss des Manuskripts Entscheidungen mit Relevanz für die Medien bekannt geworden sind. 4 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 14; zur Frage der Auskunftspflicht privatrechtlich organisierter Unternehmen der öffentlichen Hand vgl. aber unten § 4 Tz. 19 f. 5 Dazu im Einzelnen unten § 10 Tz. 1 ff. 6 Dazu im Einzelnen unten § 30 Tz. 12 ff. 7 Wente, S. 23 ff.; Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 72.
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§ 1 Tz. 12
Material und Recherche – Einführung
gehend gerecht werden.1 Das dadurch bezeichnete Prinzip der Informationsermittlungsfreiheit ist damit das Minimum verfassungsrechtlicher Gewährleistung, das die Rechtswissenschaft dem Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit für den im Folgenden im Detail zu erörternden Bereich der Beschaffung und Aufbereitung von Informationen entnimmt. 3. Sachliche Tragweite des Prinzips der Informationsfreiheit 12
Entspricht es damit im Minimum geltendem Verfassungsrecht, dass die Arbeit der Medien bei der Beschaffung von Informationen durch staatliche Gewalt nicht behindert werden darf, sofern und solange sie sich im Rahmen der allgemeinen Gesetze hält, so ist damit über die Frage noch nichts gesagt, was der Inhalt der so privilegierten Informationsbeschaffungsfreiheit ist oder sein kann.
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Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, auf den sich die Medien – unbeschadet der ausdrücklichen Gewährleistung der Presse- und Rundfunkfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – wie jeder andere berufen dürfen,2 schützt, seinem ausdrücklichen Wortlaut nach, nur die freie Äußerung von Meinungen. Dem Selbstverständnis der Redaktionen wird allerdings die Annahme eher gerecht werden, dass noch vor der Freiheit der Meinungsäußerung diejenige der Verbreitung von tatsächlichen Angaben, mithin von Nachrichten, angesiedelt sein muss.
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Der Wettlauf der Redaktionen gilt der Nachricht und nicht annähernd in gleichem Maß dem Kommentar. Tatsachen sollen ermittelt und aufgedeckt werden; sie zu kommentieren ist erst der nächste Schritt. Meinungen, die nicht durch Tatsachen fundiert sind, werden in aller Regel weder interessieren noch überzeugen. Nicht selten werfen sie zudem rechtliche Probleme auf.3 Erst Fakten und die Nachrichten, die sie vermitteln, schaffen das Bedürfnis der Leser, Hörer oder Zuschauer nach und ihr Interesse an Kommentaren. Die Freiheit der Meinungsäußerung wäre wertlos, schlösse sie nicht die Freiheit ein, Fakten nicht nur zu ermitteln, sondern sie auch als Nachricht zu verbreiten. Es ist daher anerkannt, dass das Grundrecht der Meinungs- wie dasjenige der Presse- und Rundfunkfreiheit auch und in erster Linie das Recht beinhaltet, diejenigen Tatsachen, die zu ermitteln die Medien frei sind, auch zu verbreiten.4
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Gegenstand der durch das Grundgesetz geschützten Meinungs- und Pressefreiheit sind damit Nachrichten und die in ihnen verarbeiteten Tatsachen einerseits und Meinungen und Kommentare andererseits. Hinzu tritt – für die Medien Film und Fernsehen unverzichtbar, aber auch aus der Berichterstattung durch die Printmedien nicht hinweg zudenken – das Bild. Auch diese damit angesprochene dritte Komponente der Medienberichterstattung, die _______________
1 BVerfG AfP 2000, 559 = NJW 2001, 503 – Grundbucheinsicht durch Pressevertreter; BVerfG AfP 2001, 48 = NJW 2001, 1633 = ZUM 2001, 220 – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen. 2 Degenhart, Art. 5 Abs. 1 und 2 GG Rz. 4. 3 Einzelheiten unten § 20 Tz. 9b. 4 Löffler/Bullinger, § 1 LPG Rz. 90 ff.
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Übersicht – Verfassungsrechtliche Grundlagen
Tz. 16 § 1
Bildberichterstattung, ist durch ausdrückliche Erwähnung in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in den Schutzbereich der Gewährleistung der Presse- und Rundfunkfreiheit einbezogen: Die Freiheit der Meinungsäußerung ist die Freiheit des Einzelnen, seine Meinung in „Wort, Schrift und Bild“ zu verbreiten. Damit ist der äußere Rahmen dessen gezogen, was die Medien im Rahmen ihrer Bemühungen um Informationen zu beschaffen und aufzubereiten haben: Fakten, Kommentare und Bilder. Die Beschaffung und redaktionelle Bearbeitung jeder dieser Kategorien folgt weitgehend eigenen Regeln. Für alle drei Kategorien und für jede redaktionelle Tätigkeit aber gilt das Prinzip der publizistischen Sorgfaltspflicht, auf das daher zunächst einzugehen ist.
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§2 Publizistische Sorgfalt 1
Sind die Medien danach verfassungsrechtlich und – so jedenfalls die Presse – durch die Bestimmungen der Landespressegesetze im Rahmen der Informationsermittlung privilegiert, so gilt dennoch auch für sie der allgemeine Satz, dass in einem demokratischen Staat, der auf Ausgleich widerstreitender Interessen aller bedacht sein muss, keine Freiheit schrankenlos sein kann und dass mit besonderer Privilegierung in aller Regel besondere Verantwortung und besondere Verpflichtungen einhergehen. Der hervorgehobenen verfassungsrechtlichen Position der Medien, denen die Landespressegesetze – einmalig im System des deutschen Rechts – trotz ihrer privatrechtlichen Verfassung eine öffentliche Aufgabe zuweisen, korrespondiert daher eine gesteigerte Verantwortung gegenüber derselben Öffentlichkeit, der sie nach der Definition des Gesetzgebers zu dienen haben. Diese gesteigerte Verantwortung konkretisiert sich in der publizistischen Sorgfaltspflicht. 1. Landespressegesetze, Rundfunkrecht und Neue Medien
2
Für die Printmedien einerseits und die Medien Hörfunk und Fernsehen sowie die Neuen Medien andererseits gelten in diesem Zusammenhang teilweise unterschiedliche Rechtsquellen, ohne dass diese Unterschiede praktische Konsequenzen nach sich zögen. a) Presse
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Die Gesetzgeber der meisten Landespressegesetze konkretisieren diese besondere Verantwortung in der Sorgfalts- bzw. Wahrheitspflicht der Presse. So definiert etwa § 6 LPG NRW: „Die Presse hat alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen. Die Verpflichtung, Druckwerke von strafbarem Inhalt freizuhalten, bleibt unberührt.“1
Und das Pressegesetz des Landes Berlin bringt den bereits angesprochenen Sachzusammenhang zwischen verfassungsrechtlicher Privilegierung der Presse, der Zuweisung einer öffentlichen Aufgabe an die Presse und ihrer gesetzlichen Verpflichtung, Sorgfalt walten zu lassen, dadurch besonders plastisch zum Ausdruck, dass es die Zuweisung der öffentlichen Aufgabe und die Begründung der gesetzlichen Sorgfaltspflicht in ein und demselben Paragraphen regelt.2 _______________
1 So auch § 6 LPG Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein; § 5 LPG Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen; keine ausdrückliche Regelung der publizistischen Sorgfaltspflicht findet sich in den LPG Bayern und Hessen. 2 § 3 Abs. 1 u. 2 LPG Berlin.
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Publizistische Sorgfalt
Tz. 5 § 2
Mit der Herstellung dieser Korrelation von Privilegien und Pflichten der Presse tragen die Landespressegesetzgeber der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung, das seinerseits den sachlichen Zusammenhang zwischen öffentlicher Aufgabe und Sorgfaltspflicht der Presse schon früh und seither mehrfach betont hat:
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„… Wenn die Presse von ihrem Recht, die Öffentlichkeit zu unterrichten, Gebrauch macht, ist sie zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet … Die Presse ist … um ihrer Aufgabe bei der öffentlichen Meinungsbildung willen gehalten, Nachrichten und Behauptungen, die sie weitergibt, auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen …“.1
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont den Zusammenhang der Gewährleistung der Freiheit der Meinungsäußerung durch Art. 10 Abs. 2 EMRK mit den Pflichten und der Verantwortung, die sich aus eben dieser Gewährleistung ergeben.2 Es ist daher nur konsequent, dass der Deutsche Presserat die journalistische Sorgfaltspflicht als Bestandteil des Standesrechts der Presse definiert, das zwar nicht die Qualität geltenden Rechts beanspruchen, wohl aber von den Gerichten bei der Bestimmung der Pflichten der Medien als Auslegungsmaxime berücksichtigt werden kann.3 Die in Zusammenarbeit mit den Presseverbänden beschlossenen Publizistischen Grundsätze, der so genannte Pressekodex, machen das deutlich: „Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.“4
Die für die Presse so definierte Sorgfaltspflicht trifft nicht nur die Verlage und Redaktionen. Sie gilt in gleichem Maß auch für Nachrichtenagenturen als diejenigen Institutionen, auf deren Vorarbeit die Redaktionen in vielen, vor allem aktuellen Fällen zurück greifen. Der Auffassung, Nachrichtenagenturen transportierten nur Meldungen, ohne sie inhaltlich zu verarbeiten, und unterlägen daher einem nur eingeschränkten Sorgfalts- und Haftungsmaßstab, hat das Bundesverfassungsgericht5 eine klare Absage erteilt. Im Hinblick auf die bereits betonte Wechselwirkung zwischen der öffentlichen Aufgabe der Presse einerseits und ihrer Verantwortung für den Inhalt verbreiteter Meldungen andererseits ist das nur konsequent. _______________
1 BVerfG NJW 1961, 819 – Schmid/Spiegel; BVerfG AfP 1980, 151 = NJW 1980, 2072 – Böll/Walden; BVerfG AfP 2004, 539 = NJW 2004, 589 = ZUM 2004, 65; vgl. auch Löffer/Steffen, § 6 LPG Rz. 2 ff. 2 EGMR NJW 2003, 1645. 3 BGH NJW 1979, 1041 – Exdirektor; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 20; Peters, NJW 1997, 1334, 1335. 4 Pressekodex Ziff. 2 in der Fassung vom 13.9.2007; abgedruckt u.a. in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008 S. 148 ff. und (in der Fassung vom 20.6.2001) bei Wenzel, S. 1021 ff. 5 BVerfG AfP 2004, 539 = NJW 2004, 589 = ZUM 2004, 65.
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§ 2 Tz. 6
Material und Recherche – Einführung
b) Hörfunk und Fernsehen 6
Was nach der hiermit umrissenen Verfassungs- und Gesetzeslage für die Presse gilt, beansprucht für den Bereich des Hörfunks und Fernsehens nicht weniger Geltung. Diese Medien sind, wie gezeigt, verfassungsrechtlich in ähnlicher Weise privilegiert wie die Presse, und folglich besteht für sie dieselbe gesteigerte Verantwortung. Eine Reihe von Landespressegesetzen stellt dies ausdrücklich klar, indem sie bestimmen, dass die für die Presse geltende publizistische Sorgfaltspflicht auf den Rundfunk entsprechend anwendbar ist.1
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Bestehende Lücken schließen für den Bereich der bundesweit verbreiteten Programme § 41 Abs. 1 RStV mit dem Verweis auf die verfassungsmäßige Ordnung und die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre und für den nur landesweit verbreiteten Rundfunk einzelne Bestimmungen der Landesmediengesetze.2 Hinzu treten von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts statuierte Grundsätze, die ebenfalls eine Verpflichtung dieser Medien zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung begründen und mit dem zunächst für die öffentlichrechtlichen Anstalten geltenden Prinzip der Ausgewogenheit der Berichterstattung3 ein zusätzliches Element der verfassungsrechtlich fundierten Verantwortung schaffen, das für die Presse keine Geltung beansprucht; für den privaten Rundfunk hingegen gilt aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts4 und der auf ihr aufbauenden Bestimmungen der Landesmedien- bzw. -Rundfunkgesetze das Prinzip der Programmvielfalt in ähnlicher Weise wie für die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten. c) Telemedien
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Für die Telemedien und vornehmlich die elektronische Presse ergibt sich die Pflicht zur Sorgfalt nach der Neuregelung dieses Bereichs durch das am 1. März 2007 in Kraft getretene Telemediengesetz und die Bestimmungen des am 1. September 2008 in Kraft getretenen und nunmehr ausdrücklich als Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien bezeichneten Rundfunkstaatsvertrags unmittelbar aus § 54 Abs. 2 RStV, auf den § 1 Abs. 4 TMG ausdrücklich verweist. Danach haben „… Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, … den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen. Nachrichten sind vom Anbieter vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen.“
Bei der von dieser Bestimmung in erster Linie erfassten elektronischen Presse stellt sich die Frage nach der inhaltlichen Verantwortung nicht, die für andere _______________
1 Vgl. § 25 Abs. 1 LPG Baden-Württemberg und Bremen, § 23 Abs. 1 LPG Berlin, § 17 LPG Brandenburg, § 7 LMG Rheinland-Pfalz. 2 Vgl. etwa Staatsvertrag über das Medienrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein § 4 Abs. 1. 3 Vgl. BVerfGE 37, 85, 91 f. 4 BVerfGE 57, 295, 322 ff. – FRAG.
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Publizistische Sorgfalt
Tz. 8 § 2
Telemedien bestimmten Einschränkungen unterworfen ist.1 Hier geht es stattdessen, wie bei der herkömmlichen Presse und dem Rundfunk, lediglich darum,welche Sorgfaltsanforderungen die elektronische Presse bei der Produktion ihrer Inhalte zu beachten hat. Der Mediendienstestaatsvertrag, der in seinem § 7 die Mindestanforderungen benannte, die bei der inhaltlichen Gestaltung insbesondere der elektronischen Presse zu erfüllen waren,2 ist zwar mit Inkrafttreten der neuen Reglungen des Telemediengesetzes außer Kraft getreten. Seine für die Sorgfaltsmaßstäbe der elektronischen Presse geltenden Regelungen sind aber inhaltlich unverändert in das neue Recht übernommen worden; sie orientieren sich nach wie vor an den vergleichbaren rundfunk- und presserechtlichen Bestimmungen.3
7b
Die Angebote der elektronischen Presse müssen also weiterhin der verfassungsmäßigen Ordnung entsprechen. Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze sowie die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre sind einzuhalten. Der Regelungsgehalt dieser Vorschriften ist zwar bereits Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung, doch wollen die Normsetzer durch die explizite Erwähnung dieser Rechtsgüter ihre besondere Bedeutung auch für den Bereich der Mediendienste unterstreichen.4 Die Inhalte elektronischer Presse müssen zudem den anerkannten journalistischen Grundsätzen entsprechen5; dazu gehören alle diejenigen Grundsätze, die sich aus den presse- und rundfunkrechtlichen Regelungen der Bundesländer sowie den Richtlinien des deutschen Presserats, mithin dem Pressekodex6 ergeben.7
7c
Damit lässt sich trotz des Umstands, dass Presse, Rundfunk und Telemedien formal unterschiedlichen Regelungsregimen unterstellt sind, feststellen: Die materiellen Anforderungen, die die einschlägigen Normen an die bei der Sammlung und Auswertung von Informationen durch die Medien zu beachtende Sorgfalt stellen, unterscheiden sich nicht von einander. Sie sind aber – im Hinblick auf die öffentliche Aufgabe und Verantwortung der Medien konsequent – höher als die Anforderungen an die Sorgfalt von Privatleuten bei der Verbreitung von Informationen.8
7d
2. Inhalt der publizistischen Sorgfaltspflicht Die für alle Medien maßgebliche Verpflichtung zur Beachtung der publizistischen Sorgfaltspflicht lässt sich anhand einer Reihe von Kriterien näher konkretisieren.
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1 2 3 4 5 6 7 8
§§ 7–10 TMG; dazu im Einzeln unten § 16 Tz. 17 ff. Beucher/Leyendecker/Rosenberg, § 7 Rz. 1. Vgl. z.B. § 6 LPG Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg und §§ 41, 54 RStV. Amtliche Begründung zu dem insoweit inhaltsgleichen § 7 MDStV. § 54 Abs. 2 Satz 1 RStV. Oben Tz. 4. Amtliche Begründung zu dem insoweit inhaltsgleichen § 7 MDStV. BVerfG AfP 1992, 53 = NJW1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 2003, 1855; für den privaten Betreiber einer Website vgl. LG Berlin MMR 2009, 482.
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§ 2 Tz. 9
Material und Recherche – Einführung
a) Pflicht zur Prüfung von Nachrichten 9
Inhaltlich bezieht sich die publizistische Sorgfaltspflicht auf die Wahrheit der von den Medien übermittelten Nachrichten, mithin der dargestellten Tatsachen. Schon dem Wortlaut der Landespressegesetze ist aber zu entnehmen, dass es nicht um eine Verpflichtung der Medien gehen kann, die (absolute) Wahrheit der von ihr verbreiteten Nachrichten zu gewährleisten.1 Verlangt wird vielmehr nur, dass die Medien einen Sachverhalt mit der mit ihren Mitteln einzuhaltenden Sorgfalt erforschen.2 Eine Forderung nach Gewährleistung absoluter, gleichsam justizförmiger Wahrheit wäre mit dem Anspruch der Medien auf Verbreitung aktueller Berichterstattung nicht zu vereinbaren; die Medien verfügen fast nie – und sicherlich niemals unter Aktualitätsdruck – über die sachlichen, personellen und rechtlichen Mittel, die eine Aufklärung unklarer Tatbestände im Sinn justizförmiger Wahrheitsfindung erst ermöglichen würden. Sie würden ihrem Auftrag, die Öffentlichkeit über Angelegenheiten zu unterrichten, die das Gemeinwohl in nachhaltiger Weise beeinflussen könnten, niemals gerecht werden können, stünden sie unter dem gesetzlich normierten Gebot, nur die objektive Wahrheit zu verbreiten. Berichterstattung der Medien über politisch, gesellschaftlich oder wirtschaftlich brisante Themen wäre fast niemals möglich, wenn sie ausschließlich die objektive Wahrheit verbreiten dürften; die für den demokratischen Staat schlechthin konstitutive Kontroll- oder Wächterfunktion der Medien wäre dann nicht mehr zu erfüllen.3 Die pressemäßige Wahrheitspflicht darf mithin nicht mit einer Gewährleistung der Wahrheit gleichgesetzt werden. Berichterstattung ist daher nicht stets und nicht allein deswegen rechtswidrig, weil sie objektiv unwahr oder auch nur nicht erweislich wahr ist.4
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Mit gutem Grund enthalten die Bestimmungen der Landespressegesetze daher nicht die Verpflichtung zur Verbreitung der Wahrheit, sondern diejenige zur Prüfung der verbreiteten Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt. Auch Ziffer 2 des Pressekodex5 legt mit der Forderung nach der Einhaltung „der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt“ zwar einen strikten Maßstab an, stellt aber gleichzeitig klar, dass sich diese Forderung nicht auf den Inhalt, sondern auf die Prüfung von Nachrichten bezieht.
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Dieser Verpflichtung werden die Medien gerecht, wenn sie sich mit der gebotenen Sorgfalt und Gründlichkeit um die Ermittlung des richtigen Sachverhalts und um dessen richtige Wiedergabe bemühen. Soweit das Bayerische Pressegesetz hierüber hinausgeht und in seinem § 3 Abs. 2 den Medien apodiktisch eine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung auferlegt, kann nur eine restriktive Auslegung als verfassungskonform angesehen werden, die in Übereinstimmung mit dem Wortlaut aller anderen Landespressegesetze _______________
1 Vgl. hierzu Damm/Rehbock, Rz. 661 m.w.N.; Prinz/Peters, Rz. 278; Peters, NJW 1997, 1334, 1335; OLG Köln NJW 1963, 1934. 2 BGH AfP 1987, 597 = NJW 1987, 2225 – Pressemäßige Sorgfalt; OLG Nürnberg ZUM 1998, 849; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 160. 3 OLG Dresden NJW 2004, 1181. 4 BGH AfP 1987, 597 = NJW 1987, 2225 – Pressemäßige Sorgfalt; Einzelheiten unten § 15 Tz. 1 ff. 5 Oben Tz. 4.
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Publizistische Sorgfalt
Tz. 14 § 2
und der herrschenden Meinung auf die Sorgfalt bei der Ermittlung des Sachverhalts anstatt auf die objektive Wahrheit abstellt. b) Sorgfaltsmaßstab Steht damit fest, dass die Wahrheitspflicht der Medien nicht im Sinn schrankenloser Gewährleistung der objektiven Wahrheit verstanden werden kann, so muss der jeweilige Grad aktueller Wahrheitsgewähr durch die Medien anhand desjenigen Sorgfaltsmaßstabs ermittelt werden, der gerade von ihnen zu fordern ist. Es handelt sich, mit anderen Worten, um einen berufsspezifischen und damit nicht allgemein gültigen Sorgfaltsmaßstab.
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Dass dieser Sorgfaltsmaßstab nicht absolut definiert werden kann, ergibt wiederum bereits der Wortlaut der Bestimmungen der Landespressegesetze, die – im Übrigen in Übereinstimmung mit dem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz des § 276 Abs. 2 BGB1 – nicht mehr fordern als die Anwendung der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt. Damit haben die Medien zum Einen einen Grad von Sorgfalt anzuwenden, der sich an demjenigen orientiert, was bei Anlegung allgemein gültiger, verkehrsüblicher Maßstäbe erforderlich ist; die Wahrung eigener Sorgfaltsmaßstäbe genügt ebenso wenig wie diejenige presseüblicher Sorgfalt, wenn diese Maßstäbe den verkehrsüblichen Anforderungen im Einzelfall nicht genügen. Zum Anderen aber ist die publizistische Sorgfaltspflicht gleitend und damit flexibel ausgestaltet.2 Die Frage, welchen Grad von Sorgfalt die Medien anwenden müssen, richtet sich stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Hierzu lassen sich die folgenden Leitlinien aufzeigen.3
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aa) Informationswert und Sorgfaltsmaßstab Nach gefestigter Rechtsanschauung besteht ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Inhalt der zu verbreitenden Nachricht und dem Grad der zu fordernden Sorgfalt. Je höher die Intensität des potentiellen Eingriffs in Rechte Dritter ist, desto höher wird die Rechtsprechung den Sorgfaltsmaßstab anlegen.4 Wenn Medien sich mit (angeblichem) Fehlverhalten oder (angeblichen) Fehlentwicklungen Dritter befassen, entfalten sie eine Art gefahrgeneigter Tätigkeit. Daher müssen sie bei der Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs, den sie anlegen, bevor sie mit derartigen Publikationen an die Öffentlichkeit _______________
1 Zum Verhältnis der spezifisch presserechtlichen Anforderungen an die Sorgfaltspflicht zum allgemeinen Pflichtenkatalog des § 276 BGB vgl. insbesondere Löffler/ Steffen, § 6 LPG Rz. 12 ff. 2 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 21 ff.; Prinz/Peters, Rz. 277; Peters, NJW 1997, 1334, 1336. 3 Einzelheiten auch bei Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 38 ff. 4 BVerfG AfP 1980, 151 = NJW 1980, 2072 – Böll/Walden; BGH GRUR 1969, 147 – Korruptionsvorwurf; BGH AfP 1979, 307 = NJW 1979, 1041 = GRUR 1979, 421 – Exdirektor; BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung; BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern TV; OLG Stuttgart ArchPR 1971, 104 – Rosa Luxemburg; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 39 ff.; Damm/Rehbock, Rz. 661 ff.
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§ 2 Tz. 15
Material und Recherche – Einführung
treten, dem Umstand in angemessener Weise Rechnung tragen, dass sie als Folge unsorgfältiger Recherche Dritte schädigen können.1 15
Bei heißen Eisen, bei Themen also mit großer politischer, sozialer oder wirtschaftlicher Tragweite für die Betroffenen, liegt dieses Gefährdungspotenzial von Medienberichterstattung offen zutage, und entsprechend hoch wird in der Regel die Anforderung an die angewandte Sorgfalt bei der Prüfung des verarbeiteten Materials sein.2
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Erst recht gilt dies bei der publizistischen Behandlung von Fragen aus dem Bereich der Privat- oder Intimsphäre, sofern sie im Einzelfall geeignet ist, Rechte des Betroffenen in besonders schwerwiegender Weise zu verletzen. So bedurfte die Veröffentlichung eines Berichts über ein angebliches sexuelles Verhältnis eines katholischen Geistlichen zu einer verheirateten Frau, da einerseits ohne wesentlichen Informationswert für die Öffentlichkeit, andererseits von erkennbarem Gefährdungspotenzial für das persönliche und berufliche Ansehen der Betroffenen, besonders sorgfältiger Recherche.3 Will eine Redaktion das Lichtbild einer ihr unbekannten, nur mit Unterwäsche bekleideten Person, das mit deren Einwilligung für eine Modebeilage angefertigt wurde, in einem anderen redaktionellen Zusammenhang veröffentlichen, so muss sie sich gesondert vergewissern, ob die dafür erforderliche Einwilligung vorliegt4; dass sie das Foto von einer ihr bekannten Agentur ohne Einschränkung des Verwendungszwecks erworben hat, reicht zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht nicht aus.5 Um einen Fall schwerer Sorgfaltspflichtverletzung handelt es sich auch, wenn eine Redaktion eine prozessuale Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Entlassung eines leitenden Angestellten in den Diensten einer Landesregierung publizistisch so darstellt, als sei das gerichtliche Verfahren bereits zu Lasten des Betroffenen abgeschlossen, während tatsächlich nur ein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde und dies dem berichtenden Redakteur auch bekannt war. In einem solchen Fall ändert an der Feststellung der schweren Sorgfaltspflichtverletzung auch die Tatsache nichts, dass die Klage des Betroffenen gegen seine Entlassung später tatsächlich abgewiesen wurde.6 Ganz generell lässt sich in diesem Zusammenhang feststellen, dass Berichterstattung über strafbare Handlungen oder sonst ehrenrühriges Verhalten der Betroffenen einem gesteigerten Sorgfaltsmaßstab unterworfen ist.7 _______________
1 BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern TV. 2 Vgl. etwa BVerfG AfP 1980, 151 = NJW 1980, 2072 – Böll/Walden; BGH NJW 1957, 1315 – Spätheimkehrer; BGH NJW 1963, 902 = GRUR 1963, 490 – Fernsehansagerin; BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern TV; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 166. 3 BGH AfP 1988, 34 = NJW-RR 1988, 733 – intime Beziehungen. 4 Zum Umfang der Einwilligung bei Bildveröffentlichungen im Einzelnen unten § 21 Tz. 24 ff. 5 KG NJW-RR 1999, 1703; vgl. auch AG Charlottenburg NJW-RR 1999, 1546. 6 BGH AfP 1979, 307 = NJW 1979, 1041 = GRUR 1979, 421 – Exdirektor. 7 BGH NJW 1957, 1315 – Spätheimkehrer; BGH NJW 1963, 902 = GRUR 1963, 490 – Fernsehansagerin; OLG Stuttgart ArchPR 1971, 104 – Rosa Luxemburg; OLG Stuttgart NJW 1976, 628.
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Publizistische Sorgfalt
Tz. 19 § 2
Behandeln die Medien demgegenüber im Einzelfall Angelegenheiten von geringerer gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Relevanz und solche ohne erkennbare Auswirkungen für Ansehen und Fortkommen der Betroffenen, so kann der Forderung nach Anwendung der pressemäßigen Sorgfalt schon dann Genüge getan sein, wenn die Darstellung im Kern wahr ist, während Vergröberungen und Verzerrungen in diesem Bereich eher hinzunehmen sind.1 Das wird häufig bei Berichterstattung aus dem Bereich des Showbusiness oder des Sports der Fall sein, die nicht selten ohne erheblichen Informationswert ist, deren Verbreitung daher eher durch den Unterhaltungs- denn durch den Informationsauftrag einschlägiger Medien gerechtfertigt ist, und die das Interesse des Publikums erst durch Vergröberungen und Übertreibungen weckt; dabei ist Voraussetzung für eine Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabs allerdings stets, dass die Berichterstattung die Rechte des Betroffenen der Substanz nach unangetastet lässt.2
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bb) Aktualität und Sorgfaltsmaßstab Neben der Intensität des potentiellen Eingriffs muss bei der Bestimmung des jeweils konkret zu fordernden Sorgfaltsmaßstabs stets die Frage der Aktualität eine maßgebliche Rolle spielen. Und dieser Gesichtspunkt wird nicht selten zu einer anderen Gewichtung führen: Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und damit auch das berechtigte Anliegen der Medien, ihnen zugegangene Nachrichten schnell zu verbreiten, wird bei Angelegenheiten von grundlegender politischer, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Bedeutung höher einzustufen sein als bei Klatschgeschichten ohne erhebliche Relevanz.3
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Dieser Gesichtspunkt kann, trotz des Grundsatzes erhöhter Prüfungspflicht, bei Angelegenheiten mit erheblicher Auswirkung für die Betroffenen im Einzelfall dazu führen, dass der pressemäßigen Sorgfaltspflicht schon bei einem geringeren Verifizierungsgrad Genüge getan ist.4 Das gilt vornehmlich dann, wenn eine Nachricht gerade wegen ihres Aktualitätsbezugs beschleunigt veröffentlicht werden muss und ihr Informationswert mit zunehmendem zeitlichen Abstand sinken würde.5 Das muss insbesondere im politischen Bereich angenommen werden, wenn sich der vom Bundesverfassungsgericht mit Recht immer wieder betonte Grundsatz in der praktischen Rechtsanwendung bewähren soll, dass die Tätigkeit der Presse für das Funktionieren der freiheitlichen Demokratie unverzichtbar ist. Denn in der Regel sind die wirtschaftlichen oder persönlichkeitsrechtlichen Folgen unrichtiger, aber funktionsbezogener Medienberichterstattung für Funktionsträger im politischen Be-
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1 BVerfG NJW 1982, 2655, 1656 – Kredithaie; BGH GRUR 1968, 209 – Lengede; BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 188 – Türkol; BGH AfP 2006, 60 = WRP 2006, 265 = ZUM 2006, 321 – dpa-Interview; BVerfG AfP 2008, 55 = NJW 2008, 747 – dpa-Interview; OLG Brandenburg NJW 1999, 3339, 3342; LG Köln AfP 2007, 380; Grimm, NJW 1995, 1697, 1702; Damm/Rehbock, Rz. 674; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 83. 2 Vgl. hierzu weiter gehend Ladeur, NJW 2004, 393 ff. und unten § 15 Tz. 11. 3 BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung; LG Bonn AfP 1976, 146; Sedelmeier, AfP 1977, 377. 4 Damm/Rehbock, Rz. 673; Peters, NJW 1997, 1334, 1337. 5 Peters, NJW 1997, 1334, 1337; a.A. Prinz/Peters, Rz. 281.
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§ 2 Tz. 20
Material und Recherche – Einführung
reich weit weniger gravierend als für Angehörige anderer gesellschaftlicher Schichten. Und das Interesse der Öffentlichkeit an umfassender und aktueller Information ist nirgends so legitim wie gegenüber den Trägern hoheitlicher Gewalt. Allerdings ist der Begriff der Aktualität nicht mit selbst erzeugtem Zeitdruck und insbesondere dem Wunsch einer Redaktion zu verwechseln, mit einer Nachricht als erste auf dem Markt zu sein; fehlt der Rechtfertigungsgrund inhaltlicher Aktualität, dann kann der Wettbewerbsgedanke als solcher einen Mangel an publizistischer Sorgfalt nicht rechtfertigen.1 cc) Quelle und Sorgfaltsmaßstab 20
Funktionszusammenhänge bestehen ferner zwischen den Anforderungen an den jeweiligen Sorgfaltsmaßstab der Medien und den Quellen, auf die sie sich im Einzelfall stützen.2 Vorveröffentlichungen durch andere Medien spielen in diesem Zusammenhang in der Praxis eine beträchtliche Rolle, sind aber jedenfalls nicht generell geeignet, mangelnde Recherche zu rechtfertigen. Die Verpflichtung, selbst mit der gebotenen pressemäßigen Sorgfalt zu recherchieren, entfällt in der Regel nicht schon deswegen, weil eine Nachricht bereits anderweitig publiziert wurde. Ein falsche Nachricht wird nicht dadurch richtig, dass ein anderes Medium sie bereits veröffentlicht hat.
20a
Von der Verpflichtung, vorveröffentlichte Meldungen im Regelfall selbst auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen, hat auch der vielzitierte BayerBeschluss des Bundesverfassungsgerichts die Medien nicht befreit, in dem es feststellt, dass sich private Personen und weltanschauliche Gruppierungen zur Rechtfertigung einer ehrenrührigen Behauptung im Rahmen einer Auseinandersetzung über eine die Öffentlichkeit bewegende Frage auf unwidersprochene Vorveröffentlichungen der Medien berufen können,3 zugleich aber klarstellt, dass dies für die Presse nicht gilt, da ihr eine besondere Verantwortung bei der Verbreitung nachteiliger Tatsachen obliege.4 Private können sich auf das Bayer-Privileg allerdings nicht nur in schriftlicher oder mündlicher Kommunikation, sondern auch beim Betrieb privater Websites im Internet berufen, in die sie Nachdrucke aus renommierten Publikationen einstellen.5
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Ob der ungeprüfte Nachdruck vorveröffentlichter Meldungen unter dem Aspekt der Wahrung des geforderten Sorgfaltsmaßstabs ausnahmsweise entschuldbar ist, ist wiederum anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Im Regelfall wird das zu verneinen sein.6 Das gilt insbesondere dann, wenn die Vorveröffentlichung ihrerseits nicht zutreffend, sondern im Kern oder in einem wesentlichen Punkt entstellend wiedergegeben wird.7 _______________
1 Peters, NJW 1997, 1334, 1337. 2 Damm/Rehbock, Rz. 678. 3 BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; ebenso für den privaten Betreiber einer Website LG Berlin MMR 2009, 482. 4 Vgl dazu Grimm, NJW 1995, 1697, 1702; Soehring, NJW 1994, 2926, 2927 m.N. 5 LG Berlin MMR 2009, 62. 6 BGH NJW 1963, 904 – Drahtzieher; Damm/Rehbock, Rz. 678; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 134. 7 OLG Saarbrücken NJW 1997, 1376, 1377 – Rotlichtfürst.
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Publizistische Sorgfalt
Tz. 21a § 2
Anders kann insbesondere zu entscheiden sein, wenn eine Nachricht an unübersehbarer Stelle – etwa hervorgehoben in einer überregionalen Zeitung oder Zeitschrift oder auch im öffentlichrechtlichen Rundfunk1 – publiziert wurde und eine Nachfrage bei der betreffenden Redaktion ergibt, dass sie durch den Betroffenen nicht beanstandet wurde.2 Probleme bereiten in diesem Zusammenhang nicht selten Übersetzungen von Texten aus fremden Sprachen, sofern sie als Beleg für eine bestimmte Behauptung angeführt werden, wie etwa die Behauptung, ein islamischer Geistlicher habe den „Dschihad“ verkündet. Hier genügt eine Redaktion ihrer Verpflichtung zur Wahrung der publizistischen Sorgfalt, wenn sie die Übersetzung durch einen einschlägig tätigen Sprachwissenschaftler hat verifizieren lassen; das gilt selbst dann, wenn der Begriff in der Originalsprache mehrdeutig ist und die von der Redaktion mit Billigung des Experten gewählte Deutung nur eine von mehreren möglichen Deutungen wiedergibt.3
20c
Anders als bei Meldungen anderer Medien gilt für Meldungen anerkannter Nachrichtenagenturen ein auch als Agenturprivileg bezeichneter Vertrauensgrundsatz. Die Rechtsprechung erkennt an, dass die Medien im Rahmen des journalistischen Tagesgeschäfts ihren verfassungsmäßigen Auftrag, die Öffentlichkeit umfassend und in der Regel tagesaktuell zu unterrichten, nicht erfüllen könnten, wenn sie ohne Ausnahmen jede ihnen vorliegende Meldung selbständig nachrecherchieren müssten. Als seriös bekannte Nachrichtenagenturen, von denen ein überwiegender Teil der tagesaktuellen Meldungen in der Regel stammt, gelten daher als privilegierte Quelle mit der Folge, dass die pressemäßige Sorgfalt in der Regel keine eigene Überprüfung des Wahrheitsgehalts ihrer Meldungen verlangt.4 Auf Verlautbarungen der Nachrichtenagenturen dürfen sich die Medien vielmehr in der Regel verlassen, solange für die übernehmende Redaktion kein Anlass zu konkreten Zweifeln an der Richtigkeit der Meldung besteht.5 Dieser Privilegierung der übernehmenden Medien entspricht die Tatsache, dass die Agenturen ihrerseits bei der Herausgabe von Meldungen pressemäßige Sorgfalt anzuwenden haben und den von unrichtigen Meldungen Betroffenen gegebenenfalls originär haften.6
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Der Bundesgerichtshof erkennt allerdings das Agenturprivileg bei der Verwendung eines von einer Bildagentur verbreiteten Lichtbilds durch die Presse nicht an.7 Das hat seinen Grund darin, dass die Sorgfaltspflicht der Bildagenturen ihrerseits im Vergleich zu derjenigen der Nachrichtenagenturen systembedingt eingeschränkt ist. Von Bildagenturen kann insbesondere nicht verlangt werden, vor der Herausgabe von Bildern zu prüfen, zu welchem
21a
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1 2 3 4
OLG Karlsruhe AfP 2006, 162 = NJW-RR 2006, 483. Ähnlich Damm/Rehbock, Rz. 678; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 134. LG Köln AfP 2005, 81. OLG Hamburg AfP 1977, 351; LG München AfP 1975, 758; KG AfP 2007, 571 = NJWRR 2008, 356 = ZUM 2008, 59; LG Oldenburg AfP 1988, 79; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 169; Prinz/Peters, Rz. 280; Peters, NJW 1997, 1334, 1336 f. 5 KG AfP 2007, 571 = NJW-RR 2008, 356 = ZUM 2008, 59. 6 Oben Tz. 5. 7 BGH GRUR 1962, 211 – Hochzeitsbild; vgl. auch KG NJW-RR 1999, 1547; AG Charlottenburg NJW-RR 1999, 1546; oben Tz. 16.
19
§ 2 Tz. 21b
Material und Recherche – Einführung
Zweck das belieferte Medium ein Bild verwenden will.1 Bei der Veröffentlichung von Lichtbildern haben vielmehr die Redaktionen selbst die etwaige Verletzung von Persönlichkeitsrechten sowie des Rechts am eigenen Bild der Abgebildeten2 und den Umfang etwa erteilter Einwilligungen3 zu prüfen. Oft ergibt sich das Risiko einer Rechtsverletzung auch nicht aus der Veröffentlichung an sich, sondern aus der von der jeweiligen Redaktion zu verantwortenden Bildlegende oder sonstwie aus dem Kontext,4 mithin aus publizistischen Elementen, die die Bildagenturen nicht voraussehen oder kontrollieren und die sie daher auch nicht verantworten können.5 21b
Daher muss von den Medien in Abweichung vom Agenturprivileg verlangt werden, dass sie die Zulässigkeit der Verwendung von ihnen erworbener Bilder originär prüfen und im Interesse der Begrenzung eigener Risiken in der Regel Rückfrage beim Urheber oder seiner Agentur und/oder beim Betroffenen halten oder eine sonst nach den Umständen des Einzelfalls angemessene Verifizierung vornehmen. Für die Beachtung der urheberrechtlichen Belange der Fotografen gilt das allerdings nur, wenn sie beim Erwerb der Bilder mit der Agentur keine entsprechenden Vereinbarungen getroffen haben.6 Und wo eine Programmzeitschrift Standbilder als Begleitmaterial zur Vorstellung eines Fernsehfilms erhält, darf sie sich ohne weitere Recherche darauf verlassen, dass derartige Bilder im Rahmen der Ankündigung des Films veröffentlicht werden dürfen, ohne dass sie beim Abgebildeten Rückfrage halten muss.7
21c
Als privilegierte Quelle gelten auch die Verlautbarungen von Behörden8 wie insbesondere Staatsanwaltschaften, Gerichten oder der Polizei9 sowie auch diejenigen gewerblicher Verbände für Meldungen, die ihre Interna betreffen.10 Darauf, dass diese Stellen ihrerseits den Sachverhalt gründlich erforschen, in ihren Presseerklärungen nur zutreffende Darstellungen verbreiten und in ihrer Informationspolitik dem Gebot der Abwägung zwischen dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen gerecht werden,11 dürfen die Medien vertrauen.12 Das gilt auch für öffentliche Äußerungen eines Angehörigen der Bundesregierung.13 Verletzen staatliche Stellen diese Gebote und beruht Medienberichterstattung darauf, so haften _______________
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LG Hamburg AfP 2007, 385; LG Frankfurt/Main AfP 2008, 417. Dazu im Einzelnen unten § 21 Tz. 1 ff. Dazu im Einzelnen unten § 20 Tz. 20 ff. Dazu im Einzelnen unten § 16 Tz. 45 ff. LG Hamburg AfP 2007, 385; LG Frankfurt/Main AfP 2008, 417. Dazu im Einzelnen unten § 9 Tz. 23 ff. LG Duisburg AfP 2004, 160. OLG Dresden NJW 2004, 1181. OLG Karlsruhe AfP 1993, 586 = NJW-RR 1993, 732; vgl. auch BGH AfP 1971, 76 = NJW 1971, 698 = GRUR 1972, 97 – Pariser Liebestropfen; OLG Hamburg AfP 1977, 351; OLG Hamburg NJW 1980, 842; OLG Hamm NJW 1993, 1209 = GRUR 1993, 154; LG Oldenburg AfP 1988, 79; LG Berlin AfP 2008, 530. LG Berlin AfP 2008, 636 = ZUM-RD 2008, 555. Dazu unten § 19 Tz. 1 ff. LG Berlin AfP 2008, 530; Damm/Rehbock, Rz. 676 f.; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 169; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 135. LG Frankfurt/Main AfP 2008, 643.
Publizistische Sorgfalt
Tz. 24 § 2
nicht die Medien, sondern die verlautbarenden Behörden nach Amtshaftungsgrundsätzen.1 dd) Anhörung des Betroffenen Dem Gebot publizistischer Sorgfalt entnimmt die Rechtsprechung in der Regel auch die Verpflichtung, den Betroffenen vor der jeweiligen Publikation anzuhören.2 Allerdings gilt das nicht ausnahmslos.3 Vielmehr ist auch in dieser Hinsicht eine den Umständen des Einzelfalls gerecht werdende Differenzierung geboten.
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Im Fall der Berichterstattung über angebliche sexuelle Beziehungen zwischen einem katholischen Geistlichen und einer verheirateten Frau hat der Bundesgerichtshof4 die Verpflichtung zur Anhörung des Betroffenen ausdrücklich als Inhalt der publizistischen Sorgfaltspflicht bezeichnet, da diese Art der Berichterstattung erkennbar schwerwiegende nachteilige Folgen für den betroffenen Geistlichen haben musste und der besondere Öffentlichkeitswert, der einen geringeren Sorgfaltsmaßstab insbesondere unter dem Aspekt des Aktualitätsdrucks rechtfertigen kann, dieser Meldung nicht zukam. Gleiches galt im Hinblick auf die Schwere der Anschuldigung im Falle der Berichterstattung über die angebliche Verstrickung eines Polizeichefs in das Rotlichtmilieu; das Argument, es sei ohnehin nur mit einem Dementi zu rechnen gewesen, hat der Bundesgerichtshof5 in diesem Fall ausdrücklich verworfen.
23
Auch in weniger gravierenden Fällen gilt aber die Anhörung des Betroffenen nach dem Grundsatz audiatur et altera pars jedenfalls als nobile officium der Presse. Redaktionen werden diesem Gebot in der Regel schon deswegen Rechnung tragen, weil sie an der Position des Betroffenen interessiert und nur auf diesem Wege in der Lage sind, seine Sicht der Dinge in ihre Überlegungen einzubeziehen und in vielen Fällen auch öffentlich zu machen; auch die Reaktion eines Betroffenen auf die Konfrontation mit einem gegen ihn erhobenen Vorwurf kann eine berichtenswerte Nachricht darstellen. Zudem werden die Redaktionen in aller Regel daran interessiert sein, durch Anhörung des Betroffenen und Berücksichtigung seiner Darstellung ihr Haftungsrisiko zu reduzieren. Denn in der Praxis werden sie stets mit dem Einwand der Missachtung der publizistischen Sorgfaltspflicht rechnen müssen, wenn sie im Einzelfall auf sie verzichten.
23a
Allerdings ist die Anhörung des Betroffenen rechtlich nur erforderlich, wenn dadurch spezielle Aufklärung erwartet werden kann.6 Ergibt sich bei vernünf-
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1 BGH AfP 1994, 142 = NJW 1994, 1950; OLG Düsseldorf NJW 2005, 604; LG Düsseldorf NJW 2003, 2536 – Mannesmann; dazu Becker-Toussaint, NJW 2004, 414 ff. 2 OLG München NJW-RR 1996, 1487, 1489; OLG Brandenburg AfP 1995, 520, 522; OLG Stuttgart NJW 1972, 2320; LG Hamburg AfP 1993, 678. 3 OLG Hamburg AfP 1996, 154 = NJW-RR 1996, 597; OLG München AfP 1990, 222 = NJW-RR 1990, 1443; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 170. 4 BGH AfP 1988, 34 = NJW-RR 1988, 733 – intime Beziehungen. 5 BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef. 6 OLG München NJW-RR 1996, 1487; OLG Köln NJW 1963, 1634; OLG Düsseldorf BB 1964, 1361; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 170; Damm/Rehbock, Rz. 679.
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§ 2 Tz. 25
Material und Recherche – Einführung
tiger Prognose, dass von vornherein mit einem Dementi zu rechnen ist, dass also durch die Rückfrage keine Aufklärung zu erwarten ist, wie dies erfahrungsgemäß etwa bei der Aufdeckung von Skandalen im politischen Bereich häufig der Fall ist, so ist die Anhörung des Betroffenen aus Rechtsgründen nicht geboten.1 Gleiches gilt in Fällen, in denen der Betroffene sich zu dem in Frage stehenden Vorgang bereits anderweitig öffentlich geäußert hat.2 Auch die Prognose, dass ein einer Wirtschaftsstraftat verdächtiger Unternehmer seine persönliche Anhörung durch die Presse und den dadurch bewirkten Warneffekt zum Anlass einer Flucht nehmen könnte, kann die Entscheidung einer Redaktion rechtfertigen, ihn vor der Veröffentlichung des Verdachts nicht zu hören.3 25
Taktische Überlegungen allein können aber die Unterlassung einer rechtlich gebotenen Anhörung des Betroffenen nicht rechtfertigen.4 Dazu gehört insbesondere die nicht selten angestellte Überlegung, ein Betroffener, der erst durch seine Anhörung von der Existenz eines gegen ihn bestehenden Vorwurfs oder Verdachts unterrichtet wird, könnte versuchen, die drohende Veröffentlichung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes durch eine gerichtliche einstweilige Verfügung unterbinden zu lassen. Die bloße Tatsache aber, dass eine Redaktion recherchiert, begründet für sich genommen noch nicht die für die Durchsetzung eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs erforderliche Erstbegehungsgefahr.5 Dies gilt richtiger Auffassung auch dann, wenn eine Redaktion den Betroffenen mit einem bestimmten Verdacht konfrontiert und seine Stellungnahme dazu einholt.6 3. Rechtliche Relevanz der publizistischen Sorgfalt
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Die unmittelbare rechtliche Relevanz der Nichteinhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht ist gering. Keines der Landespressegesetze bestimmt, dass derjenige eine strafbare Handlung oder Ordnungswidrigkeit begeht, der Nachrichten unter Missachtung der pressemäßigen Sorgfalt veröffentlicht. Insoweit sind Sorgfaltsverstöße durch die Medien nach unserer Rechtsordnung sanktionslos.
27
Diese liberale Regelung der Pressegesetze ist verfassungsrechtlich geboten und Ausdruck der oben7 getroffenen Feststellung, dass Grundgesetz und Landespressegesetze von den Medien nicht die Gewährleistung der objektiven Wahrheit ihrer Meldungen verlangen. Ist, wie oben8 dargestellt, der anwendbare Sorgfaltsmaßstab gleitend und nur anhand der jeweiligen Umstände des _______________
1 OLG Köln NJW 1963, 1634; OLG Düsseldorf BB 1964, 1361; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 170. 2 OLG Hamburg AfP 1996, 154 = NJW-RR 1996, 597. 3 Ricker, S. 121; Damm/Rehbock, Rz. 679. 4 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 170. 5 Dazu im Einzelnen unten § 30 Tz. 12 ff. 6 OLG Hamburg AfP 1992, 279; OLG Koblenz AfP 2008, 213; OLG Frankfurt/Main AfP 2003, 63 = NJW-RR 2003, 37. 7 Oben Tz. 9. 8 Oben Tz. 13.
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Publizistische Sorgfalt
Tz. 28 § 2
Einzelfalls konkretisierbar, so handelt eine kritische und an den Geboten der Aktualität orientierte Presse stets unter dem Risiko, im konkreten Fall den (späteren) gerichtlichen Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht gerecht zu werden. Die Medien können und müssen mit diesem Risiko leben und es im Einzelfall gegen das Gewicht der zu verbreitenden Nachricht, gegen die dadurch möglicherweise für den Betroffenen eintretenden Nachteile und gegen das zu vermutende Informationsinteresse der Öffentlichkeit abwägen, wollen sie ihrem Auftrag gerecht werden, die Öffentlichkeit mit aktuellen Nachrichten und sonstigen Informationen zu versorgen. Sie könnten dieses Risiko jedoch nicht tragen, wäre jede Publikation, deren vorbereitende Recherche den Anforderungen an den gebotenen Sorgfaltsmaßstab nicht genügt, vom Gesetzgeber mit Strafe oder Geldbuße bedroht. Staatsanwaltschaften und Gerichte gerieten dann in die Rolle von Zensurbehörden, die sie schon nach der ausdrücklichen Bestimmung des Grundgesetzes1 nicht sein dürfen.2 Mittelbar ist die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht aber von nicht zu überschätzender rechtlicher Bedeutung. Anhand dieses Kriteriums wird im Fall der Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder anderen Rechten der Verschuldensmaßstab geprüft. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur pressemäßig sorgfältigen Prüfung von Nachrichten und Informationen schließt sowohl im straf- als auch im zivilrechtlichen Bereich die Berufung der Medien auf den rechtfertigenden Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen aus.3 Rechtmäßige Medienberichterstattung ist mithin ohne die Beachtung der publizistischen Sorgfaltspflichten im Einzelfall nicht möglich.
_______________
1 Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG: „Eine Zensur findet nicht statt“. 2 Vgl. Löffler/Bullinger, § 1 LPG Rz. 120 ff. 3 Einzelheiten unten § 15 Tz. 1 ff.
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28
Zweiter Abschnitt Nachrichten/Fakten – Quellen und Beschaffung §3 Allgemein zugängliche Informationen – Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen 1
Die Beschaffung, Verarbeitung und Verbreitung von Informationen und Nachrichten stellt die Basis aller Medienarbeit dar. Redaktionen gehen dieser zentralen Aufgabe täglich, in der Regel unter Zeit- und Aktualitätsdruck nach. Der Rahmen der rechtlichen Grundlagen dieser Recherchearbeit ist außerordentlich weit gesteckt. Er reicht, um nur die wichtigsten zu nennen, von dem durch die Bestimmungen der Landespressegesetze gewährleisteten Auskunftsanspruch der Medien über die Teilnahmeansprüche der Rundfunkveranstalter aufgrund spezieller rundfunkrechtlicher Bestimmungen, die teilweise unterschiedlichen Sonderregelungen der geltenden Prozessordnungen betreffend das Zeugnisverweigerungsrecht der Medienangehörigen und das mit ihm korrespondierende Beschlagnahmeverbot bis hin zu den allgemeinen, nicht speziell für die Medien geschaffenen Gesetzen, darunter insbesondere urheber- und verlagsrechtliche Regelungen sowie die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die geltende Rechtsordnung die Informations- und Materialbeschaffung durch die Redaktionen in keiner Weise privilegiert, soweit sich nicht aus einzelnen gesetzlichen Bestimmungen im konkreten Einzelfall etwas anderes ergibt.
2
Die Information, die Nachricht also, ist ein Rechtsgut, das jedermann zur Verfügung steht. Ihre Nutzung ist frei. Daraus folgt im Prinzip, dass die Medien uneingeschränkt aufnehmen, verarbeiten und verbreiten dürfen, was über andere Medien bereits verbreitet worden ist, sofern sich nicht aus dem Inhalt des Vorveröffentlichten Einschränkungen ergeben, insbesondere nicht in Rechte Dritter eingegriffen wird.1 Es gibt, mit anderen Worten, kein Ausschließlichkeitsrecht an der Information. Welches Ereignis auch immer stattfindet – wird es bekannt, dürfen alle Medien uneingeschränkt darüber berichten, ohne dass sie damit in Rechte desjenigen eingreifen, der die entsprechende Meldung als erster aufgedeckt, recherchiert und verbreitet hat. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat hierzu in einer urheberrechtlichen Entscheidung den ebenso plakativen wie im Kern zutreffenden Satz geprägt: „Die Presse darf alles schreiben; sie darf nur nicht abschreiben.“2
Jedoch ist in unserer Rechtsordnung kein Prinzip schrankenlos, und so haben auch die Medien, die sich einer Nachricht bedienen wollen, die bereits anderenorts publiziert worden ist, eine Reihe von Schranken zu beachten. _______________
1 Die Vorveröffentlichung einer inhaltlich rechtswidrigen Meldung durch ein anderes Medium stellt keine Rechtfertigung für die anschließende Veröffentlichung durch weitere Medien dar, vgl. oben § 2 Tz. 20 f. 2 OLG Düsseldorf GRUR 1983, 758.
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Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen
Tz. 5 § 3
1. Urheberrecht a) Allgemeines Die erste dieser Schranken ist mit dem soeben zitierten Satz des Oberlandesgerichts Düsseldorf bereits angesprochen. Bei der Verbreitung bereits anderweitig publizierter Meldungen haben die Medien etwaige Urheberrechte derjenigen zu beachten, die dieselben Nachrichten früher publiziert haben. Jede Übernahme vorveröffentlichter Meldungen findet mithin ihre Grenze an den Bestimmungen des Urheberrechts.
3
aa) Freiheit der Nachricht Der Satz, dass die Nachricht als solche frei ist, wird allerdings durch das Urheberrecht nicht etwa in Frage gestellt oder auch nur eingeschränkt. Die Meldung etwa, dass ein Wirbelsturm in Iowa binnen Stunden die ganze Getreideernte dieses Staats vernichtet hat, mag für einen Anbieter von Warenterminoptionen von größtem Wert sein, wenn sie ihm eher als seinen Wettbewerbern zugeht. Entsprechendes gilt für die Wirtschaftspresse, aus der sich diese Branche informiert. Die Nachricht ist jedoch nicht, auch urheberrechtlich nicht, geschützt und darf daher von allen Medien zum frühest möglichen Zeitpunkt auch dann verbreitet werden, wenn die betreffenden Wirtschaftskreise ein Geheimhaltungsinteresse geltend machen; die Tatsache allein, dass die Meldung – auf welchem Wege auch immer – bekannt geworden ist, legitimiert ihre Verbreitung.
4
Das Recht zur Verbreitung bereits bekannter Informationen betrifft jedoch stets nur den Inhalt der Information, nicht aber die Form, in der sie zunächst verbreitet wurde. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 UrhG sind Sprachwerke urheberrechtlich geschützt, sofern es sich um persönliche geistige Schöpfungen handelt. Dabei sind die Anforderungen, die die Rechtsprechung an die so genannte Schöpfungshöhe des Sprachwerks, also an die Originalität oder Eigentümlichkeit der sprachlichen Ausgestaltung einer Meldung stellt, gering.1 Die meisten Zeitungs- oder Zeitschriftenbeiträge werden diesen geringen Anforderungen gerecht und sind danach urheberrechtlich geschützt, soweit es sich nicht um reine Kurzmeldungen handelt. Gleiches gilt in aller Regel für gesprochene Rundfunk- oder Fernsehbeiträge. Urheberrechtlich geschützt sind auch Datenbanken und deren Bestandteile.2 Die Veröffentlichung etwa in einer Datenbank erhobener Marktdaten ohne die Einwilligung des Betreibers der Datenbank durch eine Fachzeitschrift ist daher ebenso unzulässig3 wie diejenige eines urheberrechtlich geschützten Texts, obwohl die darin gespeicherten Informationen als solche frei verwendbar sind. Aus diesen Feststellungen rechtfertigt sich der oben4 zitierte Satz, dass die Presse alles schreiben, in aller Regel jedoch nicht abschreiben dürfe.
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Wenzel/Burkhardt, UrhR, Kap. 2 Rz. 4. § 87b Abs. 1 UrhG. BGH GRUR 2005, 940 = WRP 2005, 1538 – Marktstudien. Tz. 2.
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§ 3 Tz. 6
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
bb) Wörtliche Wiedergabe anderweitig publizierter Texte 6
Die wörtliche Wiedergabe bereits anderweitig publizierter Texte ist daher nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig, wenn eine Güterabwägung zwischen dem Grundrecht der Pressefreiheit und dem Urheberrecht ein überwiegendes Interesse an dem Wortlaut eines Schriftstücks ergibt.1 Das Oberlandesgericht Hamburg2 hat dies mit Recht etwa angenommen im Fall der Wiedergabe einer Berufungsschrift des damaligen PDS-Politikers Gregor Gysi aus einem Verfahren der DDR-Justiz gegen den Regimekritiker Robert Havemann, dessen Verteidiger der später der Kollaboration mit der Stasi verdächtige Gysi gewesen war. Nach der ebenso zutreffenden Auffassung des Oberlandesgericht Stuttgart3 hinderte das Urheberrecht des Produzenten eines Pornofilms einen Ausschuss des Landtags von Baden-Württemberg nicht an der auszugsweisen Wiedergabe dieses Pornofilms in sachlichem Zusammenhang mit der Bewerbung seines Produzenten um eine Hörfunklizenz in diesem Bundesland. Auch die Medien wären daher nicht daran gehindert gewesen, einen Auszug oder ein Standbild jenes Films im Kontext ihrer Berichterstattung über den Vorgang wiederzugeben. Der Bundesgerichtshof4 allerdings hat ein nicht unmittelbar aus den Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes abgeleitetes Zitier-Recht der Medien abgelehnt, zugleich aber klargestellt, dass die Gerichte dem Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit bei der Auslegung urheberrechtlicher Gestattungsnormen wie derjenigen des § 24 UrhG Rechnung tragen müssen, und mit dieser Begründung die satirisch-verfremdende Wiedergabe des im Plenarsaal des Deutschen Bundestags angebrachten stilisierten und urheberrechtlich geschützten Adlers als zulässig bezeichnet.
6a
Die wörtliche Wiedergabe von Texten kann insbesondere im Fall kurzer Meldungen bereits ohne Rückgriff auf eine Güterabwägung mit Informationsinteressen der Öffentlichkeit gerechtfertigt sein, wenn die sprachliche Ausgestaltung der Meldungen belanglos oder angesichts ihrer Kürze nicht anders möglich ist und sie daher nicht als persönliche geistige Schöpfungen im Sinn von § 2 Abs. 2 UrhG gelten können. Solche Meldungen dürfen die Medien gemäß der ausdrücklichen Bestimmung des § 49 Abs. 2 UrhG im Original übernehmen. Dazu gehören in der Regel die gesprochenen Kurznachrichten der Hörfunk- und Fernsehsender ebenso wie kurze gedruckte Meldungen, die insbesondere Tageszeitungen neben ihren ausführlicheren Berichten und Kommentaren verbreiten. Bestehen Zweifel daran, ob eine solche Meldung angesichts ihrer Kürze auch in ihrer konkreten sprachlichen Ausgestaltung noch gemeinfrei oder angesichts eines Minimums an Individualität oder Originalität bereits urheberrechtlich geschützt ist, so wird allein dies in aller Regel bereits ein Indiz für das Bestehen eines Urheberrechtsschutzes sein; bei _______________
1 OLG Hamburg AfP 2000, 91 = NJW 1999, 3343 = ZUM 2000, 316 – Berufungsschrift; OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 619; Schricker/Wild, § 97 UrhG Rz. 20 ff.; a.A. BGH AfP 2003, 54 = NJW 2003, 916 = ZUM 2003, 777 = GRUR 2003, 956 – Gies-Adler; zum Ganzen Poll, ZUM 2004, 511 ff. 2 OLG Hamburg AfP 2000, 91 = NJW 1999, 3343 = ZUM 2000, 316 – Berufungsschrift. 3 OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 619. 4 BGH AfP 2003, 54 = NJW 2003, 916 = ZUM 2003, 777 = GRUR 2003, 956 – GiesAdler.
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Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen
Tz. 8 § 3
der wörtlichen Übernahme anderweitig publizierter Meldungen ist daher stets Zurückhaltung geboten. Gemeinfrei kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung1 sind lediglich Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder amtlich verfasste Leitsätze zu ihnen. Dazu gehören auch solche Leitsätze, die die Mitglieder bestimmter Gerichte formulieren und veröffentlichen, ohne dazu durch Geschäftsordnungen oder Dienstanweisungen ermächtigt oder verpflichtet zu sein.2 Sie dürfen mithin ganz oder auszugsweise im Wortlaut übernommen werden.
7
Demgegenüber wurde die auszugsweise wörtliche Wiedergabe von Anwaltsschriftsätzen zur Parteispendenaffäre der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts ungeachtet ihres Informationswerts als unzulässiger Eingriff in das Urheberrecht ihres Verfassers angesehen.3 Das setzt aber voraus, dass die Ausgestaltung eines Schriftsatzes das Alltägliche, Handwerksmäßige deutlich überragt und durch seine sprachliche oder strukturelle Eigenart Werkcharakter annimmt.4 Eine berufsübliche schriftliche Aufbereitung des Streitstoffs durch einen Rechtsanwalt ist urheberrechtlich nicht geschützt. Daher dürfen die Medien eine anwaltliche Abmahnung veröffentlichen, die ihnen wegen einer bereits erfolgten oder befürchteten Veröffentlichung zugeht.5 Überwiegt der Informationszweck deutlich, so kann die im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG erforderliche Güterabwägung der Informations- und Pressefreiheit auch gegenüber dem Urheberrecht des Anwalts an einem geschützten Schriftsatz Geltung verschaffen und die Veröffentlichung durch die Medien in einem geeigneten zeitgeschichtlichen Kontext daher statthaft sein.6
7a
cc) Kleinzitat Die auszugsweise wörtliche Wiedergabe von bereits veröffentlichten urheberrechtlich geschützten Texten kann ferner gerechtfertigt sein, wenn die Voraussetzungen des so genannten Kleinzitats nach § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG vorliegen. Nach dieser Bestimmung ist es zulässig, Stellen eines geschützten Werks unter Angabe der Quelle wörtlich zu zitieren, wenn und soweit dies durch den Zweck der eigenen Darstellung geboten ist. Die stets nur auszugsweise zulässige Übernahme eines bereits veröffentlichten Texts muss zu Zwecken des Belegens und darf nicht um ihrer selbst willen erfolgen.7 Auch in diesem Rahmen ist das Kleinzitat aber nur zulässig, soweit es als Beleg für _______________
1 § 5 Abs. 1 UrhG. 2 BGH NJW 1992, 1316; Fischer, NJW 1993, 1228. 3 BGH NJW 1987, 1322 = GRUR 1986, 739 – Anwaltsschriftsatz; OLG Düsseldorf AfP 1988, 154 = NJW 1989, 1162. 4 BGH NJW 1987, 1322 = GRUR 1986, 739 – Anwaltsschriftsatz. 5 OLG München AfP 2008, 79 = ZUM 2008, 991; im Ergebnis auch KG AfP 2007, 234 = NJW 2008, 768 = ZUM 2008, 960. 6 OLG Hamburg AfP 2000, 91 = NJW 1999, 3343 = ZUM 2000, 316 – Berufungsschrift; Schricker/Wild, § 97 UrhG Rz. 24 f. 7 BGH NJW 1985, 2134 = GRUR 1987, 34 – Liedtextwiedergabe I; OLG München NJW 1990, 2003; OLG Köln NJW 1994, 1968 = GRUR 1994, 47; OLG München AfP 1998, 632.
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§ 3 Tz. 9
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
die eigene Aussage des Zitierenden erforderlich ist. Hat ein Zitat daher keine andere Funktion als dem Zitierenden eine ihm mögliche eigene Formulierung zu ersparen oder soll es den eigenen Text nur auflockern, ohne dass die konkrete Formulierung des zitierten Texts eine erkennbare Funktion im Rahmen der zitierenden Aussage hat, sind die Voraussetzungen für ein zulässiges Kleinzitat nicht erfüllt.1 Stellt ein Autor seinem eigenen Text ein kurzes Zitat aus einem urheberrechtlich geschützten Text als Motto voran, so kann das aber als Beleg im Sinn von § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG angesehen werden.2 Einen größeren Freiraum hat der Zitierende nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn das Zitat über die bloße Belegfunktion hinaus als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzusehen ist; im Rahmen von Kunstwerken ist der Freiraum für Kleinzitate daher weiter gesteckt als bei nicht künstlerischen Sprachwerken.3 Zum Wesen eines zulässigen Zitats gehört es aber in jedem Fall, dass es nicht ununterscheidbar in das zitierende Werk integriert, sondern als fremdes Zitat ersichtlich gemacht4 und dass die Quelle konkret angegeben wird.5 9
Die Regelung, nach der im Rahmen von § 51 Satz Nr. 2 UrhG nur Stellen eines Werks nachgedruckt werden dürfen, ist besonders bei einem aus aktuellem Anlass geplanten Abdruck urheberrechtlich geschützter Gedichte oder Liedertexte zu beachten. Auch ein solcher Abdruck ist als Kleinzitat nur dann gerechtfertigt, wenn es sich um einen auszugsweisen Nachdruck handelt und das nachdruckende Medium sich mit dem nachgedruckten Auszug inhaltlich auseinandersetzt; der Nachdruck darf mithin auch in diesem Zusammenhang nicht Selbstzweck sein. Den Abdruck einer Strophe eines dreistrophigen Straßenverkehrsliedes für Kinder hat aber der Bundesgerichtshof,6 denjenigen von sechs Zeilen eines aus 15 Zeilen bestehenden Schlagertexts das Oberlandesgericht Hamburg7 mit Recht noch als zulässiges Kleinzitat angesehen. Der Abdruck eines vollständigen Gedichts ist als Kleinzitat allerdings auch dann nicht gerechtfertigt, wenn es sich um einen extrem kurzen Text handelt und die Herstellung eines Auszugs nicht sinnvoll erscheint.8
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Die Auffassung des Landgerichts Berlin,9 urheberrechtlich geschützte Briefe des Schriftstellers Botho Strauß dürften trotz Widerspruchs ihres Verfassers im Wortlaut abgedruckt werden, war mit geltendem Urheberrecht nicht zu vereinbaren,10 obwohl sie an eine Redaktion gerichtet waren und an ihrem Inhalt ein beachtliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestand. Der vollständige Nachdruck eines urheberrechtlich geschützten Texts ist vielmehr immer ein sogenanntes Großzitat, das nur unter den sehr viel engeren _______________
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KG NJW 2003, 680. KG NJW 2003, 680. BVerfG AfP 2000, 451 = NJW 2001, 598 = ZUM 2000, 867. OLG München AfP 1998, 632; Schricker, § 51 UrhG Rz. 15. § 63 UrhG. BGHZ 28, 204. OLG Hamburg UFITA 1969, 307. BGH NJW 1985, 2134 = GRUR 1987, 47 – Liedtextwiedergabe I. LG Berlin NJW 1995, 881. So zutreffend die Berufungsinstanz: KG NJW 1995, 3392 – Botho Strauß.
Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen
Tz. 12 § 3
Voraussetzungen von § 51 Satz Nr. 1 UrhG erlaubt ist; sie liegen bei Medienberichterstattung nur im Ausnahmefall vor, da sie wissenschaftliche Tätigkeit voraussetzen.1 So war auch der nahezu vollständige Abdruck von zwei Briefen, die der Schriftsteller Günter Grass vor Jahrzehnten an einen politischen Freund geschrieben hatte, durch die FAZ trotz aktuellen Anlasses unzulässig.2 Und stets setzt jede Art von Zitat aus einem urheberrechtlich geschützten Text im Hinblick auf § 12 UrhG dessen primäre Veröffentlichung durch den Autor voraus. Der partielle oder vollständige Nachdruck eines unveröffentlichten Briefs eines prominenten Schriftstellers ist daher immer unzulässig und auch durch übergeordnete Allgemeininteressen nicht zu rechtfertigen.3 dd) Pressestimmen Trotz der dargelegten Beschränkungen ist jedoch die Veröffentlichung herkömmlicher Presseschauen oder Pressestimmen durch das Recht zum Kleinzitat in jedenfalls analoger Anwendung von § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG gerechtfertigt.4 Dabei handelt es sich um die Wiedergabe von kurzen Auszügen meist aus Pressekommentaren, wie sie traditionell durch Zeitungen, Zeitschriften und den Rundfunk verbreitet werden. Diese Art der Verarbeitung anderweitig veröffentlichter Texte dient der Erweiterung des Spektrums der eigenen Leser oder Hörer, der Verdeutlichung der eigenen Meinung, aber auch dem Aufzeigen von Meinungsunterschieden oder Widersprüchen. Medien, die sich dieses Instruments bedienen, belegen damit die Richtigkeit der eigenen Meinung oder Darstellung oder grenzen sie von der durch das Zitat verbreiteten Sicht der Anderen ab. Sie tragen damit zur Meinungsbildung bei und werden auf diese Weise dem Zweck des § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG gerecht, sofern zwischen der Wiedergabe der Stimme der Anderen und eigenen redaktionellen Inhalten noch ein erkennbarer Sachzusammenhang besteht; verwendet allerdings eine Redaktion das Mittel der Pressestimmen im Einzelfall als reinen Zeilenfüller ohne inhaltlichen Bezug zu den eigenen redaktionellen Inhalten, dann kommt seine Rechtfertigung aus § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG nicht in Betracht. Bei den Pressestimmen in dem hier erörterten Sinn handelt es sich auch nicht um einen Anwendungsfall des § 49 UrhG,5 so dass sich auch die dort relevante Frage nach der Zeitungs- oder Zeitschrifteneigenschaft des zitierenden oder des zitierten Mediums hier nicht stellt.6
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ee) Bildzitate Besondere Probleme ergeben sich in den Fällen der Übernahme anderweitig publizierter Lichtbilder oder Karikaturen durch die Medien. Dabei handelt es sich formal stets um ein so genanntes Großzitat, weil Bilder ihrer Natur nach _______________
1 Löffler, NJW 1980, 201, 203; Wenzel/Burkhardt, UrhR, Kap. 6 Rz. 11; vgl. aber OLG Hamburg AfP 2000, 91 = NJW 1999, 3343 = ZUM 2000, 316 – Berufungsschrift. 2 KG AfP 2008, 196 = NJW-RR 2008, 857 = ZUM 329 – Günter-Grass-Briefe. 3 KG AfP 2008, 196 = ZUM 2008, 329. 4 Wild, AfP 1989, 701, 706 f. 5 Dazu unten Tz. 15 ff. 6 Wild, AfP 1989, 701, 706 f.
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§ 3 Tz. 13
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
in der Regel nur als ganzes übernommen werden können und die Veröffentlichung lediglich einer Stelle eines solchen urheberrechtlich geschützten Werks im Sinn eines Kleinzitats gemäß § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG fast immer als ernsthafte Möglichkeit ausscheidet.1 In der Regel geht auch hier der Schutz des Urheberechts dem Interesse der Medien an ungehinderter Berichterstattung vor. Das gilt ohne Einschränkungen in Situationen, in denen es dem übernehmenden Medium allein darum geht, seine eigene Aktualität unter Beweis zu stellen und seine Leser oder Zuschauer auch durch Veröffentlichung von Bildern gleich gut oder gleich schnell zu informieren wie der Wettbewerb; eine derartige Zielsetzung rechtfertigt den Eingriff in die Urheberrechte Dritter unter keinen Umständen. Gleiches gilt bei der Abbildung von Fotos zur Illustration einer redaktionellen Rezension eines Bildbands jedenfalls dann, wenn die Wiedergabe der Fotos im Wesentlichen dem Zweck der Illustration des Texts und nicht dessen Verständnis dient.2 13
Verfechter der These, dass der Katalog der §§ 45 ff. UrhG eine abschließende Regelung der Einschränkungen des Urheberrechts darstellt und eine ergänzende Auslegung urheberrechtlicher Gestattungsnormen auch in Abwägung gegen das Grundrecht der Pressefreiheit nicht statthaft ist,3 werden es bei diesem Prinzip belassen und die Übernahme von Lichtbildern in andere Medien ohne Einwilligung des Inhabers der Rechte schlechthin für unzulässig halten. Demgegenüber wird heute jedoch in Rechtsprechung und Schrifttum mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass auch die Übernahme von Bildern in entsprechender Anwendung von § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG als so genanntes großes Kleinzitat dann gerechtfertigt sein kann, wenn sie zum Zweck der inhaltlichen Auseinandersetzung mit der durch das Bild verkörperten gedanklichen Aussage erforderlich ist.4 Zulässig kann die Übernahme eines anderweitig veröffentlichten, urheberrechtlich geschützten Lichtbilds aber auch unter dem rechtlichen Aspekt des § 50 UrhG sein; nach dieser Bestimmung ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf von Tagesereignissen wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.5
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Zulässig wird nach diesen Grundsätzen in der Regel insbesondere die satirische Verwendung von urheberrechtlich geschützten Bildern sein.6 Gleiches gilt, wenn das Bild zur Erläuterung eines Texts übernommen wird.7 Das kann _______________
1 2 3 4
Löffler, NJW 1980, 201, 203; Romatka, AfP 1971, 20. OLG Hamburg GRUR 1990, 37. v. Gamm, § 45 Rz. 3. BGH NJW 1994, 2891, 2892 f. = WRP 1994, 807, 809 – Museumskatalog; OLG Hamburg GRUR 1990, 36, 37; OLG Hamburg GRUR 1993, 666 – Altersfoto; LG Berlin GRUR 1962, 207, 211 – Maifeier; LG München Schulze LGZ 182; KG Schulze KGZ 48; LG München AfP 1994, 326; Schricker, § 51 UrhG Rz. 45; Löffler, NJW 1980, 201 ff.; Romatka, AfP 1971, 20. 5 Dazu BGH AfP 2002, 504 = NJW 2002, 3473 =GRUR 2002, 1050 = ZUM 2002, 818 – Zeitungsbericht als Tagesereignis; ÖOGH ZUM 2001, 574; unten § 21 Tz. 32 ff. 6 BGH AfP 2003, 54 = NJW 2003, 916 = ZUM 2003, 777 = GRUR 2003, 956 – GiesAdler; OLG Zweibrücken AfP 1999, 362. 7 BGH NJW 1994, 2891 = WRP 1994, 807, 809 – Museumskatalog; vgl. auch OLG Frankfurt/Main AfP 2000, 185 = NJW 2000, 594 – Katharina Witt.
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Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen
Tz. 14b § 3
bei der ideologischen Auseinandersetzung mit einer Karikatur ebenso der Fall sein wie bei der Kritik an einer bestimmten Konsumwerbung, die nur durch Abbildung der gegebenenfalls urheberrechtlich geschützten Anzeige deutlich gemacht werden kann. Die Auffassung des Oberlandesgerichts München,1 das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL habe das der Illustrierten BUNTE vom Fotografen übertragene urheberrechtliche Nutzungsrecht verletzt, indem es ein Foto des mit seiner neuen Lebensgefährtin im Swimmingpool badenden und kurz darauf zurück getretenen damaligen Bundesverteidigungsministers Rudolf Scharping zum Bestandteil einer Collage für das Titelbild einer Ausgabe machte, die sich inhaltlich mit der Amtsführung und dem Amtsverständnis Scharpings auseinandersetzte, ist daher verfehlt. Zutreffend hat demgegenüber der Bundesgerichtshof2 festgestellt, dass es einer Redaktion gestattet war, ein anderweitig veröffentlichtes Lichtbild im Rahmen eines Beitrags nachzudrucken, der sich mit den Auseinandersetzungen der abgebildeten prominenten Person mit ihrem nicht minder prominenten Ehemann befasste, nachdem die Beteiligten diese Auseinandersetzung selbst in die Öffentlichkeit getragen hatten; hier war die Veröffentlichung des ersten Berichts mit dem Foto das Tagesereignis im Sinn von § 50 UrhG, das die Wiedergabe des Fotos im Rahmen eines kritisch-satirischen Folgeartikels rechtfertigte. Auch die Wiedergabe eines geschützten Filmausschnitts in einem anderen Film oder Fernsehbeitrag kann in entsprechender Anwendung von § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG gerechtfertigt sein – dies allerdings nur unter den dargestellten engen Voraussetzungen; dient sie nicht dem Zweck inhaltlicher Auseinandersetzung, sondern lediglich als Aufmacher oder Füllsel, so ist sie in gleicher Weise unzulässig wie die entsprechende Wiedergabe eines wörtlichen Textzitats.3
14a
Nach diesen Grundsätzen kommt die Berufung auf das Recht zum Kleinzitat bei der Verbreitung reiner Nachrichten prinzipiell nicht und im Rahmen umfangreicherer Medienberichterstattung nur dann in Betracht, wenn es sich dabei um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der oder Anknüpfung an die zitierte Stelle handelt; an das Vorliegen dieses Kriteriums stellt die Rechtsprechung strenge Anforderungen. Der bloße Anreiz, den Zitierten mit seinen Äußerungen der Leser- oder Hörerschaft wörtlich zu präsentieren, reicht als Zitier-Zweck noch nicht aus. Die Auffassung des Landgerichts Stuttgart4 allerdings, ein Fernsehmagazin habe im zeitlichen und sachlichem Zusammenhang mit dem damals anhängigen und kurz darauf gescheiterten Verbotsverfahren gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht eine kurze Sequenz aus dem Interview einer Redaktion eines anderen Magazins mit einem enttarnten V-Mann des Verfassungsschutzes nicht zitieren dürfen, muss als Überspannung der Anforderungen an die Zulässigkeit eines filmischen Kleinzitats angesehen werden; eben wegen der Durchsetzung der NPD
14b
_______________
1 OLG München AfP 2003, 553 = ZUM 2003, 571. 2 BGH AfP 2002, 504 = NJW 2002, 3473 = GRUR 2002, 1050 = ZUM 2002, 818 – Zeitungsbericht als Tagesereignis. 3 OLG Köln NJW 1994, 1968 = GRUR 1994, 47; LG Hamburg AfP 1997, 942; LG Frankfurt/Main AfP 1995, 687. 4 LG Stuttgart ZUM 2003, 156.
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§ 3 Tz. 14c
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
mit V-Leuten des Verfassungsschutzes scheiterte das von der Bundesregierung eingeleitete Verbotsverfahren gegen diese Partei, und ein journalistische Medium wie ein Fernsehmagazin muss im Rahmen von § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG als berechtigt angesehen werden, die eigene Darstellung der Problematik mit einem Beleg wie demjenigen eines kurzen Zitats aus einem Interview zu untermauern, in dem ein V-Mann sich zu seiner Tätigkeit bekennt. 14c
Zulässig ist es auch, urheberrechtlich geschützte Sequenzen aus einer Fernsehshow unverändert in eine Sendung zu übernehmen, die sich satirisch mit eben dieser Fernsehshow auseinandersetzt; der Bundesgerichtshof leitet dieses Ergebnis allerdings nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG, sondern aus dem Recht zur freien Benutzung gemäß § 24 UrhG ab mit der Konsequenz, dass ein solches satirisches Filmzitat selbst dann noch zulässig sein kann, wenn es den Rahmen des Erforderlichen sprengt.1
14d
Schließlich war auch die Verbreitung des in die Mediengeschichte eingegangenen Fotos des toten schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel in der Badewanne seines Genfer Hotels durch eine Vielzahl von Print- und elektronischen Medien als großes Kleinzitat gerechtfertigt, obwohl es sich objektiv um einen Eingriff in die dem Verlag des stern zustehenden urheberrechtlichen Nutzungsrechte handelte; im Rahmen der Berichterstattung über die Tatsache und die Umstände von Barschels Tod überwog hier jedenfalls in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den damaligen Ereignissen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit klar die urheberrechtlichen Belange des Inhabers der Nutzungsrechte. Eine wahrheitsgetreue und lebensnahe Berichterstattung über die mysteriösen Umstände jenes Falls wäre ohne die Verbreitung des Bilds kaum möglich gewesen; in diesem Fall trug das Bild selbst einen beachtlichen Informationsgehalt in sich. Prinzipiell ist aber festzustellen, dass es sich beim Recht zum großen Kleinzitat um einen Ausnahmetatbestand handelt, den die Gerichte restriktiv interpretieren2 und jedenfalls nur dann anwenden, wenn das (eigene) Sprachwerk des nachdruckenden Mediums die Haupt-, das übernommene Bild aber eindeutig die Nebensache ist.3 Wenn etwa der räumliche Umfang des zitierenden Texts geringer ist als derjenige der zitierten Bilder, so kann das ein Indiz dafür sein, dass der Zitier-Zweck überschritten ist.4 Insbesondere reicht die Absicht einer Redaktion, einen eigenen Beitrag durch Übernahme eines Bilds oder gar mehrerer Bilder zu illustrieren oder optisch reizvoller zu gestalten, als ZitierZweck nicht aus.5 b) Pressespiegel
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Eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass die wörtliche Übernahme anderweitig publizierter Informationen in aller Regel unzulässig ist, ergibt sich aus _______________
1 BGH AfP 2000, 459 = NJW 2001, 603 = WRP 2000, 1243 – Mattscheibe. 2 OLG Hamburg GRUR 1990, 36 – Foto-Entnahme. 3 BGH NJW 1994, 2891 = WRP 1994, 807 – Museumskatalog; LG München AfP 1994, 326. 4 LG München AfP 1994, 326. 5 OLG Hamburg GRUR 1993, 666 – Altersfoto.
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Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen
Tz. 16 § 3
der Bestimmung des § 49 Abs. 1 UrhG. Danach ist es gestattet, Rundfunkkommentare und Artikel sowie im Zusammenhang mit ihnen veröffentlichte Abbildungen aus Zeitungen und anderen lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblättern in anderen Zeitungen und Informationsblättern dieser Art zu vervielfältigen und zu verbreiten, ohne dass eine Genehmigung des Inhabers der urheberrechtlichen Nutzungsrechte vorliegt. Dieses Verbreitungsrecht geht über das Recht zum Kleinzitat hinaus. Es begründet das Recht zum Nachdruck ganzer Rundfunkkommentare und Zeitungsartikel und betrifft damit nicht die so genannten Pressestimmen, die vor allem in Zeitungen und im Hörfunk regelmäßig zitiert zu werden pflegen und bei denen es sich stets nur um kurze Auszüge aus Artikeln handeln kann.1 Historisch geht es hier nur um urheberrechtlich geschützte Texte. Erst seit der Novellierung des Urheberrechtsgesetzes vom 7. Juli 2008 dürfen die Pressespiegel auch im Zusammenhang mit Zeitungsartikeln veröffentlichte Abbildungen reproduzieren. Die Übernahme von nicht geschützten Texten wie etwa Kurznachrichten ist demgegenüber ohnehin uneingeschränkt zulässig2 und daher vom Regelungsbereich des § 49 Abs. 1 UrhG nicht erfasst. Das Nachdruckrecht nach § 49 Abs. 1 UrhG kann durch einen Vorbehalt der Rechte ausgeschlossen werden. Derjenige, der es ausübt, hat dafür eine Vergütung zu bezahlen, die gemäß § 49 Abs. 2 UrhG nicht den Verlagen, sondern den Urhebern und damit den Redakteuren zusteht und die nur von einer Verwertungsgesellschaft wie insbesondere der in München ansässigen Verwertungsgesellschaft Wort geltend gemacht werden kann. Diese gesetzliche Bestimmung scheint damit ein recht weites Betätigungsfeld für Redaktionen zu eröffnen, die sich unter Einsparung eigenen Aufwands gegen Zahlung einer fest kalkulierbaren Vergütung anderweitig publizierter Texte und der sie illustrierenden Bilder bedienen wollen. Ihre Bedeutung ist jedoch in mehrfacher Hinsicht unklar und war über lange Zeit in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten.
15a
aa) Umfang der Nachdruckfreiheit Freigestellt wird durch § 49 UrhG die Veröffentlichung von Artikeln aus Zeitungen und anderen lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblättern. Damit schließt der Gesetzgeber die freie Veröffentlichung von Artikeln aus Zeitschriften aus, ohne freilich zu definieren, welche Medien Zeitung und welche Zeitschrift sind. Diese Frage war vor allem für Wochenzeitungen, redaktionell selbständig arbeitende Sonntagszeitungen sowie Zeitschriften mit Aktualitätsanspruch lange umstritten.3 Mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Januar 20054 ist insoweit aber inzwischen eine weitgehende, wenngleich nicht in jeder Hinsicht abschließende Klärung eingetreten. _______________
1 2 3 4
Oben Tz. 11. § 49 Abs. 2 UrhG; oben Tz. 6a. Dazu im Einzelnen Vorauflage Tz. 3.17 ff. BGH AfP 2005, 356 = NJW 2005, 2698 = WRP 2005, 1018 – WirtschaftsWoche.
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§ 3 Tz. 17 17
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Der Gesetzgeber hat sich der Mühe einer Abgrenzung zwischen den Kategorien der Zeitungen einer- und der Zeitschriften andererseits nicht unterzogen, die Unterscheidung zwischen beiden Kategorien vielmehr als bekannt vorausgesetzt.1 Die ältere Zeitungswissenschaft bot mit der Feststellung, die Zeitung vermittele jüngstes Gegenwartsgeschehen in kürzester, regelmäßiger Folge,2 eine klare Abgrenzung, die nun aber vom Bundesgerichtshof3 verworfen wurde. Danach sollte sich der Begriff der Zeitung auf täglich oder werktäglich erscheinende Publikationen beschränken, während alle anderen periodisch erscheinenden Printmedien der Kategorie Zeitschrift zuzurechnen waren. Diese Abgrenzung entsprach dem Verständnis der beteiligten Verkehrskreise, von dem der Gesetzgeber ausgegangen ist. Denn die in erster Linie beteiligten Verkehrskreise, die Verlage, haben mit der Abgrenzung viel weniger Schwierigkeiten als die Vertreter juristischer Disziplinen,4 indem sie sich selbst als Zeitungs- bzw. Zeitschriftenverleger definieren und in den einschlägigen Verbänden organisieren.5 Herkömmlichem Sprachverständnis und der Branchenübung würde es folglich entsprechen, jedenfalls die eingeführten Wochen- oder Monatszeitschriften nicht unter den urheberrechtlichen Begriff der Zeitung zu subsumieren, während Sonntagszeitungen kraft langjährig entwickelten Sprachgebrauchs und entsprechender Branchenübung dieser Kategorie zuzurechnen wären. Diese Auffassung stützen auch die Motive des Gesetzgebers:6 „Den Vorschlag, … außer den Zeitungen auch die Zeitschriften in die Ausnahmebestimmung einzubeziehen, übernimmt der Entwurf nicht, weil Zeitschriften auch zu politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Tagesfragen oft Artikel enthalten, die bleibende Bedeutung haben und deshalb unabhängig von einem Vorbehalt gegen Nachdruck geschützt werden sollten …“
18
Der Bundesgerichtshof7 hat dieser Abgrenzung jedoch eine Absage erteilt. Nach seiner, für die Praxis nunmehr maßgeblichen Auffassung können auch wöchentlich oder gar monatlich erscheinende Periodika Zeitungen im Sinn von § 49 UrhG sein, und zwar unabhängig davon, ob sie im zeitungstypischen, ungehefteten Format oder nach Art einer Zeitschrift geheftet erscheinen. Maßgeblich sei, so der Bundesgerichtshof, allein die Frage, ob sie ihrem Gesamtcharakter nach im Wesentlichen lediglich der aktuellen Information dienen; dass nach dem Wortlaut des Gesetzes nur „andere lediglich Tagesereignissen dienende Informationsblätter“ hinsichtlich der Abdruckfreiheit den Zeitungen gleichgestellt werden sollen, hält der Bundesgerichtshof dem_______________
1 Auch andere urheber- bzw. verlagsrechtliche Bestimmungen, die zwischen den Kategorien Zeitung und Zeitschrift differenzieren, wie § 38 UrhG, §§ 41 und 46 VerlG, geben keine Legaldefinition, setzen die Differenzierung vielmehr als vorgegeben voraus. 2 Dovifat, S. 16. 3 BGH AfP 2005, 356 = NJW 2005, 2698 = WRP 2005, 1018 – WirtschaftsWoche. 4 Vgl. insbesondere Schricker/Melichar, § 49 UrhG Rz. 5; Melichar, ZUM 1988, 14 ff.; Ekrutt, GRUR 1975, 358, 360. 5 Verband Deutscher Zeitungsverleger einerseits und Bundesverband Deutscher Zeitschriftenverleger andererseits. 6 UFITA 45 (1965), 282. 7 BGH AfP 2005, 356 = NJW 2005, 2698 = WRP 2005, 1018 – WirtschaftsWoche.
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Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen
Tz. 20 § 3
gegenüber für nicht relevant, weil er die in Rede stehenden Periodika als Zeitungen und damit nicht als andere Informationsblätter ansieht. Im konkreten Fall hat das Gericht daher die Auffassung des Oberlandesgerichts München1 gebilligt, das wöchentlich erscheinende Wirtschaftsmagazin WirtschaftsWoche sowie die monatlich erscheinende Zeitschrift DM seien Zeitungen im Sinn von § 49 Abs. 1 UrhG und hätten demnach den Abdruck von ihnen veröffentlichter Beiträge in Pressespiegeln zu tolerieren. Ausgenommen von der Verpflichtung, den Nachdruck eigener Beiträge in Pressespiegeln zu tolerieren, sind nach dieser Auffassung nun im Wesentlichen nur noch Fachzeitschriften und solche Zeitschriften, die Beiträge von bleibender Bedeutung enthalten und daher archiviert zu werden pflegen.2 Mit dem Spruch des Bundesgerichtshofs ist die Diskussion darüber, wie die nicht täglich oder werktäglich erscheinenden Periodika unter dem Aspekt der Nachdruckfreiheit einzuordnen sind, im Wesentlichen abgeschlossen. Sie wurde nachhaltig von der Tatsache geprägt, dass der Gesetzgeber in § 49 Abs. 1 Satz 2 UrhG die von den nachdruckenden Medien zu zahlende Urhebervergütung nicht den Verlagen, sondern den Autoren und damit in der Regel den Redakteuren zuweist und dass er die Verwertungsgesellschaften mit dem Monopol der Einziehung derartiger Vergütungen beliehen hat. Dies hat in der Vergangenheit häufig dazu geführt, dass Verwertungsgesellschaften mit nachdruckwilligen Medien Vergütungsvereinbarungen über Periodika getroffen haben, deren Zuordnung zum Bereich der Zeitschrift umstritten oder ungeklärt war. Die Verlage, die ihre Verpflichtung zur Tolerierung der Nachdrucke in Abrede stellten, haben in diesem Verhalten eine Mitwirkung der Verwertungsgesellschaften an durch den Nachdruck begangenen Urheberrechtsverletzungen gesehen und die Verwertungsgesellschaften auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen. Während eine Reihe von Oberlandesgerichten3 und jedenfalls unter dem Aspekt des Störungsbeseitigungsanspruchs auch der Bundesgerichtshof4 diese Auffassung geteilt haben, hat der Bundesgerichtshof5 später die Auffassung vertreten, jedenfalls die Vereinnahmung von Pressespiegelvergütungen in Fällen, in denen das Nachdruckrecht aus dem Primärmedium umstritten ist, stelle kein urheberrechtswidriges Verhalten der Verwertungsgesellschaften dar.
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bb) Zum Nachdruck berechtigte Medien § 49 UrhG gestattet den Nachdruck der danach freigegebenen Texte nicht generell, sondern nur in Zeitungen und anderen lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblättern. _______________
1 OLG München ZUM 2002, 557. 2 BGH AfP 2005, 356 = NJW 2005, 2698 = WRP 2005, 1018 – WirtschaftsWoche im Anschluss an Ekrutt, GRUR 1975, 358 ff.; Möhring/Nicolini/Engels, § 49 UrhG Rz. 8. 3 OLG Köln ZUM 2000, 240; OLG Hamburg AfP 2001, 224 = GRUR 2001, 51. 4 BGH AfP 2002, 437 = NJW 2002, 3393 = GRUR 2002, 963 – Elektronischer Pressespiegel. 5 BGH AfP 2005, 356 = NJW 2005, 2698 = WRP 2005, 1018 – WirtschaftsWoche.
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§ 3 Tz. 21 21
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Seit Jahrzehnten entspricht es unbeanstandeter Praxis und einer nicht näher begründeten Auffassung im Schrifttum,1 dass sich insbesondere die Herausgeber so genannter Pressespiegel auf das Nachdruckrecht aus § 49 UrhG berufen können. Dabei handelt es sich um Publikationen, die sich – meist bestimmt für eng definierte Adressatenkreise – darauf beschränken, in anderen Medien erschienene Artikel zu sammeln, gegebenenfalls zu kürzen, zu ordnen und danach erneut zu veröffentlichen. An der Berechtigung dieser Auffassung bestehen jedoch beträchtliche Zweifel. Schon die Motive des Gesetzgebers ergeben das mit hinreichender Deutlichkeit: „Für die Meinungsbildung der Öffentlichkeit über die bezeichneten Tagesfragen ist es von erheblicher Bedeutung, dass andere Blätter bereits erschienene Artikel, soweit sie solche Tagesfragen betreffen, aufgreifen können, um die darin vertretene Stellungnahme zu erörtern, sie zu unterstützen oder zu bekämpfen.“2
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Nicht um möglichst freie und wohlfeile Nachdruckrechte ging es daher dem Gesetzgeber, sondern darum, den im Gesetz genannten Medien einen über den eingeschränkten Anwendungsbereich von § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG hinausgehenden Freiraum für die geistige Auseinandersetzung mit anderen Medien zu verschaffen, mit denen sie im Einzelfall übereinstimmen mögen oder nicht. Die Vorschrift ist mithin ein Beitrag des Gesetzgebers zur verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit der Presse, an der öffentlichen Meinungsbildung aktiv teilzunehmen. Das Nachdruckrecht haben danach in erster Linie Zeitungen und andere lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblätter. Das Gesetz geht mit dieser Formulierung von einer qualitativen Gleichwertigkeit der primär genannten Zeitungen und der anderen Informationsblätter aus.3 Nur wer im Rahmen von § 49 Abs. 1 UrhG verpflichtet ist, ist auch privilegiert. Die Tätigkeit der Pressespiegel beschränkt sich demgegenüber darauf, die redaktionelle Leistung Anderer systematisch zu erfassen und auszubeuten.4 Dennoch hat der Bundesgerichtshof inzwischen entschieden, dass sich jedenfalls solche Pressespiegel auf die Bestimmung des § 49 Abs. 1 UrhG berufen können, die lediglich betriebs- oder behördenintern verbreitet werden.5 Eine Erweiterung des Kreises der Berechtigten auch auf andere Pressespiegel, die gegen Entgelt außerhalb eines so definierten, engen Empfängerkreises verbreitet werden, wäre jedoch von der Ermächtigung des § 49 Abs. 1 UrhG nicht mehr gedeckt.6
22a
Für elektronische Pressespiegel hat der Bundesgerichtshof die Weichen im Sinn einer funktionalen Äquivalenz7 neu gestellt. Während sie nach der _______________
1 Melichar, ZUM 1988, 14, 16; anders mit eingehender Begründung Wild, AfP 1989, 701 ff. 2 Amtl. Begründung zum Regierungsentwurf, UFITA 45 (1965), 282. 3 Lehmann/Katzenberger, S. 31 ff.; Wild, AfP 1989, 701, 705; LG Hamburg, AfP 1999, 389. 4 Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung solcher Blätter unten Tz. 27 ff. 5 BGH AfP 2002, 437 = NJW 2002, 3393 = GRUR 2002, 963 = ZUM 2002, 740 = MMR 2002, 739 – Elektronischer Pressespiegel; dazu Hoeren, GRUR 2002, 1022 ff. 6 OLG Hamburg AfP 2003, 356; LG Hamburg AfP 1999, 389; Lehmann/Katzenberger, S. 31 ff.; Wild, AfP 1989, 701, 705. 7 Hoeren, GRUR 2002, 1022 ff.
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Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen
Tz. 24 § 3
Rechtsprechung einiger Instanzgerichte1 nicht durch § 49 Abs. 1 UrhG gedeckt waren und ihre Verbreitung daher unzulässig war, sind sie nach Auffassung des Bundesgerichtshofs urheberrechtlich zulässig, sofern sie nur betriebs- oder behördenintern zugänglich gemacht werden. Ein Angebot an Dritte, für deren Zwecke Pressespiegel zusammenzustellen und sie ihnen auf elektronischem Wege zugänglich zu machen, ist daher auch nach der neueren Rechtsprechung zu diesem Problemkreis nicht zulässig.2 Zusätzlich verlangt der Bundesgerichtshof eine technische Formatierung, die es ausschließt, dass der Empfänger die elektronischen Pressespiegel zu einer Volltextrecherche nutzen kann, so dass als Verbreitungsformat im Wesentlichen nur die Aufbereitung der übernommenen Artikel als Faksimile in Betracht kommt.3 Als Konsequenz hieraus ist auch die Archivierung der Inhalte elektronischer Pressespiegel durch deren Bearbeiter oder Nutzer nicht zulässig.4 Die Wiedergabe von Zeitungsartikeln und anderweitigen Rundfunkkommentaren durch Hörfunk und Fernsehen in dem von § 49 Abs. 1 UrhG gezogenen Rahmen entspricht seit Jahrzehnten eingeführter Praxis, obgleich auch der Rundfunk nicht zu den vom Gesetzgeber ausdrücklich privilegierten Zeitungen und ihnen gleichwertigen anderen Informationsblättern gehört. In Anbetracht der Tatsache, dass die in Frage stehenden Beiträge nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht nur vervielfältigt, sondern auch öffentlich wiedergegeben werden dürfen, besteht an der Berechtigung dieser Medien zur Textwiedergabe aber kein Zweifel.5
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cc) Vorbehalt der Rechte Auch soweit die Übernahme fremder Texte und Bilder danach zulässig sein kann, entfällt das Nachdruckrecht, wenn der Inhaber der Rechte die zum Nachdruck bestimmen Artikel mit einem Vorbehalt der Rechte versieht. Hierzu wird im urheberrechtlichen Schrifttum die einhellige, wenngleich nicht begründete, Auffassung vertreten, dass ein genereller Vorbehalt nicht ausreiche; erforderlich sei vielmehr die Anbringung des Vorbehalts an jedem einzelnen Artikel.6 Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend. Dass sie denjenigen Redaktionen, die den freien Nachdruck ausschließen wollen und dazu nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes auch berechtigt sind, eine außerordentlich stumpfe Waffe in die Hand gibt, ist evident. Denn keine Redaktion wird sich eine Zeitung vorstellen oder sie publizieren wollen, deren Lesbarkeit und damit Attraktivität dadurch beeinträchtigt wird, dass sich am Beginn _______________
1 LG Hamburg AfP 1999, 390; OLG Hamburg AfP 2000, 299 = NJW-RR 2001, 552; OLG Köln AfP 2000, 94 = NJW-RR 2000, 151 = GRUR 2000, 417 = MMR 2000, 365; vgl. zu diesem Problemkreis auch BGH AfP 1995, 624 = GRUR 1997, 459 – CB-Infobank; BGH AfP 1999, 63. 2 OLG Hamburg AfP 2003, 356; KG ZUM 2002, 828. 3 BGH AfP 2002, 437 = NJW 2002, 3393 = GRUR 2002, 963 = ZUM 2002, 740 = MMR 2002, 739 – Elektronischer Pressespiegel; Hoeren, GRUR 2002, 1022, 1024. 4 Spindler, AfP 2006, 408 ff. 5 Schricker/Melichar, § 49 UrhG Rz. 13. 6 Vgl. Schricker/Melichar, § 49 UrhG Rz. 10; v. Gamm, § 49 UrhG Rz. 4.
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§ 3 Tz. 25
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
oder am Schluss jedes Artikels der stereotype Hinweis darauf befindet, der Nachdruck ohne die Erlaubnis der Redaktion sei verboten; eine so aufgemachte Publikation würde sich in den Augen des Lesers selbst entwerten. 25
Eine innere Rechtfertigung für die Auffassung, nur ein spezieller Vorbehalt hinter jedem einzelnen Artikel sei geeignet, das Nachdruckrecht wirksam auszuschließen, ist auch nicht ersichtlich. Wenn der Gesetzgeber selbst dem Prinzip der Freiheit des Nachdrucks sogleich die Ausnahmeregelung an die Seite stellt, dass diese Freiheit durch die Anbringung eines Vorbehalts der Rechte ausgeschlossen werden kann, und wenn er davon absieht, für die Form des Vorbehalts entsprechende Vorschriften zu machen, dann wird man daraus vielmehr folgern müssen, dass er den Redaktionen insoweit freie Hand gelassen hat. Auch scheiden Gesichtspunkte der Rechtsklarheit und des Vertrauensschutzes in diesem Zusammenhang aus. Denn der Regelungsbereich von § 49 Abs. 1 UrhG beschränkt sich auf die Tätigkeit von Verlagen und Redaktionen sowie auf gewerbliche Unternehmen, die deren publizistische Erzeugnisse nutzen. Von ihnen wird man die Kenntnis nicht nur der gesetzlichen Regel, sondern auch diejenige des im Gesetz selbst vorgesehenen Ausnahmetatbestands verlangen können. Sie kennen die Problematik und sind in der Lage, sich darüber, ob der Inhaber der Rechte an den von ihnen zum Nachdruck vorgesehenen Artikeln einen Vorbehalt angebracht hat, nicht nur durch Lektüre des Artikels selbst, sondern auch unter Zuhilfenahme sonstiger medienüblicher Erkenntnisquellen zu informieren, zu denen im Bereich der Presse das in allen Landespressegesetzen zwingend vorgeschriebene Impressum1 gehört. Entgegen der herrschenden Auffassung genügt daher derjenige Verleger, der die von ihm publizierten Artikel dem freien Nachdruck durch andere Zeitungen oder vergleichbare Publikationen entziehen will, den Anforderungen an den dafür gesetzlich vorgesehenen Vorbehalt der Rechte schon dann, wenn er diesen Vorbehalt im Impressum seines Periodikums deutlich sichtbar und mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf anbringt, dass er sich auf den gesamten Inhalt der betreffenden Publikation bezieht.2 2. Wettbewerbsrecht
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Das Verbot der Veröffentlichung von Informationsmaterial, das bereits anderweitig publiziert worden ist, kann sich unter Umständen auch aus der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG ergeben. Das ist insbesondere für solches Material von Bedeutung, das wegen seiner einfachen sprachlichen Ausgestaltung und/oder seiner Kürze nicht nach den Kriterien des Urheberrechts geschützt ist. So kann es unlauteres geschäftliches Handeln im Sinn von §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 UWG darstellen, wenn ein Anbieter einer Ware oder gewerblichen Leistung die Leistungen eines anderen planmäßig und systematisch ausbeutet und dadurch eigene Aufwendungen erspart; in einem derartigen Verhalten kann ein Wettbewerbsverstoß selbst dann liegen, _______________
1 Vgl. Landespressegesetze § 8; Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt und Thüringen § 7; Hessen und Sachsen § 6; dazu im Einzelnen unten § 25 Tz. 1 ff. 2 Wild, AfP 1989, 701, 107.
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Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen
Tz. 29 § 3
wenn die übernommene Leistung an sich frei und daher gegen die Übernahme durch Dritte nicht durch Sonderrechtsbestimmungen geschützt ist, wie dies bei der reinen Information der Fall ist.1 a) Systematische Auswertung anderer Publikationen In der täglichen redaktionellen Arbeit eingeführter Medien wird dieser Gesichtspunkt in aller Regel keine Rolle spielen. In Grenzbereichen sind jedoch Konfliktsituationen denkbar, die sich mangels Eingreifens insbesondere des urheberrechtlichen Sonderrechtsschutzes nur auf dem Wege der Generalklausel in§ 3 Abs. 1 UWG lösen lassen. So hat etwa das Landgericht Düsseldorf2 auf Antrag von Zeitungsverlegern die Herausgabe und Verbreitung eines so genannten Medien-Pressespiegels untersagt, der sich darauf beschränkte, ohne jede weitere redaktionelle Aktivität den Inhalt von ca. 200 in- und ausländischen Zeitungen systematisch durchzuarbeiten, auf 20 Seiten zu komprimieren und mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, dass der Bezieher sich nunmehr die Lektüre der ausgewerteten Zeitungen ersparen könne, an Abonnenten zu versenden. Ein so genannter Informationsdienst, der auf Anfrage zu bestimmten Themen nicht nur Fundstellen nachweist, sondern auf Wunsch auch Fotokopien der nachgewiesenen Veröffentlichungen gegen Entgelt versendet, ist gleichermaßen unzulässig.3
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Auf die Frage, ob der Inhalt des ausgewerteten und verbreiteten Materials urheberrechtlich geschützt oder nach den oben dargestellten Grundsätzen frei war, kommt es in solchen Fällen nicht an. Unerheblich ist auch, ob sich eine Rechtfertigung der Übernahme bereits publizierter Texte u.U. aus dem Gesichtspunkt des § 49 Abs. 1 UrhG4 ableiten lässt. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich um Fälle der planmäßigen Ausbeutung der Leistungen und des Rufs anderer Presseorgane handelt. Das ist auch der Fall, wenn der entsprechende Dienst per Telefax oder über elektronische Medien verbreitet wird und sich dadurch insbesondere für Bezieher mit unzureichender postalischer Versorgung im Vergleich zum Bezug der Originär-Medien noch ein zeitlicher Vorteil ergibt. Dass der Anbieter solcher Dienste den dann bestehenden zeitlichen Vorsprung nur durch Verzicht auf eigene redaktionelle und technische Leistungen zu Lasten der Verlage und gegebenenfalls Rundfunkanstalten erzielen kann, legt das Unlauterkeitsurteil im Sinn von § 3 Abs. 1 UWG zwingend nahe.
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Entsprechend kann zu entscheiden sein, wo Herausgeber von schriftlichen Informationsdiensten ganz oder überwiegend davon absehen, eigene Recherchen durchzuführen oder sonstige redaktionelle Leistungen zu erbringen, und sich stattdessen darauf beschränken, kurze Meldungen aus anderen Diensten, die gemäß § 49 Abs. 2 UrhG oder mangels sprachlicher Ausformung urheberrechtlich nicht geschützt sind, im Wortlaut zu vervielfältigen und zu verbrei-
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Vgl. im Einzelnen Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rz. 9.35 ff. LG Düsseldorf AfP 1988, 93. BGH AfP 1995, 624 = GRUR 1997, 459 – CB-Infobank. Dazu oben Tz. 15 ff.
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§ 3 Tz. 30
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
ten. Auch die Kompilation und Verbreitung derartiger Informationsdienste ist als systematische und damit sittenwidrige Ausbeutung fremder Leistung und fremden Rufs schlechthin unzulässig.1 An der Wettbewerbswidrigkeit einer derartigen Übernahme der redaktionellen Leistung Dritter ändert sich auch dadurch nichts, dass die übernommenen Informationen in einer anderen äußeren Anordnung verbreitet werden. Entscheidend bleibt die Tatsache, dass das Ergebnis fremder Leistungen in der Sache unverändert und systematisch übernommen wird; bei identischer oder fast identischer Übernahme sind dabei an das Vorliegen der Unlauterkeit im Sinn von § 3 UWG geringere Anforderungen zu stellen als bei Einhaltung eines größeren Abstands zu dem übernommenen Primär-Medium.2 30
Die prinzipielle Feststellung, dass die Nachricht als solche frei ist, wird durch diese Rechtsprechung nicht in Frage gestellt. Der hier erörterte wettbewerbliche Ansatz belegt aber, dass auch dieser Grundsatz Schranken hat und dass derjenige unzulässig handelt, der sich unter Verzicht auf eigenen redaktionellen Aufwand im Wesentlichen darauf beschränkt, systematisch zu übernehmen, was Andere recherchiert und publiziert haben. Wo die Grenzen zu ziehen sind, lässt sich allerdings nicht konkret festlegen. Wie stets im Anwendungsbereich von § 3 Abs. 1 UWG müssen vielmehr bei der Entscheidung die Gesamtumstände des konkreten Einzelfalls berücksichtigt werden. So hat etwa das Oberlandesgericht Frankfurt die vollständige Übernahme der in den seinerzeit noch amtlichen Telefonbüchern gesammelten Daten im Wege des Abscannens und ihre anschließende Veröffentlichung auf CD-ROM trotz des auch von ihm anerkannten wettbewerbsrechtlichen Verbots der Leistungsübernahme und trotz der Tatsache noch als zulässig angesehen, dass auch die Herausgeberin der Originale eine Zusammenfassung der Daten auf CD-ROM anbot.3 b) Anzeigenübernahme
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Im Bereich der Anzeigenakquisition und -veröffentlichung gilt das Prinzip der Freiheit der Informationsverwendung ebenfalls nur eingeschränkt. aa) Füllanzeigen
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Nicht selten reichern Verleger gedruckter Publikationen ihren Anzeigenteil mit Anzeigen an, die sie ohne entsprechenden Auftrag der Inserenten und unentgeltlich anderen Publikationen, zum Teil im Wege fotomechanischer Wiedergabe, entnehmen. Ziel derartiger Aktionen ist es im Wesentlichen, bei der werbungtreibenden Wirtschaft und den für sie tätigen Agenturen durch die Intensität der Anzeigenbelegung den Eindruck zu erwecken, das betreffende Blatt sei als Werbeträger besonders beliebt und erfolgreich, und auf diese Weise eine tatsächlich nicht oder noch nicht vorhandene Attraktivität des _______________
1 BGH AfP 1988, 32. 2 BGH AfP 1988, 32. 3 OLG Frankfurt/Main AfP 1994, 319.
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Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen
Tz. 34 § 3
entsprechenden Mediums als Werbeträger vorzutäuschen. Sie sehen dann eine Rechtfertigung in der Erwägung, dass die vermeintlichen Inserenten durch ihr Verhalten nicht geschädigt werden, da deren Anzeigen auf diese Weise eine größere Verbreitung erfahren als diejenige, mit der sie kalkuliert und für die sie bezahlt haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs1 sind derartige Manipulationen nicht in jedem Fall als Verstoß gegen § 4 Nr. 9 UWG unzulässig. Zwar werden durch sie die beteiligten Verkehrskreise über die Attraktivität der übernehmenden Publikation und damit über einen für die Beurteilung des entsprechenden Blatts als Werbeträger maßgeblichen Umstand getäuscht.2 Wettbewerbsrechtlich relevant sind derartige Täuschungen aber nach einer nunmehr in § 3 Abs. 1 UWG kodifizierten Regel nur, wenn sie geeignet sind, die Interessen u.a. von Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, wenn mithin die Täuschungshandlung eine gewisse Schwere und Nachhaltigkeit aufweist; vereinzelte Gelegenheitsverstöße reichen insoweit nicht.3 Sofern der Übernehmende aber in sich geschlossene Anzeigenteile ausbeutet, die in der Regel als Datenbanken anzusehen sein werden, liegt obendrein ein Verstoß gegen § 87b UrhG vor4; der Gesichtspunkt der systematischen und damit nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässigen Ausbeutung fremder Leistung tritt dann nur noch erschwerend hinzu.5
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Dieser Gesichtspunkt kann aber in Fällen an Bedeutung gewinnen, in denen fremd platzierte Anzeigen ohne Täuschung des Rechtsverkehrs übernommen werden, der Tatbestand der Erstveröffentlichung in einem anderen Medium sowie die Unentgeltlichkeit des Nachdrucks mithin dem Publikum offenbart wird. Ein Beispiel hierfür war etwa eine Fachpublikation, die sich speziell mit Fragen der Karriereplanung und den beruflichen Chancen von Hochschulabsolventen befasste und in diesem Rahmen Stellenanzeigen für Führungskräfte, die zuvor in anderen überregionalen Zeitungen erschienen waren, ohne Auftrag der Inserenten zusammenfasste und erneut veröffentlichte. Das bei der Übernahme echter Füllanzeigen in der Regel vorhandene Täuschungselement, das gemäß § 4 Nr. 9 UWG ohne weiteres zur Feststellung der Wettbewerbswidrigkeit führt, fehlte in dieser Konstellation, weil der Tatbestand des unentgeltlichen Nachdrucks und die Quelle deutlich sichtbar offenbart wurde. Statt um Täuschung der werbungtreibenden Wirtschaft und um wohlfeile Seitenfüllung ging es dem Verlag der übernehmenden Zeitschrift um das redaktionelle Anliegen, auf diese Weise stellungsuchenden Lesern einen besonders guten Überblick zu ermöglichen und ihnen den Erwerb mehrerer großer überregionaler Tageszeitungen zu ersparen, in denen derartige Stellen-
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1 BGH AfP 1997, 631 = GRUR 1997, 380 = WRP 1997, 437 – Füllanzeigen. 2 OLG Hamm NJW 1990, 1196; OLG Köln NJW-RR 1987, 622; OLG Stuttgart AfP 2000, 365 – jeweils zu § 3 UWG a.F.; Klein, GRUR 2005, 377, 380 f. 3 BGH AfP 1997, 631 = GRUR 1997, 380 = WRP 1997, 437 – Füllanzeigen. 4 Dazu im Einzelnen Klein, GRUR 2005, 377, 378 f. 5 OLG Hamm GRUR 1979, 312; OLG Köln WRP 1982, 111; OLG München AfP 2001, 301 – Medium-Magazin; Ahrens, in: Handbuch des Wettbewerbsrechts, § 74 Rz. 137 f.; zur Sondersituation der so genannten Offertenblätter vgl. Kübler, AfP 1988, 309.
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§ 3 Tz. 34a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
anzeigen üblicherweise veröffentlicht werden. Dennoch hat die Rechtsprechung auch diese Art der Anzeigenübernahme als wettbewerbswidrig angesehen, weil auch in dieser Konstellation der Gesichtspunkt der systematischen Ausbeutung fremder Leistung überwiegt und das so aufgemachte Anzeigenangebot geeignet ist, Interessenten künftig vom Kauf mehrerer Erstpublikationen abzuhalten und sie dazu zu veranlassen, sich statt dessen das zusammenfassende Anzeigenangebot des übernehmenden Verlages zu beschaffen.1 Die Parallele zum oben erörterten und gleichfalls als wettbewerbswidrig verbotenen Medien-Pressespiegel,2 der sich als Surrogat für den Bezug mehrerer Tageszeitungen anbietet, liegt auf der Hand. 34a
Der Gesichtspunkt der sittenwidrigen Ausbeutung fremder Leistungen als Wettbewerbsverletzung nach § 3 Abs. 1 UWG kommt auch bei der Auswertung von Stellenanzeigen durch professionelle Internet-Recherchedienste zum Tragen. Sie werten etwa die originären Print- bzw. Online-Stellenmärkte in der Regel in zwei Richtungen aus: Zum Einen schaffen sie einen eigenen Marktplatz, auf dem sie selbst Inserenten ansprechen, um auf diese Weise ohne organisatorischen Aufwand einen eigenen Stellenmarkt aufzubauen. Zum Anderen bieten sie den Stellungsuchenden einen Recherchedienst an, ohne dass sie zuvor einen eigenen Stellenmarkt schaffen müssten. Eine solche Ausbeutung insbesondere der Stellenanzeigen ohne Einwilligung der Verlage kann, sofern sie mit dem Ziel der Bildung eines eigenen Marktplatzes erfolgt, das verlagseigene Anzeigengeschäft gefährden.3 Werden derartige Anzeigen aus den Internetangeboten der Tageszeitungen entnommen und aus ihnen vervielfältigt, so stellt das nicht nur den Tatbestand der sittenwidrigen Leistungsübernahme nach § 3 Abs. 1 UWG,4 sondern zusätzlich in der Regel auch eine Verletzung der geschützten Rechte der Verlage an den entsprechenden Dateien im Sinn von § 87b UrhG dar.5 bb) Abkupfern
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Eine Verletzung schon urheberrechtlicher Bestimmungen, jedenfalls aber des Verbots wettbewerbswidriger Übernahme fremder Leistung nach § 3 Abs. 2 UWG kann es schließlich darstellen, wenn ein Verlag Anzeigen, die zunächst anderweitig veröffentlicht worden sind, mit dem Willen des Inserenten in seinem Blatt veröffentlicht und dabei dem zuerst publizierenden Blatt zur Vermeidung eigenen technischen Aufwands Layout und drucktechnische Ausgestaltung im Wege fotomechanischer Wiedergabe entnimmt.6 Gleiches gilt, wenn ein Verlag urheberrechtlich nicht geschützte, aber von der Anzeigenabteilung eines Konkurrenzverlags gestaltete Anzeigentexte mit Willen des _______________
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OLG Köln AfP 1987, 600. Oben Tz. 27. LG Berlin AfP 1996, 405. OLG München AfP 2001, 301 = ZUM 2001, 255. LG München I NJW-RR 1991, 1542 – Rechercheservice; LG Berlin AfP 1996, 405; LG Berlin AfP 1998, 649; LG Köln AfP 1999, 95. 6 OLG Hamm AfP 1988, 66.
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Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen
Tz. 39a § 3
Inserenten und in zeitlichem Zusammenhang mit der Erstveröffentlichung wörtlich nachdruckt.1 3. Vertragsrecht Als dritte Einschränkung des Grundsatzes, dass Nachrichten oder sonstige Informationen für jedermann frei sind und daher von allen Medien übernommen, verarbeitet und veröffentlicht werden dürfen, kommen neben den erörterten urheber- und wettbewerbsrechtlichen auch vertragliche Bindungen in Betracht.
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a) Vertragliche Sperrfristen und Verwendungsbeschränkungen Inhaber von Informationen beliefern die Medien, die von ihnen Informationen, Texte oder Bilder beziehen, nicht selten unter Vereinbarung von Sperrfristen, mit der Auflage also, das betreffende Material nicht vor einem bestimmten Zeitpunkt zu veröffentlichen.
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Derartige Einschränkungen kommen vor allem im Verkehr zwischen Fotografen oder Bildagenturen einer- und den Medien andererseits vor. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass Bilder in aller Regel urheberrechtlich geschützt und schon aus diesem Grunde nicht, wie die Information als solche, zur Veröffentlichung durch alle Medien frei sind. In diesem Bereich sind Sperrfristvereinbarungen regelmäßig rechtlich nicht zu beanstanden.
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Demgegenüber werden Sperrfristvereinbarungen im Zusammenhang mit der Lieferung von Informationen als Einschränkung des Rechts der Medien, Informationen zu verarbeiten und zu verbreiten, nur ausnahmsweise in Betracht kommen. Zwar arbeiten Agenturen auch vor oder bei bestimmten Anlässen gelegentlich mit Sperrfristen. Wo, wie namentlich in der Zusammenarbeit zwischen Medien und Nachrichtenagenturen, die Informationsbeschaffung auf der Basis vertraglicher Beziehungen vonstatten geht, wird der betreffende Vertrag jedoch regelmäßig darauf gerichtet sein, den Medien die frühestmögliche Publikation der gelieferten Nachrichten zu gestatten.
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Häufiger als bei der Belieferung der Medien durch Nachrichtenagenturen kommen vertraglich vereinbarte Sperrfristen für die Veröffentlichung von Informationen allerdings im Rahmen von Individualvereinbarungen vor wie etwa bei der Belieferung einzelner Medien mit Informationen über Insiderwissen, das nach dem Willen des Informanten nicht vor einem bestimmten Stichtag oder Ereignis publik gemacht werden soll, oder der Vorstellung neuer Produkte, die nach dem Willen des betreffenden Unternehmens der interessierten Öffentlichkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt gleichzeitig bekanntgemacht werden sollen. Auch die Verteilung noch nicht gehaltener öffentlicher Reden an die Redaktionen wird häufig mit Sperrfristen verbunden, was seine innere Rechtfertigung in dem legitimen Interesse des Redners findet, den Inhalt seiner Rede nicht vor dem Zeitpunkt der entsprechenden Veranstaltung in der Öffentlichkeit kursieren zu sehen.
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1 OLG Hamm WRP 1994, 46 = NJW-RR 1994, 45.
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§ 3 Tz. 40
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
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Gegen die Wirksamkeit derartiger Sperrfristvereinbarungen und damit die Verpflichtung der Redaktionen, sich daran zu halten, sind prinzipiell rechtliche Bedenken nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere, wenn – wie etwa im Fall der vorab verteilten Rede – sachliche Rechtfertigungsgründe für die Vereinbarung der Sperrfrist bestehen. Bei der Belieferung mit Nachrichten, mithin Material, über das die Medien im Prinzip frei verfügen dürfen, stößt eine Sperrfristvereinbarung jedenfalls durch die Presse aber an standesrechtliche Grenzen. Denn in solchen Fällen wird das Interesse des Lieferanten der Meldung an der Sperrfrist in der Regel dadurch begründet sein, dass er einer anderen Redaktion eine zeitliche Exklusivität eingeräumt hat und Redaktionen durch die Vereinbarung einer derartigen Exklusivität in der Regel gegen Ziffer 1.1 der Richtlinien für die publizistische Arbeit nach den Empfehlungen des Deutschen Presserats1 verstoßen. Dennoch werden die Redaktionen ihren Informanten gegenüber in der Regel an derartige Vereinbarungen rechtlich gebunden sein. Von einer Unwirksamkeit und damit rechtlichen Unverbindlichkeit von Sperrfristvereinbarungen wird man auch in diesem Zusammenhang nur in ganz besonderen Konstellationen ausgehen können.2
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Ähnlich wie Sperrfristvereinbarungen wirken vertragliche Nutzungsrechtsbeschränkungen, wie sie insbesondere vor dem Abschluss von Informationsverträgen vereinbart werden. Informanten, die ihre Informationen nur gegen Honorarzahlung offenbaren wollen, verlangen nicht selten, dass die Redaktionen sich einer strikten Verwendungsbeschränkung unterwerfen, bevor sie ihnen – in der Regel leihweise – Material zur Prüfung der Frage überlassen, ob es für sie von Interesse ist und ob sie folglich zur Zahlung des geforderten Informationshonorars bereit sind. Auch gegen die Rechtswirksamkeit derartiger Vereinbarungen bestehen keine Bedenken. Sie können vielmehr durchaus sachgerecht sein, schützen sie doch die Redaktionen davor, ungeprüftes Material ankaufen zu müssen, und die Informanten vor der Gefahr, dass die Redaktionen das nur leihweise überlassene Material ohne Abschluss der geforderten Honorarvereinbarung mit der Begründung auswerten, es handele sich um inhaltlich nicht geschützte und damit frei verwertbare Informationen.3
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Medien, die gegen vertragliche Sperrfristvereinbarungen oder andere Verwendungsbeschränkungen verstoßen, müssen damit rechnen, dass sie die jeweils vereinbarten Sanktionen auf sich ziehen. Dabei kann es sich um vereinbarte Vertragsstrafen handeln, im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Nachrichtenagenturen und Redaktionen aber unter Umständen auch um die Kündigung langfristiger Nachrichtenlieferungsverträge aus wichtigem Grund.4 Schadenersatzforderungen wegen der Verletzung vertraglicher Sperrfristvereinbarungen scheitern hingegen in der Regel daran, dass dem betreffenden Informanten der Nachweis eines durch die vorzeitige Veröffentlichung verursachten konkreten Schadens nicht möglich sein wird. Ist ein solcher Nachweis im Einzelfall möglich, kommen aber auch Schadenersatzansprüche aus _______________
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Abgedruckt in Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008 S. 148 ff. Dazu Einzelheiten unten § 7 Tz. 54 ff. LG Hamburg NJW-RR 1994, 1012. Prantl, AfP 1982, 204, 206.
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Die Freiheit der Nachricht und ihre Beschränkungen
Tz. 45 § 3
dem rechtlichen Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung in Betracht. Das kann etwa der Fall sein, wenn eine Redaktion den Ankauf des ihr überlassenen Materials ablehnt, der Informant daraufhin mit einer anderen Redaktion einen entsprechenden Vertrag abschließt und diese Veranlassung hat, den Informationsvertrag zu kündigen, nachdem die zuerst angesprochene Redaktion den Kern des in Frage stehenden Materials nach Ablehnung seines Ankaufs abredewidrig veröffentlicht hat.1 b) Einseitige Sperrfristen Verwendungsbeschränkungen wie Sperrfristen setzen stets das Bestehen vertraglicher Beziehungen voraus. Wer nicht Partei eines entsprechenden Liefervertrags und durch ihn zur Einhaltung vereinbarter Sperrfristen verpflichtet ist, braucht sich um solche Fristen nicht zu kümmern, wenn er die entsprechende Information auf anderem Wege erhält. Auch die unaufgeforderte Zusendung von Informationen oder Material mit der Auflage, sie nicht vor einem bestimmten Datum zu verbreiten, führt in aller Regel nicht zur konkludenten Vereinbarung einer Sperrfrist. Mangels besonderer Umstände, die sich etwa aus ständiger Zusammenarbeit und entsprechender vertraglicher Übung zwischen dem Informanten und der in Frage stehenden Redaktion ergeben können, sind Redaktionen rechtlich nicht verpflichtet, derartige einseitige Sperrfristen zu beachten.2 Informanten, die sich auf entsprechende Vorbehalte verlassen, handeln auf eigenes Risiko.
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Nur in Ausnahmefällen kann der Bruch einseitig verhängter Sperrfristen von Wettbewerbern als Verstoß gegen § 3 UWG zivilrechtlich geahndet werden. Das ist der Fall, wenn andere sachliche Gründe für den vorzeitigen Abdruck als die Absicht, sich einen ungerechtfertigten Vorsprung vor den Wettbewerbern zu verschaffen, schlechthin ausscheiden. Das wird man jedoch nur in besonders krassen Fällen feststellen können. So hat etwa das Oberlandesgericht Stuttgart3 die Klage eines Zeitungsverlegers, dessen Redaktion eine einseitig verhängte Sperrfrist beachtet hatte, gegen einen Konkurrenten, der die betreffende Meldung unter Bruch der Sperrfrist vorzeitig veröffentlicht hatte, mit der zutreffenden Begründung abgewiesen, dass die betreffende Redaktion durch die Veröffentlichung nicht zu Zwecken des Wettbewerbs im Sinn des UWG gehandelt habe.
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Rechtlich beachtlich ist die einseitig verhängte Sperrfrist aber, wenn das angebotene Textmaterial urheberrechtlich geschützt ist. Wie die Inhaber der Nutzungsrechte an Lichtbildern4 kann auch der Inhaber der Rechte an Texten das für deren Veröffentlichung erforderliche Nutzungsrecht einseitig unter der Bedingung übertragen, dass es nicht vor einem bestimmten Zeitpunkt ausgeübt werden darf.5
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LG Hamburg NJW-RR 1994, 1012. Prantl, AfP 1982, 204, 206. OLG Stuttgart NJW 1960, 2291. Oben Tz. 37. LG München I GRUR 1989, 504.
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§4 Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche 1
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet neben den Grundrechten der Meinungsäußerungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit auch das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. Dabei handelt es sich nicht um ein medienspezifisches Grundrecht. Es steht allerdings, wie jedermann sonst, auch den Medien zu.1 Allgemein zugängliche Quellen stellen damit das Minimum dessen dar, über das die Medien an Informationsgrundlagen verfügen. Auf sie können sie sich immer stützen, sofern sie bestehende urheberund wettbewerbsrechtliche Schranken2 beachten. Dieses jedermann zustehende Informationsgrundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist jedoch für die Medien nicht ausreichend. Denn Medien, die ihren Adressaten nur Vorbekanntes bieten, wären für ihre Leser, Hörer oder Zuschauer uninteressant. Auch könnten sie der ihnen durch Verfassung und die große Mehrzahl der Landespressegesetze zugewiesenen Aufgabe nicht gerecht werden, Nachrichten zu beschaffen,3 sie also nicht nur zu rezipieren und zu verbreiten. Gerade Nachrichten über Fehlentwicklungen oder Skandale im Bereich staatlichen Handelns und damit Informationen, mit deren Verbreitung die Medien der Wächterrolle gerecht werden, die sie im demokratischen Staat auch wahrzunehmen haben, sind in der Regel nicht allgemein zugänglich, müssen vielmehr erst mit medienspezifischen Mitteln beschafft und ausgewertet werden.
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Die jedermann gewährleistete Informationsfreiheit kann damit gegenständlich und inhaltlich nicht mit dem verfassungsrechtlich gesicherten Informationsanspruch der Medien identisch sein4; dieser muss vielmehr deutlich darüber hinausgehen. Gerade die Beschaffung von Informationen aus solchen Quellen, die nicht allgemein zugänglich sind, ist legitime und unverzichtbare Aufgabe der Medien. Als derartige Informationsquellen kommen staatliche und nichtstaatliche Stellen oder Individuen, kommen Pressekonferenzen und Veranstaltungen, mündliche und schriftliche Auskünfte sowie Dokumente, als Methoden der Informationsbeschaffung kommen direkte und indirekte Kontakte mit den betreffenden Stellen oder Personen, kommen legale, halblegale und gelegentlich auch illegale Wege in Betracht. Gerichte haben nur selten Anlass, sich mit der Recherchetätigkeit der Medien zu beschäftigen und ihr Freiräume oder Grenzen zuzuweisen.5 Und doch sind die Rechtsgrundlagen der Informationsbeschaffung für die Medien von überragender Bedeutung. Wenngleich das Thema mit ihm nicht annähernd erschöpft ist, steht in ihrem Mittelpunkt der in den Landespressegesetzen geregelte Auskunftsanspruch gegenüber staatlichen Stellen. _______________
1 BVerfG AfP 2001, 48 = NJW 2001, 1633 = ZUM 2001, 220 – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen. 2 Oben § 3 Tz. 1 ff. 3 Landespressegesetze § 3; LPG, Bremen § 5; ausgenommen Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. 4 Wasserburg, S. 71. 5 Steffen, AfP 1988, 117.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 4 § 4
1. Auskunftsansprüche gegenüber staatlichen Stellen Nach der hier vertretenen Auffassung1 gewährleistet schon das Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit einen unmittelbar gegen staatliche Stellen gerichteten Informationsanspruch der Medien, der durch den in allen Landespressegesetzen,2 etlichen Landesmedien- und -Rundfunkgesetzen3 sowie seit Inkrafttreten des X. Änderungsvertrags zum Rundfunkstaatsvertrag am 1. September 20084 normierten Auskunftsanspruch konkretisiert wird. Dieser Anspruch stellt zugleich den Mindeststandard an Informationsansprüchen dar, der den Medien auch dann zugestanden werden muss, wenn man den verfassungsunmittelbaren Informationsanspruch nicht anerkennt. Demokratie ohne Transparenz staatlicher Vorgänge, Planungen und Aktivitäten für die Öffentlichkeit ist ebenso wenig denkbar wie diese Transparenz ohne die Mittlerrolle der Medien. Mit dieser Erwägung weist das Bundesverfassungsgericht5 der Presse nicht nur in ständiger Rechtsprechung eine für die freiheitliche Demokratie schlechthin konstitutive Rolle zu, es erkennt vielmehr auch ausdrücklich an, dass eine Information der Bürger über staatliche Belange als Ausfluss des in Art. 20 GG verankerten Demokratieprinzips unverzichtbar ist:
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„Eine verantwortliche Teilhabe der Bürger an der politischen Willensbildung des Volkes setzt voraus, dass der einzelne von den zu entscheidenden Sachfragen, von den durch die verfassten Staatsorgane getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschlägen genügend weiß, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können.“6
Selbst Autoren, die das Grundrecht der Pressefreiheit in traditionellem Verfassungsverständnis ausschließlich als Abwehrrecht gegen den Staat interpretieren und folglich die Existenz eines bereits verfassungsrechtlich begründeten Informationsanspruchs der Medien gegenüber staatlichen Stellen bestreiten, können sich der Erkenntnis nicht verschließen, dass staatliche Öffentlichkeitsarbeit im verfassungsrechtlich fundierten demokratischen Rechtsstaat unverzichtbar ist,7 und zwar über den eingeschränkten Rahmen hinaus, in dem schon der Wortlaut des Grundgesetzes selbst das Öffentlichkeitsprinzip gewährleistet.8 Den Medien steht damit gegenüber staatlichen Stellen ein Rechtsanspruch auf Informationserteilung zu, zu dessen Erfüllung der Staat innerhalb der durch Presse- und Mediengesetze sowie die Rechtsprechung gezogenen Grenzen schon von Verfassungs wegen verpflichtet ist. Die korrekte Erfüllung dieses Informationsanspruchs ist Amtspflicht im Sinn von Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB.9 _______________
1 Einzelheiten oben § 1 Tz. 6 ff. m.N. 2 Jeweils § 4, Hessen § 3, Brandenburg § 5. 3 LMG Baden-Württemberg § 6 Abs. 2; LPG Nordrhein-Westfalen § 26 Abs. 1; Pressegesetz Berlin § 23; LPG Brandenburg § 17; LPG Bremen und Niedersachsen § 25; LPG Schleswig-Holstein § 18; LPG Sachsen-Anhalt § 16; LMG Rheinland-Pfalz § 6; LMG Saarland § 5. 4 § 9a RStV. 5 Z.B. BVerfG NJW 1958, 257 – Lüth; BVerfG NJW 1961, 819 – Schmid/Spiegel. 6 BVerfG = NJW 1977. 751 – Wahlwerbung. 7 Wente, S. 123 m.N. 8 Art. 42 Abs. 1, 44 Abs. 1, 52 Abs. 3 Satz 3 GG. 9 Löffler/Ricker, Kap. 19 Rz. 2 a.E.
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§ 4 Tz. 5 5
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Das mag in der täglichen Zusammenarbeit zwischen Behörden und Medien keine große Bedeutung haben. Die meisten Behörden, denen aufgrund interner Verwaltungsanweisungen die Erfüllung des Informationsanspruchs der Medien übertragen ist, wie etwa das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, die ihm vergleichbaren staatlichen Pressestellen der Landesregierungen oder die Pressesprecher großer Behörden, sind sich nicht nur des Anspruchscharakters der Informationswünsche der Medien, sondern auch der Tatsache bewusst, dass es durchaus im Interesse auch der staatlichen Stellen sein kann und in der Regel sein wird, durch eine offensive Informationspolitik für ein entspanntes Verhältnis zu den Medien zu sorgen und sie auf diese Weise zugleich als Transformator eigener Informations- und Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen. So hat etwa der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg bereits kurz nach Inkrafttreten des Hamburgischen Pressegesetzes im Jahre 1966 noch heute gültige Richtlinien für den Verkehr mit der Presse1 erlassen, in denen es u.a. heißt: „… Die Verwaltung soll aber auch ihrerseits mit der Presse ins Gespräch kommen, um der Bevölkerung die Absichten der Behörden nahezubringen sowie das Verständnis für ihr Handeln zu erwecken und zu verstärken. Auch durch die Weitergabe der ihr von der Verwaltung aus eigener Initiative übermittelten Informationen an die Allgemeinheit mit der Möglichkeit gleichzeitiger kritischer Verarbeitung und Stellungnahme erfüllt die Presse ihre in § 3 des Pressegesetzes anerkannte öffentliche Aufgabe …“
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Entsprechend verfahren wohl die meisten staatlichen Informationsbehörden, indem sie interessierte Journalisten regelmäßig mit schriftlichen Informationen versorgen, ohne dass darum im Einzelfall gesondert nachgesucht werden muss.2 Nach Auskunft der Leitung etwa der Staatlichen Pressestelle in Hamburg als einer speziell auf die Informationsbedürfnisse der Medien ausgerichteten Behörde ist dort auch kein Fall erinnerlich, in dem die seltenen Auseinandersetzungen zwischen Medienvertretern und Behörde über Art und Umfang des Auskunftsanspruchs nicht hätten gütlich beigelegt werden können. Entsprechende Feststellungen werden sich vermutlich für die meisten Verwaltungen des Bundes sowie der Länder und Kommunen treffen lassen; die geringe Anzahl bekannt gewordener gerichtlicher Auseinandersetzungen über die Berechtigung seitens der Medien geltend gemachter Auskunftsansprüche dürfte dies belegen.
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Und dennoch kommt es vor, dass Träger hoheitlicher Gewalt, ja selbst Mitarbeiter staatlicher Pressestellen, gegenüber der Recherchetätigkeit der Medien eine Abwehrhaltung einnehmen und sich des Anspruchscharakters ihrer Informationswünsche nicht hinreichend bewusst sind. Die mit einer Auskunftsverweigerung verbundene ironische Aufforderung an Redakteure des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL: „Na, dann recherchiert mal schön“ durch Beamte der Pressestelle der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung im unmittelbaren Vorfeld der Berichterstattung über die Barschel/Pfeiffer_______________
1 Abgedruckt in: Mitteilungen für die Verwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg, 1966, S. 141 ff. 2 Vgl. etwa Presserichtlinien der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin, NJW 1998, 1376.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 8 § 4
Affäre im September 1987 ist berühmt gewordenes Beispiel und symptomatischer Beleg für diese Feststellung. Gerade Behörden, die nicht regelmäßig mit Auskunftsersuchen der Medien konfrontiert werden und daher nicht über speziell zuständige und entsprechend geschulte Mitarbeiter für deren Erledigung verfügen, pflegen nicht selten eine vergleichbare Haltung einzunehmen. Und immer wieder begegnen die Medien restriktivem Auskunftsverhalten der Behörden dann, wenn diese in der Tat etwas zu verbergen haben, wenn es also um die Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten oder Skandalen geht. Es besteht daher trotz der häufig pragmatisch-konstruktiven Einstellung der Behörden gegenüber dem Auskunftsanspruch der Medien aller Anlass, dessen rechtlichen Gehalt näher auszuleuchten. Daran ändern die in einzelnen Bundesländern sowie im Bund während des letzten Jahrzehnts in Kraft getretenen Informationsfreiheitsgesetze nichts. Denn die Abdeckung der Bundesrepublik Deutschland mit derartigen Gesetzen, die zudem inhaltlich unterschiedlich ausgeformt sind, ist alles andere als lückenlos, und ihr Regelungsbereich deckt sich auch inhaltlich nicht vollständig mit demjenigen des Auskunftsanspruchs in der einheitlich ausgestalteten Regelung durch die Landespresse-, Medien- und -Rundfunkgesetze.1
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a) Die Regelung der Landespressegesetze aa) Auskunftsberechtigte Der Auskunftsanspruch gegenüber staatlichen Stellen steht nach dem Wortlaut der meisten Landespressegesetze den Vertretern der Presse und nach den in Bayern und Hessen geltenden Gesetzesfassungen der Presse schlechthin zu, wobei die bayerische Regelung dies dahingehend präzisiert, dass die Presse das Recht auf Auskunftserteilung nur durch Redakteure oder andere ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen und Zeitschriften ausüben kann.2 Mit Ausnahme dieser in Bayern geltenden Sonderregelung sind die gesetzlichen Formulierungen unscharf, da den staatlichen Stellen als Auskunftssuchende nicht die Presse als Institution gegenübersteht, sondern Unternehmen bzw. Personen, die an der Herstellung von Presse mitwirken.3 Den Rundfunk beziehen nun auch der Rundfunkstaatsvertrag,4 der den Auskunftsanspruch pauschal den Rundfunkveranstaltern zuweist,5 sowie die meisten Landespressegesetze6 durch Verweisungsnormen ausdrücklich in den Kreis der Auskunftsberechtigten ein; Rheinland-Pfalz und das Saarland begründen den Auskunftsanspruch sogar gattungsübergreifend einheitlich für die Medien.7 _______________
1 Dazu oben § 1 Tz. 10b f. 2 § 4 Abs. 1 Satz 2 BayLPG; zur Kritik an der Fassung der übrigen Gesetzestexte Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 33 ff. 3 Vgl. zum Folgenden eingehend Schröer-Schallenberg, S. 40 ff. 4 § 9a RStV. 5 So auch § 6 Abs. 2 LMG Baden-Württemberg. 6 LMG Baden-Württemberg § 6 Abs. 2; LPG Nordrhein-Westfalen § 26 Abs. 1; LPG Berlin § 23; LPG Brandenburg § 17; LPG Bremen und Niedersachsen § 25; LPG Schleswig-Holstein § 18; LPG Sachsen-Anhalt § 16. 7 LMG Rheinland-Pfalz § 6; LMG Saarland § 5.
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§ 4 Tz. 9
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
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Um den Behörden Kriterien dafür an die Hand zu geben, wem gegenüber sie auskunftspflichtig sind, ist eine an Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs orientierte Auslegung des Begriffs Vertreter der Presse geboten. Der Auskunftsanspruch dient, wie oben1 dargelegt, in erster Linie der Ermöglichung und Sicherung der von Verfassungs wegen gebotenen Wahrnehmung einer Kontroll- und Wächterfunktion durch die Medien im demokratischen Staat. Die Landespressegesetze, die der Presse eine öffentliche Aufgabe zuweisen, konkretisieren diese Aufgabe dahin, dass sie die Beschaffung und Verbreitung von Nachrichten ebenso beinhaltet wie die Mitwirkung an der Meinungsbildung und die Verbreitung von Stellungnahmen und Kritik. Damit ist die Auskunftspflicht staatlicher Stellen das Korrelat zu dem Recht und der Verpflichtung der Medien zum Sammeln und Verbreiten von Nachrichten sowie zur Mitwirkung an der öffentlichen und privaten Meinungsbildung. Daraus ergibt sich, dass die Verpflichtung der Behörden zur Erteilung von Auskünften gegenüber allen Mitarbeitern der Medien besteht, die ihrer Funktion nach an der Beschaffung, Verarbeitung und Verbreitung von Nachrichten sowie der geistigen Einflussnahme auf die Meinungsbildung mitwirken.2
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Dies sind die Redaktionen und ihre Mitarbeiter einschließlich freier Journalisten, auch soweit sie nicht ständig, sondern nur gelegentlich für ein bestimmtes Medium tätig sind.3 Dies können auch die Verleger bzw. Rundfunkveranstalter4 selbst oder deren Organe und schließlich, soweit vorhanden, der Herausgeber sein.5 Mitarbeiter von Presseverlagen oder Rundfunkanstalten, die sich ihrer Funktion nach mit der technischen Herstellung oder kaufmännischen Belangen befassen, gehören hingegen nicht zum Kreis der Auskunftsberechtigten. Anderenfalls würde der Kreis der Berechtigten unüberschaubar, und die Behörden, die sich mit Auskunftsersuchen konfrontiert sehen, wären nicht mehr in der Lage zu klären, ob im Einzelfall überhaupt ein berechtigter Mitarbeiter der Medien um die Auskunft nachsucht.6 Soweit sich ein Journalist auch als PR-Berater betätigt und ein von ihm gestelltes Auskunftsersuchen in diesen Bereich seiner Tätigkeit fällt, wird er sich auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch nicht berufen können,7 wohl aber unter Umständen auf ein Informationsfreiheitsgesetz, sofern das Auskunftsersuchen in den Geltungsbereich eines solchen Gesetzes fällt.
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Redakteure und freie Mitarbeiter werden sich, sofern sie den Auskunftspflichtigen nicht bereits bekannt sind, im Zweifelsfall als für die Einholung von Auskünften zuständige Mitarbeiter der Medien ausweisen müssen. Das geschieht in der Regel durch einen Presseausweis, der zwar nicht etwa Voraussetzung für eine journalistische Tätigkeit ist, aber dem Inhaber den Nach_______________
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Tz. 3 ff. So im Ergebnis auch Schröer-Schallenberg, S. 60; VGH Mannheim NJW 1996, 538. Löffler/Ricker, Kap. 19 Rz. 4; VG Hannover AfP 1984, 60. So ausdrücklich § 4 LPG Bayern, § 3 LPG Hessen und § 6 Abs. 2 LMG BadenWürttemberg; VG Berlin AfP 1994, 175; VG Saarland AfP 1997, 837. 5 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 42 f. 6 A.A. Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 44, die auch Verlagspersonal in den Kreis der Auskunftsberechtigten einbeziehen. 7 VG Saarbrücken AfP 2006, 596.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 12 § 4
weis erleichtert, dass er als Pressevertreter tätig ist.1 Für die Ausstellung von Presseausweisen gibt es weder in den Landespresse-, Medien- und Rundfunkgesetzen noch sonstwo eine gesetzliche Grundlage.2 Der Presseausweis wurde in der Vergangenheit auf der Grundlage eines Runderlasses des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen3 und einer Vereinbarung zwischen den Innenministern des Bundes und der Länder einerseits sowie den großen Verleger- und Journalistenverbänden andererseits über seine Gestaltung und die Ausgabevoraussetzungen ausgestellt und durch das zuständige Innenministerium autorisiert. Nachdem aber das Verwaltungsgericht Düsseldorf4 die Beschränkung der Ausstellungskompetenz auf nur wenige eingeführte Verbände als unzulässig angesehen und die Innenministerkonferenz daraufhin am 7. Dezember 2007 beschlossen hat, die staatliche Autorisierung der durch die Verbände ausgestellten Ausweise ab dem Kalenderjahr 2009 einzustellen, sind die Presseausweise nunmehr reine Verbandsdokumente ohne öffentlichen Glauben. Behörden und Gerichte können sie als Nachweise der Berechtigung zur Forderung von Auskünften akzeptieren, sind dazu aber nicht verpflichtet. Im Einzelfall kann und muss daher der Nachweis der Auskunftsberechtigung auch durch ein spezielles Legitimationsschreiben der Redaktion geführt werden, für die der Betreffende tätig ist.5 Presseausweise, die gelegentlich auch von anderen als Medienunternehmen oder -verbänden ausgestellt und dann in der Regel gegen Entgelt abgegeben werden, sind als Legitimation schlechthin unbeachtlich.6 Mitarbeitern von Redaktionen im hier vertreten Sinn steht der Auskunftsanspruch prinzipiell uneingeschränkt zu, ohne dass es darauf ankommen kann, welche politische oder gesellschaftliche Linie sie vertreten oder ob sie den auskunftspflichtigen Stellen aus sonstigen Gründen mehr oder weniger genehm sind. Anderenfalls bestünde für die Behörden de facto die schlechthin unakzeptable Möglichkeit, über die Auswahl derjenigen Redaktionsmitarbeiter, denen sie Auskünfte erteilen, Einfluss auf den Inhalt der Medien zu nehmen.7 Aus demselben Grund wäre auch jede Selektion der Medien durch die auskunftspflichtigen staatlichen Stellen nach Seriosität und Zuverlässigkeit oder etwa ein Ausschluss sogenannter Sensationspresse unzulässig.8 Nach diesen Grundsätzen können auch Verleger oder Redakteure von Anzeigenblät-
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1 VG Düsseldorf AfP 2005, 296 = NJW-RR 2005, 1353; dazu im Einzelnen Degenhart, AfP 2005, 305 ff. 2 Lediglich § 6 Abs. 2 VersammlG setzt die Existenz eines Presseausweises voraus, indem er bestimmt, dass die Pressevertreter sich gegenüber einem Versammlungsleiter durch ihren Presseausweis ordnungsgemäß ausweisen. 3 Runderlass vom 25.11.1993; dazu im Einzelnen Degenhart, AfP 2005, 305 ff. 4 VG Düsseldorf AfP 2005, 296 = NJW-RR 2005, 1353. 5 So ausdrücklich § 4 Abs. 1 LPG Bayern und Berlin; vgl. Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 47 ff. 6 LG Frankfurt/Main v. 24.9.1992 – 2/6 O 561/92, zitiert nach AfP 1993, 61. 7 Vgl. dazu auch unten Tz. 36 ff.; Soehring, AfP 1995, 449 ff. 8 VGH Baden-Württemberg AfP 1989, 589; OVG Bremen NJW 1990, 933 und NJW 1989, 927; VG Saarbrücken AfP 2006, 596; Löffler/Ricker, Kap. 19 Rz. 7; Soehring, AfP 1995, 449 ff.
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§ 4 Tz. 13
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
tern den Auskunftsanspruch geltend machen,1 dies jedenfalls solange und soweit sie für deren redaktionellen Teil recherchieren.2 13
Der Auskunftsanspruch ist auch nicht von der Nationalität des jeweiligen Mediums oder des nachfragenden Redakteurs abhängig, steht vielmehr ausländischen Publikationen und den für sie tätigen Mitarbeitern uneingeschränkt in gleicher Weise zu wie den inländischen Medien.3 bb) Auskunftspflichtige
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Der Auskunftsanspruch richtet sich nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen gegen die Behörden. Dieser Begriff bedarf der Klärung hinsichtlich der inneren Ordnung staatlicher Stellen, also der internen Auskunftskompetenz; zu klären ist ferner, bei welchen staatlichen Stellen es sich um auskunftspflichtige Behörden handelt.
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Fragen der inneren Ordnung der Behörden, also der internen Auskunftskompetenz, bereiten den Angehörigen der Medien gelegentlich Verständnisschwierigkeiten. Es kommt nicht selten vor, dass Redakteure sich an bestimmte Dienststellen und dort an bestimmte Beamte wenden, diese um Auskünfte ersuchen und dann, wenn sie an Vorgesetzte oder andere Stellen verwiesen werden, die Auffassung vertreten, dies sei unzulässig, weil ihnen der Auskunftsanspruch gegenüber allen Behörden und gegebenenfalls gegenüber allen Bediensteten von Behörden zustehe. Dies ist indessen nicht der Fall.
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Im Bereich der inneren Behördenorganisation kollidiert der Auskunftsanspruch der Medien vielmehr mit der grundsätzlichen Verschwiegenheitspflicht der Beamten. Der Gesetzgeber hat diese Kollision selbst gesehen und gelöst, indem er bestimmt,4 dass Auskünfte nicht von jedem Beamten, sondern nur von dem jeweiligen Behördenleiter oder demjenigen erteilt werden dürfen, auf den dieser das Auskunftsrecht delegiert. Der normale Beamte oder Behördenangestellte ist damit nicht nur nicht verpflichtet, er ist vielmehr nicht einmal berechtigt, Auskünfte zu erteilen. Er muss anfragende Redakteure an die innerhalb seiner Behörde oder sonstigen Organisationseinheit zuständige Stelle verweisen. Soweit Behörden Pressestellen eingerichtet haben, dürfen andere Abteilungen die Medien auf sie verweisen. Die Pressestellen genügen ihrer Auskunftspflicht, wenn sie die geforderten Informationen intern beschaffen und den Medien zur Verfügung stellen. Ein direkter Auskunftsanspruch gegenüber dem jeweiligen Sachbearbeiter eines bestimmten Vorgangs oder einer bestimmten Abteilung besteht nicht.
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Auskunftspflichtig sind alle Behörden, gleich ob es sich um solche eines Bundeslands oder einer Kommune handelt. Auch für Bundesbehörden ist die Ver_______________
1 VGH Baden-Württemberg AfP 1992, 95. 2 VG Saarbrücken AfP 2006, 596. 3 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 40; Löffler/Ricker, Kap. 19 Rz. 9; a.A. Rebmann/Ott/ Storz, § 4 LPG Rz. 18. 4 Vgl. § 63 BBG und die entsprechenden Bestimmungen der Landesbeamtengesetze.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 19 § 4
pflichtung zur Auskunftserteilung nach den in den Landespressegesetzen normierten Regeln im Hinblick auf die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Presserecht und die Tatsache anerkannt, dass die Landespressegesetze für die Behörden des Bundes keine Ausnahme von der generellen Auskunftspflicht aller Behörden statuieren.1 Fraglich kann das nur für Bremen sein, dessen Landespressegesetz ausdrücklich nur die „… Behörden des Landes und der Gemeinden sowie die der Aufsicht des Landes unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts …“
zur Auskunft verpflichtet.2 Soweit Bundesbehörden dort tätig werden oder vertreten sind, kann deren Auskunftspflicht daher nicht aus dem Landespressegesetz, wohl aber mit der hier vertretenen Auffassung unmittelbar aus der Gewährleistung der Presse- und Rundfunkfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitet werden.3 Behörden im Sinn der Pressegesetze sind auch Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie die Parlamente und ihre Verwaltungen. Auch sie unterliegen daher der Auskunftspflicht,4 auch sie sind aber berechtigt, die Zuständigkeit für die Auskunftserteilung auf bestimmte Personen oder Dienststellen zu delegieren und damit die Auskunftserteilung organisatorisch zu kanalisieren. Das gilt jedenfalls im Bereich der Justiz auch für die Zusammenarbeit verschiedener Dienststellen wie Gerichte und Staatsanwaltschaften oder die verschiedenen Instanzen.5 So bestehen keine Bedenken gegen die Praxis der Ermittlungsbehörden, den Auskunftsanspruch in der Weise zu kanalisieren, dass in der Regel nur diejenige Dienststelle über die Auskunftserteilung entscheidet, in deren Zuständigkeit sich das betreffende Verfahren jeweils gerade befindet, dass also die Polizeibehörden die Medien etwa nach Abgabe eines Verfahrens an die Staatsanwaltschaft, diese sie nach Erhebung der Anklage an das nunmehr mit der Sache befasste Gericht verweisen und die Auskunft selbst verweigern. Zwar sind prinzipiell alle Behörden zur Auskunftserteilung verpflichtet,6 doch erscheint diese Praxis gerade der Dienststellen im Bereich der Justiz schon deswegen vertretbar, weil der Auskunftsanspruch durch die Verweisung an die jeweils andere, inzwischen zuständig gewordene Dienststelle in der Substanz nicht beeinträchtigt wird.
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Der Auskunftsanspruch kann auch in Fällen geltend gemacht werden, in denen sich das Auskunftsersuchen an staatliche Adressaten in privatrechtlicher Organisationsform wie Theater, Krankenhäuser oder andere Unternehmen der Daseinsvorsorge richtet. Auf sie sind die Bestimmungen der Landes-
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1 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 54; Rebmann/Ott/Storz, § 4 LPG Rz. 6; Löffler/ Ricker, Kap. 19 Rz. 11; eingehend VG Berlin AfP 1994, 175; OVG Berlin VersR 1995, 1217. 2 § 4 Abs. 1Satz 1 LPG Bremen. 3 Oben § 1 Tz. 6 ff. 4 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 56 ff. 5 Vgl. dazu Kramer, AfP 1997, 429 ff.; Presserichtlinien der Senatsverwaltung für Justiz in Berlin, NJW 1998, 1376; Richtlinien für die Zusammenarbeit der hessischen Staatsanwaltschaften mit den Medien, NJW 1996, 979; Presserichtlinien des Sächsischen Justizministeriums, NJW 1995, 2699. 6 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 60; a.A. Rebmann/Ott/Storz, § 4 LPG Rz. 16.
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§ 4 Tz. 19a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
pressegesetze über den Auskunftsanspruch jedenfalls analog anzuwenden,1 wenn man derartige Institutionen der öffentlichen Hand nicht schlechthin als Behörden im Sinn der gesetzlichen Bestimmungen begreift.2 Nach der zutreffenden Auffassung des Bundesgerichtshofs3 ist der Behördenbegriff der Landespresse- und Mediengesetze nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch, sondern funktionell-teleologisch zu begreifen; er erfasst daher auch jedwede privatrechtliche Organisationsform, solange die öffentliche Hand an ihr mehrheitlich beteiligt ist. Es wäre mit der verfassungsrechtlich fundierten und durch die Landespressegesetzgeber ausdrücklich anerkannten Verpflichtung des Staats zur Auskunftserteilung nicht vereinbar, wenn es für die Frage, ob ein Auskunftsanspruch etwa gegenüber einem kommunalen Energieversorgungsträger besteht, darauf ankommen könnte, ob er als Abteilung einer Behörde oder ob er als rechtlich verselbständigte Gesellschaft mit beschränkter Haftung und damit formal als Privatrechtssubjekt betrieben wird. Wo allerdings Unternehmen der Daseinsvorsorge vollständig oder mehrheitlich privatisiert worden sind wie etwa die Deutsche Telekom AG, kommt ein Auskunftsanspruch nicht mehr in Betracht.4 19a
Bei gemischtwirtschaftlichen, aber mehrheitlich durch die öffentliche Hand kontrollierten Gesellschaften kann die Auskunft hingegen auch nicht mit der Begründung verweigert werden, dass die Interessen der privaten Minderheitsgesellschafter von der Auskunftserteilung tangiert würden; deren Interessen haben vielmehr im Hinblick auf die mehrheitliche Beteiligung der öffentlichen Hand zurück zu stehen.5 Die Antwort auf die in der Literatur6 in diesem Zusammenhang kritisch aufgeworfene Frage, aus welchem Grund die Interessen der privaten Minderheitseigner hinter dem Auskunftsanspruch zurück zu stehen haben, ergibt sich aus der schlichten Tatsache, dass die öffentlichrechtlich organisierten Mehrheitsgesellschafter der Auskunftspflicht unterliegen und die privaten Minderheitsgesellschafter sich durch Beitritt in eine öffentlich dominierte Gesellschaft dieser Verpflichtung mit unterwerfen. Daher ist auch die in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung7 nicht zutreffend, die Medien hätten bei einer derartigen Gesellschaft Anspruch nur auf die Beantwortung der Frage nach der Höhe der an die Vertreter der öffentlichen Hand im Aufsichtsrat gezahlten Vergütung, während eine Verpflichtung zur Beantwortung auch der Frage nach der an die privaten Aufsichtsratsmitglieder gezahlten Vergütung nicht bestehe; belastet von der Gesamtheit der gezahlten Aufsichtsratsvergütungen ist in diesem Fall die öffentlichrechtlich dominierte Gesellschaft, und folglich muss sie auch über die _______________
1 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 57; Rebmann/Ott/Storz, § 4 LPG Rz. 9; differenzierend Groß, S. 184; VG Saarbrücken AfP 1997, 837; OVG Saarlouis AfP 1998, 426; VG Hamburg AfP 2009, 296. 2 Wente, S. 143 f. 3 BGH AfP 2005, 279 = NJW 2005, 1720 – presserechtlicher Auskunftsanspruch; OVG Saarlouis AfP 1998, 426; VG München AfP 2006, 292; LG München I AfP 2007, 168 = WRP 2007, 99; dazu Köhler, NJW 2005, 2337. 4 OVG Münster AfP 2008, 656. 5 BGH AfP 2005, 279 = NJW 2005, 1720 – presserechtlicher Auskunftsanspruch. 6 Köhler, NJW 2005, 2337 ff. 7 Köhler, NJW 2005, 2337 ff.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 21 § 4
Gesamtheit dieser Bezüge Auskunft erteilen. Konsequent hat daher das Verwaltungsgericht München1 entschieden, dass eine privatrechtlich verfasste Einrichtung der öffentlichen Hand eine anderweitig geschuldete Auskunft auch nicht unter Berufung auf vertraglich begründete Verschwiegenheitsverpflichtungen verweigern darf. Lange umstritten war die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Presse Auskunftsansprüche gegenüber den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten zustehen, ob es sich bei ihnen also um Behörden im Sinn der Landespressegesetze handelt. Mit der Begründung, dass Ausübung öffentlicher Verwaltung zum Wesen öffentlichrechtlicher Anstalten gehöre und die Rundfunkanstalten dieser hoheitlichen Organisationsform zuzurechnen sind, haben zwei Verwaltungsgerichte2 den Auskunftsanspruch der Presse gegenüber den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten bejaht. Andere Gerichte3 erkennen demgegenüber an, dass die Rundfunkanstalten im Hinblick auf die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unter den sonstigen öffentlichrechtlichen Körperschaften eine Sonderstellung einnehmen und schon ihrer Funktion nach keine hoheitliche Gewalt und keine Verwaltungstätigkeit im eigentlichen Sinn ausüben, und verneinen daher ihre Verpflichtung zur Auskunftserteilung. Diese Streitfrage ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts4 und des Bundesverfassungsgerichts5 dahingehend geklärt worden, dass die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten nicht als Behörden im Sinn der Landespressegesetze gelten; den übrigen Medien steht ein Auskunftsanspruch gegen sie nicht zu.6
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Ungeklärt ist schließlich die Frage einer Auskunftspflicht der Kirchen. Soweit sie privatrechtlich organisiert sind, sind sie schlechthin nicht Adressat des in den Landespressegesetzen normierten Auskunftsanspruchs. Soweit sie hingegen, wie etwa die evangelisch-lutherische oder die katholische Kirche, in der Rechtsform der öffentlichrechtlichen Körperschaft verfasst sind, ergibt sich prinzipiell dieselbe Konstellation wie bei den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten. Der hoheitlichen Organisationsform steht die Tatsache gegenüber, dass auch die Kirchen prinzipiell keine hoheitlichen Aufgaben und Funktionen erfüllen, soweit ihnen nicht in Teilbereichen wie namentlich im Steuerwesen hoheitliche Gewalt ausdrücklich verliehen ist. Richtig ist daher die Auffassung, dass den Medien gegenüber den öffentlichrechtlich verfassten Kirchen ein Auskunftsanspruch nur in den Bereichen zusteht, in denen sie aufgrund verfassungsrechtlicher bzw. gesetzlicher Ermächtigung Hoheitsrechte ausüben können, wie insbesondere im Bereich der Kirchensteuer.7
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1 VG München AfP 2007, 168 = WRP 2007, 99. 2 VG Berlin vom 1.12.1982; VG Köln vom 6.2.1981, jeweils unveröffentlicht; zitiert nach Schröer-Schallenberg, S. 78 Fußn. 250. 3 OVG Münster AfP 1985, 305; VGH Mannheim NJW 1982, 668. 4 BVerwG AfP 1985, 72 = NJW 1985, 1655. 5 BVerfG NJW 1989, 382. 6 Zustimmend Schröer-Schallenberg, S. 79 ff.; Herrmann/Lausen, § 22 Rz. 45; kritisch Kull, AfP 1985, 75; vgl. auch OVG Koblenz AfP 1995, 705. 7 Einzelheiten bei Schröer-Schallenberg, S. 85 f.
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§ 4 Tz. 22
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
cc) Inhalt und Schranken des Auskunftsanspruchs 22
Nach der Mehrheit der einschlägigen Bestimmungen sind die Behörden verpflichtet, den Medien die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.1 Einschränkend formuliert das Bremer Landespressegesetz,2 wonach die Presse einen Auskunftsanspruch in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse hat, während wieder andere Regelungen großzügiger sind und der Presse ein Recht auf Auskunft3 bzw. einen Anspruch auf die gewünschten Auskünfte4 zuerkennen. In keinem der einschlägigen Gesetze wird der Gegenstand des Auskunftsanspruchs über die zitierten Generalklauseln hinaus positiv definiert. Soweit die Mehrheit der Regelungen den Auskunftsanspruch mit der öffentlichen Aufgabe der Presse verknüpft, ergibt sich allein daraus keine inhaltliche Beschränkung des im Ausgangspunkt sachlich uneingeschränkten Informationsrechts, soweit die Medien publizistische Interessen verfolgen. Diese Regelungen ermöglichen es den um Auskunft ersuchten Behörden bei Fehlen spezialgesetzlicher Auskunftsverweigerungsrechte allerdings zu prüfen, ob unter Umständen ein legitimes öffentliches Interesse an dem Gegenstand der Auskunft schlechthin fehlt.5 Denn da der Anspruch dazu bestimmt ist, den Medien die Erfüllung ihres Informationsauftrags zu ermöglichen, setzt er jedenfalls voraus, dass eine anfragende Redaktion mit dem Auskunftsersuchen überhaupt ein publizistisches Ziel verfolgt. Eine Auskunftspflicht besteht daher nicht, wenn ein Verlag sich um Informationen bemüht, die er nicht publizistisch auswerten, sondern kommerziell nutzen will. Mit dieser Begründung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof6 eine Klage abgewiesen, mit der ein Verlag sich um die Herausgabe von Daten der Versicherten eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bemühte, um diese Daten anschließend für eigene Werbeaktivitäten zu nutzen.
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Soweit der Auskunftsanspruch besteht, wird er in der Regel durch die Beantwortung spezifisch gestellter Fragen zu erfüllen sein. Er kann sich aber im Einzelfall zu einem Anspruch auf Akteneinsicht verdichten, wenn aufgrund der Komplexität der Materie nur auf diese Weise vollständige und wahrheitsgemäße Sachverhaltskenntnis vermittelt werden kann,7 wie dies etwa bei der Beantwortung nach dem Inhalt eines Gutachtens der Fall ist, das eine Kommunalverwaltung in Auftrag gegeben und aus öffentlichen Mitteln bezahlt hat.8 Im räumlichen und sachlichen Geltungsbereich der Informationsfrei_______________
1 LMG Baden-Württemberg § 4 Abs. 1; LPG Brandenburg § 5 Abs. 1; LPG Berlin § 4 Abs. 1 (sinngemäß); LPG Hamburg § 4 Abs. 1; LPG Mecklenburg-Vorpommern § 4 Abs. 2; LPG Niedersachsen § 4 Abs. 1; LPG Nordrhein-Westfalen § 4 Abs. 1; LMG Rheinland-Pfalz § 6 Abs. 1; LMG Saarland § 5 Abs. 1; LPG Sachsen § 4 Abs. 1; LPG Sachsen-Anhalt § 4 Abs. 1 (sinngemäß); LPG Schleswig-Holstein § 4 Abs. 1; LPG Thüringen § 4 Abs. 1. 2 LPG Bremen§ 4 Abs. 1. 3 LPG Bayern § 4 Abs. 1 Satz 1. 4 LPG Hessen § 3 Abs. 1 Satz 1. 5 Köhler, NJW 2005, 2337 ff. 6 BayVGH AfP 2009, 183. 7 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 84. 8 VG Cottbus AfP 2002, 360.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 24a § 4
heitsgesetze ist die Akteneinsicht demgegenüber die Regel, bedarf das Ersuchen um sie also keiner besonderen Rechtfertigung. Auch den Medien können Auskunftsansprüche gegenüber den Trägern staatlicher Gewalt aber nicht ohne Einschränkungen zustehen. Folglich definieren alle Landespressegesetze die Grenzen für die Geltendmachung dieses Anspruchs. So schränkt etwa § 4 Abs. 2 des Nordrhein-Westfälischen Landespressegesetzes den Auskunftsanspruch wie folgt ein:1
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„Ein Anspruch auf Auskunft besteht nicht, soweit 1. durch sie die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte oder 2. Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder 3. ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder 4. deren Umfang das zumutbare Maß überschreitet.“
Lediglich das Bayerische Landespressegesetz ist auch in diesem Punkt großzügiger, indem es eine Auskunftsverweigerung nur für den Fall vorsieht, dass „… aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Bestimmungen eine Verschwiegenheitspflicht besteht.“2
Schon aus diesen in nahezu allen einschlägigen Gesetzen ausdrücklich vorgesehenen Einschränkungen wird deutlich: Das Recht der Medien auf Informationserteilung wird häufig mit Belangen Anderer kollidieren. Diese sind ihrerseits teilweise, wie der Informationsanspruch selbst, verfassungsrechtlich fundiert. Das gilt etwa für die schutzwürdigen privaten Interessen als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das seinerseits als Konkretisierung der Gewährleistung der Menschenwürde und der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG angesehen wird.3 Wo eine solche verfassungsrechtliche Fundierung fehlt, sind die dem Auskunftsanspruch entgegenstehenden Belange Dritter von den Gesetzgebern in Ausübung ihrer generellen Befugnis definiert, die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG durch einfaches Gesetz einzuschränken.4
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Wie in anderen Bereichen des Medienrechts auch, muss damit bei der Bestimmung der konkreten Tragweite des Auskunftsanspruchs im Einzelfall eine Abwägung widerstreitender Interessen, mithin eine Güterabwägung vorgenommen werden.5 Diese Güterabwägung ist jedenfalls insoweit, als nicht absolute Schranken des Auskunftsanspruchs wie die Beachtung gesetzlicher Geheimhaltungsvorschriften in Betracht kommen, schon durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze legitimiert, die die Rechtsprechung von Bundesverfas-
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1 Ähnlich, wenn auch in Nuancen unterschiedlich, alle anderen Landespressegesetze bis auf Bayern. 2 LPG Bayern § 4 Abs. 2 Satz 2. 3 Einzelheiten zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht unten § 12 Tz. 50 ff.; § 19 Tz. 1 ff. 4 Art. 5 Abs. 2 Satz 1 GG. 5 Löffler/Ricker, Kap. 20 Rz. 10; OLG Schleswig AfP 1985, 46 ff.; Wente, S. 33 ff.; Steffen, AfP 1988, 117.
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§ 4 Tz. 25
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
sungsgericht und Bundesgerichtshof zum Spannungsfeld der Grundrechte aus Art. 5 GG einerseits und derjenigen aus Art. 1 und 2 GG andererseits entwickelt hat.1 Da dies so ist, ist es in der Praxis auch nur von geringer Bedeutung, dass der Wortlaut der Landespressegesetze die Schranken des Auskunftsanspruchs im Detail unterschiedlich definiert.2 Abzuwägen sind danach generell das jeweils konkret in Frage stehende Informationsinteresse der Öffentlichkeit nach Aktualität und Intensität einerseits und das Gewicht derjenigen öffentlichen oder schutzwürdigen privaten Belange, die der Auskunftserteilung ganz oder teilweise entgegenstehen könnten, andererseits.3 25
Das danach für die Bestimmung der Tragweite des Auskunftsanspruchs maßgebliche öffentliche Informationsinteresse seinerseits ist anhand des Gegenstands des Auskunftsersuchens und damit der beabsichtigten Berichterstattung zu bestimmen. Es steht niemals in Frage, wo es um politische Aktivitäten des Staates, der Länder oder Kommunen geht.4 Angelegenheiten aus dem politischen Bereich im weitesten Sinn sind stets Gegenstand eines legitimen öffentlichen Informationsinteresses, und der rechtliche Spielraum der Behörden zur Verweigerung von Auskünften ist entsprechend eng. So war etwa die Bundestagsverwaltung verpflichtet, der Presse Auskunft zu erteilen über die Rückzahlungen, die Bundestagsabgeordnete für den Einsatz dienstlich erworbener Lufthansa-Bonusmeilen an den Deutschen Bundestag geleistet haben.5 Eine Auskunft darf in diesem Bereich in der Regel nur verweigert werden, wo ihre Erteilung mit zwingenden materiellen Geheimhaltungsvorschriften6 kollidieren oder wegen relativer Belanglosigkeit des Vorgangs und des mit der Auskunftserteilung verbundenen Aufwands unzumutbar sein würde. Geht es etwa um die Aufdeckung eines Korruptionsfalls im politischen Bereich, dann kann die Erwägung, dass dessen publizistische Verbreitung die Ehre des Verantwortlichen in Mitleidenschaft ziehen könnte, keinen Gesichtspunkt darstellen, der als schutzwürdiges privates Interesse des Betroffenen zur Begründung einer Auskunftsverweigerung herangezogen werden kann. Eine den Auskunftsanspruch beschränkende Rechtspflicht der Medien zur Schonung derjenigen, die für Missstände im öffentlichen Leben verantwortlich sind, gibt es schlechthin nicht.7
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Ein öffentliches Informationsinteresse besteht in der Regel aber auch an Angelegenheiten aus den Bereichen der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kultur. Nur fällt der Abwägungsvorgang in diesen Bereichen meist differenzierter aus als im politischen Bereich, weil etwa mit behördlicher Preisgabe von Details über die Verhältnisse von privaten Wirtschaftsunternehmen viel eher eine Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften als absoluter Schranke _______________
1 Dazu im Einzelnen unten § 12 Tz. 50 ff. 2 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 91. 3 Einzelheiten unten Tz. 41 ff.; zahlreiche Beispiele aus der Rechtsprechung bei Wente, S. 35 Fußn. 77 ff. 4 Wente, S. 34. 5 VG Berlin AfP 2008, 110 = ZUM 2008, 353 auf der Basis des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes; der Anspruch war aber auch gemäß § 4 LPG Berlin begründet. 6 Dazu unten Tz. 46 m.N. 7 Steffen, AfP 1988, 117 ff.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 29 § 4
des Auskunftsanspruchs oder von schutzwürdigen Belangen des Betroffenen verbunden sein kann. In diesem Bereich müssen die um Auskunft ersuchten Behörden daher in den Abwägungsvorgang auch die Frage einbeziehen, ob und inwieweit die tatsächlichen Komplexe, um deren Aufklärung es den Medien in ihrer Fragestellung geht, jedenfalls eine Rückwirkung auf Belange der Öffentlichkeit haben können. Das wird beispielshalber bei der vermuteten Beteiligung eines Unternehmens an illegalem Waffenhandel oder an Drogengeschäften oder bei der vermuteten Gesundheitsschädlichkeit bestimmter Produkte regelmäßig der Fall sein,1 während die Öffentlichkeit von der Frage, ob ein Unternehmer bei einer Trunkenheitsfahrt ertappt worden ist, in der Regel nicht oder nicht wesentlich tangiert ist. In einem solchen Fall schlägt daher das Interesse des Einzelnen, mit seinen persönlichen Belangen nicht an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, im Rahmen der Abwägung sehr viel stärker zu Buche als in den zuvor genannten Beispielsfällen. Allerdings können auch Angelegenheiten ohne direkte Öffentlichkeitsrelevanz Gegenstand eines berechtigten Interesses einer breiten Öffentlichkeit sein, selbst wenn sie nur der Unterhaltung oder Erbauung des Publikums dienen.2 Auch auf sie kann sich daher ein berechtigtes Informationsersuchen der Medien beziehen; das Gewicht widerstreitender Interessen, die die auskunftspflichtigen Behörden bei der Entscheidung über die Auskunftserteilung und gegebenenfalls den Umfang der Auskunft zu berücksichtigen haben, wird in diesem Bereich jedoch regelmäßig besonders groß sein.
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In die zur Bestimmung des konkreten Umfangs des Auskunftsanspruchs gebotene Güterabwägung sind demnach einerseits das öffentliche Informationsinteresse und andererseits insbesondere die Belange der betroffenen privaten Personen oder Institutionen einzubeziehen. Dabei haben die privaten Belange, deren Berücksichtigung der Auskunftserteilung im Einzelfall entgegenstehen können, in den letzten Jahren durch die Bestimmungen der Datenschutzgesetze, vor allem aber durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an Gewicht gewonnen und damit im Ergebnis den Spielraum der Behörden zur Verweigerung von Informationen womöglich ungewollt erweitert. Allerdings begründen die Bestimmungen der Datenschutzgesetze keine unmittelbare Einschränkung des gesetzlichen Auskunftsanspruchs der Medien, da die Verpflichtung der Behörden zur Erfüllung dieses Auskunftsanspruchs zu ihren gesetzlichen Aufgaben gehört und insoweit des gesetzliche Verbot der Weitergabe von Daten nicht gilt.3
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Mittelbar hat jedoch der Aspekt der Schutzwürdigkeit privater Daten und sonstiger Informationen gegen die Preisgabe durch Behörden spätestens durch das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts4 erheblich an Gewicht gewonnen, in dem das Gericht aus dem Zusammenwirken datenschutzrechtlicher Gesichtspunkte mit dem bereits zuvor mit Verfassungsrang ausgestat-
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1 Wente, S. 35 m.N. 2 Löffler/Burkhardt, § 3 LPG Rz. 34 f. 3 § 14 Abs. 2 Nr. 1 BDSG; a.A. OVG Münster AfP 2009, 295; zu § 11 BDSG a.F. vgl. Wente, S. 153 f. 4 BVerfG NJW 1984, 419 – Volkszählungsgesetz.
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§ 4 Tz. 30
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
teten Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung entwickelt hat. Danach ist es dem Einzelnen vorbehalten, „… grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden …“1
Dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung gilt zwar seinerseits nicht schrankenlos; die Bestimmungen der Landespressegesetze über den Auskunftsanspruch der Medien schränken es nach wie vor ein. Der Gesichtspunkt der schutzwürdigen Belange Privater, der von den Behörden in die Entscheidung über die Auskunftserteilung und gegebenenfalls den Umfang der Auskunft einzubeziehen ist, hat jedoch durch das Volkszählungsurteil im Rahmen der Abwägungsproblematik als Rechtfertigung einer Auskunftsverweigerung deutlich an Gewicht gewonnen.2 30
Das gilt insbesondere für personenbezogene Daten, die nicht in Dateien im Sinn der Datenschutzgesetze, sondern in staatlichen Archiven gespeichert sind; insoweit fehlt es in der Regel an der gesetzlichen Grundlage der Speicherung, deren es nach der Schaffung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch das Bundesverfassungsgericht prinzipiell bedarf. Die Weitergabe solcher personenbezogenen Daten bzw. die Gewährung von Einsicht in derartige Archivmaterialien werden die Medien in der Regel dennoch nicht unter Berufung auf den gesetzlichen Auskunftsanspruch verlangen können, weil ihr in diesen Fällen höherrangige Prinzipien des Verfassungsrechts entgegen stehen können. So ist es etwa gerechtfertigt, wenn das Bundesarchiv die Einsicht in Urkunden über dienstliche und private Verhältnisse von Kriegsteilnehmern unter Hinweis auf seine Benutzungsordnung versagt, die vorsieht, dass personenbezogene Materialien in der Regel erst 30 Jahre nach dem Tod des Betroffenen freigegeben werden.3 dd) Neutralität
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In ihrer Öffentlichkeitsarbeit und damit in Erfüllung ihrer Auskunftspflicht haben die Behörden strikte Neutralität walten zu lassen.4 Das gilt unter zweierlei Aspekten und ergibt sich, soweit nicht in den Landespressegesetzen ausdrücklich bestimmt, zum Einen aus der verfassungsrechtlichen Legitimation des Auskunftsanspruchs der Medien5 und zum Anderen aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
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Ausdrücklich ordnen die Landespressegesetze Neutralität nur in zeitlicher Hinsicht an, wenn sie bestimmen:6 _______________
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BVerfG NJW 1984, 419 – Volkszählungsgesetz. Wente, S. 131 ff. OVG Koblenz NJW 1984, 1135. BVerfG NJW 1987, 827; OVG Bremen NJW 1990, 933; Löffler/Ricker, Kap. 21 Rz. 1 ff.; hierzu auch Soehring, AfP 1995, 449 ff.; BVerwG NJW 1997, 2694 = ZUM 1998, 78. 5 Dazu oben § 1 Tz. 6 ff. 6 § 4 Abs. 4 LPG Nordrhein-Westfalen; ähnlich die übrigen Landespressegesetze bis auf Bayern.
60
Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 34 § 4
„Der Verleger einer Zeitung oder Zeitschrift kann von den Behörden verlangen, dass ihm deren amtliche Bekanntmachungen nicht später als seinen Mitbewerbern zur Verwendung zugeleitet werden.“
Die praktische Relevanz dieser Bestimmung ist im Zeitalter elektronischer Kommunikation vermutlich nur noch gering, wenngleich die öffentliche Verwaltung sich nicht in jedem Fall nach ihr richtet und dazu im Einzelfall gerichtlich angehalten werden muss.1 Es handelt sich um eine gesetzgeberische Konkretisierung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, die sich auf offizielle Verlautbarungen der Behörden beschränkt,2 also auf Fälle aktiver Informationspolitik in Gestalt amtlicher Mitteilungen. Ihr Regelungsgehalt gilt damit nur einem engen Teilbereich staatlicher Informationspolitik. Die Vorschrift betrifft ihrem Wortlaut nach nicht den eigentlichen Auskunftsanspruch, den die Medien in eigener Initiative geltend machen und mit dem sie ihrerseits erst aktive Recherche betreiben können.
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Allerdings ist es mit dem Sinn dieser gesetzlichen Regelung ebenso wenig vereinbar wie mit allgemein gültigen verfassungsrechtlichen Prinzipien, wenn eine Gemeinde es ablehnt, nicht amtliche Mitteilungen und Nachrichten, die sie einzelnen Redaktionen zur Verfügung stellt, auch deren Mitbewerbern zu überlassen, weil der Wortlaut des Gesetzes sich nur auf amtliche Mitteilungen beziehe.3 Auf derselben Linie liegt es, wenn eine Gemeinde dem Verleger eines örtlich verbreiteten Anzeigenblatts als Gegenleistung für die regelmäßige Verbreitung der Gemeindenachrichten einen Vertriebskostenzuschuss bezahlt, den ein Wettbewerber von ihr nicht erhält. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt4 ist eine derartige Subvention nicht nur dann rechtswidrig, wenn es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt, verstößt eine derartige Bevorzugung eines Verlages durch die öffentliche Hand vielmehr auch dann gegen das Neutralitätsgebot, wenn sie auf einer gemeindlichen Satzung beruht.5 Unzulässig ist es daher auch, wenn eine Kommune einen Verleger damit beauftragt, ein kommunales Informations- und Anzeigenblatt zu produzieren und zu verbreiten, das sich – wie private Anzeigenblätter auch – überwiegend aus dem Anzeigenaufkommen finanziert, hinsichtlich dessen die Kommune dem Verleger aber die Übernahme einer etwa entstehenden Unterdeckung zusagt.6
33a
Tatsächlich ist denn auch die Bestimmung der Landespressegesetze über die Neutralitätspflicht der Behörden nur eine Konkretisierung verfassungsrechtlicher Grundsätze, denen das Postulat strikter Neutralität bereits unmittelbar zu entnehmen ist. Schon der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es staatlichen Stellen, bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Inhalt oder Umfang zu erteilender Informationen zwischen einzelnen Presse-
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_______________
1 VGH Baden-Württemberg AfP 1992, 95; BVerwG AfP 1992, 402. 2 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 129 ff.; BVerwG NJW 1997 2694 = ZUM 1998, 78; VG Sigmaringen AfP 1998, 429. 3 So aber VGH Baden-Württemberg AfP 1992, 95. 4 OLG Frankfurt/Main AfP 1993, 493 = WRP 1993, 403. 5 Dazu Soehring, AfP 1995, 449 ff. 6 A.A. OLG Naumburg WRP 1995, 61.
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§ 4 Tz. 34a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
verlagen oder sonstigen Medien zu differenzieren.1 Schon er verbietet daher ein differenzierendes Informationsverhalten von Behörden durch selektive Verteilung von Informationsmaterial2 oder eine gezielte finanzielle Förderung eines von mehreren konkurrierenden Verlagen.3 Gleichermaßen ist es staatlichen Stellen untersagt, zwischen einzelnen auskunftssuchenden Redakteuren zu differenzieren und sich auf diesem Wege – gleichgültig ob gezielt oder nur als Nebeneffekt – Einfluss auf die Berichterstattung der Medien zu verschaffen.4 Umgekehrt ist es den Behörden unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht verwehrt, im Zuge der Umstellung ihres Informationssystems auf elektronische Datenübertragung die Belieferung eines einzelnen Journalisten per Telefax einzustellen, selbst wenn er in der Vergangenheit so beliefert wurde und die Fortsetzung dieser Praxis wünscht.5 34a
Differenzierung kann insbesondere auch nicht mit angeblicher Effektivität oder Ineffektivität bzw. Seriosität oder Unseriosität bzw. einer Unterscheidung nach dem wissenschaftlichen Niveau der Medien gerechtfertigt werden, die im Einzelfall um eine Auskunft nachsuchen.6 Mit Recht ist daher auch die damalige Praxis des Berliner Senats für verfassungswidrig gehalten worden, Kosten der Begleitung von Regierungsdelegationen auf Auslandsreisen durch Journalisten zu übernehmen oder in sonstiger Weise Einfluss auf die Auswahl der begleitenden und dann auch berichtenden Journalisten zu nehmen.7
35
Die Erwägung etwa, dass eine bestimmte Zeitung im Ruf unseriöser, überzogener Berichterstattung steht und die sachgerechte, seriöse Verarbeitung und Verbreitung ihr erteilter Auskünfte nicht zu gewährleisten scheint, scheidet daher als Rechtfertigung einer Auskunftsverweigerung oder sonstigen Benachteiligung bei der Auskunftserteilung schlechthin aus. Mit Recht hat denn auch das Verwaltungsgericht Berlin8 die Entscheidung der dortigen Polizeibehörden für unzulässig erklärt, Redakteure einer als links geltenden Tageszeitung von Pressegesprächen auszuschließen, die Repräsentanten aller übrigen in Berlin tätigen Redaktionen offenstanden. Ebenso unzulässig war die Versagung des Zutritts zur Teilnahme an der Einweihung der neuen Bayerischen Staatskanzlei und einem aus diesem Anlass veranstalteten Pressegespräch durch die Bayerische Staatsregierung gegenüber einem Journalisten mit der Begründung, der Betroffene habe in der Vergangenheit kritische Berichte über den Neubau geschrieben und sei daher auf eine erneute Besichtigung nicht mehr angewiesen.9 Ließe man derartige Differenzierungen zu, so liefe das auf die Gewährung von Einfluss für staatliche Stellen auf den Inhalt _______________
1 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 129 ff.; Löffler/Ricker, Kap. 21 Rz. 2; Soehring, AfP 1995, 449 ff.; VG Bremen NJW 1997, 2696; BVerwG NJW 1997, 2694 = ZUM 1998, 78. 2 VGH Baden-Württemberg AfP 1992, 95; KG AfP 1998, 630 = NJW 1998, 3573. 3 OLG Frankfurt/Main 1993, 493 = WRP 1993, 403; OLG Naumburg WRP 1995, 61. 4 VG München AfP 1993, 609 = NJW 1994, 1976; OVG Münster NJW 1996, 2882. 5 VG Minden NJW 2001, 315. 6 BVerwG NJW 1997, 2694 = ZUM 1998, 78; anders noch BVerwG NJW 1993, 675. 7 VG Berlin AfP 1996, 97 = NJW 1996, 410. 8 VG Berlin AfP 1985, 77. 9 VG München AfP 1993, 609 = NJW 1994, 1976.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 37 § 4
von Publikationen oder deren tendenzielle Grundlinie und damit auf eine klare Verletzung des Grundrechts der Pressefreiheit hinaus.1 Daher ist es auch unzulässig, wenn eine Kreisverwaltung, die ortsansässigen Journalisten regelmäßig von sich aus Pressemitteilungen zustellt, einen bestimmten ebenfalls ortsansässigen Journalisten entgegen dessen ausdrücklichem Antrag von der Verteilung ausschließt und dies mit dem Argument begründet, eine Analyse seiner Veröffentlichungen über einen längeren Zeitraum habe ergeben, dass er sich nur zu einem geringen Teil und auch nur auf einem eingeschränkten Sachgebiet mit lokalen Themen befasse.2 Nach den Landespressegesetzen besteht kein Rechtsanspruch auf regelmäßige Verteilung von Pressemitteilungen durch staatliche Stellen; wird ein entsprechender Verteildienst eingerichtet, müssen die betreffenden Behörden aber auch insoweit strikte Neutralität walten lassen. Mit Recht unumstritten wird demgegenüber heute von einer Rechtspflicht der Gerichtsverwaltungen zur Überlassung gerichtlicher Entscheidungen an die Medien zum Zweck der Publikation ausgegangen. Sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, stellt eine verfassungsunmittelbare Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt dar, die alle Entscheidungen umfasst, an denen ein öffentliches Interesse besteht.3 Die Tatsache, dass die in den meisten Fällen gebotene Anonymisierung der Beteiligten an den jeweiligen Verfahren mit Aufwand verbunden ist, rechtfertigt es nicht, die Übersendung einer von den Medien angeforderten Entscheidung zu verweigern.4
35a
Staatliche Behörden sind unter keinen Umständen dazu berufen, Medien zu zensieren und zu kategorisieren; dieses im Grundgesetz ausdrücklich verankerte Prinzip5 darf auch nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass Behörden über die Gewährung oder Nichtgewährung von Auskünften Einfluss auf den Inhalt von Publikationen zu nehmen suchen. Die Verantwortung für Art und Inhalt der Weiterverbreitung der erhaltenen Auskünfte liegt ausschließlich bei den Medien selbst.
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Ebenso wenig können mittelbare oder gar unmittelbare finanzielle Interessen der für die Information der Medien verantwortlichen Behördenbediensteten eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen auskunftssuchenden Medien rechtfertigen. So ist es unzulässig, wenn die für die Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen zuständige Kommission eines Gerichts und die mit ihr zusammenarbeitende Gerichtsverwaltung Entscheidungen nur an die Redaktion einer Fachzeitschrift abgeben, deren nebenamtliche Mitarbeiter Mitglieder des Gerichts sind, und dem Ersuchen anderer interessierter Fachverlage um Überlassung derselben zur Veröffentlichung geeigneten Entscheidungen
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1 BVerfG AfP 1979, 301 = NJW 1979, 1400 – Kölner Volksblatt; VG Berlin AfP 1985, 77; vgl. auch Soehring, AfP 1995, 449 ff. 2 A.A. VGH Baden-Württemberg AfP 1989, 587. 3 BVerwG NJW 1997, 2694 = ZUM 1998, 78; OVG Münster NJW 1997, 144; OLG Celle AfP 1990, 306 = NJW 1990, 2570; OVG Lüneburg AfP 1996, 301 = NJW 1996, 1489; Soehring, AfP 1995, 449 ff. 4 LG Berlin AfP 2002, 61= NJW 2002, 838. 5 Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG.
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§ 4 Tz. 38
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
mit dem Hinweis auf die langjährige anderweitige Veröffentlichungspraxis begegnen. Werden gerichtliche Entscheidungen oder sonstige schriftliche Informationen überhaupt zur Veröffentlichung abgegeben, so ist die betreffende Dienststelle verpflichtet, auf Verlangen auch anderen informationswilligen Fachverlagen dieselben Entscheidungen zukommen zu lassen, die sie dem primär begünstigten Verlag anbietet.1 38
Hingegen ist es in anderen Bereichen der Informationsvermittlung an die Medien nicht schlechthin ausgeschlossen, wenn Behörden nach rein sachlichen Gesichtspunkten differenzieren wie etwa der Aufnahmekapazität bestimmter Säle2 oder durch Forderung einer bestimmten Sachkunde für spezielle Informationsveranstaltungen.3 ee) Zumutbarkeit
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Die Mehrheit der Landespressegesetze schränkt den Auskunftsanspruch ferner für den Fall ein, dass der Umfang der geforderten Auskunft das zumutbare Maß überschreitet,4 während eine Reihe weiterer Länder5 diese Einschränkung nicht ausdrücklich vorsieht. Bei ihr handelt es sich aber um nichts anders als eine Ausprägung des in unserer Rechtsordnung generell geltenden Verbots des Rechtsmissbrauchs, so dass sich in den Fällen, in denen dies überhaupt in Betracht kommt, die Behörden auch der Länder auf sie berufen können, die eine entsprechende ausdrückliche Regelung nicht vorsehen. Sie soll einer Störung der Behörden durch übertriebene oder schikanöse Auskunftsersuchen vorbeugen6 und stellt damit keinen zusätzlichen materiellen Verweigerungsgrund dar. Nur wenn sie in diesem Sinn als Konkretisierung des Verbots rechtsmissbräuchlichen Verhaltens verstanden und in der Anwendung auf Extremfälle beschränkt wird, ist die Vorschrift im Hinblick darauf, dass der Informationsanspruch der Medien seinerseits verfassungsrechtlich legitimiert ist, verfassungskonform.7 Vor allem aber begründet diese Bestimmung nicht das Recht, die Beantwortung von Fragen zu bestimmten Sachverhaltskomplexen generell zu verweigern, rechtfertigt sie vielmehr – ihrem Wortlaut entsprechend – die Verweigerung nur insoweit, als eben durch den Umfang des Ersuchens das Maß des Zumutbaren überschritten wird.
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1 BVerwG NJW 1997, 2694 = ZUM 1998, 78; OVG Bremen NJW 1989, 926; VG Hannover AfP 1994, 82 = NJW 1993, 3282; ähnlich OLG Celle AfP 1990, 306 = NJW 1990, 2570; anders noch BVerwG AfP 1994, 74 = NJW 1993, 675; OVG Lüneburg AfP 1996, 301 = NJW 1996, 1489; Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 140; zum Ganzen Soehring, AfP 1995, 449 ff. 2 Dazu auch unten § 6 Tz. 14 ff. 3 Löffler/Ricker, Kap. 21 Rz. 2. 4 Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, jeweils § 4 Abs. 2 Ziff. 4; Mecklenburg-Vorpommern § 4 Abs. 3 Ziff. 4; Brandenburg, Saarland jeweils § 5 Abs. 2 Ziff. 4; Rheinland-Pfalz § 6 Abs. 2 Ziff. 4. 5 Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg und Thüringen. 6 Schröer-Schallenberg, S. 130; Löffler/Ricker, Kap. 20 Rz. 12. 7 Löffler/Ricker, Kap. 20 Rz. 13.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 42 § 4
ff) Beschränkung auf Tatsachen Der durch die Landespressegesetze gewährleistete Informationsanspruch der Medien ist auf die Erteilung von Auskünften über Tatsachen gerichtet, die zu einem bestimmten Komplex bei den jeweiligen Behörden bekannt sind oder ermittelt werden können. Kein Anspruch besteht hingegen darauf, dass die Behörden bestimmte tatsächliche Vorgänge bewerten oder sonstwie kommentieren1 oder nicht realisierte, noch nicht verbindlich gewordene Planungen, Ideen oder Vorhaben mitteilen.2 Daraus folgt ohne Weiteres, dass aus dem gesetzlichen Auskunftsanspruch auch kein Anspruch der Medien darauf abgeleitet werden kann, von Behördenleitern oder bestimmten Politikern Interviews zu erhalten.3 In der Entscheidung darüber, ob und welchen Medien Interviews gewährt werden, sind die Behörden und ihre Leiter vielmehr frei. Hingegen kann sich der Auskunftsanspruch in bestimmten Fällen auf einen Anspruch auf Einsicht in Akten oder Dokumente verdichten.4
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b) Abwägungskriterien Sind damit Umfang und Schranken des Auskunftsanspruchs im Grundsätzlichen einigermaßen klar bestimmt, so ergibt sich in der Praxis der Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und Redaktionen eine Fülle von spezifischen Konstellationen, in denen tatsächlich oder vermeintlich berechtigte Informationsinteressen der Öffentlichkeit, denen die Medien durch die Realisierung ihres Auskunftsanspruchs und darauf aufbauende Berichterstattung gerecht werden wollen, mit entgegenstehenden Belangen der auskunftspflichtigen Stellen selbst oder vor allem Dritter kollidieren. Derartige Kollisionen müssen jeweils unter Beachtung der in den Landespressegesetzen normierten Abwägungskriterien und des grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Stellenwerts sowohl des Auskunftsanspruchs als auch der ihm im Einzelfall entgegenstehenden Belange gelöst werden.
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aa) Geheimhaltungsbedürfnisse Dabei sollte es geradezu selbstverständlich sein, dass eigene Geheimhaltungsinteressen der auskunftspflichtigen Behörden die Zurückhaltung von Informationen niemals rechtfertigen können, sofern nicht gesetzliche Geheimhaltungsbestimmungen hinzutreten.5 Zutreffend heißt es daher etwa in den bereits erwähnten Richtlinien des Hamburger Senats für den Verkehr mit der Presse: „In aller Regel sind Auskünfte auch dann zu erteilen, wenn es sich um die Aufdeckung etwaiger der Verwaltung unterlaufener Fehler oder die Erörterung von Missständen im Bereich des öffentlichen Lebens handelt. Der Bericht und die kritische Stellungnahme auch in solchen Fällen gehört in besonderem Maße zu der vom Pressegesetz anerkannten öffentlichen Aufgabe der Presse.“ _______________
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OVG Münster AfP 1996, 299 = NJW 1995, 2741; Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 85. OVG Saarlouis AfP 2008, 653 = NJW 2008, 777. Löffler/Ricker, Kap. 21 Rz. 2. VG Cottbus AfP 2002, 360; oben Tz. 22. Dazu unten Tz. 44 ff.
65
42
§ 4 Tz. 43 43
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Nimmt man den Satz ernst, dass eine ungehinderte freie Presse einschließlich ihrer Kontrollfunktion für die freiheitliche Demokratie unverzichtbar ist, so kann dies nicht anders sein. Alle Missstände im eigenen Bereich der Träger hoheitlicher Gewalt, und wenn sie sich auch nur im Stadium der Untersuchung befinden, wie etwa Fragen der Parteienfinanzierung1 oder der Verwendung gemeindlichen Eigentums,2 sind damit Gegenstand des berechtigten Informationsinteresses der Medien. Gleiches gilt prinzipiell für den militärischen Bereich wie etwa Fragen der Verteidigungskonzeption, der Schlagkraft der Streitkräfte oder der richtigen Verwendung der für militärische Zwecke bereitgestellten Haushaltsmittel.3 Eine Auskunftsverweigerung mit dem Ziel, Missstände zu verschleiern oder eine Aufklärung zu verzögern, widerspräche der klaren Rechtslage. bb) Gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften
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Ein Musterbeispiel wirklicher Kollision widerstreitender Interessen, das im Einzelfall erhebliche praktische Bedeutung für die Tätigkeit der Medien erlangen kann, stellt der in den Landespressegesetzen ausdrücklich geregelte Fall der Verletzung gesetzlicher Geheimhaltungsvorschriften dar. Welche Normen Geheimhaltungsvorschriften in diesem Sinn darstellen, ist im Einzelnen umstritten. Drei Gruppen von Bestimmungen kommen insoweit insbesondere in Betracht. Es kann sich zum einen um interne Verwaltungsvorschriften handeln, die die Mitarbeiter von Behörden generell oder für den Einzelfall zur Verschwiegenheit verpflichten, zum anderen um gesetzliche Verschwiegenheitspflichten und schließlich um Bestimmungen, die die Behörden und ihre Bediensteten materiell zu Geheimhaltung verpflichten.
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Interne Einzelweisungen an Beamte, über bestimmte Vorgänge Verschwiegenheit zu bewahren, befreien die Behörde als solche von der Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht, auch wenn sie gegenüber den angewiesenen Beamten wirksam sein mögen. Sie sind als Schranke des Auskunftsanspruchs ebenso ungeeignet wie allgemeine Verwaltungsvorschriften, die bestimmte Bereiche hoheitlicher Tätigkeit generell der Auskunftspflicht zu entziehen suchen, sofern für sie keine gesetzliche Grundlage existiert.4 Derartige Weisungen oder Normen binden stets nur den oder die individuellen Mitarbeiter, an die sie sich wenden, nicht aber die Verwaltung als solche. Wäre dies anders und hätte es damit die staatliche Verwaltung selbst oder ihre Spitze in der Hand, durch interne Anordnungen Verschwiegenheitspflichten im Sinn der Landespressegesetze zu begründen, dann bestünde die akute Gefahr der Aushöhlung des Auskunftsanspruchs durch derartige Einzelweisungen. Sie können mithin niemals gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften im Sinn der Landespressegesetze darstellen. _______________
1 2 3 4
OLG Hamm AfP 1981, 285 ff. LG Frankfurt/Main AfP 1979, 245. BVerfG NJW 1961, 1603 – Spiegel-Urteil. OVG Münster AfP 2009, 295; Schröer-Schallenberg, S. 119 ff.; Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 105.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 46b § 4
Als Geheimhaltungsvorschriften kommen vielmehr nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes im Verordnungswege erlassene Bestimmungen in Betracht.1 Jedoch handelt es sich auch bei solchen Gesetzen im formellen Sinn keineswegs immer um Einschränkungen des Auskunftsanspruchs im Sinn des gesetzlichen Tatbestands. Denn formelle Geheimhaltungsvorschriften wenden sich in der Regel an den einzelnen Amtsträger, dessen Loyalität und Verschwiegenheit gegenüber dem Staat als seinem Dienstgeber sie sichern sollen, während der Auskunftsanspruch der Medien ja nicht gegenüber einzelnen Beamten, sondern immer nur gegenüber den Behörden als solchen besteht.2
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Jedem Amtsträger sind durch die unterschiedlichsten Gesetze wie die Beamtengesetze,3 das Strafgesetzbuch4 oder die Datenschutzgesetze5 umfassende Geheimhaltungsverpflichtungen auferlegt, die er persönlich bei Vermeidung der vom Gesetzgeber dafür bestimmten Sanktion zu beachten hat. Auch diese Normen haben jedoch nur den Zweck, die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Informationswege durch ihre Adressaten zu sichern.6 Nur darum geht es ihnen, nicht aber um die Beschränkung des Auskunftsanspruchs der Medien, und folglich kann aus ihnen auch keine materielle Beschränkung dieses Anspruchs hergeleitet werden. So kann etwa die durch § 353b StGB mit Strafandrohung sanktionierte Geheimhaltungsverpflichtung der Beamten im Einzelfall allein auf einer entsprechenden Anordnung des Vorgesetzten beruhen, ohne dass ein Tatbestand materiellen Geheimhaltungsbedürfnisses vorliegt.7
46a
Das gilt entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster8 auch für den Bundesdatenschutzbeauftragten, da anderenfalls die gesamte Tätigkeit seiner Behörde ohne Einschränkung der Kontrolle durch die Medien entzogen wäre. Auch dem Verwaltungsgericht München9 kann nicht gefolgt werden, das dem entscheidenden Unterschied zwischen der Sicherung staatlich festgelegter Informationswege im Sinn der jeweils ad personam definierten Verschwiegenheitspflichten und materiellen Geheimhaltungsinteressen des Staates nicht Rechnung trägt. Das gilt auch für Bayern, wie sich aus der gebotenen verfassungskonformen Auslegung von § 4 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Landespressegesetzes ergibt; wenn das Verwaltungsgericht Münster10 dem Wortlaut der Bayerischen Kodifizierung des Auskunftsanspruchs demgegenüber die Ermächtigung des Landesgesetzgebers entnimmt, ganze Themenbereiche undifferenziert und ohne Ausnahme dem Informationsanspruch der Medien und damit der Öffentlichkeit vorzuenthalten, so trägt das dem verfassungsrecht-
46b
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1 Löffler/Ricker, Kap. 20 Rz. 7; Rebmann/Ott/Storz, § 4 LPG Rz. 28; Wente, S. 148; Schröer-Schallenberg, S. 122. 2 So im Ergebnis OVG Münster AfP 2004, 475 = NJW 2005, 618. 3 Vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 61 BBG. 4 Vgl. §§ 353b, 354, 355 StGB; dazu unten § 7 Tz. 6 ff. 5 Vgl. § 41 BDSG. 6 Wente, S. 149. 7 Fischer, § 353b StGB Rz. 7. 8 OVG Münster AfP 2009, 295. 9 VG München AfP 2006, 292, 296. 10 VG München AfP 2006, 292, 296.
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§ 4 Tz. 47
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
lichen Stellenwert dieses Informationsrechts keinesfalls Rechnung; erforderlich ist vielmehr eine Abwägung im Einzelfall.1 Die Geheimhaltungspflicht trifft nur den oder die betreffenden Beamten ad personam und besagt noch nichts darüber, ob der gesetzliche Anspruch der Medien auf Erteilung der im Einzelfall geforderten Information ausgeschlossen ist.2 47
Eine Ausnahme von dem damit geltenden Grundsatz, dass formelle Geheimhaltungsbedürfnisse allein die Auskunftsverweigerung nicht rechtfertigen, bilden allerdings diejenigen Verfahrensvorschriften, die die Vertraulichkeit geheimer Beratung gewährleisten sollen, darunter insbesondere die Bestimmung des § 43 DRiG über das Beratungsgeheimnis aus richterlicher Tätigkeit.3
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Geheimhaltungsvorschriften im hier erörterten Sinn können – abgesehen von diesen Sonderfällen – nur solche gesetzlichen Bestimmungen sein, die als materielle Geheimhaltungsbestimmungen jedenfalls auch die Behörden als solche zu ihren Adressaten haben, deren Sinn mithin nicht oder nicht nur die Einhaltung formeller Geheimhaltungsbedürfnisse oder Informationswege, sondern der Schutz materieller Geheimhaltungsbedürfnisse – seien es solche des Staates oder solche Privater – ist; nur sie schränken über den Kreis der Beamten hinaus die Behörden als solche in ihrem Recht und ihrer Pflicht ein, Informationen zu erteilen, und nur sie kommen daher als Einschränkung des Anspruchs der Medien in Betracht, von den Behörden die geforderten Auskünfte zu erhalten.4 Nur die Weitergabe solcher Informationen, deren Preisgabe durch gesetzliche Bestimmungen den Behörden als solche schlechthin untersagt ist, kann auch presserechtlich unter Berufung auf den Auskunftsanspruch nicht gefordert werden.5
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Zu den Geheimhaltungsvorschriften in diesem Sinn gehören zunächst die strafrechtlichen Bestimmungen über den Landesverrat. Was materiell als Staatsgeheimnis im Sinn von § 93 StGB definiert ist, darf der Öffentlichkeit nicht, auch nicht über den Auskunftsanspruch der Medien, mitgeteilt werden.6 Die formelle Bezeichnung eines Vorgangs als geheimhaltungsbedürftig allein stellt hingegen seit der Neufassung der strafrechtlichen Vorschriften über den Landesverrat nur noch ein Kriterium der Strafbarkeit der Veröffentlichung dar, das zusätzlich zum Vorliegen des materiellen Geheimnisbegriffes erfüllt sein muss,7 um Fälle insbesondere des publizistischen Geheimnisverrats von denjenigen des eigentlichen Landesverrats abzugrenzen.8 Die _______________
1 OVG Münster AfP 2004, 475 = NJW 2005, 618. 2 OVG Münster AfP 2004, 475 = NJW 2005, 618; OLG Schleswig AfP 1985, 46, 48 = NJW 1985, 1090, 1092. 3 Vgl. auch Anlage 3 zu § 17 GeschäftsO des Deutschen Bundestags; § 30 VwVfG des Bundes; § 9 KWG; weitere Beispiele bei Löffler/Ricker, Kap. 20 Rz. 7 ff.; Löffler/ Burkhardt, § 4 LPG Rz. 100 ff. 4 Rebmann/Ott/Storz, § 4 LPG Rz. 29; Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 100; Löffler/ Ricker, Kap. 20 Rz. 8b; OLG Schleswig AfP 1985, 46, 48 = NJW 1985, 1090, 1092; OVG Münster AfP 2004, 475 = NJW 2005, 618; Wente, S. 148. 5 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 89 ff. 6 Vgl. dazu etwa Fischer, § 93StGB Rz. 2 ff. 7 Fischer, § 95 StGB Rz. 2. 8 Fischer, § 95 StGB Rz. 1; dazu unten § 12 Tz. 31 ff.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 52 § 4
formelle Geheimhaltungsanordnung allein kann daher, wenn es nicht um Staatsgeheimnisse im materiellen Sinn geht, auch keine Rechtfertigung für eine generelle Auskunftsverweigerung sein. cc) Steuergeheimnis Eine besonders bedeutsame und zugleich komplexe Rolle bei der Eingrenzung des Auskunftsanspruchs der Medien spielt die prinzipiell als materielle Geheimhaltungsvorschrift ausgelegte Bestimmung des § 30 AO. Das dort geregelte Steuergeheimnis hat als Gegenstück zu den durch die Abgabenordnung angeordneten weitgehenden Auskunfts- und Offenbarungspflichten der Steuerpflichtigen, aber auch Dritter, in unserer Rechtsordnung eine zentrale Funktion. Es stellt daher, soweit es um materiell-steuerrechtliche Fragen, aber natürlich auch die Höhe der Einkünfte und Steuern einzelner Steuerpflichtiger geht, eine absolute Schranke des Auskunftsanspruchs dar.1 Über derartige Belange dürfen die Finanzämter auch den Medien schlechthin keine Auskunft geben, und ein Verstoß gegen dieses Verbot ist nicht nur strafbar, kann vielmehr seinerseits eine Amtspflichtsverletzung darstellen, die die betreffende Behörde zur Leistung von Schadenersatz gegenüber dem Steuerpflichtigen verpflichten kann. Das gilt auch für Auskünfte über den Gegenstand finanzgerichtlicher Verfahren.
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Keine absolute Auskunftsschranke stellt jedoch das Steuergeheimnis im Rahmen von Steuerstrafverfahren dar. Für sie gilt, wie prinzipiell für alle Strafverfahren, das Öffentlichkeitsprinzip des § 169 GVG, und für sie gilt daher auch der Satz, dass die gerichtliche Tätigkeit sich als Teil staatlichen Handelns im Prinzip der kritischen Beobachtung durch die Medien und daraus resultierender Berichterstattung in gleicher Weise stellen muss wie anderes staatliches Handeln auch.2 Daraus folgt, dass Auskünfte über anhängige oder bevorstehende Steuerstrafverfahren auch unter Berufung auf das Steuergeheimnis nicht schlechthin verweigert werden dürfen. Die zuständigen Behörden wie Polizei, Steuerfahndung oder Staatsanwaltschaften dürfen zwar im Ermittlungsstadium grundsätzlich Auskünfte über von ihnen vermutete oder verfolgte Steuerverfehlungen nicht unter Nennung des Namens der Betroffenen erteilen oder gar die Summe angeblich hinterzogener Steuern offenbaren; dem steht § 30 AO im Regelfall entgegen. Sie sind jedoch verpflichtet, Anfragen nach dem Termin bevorstehender Hauptverhandlungen oder nach dem Tenor ergangener gerichtlicher Entscheidungen zu beantworten.3
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Über dieses Minimum hinaus kann eine Durchbrechung des Steuergeheimnisses aus Anlass anhängiger Ermittlungs-, Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn an einer Information der Öffentlichkeit ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Das ist nach der Definition des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO insbesondere der Fall bei sogenannten Kapitalverbrechen und Wirtschaftsstraftaten, die wegen ihrer Aus-
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1 OLG Hamm AfP 1981, 285; Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 102; Felix, NJW 1978, 2134; Löffler/Ricker, Kap. 20 Rz. 8a. 2 Einzelheiten unten § 6 Tz. 4 ff. 3 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 102 f.; Löffler/Ricker, Kap. 20 Rz. 8a.
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§ 4 Tz. 52a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
wirkungen geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit in die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden empfindlich zu stören. Diese strengen Voraussetzungen liegen nur selten vor. Nur in ganz außerordentlich gravierenden Fällen ist daher für den Bereich der Strafrechtspflege vor dem Zeitpunkt der öffentlichen Hauptverhandlung das Steuergeheimnis gelockert. 52a
Das ist etwa in einem Parteispendenfall noch während des Ermittlungsverfahrens angenommen worden, soweit es um den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens, den bisherigen Stand der Ermittlungen sowie die Umschreibung der Funktion der Beschuldigten in der Öffentlichkeit, nicht aber um die Aufdeckung der Identität der Beschuldigten ging.1 Als Ausnahmekonstellation im Sinn von § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO haben die Ermittlungsbehörden etwa im Jahr 2007 mit Recht die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutsche Post AG und Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutsche Telekom AG, Klaus Zumwinkel, angesehen und folglich die Öffentlichkeit nicht nur über die Einleitung des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens, sondern auch über die vermutete Höhe der hinterzogenen Steuern unterrichtet. Zu denken ist in diesem Zusammenhang ferner an Fälle steuerstrafrechtlicher Verstrickungen von Inhabern von und Bewerbern um öffentliche Ämter, Fälle der organisierten Kriminalität wie insbesondere Geldwäsche oder vergleichbare Konstellationen. dd) Straf-, Ermittlungs- und Verwaltungsverfahren
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In der täglichen Praxis bewähren muss sich der Auskunftsanspruch der Medien und dessen sachgerechte Handhabung durch die zuständigen staatlichen Stellen insbesondere in Straf- und Ermittlungsverfahren sowie im Rahmen spektakulärer Verwaltungsverfahren. Hier ist das Konfliktpotential zwischen dem Informationsbedürfnis der Medien und dem Anliegen der Betroffenen, mit ihren Verfahren nicht vor die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, besonders groß – einem Anliegen, dem die Ermittlungsbehörden und Gerichte im Rahmen ihrer Informationstätigkeit Rechnung zu tragen haben. Für Auskünfte, die von anderen öffentlichen Stellen als der ermittelnden Behörde oder auch sonstigen Privaten verlangt werden können, tragen §§ 474 ff. StPO dem detailliert Rechnung. Für die Auskunftsersuchen der Medien enthalten diese Bestimmungen mangels Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers aber keine Regelungen.
53a
Doch stehen Rechtspflege und Verwaltungshandeln nicht ohne Grund im Mittelpunkt des Informationsinteresses der Medien und der Öffentlichkeit. Sie sind wesentlicher Teil der staatlichen Gewalt. Geheimprozesse sind Markenzeichen eines jeden totalitären Regimes und mit den Gegebenheiten eines demokratischen Rechtsstaat schlechthin nicht zu vereinbaren. Zur Rechtspflege gehören auch nicht nur die Rechtsprechung staatlicher Gerichte, son_______________
1 OLG Hamm AfP 1981, 285; zustimmend Wente, S. 157; Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 102; Löffler/Ricker, § 20 Rz. 8a.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 55 § 4
dern auch die Tätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaften, aber auch die Durchsetzung von staatlichen Vorgaben und Entscheidungen etwa im Bereich des Bau- oder Umweltschutzrechts durch die zuständigen Verwaltungsbehörden. Alle diese Ausprägungen hoheitlichen Handelns unterliegen in prinzipiell gleicher Weise der kritischen Beobachtung durch die Medien wie andere Bereiche staatlichen Handelns auch. Und in allen diesen Fällen richtet sich der Auskunftsanspruch nach den für alle hoheitliche Tätigkeit geltenden Bestimmungen der anwendbaren medienrechtlichen Normen wie der Landespresse-, Medien- oder Rundfunkgesetze oder den einschlägigen Staatsverträgen. Was für den Auskunftsanspruch generell gilt, muss auch im vorliegenden Zusammenhang gelten: Die Frage nach der Tragweite des Informationsanspruchs ist unabhängig davon zu beantworten, ob und in welcher Weise die Medien die geforderte Information der Öffentlichkeit tatsächlich zugänglich machen dürften. Die Verantwortung für Art und Umfang einer veröffentlichten Information trägt allein das jeweilige Medium, und die auskunftspflichtigen staatlichen Stellen sind prinzipiell nicht dazu berufen, ihr Ermessen hinsichtlich einer dem Gegenstand angemessenen Berichterstattung an die Stelle desjenigen der Medien zu setzen. Die Medien brauchen im Vorfeld der Berichterstattung mehr „Bewegungsfreiheit“ als bei der späteren Veröffentlichung,1 und daran muss sich auch die Handhabung von Auskunftsersuchen in Ermittlungs-, Straf- und Verwaltungsverfahren orientieren. Es ist daher auch im Zusammenhang mit justizförmigen Verfahren nicht zulässig, die Entscheidung über einen Auskunftsanspruch von einer behördlichen Prognose darüber abhängig zu machen, ob die Verwendung der erbetenen Auskunft in der Medienberichterstattung ihrerseits in geschützte Rechte der Betroffenen und insbesondere ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreifen wird.2 Hieraus ist zu folgern:
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Auch die Tätigkeit der Gerichte sowie der Ermittlungs- und Verwaltungsbehörden ist Gegenstand eines berechtigten Informationsinteresses der Medien und damit legitimer Gegenstand eines Auskunftsanspruchs.3 Die zuständigen staatlichen Stellen haben zwar in jedem Stadium des Verfahrens die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK zu beachten, die in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht ist.4 Sie dürfen damit auch im Rahmen der Erfüllung ihrer Auskunftspflichten den Medien gegenüber Verdächtige nicht als überführt oder, in entsprechender Anwendung dieses Gedankens, Sachverhalte nicht als feststehend darstellen, die sich erst im Ermittlungsstadium befinden. Verstoßen sie gegen diesen Grundsatz, setzen sich auch Behörden Ansprüchen der vom Verstoß Betroffenen aus.5 So war es beispielsweise im Fall Birkel unzulässig, den noch nicht verifizierten Ver-
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Steffen, AfP 1988, 117, 118. VG Berlin AfP 2000, 594. BVerwGE 35, 225 = NJW 1970, 1760; OVG Lüneburg NJW 1991, 445. BGBl. II 1952, 685. BGH NJW 1955, 97; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1184; OLG Hamburg NJW 1980, 842 – Lottoskandal; OLG Hamm NJW 1993, 1209 = GRUR 1993, 154; Wasmuth, NJW 1988, 1705; Fehn/Horst, AfP 2007, 13 ff.
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§ 4 Tz. 56
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
dacht einer Verseuchung bestimmter Lebensmittel dieses Herstellers durch Behördeninformationen in einer Weise zu verbreiten, dass die Medien und die von ihnen informierte Öffentlichkeit ihn ernst nehmen mussten.1 Und im Fall Mannesmann verstieß die Staatsanwaltschaft gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens, indem sie in einer Presseverlautbarung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Verantwortliche des Mannesmann-Konzerns nach dessen Übernahme durch den britischen Konkurrenten Vodafone bekannt gab, gegen den vormaligen Vorstandsvorsitzenden Klaus Esser werde auch wegen eines vermuteten erkauften Sinneswandels und des daraus abgeleiteten Verdachts der Untreue ermittelt.2 Durch die Verlautbarung ungerechtfertigter Vorverurteilungen wie im Fall Birkel oder haltloser Verdächtigungen, für die es keine belastbaren Anhaltspunkte gibt, wie im Fall Klaus Esser verletzen die Ermittlungsbehörden ihrerseits das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen. Sie haben mithin die Obliegenheit, nicht nur zu prüfen, ob sie überhaupt Verlautbarungen über anhängige Ermittlungsverfahren herausgeben oder Auskünfte dazu erteilen, sondern auch, mit welchem Inhalt das geschieht. Verletzen sie diesen Grundsatz, werden die Medien ihrerseits genau prüfen müssen, ob und mit welchem Tenor sie den Inhalt derartiger Verlautbarungen ihrerseits veröffentlichen. Die Tatsache allein, dass zur Zeit erst ein Verdacht besteht,3 rechtfertigt aber keine generelle Auskunftsverweigerung gegenüber den nachforschenden Medien. 56
Eine prinzipielle Auskunftsverweigerung ist vielmehr auch im Hinblick auf anhängige Strafverfahren nur dort zulässig, wo spezielle materielle Geheimhaltungsvorschriften eingreifen. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit berechtigtermaßen von einer Verhandlung ausgeschlossen wird4 und aus diesem Grund gemäß § 353d Nr. 1 StGB i.V.m. § 174 Abs. 2 GVG ein absolutes Veröffentlichungsverbot besteht. Gleiches gilt, wenn die Medien vor öffentlicher Verhandlung der entsprechenden Fälle die Herausgabe von Abschriften von Anklageschriften oder sonstigen Teilen der Ermittlungsakten bzw. deren wörtliche Mitteilung verlangen, nachdem das Bundesverfassungsgericht5 trotz heftiger Kritik an der Verfassungsmäßigkeit und dem Sinn dieser Vorschrift6 § 353d Nr. 3 StGB für verfassungsgemäß erklärt hat. Dürfen die Medien aus derartigen Materialien schlechthin nicht wörtlich zitieren, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind, dann wird man ihnen auch keinen durchsetzbaren Anspruch darauf geben können, sie selbst einzusehen oder Abschriften daraus zu erhalten. Darauf beschränkt sich aber bereits die Tragweite dieser Schranke des Auskunftsanspruchs. _______________
1 OLG Stuttgart AfP 1990, 145; vgl. auch OLG Karlsruhe AfP 1993, 586 = NJW-RR 1993, 723. 2 OLG Düsseldorf AfP 2005, 375 = NJW 2005, 1791 – Mannesmann; dazu BeckerToussaint, NJW 2004, 414 ff. 3 Dazu unten § 16 Tz. 23 f. 4 Dazu Fischer, § 353d StGB Rz. 2. 5 BVerfG AfP 1986, 35 = NJW 1986, 1239. 6 Vgl. Schuppert, AfP 1984, 67 ff. m.N.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 59 § 4
Denn die Vorschrift des § 353d Nr. 3 StGB stellt keine Rechtfertigung dafür dar, dass Ermittlungsbehörden die Erteilung einer Auskunft inhaltlich verweigern. Das ergibt sich schon daraus, dass sie den Medien nicht verbietet, sinngemäß über den Inhalt der entsprechenden Materialien zu berichten.1 Auch sind Bestimmungen der Beamtengesetze über die Geheimhaltung von Personalakten und die Verschwiegenheitspflicht derjenigen, die mit der Bearbeitung solcher Akten befasst sind,2 keine Geheimhaltungsbestimmungen, die eine Auskunftsverweigerung per se rechtfertigen könnten. So ist es den Behörden auch nicht schlechthin verboten, den Medien Auskunft über ein Disziplinarverfahren zu erteilen; sie haben die Entscheidung über die Auskunftserteilung vielmehr im Wege einer an den konkreten Umständen des Einzelfalls orientierten Güterabwägung zu treffen.3
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Außer den durch spezielle gesetzliche Tatbestände geregelten Schranken kommen als Einschränkung des Auskunftsanspruchs betreffend Straf- und Ermittlungsverfahren lediglich die allgemeinen Bestimmungen der Landespressegesetze in Betracht. Dazu gehören die schon erwähnten Bestimmungen über die Beachtung schutzwürdiger privater Belange4 ebenso wie die in den meisten Landespressegesetzen enthaltene Bestimmung, dass eine Auskunft verweigert werden darf, wenn durch sie
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„… die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte“.5
Diese Bestimmung wird allerdings angesichts ihres sehr weitgehenden Wortlauts nur bei restriktiver, verfassungskonformer Interpretation dem verfassungsrechtlich fundierten Informationsanspruch der Medien gerecht. Nur bei konkreter Gefahr der Vereitelung oder einer wesentlichen Erschwerung der Ermittlungen können die zuständigen Stellen sich zur Begründung einer Auskunftsverweigerung im Einzelfall auf sie berufen.6 Der Gesichtspunkt der Erschwerung oder Vereitelung des Ermittlungszwecks kommt als Rechtfertigung der Auskunftsverweigerung vor allem in Fällen der so genannten Informationssperre in Betracht. Wird etwa in Entführungsfällen durch die Täter die Forderung erhoben, die Polizei nicht zu verständigen, und geschieht dies doch, so könnte die Bekanntgabe des Falls durch die Polizeibehörde an die Medien zu einer unmittelbaren Gefährdung des Lebens des Opfers führen, und diese Konstellation kann die in derlei Fällen verhängte Informationssperre auch gegenüber dem Informationsanspruch der Medien rechtfertigen.7 In diesen Fällen können sich die Behörden in der Regel außerdem auf überwiegende schutzwürdige Interessen Privater berufen. _______________
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BVerfG AfP 1986, 35 = NJW 1986, 1239; Einzelheiten unten § 12 Tz. 79 ff. Dazu BVerwG NJW 1987, 1657; BVerwG NJW 1987, 1214. OVG Lüneburg NJW 1991, 445. Einzelheiten unten Tz. 72 ff. So § 4 Abs. 2 Nr. 1 LPG Nordrhein-Westfalen; ähnlich die übrigen Landespressegesetze bis auf Bayern, das diese Regelung nicht kennt, sowie Hamburg und Hessen mit eingeschränkten Regelungen. 6 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 97. 7 Vgl. hierzu im Einzelnen Starck, AfP 1978, 171 ff.; Jarass, AfP 1979, 228 ff.
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§ 4 Tz. 59a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
59a
Eine derart begründete Nachrichtensperre ist jedoch nur zulässig, wenn schwerwiegende Gründe für sie sprechen.1 Und eine Notsituation der dargestellten Art kann eine Auskunftssperre nur so lange rechtfertigen, wie die Notsituation als solche andauert. Der nachträgliche Informationsanspruch der Medien wird durch im Einzelfall anerkennenswerte höherwertige Belange, die seine Beschränkung zeitweilig rechtfertigen können, nicht beeinträchtigt. Stattdessen werden die Medien nach derartigen Fällen ein legitimes Interesse daran geltend machen können, ihrer Kontrollfunktion durch besonders intensive Recherchen und kritische Fragen an die zuständigen Behörden gerecht zu werden, und der Auskunftsanspruch ist auch in diesen Fällen das Instrument, um diesem Informationsinteresse Geltung zu verschaffen.
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Die dargestellten Grundsätze gelten im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Bitte der Medien um Erteilung von Urteilsabschriften aus Straf- oder Disziplinarverfahren entsprechend. Aus der Öffentlichkeit der gerichtlichen Verfahren folgt prinzipiell ein Anspruch der Medien darauf, in geeigneten Fällen auch Abschriften der in solchen Verfahren ergangenen Urteile zu erhalten,2 wenngleich er im Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen über den Auskunftsanspruch nicht vorgesehen ist; im Geltungsbereich der Informationsfreiheitsgesetze3 werden die Medien ihn aber in der Regel auch aus ihnen herleiten können. Auch bei der Entscheidung über derartige Formen des Informationsersuchens ist nach den dargestellten Kriterien eine Güterabwägung vorzunehmen. Die Tatsache, dass der verurteilte Straftäter aus den in einem Urteil angeführten besonderen Umständen selbst dann erkennbar sein kann, wenn sein Name anonymisiert wird, steht der Herausgabe der Urteilsabschrift nicht entgegen, wenn an den aus dem Urteil ersichtlichen Umständen des Falls ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht.4 Dass die Medien berechtigt sind, an der in aller Regel öffentlichen Hauptverhandlung eines Strafverfahrens teilzunehmen, und daher auf die Kenntnis des schriftlichen Urteils nicht angewiesen sein mögen,5 rechtfertigt die Verweigerung der Erteilung einer Urteilsabschrift nicht generell und insbesondere dann nicht, wenn die möglicherweise aus dem Urteil ersichtlichen Umstände eines abgeschlossenen Strafverfahrens aus aktuellem Anlass ihrerseits eine neue aktuelle Bedeutung erlangen. Allerdings kann ein längerer zeitlicher Abstand zwischen dem Abschluss eines Verfahrens und der Bitte um Erteilung einer Urteilsabschrift im Hinblick auf den Resozialisierungsgedanken des ersten Lebach-Urteils6 im Rahmen der Abwägung der Informationsinteressen der
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1 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 125. 2 OLG Celle AfP 1990, 306 = NJW 1990, 2570; OVG Bremen NJW 1989, 926; LG Berlin AfP 2002, 61 = NJW 2002, 838; einschränkend OLG Stuttgart AfP 1992, 291. 3 Dazu oben § 1 Tz. 10a. 4 BVerwG NJW 1997, 2694 = ZUM 1998, 78: OLG Celle AfP 1990, 306 = NJW 1990, 2570; OVG Münster NJW 1997, 144; OVG Lüneburg AfP 1996, 301 = NJW 1996, 1489. 5 OLG Stuttgart AfP 1992, 291. 6 BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I; dazu im Einzelnen unten § 19 Tz. 27 ff.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 62 § 4
Medien gegen das Persönlichkeitsrecht des Verurteilten angemessen berücksichtigt werden.1 Im Bereich der Rundfunkberichterstattung sind seit der Novellierung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes im Jahre 19982 Übertragungen von Verhandlungen des Bundesverfassungsgerichts in beschränktem Umfang zugelassen.3 Das Gesetz hat unter Anderem eine Erweiterung des Rechts auf Rundfunk-, Ton- und Filmaufnahmen eingeführt, wonach Hörfunk- und Fernsehsowie Filmaufnahmen zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zum Einen in der mündlichen Verhandlung zulässig sind, bis das Gericht die Anwesenheit der Beteiligten festgestellt hat, und zum Anderen bei der öffentlichen Verkündung der Entscheidung. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten und Dritter sowie zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs kann jedoch das Gericht derartige Aufnahmen ganz oder teilweise untersagen.
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ee) Zivilrechtspflege Die für Straf- und Ermittlungsverfahren geltenden Grundsätze sind im Bereich der Zivilrechtspflege nicht ohne Weiteres entsprechend anwendbar. Strafverfahren sind in der Regel Gegenstand eines berechtigten öffentlichen Interesses. Sie betreffen regelmäßig eine Störung des Rechtsfriedens, an deren Kenntnis die Öffentlichkeit per se berechtigtermaßen interessiert ist. Strafverfahren sind zudem das klassische Instrumentarium totalitärer Staaten zur Disziplinierung oder gar Vernichtung Oppositioneller, so dass in diesem Bereich auch die verfassungsrechtlich fundierte Kontrollfunktion der Medien gegenüber hoheitlichem Handeln einen besonderen Stellenwert einnimmt. Diese Aspekte gelten im Bereich der Zivilrechtspflege nicht oder doch nur in einem sehr eingeschränkten Maß.
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Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang die Medien Auskünfte auch über Zivilprozesse und damit zusammenhängende Probleme verlangen können, ist neben den Bestimmungen der Landespressegesetze über den Auskunftsanspruch die Bestimmung des § 299 Abs. 2 ZPO. Danach darf Dritten Einsicht in die Akten eines Zivilprozesses ohne das Einverständnis der Parteien nur gewährt werden, wenn ein besonderes rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.4 Der Auskunftsanspruch der Medien, der materiell dieselben Erkenntnisse vermitteln kann und soll wie die Akteneinsicht, ist durch dieses gesetzliche Erfordernis mithin über den ausdrücklichen Katalog der Ausnahmetatbestände in den Landespressegesetzen hinaus eingeschränkt. Im Zivilprozess ist damit der Anspruch auf Auskunftserteilung die von den Medien im Einzelfall zu begründende und glaubhaft zu machende Ausnahme und nicht, wie in allen anderen Bereichen, die Regel.
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OLG Stuttgart AfP 1992, 291. Gesetz zur Änderung des BVerfGG v. 16.7.1998, BGBl. I, 1823. Dazu im Einzelnen unten § 6 Tz. 12 ff. Vgl. auch § 100 VwGO; § 120 SGG.
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§ 4 Tz. 62a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
62a
Das Erfordernis der Glaubhaftmachung eines besonderen rechtlichen Interesses an der Auskunft gilt auch für die Erteilung von Urteilsabschriften. Zwar ist – im Unterschied zu den Informationsfreiheitsgesetzen – ein Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen, Aktenauszügen oder Ähnlichem unmittelbar aus den einschlägigen Bestimmungen der Landespressegesetze nicht herzuleiten. Im Bereich des Zivilprozesses handelt es sich bei der Erteilung von Urteilsabschriften jedoch um die gebräuchlichste Form der Auskunftserteilung. Zu entscheiden ist damit, ob die Medien zur Begründung eines Gesuchs um Erteilung einer Urteilsabschrift das besondere rechtliche Interesse im Sinn des § 299 Abs. 2 ZPO dargelegt und glaubhaft gemacht haben und ob und inwieweit ihm berechtigte private Belange Dritter – in der Regel der Prozessparteien – entgegenstehen. Dabei ist allerdings zwischen Streitigkeiten über Rechtsfragen von allgemeinem Interesse1 und solchen Rechtsstreitigkeiten zu differenzieren, für die sich die Medien im Hinblick auf die Beteiligten und den jeweiligen konkreten Sachverhalt interessieren.2 Das Erfordernis der Glaubhaftmachung eines besonderen berechtigten Interesses betrifft im Ergebnis nur die Fälle, in denen die Medien Auskünfte oder Urteilsabschriften im Hinblick auf die Beteiligten und die faktischen Konstellationen erbitten, um die es in den jeweiligen Zivilprozessen geht.
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Das öffentliche Interesse an Informationen über die Entscheidung von Rechtsfragen allgemeinen Interesses liegt demgegenüber auf der Hand; ihm wird im Allgemeinen durch Herausgabe von Urteilsabschriften insbesondere an die juristische Fachpresse zu entsprechen sein und regelmäßig auch tatsächlich entsprochen.3 Dabei handelt es sich um Entscheidungen zivilrechtlicher Streitfragen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausweisender Bedeutung. Die Gerichte sind verpflichtet, derartige Entscheidungen zu veröffentlichen bzw. auf individuelles Verlangen einzelner Medien an diese herauszugeben.4 Das gilt etwa für die Klärung grundsätzlicher Streitfragen aus den Bereichen des Miet-, Verkehrs- oder Arbeitsrechts, die für eine große Anzahl von Mietern, Vermietern, Verkehrsteilnehmern oder Arbeitnehmer von Bedeutung sind, für Entscheidungen einer Vielzahl wirtschaftsrechtlicher Fragen wie etwa solche aus den Bereichen des Aktien- oder allgemeinen Gesellschaftsrechts, kann aber auch für Streitfragen aus jedem anderen Rechtsgebiet gelten. Der Grundsatz, dass sich alle staatliche Gewalt der Beobachtung durch die Medien zu stellen hat, gilt damit auch für die Rechtsprechung der Zivilgerichtsbarkeit. Zudem ist die Öffentlichkeit auf die Kenntnis gerichtlicher Entscheidungen des Zivilrechts jedenfalls höherer Instanzen wegen ihrer faktischen Präjudizwirkung angewiesen.5 Die tatsächlich geübte Veröffentlichungspraxis der Gerichte trägt dem Rechnung.6 _______________
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Dazu sogleich Tz. 63. Hirte, NJW 1988, 1698 ff. Keller, NJW 2004, 413; vgl. schon oben Tz. 35a ff. OLG München OLGZ 1984, 477; OVG Bremen NJW 1989, 926; OLG Celle AfP 1990, 306 = NJW 1990, 2570; vgl. oben Tz. 35a. 5 Hirte, NJW 1988, 1698 ff. 6 Keller, NJW 2004, 413.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 65 § 4
Fraglich kann nur sein, ob die Medien Auskunft auch über die an einem Rechtsstreit beteiligten Parteien oder Urteilsabschriften, aus denen sich diese Informationen ergeben, verlangen können. Als Schranke des Anspruchs auf Erteilung von Auskünften oder Urteilsabschriften kommen auch in diesem Zusammenhang insbesondere schutzwürdige private Belange in Betracht. Die auskunftserteilende Dienststelle wird also auch hier abwägen müssen zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit, nicht nur über das Ergebnis eines Zivilrechtsstreits, sondern auch über diejenigen informiert zu werden, die daran beteiligt waren, und zwischen dem Interesse der Beteiligten an der Wahrung ihrer Anonymität. Die Tatsache, dass auch Zivilprozesse aufgrund öffentlicher Verhandlung entschieden werden, ist dabei als Abwägungskriterium zu berücksichtigen, hat aber nur eingeschränktes Gewicht. Denn erfahrungsgemäß nimmt die Öffentlichkeit ihr Recht, auch an mündlichen Verhandlungen in Zivilprozessen teilzunehmen, nicht oder nur in seltenen Ausnahmefällen wahr, weil in unserem Rechtssystem der Zivilprozess im Wesentlichen durch die Einreichung von Schriftsätzen gefördert wird und mündliche Verhandlungen einen eher formalen Charakter zu haben pflegen; daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden kann, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinsichtlich derartiger Verfahren nur gering ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Aufhebung der Anonymität der Beteiligten durch Veröffentlichungen der Medien ungleich intensiver in die Privatsphäre der Beteiligten hineinwirken kann als die Erörterung des Rechtsstreits in einer mündlichen Verhandlung mit allenfalls wenigen Zuhörern.
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Wird heute das Allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die Rechtsprechung in aller Regel auch dahingehend interpretiert, dass die Zulässigkeit der Nennung des Namens Beteiligter durch die Medien stets besonders sorgfältiger Prüfung bedarf,1 so kann sich der Auskunftsanspruch der Medien im Bereich der Zivilrechtspflege auch nur ausnahmsweise auf die Identität der Beteiligten erstrecken. Für den Regelfall ist anzunehmen, dass schutzwürdige Belange der Beteiligten der Aufdeckung ihrer Anonymität durch die auskunftserteilende Stelle entgegenstehen. Die Auskunft darf sich danach auf den Namen der Beteiligten nur dann erstrecken, wenn auch an ihm ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird.2 Dieses berechtigte Interesse wird etwa bei der Entscheidung eines Mietrechtsstreits von grundsätzlicher Bedeutung in der Regel nicht zu begründen sein, wohl aber bei der Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen Unternehmen mit weitreichenden wirtschaftlichen Folgen auch für die betroffenen Arbeitnehmer oder Auseinandersetzungen über Fragen, deren Darstellung ohne Kenntnis der Beteiligten nicht verständlich ist.3 Ein Auskunftsanspruch auch unter Identifizierung der Beteiligten ist darüber hinaus stets dann begründet, wenn die Prozessparteien sich im Zusammenhang mit dem Prozess selbst an die Öffentlichkeit gewandt und insbesondere die Tatsache der Klageerhebung bekannt gemacht haben. Da sie sich in solchen Fällen der Anonymität selbst begeben haben, kommen Geheimhaltungs- oder
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1 BGH AfP 1980, 154 = NJW 1980, 1790 = GRUR 1980, 813 – Familienname; vgl. im Einzelnen unten § 17 Tz. 1 ff. 2 Hirte, NJW 1988, 1698 ff. 3 Weitere Beispiele bei Hirte, NJW 1988, 1698 ff.
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§ 4 Tz. 66
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Anonymitätsinteressen als berechtigte Belange, die der Auskunftserteilung entgegenstehen, nicht mehr in Betracht. 66
Haben die Medien bereits Kenntnis von den Beteiligten eines Rechtsstreits und richtet sich ihr Ersuchen um Erteilung von Auskünften oder Urteilsabschriften auf den Inhalt der Entscheidung oder Details der Prozessgeschichte, so stellt sich die Frage nach der Wahrung der Anonymität der Beteiligten durch die zuständige staatliche Stelle nicht mehr, wohl aber erneut diejenige, ob schutzwürdige private Belange der Erteilung der gewünschten Auskunft oder Entscheidungsabschrift entgegenstehen. Dies wird man bei einem Auskunftsersuchen über das Ergebnis eines Rechtsstreits jedenfalls dann verneinen müssen, wenn der Rechtsstreit durch Urteil beendet wurde, da insoweit angesichts des auch im Zivilprozess geltenden Öffentlichkeitsprinzips das legitime Anonymitätsinteresse der Beteiligten schon kraft Gesetzes eingeschränkt ist und jedermann die Möglichkeit hat, sich durch Teilnahme an der Urteilsverkündung über das Ergebnis zu informieren. Anders mag zu entscheiden sein, wenn der Prozess durch einen Vergleich beendet wurde. Dann wird über die Tatsache des Abschlusses des Vergleichs immer, über dessen Inhalt jedoch wiederum nur dann Auskunft zu erteilen sein, wenn ein legitimes Interesse der Öffentlichkeit zu erkennen ist oder dargelegt wird, darüber informiert zu werden; nicht selten legen Parteien Wert darauf, dass der Inhalt abgeschlossener Vergleiche nicht öffentlich bekanntgemacht wird, und vereinbaren sie diesbezüglich ausdrücklich Stillschweigen.
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Soweit sich Ersuchen um Erteilung von Auskünften oder Gewährung von Akteneinsicht schließlich auf konkreten Sachvortrag in den im Prozess eingereichten Schriftsätzen erstrecken, sind an die Glaubhaftmachung des berechtigten Interesses besondere Anforderungen zu stellen; hier werden den betreffenden Gesuchen in der Regel überwiegende private Belange entgegenstehen, da das Öffentlichkeitsprinzip des Zivilprozesses nur die mündliche Verhandlung, nicht aber deren schriftsätzliche Vorbereitung betrifft und die Parteien und ihre Vertreter es in der Hand haben, selbst darüber zu entscheiden, ob und inwieweit sie ihren schriftsätzlichen Vortrag auch in mündlicher Verhandlung öffentlich machen wollen. Der Herausgabe von Schriftsatzkopien kann schließlich auch das Urheberrecht der Verfasser der Schriftsätze entgegenstehen, das die Rechtsprechung prinzipiell auch dem Anwaltsschriftsatz zuerkennt.1
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Auch danach, ob, wann und wie viele Zivilrechtsstreitigkeiten eine bestimmte Person in der Vergangenheit geführt und welchen Gegenstand diese Streitigkeiten gehabt haben, werden Gerichte gelegentlich von Redaktionen gefragt. Bei der Beantwortung derartiger Anfragen muss die auskunftserteilende Stelle entgegenstehende schutzwürdige Belange des Betroffenen in besonderem Maß beachten. Gilt schon im Bereich der Strafrechtspflege heute generell der Satz, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinsichtlich zu_______________
1 BGH GRUR 1986, 739 – Anwaltsschriftsatz; OLG Düsseldorf AfP 1988, 154 = NJW 1989, 1162 – Anwaltsschriftsatz; vgl. aber andererseits OLG Hamburg AfP 2000, 91 = NJW 1999, 3343 = ZUM 2000, 316 – Berufungsschrift; OLG München AfP 2008, 79; anders im Ergebnis auch KG AfP 2007, 234 = NJW 2008, 768.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 69 § 4
rückliegender Verurteilungen umso geringer zu bewerten ist, je mehr Zeit seit der Verurteilung verstrichen ist,1 so ist im Bereich der Zivilrechtspflege generell davon auszugehen, dass der Erteilung von Auskünften über längere Zeit zurückliegende Streitigkeiten schutzwürdige Belange der Beteiligten entgegen stehen und eine Auskunftserteilung allenfalls dann in Betracht kommt, wenn ein konkretes aktuelles Informationsbedürfnis gerade hinsichtlich dieser Frage geltend gemacht werden kann. Keine Auskunft erteilen Gerichte schließlich im Allgemeinen über anhängige Insolvenzanträge, bevor über die Eröffnung des Verfahrens entschieden, ein jedenfalls vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist und/oder Sicherungsmaßnahmen wie Verfügungsverbote oder Beschlagnahmen getroffen wurden. Derartige Informationen allerdings sind heute über die Website Insolvenzbekanntmachungen.de allgemein, und nicht nur den Medien zugänglich.2
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Die restriktive Praxis der Insolvenzgerichte hinsichtlich der Erteilung von Auskünften über Insolvenzverfahren, in denen eine gerichtliche Entscheidung noch nicht vorliegt, ist demgegenüber durch schutzwürdige Belange der Betroffenen geboten. Deren Interesse, dass die Öffentlichkeit über die Einleitung von Insolvenzverfahren nicht ohne vorherige Prüfung durch das zuständige Gericht unterrichtet wird, wiegt in diesem frühen Verfahrensstadium in aller Regel schwerer als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Denn Insolvenzanträge können – etwa durch Wettbewerber – auch missbräuchlich gestellt werden, und derjenige, der ein Insolvenzverfahren gegen sich selbst beantragt, ist berechtigt, diesen Antrag bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens zurückzunehmen. Und die öffentliche Mitteilung über ein Insolvenzverfahren, das tatsächlich nicht durchgeführt werden muss, weil ein Insolvenzgrund nicht vorliegt, kann für den Betroffenen existenzvernichtend sein. Daher kommt eine Auskunftserteilung in diesem Verfahrensstadium nur unter ganz besonderen, in der Regel nicht vorliegenden Voraussetzungen in Betracht.
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ff) Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der früheren DDR Eine Sonderrolle im Rahmen des Auskunftsanspruchs der Medien nehmen aufgrund der Bestimmungen des so genannten Stasi-Unterlagen-Gesetzes,3 das gegenüber den Landespressegesetzen lex specialis ist und sie daher in seinem Anwendungsbereich verdrängt,4 Informationen über Tätigkeit und Wirkungen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ein. Erstmals und lange vor Inkrafttreten der neuen Informationsfreiheitsgesetze hat für diesen sensiblen Bereich der Gesetzgeber den Versuch unternommen, dem Informa_______________
1 OLG Stuttgart AfP 1992, 291; Einzelheiten unten § 19 Tz. 27 ff. 2 Vgl. dazu § 9 Abs. 1 InsO i.V.m. § 2 der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet v. 12.2.2002 (BGBl. I, 677). 3 Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (StUG) in der Fassung der Bekanntmachung v. 18.2.2007, BGBl. I 2007, 162. 4 Bork, ZIP 1992, 90, 93.
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§ 4 Tz. 69a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
tionsinteresse der Öffentlichkeit nicht nur durch Gewährung des generellen Auskunftsanspruchs der Wissenschaft und der Medien, sondern durch den gesetzlich geregelten Anspruch u.a. der Medien darauf gerecht zu werden, dass ihnen ein spezielles, ausdrückliches, wenngleich gegenständlich beschränktes Recht auf Akteneinsicht eingeräumt wird. Konkret geschieht das dadurch, dass das Gesetz einen Anspruch auf Einsicht in die Akten der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, der nach ihrer derzeitigen Präsidentin Marianne Birthler heute so genannten Birthler-Behörde, für diejenigen begründet, die sich mit der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes oder den Herrschaftsmechanismen der ehemaligen DDR oder der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone zum Zweck der politischen oder historischen Aufarbeitung beschäftigen,1 und ihnen Presse, Rundfunk und Film im Wege einer Verweisung gleichstellt.2 Mit diesem Gesetz hat der Bundesgesetzgeber eine bindende Vorgabe des Einigungsvertrags von 1990 umgesetzt, der die Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich dazu verpflichtet, das SED-Unrecht aufzuarbeiten.3 69a
Diese Aufarbeitung ist daher durch ein besonderes öffentliches Interesse nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten, das in den Fällen ausdrücklich zu berücksichtigen ist, in denen Auskunftsersuchen u.a. der Medien mit schutzwürdigen Belangen Privater abzuwägen sind.4 Ziel des Gesetzes ist es zwar auch, „… den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit den vom Staatssicherheitsdienst zu seiner Person gespeicherten Informationen in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird“;5
dafür hätte es im Hinblick auf die Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Rechtsprechung6 einer ausdrücklichen gesetzlichen Regel aber nicht bedurft. Vor allem geht es daher darum sicherzustellen, dass die Informationsansprüche von Wissenschaft und Medien gerade in diesem für die jüngere deutsche Geschichte so überaus bedeutsamen Bereich angemessen berücksichtigt werden. Der aus diesen unterschiedlichen Zielsetzungen resultierende Interessenkonflikt ist unvermeidlich und bedarf der Auflösung durch die Rechtsprechung im Einzelfall. 70
Zwar sollen gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 StUG den Auskunftsberechtigten grundsätzlich nur anonymisierte Unterlagen zu Verfügung gestellt werden. Diesen Grundsatz schränkt der Gesetzgeber jedoch zugunsten des Auskunftsanspruchs in der Weise ein, dass personenbezogene Unterlagen eingesehen werden dürfen über zum maßgeblichen Zeitpunkt volljährige – offizielle oder auch inoffizielle – Stasi-Mitarbeiter und Begünstigte des Staatssicherheitsdienstes7 sowie über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer _______________
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§§ 32, 33 StUG. § 34 Abs. 1 StUG. Art. 1 der Zusatzvereinbarung vom Einigungsvertrag v. 23.9.1990, BGBl. II, 885. Heintschel von Heinegg, AfP 2004, 505, 507. BT-Drucks. 12/1563. Dazu im Einzelnen unten § 19 Tz. 1 ff. § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3StUG.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 70b § 4
Funktionen oder Amtsträger, soweit es sich um Informationen handelt, die ihre zeitgeschichtliche Rolle bzw. ihre Funktions- oder Amtsausübung betreffen.1 Erkenntnisse oder Behauptungen in den Stasi-Unterlagen, die lediglich den privaten Lebensbereich solcher Personen betreffen, sind demgegenüber nicht zugänglich zu machen. Im Hinblick auf den vom Gesetz verfolgten Informationszweck ist aber davon auszugehen, dass es sich bei den Amtsträgern und Inhabern politischer Funktionen, in deren Unterlagen den Medien Einsicht zu gewähren ist, nicht nur um solche in der vormaligen DDR, sondern auch um solche in der Bundesrepublik handelt.2 Freigegeben sind ferner Unterlagen mit anderen personenbezogenen Daten, wenn schriftliche Einwilligungen der betroffenen Personen vorgelegt werden können.3 In allen diesen Fällen kann die Birthler-Behörde aber die Herausgabe der Unterlagen oder die Gewährung von Einsicht in sie verweigern, wenn dem überwiegende schutzwürdige Interessen der genannten Personen entgegen stehen. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Güterabwägung ist nach dem Wortlaut des Gesetzes insbesondere zu berücksichtigen, ob die Informationserhebung durch den Staatssicherheitsdienst, auf die die betreffenden Informationen und Unterlagen zurück gehen, erkennbar durch eine Menschenrechtsverletzung, mithin nach unserem Rechtsverständnis in sittenwidriger Weise, ermöglicht wurde.4 Insbesondere diese Qualifikation der Sittenwidrigkeit der Informationsgewinnung als Indiz für die Verletzung überwiegender schutzwürdiger Interessen Dritter ist mit dem prinzipiellen Gebot der Aufarbeitung des SED-Unrechts aber ebenso wenig zu vereinbaren wie mit den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG, sofern sie nicht im Wege der gebotenen verfassungskonformen Auslegung auf absolute Ausnahmefälle reduziert wird.5 Denn die Verletzung der Menschenwürde und damit die Sittenwidrigkeit des Vorgehens ist nachgerade das prägende Kennzeichen für die Spitzelund Ermittlungsaktivitäten des Staatssicherheitsdiensts der vormaligen DDR und damit der Regelfall des Zustandekommens der von ihm gesammelten und gespeicherten Dokumente.
70a
Die aktuelle Fassung des Gesetzes ist das Ergebnis eines schwierigen politischen Kompromisses,6 in den neben verschiedenen politischen Strömungen insbesondere auch die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts7 über die Auslegung einer früheren Version des Gesetzes in den vom damaligen Bun-
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1 § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StUG; zur früheren Version der Vorschrift vgl. im Einzelnen Bork, ZIP 1992, 90 ff. 2 BVerwG NJW 2002, 1815; BVerwG AfP 2004, 380 = NJW 2004, 2462 – Helmut Kohl; Bork, ZIP 1992, 90, 92. 3 § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StUG. 4 § 32 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StUG. 5 Zur Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen generell unten § 12 Tz. 72 ff. 6 Zur Entstehungsgeschichte der aktuellen Fassung des Gesetzes vgl. Beleites, Deutschland Archiv 40 (2007), S. 5 ff. 7 BVerwG NJW 2002, 1815; BVerwG AfP 2004, 380 = NJW 2004, 2462 – Helmut Kohl; vgl. auch die jeweilige Vorinstanz VG Berlin AfP 2002, 76 = NJW 2001, 2987 m. Anm. Arndt, NJW 2001, 2948, und VG Berlin NJW 2004, 457; kritisch zu diesen Entscheidungen insbesondere Heintschel v. Heinegg, AfP 2004, 505.
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§ 4 Tz. 70c
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
deskanzler Helmut Kohl gegen Entscheidungen über die Gewährung von Einsicht in ihn betreffende Unterlagen anhängig gemachten Verfahren eingeflossen ist. In diesen Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht das Prinzip der grundsätzlichen Herausgabe von Unterlagen jedenfalls solcher Betroffener, die nicht selbst Stasi-Mitarbeiter, sondern Opfer von Ausspähungsaktivitäten waren, im Ergebnis in sein Gegenteil verkehrt und die Zurverfügungstellung von Stasi-Unterlagen mit personenbezogenen Informationen an die Medien als prinzipiell unzulässig bezeichnet. Ebenso unzulässig – so das Bundesverwaltungsgericht – soll die Herausgabe aller Unterlagen und Informationen an die Medien sein, die durch Verletzung der räumlichen Privatsphäre und/oder des Rechts am gesprochenen Wort gewonnen worden sind, sowie Informationen, die im weitesten Sinn auf Spionage beruhen. Das soll selbst für Stellungnahmen der Stasi gelten, die sich auf derartige Quellen stützen.1 70c
Die daraus resultierende rigorose Beschränkung des Auskunfts- und Akteneinsichtsrechts der Medien ist aber weder mit dem prinzipiellen Gebot der Aufklärung des Stasi-Unrechts noch mit dem Wortlaut des Gesetzes zu vereinbaren. Das vom Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis verhängte generelle Verbot der Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen verstößt gegen das Grundrecht der Pressefreiheit,2 und es ist entgegen der Auffassung des Gerichts insbesondere nicht zulässig, den Informationszugang der Medien im Vergleich zu demjenigen der Wissenschaft prinzipiell zu beschränken, nachdem der Gesetzgeber in § 34 Abs. 1 StUG wegen der Informationsansprüche der Medien ohne weitere Einschränkung auf die für Wissenschaft und politische Bildung geltende Bestimmung des § 32 StUG verweist.3
70d
Zu denjenigen, auf deren Stasi-Unterlagen Wissenschaft und Medien Zugriff haben sollen, gehören nicht Denunzianten, sofern sie nicht selbst StasiMitarbeiter waren oder zum Kreis der in § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StUG ausdrücklich genannten Personen gehören. Dass der Gesetzgeber ihre Akten und diejenigen anderer, nicht ausdrücklich im Gesetz genannter Betroffener ohne Ausnahme und ohne die Möglichkeit der Einzelfallentscheidung gegen die Gewährung der Akteneinsicht und damit gegen Informationserteilung schützt, sofern nicht deren Einwilligung vorliegt,4 ist im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich ebenso bedenklich5 wie die rigorose Haltung des Bundesverwaltungsgerichts zur Tragweite des Informationsanspruchs betreffend die Akten von Amtsträgern und Personen der Zeitgeschichte.
70e
Allenfalls partiell gelockert werden diese Bedenken dadurch, dass der Gesetzgeber mit der seit 2007 geltenden Fassung des Stasi-Unterlagengesetzes erstmals eine Archivausnahme geschaffen hat. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 _______________
1 So ausdrücklich BVerwG AfP 2004, 380 = NJW 2004, 2462 – Helmut Kohl; anders noch die Vorinstanz: VG Berlin NJW 2004, 457. 2 Einzelheiten unten § 12 Tz. 74 ff. 3 Zur Kritik an der Auffassung des BVerwG im Einzelnen vgl. Heintschel v. Heinegg, AfP 2004, 505 ff. 4 § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StUG. 5 Schuppert, AfP 1992, 105; a.A. Löffler/Ricker, Kap. 42 Rz. 21a.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 72 § 4
StUG ist ohne die zuvor beschriebenen Einschränkungen Einsicht in die StasiUnterlagen von Verstorbenen zu gewähren, deren Tod 30 Jahre zurück liegt. Damit wird zwar auf lange Sicht eine sehr viel weiter gehende Aufarbeitung des Stasi-Unrechts möglich sein als heute. Dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit und damit der Medien, auch heute und insbesondere aus aktuellem Anlass zeitnah in solche Akten Einsicht zu nehmen und Informationen daraus zu gewinnen, die nicht Stasi-Mitarbeiter oder Amtsträger und ihnen vergleichbare Personen betreffen, entspricht der Gesetzgeber damit aber nicht. Knüpft der Antrag auf Akteneinsicht an die Eigenschaft des Betroffenen als hauptamtlicher oder inoffizieller Stasi-Mitarbeiter an, ist aber streitig oder ungeklärt, ob er diese Position tatsächlich innehatte, so entscheidet hierüber die Bundesbeauftragte, bevor dem Einsichtsersuchen stattgegeben wird.1 Dieser Umstand entwertet gerade in den brisanten Fällen öffentlichen Interesses den Informationsanspruch, da seine Erfüllung nicht von objektiven Merkmalen, sondern von dem Ergebnis einer Behördenentscheidung abhängig ist. Etwaige negative Entscheidungen über das Auskunftsersuchen sind im Verwaltungsrechtsweg anfechtbar, wie auch umgekehrt derjenige, der sich durch die Gewährung von Einsicht in ihn betreffende Akten in seinen Rechten verletzt sieht, gegen die entsprechende Entscheidung der Birthler-Behörde im Wege der Unterlassungsklage vor den Verwaltungsgerichten vorgehen kann.2
70f
Anders als die Landespressegesetze, die ausdrücklich nur den Auskunftsanspruch, nicht aber das Akteneinsichtsrecht gewähren, verwirklicht das StUG den Informationsanspruch im Prinzip durch die Gewährung von Akteneinsicht.3 Die Medien sind aber berechtigt, anstatt der ausschließlich in den Räumen der Birthler-Behörde durchzuführenden Akteneinsicht die Überlassung von Kopien der betreffenden Unterlagen anzufordern.4 Der ihnen zuerkannte Informationsanspruch geht damit über denjenigen nach den Landespressegesetzen formal hinaus.5 Allerdings ist die Einsichtnahme wie auch die Überlassung von Kopien – anders als die Auskunftserteilung nach den Landespressegesetzen – gebührenpflichtig.6
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gg) Schutzwürdige private Interessen als Auffangtatbestand Seine Grenze findet der Auskunftsanspruch außerhalb der vorstehend behandelten Fallgruppen schließlich überall dort, wo durch die Erteilung der Auskunft ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde. Das gilt, wie sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut7 ergibt, auch für den Anspruch auf Einsicht in Stasi-Unterlagen. Es liegt auf der Hand, dass es sich bei dieser Re_______________
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Bork, ZIP 1992, 90, 92. BVerwG NJW 2002, 1815. §§ 34 Abs. 1, 33 Abs. 1 StUG. §§ 34 Abs. 1, 33 Abs. 3 StUG. Bork, ZIP 1992, 90. § 42 Abs. 1 StUG; aufgrund einer offenbar niemals aktualisierten Verordnung des Bundesministers des Inneren aus dem Jahre 1992 berechnet die Birthler-Behörde für jede Einsichtnahme 150 DM und für die Überlassung von Kopien weitere 75 DM. 7 §§ 34 Abs. 1, 32 Abs. 1 Nr. 3 StUG.
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§ 4 Tz. 73
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
gelung um eine Generalklausel handelt, die den Behörden einerseits einen Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Auskunftserteilung, andererseits aber auch eine große Verantwortung zuweist. So wäre etwa die Pressemitteilung einer Staatsanwaltschaft, mit der sie den Termin einer Hauptverhandlung über ein Vergewaltigungsdelikt unter Nennung des Namens des Opfers mitteilt, mit dessen schutzwürdigen privaten Belangen unter keinen Umständen vereinbar. Wirkt sich der Gegenstand eines privaten Geheimhaltungsinteresses auf die politische Tätigkeit eines Amtsträgers aus wie die Funktion des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich in der ehemaligen DDR, so überwiegt das Informationsinteresse der Medien das Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung der geforderten Information.1 Als Verletzung entgegenstehender privater Belange ist es demgegenüber etwa angesehen worden, dass das Land Rheinland-Pfalz, dem durch § 30 Abs. 3 des ZDF-Staatsvertrags das Recht übertragen worden ist, die Haushalts- und Wirtschaftsführung des ZDF zu prüfen, über den Inhalt der Prüfungsberichte Auskünfte erteilte.2 Nachdem die Rechtsprechung die öffentlichen Rundfunkanstalten im Hinblick auf das auch ihnen zustehende Grundrecht der Rundfunkfreiheit von der Verpflichtung zur Auskunftserteilung ausgenommen hat,3 erscheint diese Auffassung konsequent; anderenfalls würde das den Rundfunkanstalten zuerkannte Recht, über ihre Interna nicht Auskunft zu erteilen, durch die Verpflichtung der Aufsichtsbehörden zur Auskunftserteilung unterlaufen. 73
Prinzipiell stellen das Informationsinteresse der Medien und das Interesse Privater, mit ihren Belangen nicht an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, ein ständiges Konfliktpotential dar, dem sich die Medien im Rahmen ihrer Berichterstattung, dem sie und die Behörden sich aber bereits im Vorfeld der Berichterstattung bei der Geltendmachung und Bescheidung von Auskunftsansprüchen zu stellen haben. Dieser Konflikt wird nicht geringer dadurch, dass es sich bei den schutzwürdigen privaten Interessen, die der Auskunftserteilung im Einzelfall entgegenstehen können, vielfach um Aspekte handeln wird, die auch dem Recht der persönlichen Ehre oder dem Bereich des Jugendschutzes zuzuweisen sind und die daher bereits nach Art. 5 Abs. 2 GG das Grundrecht der Pressefreiheit und damit auch den Auskunftsanspruch der Medien einschränken. Das Spannungsverhältnis zwischen Auskunftsanspruch und schutzwürdigen privaten Belangen ist damit nichts Anderes als eine Konkretisierung des allgemeinen Spannungsverhältnisses zwischen Pressefreiheit und anderweitig geschützten Rechtsgütern. Es kann daher im Einzelfall auch nur nach denselben Kriterien der Güterabwägung gelöst werden, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts4 ganz prinzipiell anzuwenden sind, wo Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG mit anderweitig verfassungsrecht_______________
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VG Dresden AfP 2009, 301. VG Neustadt/Weinstr. AfP 1994, 340. Oben Tz. 20. BVerfG NJW 1958, 257 – Lüth; BVerfG NJW 1966, 1603 – Spiegel-Urteil; BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto; BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I; seither ständige Rechtsprechung.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 75 § 4
lich geschützten Rechten kollidieren. Dabei wäre es nicht zulässig, private Interessen prinzipiell höher zu bewerten als das Informationsinteresse der Medien.1 Insbesondere in diesem Bereich sind jedoch zwei Gesichtspunkte bedeutsam, auf die in anderem Zusammenhang bereits hingewiesen wurde. Gerade wo es um die Abwägung des Informationsinteresses gegen private Belange geht, mag die Neigung mancher Behörde besonders ausgeprägt sein, zwischen seriöser und unseriöser Presse zu differenzieren und ihre eigene Bewertung des Stellenwerts desjenigen Mediums, das in concreto die Auskunft begehrt, in den Abwägungsprozess einzubeziehen. Eine derartige Kategorisierung der Medien ist, wie oben bereits dargestellt,2 schlechthin unzulässig; das gilt auch im vorliegenden Zusammenhang.3
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Und besondere Beachtung verdient an dieser Stelle der Gesichtspunkt, dass mit der Entscheidung der Behörden über die Auskunftsgewährung noch keine Vorentscheidung darüber gefallen ist, ob und wie der Inhalt der erteilten Auskunft von den Medien auch tatsächlich veröffentlicht werden darf. Im oben erwähnten Beispielsfall einer Pressemitteilung, die auch Namen und Beruf eines Vergewaltigungsopfers mitteilt, läge es in der alleinigen Verantwortung der Presse zu erkennen, dass diese Information nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sein kann.4 Die Prüfung der Zulässigkeit der Veröffentlichung obliegt auch in diesem Bereich ausschließlich den Medien selbst. Die Erwägung, die Medien könnten mit der erteilten Auskunft nicht sachgerecht oder sorgfältig umgehen und dadurch Rechte Dritter beeinträchtigen, ist daher keine Rechtfertigung für die Verweigerung einer begehrten Auskunft. Das muss sogar dann gelten, wenn bestimmte Medien zuvor wegen unzulässiger Berichterstattung gerichtlich in Anspruch genommen worden sind und dies der auskunftspflichtigen Behörde bekannt ist.
74a
c) Durchsetzung des Auskunftsanspruchs Wird die von den Medien bei staatlichen Stellen begehrte Auskunft im Einzelfall verweigert, dann stellt sich die Frage des Rechtsschutzes. In der Praxis scheint sie allerdings keine große Rolle zu spielen, weil zum Einen Medien und Behörden in den meisten Fällen einen Weg finden, auftretende Meinungsverschiedenheiten über den Umfang des Auskunftsanspruchs im Wege des Kompromisses zu lösen und weil zum Anderen die Nachricht im Allgemeinen nur interessiert, solange sie aktuell ist, an der gerichtlichen Durchsetzung von Auskunftsansprüchen bei den Medien daher nur geringes praktisches Interesse herrscht.
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1 OVG Lüneburg NJW 1991, 445; OLG Schleswig AfP 1985; Löffler/Ricker, Kap. 20 Rz. 10. 2 Oben Tz. 31 ff. 3 Wente, S. 163. 4 Einzelheiten unten § 19 Tz. 4 ff.
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§ 4 Tz. 76
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
76
Dessen ungeachtet ist die Rechtslage in Schrifttum1 und Rechtsprechung2 geklärt. Der Anspruch der Medien auf Auskunftserteilung kann im Wege der Leistungsklage3 vor den Verwaltungsgerichten geltend gemacht werden. Das gilt auch dann, wenn er sich gegen Gerichte und Staatsanwaltschaften richtet. Die Auffassung, in derartigen Verfahren seien nach § 23 EGGVG die Oberlandesgerichte zuständig,4 ist verfehlt. Denn bei der Gewährung von Auskünften durch Staatsanwaltschaften und Gerichte an die Medien handelt es sich nicht um Maßnahmen auf dem Gebiet der Strafrechtspflege, für deren Beurteilung nach der genannten Vorschrift die Oberlandesgerichte zuständig sind, sondern um die Erfüllung einer spezifisch medienrechtlichen Verpflichtung.5 Da der Anspruch in jedem Fall im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden kann, braucht das zeitraubende behördliche Vorverfahren nach § 68 VwGO nicht durchgeführt zu werden.6
76a
Die Verwaltungsgerichte sind nach richtiger Auffassung7 auch für diejenigen Auskunftsklagen zuständig, die sich gegen die öffentliche Hand in Gestalt privatrechtlich verfasster Gesellschaften richten,8 da die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten nicht von der Rechtsform der Beteiligten, sondern von der Natur des geltend gemachten Anspruchs abhängt9 und Grundlage des Anspruchs auch in diesen Fällen ausschließlich die dem öffentlichen Recht zuzurechnenden10 presse- und rundfunkrechtlichen Normen über den Auskunftsanspruch sind. Dass in einem Fall der Bundesgerichtshof11 nach einer fehlerhaften Verweisung einer solchen Klage durch das primär angerufene Verwaltungsgericht an das örtlich zuständige Amtsgericht über eine gegen eine öffentlichrechtlich beherrschte Gesellschaft privaten Rechts gerichtete Klage sachlich entschieden hat, ändert an der Primärzuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit für derartige Klagen nichts. Denn die Zivilgerichte sind an eine – auch fehlerhafte – Verweisung gebunden und haben nicht die Möglichkeit der erneuten Zuständigkeitsprüfung und gegebenenfalls Zurückverweisung.12 _______________
1 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 169 ff.; Löffler/Ricker, Kap. 2 Rz. 1 ff.; Wente, S. 174 ff.; Groß, S. 251 ff. 2 OLG Hamm AfP 1981, 285; VGH Mannheim NJW 1979, 2117; OLG Celle AfP 1990, 306 = NJW 1990, 2570; OLG Stuttgart AfP 1992, 291; OVG Lüneburg NJW 1991, 445; VG Berlin AfP 1994, 175; BayVGH AfP 2004, 473 = NJW 2004, 3358; VG Cottbus AfP 2008, 114. 3 VG Saarbrücken AfP 2006, 596. 4 OLG Stuttgart AfP 1992, 291. 5 VG Berlin AfP 2000, 594. 6 VGH Baden-Württemberg AfP 1992, 95; VG Hannover AfP 1984, 61; VG Saarbrücken AfP 2006, 596; Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 171; Löffler/Ricker, Kap. 2 Rz. 2; Schröer-Schallenberg, S. 172; a.A. OVG Bremen NJW 1989, 926; VG Hamburg AfP 2009, 296. 7 OVG Saarlouis AfP 1998, 426. 8 Oben Tz. 19 f. 9 Kopp/Schenke, § 40 VwGO Rz. 6. 10 Löffler/Ricker, Kap. 22 Rz. 1; Wente, S. 274 ff. 11 BGH AfP 2005, 279 = NJW 2005, 1720 – presserechtlicher Auskunftsanspruch; vgl. hierzu auch VG Hamburg AfP 2009, 296. 12 § 17a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 5 GVG.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 78 § 4
In der Rechtsprechung ungeklärt war längere Zeit die Frage, ob dem Missverhältnis zwischen den Aktualitätsbedürfnissen der Medien und der Dauer gerichtlicher Verfahren dadurch abgeholfen werden kann, dass den Medien die Möglichkeit eröffnet wird, den Auskunftsanspruch im Wege einer einstweiligen Anordnung gerichtlich geltend zu machen. Dieses Verfahren kann unter Umständen binnen Stunden, regelmäßig aber binnen weniger Tage abgewickelt werden. Gegen diese Möglichkeit sprach zwar der allgemeine verfahrensrechtliche Grundsatz, dass einstweilige gerichtliche Maßnahmen in der Regel nur zur Sicherung eines bestehenden Zustands in Betracht kommen, nicht aber als Mittel, dem Kläger die Erfüllung seines Anspruchs zu ermöglichen.1 Die Rechtsprechung bricht mit diesem Grundsatz aber auch ansonsten dort, wo die Gewährung des beschleunigten einstweiligen Rechtsschutzes nach Abwägung widerstreitender Interessen zur Durchsetzung von Leistungsansprüchen unabweisbar erscheint.2 Unter Berücksichtigung des hohen verfassungsrechtlichen Stellenwerts, den die Presse- und Rundfunkfreiheit und als ihre Konkretisierung der Auskunftsanspruch der Medien gegenüber staatlichen Behörden in unserer Gesellschaft einnehmen, muss daher auch für den vorliegenden Bereich die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes prinzipiell anerkannt werden.3 Dieser Auffassung hat sich inzwischen die Praxis der Gerichte4 ohne Einschränkung angeschlossen.
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d) Unentgeltlichkeit Auskunftsersuchen auf der Basis der Presse-, Medien- und Rundfunkgesetze müssen die Behörden und sonstigen auskunftspflichtige Stellen unentgeltlich bearbeiten und bescheiden, da keine der einschlägigen Normen die Zahlung eines Entgelts für die Auskunft vorsieht und diese Bestimmungen den Auskunftsanspruch abschließend regeln. Ein Vergütungsanspruch kann insbesondere nicht aus anderweitigen Rechtsnormen, wie etwa einer kommunalen Verwaltungsgebührensatzung, abgeleitet werden.5
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2. Auskunftsansprüche gegenüber Privaten und Unternehmen a) Grundsätzliches Anders als gegenüber staatlichen Stellen einschließlich solcher privatrechtlicher Unternehmen, die von staatlichen Stellen beherrscht werden,6 steht den Medien gegenüber Privaten und damit auch nicht staatlichen Unternehmen und Verbänden kein gesetzlicher Auskunftsanspruch zu. Die einschlägigen Bestimmungen gewähren den Anspruch auf Auskunftserteilung aus_______________
1 Vgl. etwa Redeker/v. Oertzen, § 123 VwGO Rz. 11; Schröer-Schallenberg, S. 173 f. 2 Vgl. etwa die Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht und zur Durchsetzung des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruchs; Einzelheiten und weitere Beispiele bei Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 940 ZPO Rz. 12 ff. 3 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 174; Löffler/Ricker, Kap. 22 Rz. 5; Wente, S. 276. 4 VG Berlin AfP 2000, 594; BayVGH AfP 2005, 473 = NJW 2005, 3358; VG Cottbus AfP 2008, 114. 5 VG Arnsberg AfP 2007, 69. 6 Einzelheiten dazu oben Tz. 19 f.
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§ 4 Tz. 79
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
schließlich gegenüber den Behörden und können auf Auskunftsersuchen an private Individuen oder Unternehmen und Verbände auch nicht entsprechend angewandt werden.1 Auch unmittelbar aus Art. 5 GG kann ein Auskunftsanspruch gegenüber privaten Personen und anderen nicht staatlichen Stellen nicht abgeleitet werden. Selbst die Anwendung der Lehre von der Drittwirkung der Grundrechte, mithin der eingeschränkten Geltung der Grundrechte auch gegenüber Privaten, führt nicht dazu, dass aus dem Grundrecht der Pressefreiheit ein Anspruch auf Informationserteilung gegenüber Privaten abgeleitet werden könnte.2 79
Privatpersonen, Unternehmen oder Verbänden obliegt auch keine Verpflichtung zu pressefreundlichem Verhalten.3 Private, die sich den Informationsersuchen der Medien verweigern, mögen dadurch zwar häufig gegen ihre eigenen Interessen handeln. Denn sie müssen damit rechnen, dass die Medien alles daran setzen werden, sich Informationen, die sie direkt vom Objekt ihres Interesses nicht erhalten, auf anderem Wege zu beschaffen, und das Eingehen auf die Informationswünsche der Medien könnte ihnen zugleich die Möglichkeit eröffnen, auf die künftige Berichterstattung einzuwirken und dafür zu sorgen, dass Fehler vermieden werden. Rechtspflichten verletzen Private durch Informationsverweigerung jedoch in aller Regel nicht. Grundsätzlich steht es vielmehr jedermann außerhalb des hoheitlichen Bereichs frei zu entscheiden, ob und inwieweit er sich mit den Medien einlassen und ob er es fördern, lediglich tolerieren oder im Rahmen seiner Möglichkeiten verhindern will, dass Meldungen über ihn publiziert werden. Die Medien erfüllen zwar bei ihrer Recherchearbeit nach der Definition der Landespressegesetze eine öffentliche Aufgabe. Das ändert aber nichts daran, dass sie Privatrechtssubjekte sind und in Erfüllung ihrer Aufgaben auf der Ebene des Privatrechts agieren; letzteres gilt auch für die publizistische Tätigkeit der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten.4 Die Medien treten damit den privaten Personen oder Unternehmen, für die sie sich im Einzelfall interessieren, ausschließlich auf privatrechtlicher Ebene als gleichgeordnete Institutionen und nicht etwa mit einem irgendwie gearteten hoheitlichen Auftrag oder Anspruch gegenüber.
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Steht damit den Medien nach verfassungs- und medienrechtlichen Grundsätzen gegenüber Privaten kein Auskunftsanspruch zu, so kann sich doch im Ausnahmefall Gegenteiliges im Verhältnis der Medien zu Unternehmen aus allgemeingültigen zivilrechtlichen Kriterien wie insbesondere dem Verbot sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB oder dem Behinderungs- oder Diskriminierungsverbot nach § 20 GWB ergeben.5 So kann etwa eine Behinderungsmaßnahme im Sinn dieser Bestimmungen vorliegen, wenn Nachrichtenagenturen bestimmte Medien ohne sachlichen Grund von der Belieferung mit _______________
1 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 71; LG Frankfurt/Main AfP 1989, 572. 2 OLG München AfP 1985, 222; LG Frankfurt/Main AfP 1989, 572; Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 72; Stober, AfP 1981, 389. 3 Steffen, AfP 1988, 117. 4 BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; zur nichthoheitlichen Einordnung der Recherchetätigkeit der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten oben Tz. 20. 5 Steffen, AfP 1988, 117; Wente, S. 194.
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Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche
Tz. 83 § 4
Nachrichten ausschließen. Dem Ausgeschlossenen kann in einer derartigen Situation ein klagbarer Anspruch auf Abschluss und anschließende Erfüllung eines Informationslieferungsvertrages zustehen. Denkbar ist ein Verstoß gegen die genannten privatrechtlichen Behinderungsverbote aber auch in Fällen, in denen etwa Großunternehmen Pressestellen unterhalten, die im Prinzip allen oder allen in Betracht kommenden Medien Auskünfte erteilen, ein bestimmtes Medium oder einen bestimmten Journalisten aber ohne sachlichen Grund ausschließen. Im Gegensatz zu derartigen Ausnahmekonstellationen wird eine Berufung auf die rechtlichen Gesichtspunkte der §§ 826 BGB oder 20 GWB zur Begründung eines Auskunftsersuchens gegenüber privaten Individuen wohl immer ausgeschlossen sein; Ausnahmefälle sind insoweit kaum denkbar. Als Rechtsgrundlage für einen Informationsanspruch gegenüber Individuen kommen allenfalls Informationsverträge in Betracht. Hat sich jemand gegenüber einer Redaktion hinsichtlich bestimmter Vorgänge vertraglich zur Auskunftserteilung verpflichtet, so wird er an derartige Vereinbarungen in der Regel gebunden und demgemäß auch verpflichtet sein, die gewünschten Informationen zu erteilen. Rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit derartiger Vereinbarungen sind in der Regel nicht ersichtlich.1
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Das Recht, einen Journalisten mit der Begründung von der Informationserteilung auszuschließen, man habe mit seiner Art der Berichterstattung unliebsame Erfahrungen gemacht oder sei mit der Tendenz des betreffenden Mediums nicht einverstanden, steht privaten Unternehmen, anders als den staatlichen Behörden, ebenfalls zu. Und keinesfalls reicht es zur Begründung eines Auskunftsanspruchs gegenüber einem Privaten aus, darauf hinzuweisen, dass der Betreffende einem anderen Medium bereits Auskünfte zu der interessierenden Thematik erteilt oder sich ihm gegenüber zur Auskunftserteilung verpflichtet habe. Auch Exklusivvereinbarungen über bestimmte Informationen oder Vorgänge,2 die von außenstehenden Journalisten nicht selten als Einschränkung ihrer journalistische Freiheit empfunden werden, werden in ihrer Rechtswirksamkeit nicht durch das Bestreben anderer Medien in Frage gestellt, sich unter Berufung auf die genannten zivilrechtlichen Behinderungsverbote gleichen Zugang zu den gewünschten Informationen zu beschaffen.
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b) Folgen der Auskunftsverweigerung Sind damit Private prinzipiell nicht auskunftspflichtig, so obliegt es allein den Medien zu entscheiden, welche Konsequenzen sie im Einzelfall aus der Verweigerung einer erbetenen Auskunft ziehen wollen. Schon im Geltungsbereich der gesetzlichen Auskunftspflichten enthebt die Erteilung einer Auskunft die Medien keineswegs von der Verantwortung für den Inhalt der Meldung, die sie unter Verwendung der Auskunft formulieren und verbreiten; Anderes kann unter dem rechtlichen Aspekt der privilegierten Quelle allenfalls insoweit gelten, als es um die tatsächliche Richtigkeit des Inhalts einer _______________
1 Vgl. dazu Wente, S. 188 ff. 2 Dazu unten § 7 Tz. 48 ff.
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§ 4 Tz. 83a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
von einer Behörde erteilten Auskunft geht.1 Umso mehr tragen in Konstellationen, in denen sie sich um Auskünfte bei Privaten bemühen, mit diesem Bemühen aber mangels eines gesetzlichen Anspruchs und mangels freiwilliger Kooperation der Befragten scheitern, ausschließlich die Medien das Risiko der Veröffentlichung. Wird eine private Person oder Institution durch eine Veröffentlichung in ihren Rechten verletzt, so können die Medien gegenüber daraus resultierenden Ansprüchen nicht etwa mit Erfolg einwenden, der Betreffende habe es selbst zu vertreten, dass die Berichterstattung Fehler enthalte, weil er sich geweigert habe, Auskünfte zu erteilen.2 83a
Sofern die Medien allerdings ansonsten mit der gebotenen Sorgfalt recherchiert haben, können sie sich auf den rechtfertigenden Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, wenn sie den Betroffenen zwar nicht angehört, sich aber hierum jedenfalls bemüht haben und mit diesem Bemühen an seiner Weigerung gescheitert sind, die erbetenen Auskünfte zu erteilen.3 Unter diesem Gesichtspunkt kann auch ein vergebliches Bemühen der Medien um Auskünfte der Betroffenen aus dem nicht staatlichen Bereich das Veröffentlichungsrisiko im Ergebnis reduzieren. Und wer unter Berufung auf sein Recht, jede Kooperation mit den Medien zu verweigern, die Beantwortung von Anfragen der Medien ablehnt, erhöht damit u.U. nicht nur das Risiko einer Falschberichterstattung, sondern auch dasjenige, dass sich die Medien auf die Rechtmäßigkeit ihrer gegebenenfalls fehlerhaften Berichterstattung berufen können.
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Grundsätzlich aber gilt die Feststellung, dass die Medien das Risiko solcher Veröffentlichungen zu tragen haben, an deren Verifizierung die betroffenen privaten Personen oder Unternehmen nicht mitgewirkt haben, auch wenn sie darum durch entsprechende Auskunftsersuchen gebeten worden sind. Das gilt sogar dann, wenn die betreffende Redaktion im Rahmen der Veröffentlichung darauf hinweist, dass der Betroffene zwar um eine Stellungnahme gebeten wurde, dieser Bitte jedoch nicht entsprochen hat. Auch ein solcher Hinweis schränkt das Veröffentlichungsrisiko nicht ein. Er kann stattdessen unter Umständen seinerseits haftungsrechtlich problematisch sein. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn durch die konkrete Ausformulierung und Platzierung des Hinweises beim Leser oder Zuschauer der Eindruck erweckt wird, als habe der Betroffene mit seiner Weigerung, der Presse Auskunft zu erteilen, konkludent zum Ausdruck gebracht, dass an den gegen ihn erhobenen Vorwürfen etwas Wahres sei, oder als stelle die Auskunftsverweigerung einen Verstoß gegen rechtliche oder soziale Verpflichtungen dar.
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1 Dazu oben § 2 Tz. 21. 2 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 72; OLG Hamburg UFITA 1976, 354. 3 Dazu oben § 2 Tz. 22 ff.; unten § 15 Tz. 1 ff.
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§5 Akten- und Registereinsicht Einen Rechtsanspruch darauf, Einsicht in Akten und Unterlagen staatlicher Behörden oder Organisationen zu nehmen, sehen die Landespressegesetze und die ihnen entsprechenden rundfunkrechtlichen Normen nicht vor. Ein solcher medienspezifischer Akteneinsichtsanspruch ist auch aus sonstigen rechtlichen Gesichtspunkten nicht herzuleiten; allerdings vermitteln nach neuerer Rechtslage die Informationsfreiheitsgesetze in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich derartige Ansprüche, die zwar nicht speziell für die Medien geschaffen wurden, die aber auch von ihnen geltend gemacht werden können. Im privaten Bereich, in dem, wie dargestellt, schon ein Auskunftsanspruch der Medien allenfalls in extremen Ausnahmesituationen in Betracht kommt, lässt sich ein Anspruch auf Akteneinsicht schlechthin nicht begründen.
1
Gegenüber staatlichen Stellen fordern die Medien jedoch gelegentlich die Gewährung von Einsicht in besondere öffentliche Register wie insbesondere Handels- und Unternehmensregister, Grundbücher oder Schuldnerverzeichnisse.1 Ähnlich wie beim Anspruch auf Einsicht in die Akten von Zivilprozessen2 geht es in den Gesetzen, die die Führung dieser Register anordnen und ihre Benutzung regeln, nicht in erster Linie um Informationen über staatliches Handeln, wie sie Gegenstand des medienrechtlichen Auskunftsanspruchs sind, sondern um Informationen, die staatliche Stellen nur verwalten, die der Sache nach aber Private betreffen. Die einschlägigen Bestimmungen sind damit ihrer Natur nach nicht medienspezifisch und verfolgen primär Zwecke aus dem Regelungsbereich der jeweiligen Spezialgesetze und daneben heute in der Regel auch den Schutz der Persönlichkeitsrechte derjenigen, die von den jeweiligen Registereintragungen betroffen sind. Daraus ist aber kein generelles Verbot der Nutzung derartiger Register als Informationsquelle der Medien abzuleiten. Aus dem Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit leitet sich vielmehr ein schutzwürdiges Interesse gerade auch der Medien am Zugang zu öffentlichen Datensammlungen und Registern ab, das auch dann geltend gemacht werden kann, wenn derartige Register, wie insbesondere das Grundbuch, für die Öffentlichkeit nur in beschränktem Umfang zugänglich sind.
2
Das Bundesverfassungsgericht3 leitet dieses schutzwürdige Interesse der Medien mit Recht unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ab, ohne auf die medienrechtlichen Bestimmungen über den Auskunftsanspruch zurück zu greifen. Denn trotz der unterschiedlichen Zielsetzung der gesetzlichen Bestimmungen über die öffentlichen Register im Vergleich zu den Bestimmungen über den medienrechtlichen Auskunftsanspruch sind auch die Gerichte und sonstigen Dienststellen, die die öffentlichen Register führen, staatliche Stellen; das gilt gemäß der ausdrücklichen Bestimmung des § 9a Abs. 1 Satz 2
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1 Zu den Insolvenzbekanntmachungen vgl. schon oben § 4 Tz. 68 f. 2 Oben § 4 Tz. 61 ff. 3 BVerfG AfP 2000, 559 = NJW 2001, 503 – Grundbucheinsicht durch Pressevertreter.
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§ 5 Tz. 3
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
HGB auch für die Verlag Bundesanzeiger GmbH, die zur Zeit mit der Führung des elektronischen Unternehmensregisters beliehen ist und insoweit die Funktion einer Justizbehörde wahrnimmt. Der Anspruch der Medien auf Einsicht in die öffentlichen Register ergibt sich damit in erster Linie unmittelbar aus den speziellen registerrechtlichen Normen, die allerdings, wie das Bundesverfassungsgericht1 ebenfalls entschieden hat, auch die Grenzen des Zugangs zu den in ihnen enthaltenen Informationen definieren können. Daneben kann dieser Anspruch im Einzelfall allerdings auch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleiten sein. 1. Handels- und Unternehmensregister 3
Keine rechtlichen Probleme ergeben sich in diesem Zusammenhang im Bereich des heute elektronisch geführten Handels- und Unternehmensregisters. Die Einsicht in diese Register und in die dazu eingereichten Schriftstücke ist jedermann,2 also auch den Medien, gestattet. Das bedarf für die zum Register eingereichten Schriftstücke besonderer Betonung, weil erst der Inhalt der Registerakten häufig diejenige Information vermittelt, auf die es bei der Recherche ankommt. So kann etwa bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung dem Unternehmensregister die Höhe des Stammkapitals und die Identität der Geschäftsführer und Prokuristen, erst der dazu geführten Registerakte aber entnommen werden, wer die Gesellschafter sind. Das Recht, in diese Unterlagen Einsicht zu nehmen, kann heute in der Regel über die Website Unternehmensregister.de auf elektronischem Wege wahrgenommen werden.3 Das gilt auch für die von den Unternehmen nach den einschlägigen bilanzrechtlichen Vorschriften zu veröffentlichenden Jahresabschlüsse.
4
Der Anspruch auf Einsichtnahme in die Unternehmensdaten dient der Transparenz des Handelsverkehrs und der an ihm teilnehmenden Personen und Unternehmen. Er ist prinzipiell uneingeschränkt4 und darf nicht etwa wegen fehlenden berechtigten Interesses oder eines Verdachts des Missbrauchs versagt werden. Einer Berufung auf den gesetzlichen Auskunftsanspruch bedarf es daher nicht, wenn die Medien Sachverhalte aufklären wollen, die aus dem Handels- oder Unternehmensregister und den dazu geführten Akten ersichtlich sind. Der Auskunftsanspruch nach den Landespressegesetzen kann aber im Einzelfall über den Inhalt dieser Dokumente hinausgehen und dann eine sinnvolle Ergänzung zum allgemeinen Einsichtsrecht darstellen. Ein Anspruch auf Zulassung der Übernahme des kompletten Handelsregisters zum Zweck der gewerblichen Verbreitung der daraus ersichtlichen Informationen kann jedoch aus §§ 9 ff. HGB nicht hergeleitet werden.5
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1 BVerfG AfP 2000, 559 = NJW 2001, 503 – Grundbucheinsicht durch Pressevertreter; BVerfG AfP 2000, 566. 2 § 9 Abs. 1 Satz 1 HGB. 3 § 9 Abs. 2 HGB. 4 BGH WM 1989, 1299 = WRP 1990, 325; Baumbach/Hopt, § 9 HGB Rz. 1. 5 BGH WM 1989, 1299 = WRP 1990, 325.
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Akten- und Registereinsicht
Tz. 6 § 5
2. Schuldnerverzeichnis Probleme ergeben sich hingegen heute im Zusammenhang mit dem gemäß § 915 ZPO von den Amtsgerichten als Vollstreckungsgerichten geführten Schuldnerverzeichnis. Dort werden diejenigen Personen registriert, die nach ergebnislosen Vollstreckungsversuchen in den letzten drei Jahren eine eidesstattliche Offenbarungsversicherung gemäß § 807 ZPO oder § 284 AO abgegeben oder sich der Verpflichtung dazu entzogen haben und gegen die daher gemäß § 901 ZPO Haftbefehl ergangen ist; die Eintragung ist nach Ablauf von drei Jahren und vor Ablauf dieser Frist dann zu löschen, wenn der Schuldner seine Verbindlichkeiten beglichen hat.1
5
Der Gesetzgeber hat die Nutzung des Schuldnerverzeichnis nunmehr äußerst restriktiv geregelt. Während gemäß § 915 Abs. 3 ZPO a.F. über das Bestehen oder Nichtbestehen einer bestimmten Eintragung im Schuldnerverzeichnis auf Antrag jedermann Auskunft zu erteilen war und auch Einsicht in das Verzeichnis gewährt werden konnte, dürfen nach der heute geltenden Fassung von § 915 Abs. 3 ZPO personenbezogene Informationen aus diesem Verzeichnis nur für Zwecke der Zwangsvollstreckung verwendet werden sowie zum Zweck der Erfüllung gesetzlicher Pflichten zur Prüfung der wirtschaftlichen Zuverlässigkeit des Schuldners, der Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von öffentlichen Leistungen oder zur Abwendung von wirtschaftlichen Nachteilen, die daraus entstehen können, dass Schuldner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, und schließlich zur Verfolgung von Straftaten. Die Informationen dürfen obendrein nur für den Zweck verwendet werden, für den sie übermittelt worden sind. Zudem bestimmt das Gesetz ausdrücklich,2 dass das Gericht auf Antrag Auskunft über den eine bestimmte Person betreffenden Inhalt des Schuldnerverzeichnisses nur dann erteilt, wenn dargelegt wird, dass die Auskunft für einen der genannten Zwecke erforderlich ist.
5a
Damit scheidet ein Zugriff der Medien auf das Schuldnerverzeichnis jedenfalls unter Berufung auf § 915 Abs. 3 ZPO aus. Die gewisse Prangerwirkung der Eintragung, die der Gesetzgeber früher mit der Einräumung einer Auskunftsverpflichtung gegenüber jedermann bewusst in Kauf genommen hatte, um säumige Schuldner dazu anzuhalten, ihre Schulden möglichst zügig zu bezahlen,3 hält er in Abwägung mit dem Grundrecht der Menschenwürde aus Art. 1 GG und dem aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht mehr für gerechtfertigt. Dem fortbestehenden Anliegen der Wirtschaft an Informationen über die Bonität insbesondere künftiger Vertragspartner stellt die Neufassung von §§ 915 ff. ZPO nun ausdrücklich das Prinzip des Schuldnerschutzes gegenüber.4 Sinn des Schuldnerverzeichnisses ist es damit jedenfalls heute unter keinen Umständen, den Medien eine direkte Informationsmöglichkeit über die Zahlungsmoral der Bürger zu geben.
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§ 915a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO. § 915b Abs. 1 ZPO. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann (57. Aufl. 1999), § 915 ZPO Rz. 3. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Rz. 3 f. vor § 915 ZPO.
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§ 5 Tz. 6a 6a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Dessen ungeachtet kann sich aber der Auskunftsanspruch der Medien nach den für sie geltenden landesrechtlichen Bestimmungen und Staatsverträgen auch auf den Inhalt des Schuldnerverzeichnisses richten kann. Denn da der Bundesgesetzgeber im Bereich des Presse- und Rundfunkrechts keine Gesetzgebungskompetenz hat,1 ist er auch nicht in der Lage, den Geltungsbereich der Landespressegesetze und der inhaltsgleichen rundfunkrechtlichen Bestimmungen über den Auskunftsanspruch der Medien durch die Neufassung der Zivilprozessordnung einzuschränken. Allerdings wird gerade im Zusammenhang mit Recherchen zum heiklen Thema privater Verschuldung von Individuen der Gesichtspunkt der Wahrung schutzwürdiger privater Interessen2 immer zu berücksichtigen sein und eine Auskunftserteilung nur in Betracht kommen, wenn im Einzelfall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im Rahmen der gebotenen Abwägung einen höheren Stellenwert hat. Das kann, wie etwa auch bei der Berichterstattung über strafrechtliche Verurteilungen,3 insbesondere dann der Fall sein, wenn die Medien Anhaltspunkte dafür haben, dass sich ein Bewerber um ein öffentliches Amt oder um eine herausragende privatwirtschaftliche Position mit spezifisch finanzieller Verantwortung so verschuldet hatte, dass er seine Verpflichtungen nicht mehr erfüllen konnte und daher in das Schuldnerverzeichnis eingetragen werden musste. 3. Grundbuch
7
Anders als im Fall des Handels- und Unternehmensregisters ist die Einsicht in das Grundbuch nicht jedermann gestattet, sondern gemäß § 12 Abs. 1 GBO nur demjenigen, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Gleiches gilt für die Urkunden, auf die im Grundbuch zur Ergänzung einer Eintragung Bezug genommen wird, sowie für unerledigte Eintragungsanträge. Als berechtigtes Interesse im Sinn dieser Bestimmung kommt auch das Berichterstattungsinteresse der Medien in Betracht.4 Unter der Voraussetzung der Darlegung des berechtigten Interesses kann auch die Erteilung von Abschriften5 oder von Auskünften aus elektronisch gespeicherten Verzeichnissen verlangt werden, zu deren Führung die Grundbuchämter berechtigt, aber nicht verpflichtet sind.6 a) Grundbuchrecht
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Die Auslegung dieser Bestimmungen durch die für die Auskunftserteilung zuständigen Rechtspfleger7 und die im Rechtsbehelfsverfahren zuständigen _______________
1 Die über Jahrzehnte in Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG vorgesehene so genannte Rahmenkompetenz des Bundes für die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse, die der Bundesgesetzgeber nie genutzt hatte, wurde im Rahmen der Föderalismusreform 2006 gestrichen. 2 Oben § 4 Tz. 72 ff. 3 Dazu unten § 19 Tz. 24 ff. 4 BVerfG AfP 2000, 559 = NJW 2001, 503 – Grundbucheinsicht durch Pressevertreter. 5 § 12 Abs. 2 GBO. 6 § 12a Abs. 1 GBO. 7 § 12c Abs. 1 GBO.
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Akten- und Registereinsicht
Tz. 10 § 5
Gerichte ist regional unterschiedlich. Traditionell wird sie jedoch überwiegend restriktiv gehandhabt, werden also an die Darlegung des berechtigten Interesses hohe Anforderungen gestellt. Dies wird vor allem mit dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass das gesetzlich geregelte Recht zur Einsicht in das Grundbuch ausschließlich den Zweck habe, die zivilrechtlichen Funktionen der Publizität des Grundbuchs im Sinn von §§ 891, 893 BGB zu ergänzen; sie diene nur der Erhaltung der Rechtssicherheit im Grundstücksverkehr und dem Umgang mit Rechten am Grundeigentum.1 Folgte man dieser restriktiven Auslegung, so wäre die Grundbucheinsicht oder die Forderung nach Erteilung von Abschriften aus dem Grundbuch prinzipiell nur zulässig, wenn und soweit sie für den Rechtsverkehr mit Grundstücken erforderlich ist, also im Rahmen des Erwerbs, der Veräußerung oder Belastung von Grundstücken sowie im Rahmen von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Informationsinteressen der Medien könnten dann ein Ersuchen um Gewährung von Grundbucheinsicht oder Erteilung von Abschriften schlechthin nicht legitimieren. Diese in der Vergangenheit herrschende Praxis der Grundbuchämter wird jedoch dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitenden Informationsermittlungsanspruch der Medien nicht gerecht und ist daher verfassungsrechtlich nicht haltbar.2 Denn die Tätigkeit der Grundbuchämter dient zwar – wie diejenige der Handels- und Unternehmensregister sowie der Schuldnerverzeichnisse – primär der Regelung des Privatrechtsverkehrs. Sie ist dennoch Ausübung staatlicher Gewalt. An den von ihnen bearbeiteten Vorgängen kann daher ein legitimes Informationsinteresse der Medien im Sinn von § 12 GBO bestehen wie an anderem Verwaltungshandeln auch.3 Dafür genügt jedes verständige, durch die jeweilige konkrete Sachlage begründete Interesse.4 Dass dazu auch Gesichtspunkte der historischen Forschung gehören können, hat der Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt.5
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Mit Recht haben daher Gerichte6 den Medien den Anspruch auf Grundbucheinsicht zunächst in Fällen zugesprochen, in denen es um den Umgang der Verwaltung mit öffentlichem Grundeigentum und damit fraglos um einen Gegenstand eines originären Informationsinteresses der Medien ging, bei dem entgegenstehende Belange Privater nicht in Rede stehen. Auch der Verdacht, ein gewählter kommunaler Vertreter habe seinen Informationsvorsprung aus nicht öffentlichen Sitzungen dazu ausgenutzt, ein bestimmtes Grundstück zu erwerben, um es wenig später der Kommune zur Verwirklichung eines ihm bekannten Bauvorhabens mit Gewinn weiterzuverkaufen, rechtfertigt das Grundbucheinsichtsverlangen der Medien.7
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1 Wente, S. 167. 2 BVerfG AfP 2000, 559 = NJW 2001, 503 – Grundbucheinsicht durch Pressevertreter; BVerfG AfP 2000, 566. 3 So ausdrücklich OLG Hamm AfP 1988, 267 = NJW 1988, 2482; Demharter, § 12 GBO Rz. 10. 4 OLG Stuttgart RPfl 1970, 92; OLG Hamm RPfl 1971, 107; LG Mosbach AfP 1990, 63. 5 § 12c Abs. 1 Nr. 1 GBO; vgl. dazu Demharter, § 12 GBO Rz. 11. 6 LG Frankfurt/Main AfP 1979, 245; LG Stuttgart AfP 1984, 171. 7 LG Mosbach AfP 1990, 63.
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§ 5 Tz. 11
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
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Jedoch ist der Zugriff der Medien auf das Grundbuch nicht auf Fälle beschränkt, in denen sich aus ihm Rückschlüsse auf ein Verhalten öffentlicher Verwaltung oder öffentlicher Funktionsträger gewinnen lassen. Auch Konstellationen, in denen es um rechtliche oder wirtschaftliche Verhältnisse Privater geht, können das erforderliche berechtigte Interesse an der Grundbucheinsicht begründen.1 In Anlehnung an die Abwägungskriterien der medienrechtlichen Bestimmungen über den Auskunftsanspruch und namentlich dasjenige der Berücksichtigung entgegenstehender schutzwürdiger privater Belange ist bei der Entscheidung über derartige Auskunftsersuchen aber zwischen dem Informationsinteresse der Medien und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des im Grundbuch Eingetragenen abzuwägen. Denn die Grundbucheinsicht gibt der Öffentlichkeit nicht nur Aufschluss über gegenwärtige und frühere Eigentümer eines Grundstücks, sondern auch über dessen Belastung mit Hypotheken und Grundschulden sowie beispielsweise über eingetragene Nacherben- oder Zwangsversteigerungsvermerke und damit über faktische Verhältnisse, die jedenfalls für den Regelfall als vertraulich angesehen werden und hinsichtlich deren die Eigentümer auf die Wahrung der Vertraulichkeit durch die Register in der Regel vertrauen dürfen. Es kann daher im Einzelfall insbesondere zweifelhaft sein, ob Medien und Öffentlichkeit ein berechtigtes Informationsinteresse nicht nur hinsichtlich des Eigentümers eines Grundstücks, sondern auch hinsichtlich eingetragener Belastungen haben.
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Aus diesem Grund verlangt die Rechtsprechung2 in derartigen Fällen zur Begründung des Einsichtsersuchens, dass die Medien einen konkreten Bezug des Gegenstands ihrer Recherche zu dem in Rede stehenden Grundstück darlegen. An diese Darlegung werden strenge Anforderungen gestellt. So reicht es nicht aus, dass sich die Presse ganz generell für die finanzielle Situation eines Prominenten und seiner Familie interessiert und mit dieser Begründung Einsicht in das Grundbuch eines der Ehefrau des Betroffenen gehörenden Grundstücks begehrt.3 Das Rechercheinteresse, das das berechtigte Interesse an der Einsichtnahme begründen soll, muss sich vielmehr aus einem Verhalten oder Verhältnissen des Eigentümers ergeben, die über die Befriedigung schlichter Neugier hinaus gehen. Das Interesse etwa einer Redaktion daran, in wessen Eigentum eine Luxusvilla steht, die von einem Lokalpolitiker bewohnt wird, dessen bekannte Einkommensverhältnisse ihm das Wohnen in einem derartigen Objekt nicht gestatten, oder wem das Luxusobjekt gehört, in dem ein stadtbekannter Unternehmer noch immer wohnt, obwohl er bereits vor geraumer Zeit für seine Unternehmungen ein Insolvenzverfahren hat anmelden müssen, würde das erforderliche rechtliche Interesse an der Einsichtnahme fraglos begründen.
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1 BVerfG AfP 2000, 559 = NJW 2001, 503 – Grundbucheinsicht durch Pressevertreter; BVerfG AfP 2000, 566. 2 BVerfG AfP 2000, 559 = NJW 2001, 503 – Grundbucheinsicht durch Pressevertreter; BVerfG AfP 2000, 566. 3 KG AfP 2002, 39 = NJW 2002, 223 = ZUM 2001, 878.
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Akten- und Registereinsicht
Tz. 14 § 5
Nicht selten vertreten die Medien die Auffassung, das Erfordernis der Darlegung eines konkreten Recherchevorhabens gegenüber dem Grundbuchamt verstoße sowohl gegen Aspekte des Redaktionsgeheimnisses als auch gegen das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 3 GG. Die These, hier stehe eine Verletzung des Zensurverbots in Rede, hat jedoch das Bundesverfassungsgericht mit der zutreffenden Begründung verworfen, dass nicht die Veröffentlichung einer Information von einer vorherigen Kontrolle durch eine staatliche Stelle abhängig gemacht, sondern die Vorfrage geklärt wird, ob etwas überhaupt zum Gegenstand einer Presseveröffentlichung gemacht werden darf.1 Demgegenüber lässt sich ein gewisser Widerspruch zwischen der Forderung, die Medien müssten zur Begründung eines Einsichtsersuchens ein konkretes Recherchevorhaben darlegen, und dem ebenfalls durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Redaktionsgeheimnis2 nicht verkennen. Er kann nur aufgelöst werden, wenn im Einzelfall an die Spezifizierung des Recherchegegenstands unter besonderer Berücksichtigung der Medienfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.
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Insbesondere aus diesem Grund war es mit dem Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit nicht zu vereinbaren, in entsprechender Anwendung des Abwägungsgebots der medienrechtlichen Bestimmungen über den Auskunftsanspruch das Einsichtsrecht der Medien einer doppelten Einschränkung zu unterwerfen. Zu Unrecht hat insbesondere das Oberlandesgericht Hamm3 angenommen, das Grundbuchamt habe im Fall des Einsichtsersuchens einer Redaktion nicht nur zu prüfen, ob der Gegenstand des konkret darzulegenden aktuellen Informationsinteresses den Anspruch auf Grundbucheinsicht begründen könne; es müsse vielmehr den jeweiligen Eigentümer vor Gewährung der Grundbucheinsicht anhören. Diese Ansicht lief im Ergebnis auf eine unzulässige Beschränkung des Informationsanspruchs der Medien hinaus und hatte zur Folge, dass sie von ihrem Recht der Grundbucheinsicht in der Regel keinen Gebrauch machen konnten. Denn die Medien haben ein legitimes Interesse daran, dass ihre Recherchenarbeit nicht zu einem frühen und von ihnen nicht zu kontrollierenden Zeitpunkt bekannt wird. Haben sie zwar in der Regel den Betroffenen im Zuge ihrer Recherche anzuhören,4 so obliegt doch die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem sie das tun, ausschließlich ihnen. Die Auffassung, das Grundbuchamt müsse – oder dürfe auch nur – den Eigentümer anhören, bevor es den Medien Einsicht gewährt, findet aber schon im Gesetz selbst keine Stütze. Denn auch in den sonstigen Fällen eines anerkannten berechtigten Interesses ist eine derartige Anhörung nicht vorgesehen5; dem Eigentümer steht gegen die Gewährung der Einsicht noch nicht einmal ein Rechtsbehelf zur Verfügung.6 Bundesgerichtshof7 und Bundesverfassungsgericht8 haben daher die Auffassung, den Medien stehe der Anspruch
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BVerfG AfP 2000, 559 = NJW 2001, 503 – Grundbucheinsicht durch Pressevertreter. Dazu BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher; unten § 11 Tz. 6. OLG Hamm AfP 1988, 267 = NJW 1988, 2482. Oben § 2 Tz. 22 f. BGH NJW 1981, 1563; LG Mosbach AfP 1990, 63, 64. BGH NJW 1981, 1563. BGH NJW 1981, 1563. BVerfG AfP 2000, 559 = NJW 2001, 503 – Grundbucheinsicht durch Pressevertreter.
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§ 5 Tz. 15
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
auf Grundbucheinsicht nur unter dem Vorbehalt der vorherigen Information oder gar Zustimmung des jeweiligen Eigentümers zu, mit Recht verworfen.1 b) Landespressegesetze 15
Neben den Anspruch auf Einsichtnahme nach der Grundbuchordnung kann stets auch der Anspruch auf Auskunftserteilung nach den medienrechtlichen Auskunftsnormen treten.2 Denn wenn in der Regel ein legitimes Informationsinteresse der Medien daran zu bejahen ist, ob eine bestimmte Person oder Institution eingetragener Eigentümer eines Grundstücks ist, ihrer Information über eingetragene Belastungen oder Verfügungsbeschränkungen hingegen schutzwürdige private Belange entgegenstehen, so kann der daraus resultierende Konflikt in der Praxis dadurch gelöst werden, dass das Grundbuchamt zwar die Einsicht in das Grundbuch unter Berufung auf ein nicht hinreichend dargelegtes berechtigtes Interesse verweigert, den Medien aber die Auskunft über diejenigen Einzelheiten aus dem Grundbuch erteilt, um die es ihnen mit dem Antrag auf Einsicht tatsächlich geht.3 Eine restriktive Handhabung des Einsichtsrechts durch die Grundbuchämter ist mit dem verfassungsrechtlich begründeten Informationsrecht der Medien daher allenfalls dann vereinbar, wenn die Grundbuchämter anstelle der Einsichtsgewährung Auskunft über diejenigen Inhalte des Grundbuchs erteilen, die nicht besonders schützenswert sind. 4. Melderegister
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Für die Recherchenarbeit der Medien praktische Bedeutung können schließlich die Auskunftsregelungen der §§ 17 ff. MRRG haben. Danach besteht für jedermann und damit auch für die Medien ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer so genannten einfachen Melderegister-4 oder Massenauskunft.5 Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass das Mindestmaß an Information in das Auskunftsersuchen eingegeben wird, das der Gesetzgeber verlangt. Das ist bei der Massenauskunft die Nennung des Namens des Gesuchten, bei der einfachen Meldeauskunft die Nennung jedenfalls derjenigen Daten, die eine Individualisierung des Gesuchten nach den im Melderegister vorhandenen Kriterien ermöglichen. Diese Auskünfte können gemäß § 1a MRRG heute unter bestimmten Voraussetzungen auch über das Internet abgerufen werden. Demgegenüber besteht auf die so genannte erweiterte Meldeauskunft,6 die neben Namen und Anschrift des Gesuchten noch weitere Daten beinhaltet wie das Geburtsdatum, frühere Namen und Anschriften sowie Familienstand und Staatsangehörigkeit, ein Rechtsanspruch nur bei Darlegung eines berechtigten Interesses. _______________
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Zustimmend Demharter, § 12 GBO Rz. 23. Wente, S. 168. Vgl. dazu etwa BVerfG AfP 2000, 566. § 21 Abs. 1 Satz 1 MRRG. § 21 Abs. 1 Satz 2 MRRG. § 21 Abs. 2 MRRG.
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Akten- und Registereinsicht
Tz. 17 § 5
Wie schon beim entsprechenden Tatbestandsmerkmal im Rahmen des § 12 GBO wird die Berufung auf den gesetzlichen Auskunftsanspruch der Medien regelmäßig zur Begründung dieses berechtigten Interesses ausreichen, sofern nur dessen Voraussetzungen dargelegt werden können.1 Gleiches gilt auch im Rahmen der so genannten Gruppenauskunft nach § 21 Abs. 3 MRRG in Verbindung mit Bestimmungen des Landesrechts, die nur erteilt werden darf, wenn sie im öffentlichen Interesse liegt. Die Bestimmung des § 21 Abs. 4 MRRG, nach der die erteilte Auskunft nur zu dem Zweck verwertet werden darf, zu dem sie erteilt wurde, kann allerdings für die Medien bei verfassungskonformer Auslegung im Hinblick auf ihren durch das Grundgesetz verbrieften Informationsanspruch keine Geltung beanspruchen. Der Gesichtspunkt, dass mit der Bejahung des Auskunftsanspruchs noch keine Vorentscheidung darüber verbunden ist, ob die Medien die erlangte Auskunft auch veröffentlichen dürfen, verdient aber auch in diesem Zusammenhang Beachtung.
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1 Wente, S. 161, der auf die vergleichbare Problematik im Rahmen des BDSG verweist.
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§6 Zutritt zu Veranstaltungen 1
Die Einholung von Auskünften bei staatlichen oder privaten Stellen sowie die Einsichtnahme in Register allein reichen als Methode der Informationsbeschaffung nicht aus. Die Medien haben vielmehr ein grundsätzlich legitimes Bedürfnis daran, sich aus erster Hand zu informieren. Das setzt innerhalb der durch die Rechtsordnung gezogenen Grenzen ihre Fähigkeit voraus, bei Ereignissen und Veranstaltungen, die sich eines legitimen Interesses der Öffentlichkeit erfreuen, präsent zu sein. Nur so können sie in vielen Fällen ihrer gesetzlich fundierten Aufgabe zur Teilnahme an der Meinungsbildung, insbesondere durch die Veröffentlichung von Stellungnahmen und Kritik1 gerecht werden. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen den Medien ein Recht zusteht, dabei zu sein, hat damit nicht minder große Bedeutung als diejenige, ob und in welchem Umfang sie die Erteilung von Auskünften oder die Gewährung von Registereinsicht verlangen können. 1. Veranstaltungen staatlicher Stellen
2
Die Teilnahme der Öffentlichkeit und damit auch von Vertretern der Medien an Veranstaltungen des Staats im weitesten Sinn ist von der Rechtsordnung weitgehend gewährleistet, wenn sie auch nur zum Teil spezialgesetzlich geregelt ist. Dabei beschränkt sich das Recht auf Teilnahme in der Regel allerdings auf das Recht zum Zuhören bzw. Zuschauen. Ein Anspruch auf aktive Teilnahme an den jeweiligen Verhandlungen besteht demgegenüber nicht. a) Parlamentssitzungen
3
Mit dieser Einschränkung gilt die Gewährleistung der Teilnahme der Öffentlichkeit an Veranstaltungen des Staats zunächst für die Sitzungen des Bundestags einschließlich derjenigen der von ihm eingesetzten Untersuchungsausschüsse sowie des Bundesrats, deren Sitzungen jeweils öffentlich sind.2 Gleiches gilt für die Sitzungen der Parlamente von Ländern3 und Gemeinden,4 die in der Regel ebenfalls öffentlich und damit für jedermann zugänglich sind. Dieses für den Parlamentsbereich unumstrittene Öffentlichkeitsprinzip hat keine medienspezifische Komponente; es ist vielmehr unmittelbarer Ausdruck des Demokratieprinzips und berechtigt damit die Medien (nur) wie jedermann, jederzeit an den entsprechenden Sitzungen teilzunehmen. Vom Öffentlichkeitsprinzip unberührt bleibt das Recht dieser Gremien, die Öffentlichkeit in bestimmten Fällen von den Verhandlungen auszuschließen,5 sowie das Hausrecht der Veranstalter, aus dem sich einzelne Beschränkungen erge_______________
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§ 3 LPG NRW; ähnlich alle übrigen Landespressegesetze bis auf Hessen. Art. 42 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 3 Satz 2 GG. Vgl. etwa. Art. 42 Satz 1 Verfassung NRW. Vgl. etwa § 48 Abs. 2 Satz 1 Gemeindeordnung NRW. Vgl. etwa Art. 42 Abs. 1 Satz 2, 44 Abs. 1 Satz 2 und 52 Abs. 3 Satz 3 GG.
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Zutritt zu Veranstaltungen
Tz. 5 § 6
ben können. Das gilt etwa für die speziell die Medien berührende Frage, ob und in welchem Umfang im Sitzungsraum Bild- und Tonaufnahmen hergestellt werden dürfen. Aus dem Hausrecht kann sich sogar eine faktische Zutrittssperre ergeben, wenn die Kapazität des jeweiligen Sitzungsraums wegen starken Andrangs zu besonders interessierenden Veranstaltungen nicht ausreicht, um allen Interessierten Zugang zu gewähren; dagegen sind auch die Medien rechtlich nicht geschützt. Rechtliche Schranken des Rechts auf Teilnahme an Parlamentssitzungen, die sich speziell an die Medien richten, kommen aber nicht in Betracht. Soweit Parlamente und ihre Ausschüsse aufgrund gesetzlicher Ermächtigung im Ausnahmefall unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen, können allerdings auch die Medien ein Zutrittsrecht nicht beanspruchen. b) Gerichtsverhandlungen Eingehend gesetzlich geregelt ist die Teilnahme der Öffentlichkeit und der Medien an Gerichtsverhandlungen. Auch die Rechtsprechung ist Teil der staatlichen Gewalt. Geschichtliche Erfahrung und ein Blick in die Praxis heutiger totalitärer Regime lehrt, dass insbesondere im Bereich der Strafrechtspflege die Gefahr des Missbrauchs staatlicher Macht groß ist. Folglich ist das Prinzip der Transparenz der Rechtspflege für die Öffentlichkeit, als deren Mittler die Medien fungieren, unverzichtbar. Dem tragen die Regelungen der §§ 169 ff. GVG Rechnung, indem sie für den Regelfall die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen vorsehen; hingegen sind die Medien Hörfunk und Fernsehen auch heute noch prinzipiell nicht berechtigt, den Verlauf von Gerichtsverhandlungen durch Ton- und Bildaufnahmen zu dokumentieren.
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aa) Öffentlichkeitsprinzip Die Verhandlung vor den Gerichten einschließlich der Verkündung von Entscheidungen ist öffentlich. Das gilt für die Straf- und Zivilgerichte aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit des Gerichtsverfassungsgesetzes auf diese Verfahrensarten, gilt aber auch für die Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und schließlich die Finanzgerichtsbarkeit1; hier allerdings mit der Einschränkung, dass die Öffentlichkeit schon dann auszuschließen ist, wenn ein Beteiligter, nicht aber die Finanzverwaltung dies verlangt.2 Auch für Disziplinarverfahren nach dem Bundesdisziplinargesetz und für Verfahren vor dem Richterdienstgericht gilt heute das Öffentlichkeitsprinzip.3 Für Verfahren nach der Bundesrechtsanwaltsordnung hingegen ist das Öffentlichkeitsprinzip durch den Gesetzgeber mit der Maßgabe ausdrücklich ausgeschlossen, dass die Beteiligten die Herstellung der Öffentlichkeit verlangen können.4 Ausgeschlossen ist die Öffentlichkeit auch in Strafverfahren gegen Jugendliche.5 _______________
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§§ 55 VwGO, 52 ArbGG, 61 SGG, 52 FGO, jeweils i.V.m. §§ 169 ff. GVG. § 52 Abs. 2 FGO. §§ 3 BDG und 63 DRiG verweisen insoweit generell auf die Bestimmungen der VwGO. §§ 40 Abs. 3 Satz 4, 135 Abs. 1 Satz 2 BRAO. § 48 Abs. 1 JGG; soweit Heranwachsende angeklagt werden, ist die Verhandlung jedoch im Prinzip öffentlich, § 48 Abs. 3 JGG.
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5
§ 6 Tz. 6
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
6
Auch von den im Prinzip öffentlichen Gerichtsverhandlungen kann allerdings die Öffentlichkeit und damit auch die Presse ausgeschlossen werden, wenn Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich von Prozessbeteiligten oder Zeugen zur Sprache kommen werden, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige private Interessen verletzen würde.1 Auf Verlangen einer insoweit betroffenen Person ist das Gericht sogar verpflichtet, die Öffentlichkeit auszuschließen.2 Gegen diese Entscheidung stehen ordentliche Rechtsbehelfe nicht zur Verfügung.3 Der Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht, durch die auf Antrag eines ausgeschlossenen Pressevertreters dessen Zulassung verfügt würde, kommt zwar prinzipiell in Betracht, wird aber nur erfolgreich sein können, wenn im Ausnahmefall erkennbar ist, dass die schutzwürdigen privaten Belange deutlich hinter dem Berichterstattungsinteresse zurückstehen müssen.4
6a
Zulässig ist der Ausschluss der Öffentlichkeit auch in anderen, im Gerichtsverfassungsgesetz ausdrücklich genannten Fällen wie etwa dann, wenn private Geheimnisse erörtert werden sollen, deren Offenbarung strafbar ist,5 oder in Fällen der Gefährdung der Staatsicherheit oder des Lebens oder der Gesundheit von Verfahrensbeteiligten.6 Bei der Entscheidung des Gerichts über den Ausschluss der Öffentlichkeit in diesen Fällen ist im Hinblick auf die damit verbundene Beschränkung der Informationsmöglichkeiten der Medien eine Güterabwägung anhand der Umstände des Einzelfalls unerlässlich. Bei ihrer Durchführung ist insbesondere die Bestimmung des § 175 Abs. 2 GVG zu beachten. Danach kann auch bei grundsätzlichem Ausschluss der Öffentlichkeit einzelnen Personen, zu denen auch Vertreter der Medien gehören können,7 die Teilnahme an der Verhandlung gestattet werden. Das Gericht hat auch die Möglichkeit, eine eingeschränkte Öffentlichkeit herzustellen, gleichzeitig aber hinsichtlich derjenigen Angelegenheiten, die in der nur teilweise öffentlichen Verhandlung erörtert werden, die zur Teilnahme Zugelassenen nach § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG zur Geheimhaltung zu verpflichten. Zur Beachtung dieser Geheimhaltungspflicht sind auch zur Verhandlung zugelassene Vertreter der Medien verpflichtet, und eine Verletzung dieser Verpflichtung ist nach § 353d Nr. 2 StGB strafbar.8
7
Öffentlich ist in allen gerichtlichen Verfahren aber nur die mündliche Verhandlung, im Strafverfahren mithin die Hauptverhandlung. Daher können die Medien nicht beanspruchen, zu Vorbereitungsmaßnahmen der Gerichte zugelassen zu werden. Auch haben sie keinen Anspruch darauf, zur Vorbereitung ihrer Teilnahme an einer Hauptverhandlung oder im zeitlichen Zusammen-
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§ 171b Abs. 1 Satz 1GVG. § 171b Abs. 2 GVG. § 171b Abs. 3 GVG. BVerfG NJW 2007, 672. § 172 Nr. 3 GVG. § 172 Nr. 1 und 2 GVG. Kissel/Mayer, § 175 GVG Rz. 13. Dazu unten § 12 Tz. 78.
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Zutritt zu Veranstaltungen
Tz. 9 § 6
hang mit ihr Zugang zu einem Angeklagten in der Untersuchungs-1 oder Auslieferungshaft2 zu erhalten. bb) Hörfunk- und Fernsehaufnahmen Während mithin Journalisten prinzipiell Zutritt zu Gerichtsverhandlungen haben, verbietet § 169 Satz 2 GVG die Herstellung von Ton-, Film- oder Fernsehaufnahmen von Gerichtsverhandlungen zu Zwecken der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts. Der Gesetzgeber hat dieses Verbot im Hinblick auf die traditionell in erster Linie im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Strafverfahren wie folgt begründet:
8
„Rundfunk- und Filmaufnahmen im Gerichtssaal gehen über die in § 169 GVG gewährleistete Öffentlichkeit der Hauptverhandlung weit hinaus und gefährden nicht nur die Wahrheitsfindung im Strafverfahren, sondern beeinträchtigen auch die Verteidigung des Angeklagten. Sie lenken den Angeklagten und die Zeugen von der Hauptverhandlung ab. Sie hindern unter Umständen den Angeklagten und den Verteidiger wegen der Scheu vor einem unbeschränkten, unübersehbaren und unsichtbaren Zuhörer- oder Zuschauerkreis, ihre Aussagen und Erklärungen so zu gestalten, wie es das Verteidigungsinteresse erfordert. Sie vereiteln den Zweck des § 243 Abs. 2 StPO, wonach die Zeugen bei der Vernehmung des Angeklagten nicht zugegen sein dürfen, und ermöglichen es späteren Zeugen zu hören, was früher vernommene Zeugen ausgesagt haben. Sie legen auch den Zeugen und Sachverständigen Hemmungen bei ihren Aussagen auf und beeinträchtigen ihre Unbefangenheit. Den noch nicht verurteilten Angeklagten zerren sie in einer oft unerträglichen Weise in das Scheinwerferlicht einer weiten Öffentlichkeit.“3 (Hervorhebung vom Verf.)
Für andere Verfahren mit Ausnahme derjenigen vor dem Bundesverfassungsgericht4 gilt das Verbot der Herstellung von Ton- oder Fernsehaufnahmen jedoch gleichermaßen. Das Verbot betrifft allerdings nur die Herstellung von Ton-, Film- und Fernsehaufnahmen. Die Berichterstattung der Redaktionen von Hörfunk und Fernsehen als solche ist davon ebenso wenig betroffen5 wie das Recht der Medien, während der Verhandlung Lichtbilder oder Zeichnungen von den Prozessbeteiligten anfertigen zu lassen.6 Ein Reporter kann daher nicht etwa mit der Begründung von einer Verhandlung ausgeschlossen werden, er plane, unter Verwendung von anderweitig beschafftem Bildmaterial oder schriftlicher Notizen im Fernsehen oder Hörfunk über den Verhandlungsverlauf zu berichten. Das Verbot der Herstellung von Ton-, Fernseh- oder Filmaufnahmen gilt absolut, und zwar auch für Ortsbesichtigungen.7 Es kann auch nicht durch übereinstimmende Erklärungen aller Prozessbeteiligten außer Kraft gesetzt werden.8 Selbst der Wunsch etwa eines beteiligten Strafverteidigers, den Verlauf _______________
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BerlVerfGH NJW 1994, 3343. BVerfG AfP 1995, 596. BT-Drucks. IV/178, 45. Dazu unten Tz. 12. Kissel/Mayer, § 169 GVG Rz. 67; BVerfG AfP 1999, 258; BVerfG NJW 1996, 583. Dazu aber unten Tz. 13. Kissel/Mayer, § 169 GVG Rz. 67; Meyer-Goßner, § 169 GVG Rz. 8. BGHSt 22, 83; Kissel/Mayer, § 169 GVG Rz. 66 m.N.
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§ 6 Tz. 10
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
der Hauptverhandlung oder auch nur einer Beweisaufnahme zu Zwecken der Auswertung im Rahmen der Prozessführung auf Tonträger aufzunehmen, rechtfertigt eine Durchbrechung dieses Prinzips nicht.1 Wenngleich das Verbot durch das Wertesystem des Grundgesetztes nicht gefordert wird und damit als solches keinen Verfassungsrang hat, ist es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts2 bei verfassungskonformer Auslegung auch unter Berücksichtigung der Grundrechts der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch in diesem Zusammenhang wirkt sich damit der Umstand aus, dass das Bundesverfassungsgericht die Auffassung vertritt, es sei in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, durch Schaffung allgemein verbindlicher Zutrittsregeln festzulegen, ob und inwieweit Informationsquellen allgemein zugänglich sind, und der Gesetzgeber sei in diesem Zusammenhang auch befugt, Modalitäten des Zugangs festzulegen; dazu gehöre auch der Ausschluss der Herstellung von Fernseh- und Tonaufnahmen.3 Es ist damit auch allein der Gesetzgeber, der das Verbot aufheben oder in geeigneter Weise lockern könnte. 10
Das Verbot der Herstellung von Ton- und Fernsehaufnahmen gilt aber auch im Gerichtssaal nicht, solange die Verhandlung noch nicht begonnen hat, sowie während der Verhandlungspausen und nach Schluss der Verhandlung.4 Über die Frage, ob und in welchem Umfang Hörfunk und Fernsehen in diesen Stadien des Verfahrens Gelegenheit zur Herstellung von Bild- und Tonaufnahmen zu geben ist, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts in Ausübung der ihm übertragenen Sitzungsgewalt.5
10a
Dabei hat der Gerichtsvorsitzende jedoch dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit angemessen Rechnung zu tragen.6 Sitzungspolizeiliche Anordnungen eines Gerichtsvorsitzenden, die die Rundfunkveranstalter und die für sie vor Ort präsenten Aufnahmeteams daran hindern, in dem danach prinzipiell erlaubten Rahmen vor Beginn der Verhandlung Aufnahmen anzufertigen, sind ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Gerichtsvorsitzende hat daher der Bedeutung der Freiheit der Rundfunkberichterstattung und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, bevor er derartige Aufnahmen untersagt.7 Das Interesse etwa der am Verfahren mitwirkenden Richter und Staatsanwälte, nicht gefilmt zu werden, rechtfertigt ein Verbot, vor und nach der Hauptverhandlung oder in Sitzungspausen im Sitzungssaal zu filmen, nicht.8 Sie stehen vielmehr als diejenigen, die ein staatliches Gerichtsverfahren zu gestalten haben, selbst im Blickpunkt der _______________
1 OLG Düsseldorf NJW 1990, 2898. 2 BVerfG AfP 2001, 48; BVerfG AfP 2001, 48 = NJW 2001, 1633 = ZUM 2001, 220 – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen; vgl. aber unten Tz. 10a. 3 BVerfG AfP 2001, 48 = NJW 2001, 1633 = ZUM 2001, 220 – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen. 4 BGHSt 23, 123; BVerfG NJW 1995, 184; Meyer-Goßner, § 169 GVG Rz. 8; Löffler/ Ricker, Kap. 16 Rz. 11; Kissel/Mayer, § 169 GVG Rz. 63. 5 § 176 GVG. 6 BVerfG AfP 1992, 359 = NJW 1992, 3288 – Honecker I; BVerfG AfP 2009, 244. 7 BVerfG AfP 2000, 454; BVerfG AfP 2009, 244; Lehr, NStZ 2001, 63 ff. 8 BVerfG AfP 2000, 454; Lehr, NStZ 2001, 63 ff.; BVerfG AfP 2007, 344 = NJW-RR 2007, 1416 = ZUM 2007, 845; BVerfG AfP 2007, 551.
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Zutritt zu Veranstaltungen
Tz. 10c § 6
Öffentlichkeit1 und sind daher auch nicht berechtigt, die Herstellung von Fernsehaufnahmen dadurch zu behindern, dass sie den Gerichtssaal erst nach Aufruf der Sache und damit zu einem Zeitpunkt betreten, zu dem das Verbot des § 169 Satz 2 GG prinzipiell greift.2 Mit der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit war es daher etwa im Prozess gegen Erich Honecker nicht vereinbar, die Herstellung von Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal vor Verhandlungsbeginn unter Berufung auf die Sitzungsgewalt des Vorsitzenden schlechthin zu unterbinden. Das Bundesverfassungsgericht3 hat das – eingeschränkte – Recht von Fernsehveranstaltern, auch im Gerichtssaal Aufnahmen herzustellen, in jenem Verfahren zunächst im Wege einer einstweiligen Anordnung gewährleistet und die darin getroffene vorläufige Sachentscheidung später bestätigt.4 Die damit begründete Spruchpraxis entspricht seither ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,5 dessen Anrufung insbesondere in Eilverfahren immer wieder erforderlich wird, weil insbesondere Strafgerichte vielfach versuchen, sich der Berichterstattung durch den Rundfunk auch insoweit zu entziehen, als sie durch § 169 Satz 2 GVG gerade nicht untersagt ist.
10b
Bei der Entscheidung über die Zulassung von Aufnahmen im Sitzungssaal hat der Gerichtsvorsitzende im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens allerdings neben dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit auch andere Aspekte zu berücksichtigen.6 Dazu können neben Sicherheitsaspekten und denjenigen eines geordneten Verfahrensablaufs insbesondere auch die Persönlichkeitsrechte anderer Verfahrensbeteiligter als der mitwirkenden Richter und Staatsanwälte, mithin insbesondere diejenigen der Angeklagten und gegebenenfalls der am Verfahren mitwirkenden Opfer gehören. Dies führt verschiedentlich zu Anordnungen, dass das Gesicht des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten vor der Verbreitung der im Sitzungssaal hergestellten Aufnahmen unkenntlich zu machen ist. Derartige Einschränkungen stellen nicht per se eine unzulässige Einschränkung der Berichterstattungsfreiheit dar, können vielmehr im Hinblick auf die betroffenen Persönlichkeitsrechte gerechtfertigt sein.7 Das hat das Bundesverfassungsgericht etwa angenommen im Fall eines Verfahrens gegen mutmaßliche El-Kaida-Angehörige wegen der Gefahr für Leib und Leben der Angeklagten und weiterer am Verfahren beteiligter Personen,8 im Fall eines Strafverfahrens gegen einen wegen Abgeord-
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1 BVerfG AfP 2009, 244 = NJW 2009, 2117; Lehr, NStZ 2001, 63 ff. 2 BVerfG AfP 2007, 344 = NJW-RR 2007, 1416 = ZUM 2007, 845; BVerfG AfP 2007, 551; BVerfG AfP 2008, 497 = NJW 2008, 977 = ZUM 2008, 321 = WRP 2008, 348. 3 BVerfG AfP 1992, 359 = NJW 1992, 3288 – Honecker I. 4 BVerfG AfP 1994, 213 = NJW 1995, 184 – Honecker II. 5 BVerfG AfP 2000, 454; BVerfG AfP 2002, 213; BVerfG NJW 2003, 2523; BVerfG AfP 2007, 117 = NJW-RR 2007, 986 = MMR 2007, 306; BVerfG AfP 2007, 344 = NJW-RR 2007, 1416 = ZUM 2007, 845; BVerfG AfP 2008, 497 = NJW 2008, 977 = ZUM 2008, 321 = WRP 2008, 348. 6 BVerfG AfP 2008, 497 = NJW 2008, 977 = ZUM 2008, 321 = WRP 2008, 348. 7 BVerfG AfP 2002, 213; BVerfG NJW 2003, 2523; BVerfG AfP 2007, 117 = NJW-RR 2007, 986 = MMR 2007, 306; BVerfG AfP 2009, 244 = NJW 2009, 2117. 8 BVerfG AfP 2002, 213.
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§ 6 Tz. 10d
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
netenbestechung angeklagten Kommunalpolitiker1 sowie im so genannten Holzklotz-Fall,2 in dem der Vorsitzende der zuständigen Strafkammer im Interesse der Unschuldsvermutung die Unkenntlichmachung von Bildern des Angeklagten angeordnet hat, dem vorgeworfen wurde, durch das Werfen eines Holzklotzes von einer Autobahnbrücke ein darunter her fahrendes Fahrzeug getroffen und eine Insassin des Fahrzeugs getötet zu haben. 10d
Im Interesse der Aufrechterhaltung eines geordneten Verfahrens und eines funktionierenden Gerichtsbetriebs kann es auch geboten sein, die Anzahl der Hörfunk- oder Fernsehteams, die im Gerichtssaal Aufnahmen machen wollen, zu beschränken.3 Die Praxis hat dazu die so genannten Pool-Lösungen entwickelt, die es einem Fernsehveranstalter erlauben, im Sitzungssaal Aufnahmen zu machen, dies allerdings nur unter der Bedingung, dass er das hergestellte Signal anderen interessierten Veranstaltern zur Verfügung stellt.4 In diesem Rahmen ist es Aufgabe der Gerichte, durch geeignete Auflagen gegenüber den zugelassenen Veranstaltern sicherzustellen, dass diese das gewonnene Material anderen interessierten Medienvertretern unentgeltlich oder gegen Kostenbeteiligung zur Verfügung stellen. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Ausschluss einzelner Teams bei gleichzeitiger Zulassung anderer gerechtfertigt sein.5 Das Kammergericht6 hat allerdings zutreffend und mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts7 entschieden, dass nur diejenigen Medien Anspruch auf Überlassung des Materials durch den Poolführer haben, die sich an dem jeweiligen Pool beteiligt oder dies jedenfalls ernsthaft versucht haben.
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Die Tätigkeit von Rundfunk- und Fernsehjournalisten vor dem Gerichtsgebäude oder innerhalb des Gebäudes vor dem Verhandlungssaal, etwa bei Ankunft oder Abfahrt der Prozessbeteiligten, ist vom Verbot des § 169 Satz 2 GVG schlechthin nicht erfasst. Insoweit sind allerdings das Hausrecht des Gerichtspräsidenten und die sitzungspolizeiliche Anordnungsbefugnis des Vorsitzenden des jeweiligen Spruchkörpers gemäß § 176 GVG zu beachten, die berechtigt sind, spezielle oder generelle Anordnungen zur Gewährleistung eines funktionsfähigen Gerichtsbetriebs einschließlich eines ungestörten Zugangs zum Gerichtsgebäude zu erlassen.8
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Für Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht lässt § 17a Abs. 1 BVerfGG als ausdrückliche Ausnahme zu § 169 Satz 2 GVG Ton-, Fernsehund Filmaufnahmen zu bestimmten Zeitpunkten während der Verhandlung grundsätzlich zu. Sowohl die öffentliche Verkündung von Entscheidungen darf in Bild und Ton festgehalten werden als auch die mündliche Verhandlung _______________
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BVerfG AfP 2007, 551. BVerfG AfP 2009, 46 = NJW 2009, 350 = ZUM 2009, 216 – Holzklotz-Fall. Zur Raumkapazität generell vgl. unten Tz. 14. BVerfG AfP 1992, 359 = NJW 1992, 3288 – Honecker I; BVerfG AfP 2008, 497 = NJWRR 2008, 1069. BVerfG AfP 2008, 97 = NJW 2008, 977 = ZUM 2008, 321 = WRP 2008, 348; BVerfG BVerfG AfP 2008, 497 = NJW 2008, 1069. KG AfP 1997, 729 = NJW-RR 1997, 789. BVerfG NJW-RR 2008, 1069. BGH NJW 1982, 947.
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Zutritt zu Veranstaltungen
Tz. 13 § 6
bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Gericht die Anwesenheit der Beteiligten festgestellt hat.1 Mit dieser gesetzlichen Sonderbestimmung trägt der Gesetzgeber dem besonders hohen Öffentlichkeitswert der Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht sowie der Tatsache Rechnung, dass Fragen des Persönlichkeitsschutzes, denen das besondere Augenmerk des Gesetzgebers im Rahmen des § 169 Satz 2 GVG gilt,2 in jenen Verfahren jedenfalls in der Regel keine Rolle spielen. Die Zulässigkeit von Ton- und Film- oder Fernsehaufnahmen gemäß § 17a BVerfGG setzt des Weiteren voraus, dass sie zum Zweck der öffentlichen Vorführung angefertigt werden und nicht lediglich der Archivierung dienen; das schließt allerdings nicht aus, dass sie nach der öffentlichen Vorführung zu Beweis- und Überprüfungszwecken aufbewahrt werden.3 Entsprechend den Bestimmungen in §§ 169 ff. GVG ist auch das Bundesverfassungsgericht berechtigt, die prinzipielle Erlaubnis von Hörfunk-, Fernseh- oder Filmaufnahmen zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens aufzuheben oder einzuschränken.4 Auf die Zeiträume unmittelbar vor Beginn und nach Abschluss der Verhandlung innerhalb oder außerhalb des Gerichtsgebäudes sowie auf Verhandlungspausen, für die bereits das Verbot des § 169 Satz 2 GVG nicht gilt,5 ist auch § 17a BVerfGG nicht anwendbar.6
12a
cc) Fotografieren Ein Verbot der Herstellung von Fotografien lässt sich der Vorschrift des § 169 Satz 2 GVG nicht entnehmen.7 Inwieweit im Gerichtssaal fotografiert werden darf, bestimmt vielmehr der Gerichtsvorsitzende in Ausübung des ihm gesetzlich übertragenen Hausrechts nach §§ 176 ff. GVG, ohne dass den Medien insoweit größere Rechte zustünden als der sonstigen anwesenden Öffentlichkeit. Auch für Bildjournalisten, die im Gerichtssaal fotografieren wollen, kann des Vorsitzende des Gerichts entsprechend der Praxis der Fernsehberichterstattung Pool-Lösungen anordnen.8 Im Allgemeinen werden die Gerichte berechtigt sein, die Anfertigung von Fotografien wegen des damit verbundenen Stör- und Ablenkungseffekts nach Eintritt in die Verhandlung nicht mehr zu gestatten. Auch kann die Tätigkeit von Fotojournalisten innerhalb eines Gerichtsgebäudes von der Erteilung einer schriftlichen Erlaubnis des Gerichtspräsidenten abhängig gemacht werden, um sicherzustellen, dass den Journalisten generelle sitzungspolizeiliche Anordnungen über den organisatorischen Ablauf nachweislich bekannt sind, zu deren Erlass der Gerichtspräsident kraft seines Hausrechts befugt ist.9 Soweit trotz eines gerichtlichen Verbots Auf_______________
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§ 17a Abs. 1 Nr. 1 und 2 BVerfGG. Vgl. die Begründung zu § 169 GVG, oben Tz. 8. Maunz/Schmidt-Bleibtreu/v. Coelln, § 17a BVerfGG Rz. 79. § 17a Abs. 2 BVerfGG. Tz. 10. Maunz/Schmidt-Bleibtreu/v. Coelln, § 17a BVerfGG Rz. 11. LG Berlin AfP 1994, 332; Lehr, NStZ 2001, 63 ff. BVerfG AfP 2008, 497 = NJW-RR 2008, 1069. BVerfG NJW-RR 2007, 1053.
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§ 6 Tz. 14
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
nahmen hergestellt werden, kann den Betroffenen derselbe Schutz gegen die Anfertigung und gegebenenfalls Veröffentlichung der Bilder zustehen, der sich aus den auch außerhalb des Gerichtssaals geltenden allgemeinen Grundsätzen ergibt.1 dd) Raumkapazität 14
Gerade bei aufsehenerregenden Gerichtsverfahren spielt das Problem der Kapazität von Verhandlungsräumen als faktischer Zutrittsschranke immer wieder eine Rolle.2 In der Praxis versuchen die Gerichte, dem Informationsanspruch der Medien dadurch Rechnung zu tragen, dass sie den jeweils größten geeigneten Verhandlungsraum zur Verfügung stellen. Dazu sind sie allerdings nicht ohne Weiteres verpflichtet. Dem Vorsitzenden des jeweiligen Gerichts steht insoweit vielmehr ein Ermessen zu,3 bei dessen Ausübung er allerdings neben Anderem wie etwa schutzwürdigen Belangen der Verfahrensbeteiligten auch den Informationsanspruch der Medien zu berücksichtigen hat; der bloße Hinweis eines Gerichts auf die Überfüllung eines Verhandlungsraums reicht zur Rechtfertigung der Verweigerung des Zutritts weiterer Interessierter solange nicht aus, als mit zumutbaren Mitteln auf einen größeren Sitzungssaal ausgewichen werden kann. Auf der anderen Seite besteht kein Anspruch der Medien darauf, dass auf einen Saal außerhalb des Gerichtsgebäudes ausgewichen oder dass die Verhandlung mittels Lautsprechern oder Fernsehmonitoren in andere Säle oder die Flure des Gerichtsgebäudes übertragen wird.4 Der vom Gesetzgeber mit dem Verbot von Film- oder Fernsehaufnahmen während der Verhandlung verfolgte Zweck, die Verfahrensbeteiligten vor der Beobachtung durch ein unübersehbares Publikum zu schützen, würde auch auf diese Weise verfehlt.
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Reicht in Anbetracht des öffentlichen Interesses an einer Verhandlung die Raumkapazität nicht aus, dürfen die Gerichte Eintrittskarten vergeben. Dabei dürfen sie vorsehen, dass ein Teil der vorhandenen Plätze für Pressevertreter reserviert wird5 und dass die reservierten Plätze nach dem Zeitpunkt des Erscheinens zugeteilt werden.6 Zugelassene Pressevertreter haben aber keinen Anspruch darauf, dass ihnen der einmal eingenommene Platz dauerhaft reserviert bleibt; das Gericht kann vielmehr auch anordnen, dass ein für die Presse vorgesehener Platz durch einen anderen Journalisten eingenommen werden darf, wenn derjenige, der ihn zuerst innehatte, den Sitzungssaal verlässt.7
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Aus übergroßem Interesse der Öffentlichkeit und fehlender Raumkapazität herrührende Arbeitsbeschränken müssen die Medien hinnehmen, weil das Prinzip der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen nicht in erster Linie dem Unterhaltungs- oder gar Sensationsbedürfnis der Öffentlichkeit, sondern _______________
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LG Berlin AfP 1994, 332; dazu unten § 9 Tz. 3 ff. Vgl. dazu Kissel/Mayer, § 169 GVG Rz. 25 ff. Kissel/Mayer, § 169 GVG Rz. 26. BVerfG NJW 1993, 915. BGH AfP 2006, 238. BVerfG NJW 2003, 500. BVerfG NJW 2003, 500.
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Zutritt zu Veranstaltungen
Tz. 17 § 6
der Kontrolle und kritischen Begleitung der Rechtspflege durch die Öffentlichkeit dient.1 Dieses Ziel wird nicht beeinträchtigt, wenn zwar eine größere Anzahl von Presseberichterstattern, nicht aber alle interessierten Journalisten an einer Verhandlung teilnehmen können. Wo Medienverbünde bestehen, wie etwa bei den in der ARD zusammengeschlossenen öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten, wird es in der Regel genügen, wenn bei Raummangel einem Korrespondenten Zutritt gewährt wird, auf dessen Material die übrigen Mitglieder des Verbunds zurückgreifen können.2 c) Pressekonferenzen Uneingeschränkten Zutritt haben Behörden den Medienvertretern im Prinzip auch zu Pressekonferenzen zu gewähren. Auf die Möglichkeit der Teilnahme an ihnen werden die Medien sogar in besonderem Maße angewiesen sein, um ihrer Aufgabe zur Berichterstattung aus dem politischen Bereich nachkommen zu können und sich nicht gegenüber anderen Medien Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt zu sehen. Der Ausschluss von Vertretern einer bestimmten Zeitung wegen deren politischer oder publizistischer Grundhaltung ist daher unzulässig.3 Als zulässig gilt es jedoch, zu Pressekonferenzen mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die einem besonderen Sicherheitsrisiko ausgesetzt sind, wie etwa ausländischen Staatsoberhäuptern oder Ministern, nur solche Journalisten zuzulassen, die sich einer besonderen Sicherheitsüberprüfung unterzogen haben.4 Im Hinblick auf die notwendiger Weise hohen Sicherheitsstandards, die mit der Gewährung des Zutritts insbesondere zum Bundeskanzleramt und den Bundesministerien verknüpft sein müssen, organisiert etwa das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung diese Überprüfung durch das Verfahren der jährlichen Akkreditierung. Die Möglichkeit, sich um eine solche Akkreditierung zu bemühen, sich als deren Voraussetzung der Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen und auf diese Weise die Berechtigung zur Teilnahme an den Pressekonferenzen der Behörden zu erlangen, müssen die Behörden aber jedem Journalisten einräumen, ohne zuvor anhand seiner politischen Grundhaltung oder derjenigen des von ihm repräsentierten Mediums selektieren zu dürfen. Sicherheitsbedenken, die die Versagung einer Akkreditierung rechtfertigen könnten, lassen sich auch nicht schon daraus ableiten, das ein Bewerber mutmaßlich in eine Demonstrationsstraftat verwickelt war, wenn das gegen ihn eingeleitete Strafverfahrens gemäß § 153 StPO eingestellt wurde.5
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Hingegen kann eine Selektion nach Sachkunde jedenfalls dann zulässig sein, wenn es in behördlichen Pressekonferenzen um Komplexe geht, deren Verständnis und publizistische Behandlung eine besondere Sachkunde verlangt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht6 etwa angenommen im Fall der Veran-
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1 Kissel/Mayer, § 169 GVG Rz. 26; Kurtz, AfP 1997, 448. 2 BVerfG NJW 1993, 915; zu den Pool-Lösungen für konkurrierende Veranstalter vgl. schon oben Tz. 10d. 3 VG Berlin AfP 1985, 77; Einzelheiten schon oben § 4 Tz. 31 ff. 4 Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 145. 5 VG Berlin AfP 2004, 477. 6 BVerwG AfP 1975, 762.
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§ 6 Tz. 18
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
staltung einer Pressefahrt durch die – damals noch öffentlichrechtlich organisierte – Deutsche Bundesbahn, die die Teilnahme vom Nachweis einer vorherigen einschlägigen fachjournalistischen Tätigkeit abhängig machte. Derartige Auswahlkriterien kollidieren jedoch mit dem Neutralitätsgebot für jede staatliche Informationspolitik.1 Bei ihrer Zulassung ist daher schon im Hinblick darauf größte Zurückhaltung geboten, dass die Überlagerung der Forderung des Nachweises besonderer Sachkunde durch sachfremde Kriterien nicht ausgeschlossen werden und dass es den Behörden nicht gestattet sein kann, über die Forderung des Nachweises früherer einschlägiger journalistischer Tätigkeit im Ergebnis eine Zugangssperre für die publizistische Behandlung bestimmter fachspezifischer Sachverhalte zu errichten. 18
Besonderen Regeln unterliegen Pressekonferenzen, die nicht durch Behörden, sondern im Zusammenwirken mit ihnen durch die privatrechtlich organisierten Bundes- oder Landespressekonferenzen veranstaltet werden. So wird etwa in Hamburg aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Landesregierung, dem Senat und der in der Rechtsform des nicht eingetragenen Vereins organisierten Landespressekonferenz die wöchentliche Pressekonferenz des Senats zwar im Rathaus, jedoch nicht vom Senat, sondern vom Verein Landespressekonferenz veranstaltet, deren Vorsitzendem oder sonstigem Versammlungsleiter der Senat bei dieser Gelegenheit auch das Hausrecht überträgt; auch bei der Bundespressekonferenz handelt es sich um die Veranstaltung einer privaten Vereinigung in der Rechtsform des eingetragenen Vereins.
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In diesen Konstellationen obliegt es organisationsrechtlich zunächst den privaten Veranstaltern, das Zutrittsrecht über die Gestaltung ihrer Satzung und namentlich der Bestimmungen über die Aufnahme von Mitgliedern und die Zulassung zur Teilnahme an den Pressekonferenzen zu regeln. Der Ausschluss von bestimmten Journalisten oder Vertretern bestimmter Medien von der Mitgliedschaft, jedenfalls aber von der Teilnahme an den Pressekonferenzen darf jedoch nicht ohne berechtigten Grund erfolgen, und der Anspruch auf Aufnahme kann gemäß § 20 Abs. 6 GWB gegebenenfalls auch gerichtlich durchgesetzt werden. Zu Unrecht ausgeschlossene Journalisten können jedoch von den jeweiligen staatlichen Stellen die Gewährleistung des Zutritts verlangen. Denn es wäre mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Informationsanspruch der Medien nicht vereinbar, wenn staatliche Stellen sich der Verpflichtung zur Informationsgewährung dadurch entziehen könnten, dass sie die Veranstaltung von Pressekonferenzen privaten Vereinen überlassen und sich sodann gegenüber dem Wunsch einzelner Medienvertreter nach Teilnahme auf deren Verbandshoheit berufen.2
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Die Satzung des Bundespressekonferenz e.V. trägt diesen Gedanken dadurch Rechnung, dass sie zum Einen die Voraussetzungen der Aufnahme als Mitglied konkret und nachvollziehbar umschreibt und zum Anderen die Teilnahme von so genannten Ständigen Gästen an den Pressekonferenzen ausdrücklich zulässt. Sollten jedoch in Einzelfällen die in der Form des Vereins _______________
1 Dazu oben § 4 Tz. 31 ff. 2 Vgl. zur ähnlichen Problematik des Auskunftsanspruchs gegenüber privatrechtlich organisierten Unternehmen der öffentlichen Hand oben § 4 Tz. 19 f.
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Zutritt zu Veranstaltungen
Tz. 20a § 6
organisierten Pressekonferenzen interessierten Journalisten die Teilnahme an den im Zusammenwirken mit der Bundes- oder einer Landesregierung organisierten Veranstaltungen verweigern, ist die betreffende Regierung verpflichtet, durch Einwirken auf den Veranstalter oder in anderer geeigneter Weise den Zutritt der betreffenden Journalisten zu gewährleisten. Umgekehrt sind die Regierungen nicht dazu berechtigt, unter Berufung auf ihr Hausrecht ihnen politisch oder aus sonstigen Gründen missliebigen Mitgliedern oder Gästen der Bundes- oder Landespressekonferenz den Zutritt zu den mit ihrer Zustimmung in ihren Räumen durchgeführten Veranstaltungen zu verweigern.1 d) Öffentliche Ereignisse, Polizeiaktionen Sowohl rechtliche als auch praktische und ethische Probleme ergeben sich bei der Informationsbeschaffung von Unglücksfällen, gewalttätigen Aktionen oder spektakulären Kriminalfällen und der Berichterstattung über die Aktivitäten der Polizei aus derlei Anlässen.2 Als ein Beispiel von vielen mag der als Gladbecker Geiseldrama in die Kriminalgeschichte eingegangene Entführungsfall genannt werden, in dem sich Medien und Polizei nicht nur gegenseitig in der Verfolgung der Geiselnehmer und dem Versuch, mit ihnen Kontakt zu halten, behinderten, in dem einzelne Journalisten sich vielmehr dem Vorwurf aussetzten, durch Kooperation mit den Geiselnehmern deren Aktionen jedenfalls im Ergebnis unterstützt zu haben. In derartigen Situationen kann eine sehr konkrete Spannungslage zwischen dem legitimen Informationsinteresse der Medien und polizeilichen Aufgaben einschließlich des Ermessens der zuständigen Polizeibehörden hinsichtlich der richtigen Taktik im Umgang mit den Tätern bestehen.
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Zur Bewältigung dieses Konflikts haben die Innenministerkonferenz sowie die einschlägigen Berufsverbände der Medien im Jahre 1993 ein spezielles Regelwerk verabschiedet.3 In diesen so genannten Verhaltensgrundsätzen erkennen die Innenminister als Dienstherren der Polizei das Recht und die Pflicht der Medien zur authentischen und damit zeit- und ortsnahen Berichterstattung gerade von derartigen Ereignissen ausdrücklich an, bestätigen aber andererseits die Medienverbände, dass in etwaigen Konfliktfällen die Rechtsgüter Leben und Gesundheit der Beteiligten Vorrang vor den Informationsinteressen der Öffentlichkeit haben müssen.4 Ebenso wird als Prinzip festgestellt, dass Journalisten sich im Rahmen ihrer Arbeit nicht zum Werkzeug von Straftätern machen lassen dürfen und den Tätern während des Tathergangs keine
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1 OVG Bremen AfP 1990, 74 = NJW 1990, 931. 2 Dazu auch unten § 21 Tz. 10 ff. 3 Verhaltensgrundsätze für Presse/Rundfunk und Polizei zur Vermeidung von Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung; beschlossen von der Innenministerkonferenz am 26.11.1993, ARD, ZDF, Deutscher Presserat, Verleger-, Zeitungs- und Zeitschriftenverbänden, dem Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation und den journalistischen Berufsverbänden; Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1994, 441; vgl. hierzu und zur gesamten Problematik Tilmanns, in: Dögling/Gössel/Waltos, Kriminalberichterstattung in der Tagespresse, S. 255 ff. 4 Verhaltensgrundsätze Ziff. 5.
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§ 6 Tz. 21
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Gelegenheit zur öffentlichen Selbstdarstellung geben sollen.1 Wie der Name dieses Regelwerks dies richtig zum Ausdruck bringt, handelt es sich dabei aber nicht um bindende Rechtsnormen, sondern um Appelle an die Beteiligten, deren etwaige Verletzung als solche keine rechtlichen Sanktionen nach sich zieht; derartige Sanktionen können sich vielmehr auch im Anwendungsbereich der Verhaltensgrundsätze nur aus allgemein gültigen Gesetzen ergeben. 2. Private Veranstaltungen 21
Die Frage, ob, unter welchen Bedingungen und mit welchen Einschränkungen die Medien und ihre Vertreter das Recht haben, an privaten Veranstaltungen teilzunehmen, die Gegenstand eines berechtigten Informationsinteresses der Allgemeinheit sind, und ob und inwieweit die Veranstalter berechtigt sind, sich durch ein Zutrittsverbot gegen Berichterstattung abzuschirmen, erscheint nur auf den ersten Blick von geringer praktischer Bedeutung; in den meisten Fällen werden die Veranstalter von kulturellen oder sportlichen Ereignissen oder aber auch von Hauptversammlungen großer Aktiengesellschaften die Beachtung durch die Medien nicht nur nicht scheuen, sie vielmehr als Multiplikatoren einer erwünschten Öffentlichkeits- und Werbewirkung bewusst herbeiführen. Bedenkt man aber, dass der Ausschluss oder die selektive Zulassung von Medienvertretern nicht nur das Mittel sein kann, die Öffentlichkeit fernzuhalten oder einer Veranstaltung eine nur eingeschränkte Öffentlichkeit zu verschaffen, sondern auch dasjenige, sich gezielt gegen Berichterstattung durch bestimmte Medien abzuschirmen, dann zeigt sich, dass es sich hierbei um ein nicht nur theoretisches Problem handelt. Und die jahrelange gerichtliche Auseinandersetzung um die Hörfunkübertragungsrechte für Fußballspiele hat vollends deutlich gemacht, dass die Frage nach dem Zutrittsrecht zu privaten Veranstaltungen auch direkte wirtschaftliche Komponenten einschließt und dass es sich damit schon aus diesem Grund um ein Problem von großer praktischer Bedeutung handelt.
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Bei der Beantwortung der Frage, ob und inwieweit Medien einen Anspruch auf Zutritt auch zu privaten Veranstaltungen haben, ist wegen der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und publizistischen Wirkung Differenzierung zwischen den Printmedien einerseits und dem Rundfunk andererseits sowie innerhalb des Rundfunks auch zwischen den Gattungen Hörfunk und Fernsehen geboten. Zunächst ist jedoch für alle Medien gleichermaßen festzustellen: Wie es jedenfalls im Regelfall keinen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegen Private gibt, ein solcher insbesondere nicht unmittelbar aus den Grundrechten der Presse- und Informationsfreiheit abgeleitet werden kann,2 so gibt es im Grundsatz auch keinen grundrechtlich legitimierten Anspruch der Medien darauf, zu privaten Veranstaltungen zugelassen zu werden. Das gilt auch für Pressekonferenzen privater Unternehmen.3 Der Veranstalter eines Theaterabends, eines Konzerts, aber auch eines Fußballspiels oder einer ande_______________
1 Verhaltensgrundsätze Ziff. 6. 2 Oben § 4 Tz. 78 f. 3 LG Frankfurt/Main AfP 1989, 572.
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Zutritt zu Veranstaltungen
Tz. 24 § 6
ren sportlichen Veranstaltung ist daher im Prinzip rechtlich in der Lage, selbst zu bestimmen, wen er unter welchen Bedingungen zulässt. Eine Ausnahme von diesem Prinzip ergibt sich aufgrund einer Entscheidung des Gesetzgebers für alle Medien allerdings im Bereich öffentlicher Versammlungen: Nach § 6 Abs. 1VersammlG1 kann der Veranstalter einer Versammlung in der Einladung bestimmte Personen oder Personengruppen von dem Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausschließen; dies gilt gemäß § 6 Abs. 2 VersammlG aber nicht für Pressevertreter, die sich freilich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes durch einen Presseausweis2 legitimieren müssen. Wenngleich der Begriff des Pressevertreters im Versammlungsgesetz nicht ausdrücklich definiert ist, gibt es keinen Zweifel, dass darunter auch Hörfunk- und Fernsehjournalisten zu verstehen sind.3 Versammlungen im Sinn des Gesetzes sind Veranstaltungen, die der gemeinsamen Erörterung, Kundgebung oder Bildung einer Meinung dienen.4
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Darunter fallen Demonstrationen ebenso wie Diskussionsveranstaltungen auf öffentlichen Plätzen oder Wahlkundgebungen. Öffentlich sind derartige Veranstaltungen, wenn vorbehaltlich einer Einschränkung aufgrund der jeweiligen Raumkapazität jedermann Zutritt hat, der mögliche Teilnehmerkreis mithin nicht individuell bestimmt ist.5 Richtet sich daher die Einladung zu Veranstaltungen in diesem Sinn etwa in Form von Plakaten, Zeitungsanzeigen o.Ä. an die Öffentlichkeit, so haben die Medien einen gesetzlichen Zutrittsanspruch. Ansonsten aber muss hinsichtlich des Zutrittsrechts zwischen den Medien Presse, Fernsehen und Hörfunk differenziert werden.
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a) Printmedien Der Zutritt zu Veranstaltungen, die für die Öffentlichkeit zwar von Interesse, aber nicht öffentlich im Sinn des Versammlungsgesetzes sind, folgt den allgemeinen Regeln des Privatrechts, da ein Anspruch auf Zulassung weder aus dem Grundrecht der Presse- und Informationsfreiheit noch aus den Landespressegesetzen hergeleitet werden kann. Es gilt insoweit der das Privatrecht beherrschende Grundsatz der Kontrahierungsfreiheit. Wer zu einer privaten Veranstaltung zugelassen wird und zu welchen Bedingungen das geschieht, bestimmt der Veranstalter. Er ist – auch gegenüber der Presse – nur wenigen Einschränkungen unterworfen. Er ist insbesondere nicht gehalten, der Presse unentgeltlichen Zutritt zu gewähren, wenn er dem Zutritt für die Allgemeinheit nur gegen Entgelt gewährt. Die Presse hat rechtlich auch keinen Anspruch darauf, mit Eintrittskarten bevorzugt bedient zu werden, wenn die Nachfrage groß ist, oder Zugang zu besonderen Einrichtungen wie etwa Tele_______________
1 In Bayern gilt seit dem 1.10.2008 das gesonderte Bayerische Versammlungsgesetz; dazu Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 17/2009 v. 27.2.2009. 2 Zum Presseausweis oben § 4 Tz. 11. 3 Wente, S. 192. 4 Benneke, Einführung Tz. 2 und § 1 VersammlG Anm. 1. 5 Benneke, § 1 VersammlG Anm. 2.
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§ 6 Tz. 25
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
fonen oder Computer-Arbeitsplätzen zu erhalten, wenn der Veranstalter sie ihr nicht zur Verfügung stellen will. 25
Wenn die Presse dennoch in allen diesen Fragen in der Regel bevorzugt behandelt wird, dann ist dies demnach nicht eine Folge rechtlicher Zwänge, sondern diejenige eines natürlichen Interesses der Veranstalter, über die Presse Öffentlichkeitswirkung herzustellen. Gelegentliche Versuche, diese Faktizität durch rechtliche Kriterien abzusichern, sind im Ansatz steckengeblieben und können nach geltendem Recht auch nicht überzeugen. Dass das Prinzip der Informations- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG als Grundlage eines solchen Anspruchs nicht in Betracht gezogen werden kann, wurde schon betont.1 Ein rechtlich begründeter Kontrahierungszwang zugunsten der Presse würde auch eine Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Veranstalters aus Art. 2 Abs. 1 GG und seiner negativen Meinungsäußerungsfreiheit darstellen, die jedenfalls im Prinzip nicht zulässig wäre. Auch das Interesse eines privaten Veranstalters, sich nicht der Presse oder sich nicht jeder Presse zu stellen, ist prinzipiell durch das Grundgesetz geschützt.2
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Schranken der damit als Grundsatz anzuerkennenden Freiheit privater Veranstalter, Pressevertreter zu ihren Veranstaltungen nicht oder nur selektiv zuzulassen, können sich allenfalls in extremen Ausnahmesituationen ergeben. Wo etwa ein Verein der Fußballbundesliga die Presse generell zulässt, aber einen bestimmten Sportjournalisten ausschließt, weil er sich bei ihm durch frühere Kritiken missliebig gemacht hat, kommt ein Rechtsanspruch eben dieses Journalisten auf Zulassung zu denselben Konditionen in Betracht, wie sie den übrigen Pressevertretern auch eingeräumt werden.3 Das hat für den Fall des Ausschlusses eines Theaterkritikers das Reichsgericht4 bereits im Jahre 1931 im Prinzip entschieden, wenngleich der Zutrittsanspruch für den konkreten Fall verneint wurde. Rechtsgrundlage eines solchen Zutrittsanspruchs ist heute eine jedenfalls analoge Anwendung des Diskriminierungsverbots gemäß § 20 GWB sowie des Verbots sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB unter Berücksichtigung der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verkörperten Wertentscheidung des Grundgesetzes für eine freie Presse- und Rundfunktätigkeit.5 Aus diesen Bestimmungen kann sich ein Zutrittsanspruch überall dort ergeben, wo Veranstalter – etwa im Wege aufwändiger Pressekonferenzen – eine beachtliche Breitenwirkung erstreben und erzielen, einzelnen Journalisten aber ohne sachlichen Grund den Zutritt und damit die Berichterstattung verwehren wollen.6 Das gilt auch für Hauptversammlungen börsennotierter Aktiengesellschaften.
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Oben § 4 Tz. 78 ff. Löffler, BB 1980, 1127 f.; OLG Hamburg UFITA 76 (1976), 354. OG Köln AfP 2001, 218 = NJW-RR 2001, 1051. RGZ 133, 388 – Theaterkritiker. OG Köln AfP 2001, 218 = NJW-RR 2001, 1051. Löffler/Burkhardt, § 4 LPG Rz. 143; dazu LG Frankfurt/Main AfP 1989, 572; Holznagel/Höppener, DVBl. 1998, 870.
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Zutritt zu Veranstaltungen
Tz. 28 § 6
b) Fernsehen Ergeben sich damit im Bereich der Printmedien kaum rechtliche Probleme, wo es um den Zutritt zu privaten Veranstaltungen geht, so muss für das Medium Fernsehen eine partiell andere Situation konstatiert werden. Vor allem die Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Kampf der privaten und öffentlichen Fernsehveranstalter um die Rechte zur Übertragung von Sportveranstaltungen zeigen beispielhaft, dass dieser Bereich schon faktisch anderen Regeln folgt. Solange wegen des bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts bestehenden öffentlichrechtlichen Rundfunkmonopols von einer echten Konkurrenzsituation nicht die Rede sein konnte, sind insbesondere Sportverbände und -veranstalter sowie die Fernsehanstalten jahrzehntelang problemlos miteinander umgegangen. Zutritt zu Sportveranstaltungen wurde den damaligen Monopolisten ARD und/oder ZDF schon aus überwiegendem Eigeninteresse der Veranstalter regelmäßig gewährt, ohne dass sich die Frage nach einem darauf gerichteten Rechtsanspruch überhaupt stellte. Nachdem sich dies durch das Hinzutreten privater Anbieter grundlegend geändert hat, sahen und sehen sich die Veranstalter schon aus praktischen – und im Übrigen natürlich auch aus wirtschaftlichen – Gründen veranlasst, Zutrittsschranken zu errichten, deren es bis dahin kaum bedurfte. Wo etwa mehrere Fernsehveranstalter sich darum bemühen, gleichzeitig und live über ein Spiel der Fußballbundesliga zu berichten, muss schon aus Gründen der Raumkapazitäten selektiert werden; denn die Tätigkeit einer größeren Anzahl von Fernsehteams am Rande einer einzigen Sportveranstaltung kann zu erheblichen Störungen führen.
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Unter dem Druck dieser damals in Deutschland neuen Situation und des erst durch das Auftreten finanzstarker privater Fernsehveranstalter entstandenen wirtschaftlichen Wettbewerbs, mit deren finanziellen Angeboten die öffentlichrechtlichen Fernsehanstalten in vielen Fällen nicht mithalten können oder wollen, ist insbesondere von diesen die These entwickelt worden, die Gelegenheit zu jedenfalls einem gewissen Mindestmaß an Berichterstattung müsse ihnen auch von privaten Veranstaltern eingeräumt werden, da sie anderenfalls ihrem verfassungsrechtlich verankerten Sendeauftrag nicht entsprechen könnten. Die Bundesländer haben diese These nach langen Auseinandersetzungen akzeptiert und erstmals im Jahr 1990 in einer Ergänzung des Rundfunkstaatsvertrags das Recht auf Fernsehkurzberichterstattung über Veranstaltungen und Ereignisse, die öffentlich zugänglich und von allgemeinem Informationsinteresse sind, etabliert.1 Ohne eine derartige spezialgesetzliche Regelung, und über ihren eingeschränkten Anwendungsbereich hinaus, ist auch ein Anspruch auf Zulassung von Fernsehteams zu privaten Veranstaltungen nicht zu begründen.
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Ganz neu war das Thema allerdings nicht, als es unter dem Druck der durch das duale Rundfunksystem geschaffenen neuen Verhältnisse an Brisanz gewann und schließlich zur Einführung eines Rechts auf Kurzberichterstattung durch den Rundfunkstaatsvertrag führte. Vereinzelt haben sich vielmehr be-
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1 Vgl. heute § 5 RStV; dazu unten Tz. 38 ff.
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§ 6 Tz. 29
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
reits ältere gerichtliche Entscheidungen einer vergleichbaren Thematik angenommen. So hat vor Einbruch des Fernsehzeitalters das Landgericht Hamburg1 die Klage eines Veranstalters von Film-Wochenschauen auf Zulassung zum Deutschen Galoppderby abgewiesen. Das Kammergericht2 hingegen hat die Auffassung vertreten, dem Produzenten einer Wochenschau, den der Veranstalter eines in offener Arena ausgetragenen Boxkampfs nicht zugelassen hatte, könne es im Hinblick auf das in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Grundrecht der Filmfreiheit nicht verwehrt werden, sich durch Errichtung eines Gerüsts neben der Arena in die Lage zu versetzen, die Veranstaltung auch ohne Zulassung zu filmen. Diese beiden Beispiele aus der älteren Rechtsprechung – weitere sind nicht bekanntgeworden – zeigen bereits, dass es bei der Frage nach der Berechtigung von Film- oder Fernsehveranstaltern zur Übertragung privater Veranstaltungen um Kategorien geht, die gegenüber der Teilnahme der Printmedien grundsätzlich unterschiedlicher Natur sind; auch geht es – wiederum anders als im Bereich der Printmedien – nicht nur um die Frage des Zutrittsrechts. aa) Hausrecht 29
Zunächst stellt sich allerdings auch in diesem Zusammenhang – wie bei den Printmedien – die Frage nach dem Zutrittsrecht. Auch hier gilt als Grundsatz das Hausrecht des Veranstalters und damit das Prinzip, dass der Veranstalter berechtigt ist, zuzulassen oder auszuschließen, wen er will. Wollen nicht zugelassene Fernsehveranstalter das Hausrecht rechtlich überwinden, so wird das nur möglich sein, wenn sie sich auf einen Kontrahierungszwang des Veranstalters berufen können. Ein genereller Kontrahierungszwang, der dem Medium Fernsehen den Zutritt und jedenfalls die Gelegenheit zu einer Mindestberichterstattung gewährleistet, ist zwar im Schrifttum gelegentlich vertreten worden, das einen Anspruch der Sendeanstalten auf Zutritt und Berichterstattung teilweise unmittelbar aus deren verfassungsrechtlich gewährleisteter Rundfunkfreiheit abgeleitet hat,3 teilweise aber auch – nach Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalles – aus dem vom Reichsgericht4 entwickelten Gedanken eines aus dem Verbot sittenwidriger Schädigung abzuleitenden Zutrittsanspruchs.5 In der Praxis hat sich diese Auffassung aber nicht durchsetzen können, und gegen sie und beide erwähnten Begründungsansätze sprechen auch überwiegende Bedenken.
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Die Auffassung, private Veranstalter hätten den Zutritt von Fernsehteams unter unmittelbarem Rückgriff auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG jedenfalls für eingeschränkte Sendezwecke zu dulden, berücksichtigt nicht, dass sich das Grundrecht der Rundfunkfreiheit jedenfalls unmittelbar nicht gegen Private richtet, dass es Ansprüche der Medien vielmehr nur gegen den Staat begrün_______________
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Die Entscheidung ist unveröffentlicht; erwähnt bei Harmsen, GRUR 1952, 500, 502. KG GRUR 1952, 533 – Berliner Waldbühne. Fuhr, S. 117 ff. RGZ 133, 298. Tettinger, ZUM 1986, 497, 503 ff.
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Zutritt zu Veranstaltungen
Tz. 32 § 6
det.1 Insoweit kann für die Funkmedien nichts Anderes gelten als für die Presse. Und die Feststellung, der Veranstalter eines Fußballspiels, eines RockKonzerts in einem Stadion oder gar einer Oper handele sittenwidrig, wenn er den Sendeanstalten Aufnahme und Übertragung der Veranstaltung nicht ermöglichen will, lässt sich jedenfalls in dieser Verallgemeinerung nicht treffen. Entgegenstehende – in erster Linie wirtschaftliche – Interessen des Veranstalters von einigem Gewicht sind bei der Ausfüllung des offenen Tatbestands der sittenwidrigen Schädigung im Sinn von § 826 BGB vielmehr ohne Weiteres erkennbar und jedenfalls zum Teil als solche rechtlich geschützt. Schon die Existenz dieser wirtschaftlichen Interessen zeigt die unterschiedliche rechtliche Qualität der Fragestellung nach dem Zugangsrecht der Printmedien einerseits und des Fernsehens andererseits. Die Möglichkeit der Lektüre eines Berichts über ein Fußballspiel oder einer Premierenkritik am folgenden Tag ist für die allerwenigsten Interessierten ein Grund, das Spiel oder die Opernpremiere nicht zu sehen; die Möglichkeit, beides unter Verzicht auf Kosten und Unbequemlichkeiten zuhause am Fernsehgerät zu verfolgen, mag es wohl sein. bb) Urheber- und Leistungsschutzrechte Während durch die Wortberichterstattung über ein Konzert, eine Theateroder eine Opernaufführung Urheber- oder Leistungsschutzrechte des Veranstalters, der Komponisten oder der Textdichter der aufgeführten Werke oder der Mitwirkenden per se nicht verletzt werden, ist dies beim Fernsehen anders. Dieses Medium macht die Aufführung unmittelbar sicht- und hörbar und greift damit in die Leistungsschutzrechte der Künstler und, sofern noch geschützt, die Urheberrechte der Komponisten oder Autoren ein. Das Fernsehen bedarf daher bei derartigen Veranstaltungen schon unter dem Gesichtspunkt der Urheber- bzw. Leistungsschutzrechte der Beteiligten einer Legitimation zur Aufzeichnung und Ausstrahlung, die mit dem rechtlichen Aspekt des Hausrechts nichts zu tun hat und die insbesondere als Schranke der Berichterstattung auch dort ihre Funktion behält, wo das Hausrecht eine solche Schranke nicht darstellt – etwa weil eine Open-air-Veranstaltung auch ohne Zutritt mittels elektronischer Geräte aufgezeichnet werden kann oder einem Sender eine heimlich gefertigte Tonband- oder Videoaufzeichnung zur Verfügung steht.
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Gegenüber diesen urheber- bzw. leistungsschutzrechtlichen Ausschließlichkeitsrechten der Urheber und der Mitwirkenden an solchen Veranstaltungen muss daher die Berufung sowohl auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als auch auf den rechtlichen Gesichtspunkt des Verbots sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB versagen, sofern nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen des Kleinzitats gemäß § 51 Satz 1 Nr. 2 UrhG2 oder der Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG3 vorliegen. Auch wenn man mit der hier vertretenen Auffassung Einschränkungen des Urheberrechts im Hinblick auf höher-
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1 So auch Holznagel/Höppener, DVBl. 1998, 870. 2 Dazu oben § 3 Tz. 8 f. 3 Dazu unten § 21 Tz. 32 ff.
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§ 6 Tz. 33
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
rangige Allgemeininteressen unter bestimmten Umständen für möglich hält,1 wäre ein über den Geltungsbereich dieser Ausnahmebestimmungen hinausgehendes, generelles Recht der Fernsehveranstalter zur Aufzeichnung und Übertragung auch nur von Teilen urheber- bzw. leistungsschutzrechtlich geschützter Veranstaltungen mit dem System des Urheberrechts nicht zu vereinbaren. cc) Sonstige entgegenstehende Rechte 33
Bei Sportveranstaltungen kommen spezialgesetzlich gewährte Ausschließlichkeitsrechte wie das Urheber- oder Leistungsschutzrecht als Schranke der Fernsehberichterstattung allerdings nicht in Betracht. Dennoch ist die Feststellung nicht zu bestreiten, dass auch bei derartigen Veranstaltungen Qualität und Intensität der Berichterstattung durch das Fernsehen einer- und durch die Printmedien andererseits grundverschieden sind. Durch die Möglichkeit, sich über Verlauf und Ergebnis eines Fußballspiels am nächsten Tag in der Zeitung zu informieren, wird sich ein Fußballfreund selbst dann nicht vom Besuch des ihn interessierenden Spiels abhalten lassen, wenn der Zeitungsbericht erfahrungsgemäß spannend geschrieben und erstklassig bebildert sein wird. Die heute bestehende Möglichkeit, dasselbe Spiel zeitgleich und in voller Länge im heimischen Wohnzimmer vor dem Fernsehgerät zu betrachten, schafft eine solche Alternative, und auch die Gelegenheit, in einer einstündigen Zusammenfassung der interessantesten und packendsten Szenen aus allen wesentlichen Spielen eines Tages Fußball zu erleben, mag Manchen von einem Gang in die Stadien abhalten, der ein Spiel besuchen würde, gäbe es ein derartiges Angebot nicht. Schon diese Feststellungen sprechen gegen die Möglichkeit, den Gedanken der Theaterkritiker-Entscheidung des Reichsgerichts,2 die selektive Zulassung von Kritikern zu Veranstaltungen könne den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB erfüllen, ohne weiteres auf das Medium Fernsehen zu übertragen.
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Hinzu kommt ein bereits erwähnter praktischer Gesichtspunkt. Während der Pressejournalist in der Regel ohne wesentliche technische Ausrüstung auskommt, zieht jeder Fernsehjournalist einen Tross an Technik und Personal nach sich, und das Bild der Kameramänner konkurrierender Anstalten, die sich am Stadionrand um die besten Bildpositionen prügeln, ist in der öffentlichen Diskussion um die Einführung eines Rechts zur Kurzberichterstattung nicht ohne Grund beschworen worden. Bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen ist die Möglichkeit, mehreren Aufnahmeteams gleichzeitig Gelegenheit zum Arbeiten zu bieten, naturgemäß noch weiter eingeschränkt. Soweit daher das Hausrecht des Veranstalters als Berichterstattungsschranke zur Verfügung steht, weil die Veranstaltungen gegen ungebetene Besucher abgeschirmt sind, muss gegenüber dem Gedanken an dessen Durchbrechung durch die Annahme eines Kontrahierungszwangs im Fall des Fernsehens noch größere Zurückhaltung geübt werden als im Falle der Printmedien. Erst wo ein Veranstalter im Wege eines Gestattungsvertrags gegenüber einem einzel_______________
1 Dazu oben § 3 Tz. 12 ff. 2 RGZ 133, 398 – Theaterkritiker.
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Zutritt zu Veranstaltungen
Tz. 36 § 6
nen Fernsehveranstalter freiwillig auf sein Hausrecht verzichtet, kann sich aus kartellrechtlichen Erwägungen ein Zwang, auch anderen Veranstaltern Zugang zu gewähren, ergeben.1 Aus der Feststellung, dass sich die Veranstalter von Sportveranstaltungen in aller Regel gegenüber Fernsehübertragungen nicht auf spezialgesetzlich normierte Ausschließlichkeitsrechte wie Urheber- oder Leistungsschutzrechte der Mitwirkenden berufen können, lässt sich schließlich noch nicht die Konsequenz ziehen, dass das Medium Fernsehen berechtigt ist, Berichte von Sportveranstaltungen auszustrahlen, die – wie im Fall der Berliner Waldbühne2 – unter Umgehung des Hausrechts oder dadurch zustande kommen, dass ein Hausrecht im Einzelfall schon originär nicht in Betracht kommt, wie etwa bei Rad- oder Autorennen, die über öffentliche Straßen führen. Als Berichterstattungsschranke kommen in derartigen Konstellationen zunächst, wenn auch nur in krassen Ausnahmesituationen, die Tatbestände der §§ 3 UWG, 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Sollte es einem Fernsehveranstalter etwa gelingen, eine geschlossene und für das Publikum nur gegen Entgelt zugängliche Sportveranstaltung verdeckt oder – etwa im Fall von Freiluftveranstaltungen – aus der Luft aufzuzeichnen und eine solche Aufzeichnung zeitgleich oder nur geringfügig zeitlich versetzt auszustrahlen, so wäre ein derartiges Vorgehen als Tatbestand der unbefugten Leistungsübernahme,3 aber auch als rechtswidrige Eingriff in den Gewerbebetrieb des Veranstalters im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB unzulässig.
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Zu denken ist aber auch an das Recht der Teilnehmer der Veranstaltung, also im Fall des Fußballspiels der Sportler, am eigenen Bild.4 Auch insoweit unterscheiden sich das Fernsehen und die Printmedien, aber auch das Fernsehen und der Hörfunk grundlegend voneinander. Sport wird heute zwar mit beachtlicher Publizität betrieben, aber jedenfalls dort, wo er das breite Publikum interessiert, fast immer in erster Linie oder jedenfalls auch zu Erwerbszwecken. Sport im Allgemeinen und vor allem so populäre Sportarten wie in Deutschland der Fußball sind zum Gewerbe derjenigen geworden, die ihn professionell betreiben. Zwar sind jedenfalls die prominenteren Protagonisten der einzelnen Sportarten Persönlichkeiten im Blickpunkt der Öffentlichkeit, die unter den Voraussetzungen von § 23 Abs. 1 KUG Einschränkungen ihres Rechts am eigenen Bild hinzunehmen haben und sich daher nicht dagegen werden wehren können, dass etwa ihr Lichtbild oder ein Szenenbild, auf dem sie erkennbar sind, im Zusammenhang mit einem Spielbericht anderntags in der Zeitung oder auch in den Abendnachrichten von Fernsehsendern erscheint.5
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BGH AfP 1990, 194 = NJW 1990, 2815 = GRUR 1990, 702. Oben Tz. 28. Dazu Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rz. 9.6 ff. Darauf, dass Fernsehberichterstattung das Recht am eigenen Bild der Akteure verletzen kann, weist Gounalakis, AfP 1992, 343 ff., zutreffend, wenn auch mit unzutreffendem Ergebnis hin; zu entsprechenden Rechten von darstellenden Künstlern vgl. auch Ringel, AfP 2000, 142. 5 Einzelheiten unten § 21 Tz. 3 ff.
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§ 6 Tz. 36a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
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Damit haben sie es aber noch keineswegs hinzunehmen, dass sie während eines Spiels gefilmt und dass die so entstandenen Aufnahmen gegen ihren Willen auch denjenigen zugänglich gemacht werden, die sich nicht ins Stadion begeben und kein Entgelt dafür entrichtet haben, dass sie ihre Leistung betrachten dürfen. Auch Persönlichkeiten im Blickpunkt der Öffentlichkeit haben Einschränkungen ihres Rechts am eigenen Bild nur insoweit zu dulden, als dem nicht eigene berechtigte Interessen entgegenstehen; machen sie aber, wie im Beispiel der Sportler, ihre Leistung der Öffentlichkeit in der Regel nur gegen Entgelt zugänglich, dann ist ihr berechtigtes Erwerbsinteresse ein Gesichtspunkt, der im Rahmen von § 23 Abs. 2 KUG zu berücksichtigen ist und das Recht der Medien einschränkt, sich auch des Bilds der betreffenden Personen zu bedienen.1
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So ist es in der Rechtsprechung seit Langem anerkannt, dass eine Einschränkung des Rechts am eigenen Bild auch unter den Voraussetzungen von § 23 Abs. 1 KUG nicht geduldet werden muss, wo die Nutzung nicht zu Informationszwecken, sondern zu Zwecken der Werbung erfolgt.2 Dem liegt auch der Gedanke zugrunde, dass jedenfalls dort, wo es um die wirtschaftliche Nutzung des eigenen Bilds geht, dem Abgebildeten, der sich in der Regel durch eigene Leistung einen Good Will und damit die Möglichkeit geschaffen hat, Bild und Namen auch werblich einzusetzen, Schutz dagegen gewährt werden muss, dass der so geschaffene Wert durch Dritte ausgebeutet wird.
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Dieser Gesichtspunkt muss auch im vorliegenden Zusammenhang Geltung beanspruchen. Da Fußballspieler und andere Leistungssportler heute ihren Sport zu Erwerbszwecken ausüben und da sie und die Vereine und Veranstalter, mit denen sie zusammenarbeiten, es dem Publikum üblicherweise nur gegen Entgelt gestatten, an den Leistungen dieser Sportler als Zuschauer teilzunehmen, ist auch hier der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Leistung derjenige Aspekt, der wie im Fall der Ausbeutung von Lichtbildern zu Zwecken der Werbung, als entgegenstehendes berechtigtes Interesse im Sinn von § 23 Abs. 2 KUG anzuerkennen ist und ein Recht der Fernsehveranstalter ausschließt, ohne Abstimmung mit den Sportvereinen und ohne Zahlung einer Vergütung zu filmen und zu übertragen. Dass das Recht am eigenen Bild originär dem einzelnen Sportler und nicht den Vereinen zusteht, die oder deren Verbände den Rundfunkanstalten den Zutritt zu den Veranstaltungen untersagen oder ihn an die Bedingung der Entrichtung substantieller Zahlungen knüpfen, ändert an diesem Ergebnis nichts. Rechtliche Bedenken dagegen, dass die finanziellen Forderungen, die sich aus diesem Recht ergeben, ausdrücklich oder auch stillschweigend an den jeweiligen Verein oder Veranstalter abgetreten und diese so in die Lage versetzt werden, die daraus resultierenden Ansprüche geltend zumachen, sind nicht ersichtlich. _______________
1 Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation auch BGHZ 33, 22 – Figaros Hochzeit. 2 RGZ 74, 308 – Graf Zeppelin; BGH GRUR 1956, 427 – Paul Dahlke; BGH GRUR 1959, 430 – Caterina Valente; BGH GRUR 1962, 105 – Ginseng Wurzel; BGH GRUR 1981, 846 – Rennsportgemeinschaft; BGH GRUR 1994, 732 – McLaren; BGH NJW 1994, 1954 = GRUR 1994, 808 = WRP 1994, 495 – Markenverunglimpfung; unten § 17 Tz. 16 ff., § 21 Tz. 19 ff.
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Zutritt zu Veranstaltungen
Tz. 39 § 6
dd) Sportliche Großereignisse Nach alledem lässt sich ein Rechtsanspruch der Fernsehveranstalter, zu Zwecken der Aufnahme und Sendung zu Veranstaltungen privater Veranstalter zugelassen zu werden, weder unmittelbar aus dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG noch auf der Basis der anwendbaren einfachgesetzlichen Bestimmungen begründen. Die Veranstalter sind vielmehr prinzipiell frei, selbst zu entscheiden, ob und welches Fernsehteam sie zulassen und zu welchen Bedingen das geschieht. Es liegt auf der Hand, dass unter diesen Umständen in der Regel derjenige Fernsehveranstalter zum Zuge kommt, der den höchsten Preis bietet, und die Erfahrung zeigt, dass dies häufig Unternehmen des Pay TV sein werden. Um dieser Sach- und Rechtslage einerseits und andererseits dem unübersehbaren Interesse der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen, bei solchen Ereignissen dabei sein zu können, bestimmt der Rundfunkstaatsvertrag in der seit dem 1. April 2000 geltenden Fassung,1 dass eine Fernsehausstrahlung von sportlichen Großereignissen im Pay TV nur dann zulässig ist, wenn der Fernsehveranstalter selbst oder ein Dritter zu angemessenen Bedingungen die Voraussetzungen dafür schafft, dass das betreffende Ereignis zeitgleich oder – wenn nicht anders möglich – nur geringfügig zeitversetzt zumindest auch in einem frei empfangbaren und allgemein zugänglichen Fernsehprogramm in Deutschland ausgestrahlt werden kann.
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Großereignisse, für die diese Regelung gilt, sind u.a. Olympische Spiele, Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft oder entscheidende Spiele um den Vereinspokal des Deutschen Fußball-Bundes und der europäischen Vereinsmeisterschaften im Fußball.2 Der originär zugelassene Fernsehveranstalter, der sein Programm verschlüsselt ausstrahlt, und derjenige, der die Veranstaltungen im frei empfangbaren Programm auszustrahlen beabsichtigt, sind gehalten, sich über die finanziellen Konditionen, zu der Letzterer die Übertragungsmöglichkeit erwirbt, zu verständigen und, gelingt ihnen das nicht, die Entscheidung über die Konditionen einem Schiedsgericht gemäß §§ 1025 ZPO zu übertragen.3 Erst auf diese Weise haben die Bundesländer im Wege einer Zwangslizenz gewährleisten können, dass jedenfalls bei den genannten sportlichen Großereignissen ein Veranstalter von Pay TV und ein Veranstalter eines frei empfangbaren Fernsehprogramms berichten können.
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ee) Kurzberichterstattung Schon vor den Regelungen über die Berichterstattung von sportlichen Großereignissen, aber aus inhaltlich gleichen Erwägungen haben die Länder bereits im Jahre 19904 für das Medium Fernsehen ein besonderes Recht zur Kurzberichterstattung eingeführt, das nicht nur bei den Großereignissen im Sinn _______________
1 Vgl. nunmehr § 4 RStV. 2 Vgl. die Einzelheiten in § 4 Abs. 2 Nr. 1–5 RStV; dazu Hahn/Vesting/Schulz, § 4 RStV Rz. 91 ff. 3 § 4 Abs. 1 Satz 2 RStV. 4 Staatsvertrag zur Ergänzung des Rundfunkstaatsvertrags v. 15.3.1990, Art. 10a bis f.
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§ 6 Tz. 39a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
von § 4 Abs. 1 RStV ausgeübt werden kann, sondern bei allen Veranstaltungen und Ereignissen, die öffentlich zugänglich und von allgemeinem Informationsinteresse sind.1 Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung war im Hinblick auf die oben2 beschriebenen Rechtspositionen der privaten Veranstalter, insbesondere ihr Hausrecht, ihre Eigentumsrechte, urheber- und leistungsschutzrechtliche Gesichtspunkte sowie das Recht am eigenen Bild zunächst umstritten.3 Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch die Verfassungsmäßigkeit eines im Gesetz über den WDR und im Nordrhein-Westfälischen Rundfunkgesetz verankerten vergleichbaren Rechts auf Kurzberichterstattung4 grundsätzlich bestätigt5 und nur insoweit einen Verstoß jener Gesetze gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit der Veranstalter aus Art. 12 Abs. 1 GG festgestellt, als nach damaliger Rechtslage das Recht zur Kurzberichterstattung auch bei berufsmäßig durchgeführten Veranstaltungen unentgeltlich in Anspruch genommen werden konnte. Danach bestehen auch gegen § 5 RStV in der heute geltenden Fassung keine begründeten verfassungsrechtlichen Bedenken mehr,6 zumal das Recht der Veranstalter, mit einzelnen Sendern entgeltliche Vereinbarungen über eine ausführlichere Berichterstattung zu treffen, davon nicht tangiert wird; die in aller Regel im Rahmen derartiger Vereinbarungen zugesagte Exklusivität7 allerdings wird durch das Recht zur Kurzberichterstattung beeinträchtigt. 39a
Heute ist jeder in Europa zugelassene Fernsehveranstalter zu einer nachrichtenmäßigen8 Kurzberichterstattung über Veranstaltungen und Ereignisse berechtigt, die öffentlich zugänglich und von allgemeinem Informationsinteresse sind. Für die Ausübung dieses Rechts kann der jeweilige Veranstalter immer das allgemein vorgesehene Eintrittsgeld sowie den Ersatz der Aufwendungen verlangen, die ihm durch die Ausübung des Rechts entstehen.9 Handelt es sich, wie etwa bei den Spielen der Fußballbundesliga, um berufsmäßig durchgeführte Veranstaltungen, so kann der Veranstalter darüber hinaus ein angemessenes Entgelt verlangen, über dessen Höhe wiederum ein Schiedsgericht entscheiden soll, wenn sich die Beteiligten nicht einigen.10 Der Rechtsanspruch der Sender auf Zulassung zu dieser Art von Berichterstattung ist unbedingt. Auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Senders kommt es dabei ebenso wenig an wie auf die Frage, ob für die beabsichtigte Kurzberichterstattung unter Berücksichtigung des sonstigen Informationsangebots noch ein Bedürfnis besteht.11 Obgleich durch die Diskussion über die Berichterstat_______________
1 Heute § 5 Abs. 1 RStV. 2 Tz. 29 ff. 3 Vgl. dazu u.a. Papier, AfP 1989, 510; Roth, AfP 1989, 515; Jarass, AfP 1993, 455 ff.; Brandner, AfP 1990, 277 ff.; Gounalakis, AfP 1992, 343 ff.; Herrmann, § 22 Rz. 58 ff. 4 Heute § 5a WDR-Gesetz; § 37 LMG NRW. 5 BVerfG AfP 1998, 192 = NJW 1998, 1627 = ZUM 1998, 240 = MMR 1998, 202; vgl. dazu Lenz, NJW 1999, 757 ff.; Tietje, JuS 1999, 644 ff. 6 So für eine frühere Fassung des RStV bereits LG Bremen AfP 1994, 149. 7 Dazu unten § 7 Tz. 48 ff.; im vorliegenden Zusammenhang Jarass, AfP 1993, 455 ff. 8 § 5 Abs. 4 Satz 1 RStV; Einzelheiten bei Hahn/Vesting/Michel/Brinkmann, § 5 RStV Rz. 1 ff. 9 § 5 Abs. 6 RStV. 10 § 5 Abs. 7 Satz 1 und 2 RStV. 11 LG Bremen AfP 1994, 149 ff.
122
Zutritt zu Veranstaltungen
Tz. 42 § 6
tung von Spielen der Fußballbundesliga veranlasst und auch sonst in erster Linie auf Sportberichterstattung zielend, beschränkt sich das Recht zur Kurzberichterstattung nicht auf Sportereignisse, schließt es vielmehr andere öffentliche Veranstaltungen wie Opern-, Konzert- oder Theateraufführungen ausdrücklich ein.1 Ausgeschlossen ist es nur dann, wenn der Veranstalter die Übertragung oder Aufzeichnung der Veranstaltung durch das Fernsehen schlechthin untersagt, wozu er weiterhin befugt ist.2 Das Recht zur Kurzberichterstattung wird nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung nur für das Fernsehen begründet. Eine analoge Anwendung der einschlägigen Bestimmungen auf Hörfunk und Presse kommt angesichts der Eindeutigkeit des Wortlauts und der fernsehspezifischen Ausrichtung der Norm nicht in Betracht.3 Fernsehveranstalter, die das Recht ausüben wollen, müssen sich zuvor beim Veranstalter anmelden.4 Reichen die räumlichen und technischen Kapazitäten für die Zulassung aller interessierten Fernsehteams nicht aus, so haben diejenigen Fernsehveranstalter Vorrang, zu denen der Veranstalter vertragliche Bindungen unterhält; im Übrigen steht dem Veranstalter ein Auswahlermessen zu.5 Die Zugelassenen sind nach dem Modell der Pool-Lösung6 verpflichtet, den nicht zugelassenen Fernsehveranstaltern das Signal und die Aufzeichnung der Sendung gegen Ersatz ihrer angemessenen Aufwendungen zu überlassen.
40
Die Kurzberichterstattung ist bei kurzfristig und regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen auf 90 Sekunden, in anderen Fällen auf die Länge der Zeit beschränkt
41
„… die notwendig ist, um den nachrichtenmäßigen Informationsgehalt der Veranstaltung oder des Ereignisses zu vermitteln“.7
Für regelmäßige Sportveranstaltungen wie etwa die Spiele der Fußballbundesligen gilt die 90 Sekunden-Regel. Der Anspruch der Fernsehveranstalter auf Zulassung zur Kurzberichterstattung gegen die privaten Veranstalter ist, sofern heute noch erforderlich, im Zivilrechtsweg durchsetzbar. Das kann in dringlichen Fällen auch im Wege der einstweiligen Verfügung geschehen.8 Soweit die Rechtsprechung in der Frühzeit des Rechts der Kurzberichterstattung den Erlass einstweiliger Verfügungen zu deren Durchsetzung mit dem Hinweis darauf abgelehnt hat,9 dass es sich um Leistungsverfügungen handelt, die die Entscheidung über die Hauptsache vorwegnehmen, hat sie verkannt, dass der Erlass derartiger Leistungsverfügungen keineswegs ausnahmslos unzulässig und dass er insbeson_______________
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Jarass, AfP 1993, 455, 456. § 5 Abs. 5 Satz 4 RStV. A.A. Gounalakis, AfP 1992, 343, 344. § 5 Abs. 8 RStV. § 5 Abs. 9 RStV. Dazu schon oben Tz. 10d. § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 RStV. LG Bremen AfP 1994, 149. OLG München v. 13.5.1993 – 26 U 3716/93; OLG Düsseldorf v. 21.9.1993 – U (Kart) 12/93; LG Hamburg v. 11.2.1994 – 329 O 59/94, jeweils unveröffentlicht.
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42
§ 6 Tz. 43
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
dere dort geboten ist, wo die Verweisung auf das stets langwierige Hauptsacheverfahren im Ergebnis auf eine Rechtsverweigerung hinausläuft.1 c) Hörfunk 43
Wie die Presse übermittelt auch der Hörfunk lediglich in Sprache umgesetzte Informationen. Wie beim Medium Fernsehen können andererseits auch im Fall des Hörfunks Urheber- und Leistungsschutzrechte bei kulturellen Ereignissen Berichterstattungshindernisse darstellen. Hingegen kann das Recht am eigenen Bild der Beteiligten bei Sportveranstaltungen keine Rolle spielen. Der Hörfunk ist mithin jedenfalls bei Sportveranstaltungen nur insoweit mehr Surrogat für die persönliche Teilnahme des Interessierten als es die Presse ist, als er zeitgleich und damit auf aktuellstem Wege berichten kann; ansonsten ist er ebenso wenig wie die Presse zur Vermittlung des unmittelbaren optischen Erlebens in der Lage. Hörfunkberichterstattung greift daher – sofern nicht im Einzelfall spezifische Rechtswidrigkeitselemente hinzukommen – ebenso wenig in spezialgesetzlich geschützte vermögensrechtliche Positionen der Akteure von Sportveranstaltungen ein wie die Presse.
44
Dennoch sind insbesondere die Vereine der Fußballbundesligen dazu übergegangen, Hörfunkreportern den Zutritt zu den Stadien nur zugestatten, wenn sie bereit sind, für die Möglichkeit, aus den Stadien live über den Verlauf der jeweiligen Spiele zu berichten, ein von den Veranstaltern festgelegtes Entgelt zu bezahlen. Das rechtliche Kriterium, auf das sie sich insoweit berufen, ist, wie in anderen Fällen auch, ihr Hausrecht an den Stadien, in denen die Spiele ausgetragen werden. Die Frage, ob eine derartige Reglementierung der Hörfunkberichterstattung zulässig2 oder im Hinblick auf den aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteten Informationsauftrag der Hörfunkveranstalter unzulässig3 ist, hat die Gerichte lange beschäftigt. Nicht zuletzt im Hinblick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit der Sportveranstalter und damit ihr berechtigtes Interesse daran, die wirtschaftlichen Aspekte ihres Berufs und desjenigen der für sie aktiven Sportler bestmöglich selbst ausbeuten zu können, hat der Bundesgerichtshof4 ebenso wie das Landgericht5 und das Oberlandesgericht Hamburg6 diese Frage im Sinn der Sportveranstalter entschieden. Vorbehaltlich einer etwaigen anderen Auffassung des Bundesverfassungsgerichts7 können folglich Sportler und Veranstalter denjenigen Hörfunkveranstaltern, die von Sportereignissen aus den Stadien berichten wollen, auf dem Wege von Zutrittsbeschränkungen Sendeverbote erteilen und deren Lockerung von der Zahlung eines Entgelts abhängig machen. _______________
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Dazu bereits oben § 4 Tz. 77. So Meister, AfP 2003, 307 ff.; Beater, AfP 2008, 345 ff. Mailänder, ZUM 2003, 820 ff.; Agudo y Berbel/Engels, WRP 2005, 191 ff. BGH AfP 2006, 56 = NJW 2006, 377 = GRUR 2006, 249 = WRP 2006, 269 – Hörfunkrechte an Bundesligaspielen. 5 LG Hamburg AfP 2002, 251 = ZUM 2002, 655. 6 OLG Hamburg AfP 2003, 361 = ZUM 2003, 782; anders noch AG Münster AfP 1994, 68. 7 Gegen das Urteil des BGH AfP 2006, 56 = NJW 2006, 377 = GRUR 2006, 249 = WRP 2006, 269 – Hörfunkrechte an Bundesligaspielen – hat der beteiligte Hörfunkveranstalter Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die bei Drucklegung noch nicht entschieden wurde.
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§7 Arbeit mit Informanten Wie Nachrichtenproduktion durch Medien ohne Recherche nicht denkbar ist, so gehört zur Recherche in vielen Fällen unverzichtbar die Zusammenarbeit mit Informanten. Informanten stehen den Medien auf unterschiedlichste Weise und aus unterschiedlichsten Motiven zur Verfügung. Sie liefern ihre Informationen aus teils altruistischen, teils egoistischen Motiven, teils entgeltlich, teils unentgeltlich. Sie gewähren Exklusivität oder erzählen ihre Geschichte jedem Journalisten, dessen sie für ein Gespräch habhaft werden können. Sie sonnen sich im Licht der Öffentlichkeit oder machen die Wahrung ihrer Anonymität zur Grundlage ihrer Zusammenarbeit mit den Medien und beanspruchen damit Informantenschutz. Sie wenden sich an Redaktionen in Verfolgung wohlüberlegter, strategischer Ziele oder aus purer Wichtigtuerei.
1
So vielfältig die damit nur grob umrissenen Erscheinungsformen und Motivationen der Informanten sein mögen, so vielfältig sind die Probleme, die sich für die Redaktionen im Umgang mit ihnen ergeben können. Deren wichtigstes, die Einschätzung der Glaubwürdigkeit, ist kaum rechtlicher Natur und daher an dieser Stelle nicht weiter zu vertiefen. Die Zusammenarbeit der Medien mit Informanten wirft jedoch in erheblichem Umfang auch Rechtsfragen auf.
2
1. Information und Verschwiegenheitspflichten Das Informationsinteresse der Medien und die Bereitschaft des Einzelnen, ihnen Informationen zukommen zu lassen, kollidieren häufig mit straf- oder zivilrechtlich begründeten Pflichten zur Verschwiegenheit. Zum Teil beschränken diese Bestimmungen als allgemeine Gesetze im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG die Freiheit zur Recherche unmittelbar.1 Zum Teil wenden sie sich nur an die Informanten selbst ohne rechtliche Bindungswirkung gegenüber den Medien. Eine rechtlich fundierte sowie effiziente und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Redaktionen und Informanten setzt aber voraus, dass die Redaktionen sich auch über solche Schranken der Auskunftserteilung durch Informanten im Klaren sind, die nur oder in erster Linie die Informanten ihrerseits binden.
3
a) Beamte und andere Hoheitsträger Erfahrung lehrt, dass der gesetzliche Auskunftsanspruch der Medien2 zwar unverzichtbar ist, zur Erfüllung ihres Informationsauftrags aber nicht annähernd ausreicht. Denn das Verlangen nach Auskunftserteilung durch die dafür zuständigen Stellen setzt voraus, dass die Medien Anlass haben, Fragen _______________
1 Einzelheiten unten § 10 Tz. 1 ff. 2 Dazu oben § 4 Tz. 1 ff.
125
4
§ 7 Tz. 5
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
zu stellen. Das aber ist gerade in heiklen Angelegenheiten vielfach erst der Fall, wenn sie auf inoffiziellem Wege erste Hinweise auf einen bestimmten, bis dahin geheimen Sachverhalt erhalten haben, wenn sie also aus der Behörde oder sonstigen Stelle heraus informiert worden sind. Die Bereitschaft von Bediensteten der öffentlichen Hand, den Medien als Informant zur Verfügung zu stehen, kollidiert dann vielfach mit strafrechtlich sanktionierten Verschwiegenheitspflichten. aa) Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit 5
Auf die materiellrechtlichen Merkmale des Tatbestands des Landesverrats und der strafrechtlichen Bestimmungen der §§ 93 ff. StGB über den Landesverrat und die Gefährdung der äußeren Sicherheit des Staats soll an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingegangen werden.1 Hier muss es genügen, darauf hinzuweisen, dass sich die in §§ 93 ff. StGB gesetzlich normierten Geheimhaltungsvorschriften an jedermann, und damit zwar in erster Linie an Amtsträger, aber eben auch an die Medien wenden. Strafbar ist nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wer ein Staatsgeheimnis im Sinn des § 93 Abs. 1 StGB an einen Unbefugten gelangen lässt, wozu prinzipiell auch die Medien gehören.2 Strafbar ist aber nach § 95 StGB auch derjenige, der ein derart offenbartes Staatsgeheimnis öffentlich bekannt macht. Diese Bestimmung regelt den so genannten publizistischen Landesverrat und richtet sich damit unmittelbar und in erster Linie an die Medien.3
5a
Nur ganz ausnahmsweise kann es daher nach den Grundsätzen der Güterabwägung unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gerechtfertigt sein, wenn die Medien ihnen offenbarte Staatsgeheimnisse veröffentlichen.4 Gerichtliche Entscheidungen, die diese Ausnahmeregel zugunsten der Medien angewandt haben, sind nach der Neufassung der Bestimmungen über den Landesverrat im Jahr 1968 nicht bekanntgeworden. Trägt also ein Informant, bei dem es sich in der Regel um einen Amtsträger handeln wird, eine Information an die Medien heran, die als Staatsgeheimnis im Sinn von § 93 StGB zu qualifizieren ist, so ist nicht nur dieses Verhalten strafbar, sondern die Medien sind vielmehr ihrerseits in aller Regel gesetzlich verpflichtet, von einer Veröffentlichung der betreffenden Information abzusehen; Verstöße gegen diese Verpflichtung können gemäß § 95 StGB als Offenbarung von Staatsgeheimnissen5 ihrerseits strafbar sein. Dies gilt jedenfalls solange, wie das Geheimnis von der jeweils zuständigen amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung (noch) tatsächlich geheim gehalten wird.6 Die Beachtung dieser materiellrechtlichen Geheimhaltungspflicht liegt damit unmittelbar im eigenen Interessen- und Verantwortungsbereich auch der Medien. _______________
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Dazu unten § 12 Tz. 31 ff. Fischer, § 93 StGB Rz. 18 m.N. Fischer, § 95 StGB Rz. 1. Fischer, § 93 StGB Rz. 18. Dazu unten § 12 Tz. 31 ff. Löffler/Ricker, Kap. 50 Rz. 60.
126
Arbeit mit Informanten
Tz. 8 § 7
bb) Formelle Geheimhaltungspflichten Anders steht es mit den Geheimhaltungsvorschriften der §§ 353b und 355 sowie 203 Abs. 2 StGB. Diese Bestimmungen stellen so genannte Sonderdelikte unter Strafe, die nur durch Amtsträger und diejenigen Personen begangen werden können, die Amtsträgern in den einzelnen Straftatbeständen jeweils gleichgestellt werden. Die Verwendung und Veröffentlichung von Informationen, die die Medien unter Verletzung dieser Bestimmungen erhalten, ist damit ihrerseits nicht strafbar; ob ihre öffentliche Bekanntmachung allein deswegen zulässig oder unter anderen zivil- oder strafrechtlichen Aspekten rechtswidrig ist, steht damit noch nicht fest und ist in anderem Zusammenhang zu erörtern.1
6
(1) Amtsverschwiegenheit Nach § 353b Abs. 1 StGB wird bestraft, wer als Amtsträger oder gleichgestellter Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes Geheimnisse unbefugt offenbart, die ihm in dieser Eigenschaft anvertraut oder sonstwie bekannt geworden sind. Geheimnisse im Sinn dieser Bestimmung und auch im Rahmen der weiteren Geheimhaltungsvorschriften sind Tatsachen, deren Kenntnis nicht über einen begrenzten Personenkreis hinausgeht.2 Auf den materiellen Geheimnisbegriff im Sinn der Bestimmungen über den Landesverrat3 kommt es mithin in diesem Zusammenhang nicht an. Dem Verrat von Geheimnissen gleichgestellt ist in § 353b Abs. 2 StGB die Offenbarung von sonstigen Gegenständen oder Nachrichten, die nicht Geheimnis sind, sofern der Täter durch ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder eines seiner Ausschüsse oder von einer anderen amtlichen Stelle förmlich zur Geheimhaltung verpflichtet worden ist.
7
Voraussetzung für die Strafbarkeit ist damit zunächst das Vorliegen eines formellen oder materiellen Geheimnisses. Die Wahrscheinlichkeit, dass öffentlich Bedienstete, die den Medien vertraulich Informationen zukommen lassen, dieses Tatbestandsmerkmal verletzen, ist nicht gering. Denn da Gegenstände, die offenkundig, also einem unbegrenzten Personenkreis schon bekannt und damit materiell nicht mehr geheim sind,4 als Information für recherchierende Medien in der Regel nicht von Interesse sind und der Geltungsbereich der formellen Geheimhaltungsvorschriften insbesondere durch die generellen Vorschiften der §§ 61 BBG und 39 BRRG über die beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht sehr weit gezogen ist,5 betrifft Informationserteilung durch Bedienstete staatlicher Stellen, die nicht zur Auskunftserteilung befugt sind, in den meisten Fällen geheimhaltungsbedürftige Tatsachen.
8
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1 Dazu unten § 12 Tz. 84 ff. 2 BGH NJW 1957, 680; BGH NStZ 2000, 596; BGH MMR 2001; 605 Fischer, § 353b StGB Rz. 7. 3 Dazu unten § 12 Tz. 31 ff. 4 Fischer, § 353b StGB Rz. 7. 5 Fischer, § 353b StGB Rz. 7a.
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§ 7 Tz. 8a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
8a
Tatbestandlich ist die Offenbarung derartiger Geheimnisse oder formell geschützter Informationen aber nur, wenn dadurch wichtige öffentliche Interessen konkret gefährdet werden.1 Nicht jede Weitergabe von Informationen durch Mitarbeiter öffentlicher Dienststellen, die für eine Auskunftserteilung nach den Landespressegesetzen nicht zuständig sind, ist damit nach § 353b StGB strafbar. Vielmehr tritt die Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen als zweites Tatbestandsmerkmal neben dasjenige des Geheimnisverrats. Es muss sich dabei um Interessen von einigem Rang handeln.2 In Betracht kommt hier die Gefährdung etwa der Zusammenarbeit deutscher und ausländischer Nachrichtendienste, der ungestörten Strafrechtspflege oder der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs unter mehreren Bewerbern um öffentliche Aufträge.3 Auch die Offenbarung der Tatsache, dass hinsichtlich bestimmter Personen in einer polizeilichen Datensammlung keine Eintragungen vorhanden sind, kann wichtige öffentliche Interessen gefährden, wenn daraus auf die Ermittlungstaktik der Polizei in einem bestimmten Komplex geschlossen werden kann.4 Das bloße Interesse daran, die gesetzlich geforderte Amtsverschwiegenheit als solche intakt zu erhalten, begründet die Strafbarkeit hingegen noch nicht.5
8b
Das Risiko, dass in der Offenbarung formeller oder materieller Dienstgeheimnisse zugleich eine Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen und damit eine strafbare Handlung gesehen wird, trägt stets der Informant. Und es ist nicht gering. Wer als Amtsträger den Medien Informationen zukommen lässt, ohne dafür institutionell zuständig zu sein, muss im Fall der Aufdeckung der undichten Stelle stets mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, zumal hinsichtlich der Gefährdung öffentlicher Interessen im Rahmen von § 353b Abs. 1 Satz 2 StGB die Schuldform der Fahrlässigkeit ausreicht, der bei strafrechtlichen Delikten in der Regel geforderte Vorsatz mithin nicht erforderlich ist.6 Da nach strafrechtlichen Grundsätzen ein Irrtum in der Regel jedenfalls den Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht beseitigt, nützt es dem Informanten, der den Medien unter bewusstem Verstoß gegen Geheimhaltungsvorschriften Informationen oder Material zuspielt, nichts, wenn er sich darauf beruft, er habe nicht geglaubt, dadurch wichtige öffentliche Interessen zu gefährden. (2) Private Geheimnisse
9
Eine wichtige Ergänzung des Geheimnisschutzes nach § 353b StGB stellt die Bestimmung des § 203 Abs. 2 StGB dar. Danach sind Amtsträger und die ihnen gleichgestellten Personen strafbar, die ihnen in ihrer amtlichen Eigenschaft anvertraute oder sonst bekanntgewordene fremde Geheimnisse, insbesondere Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sowie solche aus persönlichen Lebensverhältnissen Privater offenbaren. Gleiches gilt für die Preisgabe sons_______________
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BGH NJW 1989, 1872. BGH NJW 1958, 1403. Fischer, § 353b StGB Rz. 13 ff. BGH MMR 2001, 605. Fischer, § 353b StGB Rz. 13a. BGH MMR 2001, 605.
128
Arbeit mit Informanten
Tz. 11 § 7
tiger Informationen, die für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfasst worden sind. Amtsträgern ausdrücklich gleichgestellt sind Datenschutzbeauftragte hinsichtlich solcher Informationen, die einem Amtsträger zugänglich und ihnen in Ausübung ihres Amts bekannt geworden sind.1 In diesen Fällen geht es also nicht, wie in § 353b StGB, um den Schutz materieller Geheimnisse des Staats und seiner Untergliederungen oder solcher Tatbestände, deren Geheimhaltung förmlich angeordnet worden ist, sondern um den Schutz privater Geheimnisse, über die staatliche Stellen kraft ihres Amts verfügen. Anders als im Fall des § 353b StGB werden Verstöße gegen § 203 StGB allerdings nur auf Antrag verfolgt.2 Aus der Kombination der beiden Geheimhaltungsvorschriften ergibt sich dennoch eine fast vollständige strafrechtliche Absicherung der Verschwiegenheitspflichten von Beamten und sonstigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes. (3) Post- und Fernmeldegeheimnis Als eine Art Sonderdelikt zu § 202 StGB stellt die Bestimmung des § 206 StGB die Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses durch Inhaber oder Beschäftigte eines Unternehmens, das geschäftsmäßig Post- und Telekommunikationsdienstleistungen erbringt, unter Strafe. Verboten ist nach Abs. 1 dieser Vorschrift jedwede Weitergabe von Tatsachen, die dem Post- oder Fernmeldegeheimnis unterliegen. Gemäß § 206 Abs. 5 StGB schützt das Postgeheimnis die näheren Umstände des Postverkehrs bestimmter Personen sowie den Inhalt von Postsendungen. Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände. Dazu gehört insbesondere auch die Frage, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Das Fernmeldegeheimnis erstreckt sich auch auf die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche. In allen diesen Fällen ist es gleichgültig, ob es sich bei dem Inhalt der Kommunikation um Geheimnisse im Sinn von § 203 StGB handelt oder nicht.
10
Nach § 206 Abs. 4 StGB dürfen schließlich auch solche Tatsachen nicht weitergegeben werden, die einem Amtsträger aufgrund eines berechtigten Eingriffs in das Post- oder Fernmeldegeheimnis bekannt geworden sind, etwa im Rahmen der strafprozessualen Überwachung des Post- oder Fernmeldeverkehrs.3 Und nach Abs. 2 derselben Bestimmung ist es für Inhaber und Beschäftigte der Post- und Telekommunikationsunternehmen strafbar, Postsendungen zu öffnen, zu unterdrücken oder sich auf sonstige Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu verschaffen.
10a
(4) Steuergeheimnis Die Bestimmung des § 355 StGB schließlich sichert das Steuergeheimnis, indem sie nicht nur die Weitergabe der steuerlichen und wirtschaftlichen Ver_______________
1 § 203 Abs. 2a StGB. 2 § 205 StGB. 3 Fischer, § 206 StGB Rz. 10.
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§ 7 Tz. 12
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
hältnisse eines Steuerpflichtigen durch Amtsträger unter Strafe stellt, sondern zusätzlich auch die Offenbarung fremder Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen aus Anlass steuerlicher oder steuerstrafrechtlicher Verfahren bekannt geworden sind. Auch dieser Tatbestand kann im Regelfall nur durch Amtsträger und die ihnen in § 355 Abs. 2 StGB gleichgestellten Personen verletzt werden, nicht aber durch Medienangehörige. (5) Relevanz für die Medien 12
Zusammenfassend lässt sich für die vorstehend dargestellten Geheimhaltungsvorschriften feststellen: Da es sich jeweils um so genannte Amtsdelikte handelt, verletzen Redaktionen, die unter Umgehung der für die Auskunftserteilung nach den Landespressegesetzen zuständigen Stellen auf inoffiziellem Wege Informationen aus allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung erhalten, durch deren Entgegennahme und Veröffentlichung in der Regel selbst keine Straftatbestände.
12a
Strafbar kann jedoch die Anstiftung der genannten qualifizierten Täterkreise zur Begehung von Geheimnisverrat sein, und zwar auch durch Personen, die ihrerseits nicht Täter sein können.1 Veranlassen daher Redakteure einen Amtsträger oder eine ihm im Rahmen der Geheimhaltungsvorschriften gleichgestellte Person vorsätzlich dazu, ihnen Informationen unter Verstoß gegen die genannten Geheimhaltungsvorschriften zu verschaffen, und rufen sie erst dadurch den Tatentschluss beim Täter hervor,2 dann machen sie sich dadurch unter Umständen ihrerseits unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Anstiftung strafbar.
12b
Hingegen kommt entgegen einer verbreiteten Tendenz in der Rechtsprechung3 nach richtiger Ansicht eine Beihilfe zur Straftat der Offenbarung jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn ein Redakteur eine Information lediglich entgegen nimmt, ohne auf die Begehung des Geheimnisverrats durch den Normadressaten in irgend einer Weise einzuwirken; dass er den ihm seitens eines Amtsträgers pflichtwidrig offenbarten Sachverhalt anschließend seinerseits öffentlich macht, kann daran nichts ändern.4 Der Vorwurf der Beihilfe zur pflichtwidrigen Offenbarung bedarf vielmehr zunächst der begründeten Feststellung, dass und durch wen eine Amtspflichtverletzung überhaupt begangen worden ist; denn nicht jede Offenbarung von Dienstgeheimnissen kommt auf diesem Weg zu Stande. Und er bedarf obendrein konkreter Anhaltspunkte dafür, dass und auf welche Weise ein Journalist des veröffentlichenden Mediums daran mitgewirkt hat; die Veröffentlichung als solche ist kein Indiz dafür.5 Dies bedarf besonderer Betonung, weil Ermittlungsbehörden _______________
1 §§ 28 Abs. 1, 49 StGB; Fischer, § 353b StGB Rz. 1. 2 Zur strafrechtlichen Teilnahmeform der Anstiftung vgl. etwa die Erläuterungen bei Fischer, § 26 StGB Rz. 1 ff. 3 BGH NStZ 2000, 594; BayObLG NStZ-RR 1999, 299; OLG Köln NJW 1988, 2489; OLG Düsseldorf NJW 1989, 1872; LG Ulm NJW 2000, 822; Fischer, § 353b StGB Rz. 14 a. 4 Behm, AfP 2000, 421 ff.; Gaede, AfP 2007, 410 ff., jeweils m.w.N. 5 LG Potsdam AfP 2006, 200; OLG Brandenburg AfP 2006, 484.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 13 § 7
in jüngerer Vergangenheit mit zunehmender Häufigkeit die These vertreten haben, der Journalist, der ihm unter Verletzung von § 353b StGB pflichtwidrig erteilte Informationen veröffentlicht, könne sich unter dem Aspekt einer so genannten sukzessiven Beihilfe zum Geheimnisverrat selbst strafbar machen, und mit dieser Begründung Durchsuchungsbeschlüsse gegen Redaktionen erwirkt haben, deren Ziel, jedenfalls aber erwünschte Nebenwirkung es dann stets ist, auf diese Weise die Identität des Informanten zu ermitteln und damit das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Redaktionsgeheimnis zu unterlaufen.1 Dem hat nun das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben, nachdem es schon früher festgestellt hatte,2 dass Durchsuchungen oder Beschlagnahmen gegen Presseangehörige dann verfassungsrechtlich unzulässig sind, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln. Im Hinblick auf die Praxis der Ermittlungsbehörden, auf der Basis des Vorwurfs einer angeblichen Beihilfe von Journalisten zum Geheimnisverrat durch Amtsträger Redaktionsräume zu durchsuchen und so zu versuchen, die Identität des oder der Informanten aufzudecken, hat das Bundesverfassungsgericht3 nun klargestellt, dass die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses durch einen Journalisten nicht ausreicht, um einen Verdacht der Beihilfe zum Geheimnisverrat zu begründen, der eine Beschlagnahme oder Durchsuchung in den Redaktionsräumen rechtfertigen könnte. Das Gericht betont in dieser Entscheidung den massiven und einschüchternden Eingriff, der mit einer Durchsuchung in Redaktionsräumen verbunden ist; im Hinblick auf den damit zwangsläufig verbundenen Eingriff in das Grundrecht der Presse- oder Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist nach dieser Entscheidung die Tatsache, dass der publizierende Journalist im Besitz der geheimen Information sein oder gewesen sein muss, keine ausreichende Grundlage für eine Redaktionsdurchsuchung oder Beschlagnahme. Zwar hat das Gericht das Konstrukt der so genannten sukzessiven Beihilfe nicht schlechthin verworfen4; allein mit der Tatsache, dass Medien Informationen veröffentlichen, die aus geheimer Quelle stammen und ihnen daher vermutlich durch strafbaren Geheimnisbruch eines Amtsträgers zur Kenntnis gelangt sein werden, werden sich künftig aber strafprozessuale Maßnahmen gegen Journalisten und Redaktionen und die damit verbundenen Versuche, auf diesem Wege den Informantenschutz zu unterlaufen, nicht mehr rechtfertigen lassen.
12c
cc) Rechtfertigung des Geheimnisbruchs? Die Bestimmungen der §§ 61 BBG, 39 BRRG über die Verschwiegenheitspflicht der Beamten und die hier erörterten strafrechtlichen Bestimmungen, die der Absicherung dieser Verschwiegenheitspflicht dienen und sie auf gleichgestellte Personen ausdehnen, sind allgemeine Gesetze im Sinn von _______________
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So zutreffend Gaede, AfP 2007, 410. BVerfG NJW 1966, 1603 – Spiegel-Urteil. BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero. Dazu im Einzelnen Gaede, AfP 2007, 410 ff. m.w.N.
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§ 7 Tz. 14
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Art. 5 Abs. 2 GG. Sie beschränken damit zugleich zulässiger Weise die Meinungsäußerungsfreiheit derjenigen, die ihnen unterworfen sind.1 Der Versuch, den Geltungsbereich dieser Bestimmungen dadurch aufzuweichen und Beamten im Umgang mit den Medien einen größeren Handlungsspielraum zu verschaffen, dass sie sich zur Rechtfertigung von Medieninformationen unmittelbar auf ihr Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit berufen, ist vom Bundesverfassungsgericht2 im Wesentlichen zurückgewiesen worden. Ist ein Beamter der Auffassung, dass im Organisationsbereich der Dienststelle, für die er tätig ist, Missstände festzustellen sind, so rechtfertigt dies allein noch nicht die Information der Medien unter Bruch gesetzlicher Geheimhaltungsvorschriften. Auch die naheliegende Überzeugung, dass diejenigen, die für festgestellte Missstände verantwortlich sind, kaum bereit sein werden, sie abzustellen, wenn sie intern darauf angesprochen werden, ist kein Rechtfertigungsgrund. Etwas Anderes gilt allenfalls dann, wenn die betreffenden Beschwerden auch nach vollständiger Erschöpfung des Dienstwegs unter Einschluss des zuständigen Ministers nicht zu einer Abhilfe führen. b) Private Informanten 14
Auch private Informanten sind rechtlich keineswegs immer Herr der Informationen, die sie den Medien anbieten oder zukommen lassen. Die Weitergabe von Informationen kann vielmehr auch im privaten Bereich gesetzliche oder vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen verletzen. aa) Gesetzliche Verschwiegenheitspflichten
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Gesetzliche Verschwiegenheitspflichten, die einer Informationserteilung durch private Informanten entgegenstehen können, ergeben sich aus einer Reihe von Bestimmungen. (1) Privatgeheimnisse
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Einer strafrechtlich sanktionierten Verschwiegenheitspflicht unterliegen zunächst die Angehörigen der Mehrzahl der freien Berufe nach der Vorschrift des § 203 Abs. 1 StGB.3 Danach ist die Weitergabe von Geheimnissen strafbar, die Angehörigen der Heilberufe und der rechts- und steuerberatenden sowie einiger weiterer gesetzlich definierter Berufe in Ausübung ihres jeweiligen Berufs anvertraut oder sonst bekannt werden. Den Berufsangehörigen gleichgestellt sind die bei ihnen tätigen Mitarbeiter einschließlich der Auszubildenden. Die Verletzung dieses Straftatbestands wird nur auf Antrag dessen verfolgt, zu dessen Gunsten die Verschwiegenheitspflicht besteht; ist er verstorben, so geht das Antragsrecht nach Maßgabe von § 205 Abs. 2 StGB auf seine Angehörigen oder Erben über. _______________
1 BVerfGE 28, 191 = NJW 1975, 1641 – Radikalenerlass; Wenzel/Burkhardt, Kap. 2 Rz. 33. 2 BVerfG NJW 1970, 1498 – Fall Pätsch. 3 Dazu unten § 10 Tz. 13 f.
132
Arbeit mit Informanten
Tz. 17a § 7
Die Einhaltung dieser beruflichen Verschwiegenheitspflicht ist in der Regel für die Angehörigen der betreffenden Berufe eine Selbstverständlichkeit, sollte dies aber im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte derjenigen, die sich den in § 203 Abs. 1 StGB genannten Berufsträgern anvertrauen, auch für die Öffentlichkeit und damit für die Medien sein und als solche respektiert werden. Denn Verstöße gegen diese Verpflichtung können nicht nur strafrechtliche Verfolgung, sondern unter dem rechtlichen Aspekt der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch zivilrechtliche Ansprüche nach sich ziehen.1 Soweit ersichtlich, ist die Beachtung der Verschwiegenheitspflicht durch Angehörige der Heilberufe in der Praxis weitgehend die Regel. Insbesondere Ärzte, aber auch Psychologen oder Angehörige von Beratungsstellen werden von den Medien wohl nur in Ausnahmefällen, etwa in Fällen der Erkrankung von Personen in herausragender Position oder nach spektakulären Unglücksfällen, um Angaben über den Gesundheitszustand der ihnen anvertrauten Personen ersucht, und ihre Weigerung, darüber Auskunft zu erteilen, wird regelmäßig respektiert werden.
16a
Rechtsanwälte aber erfreuen sich insbesondere im Zusammenhang mit großen Strafprozessen häufig eines intensiven Informationsinteresses der Medien, und nicht selten verkennen Journalisten, dass auch Anwälte durch die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht gebunden und als Informanten alles andere als frei sind. Zwar wird der Bruch der Verschwiegenheit durch die Einwilligung desjenigen gerechtfertigt, zu dessen Schutz die Verschwiegenheitspflicht besteht.2 Das ändert aber nichts daran, dass zunächst einmal prinzipiell vom Bestehen einer Verschwiegenheitspflicht auszugehen ist und dass die Medien aus der Weigerung eines Rechtsanwalts, ihnen Auskunft zu erteilen, keine inhaltlichen Schlüsse ziehen dürfen.
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Dieser Rechtslage trägt die journalistische Praxis nicht immer Rechnung. Nicht selten bedrängen Journalisten Anwälte um Informationen, auch wenn diese erklärtermaßen nicht auskunftsbefugt und -bereit sind. Ein erfahrener Strafverteidiger hat dies so ausgedrückt, dass in aufsehenerregenden Fällen die Beteiligten einschließlich ihrer Anwälte namentlich durch die Boulevardpresse „regelrecht zwischengenommen würden“; selbst harmlos gegebene Erklärungen und objektiv geführte Gespräche mit der Presse könnten schlimme Folgen haben. Der Umgang mit der Presse sei „ebenso aufregend und gefährlich wie derjenige mit schönen Frauen oder mit Pferden“; man müsse „ständig aufpassen, dass sie nicht durchgehen“.3 Das mag überzeichnet sein, kennzeichnet aber ein Spannungsfeld, das in Anbetracht des großen Interesses der Medien an bestimmten gerichtlichen Verfahren tatsächlich existiert. Der Druck auf die Rechtsanwälte, es mit ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung nicht mehr so genau zu nehmen, ist obendrein in den letzten Jahren durch das Hinzutreten spezifischer Anwaltsjournale oder auch Themenseiten der Wirtschaftspresse, die sich jeweils schwerpunktmäßig mit anwaltlichen Dienstleistungen befassen und die Anwaltschaft veranlassen, ihnen die Namen von
17a
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1 Dazu im Einzelnen unten § 19 Tz. 1 ff. 2 Fischer, § 203 StGB Rz. 32. 3 Dahs, Tz. 201.
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§ 7 Tz. 17b
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Mandanten und Einzelheiten betreffend bestimmte Mandate zu nennen, ständig größer geworden. 17b
Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind aber gerade Rechtsanwälte taugliche Informanten der Medien nur dann, wenn sie von ihren Mandanten zur Auskunftserteilung ermächtigt worden und obendrein selbst auskunftsbereit sind. Auskünfte, die auch Rechtsanwälte gelegentlich vertraulich erteilen, müssen von den Medien sorgfältig auf ihre Verwertbarkeit geprüft werden, weil informierende Rechtsanwälte erfahrungsgemäß im etwaigen Streitfall nicht bereit sein werden, den Redakteuren als Zeugen zur Verfügung zu stehen. Erteilen sie aber offen und vorbehaltlos Auskunft, dann gilt auch im Rahmen von § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB, was bereits im Zusammenhang mit den Geheimhaltungsvorschriften für Amtsträger betont wurde:1 Die Verwertung und Publizierung derartiger Informationen durch die Medien wird vom Straftatbestand des § 203 StGB nicht erfasst; ob sie nach anderen zivil- oder strafrechtlichen Bestimmungen unzulässig ist, ist in anderem Zusammenhang zu erörtern. (2) Berufs- und standesrechtliche Restriktionen
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Rechtsanwälte und Angehörige anderer freier Berufe wie insbesondere Ärzte oder Heilpraktiker unterliegen darüber hinaus ausdrücklichen berufs- oder standesrechtlichen Werbebeschränkungen, deren praktische Relevanz Im Einzelfall zwar geringer geworden ist, nachdem insbesondere das Bundesverfassungsgericht2 den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts die rechtliche Verbindlichkeit abgesprochen und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Freiraum für Informationsmaßnahmen der Ärzte3 und Anwälte4 erweitert hat. Aus dennoch weiterhin bestehenden Restriktionen ergibt sich aber für die betreffenden Berufsangehörigen eine Schranke berechtigter Informationstätigkeit insbesondere in Fällen, in denen es um die Herausstellung besonderer eigener Leistungen oder Angebote gegenüber der Öffentlichkeit geht.
18a
Nach § 6 der Berufsordnung für Rechtsanwälte darf ein Rechtsanwalt heute über seine Dienstleistungen und seine Person informieren, soweit seine Angaben sachlich unterrichten und berufsbezogen sind. Es ist daher heute nicht mehr per se unzulässig, wenn sich Rechtsanwälte mit Informationen über eigene Leistungen und Erfolge über die Medien an die Öffentlichkeit wenden oder sich den Medien als Auskunftsgeber oder Interviewpartner zur Verfügung stellen, sofern es nicht um Sensationsberichterstattung, sondern um ein sachliches Anliegen von allgemeinem Interesse geht.5 Auch dürfen Rechtsanwälte auf Praxisschildern oder Drucksachen auf bestimmte Tätigkeitsschwerpunkte _______________
1 Oben Tz. 12 ff. 2 BVerfG NJW 1988, 191. 3 EGMR AfP 1986, 33 = NJW 1985, 2885 – Fall Barthold; EGMR NJW 2003, 497 – Fall Stambuk. 4 EGMR GRUR-RR 2009, 173 – Brzank/Deutschland. 5 § 6 Abs. 1 BORA; EGMR AfP 1986, 33 = NJW 1985, 2885; Wenzel/Burkhardt, Kap. 2 Rz. 42.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 19 § 7
wie etwa das Versicherungs- oder Transportrecht1 oder aber Strafverteidigungen2 und selbstverständlich auf die von den Anwaltskammern für zahlreiche Rechtsgebiete speziell verliehenen Fachanwaltsbezeichnungen hinweisen.3 Gleiches gilt für Kanzleieröffnungsanzeigen.4 Daraus ergibt sich, dass Rechtsanwälte auch die Medien jedenfalls auf Anfrage entsprechend informieren dürfen. Das Auftreten eines Anwalts als Rechtsberater im Rahmen einer Telefonaktion einer Tageszeitung ist ebenfalls nicht per se als berufsrechtswidrig zu bezeichnen; solange er die Anrufer nicht zur weiteren Beratung an seine Praxis verweist oder seine Adresse in der betreffenden Zeitung veröffentlicht, bestehen keine Bedenken gegen eine derartige Aktion.5 Auch die Bezeichnung eines Rechtsanwalts als Experte für ein bestimmtes Fachgebiet im Rahmen eines von ihm verfassten redaktionellen Beitrags oder mit ihm veranstalteten Interviews kann nach den heute geltenden gelockerten Standards nicht mehr berufsrechtswidrig sein, sofern sie sachlich gehalten und nicht werblich herausgestellt wird. Hinweise auf Mandate und Mandanten sind auch nach heutiger Rechtslage nur zulässig, soweit der Mandant ausdrücklich eingewilligt hat.6 Demgegenüber ist ein Rechtsanwalt berufsrechtlich nicht mehr daran gehindert, einem Redakteur eines Fachmagazins Angaben zu Erfolgen zu machen, die er in einer bestimmten Gruppe von Verfahren erzielt hat.7 Und unter Berücksichtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1GG ist es nicht unzulässig, wenn ein Rechtsanwalt auf der eigenen Website eine so genannte Gegnerliste veröffentlicht, aus der ersichtlich ist, gegen welche Unternehmen etwa einer bestimmten Branche er für seine Mandanten bereits mit Erfolg tätig geworden ist.8 Dies gilt selbst dann, wenn ein auf einer solchen Liste genanntes Unternehmen mit seiner Nennung nicht einverstanden ist und darin eine Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sieht. Andererseits darf ein Rechtsanwalt auch weiterhin nicht daran mitwirken, dass Dritte für ihn Werbung betreiben, die ihm selbst verboten ist,9 wobei zu beachten ist, dass sachliche Informationen über Leistungen, Angebote und Erfolge nicht als Werbung einzustufen sind.10
18b
Ähnlich wie für Rechtsanwälte sehen die insoweit geltenden einschlägigen landesrechtlichen Berufsordnungen der Ärzte Werbebeschränkungen vor.11 Auch insoweit hat die Rechtsprechung in jüngerer Zeit für eine deutliche Erweiterung der Freiräume gesorgt, die diese Berufsgruppe für ihre eigene Öffent-
19
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EG Düsseldorf NJW 1992, 2835; BVerfG NJW 1995, 712. BGH NJW 1994, 2284. §§ 6 Abs. 2, 7 BORA. BGH NJW-RR 1994, 1480. OLG Stuttgart AfP 1995, 673. § 6 Abs. 3 BORA. OLG Frankfurt/Main GRUR 2000, 1098. BVerfG NJW 2008, 838 = GRUR 2008, 352 – Gegnerliste; anders noch KG BeckRS 2005, 12210. 9 § 6 Abs. 4 BORA. 10 OLG Frankfurt/Main GRUR 2000, 1098. 11 Vgl. etwa § 27 Berufsordnung der Ärztekammer Nordrhein für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte v. 14.11.1998 in der Fassung v. 18.11.2006.
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§ 7 Tz. 19a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
lichkeitsarbeit und damit für die Zusammenarbeit mit und ihr Informationsverhalten gegenüber den Medien nutzen kann. So ist auch Ärzten eine sachliche Darstellung ihrer Tätigkeit gegenüber den Medien nicht mehr verwehrt,1 auch wenn damit unvermeidlich ein gewisser werblicher Effekt verknüpft ist. Das gilt insbesondere dann, wenn sie sich durch Äußerungen gegenüber den Medien gegen öffentlich gegen sie erhobene Vorwürfe verteidigen wollen.2 So war es etwa durch die Gewährleistung der Meinungsfreiheit in Art. 10 Abs. 2 EMRK gedeckt, dass ein Augenarzt gegenüber einer Lokalzeitung auf seine Tätigkeit in der noch relativ neuen Lasertechnik für die Behandlung von Fehlsichtigkeit, die Anzahl bereits durchgeführter Behandlungen und die Tatsache hinwies, dass er eine Erfolgsquote von 100 % verzeichnen konnte, und dass er sich zur Bebilderung des Artikels bei der Arbeit fotografieren ließ.3 Auch die Mitwirkung eines Schönheitschirurgen an einem Fernsehbeitrag über den Urlaubstrend, Partyreisen nach Mallorca mit einer schönheitschirurgischen Behandlung vor Ort zu verbinden, wurde nicht als standeswidrige Werbung angesehen.4 Allerdings tendiert die Rechtsprechung nach wie vor dazu, in der Selbstdarstellung von Ärzten5 und Heilpraktikern6 gegenüber den Medien jedenfalls dann Verstöße gegen das standesrechtliche Werbeverbot und zugleich auch gegen das Verbot sittenwidriger Werbung gemäß § 3 UWG zu sehen, wenn die eigene Person in den Vordergrund gestellt oder eine sonstwie anpreisende Art der Darstellung gewählt wird. So war etwa die Verteilung einer Pressemitteilung als standeswidrige Werbung des betreffenden Arztes anzusehen, in der er eine vom ihm erworbene Privatklinik als „Klinik der Hoffnung“ bezeichnete.7 19a
Auch soweit danach Werbeverbote insbesondere zu Lasten von Rechtsanwälten und Ärzten fortbestehen, kann von diesen in der Regel nicht verlangt werden, die Veröffentlichung von Informationen oder Äußerungen gegenüber den Medien davon abhängig zu machen, dass ihnen die betreffenden Publikationen vorher zur Billigung vorgelegt werden.8 Das Risiko einer reißerischen Verfremdung rechtlich unbedenklicher Informationen durch die Medien tragen demnach in der Regel nicht die sie informierenden und mit ihnen kooperierenden Berufsangehörigen. Andererseits sind Normadressaten der Werbeverbote nur die jeweiligen Berufsangehörigen, nicht aber die Medien. Die Beschaffung und spätere Verwertung derartiger Informationen durch Redaktionen ist daher unter berufsrechtlichen Aspekten nicht unzulässig. Anders als die gesetzlichen Bestimmungen über den Geheimnisverrat von Amtsträgern9 _______________
1 EGMR AfP 1986, 33 = NJW 1985, 2885 – Fall Barthold; EGMR NJW 2003, 497 – Fall Stambuk. 2 BVerfG NJW 1992, 234; OLG Hamburg WRP 1993, 498. 3 EGMR NJW 2003, 497 – Fall Stambuk. 4 OVG Münster NJW 2007, 3144. 5 OLG Hamburg AfP 1988, 352; OLG Hamburg WRP 1993, 498; OLG Köln NJWEWettbR 1996, 196. 6 KG AfP 1988, 346; OLG Hamburg AfP 1988, 350. 7 OLG München GRUR 2000, 1100. 8 BVerfG AfP 1992, 128 = NJW 1992, 2341 – Hackethal-Interview; BVerfG NJW 1994, 123 – Anwaltsinterview; anders OLG Hamburg WRP 1993, 498; Einzelheiten dazu unten § 7 Tz. 35 ff. 9 Oben Tz. 7 f.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 21 § 7
sind Berufs- und Standesrechtsverstöße auch keine Straftatbestände, so dass auch ein Versuch der Medien, Ärzte oder Rechtsanwälte zu Äußerungen anzustiften, die berufsrechtlich nicht statthaft sind, nicht strafbar ist. Dennoch haben die Medien Anlass zur Zurückhaltung in der Auswertung derartiger Informationen, da sie sich gegen zivilrechtliche Ansprüche etwa wegen einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am Unternehmen der Betroffenen nicht mit dem Argument werden rechtfertigen können, sie hätten sich darauf verlassen, dass die sie instruierenden Berufsträger zur Auskunftserteilung berechtigt gewesen seien. (3) Geschäftsgeheimnisse Eine weitere insbesondere für die Wirtschaftsberichterstattung durch die Medien bedeutsame gesetzliche Verschwiegenheitspflicht ergibt sich aus der Bestimmung des § 17 UWG. Danach ist der Verrat von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen durch angestellte Mitarbeiter verboten. Vergleichbare Regelungen enthalten §§ 93 Abs. 1 Satz 3 und 116 Satz 2 AktG für Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften.1 Ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis im Sinn dieser Bestimmungen liegt vor, wenn der nicht offenkundige Inhalt nach dem erklärten Willen des Unternehmers geheim gehalten werden soll und der Unternehmer ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung hat.2 Diese strafrechtlich sanktionierte Geheimhaltungsverpflichtung besteht nur während des Bestehens des Dienstverhältnisses, steht also der Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen nach dessen Beendigung nicht mehr entgegen.3 Über den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung hinaus gelten aber in vielen Fällen insbesondere mit leitenden Mitarbeitern ausdrücklich vereinbarte vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen.4
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Beide Arten von Verschwiegenheitsverpflichtungen werden nicht nur verletzt, wenn der betreffende Mitarbeiter einen Wettbewerber fördern will, sondern auch dann, wenn er aus Eigennutz oder in der bloßen Absicht handelt, dem eigenen Unternehmen Schaden zuzufügen. Der Tatbestand des wettbewerbsrechtlichen Geheimnisverrats kann damit insbesondere dann erfüllt sein, wenn sich Mitarbeiter von Unternehmen durch finanzielle Zuwendungen dazu bestimmen lassen, Geschäftsgeheimnisse preiszugeben. Wie Verstöße gegen die Geheimhaltungsvorschrift des § 203 StGB werden auch solche gegen § 17 UWG in der Regel nur auf Antrag und von Amts wegen nur dann verfolgt, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.5
20a
Strafbar kann aber unter Umständen nicht nur derjenige sein, der den Geheimnisverrat begeht, sondern auch der Redakteur, der den Verräter zum Vertragsbruch verleitet oder auch nur davon profitiert. Bestraft wird mithin auch derjenige, der jemanden zu einem Vergehen nach § 17 UWG zu verleiten sucht
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Vgl. dazu Säcker, NJW 1986, 803 ff. Vgl. zu den Einzelheiten Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 17 UWG Rz. 5 ff. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 17 UWG Rz. 22. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 17 UWG Rz. 51 f.; dazu auch unten Tz. 23. § 17 Abs. 5 UWG.
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§ 7 Tz. 21a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
oder auch nur das Anerbieten des Anderen zu einem solchen Vergehen annimmt.1 Dieser besondere Teilnahmetatbestand wird jedoch bei Mitwirkungshandlungen durch Angehörige der Medien nur ausnahmsweise erfüllt sein. Denn die Strafbarkeit derartiger Mitwirkungshandlungen setzt voraus, dass auch der Teilnehmer zu geschäftlichen Zwecken oder aus Eigennutz handelt. Am Tatbestandsmerkmal des geschäftlichen Handelns fehlt es bei beabsichtigter Medienberichterstattung aber fast immer.2 Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn Gegenstand der im Wege des Geheimnisverrats beschafften Information ein konkurrierendes Medium ist oder wenn hinter der Teilnahme am Geheimnisverrat die konkrete Absicht steht, das betroffene Unternehmen zu Lasten eines Wettbewerbers zu schädigen. 21a
Auch das Kriterium des Handelns aus Eigennutz kann im Fall von Medienberichterstattung nur in Ausnahmefällen erfüllt sein. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich Medien Informationen dadurch verschaffen, dass sie Mitarbeiter von Unternehmen zum Bruch ihrer Verschwiegenheitspflicht veranlassen oder das Ergebnis eines derartigen Geheimnisbruchs auch nur entgegennehmen. Denn die Informationsbeschaffung erfolgt auch dann, wenn sie ungesetzliche Handlungen Dritter ausnutzt, jedenfalls in der Regel immer noch in Erfüllung des gesetzlichen Recherchenauftrags der Medien.3 Informationsbeschaffung durch die Medien erfolgt damit in aller Regel nicht aus Eigennutz im Sinne des gesetzlichen Tatbestandes. Die Teilnahme von Mitarbeitern der Medien an der Verletzung der Geheimhaltungsvorschrift des § 17 UWG durch Anstiftung des Täters oder Ausnutzung der Tat bleibt daher im Regelfall straffrei. bb) Vertragliche Verschwiegenheitspflichten
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Informationserteilung durch Private kann und wird aber häufig nicht nur durch die erwähnten strafrechtlichen Bestimmungen, sondern zusätzlich auch durch vertragliche Bindungen eingeschränkt sein. (1) Verschwiegenheitspflichten von Arbeitnehmern
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Derartige Einschränkungen des Rechts, den Medien Informationen zu erteilen, können und werden sich in erster Linie aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, und zwar auch und gerade dann, wenn es nicht um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse im Sinn von § 17 UWG geht.4 Insbesondere von Führungskräften und damit in der Regel Informationsträgern werden Unternehmen in aller Regel erwarten, dass sie Betriebsinterna unabhängig davon vertraulich behandeln, ob ihre Weitergabe im Einzelfall strafbar wäre oder nicht. Keine Zweifel ergeben sich insoweit, als Verschwiegenheitspflichten aus_______________
1 § 19 Abs. 1 und 2 UWG. 2 Zum Tatbestandsmerkmal des geschäftlichen Handelns im Rahmen von Medienberichterstattung vgl. unten § 22 Tz. 3 f. 3 Damit ist die Frage, ob derart recherchiertes Material auch veröffentlicht werden darf, auch in diesem Zusammenhang noch nicht beantwortet; zur Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen unten § 12 Tz. 84 f. 4 Vgl. dazu Schaub/Linck, § 55 Rz. 51 ff.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 24 § 7
drücklich vertraglich vereinbart sind. Derartige Vereinbarungen sind wirksam, und ihre Verletzung kann den Gebundenen zur Zahlung gegebenenfalls vereinbarter Vertragsstrafen, u.U. aber auch zur Leistung von Schadenersatz verpflichten. Schweigepflichten von Arbeitnehmern bestehen aber in der Regel auch dann, wenn sie nicht ausdrücklich vereinbart sind, und zwar als Ausprägung der Treuepflicht des Arbeitnehmers und damit als stillschweigend vereinbarte vertragliche Nebenpflicht.1 Für die Aufdeckung innerbetrieblicher Missstände sind die zum öffentlichen Dienst2 entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden. Erst wenn innerbetriebliche Versuche zur Beseitigung der Missstände nichts fruchten, und nur wenn es sich um Angelegenheiten von öffentlichem Interesse handelt, darf sich ein Arbeitnehmer mit seiner Kritik und den sie stützenden Tatsachen an die Medien wenden.3 Anders als die gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung nach § 17 UWG können die zivilrechtlichen Schweigepflichten auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus fortwirken. Das ist immer dann der Fall, wenn dies im Vertrag ausdrücklich vereinbart wird. Das kann sich aber auch aus einer nachwirkenden Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers ergeben,4 die ausgeschiedene Arbeitnehmer selbst dann, wenn sie nicht in besonders herausgehobener Position tätig waren, dazu verpflichten kann, über solche Angelegenheiten des Unternehmens Stillschweigen zu bewahren, auf deren Geheimhaltung es bei der Durchsetzung seiner berechtigten Interessen angewiesen ist.5 Allerdings kann die Offenbarung gravierender Missstände im Einzelfall gerechtfertigt sein. Das ist der Fall, wenn die erforderliche Güterabwägung ergibt, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit schwerer wiegt als das Interesse des Unternehmens an der Beachtung der nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht durch den ausgeschiedenen Mitarbeiter. Das hat der Bundesgerichtshof6 in der Bekanntgabe von Details aus der internen Redaktionsarbeit der BILD-Zeitung durch den Schriftsteller Günther Wallraff entschieden, der sich unter Verschleierung seiner Identität als Mitarbeiter in die Redaktion eingeschlichen hatte, während nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts7 in derselben Sache gerade wegen des schon bei Begründung des betreffenden Arbeitsverhältnisses begangenen Vertrauensbruchs das Geheimhaltungsinteresse der ausgespähten Redaktion überwog. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht allerdings berücksichtigt, dass das Redaktionsgeheimnis der Zeitung seinerseits durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt ist; in anderen Konstellationen kann die Güterabwägung daher entsprechend der Auffassung des Bundesgerichtshofs8 zu Gunsten der Meinungs- und Berichterstattungsfreiheit ausfallen. _______________
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Wente, S. 197. BVerfG NJW 1970, 1498 – Fall Pätsch. Wente, S. 179. BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 – Der Aufmacher I; Wenzel/Burkhardt, Kap. 2 Rz. 61 m.N. BGH NJW 1963, 856 = GRUR 1963, 367; BAG AP § 611 BGB – Schweigepflicht Nr. 1 u. 3; Wenzel/Burkhardt, Kap. 2 Rz. 61. BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 – Der Aufmacher I. BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher. BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 – Der Aufmacher I.
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§ 7 Tz. 25 25
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Wie die strafrechtlich sanktionierten Geheimhaltungspflichten binden auch arbeitsrechtlich begründete Verschwiegenheitspflichten nur den jeweiligen Arbeitnehmer, nicht aber die Medien, die in keinen vertraglichen Beziehungen zum jeweiligen Unternehmen stehen. Das Verleiten zum und die Ausnutzung von fremdem Vertragsbruch kann jedoch unter Umständen ein Verstoß gegen das Verbot sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB darstellen, der Ansprüche nicht nur gegen den vertraglich Gebundenen, sondern auch gegen denjenigen begründet, der zum Vertragsbruch verleitet hat.1 Daran ist im vorliegenden Zusammenhang insbesondere dann zu denken, wenn Journalisten einen Arbeitnehmer in Kenntnis ausdrücklich vereinbarter vertraglicher Schweigepflichten zur Informationserteilung verleiten. Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 826 BGB setzt jedoch die Feststellung sittenwidrigen Verhaltens voraus. Betreffen aber Informationen, die sich eine Redaktion gegebenenfalls im Wege des Verleitens zum Vertragsbruch beschafft, Angelegenheiten von öffentlichem Interesse, so hängt die Frage, ob das Vorgehen der Redaktion das Kriterium der Sittenwidrigkeit erfüllt, von einer Güterabwägung ab, in die auch das Grundrecht der Pressefreiheit und der daraus resultierende Informationsauftrag der Medien einzubeziehen sind.2 Daraus folgt, dass die Verschaffung von Informationen durch die Medien unter Ausnutzung vertraglicher Geheimhaltungspflichten Dritter nicht zwangsläufig rechtswidrig sein muss. Auch mit dieser Feststellung ist jedoch die gesondert zu prüfende Frage noch nicht beantwortet, ob die Verwendung derartiger Informationen ihrerseits zulässig oder unzulässig ist.3 (2) Sonstige vertragliche Schweigepflichten
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Weitere vertragliche Verschwiegenheitspflichten können sich etwa im Rahmen von Verträgen mit Angehörigen der freien Berufe ergeben, und zwar auch insoweit, als die strafrechtliche Sanktion des § 203 StGB nicht eingreift. So sind etwa Rechtsanwälte und Ärzte nicht nur straf-, sondern auch zivilrechtlich gehalten, sich über die Belange ihrer Mandanten oder Patienten Dritten gegenüber nicht zu äußern; verstoßen sie gegen diese Pflicht, können sie sich schadenersatzpflichtig machen. So ist aber auch ein Architekt, obwohl er nicht zum Kreis der nach § 203 StGB Schweigepflichtigen gehört, ohne Einwilligung seines Auftraggebers nicht berechtigt, der Öffentlichkeit Informationen über die innere Ausstattung oder die Kosten eines nach seinen Entwürfen errichteten Gebäudes zu erteilen.
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Auch das strafrechtlich nicht sanktionierte Bankgeheimnis ist zivilrechtlich geschützt.4 Im Fall seiner Verletzung durch eine unbedachte Äußerung des damaligen Vorstandssprechers der Deutschen Bank AG, Rolf Breuer, über die Kreditwürdigkeit des Medienunternehmers Leo Kirch hat dies zu beträchtlichen Schadenersatzansprüchen des Betroffenen geführt.5 Für derartige Ver_______________
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Vgl. nur Palandt/Sprau, § 826 BGB Rz. 23 f. m.w.N. Dazu im Einzelnen Paschke/Busch, AfP 2005, 13 ff. Dazu unten § 12 Tz. 84 ff. BGH NJW 1958, 1232; Einzelheiten bei Baumbach/Hopt, Bankgeschäfte Rz. A/9. BGH AfP 2006, 150 = NJW 2006, 830 – Breuer.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 28 § 7
schwiegenheitspflichten gelten die oben zum Arbeitsverhältnis gegebenen Hinweise entsprechend: Sie binden nur die Partner der jeweiligen vertraglichen Beziehung und nicht die Medien. Erhalten die Medien Informationen unter Verletzung derartiger Geheimhaltungspflichten, so haben sie nach den für sie geltenden Regeln zu entscheiden, ob diese Informationen zum Gegenstand einer Veröffentlichung gemacht werden dürfen. 2. Informantenhaftung Äußerungen von Informanten gegenüber den Medien sind ihrerseits vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt.1 Dieser Schutz ist aus äußerungsrechtlicher Sicht deckungsgleich mit demjenigen der Presse- und Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Soweit also die Presse- und Rundfunkfreiheit reicht, ist auch die Erteilung von Informationen an die Medien durch das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt.2 Wie die Presse- und Rundfunkfreiheit steht jedoch auch die Meinungsäußerungsfreiheit unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze gemäß Art. 5 Abs. 2 GG. Die Weitergabe von Informationen an die Medien kann daher mit Rechtsnormen kollidieren, zu denen nicht nur die oben3 behandelten Geheimhaltungsverpflichtungen und berufsrechtlichen Restriktionen der Äußerungsfreiheit gehören. Sie ist aus diesem Grund für Informanten nicht ohne Risiko. Diese setzen sich vielmehr unter Umständen eigenen Haftungsrisiken aus, die sich auf unterschiedliche Weise konkretisieren können.4 Diese Risiken können sich auf der Grundlage der erörterten gesetzlichen oder vertraglichen Verschwiegenheitspflichten unter dem Aspekt der Vertrauensverletzung im Verhältnis zu demjenigen ergeben, aus dessen Sphäre die Information stammt, nach allgemeingültigen straf- oder zivilrechtlichen Grundsätzen aber auch gegenüber demjenigen, dessen Interessen von der Berichterstattung tangiert werden, die auf der Informationserteilung beruht. Über die Gefahr solcher Haftungsrisiken müssen sich Informanten und Redaktionen, die mit ihnen zusammenarbeiten, Rechenschaft ablegen, um gegebenenfalls die erwünschten oder voraussichtlichen Wirkungen der Veröffentlichung einer Information und die sich daraus auch für die Informanten ergebenden Risiken gegeneinander abwägen zu können.
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a) Vertrauenshaftung Haftungsfolgen aus der Preisgabe von Informationen an die Medien können sich zunächst aus dem speziellen Vertrauensverhältnis ergeben, in dem der Informant zu demjenigen steht, aus dessen geschützter Sphäre die infrage stehende Information stammt. _______________
1 BVerfG AfP 2003, 43 = NJW 2003, 1109 = ZUM-RD 2004, 5; BGH AfP 2005, 360 = NJW 2005, 2766. 2 BGH AfP 2005, 360 = NJW 2005, 2766. 3 Oben Tz. 16 ff. 4 BGH AfP 2006, 150 = NJW 2006, 830 – Breuer.
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§ 7 Tz. 29
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
aa) Strafrechtliche Haftung 29
Der strafrechtliche Schutz der Verschwiegenheitspflicht der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, aber auch verschiedener privater Berufszweige, ist oben1 im Einzelnen erörtert worden. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der jeweiligen gesetzlichen Bestimmung vor, die den Informanten unter Strafandrohung zur Geheimhaltung verpflichtet, und ist der gegebenenfalls erforderliche2 Strafantrag gestellt, so kann der Informant wegen der Weitergabe der Information bestraft werden. Das gilt etwa im Fall des § 353d Nr. 3 StGB, der die öffentliche Mitteilung des Inhalts strafrechtlicher Ermittlungsakten vor deren Erörterung in der Hauptverhandlung unter Strafe stellt,3 auch dann, wenn der Informant Medienvertretern den Akteninhalt in seinen Privaträumen offenbart.4 Sofern nicht die Verbreitungshandlung ihrerseits unter Strafe steht wie im Fall des § 353d Nr. 3 StGB, bleiben die Medienangehörigen, die die betreffende Information veröffentlichen, in der Regel straflos; ihre strafrechtliche Haftung kommt allenfalls unter den Voraussetzungen der Anstiftung oder Beihilfe in Betracht.5 bb) Zivilrechtliche Haftung
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Verstößt ein Informant durch die Weitergabe der Information zusätzlich gegen ausdrücklich oder stillschweigend vereinbarte vertragliche Verschwiegenheitspflichten, wie dies bei Angehörigen des öffentlichen Dienstes, bei Arbeitnehmern privater Arbeitgeber, im Bankenverkehr, aber auch im Rahmen von Dienstleistungsverträgen in aller Regel der Fall sein wird, und entsteht demjenigen, zu dessen Gunsten die Verschwiegenheitspflicht besteht, aus der Verletzung dieser Pflicht ein nachweisbarer Schaden, dann haftet der Informant für diesen Schaden. Auch kann er von dem durch die jeweilige Verschwiegenheitspflicht Begünstigten auf Unterlassung künftigen Geheimnisverrats in Anspruch genommen werden. Auch diese Haftung trifft nur den Informanten, nicht aber die Medien, die die von ihm beschaffte Meldung publizieren, wie der bereits erwähnte Fall Breuer demonstriert. Bei der dort in Rede stehenden Äußerung, der Deutsche Bank-Kunde Kirch sei nicht mehr kreditwürdig, handelt es sich um eine Meinungsäußerung, deren Verbreitung durch die Medien rechtmäßig war;6 die Offenbarung dieser Einschätzung durch den führenden Repräsentanten von Kirchs Hausbank hingegen stellte eine Verletzung des Bankgeheimnisses dar, die die Bank zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet.7
30a
Verrät ein Arbeitnehmer ein Betriebsgeheimnis betreffend ein neues Produkt, Verfahren oder Marketingkonzept, so kann dem Unternehmen daraus ein großer wirtschaftlicher Schaden entstehen, für den der Geheimnisverräter aus _______________
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Oben Tz. 6 ff. § 205 StGB: erforderlich für § 201 Abs. 1 u. 2, §§ 202 bis 204 StGB. Dazu unten § 12 Tz. 79 ff. OLG Stuttgart NJW 2004, 622. Einzelheiten oben Tz. 12 ff. Dazu im Einzelnen unten § 20 Tz. 3 ff. Vgl. dazu BGH AfP 2006, 150 = NJW 2006, 830 – Breuer.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 33a § 7
dem rechtlichen Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung einzustehen hat; berichten aber die Medien über das neue Produkt, so handeln sie in der Regel in Erfüllung ihres Informationsauftrags, so dass sie insoweit ein Haftungsrisiko nicht eingehen. Und stellt ein Informant gegenüber einer Fernsehredaktion in einem Interview Behauptungen auf, die unwahr und tatbestandlich im Sinn von §§ 186 StGB, 823 Abs. 2 BGB sind,1 so kann er von dem Verletzten auch dann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn das Interview nicht ausgestrahlt wird und gegenüber dem Fernsehveranstalter aus diesem Grund mangels Wiederholungsgefahr2 ein Unterlassungsanspruch nicht besteht. Angehörige des öffentlichen Dienstes und private Arbeitnehmer müssen darüber hinaus damit rechnen, dass ihr Beschäftigungsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos gekündigt wird, wenn sie gegen Verschwiegenheitspflichten verstoßen.3
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b) Inhaltshaftung Unabhängig von der Verletzung vertraglicher oder strafrechtlich sanktionierter gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten haften Informanten nach allgemeinen straf- oder zivilrechtlichen Grundsätzen demjenigen, in dessen Rechte sie gegebenenfalls aufgrund des Inhalts einer den Medien von ihnen erteilten Information eingreifen.4
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So ist nach § 186 StGB wegen übler Nachrede strafbar, wer Tatsachen behauptet oder verbreitet, die einen Anderen in der öffentlichen Meinung herabzusetzen geeignet sind, sofern diese Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Behauptet und gegenüber dem jeweiligen Medium verbreitet werden solche Tatsachen zunächst durch den Informanten und erst daran anschließend gegebenenfalls durch die Presse oder den Rundfunk. Da § 186 StGB kein Sonderdelikt der Medien ist, haftet der Informant daher, sofern seine Identität bekannt ist oder ermittelt werden kann, strafrechtlich in gleicher Weise wie der Verantwortliche Redakteur, der die Information veröffentlicht.5
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Gleiches gilt in zivilrechtlicher Hinsicht. Wer durch vorsätzliche oder fahrlässige Fehlinformation der Medien eine Ursache dafür setzt, dass durch darauf basierende Veröffentlichungen ein Dritter geschädigt wird, begeht eine unerlaubte Handlung im Sinn von §§ 823 ff. BGB, für deren Folgen er dem Dritten in gleicher Weise einzustehen hat wie die Medien, die seine Falschmeldung verbreiten.6 Daher setzt auch die zivilrechtliche Informantenhaftung im Einzelfall den Nachweis nicht nur der Herkunft der Information, sondern
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1 Dazu unten § 18 Tz. 2 f. 2 LG Hamburg NJW 2003, 1952; zur Wiederholungsgefahr im Recherchestadium unten § 30 Tz. 13. 3 Dazu Schaub/Linck, § 127 Rz. 145; Wenzel/Burkhardt, Kap. 2 Rz. 59 f. 4 Dazu im Einzelnen unten § 12 Tz. 1 ff. 5 Vgl. Löffler/Kühl, § 20 LPG Rz. 86 ff.; unten § 26 Tz. 8 ff., 11 f. 6 BGH NJW 1968, 1419 = GRUR 1968, 645 – Pelzversand; BGH JZ 1973, 556; Löffler/ Steffen, § 6 LPG Rz. 229.
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§ 7 Tz. 34
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
auch der Tatsache voraus, dass die Information so vom Informanten stammt, wie sie später rechtswidrig in den Medien veröffentlicht worden ist. Die Tatsache allein, dass ein Informant in einer Publikation in einem bestimmten Sinn zitiert wird, reicht für diesen Nachweis noch nicht aus, da auch im Fall von Medienveröffentlichungen Irrtümer nicht ausgeschlossen werden können; wer den Informanten selbst in Anspruch nehmen will, muss vielmehr den konkreten Nachweis der Richtigkeit des Zitats führen.1 Haben die Medien die Identität des Informanten in der veröffentlichten Meldung offenbart, wird der Geschädigte diesen Nachweis in der Regel dadurch führen können, dass er die zuständigen Redakteure des publizierenden Mediums als Zeugen dafür benennt, dass die Information so vom Informanten stammt wie sie veröffentlicht worden ist; ein Zeugnisverweigerungsrecht steht den Redakteuren dann nicht zu.2 Wird der Informant in der Meldung hingegen nicht genannt, hat der Betroffene allerdings keinen Anspruch darauf, dass ihm die Redaktion ihre Quelle offenbart.3 34
Eine originäre zivilrechtliche Informantenhaftung hat die Rechtsprechung ursprünglich vor allem im Bereich des Wettbewerbsrechts angenommen. Nach der älteren hierzu ergangenen Rechtsprechung sollte ein Informant für Wettbewerbsverletzungen durch Medien, die auf seine Informationen zurück gingen, schon dann in Anspruch genommen werden können, wenn er mit Verallgemeinerungen, Ungenauigkeiten oder generell damit rechnen musste, dass seine Information zur Grundlage wettbewerbswidriger redaktioneller Werbung werden konnte.4 Vom Risiko dieser Haftung sollte er sich nur dadurch befreien können, dass er sich gegenüber den Medien das Recht vorbehielt, die auf seinen Informationen basierenden Beiträge vor der Veröffentlichung zu prüfen.5
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Diese Auffassung wird jedoch den unterschiedlichen Aufgaben und Einflussmöglichkeiten der Medien einerseits und der Informanten andererseits nicht gerecht.6 Da die Medien ihren Informanten in aller Regel einen konkreten Einfluss auf den Inhalt zu veröffentlichender Texte nicht gewähren wollen und dies häufig auch nicht können, läuft die ältere Rechtsprechung im Ergebnis auf eine mit dem deutschen Zivilrechtssystem unvereinbare Gefährdungshaftung des Informanten oder darauf hinaus, dass Informanten es zur Vermeidung unkalkulierbarer Risiken schlechthin unterlassen müssen, sich an die Medien zu wenden.7 Es muss aber etwa einem Unternehmen grundsätzlich möglich sein, sich mit Informationen selbst dann an die Medien zu wenden, wenn es sich um seine eigenen Produkte oder Leistungen handelt. Solange _______________
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OLG Hamburg AfP 1993, 576 = NJW-RR 1992, 1378. Dazu unten § 8 Tz. 12 ff. Dazu unten Tz. 39. BGH NJW 1968, 1419 = GRUR 1968, 645 – Pelzversand; dazu Wenzel/v. StroblAlbegg, Kap. 5 Rz. 381 ff.; zum Problem der redaktionell verkleideten Werbung im Einzelnen unten § 24 Tz. 4 ff. 5 BGH NJW 1964, 1181 = GRUR 1964, 392 – Weizenkeimöl; BGH NJW 1967, 675 = GRUR 1967, 362 – Spezialsalz; BGH NJW 1968 = GRUR 1968, 645 – Pelzversand. 6 A.A. wohl Löffler/Ricker, Kap. 41 Rz. 20. 7 Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 5 Rz. 385 f.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 35a § 7
daher eine erteilte Information sachlich und inhaltlich korrekt ist, ist es nicht Sache des Informanten, was die Medien aus der Information machen.1 Das Haftungsrisiko liegt, wie bei anderen Informationen auch, prinzipiell allein in deren eigener Sphäre. So genügt etwa im Fall einer wettbewerbswidrigen redaktionell verkleideten Werbung2 der bloße Verdacht, dass die darin verarbeiteten Angaben vom Produkthersteller selbst stammen, nicht zur Begründung seiner eigenen wettbewerbsrechtlichen Haftung.3 Mit Recht hat daher der Bundesgerichtshof4 in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass ein Unternehmen, das den Medien sachliche und zutreffende Informationen erteilt, für darauf beruhende wettbewerbswidrig anpreisende Berichterstattung nicht allein deswegen haftet, weil es sich bei der Informationserteilung kein Recht zur Prüfung der Berichterstattung vorbehalten und auch keine positiven Verwendungsauflagen gemacht hat.5 Derartige Sperrauflagen sind der Wirtschaft im Allgemeinen nicht zumutbar und von ihnen im Hinblick auf die Eigenhaftung der Medien auch nicht zu verlangen. Daher haftet der Informant grundsätzlich auch dann nicht für den Inhalt einer Veröffentlichung der Medien, wenn diese in erster Linie auf einer von ihm zur Verfügung gestellten Gebrauchsanweisung oder Produktbeschreibung beruht.6
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Anderes gilt nur, wenn das informierende Unternehmen aufgrund konkreter Umstände Anlass zu der Vermutung hat, seine zutreffende Information werde in einer wettbewerbswidrigen Weise veröffentlicht werden.7 Ebenso ist ein Unternehmen wettbewerbsrechtlich verantwortlich, wenn es seine Produkte in Presseinformationen unrichtig oder irreführend darstellt und die betreffende Information von der Presse für eine werbende Berichterstattung übernommen wird, da hier das Unternehmen den Fehler einer unzutreffenden Berichterstattung selbst veranlasst hat.8 Um zu haften, muss das Unternehmen also selbst eine adäquate Ursache für die wettbewerbswidrige Pressedarstellung gesetzt haben.9 Das hat die Rechtsprechung wegen ihres reißerischen Inhalts etwa angenommen im Fall der Verbreitung einer berufsrechtswidrigen Pressemitteilung eines Arztes durch eine Publikumszeitschrift, in der der Arzt eine vom ihm erworbene und auf alternative Krebstherapien spezialisierte Privat-
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1 OLG München GRUR 2000, 1100. 2 Dazu im Einzelnen unten § 24 Tz. 4 ff. 3 BGH NJW 1990, 1529 = GRUR 1990, 373 – Schönheitschirurgie; BGH AfP 1993, 566 = NJW-RR 1993, 868 = GRUR 1993, 561 – Produktinformation I; BGH AfP 1996, 64 = GRUR 1996, 71 = WRP 1996, 98 – Produktinformation III. 4 BGH NJW 1964, 1181 = GRUR 1964, 392 – Weizenkeimöl; BGH NJW 1967, 675 = GRUR 1967, 362 – Spezialsalz; BGH NJW 1968 = GRUR 1968, 645 – Pelzversand. 5 BGH AfP 1994, 302 = NJW-RR 1994, 1385 = GRUR 1994, 819 – Produktinformation II; BGH WRP 1997, 24 – Orangenhaut; BGH AfP 1996, 64 = GRUR 1996, 71 = WRP 1996, 98 – Produktinformation III. 6 BGH WRP 1994, 400 – Beipackzettel. 7 BGH AfP 1994, 302 = NJW-RR 1994, 1385 = GRUR 1994, 819 – Produktinformation II; BGH AfP 1996, 64 = GRUR 1996, 71 = WRP 1996, 98 – Produktinformation III; BGH WRP 1997, 24 – Orangenhaut; KG NJW-RR 1994, 233; OLG Hamburg AfP 2003, 211. 8 BGH WRP 1997, 24 – Orangenhaut. 9 OLG Rostock WRP 1995, 657 f.
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§ 7 Tz. 35b
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
klinik unter anderem als „Klinik der Hoffnung“ bezeichnete,1 oder eines redaktionellen Berichts über Hochseil-Gärten, der ausschließlich die Vorzüge einer bestimmten derartigen Einrichtung herauskehrt und von dessen Geschäftsführer verfasst worden ist.2 35b
Andererseits ist eine eigene Haftung eines Gewerbe treibenden Informanten ausgeschlossen, wenn die Medien auf der Grundlage von ihm erteilter Informationen eine ihnen erlaubte Wertung vornehmen, die wettbewerbswidrig wäre, hätte er sie selbst verbreitet.3 Eine Haftung des Informanten kommt auch dann nicht in Betracht, wenn er sich zwar negativ über Konkurrenzprodukte äußert, seine Angaben jedoch wahr und sachlich vorgetragen sind und überdies der Aufklärung der Allgemeinheit über wettbewerbsrelevante Fragen dienen, so dass ein ernsthaftes Informationsinteresse besteht4; hiervon ist vor allem auch im Bereich des Verbraucherschutzes auszugehen.5 c) Begrenzung des Haftungsrisikos
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Die Risiken, die ein Informant eingeht, der sich an die Medien wendet, können somit trotz der dargestellten Einschränkungen beträchtlich sein. Er und die Redaktion, mit der er im Einzelfall zusammenarbeitet, werden daher gerade in heiklen Fällen nicht nur die Richtigkeit der jeweils erteilten Information und die presserechtliche Zulässigkeit ihrer Verbreitung prüfen müssen, sondern auch die Frage, ob realistische Möglichkeiten bestehen, das Haftungsrisiko des Informanten durch sonstige geeignete Maßnahmen einzuschränken.
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Im Außenverhältnis kommt dafür insbesondere die Vereinbarung von Informantenschutz in Betracht, mithin die Zusage der Redaktion, dass sie die Quelle der Information weder im Rahmen der Veröffentlichung noch in etwaigen Straf- oder Zivilprozessen, die der Veröffentlichung gegebenenfalls folgen könnten, preisgeben wird. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist der Schutz journalistischer Quellen eine der Grundvoraussetzungen für die Wahrnehmung der Medienfreiheiten und seine Durchbrechung auch dort, wo Verfahrensordnungen sie prinzipiell zulassen, nur statthaft, wenn ein überragendes öffentliches Interesse dafür nachgewiesen wird.6 In Deutschland ist der Informantenschutz eine Ausprägung der Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und heute durch das in allen Verfahrensordnungen geregelte gesetzliche Zeugnisverweigerungsrecht der Medien gewährleistet.7
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Die Einhaltung der Zusage von Informantenschutz wird gelegentlich durch die Vereinbarung von Vertragsstrafen gesichert. In der Regel bedarf es einer derartigen Absicherung des Informanten aber nicht. Redaktionen legen schon _______________
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OLG München GRUR 2000, 1100. OLG Köln AfP 2004, 136. OLG Stuttgart AfP 1991, 743 = NJW-RR 1991, 1515. LG Frankfurt/Main NJW-RR 1997, 85 – Lopez. LG Frankfurt/Main NJW-RR 1997, 85 – Lopez. EGMR NJW 2008, 2563 – Zwangshaft; EGMR NJW 2008, 2565 – Sternreporter. Dazu unten § 8 Tz. 1 ff.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 39a § 7
im Eigeninteresse größten Wert auf die Einhaltung eines einmal zugesagten Informantenschutzes, da sie sich durch den Bruch derartiger Zusagen als Ansprechstelle für Informanten für die Zukunft selbst disqualifizieren. Die Wahrung des Informantenschutzes ist obendrein Standespflicht im Sinn des Pressekodex.1 Erfahrung lehrt denn auch, dass Redaktionen in prozessualen Auseinandersetzungen um die Zulässigkeit von Berichten eher den Verlust eines Prozesses und etwa die daraus resultierende Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Widerrufs oder zur Leistung von Schadenersatz in Kauf nehmen, als dass sie Informanten preisgeben, denen sie Vertraulichkeit zugesagt haben.2 Informantenschutz kann auch in Fällen wirksam sein, in denen der Informant als solcher zwar bekannt ist, nicht aber der konkrete Inhalt der von ihm erteilten Information. So hat es etwa das Oberlandesgericht Hamburg3 mit Recht abgelehnt, im Fall der Veröffentlichung einer von einem Wettbewerber des Informanten als wettbewerbswidrig angesehenen Interviewäußerung dem Interviewpartner die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass er sich nicht im veröffentlichten Sinn geäußert habe, weil damit zu rechnen war, dass der als Zeuge in Betracht kommende Journalist sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen werde. Es gibt, mit anderen Worten, in den Fällen, in denen ein Verletzter einen Informanten aufgrund einer Medienveröffentlichung unmittelbar in Anspruch zu nehmen beabsichtigt, keine Vermutung dafür, dass der Informant sich exakt so geäußert hat, wie ihn das betreffende Medium zitiert.
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Wo der Gesichtspunkt des Informantenschutzes greift, kann der daraus resultierende Schutz gegen unmittelbare Inanspruchnahme der Informanten auch nicht durch einen angeblichen Auskunftsanspruch über den Informanten über den Inhalt der von ihm gegebenen Information durchbrochen werden. Ein derartiger Auskunftsanspruch besteht nicht.4 Zwar haben in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche rundfunkrechtliche Gesetze bzw. Staatsverträge unter datenschutzrechtlichen Aspekten Auskunftsansprüche der Betroffenen über den Inhalt der sie betreffenden gespeicherten Daten geschaffen.5 Diese Auskunftsansprüche sind aber nicht dazu bestimmt, das vom Bundesgesetzgeber in den Verfahrensordnungen ausdrücklich anerkannte Zeugnisverweigerungsrecht der Medien und damit den Gesichtspunkt des Informantenschutzes einzuschränken oder gar aufzuheben; zu derartigen Maßnahmen wären die Landesgesetzgeber und Parteien der Staatsverträge schon aus kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten auch nicht in der Lage.
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Die einschlägigen Normen schränken den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber den Medien Hörfunk und Fernsehen vielmehr ein. Die
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1 Pressekodex Ziff. 6 in der Fassung v. 13.9.2007; abgedruckt u.a. in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008, S. 148 ff. 2 Vgl. etwa OLG Hamburg AfP 1993, 576 = NJW-RR 1992, 1378. 3 OLG Hamburg AfP 1993, 576 = NJW-RR 1992, 1378. 4 OLG Hamburg AfP 1995, 504. 5 Vgl. etwa § 41 Abs. 3 BDSG im Hinblick auf die Deutsche Welle; § 17 Abs. 3 ZDFStaatsvertrag; § 42 Abs. 4 NDR-Staatsvertrag; § 41 Abs. 2 MDR-Staatsvertrag; § 49 Abs. 3 WDR-Gesetz; zur Problematik Dörr, AfP 1993, 709 ff.; Schrader, AfP 1994, 114.
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§ 7 Tz. 39b
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Auskunft darf nach Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Beteiligten u.a. dann verweigert werden, wenn aus ihr auf den Informanten geschlossen werden kann.1 Im Hinblick auf das verfassungsrechtlich und bundesgesetzlich gewährleistete2 Zeugnisverweigerungsrecht der Medien müssen diese Bestimmungen dahingehend ausgelegt werden, dass das Interesse des Informanten an zugesagter Anonymität so lange als höherrangiges Rechtsgut anzuerkennen ist, wie er nicht im Einzelfall darauf nachträglich verzichtet. Der Betroffene kann von vornherein Auskunft nur über die gespeicherten Daten selbst, nicht aber über deren Herkunft sowie den Zweck der Speicherung verlangen.3 39b
Im Interesse des Informantenschutzes einschränkend auszulegen ist auch die Spezialbestimmung des § 101 Abs. 1 UrhG, die dem Urheber einen Anspruch auf Auskunft über die Identität desjenigen verschafft, von dem ein Dritter Gegenstände erworben hat, die für ihn urheberrechtlich geschützt sind. Wird mit diesem Anspruch die Preisgabe der Identität des Einsenders von Fotografien bezweckt, die von einem Verlag unter Verletzung des Urheberrechts des Auskunftssuchenden veröffentlicht worden sind, dann kann bei der gebotenen Güterabwägung das Prinzip des Informantenschutzes höher zu bewerten und die auf Auskunftserteilung gerichtete Klage trotz der insoweit vorhandenen gesetzlichen Grundlage abzuweisen sein.4
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Die Absicherung des Informanten durch Zusage von Informantenschutz scheidet jedoch dort als Möglichkeit aus, wo die Medien selbst die Quelle offenbaren. Das wird vielfach gerade bei spektakulären Informationen der Fall sein, die auf den ersten Blick unglaubwürdig wirken und bei denen die Medien daher meinen, erst durch die konkrete Benennung der Quelle Plausibilität herstellen zu können. Denn das Zeugnisverweigerungsrecht der Medien versagt seinerseits, wenn sie ihre Quelle bereits offenbart haben.5 Die Zusage von Informantenschutz ist darüber hinaus auch dort ein untaugliches Mittel, wo der von der Berichterstattung Betroffene aus der Art der Information von sich aus auf die Quelle schließen kann. In derartigen Fällen gibt es keine rechtlich und faktisch wirksame Methode zum Schutz des Informanten vor Risiken, die sich aus der Informationserteilung ergeben können. Die Praxis hilft sich in geeigneten Fällen durch Vereinbarung von Freihalteverpflichtungen der Medien zugunsten der Informanten oder jedenfalls die Gewährung von Rechtsschutz durch Übernahme etwaiger Prozesskosten. 3. Informationshonorare
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Wo heute über Medien diskutiert wird, wird über kurz oder lang das Wort vom Scheckbuchjournalismus fallen. Dass Informanten den Medien ihre Informationen oft nicht mehr oder nicht in erster Linie anbieten, weil sie mit _______________
1 Vgl. nur § 17 Abs. 3 ZDF-Staatsvertrag; die Ausnahmetatbestände knüpfen in ihrem Wortlaut unmittelbar an die Bestimmungen der Verfahrensgesetze über das Zeugnisverweigerungsrecht an. 2 Dazu unten § 8 Tz. 1 ff. 3 Schrader, AfP 1994, 114, 115. 4 BVerfG AfP 1999, 261 = NJW 1999, 2880 = ZUM 1999, 633. 5 Unten § 8 Tz. 14.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 43 § 7
deren Weitergabe etwas bewegen, Missstände aufdecken oder sonstwie die unterschiedlichsten ideellen, politischen oder wirtschaftlichen Interessen verfolgen wollen, dass sie vielmehr vorhandene Informationen von öffentlichem Interesse zunehmend auch als Quelle für die Erzielung von Einkünften ansehen, entspricht allgemeiner Erfahrung. Man mag das bedauern und geneigt sein, die Schuld den Medien zuzuweisen, die gelegentlich unsinnig erscheinende Summen für in der Regel exklusive Informationen aufwenden. Schlechthin vermeiden lässt sich der Einsatz von Geld als Mittel der Informationsbeschaffung im redaktionellen Alltag jedoch nicht, da die Erscheinung des Informationskaufs heute bei Weitem zu verbreitet und zu bekannt ist, als dass nicht Inhaber brisanter Informationen zunehmend von sich aus deren Preisgabe von der Zusage bestimmter finanzieller oder geldwerter Leistungen abhängig machen würden. Allerdings lehrt die Erfahrung seriöser Redaktionen auch, dass in der Regel die teuerste Information keineswegs die wertvollste oder die verlässlichste sein muss. Ob und gegebenenfalls wie viel Geld eine angebotene Information einer Redaktion wert ist, wird sie anhand des Gewichts und der Aktualität der Information und des geforderten Preises nach publizistischen Kriterien entscheiden. In rechtlicher Hinsicht ergeben sich dabei die folgenden Gesichtspunkte. a) Amtsträger Nach § 332 Abs. 1 StGB ist wegen Bestechlichkeit strafbar, wer als Amtsträger oder ihm Gleichgestellter einen Vorteil dafür fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, dass er eine Diensthandlung vornimmt und dadurch seine Dienstpflichten verletzt. Gleiches gilt nach Abs. 2 derselben Vorschrift für Richter oder Schiedsrichter, die Vorteile dafür fordern, annehmen oder sich versprechen lassen, dass sie eine richterliche Handlung vornehmen und dadurch ihre Pflichten verletzen. Dass Beamte und andere Amtsträger in der Regel gesetzlich oder durch Verwaltungsanweisungen begründete Dienstpflichten verletzen, wenn sie, ohne zur Auskunftserteilung an die Medien generell zuständig oder im Einzelfall ermächtigt worden zu sein, Informationen an die Medien weitergeben, ist bereits dargestellt worden.1 Das hier in Betracht kommende Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit ist daher in Fällen des Geheimnisbruchs durch Amtsträger und ihnen gleichgestellte Personen in der Regel erfüllt. Hingegen ist auf den ersten Blick nicht einsichtig, dass die in Betracht kommenden Personen dadurch, dass sie ihre Pflicht zur Verschwiegenheit verletzen, eine Diensthandlung vornehmen könnten; orientiert man sich nur am Wortsinn der Bestimmung des § 332 StGB, so scheint der Tatbestand der Bestechlichkeit nicht erfüllt zu sein. Die Praxis legt jedoch diesen Tatbestand und den ihm ähnlichen der Vorteilsannahme2 traditionell weit aus.
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Die Rechtsprechung3 sieht eine Diensthandlung im Sinn dieser Normen bereits in einem Missbrauch der Amtsstellung, nämlich der Vornahme einer
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1 Oben Tz. 7 ff. 2 § 331 StGB. 3 BGH NJW 1952, 1222; BGH NJW 1960, 971.
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§ 7 Tz. 44
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
durch Dienstvorschriften verbotenen Handlung, sofern diese Handlung dem Täter nur durch seine amtliche Stellung ermöglicht wird. Konsequent wird Bestechlichkeit auch darin gesehen, dass ein Amtsträger seine amtliche Stellung missbraucht, um eine vorschriftswidrige, insbesondere strafbare Handlung zu begehen.1 Als Fall der Bestechlichkeit ist damit auch der Verrat eines Dienstgeheimnisses strafbar, selbst wenn der betreffende Amtsträger dieses Dienstgeheimnis erst durch den Geheimnisverrat eines anderen Amtsträgers erfährt.2 Damit ist es Beamten und den ihnen strafrechtlich gleichgestellten Personen in aller Regel verboten, sich für die Weitergabe von Informationen aus ihrem Tätigkeitsbereich Geld oder andere Vorteile versprechen zu lassen, sie zu fordern oder sie entgegenzunehmen; tun sie es dennoch, so machen sie sich zusätzlich strafbar. Für die Angehörigen der Medien ist dies von Bedeutung, weil dem Tatbestand der (passiven) Bestechlichkeit derjenige der (aktiven) Bestechung nach § 334 StGB gegenübersteht, strafbar also auch derjenige ist, der einem Amtsträger oder einem ihm Gleichgestellten Vorteile für die Vornahme einer pflichtwidrigen Diensthandlung im hier erörterten Sinn anbietet, verspricht oder gewährt. 44
Ergänzt werden die Tatbestände der Bestechlichkeit und der Bestechung durch diejenigen der Vorteilsannahme und der Vorteilsgewährung gemäß §§ 331, 333 StGB. Nach diesen Bestimmungen ist bereits die Annahme oder Gewährung, das Fordern oder Anbieten von Vorteilen für Diensthandlungen strafbar, die keine Pflichtverletzungen darstellen. Da der Begriff der Diensthandlung im Rahmen dieser Bestimmungen in gleicher Weise exzessiv ausgelegt wird wie im Rahmen der Bestechungsparagraphen,3 dürfen auch solche Beamte Geld oder andere Vorteile für die Erteilung von Informationen nicht fordern oder erhalten, die für die Auskunftserteilung zuständig sind oder im Einzelfall Informationen erteilen, deren Weitergabe unter den konkreten Umständen des Falles keine Pflichtverletzung darstellt. Der Einsatz von Geld oder anderen Vorteilen scheidet damit als legales Mittel der Informationsbeschaffung gegenüber Beamten, Richtern, Soldaten und ihnen aufgrund gesetzlicher Vorschrift gleichgestellten Personen schlechthin aus. b) Privatpersonen und -institutionen
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In einer Gesellschaft, die aus verschiedensten Gründen an möglichst aktuellen, möglichst vollständigen und möglichst exklusiven Informationen interessiert oder sogar auf sie angewiesen ist, sind Informationen Ware, wenn sie auch der handelsrechtlichen Definition dieses Begriffs4 nicht entsprechen; in jedem Fall sind sie Gegenstand eines regen Handels. So ist es etwa der primäre Geschäftszweck der Nachrichtenagenturen und Medien Presse, Hörfunk und Fernsehen selbst, Informationen gegen Entgelt weiterzugeben, sie mithin zu verkaufen. Grundsätzlich rechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. _______________
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BGH NJW 1983, 462; BGH NJW 1987, 1340. BGHSt 14, 123; Fischer, § 332 StGB Rz. 7. Vgl. nur Fischer, § 331 StGB Rz. 6 ff. § 1 Abs. 2 Nr. 1 HGB a.F.; die vom Gesetz heute als Verbrauchsgüter bezeichneten Waren sind nur bewegliche Sachen, vgl. etwa Baumbach/Hopt, Rz. 10 vor § 373 HGB.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 46 § 7
Probleme ergeben sich in diesem Bereich nur in Ausnahmefällen. Insbesondere die vielfach beobachtete Zahlung von teilweise außerordentlich hohen Honoraren für so genannte Verbrecherstories mag aus vielerlei Gründen diskussionswürdig sein,1 rechtlich zu beanstanden ist auch sie nicht. Das gilt auch dann, wenn, wie im Regelfall, die Verträge zwischen den Medien und den Straftätern unter Vermittlung von Rechtsanwälten zustande kommen und wenn die Veröffentlichungshonorare ganz oder teilweise zur Finanzierung der Honorare dieser Anwälte dienen. Soweit in extremen Ausnahmefällen, meist Fällen übertriebener Selbstdarstellung der beteiligten Anwälte, das anwaltliche Berufsrecht derartigen Aktivitäten Grenzen zieht, binden diese ausschließlich die Anwälte, sie brauchen also von den Medien nicht beachtet zu werden. Für diese ergeben sich die Grenzen der Honorierung von Informationen an Private nur aus den Gesetzen des Marktes, mithin dem Preis,2 und u.U. denjenigen des Geschmacks und des Stils: Der Deutsche Presserat hält die Veröffentlichung von so genannten Verbrecher-Memoiren, die mit derartigen Honorarzahlungen ermöglicht werden sollen, für unvereinbar mit der publizistischen Verantwortung der Presse und empfiehlt den Redaktionen, tatbezogene Publikationen mit Detailschilderungen von Verbrechen zu unterlassen.3
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Lassen sich Informanten, die nicht dem Kreis der Beamten oder der ihnen gleichgestellten Funktionsträger zuzurechnen sind, Honorare für die Weitergabe von Informationen zahlen, hinsichtlich deren sie einer gesetzlichen oder vertraglichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, so ist diese Art von Bestechlichkeit im privaten Rechtsverkehr rechtlich nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen zu beanstanden. So stellt § 12 UWG die aktive und passive Bestechung von Angestellten unter Strafe. Voraussetzung sind im Rahmen dieser Bestimmung aber ein Handeln zu geschäftlichen Zwecken sowie der Einsatz bzw. die Entgegennahme von Geld oder anderen Vorteilen zu dem Zweck, eine Bevorzugung beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen zu erlangen bzw. zu gewähren. An beiden Merkmalen fehlt es regelmäßig, wenn die Medien dem Angestellten eines Unternehmens Vorteile dafür gewähren oder versprechen, dass er ihnen unter Bruch von Verschwiegenheitspflichten Informationen verschafft. Zivilrechtlich ist ein solcher Angestellter in der Regel verpflichtet, die Mittel, die er von den Medien erhalten hat, an seinen Arbeitgeber herauszugeben, und zwar auch dann, wenn dem Arbeitgeber ein Schaden nicht entstanden ist.4 Auch hierbei handelt es sich aber um einen Vorgang, der sich ausschließlich zwischen dem betreffenden Angestellten und seinem Arbeitgeber abspielt, die Medien ihrerseits in ihrer Handlungs- und Entschließungsfreiheit hingegen nicht einschränkt.
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1 Vgl. dazu nur Dahs, Tz. 1192; Wagner, S. 17 ff. 2 Nach Wagner, S. 18 war in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts gerade bei Verbrecherstories ein deutliches Sinken der Informationspreise zu beobachten. 3 Richtlinie 11.5 zum Pressekodex, abgedruckt in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008 S. 148 ff. 4 § 667 BGB; dazu nur Palandt/Sprau, § 667 BGB Rz. 6 f.
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§ 7 Tz. 47
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
c) Steuerliche Behandlung von Informationshonoraren 47
Grundsätzlich sind Honorare, die die Medien einem Dritten dafür bezahlen, dass er ihnen Informationen zukommen lässt, Betriebsausgaben, die das steuerliche Betriebsergebnis mindern und als solche auch von den Finanzämtern anerkannt werden. Probleme ergeben sich nur dann, wenn die Medien ihren Informanten Anonymität zugesichert haben und die Anonymität auch gegenüber dem Finanzamt nicht brechen wollen. In derartigen Fällen können sie den Nachweis der betrieblichen Veranlassung der betreffenden Zahlung nicht führen. Ein Auskunftsverweigerungsrecht steht ihnen im steuerlichen Veranlagungsverfahren nicht zu.1 Solche Zahlungen werden von den Finanzämtern daher nicht anerkannt; sie sind aus dem versteuerten Einkommen zu leisten. Dies sollte bei der Zusage von Informantenschutz berücksichtigt und dabei unter Umständen abgewogen werden, ob die Zusage nicht mit der Einschränkung erteilt werden kann, dass die Wahrung der Anonymität dem Informanten zwar gegenüber der Öffentlichkeit und für den Fall eventueller prozessualer Auseinandersetzungen versprochen wird, die Medien sich aber das Recht vorbehalten, dem Finanzamt gegebenenfalls den Namen des Informanten zu nennen. Die Gefahr, dass der Name auf diesem Wege an die Öffentlichkeit gelangt, ist zwar nicht gänzlich auszuschließen, im Hinblick auf das Steuergeheimnis des § 30 AO jedoch gering. 4. Exklusivverträge
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Häufig verlangen die Medien von ihren Informanten, dass sie ihnen exklusiv zur Verfügung stehen, und die Informanten werden bereit sein, auf derartige Forderungen einzugehen. Exklusivvereinbarungen kommen insbesondere in Betracht, wo es nicht um reine Informationen, sondern um die Vermittlung von Erlebnissen und Erfahrungen geht. Dies sind in der Regel zugleich die Fälle, in denen dem Informanten oder Erlebnisträger2 Honorare gezahlt werden und in denen das betreffende Medienunternehmen daher schon aus wirtschaftlichen Gründen Wert darauf legen muss, als Gegenleistung für das Honorar einen Informationsvorsprung gegenüber der Konkurrenz oder nach Möglichkeit ein Informationsmonopol zu erhalten. a) Inhalt
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Der Inhalt der in solchen Fällen vereinbarten Exklusivverträge richtet sich jeweils nach den konkreten Umständen des Einzelfalls.3 aa) Vereinbarungen zugunsten der Medien
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Regelmäßig werden die Medien mit ihren Exklusivpartnern Vereinbarungen treffen, die es den Informanten untersagen, Informationen oder sonstige _______________
1 BFH AfP 1998, 338 = NJW 1998, 1973 = ZUM 1998, 864. 2 Wente, S. 188. 3 Vgl. dazu im Einzelnen Prantl, AfP 1984, 17 ff.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 52 § 7
Schilderungen zu dem Tatsachenkomplex, der Gegenstand eines Exklusivvertrags ist, an andere Medien zu geben. Ferner wird häufig vereinbart, dass sich der Partner anderen Medien oder Fotografen auch nicht zur Anfertigung von Bildern zur Verfügung stellt. Im Interesse der jeweiligen Redaktion kann es schließlich liegen, Vereinbarungen darüber zu treffen, dass der Vertragspartner auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Persönlichkeitsrechtsverletzung verzichtet, die ihm anderenfalls als Folge der beabsichtigten Veröffentlichung zustehen könnten,1 wenngleich ein derartiger Verzicht in der Regel und in den Grenzen des Zumutbaren schon aus dem Abschluss des Vertrages als solchem abgeleitet werden kann. Verstößt ein Vertragspartner gegen derartige Exklusivvereinbarungen, so ist er nach allgemeinen zivilrechtlichen Gesichtspunkten dem Vertragspartner zum Schadenersatz verpflichtet. Da die Schäden, die einem Medienunternehmen aus der Verletzung von Exklusivverträgen entstehen, im Allgemeinen nicht konkretisierbar sind, und da sich Informanten, die ihre Geschichten verkaufen, in der Regel nicht in solchen Vermögensverhältnissen befinden, die ihnen die Leistung von Schadenersatz ermöglichen, müssen Medien Wert darauf legen, die Einhaltung von Exklusivvereinbarungen rechtlich abzusichern. Als Mittel dafür kommt nur die Vereinbarung von Vertragsstrafen in Betracht, auf die daher in Exklusivverträgen nicht verzichtet werden sollte. Ferner kann es im Interesse der Medien liegen, die Honorarzahlung jedenfalls teilweise von der Einhaltung der Exklusivvereinbarung abhängig zu machen und dazu zu vereinbaren, dass bestimmte Teile des Honorars erst nach Abschluss der vorgesehenen Veröffentlichungen und unter Umständen nach Ablauf einer daran anschließenden Karenzzeit zu zahlen sind.
51
bb) Vereinbarungen zugunsten der Informanten Exklusivvereinbarungen zu Gunsten von Informanten kommen in der Praxis in erster Linie in der Weise vor, dass Informanten sich das Recht zur exklusiven Auswertung von ihnen zur Verfügung gestellter Texte, Bilder oder Informationsmaterialien bis zum Abschluss eines entsprechenden Informationsvertrages vorbehalten. An dem Abschluss derartiger Vereinbarungen können Informanten und Medien gleichermaßen interessiert sein. Sie ermöglichen es den Informanten, den Medien insbesondere urheberrechtlich nicht geschützte Materialien oder Informationen ganz oder auszugsweise zum Zweck der Prüfung zu überlassen, ob sie für eine Veröffentlichung geeignet oder interessant sind, ohne das Risiko eingehen zu müssen, dass die Medien den Abschluss des erwünschten Informationsvertrags verweigern, die ihnen überlassenen Materialien oder Informationen aber gleichwohl unter Berufung auf deren Gemeinfreiheit veröffentlichen.2 Den Medien ihrerseits erlauben sie den Erwerb des entsprechenden Materials zu Testzwecken vor der Entscheidung darüber, ob sie es ankaufen wollen. _______________
1 Wenzel/Burkhardt, Kap. 2 Rz. 66. 2 Vgl. zu einem solchen Fall LG Hamburg AfP 1993, 782.
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§ 7 Tz. 53
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
b) Wirksamkeitsgrenzen 53
Zum Thema der Exklusivverträge enthält Richtlinie 1.1 für die Publizistische Arbeit nach den Empfehlungen des Deutschen Presserats die folgende Regelung: „Die Unterrichtung der Öffentlichkeit über Vorgänge oder Ereignisse, die für die Meinungs- und Willensbildung wesentlich sind, darf nicht durch Exklusivverträge mit den Informanten oder durch deren Abschirmung eingeschränkt oder verhindert werden. Wer ein Informationsmonopol anstrebt, schließt die übrige Presse von der Beschaffung von Nachrichten dieser Bedeutung aus und behindert damit die Informationsfreiheit.“
Diese Richtlinie stellt allerdings formal nur die Auffassung des Deutschen Presserats dar. Sie hat damit allenfalls die eingeschränkte rechtliche Qualität einer standesrechtlichen Norm1 und bindet die Medien nicht unmittelbar. Dennoch ist mit ihr die Frage nach der rechtlichen Wirksamkeit von Exklusivverträgen aufgeworfen. 54a
Grundsätzlich bestehen gegen die Wirksamkeit von Exklusivverträgen über Informationen und sonstige Erlebnisberichte keine Bedenken.2 Das gilt allerdings für Informationen über Vorgänge aus der Privatsphäre eines Informanten nicht ohne Einschränkungen,3 obwohl der Informant gerade über sie frei verfügen kann. Denn Privatleute und auch privatrechtlich verfasste Unternehmen sind in der Entscheidung darüber, ob und welchen Medien sie den Medien Informationen erteilen wollen, prinzipiell frei.4 Hieraus folgt grundsätzlich, dass es ihnen rechtlich nicht verwehrt sein kann, Informationen nur einzelnen Medien oder auch nur einem von ihnen zur Verfügung zu stellen, und sich dazu durch den Abschluss von Exklusivverträgen rechtlich zu verpflichten.
54b
Handelt es sich aber bei den erteilten Informationen um solche aus der durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Intim- oder Privatsphäre,5 so ist die Dispositionsbefugnis des Informanten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts6 eingeschränkt: Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht dient, von bestimmten Ausnahmen abgesehen,7 nicht der Kommerzialisierung. Exklusivverträge in diesem Bereich können daher andere Medien nicht daran hindern, sich mit der Intim- oder Privatsphäre eines Betroffenen zu befassen, sobald er sie gegenüber einem Medium oder einzelnen Medien einmal preisgegeben hat.8 Selbstverständlich ist auch, dass diejenigen, die den Medien auskunftspflichtig sind, sich nicht wirksam verpflichten können, nur einzelnen von ihnen Informationen zu erteilen. Sie würden gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende und teilweise in den Landespressegesetzen abgesicherte Neutralitätsgebot verstoßen.9 _______________
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Löffler/Ricker, Kap. 40 Rz. 13. Wenzel/Burkhardt, Kap. 2 Rz. 63. LG Hamburg ArchPR 1975, 37. Oben § 4 Tz. 78 ff. Dazu im Einzelnen unten § 19 Tz. 4 ff., 12 ff. BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. Dazu unten § 13 Tz. 12b ff. BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. Oben § 4 Tz. 31 ff.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 57 § 7
Abgesehen von diesen Fällen sind der Dispositionsbefugnis eines Informanten und damit auch seiner Fähigkeit, rechtlich bindende Exklusivvereinbarungen abzuschließen, nur hinsichtlich solcher Informationen Schranken gezogen, die ihrer Art nach einen außergewöhnlichen Öffentlichkeitswert haben, so dass der Ausschluss der übrigen Medien von der Berichterstattung und die daraus resultierende Verweisung der Öffentlichkeit auf nur eine Informationsquelle zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde. An derartige Konstellationen haben offenbar die Verfasser der Richtlinie 1.1 des Deutschen Presserats1 gedacht. Für solche Konstellationen geht auch ein Teil des Schrifttums von der Unwirksamkeit von Exklusivverträgen aus,2 ohne dies jedoch rechtlich zu begründen. Der Bundesgerichtshof3 hat diese Frage in seiner einzigen hierzu bisher ergangenen Entscheidung ausdrücklich offen gelassen. Auf die Wirksamkeit eines Exklusivvertrags zwischen Bergleuten, die bei dem seinerzeit aufsehenerregenden Grubenunglück von Lengede zeitweilig verschüttet waren, und einer Illustrierten kam es nicht an, weil nach der zutreffenden Auffassung des Bundesgerichtshofs der in Rede stehende Exklusivvertrag jedenfalls keine Bindungswirkung gegenüber außen stehenden Verlagen entfaltete, die sich identische Informationen aus anderen Quellen beschafft hatten und ebenfalls darüber berichteten. Tatsächlich lässt sich die Auffassung, Exklusivverträge zwischen einem Erlebnisträger und einem Medienunternehmen seien wegen Behinderung der publizistischen Tätigkeit anderer Medien unwirksam, denn auch nur in extremen Ausnahmefällen und nur unter den Voraussetzungen rechtfertigen, unter denen ausnahmsweise aus der deliktsrechtlichen Generalklausel des § 826 BGB ein klagbarer Informationsanspruch auch gegenüber Privaten abgeleitet werden kann.4 Das Beispiel des auf Kosten des Steuerzahlers in den Weltraum beförderten Astronauten, der seine dort gesammelten Erfahrungen und Erlebnisse nach Rückkehr exklusiv einem einzigen Medium verkauft, mag ein Anwendungsfall dieser Ausnahmekonstellation sein.5
55
Gesetzliche Schranken für die Freiheit privater Veranstalter, Exklusivvereinbarungen abzuschließen, ergeben sich schließlich für den Spezialbereich der Fernsehberichterstattung aus den Bestimmungen der Rundfunkstaatsverträge und Landesmediengesetze über Zwangslizenzen bei sportlichen Großveranstaltungen sowie das Recht der Kurzberichterstattung.6
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c) Bindungswirkung Bedeutsamer als die Frage, ob den Medien gegenüber dem durch einen Exklusivvertrag gebundenen Informanten wegen etwaiger Unwirksamkeit dieses Vertrags ein durchsetzbarer Informationsanspruch zustehen kann, ist in der _______________
1 Oben Tz. 53. 2 Wenzel/Burkhardt, Kap. 2 Rz. 63; Löffler/Ricker, Kap. 7 Rz. 5; Wente, S. 188; vgl. auch LG Köln ArchPR 1975, 37. 3 BGH GRUR 1968, 209 – Lengede. 4 Oben § 4 Tz. 80 f. 5 Wenzel/Burkhardt, Kap. 2 Rz. 63. 6 Oben § 6 Tz. 37 ff.
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§ 7 Tz. 58
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Praxis die Frage, ob sich aus der Existenz eines Exklusivvertrags Schranken der Berichterstattung für andere Medien ergeben, die sich die benötigten Informationen auf anderem Weg beschaffen oder sie nach der Erstveröffentlichung durch den Inhaber der Exklusivrechte selbständig auswerten. In der bereits erwähnten Lengede-Entscheidung1 hat der Bundesgerichtshof diese Frage zugunsten der konkurrierenden Medien entschieden und dementsprechend die Bindungswirkung des Exklusivvertrags zu Lasten Dritter verneint. Das ist für den Regelfall ebenso zutreffend wie für die vom Bundesgerichtshof entschiedene konkrete Konstellation. Dem deutschen Zivilrecht ist das Institut eines Vertrags zu Lasten Dritter fremd, und Vereinbarungen zwischen einem Medienunternehmen und einem Informanten oder Erlebnisträger können andere Medien schon aus diesem Grund nicht daran hindern, sich über den Gegenstand des Exklusivvertrags aus anderen Quellen zu unterrichten und darüber zu berichten. Jedenfalls insoweit dürfte auch eine entgegenstehende Standesauffassung der Presse, von der das Landgericht Hamburg ausgegangen ist,2 nicht existieren. Gäbe es sie, so wäre sie rechtlich unbeachtlich, da sie das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der konkurrierenden Medien, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, nicht wirksam einschränken könnte. Schon hieraus folgt, dass konkurrierende Medien auch nicht etwa gehindert sind, die vom Inhaber des Exklusivrechts erstveröffentlichten Informationen anschließend auszuwerten und sie dann ihrerseits zu veröffentlichen,3 sofern sie die Schranken insbesondere des Urheberrechts dabei beachten. 58
In Betracht kommt damit eine Bindungswirkung des Exklusivvertrags zu Lasten anderer Medien nur noch dort, wo sich diese auf dieselbe vertraglich gebundene Quelle stützen wie der Inhaber des Exklusivrechts. Auch in diesem Bereich erscheint jedoch der Rückgriff auf eine angebliche Standesauffassung, die davon ausgehen soll, dass Exklusivvereinbarungen durch konkurrierende Medien zu respektieren seien, problematisch; die oben4 zitierte Bestimmung aus den Richtlinien des Deutschen Presserats für die publizistische Arbeit lässt eine eher reservierte Haltung dieses Gremiums gegenüber Exklusivvereinbarungen erkennen.
58a
Geeignet zur Konfliktlösung erscheinen in diesem Zusammenhang daher allenfalls die Regeln des Wettbewerbs- und des allgemeinen Deliktsrechts. Nach feststehender Praxis gilt es als wettbewerbswidrig, wenn ein Unternehmen einen vertraglich gebundenen Dritten zum Vertragsbruch zu Lasten eines Wettbewerbers verleitet.5 Diese Regel gilt auch für die Medien und führt dazu, dass jeder Versuch eines Mediums unzulässig ist, einen exklusiv gebundenen Informanten dazu zu verleiten, ihm trotz einer dem Nachfrager bekannten vertraglichen Bindung die dadurch gesperrten Informationen zu erteilen. Der Inhaber des Exklusivrechts kann das konkurrierende Unternehmen, _______________
1 BGH GRUR 1968, 209 – Lengede. 2 LG Hamburg ArchPR 1975, 37. 3 So für den Bereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausdrücklich BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 4 Tz. 53. 5 Einzelheiten bei Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rz. 10.36 f.
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Tz. 60 § 7
das sich so verhält, auf Unterlassung der Veröffentlichung und gegebenenfalls auf Schadenersatz oder auch Bereicherungsausgleich in Anspruch nehmen. Demgegenüber gilt die bloße Ausnutzung von fremdem Vertragsbruch in der Regel noch nicht als wettbewerbswidrige oder sonst unerlaubte Handlung.1 Wendet sich daher ein exklusiv gebundener Informant von sich aus auch an andere Medien, so sind diese rechtlich nicht gehindert, die so erlangten Informationen zu veröffentlichen. 5. Bearbeitung eingereichter Texte Eine Ausprägung des Urheberrechts in der redaktionellen Arbeit betrifft den Umgang mit eingereichten Texten. Aus der in anderem Zusammenhang getroffenen Feststellung, dass Medien alles schreiben, aber nicht abschreiben dürfen,2 wird nicht selten die Schlussfolgerung gezogen, dass Redaktionen jedenfalls mit Texten, über die sie verfügen, weil sie ihnen zur Veröffentlichung angeboten werden, frei umgehen dürfen. Hier wirkt sich das Urheberrecht jedoch in einem anderen Sinn als Schranke redaktioneller Tätigkeit aus. Denn da nahezu jeder nicht ganz kurze oder belanglose Text primär für den jeweiligen Autor urheberrechtlich geschützt ist, sind die Redaktionen im Prinzip an den Wortlaut der ihnen vorliegenden Texte gebunden, stößt also ihre Freiheit in der Umgestaltung oder Kürzung solcher Texte an urheberrechtliche Grenzen. Diese Grenzen sind unterschiedlich starr ausgeprägt in den Fällen der fest angestellten Redakteure und denen der Informanten bzw. Einsender von Beiträgen.
59
a) Angestellte Redakteure Für fest angestellte Redakteure an Tageszeitungen und Zeitschriften schaffen die einschlägigen Manteltarifverträge den Redaktionen einen erheblichen und in der praktischen Arbeit auch unverzichtbaren Freiraum. Nach § 18 Abs. 1b des Manteltarifvertrags für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen bzw. § 12 Abs. 1b des Manteltarifvertrags für Redakteurinnen und Redakteure an Zeitschriften3 ist der Verlag zur Umgestaltung oder Bearbeitung von Beiträgen fest angestellter Redakteure berechtigt. Das schließt das Recht zur Kürzung ein. Dieses Recht endet jedoch dort, wo das Urheberpersönlichkeitsrecht der Redakteure tangiert wird. Danach sind der Verlag und die von ihm beauftragte Redaktion auch bei diesem Personenkreis nicht zu solchen Bearbeitungen, Umgestaltungen oder Kürzungen berechtigt, die geeignet sind, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Autoren an seinem Beitrag zu gefährden.4 So wäre es auch bei Beiträgen fest angestellter Redakteure insbesondere unzulässig, politische, weltanschauliche oder religiöse Kernaussagen ihrer den Redaktionen eingereichten Beiträge auf dem Weg der _______________
1 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rz. 10.36. 2 Oben § 3 Tz. 2. 3 In der Fassung vom 1.1.2003 (Zeitungen) bzw. vom 1.5.1998 (Zeitschriften); www. journalismus.com/job/tarife/mantel. 4 § 18 Abs. 2 bzw. § 12 Abs. 2 MTV für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen bzw. an Zeitschriften.
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§ 7 Tz. 61
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Bearbeitung in ihr Gegenteil zu verkehren. Insoweit tritt das aus dem Arbeitsverhältnis folgende Weisungsrecht des Verlags bzw. des von ihm beauftragten Chefredakteurs hinter dem Urheberpersönlichkeitsrecht des Redakteurs zurück. Da die Manteltarifverträge nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden sind, gelten die genannten Regeln allerdings nur, wenn der betreffende Redakteur gewerkschaftlich gebunden und der betreffende Verlag dem Manteltarifvertrag als Partei beigetreten ist, sofern diese Regelungen nicht zusätzlich in die individuellen Anstellungsverträge übernommen worden sind, wie das in der Regel geschieht. b) Einsender und freie Mitarbeiter 61
Stark eingeschränkt ist demgegenüber die Freiheit der Redaktionen in der Bearbeitung solcher Texte, die sie von anderen Autoren als fest angestellten Redakteuren zur Veröffentlichung erhalten. Denn nach § 14 UrhG ist grundsätzlich jede ungenehmigte Veränderung oder Bearbeitung eines urheberrechtlich geschützten Texts als Entstellung zu werten,1 die ohne Zustimmung des Verfassers nicht zulässig ist. Das gilt auch für Kürzungen. Dieser Grundsatz schränkt mithin die Gestaltungsfreiheit der Redaktionen in der täglichen Arbeit stark ein. Redaktionen tun daher gut daran, wenn sie sich in der Zusammenarbeit mit Mitarbeitern und Einsendern von Beiträgen, die nicht in den Geltungsbereich der Manteltarifverträge fallen, das Recht zur Bearbeitung einschließlich des Rechts zur Kürzung ausdrücklich vorbehalten oder vertraglich einräumen lassen.
62
Der gesetzliche Schutz der Autoren gegen die ungenehmigte Bearbeitung eingereichter Beiträge kann allerdings im Einzelfall unter dem Aspekt vertraglicher Übung beschränkt sein. Auch wenn keine ausdrücklichen Absprachen getroffen oder Vorbehalte erklärt worden sind, kann sich namentlich bei längerer Zusammenarbeit zwischen Redaktionen und Einsendern ein Recht zur Bearbeitung und Umgestaltung eingereichter Texte dann ergeben, wenn die Bearbeitung in der Vergangenheit bereits praktiziert worden ist und der betreffende Mitarbeiter dem nicht widersprochen hat. In den nicht seltenen Fällen, in denen Einsender von Beiträgen ausdrücklich erklären, mit einer Bearbeitung oder Kürzung nicht einverstanden zu sein, sind die Redaktionen aber in jedem Falle an den entsprechenden Vorbehalt gebunden. Halten sie einen solchen Beitrag ohne Bearbeitung oder Kürzung nicht für veröffentlichungsfähig und können sie die Zustimmung des Verfassers zur Vornahme der gewünschten Änderung nicht erreichen, so müssen sie vom Abdruck absehen. c) Leserbriefe
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Diese Grundsätze gelten prinzipiell auch für Leserbriefe. Redaktioneller Übung entspricht es jedoch, in Leserbriefspalten von Zeitungen oder Zeitschriften ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sich die Redaktion die Kürzung von Leserbriefen vorbehält. In der Regel wird sich der Einsender einen derartigen Vorbehalt entgegenhalten lassen müssen, aus der Kürzung seiner _______________
1 Wenzel/Burkhardt, UrhR, Kap. 4 Rz. 20.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 66 § 7
Einsendung mithin keine Ansprüche ableiten können. Der übliche Vorbehalt berechtigt die Redaktionen jedoch nicht dazu, sinnentstellende Kürzungen oder sonstige sinnentstellende Veränderungen vorzunehmen. Derartige Maßnahmen stellen stets eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Einsenders dar.1 Sie sind daher durch einen routinemäßigen Kürzungsoder Bearbeitungsvorbehalt nicht gedeckt. Gegenüber einem generellen redaktionellen Vorbehalt der Kürzung von Leserbriefen wird sich auch eine ausdrückliche Erklärung des Einsenders durchsetzen, dass er mit einer Kürzung oder Bearbeitung seines Briefs nicht einverstanden ist. Liegt eine derartige Erklärung vor, so hat die Redaktion nur die Wahl zwischen einem vollständigen Abdruck oder der Entscheidung, von der Veröffentlichung insgesamt abzusehen.2
63a
6. Interviews und Hintergrundgespräche Medien vermitteln nicht nur Fakten. Von Verfassungs wegen und kraft ausdrücklichen Auftrags der Landespressegesetze3 wirken sie vielmehr auch auf andere Weise an der Meinungsbildung mit. Diesem Ziel sowie der schlichten Unterhaltung ihrer Leser, Zuhörer und Zuschauer dienen die zahllosen Gespräche, die Redaktionen ständig mit Politikern, Angehörigen des Wirtschaftslebens, aber auch Künstlern und Sportlern führen. Solche Gespräche werden zum Teil als zur Veröffentlichung bestimmte Interviews, zum Teil aber auch als Hintergrundgespräche geführt; letztere dienen der persönlichen Unterrichtung der teilnehmenden Medienvertreter und werden regelmäßig mit dem Anspruch auf Vertraulichkeit geführt.
64
a) Interviews Wenngleich die Rahmenbedingungen der Printmedien einerseits und der Medien Hörfunk und Fernsehen andererseits bei der Durchführung von Interviews schon aus technischen Gründen unterschiedlich sind,4 gilt für beide Bereiche: Der rechtliche Rahmen der Durchführung und Veröffentlichung von Interviews wird fast ausschließlich durch die jeweilige Absprache gezogen, die nicht selten ausdrücklich in Form eines Interviewvertrags, häufig aber auch konkludent, also durch stillschweigende Übereinkunft der Beteiligten und gegebenenfalls stillschweigende Bezugnahme auf die Usancen der Medien, zustande kommt.
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aa) Interviewfreiheit Der gesetzliche Auskunftsanspruch der Medien ist auf die Vermittlung von Informationen beschränkt und begründet keinen Anspruch der Redaktionen _______________
1 Unten § 16 Tz. 52. 2 Die im Text vertretene Auffassung entspricht der Richtlinie 2.6 Abs. 4 für die publizistische Arbeit nach den Empfehlungen des Deutschen Presserats. 3 Vgl. nur § 3 LPG Nordrhein-Westfalen. 4 Dazu im Einzelnen Brauneck/Schwarz, AfP 2008, 14 ff.
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§ 7 Tz. 67
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
auf Gewährung von Interviews.1 Repräsentanten des Staats wie Angehörige der Regierungen oder der Parlamente sind daher in der Entscheidung, ob, wem und in welchem Umfang sie Interviews gewähren wollen, ebenso frei wie private Unternehmer oder sonstige Persönlichkeiten von öffentlichem Interesse. 67
Das gilt jedenfalls für die Printmedien ohne Einschränkungen. Derjenige, der ein Interview gewährt, kann ein legitimes Interesse daran haben, es zur Verwirklichung seiner politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder ideellen Zwecke gezielt einzusetzen, sich also auf dem Weg des Interviews nur gegenüber den Zielgruppen bestimmter Medien zu äußern. Nicht selten ist das Interview auch Mittel des Ausdrucks der eigenen Persönlichkeit. Jedem Versuch der Medien, sich gegenüber einer bestimmten Persönlichkeit zur Begründung eines Interview-Wunsches auf das Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu berufen, wird daher das Recht des Betreffenden gegenüber stehen, selbst zu bestimmen, ob und gegenüber welchen Medien und damit welchen Teilen der Öffentlichkeit er sich äußern will. Dieses Recht aber ist als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG wie die Presse- und Rundfunkfreiheit als Grundrecht geschützt.
68
Im Bereich der Rundfunkmedien unterliegt dieser Rechtssatz allerdings einer gewissen Einschränkung. Das gilt zwar nicht für das verabredete Interview, das im Studio eines Hörfunk- oder Fernsehveranstalters oder aber auch im Büro desjenigen aufgezeichnet wird, der es gewährt. Für derartige Interviews muss es vielmehr bei der Regel bleiben, dass jedermann frei ist, darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls über welches Medium er sich auf dem Weg des Interviews an die Öffentlichkeit wenden will. Ob etwa ein Mitglied der Bundesregierung Interviews ausschließlich einem der beiden großen inländischen Anbieter des öffentlichrechtlichen Fernsehens oder beiden oder etwa nur noch einem privaten Fernsehveranstalter gewähren will, ist sicherlich eine Frage politischer Weitsicht; rechtlich ist es in der Entscheidung darüber in gleicher Weise frei, wie es frei ist in der Entscheidung, bestimmten Printmedien Interviews nicht zu gewähren. Denn auch Repräsentanten staatlicher Gewalt steht das Recht zu, ihre politische Meinung frei zu äußern,2 dies zu unterlassen oder zu bestimmen, wem gegenüber sie sich äußern wollen und wem gegenüber nicht.
69
Eine Einschränkung der damit auch gegenüber Hörfunk und Fernsehen prinzipiell bestehenden negativen Interviewfreiheit ergibt sich jedoch bei situationsgebundenen Live-Interviews, die von Repräsentanten des Staats nicht Journalisten eines bestimmten Veranstalters nach vorheriger Verabredung gegeben werden, sondern anwesenden Medienvertretern ad hoc aus besonderem Anlass. Äußert sich etwa die Bundeskanzlerin nach der Rückkehr von einer Auslandsreise noch auf der Gangway des Flugzeugs oder äußert sich ein Fachminister aus Anlass einer Katastrophe oder aus sonstigen Gründen an Ort und Stelle vor den Mikrofonen und Kameras der anwesenden Vertreter von Hörfunk und Fernsehen, dann wäre es unzulässig, wenn sie oder er unter den _______________
1 Oben § 4 Tz. 40. 2 Wenzel/Burkhardt, Kap. 2 Rz. 28 ff.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 71 § 7
Anwesenden selektierte und die Abschaltung bestimmter Mikrofone und Kameras verlangte. In solchen Situationen sprechen Vertreter des Staats in Ausübung der ihnen übertragenen öffentlichen Ämter,1 so dass sich das Verbot der Diskriminierung oder Bevorzugung bestimmter Sender oder ihrer Repräsentanten schon aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergibt. Wenngleich die Gewährung von Interviews nicht Auskunftserteilung im Sinn der Landespressegesetze ist, ist daher in derartigen Konstellationen das im Rahmen des Auskunftsanspruchs geltende Neutralitätsgebot2 entsprechend anzuwenden. Die anwesenden Vertreter aller Hörfunk- und Fernsehveranstalter, die die technischen Vorkehrungen zur Aufnahme und Übertragung der Live-Äußerungen des betreffenden Vertreters staatlicher Gewalt getroffen haben, haben einen Rechtsanspruch darauf, die Gelegenheit zur Aufnahme und Aufzeichnung dessen zu erhalten, was dieser an Ort und Stelle gegenüber den Medien von sich gibt. Seit Einführung des Rechts auf Kurzberichterstattung durch die Rundfunkstaatsverträge und Landesmediengesetze3 ist dieser Anspruch jedenfalls in seinem Kernbereich auch gesetzlich begründet.
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bb) Inhalt des Interviewvertrags Abgesehen von der soeben erörterten Ausnahme des situationsbedingten LiveInterviews folgt schon aus der dargestellten negativen Interviewfreiheit, dass die Beteiligten auch in der Ausgestaltung der Bedingungen der Interviewgewährung weitgehend frei sind.4 Stellt ein potenzieller Interviewpartner Bedingungen, auf die sich die betreffende Redaktion nicht einlassen will oder kann, wie etwa die Verknüpfung des Interviews mit bestimmten PR- oder Werbemaßnahmen,5 so folgt daraus nicht etwa ein Recht der Medien, das bereits aufgezeichnete Interview auch ohne Erfüllung der Bedingung zu publizieren. Sie müssen sich stattdessen entscheiden, ob sie die Bedingung akzeptieren oder von der Durchführung bzw. Veröffentlichung des Interviews absehen wollen. Das gilt insbesondere für die häufig getroffene Vereinbarung, dass die Veröffentlichung des Interviews erst nach Autorisierung durch den Interviewpartner erfolgen darf. Unterbleibt die Einholung der Einwilligung in einem solchen Fall, ist die Veröffentlichung des Interviews selbst dann ohne Einschränkung unzulässig, wenn die veröffentlichte Aufzeichnung den Verlauf des Interviews und die darin gefallenen Äußerungen des Interviewten vollständig und richtig wiedergibt. Erfolgt die Autorisierung, so ist die Redaktion prinzipiell an den gebilligten Wortlaut gebunden. Allenfalls kleinere Änderungen, die den Sinn der Aussagen des Interviewten nicht berühren, können unbedenklich sein, insbesondere wenn sie sich im Rahmen der Schlussredaktion aus technischen Gründen als notwendig erweisen. Die Vereinbarung des Autorisierungsvorbehalts schließt, sofern nichts Anderes vereinbart ist, das Recht des Interviewpartners ein, die Zustimmung zur Veröffentlichung des _______________
1 2 3 4 5
Vgl. Nachweise bei Wenzel/Burkhardt, Kap. 2 Rz. 28 ff. Vgl. oben § 4 Tz. 31 ff. Oben § 6 Tz. 39 ff. Dazu im Einzelnen Brauneck/Schwarz, AfP 2008, 276 ff. Unten § 24 Tz. 6 ff.
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§ 7 Tz. 72
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Interviews auch ohne Gründe nachträglich zurückzuziehen, solange er es noch nicht autorisiert hat.1 72
Ohne entsprechende Vereinbarung ist jedoch die Einholung der Zustimmung des Interviewpartners zur Veröffentlichung der Endfassung des Interviews rechtlich nicht geboten.2 Dass aber auch ein Interview, dessen Autorisierung der Interviewte sich nicht vorbehalten hat, den Gesprächsverlauf wahrheitsgemäß und insbesondere ohne solche Kürzungen wiedergeben muss, die den Sinngehalt der Aussage verfälschen, und dass es insbesondere unzulässig ist, dem Interviewten Äußerungen unterzuschieben, die er nicht oder nicht so von sich gegeben hat, dürfte selbstverständlich sein.3
72a
Wird eine Autorisierungsvereinbarung nicht getroffen, so ist namentlich der Partner eines Hörfunk- oder Fernsehinterviews an die mit dessen Aufnahme erklärte Einwilligung zur Ausstrahlung gebunden und in der Regel zum Widerruf der Einwilligung nicht berechtigt.4 Anderes kann gelten, wenn er zur Gewährung des Interviews unter falschen Voraussetzungen veranlasst wurde und sich insbesondere mit seinem Interview überraschend in eine geistige Umgebung gestellt sieht, in der er sich der Öffentlichkeit nicht präsentieren will. Auch in einem solchen Fall ist ein Widerruf der Einwilligung zur Ausstrahlung des Interviews allerdings nur beachtlich, wenn er an Ort und Stelle und unverzüglich erklärt wird.
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Bei Hörfunk- oder Fernsehinterviews hat sich die Übung herausgebildet, dass der Interviewer und sein Interviewpartner vor Aufnahmebeginn kurz über den geplanten Gang des Interviews und die zu behandelnden Fragen miteinander sprechen. Auf diese Weise erhält der Interviewte die Möglichkeit, sich auf die zu beantwortenden Fragen vorzubereiten; gleichzeitig wird er vor Überraschungen geschützt. Die Herstellung von Ton- oder Bildaufnahmen derartiger informeller Vorgespräche ist unzulässig; die allgemeinen strafrechtlichen Schranken der Recherche5 gelten für derartige Vorgespräche ohne Einschränkung. Unzulässig ist insbesondere die Ausstrahlung etwaiger Aufnahmen, die unter Verstoß gegen das Verbot der Aufzeichnung derartiger vertraulicher Vorgespräche zustande gekommen sind.6 b) Hintergrundgespräche
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Die Führung von Hintergrundgesprächen namentlich zwischen Politikern und Angehörigen der Medien gehört zur täglichen journalistischen Praxis. Die Satzungen der Bundespressekonferenz und einzelner Landespressekonferenzen haben sie institutionalisiert, indem sie vorschreiben, dass die Auskunftgeben_______________
1 Zur Einwilligung und ihrem Widerruf vgl. im Einzelnen unten § 19 Tz. 43 ff. 2 Wente, S. 88. 3 BGH NJW 1965, 685 – Soraya; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. 4 LG Köln AfP 1989, 766; Wenzel/Burkhardt, Kap. 7 Rz. 46. 5 § 201 StGB; dazu unten § 10 Tz. 3 ff. 6 LG Hamburg, nicht begründeter Beschluss v. 16.5.1988 – 74 O 226/88, unveröffentlicht.
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Arbeit mit Informanten
Tz. 75 § 7
den berechtigt sind, sogar Mitteilungen vor der Pressekonferenz als zur Verwertung ohne Quelle und ohne Nennung des Auskunftgebenden bzw. als vertraulich zu qualifizieren, und dass die Mitglieder der Pressekonferenz verpflichtet sind, sich an derartige Kategorisierungen zu halten.1 Und der Pressekodex2 sowie die dazu ergangenen Richtlinien für die publizistische Arbeit des Deutschen Presserats statuieren die Verpflichtung der Medien, die in Informations- oder Hintergrundgesprächen vereinbarte Vertraulichkeit grundsätzlich zu wahren; Ausnahmen lassen sie insbesondere zu, wenn „… bei sorgfältiger Güter- und Interessenabwägung gewichtige staatspolitische Gründe überwiegen, insbesondere wenn die verfassungsmäßige Ordnung berührt oder gefährdet ist.“3
Wenngleich der Pressekodex und die dazu erlassenen Richtlinien die Medien rechtlich nicht binden,4 zeigen sie, dass die Angehörigen der Medien selbst der Einhaltung vereinbarter Vertraulichkeit einen hohen Stellenwert beimessen. Es liegt im Interesse jedes einzelnen Journalisten, in diesem Bereich keinen Regelverstoß zu begehen, da er sich dadurch als Teilnehmer weiterer Hintergrundgespräche ohne Weiteres disqualifiziert und ein Vertrauenskapital verspielt, auf das er für die erfolgreiche Ausübung seines Berufs angewiesen ist. Die Verletzung vereinbarter Vertraulichkeit führt aber auch rechtlich zu einem Verwertungsverbot. Das folgt unabhängig davon, ob die Vertraulichkeit ausdrücklich vereinbart wurde oder ob ihre Vereinbarung sich aus den Umständen des betreffenden Gesprächs ergibt, schon aus der Rechtsnatur der Vertraulichkeitsvereinbarung. Das folgt aber auch und insbesondere aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Gesprächspartners, das nach heute einhelliger Auffassung die Vertraulichkeit des nicht öffentlich gesprochenen Worts in besonderem Maße schützt.5
_______________
1 Vgl. etwa Satzungen des Vereins Bundespressekonferenz e.V. § 16 Abs. 2 Satz 2; der Landespressekonferenz Hamburg § 4 Abs. 1. 2 Pressekodex Ziff. 5 Abs. 2, abgedruckt in Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008 S. 148 ff. 3 Richtlinie Nr. 5.1. 4 Löffler/Ricker, Kap. 40 Rz. 1 ff. 5 Einzelheiten unten § 10 Tz. 16 f.
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§8 Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot 1
Arbeit mit Informanten ist ohne das gesetzlich normierte Zeugnisverweigerungsrecht der Medien und ohne das zu seiner Absicherung hinzu tretende Beschlagnahmeverbot nicht denkbar. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 1966 im Spiegel-Urteil1 anerkannt, dass die Medien die ihnen obliegende öffentliche Aufgabe der Kontrolle und Kritik insbesondere staatlicher Gewalt nicht erfüllen könnten, wenn sie nicht berechtigt wären, ihre Informationsquellen geheim zuhalten. Dazu bedarf es sowohl eines Zeugnisverweigerungsrechts als auch eines Verbots, in Redaktionsräumen Beschlagnahmeaktionen durchzuführen.2 Ältere Journalisten mögen sich noch mit Schrecken des Instruments der Beugehaft3 erinnern, mit der sie vor Inkrafttreten der heute geltenden Regeln dazu gezwungen werden sollten und nicht selten auch tatsächlich gezwungen wurden, ihre Informationsquellen preiszugeben. Heute ist das Zeugnisverweigerungsrecht die rechtliche Grundlage, auf der Redaktionen ihren Informanten Anonymität zusagen und diese Zusage auch einhalten können, obwohl immer wieder Versuche staatlicher Ermittlungsbehörden zu beobachten sind, dieses Recht durch Beschlagnahmeaktionen in Redaktionen zu unterminieren.4 Ohne die Zusage von Vertraulichkeit und die verfahrensrechtlichen Garantien, die die Einhaltung solcher Zusagen erst ermöglichen, wären die Medien in der Regel nicht in der Lage, namentlich brisante Informationen zu beschaffen, die aus gesetzlich geschützten Geheimsphären kommen und für das Funktionieren der Kontrolle staatlicher Gewalt durch die Medien unverzichtbar sind. 1. Rechtsgrundlagen
2
Seine rechtliche Grundlage findet das Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen der Medien seit dem 1. Januar 1975 in allen Verfahrensordnungen des Bundes, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung. So bestimmt für den Bereich des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO, dass zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind „… Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben.“
Ausdrücklich bezieht der Gesetzgeber in dieser Bestimmung mit der Erwähnung derjenigen, die an der Meinungsbildung dienenden Informations- oder _______________
1 BVerfG NJW 1966, 1603 – Spiegel-Urteil. 2 BVerfG NJW 1966, 1603 – Spiegel-Urteil; BVerfG NJW 1974, 356; BVerfG AfP 2000, 557 = NJW 2001, 507; BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero. 3 §§ 70 StPO, 390 ZPO a.F. 4 Vgl. dazu insbesondere BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero.
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Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot
Tz. 2b § 8
Kommunikationsdiensten mitwirken, die Mitarbeiter der elektronischen Presse in den Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten ein. Alle Berechtigten dürfen das Zeugnis verweigern über „… die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.“
Die Berechtigung zur Verweigerung des Zeugnisses über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen war freilich lange umstritten.1 Sie ist erst durch die Änderung der Strafprozessordnung vom 15. Februar 2002 in das Gesetz aufgenommen worden; dies allerdings nur um den Preis einer substantiellen Einschränkung. Denn das Zeugnis über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand entsprechender Wahrnehmungen der Journalisten darf nicht verweigert werden, wenn
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„… die Aussage zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen soll oder wenn Gegenstand der Untersuchung 1. eine Straftat des Friedensverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 80a, 85, 87, 88, 95, auch in Verbindung mit § 97b, §§ 97a, 98 bis 100a des Strafgesetzbuchs), 2. eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 176, 179 des Strafgesetzbuchs oder 3. eine Geldwäsche, eine Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte nach § 261 Abs. 1 bis 4 des Strafgesetzbuchs ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.“
Im Wege einer Unterausnahme schließlich darf das Zeugnis allerdings auch in diesen Fällen verweigert werden, soweit es „… zur Offenbarung der Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten oder der ihm im Hinblick auf seine Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 gemachten Mitteilungen oder deren Inhalts führen würde.“2
Bei grundsätzlicher Anerkennung der Notwendigkeit eines journalistischen Zeugnisverweigerungsrechts und dem erkennbaren und durch die Entstehungsgeschichte der aktuellen Fassung des Gesetzes3 belegten Bemühen des Gesetzgebers um eine ausgewogene Regelung dieses Kernstücks der Absicherung der Medienfreiheiten handelt es sich schon nach dem Wortlaut der Bestimmungen um eine außerordentlich komplizierte Regelung, die den Medienangehörigen das Zeugnisverweigerungsrecht keineswegs ohne Ausnahme gewährt. _______________
1 Dazu unten Tz. 7, 16 ff. 2 § 53 Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO. 3 Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 21 ff.
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2b
§ 8 Tz. 3 3
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Bis zum Inkrafttreten der StPO-Novelle von 2002 enthielten § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO für den Zivilprozess und § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO für den Bereich der Steuerverwaltung Regelungen, die mit § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO wörtlich übereinstimmten. Der Gesetzgeber hat jedoch die Novellierung des strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechts und damit insbesondere die grundsätzliche Einbeziehung selbst recherchierten Materials und selbst angestellter Beobachtungen für diese Verfahrensarten nicht nachvollzogen. Im Zivilprozess und im Verfahren nach der Abgabenordnung gilt vielmehr das Zeugnisverweigerungsrecht nach wie vor in der bis 2002 auch für das Strafverfahren geltenden Fassung, mithin für „… Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben, über die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmanns von Beiträgen und Unterlagen sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil handelt.“
Diese Fassung des Gesetzes gilt kraft Verweisung auch für das Verfahren vor den Arbeits-, Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichten sowie im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit.1 Der Gesetzgeber hat mithin für alle diese Verfahrensarten weder die durch § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO vollzogene Klarstellung übernommen, dass auch Mitarbeiter der elektronischen Presse zur Zeugnisverweigerung berechtigt sind,2 noch die, wenn auch eingeschränkte, Erstreckung des Zeugnisverweigerungsrechts auf selbst recherchiertes Material und selbst angestellte Beobachtungen nachvollzogen. 3a
Demgegenüber gilt im Bußgeld- und Disziplinarverfahren, im anwaltsgerichtlichen Verfahren sowie im Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse des Bundestags aufgrund ebenfalls ausdrücklicher Verweisung3 das strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht entsprechend.
3b
Hingegen stellen §§ 100g, 100h StPO i.V.m. §§ 96, 113a und 113b TKG ein bedenkliches Einfallstor für nach den genannten gesetzlichen Bestimmungen anderweitig unzulässige Ermittlungsmaßnahmen bei den Medien dar. Nach diesen Bestimmungen sind Betreiber von Kommunikationsnetzen verpflichtet, Telekommunikationsdaten für eine bestimmte Zeit zu speichern und den Ermittlungsbehörden Auskunft über geführte Gespräche zu erteilen, ohne dass diese Verpflichtung für den Bereich der Medien im Hinblick auf deren Zeugnisverweigerungsrecht eingeschränkt worden wäre. Ebenso bedenklich ist die Bestimmung des am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen § 20u BKAG, die anders als Geistliche, Parlamentsabgeordnete und Strafverteidiger, aber ebenso wie etwa nicht in der Strafverteidigung tätige Rechtsanwälte und Ärzte auch Redaktionen dem gesamten Instrumentarium der §§ 20a ff. BKAG zur Abwehr von Terrorismusgefahren wie u.a. dem Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung,4 dem verdeckten Eingriff in informationstechnische Sys_______________
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§§ 46 ArbGG, 98 VwGO, 84 Abs. 1 FGO, 118 Abs. 1 SGG sowie § 29 Abs. 2 FamFG. Dazu Soehring, Konvergenz, S. 39 ff. § 46 OWiG, § 116 BRAO, Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG. § 20h BKAG.
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Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot
Tz. 3d § 8
teme,1 der Überwachung der Telekommunikation2 sowie der Durchsuchung von Personen und Sachen3 unterwirft und lediglich eine Prüfung vorschreibt, ob diese Maßnahmen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch dann durchgeführt werden müssen, wenn sie zur Aufdeckung von Informanten der Medien führen können.4 Die Ausnahme der Telekommunikationsdaten vom Zeugnisverweigerungsrecht hat im Einzelfall bereits zu dessen Umgehung geführt, indem sich Ermittlungsbehörden die Information über von einer Redaktion geführte Gespräche mit einem Informanten, die sie mit strafprozessualen Mitteln bei der Redaktion nicht hätten durchsetzen können, vom Betreiber des im konkreten Fall in Anspruch genommenen Mobilfunknetzes beschafft haben5; mit weiteren Einschränkungen des Zeugnisverweigerungsrechts durch Ermittlungsbehörden auf der Basis der genannten neuen Bestimmungen des BKAG muss realistischerweise gerechnet werden. Bereits nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Ermittlungsmaßnahmen, die ausschließlich oder vorwiegend dazu dienen, die Identität von Medieninformanten zu ermitteln,6 ist aber davon auszugehen, dass auch Anordnungen zur Bekanntgabe von Telekommunikationsverbindungen sowie einzelne Maßnahmen nach §§ 20a ff. BKAG unzulässig sind, wenn sie darauf abzielen, die Identität eines Presseinformanten aufzudecken.7 Das Zeugnisverweigerungsrecht wird ergänzt durch das Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 5 StPO. Für Durchsuchungen hingegen hat der Gesetzgeber keine medienspezifischen Ausnahmen von der allgemein gültigen Regel des § 103 StPO vorgesehen. Allerdings dürfen Durchsuchungen nicht zu dem Zweck vorgenommen werden, Gegenstände aufzuspüren, die nach § 97 Abs. 5 StPO nicht beschlagnahmt werden dürften,8 wie es ja nach der Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts in der Cicero-Entscheidung9 ohnehin und ganz generell unzulässig ist, formal zulässige Ermittlungsmaßnahmen zu dem Zweck einzuleiten und durchzuführen, den verfassungsrechtlich gewährleisteten Informantenschutz zu durchbrechen.
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Wie schon das Zeugnisverweigerungsrecht ist auch das Beschlagnahmeverbot durch die StPO-Novelle von 2002 erweitert worden. Wie jenes gilt aber auch dieses weiterhin nicht uneingeschränkt. Zwar erfasst auch das Beschlagnahmeverbot jetzt grundsätzlich auch selbst recherchiertes Material. Durch Verweisungen auf generelle Verfahrensnormen schränkt der Gesetzgeber das Beschlagnahmeverbot aber für den Fall ein, dass ein Medienangehöriger an der Tat, wegen deren ermittelt wird, oder an einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist, oder dass es sich um Gegenstände handelt, die
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§ 20k BKAG. § 20l BKAG. § 20q und r BKAG. Gegen die im Text genannten Bestimmungen sind bei Abschluss des Manuskripts eine Reihe von Verfassungsbeschwerden beim BVerfG anhängig. LG Frankfurt/Main NJW 1996, 1008; kritisch dazu Pöppelmann, AfP 1997, 485 ff. BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero. So ausdrücklich OLG Dresden NJW 2007, 3511. Meyer-Goßner, § 103 StPO Rz. 7 m.N. BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero.
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§ 8 Tz. 3e
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren.1 Auch in diesen Fällen ist die Beschlagnahme jedoch nur zulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Täters auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.2 Die Strafverfolgungsbehörden haben damit nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes in allen Fällen einer erwogenen Beschlagnahme von Materialien in Redaktionsräumen oder in Räumen von Journalisten auch außerhalb der Redaktionen eine spezifische Abwägung zwischen den kollidierenden Rechtsgütern der Presse- und Rundfunkfreiheit auf der einen und dem Interesse des Staats an einer effektiven Strafverfolgung auf der anderen Seite vorzunehmen, wie sie im Spannungsfeld von Art. 5 Abs. 1 und 2 GG ohnehin geboten wäre. 3e
Früher geltende Bestimmungen der Landespressegesetze über das Zeugnisverweigerungsrecht und das strafprozessuale Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbot hat das Bundesverfassungsgericht3 aus Gründen vorrangiger Gesetzgebungskompetenz des Bundes für verfassungswidrig erklärt4 – dies allerdings nur für den Anwendungsbereich der bundesrechtlichen Verfahrensordnungen. Fast alle Landesgesetzgeber haben daraufhin die entsprechenden Bestimmungen der Landespresse- und Mediengesetze ersatzlos gestrichen. Soweit jedoch in einzelnen Landespressegesetzen Bestimmungen über das Zeugnisverweigerungsrecht noch in Kraft sind,5 gelten sie ergänzend zum Bundesrecht ausschließlich in Verfahren, die allein nach Landesrecht abgewickelt werden, und damit insbesondere nicht für das im Recht der Medien besonders bedeutsame Straf- und Zivilprozessverfahren.6
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Die rundfunkrechtlichen Bestimmungen über den Auskunftsanspruch Betroffener nach Persönlichkeitsrechtsverletzung7 respektieren das gesetzlich definierte Zeugnisverweigerungsrecht der Medien, indem sie den auskunftspflichtigen Rundfunkveranstaltern ein Auskunftsverweigerungsrecht im Umfang des gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrechts einräumen, dessen Ausübung freilich eine Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Beteiligten voraussetzt. Auch das 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Sicherung der zivilrechtlichen Ansprüche der Opfer von Straftaten8 gewährt den Berechtigten zwar einerseits einen Auskunftsanspruch gegenüber den Medien über Entgelte, die sie den betroffenen Straftätern gezahlt haben, verschafft aber den gesetzlichen Auskunfts- oder Aussageverweigerungsrechten ausdrücklich Priorität gegenüber diesem Anspruch.9 Darüber hinaus gibt es auch generell keinen An_______________
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§ 97 Abs. 2 Satz 3 und § 160a Abs. 4 Satz 2 StPO. § 97 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 StPO. BVerfG NJW 1974, 356; BVerfG NJW 1974, 743. Dazu Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 5 ff. § 23 LPG Baden-Württemberg, § 18 Berliner Pressegesetz, § 23 Saarländisches Mediengesetz. Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 7. Nachweise oben § 7 Tz. 39. BGBl. I 1998, 905. § 4 Satz 2 OASG.
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Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot
Tz. 6 § 8
spruch der von Berichterstattung Betroffenen gegenüber den Medien auf Aufklärung darüber, aus welchen Quellen sie bestimmte Informationen oder Bilder erhalten haben.1 Alle hier genannten gesetzlichen Bestimmungen sind Ausprägungen des Prinzips der Berechtigung der Medien, ihre Quellen nicht zu offenbaren, das als solches nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts2 Teil der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Presse- und Rundfunkfreiheit und damit der freien Disposition durch den Gesetzgeber entzogen ist. Die Begründung eines uneingeschränkten Zeugniszwangs auch für Medienangehörige wäre daher mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu vereinbaren. Konsequent hat denn auch das Bundesverfassungsgericht3 noch nach der Aufnahme des Zeugnisverweigerungsrechts und Beschlagnahmeverbots in die Verfahrensgesetze des Bundes entschieden, dass die geltenden Bestimmungen nicht als abschließende Regelung des Rechts der Zeugnisverweigerung angesehen werden können, dass vielmehr eine darüber hinausgehende Begrenzung des Aussagezwangs unter Umständen unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitet werden kann. Die früher vom Bundesgerichtshof4 sowie einem Teil des Schrifttums5 vertretene gegenteilige Auffassung ist angesichts der klaren Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage nicht haltbar.6 Und in jedem Fall ist es geboten, Verfahrensnormen, aus deren Wortlaut sich eine Zeugnispflicht von Medienangehörigen oder die Möglichkeit einer Beschlagnahme oder Durchsuchungsaktion bei ihnen ergeben kann, im Lichte der Gewährleistung der Presse- und Rundfunkfreiheit verfassungskonform so auszulegen, dass die Medien jedenfalls in der Regel nicht gezwungen werden können, ihre Quellen zu offenbaren.7
5
Versuche der Medien allerdings, den vom Bundesverfassungsgericht8 aufgestellten Rechtssatz, dass eine Begrenzung des Aussagezwangs unter Umständen unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitet werden kann, zu konkretisieren und Aussageverweigerungsrechte über den durch die geltenden Verfahrensnormen gezogenen Rahmen hinaus unmittelbar aus dem Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit abzuleiten, sind in den bisher entschiedenen Fällen ergebnislos geblieben. So hat es etwa das Bundesverfassungsgericht9 im Prinzip abgelehnt, über den Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen hinaus auch das Chiffregeheimnis der Anzeigenabteilungen der Presseverlage dem Zeugnisverweigerungsrecht zu unterstellen, sofern An-
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1 OLG Hamburg AfP 1995, 504. 2 BVerfG NJW 1966, 1603 – Spiegel-Urteil; BVerfG NJW 1969, 1019; Löffler, NJW 1978, 913, 915; Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 25 f.; Löffler/Ricker, Kap. 30 Rz. 5. 3 BVerfG NJW 1969, 1019; BVerfGE 64, 108 = AfP 1983, 385; BVerfG NJW 1990, 701. 4 BGHSt 28, 240 = AfP 1979, 236. 5 KK/Senge, § 53 Rz. 28; Rebmann, AfP 1982, 189, 191. 6 So ausdrücklich auch BGH AfP 1989, 738 = NJW 1990, 525; Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 71 ff.; Löffler/Ricker, Kap. 30 Rz. 5; Löffler, NJW 1978, 913, 915; MeyerGoßner, § 53 StPO Rz. 27. 7 BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero; OLG Dresden NJW 2007, 3511. 8 BVerfG NJW 1969, 1019; BVerfG AfP 1983, 385; BVerfG NJW 1990, 701. 9 BVerfG AfP 1983, 385 = NJW 1984, 1101; BVerfG NJW 1990, 701.
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§ 8 Tz. 7
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
zeigen nicht im Einzelfall aufgrund ihrer inhaltlichen Ausgestaltung an der meinungsbildenden Funktion der Presse teilhaben,1 was insbesondere bei so genannten Bekenner-Anzeigen in Betracht kommt. 7
Auch der Versuch des ZDF, ein Zeugnisverweigerungsrecht bzw. Beschlagnahmeverbot hinsichtlich des seinerzeit ausgenommenen2 selbst recherchierten Materials und insbesondere von Filmmaterial unmittelbar aus dem Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit abzuleiten, ist vor dem Bundesverfassungsgericht3 ohne Erfolg geblieben. Ebenso erfolglos blieb der Versuch des ZDF, sich gegenüber der auf § 12 des damaligen Fernmeldeanlagengesetzes gestützten Anordnung, über von einem bestimmten Mobilfunkanschluss geführte Telefongespräche mit dem seinerzeit weltweit gesuchten Immobilienspekulanten Dr. Jürgen Schneider Auskunft zu erteilen, auf sein verfassungsrechtlich fundiertes Auskunftsverweigerungsrecht zu berufen.4
7a
In der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen durch die Rechtsprechung wirkt sich die Erkenntnis, dass das Zeugnisverweigerungsrecht unmittelbar verfassungsrechtlich legitimiert ist, inzwischen allerdings sehr konkret aus.5 Die Medien müssen sich zwar in der täglichen Arbeit trotz der vom Bundesverfassungsgericht prinzipiell anerkannten Möglichkeit eines übergesetzlichen Zeugnisverweigerungsrechts und Beschlagnahmeverbots primär an den geltenden gesetzlichen Bestimmungen orientieren. Gerade im Hinblick auf in den letzten Jahren unübersehbare Tendenzen der Ermittlungsbehörden, diese Bestimmungen zu Lasten der Medienfreiheiten restriktiv auszulegen, und die Bereitschaft der Gerichte, diesen Tendenzen durch eine verfassungskonforme Auslegung der jeweiligen Eingriffsnormen zu begegnen, besteht allerdings im konkreten Einzelfall stets Anlass zu detaillierter Prüfung der Frage, ob eine bestimmte Ermittlungsmaßnahme noch mit der grundsätzlichen Wertentscheidung sowohl des Grundgesetzes als auch des Bundesgesetzgebers für einen effektiven Schutz des Redaktionsgeheimnisses vereinbar ist. 2. Träger des Zeugnisverweigerungsrechts
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Auf das Zeugnisverweigerungsrecht können sich nicht nur Redakteure oder sonstige Journalisten, können sich vielmehr alle Mitarbeiter der Medien berufen, die „bei der Vorbereitung, Herstellung und Verbreitung“ von periodischen Druckschriften oder Rundfunksendungen mitwirken oder mitgewirkt haben, sofern dies berufsmäßig geschieht. Zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist damit jeder, der sich an der Vorbereitung oder Herstellung eines redaktionellen Beitrags in jedem Medium im Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufsmäßig beteiligt. Dazu gehören Redakteure, Korrespondenten und Rechercheure ebenso wie Angehörige der kaufmännischen Verwaltung _______________
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Mit Recht kritisch dazu Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 72. Dazu oben Tz. 2 und unten Tz. 17. BVerfG AfP 1987, 697. LG Frankfurt/Main NJW 1996, 1008. BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero; BGH AfP 1989, 738 = NJW 1990, 525; OLG Dresden NJW 2007, 3511.
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Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot
Tz. 10 § 8
eines Verlags.1 Den Versuch des Amtsgerichts Hamburg, den Namen des Informanten eines Zeitschriftenverlags nicht von den zuständigen Redakteuren, sondern durch Verhängung von Beugehaft nach § 70 StPO von dem Justitiar des Verlags zu erfahren, hat in der Beschwerdeinstanz das Landgericht Hamburg2 zutreffender Weise zurückgewiesen. Voraussetzung für die Zeugnisverweigerung ist es auch nicht, dass der Betreffende Angestellter eines Medienunternehmens ist. Das Merkmal der berufsmäßigen Mitwirkung schließt nur Gelegenheitsinformanten oder gelegentliche Einsender von Beiträgen aus, lässt aber das Zeugnisverweigerungsrecht freier Mitarbeiter und solcher journalistischer Zulieferer unberührt, die sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit als Lieferanten von Beiträgen oder auch als Informanten einer Redaktion betätigen oder dies zu tun beabsichtigen.3 Auch ist es nicht Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts, dass der betreffende Journalist entgeltlich tätig wird.4 Der Kreis der Weigerungsberechtigten ist damit weit gezogen, wenngleich es bei freien Mitarbeitern im Einzelfall zu einem Legitimationsproblem kommen kann. Insbesondere sorgfältig arbeitende Redakteure, die zu heiklen Informantengesprächen aus Gründen der Beweissicherung oder zur Vermeidung von Missverständnissen Kollegen oder Justitiare hinzuziehen, können dies daher unter dem Gesichtspunkt der Zeugnisverweigerung unbedenklich tun und brauchen nicht zu befürchten, dass ihr eigenes Zeugnisverweigerungsrecht durch Befragung ihrer Hilfspersonen ausgehöhlt werden könnte.
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Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO und den Verfahrensordnungen, die auf diese Vorschrift verweisen,5 steht das Zeugnisverweigerungsrecht heute im Bereich der strafprozessualen Ermittlungen auch den Autoren von Filmberichten und den Mitarbeitern der elektronischen Presse zu. Auch auf das Erfordernis der Zugehörigkeit der Zeugnisverweigerungsberechtigten zur periodischen Presse hat der Gesetzgeber mit der Novellierung verzichtet. Nicht mehr ausgeschlossen ist damit die gesamte Buchpresse, sind ferner diejenigen, die bei der Produktion von Flugblättern und in der Regel Plakaten mitwirken.6 Zum Rundfunk im Sinn der Zeugnisverweigerungsbestimmungen gehören wie stets der Hörfunk und das Fernsehen,7 so dass deren Mitarbeiter in gleicher Weise privilegiert sind wie diejenigen der periodischen Presse. Auch Filmberichterstattung ist nun nicht mehr vom Zeugnisverweigerungsrecht ausgenommen.8
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1 Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 27 ff.; KK/Senge, § 53 StPO Rz. 32; Meyer-Goßner, § 53 StPO Rz. 31 f. 2 LG Hamburg AfP 1984, 172; zustimmend Meyer-Goßner, § 53. StPO Rz. 31. 3 BGH AfP 1999, 268 = NJW 1999, 2051; Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 38; KK/ Senge, § 53 Rz. 31; Meyer-Goßner, § 53 StPO Rz. 31. 4 Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 38; Löffler/Ricker, Kap. 30 Rz. 24. 5 Oben Tz. 3a. 6 KK/Senge, § 53 StPO Rz. 28; Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 41; Löffler/Ricker, Kap. 30 Rz. 25. 7 KK/Senge, § 53 StPO Rz. 29; Meyer-Goßner, § 53 StPO Rz. 30. 8 Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 42.
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§ 8 Tz. 10a 10a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Nach der der Neufassung der StPO nicht angepassten Vorschrift des § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO und nach den weiteren Verfahrensordnungen, die auf diese Bestimmung verweisen,1 steht hingegen das Zeugnisverweigerungsrecht weiterhin nur den Mitarbeitern periodischer Druckschriften und des Rundfunks zu. Soweit § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO die in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO vollzogene Erweiterung des Kreises derjenigen, die sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, damit nicht nachvollzieht, ist es geboten, die erforderliche Angleichung im Wege verfassungskonformer Auslegung dieser Verfahrensordnungen herbei zu führen, da sachliche Gründe dafür, das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten im Zivilprozess im Vergleich zu demjenigen im Strafverfahren sachlich zu beschränken, ersichtlich nicht bestehen. 3. Inhalt des Zeugnisverweigerungsrechts
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Inhaltlich wird das Zeugnisverweigerungsrecht mit der Identität der Informanten sowie dem Inhalt der von diesen gemachten Mitteilungen für zwei unterschiedliche Kategorien gewährt. Hinzu treten, wenn auch unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, für den Bereich des Strafprozesses und der ihm gleichgestellten Verfahren die selbst recherchierten Materialien sowie die berufsbezogenen eigenen Wahrnehmungen. a) Identität der Informanten
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Das Zeugnisverweigerungsrecht erfasst in allererster Linie die Identität des Informanten, der im Gesetzeswortlaut mit den Begriffen des Verfassers, Einsenders oder in der Formulierung von § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO des Gewährsmanns von Beiträgen oder Unterlagen für den redaktionellen Teil umfassend definiert wird. Damit darf zunächst die Beantwortung aller Fragen nach dem Verfasser eines Beitrags verweigert werden, gleichgültig, ob es sich um einen Angehörigen des betreffenden Medienunternehmens oder einen Außenstehenden handelt; auch wenn der Befragte selbst der Verfasser ist, ist er berechtigt, dies zu verschweigen und die Auskunft über die Person des Verfassers zu verweigern.2 Handelt es sich um eine Mehrheit von Verfassern, so darf die Antwort auf die Frage nach jedem der Beteiligten verweigert werden, unabhängig von der Qualität oder Quantität des Beitrags des Einzelnen.3
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Das Zeugnisverweigerungsrecht schützt auch den Verfasser eines anonymen Beitrags in Hörfunk und Fernsehen, auch wenn er ihn selbst verliest und sich dabei abbilden lässt.4 Dasselbe gilt im Fall der Veröffentlichung eines Interviews, in dem eine Redaktion zwar die Gruppenzugehörigkeit des Interviewpartners offenbart, seine Identität aber durch Verwendung eines Pseudonyms verbirgt.5 Stets ist entscheidend, dass die Medien die Identität des Informan_______________
1 Oben Tz. 3. 2 Löffler/Ricker, Kap. 30 Rz. 28; Meyer-Goßner, § 53 StPO Rz. 35. 3 LG Hamburg AfP 1984, 172; LG Heilbronn AfP 1984, 119; Löffler/Ricker, Kap. 30 Rz. 28. 4 KK/Senge, § 53 StPO Rz. 36; Meyer-Goßner, § 53 StPO Rz. 35. 5 BGH AfP 1989, 738 = NJW 1990, 525.
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Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot
Tz. 15 § 8
ten oder Verfassers geheim halten wollen und das auch zuvor getan haben. Solange dies der Fall ist, dürfen nicht nur Antworten auf direkte Fragen wie diejenige nach dem Namen des Informanten oder Verfassers verweigert werden. Gleiches gilt vielmehr auch für alle indirekten Fragen, deren Beantwortung zur Aufdeckung der Identität beitragen oder sie auch nur erleichtern würde.1 Dann darf auch die Beantwortung solcher Fragen verweigert werden, hinsichtlich deren ein eigenständiges Zeugnisverweigerungsrecht nicht besteht, wie etwa derjenigen nach gezahlten Informationshonoraren.2 Hingegen versagt das Zeugnisverweigerungsrecht in der Regel, wenn die Medien selbst die Identität ihres Informanten bereits preisgegeben haben und die Befragung auf weitere Einzelheiten wie seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort gerichtet ist.3 Auch im Streit darüber, ob sich ein in einem Beitrag namentlich genannter Informant gegenüber der betreffenden Redaktion so geäußert hat, wie ihn die Redaktion zitiert, kann sich der Redakteur nicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, wenn er über die inhaltliche Richtigkeit des Zitats als Zeuge aussagen soll.4
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In Ausnahmekonstellationen kann sich allerdings der Schutz der Anonymität auch auf die Lebensumstände des Informanten erstrecken.5 Das kommt in seltenen Fällen eines ganz außerordentlichen Publizitätsinteresses in Betracht sowie dann, wenn das Interesse an der Veröffentlichung auch des Namens des Informanten ausnahmsweise so erheblich ist, dass es den staatlichen Anspruch auf ungestörte Ausübung der Rechtspflege und namentlich einen bestehenden Strafanspruch erheblich überwiegt.6 Diese Auffassung ist im Schrifttum teilweise auf Ablehnung gestoßen.7 Vor allem aber ist sie in ihren tatsächlichen Voraussetzungen so vage, dass Redaktionen im Einzelfall nur schwer auf die Anwendung dieser Ausnahmeregel werden vertrauen können. In der praktischen Arbeit sollten Redaktionen und ihre Mitarbeiter daher aus Gründen der Rechtssicherheit davon ausgehen, dass sie hinsichtlich der Identität von Verfassern und Informanten ein Zeugnisverweigerungsrecht nur so lange ausüben können, als sie deren Anonymität wahren.8 Lüften sie sie und handelt es sich bei dem Betreffenden um eine Person, an der etwa Strafverfolgungsbehörden interessiert sein könnten, dann haben sie in aller Regel hinsichtlich aller mit der Person des Informanten verbundenen Fragen das Recht verwirkt, das Zeugnis zu verweigern.
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Bei den Einsendern und Gewährsleuten von Beiträgen oder Unterlagen im Sinn der gesetzlichen Bestimmungen handelt es sich um die eigentlichen Informanten, mithin die Lieferanten von Material und Informationen. Auch ihre
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1 BGH AfP 1979, 236; BGH AfP 1989, 738 = NJW 1990, 525. 2 BGH AfP 1989, 738 = NJW 1990, 525; Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 45. 3 BGH AfP 1999, 268 = NJW 1999, 2051; LG Frankfurt/Main NJW 1996, 1008; KK/ Senge, § 53 StPO Rz. 35; Meyer-Goßner, § 53 StPO Rz. 34. 4 BVerfG NJW 2002, 592 = ZUM 2002, 62; OLG Dresden NJW-RR 2002, 342. 5 BGHSt 28, 240 = AfP 1979, 236. 6 KK/Senge, § 53 StPO Rz. 35. 7 Meyer-Goßner, § 53 StPO Rz. 34; Rebmann, AfP 1982, 189, 191; zustimmend hingegen Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 47. 8 BVerfG NJW 2002, 592 = ZUM 2002, 62; OLG Dresden NJW-RR 2002, 342.
173
§ 8 Tz. 16
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Anonymität ist durch das Zeugnisverweigerungsrecht in vollem Umfang geschützt. Unbeachtlich ist, ob das gelieferte Material oder die gelieferten Informationen tatsächlich veröffentlicht worden oder ob sie noch zur Veröffentlichung bestimmt sind. Vom Zeugnisverweigerungsrecht erfasst ist daher auch die Identität der Lieferanten von Material, das nur als Hintergrundmaterial dient oder sich nach Prüfung als zur Veröffentlichung ungeeignet erweist.1 b) Anvertraute Mitteilungen und selbst recherchiertes Material 16
Vom Aussagezwang befreit waren die Mitarbeiter der Medien bis zum Inkrafttreten der Strafprozessnovelle von 2002 ferner nur hinsichtlich der ihnen im Hinblick auf ihre berufliche Tätigkeit gemachten Mitteilungen.2 Auch in diesem Zusammenhang galt und gilt die Privilegierung weiterhin nicht nur denjenigen Mitteilungen, die zum Gegenstand einer Veröffentlichung geworden sind, sondern auch dem Hintergrundmaterial sowie solchen Mitteilungen, die sich als publizistisch unergiebig erweisen und daher nicht weiter ausgewertet werden.3
16a
Als anvertraute Mitteilung in diesem Sinne galt und gilt nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs4 auch alles, was ein in seiner Identität nicht offenbarter Interviewpartner einer Redaktion anlässlich der Verabredung und Durchführung eines Interviews zwar nicht ausdrücklich wörtlich mitgeteilt, was er ihr aber bei diesen Gelegenheiten zu beobachten ermöglicht hat. So sind, solange die Identität des Informanten als solche nicht aufgedeckt ist, Fragen nach seinem Aussehen, seinen Gewohnheiten, seinem Aufenthalt und alle weiteren Fragen dem Zeugniszwang entzogen, deren Beantwortung auch nur theoretisch Rückschlüsse zulassen könnte, die zu seiner Enttarnung führen könnten.5 Dies ist der Mindestbestand an Gewährleistung der Anonymität von Medieninformanten, der auch insoweit nicht zur Disposition der Gerichte stehen kann, als heute der Wortlaut von § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO einerseits und § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO andererseits hinsichtlich der Beschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts auf anvertraute Mitteilungen unterschiedliche Standards begründet.
17
Denn trotz dieser pressefreundlichen Auslegung des Begriffs der anvertrauten Mitteilungen war das Zeugnisverweigerungsrecht in diesem Punkt über lange Jahre alles andere als umfassend und weit davon entfernt, perfekt ausgebildet _______________
1 KK/Senge, § 53 StPO Rz. 43; Meyer-Goßner, § 53 StPO Rz. 36 f. 2 Im Anwendungsbereich von § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO und der Verfahrensordnungen, die auf diese Vorschrift verweisen, gilt diese Einschränkung auch heute noch. Die Darstellung im Text orientiert sich an der Entwicklung zu § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO als dem in der Praxis bei Weitem bedeutsamsten Anwendungsfall des Zeugnisverweigerungsrechts; wegen der heute unterschiedlichen Regelung in § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO vgl. oben Tz. 10 und unten Tz. 20a. 3 BGHSt 28, 240 = AfP 1979, 236; Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 58; KK/Senge, § 53 StPO Rz. 43. 4 BGHSt 36, 298 = AfP 1989, 738 = NJW 1990, 525. 5 BGHSt 36, 298 = AfP 1989, 738 = NJW 1990, 525.
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Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot
Tz. 18 § 8
zu sein.1 Nach herrschender Auffassung galt auch im Rahmen von § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO als privilegiert nur dasjenige, was Informanten den Mitarbeitern der Medien aktiv mitgeteilt haben; gleichgestellt waren Dokumente und sonstige Unterlagen, die sie den Medien übergeben haben, sowie das Ergebnis gezielter Beobachtungen, die Informanten den Medien bewusst ermöglichen.2 Hingegen waren das so genannte selbst recherchierte bzw. erarbeitete Material sowie alle Beobachtungen vom Zeugnisverweigerungsrecht ausgeschlossen, die die Medienmitarbeiter aktiv angestellt haben, ohne dass sie ihnen von Informanten gezielt ermöglicht worden wären.3 Zum selbst erarbeiteten Material in diesem Sinn gehörten etwa die von Medienmitarbeitern gefertigten Fotografien und Filme ebenso wie Beobachtungen von Straftaten, die ein Journalist hatte anstellen können, der einen Demonstrationszug begleitete und auf diese Weise zum Zeugen wurde. Derart selbst erarbeitetes Material wurde auch nicht dadurch zu einer privilegierten Mitteilung, dass es von einem Außendienstmitarbeiter an einen anderen Redakteur weitergegeben wurde; beide mussten, sofern als Zeuge befragt, wahrheitsgemäß und vollständig aussagen.4 Damit war unter der Geltung von § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO a.F. ein Kernbereich publizistischer Arbeit vom Zeugnisverweigerungsrecht ausgenommen.5 Die Folgen waren gravierend. Die Grenzen zwischen gemachter Mitteilung und selbst erarbeiteter Information, zwischen aktiver Beobachtung und solcher Beobachtung, die ein Informant einem Journalisten gezielt ermöglicht, sind fließend und in vielen Fällen nicht hinreichend sicher bestimmbar. Mit Recht hat es etwa das Oberlandesgericht München abgelehnt, einem Journalisten das Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich auf einer Pressekonferenz getätigter Äußerungen Dritter mit der Begründung zu versagen, es handele sich um selbst angestellte Beobachtungen.6 Wie schwierig die Abgrenzung im Einzelnen sein kann, illustriert auch der Fall des Interviews mit einem in seiner Identität geschützten Mitglied der Terrororganisation RAF, in dem die Ermittlungsbehörden das Recht des Redakteurs in Abrede nahmen, Antworten auf Fragen nach anderen Teilnehmern am Interview wie etwa Dolmetschern, nach der Anfertigung von Fotografien aus Anlass des Interviews, nach der Sprache, in der das Interview geführt wurde, und nach dem etwa gezahlten Honorar zu verweigern. Mit Recht hat allerdings in diesem Fall der Bundesgerichtshof das Zeugnisverweigerungsrecht auf diese Art selbst gemachter Beobachtungen mit der Erwägung erstreckt, dass anderenfalls das Recht, die Identität des Informanten zu schützen, umgangen werden könnte.7 _______________
1 Vgl. Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 59 ff. 2 BGHSt 28, 240 = AfP 1979, 236; BVerfG AfP 1987, 683 = NJW 1988, 329; LG Heilbronn AfP 1984, 119; KK/Senge, § 53 StPO Rz. 39. 3 BVerfG AfP 1987, 697; BGHSt 28, 240 = AfP 1979, 236; Meyer-Goßner, § 53 StPO Rz. 39; KK/Senge, § 53 StPO Rz. 39. 4 BGHSt 28, 240 = AfP 1979, 236; KK/Senge, § 53 StPO Rz. 40. 5 Zur grundlegenden – auch rechtspolitischen – Kritik an dieser Rechtslage vgl. insbesondere Löffler/Achenbach, 4. Aufl. 1997, § 23 LPG Rz. 61 ff.; Pöppelmann, AfP 1997, 485. 6 OLG München AfP 1989, 567. 7 BGHSt 36, 298 = AfP 1989, 738 = NJW 1990, 525.
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18
§ 8 Tz. 19
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
19
Vor allem aber erwies sich die dargestellte Auslegung der geltenden Gesetze durch die Rechtsprechung zunehmend hinderlich für die aktive Recherche und damit die eigentliche Aufgabe der Medien. Insbesondere in der Akzeptanz der Beobachtung von Demonstrationen und Kundgebungen durch die Medien hatte sie den Effekt, dass die Teilnehmer an derartigen Veranstaltungen in den sie begleitenden Journalisten und unter ihnen vornehmlich in den anwesenden Fotografen und Kameramännern weniger die Multiplikatoren erwünschter Öffentlichkeitswirkung sehen, die sie in erster Linie sein wollen und auch tatsächlich sind, als vielmehr unfreiwillige Lieferanten von Beweismaterial für Staatsanwaltschaften und Polizei. Dass bei unfriedlich verlaufenden Demonstrationen Journalisten nicht selten ebenso Opfer rechtswidriger Gewaltanwendung geworden sind wie Polizeibeamte, hat hier seine wichtigste Ursache. Erschwert wurden durch die restriktive Auslegung des Zeugnisverweigerungsrechts gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO im vorliegenden Zusammenhang auch vielfältige Formen informeller Zusammenarbeit zwischen Medien und im Grenzbereich der Kriminalität tätigen Informanten, die Journalisten traditionell gern Einblick in eigene Erkenntnisse und Tipps für die Anstellung eigener Beobachtungen geben, in ihnen jedoch angesichts des umfassenden Zeugniszwangs bei selbst angestellten Beobachtungen ebenfalls zunehmend Erfüllungsgehilfen der Strafverfolgungsbehörden sahen. Insbesondere investigativ arbeitende und daher bisweilen aggressiv recherchierende Journalisten, die schon der Natur der Sache nach mehr und ungewöhnlichere Vorfälle beobachten als der normale Bürger, mussten sich daher bei der Ausübung ihres Berufs nach der Rechtslage zunehmend darauf einstellen, nicht nur ihren Redaktionen, sondern auch den Strafverfolgungsbehörden als Informationsquelle zu dienen.
20
Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht1 es abgelehnt, das Zeugnisverweigerungsrecht auf den Inhalt selbst recherchierten oder anderweitig hergestellten Materials und insbesondere auf von den Medien selbst gefertigte Lichtbilder und Filme zu erstrecken. Schließlich hat dann jedoch im Jahr 1999 die Bundesregierung reagiert und das Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt, das in der Novelle der Strafprozessordnung von 2002 mündete und gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO nunmehr auch selbst recherchiertes und anderweitig gefertigtes Material sowie selbst angestellte Beobachtungen grundsätzlich dem Zeugnisverweigerungsrecht unterwirft. Allerdings hat der Gesetzgeber diese von den Medien seit Langem geforderte Ausweitung des Zeugnisverweigerungsrechts unter den Vorbehalt einer Reihe von Ausnahmen und Gegenausnahmen2 gestellt, die es heute sowohl für die Organe der Rechtspflege als auch für die Journalisten und ihre rechtlichen Berater erforderlich machen, unter Berücksichtigung der im Wortlaut des Gesetzes genannten Kriterien in jedem Fall eine konkrete Güterabwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteressen des Staats und dem Redaktionsgeheimnis durchzuführen und anhand einer solchen Güterabwägung zu entscheiden, ob im Einzelfall ein Zeugnis erzwungen oder ob es verweigert werden darf. _______________
1 BVerfG AfP 1987, 697 = NJW 1988, 329. 2 § 53 Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO; wegen des Wortlauts vgl. oben Tz. 2.
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Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot
Tz. 22 § 8
Für den Bereich der Zivilprozessordnung und der weiteren Verfahrensordnungen, die auf sie verweisen,1 hat der Gesetzgeber die dargestellte Liberalisierung des Zeugnisverweigerungsrechts hingegen nicht nachvollzogen. § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO hat weiterhin den Wortlaut von § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F., so dass die Kritik2 an der bis zum Inkrafttreten der StPO-Novelle geltenden Regelung für diese Verfahrensarten unverändert Gültigkeit hat. Es ist allerdings nicht zu erkennen, dass es sich bei der nun formal geltenden Differenzierung hinsichtlich einzelner Verfahrensarten um mehr handelt als um einen Fehler des Gesetzgebers. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass Aspekte etwa der Zivilrechtspflege es gebieten, Materialien und Informationen vom Zeugnisverweigerungsrecht auszunehmen, die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach neuer Rechtslage jedenfalls im Prinzip privilegiert sind.
20a
Schließlich besteht nach herrschender Auffassung in der Regel auch kein Zeugnisverweigerungsrecht gegenüber Fragen nach der Zahlung und gegebenenfalls Höhe von Informationshonoraren.3 Das ist insbesondere deswegen unbefriedigend, weil derartige Fragen erfahrungsgemäß zwar bei Ermittlungsbeamten außerordentlich beliebt, für den Ermittlungszweck aber in aller Regel irrelevant sind. Sie dienen nur in seltenen Fällen der Aufklärung von strafbaren Handlungen, in der Regel hingegen der Befriedigung eines offenbar unstillbaren, gleichwohl aber illegitimen Interesses der Ermittlungsbehörden an der Arbeitsweise und Struktur der Medien. Allerdings kommt ein Zeugnisverweigerungsrecht im Zusammenhang mit Fragen nach der Honorierung von Informanten ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Beantwortung der Fragen zur Aufdeckung der bisher gewahrten Anonymität des Informanten oder Verfassers führen oder diese jedenfalls erleichtern könnte.4
21
c) Anzeigenteil Aufgrund ausdrücklicher Entscheidung des Gesetzgebers5 sind ferner Anzeigen aus dem Geltungsbereich des Zeugnisverweigerungsrechts ausgenommen. Über den Einsender einer chiffrierten Anzeige darf das Zeugnis in der Regel ebenso wenig verweigert werden wie über den Inhalt von Unterlagen, die ein Inserent einer Redaktion im Zusammenhang mit einem Anzeigenauftrag übersendet. Das geltende Zeugnisverweigerungsrecht erkennt damit das so genannte Chiffregeheimnis nicht an. So ist etwa der Verleger eines Mediums, das Chiffreanzeigen enthält, nach § 7 SchwarzArbG verpflichtet, den Behörden der Zollverwaltung Namen und Anschrift eines Inserenten bekannt zu geben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in der Chiffreanzeige Schwarzarbeit beworben wird. _______________
1 Oben Tz. 3. 2 Oben Tz. 18 ff. 3 BGHSt 28, 240 = AfP 1979, 236; KK/Senge, § 53 StPO Rz. 44; Rebmann, AfP 1982, 189, 190. 4 BGHSt 28, 240 = AfP 1979, 236; BGHSt 36, 298 = AfP 1989, 738 = NJW 1990, 525; Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 45; KK/Senge, § 53 StPO Rz. 44. 5 § 53 Abs. 1 Satz 3 StPO; § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.
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22
§ 8 Tz. 22a 22a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Trotz in der Praxis geltend gemachter Bedenken gegen die geltende Regelung hat es das Bundesverfassungsgericht jedenfalls für den Regelfall ausdrücklich abgelehnt, das Zeugnisverweigerungsrecht entgegen dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen auf den Anzeigenteil zu erstrecken.1 Ausnahmen können nach Auffassung des Gerichts2 allerdings bei chiffrierten Anzeigen nicht geschäftlichen, sondern meinungsbildenden Inhalts in Betracht kommen, wenn bei ihnen im Einzelfall die Anonymität des Inserenten nicht weniger schutzwürdig und -bedürftig erscheint als beim Einsender eines anonymen Leserbriefs, dessen Identität vom Zeugnisverweigerungsrecht geschützt wird.3 Zum Schutz eines Inserenten, gegen den wegen wettbewerbswidriger Werbung ermittelt wird, kann das Zeugnisverweigerungsrecht hingegen nicht eingesetzt werden.4 Die Auskunftspflicht reicht aber auch hier nicht weiter als nach den allgemeinen prozessrechtlichen Vorschriften. Eine darüber hinausgehende generelle, materiellrechtliche Auskunftspflicht der Medien hinsichtlich des Anzeigenteils kennt das geltende Recht nicht. So hat etwa auch derjenige, der auf eine Chiffreanzeige mit einer Bewerbung reagiert und vom Inserenten keine Antwort erhält, keinen Anspruch gegen den Verleger auf Bekanntgabe der Identität des Inserenten.5 4. Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts
23
Die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts steht im Ermessen des jeweils als Zeuge geladenen Medienangehörigen. Ein gesetzliches Schweigegebot besteht für Medienangehörige nicht. In diesem Punkt ist die Rechtslage anders als bei denjenigen Inhabern eines beruflich bedingten Zeugnisverweigerungsrechts, die nach § 203 StGB zur Verschwiegenheit verpflichtet und die folglich auch verpflichtet sind, sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht zu berufen, wo es besteht. Medieninformanten, die sich auf die Vertraulichkeit ihres Umgangs mit einem Journalisten verlassen, steht auch nicht etwa ein Rechtsanspruch darauf zu, dass er das Zeugnisverweigerungsrecht ausübt.6 In der Praxis werden Medienangehörige es aber stets ausüben, wenn sie ihrem Informanten die Wahrung seiner Anonymität zugesagt haben. Nach Ziffer 5 Abs. 2 des Pressekodex und Ziffer 5.1 der dazu ergangenen Richtlinien für die publizistische Arbeit7 gilt dies als Standespflicht, und die Verletzung dieser Pflicht wird unweigerlich dazu führen, dass Informanten den Kontakt mit dem betreffenden Journalisten in Zukunft meiden werden. Die strikte Beachtung der Möglichkeiten des Zeugnisverweigerungsrechts ist damit in der Praxis eine Grundvoraussetzung dafür, dass Medien an vertrauliche Informationen überhaupt herankommen. Rechtlich jedoch sind die Medienangehörigen in _______________
1 BVerfG AfP 1983, 387 = NJW 1984, 1101; BVerfG NJW 1990, 701 = WM 1989, 1623; kritisch dazu Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 77. 2 BVerfG AfP 1983, 385; BVerfG NJW 1990, 701 = WM 1989, 16; KK/Senge, § 53 StPO Rz. 434. 3 KG NJW 1984, 1133; Meyer-Goßner, § 53 StPO Rz. 40. 4 BFH AfP 1990, 351 = BB 1991, 267. 5 AG Köln AfP 1996, 91. 6 Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 79 f. 7 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008, S. 148 ff.
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Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot
Tz. 24a § 8
ihrer Entscheidung frei. Da das Zeugnisverweigerungsrecht in erster Linie dem Schutz der Presse- und Rundfunkfreiheit dient,1 gilt das selbst dann, wenn der Informant den Medienmitarbeiter von einer ihm gegenüber etwa eingegangenen vertraglichen Verschwiegenheitspflicht entbindet oder selbst zur Sache aussagt.2 Die Inhaber des Zeugnisverweigerungsrechts der Medien dürfen damit über dessen Ausübung nach Opportunität entscheiden. 5. Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbot Das Zeugnisverweigerungsrecht der Medien wird ergänzt durch das in § 97 Abs. 5 StPO geregelte Beschlagnahmeverbot zu Beweiszwecken.3 Diese Ergänzung dient der Verhinderung einer Umgehung des eigentlichen Zeugnisverweigerungsrechts durch die Ermittlungsbehörden.4 An die Stelle der Befragung eines Redaktionsangehörigen könnte anderenfalls die Durchsuchung der Redaktionsräume und die Beschlagnahme des dort vorgefundenen Materials treten. Daher baut die Vorschrift des § 97 Abs. 5 StPO unmittelbar auf dem Zeugnisverweigerungsrecht auf und verbietet die Beschlagnahme in demselben Umfang, in dem den Medienangehörigen das Recht zur Zeugnisverweigerung zusteht.5 So unterliegen dem Zeugnisverweigerungsrecht und damit auch dem Beschlagnahmeverbot u.a. auch Leserbriefe.6 Das gilt aber nicht, wenn ein Bekennerschreiben einer terroristischen Vereinigung sich nicht nur zu dem Ziel eines fehlgeschlagenen Anschlags bekennt, sondern sich auch mit den Gründen für sein Scheitern auseinandersetzt und zu neuen Anschlägen aufruft; ein solches Schreiben ist das Ergebnis einer Straftat und unterliegt damit der Beschlagnahme.7
24
Bis zur Reform der Strafprozessordnung von 2002 war es für die Arbeit der Medien und die Ausrichtung ihrer Recherche- und Archivierungstätigkeit entscheidend, dass auch das Beschlagnahmeverbot bei dem oben erörterten selbst recherchierten bzw. erarbeiteten Material prinzipiell versagte.8 Nach der Reform erfasst es – wie das Zeugnisverweigerungsrecht – heute grundsätzlich auch selbst recherchiertes Material. Durch Verweisungen auf generelle Verfahrensnormen schränkt der Gesetzgeber das Beschlagnahmeverbot aber für den Fall ein, dass ein Medienangehöriger an der Tat, wegen derer ermittelt wird, oder an einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist, oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die
24a
_______________
1 Löffler/Ricker, Kap. 30 Rz. 36. 2 Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 77; Löffler/Ricker, Kap. 30 Rz. 37. 3 Von der hier erörterten Beschlagnahme zu Beweiszwecken nach § 97 StPO zu unterscheiden ist die Beschlagnahme einer ganzen Auflage einer Zeitung oder Zeitschrift nach § 111m und § 111n StPO sowie nach den Bestimmungen der Landespressegesetze; dazu unten § 27 Tz. 1 ff. 4 BGH NJW 1992, 763; KK/Nack, § 97 StPO Rz. 1. 5 Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 96; KK/Nack, § 53 StPO Rz. 28; Meyer-Goßner, § 93 StPO Rz. 45; Löffler/Ricker, Kap. 30 Rz. 43. 6 KG AfP 1983, 352 = NJW 1984, 1133; Löffler/Achenbach, § 23 LPG Rz. 75. 7 BVerfG AfP 2000, 557 = NJW 2001, 507; BGH AfP 1996, 270 = NJW 1996, 532. 8 Zur Kritik an der damaligen Rechtslage oben Tz. 18 ff.
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§ 8 Tz. 24b
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
aus einer Straftat herrühren.1 Auch in diesen Fällen ist die Beschlagnahme jedoch nur zulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Täters auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.2 24b
Foto- und Filmaufnahmen sind damit heute gegen Beschlagnahmen geschützt, sofern sie von den Medienmitarbeitern aus Anlass eines Interviews oder Informationsgesprächs gefertigt wurden.3 Aufnahmen von Demonstrationen oder Gewalttaten, die in der Vergangenheit der uneingeschränkten Beschlagnahme unterlagen,4 sind nach der jetzt geltenden Fassung des Gesetzes prinzipiell ebenfalls gegen Beschlagnahmen geschützt. Ihre Beschlagnahme kommt heute nur noch unter den Voraussetzungen der §§ 97 Abs. 2 Satz 3 und 160a Abs. 4 Satz 2 StPO in Betracht, und dies auch nur dann, wenn die nach § 97 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 StPO erforderliche Güterabwägung ergibt, dass im Einzelfall das Interesse an einer effizienten Strafverfolgung dasjenige an der Gewährleistung des Redaktionsgeheimnisses überwiegt. Beschlagnahmeaktionen, durch die die Identität eines Informanten der Medien aufgedeckt werden soll, sind auch dann unzulässig, wenn gegen den unbekannten Informanten der Verdacht einer Verletzung des Dienstgeheimnisses und demnach einer Straftat besteht.5
24c
Ohne Ausnahme bedürfen Beschlagnahmen in Redaktionsräumen einer richterlichen Anordnung.6 Büroräume freier Mitarbeiter von Redaktionen nehmen allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs7 am Richterprivileg nicht teil. Beschlagnahmeanordnungen zu Lasten von Redaktionen oder auch einzelnen Journalisten bedürfen darüber hinaus ausnahmslos und damit auch in den Fällen, für die § 97 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 StPO dies nicht ausdrücklich anordnet, einer spezifischen Prüfung der Frage, ob die Anordnung der Beschlagnahme unter Berücksichtigung des in Betracht kommenden Delikts, des Stands der Ermittlungen und der Schwere des Eingriffs in die Pressefreiheit, den eine Beschlagnahme in Redaktionsräumen darstellt, in der konkreten Situation erforderlich und geboten ist.8
25
Nicht privilegiert sind die Medien im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen. Beruht eine Durchsuchung auf dem Verdacht, dass ein Medienangehöriger selbst eine strafbare Handlung begangen hat, so ist sie nach § 102 StPO uneingeschränkt zulässig. Das gilt auch für die so genannten Presseinhaltsdelikte.9 Damit sind Durchsuchungen zwecks Auffindens von Beweismaterial _______________
1 2 3 4 5 6 7 8 9
§ 97 Abs. 2 Satz 3 und § 160a Abs. 4 Satz 2 StPO. § 97 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 StPO; dazu im Einzelnen Meyer-Goßner, § 97 StPO Rz. 45. Oben Tz. 17; KK/Nack, § 53 StPO Rz. 32. BVerfG NJW 1981, 971; BVerfG AfP 1987, 697 = NJW 1988, 329. BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero; dazu im Einzelnen oben § 7 Tz. 12b f. § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO; BGH AfP 1999, 268 = NJW 1999, 2051. BGH AfP 1999, 268 = NJW 1999, 2051. LG Bremen AfP 1999, 386. Unten § 26 Tz. 3.
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Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot
Tz. 26b § 8
auch in Redaktionsräumen zulässig.1 Das gilt im Fall des Verdachts der Bestechung selbst dann, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Durchsuchung der Informantenschutz und damit das Zeugnisverweigerungsrecht durchbrochen wird,2 solange es nicht das ausschließliche oder überwiegende Ziel der Durchsuchung ist, die Identität des Informanten aufzudecken.3 Auch Durchsuchungen gemäß § 103 StPO, die der Auffindung von Beweismaterial bei anderen Personen als dem Verdächtigen gelten, dürfen in Redaktionen im Prinzip durchgeführt werden. Auch derartigen Maßnahmen gegenüber können sich die Medien nicht prinzipiell auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen, soweit sie nicht gezielt dazu dienen, Gegenstände aufzuspüren oder Informationen zu beschaffen, die vom Zeugnisverweigerungsrecht gedeckt und nach § 97 Abs. 5 StPO von der Beschlagnahme ausgenommen sind.4
25a
Auch Durchsuchungen in Redaktionsräumen bedürfen stets der Anordnung durch einen Richter.5 Wie schon im Bereich der Beschlagnahme gilt dies allerdings nicht für Durchsuchungsmaßnahmen in den Räumen eines freien Mitarbeiters außerhalb der Redaktion.6
26
Im Einzelfall kann das Beschlagnahme- und Durchsuchungsverbot inhaltlich über den Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts hinausgehen, und zwar unter dem Gesichtspunkt des mit Verfassungsrang ausgestatteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Im Hinblick auf das Grundrecht der Pressefreiheit, das eine von staatlicher Gewalt und Kontrolle ungestörte Tätigkeit der Medien gewährleisten will, stellen jede Beschlagnahme von Redaktionsmaterialien und vor allem die ihr notwendigerweise vorausgehende Durchsuchung von Redaktions- oder Verlagsräumen einen schwerwiegenden Eingriff in die redaktionelle Tätigkeit und damit in die Pressefreiheit dar.7 Richter, die derartige Maßnahmen anordnen, und Ermittlungsbeamte, die sie durchführen, müssen sich daher stets am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientieren und ihre Anordnungen und Maßnahmen an ihm messen.
26a
Auch in diesem Zusammenhang ist es daher stets erforderlich, unter Berücksichtigung der Schwere des Delikts einerseits und der Schwere des mit der Durchsuchungsanordnung verbundenen Eingriffs in die Pressefreiheit andererseits eine konkrete Abwägung bei restriktiver Anwendung der Durchsuchungsmöglichkeiten vorzunehmen.8 So ist es insbesondere unzulässig, eine Redaktion zwecks Aufklärung des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses durch pflichtwidrig handelnde Informanten mit dem Ziel des
26b
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1 Meyer-Goßner, § 103 StPO Rz. 7. 2 BVerfG AfP 1976, 123; BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero. 3 BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero. 4 BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero; KG JR 1983, 382; LG Köln NJW 1981, 1746; Meyer-Goßner, § 103 StPO Rz. 7. 5 BGH AfP 1999, 268 = NJW 1999, 2051. 6 BGH AfP 1999, 268 = NJW 1999, 2051. 7 BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero; BVerfG AfP 2005, 169; BVerfG AfP 1008, 172. 8 BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero; BVerfG AfP 2005, 169; BVerfG AfP 1008, 172; LG Bremen AfP 1999, 386.
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§ 8 Tz. 27
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Auffindens von Beweismaterial über die Identität des Informanten zu durchsuchen.1 Die Anordnung und Durchführung eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses zum Zweck der Aufklärung einer Bagatellstraftat kann daher auch dann unzulässig sein, wenn ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht in Betracht käme.2 27
In jedem Fall stellt eine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktion in Redaktionen oder sonstwie gegen Medienangehörige einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht der Presse- bzw. Rundfunkfreiheit dar.3 Die staatlichen Gerichte sind daher stets verpflichtet, einen effektiven Rechtsschutz gegen die Anordnung derartiger Maßnahmen zu gewährleisten.4 Eine nach § 304 StPO gegen die Anordnung einer Beschlagnahme oder Durchsuchung grundsätzlich statthafte Beschwerde darf daher nicht unter Berufung auf die sogenannte prozessuale Überholung mit der Begründung als unzulässig verworfen werden, die Maßnahme als solche sei abgeschlossen und an der beantragten gerichtlichen Entscheidung bestehe kein rechtsschutzwürdiges Interesse mehr.5
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1 BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero; OLG Dresden NJW 2007, 3511; LG Bremen AfP 1999, 386. 2 BVerfG NJW 1966, 1603 – Spiegel-Urteil; Löffler/Ricker, Kap. 30 Rz. 45; KK/Nack, § 97 StPO Rz. 31. 3 BVerfG AfP 2007, 110 = NJW 2007, 1117 = ZUM 2007, 294 – Cicero; BVerfG AfP 2005, 169; BVerfG AfP 2005, 169; BVerfG AfP 2008, 172. 4 BVerfG AfP 2008, 172; LG Dresden AfP 2002, 69. 5 BVerfG AfP 1998, 204 = NJW 1998, 2131.
182
§9 Bildbeschaffung Für die Printmedien und das Fernsehen ergeben sich im Bereich der Beschaffung von Bild- und Filmmaterial besondere Probleme. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der selbständigen Bildrecherche durch die von den Medienunternehmen eingesetzten angestellten oder beauftragten Fotografen oder Kamerateams und dem Erwerb von Bildern oder Filmen, die durch freie Fotografen oder Kameraleute hergestellt und in der Regel durch Agenturen vermarktet werden.
1
1. Bildrecherche In der Praxis der Bebilderung von Printmedien sowie in der aktuellen Berichterstattung des Fernsehens ist die Veröffentlichung aktuellen Foto- bzw. Filmmaterials unverzichtbar. Im Zusammenhang mit den an dieser Stelle zu erörternden Rechtsproblemen der Recherche sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Herstellung von Lichtbildern und Filmen zu erörtern. Auf die Rechtsprobleme der Verbreitung vorhandenen Bildmaterials ist in anderem Zusammenhang1 einzugehen. Diese Aufspaltung der Darstellung in getrennte Teile, die sich mit der Herstellung von Bildern einerseits und deren Verbreitung andererseits befassen, entspricht der Wertung des Gesetzgebers, der seinerseits zwischen der Herstellung und der Verbreitung von Lichtbildern unterscheidet. Im Rahmen der Herstellung von Bildern ist es rechtlich ohne Belang, ob Lichtbilder oder Fernsehaufnahmen durch angestellte Bildredakteure für einen bestimmten Verlag oder einen bestimmten Fernsehsender oder ob sie durch freie Fotografen bzw. Produzenten zur beliebigen Verwertung hergestellt werden. Soweit im Folgenden von der Herstellung von Fotografien die Rede ist, gelten die dazu getroffenen Feststellungen für die Herstellung von Fernsehaufnahmen entsprechend.
2
a) Recht am eigenen Bild aa) Herstellung von Lichtbildern und Filmen Das Recht der Herstellung von Lichtbildern ist durch den Gesetzgeber nur bruchstückhaft und wenig konsequent geregelt.
3
Hinsichtlich der Lichtbilder oder filmischen Aufnahmen von Personen finden sich die grundlegenden gesetzlichen Bestimmungen in §§ 22 ff. des Kunsturhebergesetzes vom 9. Januar 1907. Diese Bestimmungen regeln mit dem Recht am eigenen Bild entgegen dem sonstigen Inhalt dieses Gesetzes keine urheberrechtlichen Probleme, sondern eine vom Gesetzgeber aus seinerzeit aktuellem Anlass2 frühzeitig für notwendig erachtete besondere Ausprägung
3a
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1 Unten § 21 Tz. 1 ff. 2 Zur geschichtlichen Entwicklung Schricker/Gerstenberg/Götting, §§ 60/22 KUG Rz. 1.
183
§ 9 Tz. 3b
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
des erst viel später entwickelten und heute gewohnheitsrechtlich anerkannten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts,1 die die Ablösung der sonstigen Bestimmungen des Kunsturhebergesetzes durch das Urheberrechtsgesetz im Jahr 1965 überdauert hat. §§ 22 ff. KUG befassen sich jedoch nicht mit der Herstellung, sondern ausschließlich mit der Verbreitung von Lichtbildern.2 Da ein Verstoß gegen die Vorschriften zum Schutz des Rechts am eigenen Bild gemäß § 33 KUG strafbar ist und im deutschen Strafrecht ein striktes Analogieverbot herrscht, kann §§ 22 ff. KUG ein Verbot der Herstellung von Fotografien auch nicht in entsprechender Anwendung entnommen werden.3 Es ist auch nicht zulässig, in jeder Herstellung einer Fotografie eine Handlung zur Vorbereitung ihrer späteren gesetzwidrigen Verbreitung zu sehen und daraus ein Fotografierverbot abzuleiten.4 3b
Neben die Bestimmungen des Kunsturhebergesetzes tritt heute jedoch diejenige des § 201a StGB. Mit der Einführung dieses Straftatbestands durch das 36. Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. Juli 2004 hat der Gesetzgeber erstmals ein ausdrückliches, wenngleich in seinen Konturen unscharfes und daher schon wegen Verstoßes gegen den strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG nicht unbedenkliches Verbot der Herstellung von Personenaufnahmen statuiert. Nach § 201a Abs. 1 StGB wird bestraft, wer „… von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt.“5
4
Auch mit den Spezialbestimmungen über den Schutz des Rechts am eigenen Bild und des § 201a Abs. 1 StGB hat der Gesetzgeber jedoch die Freiheit der Herstellung der Fotografie einer Person nicht umfassend eingeschränkt. Jedenfalls die Fertigung von Fotografien in öffentlichen Räumen wie etwa bei Veranstaltungen, Kundgebungen oder Demonstrationen ist strafrechtlich nicht verboten. Gleiches gilt für die Anfertigung von Fotos Prominenter, die sich aus privatem Anlass in die Öffentlichkeit begeben, und zwar unabhängig davon, ob die Verbreitung derartiger Fotos ihrerseits zulässig ist oder nicht.6 Da andere gesetzliche Verbotstatbestände in diesem Bereich nicht existieren, läge mithin der Umkehrschluss nahe, dass die Rechtsordnung außerhalb des Anwendungsbereichs von § 201a Abs. 1 StGB die Herstellung von Fotografien von Personen nicht untersagt, der Schutz der Persönlichkeit des Einzelnen vielmehr erst dort einsetzt, wo hergestellte Fotografien auch tatsächlich genutzt, also verbreitet oder ausgestellt werden. _______________
1 v. Gamm, Einführung Rz. 102; Schricker/Gerstenberg/Götting, §§ 60/22 KUG Rz. 7; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 119. 2 VGH Baden-Württemberg AfP 1996, 193, 194; Schricker/Gerstenberg/Götting, §§ 60/22 KUG Rz. 34; Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 22; Prinz/Peters, Rz. 809. 3 OLG Hamburg NJW 1972, 1290; OLG Celle NJW 1979, 57; VG Köln AfP 1988, 182; VGH Baden-Württemberg AfP 1996, 193. 4 VG Köln AfP 1988, 182; Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 22; a.A. OLG Oldenburg NJW 1963, 920. 5 Dazu unten § 10 Tz. 8 ff. 6 Dazu im Einzelnen unten § 21 Tz. 3 ff.
184
Bildbeschaffung
Tz. 5b § 9
Diesen Umkehrschluss lässt die Rechtsprechung1 jedoch nicht zu. Sie schränkt den vermeintlich großzügig gesteckten gesetzlichen Rahmen für die Tätigkeit von Fotografen vielmehr ein, indem sie in der Regel bereits in der Anfertigung von Fotografien von Personen eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten sieht, sofern sie ohne dessen Einwilligung erfolgt und spezielle Rechtfertigungsgründe nicht geltend gemacht werden können. Im Wesentlichen hat sich die Praxis der Gerichte dahingehend entwickelt, dass trotz des gegenteiligen Wortlauts der gesetzlichen Bestimmungen und trotz des oben erwähnten strafrechtlichen Analogieverbots die Herstellung der Fotografie einer Person nur in dem Umfang zulässig ist, in dem auch die Verbreitung der hergestellten Aufnahme zulässig wäre.2
5
Ihre Rechtfertigung findet diese Rechtsprechung im Wesentlichen in der Eignung der Fotografie, eine bestimmte Situation oder einen an sich nicht verallgemeinerungsfähigen situationsgebundenen Ausdruck optisch zu isolieren und zu perpetuieren, sowie in der Erwägung, dass das Fehlen jeder Möglichkeit einer Kontrolle über die etwaige Verbreitung des gegen seinen Willen hergestellten Bilds eine unzumutbare Belastung der Persönlichkeit des Betroffenen darstellt.3 Das Landgericht Berlin4 hat zudem mit Recht auf das besondere Gefährdungspotential einer Aktion der BILD-Zeitung hingewiesen, in der Leser durch die Auslobung attraktiver Preise dazu angehalten wurden, Fotos von Prominenten in Alltagssituationen zu fertigen und sie der Redaktion zur Verfügung zu stellen.
5a
Entgegen dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen über das Recht am eigenen Bild, aber in Übereinstimmung mit der Fortentwicklung des Persönlichkeitsschutzes seit dem Inkrafttreten des Kunsturhebergesetzes im Jahr 1907 ist damit der Schutz des Abgebildeten vorverlegt. Der beachtenswerte Rechtssatz, dass Recherche einen größeren Freiraum benötigt als Berichterstattung,5 und dass mit der Entscheidung über die Zulässigkeit einer bestimmten Art der Informationsgewinnung noch nicht darüber entschieden wird, ob auch die Veröffentlichung der betreffenden Information zulässig ist, gilt mithin nach der Praxis der Gerichte für die Vorbereitung von Berichterstattung durch Herstellung von Fotografien oder Filmen nicht. Hinzu kommt obendrein, dass seit Inkrafttreten von § 201a StGB im Jahr 2004 die Herstellung von Abbildungen von Personen, die sich in einer Wohnung oder
5b
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1 BGH NJW 1957, 1315 – Spätheimkehrer; BGH NJW 1966, 2353 = GRUR 1967, 205 – Vor unserer eigenen Tür; BGH AfP 1995, 597 = GRUR 1995, 621 = ZUM 1995, 718, 720 – Videoüberwachung; KG AfP 2007, 139 = NJW-RR 2007, 1196 = ZUM 2007, 475; OLG Schleswig NJW 1980, 352; OLG Oldenburg NJW 1963, 920; OLG Hamburg GRUR 1990, 35 – Begleiter; OLG Düsseldorf NJW 1994, 1971; KG AfP 2007, 139 = NJW-RR 2007, 1196 = ZUM 2007, 475; LG Berlin AfP 1994, 332; Wenzel/v. StroblAlbegg, Kap. 7 Rz. 22; Schricker/Gerstenberg/Götting, §§ 60/22 KUG Rz. 34; Prinz/ Peters, Rz. 809; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 120. 2 Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 25; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 120. 3 Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 22 f. m.N. 4 LG Berlin AfP 2006, 574. 5 Steffen, AfP 1988, 179, 181.
185
§ 9 Tz. 6
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befinden, häufig strafbar sein wird.1 6
Damit sind Fotografen und Kamerateams bei der Herstellung von Lichtbildern und filmischen Aufnahmen, auf denen jedenfalls auch Personen abgebildet sind, in ihrer Tätigkeit auch insoweit beträchtlichen Einschränkungen unterworfen, als sie für die Medien tätig sind. De facto müssen neben § 201a StGB in jedem konkreten Einzelfall die Bestimmungen der §§ 22 ff. KUG über den Schutz des Rechts am eigenen Bild und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bereits bei der Beurteilung der Frage berücksichtigt werden, ob schon die Herstellung einer Aufnahme als Persönlichkeitsverletzung anzusehen ist.2 Besondere Bedeutung gewinnt diese Feststellung obendrein angesichts einer häufiger zu beobachtenden Tendenz insbesondere der Redaktionen von Boulevardzeitungen, ihre Leser unter Auslobung von Prämien oder Preisen zur Einsendung von Bildern zu veranlassen; die Gefahr der Nichtbeachtung strafund zivilrechtlicher Fotografierverbote wächst dadurch beträchtlich.3
6a
Dies gilt auch und insbesondere in den Fällen, in denen Bild- oder Filmjournalisten mit einer versteckten Kamera operieren.4 Insbesondere in der Praxis der Fernsehmagazine setzt sich diese Art der Bildrecherche zwar seit einigen Jahren immer mehr durch. Auch und gerade für sie gilt aber die Feststellung, dass schon die Herstellung von Personenaufnahmen in der Regel als Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unzulässig ist5 und Gegenteiliges allenfalls dann gilt, wenn an der durch das heimlich hergestellte Bild vermittelten Sachaussage ein überragendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, das nach den zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelten Kriterien6 das Recht des Betroffenen an seinem eigenen Bild im Einzelfall verdrängen kann. Während damit der Einsatz einer versteckten Kamera zum Zweck der Unterhaltung des Publikums und der Überraschung oder gar Bloßstellung des Abgebildeten in aller Regel rechtlich unzulässig sein wird und auch den Straftatbestand des § 201a Abs. 1 StGB verletzen kann,7 kommt er zur Aufdeckung von Missständen gegenüber der Öffentlichkeit durchaus in Betracht.8 Das muss etwa angenommen werden im Fall eines deutschen Arztes, der in seiner Praxis Beschneidungen im Genitalbereich junger Afrikanerinnen vornimmt.9 Zulässig war auch die versteckte Aufnahme von Verhandlungen über ein gewerbsmäßig betrügerisches Geschäft, während es unter dem Aspekt des Schutzes des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unzulässig war, auch die Festnahme des überführten Betrügers durch die Polizei zu filmen.10 Hingegen hat das Kammergericht11 die gegen deren ausdrücklich _______________
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Einzelheiten dazu unten § 10 Tz. 8 ff. Einzelheiten unten § 21 Tz. 1 ff. LG Berlin AfP 2006, 574. Dazu im Einzelnen Hochrathner, ZUM 2001, 669 ff. OLG Köln NJW 2000, 2210. Dazu unten § 17 Tz. 6 ff., § 19 Tz. 1 ff., § 21 Tz. 1 ff. Dazu unten § 10 Tz. 8 ff. KG NJW 2000, 2210. Beispiel von Hochrathner, ZUM 2001, 669 ff. LG Köln ZUM 2004, 495. KG NJW 2000, 2210.
186
Bildbeschaffung
Tz. 9a § 9
erklärten Willen mit versteckter Kamera gefertigte Aufnahme von fingierten Diebstahlszenen in Zügen der Deutschen Bahn AG als Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts des Unternehmen angesehen. Für Fälle eines besonderen Informationsinteresses der Öffentlichkeit hält aber auch der Deutsche Presserat den Einsatz verdeckter Recherchemethoden für gerechtfertigt.1 Selbst wo aber der Einsatz einer versteckten Kamera im Ausnahmefall erlaubt sein kann, müssen die Aufnahmeteams der Fernsehveranstalter davon absehen, bei Gelegenheit der Bildaufnahmen auch Tonaufnahmen herzustellen, da sie sich widrigenfalls wegen Verstoßes gegen § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar machen.2
6b
bb) Folgen von Rechtsverletzungen Wo Bildjournalisten unter Verletzung wirklicher oder behaupteter Rechte Dritter fotografieren oder filmen oder im Grenzbereich des Zulässigen operieren, gehen sie häufig unmittelbare, spürbare Risiken ein.
7
(1) Beschlagnahme, Notwehr Anders als schreibende Journalisten müssen Bildberichterstatter in der Praxis erfahrungsgemäß nicht selten mit handgreiflichen Protesten derjenigen rechnen, die sie fotografieren oder filmen und die damit nicht einverstanden sind. Die rechtlichen Kategorien sind dabei im Bereich öffentlichrechtlicher und privater Sanktionen vergleichbar.
8
Besonderes Gewicht hat dieses Problem im Rahmen von Demonstrationen und Polizeieinsätzen3 gewonnen. Polizeibeamten im Einsatz beschlagnahmen nicht selten Kameras, jedenfalls aber belichtetes Filmmaterial von Pressefotografen, wenn sie davon ausgehen, selbst auf von diesen gefertigten Fotos abgebildet zu sein, und berufen sich dabei auf die Landespolizeigesetze. Die Rechtfertigung derartiger Beschlagnahmen wird in der Behauptung gesucht, durch die Herstellung bzw. die zu erwartende Veröffentlichung des Filmmaterials werde eine strafbare Handlung begangen bzw. drohe ihre Begehung, und dies rechtfertige den präventiven Eingriff der Polizeibehörden.4
9
Diese Rechtsauffassung ist im Fall der bloßen Aufnahme von Fotografien oder Filmen regelmäßig unrichtig, weil diese Handlungen zwar zivilrechtlich verboten sein mögen, jedoch keine strafbare Handlung darstellen. Sie lassen sich, wie dargestellt, nicht als Verletzung des Rechts am eigenen Bild qualifizieren, und die von der Rechtsprechung angenommene Verletzung des Allgemeinen
9a
_______________
1 Richtlinie 4.1 für die publizistische Arbeit nach den Empfehlungen des Deutschen Presserats, Jahrbuch 2008, S. 148 ff. 2 Dazu unten § 10 Tz. 7. 3 Einzelheiten unten § 21 Tz. 10 ff. 4 VG Karlsruhe NJW 1980, 1708; OLG Celle NJW 1979, 57; VGH Mannheim NVwZ 2001, 1292; die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen dieses Urteil wurde vom BVerwG zurückgewiesen.
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§ 9 Tz. 10
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Persönlichkeitsrechts ist keine strafbare Handlung. Daher können richtiger Auffassung nach polizeiliche Beschlagnahmeaktionen auch nicht mit dem Gesichtspunkt gerechtfertigt werden, sie seien zur Verhinderung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung erforderlich.1 Demgegenüber geht allerdings die Rechtsprechung einer Reihe von Gerichten2 davon aus, dass bereits die Möglichkeit der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Polizeibeamten durch spätere Veröffentlichung der gefertigten Bilder eine Störung der Sicherheit und Ordnung darstelle, die einen Eingriff nach den Polizeigesetzen der Länder rechtfertigen könne. 10
Bestehen allerdings in seltenen Ausnahmefällen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Medien Aufnahmen von Polizisten in rechtswidriger Weise veröffentlichen werden, dann kommt eine strafbare Handlung nach § 33 KUG in Betracht, die eine Beschlagnahme im Prinzip rechtfertigen kann. Doch darf aus der Ausübung einer vom Gesetz erlaubten Tätigkeit wie dem Fotografieren oder Filmen von Demonstrationen und Polizeieinsätzen keineswegs auf das Bevorstehen rechtswidriger Verwertungshandlungen geschlossen werden.3 Erforderlich ist vielmehr eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Redaktion, die die betreffenden Fotos anfertigen lässt, bei der Veröffentlichung zu beachtende straf- und zivilrechtliche Bestimmungen außer Acht lassen wird.4 Ohne Hinzutreten besonderer Umstände müssen die Ordnungsbehörden vor der Entscheidung über eine Beschlagnahme von Filmen oder Kameras von der Rechtstreue der jeweiligen Redaktion ausgehen und insbesondere die Möglichkeit berücksichtigen, die befürchtete Verletzung von Persönlichkeitsrechten der abgelichteten Polizeibeamten durch das anonymisierende Anbringen von Augenbalken zu vermeiden.5
10a
Daher wird die Beschlagnahme von Filmen, Datenspeichern oder gar Kameras in der Regel unzulässig sein, zumal die entgegenstehende Praxis namentlich der Strafgerichte auf einem eklatanten Verstoß gegen das Gebot der gleichen Behandlung vergleichbarer Sachverhalte beruht: Wo Polizeibeamte Demonstranten in der Absicht fotografieren, mit Hilfe der Bilder Straftaten aufzudecken und die Identität der Beteiligten nachzuweisen, handeln sie in der Regel aufgrund gesetzlicher Ermächtigung,6 stellt dies damit nicht denjenigen rechtswidrigen Angriff auf Rechte der Betroffenen dar,7 den die Gerichte bejahen, wenn sie Beschlagnahmen zur Abwehr der Herstellung von Fotografien von Polizeibeamten für rechtmäßig erachten.8 Auch die Entwicklung be_______________
1 VGH Baden-Württemberg AfP 1996, 193, 195; OVG Saarlouis AfP 2002, 545. 2 VG Karlsruhe NJW 1980, 1708; OLG Celle NJW 1979, 57; VGH Mannheim NVwZ 2001, 1292. 3 OVG Saarlouis AfP 2002, 545; VG Köln AfP 1988, 182; VGH Baden-Württemberg AfP 1996, 193; vgl. auch Wente, S. 114 f.; Jarass, JZ 1983, 280 ff. 4 OVG Saarlouis AfP 2002, 545. 5 OVG Saarlouis AfP 2002, 545. 6 Vgl. etwa § 12a VersammlG, § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO und die einschlägigen Bestimmungen der Landespolizeigesetze. 7 BGH NJW 1975, 2075. 8 Schomburg, AfP 1984, 80, 82.
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Bildbeschaffung
Tz. 13 § 9
schlagnahmter Filme oder Datenspeicher durch die Polizeibehörde ist daher ohne die Zustimmung des betreffenden Fotografen unzulässig.1 Dennoch kann den betroffenen Bildjournalisten in kritischen Situationen nur empfohlen werden, sich zunächst einmal zu fügen und das verlangte Material freiwillig herauszugeben. Faktisch werden sie zu Erfolg versprechendem Widerstand nicht in der Lage sein, und rechtlich laufen sie Gefahr, sich wegen ungerechtfertigten Widerstands strafbar zu machen, wenn sich ihre Einschätzung hinsichtlich der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der umstrittenen Maßnahme nachträglich als unzutreffend erweist.
11
Schon um der kaum zu leugnenden Tendenz der Polizeibehörden zur unzulässigen Eindämmung erlaubter Bildberichterstattung entgegenzuwirken, sollten jedoch betroffene Bildjournalisten durchgeführte Beschlagnahmen regelmäßig mit den zulässigen2 Rechtsmitteln anfechten. Als Reaktion kommen in der Regel Anfechtungsklagen nach § 42 VwGO und vor allem Anträge auf nachträgliche Feststellung der Unzulässigkeit der beanstandeten Maßnahme gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in Betracht. Nach der für Beschlagnahmen in Redaktionen nun auch vom Bundesverfassungsgericht3 gebilligten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts4 sind derartige Klagen in aller Regel auch dann zulässig, wenn das beschlagnahmte Material, wie das häufig geschieht, zwischenzeitlich herausgegeben wird und damit eine faktische Erledigung des Vorgangs des Vorgangs eintritt.
11a
Aber nicht nur Polizeibeamte können sich handgreiflich gegen die Durchführung fotografischer Tätigkeit wehren. Privaten, etwa den Teilnehmern an Demonstrationen, die sich durch die fotografischen Aktivitäten der Bildjournalisten in gleicher Weise in ihren Rechten verletzt fühlen wie die Polizeibeamten, kann unter den Voraussetzungen der strafrechtlichen Notwehrtatbestände5 ein eigenes Abwehrrecht zustehen, aufgrund dessen auch sie sich handgreiflich gegen die Herstellung weiterer Fotografien wehren und die Herausgabe bzw. Vernichtung belichteter Aufnahmen,6 sicher aber nicht diejenige der Kameras verlangen oder die Anrichtung von Zerstörungen rechtfertigen können. Das Recht zur Notwehr steht jedem zu, der sich unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff zur Wehr setzen will. Dabei ist anerkannt, dass es sich nicht um einen strafbaren Angriff handeln muss, dass vielmehr auch eine nicht strafbare Verletzung von Persönlichkeitsrechten die Berufung auf den Gesichtspunkt der Notwehr rechtfertigen kann.7
12
Ob fotografische Tätigkeit unter den konkreten Umständen des Einzelfalls die Grenzen der Persönlichkeitsrechtsverletzung erreicht oder überschreitet, wird im Allgemeinen streitig sein. Gerade in der aufgeheizten Situation solcher
13
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VGH Baden-Württemberg AfP 1998, 424. VGH Baden-Württemberg AfP 1996, 193 und AfP 1998, 424; BVerwG AfP 2000, 205. BVerfG AfP 2008, 172. BVerwG AfP 2000, 205. §§ 32 ff. StGB. OLG Düsseldorf NJW 1994, 1971. OLG Hamburg NJW 1972, 1290; OLG Düsseldorf NJW 1994, 1971; Wente, S. 107.
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§ 9 Tz. 14
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Demonstrationen, die nicht frei von tatsächlicher Gewaltanwendung verlaufen oder jedenfalls potenziell zur Gewalttätigkeit tendieren, und bei denen sich die Konflikte zwischen fotografierten Demonstranten und Fotoreportern in der Regel erst ergeben, dürfte sich für die Bildreporter jenseits der rechtlichen Beurteilung ein pragmatisches Nachgeben schon im Interesse ihrer persönlichen Sicherheit und im Übrigen in der Regel wegen der Chancenlosigkeit einer Abwehr der wirklichen oder vermeintlichen Notwehrmaßnahme empfehlen. (2) Zivilrechtliche Abwehransprüche 14
Soweit die Anfertigung von Fotografien oder Filmen den Tatbestand der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfüllt, kommt vom Grundsatz her der Versuch des Betroffenen ebenfalls in Betracht, dem Fotografen die hergestellten Bilder im Wege der Notwehr oder der Selbsthilfe wegzunehmen. Allerdings werden die rechtlichen Voraussetzungen der Notwehr in der Regel nicht vorliegen, weil sie einen gegenwärtigen Angriff auf das geschützte Rechtsgut, mithin das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, voraussetzen und dieser Angriff in Gestalt der Herstellung einer Fotografie in der Regel abgeschlossen sein wird, wenn der Betroffene reagieren kann.1 Auch in der Konfrontation insbesondere zwischen Paparazzi und Prominenten kann den Beteiligten auf beiden Seiten daher nur der Verzicht auf jede Art von Gewaltanwendung empfohlen werden, zumal die Frage nach der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Aufnahme in der Hektik der Konfrontation häufig nicht verlässlich beurteilt werden kann.2 Nach Auffassung des Kammergerichts rechtfertigt es aber der physische Widerstand eines Prominenten gegen die unzulässige Fertigung von Bildern oder Filmen nicht, diesen Widerstand nun seinerseits zu filmen und die so hergestellten Aufnahmen der tätlichen Auseinandersetzung unter Abbildung des Prominenten auszustrahlen.3
14a
Liegt eine Rechtsverletzung vor, stehen dem Verletzten dieselben Ansprüche und Rechtsbehelfe zu, die auch sonst als Sanktionen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Betracht kommen.4 Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Tatsache, dass der Fotograf oder Kameramann auf Vernichtung der rechtswidrig hergestellten Aufnahmen in Anspruch genommen werden kann. Auch wird der Abgebildete in Analogie zum allgemeinen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch in Zweifelsfällen einen Anspruch auf Vorlage der Negative der belichteten Filme geltend machen können, um prüfen zu können, ob aus der von ihm beanstandeten Situation rechtsverletzende Aufnahmen überhaupt entstanden sind.5
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1 2 3 4 5
Prinz/Peters, Rz. 817. So auch Prinz/Peters, Rz. 817. KG AfP 2007, 139 = NJW-RR 2007, 1196 = ZUM 2007, 475. Einzelheiten unten Teil III (§§ 26 ff.). Vgl. zur vergleichbaren Situation der unzulässigen Herstellung von Aufzeichnung von Telefongesprächen BGH NJW 1988, 1016.
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Bildbeschaffung
Tz. 19 § 9
b) Sonstige Schranken der Bildrecherche Neben den Einschränkungen, die sich für die Tätigkeit von Bildjournalisten aus § 201a Abs. 1 StGB sowie dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Abgebildeten ergeben können, kommen weitere Schranken der Bildberichterstattung in Betracht. Sie sind rechtlich im Allgemeinen weniger problematisch. Auf sie ist die daher hier nur in Kürze einzugehen.
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aa) Die allgemeinen Gesetze Bildberichterstattung und die zu ihrer Vorbereitung dienende Aufnahmetätigkeit von Fotografen und Kameraleuten sind den allgemeinen Gesetzen im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG in gleicher Weise unterworfen wie sonstige Recherchetätigkeit auch. Die rechtlichen Grenzen der Recherche1 sind daher auf die Tätigkeit der Fotoreporter und Kameraleute in gleicher Weise anwendbar wie auf diejenige aller anderen Redakteure und Rechercheure, soweit ihre Anwendung unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Tätigkeit der Bildjournalisten möglich ist.
16
So sind auch Bildreporter gehalten, die strafrechtlichen Bestimmungen über den Hausfriedensbruch zu beachten. Auch ihr Wunsch nach aktuellen und möglichst exklusiven Bildern rechtfertigt nicht deren Verletzung, zumal damit nach neuem Recht auch die Verletzung des Straftatbestands des § 201a StGB verbunden sein kann.2 Veranstalter von privaten oder gewerblichen Veranstaltungen oder die Betreiber von privaten, aber der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtungen wie Kirchen, Museen oder zoologischen Gärten sind berechtigt, sich die Anfertigung von Fotografien und Filmen innerhalb ihrer Veranstaltungen bzw. Einrichtungen selbst vorzubehalten oder die Erteilung der Erlaubnis dazu von bestimmten Bedingungen wie der Zahlung eines Entgelts oder der Auferlegung bestimmter Verwendungsbeschränkungen abhängig zu machen. Wer an derartigen Veranstaltungen teilnimmt oder Einrichtungen in Kenntnis solcher Bedingungen betritt, erklärt sich jedenfalls stillschweigend mit ihrer Einhaltung einverstanden und ist an sie gebunden.3
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Ebenso selbstverständlich ist, dass etwa eine Vorteilsgewährung durch Bildjournalisten an Beamte dafür, dass ihnen die Ablichtung vertraulicher Materialien ermöglicht wird, in gleicher Weise nach den einschlägigen strafrechtlichen Bestimmungen zu beurteilen wäre wie vergleichbare Aktivitäten anderer Redakteure auch. Wegen der Einzelheiten kann daher auf die Darstellung der allgemeinen Grenzen der Recherche4 verwiesen werden.
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bb) Gesetzliche Fotografierverbote Ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen über die Anfertigung von Lichtbildern existieren nur für einige besondere Regelungsbereiche. So ist die Herstel_______________
1 2 3 4
Einzelheiten unten § 10 Tz. 1 ff. Dazu unten § 10 Tz. 8 ff. Vgl. dazu Riedel, Rz. 7.2. Oben § 7 Tz. 41 ff.; unten § 10 Tz. 1 ff.
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§ 9 Tz. 20
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
lung von Film- und Fernseh- (sowie Ton-)aufnahmen von Gerichtsverhandlungen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung verboten.1 Ein ausdrückliches Verbot der Anfertigung von Fotografien während einer Gerichtsverhandlung enthält das Gesetz hingegen nicht; es wird sich jedoch in der Regel aus Anordnungen des Vorsitzenden des jeweiligen Gerichts ergeben, der sich dazu auf sein Recht der Verhandlungsleitung und das von ihm während der Verhandlung im Sitzungssaal auszuübende Hausrecht berufen kann.2 20
Gesetzliche Beschränkungen der Bildrecherche ergeben sich ferner im Bereich militärischer Sicherheitseinrichtungen3 sowie aus § 109g Abs. 2 StGB, wonach u.a. die Anfertigung oder Weitergabe von Fotografien von so genannten Wehrmitteln, militärischen Einrichtungen oder Anlagen verboten ist, sofern dadurch konkrete Sicherheitsbelange der Bundesrepublik gefährdet werden.4 Dabei sind die militärischen Einrichtungen und Anlagen in Deutschland stationierter NATO-Truppen den deutschen Einrichtungen gleichgestellt.5 Ein darüber hinaus gehendes Verbot der Herstellung von Luftbildern besteht gemäß § 109g Abs. 2 StGB heute nur noch unter der Voraussetzung, dass dadurch die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft ihrer Truppen gefährdet wird. Dafür kommen belanglose Abbildungen sicher nicht in Betracht,6 wohl aber das Fotografieren eines Munitionsdepots.7 Die Verletzung dieser spezialgesetzlichen Bestimmungen führt zwar nicht zu unmittelbaren Ansprüchen Dritter gegen die jeweils tätigen Fotografen oder Kameramänner, ist jedoch nach den jeweils einschlägigen Bestimmungen strafbar bzw. als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße bedroht. 2. Erwerb von Bildrechten
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In der Praxis der Presseverlage spielt der Erwerb von Veröffentlichungsrechten an Lichtbildern von freien Fotografen und vor allem Bildagenturen eine mindestens ebenso große Rolle wie die Anfertigung von Fotografien durch angestellte oder freie Mitarbeiter. Auch bei öffentlichrechtlichen und privaten Fernsehveranstaltern kommt ein Zukauf von Filmmaterial häufig vor. Beim Einkauf von Bild- und Filmrechten zu Veröffentlichungszwecken können sich Probleme zum Einen auf der Ebene des Erwerbs der Veröffentlichungsrechte und zum Anderen bei der Gestaltung der vertraglichen Rahmenbedingungen für den Erwerb ergeben.
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1 § 169 GVG; dazu oben § 6 Tz. 4 ff. 2 Oben § 6 Tz. 13; BVerfG NJW 1995, 184; BGH NJW 1998, 1420; LG Berlin AfP 1994, 332; Löffler/Ricker, Kap. 16 Rz. 12. 3 Vgl. § 5 Abs. 2 des Schutzbereichsgesetzes v. 7.12.1956 (BGBl. I 1956, 899); danach ist es verboten, militärische Einrichtungen, die als Schutzbereich gekennzeichnet sind, zu fotografieren oder zeichnerisch abzubilden. 4 Einzelheiten bei Fischer, § 109g StGB Rz. 1 ff. 5 § 1 Abs. 2 Nr. 4 Viertes Strafrechtsänderungsgesetz i.d.F. vom 19.12.1986, abgedruckt bei Fischer, Anh. 14. 6 BGH NJW 1971, 441. 7 Dazu Fischer, § 109g StGB Rz. 3 m.N.
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Bildbeschaffung
Tz. 24 § 9
a) Rechte Bilder und Filme sind Gegenstand von Rechten derjenigen, die sie geschaffen haben. Durch Bilder und Filme berührt werden zudem häufig Rechte derjenigen, deren Bildnis, deren geschütztes Werk oder unter Umständen deren Eigentum oder Privatsphäre dargestellt wird. Bei beiden Arten von Rechten handelt es sich um unterschiedliche Kategorien, die in keinem direkten Zusammenhang miteinander stehen.
22
aa) Urheberrecht Bilder, die sich für eine Publikation durch Printmedien eignen, sind regelmäßig urheberrechtlich geschützt. Das gilt zunächst für Zeichnungen, auf deren Veröffentlichung die Presse auch im Zeitalter der Fotografie nach wie vor nicht verzichten kann, und für Karikaturen. Beide sind in der Regel als Werke der bildenden Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG Gegenstand des Urheberrechts. An das Erfordernis des Vorliegens einer persönlichen geistigen Schöpfung im Sinn von § 2 Abs. 2 UrhG stellt die Rechtspraxis regelmäßig nur geringe Anforderungen.1 So sind im Allgemeinen etwa Skizzen, die ein Zeichner von den Beteiligten einer Gerichtsverhandlung anfertigt, in der das Fotografieren verboten ist, urheberrechtlich geschützt. Auch an gezeichneten Karten oder grafischen Tabellen, wie sie die Presse oftmals zur Veranschaulichung geographischer, demografischer oder statistischer Zusammenhänge abbildet, besteht nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG im Allgemeinen ein Urheberrecht.
23
Gleiches gilt schließlich für Fotografien, deren Veröffentlichung durch die Presse in besonderem Maße unverzichtbar ist. Sie sind entweder als so genannte Lichtbildwerke gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG oder als (schlichte) Lichtbilder gemäß § 72 UrhG für den Fotografen geschützt. Für beide Schutzformen, die auch ansonsten kaum noch relevante Unterschiede aufweisen,2 gelten nach der Aufhebung von § 68 UrhG dieselben Schutzfristen,3 die für die Arbeit der an Aktualität orientierten Presse in Anbetracht der geltenden Mindestschutzfrist von nunmehr 50 Jahren nach dem Erscheinen bzw. der Herstellung des Bilds4 ohne große praktische Bedeutung sind. Als oder wie Filmwerke im Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG urheberrechtlich geschützt sind schließlich auch die filmischen Beiträge, die Fernsehveranstalter für ihr aktuelles oder unterhaltendes Programm von Dritten erwerben.
23a
Wo immer die Medien daher bildliche Illustrationen einsetzen, haben sie zunächst die Urheberrechte der jeweiligen Zeichner, Fotografen, Produzenten oder Kameramänner5 zu beachten. Sofern diese als Arbeitnehmer von Presse-
24
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1 Vgl. Wenzel/Burkhardt, UrhR, Kap. 2 Rz. 2 ff.; Fromm/Nordemann, § 2 UrhG Rz. 30 ff. 2 Wenzel/Burkhardt, UrhR, Kap. 2 Rz. 40. 3 Wenzel/Burkhardt, UrhR, Kap. 2 Rz. 41. 4 §§ 72 Abs. 3, 69 UrhG; dazu Schricker/Vogel, § 72 UrhG Rz. 37 ff. 5 Zu den Urheber- und Leistungsschutzrechten des Kameramanns vgl. im Einzelnen Schulze, GRUR 1994, 855.
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§ 9 Tz. 25
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
verlagen tätig werden, wird heute in Ergänzung des gesetzlichen Tatbestands des § 43 UrhG im Wesentlichen durch die urheberrechtlichen Bestimmungen der Manteltarifverträge für die Übertragung der Veröffentlichungsbefugnis auf die Verlage Sorge getragen,1 deren Regelungen obendrein häufig individualvertraglich vereinbart werden. Soweit Redaktionen Bilder von Agenturen oder freien Fotografen erwerben, muss durch die Art der Vertragsgestaltung dafür gesorgt werden, dass die Verlage diejenigen urheberrechtlichen Nutzungsrechte erwerben, die sie für die beabsichtigte Veröffentlichung benötigen. Gleiches gilt für Fernseh- oder auch Hörfunkveranstalter im Rahmen des Erwerbs vorproduzierter Beiträge. 25
Für die Printmedien sind dabei die Auslegungsregeln des § 38 UrhG zu beachten: Nach § 38 Abs. 3 UrhG erwerben Verleger von Zeitungen im Zweifel ein einfaches Nutzungsrecht, das die Befugnis des Inhabers der Rechte, das infrage stehende Bild auch anderweitig publizieren zu lassen, unberührt lässt. Wird einem Zeitungsverleger ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt, so ist der Inhaber der Rechte nach § 38 Abs. 3 Satz 2 UrhG gleichwohl berechtigt, das infrage stehende Werk anderweitig erscheinen zu lassen, sobald es durch den Vertragspartner veröffentlicht worden ist. Die Exklusivität endet mithin in diesen Fällen mit der erstmaligen Veröffentlichung durch die Zeitung. Demgegenüber erwerben Verleger von Zeitschriften gemäß § 38 Abs. 1 UrhG ein ausschließliches Nutzungsrecht mit der Maßgabe, dass der Urheber berechtigt ist, das betreffende Bild ein Jahr nach Erscheinen anderweitig zu verwerten, sofern nicht – etwa im Rahmen der Bestimmungen des Manteltarifvertrags – etwas Anderes vereinbart worden ist.
26
Diese Bestimmungen sind dispositives Recht, können also durch von den Parteien ausdrücklich zu vereinbarende andere Regeln ersetzt werden.2 Sie sind zudem eine spezialgesetzliche Ausprägung der in § 31 Abs. 5 UrhG normierten und in der urheberrechtlichen Praxis fest etablierten Zweckübertragungslehre, durch die sie zugleich ergänzt werden.3 Rechte zur Nutzung urheberrechtlicher Befugnisse werden daher im Zweifel, soweit also der im Einzelfall abgeschlossene Nutzungsvertrag nichts Anderes bestimmt, stets nur in dem Umfang übertragen, der erforderlich ist, um den mit der Übertragung verfolgten konkreten Zweck zu erreichen.4 Erwirbt also der Verleger mehrerer Zeitschriften ein aktuelles Foto zur Veröffentlichung in einer bestimmten Zeitschrift, so ist er nach der Zweckübertragungslehre im Zweifel nicht berechtigt, es auch in anderen Zeitschriften zu veröffentlichen, während der Fotograf oder die für ihn handelnde Agentur nach § 38 Abs. 1 UrhG im Zweifel für die Dauer eines Jahres daran gehindert ist, es anderweitig zu publizieren.
27
Trotz des Versuchs des Gesetzgebers, die Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsbefugnisse gerade für den Bereich der Presse im Einzelnen zu regeln, führt die Anwendung dieser Grundsätze nicht immer zu klaren Ergebnissen. _______________
1 2 3 4
Oben § 7 Tz. 60. Schricker, § 38 UrhG Rz. 3. Schricker, § 38 UrhG Rz. 15. Dazu im Einzelnen Schricker, § 31 UrhG Rz. 31 ff.; Fromm/Nordemann, § 31 UrhG Rz. 108 ff.; Wenzel/Burkhardt, UrhR, Kap. 5 Rz. 76 ff.
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Bildbeschaffung
Tz. 27c § 9
So hat einerseits das Oberlandesgericht Celle1 mit Recht entschieden, dass ein Verlag, der das Recht zur Veröffentlichung eines Fotos in einer seiner Publikationen erwirbt, für diese Publikation mit dem Foto werben darf, ohne dafür eine gesonderte Berechtigung erwerben zu müssen. Andererseits erwirbt etwa nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe2 ein Zeitschriftenverlag ohne nähere Absprache entgegen § 38 Abs. 1 UrhG nur ein einfaches Nutzungsrecht an Lichtbildern, bleibt also die Befugnis des Fotografen zur anderweitigen Veröffentlichung unberührt, erstreckt sich die Veröffentlichungsbefugnis des Verlages auf der anderen Seite trotz der Zweckübertragungslehre aber auf alle von ihm herausgegebenen Zeitschriften.
27a
Nach Auffassung der Rechtsprechung3 ist mit dem Honorar für die Veröffentlichung eines Fotos in einer Zeitschrift mangels ausdrücklicher gegenteiliger Vereinbarung die Übernahme auf die vom Verlag jeweils nachträglich hergestellte Jahrgangs-CD-ROM nicht mit abgegolten. Der Verlag hat in einem solchen Fall nicht einmal die rechtliche Möglichkeit, das Recht zur Veröffentlichung des Fotos auf der CD-ROM durch nachträgliche Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr nach Art einer Zwangslizenz zu erwerben.4 Selbst wenn sich ein Verleger das vertragliche Recht hat einräumen lassen, Fotos in sämtlichen von ihm verlegten Objekten zu veröffentlichen, kann sich aus der Vertragsgestaltung auch immer noch ergeben, dass mit dem vereinbarten Honorar nur die Erstveröffentlichung abgegolten und für weitere Veröffentlichungen ein Zusatzhonorar zu zahlen ist.5
27b
Verlage und Redaktionen auf der einen und Fotografen und ihre Agenturen auf der anderen Seite sollten sich daher vor dem Abschluss von Verträgen über den Erwerb von Bildrechten darüber im Klaren sein, welche Art von Rechtsübertragung sie vereinbaren wollen; insbesondere dann, wenn ein Verlag an Fotografien Ausschließlichkeitsrechte erwerben will und damit die Berechtigung, sie beliebig häufig und in allen Verlagsobjekten zu veröffentlichen, ist auf entsprechend eindeutige Vertragsgestaltung6 Wert zu legen. Dabei muss er insbesondere auch darauf achten, dass er mit dem wirklichen Inhaber der Rechte kontrahiert. So kann etwa ein Verlag Rechte an Bildern eines Fotomodells nicht durch eine Vereinbarung mit ihm erwerben, solange nicht der Fotograf, von dem die Aufnahmen stammen, dem Abschluss der Vereinbarung zugestimmt hat.7 Und als praktische Konsequenz aus der Zweckübertragungslehre lässt sich jedenfalls die generelle Regel aufstellen, dass sich Vertragslücken fast immer zu Gunsten der Urheber auswirken.
27c
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1 OLG Celle AfP 1998, 224. 2 OLG Karlsruhe GRUR 1984, 522 – Herrensitze in Schleswig-Holstein. 3 BGH AfP 2002, 35 = NJW 2002, 896 = GRUR 2002, 248 = ZUM 2002, 214 – SpiegelCD ROM; OLG Hamburg AfP 1999, 177 = ZUM 1999, 78 = MMR 1999, 225. 4 BGH AfP 2002, 35 = NJW 2002, 896 = GRUR 2002, 248 = ZUM 2002, 214 – SpiegelCD ROM. 5 OLG Hamburg GRUR 1999, 87 – Mehrfachveröffentlichung. 6 Dazu unten Tz. 31 ff. 7 OLG Jena ZUM 2004, 841.
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§ 9 Tz. 28
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
bb) Sonstige Rechte 28
Bilder sind aber nicht nur Gegenstand urheberrechtlicher Befugnisse ihrer Fotografen oder Zeichner bzw. der Agenturen, die die daraus abzuleitenden Nutzungsrechte häufig zu ausschließlicher Verwertung erworben haben. Durch ihre Veröffentlichung kann und wird vielmehr vielfach auch in Rechte Dritter eingegriffen werden. Gleiches gilt für Filmaufnahmen. Dabei geht es in erster Linie um das Recht des Abgebildeten am eigenen Bild.1 Veröffentlichungssperren können sich aber auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten ergeben. Erfahrungsgemäß tendieren Redaktionen gerade bei Bildern, die sie von freien Fotografen oder Agenturen erwerben, dazu, diesem Gesichtspunkt nicht hinreichende Aufmerksamkeit zu widmen. Die Auffassung eines Redakteurs, er habe die Veröffentlichungsrechte hinsichtlich eines bestimmten Bilds erworben und dürfe es daher in der redaktionellen Arbeit nach Belieben verwerten, ist ebenso weit verbreitet wie sie im Einzelfall falsch sein kann. Denn der Inhaber der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an einem Lichtbild, von dem eine Redaktion ihre Berechtigung zur Veröffentlichung ableitet, kann regelmäßig nur über seine eigenen Rechte verfügen, nicht aber über diejenigen Dritter, die durch die Herstellung oder Verbreitung des Bilds im Einzelfall tangiert sein könnten. Gleiches gilt umgekehrt auch für denjenigen, der auf einem Foto abgebildet ist und dessen Verwendung durch eine Redaktion zustimmt; diese Zustimmung ersetzt ihrerseits nicht diejenige des Fotografen, auf die es in erster Linie ankommt.2
29
In Zweifelsfällen empfiehlt es sich daher für die Medien, sich beim Erwerb von Veröffentlichungsrechten schriftlich zusichern zu lassen, dass der Veräußerer nicht nur über die Nutzungsrechte des Fotografen oder Filmlieferanten verfügen darf, sondern dass er sich vielmehr auch der Zustimmung desjenigen versichert hat, dessen Rechte durch die Verbreitung verletzt werden könnten. Eine derartige Zusicherung kann zwar die gegebenenfalls erforderliche Einwilligung des Dritten nicht ersetzen, berechtigt jedoch den Erwerber, Schadenersatzansprüche gegen den Veräußerer geltend zu machen, wenn er seinerseits wegen der Veröffentlichung in Anspruch genommen werden sollte. Selbst wenn aber der Vertragspartner im Einzelfall versichert oder gar nachweist, dass der Abgebildete der Aufnahme und Verbreitung seines Lichtbilds zugestimmt hat, steht damit noch nicht fest, dass diese Zustimmung auch die konkrete Art der Veröffentlichung deckt, für die das Bild erworben wird.3
30
Der Erwerb urheberrechtlicher Nutzungsbefugnisse an Bildern enthebt damit die Medien unter keinen Umständen der eigenverantwortlichen Prüfung der Frage, ob nicht deren Veröffentlichung wegen entgegenstehender Rechte Dritter unzulässig sein kann. Allerdings wird diese Prüfung im Hinblick darauf, ob abgebildete Personen sich mit der Veröffentlichung generell oder in einem bestimmten thematischen Kontext einverstanden erklärt haben, in vielen Fällen nur in Gestalt der gezielten Nachfrage beim Fotografen oder Filmliefe_______________
1 Dazu unten § 21 Tz. 1 ff. 2 OLG Jena ZUM 2004, 841. 3 Vgl. BGH AfP 1985, 110 = NJW 1985, 1617 = GRUR 1985, 398 – Nacktfoto; im Einzelnen unten § 21 Tz. 24 ff.
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Bildbeschaffung
Tz. 32a § 9
ranten möglich sein. Eine Nachfrage beim Betroffenen selbst kommt häufig nicht in Betracht, weil den Redaktionen seine Personalien nicht bekannt sind. Liegt in solchen Fällen die ausdrückliche Zusicherung des Bildlieferanten vor, dass der Betroffene der beabsichtigten Art der Bildverwendung zugestimmt hat, dann handeln die Redaktionen nicht schuldhaft, wenn sie auf derartige Zusicherungen vertrauen. b) Vertragliche Rahmenbedingungen für den Erwerb von Bildrechten Der Erwerb von Bildrechten durch die Medien unterliegt der Vertragsfreiheit, kann also durch die Beteiligten in allen seinen Bedingungen frei ausgehandelt werden. Dabei zeigt die Praxis, dass sich die Beteiligten, Redaktionen und Fotografen, häufig über die Grundlagen des Abschlusses rechtlich bindender Vereinbarungen nicht im Klaren sind oder sie doch in der Hektik der täglichen redaktionellen Arbeit nicht oder nicht hinreichend beachten. Dadurch entstehen Unsicherheiten über die wechselseitigen Rechte und Pflichten und in einer Zeit, in der Urheber und insbesondere freie Fotografen sich ihrer gesetzlichen Rechte stärker als in der Vergangenheit bewusst und von den einschlägigen Verbänden auch darüber beraten werden, häufig auch gerichtliche Streitigkeiten.
31
aa) Abschluss von Nutzungsrechtsverträgen Verträge über die Einräumung urheberrechtlicher Nutzungsrechte bedürfen keiner besonderen Form. Sie können damit schriftlich, mündlich, aber auch durch konkludente Handlung, also durch stillschweigende Übereinkunft ohne jede ausdrückliche Bezugnahme auf den gewünschten Vertragsinhalt zustande kommen. Ausdrückliche und schriftliche Verträge mit einer konkreten Fixierung der beiderseitigen Rechte und Pflichten sind schon im Hinblick auf die alles andere als klare Regelung des Umfangs der jeweiligen Nutzungsrechtsübertragung1 wünschenswert; in der Praxis dürften sie dennoch die Ausnahme sein.
32
Häufig übersenden Fotografen Verlagen, insbesondere solchen, mit denen sie ständig zusammen arbeiten, Fotos ohne Anforderung und auch ohne eine diesbezügliche ausdrückliche Absprache. In derartigen Fällen stellt sich die Frage, ob durch die Übersendung und Entgegennahme der Fotos im Wege konkludenter Vereinbarung ein Kaufvertrag zustande kommt, und damit auch, ob der Verlag das Eigentum an den ihm überlassenen Fotos erwirbt. Diese Frage ist mit derjenigen nach der Einräumung eines Nutzungsrechts und den dafür gegebenenfalls geltenden Bedingungen nicht unbedingt identisch.2 Während das Oberlandesgericht München3 in einem Fall davon ausgegangen ist, dass die Entgegennahme der Fotos in derartigen Konstellationen als konkludenter Abschluss eines Kaufvertrags und als Übereignung der Fotos auszulegen ist,
32a
_______________
1 Dazu oben Tz. 27 ff. 2 OLG München ZUM 2008, 78. 3 OLG München AfP 2004, 142.
197
§ 9 Tz. 33
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
hat der Bundesgerichtshof1 im gegenteiligen Sinn entschieden.2 Allein aus der Tatsache, dass ein Fotograf einem Verlag Fotos zusendet und dass dieser sie in sein Archiv übernimmt, kann auf den Abschluss eines Kaufvertrags selbst dann nicht geschlossen werden, wenn die Zahlung einer Archivgebühr vereinbart und geleistet wird. 33
In der Zusammenarbeit zwischen Redaktionen und Agenturen ist statt dessen die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen heute zur Regel geworden. Für sie gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln der §§ 305 ff. BGB über die Einbeziehung derartiger Bedingungen in den Geschäftsverkehr zwischen Vertragspartnern und über deren inhaltliche Ausgestaltung, soweit deren Anwendung nicht daran scheitert, dass es sich bei Verlagsunternehmen in aller Regel um Unternehmen handelt, auf die das AGB-Recht nur eingeschränkt anwendbar ist.3
33a
Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur kraft ausdrücklicher oder stillschweigender Einbeziehung in ein bereits bestehendes Vertragsverhältnis Vertragsbestandteil.4 Häufig beobachtete Versuche von Agenturen oder Fotografen, sich zur Begründung von Ansprüchen auf den Inhalt von Bedingungen zu berufen, die sie ihrem Vertragspartner erst zu diesem Zweck nachträglich übersenden, können keinen Erfolg haben. Gleiches gilt für Allgemeine Geschäftsbedingungen, die auf der Rückseite von Rechnungen abgedruckt werden und dem Vertragspartner jedenfalls im Rahmen neuer Vertragsbeziehungen erst nach Vertragsschluss zur Kenntnis gelangen.5 In solchen Fällen gilt nur, was ausdrücklich vereinbart ist oder was ein Gericht gegebenenfalls als den hypothetischen Vertragswillen der Beteiligten aus den Umständen des Einzelfalls, den vom Gesetz zur Verfügung gestellten Auslegungsregeln sowie unter Umständen den Usancen der Branche ermittelt. Wählt allerdings ein Verlag aus einer Mehrzahl von Fotos, die ihm ein Fotograf oder eine Agentur unter Beifügung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen übersandt hat, einige zur Veröffentlichung aus, so kann darin die konkludente Vereinbarung der Geltung dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu sehen sein.6
34
Ohne unmittelbare Auswirkungen auf den Inhalt von Vertragsbeziehungen zwischen Verlag und Fotograf sind im Allgemeinen auch die so genannten Urheberstempel, die vielfach auf der Rückseite von fotografischen Abzügen angebracht werden. Soweit sie den Fotografen benennen, begründen sie zwar die Vermutung, dass er auch der Urheber ist.7 Auch schließt im Fall der Zusendung von Fotos ohne ausdrückliche Absprache der Vermerk „Foto nur leihweise“ die Annahme aus, durch die Entgegennahme der Fotos durch den _______________
1 BGH AfP 2007, 205 = ZUM 2007, 655 = GRUR 2007, 693 = WRP 2007, 986 – Archivfotos; OLG München ZUM 2008, 982. 2 So auch OLG München AfP 2009, 62. 3 § 310 Abs. 1 BGB; vgl. zu den Auswirkungen der §§ 305 ff. BGB auf die urheberrechtliche Nutzungsverträge im Einzelnen Schricker, Rz. 10 ff. vor § 28 UrhG; Schricker, VerlR, Einleitung Rz. 14 f. 4 § 305 Abs. 2 BGB; vgl. dazu nur Palandt/Grüneberg, § 305 BGB Rz. 29 ff. 5 Palandt/Grüneberg, § 305 BGB. Rz. 33 m.N. 6 OLG Celle AfP 1998, 224; OLG München AfP 1998, 513. 7 § 10 Abs. 1 UrhG.
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Bildbeschaffung
Tz. 37 § 9
Verlag komme ein konkludent abgeschlossener Kaufvertrag zustande.1 Soweit die Urheberstempel allerdings darüber hinaus bestimmte Bedingungen zum Ausdruck bringen, an die der Fotograf seine Zustimmung zur Veröffentlichung knüpfen will, handelt es sich nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen, an die der Verlag gebunden wäre.2 Ob sich gegebenenfalls aus den konkreten Umständen wie etwa aus jahrelanger widerspruchsloser Entgegennahme derartiger Fotos die stillschweigende Erklärung des Verlags ableiten lässt, dass er mit den im Urheberstempel angeführten Bedingungen einverstanden ist, kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. In der Regel kann sich der Fotograf auf die in einem derartigen Stempelaufdruck enthaltenen Bedingungen nicht berufen. Dies gilt insbesondere, wenn der Verlag durch sein Verhalten in der Vergangenheit zum Ausdruck gebracht hat, dass er diese Bedingungen nicht gegen sich gelten lassen will. bb) Inhalt von Nutzungsrechtsverträgen Nutzungsrechtsverträge können im Rahmen der Vertragsfreiheit frei ausgehandelt werden. Daher lassen sich allgemeingültige Feststellungen zum Inhalt derartiger Verträge nicht treffen. In der Praxis haben sich aber einige typische und erfahrungsgemäß konfliktträchtige Konstellationen herausgebildet.
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(1) Sperrfristen Sperrfristen spielen im Bereich der Veräußerung von Bildrechten meist eine größere Rolle als im Bereich der Nachrichtenlieferung.3 Rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit von Sperrfristvereinbarungen sind jedenfalls für den Regelfall nicht ersichtlich. Gleiches gilt für Ausschließlichkeitsbindungen. Das gilt insbesondere für Lichtbilder. Das Recht der Fotografen, über die Festlegung der Bedingungen für den Erwerb von Veröffentlichungsrechten ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen angemessen zu wahren, ist grundsätzlich anzuerkennen. Wo im Einzelfall ein dringendes und aktuelles Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der vertraglich nicht abgesicherten Veröffentlichung eines Lichtbilds besteht, dürfte das Recht zum Bildzitat4 die publizistischen Belange der Verlage in der Regel ausreichend schützen.
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Soweit Sperrfristen vereinbart werden, wird ihre Einhaltung in der Regel durch die Vereinbarung von Vertragsstrafen gesichert. Auch derartige Vereinbarungen sind regelmäßig wirksam, wenn sie ausdrücklich abgeschlossen werden. Werden sie den Verlagen im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen aufoktroyiert, so sind die Schranken des § 309 Nr. 6 BGB zu beachten. Die richterliche Herabsetzung auch von Vertragsstrafen in exorbitanter Höhe nach § 343 BGB kommt hingegen im Hinblick auf § 348 HBG nicht in Betracht,
37
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1 BGH AfP 2007, 205 = ZUM 2007, 655 = GRUR 2007, 693 = WRP 2007, 986 – Archivfotos; OLG München AfP 2009 63. 2 Riedel, Rz. 4.34. 3 Dazu oben § 3 Tz. 37 ff. 4 Oben § 3 Tz. 8 ff.
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§ 9 Tz. 38
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
wenn es sich, wie im Regelfall, beim Erwerber um einen Kaufmann im Sinn des HGB handelt. Redaktionen, die Sperrfristen vereinbaren, müssen daher im eigenen Interesse peinlich genau darauf achten, dass diese Fristen auch eingehalten werden. (2) Urheberbenennung 38
Nach § 13 Satz 2 UrhG ist der Urheber berechtigt zu bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist. Das Recht auf Anbringung des Urhebervermerks gehört heute zum Kernbestand des Urheberpersönlichkeitsrechts.1 Damit ordnet das Gesetz allerdings keine zwingende Anbringung des Urhebervermerks in der Veröffentlichung an, behält es vielmehr die Entscheidung darüber, ob sie erfolgen soll, dem Urheber vor. Mangels ausdrücklicher vertraglicher Vereinbarung oder jedenfalls eines rechtlich beachtlichen einseitigen Vorbehalts des Urhebers besteht daher keine Verpflichtung der Medien, die Namen der Fotografen anzugeben. Der Vermerk im so genannten Urheberstempel reicht allerdings insoweit aus, da es nicht um vertragliche Vereinbarungen, sondern um die Ausübung eines dem Urheber von Gesetzes wegen vorbehaltenen Rechts geht.2
38a
Die jahrzehntelange Übung jedenfalls der aktuellen Presse und eines Teils der Magazinpresse, die Urheberbenennung von Fotografen zu unterlassen,3 ist heute nicht mehr festzustellen.4 Es ist, im Gegenteil, heute davon auszugehen, dass die Urheberbenennung von Fotografen in Presseerzeugnissen den Usancen der Branche entspricht. Mangels ausdrücklicher abweichender Vereinbarung, die aber weiterhin möglich ist,5 gilt sie daher als von den Beteiligten eines Nutzungsrechtsübertragungsvertrags akzeptiert,6 so dass heute die Verpflichtung zur Benennung der Fotografen entsprechend § 13 Satz 2 UrhG die Regel ist. Daher können sich insbesondere Redaktionen nicht mehr auf das Fehlen einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung über die Urheberbenennung berufen, wenn sie Fotografien ohne Erlaubnis veröffentlichen und dabei die Urheberbenennung unterlassen. Im Verletzungsprozess ist der Urheber so zu stellen, wie er stünde, hätte er hinsichtlich des betreffenden Fotos eine Lizenz erteilt, und er kann und wird sich darauf berufen, dass er dies nur bei Vereinbarung der Urheberbenennung getan hätte.7
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Wo die Urheberbenennung zum Gegenstand des Vertrags gemacht wird, sei es ausdrücklich oder auf Grund der geänderten Branchenübung konkludent, ist _______________
1 BGH GRUR 1972, 713 – Im Rhythmus der Jahrhunderte; BGH NJW 1994, 2621 = GRUR 1995, 671 – Namensnennungsrecht des Architekten; Radmann, ZUM 2001, 788. 2 LG München I AfP 1994, 239. 3 Vgl. v. Gamm, § 13 UrhG Rz. 14 ff.; kritisch Schricker/Dietz, § 13 UrhG Rz. 25 m.w.N. 4 Radmann, ZUM 2001, 788 ff. 5 BGH NJW 1994, 2621 = GRUR 1995, 671 – Namensnennungsrecht des Architekten; Radmann, ZUM 2001, 788. 6 BGH GRUR 1963, 40 – Straßen gestern und morgen; BGH NJW 1994, 2621. 7 OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 194 = ZUM 1998, 668 = MMR 1998, 147; LG Düsseldorf GRUR 1993, 664; LG Münster NJW-RR 1996, 32.
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Bildbeschaffung
Tz. 41 § 9
sie für die Verlage bindend. Die Einhaltung dieser Vereinbarung macht es erforderlich, den Namen des Fotografen dem jeweiligen Bild konkret zuzuordnen; eine nur generelle Benennung etwa in einem Sammelnachweis oder in der Anbringung des Namens am Seitenrand, die die konkrete Zuordnung nicht ermöglicht, reicht zur Erfüllung nicht aus.1 Die vereinbarte Urheberbenennung wird zunehmend durch die Vereinbarung von Vertragsstrafen gesichert, wobei die Tendenz der Praxis dahin geht, als Vertragsstrafe einen Zuschlag von 100 % des vereinbarten Veröffentlichungshonorars zu vereinbaren.2 Dies entspricht der von der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing herausgegebenen Empfehlung für ihre Mitglieder, die auch als Marktübersicht bezeichnet und veröffentlicht wird.3 An dieser Empfehlung orientiert sich die heutige Praxis der Gerichte auch in den Fällen, in denen eine Vertragsstrafevereinbarung nicht getroffen wurde, indem sie den Fotografen bei vertragswidrig unterbliebener Urheberbenennung sowie bei Veröffentlichung von Bildern ohne vertragliche Grundlage und ohne Urheberbenennung einen Zuschlag von 100 % zum vereinbarten bzw. dem üblichen Honorar zubilligt.4 Dabei berufen sich die Gerichte zum Teil auf einen vermeintlichen Handelsbrauch,5 ohne ihn allerdings im Einzelfall konkret festgestellt zu haben. Zum Teil gehen sie in Anwendung der Bestimmung des § 287 ZPO davon aus, dass die fehlende Urheberbenennung einen eigenständigen Fall der Rechtsverletzung darstellt, an den die Berechtigung der Urheber anknüpft, eine eigenständige fiktive Lizenzgebühr zu fordern.6 Rechtsdogmatisch zu begründen ist das nicht. Man wird aber davon ausgehen müssen, dass sich der Anspruch auf einen Zuschlag von 100 % zum vereinbarten oder üblichen Honorar in den Fällen der unterbliebenen Urheberbenennung in der Praxis durchgesetzt hat.
39a
(3) Verlust- und Blockierungshonorare Bilder werden Redaktionen in unterschiedlichem Bearbeitungszustand und zu verschiedenen Konditionen zur Verfügung gestellt.
40
Weit verbreitet ist die Ansichtssendung von Fotos mit der Absprache, dass die Redaktion nur diejenigen Bilder bezahlt, die sie für eine Veröffentlichung tatsächlich auswählt. Zum Teil werden derartige Bilder den Redaktionen zur Archivierung überlassen, ohne dass zugleich ein Vertrag über deren Ankauf
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1 LG München I ZUM 1995, 57. 2 Schricker/Dietz, § 13 UrhG Rz. 26 unter Hinweis auf die veröffentlichten Tarife der VG Bild-Kunst. 3 Bildhonorare – Übersicht der marktüblichen Vergütung für Bildnutzungsrechte, jährlich herausgegeben von der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing, Arbeitskreis im Bundesverband der Pressebild-Agenturen und Bildarchive e.V.; zu beziehen über www.bvpa.org. 4 LG Düsseldorf GRUR 1993, 664; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 194 = ZUM 1998, 668 = MMR 1998, 147; LG Münster NJW-RR 1996, 32; LG München I AfP 1994, 239 = ZUM 1995, 57; LG Berlin ZUM 1998, 673; LG Hamburg ZUM 2004, 675. 5 LG Düsseldorf GRUR 1993, 664; LG München I AfP 1994, 239 = ZUM 1995, 57. 6 OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 194 = ZUM 1998, 668 = MMR 1998, 147; LG Münster NJW-RR 1996, 32; so auch J. Nordemann, ZUM 1998, 642, 644 f.
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§ 9 Tz. 42
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
und den Erwerb uneingeschränkter Nutzungsrechte abgeschlossen wird.1 Zum Teil wird aber auch vereinbart, dass die Redaktionen die Bilder innerhalb bestimmter Frist an den Lieferanten zurückzugeben haben. Auch bei der Vereinbarung einer festen Abnahme bestimmter Bilder werden, soweit es nicht um Exklusivrechte geht und Bilder zur Auswertung durch die Verlage geliefert werden, feste Rückgabetermine vereinbart. Insbesondere bei dieser Art des Erwerbs von Bildrechten kommt es in der täglichen Arbeit der Redaktionen immer wieder zu Pannen dadurch, dass Negative oder Diapositive verloren gehen oder beschädigt werden, dass Rücksendungen ihre Adressaten nicht erreichen oder dass schließlich vereinbarte Rückgabetermine nicht eingehalten werden. Das kann für die Fotografen oder Agenturen, soweit sie keine Exklusivrechte einräumen, sie dieselben Bilder also auch anderenorts noch veröffentlichen wollen, zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen führen. Sie gehen daher in zunehmendem Maße dazu über, sich auch gegen derartige Risiken durch die Vereinbarung von zum Teil erheblichen Vertragsstrafen abzusichern. 42
Die Vereinbarung derartiger, in der Praxis als Blockierungs- oder Verlusthonorare bezeichneter Vergütungen ist für die Verlage mit beträchtlichen Risiken verbunden, insbesondere nachdem der Anschein entstanden ist, dass einzelne schwarze Schafe der Fotobranche das gezielte Inkasso von Blockierungs- und Verlusthonoraren als lukrative Einnahmequelle für sich entdeckt haben, aus der sie unter Umständen viel höhere Beträge erwirtschaften können als durch die reguläre Verwertung ihrer Bilder. Redaktionen, die auf ständige oder häufige Zulieferungen von Bildern durch Dritte angewiesen sind, sollten daher insbesondere den vollständigen Ein- und Ausgang fremder Diapositive verlässlich dokumentieren.
42a
Der Nachweis der tatsächlichen Rückgabe von Bildern, die ihnen nur leihweise überlassen werden, obliegt den Redaktionen. Der Vertrag über die Überlassung von Diapositiven zur Auswahl oder zur Nutzung mit Rückgabepflicht ist im Fall der unentgeltlichen Auswahlüberlassung ein Leihvertrag, in den anderen Fällen ein besonderes Vertragsverhältnis mit leihe- oder mieteähnlichen Elementen.2 In beiden Fällen müssen im Streitfall die Verlage zunächst substantiiert bestreiten, dass sie noch im Besitz der umstrittenen Fotos sind. Dazu ist es insbesondere erforderlich, dass sie ihr Archiv im Detail durchsehen; pauschales Bestreiten reicht nicht aus.3 Sodann müssen die Verlage beweisen, dass sie die Bilder tatsächlich an die Agenturen oder Fotografen zurückgegeben haben, wobei die Rückgabe entsprechend § 604 BGB am Sitz des Fotografen oder der Agentur erfolgen muss.4 Sie tragen mithin auch die so genannte Versendungsgefahr mit der Folge, dass nicht einmal der Nachweis der ordnungsgemäßen Absendung genügt, wenn der Empfänger den Eingang _______________
1 Dazu oben Tz. 32a. 2 BGH AfP 2002, 215 = GRUR 2002, 282 = WRP 2002, 105 – Bildagentur; OLG Hamburg ZUM 1998, 665; OLG Hamburg ZUM 1998, 663; LG Hamburg AfP 1991, 762; a.A. OLG Celle NJW-RR 2002, 259: es handele sich um einen Vertrag sui generis. 3 OLG München ZUM 2008, 982. 4 BGH AfP 2002, 215 = GRUR 2002, 282 = WRP 2002, 105 – Bildagentur.
202
Bildbeschaffung
Tz. 45 § 9
bestreitet.1 Gegen die daraus resultierenden Risiken können sich die Verlage nur schützen, indem sie durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass der Beweis der Rückgabe geführt werden kann. Die von den Fotografen oder den von ihnen beauftragten Agenturen im Fall verspäteter oder unterbliebener Rückgabe in der Regel geforderten pauschalierten Blockierungshonorare werden allerdings nur geschuldet, wenn ihre Zahlung im Einzelfall vereinbart ist. Einen Handelsbrauch, auf den sich die Fotografen oder Agenturen berufen könnten, gibt es nicht. Insbesondere die MFM-Marktübersicht2 sieht derartige Pauschalen nicht vor. Mangels Vereinbarung von Pauschalen kann eine Agentur, die Bilder verspätet zurückerhält, Schadenersatzansprüche daher allenfalls dann geltend machen, wenn sie nachweist, dass sie die Bilder innerhalb der Verzugsfrist anderweitig hätte verwenden können.
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Wo in der Regel nach Tagen bemessene Blockierungs- oder Verlusthonorare vereinbart sind, kommt es wegen der Honorarforderungen der Fotografen nicht selten zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Versuche der betroffenen Verlage, die Wirksamkeit derartiger Vereinbarungen anzugreifen, die fast immer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, sind in der Regel ohne Erfolg geblieben,3 sofern die Fotografen oder Agenturen die ordnungsgemäße Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag nachweisen konnten. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit derartiger Vereinbarungen, insbesondere unter dem rechtlichen Aspekt des Verstoßes gegen zwingende Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB, sind in der Regel nicht ersichtlich.4 Auch die Herabsetzung von Verlust- oder Blockierungshonoraren nach den Grundsätzen über die Herabsetzung von Vertragsstrafen kommt nicht in Betracht, da Verlagen nach § 348 HGB die Berufung auf die insoweit einschlägige Vorschrift des § 343 BGB verwehrt ist.
44
Allerdings gilt das nur, solange die auf dem Wege von Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffenen Vereinbarungen inhaltlich einer Angemessenheitskontrolle Stand halten. So hat etwa das Oberlandesgericht Celle5 Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Verlusthaftung des Verlages in Höhe von 1.000,– DM pro Tag und Bild auch für den Fall vorsahen, dass der Verlag den Verlust nicht zu vertreten hatte, als einen Verstoß gegen § 9 AGBG6 und damit als unwirksam angesehen. Unwirksam sind auch Allgemeine Geschäftsbedingungen, die dem Verlag den Nachweis abschneiden, dass dem Fotografen oder der Agentur aufgrund des Verlusts von Bildern ein Schaden entstanden ist, der niedriger ist als derjenige Betrag, der sich aus der vereinbarten Pau-
45
_______________
1 OLG Hamburg ZUM 1998, 665; OLG Hamburg ZUM 1998, 663; LG Hamburg AfP 1991, 762; a.A. OLG Celle NJW-RR 2002, 259, wonach der Nachweis des Verlags ausreicht, dass er bei der Versendung die branchenübliche Sorgfalt eingehalten hat. 2 Oben Tz. 39a. 3 OLG Hamburg AfP 1986, 336; LG Hamburg AfP 1986, 352; LG Köln AfP 1987, 533; OLG München AfP 1998, 513. 4 OLG München AfP 1998, 513, 515. 5 OLG Celle ZUM 1998, 661. 6 Nunmehr § 307 Abs. 1 und 2 BGB.
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§ 9 Tz. 45a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
schalierung ergibt1; dieser Nachweis gilt insbesondere dann als geführt, wenn aus einer Serie weitgehend gleicher Genrebilder von wiederholbaren Situationen nur einzelne Bilder verlorengehen.2 Und das Landgericht Hamburg3 hat zu Recht Allgemeine Geschäftsbedingungen über Blockierungshonorare als unwirksam angesehen, die keine Obergrenze und im Übrigen vorsahen, dass die Blockierungsgebühr für den Verlust auch solcher Diapositive zu zahlen war, deren Originale die betreffende Agentur zurückbehalten hatte und die sie daher auch nach dem Verlust der einem Verlag überlassenen Kopien noch auswerten konnte. 45a
Einer besonders kritischen Betrachtung bedarf im Einzelfall die Regelung des Verhältnisses zwischen Verlust- und Blockierungshonoraren in den einzelnen Klauselwerken der Agenturen und Fotografen. Die jeweiligen Bestimmungen sind häufig nicht hinreichend aufeinander abgestimmt mit der Folge, dass Agenturen nicht selten zunächst für längere Zeiträume die Zahlung von Blockierungshonoraren und erst im Anschluss daran die Zahlung des Verlusthonorars fordern. Klauseln, aus denen sich Blockierungshonorare errechnen, die höher sind als die in denselben Bedingungen vereinbarten Verlusthonorare, sind wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam,4 einer Bestimmung, auf die sich auch die Verlage als unternehmerisch geführte Betriebe berufen können.5 Soweit derart zweigleisige Vereinbarungen dennoch wirksam sind, haben die Redaktionen durch die Wahl der günstigsten Alternative die Möglichkeit, den ihnen verbleibenden Spielraum zu nutzen und insbesondere bei unklarer interner Situation im Zweifel frühzeitig den Verlust zu erklären, statt zunächst für längere Zeiträume vergeblichen Suchens hohe Blockierungshonorare zu bezahlen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der hier erörterten Klauseln ist aber auch in diesem Zusammenhang, dass sie in rechtlich einwandfreier Weise in die Vertragsbeziehungen zwischen Agentur bzw. Fotografen und Verlag einbezogen worden sind. Ist das der Fall, können sich Verlage gegen die aus solchen Klauseln resultierenden Risiken nur dadurch einigermaßen verlässlich schützen, dass sie durch geeignete Vorkehrungen im internen organisatorischen Bereich das Risiko des Verlusts bzw. der verspäteten Rückgabe minimieren.
46
Sind vertragliche Regelungen über die Folgen des Verlusts von Diapositiven nicht oder nicht wirksam zustande gekommen, richten sich die Rechtsfolgen nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen.6 Dann sind die Agenturen oder Fotografen auf den Nachweis angewiesen, dass ihnen durch den Verlust oder die verspätete Rückgabe ein konkreter Schaden entstanden ist. Dabei kann es schadensmindernd zu berücksichtigen sein, wenn der Fotograf die Originale der Negative oder Diapositive übersandt hat, ohne für die Auswertung geeignete Kopien zurück zu behalten; dieser Nachweis gilt insbesondere _______________
1 § 309 Nr. 5 BGB; dazu BGH AfP 2002, 215 = GRUR 2002, 282 = WRP 2002, 105 – Bildagentur. 2 LG Köln AfP 1987, 533; LG Hamburg AfP 1991, 762. 3 LG Hamburg ZUM 2004, 148. 4 LG Hamburg ZUM 2004, 148. 5 Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rz. 39 ff. m.N. 6 BGH AfP 2002, 215 = GRUR 2002, 282 = WRP 2002, 105 – Bildagentur.
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Bildbeschaffung
Tz. 48 § 9
dann als geführt, wenn aus einer Serie weitgehend gleicher Genrebilder von wiederholbaren Situationen nur einzelne Bilder verlorengehen. Gerichte haben allerdings in der Vergangenheit mehrfach derartige Schadenersatzforderungen in Höhe von Beträgen zwischen 250,– Euro und 1.500,– Euro für jedes verlorene Diapositiv auch dann zugesprochen, wenn die klagenden Fotografen den Nachweis einer konkreten Schädigung etwa durch den Verlust anderweitiger Verwertungsmöglichkeiten nicht führen konnten, und dies mit Feststellungen von Sachverständigen über den üblichen Wert derartiger Diapositive1 bzw. mit einer angeblichen Branchenüblichkeit2 begründet. Gelegentlich überlassen Fotografen den Verlagen insbesondere schwarz/weißAbzüge gegen Zahlung eines Entgelts zu Archivierungszwecken. Derartige Vereinbarungen sind entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg3 mangels ausdrücklicher Vereinbarung rechtlich nicht als Kaufvertrag zu werten, aufgrund dessen der Verlag das Eigentum an den betreffenden Bildern erwirbt.4 Sofern hinsichtlich des Rechts des Verlags zur Veröffentlichung solcher Bilder nichts Konkretes vereinbart wurde, kommt allerdings im Regelfall durch die Übersendung ein konkludent abgeschlossener Lizenzvertrag zustande, aufgrund dessen der Verlag für die Veröffentlichung einzelner archivierter Bilder eine Lizenzgebühr nach üblichen Sätzen zu entrichten hat.5 Abweichend hiervon kann sich ein einmaliges oder auch uneingeschränktes Veröffentlichungsrecht aus einer ungewöhnlichen Höhe des für die Überlassung der Bilder vereinbarten Kaufpreises ergeben. Auslegungsstreitigkeiten können und sollten aber in solchen Fällen durch den Abschluss von Vereinbarungen vermieden werden, die nicht nur die Eigentumsverschaffung, sondern auch die Modalitäten der Nutzungsrechtsüberlassung möglichst konkret regeln.
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c) Fehlen vertraglicher Regelungen Nicht selten kommt es in der Praxis vor, dass Fotos ohne wirksame Nutzungsberechtigung auf Seiten des Verlags veröffentlicht werden. Das kann im Einzelfall auf Vorsatz, wird aber in der Regel darauf beruhen, dass sich der Verlag in einem Irrtum über den Umfang der ihm eingeräumten Nutzungsberechtigung befindet wie etwa in den Fällen des mehrfachen Abdrucks eines Fotos, für das nur eine einmalige Abdruckberechtigung erworben wurde,6 der Veröffentlichung von zu Archivierungszwecken käuflich erworbenen Fotos ohne Zahlung des trotz des Erwerbs geschuldeten Veröffentlichungshonorars7 oder der Veröffentlichung in Nutzungsarten, auf die sich die Nutzungsrechtseinräumung nicht erstreckt. Dann steht dem betroffenen Fotografen neben _______________
1 OLG Hamburg ZUM 1998, 663 unter Hinweis auf OLG Karlsruhe v. 21.6.1991 – 15 U 141/90, unveröffentlicht; OLG Hamburg ZUM 1998, 665. 2 LG Köln AfP 1987, 533 mit zutreffend kritischer Anmerkung Damm. 3 OLG Hamburg AfP 1989, 751 = GRUR 1989, 912 – Spiegel-Fotos; Riedel, Rz. 71. 4 BGH AfP 2007, 205 = GRUR 2007, 693 = ZUM 2007, 655 = WRP 2007, 986 – Archivfotos; oben Tz. 32a. 5 OLG Hamburg AfP 1989, 751 = GRUR 1989, 912 – Spiegel-Fotos. 6 OLG Hamburg GRUR 1999, 87. 7 OLG Hamburg AfP 1989, 751 = GRUR 1989, 912 – Spiegel-Fotos; oben Tz. 47.
205
48
§ 9 Tz. 49
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
dem Unterlassungsanspruch gemäß § 97 UrhG ein Anspruch auf Schadenersatz zu, der in aller Regel in der Form des Anspruchs auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr geltend gemacht und zugesprochen wird. Erfolgt in solchen Fällen die Veröffentlichung ohne Urheberbenennung, so können die Fotografen ferner nach der heute maßgeblichen Rechtsprechung den Anspruch auf Zahlung eines Zuschlags von 100 % zum angemessenen Veröffentlichungshonorar geltend machen.1 49
Häufig fordern die Fotografen in diesen Fällen neben diesem Zuschlag einen so genannten Verletzerzuschlag von weiteren 100 %. Einen solchen Zuschlag durch Verdoppelung einer tariflichen Lizenzgebühr erkennt die Rechtsprechung2 ausnahmsweise den gesetzlichen Verwertungsgesellschaften wie etwa der GEMA als Ausgleich dafür zu, dass sie zur Verhinderung bzw. Aufdeckung von Urheberrechtsverletzungen einen umfangreichen Kontrollapparat mit erheblichen Kosten aufbauen und unterhalten müssen. Über diese Sondersituation hinaus ist der Anspruch aber nicht verallgemeinerungsfähig. Entgegen einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf,3 die einen Fall vorsätzlicher Rechtsverletzung betraf, steht dieser Verletzerzuschlag daher auch Fotografen in den Fällen vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung ihrer Urheberrechte nach ganz herrschender gerichtlicher Praxis nicht zu.4
_______________
1 Oben Tz. 39a. 2 BGH NJW 1988, 1847 = GRUR 1988, 296 – GEMA – Vermutung IV; BGHZ 97, 37 = NJW 1987, 1405 – Filmmusik. 3 LG Düsseldorf ZUM 1994, 52. 4 OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 194 = ZUM 1998, 668 = MMR 1998, 147; OLG Hamburg ZUM 1998, 324; LG Berlin ZUM 1998, 673; LG Münster NJW-RR 1996, 32.
206
§ 10 Grenzen und Grenzformen der Recherche Bei ihren Bemühungen um Informationen laufen Journalisten Gefahr, nicht nur ohne rechtliche Grundlage zu handeln, sondern auch aktiv in geschützte Rechte ihrer Zielpersonen einzugreifen. Solche Rechte, die schon dem Versuch der Recherche entgegenstehen können, sind zum Teil strafrechtlich geschützt. Aber auch dort, wo das Strafrecht keine Sanktionen bereithält, ist die Recherche nicht unbedingt frei, vielmehr greifen unter Umständen zivilrechtliche Auffangtatbestände wie vor allem das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ein.
1
Aus der Tatsache, dass die Medien den übrigen Teilnehmern am Rechtsverkehr trotz der gesetzgeberischen Wertung ihrer Recherchetätigkeit als öffentlicher Aufgabe nicht mit hoheitlichem Anspruch, sondern auf Gleichordnungsebene gegenübertreten, folgt, dass es im Verhältnis zwischen Medien und anderen privaten Rechtssubjekten kein Sonderrecht der Medien gibt. Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG wird die Pressefreiheit durch die allgemeinen Gesetze beschränkt. Das sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts alle Gesetze,
2
„… die sich nicht speziell gegen die Presse, insbesondere nicht gegen die Beschaffung einer Information oder die Äußerung einer Meinung als solcher richten, die vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Information oder Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen, eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Pressefreiheit den Vorrang genießt.“1
Bei den im Folgenden darzustellenden straf- und zivilrechtlichen Bestimmungen handelt es sich um allgemeinen Gesetze im Sinn dieser Definition, da sie sich nicht gegen die Medien als solche oder gegen bestimmte Informationen oder Meinungen richten, sondern Allgemeingültigkeit gegenüber jedermann beanspruchen. Die Medien sind daher an diese Gesetze auch im Rahmen ihrer Recherchetätigkeit gebunden. Ihr Informationsanspruch stellt keine Rechtfertigung der Verletzung von Straftatbeständen oder Normen des zivilrechtlichen Deliktsrechts dar; die Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit gewährleisten die Verbreitung, aber nicht die rechtswidrige Beschaffung von Informationen.2 So konnte etwa ein Fernsehjournalist, der nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York auf einer Reihe von Inlandsflügen heimlich ein Butterflymesser bei sich trug, um Sicherheitslücken in der Fluggastkontrolle auf den von ihm genutzten deutschen Flughäfen aufzudecken, und der dadurch gegen eine Bestimmung des Luftverkehrsgesetzes3 verstieß, sein Vorgehen nicht etwa damit rechtfertigen, dass es durch das Grundrecht der Rundfunkfreiheit gedeckt sei; Gesetzesverstöße bei der Beschaffung von Informationen sind durch dieses Grundrecht ebenso wenig zu _______________
1 BVerfG NJW 1958, 257 – Lüth; ständige Rechtsprechung; vgl. dazu Löffler/Bullinger, § 1 LPG Rz. 255 ff. 2 BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher; BVerfG NJW 2004, 1855 = ZUM 2004, 556; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 53; Macht, AfP 1999, 317 ff. 3 § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LuftVG a.F.
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§ 10 Tz. 2a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
rechtfertigen wie durch den rechtlichen Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs von § 193 StGB.1 2a
Damit ist allerdings die Frage, ob und inwieweit Informationen veröffentlicht werden dürfen, die sich die Medien unter Verletzung straf- oder zivilrechtlicher Bestimmungen verschaffen oder die ihnen auf diese Weise zugehen, noch nicht entschieden. Auf sie wird in anderem Zusammenhang einzugehen sein.2 1. Strafrechtliche Schranken der Recherche
3
Als strafrechtlich sanktionierte Rechte, die dem Informationsbedürfnis der Medien im Einzelfall Grenzen setzen können, kommen im Wesentlichen der Schutz der häuslichen Sphäre sowie die Bestimmungen über den (strafrechtlichen) Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs in Betracht. a) Hausrecht
4
Das Hausrecht privater Personen und Institutionen ist strafrechtlich durch den Tatbestand des Hausfriedensbruchs gemäß § 123 Abs. 1 StGB geschützt. Verstöße werden allerdings nur auf Antrag des Verletzten verfolgt.3 Die Bestimmung ist Schutzgesetz im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB, und derjenige, dessen Hausrecht verletzt wird, kann vom Verletzer Unterlassung und gegebenenfalls Schadenersatz verlangen. Der Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfasst die private häusliche Sphäre ebenso wie Geschäftsräume. Er schützt die Wohnung, die Geschäftsräume oder das sonstige umfriedete Besitztum gegenüber dem unberechtigten Zutritt durch jedermann und damit auch durch Journalisten. Er greift nicht ein, wo es am Merkmal der Widerrechtlichkeit des Eindringens fehlt. Das ist insbesondere bei allgemein zugänglichen Räumen der Fall,4 die daher auch von Journalisten zu Informationszwecken betreten werden dürfen. Speziell gegenüber Journalisten versagt das Hausrecht, soweit es sich um den Zutritt zu öffentlichen Versammlungen handelt, da Pressevertreter von ihnen nicht ausgeschlossen werden dürfen.5
5
Soweit aber das Hausrecht einer Person oder Institution dem Zutritt durch Dritte entgegensteht, rechtfertigt der Wunsch der Medien, den Inhaber des Hausrechts zu befragen oder sich dort sonstige Informationen zu beschaffen, prinzipiell nicht den Zutritt zu Privat- oder Geschäftsräumen. Wie es, von extremen Ausnahmesituationen abgesehen, keinen gesetzlichen oder übergesetzlichen Auskunftsanspruch der Medien gegenüber Privaten gibt, so wird auch eine übergesetzliche Rechtfertigung der Verletzung der räumlichen Pri_______________
1 2 3 4 5
OLG Düsseldorf AfP 2006, 78. Unten § 12 Tz. 72 ff. § 123 Abs. 2 StGB. Fischer, § 123 StGB Rz. 10 f. § 6 Abs. 2 VersammlG; oben § 6 Tz. 23.
208
Grenzen und Grenzformen der Recherche
Tz. 7 § 10
vatsphäre durch recherchierende Journalisten nicht anerkannt.1 Auch Journalisten bedürfen daher, bevor sie zu Recherchezwecken in die geschützte räumliche Sphäre ihrer Zielpersonen eindringen, der Erlaubnis, die ausdrücklich oder auch stillschweigend erteilt werden kann. Das in die Mediengeschichte eingegangene Eindringen von Redakteuren in das Genfer Hotelzimmer des vormaligen Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel mag journalistisch verständlich gewesen sein, rechtlich zulässig war es nicht; auch der Hotelgast hat für die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts ein geschütztes Hausrecht an dem von ihm gemieteten Zimmer.2 b) Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs Strafrechtlich geschützt ist ferner der persönliche Lebens- und Geheimnisbereich gemäß §§ 201 ff. StGB. Auch Verstöße gegen diese Bestimmungen werden gemäß § 205 StGB nur auf Antrag verfolgt.
6
aa) Vertraulichkeit des gesprochenen Worts § 201 StGB stellt die Vertraulichkeit des gesprochenen Worts unter strafrechtlichen Schutz. Nach Abs. 1 Nr. 1 und 2 dieser Vorschrift ist es verboten, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines Anderen auf Tonträger aufzunehmen oder die so hergestellte Aufnahme zu gebrauchen oder einem Dritten zugänglich zu machen. Nicht öffentlich sind Äußerungen unter Anwesenden, wenn die Zahl der Teilnehmer an der betreffenden Veranstaltung faktisch oder rechtlich beschränkt ist. Die Herstellung von Tonaufzeichnungen anlässlich einer verwaltungsrechtlichen Anhörung, die zwar nicht öffentlich im Sinne der einschlägigen Verfahrensordnung ist, an der aber faktisch eine unüberschaubare Anzahl von Personen teilnehmen kann, ist daher nicht strafbar.3 Für die redaktionelle Arbeit ist aber vor allem ein anderer Aspekt dieser Bestimmung von Bedeutung: Sie stellt in der Regel die häufig praktizierte – und dennoch rechtswidrige – Aufnahme von Telefongesprächen auf Tonträger unter Strafe. Das gilt auch für das Mitschneiden von Telefongesprächen über geschäftliche Angelegenheiten.4 Der Wunsch von Redakteuren, durch Mitschneiden eines Telefongesprächs mit einem Informanten oder einer Person, über die berichtet werden soll, größtmögliche Authentizität der beabsichtigten Gesprächswiedergabe zu erreichen oder Beweise zu sichern, rechtfertigt daher die Herstellung einer solchen Aufnahme nicht.5
_______________
1 BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher; LG Hamburg ZUM 2008, 614; Jarass, AfP 1979, 228 ff.; Löffler, BB 1980, 1127 f.; OLG Hamburg UFITA 76 (1976), 354; Wente, S. 72. 2 RGZ 169, 87; Fischer, § 123 StGB Rz. 3; für den erwähnten Fall Barschel: Schweizerisches Bundesgericht NJW 1994, 504. 3 OLG Nürnberg NJW 1995, 974. 4 BGH NJW 1988, 1016. 5 BVerfG AfP 2003, 36 = NJW 2002, 3619 = WM 2002, 2290 = MMR 2003, 35; BGH NJW 2003, 1727.
209
7
§ 10 Tz. 7a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
7a
Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB ist es ferner strafbar, das nicht zur Kenntnis des Täters bestimmte nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abzuhören. Auch diese Bestimmung hat praktische Relevanz in erster Linie im Bereich von Telefon- oder Funkgesprächen, wenngleich auch der klassische Lauschangriff durch Platzierung von Abhörvorrichtungen in fremden Räumen von ihr erfasst wird. Verboten ist danach die Benutzung jeder Art Abhörvorrichtung, mithin eines technischen Geräts. Strafbar ist bereits das Abhören als solches und nicht erst die Herstellung einer Aufnahme des abgehörten Gesprächs. Lauschen an der Wand ist demgegenüber nicht strafbar.1 Gleiches hat der Bundesgerichtshof2 in einer älteren und schon damals nicht unumstrittenen Entscheidung für die Benutzung einer Mithöranlage wie eines Zweithörers oder einer Lautsprechereinrichtung im Telefonverkehr angenommen, und zwar nicht nur im geschäftlichen, sondern auch im privaten Bereich, weil Derartiges im Telefonverkehr inzwischen üblich und daher eine jedenfalls konkludente Einwilligung des Gesprächspartners zu erwarten sei. Diese Auffassung beseitigt, soweit die Gerichte ihr heute noch folgen sollten, aber nur die Straflosigkeit des Mithörens, nicht hingegen diejenige des Herstellens technischer Aufzeichnungen vertraulich geführter Gespräche.
7b
Das Bundesverfassungsgericht wie auch das Bundesarbeitsgericht vertreten demgegenüber bereits seit längerem die Auffassung, dass das heimliche Mithören jedenfalls eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Gesprächspartners darstellt und dass etwa Informationen, die ein Arbeitgeber durch Mithören eines Telefongesprächs seines Arbeitnehmers erhält, im Prozess unverwertbar sind, selbst wenn dieser von der Existenz der Mithöranlage Kenntnis hat.3 Dieser Auffassung hat sich inzwischen auch der Bundesgerichtshof angeschlossen.4 Daher ist heute davon auszugehen, dass in Telefongesprächen zwischen Redakteuren und ihren Informanten oder denjenigen, über die berichtet werden soll, nicht erst die Herstellung einer Tonaufnahme, sondern bereits das Mithören eines solchen Gesprächs durch einen Zeugen strafbar ist.
7c
Strafbar sind aber seit der Ergänzung des § 201 StGB durch das 25. Strafrechtsänderungsgesetz im Jahr 1990 nicht nur das Abhören des nicht öffentlich gesprochenen Worts gemäß Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie die Herstellung von Aufnahmen gemäß Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Vorschrift. § 201 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB stellt es vielmehr auch unter Strafe, das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 abgehörte nicht öffentlich gesprochene Wort eines Anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitzuteilen. Diese für die Medien unmittelbar relevante Bestimmung gilt allerdings nach dem ausdrücklichen Wortlauts des Gesetzes nur dann, _______________
1 Schönke/Schröder/Lenckner, § 201 StGB Rz. 18. 2 BGH NJW 1982, 1397; a.A. BVerfG NJW 1992, 815; LAG Berlin JZ 1982, 258; weitere Nachw. bei Fischer, § 201 StGB Rz. 7; a.A. Schönke/Schröder/Lenckner, § 201 StGB Rz. 19. 3 BVerfG NJW 1992, 815; BVerfG NJW 2002, 3619; BAG NJW 1998, 1331. 4 BGH NJW 2003, 1727.
210
Grenzen und Grenzformen der Recherche
Tz. 8 § 10
„… wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines Anderen zu beeinträchtigen. Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.“1
Damit hat der Gesetzgeber das Instrumentarium der Güterabwägung in das Strafgesetzbuch übernommen,2 das das Verhältnis zwischen den Medienfreiheiten und den Rechten Dritter im Zivilrecht seit jeher prägt.3 Ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zivilrechtlich zulässig, wenn die Medien rechtswidrig beschafftes Material im Fall eines überwiegenden Informationsinteresses der Öffentlichkeit trotz der Fragwürdigkeit seiner Herkunft veröffentlichen,4 so ist dieses Verhalten nach § 201 Abs. 2 Satz 3 StGB auch nicht strafbar. Die Vorschrift unterscheidet damit zwischen dem stets unzulässigen Abhören und der ebenfalls stets unzulässigen Herstellung heimlicher Tonaufnahmen einerseits und der Verwertung derartiger Aufnahmen andererseits. Nur für die Verwertung auf strafbarem Weg gewonnener Informationen zieht das Gesetz die Schwelle der Beeinträchtigung berechtigter Interessen eines Anderen ein, so dass die Weitergabe durch Abhören erlangter belangloser Informationen schlechthin nicht strafbar ist. Und selbst wenn diese Schwelle überschritten wurde und die auf strafbarem Weg gewonnen Informationen berechtigte Belange Dritter beeinträchtigen können, bleibt ihre Veröffentlichung straffrei, wenn an ihrem Inhalt ein überragendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Auf diesem Weg vollzieht das Gesetz für den Bereich des Strafrechts nach, was die Rechtsprechung im zivilrechtlichen Konfliktfeld zwischen den Medienfreiheiten und insbesondere dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht als geltende Standards entwickelt hat. In allen Varianten des § 201 StGB ist die Tat nur auf Antrag des Verletzten strafbar.5 Ausgenommen ist lediglich die durch § 201 Abs. 3 StGB unter schwerere Strafe gestellte Begehung dieser Taten durch Amtsträger oder sonstige Angehörige des öffentlichen Dienstes, die von Amts wegen zu verfolgen ist.
7d
bb) Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Herstellung und Verbreitung von Bildaufnahmen Durch das 36. Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. Juli 2004 hat der Gesetzgeber entsprechend dem Schutz des nicht öffentlich gesprochenen Worts durch den in das Gesetz eingefügten § 201a StGB auch – wiederum unter dem Vorbehalt eines insoweit gestellten Strafantrags gemäß § 205 StGB – unter der Überschrift „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ das unerlaubte Anfertigen heimlicher Bildaufnahmen von Personen unter Strafe gestellt.6 Nach § 201a Abs. 1 StGB wird bestraft, wer _______________
1 2 3 4 5 6
§ 201 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB. Schönke/Schröder/Lenckner, § 201 StGB Rz. 33a. Dazu im Einzelnen unten § 19 Tz. 1 ff. Dazu im Einzelnen unten § 12 Tz. 72 ff., 84 ff. § 205 StGB. Dazu im Einzelnen Wendt, AfP 2004, 181 ff.; Kühl, AfP 2004, 190 ff.; Scherz, AfP 2005, 421 ff.
211
8
§ 10 Tz. 8a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
„… von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt.“
Entsprechend der Regelung in § 201 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB wird auch bestraft, wer entgegen Abs. 1 hergestellte Aufnahmen gebraucht oder Dritten zugänglich macht,1 und Abs. 3 der Vorschrift stellt den weiteren Fall unter Strafe, in dem jemand befugtermaßen in einer Wohnung oder einem anderweitig gegen Einblicke besonders geschützten Raum hergestellte Aufnahmen „… wissentlich unbefugt einem Dritten zugänglich macht und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt.“
Bei dieser Tatbestandsvariante handelt es sich nicht um den Fall des voyeuristischen Eindringens in den höchstpersönlichen Lebensbereich eines Anderen, sondern um einen Fall des Vertrauensbruchs, dessen Pönalisierung im Hinblick auf die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich problematisch erscheint.2 8a
Diese Vorschriften, gegen deren Einführung seitens der Medienwirtschaft wegen ihres Potenzials zu Eingriffen in die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nachdrückliche Bedenken vorgebracht wurden,3 sind als eindeutige Reaktion des Gesetzgebers auf den seit den 90iger Jahren des 20. Jahrhunderts schnell zunehmenden Papparrazzi-Fotojournalismus zu verstehen.4 Sie richten sich gegen die Verletzung eines höchstpersönlichen Rückzugsbereichs des Individuums vornehmlich durch die Herstellung voyeuristischer Aufnahmen in Schwimmbädern, Toiletten, Arztpraxen oder Umkleidekabinen und damit gegen Eingriffe in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Zielpersonen, die in aller Regel nicht durch ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt sein können.5 Sie ergänzen für diese Fälle den Straftatbestand des § 33 KUG, der die Verbreitung von Lichtbildern unter Verletzung des Rechts des Betroffenen am eigenen Bild gemäß §§ 22, 23 KUG seit jeher unter Strafe stellt, und übertragen damit die oben6 dargestellte Regel konsequent in den Bereich des Strafrecht, dass die Herstellung von Lichtbildern und Filmaufnahmen von Individuen jedenfalls immer dann als Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Zielperson anzusehen ist, wenn es auch die Verbreitung der hergestellten Aufnahmen wäre. Da die Verbreitung von Bildern der hier in Rede stehenden Art stets nach § 33 KUrhG strafbar ist, weil sie nicht von den Rechtfertigungsgründen des § 23 Abs. 1 KUrhG gedeckt sein kann, ist es aus der Sicht des Gesetzgebers nur konsequent, jedenfalls insoweit bereits die Herstellung der Bilder zu pönalisieren, wie dies im Bereich des gesprochenen Worts im Rahmen des § 201 StGB ohnehin geschieht. _______________
1 § 201a Abs. 2 StGB; dazu im Einzelnen Flechsig, ZUM 2004, 605 ff. unter II 2. 2 Borgmann, NJW 2004, 2133 ff. 3 Vgl. die gemeinsame Stellungnahme der Medienverbände zum Entwurf eines so genannten Intimsphäregesetzes in AfP 2004, 110 ff. 4 Zur Entstehungsgeschichte vgl. insbesondere Kühl, AfP 2004, 190 ff. und Wendt, AfP 2004, 181 ff. 5 Wendt, AfP 2004, 181 ff. unter IV 7 d bb (2). 6 § 9 Tz. 5 f.
212
Grenzen und Grenzformen der Recherche
Tz. 9 § 10
Gegen die Verfassungsmäßigkeit der neuen Straftatbestände bestehen daher, mit Ausnahme desjenigen in § 201 Abs. 3 StGB, entgegen der von den Medienverbänden im Gesetzgebungsverfahren vertretenen Auffassung keine Bedenken, sofern sie in der Rechtsanwendung restriktiv und damit verfassungskonform ausgelegt werden.1 Auch nach § 201a StGB ist aber nicht jede ungenehmigte Herstellung der Abbildung einer Person strafbar. Die Strafbarkeit setzt vielmehr zum Einen voraus, dass der Fotograf oder Kameramann die besondere Abgeschiedenheit einer Wohnung oder eines sonstigen gegen Einblicke besonders geschützten Raums überwindet, und zum Anderen, dass er dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich des Abgebildeten verletzt. Entgegen im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Befürchtungen reicht mithin die bloße Überwindung der räumlichen Schranken der Bildaufnahme durch das Eindringen in die Wohnung oder den anderweitig geschützten Raum allein für die Strafbarkeit nicht aus. Die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs des Abgebildeten ist vielmehr ein weiteres, selbständiges Tatbestandselement, das zum Eindringen hinzu treten muss. Dieses Tatbestandsmerkmal enthält ein wertendes Element, das im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG nicht unproblematisch ist,2 das aber verfassungsrechtlicher Kontrolle im Ergebnis Stand halten wird, wenn der Straftatbestand im Lichte der Gewährleistung der Medienfreiheiten durch Art. 5 Abs. 1 GG verfassungskonform ausgelegt und nur auf die Fälle des direkten Eingriffs in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Verletzten angewandt wird, für die er nach der Intention des Gesetzgebers bestimmt ist.3 Dann aber mag es durchaus sein, dass die Aufnahme von Bildern oder Filmen, deren Verbreitung gemäß § 33 KUG strafbar ist, von den Straftatbeständen des § 201a StGB noch nicht erfasst wird.
8b
Die Vorschrift des § 201a StGB enthält nicht die aus § 201 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bekannte Abwägungsklausel, nach der die Strafbarkeit insbesondere im Fall eines überragenden Informationsinteresses der Öffentlichkeit entfällt. Das ist konsequent, weil jene Klausel nur den Fall der Verbreitung rechtswidrig gewonnener Tonaufnahmen betrifft und dieser Fall im Rahmen des Bildnisschutzes durch § 33 KUG gesondert geregelt ist. Der Gesetzgeber will mit der Formulierung des Tatbestands insbesondere des § 201a Abs. 1 StGB von vornherein nur die Fälle des nicht zu legitimierenden Voyeurismus in den privaten Rückzugsbereich erfassen und durfte daher davon ausgehen, dass eine Legitimation des Vorgehens der Fotografen unter dem Aspekt des überragenden Informationsinteresses schlechthin nicht in Betracht kommt.
8c
cc) Briefgeheimnis § 202 StGB schützt das so genannte Briefgeheimnis. Auch diese Bestimmung stellt eine Schranke für die journalistische Recherche dar. Nach ihr ist es ver_______________
1 Vgl. dazu im Einzelnen Wendt, AfP 2004, 181 ff. unter IV 7 d; Flechsig, ZUM 2004, 605; Kühl, AfP 2004, 181. 2 Borgmann, NJW 2004, 2133 ff.; Schönke/Schröder/Lenckner, § 201a StGB Rz. 6. 3 Wendt, AfP 2004, 181 ff., unter IV 7 d; Flechsig, ZUM 2004, 605 ff. unter III.
213
9
§ 10 Tz. 10
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
boten, verschlossene Briefe oder andere verschlossene Schriftstücke, die nicht zur Kenntnisnahme durch den Täter bestimmt sind, zu öffnen oder sich vom Inhalt eines solchen Schriftstücks durch Anwendung technischer Mittel Kenntnis zu verschaffen. Gleichgestellt sind solche Schriftstücke, die zwar nicht ihrerseits verschlossen, die aber durch ein verschlossenes Behältnis gegen unbefugte Kenntnisnahme besonders gesichert sind, wie etwa durch einen Safe. Gleichgestellt sind nach § 202 Abs. 3 StGB ferner Abbildungen, die ebenfalls nicht zur Kenntnis genommen werden dürfen, wenn sie im verschlossenen Umschlag oder etwa in einem Bankschließfach verwahrt werden. Täter und damit strafbar ist derjenige, der den Verschluss oder das Behältnis öffnet, ohne dass es darauf ankommt, ob der Inhalt in irgend einer Weise geheimhaltungsbedürftig oder entsprechend gekennzeichnet ist. Allein derjenige, der ein Schriftstück oder eine Abbildung durch Verschließen oder Einschließen gegen Kenntnisnahme durch Dritte besonders sichert, soll darüber disponieren dürfen, ob und durch wen diese Sicherung aufgehoben wird. 10
Anders als im Rahmen von §§ 201 und 201a StGB die Verletzung der Vertraulichkeit des gesprochenen Worts ist jedoch nur die Überwindung der Sicherung strafbar, nicht aber die Verwendung des Inhalts des gesicherten Schriftstücks. Werden den Medien daher Materialien als Folge einer Verletzung des Tatbestands des § 202 StGB durch Dritte zugänglich gemacht, so ist die Veröffentlichung dieser Materialien nicht strafbar. Gesondert zu prüfen ist allerdings auch hier, ob sich ein Veröffentlichungsverbot aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten ergibt, wie namentlich dem Urheberrecht des Verfassers des Schriftstücks oder seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht.1 dd) Ausspähen und Abfangen von Daten
11
Durch § 202a StGB ist ferner das so genannte Ausspähen von Daten unter Strafe gestellt, sofern diese elektronisch, magnetisch oder in sonstiger Weise unkörperlich gespeichert sind. Ergänzend stellt § 202b StGB das Abfangen von Daten aus einer nichtöffentlichen Datenübermittlung oder aus der elektromagnetischen Abstrahlung einer Datenverarbeitungsanlage unter Strafe, und nach § 202c StGB sind Vorbereitungshandlungen zu diesen Delikten wie etwa der Handel mit Passwörtern strafbar. Wie schon § 202 StGB sind auch diese Bestimmungen in erster Linie formale Normen insbesondere zum Schutz der Betreiber von Datenbanken vor der Überwindung der technischen Sperren durch unbefugte Nutzer (Hacker). Dass der Inhalt der gespeicherten und gesicherten Daten als solcher geheimhaltungsbedürftig oder sonstwie schutzwürdig ist, kommt zwar in der Regel hinzu, wird aber im Tatbestand dieser Bestimmungen nicht vorausgesetzt, zumal insoweit der Straftatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG ergänzend eingreift.2
12
Daraus folgt die eingeschränkte Bedeutung auch dieser Straftatbestände für die Medien: Auch durch sie sind die Medien selbstverständlich unmittelbar gebunden; kein noch so berechtigtes Informationsinteresse wird den Einbruch _______________
1 Dazu unten § 12 Tz. 84 ff. 2 Fischer, § 202a StGB Rz. 3.
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Grenzen und Grenzformen der Recherche
Tz. 14a § 10
in geschützte Dateien rechtfertigen können. Verletzt aber ein Dritter den Tatbestand und stellt er den Medien die dadurch gewonnenen Daten zur Verfügung, so ist, wie im Fall der Verletzung des Briefgeheimnisses, deren Nutzung durch die Medien nicht strafbar. Ob aus anderen Gründen, wie etwa Persönlichkeitsrechten, ein Veröffentlichungsverbot in Betracht kommt, ist anhand des Inhalts des so gewonnenen Datenbestands gesondert zu prüfen.1 ee) Verletzung von Privatgeheimnissen Die in der Praxis wohl bedeutsamste strafrechtliche Norm zum Schutz der Privatsphäre ist die Bestimmung des § 203 StGB über die Verletzung von Privatgeheimnissen, die im vorliegenden Zusammenhang allerdings nur der Vollständigkeit halber zu erwähnen ist: Während im Rahmen der §§ 201–202c StGB auch Redakteure Täter sein können und diese Bestimmungen damit unmittelbare Relevanz für die Medien haben, verpflichtet § 203 StGB spezifisch die Angehörigen bestimmter Berufszweige wie der Heilberufe, der rechts- und steuerberatenden Berufe oder des öffentlichen Dienstes zur Verschwiegenheit über diejenigen Angelegenheiten, die ihnen in ihrer beruflichen Eigenschaft anvertraut oder sonstwie bekanntgeworden sind.2 Der Tatbestand des § 203 StGB ist bereits vollendet, wenn der Schweigepflichtige das ihm anvertraute Geheimnis an auch nur eine Person weitergegeben hat, die zur Kenntnisnahme nicht berechtigt ist.3
13
Redakteure scheiden als Täter aus, sofern sie nicht ausnahmsweise zugleich Angehörige einer der in Frage stehenden Berufsgruppen sind und Geheimnisse publizieren, die ihnen selbst in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekanntgeworden sind. Als Anstifter können sie unter Umständen strafbar sein, wenn sie den zur Geheimhaltung Verpflichteten dazu veranlassen, seine Verschwiegenheitspflicht zu brechen.4 Die Verwertung und Veröffentlichung derart offenbarter Geheimnisse durch die Medien ist wie in den Fällen der §§ 202 und 202a und b StGB nicht strafbar. Um so mehr wird aber auch in diesem Zusammenhang zu prüfen sein, ob nicht die Nutzung und Veröffentlichung von Informationen, die die Medien durch einen solchen Geheimnisbruch erlangt haben, nach zivilrechtlichen Kriterien unzulässig ist.5
14
ff) Nachstellung Schließlich kommt in seltenen Ausnahmefällen als Schranke journalistischer Recherchetätigkeit der durch das 40. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. März 2007 neu eingeführte und unter dem Begriff des Stalking bekannt gewordene Straftatbestand der Nachstellung gemäß § 238 StGB in Betracht.
_______________
1 2 3 4 5
Dazu unten § 12 Tz. 84 ff. Dazu schon oben § 7 Tz. 7 ff. Wente, S. 216. Fischer, § 203 StGB Rz. 49. Dazu unten § 12 Tz. 84 ff.
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14a
§ 10 Tz. 15
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Nach Abs. 1 dieser Vorschrift wird auf Antrag des Betroffenen1 unter Anderem bestraft, wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich „1. seine räumliche Nähe aufsucht, 2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln oder sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht, oder … 5. eine andere vergleichbare Handlung vornimmt und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt.“
Dieser Straftatbestand, der sich, wie schon die weiteren Handlungsvarianten gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB zeigen, seiner Zielrichtung nach nicht in erster Linie gegen die Tätigkeit von Medienmitarbeitern richtet, kann gleichwohl in Ausnahmefällen auch auf Recherchemaßnahmen anwendbar sein. Zu denken ist etwa an Konstellationen wie diejenige nach dem Rücktritt des damaligen Bundesfinanzministers Lafontaine im März 1999, als Journalisten tagelang vor dem Wohnhaus des Betroffenen Stellung bezogen, um Stellungnahmen von ihm zu erhalten, und ihre Positionen auch nicht räumten, als Lafontaine sie vom Balkon seines Hauses aus bat, ihn in Ruhe zu lassen, und erklärte, er werde in absehbarer Zeit zu seinem Schritt keine öffentlichen Erklärungen abgeben. Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieses Straftatbestands bestehen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgrundsatzes gemäß Art. 103 Abs. 2 GG gravierende Bedenken,2 die allenfalls dann nicht zum Tragen kommen dürften, wenn die Gerichte sie in einschlägigen Fällen insbesondere im Lichte der Mediengewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungskonform auslegen. 2. Zivilrechtliche Schranken der Recherche 15
Neben die erörterten strafrechtlichen Bestimmungen können als Schranken für die Informationsermittlungsfreiheit der Medien die zivilrechtlichen Regeln insbesondere über den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts treten. Verstöße gegen diese Regeln sind, sofern der Täter nicht zugleich gegen Straftatbestände wie etwa diejenigen der §§ 201 oder 201a StGB verstößt, nicht strafbar; sie werden in der Regel sanktionslos bleiben. In krassen Fällen können sie dazu führen, dass der von rechtswidriger Recherchemaßnahme Betroffene zivilrechtliche Abwehransprüche geltend macht, wofür insbesondere die auf Unterlassung weiteren rechtswidrigen Verhaltens gerichtete einstweilige Verfügung in Betracht kommt. Wie im Bereich der Berichterstattung3 wirkt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schon im Bereich der Recherche der Medien in der Ausprägung einer Reihe von Fallgruppen. a) Aufnahme des gesprochenen Worts
16
Ein generelles Problem, das sich insbesondere bei allen öffentlichen Veranstaltungen ergibt, ist die für die Medien bedeutsame Frage, inwieweit es _______________
1 § 238 Abs. 4 StGB. 2 Einzelheiten bei Fischer, § 238 StGB Rz. 6 m.N. 3 Unten § 19 Tz. 1 ff.
216
Grenzen und Grenzformen der Recherche
Tz. 18 § 10
gestattet ist, Wortbeiträge in öffentlichen Veranstaltungen auf Tonträger aufzunehmen. Das Interesse daran kann nicht nur durch den Wunsch etwa von Rundfunkreportern motiviert sein, Teile der hergestellten Aufnahmen in spätere Sendungen einzublenden, sondern auch durch den Wunsch nach möglichst exakter Aufzeichnung des jeweils gesprochenen Worts zum Zweck späterer redaktioneller Auswertung und Dokumentation sowie eventuell der Verbreitung wörtlicher Zitate. Dieses Problem ist nicht durch einen einfachen Umkehrschluss aus dem Straftatbestand des § 201 StGB zu lösen, der nur die Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Worts unter Strafe stellt. Vielmehr tritt neben den strafrechtlichen der zivilrechtliche Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB, aus dem in der Regel ein Verbot der Herstellung einer Tonaufnahme gegen den Willen des Sprechers oder ohne dessen Kenntnis abgeleitet wird. In Anbetracht des hohen Stellenwerts, den die Rechtsprechung dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht in allen seinen Ausprägungen einräumt, muss davon ausgegangen werden, dass jedermann selbst darüber zu befinden hat, ob er sich nur in der Öffentlichkeit äußern oder ob er es hinnehmen will, dass seine prinzipiell flüchtige Rede durch Herstellung einer Tonaufnahme manifestiert wird und dadurch auf Dauer auch im Detail nach reproduzierbar bleibt.1 Die Herstellung einer Tonaufnahme bedarf daher prinzipiell auch bei öffentlichen Veranstaltungen, zu denen die Medien Zutritt haben, der Einwilligung des jeweiligen Redners oder Diskussionsteilnehmers. Diese Einwilligung kann konkludent erteilt werden. Sie wird regelmäßig als erteilt gelten, wenn für den Redner durch vorgehaltene Mikrophone oder sonst aus den konkreten Umständen ersichtlich ist, dass sein Wortbeitrag aufgezeichnet wird. Sie wird insbesondere auch dann konkludent erteilt, wenn der Sprecher bei einer Veranstaltung das Wort ergreift, für die deren Leiter die Herstellung von Tonaufnahmen generell freigegeben hat, wie dies in der Regel bei öffentlichen Sitzungen der Landesparlamente, des Bundestags und häufig bei Kongressen der Fall sein wird. Die bloße Tatsache, dass ein Wortbeitrag in einer Veranstaltung geleistet wird, die sich im öffentlichen, und zwar auch im staatlichen Bereich abspielt, und an der die Öffentlichkeit berechtigtermaßen teilnimmt, rechtfertigt hingegen die Herstellung einer Tonaufnahme noch nicht. Das gilt auch für Sitzungen der Kommunalvertretungen.2 Die Medien haben in diesen Fällen keinen Anspruch darauf, dass ihnen eine Aufnahmegenehmigung erteilt wird.3
17
b) Schutz des geschriebenen Worts Aber nicht nur das gesprochene Wort gilt als Teil der Persönlichkeit desjenigen, der sich äußert, mit der Folge, dass nur er zu bestimmen hat, ob, unter welchen Umständen und durch wen es auf Tonträger aufgezeichnet werden darf. Für das geschriebene Wort gilt im Prinzip nichts Anderes. Auch hier _______________
1 BVerfG NJW 1973, 891 – Tonbandaufnahme; BGH NJW 1958, 1344 – Tonbandaufnahme; OLG Köln NJW 1979, 661; BVerwG AfP 1990, 349 = NJW 1991, 118. 2 A.A. Wilhelmi, AfP 1992, 221 ff. 3 BVerwG AfP 1990, 349 = NJW 1991, 118.
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§ 10 Tz. 18a
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
kann das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als zivilrechtlicher Auffangtatbestand neben den enger definierten strafrechtlichen Schutz gemäß § 202 StGB und im Übrigen auch neben denjenigen des Urheberrechts des Verfassers treten.1 So kann etwa die Veröffentlichung vertraulicher Vermerke oder auch von Schriftsätzen eines Rechtsanwalts für gerichtliche Verfahren durch die Medien selbst dann als Verletzung von dessen Allgemeinem Persönlichkeitsrecht unzulässig sein, wenn mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen ein urheberrechtlicher Schutz nicht in Anspruch genommen werden kann.2 Allerdings ist das keinesfalls immer der Fall; ein generelles Verbot des Zitierens aus nicht urheberrechtlich geschützten Anwaltsschriftsätzen lässt sich auch aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht ableiten.3 18a
Auch ein Autor, der zu einer die Öffentlichkeit bewegenden Frage mit einer Redaktion korrespondiert und dabei ausdrücklich erklärt, die Korrespondenz sei nicht zur Veröffentlichung bestimmt, muss die gegen diesen Widerspruch erfolgende Veröffentlichung seiner Briefe nicht hinnehmen.4 Derartige schriftliche Äußerungen sind in der Regel ihrer Natur nach nur zur Kenntnisnahme durch die unmittelbar Beteiligten bestimmt, und der Verfasser muss nicht damit rechnen, dass sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Anders als die Veröffentlichung des nicht für die Öffentlichkeit bestimmten geschriebenen Worts ist allerdings die bloße Kenntnisnahme von schriftlichen Äußerungen einer Person vor einer etwaigen Veröffentlichung noch nicht als Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verfassers anzusehen.5 Anderes ist allenfalls dann anzunehmen, wenn es sich um Äußerungen handelt, die der Intimsphäre des Verfassers zuzurechnen und damit ihrer Natur nach nicht zur Kenntnisnahme durch Dritte bestimmt sind. In der Regel greift jedoch die Schrankenfunktion des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Hinblick auf schriftliche Äußerungen erst dort, wo die Entscheidung über die Veröffentlichung fällt.
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Allerdings gilt dieses Veröffentlichungsverbot nicht generell, da das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, anders als in der Regel Straftatbestände, als offener Tatbestand seinerseits nicht absolut definiert ist, seine Tragweite vielmehr nur im Einzelfall unter Abwägung der widerstreitenden Interessen ermittelt werden kann.6 Wie im Rahmen der Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen von der Rechtsprechung7 und im Rahmen des strafrechtlichen Schutzes des gesprochenen Worts in Gestalt von § 201 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt,8 ist im Einzelfall eine Güterabwägung zwischen dem berechtigten Interesse des Verfassers eines Schriftstücks, mit dessen Inhalt nicht der Öffentlichkeit präsentiert zu _______________
1 BGH NJW 1954, 1404 – Leserbrief. 2 LG Hamburg AfP 1988, 170; LG Berlin NJW-RR 2000, 555; vgl. aber unten Tz. 19. 3 KG AfP 2007, 842 = NJW-RR 2007, 234; OLG München AfP 2008, 79 = ZUM 2008, 991. 4 KG NJW 1995, 3392; a.A. noch die Vorinstanz: LG Berlin NJW 1995, 881. 5 A.A. Wente, S. 91. 6 Einzelheiten unten § 12 Tz. 50 ff. und § 19 Tz. 1 ff. 7 Unten § 12 Tz. 74 ff. 8 Oben Tz. 7b.
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Grenzen und Grenzformen der Recherche
Tz. 21 § 10
werden, und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorzunehmen. So hat es etwa das Bundesverfassungsgericht1 als unzulässig angesehen, dass die Zivilgerichte der Autorin eines kritischen Berichts über ein bestimmtes Krankenhaus die Veröffentlichung eines Briefs eines Chefarztes dieses Hauses unter Berufung auf dessen Allgemeines Persönlichkeitsrecht untersagten, weil die Autorin mit der Veröffentlichung dieses Briefs einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten und keine privaten Zwecke verfolgen wollte. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg2 war im Fall des Rechtsanwalts und Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi im Zusammenhang mit der Veröffentlichung seiner Verteidigungsschrift im weithin bekannten und heute auch historisch bedeutsamen Verfahren des damaligen DDR-Regimes gegen den Schriftsteller Robert Havemann dem öffentlichen Informationsinteresse gegenüber dem Persönlichkeitsrecht Gysis der Vorzug zu geben und der Zugriff auf den von ihm verfassten Schriftsatz dementsprechend rechtmäßig. c) Telefonanrufe Es ist heute anerkannt, dass unerbetene Telefonanrufe eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Angerufenen darstellen können. Davon ist nach der Rechtsprechung3 und seit der UWG-Novelle 2008 auch nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG insbesondere bei unerbetenen Anrufen zu Zwecken der Werbung auszugehen. Darin war auch vor Inkrafttreten der neuen Gesetzesfassung ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinn von § 3 UWG a.F. und ist auch heute noch eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Angerufenen zu sehen. Ausnahmen kommen nur dann in Betracht, wenn der Angerufene ausdrücklich in die Anrufe eingewilligt oder dem Anrufer durch sein Verhalten Anlass zu der berechtigten Annahme gegeben hat, er sei mit den Anrufen einverstanden.4
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Die Übertragung dieses Rechtsgedankens auf telefonische Anrufe von Journalisten bei privaten Personen oder Institutionen zum Zweck der Auskunftseinholung ist allerdings jedenfalls nicht uneingeschränkt möglich. Durch sie ergäbe sich eine drastische und im Ergebnis nicht hinzunehmende Einschränkung der Recherchemöglichkeiten der Medien. Die erstmalige telefonische Kontaktaufnahme von Journalisten mit einer privaten Person oder Institution zum Zweck der Klärung, ob Informationen erteilt werden, kann bei Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht als ein rechtswidriges Eindringen in die Privatsphäre des Angerufenen und damit als Persönlichkeitsrechtsverletzung angesehen werden, sofern sie zu üblichen Tageszeiten erfolgt. Der Annahme, bereits ein erstmaliger telefonischer Anruf bei einer Person, über
21
_______________
1 BVerfG NJW 1991, 2339 – Chefarztbriefe. 2 OLG Hamburg AfP 2000, 316 = NJW 1999, 3343 = GRUR 2000, 146 = ZUM 2000, 316; LG Hamburg AfP 1999 379; vgl. auch OLG München AfP 2008, 79 = ZUM 2008, 991. 3 BGH NJW 1970, 1738 = GRUR 1970, 523 – Telefonwerbung I; BGH NJW 1989, 2820 = GRUR 1989, 753 – Telefonwerbung II; OLG Frankfurt/Main GRUR 1983, 674 – Lästiger Anlageberater. 4 Einzelheiten bei Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 7 UWG Rz. 40 ff.
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§ 10 Tz. 22
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
deren Auskunftsbereitschaft der Anrufer noch keine Kenntnis hat, könne deren Allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen, steht der Umstand, dass Recherchetätigkeit verfassungsrechtlich geschützt und aufgrund der ausdrücklichen Bestimmungen der Landespressegesetze über die öffentliche Aufgabe der Medien als ein hochrangiges Rechtsgut anzusehen ist, ebenso entgegen wie die Tatsache, dass es von der Rechtsprechung in der Regel als Gebot der journalistischen Sorgfalt angesehen wird, vor einer Veröffentlichung jedenfalls den Versuch zu unternehmen, den Betroffenen zu hören.1 22
Erklärt aber eine private Person oder Institution, nicht auskunftsbereit zu sein, dann erfüllen etwaige fortgesetzte telefonische Versuche von Journalisten, sie zu einer Aufgabe ihrer Haltung zu veranlassen und ihnen die gewünschten Informationen doch noch zu entlocken, den Tatbestand der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Auch die Medien haben die persönliche Sphäre derjenigen zu achten, über die sie berichten oder von denen sie Informationen erhalten wollen. Ein Telefonterror gegen den erklärten Willen des Betroffenen wäre als Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts stets unzulässig und u.U. als ein Fall des so genannten Stalking auch strafbar.2 d) Belagerung
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Eine vergleichbare Rechtsverletzung kommt als Vorstufe des Hausfriedensbruchs und neben dem neuen strafrechtlichen Tatbestand der Nachstellung gemäß § 238 StGB in den Fällen der Belagerung der Wohnung von Personen in Betracht, die sich aufgrund aktueller Ereignisse eines besonderen Interesses der Medien erfreuen, sich ihnen aber nicht stellen wollen. Respektieren wartende Journalisten das Hausrecht als solches, halten sie sich aber – wie geschehen3 – über Stunden oder gar Tage in großer Zahl vor der Haustür ihrer Zielperson bereit, so muss die Grenze strafbaren Verhaltens gemäß § 238 StGB nicht unbedingt überschritten sein, zumal diese Bestimmung neu ist und praktische Erfahrungen mit ihrer Anwendung durch die Gerichte bisher fehlen. Auf Personen, die den Kontakt mit den Medien nicht wünschen und sich ihm vielfach auch nicht gewachsen fühlen, kann ein derartiges Verhalten interessierter und informationshungriger Journalisten jedoch im Ergebnis wie eine Freiheitsberaubung wirken. Sie trauen sich nicht mehr vor ihre eigene Haustür und sind dadurch zwar nicht rechtlich, wohl aber faktisch in ihrer Bewegungs- und allgemeinen Handlungsfreiheit erheblich beschränkt. Eine Belagerung der Wohnung des Betroffenen kann daher insbesondere dann, wenn sie länger andauert, trotz des prinzipiell anzuerkennenden Informationsbedürfnisses der Medien eine schwerwiegende Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen.
23a
Der Gesetzgeber hat sich dieses Themas obendrein nicht nur im Rahmen des neuen § 238 StGB angenommen, sondern auch durch das im Jahr 2002 in _______________
1 Dazu oben § 2 Tz. 22 ff. 2 Dazu oben Tz. 14a. 3 Vgl. das Beispiel oben Tz. 14a.
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Grenzen und Grenzformen der Recherche
Tz. 24 § 10
Kraft getretene Gewaltschutzgesetz, das Opfern von Nachstellungen – nicht nur und nicht in erster Linie durch die Medien – insbesondere einen effektiveren Rechtsschutz eröffnet. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b dieses Gesetzes gilt dies insbesondere auch für eine Person, die Andere „… dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt.“
Journalisten, die sich mit einer etwaigen Weigerung eines Betroffenen, ihnen Auskunft zu erteilen, nicht abgeben und ihn mehr oder weniger hartnäckig verfolgen, um doch noch zu einer Stellungnahme zu gelangen, können daher gegebenenfalls auch nach den Bestimmungen dieses Gesetzes mit einem Kontaktverbot belegt werden, das nach § 892a ZPO in einem vereinfachten Verfahren vollstreckt werden kann.1 Unzulässig ist auch die planmäßige Beobachtung und Überwachung eines privaten Grundstücks, etwa mittels einer dazu installierten Videokamera.2 Eine derartige Maßnahme stellt in aller Regel eine schwerwiegende Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen dar.3 Das gilt sogar dann, wenn eine auf ein privates Grundstück gerichtete Kamera in Wahrheit nicht genutzt wird, weil allein aufgrund der Existenz dieser Kamera dem Betroffenen der Eindruck vermittelt wird, er werde ständig überwacht oder müsse jedenfalls damit rechnen, dass das der Fall ist.4 Der Einsatz derartiger Mittel zu Zwecken der Recherche kann daher nur in ganz extremen Ausnahmekonstellationen eines überragenden und anderweitig nicht zu befriedigenden Informationsinteresses gerechtfertigt sein. Auch gegen sie kann der Betroffene mit einem Unterlassungsanspruch5 – und dies vor allem im Wege der einstweiligen Verfügung6 – vorgehen.
23b
e) Herstellung von Psychogrammen etc. Das zivilrechtlich durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Allgemeine Persönlichkeitsrecht gilt als Ausprägung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Bei seiner Ausdeutung für den zivilrechtlichen Bereich und damit auch im Rahmen des Spannungsverhältnisses zwischen dem Informationsinteresse der Medien und dem Interesse des Individuums, durch die Medien nicht belästigt zu werden, kann die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht außer Betracht bleiben. Spätestens seit der Schaffung eines _______________
1 Dazu im Einzelnen Walter, ZUM 2002, 886 ff. 2 BGH AfP 1995, 597 = GRUR 1995, 621 = ZUM 1995, 719 – Videoüberwachung; OLG Köln NJW 1989, 720; BVerwG NJW 1986, 2332; Jarass, NJW 1989, 857, 859; BGH NJW 1991, 2651 für Strafverfolgungsmaßnahmen; ähnlich für den Fall der ständigen Installation einer Anlage, die es dem Arbeitgeber gestattet, sich jederzeit in Telefongespräche seiner Mitarbeiter einzuschalten oder sie ohne dessen Kenntnis mitzuhören, BVerfG NJW 1992, 815. 3 BGH AfP 1995, 597 = GRUR 1995, 621 = ZUM 1995, 719 – Videoüberwachung; OLG Köln NJW 1989, 720; OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799. 4 LG Bonn NJW-RR 2005, 1067. 5 BGH AfP 1995, 597 = GRUR 1995, 621 = ZUM 1995, 719. 6 Vgl. insoweit zu einem ähnlich gelagerten Fall LG Oldenburg NJW 1996, 62.
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§ 10 Tz. 25
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch dessen Volkszählungsurteil1 muss daher davon ausgegangen werden, dass auch andere Recherchemaßnahmen als die bisher erörterten einen rechtswidrigen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen darstellen können. 25
So kann es bereits eine Verletzung dieses Rechts darstellen, wenn handschriftliche Aufzeichnungen zur heimlichen Anfertigung eines graphologischen Gutachtens benutzt werden.2 Auch das Interesse einer Redaktion, ein bestimmtes Individuum eingehend zu charakterisieren, kann eine derartige Maßnahme nicht rechtfertigen. Das gleiche gilt für eine sonstige systematische Analyse einer Persönlichkeit gegen oder ohne deren Willen und Wissen mit den Mitteln der Psychologie.3 Derartigen Untersuchungen braucht sich niemand auszusetzen. Sie sind daher, sofern ohne Zustimmung des Betroffenen vorgenommen, in der Regel als Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu werten. Die Grenzen zulässiger Recherche und Materialsammlung sind auch dann überschritten, wenn eine Redaktion durch sonstige Maßnahmen wie etwa die Einholung von Gutachten eine Informationsdichte herstellt, die bei Anlegung eines objektiven Maßstabs als ein Eindringen in den Kernbereich einer Persönlichkeit anzusehen ist. f) Einschleichen, Täuschung
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Eine Grenzform des Journalismus, die im Fall des Journalisten Günter Wallraff Mediengeschichte geschrieben hat, stellen schließlich Methoden des Einschleichens in die geschäftliche Sphäre und der Täuschung desjenigen dar, der auf diese Weise ausgespäht werden soll. Auch für diese Art der Recherche gelten prinzipiell die allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen. Wer sich von einem Unternehmen als normaler Arbeitnehmer einstellen lässt, tatsächlich aber nicht wie ein solcher zum Unternehmenserfolg beisteuern, sondern lediglich Informationen beschaffen will, die ihm auf andere Weise nicht zugänglich sind, begeht bei Begründung des Arbeitsverhältnisses eine Täuschung. Sein Arbeitgeber kann den Arbeitsvertrag daher gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung anfechten und ihm die weitere Tätigkeit in seinem Betrieb und dessen weiteres Betreten untersagen. Das mit dem Mittel der Täuschung bewirkte Überwinden des erklärten oder mutmaßlichen Willens des Betroffenen, seine privaten oder geschäftlichen Angelegenheiten nicht durch die Medien ausforschen und vor der Öffentlichkeit erörtern zu lassen, wird aber in der Regel auch als Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder als sittenwidrige Schädigung im Sinn von § 826 BGB zu qualifizieren sein.4
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In diesem Sinn rechtswidrig handelt etwa ein Redakteur, der sich als Vertreter eines Pharmakonzerns tarnt und Sportlern Dopingmittel anbietet, um die _______________
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BVerfG NJW 1984, 419 – Volkszählungsgesetz. LAG Baden-Württemberg NJW 1976, 310. Wente, S. 95. BGHZ 80, 25 = AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 – Der Aufmacher I; BGH NJW 1981, 1366 = GRUR 1981, 441 – Der Aufmacher II; BVerfGE 66, 116 = AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher.
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Grenzen und Grenzformen der Recherche
Tz. 28 § 10
darüber geführten Gespräche heimlich aufzuzeichnen und auszuwerten.1 Zulässig war hingegen die Anbahnung fiktiver Geschäftsbeziehungen durch eine Redaktion zur Aufdeckung vermuteter Praktiken bei der der Platzierung sittenwidriger Verträge über verbotene Schleichwerbung im Fernsehen durch eine Unternehmensberatungsgesellschaft, da an der Aufdeckung derartiger Praktiken eine hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht.2 Auch der Deutsche Presserat bezeichnet die Anwendung unlauterer Methoden bei der Beschaffung von Nachrichten und Informationen zwar grundsätzlich als unzulässig, weist aber mit Recht daraufhin, dass das Mittel der verdeckten Recherche im Einzelfall gerechtfertigt sein kann, „… wenn damit Informationen von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, die auf andere Weise nicht zugänglich sind“.3
Damit bringt er den auch in diesem Zusammenhang zutreffenden Gedanken zum Ausdruck, dass das Mittel der verdeckten Recherche zwar im Regelfall rechtswidrig ist, dass außergewöhnliche Informationslagen und Situationen es aber im Einzelfall im Wege der Güterabwägung rechtfertigen können. Dem Opfer unlauterer Recherchemethoden wie des Einschleichens oder der Täuschung können Unterlassungs- und in geeigneten Fällen auch Schadenersatzansprüche zustehen. Auch in diesem Zusammenhang aber ist von der Feststellung, dass derartige Methoden der Recherche verboten sind, die Frage zu trennen, ob und unter welchen Umständen Informationen, die auf unlautere Weise beschafft worden sind, veröffentlicht werden dürfen.4
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1 Deutscher Presserat, Jahrbuch 1988, S. 109; zu der davon zu unterscheidenden Arbeit mit der versteckten Kamera oben § 9 Tz. 6a. 2 OLG München AfP 2004, 138 = NJW-RR 2004, 767 = ZUM 2004, 312; OLG München AfP 2005, 371. 3 Deutscher Presserat, Richtlinien für die publizistische Arbeit Nr. 4.1, in: Jahrbuch 2008, S. 148. 4 Dazu unten § 12 Tz. 84 ff.
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§ 11 Sicherung von Rechercheergebnissen 1. Grundlagen 1
Soweit Medien die Ergebnisse ihrer Recherchen archivieren, wird dies in erster Linie mit dem Ziel geschehen, sich den Zugriff auf erarbeitetes Material und bereits gesammelte Informationen für eine etwaige spätere erneute Befassung mit der betreffenden Thematik zu erhalten. Bei solchen Rechercheergebnissen, die nicht oder nicht unmittelbar in eine Publikation eingeflossen sind, wird dies das einzige Ziel der Archivierung sein. Aber auch dort, wo Recherchen zu Veröffentlichungen geführt haben, dürfte bei der in den Medienunternehmen institutionalisierten Archivierung des erarbeiteten Materials das Motiv künftiger Verfügbarkeit für weitere publizistische Arbeit im Allgemeinen im Vordergrund stehen und die Absicht, auf der durchgeführten Recherche basierende Berichte gegen juristische Angriffe Dritter abzusichern, demgegenüber in den Hintergrund treten. Stichwortartige handschriftliche Notizen über geführte Telefongespräche etwa pflegen im Allgemeinen nicht archiviert zu werden, können aber in prozessualen Auseinandersetzungen um die rechtliche Zulässigkeit eines Berichts unter Umständen von ausschlaggebender Bedeutung sein.
2
Bei der Archivierung einerseits und sonstiger Sicherung von Rechercheergebnissen andererseits handelt es sich demnach jedenfalls in der Regel um unterschiedliche Kategorien. Dabei erfolgt die Archivierung in der Organisation der Verlage und Rundfunkveranstalter normalerweise außerhalb der unmittelbaren Verantwortung der Redaktionen. Auf die mit ihr verbundenen Rechtsfragen soll im vorliegenden Zusammenhang nicht eingegangen werden.1 Zu erörtern sind an dieser Stelle jedoch die rechtlichen Bedingungen für die Absicherung der redaktionellen Arbeit im Hinblick auf etwaige rechtliche Auseinandersetzungen über die Zulässigkeit von Berichterstattung.
3
Publizistische Tätigkeit ist gefahrgeneigte Tätigkeit. Die Gefahr, dass Medienveröffentlichungen zu straf- oder zivilrechtlichen Konsequenzen führen, ist nur statistisch gering. Tatsächlich wird sie mit zunehmender Verrechtlichung unser Gesellschaft und zunehmender Bereitschaft weiter Bevölkerungskreise zu rechtlichen Auseinandersetzungen von Jahr zu Jahr größer. Und sie wächst obendrein mit wachsender Brisanz der veröffentlichten Informationen und Bilder. Gerade bei der publizistischen Bearbeitung heißer Eisen empfiehlt es sich daher, das Ergebnis der durchgeführten Recherchen auch daraufhin zu überprüfen, ob es der etwaigen Notwendigkeit späterer Beweisführung gerecht wird. Auf Fragen der Beweislast braucht dabei in diesem Zusammenhang noch nicht eingegangen zu werden.2 Sie sind im Zusammenhang mit der Absicherung der Recherche nur von zweitrangiger Bedeutung, da im Ergebnis jede Redaktion von der Notwendigkeit ausgehen muss, in einer etwaigen _______________
1 Vgl. dazu Wente, S. 21 ff. 2 Dazu unten § 30 Tz. 24 ff., § 31 Tz. 2, § 32 Tz. 6 ff.
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Sicherung von Rechercheergebnissen
Tz. 6 § 11
zivil- oder strafrechtlichen Auseinandersetzung jedenfalls sehr konkrete Anhaltspunkte, wenn nicht den vollen Beweis für die Richtigkeit verbreiteter Behauptungen zu liefern, durch die in Rechte Dritter eingegriffen wird. Schon hieraus ergibt sich unabhängig von der Frage der Beweislastverteilung im Einzelnen die Notwendigkeit, recherchierte Informationen und Materialien im Hinblick auf das im deutschen Zivil- oder Strafprozess geltende Beweisrecht einzuordnen und auf diese Weise rechtzeitig zu prüfen, ob durch zusätzliche Recherchemaßnahmen eine weitere Absicherung des gefundenen Ergebnisses erreicht werden kann und muss. Eine rechtliche Verpflichtung, Rechercheergebnisse aufzubewahren, gibt es für die Printmedien nicht. Für den Rundfunk hingegen sieht die Mehrheit der einschlägigen Gesetze bzw. Staatsverträge zwar vor, dass die Texte aller Sendungen wortgetreu aufzuzeichnen und für eine bestimmte Frist zu archivieren sind. Diese Frist ist in den einzelnen Bestimmungen unterschiedlich geregelt und beträgt in der Regel zwischen vier Wochen und drei Monaten.1 Ziel dieser Bestimmung ist es aber nicht, die Möglichkeiten der Veranstalter zu sichern, ihre Berichterstattung im Streitfall zu rechtfertigen. Mit den entsprechenden Regelungen tragen die Gesetzgeber vielmehr der Tatsache Rechnung, dass das Medium Rundfunk von Natur aus flüchtig und dass ein Betroffener, der eine Sendung nicht zufällig zeitgleich aufzeichnet, nicht in der Lage ist, Einzelheiten im Hinblick auf eine etwaige Rechtsverletzung zu prüfen, wenn er nicht Zugriff auf eine Mitschrift des ausgestrahlten Textes erhält. Hinsichtlich des nicht ausgestrahlten Materials trifft auch die Rundfunkveranstalter keine Archivierungspflicht.
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Rechtsstreitigkeiten über tatsächliche oder vermeintliche Rechtsverletzungen durch Medienveröffentlichungen werden in der Regel vor den Zivilgerichten geführt. Strafverfahren sind zwar insbesondere im Hinblick auf die Beleidigungsdelikte der §§ 186 ff. StGB möglich, in der Praxis jedoch die Ausnahme, zumal es sich bei diesen Straftaten um Privatklagedelikte handelt, die von den Staatsanwaltschaften nur bei Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses verfolgt werden,2 und derjenige, der sich durch Medienveröffentlichungen verletzt fühlt, Interesse eher an der Erwirkung einer zivilrechtlichen Sanktion als an der Durchführung eines strafrechtlichen Privatklageverfahrens hat. Tatsächlich spielt dieses Verfahren in der Praxis nur eine geringe Rolle. Vor die Zivilgerichte gehören auch Streitigkeiten über Rechtsverletzungen, die durch den öffentlichrechtlichen Rundfunk begangen worden sind.3
5
Dass sich die Medien bei der Durchführung von Recherche und Berichterstattung auf eine verfassungsrechtliche Tätigkeitsgewährleistung und einen gesetzlichen Auftrag zur Information der Öffentlichkeit berufen können, ändert auch in den überwiegend zivilprozessualen Auseinandersetzungen nichts daran, dass sie im Rahmen ihrer publizistischen Tätigkeit ohne Aus-
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1 Nachweise unten § 29 Tz. 65 f. 2 § 376 StPO; RiStBV Nr. 86, abgedruckt bei Fischer, Anhang 12. 3 BGHZ 66, 182 = AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 – Panorama; BVerwG NJW 1994, 2500.
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§ 11 Tz. 7
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
nahme als Privatrechtssubjekte tätig werden. Zwar erkennt die Rechtsordnung die Sondersituation der Medien an, die sich u.a. aus der Notwendigkeit vertrauensvoller Beziehungen zu ihren jeweiligen Informanten ergibt. Aus ihr rechtfertigt sich die Gewährung eines zwar nicht vollkommenen, aber doch relativ weit gezogenen Zeugnisverweigerungsrechts und Beschlagnahmeverbots.1 Die Bestimmungen der rundfunkrechtlichen Staatsverträge und Landesmediengesetze über den Auskunftsanspruch der Betroffenen gebieten keine Einschränkung dieser Feststellung, da durch sie das Prinzip des Zeugnisverweigerungsrechts und damit dasjenige des Informantenschutzes nicht durchbrochen wird.2 Und wo ein allgemeines Gesetz wie § 101a UrhG einen Auskunftsanspruch des Urhebers betreffend die Identität des Lieferanten von Fotografien begründet, deren Verbreitung eine Verletzung seines Urheberrechts darstellt, ist es im Lichte des aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteten Prinzips des Informantenschutzes restriktiv auszulegen, soweit mit dem Anspruch die Preisgabe der Identität desjenigen bezweckt wird, von dem ein Verleger ein bestimmtes Foto erhalten hat; eine Auskunftspflicht des Verlags kann dann im Wege der Güterabwägung zu verneinen sein.3 Aus der Anerkennung dieser Sondersituation der Medien wird auch verständlich, dass das Bundesverfassungsgericht in der Wallraff-Entscheidung4 das Redaktionsgeheimnis als selbständig geschütztes Rechtsgut behandelt. 7
Dennoch gelten im Zivilprozess auch für die Medien die allgemeinen verfahrensrechtlichen Regeln und damit auch die Bestimmungen über die Beweisführung. Auch sie gehören zu den allgemeinen Gesetzen im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG, durch die Presse- und Rundfunkfreiheit eingeschränkt werden. Damit müssen sich Redaktionen für den Fall gerichtlicher Auseinandersetzungen trotz des anerkannten Redaktionsgeheimnisses und trotz des ihnen zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts auf die Notwendigkeit der Beweisführung nach allgemeinen prozessualen Regeln einstellen. Ein besonderes Beweisrecht der Medien gibt es nicht.5 Soweit die Rechtsprechung in Einzelfällen anerkannt hat, dass das Redaktionsgeheimnis im Zivilprozess nicht ausgehöhlt werden darf, führt das nicht zu einer prinzipiellen Sonderbehandlung der Medien im Prozess.6
8
Allerdings ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlich, nicht nur die Einschränkung des Grundrechts der Presseund Rundfunkfreiheit durch die allgemeinen Gesetze zu beachten, sondern die allgemeinen Gesetze ihrerseits in ihrer Schrankenfunktion im Lichte der Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu interpretieren.7 Gehören aber auch die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Prozessordnungen zu den allgemeinen Gesetzen im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG, so muss dieser Ge_______________
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Dazu oben § 8 Tz. 1 ff. Oben § 7 Tz. 39 f. BVerfG AfP 1999, 261 = NJW 1999, 2880 = ZUM 1999, 633. BVerfGE 66, 116 = AfP 1984, 94 = NJW 1974, 1741 – Der Aufmacher. Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 131. Vgl. OLG Köln AfP 1977, 236; LG Köln AfP 2007, 153. BVerfG NJW 1958, 257 – Lüth; BVerfG NJW 1966, 1603 – Spiegel-Urteil; BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I.
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Sicherung von Rechercheergebnissen
Tz. 10 § 11
sichtspunkt dazu führen, dass den Medien bei der Erfüllung ihrer Beweisführungslast im Rahmen der geltenden zivilprozessualen Bestimmungen Erleichterungen gewährt werden, soweit ihre Beweisführungsmöglichkeiten gerade durch die nur für sie geltende Besonderheit des Zeugnisverweigerungsrechts gegenüber dem normalen Beteiligten eines Zivilprozesses eingeschränkt sind.1 Für andere Verfahrensarten wie etwa den Strafprozess gilt nichts anderes. Ursprünglich war es der Bundesgerichtshof,2 der diesen in der gerichtlichen Praxis lange zu wenig beachteten Aspekt der Ausstrahlung des Grundrechts der Medienfreiheiten auf die Verfahrensnormen in einem Einzelfall anerkannt und in erweiternder Auslegung der zivilprozessualen Bestimmungen über die Parteivernehmung die Aussage eines verklagten Journalisten über seine Quellen bei Respektierung des Prinzips des Informantenschutzes als Beweismittel zugelassen hat. Später hat dann der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte3 aus der Gewährleistung eines fairen Verfahrens durch Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention für Menschenrechte das für den Zivilprozess grundsätzlich geltende Prinzip der Waffengleichheit abgeleitet und daraus gefolgert, dass einer Partei die Gelegenheit gegeben werden muss, den Beweis des Inhalts eines Gesprächs, für dessen Verlauf sie beweispflichtig ist, auch durch ihr eigenes Zeugnis zu führen, wenn nur sie und die Gegenpartei daran teilgenommen haben. Nachdem die deutsche Rechtsprechung dem gefolgt ist,4 können sich nun auch Medien zur Führung des Beweises der inhaltlichen Richtigkeit eines von ihnen wiedergegebenen Gesprächs mit einem Betroffenen auf das Zeugnis des Redakteurs berufen, der das Gespräch geführt hat, wenn andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen.5 Allerdings ist es den Gerichten nicht verwehrt, im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, dass die als Zeugen oder Partei vernommenen Journalisten am Ausgang des Verfahrens ein besonderes Interesse haben und daher als weniger glaubwürdig anzusehen sein können als andere, neutralere Beweismittel.
8a
2. Einzelheiten Vor dem damit zu beachtenden Hintergrund der prinzipiellen Anwendbarkeit der einschlägigen Beweismittel des Zivilprozesses auch auf die Medien sind deren Möglichkeiten zu sehen, gefundene Rechercheergebnisse beweisfest zu machen. Die folgende Bestandsaufnahme ergibt, dass diese Möglichkeiten beschränkt sind.
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a) Dokumente Wo immer die Möglichkeit besteht, die Richtigkeit einer publizistischen Darstellung durch Dokumente zu belegen, sollte von ihr Gebrauch gemacht wer_______________
1 LG Köln AfP 2007, 153; vgl. auch EGMR NJW 2008, 2563 – Zwangshaft und NJW 2008, 2565 – Sternreporter. 2 BGH AfP 1975, 801 – Metzeler. 3 EGMR NJW 1995, 1413. 4 BVerfG NJW 2001, 2531; BGH NJW 2003, 3636; BAG NJW 2007, 2427; im Grundsatz auch BVerfG NJW 2008, 2170. 5 Vgl. auch unten Tz. 18.
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§ 11 Tz. 11
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
den. Schriftliche Dokumente, die die Richtigkeit einer publizistischen Darstellung belegen, erweisen sich, sofern an ihrer Echtheit keine Zweifel bestehen, in jedem gerichtlichen Verfahren als ein Beweismittel, das allen anderen überlegen ist. 11
Allerdings sind nicht alle Arten von Dokumenten zur Beweisführung geeignet. Vorveröffentlichungen anderer Medien, die über denselben Vorgang berichtet haben, sind kein Beweismittel im Sinn der Prozessordnungen. Denn die Tatsache, dass eine rechtsverletzende Behauptung bereits früher in den Medien aufgestellt und verbreitet worden ist, begründet nicht die Vermutung ihrer Wahrheit und ist beweisrechtlich jedenfalls in der Regel unerheblich. Nur Einzelpersonen können sich nach dem Bayer-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts1 zur Rechtfertigung von Äußerungen darauf berufen, dass von ihnen in die geistige oder politische Auseinandersetzung eingeführte Tatsachenbehauptungen zuvor vom Betroffenen undementiert in den Medien verbreitet worden sind. Den Medien selbst steht eine derartige Beweiserleichterung nicht zu.2
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Nur sehr eingeschränkte Relevanz kommt ferner eidesstattlichen Versicherungen zu, in denen sich Redaktionen von ihren Informanten nicht selten die Richtigkeit ihrer Darstellung bestätigen lassen. Zwar mag die Forderung einer Redaktion, ihr Informant möge über die Richtigkeit seiner Darstellung eine eidesstattliche Versicherung abgeben, geeignet sein, dem Informanten den hohen Stellenwert seiner Aussage und die Wichtigkeit ihrer Vollständigkeit und Richtigkeit vor Augen zu führen, wenngleich die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung, die nicht zur Vorlage bei einem Gericht oder einer Behörde bestimmt ist, nicht strafbar und damit rechtlich irrelevant ist. Auch lässt die Zivilprozessordnung für die in der Praxis häufigen Verfahren der einstweiligen Verfügung in §§ 294, 920 Abs. 2, 936 eidesstattliche Versicherungen als Mittel der Glaubhaftmachung zu. Auch in diesen Verfahren ist ihr Beweiswert jedoch im Allgemeinen gering, weil entgegenstehende eidesstattliche Versicherungen der klagenden Partei gleichermaßen zulässig und vom Gericht bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sind. Außerhalb des Verfahrens der einstweiligen Verfügung kommen eidesstattliche Versicherungen als Beweismittel im Zivilprozess hingegen schlechthin nicht in Betracht; sie ersetzen insbesondere nicht die Notwendigkeit, ihre Verfasser als Zeugen zu präsentieren. b) Mithören und Mitschneiden von Gesprächen
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Es scheint in der Praxis nicht selten vorzukommen, dass Journalisten namentlich Telefongespräche mit Informanten und Betroffenen aufzeichnen, um auf diese Weise Beweismaterial für künftige Auseinandersetzungen zu gewinnen. Es ist bereits in anderem Zusammenhang dargestellt worden, dass die heimliche Herstellung einer Tonbandaufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Worts eines Anderen ohne dessen Einwilligung unzulässig und gemäß § 201 _______________
1 BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer. 2 Dazu Soehring, NJW 1994, 2926, 2927.
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Sicherung von Rechercheergebnissen
Tz. 15 § 11
Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar ist.1 Die Rechtswidrigkeit und Strafbarkeit derartiger Maßnahmen wird nicht dadurch beseitigt, dass die Aufnahme zum Zweck der Beweissicherung und späterer Verwendung im Prozess hergestellt wird.2 Nicht autorisierte Tonbandaufnahmen scheiden daher als Möglichkeit legaler Recherchesicherung aus. Hingegen hat der Bundesgerichtshof3 in einer älteren Entscheidung das Mithören von Telefongesprächen über einen zweiten Hörer oder eine Lautsprechereinrichtung durch einen Dritten als zulässig angesehen. Dem lag die Auffassung zu Grunde, sowohl bei geschäftlichen als auch bei privaten Telefongesprächen könne von einer zu vermutenden oder stillschweigend erteilten Einwilligung des Gesprächsteilnehmers dazu ausgegangen werden, dass auf der Gegenseite ein Dritter das Gespräch mithört, ohne dass dies dem Gesprächspartner offenbart wird. Diese bereits seinerzeit nicht unproblematische Auffassung hat sich jedoch jedenfalls für den Regelfall nicht durchsetzen können. Nachdem das Bundesverfassungsgericht4 entschieden hat, dass das aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Recht am gesprochenen Wort sowohl das Individuum als auch juristische Personen des Privatrechts gegen das Mithören eines Telefonats durch Dritte schützt und dass Zeugenaussagen, die darauf beruhen, im Zivilprozess jedenfalls in der Regel nicht verwertbar sind, hat sich inzwischen auch der Bundesgerichtshof5 dieser Auffassung angeschlossen.
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Es ist daher heute davon auszugehen, dass das Mithören von Telefonaten einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht selbst dann darstellt, wenn es im Einzelfall nicht strafbar sein sollte, und dass darauf beruhende Zeugenaussagen prozessual unverwertbar sind, sofern nicht die Einwilligung des Gesprächspartners eingeholt wurde. Ausnahmen kommen allenfalls in extremen Situationen in Betracht, in denen sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation oder einer vergleichbaren Lage befindet6 wie etwa im Fall wiederholter anonymer Anrufe7 oder erpresserischer Drohungen.8 Um derartige Konstellationen wird es bei Recherchegesprächen der Medien mit ihren Informanten oder mit Betroffenen aber jedenfalls in der Regel nicht gehen. Als Mittel der Beweisführung kommt daher das Mithören von Telefonaten jedenfalls im Regelfall heute nicht mehr in Betracht.
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c) Zeugenaussagen In vielen Fällen besteht ohnehin nur die Möglichkeit der Beweisführung durch Zeugenaussagen. Dieses wohl häufigste Beweismittel im Zivil- wie im Strafprozess ist zugleich das schlechteste. Das Erinnerungsvermögen des _______________
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Oben § 10 Tz. 7 f. BGH NJW 1988, 1016; BVerfG NJW 1992, 815. BGH NJW 1982, 1397; vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 2000, 1578. BVerfG NJW 2002, 3619. BGH NJW 2003, 1727; vgl. auch BAG NJW 1998, 1331. BVerfG NJW 2002, 3619; BGH NJW 1958, 1344. BGH NJW 1982, 277. BGH NJW 1958, 1344.
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§ 11 Tz. 16
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
Menschen ist unterschiedlich und im Allgemeinen nicht sehr stark ausgeprägt. Auf Zeugenaussagen ist nach aller Erfahrung in Prozessen wenig Verlass, und nicht selten ergibt die Vernehmung eines Zeugen das exakte Gegenteil desjenigen, was die ihn benennende Partei sich davon erhofft. Dennoch kommen gerade Redaktionen in Rechtsstreitigkeiten über die Rechtmäßigkeit von Veröffentlichungen ohne Zeugenbeweis in der Regel nicht aus. Soweit Informanten als Zeugen zur Verfügung stehen, ergeben sich im Vergleich zu anderen prozessualen Auseinandersetzungen keine Besonderheiten. Die Medien werden sich von der prinzipiellen Verlässlichkeit ihrer Informanten und Zeugen und von der Richtigkeit ihrer den Einzelfall betreffenden Darstellung vor der Veröffentlichung überzeugen und sie nach Möglichkeit anhand objektiver Kriterien wie vorhandener Dokumente, nachweisbarer Begebenheiten oder ergänzender Aussagen Dritter überprüfen. Sie können und müssen dann darauf vertrauen, dass die Informanten in der forensischen Auseinandersetzung auch das Gericht von der Richtigkeit ihrer Darstellung überzeugen. 16
Schwierigkeiten ergeben sich jedoch in den vielen Fällen, in denen die Redakteure Informantenschutz versprechen, die Medien sich also im Prozess auf das Zeugnis ihrer primären Quellen nicht berufen können. Daraus allein dürfen wegen des hohen Stellenwerts des Schutzes journalistischer Quellen keine prozessualen Nachteile für die Medien abgeleitet werden.1 Die Gerichte müssen vielmehr, sofern die Medien dies beantragen, in diesen Fällen den- oder diejenigen Redakteure, die mit dem Informanten gesprochen haben, als Zeugen dafür anhören, dass ihr Informant sie so unterrichtet hat, wie dies in der anschließenden Berichterstattung dargestellt worden ist, und aus welchen Gründen und mit welchen Mitteln sie sich ihrerseits von der Glaubwürdigkeit ihres Informanten überzeugt haben.
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Entgegen weit verbreiteter Ansicht ist ein derartiger mittelbarer Zeugenbeweis nach deutschem Prozessrecht ebenso wenig schlechthin unzulässig oder wertlos wie es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Vernehmung so genannter Lauschzeugen2 ist. In diesen Fällen ist über die Verwertbarkeit derartiger Zeugenaussagen vielmehr aufgrund einer Interessenund Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden3; es wurde schon darauf hingewiesen,4 dass diese Abwägung gerade in Auseinandersetzungen mit Medien, die ihren primär in Betracht kommenden Zeugen Informantenschutz zugesagt haben und an diese Zusage gebunden sind, zu der Notwendigkeit führen wird, alle den Medien verbliebenen Beweismittel einschließlich des indirekten Zeugenbeweises voll auszuschöpfen. Insbesondere für den Beweis innerer Tatsachen gebührt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs5 der Vernehmung derjenigen Person, um deren innere Absichten oder Überzeugungen es geht, nicht einmal Vorrang vor der Vernehmung derjenigen, denen gegenüber der Betreffende sich entsprechend geäußert hat. _______________
1 2 3 4 5
EGMR NJW 2008, 2563 – Zwangshaft; EGMR NJW 2008, 2565 – Sternreporter. BGH GRUR 1995, 693, 697 – Indizienkette; BGH JZ 1991, 927, 928. BGH GRUR 1995, 693, 697 – Indizienkette. Oben Tz. 8. BGH NJW 1992, 1899.
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Sicherung von Rechercheergebnissen
Tz. 18 § 11
Die Überzeugungskraft eines Zeugen, der bei der infrage stehenden Begebenheit nicht zugegen war, der sich also nur auf Hörensagen berufen und Ross und Reiter nicht nennen kann, mag in den Augen der Gerichte im Allgemeinen zwar nicht sehr groß sein. Das rechtfertigt aber, wie gezeigt, keineswegs die generelle Ablehnung der Vernehmung mittelbarer Zeugen in den Fällen, in denen die unmittelbaren Zeugen wegen der Gewährung von Informantenschutz nicht zur Verfügung stehen, sofern das Beweisthema als solches hinreichend konkretisiert ist und die Redaktion jedenfalls die Gründe substantiiert darlegen kann, die für die Glaubwürdigkeit der Information sprechen.1 Das kann und muss insbesondere dadurch erreicht werden, dass die Redakteure die von ihnen während der Informantengespräche gefertigten Notizen vorlegen und dadurch und durch sonstige im Einzelfall geeignete Maßnahmen dem Gericht die Überzeugung vermitteln, dass sie nicht nur die von ihren geschützten Informanten erteilten Informationen in ihrer eigenen Zeugenaussage richtig wiedergeben, dass sie sich vielmehr bereits vor der betreffenden Veröffentlichung mit der ihnen obliegenden Verantwortung nach Kräften darum bemüht haben, nicht nur dem Informanten seine Geschichte abzunehmen, sondern sie mit allen zumutbaren Mitteln zu verifizieren. Es ist daher zur Verbesserung der eigenen Situation im Prozess unverzichtbar, auch noch so belanglos erscheinende Notizen oder sonstige Beweisstücke über durchgeführte Recherchen für künftige Auseinandersetzungen zu verwahren.
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Stehen aber derartige Materialien oder Zusatzinformationen, die die Glaubwürdigkeit der Information in Ergänzung einer etwaigen mittelbaren Zeugenvernehmung belegen können, nicht zur Verfügung, so muss im Zivilprozess die beklagte Redaktion, die sich – wie dies in aller Regel der Fall sein wird – an die einmal gegebene Zusage des Informantenschutzes gebunden hält, die Konsequenz dieser Entscheidung hin- und einen negativen Ausgang des Prozesses in Kauf nehmen.2
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d) Parteivernehmung Die Situation der Medien in Zivilprozessen wird häufig noch dadurch erschwert, dass klagende Parteien den Redakteur, der den beanstandeten Beitrag verfasst oder an seiner Entstehung mitgewirkt hat, neben dem Verlag oder dem Rundfunkveranstalter als weiteren Beklagten in den Prozess einbeziehen. Das hat nach dem formalen Beweisrecht der Zivilprozessordnung die vom Kläger in der Regel beabsichtigte Konsequenz, dass er als Zeuge für die Richtigkeit der angegriffenen Behauptungen ausscheidet. Stehen Informanten als Zeugen und stichhaltige Dokumente als ergänzende Beweismittel dann nicht zur Verfügung, so wird nach zivilprozessualen Regeln die Beweissituation der Medien nahezu hoffnungslos. Denn die eigene Aussage der Partei ist ein prozessual zulässiges Beweismittel nur dann, wenn sich die Gegenpartei auf sie beruft, was in Auseinandersetzungen der hier in Frage stehenden Art in aller Regel nicht in Betracht kommt. Eine Ausnahme von dieser Regel erlaubt aber _______________
1 OLG Hamburg AfP 1993, 574. 2 OLG Hamburg AfP 1993, 574.
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§ 11 Tz. 19
Material und Recherche – Quellen und Beschaffung
§ 448 ZPO für den Fall, dass nach der Auffassung des Gerichts bereits einiger Beweis erbracht, weitere Aufklärung erforderlich und ein anderes Beweismittel als die Parteivernehmung nicht mehr verfügbar ist. Diese Voraussetzungen dafür, dass ein Gericht die eigene Aussage verklagter Journalisten gegen den Widerspruch der klagenden Partei als Beweismittel verwenden und würdigen kann, werden allerdings nach dem Wortlaut des Gesetzes häufig nur schwer zu erfüllen sein. 19
Diese gerade für die Medien im Hinblick auf den Inhalt geführter Informationsgespräche hoffnungslose prozessuale Situation hat sich zunächst durch das Urteil des Bundesgerichtshof in der Metzeler-Entscheidung1 deutlich entspannt, nach der es geboten ist, im Rahmen der dem Gericht obliegenden freien Beweiswürdigung von Amts wegen auch die verklagten Journalisten als Partei zu vernehmen und bei der Würdigung ihrer Aussage auch das von ihnen im Rahmen der Recherche gesammelte Material einschließlich persönlicher Notizen zu berücksichtigen. Nachdem im Anschluss an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte2 auch die deutsche Rechtsprechung3 ein generelles Prinzip der Waffengleichheit im Zivilprozess und daraus abgeleitet das Gebot entwickelt hat, im Einzelfall auch die Prozesspartei selbst wie einen Zeugen anzuhören, wenn andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen, hat sich diese Situation auch zu Gunsten der Medien entscheidend verbessert. Die Gerichte werden nun auch in zivilprozessualen Auseinandersetzungen über Medienäußerungen von dieser Möglichkeit regelmäßig Gebrauch machen müssen.
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1 AfP 1975, 801 – Metzeler. 2 EGMR NJW 1995, 1413. 3 BVerfG NJW 2001, 2531; BGH NJW 2003, 3636; BAG NJW 2007, 2427; im Grundsatz auch BVerfG NJW 2008, 2170.
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Teil II Das Recht der Darstellung Redaktionen benötigen im Allgemeinen bei der Recherche mehr rechtlichen Freiraum als im Rahmen der Berichterstattung. Geradezu selbstverständlich ist zudem, dass sich schon aus publizistischer Sicht nicht alles Material und alle Informationen zur Veröffentlichung eignen, die sich Redaktionen mit den Mitteln der Recherche beschafft haben. Mit der Feststellung, dass die Medien berechtigt sind, sich auf bestimmten Wegen bestimmte Informationen zu verschaffen, ist daher im Einzelfall eine Entscheidung darüber, ob und in welcher Weise vorhandenes Material tatsächlich publiziert werden darf, noch nicht verbunden, wie auch die Rechtswidrigkeit einer Recherchemaßnahme nicht zwangsläufig, dazu führt, dass auch die Veröffentlichung des so gewonnenen Materials rechtswidrig ist. Die Entscheidung über die rechtliche Zulässigkeit von Medieninhalten folgt anderen rechtlichen Kriterien, die in der redaktionellen Arbeit im Allgemeinen schon deswegen eine größere Beachtung als die in Teil I dargestellten Voraussetzungen und Grenzen der Recherche finden werden, weil die Folgen rechtswidriger Berichterstattung für die Medien in der Regel gravierender sind als diejenigen rechtswidriger Recherche.
1
Erster Abschnitt Allgemeine Grundlagen Nach Art. 5 Abs. 2 GG finden die Grundrechte der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit sowie der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend sowie im Recht der persönlichen Ehre. Dies gilt, wie in Teil I dargestellt, unter verschiedenen Aspekten bereits für die Recherchetätigkeit der Medien, hat jedoch für die Veröffentlichungspraxis wegen ihrer Außenwirkung weit größere parktische Relevanz.
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Der rechtliche Rahmen für die Medienberichterstattung und die Bewältigung einzelner Probleme im Rahmen publizistischer Tätigkeit wird daher zunächst in § 12 durch die in der Praxis bedeutsamsten allgemeinen Gesetze im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG abgesteckt werden. Von grundlegender Bedeutung für die rechtliche Absicherung jeder Art von Medienberichterstattung ist zudem die Klärung der Fragen nach den potentiellen Trägern derjenigen Rechte, mit denen die Medienfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 GG kollidieren, in § 13, der für das gesamte Recht der Veröffentlichungspraxis relevanten Problematik der Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen in § 14 sowie schließlich der Relevanz des Rechtfertigungsgrunds der Wahrnehmung berechtigter Interessen für die Berichterstattungspraxis in § 15.
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§ 12 Tz. 4
Recht der Darstellung – Grundlagen
§ 12 Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung 4
Konflikte zwischen den Medien und denjenigen, die sich durch deren Veröffentlichungen in ihren Rechten verletzt fühlen, können auf zivil- und auf strafrechtlicher Ebene ausgetragen werden. In der täglichen Praxis spielen sich diese Auseinandersetzungen überwiegend auf der Ebene des Zivilrechts ab. Das ändert aber nichts daran, dass der Gesetzgeber das Recht der persönlichen Ehre als der zentralen Schranke der Medienberichterstattung primär im Strafrecht verankert hat und dass Medieninhalte auch Gegenstand von Strafverfahren sein können. Die Gefahr, dass Veröffentlichungen Straftatbestände verletzen und dass deswegen Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen eingeleitet werden, darf daher bei der redaktionellen Entscheidung über das Ob und Wie der Berichterstattung nicht vernachlässigt werden. Es ist daher zunächst auf die straf- und anschließend auf die zivilrechtlichen Grenzen einzugehen, auf die die Medien in ihrer Veröffentlichungspraxis zu achten haben. 1. Strafrechtliche Schranken
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Während die Recherchetätigkeit der Medien strafrechtlich in erster Linie durch die Bestimmungen zum Schutz privater bzw. staatlicher Geheimnisse eingeschränkt wird, wird die Freiheit der Berichterstattung im Bereich des Strafrechts in erster Linie durch die Beleidigungstatbestände der §§ 185 ff. StGB begrenzt. Dabei handelt es sich sowohl um allgemeine Gesetze im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG als auch um eine gesetzgeberische Konkretisierung des Rechts der persönlichen Ehre, das das Grundgesetz neben den allgemeinen Gesetzen ausdrücklich als Schranke der Meinungsäußerungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit erwähnt. Da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts1 auch das Recht der persönlichen Ehre eine Schranke der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG nur darstellt, soweit es gesetzlich normiert ist, andererseits aber zwischen der Ehre des Einzelnen und der Freiheit der Berichterstattung ein besonders intensives Spannungsverhältnis besteht,2 haben gerade die strafrechtlichen Beleidigungstatbestände als Schranken der Berichterstattung eine zentrale praktische Bedeutung, selbst wenn in der Praxis bei Weitem nicht alle Fälle ihrer Verletzung durch die Medien auch tatsächlich strafrechtlich verfolgt werden oder auch nur verfolgt werden dürfen.3
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Neben den Beleidigungstatbeständen kennt das Strafrecht eine Fülle weiterer Tatbestände, die die Medien bei ihrer Berichterstattungspraxis zu beachten haben. Nur die in der Praxis bedeutsamsten dieser Vorschriften können im Folgenden zunächst in ihren Grundzügen dargestellt werden. Auf Einzelheiten der Auslegung insbesondere der Beleidigungstatbestände wird im Zweiten Abschnitt in §§ 12 ff. gesondert einzugehen sein. Redaktionen müssen sich aber stets der Tatsache bewusst sein, dass sich im Einzelfall auch _______________
1 BVerfG NJW 1972, 811 – Gefangenenpost. 2 Löffler/Bullinger, § 1 LPG Rz. 273 ff. 3 Dazu unten § 26 Tz. 16 f.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 7 § 12
solche Normen des materiellen Strafrechts als allgemeine Gesetze im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG und damit als relevante Schranke freier Berichterstattung auswirken können, die im Folgenden nicht ausdrücklich erwähnt werden. Während das deutsche Strafrecht im hier interessierenden Bereich herkömmlich und aus naheliegenden Gründen nur die Verbreitungsformen des gesprochenen und des geschriebenen bzw. gedruckten Worts erfasste, hat der Gesetzgeber verschiedentlich Veranlassung gehabt, die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen neuen medialen Formen anzupassen. Das geschah und geschieht zum Teil durch Schaffung oder Erweiterung spezialgesetzlicher Bestimmungen, vor allem aber durch die Erstreckung des in vielen einschlägigen Normen verwendeten Begriffs der „Schriften“ auf die neuen Medien im Wege der gesetzlichen Fiktion. So erfasst § 11 Abs. 3 StGB schon seit Langem mit der Bezeichnung Ton- und Bildträger auch die herkömmlichen Vervielfältigungsmedien Tonband, Schallplatte und CD unter dem Begriff der Schriften, so dass alle Straftatbestände, die an die Verbreitung gedruckter Medien anknüpfen, automatisch auch für diese Medien gelten. Umstritten war jedoch nach Aufkommen der neuen, elektronischen Medien, ob der Begriff der Darstellung auch auf sie anwendbar sein kann und § 11 Abs. 3 StGB somit auch Datenspeicher erfasst, bei denen gedankliche Inhalte nur unter Zuhilfenahme technischer Geräte wie etwa Magnetbänder, Festplatten oder CD-ROM verbreitet werden können.
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Die dadurch entstandene Unsicherheit hat der Gesetzgeber im Jahr 1997 mit dem inzwischen wieder außer Kraft getretenen Informations- und Kommunikationsdienstegesetz beseitigt, das unter Anderem eine erneute Ergänzung des § 11 Abs. 3 StGB vorsah. Auch Datenspeicher gelten seitdem als Schriften, und zwar einschließlich solcher, die nur vorübergehend in elektronischen Arbeitsspeichern bereitgehalten werden wie etwa im Cache eines InternetBrowsers.1 Soweit Normen des Strafrechts an deren Verbreitung anknüpfen, ist allerdings die Weitergabe der Substanz nach erforderlich, im Fall des Datenspeichers mithin die körperliche Übergabe des Trägermediums wie der Festplatte oder eines externen Speichermediums,2 sofern und soweit nicht einzelne Bestimmungen wie etwa § 184d StGB ausdrücklich vorsehen, dass auch die Verbreitung von Medien- oder Telediensten vom jeweiligen Verbot erfasst wird.
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a) Allgemeine Beleidigungstatbestände aa) Beleidigung Basisnorm des strafrechtlichen Ehrenschutzes ist der Tatbestand des § 185 StGB, der ohne nähere gesetzgeberische Definition „die Beleidigung“ unter Strafe stellt. Schutzobjekt dieser Bestimmung ist die Ehre des Menschen3 und – mit nur geringfügigen Einschränkungen – auch diejenige menschlicher Ge_______________
1 BT-Drucks. 13/7385, 36. 2 BayObLG NJW 2000, 2911; Fischer, § 74d StGB Rz. 4. 3 BGHSt 1, 288; Fischer, § 185 StGB Rz. 3.
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§ 12 Tz. 8
Recht der Darstellung – Grundlagen
meinschaften. Dabei richtet sich der Ehrbegriff nicht nach dem subjektiven, häufig überspitzten, gelegentlich aber auch abgestumpften Ehrgefühl des Einzelnen, ist seine Bedeutung vielmehr nach objektiven Kriterien zu ermitteln, soweit das bei einem derart offenen, unbestimmten Rechtsbegriff wie demjenigen der Ehre möglich ist. 8
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs1 ist vom Ehrbegriff erfasst und damit strafrechtlich geschützt sowohl die innere Ehre des Menschen als Ausprägung des in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten Prinzips der Menschenwürde als auch die so genannte äußere Ehre, mithin das vom Einzelnen erworbene Ansehen in der Gesellschaft2 – letztere allerdings nur insoweit, als sie berechtigter maßen in Anspruch genommen wird: Die Zerstörung des unredlich erworbenen Ansehens des Gauners durch seine Entlarvung stellt keinen Angriff auf seine strafrechtlich geschützte Ehre dar.3
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Verletzt wird der Beleidigungstatbestand des § 185 StGB durch die so genannte Kundgabe der Nichtachtung oder Missachtung der Ehre des Anderen.4 Während es im individuellen Kontakt von Menschen häufig zweifelhaft sein mag, ob eine bestimmte Ausdrucks- oder Handlungsweise als eine solche Kundgabe einzustufen ist – man denke nur an den dem Anderen gezeigten Vogel –, ergeben sich Abgrenzungsprobleme für den Bereich medialer Kommunikation insoweit nicht; publizistische Veröffentlichungen sind Kundgabe der Natur der Sache nach. Entscheidend ist damit allein, ob durch den Inhalt der Kundgabe der als Ehre geschützte soziale Geltungsanspruch des Betroffenen in rechtlich unzulässiger Weise herabgesetzt wird. Das kann im direkten Kontakt zwischen demjenigen, der sich äußert, und dem Betroffenen durch herabsetzende Werturteile wie durch ehrenrührige Tatsachenbehauptungen geschehen. Da sich aber die Medien wiederum der Natur der Sache nach stets an einen größeren Kreis wenden, die Äußerung unrichtiger ehrenrühriger Tatsachenbehauptungen gegenüber einem Anderen als dem Betroffenen jedoch nicht in den Anwendungsbereich von § 185 StGB fällt,5 kann Medienberichterstattung diesen Grundtatbestand des Beleidigungsrechts nur durch Verbreitung ehrenrühriger Meinungsäußerungen6 verletzen. bb) Üble Nachrede und Formalbeleidigung
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Nach § 186 StGB wird wegen übler Nachrede bestraft, wer in Bezug auf einen Anderen Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, diesen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, sofern nicht die Tatsachen erweislich wahr sind. Da Medienberichterstattung darauf angelegt ist, Informationen, also Tatsachen betreffend Personen oder Institutionen zu verbreiten, handelt es sich beim Tatbestand der üblen Nach_______________
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BGHSt 11, 67. Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 75 m.w.N. Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 178. BGHSt 1, 289; Fischer, § 185 StGB Rz. 7 ff. Fischer, § 186 StGB Rz. 10 m.w.N. Dazu unten § 20 Tz. 7 ff.
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Tz. 12a § 12
rede um diejenige Norm des Strafrechts, die in der täglichen Praxis die mit Abstand größte praktische Relevanz als Schranke der Berichterstattung hat. Der Tatbestand der üblen Nachrede zielt auf die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen. Die Äußerung und Verbreitung von Meinungen wird von ihm nicht erfasst.1 Auf der anderen Seite erfüllt den Tatbestand nicht nur derjenige, der unwahre Tatsachenbehauptungen selbst aufstellt, sondern auch derjenige, der sie (nur) verbreitet. Die Berufung auf eine fremde Quelle beseitigt die Gefahr der Strafbarkeit ebenso wenig wie die Kennzeichnung eines Vorgangs als Gerücht2 oder Verdacht.3
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Als Beleidigungsdelikt erfasst § 186 StGB allerdings nicht jede unwahre Tatsachenbehauptung, sondern nur solche Behauptungen, die als Verletzung der Ehre des Betroffenen jedenfalls in Betracht kommen.4 Das Gesetz bringt dies mit dem Tatbestandsmerkmal der Eignung zur Herabwürdigung bzw. Verächtlichmachung klar zum Ausdruck. Es geht beim Tatbestand der üblen Nachrede mithin um eine Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs des Betroffenen. Die Verbreitung wertneutraler Falschmeldungen, durch die der soziale Geltungsanspruch des Betroffenen nicht tangiert wird, verwirklicht daher den Tatbestand der üblen Nachrede auch dann nicht, wenn sie sich auf bestimmte Personen oder Institutionen beziehen.5
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Derjenige aber, der Behauptungen aufstellt oder verbreitet, die im Sinn dieses Tatbestands ehrenrührig sind, trägt in der Regel die Beweislast für die Richtigkeit solcher Behauptungen: Schon dann, wenn die Wahrheit einer Behauptung nicht bewiesen werden kann, ist der Tatbestand des § 186 StGB verletzt. Dass die verbreitete Behauptung tatsächlich unwahr ist, ist nicht Voraussetzung der Strafbarkeit; und dass sie objektiv wahr ist oder sein mag, entlastet denjenigen, der sie verbreitet, nicht, wenn er den entsprechenden Beweis nicht führen kann. Ebenso wenig nützt ihm dann seine subjektive Überzeugung von der Wahrheit der verbreiteten Behauptung.6 Gefordert wird in Auseinandersetzungen vor den Straf- wie vor den Zivilgerichten der tatsächliche Beweis.
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Objektive Beweisregeln stellt dabei nur § 190 StGB für die Berichterstattung über Straftaten auf. Diese Vorschrift ist auch in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen anwendbar, ohne dass dem verfassungsrechtliche Bedenken entgegen stünden.7 Nach ihr gilt der Wahrheitsbeweis als erbracht, wenn der-
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1 Zur Abgrenzung unten § 14 Tz. 1. 2 BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung; Einzelheiten unten § 16 Tz. 26 ff. 3 BGH NJW 1970, 187 = GRUR 1969, 624 – Hormoncreme; Einzelheiten unten § 16 Tz. 23 ff. 4 Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 214. 5 BGH AfP 2009, 55 = MMR 2009, 252; BGH AfP 2006, 60 = NJW-RR 2006, 126 = WRP 2006, 265 = ZUM 2006, 321 – dpa-Interview; BVerfG AfP 2008, 55 = NJW 2008, 747 – dpa-Interview; OLG Brandenburg NJW 1999, 3339; LG Köln AfP 2007, 380; vgl. dazu unten § 18 Tz. 6. 6 Anderes kann in den Fällen der Wahrnehmung berechtigter Interessen gelten; dazu unten § 15 Tz. 1 ff. 7 BVerfG NJW 2006, 1865.
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§ 12 Tz. 12b
Recht der Darstellung – Grundlagen
jenige, der einer strafbaren Handlung bezichtigt wird, wegen dieser Handlung rechtskräftig verurteilt wurde,1 während umgekehrt nach rechtskräftigem Freispruch der Wahrheitsbeweis nicht mehr geführt werden kann. Ansonsten gilt das allgemeine Beweisrecht des Straf- bzw. Zivilprozessrechts.2 12b
Diese strikte und im Ergebnis berichterstattungsfeindliche Beweislastregel des § 186 StGB und die durch sie begründete nahezu uneingeschränkte Verbreiterhaftung sind die wesentlichsten Ursachen dafür, dass Medienberichterstattung als gefahrgeneigte Tätigkeit angesehen werden muss. Mit jeder Verbreitung einer Tatsachenbehauptung, die den Ruf oder die Ehre eines Dritten beeinträchtigen könnte, ist das Risiko der Haftung für die Unrichtigkeit eben dieser Behauptung verbunden.
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Selbst wenn aber der Wahrheitsbeweis geführt wird, kann die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen über einen Dritten unzulässig sein. Das ist nach § 192 StGB dann der Fall, wenn „… das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Behauptung oder Verbreitung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.“
Diese Vorschrift regelt den Tatbestand der so genannten Formalbeleidigung. Bei ihrer Auslegung und Anwendung im Einzelfall ist zu berücksichtigen, dass nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts3 das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit, das als Teil der Pressefreiheit auch den Medien uneingeschränkt zusteht, nicht nur den Inhalt einer Meinung, sondern auch die Form erfasst, in der sie geäußert wird. Die Möglichkeit öffentlicher Kritik und der Teilnahme an öffentlicher Diskussion soll nicht durch die Befürchtung des Kritikers beeinträchtigt werden, er könne sich wegen wertender Äußerungen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sehen.4 Daher ist auch drastische, einprägsame Sprache zur Übermittlung und Kommentierung von Tatsachen grundsätzlich erlaubt. Die Grenze zur Formalbeleidigung wird erst durch so genannte Schmähkritik überschritten,5 in Fällen also, in denen die Absicht zu verletzen stärker hervortritt als die Absicht zu Äußerung der eigenen Meinung.6 Die Schwelle entspricht damit derjenigen, an der zulässige Meinungsäußerung zu unzulässiger Schmähung wird.7 cc) Verleumdung 14
Nach § 187 StGB wird bestraft, wer wider besseres Wissen Behauptungen im Sinn von § 186 StGB oder solche Behauptungen aufstellt oder verbreitet, die _______________
1 Mit dieser Feststellung allein ist jedoch die Frage der Zulässigkeit der Berichterstattung über erfolgte Verurteilungen noch nicht geklärt; dazu unten § 19 Tz. 24 ff. 2 Dazu oben § 11 Tz. 9 ff. 3 BVerfG AfP 1982, 163 = NJW 1982, 2655 – Kredithaie. 4 BVerfG AfP 1980, 147 = NJW 1980, 2069 – Römerberg-Gespräche. 5 BGH AfP 1978, 33 = GRUR 1977, 801 – Halsabschneider; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 232. 6 BGH NJW 1974, 1762 = AfP 1974, 702 – Deutschlandstiftung; BGH GRUR 1977, 801, 803 – Halsabschneider; OLG Brandenburg AfP 2007, 247. 7 Einzelheiten unten § 20 Tz. 7 ff.
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Tz. 17 § 12
geeignet sind, den Kredit eines anderen zu gefährden. Für die Medien hat diese Bestimmung nur geringe praktische Bedeutung. Sie stellt im Wesentlichen einen Sondertatbestand zu derjenigen des § 186 StGB dar, von der sie sich jedoch in zwei wesentlichen Punkten unterscheidet: Sie greift nur ein, wenn die Unwahrheit der Behauptung feststeht,1 und strafbar ist nur derjenige, der sie wider besseres Wissen, also in positiver Kenntnis2 ihrer Unwahrheit vorsätzlich verbreitet; dass aber Redaktionen Meldungen in positiver Kenntnis ihrer Unwahrheit verbreiten, sollte und dürfte in der Praxis die absolute Ausnahme sein. Mit dem zusätzlichen Tatbestandsmerkmal der Kreditgefährdung geht der Anwendungsbereich des § 187 StGB zwar über den Bereich des eigentlichen Ehrenschutzes hinaus. Dieser Tatbestand kann auch erfüllt sein, wenn nicht ehrenrührige Behauptungen verbreitet werden, sofern sie aufgrund ihrer bloßen Fehlerhaftigkeit das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit des Betroffenen zu erschüttern geeignet sind.3 So wäre etwa in der Finanzkrise des Jahres 2008 die bewusst unwahre Meldung, eine ohnehin angeschlagene Bank müsse wegen der unerwarteten Insolvenz eines ihrer größten Schuldner erneut Abschreibungen in gewaltiger Höhe vornehmen, zwar nicht ehrenrührig im Sinn des Tatbestands von § 186 StGB, da das behauptete Ereignis außerhalb des Einflussbereichs der Bank läge; sie wäre aber geeignet, den (eigenen) Kredit der betroffenen Bank oder gar ihren Fortbestand zu gefährden, und ihre Verbreitung wäre somit tatbestandlich im Sinn von § 187 StGB. Da aber auch in dieser Tatbestandsvariante die Strafbarkeit Handeln wider besseres Wissen und damit Vorsatz hinsichtlich der Unwahrheit der Meldung voraussetzt, hat § 187 StGB auch insoweit für die Berichterstattung durch Medien kaum Relevanz.
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b) Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener Nach § 189 StGB wird bestraft, wer das Andenken Verstorbener verunglimpft. Von dem Begriff des Verunglimpfens sind die in §§ 185 bis 187 StGB geregelten Tatbestände der Beleidigung, der üblen Nachrede und der Verleumdung erfasst, so dass der Tatbestand des § 189 StGB durch alle drei Begehungsformen erfüllt werden kann. Durch die Verwendung des Begriffs Verunglimpfen bringt der Gesetzgeber aber zum Ausdruck, dass nur Beleidigungshandlungen von einer gewissen Intensität tatbestandsmäßig sind; nur eine schwerwiegende Beeinträchtigung oder Gefährdung des Ansehens Verstorbener kann danach strafbar sein.4 Die Vorschrift ist unter Berücksichtigung des Grundrechts der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu Gunsten derjenigen, die sich über Verstorbene äußern, restriktiv auszulegen.
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Dennoch bestehen verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass das Gesetz das Andenken Verstorbener unter besonderen strafrechtlichen Schutz stellt.
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Fischer, § 187 StGB Rz. 2. Fischer, § 187 StGB Rz. 4. Fischer, § 187 StGB Rz. 3a. BGHSt 12, 364; Fischer, § 189 StGB Rz. 3.
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§ 12 Tz. 18
Recht der Darstellung – Grundlagen
Nachdem das Bundesverfassungsgericht1 entschieden hat, dass Persönlichkeitsrecht und Ehre des Individuums mit seinem Tod enden, kommt das Recht der persönlichen Ehre im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG als verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die auch in dieser Bestimmung liegende Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit nicht mehr in Betracht. Eine innere Rechtfertigung für die Strafbarkeit der Verunglimpfung Verstorbener, die als Sonderform der Beleidigung einen Angriff auf die Ehre des Verletzten voraussetzt, ist nicht mehr ersichtlich; der verbleibende zivilrechtliche Schutz2 bietet de Verstorbenen und seinen Nachkommen hinreichenden Schutz. 18
Der Gesetzgeber allerdings hat den Rechtsgedanken des Schutzes des Andenkens Verstorbener für den Bereich der so genannten Auschwitz-Lüge3 durch den besonderen Straftatbestand des § 194 Abs. 2 StGB aktualisiert und damit bestätigt. Danach entfällt das prinzipiell geltende Erfordernis des Strafantrags, der bei der Verunglimpfung Verstorbener erforderlich ist und nur durch die Angehörigen gestellt werden kann, im Fall der Verunglimpfung solcher Verstorbener, die durch Akte der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewaltherrschaft zu Tod gekommen sind, sofern die Verunglimpfung damit zusammenhängt. Anders als die übrigen Beleidigungsdelikte werden derartige Fälle von Amts wegen verfolgt. c) Beleidigungsdelikte zu Lasten des Staats
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In einer Reihe von Bestimmungen stellt das Strafgesetzbuch Angriffe gegen Ehre und Ansehen von Institutionen oder Personen aus dem politischen Bereich unter besondere Strafandrohung. Das ist der Fall bei Angriffen gegen den Bundespräsidenten, die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder, gegen deren Verfassungsorgane oder Symbole sowie gegen bestimmte Repräsentanten ausländischer Staaten. Diese Bestimmungen sind teils im Beleidigungsrecht, teils aber auch im so genannten Staatsschutzrecht angesiedelt und hier im Hinblick auf ihre Relevanz für die Berichterstattung durch Medien zusammenfassend kursorisch darzustellen. aa) Verunglimpfung des Bundespräsidenten
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Nach § 90 StGB wird bestraft, wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften den Bundespräsidenten verunglimpft. Als Täter oder Tatmittler im Rahmen dieses Straftatbestands kommen in erster Linie die Medien in Betracht, die sich der Natur der Sache nach stets öffentlich äußern. Unter Strafandrohung gestellt wird die Verunglimpfung. Darunter wird hier wie schon im Rahmen von § 189 StGB und wie auch im Rahmen der anderen im Folgenden darzustellenden Bestimmungen eine nach Form, Inhalt oder Begleitumständen erhebliche Ehrenkränkung verstanden, die in den Tatbestandsvarianten der §§ 185 bis 187 StGB begangen werden kann, _______________
1 BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto. 2 Unten § 13 Tz. 6 ff. 3 Zur so genannten qualifizierten Auschwitz-Lüge unten Tz. 46.
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Tz. 21a § 12
also als (einfache) Beleidigung, als üble Nachrede oder auch als Verleumdung.1 Eine besondere Einschränkung der Freiheit der Berichterstattung und Kritik ergibt sich aus dieser Bestimmung allerdings nicht, da der Bundespräsident als Person auch ohne diesen Spezialtatbestand unter dem Schutz der §§ 185 ff. StGB stünde. Die Bedeutung von § 90 StGB erschöpft sich damit in einer erhöhten Strafandrohung.
bb) Verunglimpfung des Staats Nach § 90a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist u.a. strafbar, wer öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften die Bundesrepublik oder eines ihrer Länder oder deren verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht. § 90a Abs. 1 Nr. 2 StGB erweitert die Strafbarkeit auf die Verunglimpfung von Staatssymbolen wie der Flagge, der Hymne oder des Wappens der Bundesrepublik Deutschland. Schutzgut dieser Bestimmung ist nach herrschender Auffassung die Integrität von Bund und Ländern in ihrer konkreten Gestalt als freiheitliche repräsentative Demokratie.2 Bei der Anwendung dieser Norm auf Äußerungen in den Medien ist entgegen in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gelegentlich zu beobachtenden Tendenzen im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit Zurückhaltung geboten. Strafrechtsbestimmungen als allgemeine Gesetze im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG bedürfen als Schranke der Meinungs- und Pressefreiheit ihrerseits in der Regel der Legitimation durch anderweitige Verfassungsprinzipien. Sie dürfen vor allem nicht zur Immunisierung des Staats gegen Kritik oder Ablehnung führen.3
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Äußerungen in einem Flugblatt, die gedankliche Verbindungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland oder einem deutschen Bundesland und einem faschistischen Staat herstellen, dürfen im Licht der Freiheitsgewährung daher nicht als tatbestandliche Verunglimpfung angesehen und verurteilt werden, wenn der Text auch andere, die Tatbestandsmerkmale des § 90a StGB nicht erfüllende Deutungen ermöglicht.4 Wo Meinungen in der verfassungsrechtlich besonders geschützten Form künstlerischer Gestaltung geäußert und verbreitet werden, kommen die allgemeinen Gesetze als Freiheitsschranke wegen des Fehlens eines Gesetzesvorbehalts in Art. 5 Abs. 3 GG allenfalls dort in Betracht, wo sie Ausdruck einer von der Verfassung selbst anderenorts vorgegebenen Begrenzung sind.5 Im vorliegenden Kontext wird dies insbesondere im Fall von Karikatur und Satire bedeutsam,6 deren Verbreitung in der Regel durch die Medien erfolgt. Daher ist es folgerichtig, wenn das Bundesverfassungsgericht bei der satirischen oder karikierenden Persiflage der Bundes-
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Fischer, § 194 StGB Rz. 15 ff. m.w.N. Fischer, § 90a StGB Rz. 2 m.w.N. BVerfG NJW 2001, 596 = ZUM 2001, 320 – Deutschland muss sterben. BVerfG ZUM 1998, 930. BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto. BVerfG NJW 1990, 1982 – Bundesflagge; BVerfG NJW 1990, 1985 – Deutschlandlied.
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§ 12 Tz. 22
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flagge1 oder des Deutschlandlieds2 der Kunstfreiheit Vorrang vor dem strafrechtlichen Schutz der Staatssymbole einräumt, mag sie auch, wie in einigen der entschiedenen Fälle, von kaum zu überbietender Geschmacklosigkeit sein. Mit Recht hat etwa auch das Landgericht Aachen3 in dem Stecken einer kleinen Bundesflagge in einen Haufen Pferdemist aus Anlass einer Kundgebung, bei der auch die Reichskriegsflagge gezeigt wurde, einen Ausdruck des legitimen Protests und nicht etwa eine Verunglimpfung im Sinn von § 90a StGB gesehen. 22
Insbesondere die in § 90a StGB geschützten äußeren Staatssymbole nehmen am grundrechtlich gewährleisteten Ehrenschutz nicht teil. Sie sind auch ansonsten durch das Grundgesetz allenfalls in einem Kernbereich geschützt, in dem es um den Bestand des demokratischen Rechtsstaats als solchen geht.4 Die Bezeichnung der Bundesflagge als „Schwarz-Rot-Senf“ fällt daher in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, und es ist kaum noch verständlich, dass es erforderlich war, für diese Feststellung das Bundesverfassungsgericht5 zu bemühen. Bedenken bestehen auch dagegen, die bildliche Vereinigung von Bundesadler und Reichsadler mit Hakenkreuz auf einem Poster oder auch in einer politischen Karikatur als Angriff auf diesen Kernbereich und damit als eine nach § 90a StGB strafbare Form der Meinungsäußerung oder der Kunstausübung zu behandeln.6 Auch wenn man derartige Darstellungen als Verirrung von Geschmack und gegebenenfalls künstlerischer Betätigung ansieht, wird man darin keinen die Substanz des demokratischen Rechtsstaats berührenden Angriff erblicken können. So ist es insbesondere unzulässig, in der erwähnten Vereinigung von Bundes- und Reichsadler, die nicht tatbestandsmäßig im Sinne der Verunglimpfung des Wappens ist, eine Beschimpfung des Staats selbst im Sinn des § 90a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu sehen.7 Die in jedem Fall erforderliche Abwägung zwischen dem durch den Straftatbestand geschützten Rechtsgut und dem Grundrecht der Kunstfreiheit8 kommt bei derart schematischer Subsumtion karikaturistischer Verfremdungen der Bundessymbole erkennbar zu kurz. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinen Entscheidungen zu den Karikaturen von Deutschlandflagge9 und Deutschlandlied10 demgegenüber den zwingenden Weg zu der gebotenen verfassungskonformen Auslegung dieses Straftatbestands gewiesen. _______________
1 BVerfG NJW 1990, 1982 – Bundesflagge; vgl. in Abgrenzung zum Urheberrecht auch BGH AfP 2003, 541 = NJW 2003, 3633 = ZUM 2003, 777 = GRUR 2003, 956 – GiesAdler. 2 BVerfG NJW 1990, 1985 – Deutschlandlied; BVerfG NJW 2001, 596 = ZUM 2001, 320 – Deutschland muss sterben. 3 LG Aachen NJW 1995, 894. 4 Zechlin, NJW 1984, 1091, 1093. 5 BVerfG AfP 2008, 591 – Schwarz-Rot-Senf. 6 So aber LG Bochum NJW 1989, 598; im Ergebnis auch OLG Frankfurt/Main NJW 1991, 117. 7 A.A. OLG Frankfurt/Main NJW 1991, 117. 8 BVerfG NJW 2001, 596 = ZUM 2001, 320 – Deutschland muss sterben. 9 BVerfG NJW 1990, 1982 – Bundesflagge; BVerfG AfP 2008, 591 – Schwarz-Rot-Senf. 10 BVerfG NJW 2001, 596 = ZUM 2001, 320 – Deutschland muss sterben; BVerfG NJW 1990, 1985 – Deutschlandlied.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 25 § 12
Im Bereich der Wortberichterstattung wird durch § 90a StGB gerade die ureigenste und von Verfassungs wegen bestehende Aufgabe der Medien, die kritische Kontrolle und Begleitung der Tätigkeit des Staats, einem besonderen und hinsichtlich des Strafmaßes erhöhten1 Risiko unterworfen. Dass aber gerade Bund und Länder, deren Kontrolle zu den verfassungsmäßigen Aufgaben der Medien gehört, einen verschärften strafrechtlichen Schutz gegen Medienberichterstattung genießen, leuchtet keineswegs unmittelbar ein und erscheint verfassungsrechtlich bedenklich. Daher kann allenfalls eine restriktive Auslegung dieser Bestimmung, die den Medien den größtmöglichen Freiraum für Berichterstattung und Kritik belässt, der Gewährleistung von Meinungs- und Medienfreiheiten durch das Grundgesetz gerecht werden.2 Gerade Normen zum Schutz des Staats bedürfen in der praktischen Anwendung einer besonders sorgfältigen Prüfung daraufhin, ob sie nicht dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik zuwiderlaufen, aus dem die Gewährung der Meinungs- sowie der Presse- und Rundfunkfreiheit erst ihre Legitimation gewinnt.3 In jedem Fall ist daher bei der Auslegung dieser Bestimmung den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG im Wege der Güterabwägung gegenüber dem Schutzzweck des § 90a StGB Rechnung zu tragen.4
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Der Tatbestand des § 90a StGB ist verletzt in Fällen des Beschimpfens oder des böswilligen Verächtlichmachens von Bund und Ländern einschließlich ihrer Symbole. Beim Tatbestandsmerkmal des Beschimpfens handelt es sich um eine nach Form oder Inhalt besonders verletzende Äußerung der Missachtung eines der geschützten Objekte, die sich durch besondere Rohheit des Ausdrucks oder durch einen inhaltlich besonders schwerwiegenden und sachlich ungerechtfertigten Vorwurf auszeichnet.5 Diese besondere Rohheit wird im Hinblick auf die grundgesetzliche Gewährleistung der Kunstfreiheit in den Fällen von Karikatur und Satire in aller Regel nicht vorliegen. Das Bundesverfassungsgericht hat dies mit Recht nicht nur für Karikierungen bzw. Persiflierungen der Bundesflagge6 und der Nationalhymne7 festgestellt, sondern auch für den Fall der Verwendung nationalsozialistischer Symbole in der Karikatur.8 Erneut ist dabei zu betonen, dass die in einigen dieser Fälle jedenfalls teilweise vorliegenden groben Verirrungen im Geschmack keine rechtliche Dimension haben, dass sie die Strafbarkeit also nicht begründen können.
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Unter dem Begriff des Verächtlichmachens werden Äußerungen verstanden, durch die eines der geschützten Objekte als der Achtung der Staatsbürger unwert hingestellt wird. Das hat die ältere Rechtsprechung etwa angenommen im Fall der Bezeichnung der Bundesrepublik als frisch gestrichener Coca-
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1 Die Strafandrohung reicht von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. 2 So für den Bereich der Kunst Zechlin, NJW 1984, 1091, 1093. 3 BVerfG ZUM 1998, 930, 932; BVerfG NJW 2001, 596 = ZUM 2001, 320 – Deutschland muss sterben. 4 BVerfG NJW 1990, 1982 – Bundesflagge; BVerfG ZUM 1998, 930; BVerfG NJW 2001, 596 = ZUM 2001, 320 – Deutschland muss sterben. 5 BGHSt 7, 110; LG Frankfurt/Main NJW 1982, 658. 6 BVerfG NJW 1990, 1982 – Bundesflagge; BVerfG AfP 2008, 591 – Schwarz-Rot-Senf. 7 BVerfG NJW 1990, 1985 – Deutschlandlied; BVerfG NJW 2001, 596 = ZUM 2001, 320 – Deutschland muss sterben. 8 BVerfG NJW 1990, 2541 – Hitler-Satiren.
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§ 12 Tz. 26
Recht der Darstellung – Grundlagen
Cola-Bude,1 eines Bundeslands als Unrechtsstaat2 oder einer Bundestagswahl als Betrugsmanöver.3 Derartige Entscheidungen werden heutigem Verfassungsverständnis nicht mehr gerecht. Die Metapher von der frisch gestrichenen Coca-Cola-Bude hat sicher nicht die Verletzungsqualität, die an den Bestand des Staats rührt, während es bei der Bezeichnung einer demokratisch durchgeführten Wahl als Betrugsmanöver besonders auf den Kontext ankommen wird. Die Grenzen zwischen den einzelnen Tatbestandsmerkmalen sowie zwischen den danach unter Strafe gestellten Äußerungen und harter Kritik, die auch dann nicht nach dieser Vorschrift strafbar ist, wenn sie sich als unsachlich oder uneinsichtig darstellt,4 sind natürlich fließend. Daher wird nur eine auf wirklich krasse Tatbestände reduzierte Anwendung dieser Bestimmung, wie sie das Bundesverfassungsgericht5 seit Jahren eindrucksvoll praktiziert, der Gewährleistung der Meinungs- und Pressefreiheit gerecht. cc) Verunglimpfung von Verfassungsorganen 26
Kann damit der Straftatbestand des § 90a StGB selbst bei der gebotenen restriktiven Auslegung eine durchaus spürbare Beeinträchtigung der Freiheit der Medien zu kritischer oder satirischer Beschäftigung mit dem Staat, seinen Symbolen und seinen Repräsentanten darstellen, die den Redaktionen in der Auseinandersetzung mit dem Staat und seinen Maßnahmen jedenfalls eine gewisse Mäßigung in der Wortwahl oder auch der satirischen Darstellung, vor allem aber in der Äußerung sachlich nicht fundierter Vorwürfe auferlegt, und bestehen dagegen die dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken, so gilt beides für den Straftatbestand des § 90b StGB nicht. Er stellt die Verunglimpfung eines Gesetzgebungsorgans, einer Regierung oder eines Verfassungsgerichts von Bund oder Ländern unter Strafe, dies aber nur, wenn dadurch das Ansehen des Staats gefährdet und die Äußerung in der Absicht verbreitet wird, sich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einzusetzen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich damit um ein echtes Staatsschutzdelikt, das nicht primär durch die Äußerung und Verbreitung einer Meinung, sondern durch die konkrete Gefährdung des Staats und die vom Täter verfolgten verfassungswidrigen Bestrebungen gekennzeichnet ist.6 Auch handelt es sich um ein allgemeines Gesetz im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG, das keine auf die Medien spezifisch zugeschnittene Bedeutung hat und gegen dessen Anwendung auf Medienberichterstattung daher auch keine Bedenken bestehen.
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BGHSt 3, 346. BGHSt 7, 110. VGH Mannheim NJW 1976, 2177. BGHSt 19, 311, 317. BVerfG NJW 1990, 1982 – Bundesflagge; BVerfG NJW 1990, 1985 – Deutschlandlied; BVerfG NJW 1990, 2541 – Hitler-Satiren; BVerfG NJW 2001, 596 = ZUM 2001, 320 – Deutschland muss sterben; BVerfG AfP 2008, 591 – Schwarz-Rot-Senf. 6 Fischer, § 90b StGB Rz. 3 f.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 29 § 12
dd) Politische üble Nachrede § 188 StGB1 stellt die üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens unter schärfere Strafandrohung als der Regeltatbestand des § 186 StGB, wenn sie öffentlich zum Nachteil einer im politischen Leben des Volkes stehenden Person begangen wird, und zwar aus Beweggründen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, sofern die Tat geeignet ist, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren. Während im Rahmen von § 186 StGB die Regelstrafe Geldstrafe und die Höchststrafe Freiheitsstrafe von zwei Jahren ist, droht § 188 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren eine bereits sehr empfindliche Höchststrafe an. Da die Tat nur öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften begangen werden kann, kommen als Täter bzw. Tatmittler in erster Linie wiederum die Medien in Betracht.
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Auch für diese Bestimmung gelten die bereits zu § 90a StGB geäußerten Bedenken2 dagegen, dass mit einflussreichen Politikern ausgerechnet diejenigen unter besonderen strafrechtlichen Schutz gegen Äußerungen auch und vor allem der Medien gestellt werden, deren Kontrolle und kritische Begleitung die ureigenste und von Verfassungs wegen gewährleistete Aufgabe derjenigen ist, die mit der Strafe bedroht werden. Entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts3 in einer älteren Entscheidung erscheint dies im Hinblick sowohl auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG als auch auf die Gewährleistung der Pressefreiheit durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht unbedenklich.4 Dies gilt umso mehr, als der Anwendungsbereich der Norm mit den normalen Tatbestandsmerkmalen und den für die Medien heiklen Beweislastregeln der üblen Nachrede weit gezogen ist. Erforderlich ist in jedem Fall eine verfassungskonforme Auslegung unter spezifischer Berücksichtigung der Medienfreiheiten und des Umstands, dass Personen im politischen Leben ohnehin Kritik in einem größeren Maß ertragen müssen als der Normalbürger.5 Vom Grundtatbestand der üblen Nachrede unterscheidet sie sich zunächst nur durch die Definition der besonders geschützten Personen, zu denen im Wesentlichen die Angehörigen der Regierungen und Gesetzgebungskörperschaften von Bund und Ländern unter Einschluss der jeweiligen Opposition,6 nicht aber sonstige hervorragende Persönlichkeiten etwa aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur gehören.
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Wenngleich die in diesem Straftatbestand verwirklichte Vorstellung eines besonderen Ehrenschutzes für Angehörige des politischen Lebens verfassungsrechtlich bedenklich und mit heutigen Wertvorstellungen kaum noch vereinbar erscheint, haben sich Gerichte immer wieder mit Anklagen wegen einer Verletzung dieses Sondertatbestands des Beleidigungsrechts beschäftigen
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1 In der Fassung des 6. Strafrechtsreformgesetzes v. 26.1.1998; die Vorschrift entspricht dem früheren § 187a StGB. 2 Oben Tz. 22. 3 BVerfG NJW 1956, 99. 4 Fischer, § 188 StGB Rz. 1; vgl. insoweit EGMR NJW 2006, 591 für den Fall der üblen Nachrede zum Nachteil der Ehefrau eines finnischen Parlamentsabgeordneten. 5 Fischer, § 188 StGB Rz. 1. 6 Fischer, § 188 StGB Rz. 2.
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§ 12 Tz. 30
Recht der Darstellung – Grundlagen
müssen.1 Die Bedeutung der Vorschrift wird aber im Ergebnis in gewissem Maß dadurch relativiert, dass die verschärfte Strafbarkeit nur dann zum Tragen kommt, wenn die Tat geeignet ist, das öffentliche Wirken des Betroffenen erheblich zu erschweren, wobei allerdings die abstrakte Eignung hierzu ausreicht und der tatsächliche Eintritt nachteiliger Folgen für den Beleidigten keine Voraussetzung der Strafbarkeit ist.2 ee) Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten 30
Ähnlich wie § 188 StGB inländische Politiker schützt, schützt der Tatbestand des § 103 StGB Repräsentanten ausländischer Staaten in erhöhtem Maß gegen Beleidigung. Nach dieser Bestimmung wird die Beleidigung schärfer bestraft, wenn sie zu Lasten ausländischer Staatsoberhäupter, im Inland anwesender ausländischer Regierungsmitglieder oder der Leiter ausländischer diplomatischer Vertretungen begangen wird. Voraussetzung ist jedoch nach § 104a StGB, dass mit dem betreffenden Staat diplomatische Beziehungen bestehen, Gegenseitigkeit verbürgt ist und ein entsprechender Strafantrag gestellt wird. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung mit denjenigen der §§ 185–187 StGB identisch sind und sich unterschiedliche Rechtsfolgen nur auf der Ebene der angedrohten Strafe ergeben,3 hat die Vorschrift für die Medien keine eigenständige Bedeutung. Soweit die genannten speziellen Voraussetzungen für ihre Anwendbarkeit nicht erfüllt sind, gelten auch für Angehörige ausländischer Staaten die allgemeinen Bestimmungen des Beleidigungsrechts.4 d) Offenbarung und Preisgabe von Staatsgeheimnissen
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Mit den Begriffen der Offenbarung und Preisgabe von Staatsgeheimnissen wird seit der Neuordnung des Staatsschutzrechts in der Folge der so genannten Spiegel-Affäre des Jahres 1962 der früher unter der Bezeichnung publizistischer Landesverrat strafrechtlich geregelte Komplex der Mitwirkung der Medien am Tatbestand des Landesverrats bezeichnet. Während das bis 1968 geltende strikte Staatsschutzrecht prinzipiell nicht zwischen dem klassischen Landesverräter, demjenigen also, der einer fremden Macht Staatsgeheimnisse mitteilt und damit bewusst zum Nachteil der äußeren Sicherheit des eigenen Staats handelt,5 und dem Publizisten unterschied, der in bester Absicht und in Ausübung seiner verfassungsmäßigen Aufgabe der Überwachung und Kontrolle des Staats einen Komplex behandelte, der als Staatsgeheimnis galt,6 zieht das heute geltende Strafrecht insoweit einigermaßen klare Grenzen. Nunmehr ist der eigentliche Landesverrat in § 94 StGB, der früher als publizistischer Landesverrat bezeichnete Tatbestand des Offenbarens von Staats_______________
1 Vgl. etwa OLG Düsseldorf NJW 1983, 1212; BayObLG NJW 1982, 2511; OLG Frankfurt/Main NJW 1981, 1569. 2 Fischer, § 188 StGB Rz. 3. 3 Fischer, § 103 StGB Rz. 1. 4 Fischer, § 103 StGB Rz. 2. 5 Heute § 94 Abs. 1 StGB. 6 Löffler/Ricker, Kap. 50 Rz. 51.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 33 § 12
geheimnissen hingegen in § 95 StGB und dessen Variante der fahrlässigen Begehung in § 97 StGB geregelt. Mit diesen Vorschriften soll insbesondere der publizistische Verrat von Staatsgeheimnissen, soweit er nicht gerechtfertigt ist, vom allgemeinen Tatbestand des Landesverrats abgegrenzt werden.1 Für die damit unterschiedlich geregelten allgemeinen und publizistischen Verratsbestimmungen gilt der in § 93 StGB definierte Grundbegriff des Staatsgeheimnisses. Dabei handelt es sich um
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„… Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden“.2
Während aber für den allgemeinen Tatbestand des Landesverrats eine Weitergabe von Informationen oder Materialien ausreicht, die unter diesen materiellen Geheimnisbegriff zu subsumieren sind, sofern die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 94 StGB erfüllt sind,3 ist der primär auf die Medien ausgerichtete Tatbestand des Offenbarens oder Preisgebens nur dann erfüllt, wenn das offenbarte Staatsgeheimnis zusätzlich von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheim gehalten wird. Neben das materielle tritt hier also das formelle Kriterium der besonderen Geheimhaltung des Staatsgeheimnisses. Nur wenn durch staatliche Stellen konkrete Vorsorge dafür getroffen ist, das Geheimnis über den zu seiner Kenntnis befugten begrenzten Personenkreis hinaus zu schützen, und wenn diese Geheimschutzmaßnahmen im Wesentlichen beachtet werden,4 kann ein Fall des strafrechtlich relevanten Offenbarens von Staatsgeheimnissen und damit des publizistischen Landesverrats vorliegen. Er ist allerdings selbst unter diesen Voraussetzungen nur dann strafbar, wenn dadurch zusätzlich die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik hervorgerufen wird. Wird diese Gefahr fahrlässig herbeigeführt, also vom Vorsatz des Täters nicht erfasst, ist die Tat als so genannte Preisgabe von Staatsgeheimnissen nach § 97 Abs. 1 StGB mit geringerer Strafandrohung strafbar. Für die Medien wirkt sich diese Differenzierung praktisch nicht aus, da eine Veröffentlichung stets dazu führen wird, dass fremde Mächte Kenntnis von dem Geheimnis erlangen, und dies vom Vorsatz des Geheimnisverräters erfasst sein muss. Aus dem Umstand, dass auch die Offenbarung formell geschützter Geheimnisse nur strafbar ist, wenn und solange die Geheimhaltung durch die zuständigen Behörden im Wesentlichen gewahrt wird, folgt ferner, dass die publizistische Berichterstattung über einschlägige Informationen und Vorgänge dann nicht mehr strafbar sein kann, wenn sie durch andere Medien bereits offenbart worden sind. Vorveröffentlichungen haben damit – anders als bei der Verletzung zivilrechtlich geschützter Rechtsgüter5 – im Rahmen des publizistischen Landesverrats im Ergebnis rechtfertigende Wirkung. _______________
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Fischer, § 95 StGB Rz. 1. Einzelheiten bei Fischer, § 93 StGB Rz. 2 ff. Vgl. Fischer, § 94 StGB Rz. 2. Fischer, § 95 StGB Rz. 2. Oben § 2 Tz. 20 f.
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33
§ 12 Tz. 34 34
Recht der Darstellung – Grundlagen
Immer straflos ist schließlich die Offenbarung so genannter illegaler Staatsgeheimnisse.1 Nach der Legaldefinition des § 93 Abs. 2 StGB handelt es sich dabei um „… Tatsachen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung oder unter Geheimhaltung gegenüber den Vertragspartnern der Bundesrepublik Deutschland gegen zwischenstaatlich vereinbarte Rüstungsbeschränkungen verstoßen …“.
Zwar ist nach § 97a StGB die Mitteilung eines derartigen Geheimnisses an eine fremde Macht oder deren Mittelsmann dann, wenn es zusätzlich die materiellen Kriterien des Staatsgeheimnisses nach § 93 Abs. 1 StGB erfüllt, wie der Landesverrat strafbar, sofern dadurch die auch ansonsten geforderte Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik hervorgerufen wird. Die öffentliche publizistische Erörterung der Existenz so genannter illegaler Staatsgeheimnisse wird jedoch von diesem Tatbestand nicht erfasst.2 Die Offenbarung derartiger Tatsachen gehört vielmehr zum Kernbereich der den Medien übertragenen Kontrollfunktion, so dass die Entscheidung des Gesetzgebers, sie prinzipiell aus dem Anwendungsbereich des strafrechtlich geschützten Staatsgeheimnisses herauszunehmen, eine konsequente Umsetzung des Prinzips der Pressefreiheit darstellt. e) Jugendschützende Bestimmungen 35
Der Katalog der Normen, die nach Art. 5 Abs. 2 GG die Freiheit der Meinungsäußerung und diejenige der Presse- und Rundfunkfreiheit einschränken, benennt neben den allgemeinen Gesetzen ausdrücklich die Bestimmungen zum Schutz der Jugend. Indem das Grundgesetz den Jugendschutz neben den allgemeinen Gesetzen ausdrücklich erwähnt, bringt es deutlich zum Ausdruck, dass diesem Rechtsgut im Wertesystem der Verfassung ein besonderer Stellenwert zukommt, dass mithin der Jugendschutz wie die Pressefreiheit Verfassungsrang hat.3 Der Jugendschutz kann damit die Meinungs- und insbesondere die Presse- und Rundfunkfreiheit erheblich einschränken4 und führt im Einzelfall nicht nur zur Beschränkung derjenigen Medien, die sich speziell im Grenzbereich etwa zur Pornografie ansiedeln; er ist vielmehr auch von nicht spezifisch ausgerichteten Medien im Rahmen von Textberichterstattung, Bildauswahl und Programmgestaltung zu beachten.
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Am 1. April 2003 sind als zentrale Normwerke des Jugendschutzes das Jugendschutzgesetz und für den in der Kompetenz der Bundesländer liegenden Bereich der neuen Medien der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag in Kraft getreten. Zeitgleich wurden das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften sowie § 8 des Mediendienste-Staatsvertrags außer Kraft gesetzt. Das gilt jedoch nicht für die dort normierten Vertriebs- und Werbebeschränkungen für die Medien im Fall der Verbreitung jugendgefährdenden Materials. Diese Regelungen wurden vielmehr, wenn auch mit inhaltlichen Änderungen, _______________
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Fischer, § 95 StGB Rz. 1. Fischer, § 95 StGB Rz. 1; Löffler/Ricker, Kap. 50 Rz. 66. Löffler/Bullinger, § 1 LPG Rz. 271 ff. BVerfG NJW 1971, 1555; Löffler/Bullinger, § 1 LPG Rz. 271 ff.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 38 § 12
in die neuen Normwerke übernommen. Insbesondere wegen des Zusammenwirkens der einschlägigen Straftatbestände mit den Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes auf dem Gebiet der Vertriebsbeschränkungen sowie des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags kann die Nichtbeachtung der jugendschützenden Bestimmungen des Strafgesetzbuchs unter Umständen wirtschaftliche Folgen haben, die über die rein strafrechtliche Sanktion weit hinausgehen.1 aa) Pornografie Die Tatbestände der Pornografie sind in den zum 1. April 2004 ebenfalls neu gefassten Bestimmungen der §§ 184–184e StGB zusammengefasst,2 Vorschriften, die allerdings nicht ausschließlich jugendschützenden Charakter haben. Da § 11 Abs. 3 StGB für den Bereich des Strafrechts im Wege der Legaldefinition den „Schriften“ Abbildungen sowie Ton- und Bildträger, nicht aber den Rundfunk gleichstellt, dehnt § 184d StGB den Geltungsbereich der Bestimmungen über das Verbot von Pornografie ausdrücklich auf die Verbreitung im Wege des Rundfunks sowie der Tele- und Mediendienste aus.
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§ 184a–c StGB erfassen die Herstellung und Verbreitung so genannter harter Pornografie schlechthin, also ohne Einschränkung des Kreises derjenigen, an die sich das betreffende Angebot in den vom Gesetz im Einzelnen definierten Verbreitungs-, Angebots- und Werbeformen konkret richtet. Unter den Tatbestand der harten Pornografie fallen Darstellungsformen, die Gewalttätigkeiten sexueller Art oder sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren,3 oder schließlich sexuelle Handlungen an, vor oder von Kindern4 oder Jugendlichen5 zum Gegenstand haben.6 Diese Formen der Pornografie sind schlechthin verboten. Tathandlung ist u.a. bereits das Verbreiten einschlägiger Darstellungen. Damit richtet sich die Bestimmung in dieser Variante direkt, unmittelbar und in erster Linie an diejenigen, die Druckschriften oder Rundfunkprogramme herstellen und damit handeln, also insbesondere an Redaktionen, Verlage und Rundfunkveranstalter7 sowie nunmehr auch an diejenigen, die sich des Internet bedienen.8
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Demgegenüber erfasst der Grundtatbestand des § 184 Abs. 1 StGB die so genannte einfache Pornografie. Darunter werden nach einer in der Praxis eingeführten, in ihrer Berechtigung wie ihrer konkreten Anwendung auf den Einzelfall allerdings keineswegs unproblematischen Formel Darstellungen verstanden, die in einer den Sexualtrieb aufstachelnden Weise den Menschen
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1 Vgl. zum Jugendschutzgesetz 2002 insbesondere Frenzel, AfP 2002, 191 ff.; Liesching, NJW 2002, 3281 ff. sowie ZUM 2009, 267 ff.; Engels/Stulz-Herrnstadt, AfP 2003, 97 ff.; zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Bornemann, NJW 2003, 787 ff.; Liesching, AfP 2004, 496 ff.; Hahn/Vesting/Hertel, JMStV § 12 Rz. 1 ff. 2 Dazu Duttge/Hörnle/Renzikowski, NJW 2004, 1065 ff. 3 § 184a StGB. 4 § 184b StGB. 5 § 184c StGB. 6 Einzelheiten bei Fischer, § 184 StGB Rz. 5 ff. 7 Fischer, § 184 StGB Rz. 9 ff. 8 Oben Tz. 36; Einzelheiten bei Fischer, § 184 StGB Rz. 23 ff.
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§ 12 Tz. 39
Recht der Darstellung – Grundlagen
zum bloßen (auswechselbaren) Objekt geschlechtlicher Begierde degradieren.1 Pornografie in diesem Sinn liegt insbesondere vor in Fällen der aufdringlich vergröbernden, anreißerischen, verzerrenden oder unrealistischen Darstellung, die unter Berücksichtigung ihres objektiven Erscheinungsbilds Selbstzweck ist und ohne Sinnzusammenhang mit anderen gedanklichen Inhalten bleibt oder diese nur zum Vorwand für provozierende Darstellungen sexueller Handlungen nimmt.2 Danach ist die vollständige oder partielle Darstellung des nackten menschlichen Körpers als solche noch nicht pornografisch, sie wird es vielmehr erst bei Hinzutreten optischer oder textlicher Gestaltungsmerkmale, die den erwähnten Definitionen entsprechen.3 39
Anders als im Fall der harten Pornografie gemäß §§ 184a–c StGB ist die Herstellung oder Verbreitung einfacher Pornografie als solche vom Straftatbestand noch nicht erfasst. Medien mit pornografischen Darstellungen in diesem Sinne unterliegen statt dessen einem von Gesetz sehr eingehend formulierten Verbreitungsverbot, das im Prinzip dem Schutz Jugendlicher unter achtzehn Jahren dient.4 Strafbar sind erst Verstöße gegen diese spezifischen Verbreitungsverbote, während die Herstellung und gesetzeskonforme Verbreitung straflos bleibt. Ein Fall strafbaren Verbreitens gemäß § 184 Abs. 3 Nr. 1 StGB liegt bei der Verbreitung über das Internet allerdings schon dann vor, wenn eine Datei den Rechner eines Nutzers erreicht hat, ohne dass es darauf ankommt, ob der Nutzer die Datei öffnet oder nicht; wird eine Datei pornografischen Inhalts lediglich zum Lesezugriff in das Internet gestellt wird, dann handelt es sich um einen Fall des strafbaren Zugänglichmachens gemäß § 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB und kommt es erneut nicht darauf an, ob Dritte den Zugriff tatsächlich nehmen.5 bb) Gewaltdarstellung
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Neben die Bestimmungen der §§ 184 ff. StGB tritt zum Schutz der Jugend insbesondere diejenige des § 131 StGB. Die Vorschrift betrifft solche Schriften, Abbildungen, Bild- und Tonträger6 einschließlich ihrer Verbreitung über Hörfunk und Fernsehen sowie über Medien- und Teledienste,7 die „… grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeit gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt“.
Die bis 1994 geltende Tatbestandsvariante des Aufstachelns zum Rassenhass, die im Allgemeinen ideologisch motiviert sein, die daher vom Täter mit _______________
1 Fischer, § 184 StGB Rz. 7 m.w.N. 2 BGH NJW 1969, 1918 – Fanny Hill; OLG Düsseldorf NJW 1974, 1474; OLG Koblenz NJW 1979, 1467; Fischer, § 184 StGB Rz. 7. 3 Einzelbeispiele bei Fischer, § 184 StGB Rz. 7b. 4 Wegen der Einzelheiten vgl. § 184 Abs. 1 Nr. 1–9 StGB; dazu Fischer, § 184 StGB Rz. 9 ff. 5 BGH AfP 2001, 396 = NJW 2001, 3558. 6 § 11 Abs. 2 StGB. 7 § 131 Abs. 2 StGB.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 43 § 12
direktem Vorsatz verwirklicht werden wird und für die weit überwiegende Mehrheit aller Medien schon aus diesem Grund nicht relevant ist, wird nunmehr1 in § 130 Abs. 2 geregelt.2 Auch im Rahmen von § 131 StGB gehört zu den vom Gesetz ausdrücklich genannten Verletzungshandlungen in erster Linie das Verbreiten, so dass auch insoweit Verlage und Rundfunkveranstalter direkt angesprochen sind. Tatbestandlich sind die Begehungsformen der Gewaltverherrlichung bzw. -verharmlosung. Deren Konturen sind nicht immer leicht zu bestimmen. In der Praxis bereiten sie nicht selten Schwierigkeiten, weil bedingter Vorsatz zur Tatbestandsverwirklichung genügt, eine gezielte Absicht zur Verherrlichung oder Verharmlosung von Gewalt also nicht vorhanden sein muss. Diese Begehungsformen liegen vor, wenn das Grausame und Unmenschliche des Vorgangs den wesentlichen Inhalt und zugleich den Sinn der Schilderung ausmacht.3 Wie bereits im Bereich der einfachen Pornografie wird man auch hier im Wesentlichen darauf abstellen müssen, ob die Darstellung ihrer Gesamtaussage nach in erster Linie Selbstzweck ist oder ob mit ihr andere gedankliche Inhalte und Informationen vermittelt oder veranschaulicht werden sollen.
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Für die Medien bringt der Gesetzgeber diesen Gedanken selbst dadurch zum Ausdruck, dass er in § 131 Abs. 3 StGB solche Darstellungen aus dem Verbotsbereich ausnimmt, die der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte dienen.4 Damit ist jedoch nicht etwa eine pauschale Freistellung der Medien von den Beschränkungen des § 131 StGB gemeint. Auch Darstellungen in den Medien bleiben vielmehr nach dem Grundtatbestand strafbar, wenn etwa unter dem Deckmantel der Berichterstattung grausame Szenen über das durch den Informationszweck gebotene Maß hinaus ausgespielt werden.5 In der Information über begangene Grausamkeiten und Gewalttaten sind die Medien daher prinzipiell frei; benutzen sie aber das Mittel der Information, um die dargestellten Taten im oben erwähnten Sinn zu verherrlichen oder zu verharmlosen, dann greift auch ihnen gegenüber der Tatbestand des § 131 StGB ein.
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f) Volksverhetzung In engem thematischen Zusammenhang mit dem Tatbestand der Gewaltverherrlichung einerseits und demjenigen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener6 andererseits steht die Bestimmung des § 130 StGB betreffend die Volksverhetzung. Anders als die genannten Tatbestände knüpft diese Bestimmung in ihren Absätzen 1 und 3 zwar nicht ausdrücklich an die Verbreitung durch Schriften an. Erforderlich ist stattdessen, dass der Betref_______________
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Verbrechensbekämpfungsgesetz v. 28.10.1994. Unten Tz. 43 ff. Fischer, § 131 StGB Rz. 7; OLG Koblenz NJW 1986, 1700. Zu der insoweit identisch konzipierten Bestimmung des § 5 Abs. 6 JMStV vgl. Hopf, ZUM 2009, 91 ff.; Liesching, ZUM 2009, 367 ff. 5 Fischer, § 131 StGB Rz. 11. 6 Oben Tz. 16 f.
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§ 12 Tz. 43a
Recht der Darstellung – Grundlagen
fende in einer Weise handelt, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Dazu genügt die konkrete Eignung, während eine konkrete Gefährdung oder Störung des öffentlichen Friedens noch nicht eingetreten zu sein braucht.1 In diesen Tatbestandsvarianten handelt es sich bei § 130 StGB damit um ein Gefährdungsdelikt, das der Erschütterung des Vertrauens in die Rechtssicherheit und der Aufhetzung des psychologischen Klimas vorbeugen soll.2 Es liegt aber auf der Hand, dass die Verbreitung von Äußerungen durch die Medien ein geradezu typischer Anwendungsfall für derartige Äußerungen ist. Dann aber ist, wie das Bundesverfassungsgericht3 ausdrücklich klargestellt hat, auch diese Bestimmung ihrerseits wieder im Lichte der Gewährleistung der Meinungsfreiheit sowie der Medienfreiheiten durch Art. 5 Abs. 1 GG restriktiv auszulegen. 43a
Tatsächlich knüpfen denn auch nahezu alle bekannt gewordenen gerichtlichen Entscheidungen zu Fällen der Volksverhetzung nach Maßgabe der Absätze 1 und 3 an die Verbreitung der einschlägigen Äußerungen in schriftlicher oder gedruckter Form an.4 Im Hinblick darauf, dass die Presse nicht nur für eigene Äußerungen, sondern jedenfalls im Prinzip auch für Äußerungen in von ihr verbreiteten Lesebriefen haftet,5 handelt es sich daher schon bei den Tatbeständen des § 130 Abs. 1 und 3 StGB um Normen, die sich zwar nicht ausschließlich und damit auch nicht in verfassungswidriger Weise gezielt, wohl aber faktisch in erster Linie an die Medien wenden. Deren strafrechtliche Haftung geht aber im Rahmen von § 130 StGB über die potentielle Gefährdung des öffentlichen Friedens noch hinaus. Denn nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 und 5 StGB ist die Verbreitung der von Abs. 1 und 3 erfassten Äußerungen auch ohne das Vorliegen einer potenziellen Gefährdung des öffentlichen Friedens strafbar, wenn sie durch Schriften oder durch den Rundfunk sowie Tele- und Mediendienste erfolgt. Der Gesetzgeber weist den Medien damit in diesem Bereich eine erhöhte Verantwortung zu. Ausgenommen sind lediglich Äußerungen im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung6 und damit auch distanzierende Berichte der Medien über einschlägige Äußerungen Dritter.
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Inhaltlich verbietet § 130 Abs. 1 und 2 StGB die Verbreitung solcher Äußerungen, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie anstacheln oder auffordern, oder die Teile der Bevölkerung beschimpfen, böswillig verächtlich machen oder verleumden. Geschützt werden insoweit – anders als im Fall der Beleidigungsdelikte, deren Schutzgut die persönliche Ehre ist7 – nicht einzelne Personen, sondern nationale, religiöse oder durch ihr Volkstum definierte Gruppen.8 Zwar zielt die Bestimmung damit in erster Linie auf die Tatbestände, die in der amtlichen _______________
1 Fischer, § 130 StGB Rz. 2. 2 BGHSt 29, 26; BGHSt 34, 331; BGH NJW 1978, 59; OLG Düsseldorf NJW 1986, 251; OLG Hamburg MDR 1981, 71. 3 BVerfG AfP 2003, 41 = NJW 2003, 660; BVerfG NJW 2001, 61 – Bezeichnung als Jude. 4 Vgl. die Beispiele bei Fischer, § 130 StGB Rz. 5. 5 Unten § 16 Tz. 19 f. 6 §§ 130 Abs. 6, 86 Abs. 3 StGB. 7 Oben Tz. 7 ff. 8 Fischer, § 130 StGB Rz. 4.
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Tz. 45 § 12
Überschrift von § 130 StGB zutreffend als Volksverhetzung umschrieben werden, mithin die Aufhetzung von Teilen der Bevölkerung gegen andere Teile, die sich ethnisch, national oder religiös definieren. Die Rechtsprechung wendet sie aber darüber hinausgehend auch auf verbale Angriffe auf Gruppen an, die nicht durch eines der vorstehend genannten Merkmale, sondern durch die schlichte Zugehörigkeit zu einem Beruf gekennzeichnet sind.1 So sollen auch Arbeiter, Beamte oder Soldaten als Gruppe gegen Angriffe der in § 130 Abs. 1 und 2 StGB bezeichneten Art geschützt sein.2 Das kann aber selbst dann, wenn man derartige Berufsgruppen als Teile der Bevölkerung im Sinn des gesetzlichen Tatbestands definiert, nur der Fall sein, wenn es sich dem Inhalt der Äußerung nach um gezielte Angriffe auf die Menschenwürde oder gar das Leben oder die körperliche Unversehrtheit der betreffenden Gruppe handelt. § 130 StGB ist nicht dazu bestimmt, den Ehrenschutz zu erweitern.3 Daher kann die bloße Beleidigung einer derartigen Gruppe nicht tatbestandlich im Sinne dieser Norm sein.4 Das ist insbesondere in den Fällen kritischer Äußerungen über Berufsgruppen wie Polizisten oder Soldaten zu beachten, in denen die Rechtsprechung immer wieder den Versuch unternimmt, die aufgrund der prinzipiellen Straflosigkeit der Kollektivbeleidigung bestehende Lücke des strafrechtlichen Ehrenschutzes durch Rückgriff auf den Tatbestand der Volksverhetzung zu schließen.5
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Tatbestandlich sind nach der Rechtsprechung etwa die Bezeichnung von Kapitalisten als Pappscheiben, auf die man schießen kann,6 die Bezeichnung von Juden als Untermenschen7 oder die Aufforderung, in Deutschland lebende Neger zu vergasen.8 Im Fall der pauschalen Diffamierung von Asylbewerbern als Schmarotzer, Betrüger oder Straftäter in Form eines Schmähgedichts, die ohne Frage den Tatbestand des Verächtlichmachens dieses Teils der Bevölkerung erfüllt, sieht die Rechtsprechung zwar auch ein Aufstacheln zum Hass gegen die Betroffenen sowie eine potenzielle Gefährdung des öffentlichen Friedens; die Frage, ob es sich zugleich um einen Angriff auf die Menschenwürde des betroffenen Teils der Bevölkerung handelt, der erst die Strafbarkeit nach § 130 StGB begründet, ist jedoch umstritten9 und richtiger Weise zu verneinen, sofern – wie in den entschiedenen Fällen – die Schmähung Ausdruck einer durchdachten und ausformulierten, wenn auch sozial nicht zu tolerierenden Meinung ist; diese Art Schmähung enthält noch nicht die Aufforderung, die angegriffene Bevölkerungsgruppe zu vernichten oder ihr die Lebensgrundlage zu entziehen. Mit Recht hat daher das Bundesverfassungs-
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1 Fischer, § 130 StGB Rz. 4 m.w.N. 2 OLG Düsseldorf NJW 1986, 2518; OLG Frankfurt/Main NJW 1989, 1369 – Soldaten sind Mörder; a.A. LG Frankfurt/Main NJW 1988, 2683. 3 Fischer, § 130 StGB Rz. 12. 4 BGHSt 36, 90; OLG Frankfurt/Main NJW 1989, 1369. 5 BGH AfP 1989, 535 = NJW 1989, 1365; OLG Frankfurt/Main NJW 1989, 1367 – Soldaten-Urteil I; BayObLG NJW 1991, 1493; vgl. aber BVerfG AfP 1994, 286 = NJW 1994, 2943 – Soldaten sind Mörder. 6 OLG Braunschweig NJW 1978, 2046; LG Göttingen NJW 1979, 174. 7 BGHSt 19, 63. 8 BGHSt 16, 49. 9 Bejahend BayObLG NJW 1995, 145; verneinend OLG Frankfurt/Main NJW 1995, 143.
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§ 12 Tz. 46
Recht der Darstellung – Grundlagen
gericht die strafrechtliche Verurteilung eines Journalisten wegen der Bezeichnung eines Bewerbers um ein öffentliches Amt als Jude1 und diejenige des Verfassers eines Türken-feindlichen Flugblatts, in dem der Verfasser einerseits drastische Formulierungen über die betroffene Volksgruppe gebrauchte, andererseits aber den Leser aufforderte, sich eine eigene Meinung zu bilden,2 durch die jeweiligen Fachgerichte als mit Art. 5 Abs. 1 GG unvereinbar aufgehoben. Und gutmütige, ironische oder landsmannschaftlich bedingte Schimpfereien wie die Bezeichnung von Rechtsanwälten als Rechtsverdreher, von Ärzten als Kurpfuscher oder der Berliner als Saupreußen oder Großschnauzen fallen per se nicht in den Anwendungsbereich des Tatbestands der Volksverhetzung.3 46
Durch die mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 eingeführte Bestimmung des § 130 Abs. 3 StGB wird die so genannte qualifizierte Auschwitz-Lüge und damit das Leugnen des nationalsozialistischen Massenmordes an der jüdischen Bevölkerung sowie die Billigung oder Verharmlosung der in der NS-Zeit begangenen Handlungen des Völkermords unter Strafe gestellt. Es handelt sich bei dieser Bestimmung um den Versuch des Gesetzgebers, die Lücke zu schließen, die das frühere Recht bei der Ahndung der Verniedlichung oder Leugnung der nationalsozialistischen Gräueltaten ließ, nachdem der Bundesgerichtshof4 entschieden hatte, dass das schlichte Leugnen des Massenmords an Juden im Dritten Reich nach damaligem Recht nicht strafbar war.
46a
Anders als die zu demselben Themenkreis erlassene Bestimmung des § 194 Abs. 2 StGB5 richtet sich diese Vorschrift nicht gegen das Leugnen von Verbrechen des Völkermords schlechthin, sondern ausdrücklich nur gegen das Leugnen des nationalsozialistischen Völkermords.6 Tatbestandlich im Sinn dieser Bestimmung ist aber nicht nur das schlichte Leugnen der begangenen Verbrechen,7 sondern ebenso das Verharmlosen derartiger Taten. Der Tatbestand kann auch dadurch verletzt werden, dass der Täter Medienvertretern Pressemappen mit einschlägigem Inhalt zur Verfügung stellt.8 Wird die Auschwitzlüge, wie das nicht selten geschieht, von im Ausland ansässigen Tätern in der Weise über das Internet verbreitet, dass die Äußerung im Inland abrufbar und ihrem Inhalt nach auch für den inländischen Nutzer des Internet bestimmt ist, dann ist der Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB erfüllt.9 g) Beschimpfung von religiösen Bekenntnissen
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Insbesondere für kritische und satirische Medien bedeutsam als Schranke von Berichterstattung und Kritik ist die Bestimmung des § 166 StGB über die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschau_______________
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BVerfG AfP 2000, 563 = NJW 2000, 61 – Bezeichnung als Jude. BVerfG AfP 2003, 41 = NJW 2003, 660. Fischer, § 130 StGB Rz. 5 a.E. BGH AfP 1994, 126 = NJW 1994, 1421. Oben Tz. 18. Fischer, § 130 StGB Rz. 30. Dazu LG Mannheim NJW 1994, 2494; BGH NJW 1995, 340. BGH NJW 2005, 689 – Teilweises Auschwitz-Leugnen. BGH NJW 2001, 624 = MMR 2001, 228.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 48 § 12
ungsvereinigungen. Diese Vorschrift stellt die öffentliche Beschimpfung religiöser und weltanschaulicher Institutionen namentlich durch die Medien unter Strafe, sofern sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Sie kann, da dieser Tatbestand nicht an eine Verbreitung durch Schriften anknüpft, sondern an die Öffentlichkeit des Vorgangs, auch durch Verbreitung einschlägiger Äußerungen über das Internet verletzt werden,1 ohne dass sie eine ausdrückliche Bestimmung wie § 130 Abs. 2 Nr. 2 oder § 131 Abs. 2 StGB enthält. Geschützt sind durch diese Bestimmung sowohl das weltanschauliche Bekenntnis als auch die Institutionen, in denen sich die unterschiedlichen Bekenntnisse organisieren. Die rechtspolitische Rechtfertigung eines derartigen Straftatbestands in einem Staat, der weltanschauliche Neutralität und Meinungsfreiheit gewährleistet, erscheint nicht unproblematisch. Sie setzt in jedem Fall voraus, dass die Gerichte bei der Anwendung der Norm sorgfältig prüfen, ob unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Eingriff in das Grundrecht der Meinungs- und gegebenenfalls dasjenige der Kunstfreiheit erforderlich ist.2 Der Freiraum für die Äußerung kritischer Meinungen muss grundsätzlich auch für denjenigen gewährleistet sein, der agnostisch oder religiös anders denkt als die jeweils organisierte Mehrheit. Der Gesetzgeber trägt diesem Gedanken immerhin dadurch Rechnung, dass er nicht jede Beschimpfung unter Strafe stellt, sondern nur eine solche, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Ob eine Beschimpfung vorliegt, ist aus der Sicht eines neutralen, auf Toleranz bedachten Beobachters nach den gesamten Umständen des Einzelfalls zu entscheiden.3 Eine Beschimpfung liegt nicht schon in jeder herabsetzenden Äußerung; erforderlich ist vielmehr eine nach Form und Inhalt besonders intensive Kundgebung der Missachtung, die sich ihrerseits aus der Rohheit des Ausdrucks oder dem Inhalt der Äußerung ergeben kann.4 Karikaturen, die sachliche Kritik zum Ausdruck bringen oder jedenfalls einen gedanklichen Ansatz zur sachlichen Auseinandersetzung erkennen lassen, sind auch in der Auseinandersetzung mit Bekenntnissen oder Religionsgemeinschaften erlaubt. Sie können nicht als Fall des Beschimpfens angesehen werden.5 Gleiches gilt für einen Fernsehbericht über ein Papst-kritisches Theaterstück, das in einigen der wiedergegebenen Passagen als Beschimpfung der Institution des Papsttums und des derzeitigen Amtsinhabers angesehen werden kann, solange die berichtende Redaktion sich die Tendenz einer derartigen Beschimpfung nicht zu eigen macht.6 Auch das satirisch-kritische TV-Format Popetown wurde mit Recht nicht als Beschimpfung der katholischen Kirche angesehen.7 _______________
1 OLG Nürnberg MMR 1998, 535. 2 BVerwG NJW 1999, 304; zur Rechtsprechung des EGMR zur vergleichbaren Normenkollision im Anwendungsbereich von Art. 10 EMRK vgl. Frenz/Casimir-van den Brock, ZUM 2007, 815 ff. 3 OLG Celle NJW 1986, 1275. 4 OLG Nürnberg MMR 1998, 535; OLG Köln NJW 1982, 657; OLG Celle NJW 1986, 1275. 5 OLG Köln NJW 1982, 657; LG Bochum NJW 1989, 727. 6 VG Köln AfP 1995, 532. 7 LG München ZUM 2006, 578 m. Anm. Liesching.
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§ 12 Tz. 48a 48a
Recht der Darstellung – Grundlagen
Erst wenn die durch das Toleranzgebot gezogenen Grenzen zum Beschimpfen überschritten sind, wie dies nach Auffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg1 bei der Verbreitung der Darstellung eines an ein Kreuz genagelten Schweins der Fall war, stellt sich die zusätzliche Frage nach der Eignung zur Gefährdung des öffentlichen Friedens als eines weiteren Tatbestandsmerkmals.2 Eine derartige Gefährdung liegt nicht schon vor, wenn das religiöse Gefühl der Gläubigen verletzt wird. Es muss vielmehr aus der Sicht eines objektiven Beobachters unter Berücksichtigung der konkreten Umstände die Befürchtung bestehen, dass das friedliche Nebeneinander der durch ein gemeinsames Bekenntnis verbundenen Bevölkerungskreise gestört wird.3 Dabei sind auch Art und Umfang der Verbreitung zu berücksichtigen und an Blätter, die an kleine, intellektuelle Gruppen verbreitet werden, weniger strenge Anforderungen zu stellen als an Äußerungen, die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.4 Mit Recht hat etwa das Oberlandesgericht München den Tatbestand der Religionsbeschimpfung in einem Fall verneint, in dem nicht nur Glaubenssätze und Gebräuche einer im Inland bestehenden christlichen Kirche tangiert, sondern die Glaubensvorstellungen der christlichen Kirchen schlechthin in Frage gestellt wurden.5 Und die Auffassung des Oberlandesgerichts Celle,6 die Bezeichnung der christlichen Kirche als „eine der größten Verbrecherorganisationen der Welt“ stelle eine Verletzung von § 166 StGB dar, hält jedenfalls unter Berücksichtigung des Kontexts, in dem der Verfasser des betreffenden Flugblatts auf unbestreitbare historische Fakten verweist, der auch in diesem Zusammenhang gebotenen Prüfung an den Maßstäben des Art. 5 Abs. 1 GG nicht stand. h) Scalping
48b
§§ 14 und 20a WpHG betreffen den Fall der unzulässigen Manipulation der Kurse börsennotierter Wertpapiere durch die Ausnutzung von Insiderinformationen oder auf andere Weise. Nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG ist es u.a. verboten, „… Täuschungshandlungen vorzunehmen, die geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder auf den Preis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einzuwirken.“
Diese als Scalping bezeichnete Art der Manipulation von Börsenkursen ist, sofern der bezweckte Erfolg eintritt, die Kursmanipulation mithin gelingt, gemäß §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 2 WpHG strafbar; anderenfalls stellt sie jedenfalls eine mit Ordnungsgeld bewehrte Ordnungswidrigkeit dar.7 Gegen _______________
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OLG Nürnberg MMR 1998, 535. Fischer, § 166 StGB Rz. 14. OLG Köln NJW 1982, 657. LG Bochum NJW 1989, 727. OLG München FuR 1984, 595. OLG Celle NJW 1986, 1275. § 39 Abs. 1 Nr. 2 WPHG.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 49 § 12
das damit umschriebene Verbot der Marktmanipulation verstoßen gelegentlich auch Medien dadurch, dass in der Regel in Börsen- oder Wirtschaftsredaktionen tätige Journalisten Wertpapiere meist kleinerer börsennotierter Unternehmen erwerben, die betreffenden Unternehmen sodann in ihren publizistischen Beiträgen besonders positiv bewerten, dadurch deren Aktienkurs positiv beeinflussen und anschließend die von ihnen erworbenen Papiere mit dem erwarteten und eingetreten Kursgewinn wieder veräußern. Es handelt sich um eine in Deutschland relativ neue Form des Missbrauchs der Möglichkeiten des Wirtschaftsjournalismus.1 Nach dem Bekanntwerden der ersten Fälle hat zunächst der Deutsche Presserat reagiert und seine Richtlinien für die publizistische Arbeit um einen neuen Abschnitt betreffend die Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung2 ergänzt, die u.a. bestimmt: „Journalisten und Verleger dürfen keine Berichte über Wertpapiere und/oder deren Emittenten in der Absicht veröffentlichen, durch die Kursentwicklung des entsprechenden Wertpapiers sich, ihre Familienmitglieder oder andere nahestehende Personen zu bereichern. … Interessenkonflikte sind in geeigneter Weise offenzulegen.“
Wird allein durch diese Reaktion des Deutschen Presserats deutlich, dass das Scalping aus der Sicht des Berufsstands zu missbilligen ist, so war die Frage, wie es rechtlich einzuordnen ist, nach Bekanntwerden der ersten Fälle in Deutschland lange umstritten. Die zunächst herrschende Meinung sah in einem solchen Verhalten eine strafbare Verletzung des Verbots des Insiderhandels gemäß § 14 WpHG.3 Inzwischen hat jedoch der Bundesgerichtshof4 entschieden, dass es sich um verbotene sonstige Täuschungshandlungen gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG handelt. Journalisten, die über Unternehmen berichten, an denen sie persönlich oder an denen ihre Angehörigen oder ihnen sonst nahe stehende Personen beteiligt sind, werden daher besonders sorgfältig prüfen müssen, ob es zu rechtfertigen ist, dass sie über derartige Unternehmen berichten, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, durch ihre Berichterstattung eine strafbare Handlung oder jedenfalls eine Ordnungswidrigkeit zu begehen. Entsprechend der zitierten Richtlinie des Deutschen Presserats sollten sie etwaige Interessenkonflikte in jedem Fall gegenüber ihren Redaktionen offen legen.
48c
2. Zivilrechtliche Schranken Zivilrechtliche Schranken der Medienberichterstattung ergeben sich vornehmlich aus den allgemeinen Bestimmungen des Rechts der unerlaubten Handlung gemäß §§ 823 ff. BGB. Wenngleich es sich bei diesen Bestimmungen im Wortsinn um allgemeine, für und gegen jedermann geltende Gesetze handelt, die sich nicht speziell und nicht einmal in erster Linie an die Medien wenden, haben sie bei der rechtlichen Beurteilung und Bewältigung von Kon_______________
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Dazu im Einzelnen Smid, AfP 2002, 13 ff.; Schröder, NJW 2009, 465 ff. Richtlinie 7.4, abgedruckt in Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008, S. 148 ff. Vgl. Smid, AfP 2002, 13 ff. m.w.N. BGH NJW 2004, 302.
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§ 12 Tz. 50
Recht der Darstellung – Grundlagen
flikten zwischen Medien und denjenigen, die von ihrer Berichterstattung betroffen sind, in der Praxis die mit Abstand größte Bedeutung erlangt. Das Haftungsrecht der Medien wird in der gerichtlichen Praxis ganz maßgeblich durch die Zivilgerichte und innerhalb der Zivilgerichtsbarkeit durch diejenigen Spruchkörper geprägt und weiterentwickelt, die speziell für das Recht der Medien oder auch – genereller – das Deliktsrecht zuständig sind.1 a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht 50
§ 823 Abs. 1 BGB bestimmt: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Als einer der bedeutsamsten Fälle eines sonstigen Rechts, das nach dieser Bestimmung wie Leben, Gesundheit oder Eigentum gegen Beeinträchtigungen durch Dritte geschützt wird, hat sich seit der Leserbrief-Entscheidung des Bundesgerichtshofs2 in der Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht herausgebildet, das inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkannt,3 durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 GG vorgegeben und damit ähnlich wie ein eigenständiges Grundrecht verfassungsrechtlich gewährleistet ist.4 Es gilt als Ausprägung der Prinzipien der Unantastbarkeit der Menschenwürde und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Wie auch die Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit gehört es seit den Anfängen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Kernbereich des Wertesystems des Grundgesetzes.5 51
Wenngleich, wie alle Grundrechte, auch Art. 1 und 2 GG primär als Abwehrrechte gegen die Ausübung staatlicher Gewalt konzipiert sind, sie sich also auch nicht unmittelbar gegen die dem Privatrecht zuzurechnende Tätigkeit der Medien wenden, schränken sie in der Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts deren Freiheit der Berichterstattung ein. Zwischen ihnen und dem Grundrecht der Pressefreiheit ist abzuwägen, wo immer sich Konflikte zwischen der Freiheit der Berichterstattung und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ergeben, die nicht durch speziellere Normen etwa des Zivilrechts geregelt werden. Als so genannter offener Tatbestand entzieht sich allerdings gerade das Allgemeine Persönlichkeitsrecht einer exakten Defini_______________
1 So wird die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in diesem Rechtsgebiet ganz überwiegend vom VI. Zivilsenat geprägt, der generell für das Deliktsrecht zuständig ist und neben den hier interessierenden Fragen der zivilrechtlichen Haftung der Medien so anders gelagerte Komplexe wie das zivilrechtliche Straßenverkehrs- oder etwa das Arzthaftungsrecht bearbeitet. 2 BGH NJW 1954, 1404 – Leserbrief. 3 Zur Rechtsentwicklung vgl. nur Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 56; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 1 ff.; Prinz/Peters, Rz. 50; v. Gamm, NJW 1979, 513. 4 Jarass, NJW 1989, 857 ff. 5 BVerfG NJW 1958, 257 – Lüth.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 53 § 12
tion seiner Tragweite und seiner Grenzen.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts2 und auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte3 ergänzen und beschränken sich die Medienfreiheiten einerseits und die Freiheiten aus Art. 1 und 2 GG in der Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts andererseits gegenseitig in der Weise, dass sie jeweils als Interpretationsstandard bei der Ermittlung der Bedeutung der beiderseitigen Rechte im Einzelfall zu berücksichtigen sind. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht stellt also eine stets beachtliche Schranke der Berichterstattung durch die Medien dar; die Pressefreiheit ihrerseits schränkt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ein und ist bei der Ermittlung seiner Tragweite zu berücksichtigen. Damit führt nur die Abwägung beider Gesichtspunkte unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, namentlich des Öffentlichkeitswerts der in Frage stehenden Meldung und der Intensität des aus ihr resultierenden Eingriffs in Belange des Betroffenen, zu einem mit den Vorgaben des Grundgesetzes zu vereinbarenden Ergebnis. Diese Interdependenz zwischen den Kommunikationsgrundrechten des Art. 5 Abs. 1 GG und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht führt zwangsläufig dazu, dass dessen theoretische Konturen unklar bleiben.4 Namentlich Verfechter einer positivistischen, methodisch vorgeblich unanfechtbaren Rechtswissenschaft haben denn auch verschiedentlich Bedenken gegen diese Rechtsfigur vorgebracht,5 die jedoch in Anbetracht der heute gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Rechtsinstituts des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seiner Positionierung im Wertesystem des Grundgesetzes für die praktische Arbeit der Medien nicht von Bedeutung sind. Die Rechtspraxis hat sich zunehmend und im Ergebnis mit Erfolg darum bemüht, den aus der dargestellten Konfliktsituation zwischen dem Grundrecht der Pressefreiheit und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht resultierenden Nachteil der Unklarheit der Konturen dieses Rechtsinstituts durch die Entwicklung von Fallgruppen zu kompensieren. Erst in ihnen gewinnt diese Schranke der Freiheit der Medienberichterstattung die Konturen, die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht im Rahmen des Möglichen kalkulier- und handhabbar machen.6
52
b) Recht am Unternehmen Ein weiteres sonstiges Recht, das sich als allgemeines Gesetz nicht direkt und nicht in erster Linie gegen die Presse- und Rundfunkfreiheit richtet, aus dem sich aber auch eine Einschränkung der Medienberichterstattung ergeben kann, ist das so genannte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbe_______________
1 Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 9; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 57. 2 BVerfG NJW 1958, 257 – Lüth; BVerfG NJW 1966, 1603 – Spiegel-Urteil; BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I. 3 EGMR NJW-RR 2008, 1218. 4 Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 9 ff. m.w.N. 5 Vor allem Bettermann, JZ 1964, 601; vgl. auch Lerche, AfP 1976, 55. 6 Übersichten etwa bei Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 58 ff.; Palandt/Sprau, § 823 BGB Rz. 87 ff.; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 20 ff.; Prinz/Peters, Rz. 54 ff.; Einzelheiten unten § 19 Tz. 1 ff.
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§ 12 Tz. 54
Recht der Darstellung – Grundlagen
betrieb, das heute kürzer und einprägsamer als Recht am Unternehmen bezeichnet wird. Ursprünglich als deliktsrechtlicher Auffangtatbestand entwickelt, der sonst bestehende Lücken im Rechtsschutz der Unternehmen, insbesondere im gewerblichen Rechtsschutz, schließen sollte1 und so unterschiedliche Tatbestände erfasste wie etwa unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen,2 die rechtswidrige Benutzung anderweitig nicht geschützter Unternehmenskennzeichnungen3 oder die Rechtsfolgen eines rechtswidrigen Streiks,4 hat das Recht am Unternehmen in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon frühzeitig Bedeutung auch für den Schutz von Unternehmen gegen Medienberichterstattung erlangt.5 54
Nach einer in der Rechtsprechung zunächst vertretenen Auffassung sollte dieses Rechtsinstitut Unternehmen und Gewerbetreibende generell auch gegen Medienberichte schützen, durch die ihre Leistungen, Erzeugnisse oder sonstigen Verhältnisse herabgesetzt werden und die damit störend in die freie gewerbliche Entfaltung des betroffenen Unternehmens eingreifen.6 Dass mit einem derart extensiven Verständnis des Rechts am Unternehmen jeder kritischen Berichterstattung namentlich im wirtschaftlichen Bereich unzumutbare Grenzen gesetzt würden, liegt auf der Hand.
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Der Bundesgerichtshof hat dies spätestens mit der berühmten HöllenfeuerEntscheidung anerkannt.7 Dort hat das Gericht, ohne dies ausdrücklich auszusprechen, im Ergebnis eine Gleichstellung des Rechts am Unternehmen mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorgenommen, soweit der Schutz von Unternehmen gegen Medienberichterstattung in Rede steht. Eine Verletzung des Rechts am Unternehmen kommt nach einhelliger gerichtlicher Praxis seitdem nur noch in Betracht, wenn sich der Eingriff direkt und unmittelbar gegen den Verletzten richtet. Mittelbare, reflexartige Auswirkungen von Medienberichterstattung auf ein Unternehmen verletzen das Recht am Unternehmen nicht.8 Auch gilt dieses Recht als subsidiär, wird es also nur dort verletzt, wo speziellere Tatbestände zum Schutz des Betroffenen nicht zur Verfügung stehen.9 Zu diesen spezielleren Tatbeständen gehören nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Rechte aus § 824 BGB10 und aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Bestimmungen über den _______________
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Palandt/Sprau, § 823 BGB Rz. 126 ff. BGHZ 38, 200. BGH NJW 1983, 2195 – Photokina. BAG NJW 1978, 2114. Zur Entwicklung vgl. Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 128 ff. Vgl. insbesondere BGH NJW 1952, 660 = GRUR 1952, 410 – Constanze I; BGH GRUR 1956, 212 – Wirtschaftsarchiv. BGH NJW 1966, 1617 = GRUR 1966, 693 – Höllenfeuer. BGH AfP 1985, 114 = NJW 1985, 1620 = GRUR 1985, 470 – Mietboykott; BGH AfP 1989, 456 = NJW-RR 1989, 924 = GRUR 1989, 222 – Filmbesprechung. BGH GRUR 1967, 540 – Die Nächte der Birgit Malmström; BGH AfP 1989, 456 = NJW-RR 1989, 924 = GRUR 1989, 222 – Filmbesprechung; BGH AfP 1998, 399 = NJW 1998, 2141 = WRP 1998, 768 =ZUM 1998, 566 – Appartmentanlage. BGH AfP 1998, 399 = NJW 1998, 2141 = WRP 1998, 768 = ZUM 1998, 566 – Appartmentanlage; dazu unten Tz. 58 ff.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 57 § 12
strafrechtlichen Ehrenschutz ebenso wie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht.1 Wie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht bietet seit der Höllenfeuer-Entscheidung des Bundesgerichtshofs2 auch das Recht am Unternehmen keinen absoluten Schutz gegen kritische Äußerungen mehr, soweit in Anbetracht der erwähnten Subsidiarität Ansprüche gegen Medienäußerungen aus ihm überhaupt noch hergeleitet werden können. Vielmehr wird dieses Rechtsinstitut ebenfalls als offener Tatbestand verstanden, der nur nach einer Güterabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zur Feststellung der Rechtswidrigkeit von Medienberichterstattung über Unternehmen und deren Leistungen, Waren oder Verhältnisse führen kann.3 Nachdem die Rechtsprechung im Übrigen den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts über den Bereich der individuellen Persönlichkeit hinaus auf sonstige Rechtsträger erweitert hat, besteht damit heute ein dogmatischer oder praktischer Bedarf für einen Rückgriff auf das Recht am Unternehmen, das für andere Konfliktbereiche seine Bedeutung behalten hat, im Ergebnis nicht mehr.4 Anderes gilt nur für den Rechtsschutz für juristische Personen des öffentlichen Rechts,5 die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht für sich in Anspruch nehmen können.6 Im Konfliktfeld zwischen der Freiheit der Medienberichterstattung und -kritik einerseits und dem Schutz des Rufs von Unternehmen andererseits decken sich die Schutzfunktionen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am Unternehmen jedoch nahtlos.
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c) Verletzung von Schutzgesetzen Nach § 823 Abs. 2 BGB stellt es eine unerlaubte Handlung dar, wenn ein den Schutz eines Anderen bezweckendes Gesetz verletzt wird. Die Rechtsfolgen sind im Rahmen dieses Tatbestands dieselben wie im Fall der Verletzung eines der besonderen Tatbestände in § 823 Abs. 1 BGB. Zu den Schutzgesetzen im Sinn dieser Bestimmung gehören insbesondere die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs über die Beleidigungsdelikte,7 die auf diese Weise unmittelbare zivilrechtliche Relevanz gewinnen und wegen der in der Praxis zu beobachtenden Verlagerung des Ehrenschutzes gegenüber Medienberichterstattung vom Straf- in das Zivilrecht hier ihre weit größere Bedeutung erlangen.
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Zusammen mit den verschiedenen Ausprägungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, auf die im Einzelnen in anderem Zusammenhang einzugehen sein wird,8 handelt es sich bei den strafrechtlichen Beleidigungstatbeständen aufgrund ihrer Anerkennung als Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2
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1 BGH AfP 1992, 140 = NJW 1992, 1312 = GRUR 1992, 201 – Bezirksleiter Straßenbauamt. 2 BGH NJW 1966, 1617 = GRUR 1966, 693 – Höllenfeuer. 3 Vgl. auch BGH AfP 1976, 34 = NJW 1976, 620 = GRUR 1976, 268 – Warentest II. 4 So auch Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 138 ff. 5 Dazu unten § 13 Tz. 16 ff. 6 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 72 a.E.; Prinz/Peters, Rz. 140. 7 Palandt/Sprau, § 823 BGB Rz. 69. 8 Unten § 19 Tz. 1 ff.
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§ 12 Tz. 58
Recht der Darstellung – Grundlagen
BGB daher auch im Zivilrecht um diejenigen gesetzlichen Bestimmungen, aus denen sich die intensivste Beschränkung der Berichterstattung durch die Medien ergibt. d) Kreditgefährdung 58
Den Tatbestand der so genannten Kreditgefährdung regelt § 824 BGB. Nach dieser nicht ganz leicht verständlichen Bestimmung ist die Behauptung oder Verbreitung einer Tatsache unzulässig, die geeignet ist, den Kredit eines Anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Fortkommen herbeizuführen, und zwar auch dann, wenn derjenige, der die Behauptung verbreitet, die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss. Damit schafft das Gesetz ähnlich wie im Fall des § 186 StGB einen weiteren Gefährdungstatbestand, der den Medien das Risiko der Unwahrheit von ihnen verbreiteter Behauptungen aufbürdet. Dieses Risiko wird allerdings nach Abs. 2 der Vorschrift unter bestimmten Voraussetzungen wieder eingeschränkt: „Durch eine Mitteilung, deren Unwahrheit dem Mitteilenden unbekannt ist, wird dieser nicht zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hat.“
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Bei der Bestimmung des § 824 BGB handelt es sich um den einzigen speziell äußerungsrechtlichen Tatbestand im Bürgerlichen Gesetzbuch. Sie ergänzt die strafrechtlichen Ehrenschutztatbestände sinnvoll in der Weise, dass sie jede Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Rufs eines Anderen durch die Verbreitung einer unwahren Tatsachenbehauptung erfasst, während im strafrechtlichen Bereich der wirtschaftliche Ruf nur durch § 187 StGB und damit nur in den Fällen der Verbreitung einer wider besseres Wissen aufgestellten Behauptung geschützt wird.1
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Der Tatbestand des § 824 BGB wird erfüllt durch das Aufstellen oder Verbreiten unwahrer Tatsachenbehauptungen. Insoweit entspricht er demjenigen des § 186 StGB mit der Konsequenz der im Prinzip uneingeschränkten Verbreiterhaftung. Wie dort stellt es auch hier in der Regel keine rechtlich relevante Entlastung dar, wenn sich derjenige, der eine solche Behauptung verbreitet, mit der Einlassung verteidigt, die infrage stehende Behauptung stamme von einem Dritten und sei auch als solche kenntlich gemacht worden. Anderes kann namentlich bei Hörfunk- und Fernsehsendungen dann gelten, wenn sich die Redaktion darin ausgestrahlte kreditschädigende Äußerungen eines Dritten nicht zu eigen macht, sondern diese lediglich als eigenständigen Beitrag eines von mehreren Teilnehmern an der Sendung nach Art eines Meinungsforums transportiert.2
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Wie derjenige des § 186 StGB ist auch der Tatbestand des § 824 BGB nur verletzt, wenn unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt oder verbreitet werden. Äußerung und Verbreitung von Meinungen und Kritik, durch die sich ein Dritter in seinem wirtschaftlichen Ruf beeinträchtigt fühlt, werden von die_______________
1 Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 237; vgl. oben Tz. 15. 2 BGH NJW 1970, 187 = GRUR 1969, 624 – Hormoncreme.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 62a § 12
sem Tatbestand nicht erfasst,1 können jedoch unter Umständen eine Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen und als solche unzulässig sein. Der Regelung in § 186 StGB entspricht schließlich der Umstand, dass auch im Rahmen des Tatbestands der Kreditgefährdung die Eignung zur Rufbeeinträchtigung ausreicht, eine tatsächliche Beeinträchtigung als Folge der Verbreitung einer Meldung mithin nicht stattgefunden haben muss.2 Vom Tatbestand der üblen Nachrede unterscheidet sich derjenige der Kreditgefährdung demgegenüber in zweierlei Hinsicht. Anders als dort wird hier nicht verlangt, dass die unwahre Behauptung ehrenrührig ist. § 824 BGB schützt das Vertrauen in die Kreditfähigkeit eines Dritten sowie mit dem Begriff des Fortkommens seine darüber hinaus gehenden wirtschaftlichen und beruflichen Zukunftsaussichten3 gegen unwahre Behauptungen schlechthin, sofern diese nur geeignet sind, sich nachteilig auf den wirtschaftlichen Ruf des Betroffenen auszuwirken. Auf die Rechtsprechung, nach der so genannte wertneutralen Falschbehauptungen im Rahmen von § 186 StGB nicht tatbestandlich sind, weil sie sich auf den sozialen Geltungsanspruch des Betroffenen nicht nachteilig auswirken können,4 kann sich ein Verletzer im Anwendungsbereich von § 824 BGB nicht unbedingt berufen. Die Behauptung etwa, der größte Kunde eines Fabrikanten sei nicht mehr in der Lage, seine Verbindlichkeiten zu tilgen und habe Insolvenz anmelden müssen, ist für den sozialen Geltungsanspruch des Fabrikanten irrelevant, so dass sie im Fall ihrer Fehlerhaftigkeit jedenfalls ihn nicht in seinen Rechte aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 186 StGB verletzt; auf seine Kreditwürdigkeit kann sie sich gleichwohl äußerst nachteilig auswirken, so dass sie tatbestandlich im Sinn von § 824 BGB sein kann.5 Daher stellt es auch eine im Rahmen von § 824 BGB relevante falsche Behauptung dar, wenn über ein von einem bestimmten Unternehmen ausgeführtes Bauvorhaben behauptet wird, das fertig gestellte Bauwerk lasse auf den ersten Blick 85 Baumängel erkennen, während es tatsächlich nur 16 waren.6
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Auch § 824 BGB schützt allerdings nicht gegen Ungenauigkeiten oder Übertreibungen, die für die Beurteilung des Betroffenen in der öffentlichen Meinung ohne Belang sind und sich daher nicht nachteilig auf seinen wirtschaftlichen Ruf auswirken können. Der Bundesgerichtshof7 hat dies etwa angenommen im Fall eines Berichts über die Streichung eines Charterflugs, von dem laut Berichterstattung 40 Personen betroffen gewesen sein sollen, während tatsächlich nur 30 Personen betroffen waren. Das Oberlandesgericht München8 hielt die Behauptung, ein Journalist stehe bei einem Fernsehprodu-
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Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 246; Palandt/Sprau, § 824 BGB Rz. 2. BGH AfP 1975, 804 = GRUR 1975, 89 – Brüning-Memoiren I. BGH AfP 1975, 804 = GRUR 1975, 89 – Brüning-Memoiren I. BGH AfP 2006, 60 = NJW-RR 2006, 126 = ZUM 2006, 321 = WRP 2006, 265 – dpaInterview; BVerfG AfP 2008, 55 = NJW 2008, 747 – dpa-Interview. Vgl. auch das Beispiel oben Tz. 15. LG Hamburg NJW 2003, 1952. BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 188 – Türkol. OLG München NJW-RR 1996, 926.
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§ 12 Tz. 63
Recht der Darstellung – Grundlagen
zenten monatlich mit 6.000,– DM auf der Pay-Roll, während er tatsächlich nur 1.500,– DM erhielt, für rechtlich unbeachtlich; maßgeblich war die Richtigkeit des durch diese Meldung beim Leser hervorgerufenen Eindrucks, der Journalist, der über die Sendungen jenes Fernsehproduzenten regelmäßig berichtete, sei käuflich. Eine Kreditgefährdung im Sinn von § 824 BGB kann andererseits selbst dann vorliegen, wenn die verbreitete unwahre Behauptung von der Öffentlichkeit im Prinzip positiv gewertet wird, sie sich aber im Einzelfall auf den Betroffenen negativ auswirkt; in der Literatur1 wird hierzu das anschauliche Beispiel der Falschmeldung genannt, ein Theater sei ständig ausverkauft, was auf hohe Akzeptanz schließen lässt, Interessierte jedoch davon abhalten wird, sich um Eintrittskarten zu bemühen. 63
Anders als im Rahmen von § 186 StGB ist im Rahmen der Kreditgefährdung auch das Problem der Beweislast für die Unrichtigkeit der Behauptung geregelt.2 Prinzipiell trifft sie hier den von der Meldung Betroffenen, in aller Regel also den Kläger.3 Für die Medien ergibt sich hieraus jedoch nur eine geringfügige Risikoentlastung. Sie bleiben auch im Rahmen dieses Tatbestands zur Darlegung verpflichtet. Bestreitet der Betroffene die Richtigkeit einer Behauptung, so muss derjenige, der sie aufgestellt oder verbreitet hat, sie jedenfalls so weit konkretisieren und substantiieren, dass es dem Betroffenen möglich ist, sich darauf konkret einzulassen und die Einzelheiten gegebenenfalls zu widerlegen. Verweigert der Verletzer diese Substantiierung, obwohl sie ihm möglich sein müsste, so braucht der Verletzte den Beweis der Unwahrheit nicht zu führen.4
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Eine bedeutsame Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 824 BGB ergibt sich aus dem von der Rechtsprechung geforderten Merkmal der Unmittelbarkeit des Eingriffs. Nur derjenige wird in seinen Rechten verletzt, der von der Stoßrichtung einer unrichtigen Behauptung so, wie sie von den beteiligten Verkehrskreisen verstanden wird, unmittelbar betroffen ist.5 Indirekte Betroffenheit reicht nicht aus. Nicht jede Äußerung einer unwahren Tatsachenbehauptung, die auch nur mittelbar geeignet ist, die wirtschaftlichen Interessen eines Anderen zu gefährden, ist damit von diesem Tatbestand erfasst, sondern nur diejenige, die sich im Sinn einer Betriebsbezogenheit direkt und unmittelbar gegen einen Dritten richtet.6 Nur aufgrund dieser Restriktion in der Auslegung des Tatbestands sind die Medien in der Lage, sich kritisch mit Geschehnissen in der Wirtschaft zu beschäftigen. Ohne das Erfordernis der Betriebsbezogenheit des Eingriffs wäre es den Medien etwa unmöglich gewesen, über für die öffentliche Gesundheit so bedeutsame Missstände wie den österreichischen Glykol-Skandal oder den massenhaften Befall von Fischen mit gesundheitsgefährdenden Würmern wahrheitsgemäß zu berichten, ohne sich dadurch Ansprüchen von solchen Branchenangehörigen auszusetzen, die mit _______________
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Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 257. Dazu im Einzelnen unten § 30 Tz. 22 ff.; § 31 Tz. 22; § 32 Tz. 6. BGH GRUR 1972, 435 – Grundstücksgesellschaft; Palandt/Sprau, § 824 BGB Rz. 13. BGH NJW 1974, 1710 = GRUR 1975, 36 – Arbeitsrealitäten; BGH AfP 1975, 804 = GRUR 1975, 89 – Brüning-Memoiren I. 5 Dazu im Einzelnen unten § 13 Tz. 20 ff. 6 BGH AfP 1989, 456 = NJW-RR 1989, 924 = GRUR 1989, 222 – Filmbesprechung.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 67 § 12
österreichischen Weinen oder mit Fischen handelten, aber nur einwandfreie Ware zum Verkauf boten und deren Geschäfte durch den generell schlechten Ruf, den sich diese Produkte als Nebeneffekt der aufgedeckten Skandale zugezogen hatten, dennoch negativ beeinträchtigt wurden. Schwierigkeiten bereitet schließlich die Auslegung der Haftungseinschränkung durch § 824 Abs. 2 BGB, nach der für solche kreditschädigenden Behauptungen nicht gehaftet wird, deren Unwahrheit zwar feststeht, dem Mitteilenden aber nicht bekannt war, sofern dieser sich auf ein berechtigtes Interesse berufen kann, das entweder ihm selbst oder aber dem Empfänger der Mitteilung an deren Verbreitung zugestanden hat. Für die Medien ist diese Entlastungsmöglichkeit ohne nennenswerte praktische Bedeutung. Zunächst wird die Relevanz der Vorschrift dadurch gemindert, dass sie sich auf den Ausschluss von Schadenersatzpflichten beschränkt. Ansprüchen Verletzter auf Unterlassung der weiteren Verbreitung oder auf Veröffentlichung einer Berichtigung können sich die Medien daher unter Berufung auf den Rechtfertigungsgrund des § 824 Abs. 2 BGB nicht entziehen. Die Rechtsprechung1 geht davon aus, dass es für die weitere, also künftige Verbreitung von Behauptungen, deren Unwahrheit feststeht, schlechthin keine Rechtfertigung gibt, sofern sie überhaupt tatbestandlich sind. Auch die etwaige Verpflichtung des Verletzers zur Veröffentlichung einer Berichtigung ist verschuldensunabhängig und kann im Fall feststehender Unwahrheit der Meldung unter Umständen selbst dann durchgesetzt werden, wenn die erstmalige Verbreitung der Meldung gerechtfertigt war.2
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Hat daher der Haftungsausschluss nach § 824 Abs. 2 BGB praktische Bedeutung nur für die etwaige Schadenersatzpflicht des Verletzers, so ist auch damit die Tragweite dieses Haftungsausschlusses noch nicht abschließend bestimmt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes greift die Rechtfertigung bei allen Verschuldensformen mit Ausnahme des Vorsatzes ein. Nur wer die Unrichtigkeit der von ihm aufgestellten oder verbreiteten Behauptung kennt, soll sich nicht auf den rechtfertigenden Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen können. Die Rechtsprechung3 interpretiert den Haftungsausschluss jedoch restriktiv und versagt ihn auch in den Fällen bedingten Vorsatzes und grober Fahrlässigkeit.
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Zusätzlich wird insbesondere die Frage erörtert, ob der Haftungsausschluss des § 824 Abs. 2 BGB überhaupt für öffentliche Mitteilungen – und damit insbesondere für Medienveröffentlichungen – gilt oder ob er sich auf solche Mitteilungen beschränkt, die im internen Verkehr zwischen dem Verletzer und dem Empfänger der betreffenden Meldung verbreitet werden. Für eine Einschränkung dieses Haftungsprivilegs auf interne Mitteilungen wird zum einen die Entstehungsgeschichte der Vorschrift angeführt, die in das Bürgerliche Gesetzbuch speziell zur Einschränkung des Haftungsrisikos der Kredit-
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1 BVerfG AfP 1980, 151 = NJW 1980, 2072 – Böll/Walden; Einzelheiten unten § 18 Tz. 1 ff. 2 BGH NJW 1960, 672 – La Chatte; dazu unten § 31 Tz. 3 ff. 3 BGH AfP 1978, 29 = NJW 1978, 210 = GRUR 1978, 187 – Alkoholtest.
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§ 12 Tz. 68
Recht der Darstellung – Grundlagen
auskunfteien aufgenommen worden ist.1 Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass sich nach heute gefestigter Rechtsauffassung der generelle Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen2 nicht mehr auf die Wahrnehmung eigener Interessen beschränkt, dass von ihm vielmehr auch die Wahrnehmung fremder Interessen erfasst wird und dass die Privilegierung von Medienberichterstattung unter Einschluss unwahrer kreditschädigender Tatsachenbehauptungen zu einer im Ergebnis untragbaren Haftungsentlastung der Medien führe; das mache es erforderlich, die öffentliche Verbreitung von kreditschädigenden Behauptungen und namentlich diejenige durch Medienberichterstattung grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des § 824 Abs. 2 BGB herauszunehmen und es für diesen Bereich beim Grundtatbestand des Abs. 1 zu belassen.3 68
Die für die Praxis maßgebliche Auffassung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage ist noch nicht abschließend geklärt. Sicher ist danach nur, dass prinzipiell auch die Medien schadenersatzpflichtig sind, wenn sie fahrlässig und damit schuldhaft unwahre kreditschädigende Behauptungen verbreiten.4 Dass sie in diesem Zusammenhang im Einzelfall das Haftungsprivileg der Wahrnehmung berechtigter Interessen auch für sich in Anspruch nehmen können, hat der Bundesgerichtshof jedenfalls in der bisherigen Rechtsprechung nicht schlechthin ausgeschlossen, wohl aber darauf hingewiesen, dass in Anbetracht des Gefährdungspotentials, das die Verbreitung kreditschädigender Behauptungen durch die Medien mit sich bringt, von den Medien die Einhaltung eines besonders intensiven Sorgfaltsmaßstabs verlangt werden muss. Wird diese besondere Sorgfaltspflicht im Einzelfall nicht beachtet, scheidet die Berufung auf den Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen im Rahmen von § 824 Abs. 2 BGB aus,5 wie in anderen Fällen6 auch. e) Sittenwidrige Schädigung
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Der Katalog der deliktsrechtlichen Tatbestände, die sich als Schranke der Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit auswirken können, endet mit der Bestimmung des § 826 BGB. Danach ist schadenersatzpflichtig, wer „in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt.“
Wie schon das in § 823 Abs. 1 BGB angesiedelte Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist auch der generalklauselartige Tatbestand des § 826 BGB ein offener Tatbestand, der sich einer exakten Definition entzieht und stattdessen unter Heranziehung aller konkreten Umstände des Einzelfalls dann zum Urteil der Rechtswidrigkeit führt, wenn – einer seit langem eingeführten Formel ent_______________
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Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 74. Dazu unten § 15 Tz. 1 ff. So insbesondere Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 271 ff. m.w.N. BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 188 – Türkol; BGH AfP 1986, 47 = NJW 1986, 981 = GRUR 1986, 330 – Warentest III. 5 BGH NJW 1966, 2010 = GRUR 1966, 633 – Teppichkehrmaschine. 6 Dazu unten § 15 Tz. 1 ff.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 72 § 12
sprechend – ein bestimmtes Verhalten das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzt.1 Wie die ebenfalls unscharfen Tatbestände des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am Unternehmen im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB wird auch dieser Tatbestand für die Rechtspraxis erst dadurch handhabbar, dass die Gerichte Fallgruppen gebildet haben, in denen sich das allgemeine Sittenwidrigkeitsurteil konkretisiert. Wo im Einzelfall eine Anwendung dieser Generalklausel gegenüber Äußerungen von Personen oder Medien in Betracht kommt, ist wie im Rahmen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Wege der Güterabwägung unter Berücksichtigung der Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit zu entscheiden.2
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Neben der Gewährleistung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und neben dem Verbot der Verbreitung kreditgefährdender Äußerungen spielt diese Bestimmung für die rechtliche Beurteilung von Medienäußerungen in der Praxis allerdings keine nennenswerte Rolle.3 Ihre Anwendung kommt etwa in den seltenen Fällen des Einschleichjournalismus4 oder des Bruchs zugesicherter Vertraulichkeit5 in Betracht. Gleiches gilt in den Fällen des rechtswidrigen Boykottaufrufs6 sowie in den seltenen Ausnahmefällen, in denen Medien zielgerichtete Kampagnen gegenüber bestimmten Personen oder Institutionen veranstalten, die angesichts ihrer Intensität und Unsachlichkeit eine Legitimation durch die Grundrechte der Presse- oder Rundfunkfreiheit nicht beanspruchen können.7
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3. Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen Die rechtlichen Schranken für die Informationsbeschaffung durch die Medien sind, wie insbesondere in § 10 dargestellt, vielfältig. Neben die dort genannten Straftatbestände treten vertragliche Beschränkungen sowie insbesondere die zivilrechtliche Generalklausel des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das nicht nur als Berichterstattungs-, sondern in den dort genannten Fällen bereits als Informationsbeschaffungsschranke wirken kann.8 Verstöße gegen die daraus resultierenden Verbote und damit die Informations- und Materialüberlassung an die Medien unter dem Bruch etwa beamten- oder arbeitsrechtlicher Verschwiegenheitspflichten, unter Verletzung der straf- und zivilrechtlich geschützten Geheimsphäre durch rechtswidrige Herstellung von Tonaufnahmen des nicht öffentlich gesprochenen Worts, durch Mitschneiden von Telefongesprächen oder auch durch Entwendung von Unterlagen oder deren _______________
1 Palandt/Sprau, § 826 BGB Rz. 3 ff. 2 BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 = GRUR 1981, 437 – Der Aufmacher I; BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher. 3 Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 279; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 240. 4 BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 = GRUR 1981, 437 – Der Aufmacher I. 5 BGH AfP 1987, 508 = NJW 1987, 2667 = GRUR 1987, 464 – Langemann. 6 Einzelheiten unten § 22 Tz. 43 ff. 7 Vgl. dazu Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 242 f. 8 Oben § 10 Tz. 15 ff.
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§ 12 Tz. 73
Recht der Darstellung – Grundlagen
Kopien dürften nahezu zur täglichen Praxis im Umgang zwischen Medien und ihren Informanten gehören. Ergeben sich aus solchen Verstößen gegen geltendes Recht Informationen, über die die Medien ohne den Rechtsbruch nicht verfügen würden, so stellt sich die Frage, ob derartige Informationen trotz ihrer Herkunft aus trüber Quelle veröffentlicht werden dürfen oder ob die Veröffentlichung einen neuerlichen, selbständigen Rechtsbruch darstellen würde. a) Strafrechtliche Sanktionen 73
Während das Strafgesetzbuch eine Fülle von gesetzlichen Tatbeständen enthält, die sich als materielle Schranke der Medienberichterstattung auswirken können, enthält es Sanktionen gegen die Veröffentlichung von Informationen, die die Medien durch Rechtsbruch entweder ihrer eigenen Mitarbeiter oder ihrer Informanten erhalten haben, nur in wenigen Einzelfällen. Dabei handelt es sich um die für die Medien besonders relevanten Verbote, bestimmte Informationen bekanntzumachen, und zwar unbeschadet ihres Wahrheitsgehalts und unbeschadet der Frage, ob deren Inhalt bestimmte Rechtsgüter verletzt. Zu dieser Gruppe von Rechtsnormen, die sich zwar nicht ausschließlich, de facto aber weit überwiegend an die Medien wenden, gehören insbesondere die Bestimmungen in §§ 201 Abs. 2 und 353d StGB sowie in § 44 StUG und § 33 KUG. aa) Veröffentlichung von Abhörprotokollen
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Nicht vom Straftatbestand des § 201 StGB erfasst war bis 1990 die Nutzung der Mitschrift einer verbotswidrig hergestellten Aufnahme durch einen Anderen als denjenigen, der die Aufnahme hergestellt hat. Die Veröffentlichung eines der Presse zugespielten Transkripts war damals schlechthin nicht strafbar, konnte und kann allerdings auch heute noch als Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesprächsteilnehmer zivilrechtlich unzulässig sein.1 Diese liberale Regelung hat der Gesetzgeber im Jahr 1990 durch die Neufassung von § 201 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 sowie Satz 2 und 3 StGB geändert.2 Nach der jetzt geltenden Regelung ist neben dem eigentlichen Täter des verbotswidrigen Mitschneidens oder Abhörens auch derjenige strafbar, der „… das … aufgenommene oder … abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt …“
dies allerdings nur, wenn „… die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen …“
und „… die öffentliche Mitteilung nicht zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.“3 _______________
1 Dazu unten Tz. 84 ff. 2 25. Strafrechtsänderungsgesetz v. 20.8.1990, BGBl. I 1990, 1764. 3 § 201 Abs. 2 Satz 2 u. 3 StGB; vgl. schon oben § 10 Tz. 7b f.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 76 § 12
Diese Bestimmung bricht für ihren Geltungsbereich, mithin die Verwendung auf rechtswidrige Weise hergestellter Tonaufnahmen, mit dem bis zu ihrem Inkrafttreten gültigen Satz aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts1 und des Bundesgerichtshofs,2 dass die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen nicht per se unzulässig ist. Sie ist gezielt gegen die Medien gerichtet, denen der Gesetzgeber mit dieser Neuregelung die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen bei Strafandrohung verbietet.3 Sie ist daher trotz ihres generalisierenden Wortlauts kein allgemeines Gesetz im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG4 und begegnet schon aus diesem Grund verfassungsrechtlichen Bedenken. Verfassungsrechtlich bedenklich ist sie aber auch deswegen, weil sie sowohl mit der so genannten Bagatellklausel5 in Abs. 2 Satz 2 als auch mit der Einschränkung durch das Rechtfertigungsprinzip der Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen in Satz 36 das im Zivilrecht bewährte Prinzip der Güterabwägung7 in das Strafrecht transponiert und damit gegen den aus Art. 103 Abs. 2 GG abgeleiteten strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz8 verstößt. Die Frage, ob der Inhalt des den Medien zugespielten und von ihnen veröffentlichten Transkripts eines abgehörten Telefongesprächs geeignet ist, berechtigte Interessen eines Anderen zu beeinträchtigen und/oder ob seine Veröffentlichung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen geboten ist, entscheidet nach der jetzt geltenden Regelung der Strafrichter.
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Dass diese Sachlage die Redaktionen dazu bewegen muss, im Zweifel gegen die Verwertung auch brisanten Materials zu entscheiden, das nach ihrer persönlichen Überzeugung der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden darf, liegt auf der Hand. Die Tatsache, dass in den annähernd zwanzig Jahren seit Inkrafttreten der Neuregelung noch keine dazu ergangene veröffentlichte gerichtliche Entscheidung bekannt geworden ist,9 dürfte bereits für sich den empirischen Nachweis dafür erbringen, dass die Medien unter dem Druck der Strafandrohung mit der Veröffentlichung einschlägigen Materials zurückhaltender geworden sind. Mit der Wächterfunktion, die die Landespressegesetze und das Bundesverfassungsgericht den Medien im demokratischen Rechtsstaat zuweisen,10 erscheint es jedoch unvereinbar, dass der Gesetzgeber durch diese Regelung etwaige Fehlentscheidungen der Medien in der Abwägung privater Geheimhaltungs- und öffentlicher Informationsinteressen unter Strafe stellt. § 201 Abs. 2 StGB muss daher als Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 GG und damit als verfassungswidrig angesehen werden.
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1 BVerfG NJW 1973, 891 – Tonbandaufnahme; BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher. 2 BGH AfP 1979, 304 = NJW 1979, 647 = GRUR 1979, 418 – Kohl/Biedenkopf; BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 = GRUR 1981, 437 – Der Aufmacher I; BGH AfP 1987, 508 = NJW 1987, 1667 = GRUR 1987, 464 – Langemann. 3 BT-Drucks. 11/6714, 3. 4 Dazu Löffler/Bullinger, § 1 LPG Rz. 255. 5 Fischer, § 201 StGB Rz. 12; Löffler/Ricker, Kap. 54 Rz. 13. 6 Dazu Fischer, § 201 StGB Rz. 7b; Löffler/Ricker, Kap. 54 Rz. 13. 7 Dazu im Einzelnen oben Tz. 50 ff.; unten § 15 Tz. 8 ff., § 19 Tz. 2 ff. 8 Dazu Schönke/Schröder/Eser, § 1 StGB Rz. 17 ff. 9 Mit Ausnahme von LG München I ZUM 2004, 681; dazu unten Tz. 86a. 10 Oben § 1 Tz. 1 ff.
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§ 12 Tz. 76a 76a
Recht der Darstellung – Grundlagen
Eine andere, verfassungskonforme Regelung hat der Gesetzgeber für den Fall des Mithörens von Kommunikation auf den Frequenzen des Polizeifunks und anderer nach den Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes zulässiger oder speziell zugelassener Funknetze getroffen. Während das vorsätzliche Abhören derartiger Gespräche vom Tatbestand des § 201 StGB erfasst und damit den vorstehend erläuterten Regeln einschließlich der dagegen bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken unterworfen ist, stellen §§ 89 Satz 2, 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG auch die öffentliche Mitteilung des Inhalts nicht vorsätzlich mitgehörter Gespräche auf diesen Frequenzen unter Strafe. Wie § 201 Abs. 1, aber anders als § 201 Abs. 2 StGB richtet sich die Strafandrohung jedoch nur an den Mithörenden selbst. Gibt er die so gewonnenen Informationen an die Medien weiter, so bleibt deren anschließende Veröffentlichung straflos. Die gegenteilige Auffassung,1 die auch die Verbreitung eines von einem Dritten unbefugt abgehörten Polizeifunkgesprächs dem Straftatbestand des § 148 Abs. 1 Nr. 1 TKG unterwerfen will, ist mit dem insoweit klaren Wortlaut des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Ob in einem solchen Fall zivilrechtliche Ansprüche bestehen, ist auch in diesem Fall gesondert zu prüfen.2 bb) Nicht öffentliche Gerichtsverhandlungen
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Nach § 353d Nr. 1 StGB ist die Berichterstattung über solche Gerichtsverhandlungen verboten, bei denen die Öffentlichkeit ausgeschlossen war. Diese Bestimmung ist vor dem Hintergrund von § 174 Abs. 2 GVG zu sehen und beschränkt sich damit auf die Fälle des Ausschlusses der Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit, da § 174 Abs. 2 GVG nur für diese Fälle ein Veröffentlichungsverbot vorsieht.3 Auch betrifft das Veröffentlichungsverbot nur solche Vorgänge, die sich nach den Zeitpunkt, zu dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde, und vor der Wiederherstellung der Öffentlichkeit ereignet haben.4 Da Journalisten in diesen Fällen selbst stets zur ausgeschlossenen Öffentlichkeit gehören, kann das Verbot nach dieser Bestimmung nur Vorgänge und Informationen betreffen, die den Medien von Verfahrensbeteiligten zugespielt worden sind.
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Nach § 353d Nr. 2 StGB ist ferner die Berichterstattung über nicht öffentliche Gerichtsverhandlungen und darin erörterte Tatsachen verboten, hinsichtlich deren das Gericht den Beteiligten aufgrund eines Gesetzes eine Schweigepflicht auferlegt hat. Als solches Gesetz kommt nach geltendem Recht nur die Bestimmung des § 174 Abs. 3 GVG in Betracht, nach der das Gericht Teilnehmer an einer Verhandlung mit partieller Öffentlichkeit dazu verpflichten kann, über den Inhalt der Verhandlung Stillschweigen zu bewahren. Die Bedeutung dieses Straftatbestands beschränkt sich damit auf die seltenen Fälle, in denen die Öffentlichkeit zwar generell ausgeschlossen ist, das Gericht aber _______________
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AG Potsdam ZUM 2000, 166. Dazu unten Tz. 84 ff. Fischer, § 353d StGB Rz. 2. Fischer, § 353d StGB Rz. 3.
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Tz. 80 § 12
den Medien die Teilnahme unter ausdrücklicher Auferlegung einer Geheimhaltungspflicht gestattet hat.1 cc) Wiedergabe von Aktenbestandteilen Eine besondere Einschränkung der Freiheit der Berichterstattung ergibt sich aus der Bestimmung des § 353d Nr. 3 StGB.2 Danach ist die wörtliche öffentliche Mitteilung der Anklageschriften oder sonstiger Bestandteile von Ermittlungsakten aus Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahren oder wesentlicher Teile daraus mit Strafe bedroht, sofern sie erfolgt, bevor die betreffenden Teile in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind. Gegen den rechtspolitischen Sinn und die verfassungsrechtliche Wirksamkeit dieser Bestimmung, die die Medien im Stadium der Ermittlungen in den einschlägigen Verfahren an der wörtlichen Wiedergabe von Beschuldigungen durch Ermittlungsbehörden, aber auch der Einlassungen der Beschuldigten und ihrer Verteidiger, und damit an der authentischsten Form der Berichterstattung, hindert, sind beachtliche Bedenken geltend gemacht worden.3 Das Bundesverfassungsgericht4 hat jedoch die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung bejaht, so dass sie bei der Berichterstattung durch die Medien zu beachten ist, wenn ihnen Aktenbestandteile zugespielt oder sonst bekannt werden. Die Vorschrift untersagt aber ausdrücklich nur das wörtliche Zitat und lässt die Befugnis, sinngemäß über den Inhalt von Anklageschriften oder anderen Aktenbestandteilen zu berichten, unberührt,5 sofern dem nicht im Einzelfall Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Urheberrechts der Verfahrensbeteiligten entgegenstehen.6
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Als öffentliche Mitteilung kommen aus nahe liegenden Gründen in erster Linie Veröffentlichungen durch die Medien in Betracht. Der Tatbestand kann aber auch durch Personen verletzt werden, die nicht für die Medien tätig sind, mithin insbesondere deren Informanten, zumal die wörtliche Wiedergabe von Aktenbestandteilen vor deren Erörterung in der Hauptverhandlung nach herrschender Auffassung selbst dann unzulässig ist, wenn die Verfahrensbeteiligten mit ihr einverstanden sind.7 So hat es etwa das Oberlandesgericht Stuttgart8 als Verletzung des § 353d Nr. 3 StGB angesehen, dass ein Mitglied einer Bürgerinitiative nach Erstattung einer Strafanzeige gegen die Betreiber einer Chemiefabrik und Einsichtnahme in die Ermittlungsakte anlässlich einer in seinen Wohnräumen veranstalteten Pressekonferenz Auszüge aus von ihm gefertigten Kopien verlas.
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Als amtliche Schriftstücke im Sinn dieser Bestimmung gelten nicht nur solche, die von Behörden stammen, sondern auch Schriftstücke aus privater
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Fischer, § 353d StGB Rz. 5; dazu oben § 6 Tz. 6. Dazu Wilhelm, NJW 1994, 1520. Schuppert, AfP 1984, 67 m.w.N. BVerfG AfP 1986, 35 = NJW 1986, 1239. BVerfG AfP 1986, 35 = NJW 1986, 1239. Dazu unten § 19 Tz. 30 ff. AG Nürnberg MDR 1983, 424; Fischer, § 353d StGB Rz. 6. OLG Stuttgart NJW 2004, 622.
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§ 12 Tz. 81
Recht der Darstellung – Grundlagen
Quelle, sofern sie durch Einreichung bei der Ermittlungsbehörde, durch Beschlagnahme oder auf andere Weise zum Aktenbestandteil geworden sind.1 Auch die Tatsache, dass der Wortlaut einzelner Bestandteile der Akten bereits anderweitig veröffentlicht und dadurch einer unbestimmten Vielzahl von Personen bekanntgeworden ist, ändert nach herrschender Auffassung am Veröffentlichungsverbot nichts.2 Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Rechtsgüter, die durch das Veröffentlichungsverbot geschützt werden sollen, durch die erneute Veröffentlichung bereits anderweitig bekannt gewordener Aktenbestandteile nicht mehr gefährdet werden können.3 Verboten ist schließlich die Veröffentlichung nicht nur eines vollständigen einschlägigen Schriftstücks, sondern auch diejenige wesentlicher Teile daraus. Für die Beantwortung der Frage, was im Einzelfall als wesentlicher Teil anzusehen ist, kommt es entsprechend dem Normzweck maßgeblich darauf an, ob der wiedergegebene Auszug aus einem Schriftstück geeignet ist, die Verfahrensbeteiligten zu beeinflussen.4 81
Nach der öffentlichen Erörterung der jeweiligen Aktenbestandteile in der Hauptverhandlung gilt das Veröffentlichungsverbot des § 353d Nr. 3 StGB nicht mehr. Auch nach diesem Zeitpunkt kann jedoch insbesondere die wörtliche Wiedergabe von Verteidigungsschriften der beteiligten Anwälte oder von Auszügen daraus unzulässig sein, da Anwaltsschriftsätze nach der Rechtsprechung5 am Urheberrechtsschutz teilnehmen können. Ob diese Einschränkung gilt, ist dann jeweils anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Nach richtiger Auffassung kommt der Urheberrechtsschutz von Anwaltsschriftsätzen nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht, da sie in der Regel von den Zwängen der Sachverhaltsdarstellung und der Sachlogik geprägt sind und für die vom Urheberrechtsgesetz geforderte eigenschöpferische Darstellung in den meisten Fällen kein Raum bleibt.6 Vor allem aber ist auch dann, wenn es um die Frage nach der Veröffentlichungsfähigkeit eines Anwaltsschriftsatzes geht, eine Güterabwägung vorzunehmen, die nach dem Zeitpunkt der Erörterung in öffentlicher Verhandlung jedenfalls bei der schriftsätzlichen Darstellung von Sachverhalten von beachtlichem öffentlichen oder historischen Informationswert zur Zulässigkeit der Veröffentlichung führen kann.7
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Fischer, § 353d StGB Rz. 6 f. m.w.N. Fischer, § 353d StGB Rz. 6 a m.w.N. OLG Hamburg NStZ 1990, 283. OLG Hamm NJW 1977, 967. BGH GRUR 1986, 739; OLG Düsseldorf AfP 1988, 154 = NJW 1989, 1162 – Anwaltsschriftsatz; a.A. für die entschiedenen Fälle OLG München AfP 2008, 79 = ZUM 2008, 991; KG AfP 2007, 234 = NJW 2008, 768 = ZUM 2008, 960. 6 OLG Hamburg NJW 1999, 3343, 3344; KG AfP 2007, 234 = NJW 2008, 768 = ZUM 2008, 960. 7 OLG Hamburg NJW 1999, 3343, 3344; Schricker/Wild, § 97 UrhG Rz. 24.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 82a § 12
dd) Veröffentlichung von Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der früheren DDR Eine Veröffentlichungsbeschränkung, die der Regelung des § 353d Nr. 3 StGB unmittelbar nachgebildet ist, hat der Gesetzgeber in Gestalt des § 44 StUG für den Umgang mit den Unterlagen der sogenannten Birthler-Behörde geschaffen.1 Diese Bestimmung lautet:
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„Wer von diesem Gesetz geschützte Originalunterlagen oder Duplikate von Originalunterlagen mit personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte ganz oder in wesentlichen Teilen im Wortlaut veröffentlicht, wird … bestraft. Dies gilt nicht, wenn der Betroffene oder Dritte eingewilligt hat.“
Damit stuft das StUG, wie § 353d Nr. 3 StGB, das Zitieren aus Original-StasiUnterlagen durch die Medien als Straftatbestand ein. Von dem genannten Vorbild unterscheidet sich die Regelung dennoch in verschiedener Hinsicht. Zum einen gilt das Veröffentlichungsverbot nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes dann nicht, wenn der Betroffene eingewilligt hat,2 während im Rahmen von § 353d Nr. 3 StGB nicht einmal die Einwilligung des Betroffenen eine Veröffentlichung vor der Erörterung des betreffenden Schriftstücks in öffentlicher Verhandlung rechtfertigen soll.3 Zum anderen sind aber nach § 44 StUG auch die im Katalog des § 32 Abs. 3 Satz 1 StUG aufgeführten Informationen aus Stasi-Unterlagen vom Veröffentlichungsverbot ausgenommen, die sich auf Personen der Zeitgeschichte beziehen, sofern dem nicht deren überwiegende schutzwürdige Interessen nach Maßgabe von § 32 Abs. 3 Satz 2 und 3 StUG entgegenstehen.4 Mit dieser Begründung hat etwa das Oberlandesgericht Frankfurt5 die Veröffentlichung von Informationen aus Stasi-Unterlagen über die letzte überlebende Teilnehmerin an der Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut durch Angehörige der RAF im Herbst 1977 für gerechtfertigt erachtet, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Teilnahme an der Entführung nur verdächtig war und erst später rechtskräftig verurteilt wurde. Im Hinblick auf diese Bestimmungen war auch die Veröffentlichung der Verteidigungsschrift des Rechtsanwalts und Bundestagsabgeordneten Gregor Gysi im Verfahren des damaligen DDR-Regimes gegen Robert Havemann nicht vom Tatbestand des § 44 StUG erfasst.6 Andererseits wäre nach diesen Bestimmungen die Veröffentlichung von Unterlagen der Stasi über den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl unzulässig und strafbar, nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Herausgabe dieser Unterlagen an die Medien als unzulässig eingestuft hat.7 _______________
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Zu den Auskunfts- und Akteneinsichtsrechten nach dem StUG s. oben § 4 Tz. 69 ff. OLG Frankfurt/Main AfP 1996, 177, 178. AG Nürnberg MDR 1983, 424; Fischer, § 353d StGB Rz. 6a. Dazu im Einzelnen oben § 4 Tz. 70a ff. OLG Frankfurt/Main AfP 1996, 177. OLG Hamburg NJW 1999, 3343. BVerwG NJW 2002, 1815; BVerwG AfP 2004, 380 = NJW 2004, 2462 – Helmut Kohl; a.A. als Vorinstanz VG Berlin NJW 2004, 457.
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82a
§ 12 Tz. 83
Recht der Darstellung – Grundlagen
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Zudem sind nicht alle Stasi-Unterlagen gegen Veröffentlichungen geschützt. Das Verbot betrifft vielmehr zum einen nur personenbezogene Informationen und zum anderen primär Informationen über Betroffene oder Dritte.1 Damit ist die Veröffentlichung von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Stasi-Mitarbeiter nicht strafbar, sofern nicht die Ausnahmetatbestände in § 32 Abs. 3 Satz 2 und 3 StUG eingreifen. Da § 44 StUG, wie § 353d Nr. 3 StGB, obendrein nur die Mitteilung des Akteninhalts im Wortlaut unter Strafe stellt, ist die sinngemäße Wiedergabe des vollständigen Inhalts einer vom Gesetz geschützten Unterlage selbst dann nicht strafbar, wenn sie unter Mitteilung des Namens des Betroffenen erfolgt.2
83a
Gegen die Verfassungsmäßigkeit des Veröffentlichungsverbots nach § 44 StUG bestehen dieselben gravierenden Bedenken wie gegen die restriktive Auslegung der Grundnorm des § 32 StUG durch das Bundesverwaltungsgericht,3 zumal das Gesetz wie im Fall von § 201 Abs. 2 StGB4 den aus Art. 103 Abs. 2 GG abgeleiteten strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz verletzt, indem es wegen der inhaltlichen Bezugnahme des Straftatbestands auf § 32 Abs. 3 StUG5 die Strafbarkeit der Veröffentlichung von der wertenden Beantwortung der Frage abhängig macht, ob die Veröffentlichung eine Person der Zeitgeschichte betrifft und ob ihr im Einzelfall überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen entgegenstehen. Schon im Hinblick hierauf sind die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Straftatbestands nicht allein deswegen gegenstandslos,6 weil das Bundesverfassungsgericht7 die Verfassungsmäßigkeit des als Modell für diese Bestimmung dienenden § 353d Nr. 3 StGB bejaht hat. ee) Verletzung des Rechts am eigenen Bild
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Nach § 33 Abs. 1 KUG wird schließlich bestraft, wer unter Verletzung von § 22 KUG das Bild eines Anderen ohne dessen Einwilligung und ohne Vorliegen eines der Rechtfertigungsgründe des § 23 KUG verbreitet.8 In Anbetracht der Häufigkeit derartiger Rechtsverletzungen und ihrer Verfolgung durch die Verletzten vor den Zivilgerichten ergibt sich aus dieser Bestimmung ein theoretisch erhebliches Strafbarkeitsrisiko, das zudem dadurch besonders gravierend erscheint, dass es sich auch bei der Rechtfertigungsnorm des § 23 KUG um einen offenen Tatbestand handelt, der den Gerichten und im vorliegenden _______________
1 Vgl. hierzu § 6 Abs. 3 u. 7 StUG; oben § 4 Tz. 70. 2 Stoltenberg, § 44 StUG Rz. 9. 3 Oben § 4 Tz. 70a ff.; Heintschel v. Heinegg, AfP 2004, 505; Schuppert, AfP 1992, 105 m.w.N. für die frühere Gesetzesfassung; a.A. BVerwG AfP 2004, 380 = NJW 2004, 2462 – Helmut Kohl; Drohla, NJW 2004, 418 auf der Basis der Auslegung der Bestimmungen durch VG Berlin NJW 2004, 457; für die frühere Gesetzesfassung auch OLG Frankfurt/Main AfP 1996, 177. 4 Oben Tz. 75. 5 OLG Frankfurt/Main AfP 1996, 177. 6 Schuppert, AfP 1992, 105 ff. 7 BVerfG AfP 1986, 35 = NJW 1986, 1239. 8 Dazu im Einzelnen unten § 21 Tz. 1 ff.; zur Strafbarkeit der Anfertigung von Fotos unter Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs oben § 10 Tz. 8 ff.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 85 § 12
Zusammenhang dem Strafrichter ein weites Abwägungsermessen einräumt. In der Praxis jedoch hat die Bestimmung nur geringe Bedeutung,1 weil die Strafverfolgung gemäß § 33 Abs. 2 KUG nur auf Antrag des Verletzten statthaft ist und die bereits oben2 generell getroffene Feststellung der Verlagerung des Rechtsschutzes gegen Medienveröffentlichungen vom Strafrecht in das Zivilrecht auch für den Bereich der Verletzung des Rechts am eigenen Bild gilt. Obendrein handelt es sich bei der Verletzung des Rechts am eigenen Bild wie bei den Beleidigungsdelikten gemäß § 374 Abs. 1 Nr. 8 StPO um ein Privatklagedelikt, so dass selbst in den seltenen Fällen der Stellung eines Strafantrags die Staatsanwaltschaften in der Regel nicht tätig werden dürfen.3 b) Zivilrechtliche Sanktionen Abgesehen von den genannten Sonderbestimmungen kennt das deutsche Recht keinen generellen Straftatbestand, der sich gegen die Veröffentlichung von Informationen wendet, die durch Rechtsbruch beschafft oder den Medien zugespielt worden sind. Neben die materiell-strafrechtlichen Schranken treten jedoch die oben genannten zivilrechtlichen Einschränkungen der Berichterstattungsfreiheit.4 Sie zwingen die Medien und in Konfliktfällen auch die Zivilgerichte zur Entscheidung der Frage, ob die Veröffentlichung solcher Informationen und solchen Materials zulässig sein kann, bei dessen Beschaffung gegen zwingende Rechtsnormen verstoßen worden ist.
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Diese Frage hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs5 und des Bundesverfassungsgerichts6 prinzipiell zugunsten der Berichterstattungsfreiheit entschieden. Unabhängig von der etwaigen strafrechtlichen Würdigung des Verhaltens desjenigen, der den Rechtsbruch durch Informationsbeschaffung begangen hat,7 stellt nach dieser Rechtsprechung die rechtswidrige Informationsbeschaffung durch Verletzung etwa der Geheimsphäre in aller Regel zwar einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen dar. Dieses ist aber nach einhelliger Auffassung nicht absolut gegen Eingriffe durch Medienveröffentlichungen geschützt, ist vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der Intensität des Ein-
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Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 9 Rz. 44. Oben Tz. 4. Einzelheiten zu Strafantrag und Privatklage unten § 26 Tz. 12 ff., 15 ff. Oben Tz. 49 ff. BGH AfP 1979, 304 = NJW 1979, 647 = GRUR 1979, 418 – Kohl/Biedenkopf; BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 = GRUR 1981, 437 – Der Aufmacher I; BGH AfP 1987, 508 = NJW 1987, 2667 = GRUR 1987, 464 – Langemann; BGH AfP 1998, 399 = NJW 1998, 2141 = WRP 1998, 768 = ZUM 1998, 566 – Appartmentanlage. 6 BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher; BGH AfP 1979, 304 = NJW 1979, 647 = GRUR 1979, 418 – Kohl/Biedenkopf; BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 = GRUR 1981, 437 – Der Aufmacher I; BGH AfP 1987, 508 = NJW 1987, 2667 = GRUR 1987, 464 – Langemann; BGH AfP 1998, 399 = NJW 1998, 2141 = WRP 1998, 768 = ZUM 1998, 566 – Appartmentanlage; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 53; Macht, AfP 1999, 317, 323 ff. 7 Eine Rechtfertigung kommt insoweit auch unter dem Aspekt der Pressefreiheit nicht in Betracht, vgl. oben § 10 Tz. 2; vgl. auch Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 53; Macht, AfP 1999, 317 ff.
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§ 12 Tz. 86
Recht der Darstellung – Grundlagen
griffs einerseits und des Öffentlichkeitswerts der durch ihn beschafften Nachricht andererseits gegen das Grundrecht der Medien auf freie Berichterstattung abzuwägen. Ergibt sich als Ergebnis dieses Abwägungsprozesses, den die Medien in eigener Verantwortung vorzunehmen und den im Streitfall die Gerichte zu kontrollieren haben, dass der Informationswert der Nachricht schwerer wiegt als die durch ihre Beschaffung begangene Rechtsverletzung, so stellt die Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung kein Verwertungshindernis dar.1 Hinsichtlich der Frage, ob überhaupt ein Fall rechtswidriger Informationsbeschaffung vorliegt, trägt entsprechend dem allgemeinen Beweisrecht des Zivilprozesses der Verletzte die Beweislast.2 86
Der Bundesgerichtshof3 hat in Anwendung dieses Grundsatzes die Veröffentlichung des Wortlauts eines in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts illegal abgehörten und mitgeschnittenen Telefongesprächs zwischen den damaligen Oppositionspolitikern Kohl und Biedenkopf, die nach heutiger Rechtslage gemäß § 201 Abs. 2 StGB strafbar wäre, nur deswegen für rechtswidrig erklärt, weil der Inhalt jenes Telefongesprächs4 ausschließlich aus Belanglosigkeiten bestand. Unzulässig war auch die Veröffentlichung eines Manuskripts mit Informationen aus dem Geheimdienstwesen, das unter Verwendung von Tonbandaufzeichnungen und ergänzenden Informationen eines Dienstangehörigen entstanden, dann aber durch den Gesprächspartner des Informanten unter Bruch einer ausdrücklichen Geheimhaltungsvereinbarung an die Presse weitergegeben worden war, nach der nur eine gemeinschaftliche und inhaltlich abgestimmte Veröffentlichung statthaft sein sollte.5 Die Preisgabe einiger Details aus der redaktionellen Arbeit der Bild-Zeitung durch den Schriftsteller Günter Wallraff hingegen wurde wegen ihres überragenden Informationswerts für die öffentliche Meinungsbildung trotz der ausdrücklichen Feststellung für zulässig erachtet, dass der Verfasser sich die Informationen im Wege des Einschleichens und damit einer rechtswidrigen Methode verschafft hatte.6
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Zulässig war es entgegen der Auffassung des Landgerichts München7 auch, Auszüge aus einem in strafbarer Weise auf Tonträger aufgezeichneten Interview zu veröffentlichen, in dem ein Journalist sich als Interessent für den Abschluss einer sittenwidrigen Vereinbarung über die Platzierung verbotener Schleichwerbung im öffentlichrechtlichen Fernsehen ausgegeben und der Betroffene bestätigt hatte, er sei zum Abschluss einer solchen Vereinbarung bereit und in der Lage. Die Auffassung des Oberlandesgerichts München,8 hier werde nur ein ohnehin bekannter Missstand aufgedeckt, an dem aus diesem Grund ein überwiegendes Informationsinteresse nicht bestehe, läuft darauf hinaus, dass Medien legitimer Weise an der Aufklärung von Missständen nicht mehr mitwirken dürfen, wenn diese dem Grunde nach bekannt sind. _______________
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BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher. LG Hamburg AfP 2008, 640. BGH AfP 1979, 304 = NJW 1979, 647 = GRUR 1979, 418 – Kohl/Biedenkopf. Dazu oben Tz. 74 ff. BGH AfP 1987, 508 = NJW 1987, 2667 = GRUR 1987, 464 – Langemann. BGH NJW 1981, 1366 = GRUR 1981, 441 – Der Aufmacher II. LG München I ZUM 2004, 681. OLG München AfP 2004, 138 = NJW-RR 2004, 767 = ZUM 2004, 312.
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Die allgemeinen Gesetze als Schranken der Berichterstattung
Tz. 89 § 12
Diese Auffassung wird dem Stellenwert der Medienfreiheiten in der gebotenen Güterabwägung nicht annähernd gerecht.1 Demgegenüber erscheint es gerechtfertigt, wenn das Landgericht Hamburg2 angenommen hat, die Veröffentlichung von Filmmaterial, das durch einen Hausfriedensbruch zustande gekommen war, sei in einem Fall unzulässig gewesen, in dem die betreffende Redaktion auf diese Weise dokumentierte Zustände der Massentierhaltung zwar kritisierte, aber selbst nicht die Auffassung vertrat, der kritisierte Tierhalter verletze durch die dokumentierten Zustände gesetzliche Bestimmungen. Die gegen die Rechtsprechung zur Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen grundsätzlich vorgebrachte Kritik3 überzeugt nicht. Soweit sie ein Veröffentlichungsverbot aus dem zivilrechtlichen Rechtssatz abzuleiten versucht, dass derjenige, der in rechtswidriger und schuldhafter Weise geschützte Rechte eines Dritten verletzt, diesem zum Schadenersatz verpflichtet und daher auch gehalten ist, die Ausnutzung des rechtswidrig geschaffenen Zustands zu unterlassen,4 versagt dieses Argument bereits in allen Fällen der Informationsbeschaffung durch medienfremde Informanten. Eingriffe in geschützte Rechtspositionen durch Medienangehörige selbst dürften die Ausnahme bilden, während der weitaus größte Teil der unter Verletzung von Rechtsnormen beschafften Informationen und Materialien den Medien von außen zugeliefert wird. In diesen Fällen handelt es sich bei der Veröffentlichung solcher Informationen und Materialien nicht um die Fortsetzung eines eigenen Rechtsbruchs, sondern um die Ausnutzung einer durch fremden Rechtsbruch geschaffenen Informationslage.
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Dass diese Ausnutzung ihrerseits nicht rechtswidrig sein kann, wenn gegen die Veröffentlichung des Inhalts der so erlangten Informationen unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten Bedenken nicht bestehen, ist schon der in Übereinstimmung mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung einer freien Presse stehenden Institution eines weitgehenden Zeugnisverweigerungsrechts5 zu entnehmen, durch das mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Redakteuren und Informanten insbesondere der Zugang der Medien zu solchen Informationen gewährleistet werden soll, die ihre Informanten nicht liefern würden, müssten sie damit rechnen, dass sie sich persönlich für deren Beschaffung verantworten müssen.6 Dass in diesen Fällen ein generelles Veröffentlichungsverbot nicht in Betracht kommt, wird auch von den Kritikern der zitierten Rechtsprechung im Prinzip anerkannt.7
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Damit verbleiben die vermutlich seltenen Fälle, in denen sich Redakteure Informationen durch eigenen Rechtsbruch verschaffen, die Ableitung eines
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1 Vgl. insoweit auch OLG München AfP 2005, 371. 2 LG Hamburg ZUM 2008, 614. 3 Vgl. u.a. Wente, S. 103 ff.; Bettermann, NJW 1981, 1065; differenzierend Macht, AfP 1999, 317 ff. 4 §§ 823, 249 BGB; Wente, S. 103 m.N.; mit Recht kritisch hierzu Macht, AfP 1999, 317, 323. 5 Dazu oben § 8 Tz. 1 ff. 6 BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher. 7 Wente, S. 105 f.; Macht, AfP 1999, 317, 323 f.
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§ 12 Tz. 89
Recht der Darstellung – Grundlagen
Veröffentlichungsverbots aus dem Gesichtspunkt des deliktsrechtlichen Schadenersatzanspruchs mithin prinzipiell in Betracht gezogen werden kann. Auch für diese Fallgruppe hat das Bundesverfassungsgericht1 jedoch ein generelles Veröffentlichungsverbot mit Recht abgelehnt. Dabei geht es nicht, wie die Kritik dieser Rechtsprechung2 meint, darum, dem Rechtsbrecher zu gestatten, die Früchte des Rechtsbruchs davonzutragen. Wird etwa der Journalist, der unter Verstoß gegen das Verbot des § 242 StGB Unterlagen entwendet, auf deren Grundlage er dann berichtet, überführt, so steht seiner persönlichen Strafbarkeit wegen Diebstahls nichts im Wege. Die These,3 die bloße Möglichkeit, dass rechtswidrig beschaffte Information rechtmäßig veröffentlicht werden dürfe, stelle eine Einladung an Journalisten dar, auf Verdacht Rechtsbrüche in der Hoffnung zu begehen, dadurch auf veröffentlichungswürdige Informationen zu stoßen, erscheint schon aus diesem Grund äußerst lebensfremd und überzeugt daher ebenfalls nicht. Denn es bleibt ja bei dem Grundsatz, dass der Rechtsbruch auch dann rechtswidrig und in den einschlägigen Fällen mit dem Risiko strafrechtlicher Ahndung verbunden ist, wenn er durch Angehörige der Medien begangen wird. Es geht hier vielmehr um die durch Grundgesetz und Landespressegesetze statuierte Aufgabe der Medien, durch Verbreitung von Tatsachen mit Relevanz für das Gemeinwesen insbesondere auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen4 und auf diese Weise auch ihre Kontrollfunktion wahrzunehmen. Zwar kann die Schwelle für die Zulässigkeit der Informationsverwertung dort höher zu anzusetzen sein, wo Redaktionen sich die Informationen unter eigenem Rechtsbruch verschafft haben. Sie jedoch allein deswegen an der Veröffentlichung wahrer Meldungen von hohem Öffentlichkeitswert zu hindern, weil sie ihnen im Einzelfall etwa durch Verletzung des Rechts am gesprochenen Wort oder des Briefgeheimnisses zugänglich geworden sind, kommt im Hinblick auf die Gewährleistung prinzipiell freier Berichterstattung über Tatsachen, die für die Öffentlichkeit von Bedeutung sind, nicht in Betracht.
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1 BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher. 2 Wente, 106; so im Ergebnis auch Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 53; Macht, AfP 1999, 317, 323. 3 Macht, AfP 1999, 317, 323. 4 BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher.
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§ 13 Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene Berichterstattung durch die Medien befasst sich mit Personen des öffentlichen Lebens ebenso wie mit solchen, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit noch nicht auf sich gezogen haben. Sie befasst sich mit staatlichen Institutionen ebenso wie mit privaten Unternehmen, Vereinen oder sonstigen Vereinigungen. Sie alle kommen als Träger der Rechte, die durch die in § 12 dargestellten Normen des Straf- und Zivilrechts geschützt werden, und damit als Objekte von Veröffentlichungen in den Medien in Betracht.
1
1. Natürliche Personen a) Lebende Betroffene Insbesondere das Allgemeine Persönlichkeitsrecht basiert auf der Gewährleistung der Grundrechte der Würde des Menschen1 und der freien Entfaltung der Persönlichkeit.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts3 sind diese Grundrechte auch und gerade gegen Beeinträchtigungen durch Medien und sonstige Äußerungen Dritter geschützt. Daraus folgt, dass jede lebende natürliche Person Träger des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts der persönlichen Ehre in der Ausgestaltung ist, die diese Rechtsinstitute durch die dargestellten straf- und zivilrechtlichen Normen erfahren haben. Das gilt ohne Ausnahme.
2
Der Schutz der Persönlichkeit ist nicht auf Inländer beschränkt, kann vielmehr von Ausländern in gleicher Weise in Anspruch genommen werden. Er gilt auch für Kinder, und zwar unabhängig davon, ob sie bereits ein persönliches Ehr- oder Würdegefühl entwickelt haben4; so sind etwa auch kleinste Kinder in ihrem Recht am eigenen Bild in gleicher Weise geschützt wie Erwachsene. Und in besonderem Maß gelten die Bestimmungen zum Schutz der Persönlichkeit zugunsten der Angehörigen benachteiligter Gruppen wie etwa geistig oder körperlich Behinderter.
3
Damit gibt es kein lebendes Individuum, dem das Recht abgesprochen werden könnte, sich gegenüber einer behaupteten Verletzung seiner Rechte durch die Medien zur Wehr zu setzen. Allerdings gilt eine Einschränkung: Dieses Recht auf Respektierung der Persönlichkeit durch die Medien ist höchstpersönlicher
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1 Art. 1 Abs. 1Satz 1GG. 2 Art. 2 Abs. 1 GG. 3 BVerfG NJW 1958, 257 – Lüth; BVerfG NJW 1961, 819 – Schmid/Spiegel; BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto; BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I; BVerfG AfP 1980, 151 = NJW 1980, 2072 – Böll/Walden; BVerfG AfP 1999, 57 = NJW 1999, 1322 = ZUM 1999, 236. 4 BGH GRUR 1974, 415 – Saat der Sünde; BGHSt 7, 129; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 114.
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§ 13 Tz. 4a
Recht der Darstellung – Grundlagen
Natur.1 Einer im Schrifttum2 vertretenen neueren Tendenz, in Abkehr von diesem Grundsatz Persönlichkeitsrechte gegen Medienberichterstattung abzuschotten, indem man sie kommerzialisiert, sie mithin zum eigenständigen Gegenstand des Rechtsverkehrs macht, hat das Bundesverfassungsgericht3 eine Absage erteilt. Danach gestatten es insbesondere das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am eigenen Bild dem Individuum nicht, sich etwa im Wege von Exklusivverträgen im Interesse der Kommerzialisierung seiner Persönlichkeit eines Teils seiner geschützten Sphäre zugunsten einzelner Vertragspartner zu begeben und die Öffentlichkeit als solche von der Nutzung dieses freigegebenen Teils auszuschließen.4 4a
Diese Feststellung verliert nicht dadurch ihre Gültigkeit, dass der Bundesgerichtshof5 insbesondere in seiner Marlene Dietrich-Entscheidung dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch vermögenswerte Bestandteile entnommen hat, die hinsichtlich der Sanktionen im Verletzungsfall sowie der Übertragbarkeit allgemeinen immaterialgüterrechtlichen Regeln folgen.6 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist vielmehr als ein gespaltenes Recht zu verstehen, das neben seinen immateriellen Bestandteilen auch vermögensrechtliche Bestandteile aufweist.7 Soweit es danach vermögensrechtlicher Natur ist, ist es gegen rechtswidrige Ausbeutung in gleicher Weise geschützt wie andere Immaterialgüterrechte auch. Das gilt etwa für die Nutzung des Namens oder der Abbildung einer Persönlichkeit zu Zwecken der Werbung,8 aber auch für andere Nutzungsarten, die im Rechtsverkehr üblicherweise nicht ohne Entgelt gewährt zu werden pflegen. Das Bundesverfassungsgericht9 folgt diesem Ansatz einer zweigliedrigen Ausgestaltung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Marlene Dietrich betreffenden Entscheidung und sieht dabei seine eigene Ausdeutung des immateriellen Persönlichkeitsrechts in der Caroline von Monaco-Entscheidung10 nicht in Frage gestellt.11
4b
Wo es daher um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Medieninhalte geht, ändert sich durch die neuere Rechtsprechung der Bundesgerichtshofs und die darin vollzogene Anerkennung eines auch vermögensrecht_______________
1 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; dazu Soehring, AfP 2000, 230; BGH NJW 1968, 1773 = GRUR 1968, 552 – Mephisto; BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 = GRUR 1981, 437 – Der Aufmacher I; Damm/Rehbock, Rz. 797. 2 Ullmann, AfP 1999, 209, 214; ähnlich auch Seifert, NJW 1999, 1889, 1995. 3 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; dazu Soehring, AfP 2000, 230. 4 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 5 BGH AfP 2000, 356 = NJW 2000, 2195 = GRUR 2000, 715 = ZUM 2000, 582 – Marlene Dietrich. 6 Dazu u.a. G. Müller, VersR 2008, 1141 ff. unter C; Seelmann-Eggebert, NJW 2008, 2551; Götting/Brändel, § 37 Rz. 16 ff.; Peukert, ZUM 2000, 710 ff.; Wagner, GRUR 2000, 717 ff. 7 G. Müller, VersR 2008, 1141 ff. unter C; a.A. Götting, GRUR 2004, 801 ff. 8 Unten § 17 Tz. 16 ff., § 21 Tz. 19 ff. 9 BVerfG AfP 20006, 452 = NJW 2006, 3409 = ZUM 2006, 865 = GRUR 2006, 1049 = WRP 2006, 1361 – Blauer Engel. 10 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 11 Seelmann-Eggebert, NJW 2008, 2551.
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Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene
Tz. 5 § 13
lich geprägten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts1 nichts. Persönlichkeitsrechte können im Fall einer Verletzung ihrer immateriellen Bestandteile durch rechtswidrige Medienberichterstattung auch weiterhin nur vom unmittelbar Verletzten selbst bzw. im Fall der Verletzung Geschäftsunfähiger durch deren gesetzliche Vertreter wahrgenommen werden.2 So hat etwa der Bundesgerichtshof eine Klage abgewiesen, mit der der Bruder eines Manns, der zunächst seine Familie und dann sich selbst getötet hatte, sich dagegen zur Wehr setzen wollte, dass durch die Berichterstattung über die Tat und ihre Umstände auch sein Name in die Öffentlichkeit getragen und mit der Tat in Verbindung gebracht wurde,3 obwohl das Gericht in den Entscheidungsgründen ausdrücklich in Frage stellt, ob die Berichterstattung in der vorliegenden Form aus der Sicht des Verstorbenen zulässig oder als Verletzung von dessen Allgemeinem Persönlichkeitsrecht unzulässig gewesen wäre. Die Berichterstattung trifft in einem solchen Fall trotz der Namensgleichheit4 nicht den Überlebenden in seinen eigenen Rechten, und die Grenzen des Rechtssystems des deliktischen Ehrenschutzes würden überschritten, wollte man dem Kläger eine eigene Klagbefugnis allein deswegen zuerkennen, weil durch die Nennung des Namens auch er (mittelbar) betroffen ist. Auch sind die immateriellen Aspekte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts als solche weiterhin weder übertragbar noch vererblich.5 Das gilt trotz der Neufassung von § 847 BGB, der Vorgänger-Vorschrift des heutigen § 253 BGB, im Jahr 19906 weiterhin auch für den Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung,7 die nicht den Regeln von §§ 847, 253 BGB folgt und ihren höchstpersönlichen und daher jedenfalls vor Rechtshängigkeit auch nicht vererblichen Charakter ihrer unmittelbaren Ableitung aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem ihn zu Grunde liegenden Art. 1 Abs. 1 GG verdankt.8 Demgegenüber gelten die von der Rechtsprechung inzwischen anerkannten vermögensrechtlichen Aspekte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts wie etwa Bereicherungsansprüche aus rechtswidriger Vermarktung von Persönlichkeitsrechten nicht mehr als höchstpersönliche Ansprüche, sondern als übertragbare und vererbliche Vermögenswerte.9
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1 BGH AfP 2000, 356 = NJW 2000, 2195 = GRUR 2000, 715 = ZUM 2000, 582 – Marlene Dietrich. 2 G. Müller, VersR 2008, 1141 ff. unter C; a.A. auch für den immaterialgüterrechtlichen Aspekt von Persönlichkeitsrechten Ullmann, AfP 1999, 209, 214. 3 BGH AfP 1980, 154 = NJW 1980, 1790 = GRUR 1980, 813 – Familienname. 4 Dazu unten § 17 Tz. 12 f. 5 BGH NJW 1968, 1773 = GRUR 1968, 552 – Mephisto; G. Müller, VersR 2008, 1141 ff. unter C; dazu unten § 32 Tz. 19. 6 Dazu Palandt/Sprau, § 847 BGB Rz. 13; unten § 32 Tz. 19. 7 Dazu im Einzelnen unten § 32 Tz. 15 ff. 8 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 72; Damm/Rehbock, Rz. 1011; a.A. Kutschera, AfP 2000, 147. 9 BGH AfP 2000, 356 = NJW 2000, 2195 = GRUR 2000, 715 = ZUM 2000, 582 – Marlene Dietrich; dazu unten § 32 Tz. 37 ff.
281
5
§ 13 Tz. 6
Recht der Darstellung – Grundlagen
b) Der Schutz Verstorbener aa) Immaterielle Aspekte 6
Damit stellt sich die Frage nach dem Schutz Verstorbener gegen Beeinträchtigungen durch Medienberichterstattung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts1 enden die persönliche Ehre und damit auch die immateriellen Aspekte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Tod des Menschen. Würde dieser Grundsatz konsequent praktiziert, so wären Ehre und Ruf Verstorbener gegen Beeinträchtigungen durch Berichterstattung schlechthin schutzlos. Davon kann indessen jedenfalls im Ergebnis keine Rede sein. Der Schutz Verstorbener ist vielmehr an zwei Stellen spezialgesetzlich geregelt, und auch die Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht wendet den Satz vom Erlöschen der Ehre mit dem Tod des Menschen im praktischen Ergebnis nur mit Einschränkungen an.
7
§ 189 StGB stellt das Andenken des Verstorbenen unter besonderen strafrechtlichen Schutz. Damit erkennt der Gesetzgeber prinzipiell an, dass die Ehre des Individuums, die durch die allgemeineren Tatbestände der §§ 185 ff. StGB geschützt ist, mit dem Tod endet und der erwünschte strafrechtliche Schutz des Nachrufs Verstorbener einer besonderen gesetzlichen Begründung bedarf. Es ist jedoch bereits darauf hingewiesen worden, dass dieser strafrechtliche Schutz nur in Fällen besonders gravierender Rufschädigungen eingreift2; die normale Beleidigung oder üble Nachrede zu Lasten des Toten bleibt straflos. Der Gesetzgeber hat ferner im Rahmen des Rechts am eigenen Bild ein Bedürfnis dafür anerkannt, den Bildnisschutz Verstorbener ungeachtet der Tatsache, dass die Ehre und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht mit dem Tod erlöschen, für eine gewisse Zeit über den Tod hinaus zu gewährleisten. Nach § 22 Satz 3 KUG endet das Recht am eigenen Bild daher nicht mit dem Tode, sondern erst zehn Jahre danach.3
8
Außerhalb dieser spezialgesetzlichen Regelungen erkennt die insoweit nicht ganz konsequente Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts4 und, ihm folgend, diejenige der Zivilgerichte dem Verstorbenen einen so genannten postmortalen Achtungsanspruch zu, der trotz des Erlöschens der persönlichen Ehre den Tod des Menschen überdauern und ihm Schutz gegen eine schwere Verletzung des Lebensbilds5 sowie gegen andere schwerwiegende Beeinträchtigungen gewährt, die bei Lebenden als Verletzung der Menschenwürde zu _______________
1 BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto; BVerfG AfP 2001, 295 = ZUM 2001, 584 – Wilhelm Kaisen; BVerfG AfP 2008, 161 = NJW 2008, 1657 = ZUM 2008, 323; OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 321; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 181; Löffler/ Steffen, § 6 LPG Rz. 71. 2 Oben § 12 Tz. 16 ff. 3 Dazu unten § 21 Tz. 22 f. 4 BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto; BVerfG AfP 2001, 295 = ZUM 2001, 584 – Wilhelm Kaisen; BVerfG AfP 2008, 161 = NJW 2008, 1657 = ZUM 2008, 323. 5 BGH NJW 1968, 1773 = GRUR 1968, 552 – Mephisto; BGH NJW 1974, 1371 = GRUR 1974, 797 – Fiete Schulze; BGH GRUR 1984, 907 – Frischzellenkosmetik; OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 321 – Galinski.
282
Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene
Tz. 8b § 13
qualifizieren wären.1 Dieses Recht unterscheidet sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts qualitativ in zweifacher Hinsicht vom Recht der persönlichen Ehre des lebenden Menschen. Es wird zum einen nicht durch jede Ehrkränkung oder anderweitige Persönlichkeitsrechtsverletzung tangiert, sondern nur durch solche, die einen Eingriff in den Kernbereich der Menschenwürde des Verstorbenen oder eine ähnlich gravierende Rechtsverletzung darstellen. Und es ist, zum anderen, einer Güterabwägung mit kollidierenden Rechten nicht zugänglich; steht eine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs fest, dann kommt eine Rechtfertigung durch Güterabwägung mit kollidierenden Rechten wie etwa der Meinungs- oder Kunstfreiheit nicht mehr in Betracht.2 Eine Verletzung dieses postmortalen Achtungsanspruchs hat die Rechtsprechung etwa angenommen im Fall der Verfälschung des Lebensbilds des Schauspielers Gustav Gründgens durch Klaus Manns Roman Mephisto,3 der missbräuchlichen Verwendung der Signatur des Malers Emil Nolde,4 im Fall der Bezeichnung eines verstorbenen Malers als NS-Künstler5 oder der Berichterstattung über besonders grausame Abtreibungen durch einen verstorbenen Arzt während der NS-Zeit.6 Im Fall eines bei dessen Tod noch anhängigen Ehrenschutzrechtsstreits von Franz Josef Strauß hat das Oberlandesgericht München7 dessen Kindern und Erben das Recht zur Fortführung des Rechtsstreits und zur Geltendmachung des postmortalen Achtungsanspruchs des Verstorbenen zuerkannt. Die Aufhebung dieses Urteils durch das Bundesverfassungsgericht8 sowie ein zweites Urteil des Oberlandesgerichts München9 in derselben Sache beruhten nicht etwa darauf, dass die Berechtigung der Erben des Verstorbenen zur Geltendmachung seines postmortalen Achtungsanspruchs in Frage gestellt worden wäre, sondern auf der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die beanstandeten Äußerungen noch nicht als schwerwiegende Verzerrung des Lebensbilds des Verstorbenen angesehen werden konnten und daher vom Grundrecht der Meinungsäußerung gedeckt waren.
8a
Ebenso war die Tochter des der SPD angehörigen verstorbenen ehemaligen Bremer Bürgermeisters Wilhelm Kaisen berechtigt, sich auf der Grundlage des postmortalen Achtungsanspruchs ihres Vaters gegen die Wahlkampfaussage zu wehren, der Verstorbene würde, wären er noch am Leben, die DVU bzw. die Republikaner wählen; in der Sache allerdings setzte sich auch in diesem Fall das Grundrecht der Meinungsfreiheit der auf Unterlassung in Anspruch
8b
_______________
1 OLG Hamburg AfP 1983, 466; OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 321 – Galinski; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 115 f. 2 BVerfG AfP 2001, 295 = ZUM 2001, 584 – Wilhelm Kaisen; BVerfG AfP 20006, 452 = NJW 2006, 3409 = ZUM 2006, 865= GRUR 2006, 1049 = WRP 2006, 1361 – Blauer Engel; BVerfG AfP 2008, 161 = NJW 2008, 1657 = ZUM 2008, 323. 3 BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto. 4 BGH AfP 1989, 728 = NJW 1990, 1986 = WRP 1990, 231 – Emil Nolde. 5 LG Hamburg AfP 1993, 595. 6 OLG München NJW-RR 1994, 925 – Schreckliches Mädchen. 7 OLG München AfP 1989, 747 = NJW-RR 1990, 1435 – Zwangsdemokrat I. 8 BVerfG AfP 1990, 192 = NJW 1991, 95 – Zwangsdemokrat. 9 NJW 1992, 1323 – Zwangsdemokrat II.
283
§ 13 Tz. 8c
Recht der Darstellung – Grundlagen
genommenen politischen Partei gegen diesen Anspruch durch,1 während die ebenfalls mit dem postmortalen Achtungsanspruch des Betroffenen begründete Unterlassungsklage eines Enkels des früheren Bundeskanzlers Konrad Adenauer in einem vergleichbaren Fall politischer Vereinnahmung auch in der Sache Erfolg hatte.2 Im Fall einer dieselbe Art der Wahlkampfaussage betreffenden Klage eines Enkels des bereits 1925 verstorbenen ehemaligen Reichspräsidenten Friedrich Ebert blieb die Frage nach dem Fortbestand eines postmortalen Achtungsanspruchs im Ergebnis unentschieden.3 8c
Den Versuch der Erben des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt, den Vertrieb einer mit seinem Konterfei versehenen so genannten Abschiedsmedaille unter Berufung auf den postmortalen Achtungsanspruch des Verstorbenen zu verhindern, haben die Gerichte4 hingegen mit Recht zurück gewiesen, weil eine Verletzung des Lebensbilds des Verstorbenen oder eine vergleichbar schwere Beeinträchtigung in jenem Fall nicht zu erkennen war. Auch der Bruder eines Manns, der seine Familie und danach sich selbst getötet hatte, konnte seinen Versuch, eine Berichterstattung über die Tragödie unter Namensnennung zu verhindern, nicht mit dem postmortalen Achtungsanspruch der getöteten Familie begründen,5 und die veröffentlichte Einschätzung eines Publizisten, der verstorbene und zu Lebzeiten weithin bekannte Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Berlin, Heinz Galinski, habe in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg dem Schwarzmarktmilieu angehört, reichte jedenfalls unter Berücksichtigung des Umstands zur Begründung eines postmortalen Achtungsanspruchs nicht aus, dass sie in einer wissenschaftlich-historischen Arbeit geäußert wurde.6 Schließlich stellt auch die Verarbeitung der Ermordung eines 14-jährigen Mädchens durch einen jungen Mann, mit dem sie kurz vor der Tat freiwilligen Geschlechtsverkehr ausgeübt hatte, in einem Theaterstück keine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs der Ermordeten dar, weil die aus der Fiktionalität des Theaterstücks resultierende verzerrende und partiell falsche Darstellung der Fakten noch nicht als Verletzung der Menschenwürde der Getöteten angesehen werden kann.7 Und die Veröffentlichung des Fotos des später getöteten Opfers einer Geiselnahme in Todesangst stellte ebenfalls keine Entstellung des Lebensbilds der Betroffenen dar.8
9
Liegt aber ein Fall der Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs vor, so steht den Angehörigen des Verstorbenen ausschließlich ein Unterlassungsanspruch gegen die weitere Verbreitung der betreffenden Darstellung oder Äußerung zu. Insbesondere ein postmortaler Gegendarstellungsanspruch _______________
1 BVerfG AfP 2001, 295 = ZUM 2001, 584 – Wilhelm Kaisen; so auch schon OLG Bremen AfP 1994, 145 = NJW-RR 1995, 84 – Wilhelm Kaisen. 2 OLG Köln AfP 1998, 647 = NJW 1999, 1969 – Adenauer. 3 OLG Bremen NJW-RR 1993, 726 – Friedrich Ebert. 4 BVerfG NJW 2001, 594 = ZUM 2001, 2323 – Willy Brandt; BGH NJW 1996, 593 = GRUR 1996, 195 – Willy Brandt. 5 BGH AfP 1980, 154 = NJW 1980, 1790 = GRUR 1980, 813 – Familienname. 6 OLG Düsseldorf AfP 2000, 468 = NJW-RR 2000, 321 – Heinz Galinski. 7 BVerfG AfP 2008, 161 = NJW 2008, 1657 = ZUM 2008, 323; BGH ZUM 2008, 951; OLG Hamm AfP 2006, 261; a.A. in einem Parallelverfahren OLG Köln ZUM 2008, 335. 8 OLG Hamburg AfP 2005, 76.
284
Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene
Tz. 11 § 13
kommt wegen des höchstpersönlichen Charakters dieses Rechtsbehelfs schlechthin nicht in Betracht, wie ebenfalls in einem Fall des verstorbenen Franz Josef Strauß festgestellt wurde.1 Das gilt selbst dann, wenn ein Medienunternehmen noch zu Lebzeiten des Betroffenen zur Veröffentlichung der Gegendarstellung verurteilt, diese aber noch nicht abgedruckt oder gesendet wurde; in diesem Fall kann das zur Veröffentlichung verpflichtete Unternehmen nach dem Tod des Betroffenen die Aufhebung der einstweiligen Verfügung verlangen, durch die die Veröffentlichung angeordnet wurde.2 Auch löst die Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs keinen Anspruch des überlebenden Angehörigen auf Zahlung einer Geldentschädigung3 aus, und zwar auch dann nicht, wenn ein solcher Anspruch dem unmittelbar Verletzten zustünde, hätte er die Rechtsverletzung erlebt.4 Die gegenteilige und insbesondere mit der Präventivfunktion der Geldentschädigung begründete Auffassung hat der Bundesgerichtshof5 mit der zutreffenden Begründung verworfen, dass die Präventivfunktion allein den Anspruch nicht rechtfertigen kann, dass die primär geforderte schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung wegen des Erlöschens des Persönlichkeitsrechts zu Lasten eines Toten nicht mehr begangen werden und auch die für die Zuerkennung der Geldentschädigung ebenfalls konstitutive Genugtuungsfunktion nicht mehr zum Tragen kommen kann. Auch kann in den Fällen, in denen die Rechtsverletzung eine Intensität erreicht, die eine Geldentschädigung ausgelöste hätte, wäre der Verletzte noch am Leben, nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der Eingriff in die Menschwürde des Verstorbenen die Überlebenden zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Geldentschädigung berechtigt.6 Das kommt nur in Betracht, wenn im Ausnahmefall die Rechtsverletzung zu Lasten des Verstorbenen zugleich auch als Verletzung eigener Rechte der Überlebenden angesehen werden kann.7
10
Wo aber ein postmortaler Achtungsanspruch anerkannt wird, kann er durch die Angehörigen wahrgenommen werden, zu denen jedenfalls der überlebende Ehegatte sowie die Kinder des Verstorbenen gehören,8 unter Umständen auch dessen Eltern und Geschwister. Nach § 77 Abs. 2 Satz 2 StGB sind im Fall der Verunglimpfung Verstorbener auch die Enkel strafantragsberechtigt, sofern die Kinder des Verstorbenen nicht mehr am Leben sind. Im Fall Adenauer hat
11
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1 2 3 4 5 6 7 8
OLG Hamburg AfP 1994, 322; so auch OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 599. KG AfP 2007, 137 = ZUM-RD 2007, 232. Dazu im Einzelnen unten § 32 Tz. 15 ff. BGH NJW 1974, 1371 = GRUR 1974, 797 – Fiete Schulze; BGH AfP 2006, 67 = NJW 2006, 605 = ZUM 2006, 270 = GRUR 2006, 252 – Obduktionsfoto. BGH AfP 2006, 67 = NJW 2006, 605 = ZUM 2006, 270 = GRUR 2006, 252 – Obduktionsfoto. BGH AfP 2006, 67 = NJW 2006, 605 = ZUM 2006, 270 = GRUR 2006, 252 – Obduktionsfoto; OLG Düsseldorf AfP 2000, 574; OLG Hamburg AfP 2000, 76. BGH AfP 2006, 67 = NJW 2006, 605 = ZUM 2006, 270 = GRUR 2006, 252 – Obduktionsfoto; OLG Düsseldorf AfP 2000, 574. So ausdrücklich § 22 Satz 4 KUG; LG Hamburg AfP 1993, 595; OLG München AfP 1989, 747 = NJW-RR 1990, 1435 – Zwangsdemokrat I; OLG München NJW-RR 1994, 925 – Schreckliches Mädchen; OLG Bremen AfP 1994, 145 = NJW-RR 1995, 84 – Wilhelm Kaisen.
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§ 13 Tz. 12
Recht der Darstellung – Grundlagen
daher das Oberlandesgericht Köln1 die Befugnis zur Wahrnehmung dieses Rechts dem Enkel, im Fall Emil Nolde hat der Bundesgerichtshof2 es der Witwe des Verstorbenen, der mit der Pflege seines Nachlasses betrauten Stiftung hingegen nicht aus eigenem Recht, sondern nur aufgrund einer durch die Witwe erteilten Prozessführungsbefugnis zuerkannt. Zu weit gehen gerichtliche Entscheidungen,3 die es in den Fällen der Wahlwerbung der rechtsradikalen Partei Die Republikaner auch den nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zur Ausstrahlung von Wahlwerbung verpflichteten Rundfunkveranstaltern erlaubten, die Ausstrahlung mit dem Hinweis auf die Verletzung postmortaler Persönlichkeitsrechte von Konrad Adenauer und Kurt Schumacher zu verweigern. Die in diesen Fällen der Sache nach von den Gerichten gebilligte Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten Dritter durch die betreffenden Rundfunkveranstalter wäre wegen der Höchstpersönlichkeit des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts4 nicht einmal zu Gunsten lebender Personen statthaft gewesen. Sie kann es im Rahmen des postmortalen Achtungsanspruchs daher erst recht nicht sein. 12
Auch der postmortale Persönlichkeitsschutz gilt zeitlich nicht unbeschränkt. Wie lange er nach dem Tod des Betroffenen in Anspruch genommen werden kann, ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Das Oberlandesgericht Köln5 hält eine solche Klärung für entbehrlich, weil sich eine gleichsam natürliche Befristung aus dem begrenzten Kreis der Wahrnehmungsberechtigten ergebe, bezieht aber in den Kreis der Wahrnehmungsberechtigten einen Enkel des Verstorbenen ohne Weiteres ein; auf diese Weise gewährt es den postmortalen Rechtsschutz im Ergebnis noch mehr als 30 Jahre nach dem Tod Konrad Adenauers. Auch das Oberlandesgericht München6 vertritt unter Hinweis darauf, dass § 189 StGB für seinen Geltungsbereich keine zeitliche Begrenzung vorsieht, die Auffassung, dass sich allenfalls aus dem zeitlichen Abstand zwischen dem Tod des Verletzten und der Verletzungshandlung eine generelle Begrenzung ergeben könne, jenseits deren eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Lebensbilds des Verstorbenen nicht mehr angenommen werden könne.
12a
Sicher ist in Anbetracht der Wertentscheidung des Gesetzgebers in § 22 Satz 3 KUG, dass die Schutzfrist nicht weniger als zehn Jahre betragen kann, soweit im Einzelfall überhaupt ein postmortaler Anspruch in Betracht kommt. Der Bundesgerichtshof,7 der die Schutzdauer der vermögenswerten Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts8 in Anlehnung an § 22 Satz 3 KUG auf zehn Jahre befristet hat, hat allerdings in derselben Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass diese Befristung für die ideellen Bestandteile des _______________
1 2 3 4 5 6 7
OLG Köln AfP 1999, 647 = NJW 1999, 1969 – Adenauer. BGH AfP 1989, 728 = NJW 1990, 1986 = WRP 1990, 231 – Emil Nolde. OLG Koblenz ZUM 1999, 418; LG Köln NJW-RR 1999, 1970. Oben Tz. 4. OLG Köln AfP 1999, 647 = NJW 1999, 1969 – Adenauer. OLG München AfP 2001, 69. BGH AfP 2007, 42 = NJW 2007, 684 = ZUM 2007, 54 = GRUR 2007, 168 – kinskiklaus.de. 8 Dazu sogleich Tz. 12c.
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Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene
Tz. 12c § 13
postmortalen Persönlichkeitsrechts nicht gilt, ohne zugleich hierfür eine nach seiner Auffassung maßgebliche Frist zu nennen. Im Schrifttum1 wird in Anlehnung an den Entwurf eines Ehrenschutzgesetzes aus dem Jahr 1959, der niemals Gesetz geworden ist, eine Maximalfrist von 30 Jahren befürwortet, nach deren Ablauf die Wahrnehmung nachwirkender Persönlichkeitsrechte Verstorbener durch ihre Angehörigen in jedem Fall ausgeschlossen sein soll. Diese Frist bezeichnet auch das Landgericht Hamburg2 als angemessen, während der Bundesgerichtshof3 im Fall Emil Nolde festgestellt hat, der Anspruch sei 30 Jahre nach dem Tod des Künstlers noch nicht erloschen, und das Oberlandesgerichts Bremen4 den postmortalen Achtungsanspruch für den ehemaligen Reichspräsidenten Friedrich Ebert auch 67 Jahre nach dessen Tode noch für denkbar gehalten hat. Nach Ablauf einer derart langen Zeitspanne ist jedoch ein Verstorbener, lebt sein Gedächtnis überhaupt noch fort, längst zur historischen Person geworden. Die Auffassung, ihm stehe auch dann noch ein postmortaler Achtungsanspruch zu, wird dem Grundgedanken dieses Rechtsinstituts ebenso wenig gerecht wie der ihm zugrunde liegenden Feststellung, dass die Ehre des Menschen mit seinem Tod endet. Auch stieße legitime Geschichtsschreibung an unter dem Gesichtspunkt von Art. 5 Abs. 1 und 3 GG unakzeptable Grenzen, müssten Autoren und Medien damit rechnen, wegen angeblicher Falschdarstellungen oder angeblich ehrenrühriger Wertungen noch Jahrzehnte nach dem Tod einer historischen Persönlichkeit mit Unterlassungsansprüchen überzogen zu werden. Daher ist auch die Auffassung des Landgerichts Frankfurt5 unzutreffend, der postmortale Achtungsanspruch erlösche so lange nicht, wie ein Verstorbener im kollektiven Gedächtnis bleibt; auch sie führt dazu, dass dieser als Ausnahme gedachte Rechtsbehelf von den Abkömmlingen historischer Persönlichkeiten ohne jede zeitliche Begrenzung in Anspruch genommen werden kann. Der erwähnte Zeitraum von 30 Jahren nach dem Tod sollte daher die Maximalfrist darstellen, binnen deren der postmortale Achtungsanspruch noch geltend gemacht werden kann. Richtig erscheint es ferner, ihn in jedem Fall mit dem Tod der engsten überlebenden Angehörigen, mithin des Ehegatten und der Kinder, enden zu lassen.
12b
bb) Vermögensrechtliche Aspekte Neben den in Tz. 6 ff. erörterten immateriellen postmortalen Achtungsanspruch, der, wie gezeigt, den Verstorbenen in engen Grenzen gegen eine Verletzung seiner Menschenwürde und seines Lebensbilds schützt, treten seit der vom Bundesverfassungsgericht6 unter verfassungsrechtlichen Aspekten _______________
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Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 124. LG Hamburg AfP 1993, 595. BGH AfP 1989, 728 = NJW 1990, 1986 = WRP 1990, 231 – Emil Nolde. OLG Bremen NJW-RR 1993, 726 – Friedrich Ebert. LG Frankfurt/Main ZUM 2009, 308. BVerfG AfP 20006, 452 = NJW 2006, 3409 = GRUR 2006, 1049 = WRP 2006, 1361 – Blauer Engel.
287
12c
§ 13 Tz. 12d
Recht der Darstellung – Grundlagen
nicht beanstandeten Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs1 in Sachen Marlene Dietrich nunmehr unbestritten die vermögensrechtlichen Aspekte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die den Verstorbenen wie den Lebenden auch gegen kommerzielle Ausbeutung schützen können, wo eine solche Ausbeutung üblicherweise nur aufgrund von Vereinbarungen und nur gegen Entgelt gestattet zu werden pflegt. Dieser Schutz wird heute gewährt, wenn, wie etwa im Fall des Komikers Heinz Ehrhardt, berühmt gewordene Charakteristika eines verstorbenen Künstlers nach seinem Tod zu Zwecken der Werbung imitiert und ausgebeutet werden.2 Im Fall Marlene Dietrich wurde der Klage ihrer Tochter auf Unterlassung des Gebrauchs des Namens zur Kennzeichnung eines Automobiltyps sowie sonstiger Waren und gewerblicher Leistungen stattgegeben.3 12d
Vor allem aber hat der Bundesgerichtshof in diesem Fall die Grundsatzentscheidung darüber gefällt, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht insbesondere in seinen Ausprägungen des Rechts am eigenen Bild und am Namen, aber auch in sonstigen, üblicherweise nur gegen Entgelt zu nutzenden Varianten vermögensrechtlicher Natur sein kann mit der Folge, dass der Verletzte und nach seinem Tod seine Erben im Verletzungsfall Schadenersatzund ggf. Bereicherungsansprüche geltend machen können. In der Konsequenz dieser Auffassung liegt es, dass der Bundesgerichtshof4 inzwischen entschieden hat, dass das Bildnis einer lebenden oder verstorbenen Person unter Umständen auch als Marke geschützt werden kann. Demgegenüber hat das Kammergericht5 mit Billigung des Bundesgerichtshofs in der Marlene Dietrich-Entscheidung die auf Unterlassung des Gebrauchs des Namens Marlene zur Werbung für das Musical Marlene gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen, weil es sich hier um eine Nutzung im Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 GG handelte. Folgerichtig hat dann der Bundesgerichtshof6 in einem weiteren von der Erbin Marlene Dietrichs anhängig gemachten Rechtsstreit entschieden, dass ein Verlag, der über die verstorbene Schauspielerin redaktionell berichtete, für diesen Bericht unter Verwendung ihres Lichtbilds werben durfte.
12e
Die Anerkennung eines derartigen vermögenswerten Aspekts des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat entgegen vereinzelten Stimmen in der Rechtsprechung7 mit dem oben erörterten postmortalen Achtungsanspruch nichts zu tun.8 Die kommerzielle Ausbeutung der vermögensrechtlichen Aspekte _______________
1 BGH AfP 2000, 356 = NJW 2000, 2195 = GRUR 2000, 715 = ZUM 2000, 582 – Marlene Dietrich; OLG Hamburg AfP 1989, 760 = NJW 1990, 1995 – Heinz Erhart; LG München I AfP 1997, 559 – Meister Eder; dazu schon oben Tz. 4a. 2 OLG Hamburg AfP 1989, 760 = NJW 1990, 1995 – Heinz Erhart; LG München I AfP 1997, 559 – Meister Eder. 3 BGH AfP 2000, 356 = NJW 2000, 2195 = GRUR 2000, 715 = ZUM 2000, 582 – Marlene Dietrich; ebenso schon die Vorinstanz: KG AfP 1997, 926. 4 BGH WRP 2008, 1428 – Marlene-Dietrich-Bildnis. 5 KG AfP 1997, 926. 6 BGH AfP 2002, 435 = NJW 2002, 2317 = ZUM 2002, 634 = GRUR2002, 960 = WRP 2002, 999 – Marlene Dietrich II. 7 KG AfP 1997, 926; OLG München ZUM 2002, 744. 8 G. Müller, VersR 2008, 1141 ff. unter D.
288
Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene
Tz. 13 § 13
des Persönlichkeitsrechts führt vielmehr unmittelbar zu Ansprüchen aus § 823 Abs. 1 BGB.1 Ihre Anerkennung soll es aber, wie der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt hat, den Erben Verstorbener nicht ermöglichen, die öffentliche und damit publizistische Auseinandersetzung mit Leben und Werk des Verstorbenen zu steuern.2 Verfehlt war es daher, wenn das Oberlandesgericht München3 der Erbin Marlene Dietrichs nach der Veröffentlichung eines gefälschten Aktbilds, das dem Betrachter den Eindruck vermittelte, es zeige die verstorbene Schauspielerin, einen Entschädigungsanspruch zuerkannt hat. Zwar handelte es sich bei der Veröffentlichung dieses Bilds um einen Eingriff in die Menschenwürde der Verstorbenen, der als Verletzung ihres postmortalen Achtungsanspruchs angesehen werden und daher zu einem Unterlassungsanspruch führen konnte. Indem es der Erbin auch einen Entschädigungsanspruch zuerkannte, hat das Gericht aber verkannt, dass es in diesem Fall gerade nicht um eine Nutzungsart geht, die üblicherweise gegen Entgelt gewährt zu werden pflegt, sondern um eine Persönlichkeitsverletzung, die unter Lebenden zu einem Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung führen kann. Dass aber der postmortale Achtungsanspruch keinen derartigen Entschädigungsanspruch gewährt, hat der Bundesgerichtshof in Kenntnis der anderweitigen Auffassung des Oberlandesgerichts München4 seither noch einmal bestätigt. Anders als für den postmortalen Achtungsanspruch, für den die Schutzdauer definitiv länger als zehn Jahre ist, für den sie aber von der Rechtsprechung bisher nicht klar definiert wird, hat der Bundesgerichtshof die Schutzdauer für die vermögenswerten Bestandteile des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts entsprechend der Festlegung in § 22 KUG auf zehn Jahre nach dem Tod des Betroffenen festgelegt.5 Das ist unter dem Aspekt der Rechtssicherheit zu begrüßen, im Hinblick etwa auf die Schutzdauer des Urheberrechts oder des Rechts ausübender Künstler, die sich auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers bzw. 50 Jahre nach dem Erscheinen des Bild- oder Tonträgers mit der geschützten Produktion belaufen,6 aber nicht unbedingt einleuchtend.
12f
2. Personenvereinigungen des Privatrechts Art. 19 Abs. 3 GG bestimmt, dass die Grundrechte auch für inländische juristische Personen gelten, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Das ist nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich der Gewährung des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG der Fall mit der Folge, dass jedenfalls im Prinzip auch juristische Personen den _______________
1 BGH AfP 2000, 356 = NJW 2000, 2195 = GRUR 2000, 715 = ZUM 2000, 582 – Marlene Dietrich. 2 BGH AfP 2007, 42 = NJW 2007, 684 = ZUM 2007, 54 = GRUR 2007, 168 – kinskiklaus.de. 3 OLG München ZUM 2002, 744; mit Recht kritisch dazu Götting, GRUR 2004, 801 ff. 4 BGH AfP 2006, 67 = NJW 2006, 605 = ZUM 2006, 270 = GRUR 2006, 252 – Obduktionsfoto. 5 BGH AfP 2007, 42 = NJW 2007, 684 = ZUM 2007, 54 = GRUR 2007, 168 – kinskiklaus.de. 6 §§ 64, 82 UrhG.
289
13
§ 13 Tz. 13a
Recht der Darstellung – Grundlagen
Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie den Schutz der persönlichen Ehre und des wirtschaftlichen Rufs im Sinne der §§ 185 ff. StGB, 823 ff. BGB für sich in Anspruch nehmen können. Allerdings geht dieser Schutz nicht in jeder Hinsicht gleich weit wie derjenige des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts natürlicher Personen. 13a
Unumstritten ist, dass auch juristische Personen das Recht am gesprochenen Wort für sich in Anspruch nehmen können.1 Andererseits hat die Rechtsprechung zwar die Frage noch nicht beantwortet, ob juristische Personen ein Recht am eigenen Bild in Anspruch nehmen können; das Bundesverfassungsgericht2 hat aber angedeutet, dass dies nach seiner Auffassung nicht der Fall sein kann. Im Ergebnis ist diese Frage zu verneinen. Denn § 23 KUG gilt nur für natürliche Personen, und soweit es um den Bildnisschutz von Organen oder Repräsentanten juristischer Personen geht, können sie dieses Recht persönlich in Anspruch nehmen. Ein Schutz anderer visueller Aspekte der Persönlichkeit wie etwa sächlicher Mittel oder Räumlichkeiten kommt aber schon bei natürlichen Personen nur in Ausnahmefällen in Betracht,3 und ein tragfähiger Grund für die Zubilligung eines im Persönlichkeitsrecht angesiedelten Schutzes etwa an betrieblichen Einrichtungen ist nicht ersichtlich.4 Verfehlt war es daher, wenn das Landgericht Berlin5 einer Gesellschaft, die ein Autohaus betreibt, einen Unterlassungsanspruch gegen die Veröffentlichung von Fotos Prominenter zuerkannt hat, die während einer Feier in ihren betrieblichen Räumen gefertigt worden waren. Demgegenüber wird man das Recht auch von juristischen Personen prinzipiell anerkennen müssen, sich gegen die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen zur Wehr zu setzen, sofern nicht die gebotene Güterabwägung6 ergibt, dass ein Veröffentlichungsverbot nicht in Betracht kommt.7Auf der anderen Seite steht der von der Rechtsprechung als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts entwickelte Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung nach scherwiegenden Rechtsverletzungen8 juristischen Personen nicht zu.9
14
Soweit danach die Voraussetzungen für den Schutz der Persönlichkeit vorliegen, gilt das zunächst für juristische Personen im Rechtssinn, mithin im Wesentlichen Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften,10 wenn sie in ihrem sozialen Geltungsbereich als Wirtschaftunter-
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1 2 3 4 5 6 7 8 9
BVerfG AfP 2003, 36 = NJW 2002, 3619 = MMR 2003, 35 = WM 2002, 2290. BVerfG NJW 2005, 883. Dazu unten § 21 Tz. 20. BVerfG AfP 2003, 36 = NJW 2002, 3619 = MMR 2003, 35 = WM 2002, 2290. LG Berlin ZUM 2004, 578. Dazu oben § 12 Tz. 84 ff. KG NJW 2000, 2210. Dazu im Einzelnen unten § 32 Tz. 15 ff. BGH NJW 1980, 2807 = GRUR 1980, 1090 – Medizinsyndikat I; OLG Stuttgart MDR 1979, 671; Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 137; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 344; Damm/Rehbock, Rz. 1008; unten § 32 Tz. 16; kritisch dazu Born, AfP 2005, 110 ff. 10 BGH NJW 1954, 1412; OLG Stuttgart NJW 1976, 628, 630 – Siemens-Festschrift.
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Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene
Tz. 17 § 13
nehmen oder Arbeitgeber betroffen sind,1 sowie für eingetragene Vereine.2 Das gilt nach ihrer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft auch für die Deutsche Bahn AG.3 Der Rechtsschutz gegen Rufbeeinträchtigung wird aber auch Personenvereinigungen gewährt, die nicht in der Rechtsform der juristischen Person organisiert sind und sich daher nicht unmittelbar auf die Gewährleistung des Art. 19 Abs. 3 GG berufen können. Er erstreckt sich daher insbesondere auch auf die in der Form der Offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft organisierten Handelsgesellschaften.4 Auch nicht rechtsfähige Vereine wie insbesondere Gewerkschaften5 oder politische Parteien6 sind ungeachtet ihrer fehlenden Rechtsfähigkeit berechtigt, Ansprüche wegen einer Verletzung des auch ihnen zustehenden Persönlichkeitsrechts oder ihres wirtschaftlichen Rufs geltend zu machen.
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3. Juristische Personen des öffentlichen Rechts Zu dieser Gruppe juristischer Personen gehören Bund, Länder und Kommunen sowie Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie alle sind, anders als die erwähnten juristischen Personen des Privatrechts und die ihnen im vorliegenden Zusammenhang gleichgestellten privatrechtlich verfassten Personenvereinigungen, nicht Grundrechtsträger. Ausgenommen hiervon sind lediglich die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten, die trotz ihrer Organisationsform jedenfalls den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für sich in Anspruch nehmen können.7 Die Prinzipien der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 1 und 2 GG scheiden als Basis für einen Ehrenschutz derartiger Institutionen damit aus. Ihnen steht ein Persönlichkeitsrecht nicht zu.8
16
Die praktische Bedeutung dieser Feststellung für die Frage der Berechtigung von Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber Medienberichterstattung ist jedoch gering. Jedenfalls im strafrechtlichen Bereich sind sie privaten Institutionen dadurch gleichgestellt, dass die Beleidigungstatbestände der §§ 185 ff. StGB auch zu ihren Gunsten Anwendung finden,9 wenn sie als solche oder in Gestalt ihrer Repräsentanten
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1 BGH NJW 1981, 2402 – Rennsportgemeinschaft; BGH AfP 1986, 361 = NJW 1986, 2951 = GRUR 1986, 759 – BMW; BGH AfP 1994, 138 = NJW 1994, 1281 = WRP 1994, 806 – Bilanzanalyse; BVerfG ZIP 1994, 972 – Bilanzanalyse. 2 BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 = GRUR 1975, 208 – Deutschlandstiftung; OLG Stuttgart NJW-RR 1993, 733 – Scientology Church. 3 KG NJW 2000, 2210. 4 BGH AfP 1975, 911 = NJW 1975, 1882 = GRUR 1976, 210 – Geist von Oberzell; BGH NJW 1980, 2807 = GRUR 1980, 1090 – Medizin-Syndikat I. 5 BGH AfP 1972, 229 = NJW 1971, 1655 = GRUR 1971, 591 – Sabotage. 6 OLG München AfP 1976, 130; OLG München AfP 1996, 391 = NJW 1996, 2515 – Feuer in die Herzen. 7 BVerfG NJW 1989, 382; vgl. auch BVerwG AfP 1985, 72 = NJW 1985, 1655. 8 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 72; Prinz/Peters, Rz. 140. 9 BGH NJW 1956, 1367.
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§ 13 Tz. 18
Recht der Darstellung – Grundlagen
Gegenstand von Beleidigungsdelikten werden.1 Körperschaften unterhalb der Ebene des Bundes und der Länder sind nach der Rechtsprechung2 darüber hinaus wie private Personen und Institutionen berechtigt, gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den strafrechtlichen Ehrenschutztatbeständen auch zivilrechtlich gegen Medienberichterstattung vorzugehen, und zwar nicht nur gegenüber falschen Tatsachenbehauptungen, sondern auch gegenüber als unzulässig bezeichneter Kritik,3 soweit sie wie ein Privater am Rechtsverkehr teilnehmen, was auch bei Wahrung öffentlicher Aufgaben der Fall sein kann.4 Allerdings ist dabei im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob durch eine bestimmte Äußerung die Körperschaft als solche oder einer ihrer Bediensteten in Person beeinträchtigt ist.5 18
Diese Anerkennung einer eigenen Klagbefugnis öffentlichrechtlicher Körperschaften erscheint jedenfalls dort, wo es um Äußerungen nicht über einzelne Personen innerhalb der öffentlichen Verwaltung, sondern um Äußerungen über die jeweiligen Institutionen selbst geht, rechtlich bedenklich. Kritische Auseinandersetzung mit der öffentlichen Verwaltung gehört zu den ureigensten Aufgaben der Medien nach den Bestimmungen der Landespressegesetze.6 Sie repressionsfrei zu ermöglichen ist der eigentliche Zweck der Gewährleistung der Pressefreiheit durch das Grundgesetz und der wiederholten Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass eine freie und unkontrollierte Presse für die freiheitliche Demokratie schlechthin konstitutiv ist.7 Mit diesen Grundsätzen und der Aussage, dass öffentlichrechtlichen Körperschaften kein Persönlichkeitsrecht zuzuerkennen ist, ist ihre von der Rechtsprechung dennoch bejahte Berechtigung, wie Private zivilrechtliche Ansprüche gegenüber Medienberichterstattung geltend zu machen, kaum zu vereinbaren. Richtigerweise sollte deren Schutz auf solche Fälle beschränkt bleiben, in denen veröffentlichte Berichterstattung mit Straftatbeständen kollidiert8; insoweit ist allerdings auch ihre zivilrechtliche Klagbefugnis im Hinblick auf §§ 194 Abs. 3 Satz 2 StGB und 823 Abs. 2 BGB nicht zu bestreiten. Es ist daher richtig, dass die neuere Rechtsprechung die Berechtigung staatlicher Stellen zur Geltendmachung von Gegendarstellungs-9 und Berichtigungs-
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1 BVerfG NJW 1990, 1982 – Bundesflagge; BVerfG AfP 1996, 50 = NJW 1995, 3303, 3304 – Soldaten sind Mörder II; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 72. 2 BGH AfP 2008, 55; BGH AfP 1983, 270 = NJW 1983, 1183 – Vetternwirtschaft; VGH Kassel NJW 1990, 1005. 3 BGH NJW 1984, 1607 = GRUR 1984, 474 – Bundesbahnplanungsvorhaben; OLG München v. 16.10.1996 – 21 U 4743/96, unveröffentlicht – Bayerische Zentrale für neue Medien; OLG München ZUM 2001, 813 = NJW-RR 2002, 186. 4 BGH NJW 1984, 1607 = GRUR 1984, 474 – Bundesbahnplanungsvorhaben – für die damals noch öffentlichrechtlich verfasste Deutsche Bundesbahn; Prinz/Peters, Rz. 140. 5 BGH AfP 1983, 270 = NJW 1983, 1183 – Vetternwirtschaft. 6 § 3 LPG Nordrhein-Westfalen und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Landespressegesetze. 7 BVerfG NJW 1958, 257 – Lüth; BVerfG NJW 1961, 819 – Schmid/Spiegel; BVerfG NJW 1966, 1603 – Spiegel-Urteil. 8 Oben § 12 Tz. 19 ff. 9 BerlVerfGH AfP 2008, 593 = NJW 2008, 3491 = ZUM-RD 2008, 393.
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Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene
Tz. 19b § 13
ansprüchen1 auf Fälle besonders gravierender und an die Substanz gehender Rechtsverletzungen limitiert. Die Bundesrepublik selbst und die Bundesländer sind auf den strafrechtlichen Sonderschutz des § 90a StGB beschränkt2 und daher richtiger Ansicht nach zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche als Folge von Medienberichterstattung nicht befugt.3 Die Rechtsprechung4 folgt dieser Auffassung nicht und erkennt auch der Bundesrepublik Deutschland einen Berichtigungsanspruch jedenfalls in Fällen zu, in denen eine Äußerung geeignet ist, den Bund oder eine seiner Behörden schwerwiegend in ihrer Funktion zu beeinträchtigen. Die auf diese Weise gezogene Grenze erscheint jedoch weder praktikabel noch dogmatisch überzeugend, indem sie die Frage nach der Klagbefugnis der Bundesrepublik und der Länder mit derjenigen nach der Begründung einer individuellen Klage gleichsetzt.
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Wie nach der hier vertretenen Auffassung der Bundesrepublik, so stehen auch ausländischen Staaten, denen die deutsche Rechtsordnung – abgesehen vom Sondertatbestand der Beleidigung von Repräsentanten5 – keinen strafrechtlichen Ehrenschutz zuerkennt und die schon daher zivilrechtlich nicht besser gestellt werden können als der Bund und die Bundesländer, zivilrechtliche Ansprüche gegenüber Medienveröffentlichungen nicht zu.6 Die im Ergebnis richtige Zurückweisung eines von Serbien geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wegen einer Berichterstattung über die Existenz von Massengräbern albanischer Zivilisten im Kosovo durch das Kammergericht7 hätte daher richtigerweise mit fehlender Klagbefugnis dieses Staats und nicht mit der Erwägung begründet werden müssen, der Staat müsse den Medien in Fällen der Verdachtsberichterstattung8 einen größeren Freiraum einräumen als private Betroffene.
19a
In- und ausländische Körperschaften sind aber auch nach der hier vertretenen Auffassung, nach der ihnen zivilrechtlicher Ehrenschutz in Deutschland nicht zukommt, kein Freiwild für die Medien. Denn in aller Regel kommt Berichterstattung über Institutionen nicht ohne Berichterstattung über Personen aus, und die Berechtigung auch solcher Personen, die in ihrer Eigenschaft als Repräsentanten von Bund, Ländern oder ausländischen Staaten durch Veröffentlichungen in ihren eigenen Rechten verletzt werden, sich dagegen auch vor den Zivilgerichten zur Wehr zu setzen, steht nicht in Frage.
19b
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1 BGH AfP 2008, 381 = NJW 2008, 2262 = ZUM 2009, 61 = WRP 2008, 114 – Richtigstellungsanspruch des BKA; dazu unten § 29 Tz. 9b, § 31 Tz. 8a. 2 Prinz/Peters, Rz. 141; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 126; dazu oben § 12 Tz. 21 ff. 3 Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 126; Prinz/Peters, Rz. 141. 4 BGH AfP 2008, 381 = NJW 2008, 2262 = WRP 2008, 1114; OLG Hamburg AfP 2007, 488; BerlVerfGH AfP 2008, 593 = NJW 2008, 3491 = ZUM-RD 2008, 393; LG Hamburg AfP 2002, 450. 5 § 103 StGB; oben § 12 Tz. 30. 6 LG Wiesbaden AfP 1979, 327; LG Hamburg v. 24.3.2000 – 324 O 616/99, unveröffentlicht. 7 KG AfP 1999, 361. 8 Dazu unten § 16 Tz. 23.
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§ 13 Tz. 20
Recht der Darstellung – Grundlagen
4. Betroffenheit 20
Ergeben sich damit trotz der dargestellten Bedenken gegen die von der Praxis vollzogene Einbeziehung auch staatlicher Stellen in das System des zivilrechtlichen Rechtsschutzes gegenüber Medienberichterstattung im Prinzip keine besonderen Probleme bei der Definition derjenigen Rechtsträger, die, seien sie Individuen oder Institutionen, Rechtsschutz gegen Medienberichterstattung in Anspruch nehmen können, so bereiten doch gelegentlich Fälle Schwierigkeiten, in denen Personenvereinigungen von geringer Organisationsdichte wie etwa Volksgruppen, bestimmte Berufsstände oder auch die Familie sowie Industrien oder Handelsorganisationen als solche Gegenstand von Äußerungen in den Medien sind und sich durch sie beeinträchtigt fühlen. a) Kollektivbeleidigung
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Derartige Konstellationen werden in der Regel unter dem Begriff der Kollektivbeleidigung erörtert. Deren Voraussetzungen liegen nur vor, Personengemeinschaften können mithin nur dann als beleidigungsfähig angesehen werden und ihre Angehörigen nur dann zur Geltendmachung von Ansprüchen berechtigt sein, wenn es sich um eine zahlenmäßig überschaubare, aufgrund bestimmter Merkmale aus der Allgemeinheit herausgehobene und konkret abgrenzbare Mehrheit von Personen handelt.1 Das hat die Rechtsprechung etwa angenommen im Fall der Äußerung einer üblen Nachrede über ein Mitglied einer Landesregierung, dessen Name nicht mitgeteilt wurde; das Gremium Landesregierung wurde mit Recht als hinreichend eng definiert angesehen, so dass sich jedes seiner Mitglieder die Äußerung zurechnen lassen konnte, solange sie vom Verbreiter nicht auf ein bestimmtes Mitglied konkretisiert wurde.2
22
Berufsstände wie die Anwaltschaft, die Ärzte,3 die Polizei,4 die Soldaten oder das Militär hingegen sind nicht in hinreichender Form organisiert und auch in ihrer personellen Zusammensetzung nicht hinreichend klar definiert, als dass ihre Angehörigen Träger der hier erörterten Rechte und damit zur Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber solchen Äußerungen berechtigt sein könnten, die sich auf die Gruppe als solche und nicht etwa nur auf individuelle oder individualisierbare einzelne Mitglieder der Gruppe beziehen.5 Generelle Kritik etwa an den Rechtsanwälten durch die Medien berechtigt daher weder einzelne Angehörige dieses Berufsstands noch deren Standesorganisationen zur Geltendmachung von Ansprüchen. Die Rechtsprechung folgt dieser Auffassung nur teilweise. So wurden etwa in älteren gerichtlichen Entscheidungen die deutschen Ärzte6 oder die Patentanwälte7 als beleidi_______________
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Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 103. BGHSt 19, 235. OLG Karlsruhe AfP 2007, 246 = NJW-RR 2007, 1342. BayObLG NJW 1989, 1742; NJW 1990, 921; OLG Düsseldorf NJW 1981, 1522. OLG Düsseldorf NJW 1981, 1522; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 103 ff.; weitergehend Fischer, Rz. 9 ff. vor § 185 StGB; vgl. zu diesen Fällen unter dem Aspekt der Volksverhetzung auch oben § 12 Tz. 44 f. 6 RG JW 1932; anders jetzt OLG Karlsruhe AfP 2007, 246 = NJW-RR 2007, 1342. 7 BayObLG NJW 1953, 554.
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Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene
Tz. 23 § 13
gungsfähige Gruppen anerkannt. Neuere Entscheidungen dehnen den Rechtsschutz gegen Kollektivbeleidigung insbesondere auf den Berufsstand der Soldaten aus.1 Diese Entscheidungen berücksichtigen nicht hinreichend das Erfordernis der Konzentration auf einen eingrenzbaren Personenkreis.2 Sie schränken damit die Freiheit der Berichterstattung über bestimmte gesellschaftliche oder berufliche Gruppen über das erforderliche Maß hinaus in einer im Ergebnis mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Meinungs- und Pressefreiheit unvereinbaren Weise ein. Dieser Gesichtspunkt kam auch in der öffentlichen Diskussion der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts um die SoldatenBeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts3 zu kurz. Hier fehlte es mangels Beleidigung einer als solcher beleidigungsfähigen Gruppe bereits am Tatbestand, so dass sich die im Mittelpunkt der Diskussion wie der Begründung des ersten Soldaten-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts4 stehende Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der in Frage stehenden Äußerung bei richtiger Sachbehandlung nicht hätte stellen können.5
22a
Wäre von einer Aussage über bestimmte Charakteristika einer solchen Gruppe jeder einzelne Gruppenangehörige betroffen, so wäre generalisierende kritische Beschäftigung der Medien mit gesellschaftlichen Gruppen oder die Äußerung diesbezüglicher Meinungen ohne unvertretbares Risiko schlechthin unmöglich. In jeder Gruppe wird es Untergruppen oder auch nur Außenseiter geben, auf die an sich zutreffende oder jedenfalls vertretbare Typisierungen oder Charakterisierungen nicht passen und die mit eben dieser Begründung die kritische Berichterstattung über die ganze Gruppe verhindern könnten, wären sie davon im Rechtssinn individuell betroffen. Daher sind auch alle anderen rechtlich nicht fassbaren Gruppen aus dem gesellschaftlichen Bereich wie etwa die Fußballspieler, die Raucher oder die Autofahrer nicht beleidigungsfähig.6 Wird über derartige Gruppen negativ oder gar unwahr berichtet, so hat derjenige, der sich ihnen zugehörig fühlt, das hinzunehmen, ist er zur Geltendmachung von Ansprüchen mithin nicht befugt.7 Das gilt auch für die Frauen als Kollektiv. Mit Recht wurden daher einige Frauen, die auf den in Frage stehenden Bildern nicht abgebildet waren, nicht als befugt angesehen, sich gegen die regelmäßige Zurschaustellung spärlich bekleideter junger Frauen auf den Titelseiten einer Illustrierten gerichtlich zur Wehr zu setzen,8
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1 BGH AfP 1989, 535 = NJW 1989, 1365 – Soldaten sind Mörder; BVerfG NJW 1994, 2943 – Soldaten sind Mörder; BVerfG AfP 1996, 50 = NJW 1995, 3303, 3304 – Soldaten sind Mörder II; OLG Frankfurt/Main NJW 1989, 1367 – Soldaten-Urteil I; OLG Frankfurt/Main NJW 1991, 2032 – Soldaten-Urteil II; BayObLG NJW 1991, 1493. 2 Herdegen, NJW 1994, 2933, 2934 unter Ziff. 7. 3 BVerfG NJW 1994, 2943 – Soldaten sind Mörder; BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder II; dazu u.a. Herdegen, NJW 1994, 2933, 2934. 4 BVerfG NJW 1994, 2943. 5 Herdegen, NJW 1994, 2933, 2934 unter Ziff. 7; kritisch auch Gounalakis, NJW 1996, 481 ff. 6 Vgl. auch Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 103 ff. 7 Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 51 m. Nachw. 8 LG Hamburg NJW 1980, 56.
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§ 13 Tz. 24
Recht der Darstellung – Grundlagen
ohne dass es auf die Frage ankam, ob ansonsten der Tatbestand einer Rechtsverletzung vorlag. 24
Diese Rechtslage ändert sich allerdings dann, wenn sich Berichterstattung nicht generell mit derartigen mehr oder weniger amorphen Gruppen, sondern gezielt mit Personen oder Institutionen befasst, die sie repräsentieren, wie etwa einer Anwalts- oder Ärztekammer oder einer bestimmten Organisation von Autofahrern oder Fußballspielern. Sie sind zur Geltendmachung von Ansprüchen wie alle anderen Personen oder Personenverbände jedenfalls dann berechtigt, wenn ein Bericht sich unmittelbar mit ihnen und nicht nur generell mit der von ihnen vertretenen Gruppe befasst. Von Medienberichten über die unverhältnismäßig gut verdienenden Zahnärzte etwa ist auch eine Zahnärztekammer im Rechtssinne nicht betroffen, wohl aber von Berichterstattung über Missstände, die sich in ihrem eigenen Organisationsbereich herausgestellt haben sollen. Von der Behauptung, mehr als 30 Leistungssportler hätten sich einer Doping-Behandlung in einer Wiener Blutbank unterzogen, war daher der Dachverband nicht betroffen, in dem die Sportler organisiert sind.1 Von einer Behauptung über alle Polizisten aber, die zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort Dienst getan haben, kann jeder einzelne dieser Beamten betroffen sein,2 auch wenn man mit der hier vertretenen Auffassung die Beleidigungsfähigkeit der Polizei als solcher ablehnt.3 Gleiches gilt, wenn zwar generell von der Polizei die Rede ist, sich aber aus den Umständen eines Berichts ergibt, dass sich die Aussage nur auf eine konkrete Einheit und die darin Dienst tuenden Beamten beziehen kann.4 Auch die Antiterroreinheit GSG 9 ist daher mit Recht als ein in diesem Sinne beleidigungsfähiges Kollektiv angesehen worden.5
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Nicht unmittelbar betroffen im hier erörterten Sinn sind auch die Angehörige bestimmter Nationen oder Volksgruppen. Gegen Berichterstattung, die sich mit den Amerikanern oder den Kroaten in der Bundesrepublik befasst, können einzelne Angehörige der betreffenden Staaten oder Gruppen Ansprüche nicht geltend machen. Eine Ausnahme gilt nur für die Angehörigen der jüdischen Bevölkerung. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs,6 die durch das Bundesverfassungsgericht7 im Hinblick eine etwaige Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ausdrücklich gebilligt worden ist, ist durch eine Beleidigung der Juden jeder individuell betroffen, der sich zum jüdischen Glauben bekennt; dabei ist allerdings zu beachten, dass nicht jede Bezeichnung einer Person als Jude eine Beleidigung oder gar eine Volksverhetzung darstellt.8 Diese Auffassung von der kollektiven Beleidigungsfähigkeit der Juden ist mit der historischen Situation der Deutschen erklärbar, mit den ansonsten geltenden Prinzi_______________
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BGH AfP 2008, 632. RGSt 45, 138. OLG Düsseldorf MDR 1981, 337; BayObLG NJW 1989, 1742; 1990, 921. OLG Frankfurt/Main NJW 1977, 1353; BayObLG NJW 1990, 921. OLG Stuttgart JR 1981, 339. BGH NJW 1980, 45 = GRUR 1980, 67 – Verfolgungsschicksal mit Anm. G. Wild; so auch BGH NJW 1994, 1421; BVerfG AfP 1994, 126 = NJW 1994, 1779. 7 BVerfG NJW 1993, 916; BVerfG AfP 1994, 126 = NJW 1994, 1779. 8 BVerfG AfP 2000, 563 = NJW 2000, 61 – Bezeichnung als Jude.
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Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene
Tz. 28 § 13
pien zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit aber nicht zu vereinbaren.1 Der Gesetzgeber hat diese an und für sich systemwidrige Rechtsprechung jedoch inzwischen sanktioniert und ihren Grundgedanken mit dem Straftatbestand der so genannten Auschwitz-Lüge2 jedenfalls für den Bereich des Strafrechts auf andere Opfer von totalitären Gewaltregimen erweitert. Bei einer vielzitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs,3 die das Leugnen der Judenverfolgung als straffrei angesehen hat, handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die am Prinzip der kollektiven Beleidigungsfähigkeit der jüdischen Bevölkerung nichts ändert.4 Von nur geringer praktischer Relevanz jedenfalls für die Medienberichterstattung ist schließlich die Frage, ob die Familie als solche beleidigunsfähig ist.5 Die Familie ist zwar durch Art. 6 GG als Institution ausdrücklich verfassungsrechtlich geschützt, sie ist aber jedenfalls zivilrechtlich nicht Rechtssubjekt und schon daher zur Geltendmachung von Ansprüchen als solche nicht legitimiert.6 Besonders für Familien gilt aber der oben formulierte Grundsatz, dass Angehörige einer konkret abgrenzbaren Personenmehrheit von Äußerungen über die betreffende Gruppe individuell betroffen sein können. Unter diesem Aspekt kann das einzelne Familienmitglied von einer Äußerung über die Familie als ganze ebenso betroffen sein,7 wie es etwa das Mitglied einer Erbengemeinschaft von Berichten über diese Gemeinschaft,8 die Eltern von einer Beleidigung des Kindes oder unter besonderen Umständen ein Ehegatte von derjenigen des Anderen sein können.9
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b) Individuelle Betroffenheit Im Zusammenhang mit der Berechtigung, sich gegen Medienberichterstattung und -kritik zur Wehr zu setzen, ergeben sich ferner Zweifelsfragen, wenn Berichterstattung sich nicht explizit oder sonstwie eindeutig mit bestimmten Personen, Unternehmen oder Organisationen befasst, die behauptete Rechtsverletzung sich vielmehr daraus ergibt, dass die beanstandete Berichterstattung sich auch auf die betreffende Person oder Institution beziehen kann.
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Hier handelt es sich um das Problem der individuellen Betroffenheit, das nicht mit demjenigen der Erkennbarkeit verwechselt werden sollte10 und besonders im Bereich der Berichterstattung über Warengattungen, Dienstleistungen und Branchen große praktische Bedeutung hat, wie etwa die Medienberichterstattung über die Verfälschung preiswerter österreichischer Weine
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Vgl. auch Soehring, GRUR 1986, 518, 521. § 194 Abs. 1 Satz 2 StGB; dazu Fischer, § 194 StGB Rz. 1 ff. BGH NJW 1994, 1421. BVerfG AfP 1994, 126 = NJW 1994, 1779. Dazu Fischer, § 185 StGB Rz. 11a; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 184. BGH NJW 1951, 531; unentschieden in BGH AfP 1980, 154 = NJW 1980, 1790 = GRUR 1980, 813 – Familienname; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 102. Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 184. OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 325. BGH NJW 1952, 476; BGH NJW 1969, 1110 = GRUR 1969, 426 – Detektei; vgl. aber unten § 32 Tz. 18a. Dazu unten Tz. 34 ff.
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§ 13 Tz. 29
Recht der Darstellung – Grundlagen
mit einem gesundheits- und lebensgefährlichen Frostschutzmittel oder über den massenhaften gesundheitsgefährdenden Wurmbefall von Fischen im Jahr 1988 exemplarisch belegt. Durch sachlich zutreffende Berichte über ein solches Problem kann für eine gewisse Zeit nach deren Veröffentlichung nicht nur eine ganze Branche in ihrer wirtschaftlichen Existenz erschüttert, kann vielmehr auch jedes einzelne branchenzugehörige Unternehmen einschließlich solcher Unternehmen getroffen werden, die ausschließlich mit unbedenklicher Ware handeln. 29
Trotz der anhand dieser Beispielsfälle unschwer erkennbaren potenziellen Gefährlichkeit gerade von Berichterstattung über Produkte und Warengattungen für das wirtschaftliche Fortkommen Einzelner lässt eine ständige Rechtsprechung zur Begründung einer Klagbefugnis nicht die Tatsache genügen, dass sie sich im Einzelfall auf das klagende Unternehmen nachteilig auswirken kann oder dies tatsächlich tut. Sie verlangt statt dessen unmittelbare Betroffenheit, wozu es zwar keines zielgerichteten Eingriffs, wohl aber jedenfalls einer engen Beziehung der beanstandeten Aussage zum klagenden Unternehmen bedarf, sofern keine direkte Zuordnung erfolgt.1 Dies ist etwa verneint worden im Fall der kritischen Berichterstattung über Elektronenorgeln, obwohl nur wenige Anbieter auf dem Markt tätig waren und von der Berichterstattung betroffen sein konnten; hier ging es um Kritik am System und nicht an den individuellen Angeboten einzelner Branchenangehöriger.2 Von der Kritik an einem namentlich benannten Produkt ist in der Regel nicht derjenige betroffen, der damit handelt, sondern nur der Hersteller.3 Abträgliche und sachlich falsche Behauptungen über die privaten Reinigungsfirmen einer Stadt berechtigen nicht einzelne Angehörige dieser Branche zur Geltendmachung von Ansprüchen, obgleich die Anzahl der betroffenen Betriebe naturgemäß beschränkt ist.4 Von der Bezeichnung von Zucker als Schadstoff durch einen Verbraucherverband sind Unternehmen, die Zucker produzieren oder damit handeln, nicht individuell betroffen.5 Gleiches kann für Gesellschaften oder Vereine im Hinblick auf Äußerungen gelten, die sich mit dem Verhalten eines einzelnen Gesellschafters oder Vereinsmitglieds befassen,6 während die entsprechende Körperschaft von Äußerungen über das Verhalten ihrer Organe oder Mitarbeiter auch in ihren eigenen Rechten betroffen sein kann, sofern es um Tatbestände geht, die mit ihr in einem funktionalen Zusammenhang stehen.7
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Die gegen das Erfordernis individueller Betroffenheit geäußerte Kritik8 ist nicht berechtigt. Denn nur eine restriktive Handhabung dieses Kriteriums lässt den Medien den benötigten und von Verfassungs wegen garantierten _______________
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Vgl. hierzu schon oben § 12 Tz. 64. BGH NJW 1963, 1871 – Elektronenorgeln. BGH NJW 1966, 2010 = GRUR 1966, 633 – Teppichkehrmaschine. OLG Köln NJW 1985, 1643. OLG Hamburg AfP 1988, 348 = GRUR 1988, 480 – Schadstoff Zucker. BGH NJW 1980, 2807 = GRUR 1980, 1090 = GRUR 1980, 1090 – Medizin-Syndikat I. BGH GRUR 1981, 80 – Medizin-Syndikat IV; BGH NJW 1993, 930 = GRUR 1993, 409 – Illegaler Fellhandel; Prinz/Peters, Rz. 144. 8 Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 263.
298
Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene
Tz. 31 § 13
Freiraum für Berichterstattung gerade im wirtschaftlichen Bereich. Es wird immer Ausnahmen und Außenseiter geben, auf die generell zu beobachtende Tatbestände und insbesondere Missstände nicht zutreffen, und das Risiko, mit Berichterstattung über bestimmte Produkte, technische Systeme, Heilmethoden oder Ernährungsweisen jeweils in Rechte Einzelner einzugreifen, würde im Ergebnis die kritische Auseinandersetzung der Medien mit derartigen Produkten, Systemen oder Methoden überhaupt verhindern,1 wäre jeder Angehörige der betreffenden Gruppe oder Branche im Rechtssinn betroffen. Nur durch die von der Rechtsprechung praktizierte restriktive Handhabung des Merkmals der Betroffenheit sind die Medien in der Lage, aktuelle und die Öffentlichkeit berührende Themen aufzugreifen und kritisch zu behandeln wie etwa die Missstände industrieller Tierhaltung in der Landwirtschaft und deren Folgen, ohne sich dem unkalkulierbaren Risiko der Inanspruchnahme durch die Inhaber einzelner Produktionsbetriebe auszusetzen. Fehlerhaft ist daher die Annahme individueller Betroffenheit eines nicht genannten Unternehmens von der Berichterstattung über eine Warenart nur deswegen, weil es nur wenige Produzenten solcher Ware gibt,2 solange sich die Kritik mit der Warenart und nicht mit dem von einem bestimmten Unternehmen hergestellten Produkt der betreffenden Gattung befasst. Unzutreffend war auch die Annahme eines Oberlandesgerichts, einem Verband von Kreditvermittlern stehe die Befugnis zu, sich gegen die Kennzeichnung seiner Branche als Kredithaie im Klageweg zur Wehr zu setzen, wenn der beanstandete Ausdruck und die Tatsachenbehauptungen, auf denen er aufbaute, einem bestimmten Unternehmen oder Kreis von Unternehmen nicht zuzuordnen war. Das Bundesverfassungsgericht3 hat allerdings diese Frage nicht vertieft und der gegen seine Verurteilung eingelegten Verfassungsbeschwerde des betroffenen Verlags aus anderen Gründen stattgegeben.
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Auf der anderen Seite fehlt es nicht an individueller Betroffenheit, wenn bei kritischer Berichterstattung über ein Buch der Verleger4 und bei Kritik an einem im Ausland hergestellten Erzeugnis statt des Produzenten der Alleinimporteur Ansprüche geltend macht.5 Von genereller Produkt- oder Systemkritik ist auch derjenige individuell betroffen, dessen Betrieb oder Erzeugnis zwar nicht namentlich genannt, aber zur Illustration des Texts abgebildet wird wie etwa der identifizierbare Betrieb einer Chemischen Reinigung, die zur Illustration eines Berichts über die tückischen Wirkungen von Perchloräthylen abgebildet wird, selbst aber seit Langem auf die Verwendung dieser Chemikalie verzichtet.6
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Zustimmend OLG Hamburg AfP 1988, 348 = GRUR 1988, 480 – Schadstoff Zucker. A.A. LG Offenburg ArchPR 1970, 80. BVerfG AfP 1982, 163 = NJW 1982, 2655 = GRUR 1982, 498 – Kredithaie. BGH AfP 1975, 804 = GRUR 1975, 89 – Brüning-Memoiren I. BGH NJW 1970, 187 = GRUR 1969, 624 – Hormoncreme; BGH AfP 1989, 456 = NJWRR 1989, 924 = GRUR 1989, 222 – Filmbesprechung. 6 Ähnlich OLG Köln ZUM 1993, 34; OLG Düsseldorf AfP 2000, 470; Prinz/Peters, Rz. 144; vgl. jedoch hierzu BGH AfP 1992, 140 = NJW 1992, 1312 = GRUR 1992, 201 – Bezirksleiter Straßenbauamt; unten Tz. 38 f.
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§ 13 Tz. 32
Recht der Darstellung – Grundlagen
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Der Grundsatz, dass nur individuelle Betroffenheit zur Geltendmachung von Ansprüchen berechtigt, gilt aber auch außerhalb des Bereichs der Berichterstattung über wirtschaftliche Fragen. So verletzt ein Bericht über eine Betriebsversammlung nicht den Betriebsratsvorsitzenden,1 ein Bericht über eine politische Partei nicht eines ihrer Mitglieder2 und ein Bericht über eine von 20 bis 30 Teilnehmern veranstaltete Aktion in der Öffentlichkeit nicht einen einzelnen Teilnehmer3 individuell in ihren Rechten. Andererseits ist von Berichterstattung über eine Zeitung oder Zeitschrift in der Regel auch deren Chefredakteur4 und von Berichterstattung über Missstände in einem Betrieb oder Theater der Inhaber oder Intendant5 unmittelbar betroffen und damit zur Geltendmachung von Ansprüchen legitimiert. Ein Bericht über das Fehlverhalten eines Beamten der Arbeitsverwaltung wiederum betrifft nur ihn persönlich, nicht aber die infrage stehende Behörde.6
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Schließlich kommt individuelle Betroffenheit auch dort in Betracht, wo der Betreffende von der Berichterstattung gar nicht gemeint ist. Die nicht ganz fernliegende Möglichkeit, dass ein Bericht auf eine bestimmte Person oder Institution bezogen wird, reicht insoweit bereits aus.7 So war etwa der damals berühmte Rennfahrer Huschke v. Hanstein von einem (werbenden) Testbericht eines fiktiven Huschke v. Busch über ein Fastfood-Erzeugnis betroffen.8 Dasselbe kann insbesondere in Fällen von Namensgleichheit gelten, in denen Berichterstattung sich auf einen Namensträger bezieht, den anderen, möglicherweise im gleichen örtlichen oder beruflichen Umfeld Ansässigen aber in gleicher Weise trifft.9 Gleiches gilt etwa in Fällen der Produktberichterstattung oder -kritik, wenn zur Illustration eines Beitrags eine Verpackung oder eine Markenabbildung gezeigt oder abgebildet wird, die zwar der besprochenen Produktgruppe zuzurechnen ist, auf die aber die Sachaussage der Berichterstattung nicht zutrifft.10 5. Erkennbarkeit
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Obwohl sich die Kategorien häufig überschneiden, ist vom Merkmal der Betroffenheit dasjenige der Erkennbarkeit zu unterscheiden. Wer in Medienberichterstattung namentlich genannt oder auf Grund sonstiger Umstände erkennbar wird, muss von ihr nicht allein deswegen im Rechtssinn betroffen sein. Das kann etwa im Rahmen von Wirtschaftsberichterstattung der Fall sein, bei der die Rechtsprechung eine Betroffenheit im Rechtssinn nur im _______________
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OLG Hamburg AfP 1982, 232. OLG Hamburg ArchPR 1977, 47. OLG München ArchPR 1974, 112. OLG Hamburg ArchPR 1976, 54; OLG Hamburg ArchPR 1977, 47; KG AfP 2007, 321; OLG Hamburg AfP 2008, 314 = ZUM-RD 2007, 475. Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 69 f. m.w.N. BGH AfP 1983, 270 = NJW 1983, 1183 – Vetternwirtschaft. Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 83. OLG Hamburg AfP 1993, 582 = WRP 1993, 251 – Huschke v. Busch. Dazu unten § 17 Tz. 12 ff. Vgl dazu aber BGH AfP 1992, 140 = NJW 1992, 1312 = GRUR 1992, 201 – Bezirksleiter Straßenbauamt.
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Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene
Tz. 36 § 13
Fall der Unmittelbarkeit des Eingriffs annimmt.1 Wer umgekehrt in einem Bericht nicht erkennbar ist, mag zwar von ihm gemeint, kann aber nicht im Rechtssinn betroffen sein.2 Die Berechtigung zur Geltendmachung von Ansprüchen nach Berichterstattung setzt daher sowohl Erkennbarkeit als auch Betroffenheit voraus. a) Texte Erkennbar ist in aller Regel derjenige, dessen Name ausdrücklich genannt wird, gleichgültig ob es sich dabei um Personen oder Institutionen handelt. Zweifelhaft kann das nur im Fall der Verwendung von Allerweltsnamen (Hans Müller) sein. Dann ist der Betroffene erkennbar, wenn seine Identität sich aus den übrigen Umständen des Berichts ableiten lässt, wie etwa der Angabe seiner vollständigen oder nur teilweise anonymisierten Anschrift, seines Berufs oder derjenigen tatsächlichen Umstände, auf die sich die Berichterstattung bezieht,3 oder auch einer illustrierenden Fotografie. Werden solche Umstände hinreichend präzise dargestellt, dann kann die Identität des Betroffenen und damit er selbst sogar dann erkennbar sein, wenn die Medien ein Pseudonym verwenden und darauf hinweisen. Die Verfremdung des Namens kann mithin unter Umständen lediglich eine Alibifunktion erfüllen; sie wird dann an der Erkennbarkeit des Betroffenen nichts ändern. Daraus folgt aber auch bereits, dass namentliche Nennung nicht erforderlich ist, um eine Äußerung bestimmten Personen oder Institutionen zuzuordnen.4 Die Erkennbarkeit kann sich vielmehr auch aus den verschiedensten sonstigen Umständen des jeweiligen Berichts ergeben.
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Stets kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. So wird der einzige Chirurg, der in einer namentlich genannten Kleinstadt praktiziert, auch dann erkennbar bleiben, wenn er einen Allerweltsnamen trägt oder wenn ihm die Redaktion ein Pseudonym zuordnet. Der Leiter einer bestimmten Redaktion ist auch dann erkennbar, wenn namentlich nicht er, wohl aber die Redaktion genannt wird.5 In den Fällen von Produkt- oder Dienstleistungskritik lässt sich die Erkennbarkeit häufig daraus herleiten, dass im textillustrierenden Bild das kritisierte Produkt in Gestalt einer konkreten Marke6 oder die Ansicht eines bestimmten Geschäftsbetriebs gezeigt wird, der die kritisierte Leistung erbringt. Wird ein Name genannt, dann beseitigt auch seine Verfremdung die Erkennbarkeit nicht,7 wenn sich die Identität des Betroffenen für das Publikum aus anderen Umständen der Veröffentlichung ergibt. Das Oberlandesgericht Hamburg8 geht aber in diesem Zusammenhang
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Oben Tz. 29 ff. Prinz/Peters, Rz. 142. OLG Hamburg NJW-RR 1992, 536. LG Oldenburg AfP 1986, 84; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 82; unten § 17 Tz. 2 f. BGH NJW 1981, 1366 = GRUR 1981, 441 – Der Aufmacher II. Anders für den Bereich der Fernsehberichterstattung BGH AfP 1992, 140 = NJW 1992, 1312 = GRUR 1992, 201 – Bezirksleiter Straßenbauamt. 7 BGH AfP 1975, 911 = NJW 1975, 1882 = GRUR 1976, 210 – Geist von Oberzell. 8 OLG Hamburg AfP 1993, 590 = NJW-RR 1993, 923; ähnlich LG Berlin NJW-RR 1992, 1379.
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§ 13 Tz. 37
Recht der Darstellung – Grundlagen
zu weit, wenn es die Erkennbarkeit einer Frau, deren abgebildete Gesichtszüge mit einem hinreichend großen Augenbalken verdeckt werden, daraus ableitet, dass dasselbe Bild, ebenfalls mit Augenbalken versehen, in einer früheren Veröffentlichung unter Nennung des Namens der Betroffenen abgebildet wurde, und sich hierfür auf einen gewissen Erinnerungseffekt beruft. Richtiger Ansicht nach müssen sich die Umstände, die zur Identifizierung und damit Betroffenheit eines nicht namentlich Genannten führen sollen, aus dem in Rede stehenden Artikel selbst ergeben; insbesondere reicht es nicht aus, wenn ein interessierter Leser oder Zuschauer die Identität durch eigene Recherche ermittelt.1 37
An die Erkennbarkeit stellt die Praxis generell keine hohen Anforderungen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs2 reicht es bereits aus, wenn der Betroffene begründeten Anlass hat anzunehmen, er werde erkannt werden können. Das erscheint allerdings vor allem deswegen zu weit gehend, weil diese Auffassung an ein rein subjektives Kriterium auf Seiten des Betroffenen anknüpft, das sich jeder objektiven Kontrolle entzieht. Keinesfalls ist es aber erforderlich, dass der Betroffene auch vom durchschnittlichen Leser oder Betrachter erkannt wird. Erkennbarkeit innerhalb des Bekanntenkreises reicht aus.3 Nicht ausreichend ist es allerdings, wenn nur der Betroffene selbst und seine nächste Umgebung sich in einer Darstellung erkennen; eine gewisse Ausstrahlung über diesen engsten Bereich hinaus ist zu fordern.4
37a
Besondere Probleme ergeben sich in Fällen, in denen individuelle Personen die Vorlage von Romanfiguren oder sonstigen fiktiven Gestalten in fiktionalen oder auch nicht-fiktionalen Texten bilden. Die Schwierigkeiten beruhen hier jedenfalls auch darauf, dass derjenige, der sich in literarischen Werken an der Realität orientiert, gleichwohl die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG für sich in Anspruch nehmen kann. Nach der Esra-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts5 spricht in diesen Fällen eine Vermutung für die Fiktionalität, ist mithin für die Annahme der Erkennbarkeit die Feststellung einer besonderen Intensität der Identifizierungsmerkmale erforderlich, die der Bundesgerichtshof6 in seiner dieselbe Sache betreffenden Entscheidung für den konkreten Fall später festgestellt hat. Die in seiner früheren Rechtsprechung7 vertretene Auffassung, es sei ausreichend, wenn ein nicht unbedeutender Leserkreis das Vorbild in einer Romanfigur unschwer erkenne, hat das Bundesverfassungsgericht ausdrück_______________
1 LG Düsseldorf AfP 2000, 470 zum insoweit gleich liegenden Problem der Betroffenheit; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 65; a.A. OLG München ArchPR 1974, 112. 2 BGH AfP 1971, 76 = NJW 1971, 698 = GRUR 1972, 97 – Pariser Liebestropfen; ähnlich OLG Hamburg AfP 1975, 916. 3 BVerfG NJW 2004, 3619; BGH NJW-RR 1988, 733; BGH AfP 2005, 464 = NJW 2005, 2844 = GRUR 2005, 788 = WRP 2005, 1258 – Esra; Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 14 m.N. 4 Zutreffend LG Oldenburg AfP 1985, 299, 300. 5 BVerfG AfP 2007, 441 = NJW 2008, 39 = ZUM 2007, 1436 = GRUR 2007, 1085 = WRP 2007, 1436 – Esra. 6 BGH NJW-RR 1988, 733; BGH AfP 2005, 464 = NJW 2005, 2844 = GRUR 2005, 788 = WRP 2005, 1258 – Esra. 7 BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto.
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Medienopfer – Inhaber von Rechten und Betroffene
Tz. 38a § 13
lich aufgegeben. Entgegen der Annahme des Kammergerichts1 begründet es daher in derartigen Fällen die Erkennbarkeit noch nicht, wenn die Vorlage einer literarischen Figur nur für einen geringen Kreis ihr ohnehin vertrauter Personen erkennbar ist. Ebenso wenig reicht es für die Erkennbarkeit aus, wenn sich bestimmte Personen in einem kritischen Roman über Vorkommnisse im Schulbetrieb in denjenigen wiedererkennen, die der Autor als Protagonisten bestimmter Lehrertypen beschreibt.2 b) Abbildungen Besondere Probleme können sich vor allem im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Fotografien oder Filmen ergeben, die isoliert oder im Zusammenhang mit den begleitenden Texten zur Erkennbarkeit abgebildeter Personen führen können. Auch und gerade hier stellt die Rechtsprechung an die Erkennbarkeit keine hohen Anforderungen,3 wird den Medien also dann, wenn sie die Erkennbarkeit vermeiden wollen, besondere Sorgfalt abverlangt. In diesem Zusammenhang reicht es stets aus, wenn ein Abgebildeter darlegen und beweisen kann, dass er innerhalb seines Bekanntenkreises tatsächlich erkannt worden ist.4 Die Tatsache, dass ein Foto bereits vor Jahren angefertigt wurde und sich das Aussehen der betroffenen Person seither altersbedingt verändert hat, steht der Annahme der Erkennbarkeit nicht entgegen.5 Da ein Mensch in der Regel in erster Linie anhand seiner Gesichtszüge identifiziert wird, hilft sich die Medienpraxis mit der Anbringung von Augenbalken oder, im Fernsehen, mit der Pixelung der Bilder. Diese Maßnahmen beseitigen aber die Erkennbarkeit nicht, wenn die Identifizierung des Abgebildeten trotzdem möglich ist, sei es, weil der Balken nicht groß genug ausgefallen ist, sei es, weil die Identifizierung aus sonstigen Umständen wie etwa einer auffälligen Tätowierung6 möglich ist.7
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Kein geeignetes Mittel zur Vermeidung der Erkennbarkeit ist schließlich die insbesondere in der Werbung gelegentlich parktizierte Abbildung eines Doubles.8 Denn der Verkehr wird und soll den Abgebildeten in diesen Fällen nicht mit dem Anonymen assoziieren, der sich für die Abbildung hergegeben hat, sondern mit demjenigen, den er darstellt. Daher liegt im Auftritt eines Prominenten-Doubles in einem Werbefilm ohne Zustimmung des Imitierten zugleich eine Verletzung von dessen Allgemeinem Persönlichkeitsrecht.9
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1 KG AfP 2004, 371 = NJW-RR 2004, 1415 = ZUM-RD 2004, 466 – Meere. 2 BVerfG AfP 2008, 155 – Pestalozzis Erben. 3 Vgl. Schricker/Gerstenberg/Götting, §§ 60/22 KUG Rz. 16 ff.; Wenzel/v. StroblAlbegg, Kap. 7 Rz. 13 ff.; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 122. 4 OLG Hamburg AfP 1993, 590 = NJW-RR 1993, 923; OLG Stuttgart NJW-RR 1992, 536; OLG München AfP 1983, 276; Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 15. 5 LG Frankfurt/Main AfP 2008, 417. 6 OLG Hamburg AfP 1987, 703. 7 Schricker/Gerstenberg/Götting, §§ 60/22 KUG Rz. 18. 8 BGH AfP 2000, 354 = NJW 2000, 2201 = ZUM 2000, 589 – Der blaue Engel; OLG Karlsruhe AfP 1998, 326; LG Köln ZUM 2001, 180; Schricker/Gerstenberg/Götting, §§ 60/22 KUG Rz. 20. 9 OLG Karlsruhe AfP 1996, 282; dazu auch unten § 21 Tz. 19a.
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§ 13 Tz. 39
Recht der Darstellung – Grundlagen
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Auch wenn die Gesichtszüge nicht sichtbar sind, ist die Erkennbarkeit nicht ausgeschlossen. So hat sie der Bundesgerichtshof1 bejaht im Fall der rückwärtigen Aufnahme eines in Aktion befindlichen Fußballtorwarts. Das Landgericht Bremen2 bejaht die Erkennbarkeit anhand von Ausschnitten aus früher veröffentlichten Ganzkörperfotos, obwohl auf diesen Ausschnitten das Gesicht der Betroffenen nicht abgebildet war, und das Landgericht Hamburg3 hat trotz Pixelung eines Bilds die Erkennbarkeit anhand von Merkmalen wie der Kopfform, Frisur und Kleidung einer Betroffenen bejaht. Derartiger Merkmale bedarf es allerdings. Wird eine Person mit Allerweltskleidung im Bild von hinten gezeigt, reicht es zur Begründung der Erkennbarkeit nicht aus, dass ihre mittellangen schwarzen Haare auf dem Bild zu sehen sind.4
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Zu weit geht daher insbesondere das Oberlandesgericht Nürnberg,5 das einen Kunstflieger, dessen Kopf auf dem abgebildeten Foto nur noch in Stecknadelkopfgröße erscheint, dennoch für erkennbar hält und dies mit den charakteristischen Merkmalen des Sportflugzeugs begründet, die jedenfalls für Eingeweihte auf die Person des Piloten schließen ließen. Gleiches gilt für die Auffassung, ein Reiter, der als solcher auf einem Foto nicht erkennbar ist, werde über sein Pferd identifizierbar.6 Tatsächlich scheidet die Erkennbarkeit in diesen Fällen schon deswegen aus, weil sich der Abbildung gerade nicht entnehmen lässt, durch welche Person das abgebildete Flugzeug geflogen oder das abgebildete Pferd geritten wird; die ja nicht ganz fernliegende Möglichkeit, dass dies in der konkreten Situation nicht der jeweilige Eigentümer ist, ziehen diese Entscheidungen ersichtlich nicht ins Kalkül. Hingegen kann sich die Erkennbarkeit abgebildeter Personen ebenso aus dem begleitenden Text ergeben,7 wie umgekehrt die Erkennbarkeit einer im Text nicht genannten Person sich aus dem begleitenden Lichtbild herleiten lassen kann.
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BGH AfP 1979, 345 = NJW 1979, 2205 = GRUR 1979, 732 – Fußballtor. LG Bremen GRUR 1994, 897 – Fotoausschnitt. LG Hamburg MMR 2007, 398; ähnlich LG Frankfurt/Main AfP 2007, 378. KG AfP 2006, 567. OLG Nürnberg GRUR 1973, 40; wie hier Schricker/Gerstenberg/Götting, §§ 60/22 KUG Rz. 17; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 122. 6 OLG Düsseldorf GRUR 1970, 618 – Schleppjagd. 7 BGH GRUR 1962, 211 – Hochzeitsbild; BGH NJW 1965, 2148 – Spielgefährtin I.
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§ 14 Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet neben der Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit die Freiheit des Einzelnen, seine Meinung frei zu äußern. Die Landespressegesetze1 definieren die öffentliche Aufgabe der Presse dahingehend, dass sie Nachrichten zu beschaffen und zu verbreiten sowie durch Stellungnahme, Kritik oder auf sonstige Weise an der Meinungsbildung mitzuwirken hat. Damit sind schon durch die Verfassung und die Landespressegesetze die Eckpfeiler jeder publizistischen Tätigkeit gesetzt, die – abgesehen vom besonderen Bereich der Bildberichterstattung – aus der Verbreitung von Nachrichten, also Tatsachen, und von Meinungen besteht. Das Bemühen um Differenzierung zwischen Nachricht und Kommentar, zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung, prägt in der Regel das Selbstverständnis von Redaktionen, und die rechtliche Bewältigung der mit Medienberichterstattung zusammenhängenden Fragen kommt ohne diese Unterscheidung nicht aus.
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Dieses Problem ist von beträchtlicher praktischer Relevanz für die Arbeit der Medien. So gewährleistet schon das Grundgesetz in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 prinzipiell nur die freie Verbreitung von Meinungen unbeschadet ihrer Richtigkeit, während die Verbreitung erwiesenermaßen oder bewusst unrichtiger Tatsachenbehauptungen vom Grundrechtsschutz nicht erfasst ist.2 Daher differenzieren die wesentlichsten gesetzlichen Tatbestände, die die Freiheit der Berichterstattung einschränken, zwischen der Verbreitung von Tatsachenbehauptungen und derjenigen von Meinungen. Namentlich die in der Praxis bedeutsamsten Vorschriften der §§ 186 StGB und 824 BGB betreffen nur die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen. Und auf der Ebene der Rechtsfolgen ist die Differenzierung vollends unvermeidlich, weil der durch die Landespressegesetze begründete Gegendarstellungsanspruch nur gegenüber der Verbreitung von Tatsachenbehauptungen gewährt wird3 und weil nur gegenüber Tatsachenbehauptungen ein Berichtigungsanspruch geltend gemacht werden kann.4 Mit der schon aus diesen Gründen unverzichtbaren Zuordnung einer Äußerung zum Bereich der Tatsachenbehauptung oder der Meinungsäußerung wird daher in äußerungsrechtlichen Streitigkeiten häufig die wesentlichste Weichenstellung überhaupt vorgenommen.5
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Diese Abschichtung von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen ist hinsichtlich individueller Äußerungen auch dann erforderlich, wenn ein
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1 Vgl. nur § 3 LPG Nordrhein-Westfalen. 2 BVerfG AfP 1976, 115 = NJW 1976, 1677 – Echternach; BVerfG AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 916; BVerfG NJW 1993, 1845; vgl. die Darstellung von Grimm, NJW 1995, 1697 ff. und das dort auf S. 1705 abgedruckte Schema; vgl. auch unten § 18 Tz. 1 ff. 3 Einzelheiten unten § 29 Tz. 1 ff. 4 BGH NJW 1962, 1438 = GRUR 1962, 652 – Eheversprechen; BGH NJW 1977, 1681 = GRUR 1977, 745 – Wohnstättengemeinschaft; Prinz/Peters, Rz. 5; Einzelheiten unten § 31 Tz. 1 ff. 5 Prinz/Peters, Rz. 5.
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§ 14 Tz. 3
Recht der Darstellung – Grundlagen
Wortbeitrag als Kommentar überschrieben ist und daher prima facie seine Einordnung als Meinungsäußerung nahe zu liegen scheint; denn auch in Kommentaren enthaltene Tatsachenbehauptungen werden als solche behandelt.1 Bei der Differenzierung zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen handelt es sich damit um ein zentrales Problem des Äußerungsrechts, dem sich Journalisten und Juristen ständig in gleicher Weise stellen müssen. Und trotz dieser zentralen Bedeutung des Problems lässt sich die Feststellung nicht vermeiden, dass es in der Praxis nur unbefriedigend gelöst ist und häufig zu Unsicherheiten und Auseinandersetzungen führt. 1. Tatsachenbehauptungen 3
Um Tatsachenbehauptungen handelt es sich nach ganz herrschender Auffassung bei Äußerungen über Tatbestände oder Vorgänge, die Anspruch auf Wirklichkeitstreue erheben und auf ihre Richtigkeit hin objektiv, mit den Mitteln der Beweiserhebung, überprüfbar sind.2 Wenn in der Praxis teilweise vom Kriterium der Beweisbarkeit Abstand genommen und statt dessen zur Abgrenzung der Tatsachenbehauptung von der Meinungsäußerung auf die Begriffspaare wahr/unwahr (Tatsachenbehauptung) und richtig/unrichtig (Meinungsäußerung) ausgewichen wird,3 so ist dies zwar ein untrügliches Anzeichen für die großen Schwierigkeiten, die die Anwendung der vermeintlich so griffigen Formel von der Beweisbarkeit im Einzelfall bereitet, bedeutet es aber im Ergebnis jedenfalls für die Erfassung des Begriffs der Tatsachenbehauptung keine wirkliche Abkehr von eben dieser Formel: Ob etwas wahr oder unwahr ist, kann, sofern unter den Beteiligten streitig, wiederum nur im Wege der Beweiserhebung geklärt werden.
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Dabei ist es nicht entscheidend, wie eine Äußerung von ihrem Verfasser oder Verbreiter gemeint war4 oder ob er gar die Beeinträchtigung der Rechte eines Anderen gewollt hat.5 Auch kommt es nicht darauf an, ob eine Formulierung im konkreten Fall in einem äußerlich als Kommentar oder Nachricht aufgemachten Beitrag enthalten ist.6 Entscheidend ist demgegenüber, ob der unbefangene durchschnittliche Leser oder Hörer einer Äußerung ihr einen auf dem Weg der Beweiserhebung auf seinen Wahrheitsgehalt hin überprüfbaren Sachverhalt entnimmt.7 Das wird jedenfalls immer dann der Fall sein, wenn _______________
1 BVerfG AfP 2004, 48. 2 BGH NJW 1966, 1617 = GRUR 1966, 693 – Höllenfeuer; BGH AfP 1975, 804 = GRUR 1975, 89 – Brüning-Memoiren I; BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; BGH NJW 1993, 930 = GRUR 1993, 409 – Illegaler Fellhandel; Wenzel/Burkhardt, Kap. 4 Rz. 41; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 305 ff. 3 So insbesondere Wenzel/Burkhardt, Kap. 4 Rz. 69 ff. 4 BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär; BGH NJW 1961, 1913; BGH NJW 1966, 1213 = GRUR 1966, 452 – Luxemburger Wort; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 90. 5 BGH NJW 1982, 1805 = GRUR 1982, 318 – Schwarzer Filz. 6 BVerfG AfP 2004, 48; LG Freiburg AfP 1998, 528. 7 BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 = GRUR 1981, 437 – Der Aufmacher I.
306
Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung
Tz. 5a § 14
die umstrittene Äußerung selbst für sich in Anspruch nimmt, beweisbar zu sein, wie etwa diejenige, es lägen Beweise für eine bestimmte Sachlage vor.1 Entgegen einer früher und mit Einschränkungen auch heute noch im Wettbewerbsrecht geltenden Formel2 darf bei der Ermittlung des Charakters einer Äußerung allerdings nicht auf den so genannten flüchtigen Leser oder Hörer abgestellt werden. Maßgeblich ist vielmehr das Verständnis des unbefangenen Durchschnittsrezipienten,3 bei dessen Ermittlung auch berücksichtigt werden muss, an welche Leser- oder Hörerkreise eine bestimmte Publikation sich wendet.4 Handelt es sich dabei etwa um ein politisch interessiertes Publikum, so darf größere Aufmerksamkeit und ein differenzierteres Verständnis vorausgesetzt werden als bei Veröffentlichungen einer Boulevardzeitung, während es bei einer in erster Linie für ausländische Leser bestimmte Äußerung auf deren besonderes Verständnis ankommt.5
4a
Von dieser Definition der Tatsachenbehauptung sind im Prinzip auch die häufig problematischen Äußerungen über innere Tatsachen erfasst.6 Sie können nur dann als Tatsachenbehauptung behandelt werden, wenn sie mit äußeren Tatsachen begründet oder durch sie gestützt werden, die ihrerseits dem Beweis zugänglich sind.7 Die Aussage, ein bestimmter Politiker wolle sich scheiden lassen, ist, wenn auch mit Schwierigkeiten, ebenso auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfbar wie diejenige, eine prominente Zeitgenossin beabsichtige zu heiraten.8 Gleichermaßen kann in der in die Zukunft gerichteten Ankündigung, ein Unternehmen werde sich in einer bestimmten Weise verhalten, die Behauptung der inneren Tatsache liegen, es habe bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst.9 Auf ihre Wahrheit überprüfbar und damit Behauptung einer inneren Tatsache ist auch die Erklärung, ein Unternehmen nehme Entlassungen vor, um damit ein bestimmtes Ziel zu erreichen, oder die Aussage, jemand habe wissentlich falsche Zahlen genannt, damit ein Vorgang bei einer Überprüfung nicht aufgedeckt werden könne.10
5
Um innere Tatsachenbehauptungen handelt es sich auch bei der Darstellung, jemand habe sich aus bestimmten Gründen in einer spezifischen Weise ver-
5a
_______________
1 BVerfG NJW-RR 2006, 1130. 2 Vgl. nur Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rz. 29 f. 3 BVerfG AfP 1990, 192 = NJW 1991, 95 – Zwangsdemokrat; BVerfG NJW 1994, 2943 – Soldaten sind Mörder; BVerfG NJW 1995, 3303 – Soldaten sind Mörder II; BGH NJW 1970, 1077 = GRUR 1970, 370 – Nachtigall I; BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 = GRUR 1981, 437 – Der Aufmacher I; KG AfP 1999, 369; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 85, 90. 4 BVerfG NJW 1977, 799; BGH AfP 1972, 229 = NJW 1971, 1655 = GRUR 1971, 591 – Sabotage; BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 188 – Türkol; BGH AfP 1992, 140 = NJW 1992, 1312 = GRUR 1992, 201 – Bezirksleiter Straßenbauamt. 5 BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 118 – Türkol. 6 Dazu Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 377 ff. 7 OLG Karlsruhe AfP 2008, 315 = NJW-RR 2008, 856 = ZUM-RD 2008, 299; Seitz/ Schmidt/Schoener, Rz. 377 ff. 8 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. 9 BGH WRP 1998, 303 – Versicherungsrundschreiben. 10 BGH AfP 1992, 75 = NJW 1992, 1314 – Kassenarzt-Rundschreiben.
307
§ 14 Tz. 6
Recht der Darstellung – Grundlagen
halten,1 und bei Aussagen über die innere Einstellung einer politischen Gruppierung.2 Die gerade in kommentierender Berichterstattung häufige Motivbehauptung ist damit im Allgemeinen Tatsachenbehauptung3 mit beträchtlichen Risiken. Der Beweis des Vorhandenseins eines einer bestimmten Person zugeordneten Motivs ist zwar theoretisch führbar, kann aber in der Praxis nur in den seltenen Fällen erbracht werden, in denen der Betreffende seine Absichten schriftlich niedergelegt oder gegenüber Dritten klar verlautbart hat und in denen diese Verlautbarungen den Medien zugänglich sind. 6
In anderen Fällen können aber Äußerungen über innere Tatsachen auch als Meinungsäußerungen einzustufen sein. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Anliegen des Verfassers der betreffenden Äußerung erkennbar wird, die innere Haltung des Betroffenen zu kritisieren oder sonstwie zu bewerten.4 So sind etwa die Aussagen, der Bundeskanzler bereite einen neuen Weltkrieg vor,5 oder ein Politiker habe die von ihm bisher verfolgten Ziele um eines Regierungspostens und damit um seiner politischen Karriere willen preisgegeben,6 als Meinungsäußerungen und nicht als Behauptung innerer Tatsachen angesehen worden. Gleiches gilt für die Aussage, ein Strafverteidiger habe in einem bestimmten Verfahren mit von ihm gestellten Anträgen nur Obstruktion betreiben, das Verfahren verzögern und das Gericht zermürben wollen.7
6a
Eine solche Zuordnung zum Meinungsbereich kommt aber, wie schon die Beispiele zeigen, nur dann in Betracht, wenn einer Aussage über eine innere Tatsache das Bestreben zu entnehmen ist, die eigene Meinung pointiert zur Geltung zu bringen, indem etwa dem politischen Gegner oder auch dem anders denkenden Strafverteidiger Motive nachgesagt werden, die der eigenen Überzeugung diametral zuwiderlaufen. So ist es auch Meinungsäußerung, wenn jemandem nachgesagt wird, er wolle sozialisieren.8 Es muss damit bei der Zuordnung von Äußerungen über innere Tatsachen zu den Bereichen der Meinungsäußerung bzw. der Tatsachenbehauptung sorgfältig auf die konkreten Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Kontexts9 abgestellt werden. Vielfach wird sich dann ergeben, dass insbesondere bei Äußerungen über innere Einstellungen von Personen des politischen Lebens die Überzeugungen desjenigen zur Geltung kommen, der sich äußert; dann sind sie als Meinungsäußerungen zu behandeln.10 _______________
1 2 3 4 5 6 7 8 9
OLG Frankfurt/Main AfP 1983, 279. OLG Hamburg AfP 1983, 289. BVerfG NJW 2007, 2686 = ZUM 2007, 468. Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 381. BGHSt 6, 159. BGHSt 12, 287. KG AfP 1997, 721. OLG Düsseldorf ArchPR 1966 (XI), 53; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 381. BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef; BGH AfP 1994, 218 = NJW 1994, 2614 = GRUR 1994, 915 = ZUM 1995, 136 – Börsenjournalist; BGH AfP 1997, 634 = NJW 1997, 2513 – Komplexe Gesamtäußerung; BGH AfP 2009, 137 = NJW 2009, 1872 = WRP 2009, 631 – Fraport-Manila-Skandal; dazu unten Tz. 15. 10 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 382.
308
Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung
Tz. 9 § 14
Ein weiterer Anwendungsbereich des Satzes, dass Tatsachenbehauptung ist, was auf seinen Wahrheitsgehalt hin überprüfbar ist, ergibt sich im Umgang der Medien mit Zitaten. Wird einer Person ein wörtliches Zitat in den Mund gelegt, so stellt dies stets die jedenfalls inzident aufgestellte Behauptung dar, sie habe sich im wiedergegebenen Sinn geäußert.1 Diese Behauptung ist nicht erst dann falsch, wenn das Zitat frei erfunden ist, sondern schon dann, wenn die als solche richtig wiedergegebene Äußerung in einen Zusammenhang gestellt wird, in dem sie ursprünglich nicht stand, und wenn sie in diesem Zusammenhang einen anderen Sinngehalt erhält als den ihr ursprünglich anhaftenden.2 Als Tatsachenbehauptung hat daher der Bundesgerichtshof3 auch die Darstellung angesehen, eine in lateinischer Sprache verfasste Stellungnahme habe in der deutschen Übersetzung eine bestimmte Bedeutung. Und gerade bei in die deutsche Sprache übersetzten fremdsprachigen Zitaten gehen Zweifel hinsichtlich der Authentizität der Übersetzung zu Lasten des Zitierenden.4
7
2. Meinungsäußerungen Im Gegensatz zu Tatsachenbehauptungen handelt es sich bei Meinungsäußerungen um solche Aussagen, die – wiederum aus der Sicht des durchschnittlichen Lesers, Hörers oder Zuschauers – nicht mit dem Anspruch auf Wahrheit ausgestattet, sondern durch Elemente des Meinens oder Dafürhaltens, als Ausdruck einer subjektiven Ansicht oder Überzeugung geprägt sind.5 Dazu gehören in erster Linie Bewertungen, Einschätzungen, Ansichten und Überzeugungen. Man verwendet daher als Synonym für den Begriff der Meinungsäußerung auch denjenigen des Werturteils, ohne dass damit etwas sachlich Unterschiedliches zum Ausdruck gebracht wird.6
8
Charakteristisch für diese Kategorie ist, dass man zwar über die Richtigkeit auch solcher Aussagen streiten kann, dass aber der Streit nicht durch den Beweis der Richtigkeit,7 sondern durch Überzeugungsarbeit entschieden wird, sofern eine Entscheidung überhaupt gesucht und gefunden wird, was bei Meinungsäußerungen nicht immer der Fall sein muss. Nicht konstitutiv für das Vorliegen einer Meinungsäußerung ist es, dass derjenige, der sich äußert, zugleich die tatsächlichen Grundlagen seiner Äußerung mitteilt.8 Im Streit über die rechtliche Zulässigkeit einer Meinungsäußerung genügt es vielmehr,
9
_______________
1 BGH AfP 1978, 136 = NJW 1978, 1797 = GRUR 1978, 551 – Böll/Walden I; Wenzel/ Burkhardt, Kap. 4 Rz. 32; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 366 f.; Prinz/Peters, Rz. 17. 2 BVerfG AfP 1980, 151 = NJW 1980, 2072 – Böll/Walden; BVerfG AfP 1989, 532 = NJW 1989, 1789 – Rasterfahndung; OLG Hamburg AfP 1979, 243; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 200; Wenzel/Burkhardt, Kap. 4 Rz. 33; Einzelheiten unten § 16 Tz. 50 ff. 3 BGH AfP 1998, 218 = NJW 1998, 1391 = GRUR 1998, 504 = ZUM 1998, 569 = WRP 1998, 509 – Klartext. 4 OLG Brandenburg NJW-RR 2007, 1641. 5 BVerfG AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 1845; BGH NJW 1966, 1617 = GRUR 1966, 693 – Höllenfeuer; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 84; Grimm, NJW 1995, 1697. 6 Wenzel/Burkhardt, Kap. 4 Rz. 48 ff. 7 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 157. 8 BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 = GRUR 1975, 208 – Deutschlandstiftung.
309
§ 14 Tz. 10
Recht der Darstellung – Grundlagen
dass der in Anspruch Genommene die tatsächlichen Bezugspunkte, auf deren Basis er zu seiner Meinung gelangt ist, nachträglich offenbaren kann und dies tut. Besteht über die tatsächlichen Grundlagen einer Meinungsäußerung Streit, ohne dass sie zugleich mitgeteilt werden, so kann der sich Äußernde den rechtfertigenden Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen1 für sich in Anspruch nehmen. Die Äußerung ist dann nur unzulässig, wenn die Unrichtigkeit der ihr zugrundeliegenden Tatsachen erwiesen ist.2 Das Bundesverfassungsgericht3 vertritt hierzu in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass an die Wahrheitspflicht keine Anforderungen gestellt werden dürfen, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts der Meinungsfreiheit herabsetzen und so auf die Meinungsfreiheit insgesamt einwirken können. Es hat allerdings klargestellt, dass insoweit an die Medien höhere Anforderungen gestellt werden können als an einzelne Personen in der geistigen oder politischen Auseinandersetzung.4 10
Und selbstverständlich ist in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Meinungsfreiheit, dass die Zuordnung einer Aussage zum Bereich der Meinungsäußerung nicht davon abhängen kann, ob die jeweilige Aussage aus der Sicht des Betroffenen oder des urteilenden Gerichts richtig oder falsch, vertretbar oder unvertretbar oder auch ehrverletzend bzw. noch tolerabel ist.5 Diese Parameter sind erst für die Abgrenzung der Verbreitung zulässiger von unzulässigen Meinungen relevant,6 geben aber für die primär zu entscheidende Frage nichts her, ob eine Aussage überhaupt in den Bereich der Tatsachenbehauptung oder denjenigen der Meinungsäußerung fällt. 3. Grenzfälle
11
Sind damit die theoretischen Kriterien der Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen einigermaßen deutlich, so ergeben sich bei der Anwendung dieser Kriterien auf Form und Inhalt einzelner Äußerungen zahlreiche Schwierigkeiten, die in der Praxis nur unbefriedigend gelöst sind und zur Beantwortung der Frage nötigen, wie in Zweifelsfällen zu entscheiden ist. Dabei gilt es im Grundsatz, für alle Arten von Äußerungen und Reaktionen auf Äußerungen nach Möglichkeit einheitliche Kriterien anzuwenden. Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist derselbe, wenn er auf die Zulässigkeit einer Gegendarstellung hin untersucht wird, wie wenn es um die Frage geht, ob gegenüber einer Aussage ein Widerruf verlangt werden kann.7 Der Auffassung,8 der Begriff der Tatsachenbehauptung sei im Fall der Geltend_______________
1 Dazu unten § 15 Tz. 1 ff. 2 BGH AfP 1989, 669 = NJW-RR 1990, 1058 = GRUR 1989, 781 – Wünschelrute. 3 BVerfG AfP 1983, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 1845. 4 BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; dazu Soehring, NJW 1994, 2926, 2927. 5 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 81, 90. 6 Dazu unten § 20 Tz. 1 ff. 7 BVerfG AfP 1998, 500 = NJW 1999, 483; OLG Karlsruhe AfP 1999, 373. 8 KG NJW 1970, 2029; KG ZUM 1985, 103; BayVerfGH AfP 1994, 216 = NJW 1994, 2477.
310
Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung
Tz. 11c § 14
machung von Gegendarstellungsansprüchen in einem umfassenderen Sinn zu verstehen als in Auseinandersetzungen über Unterlassungs- und Widerrufsansprüche, und es sei insofern ein großzügigerer Maßstab anzuwenden,1 kann nicht gefolgt werden.2 Lediglich für Unterlassungsansprüche gilt seit dem Stolpe-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts3 eine differenzierende Betrachtungsweise. Da es insoweit darum geht, ob eine Äußerung, deren Mehrdeutigkeit sich aufgrund einer Erstveröffentlichung ergeben hat, in Zukunft unverändert oder ob sie nur mit einem klarstellenden Zusatz oder in einer die Mehrdeutigkeit vermeidenden Formulierung wiederholt werden darf, besteht nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts4 ein geringerer Schutzbedarf der Medien als in Fällen, in denen andere Sanktionen wie insbesondere strafrechtliche Verurteilungen, aber auch zivilrechtliche Ansprüche auf Veröffentlichung einer Berichtigung, Leistung von Schadenersatz5 oder auch auf Abdruck einer Gegendarstellung6 in Rede stehen. Anders als in derartigen Fällen ist es nach dem StolpeBeschluss bei Unterlassungsansprüchen demjenigen, der sich in einer mehrdeutigen Weise geäußert hat, in der Abwägung mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zumutbar, sich in Zukunft eindeutig zu äußern und damit zugleich klarzustellen, welcher Äußerungsgehalt der rechtlichen Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugrunde zu legen ist.7
11a
Nach einer weiteren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts8 gilt dies nicht nur, wo die Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung in Frage steht, sondern auch dann, wenn eine Äußerung, deren Qualifizierung als Meinungsäußerung nicht problematisch ist, mit der Folge mehrdeutig ist, dass eine der möglichen Äußerungen die Grenzen zur Schmähkritik überschreitet und daher in dieser Variante rechtswidrig ist.9
11b
Die für Äußerungsstreitigkeiten primär zuständigen Zivilgerichte, die an die tragenden Gründe der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von Gesetzes wegen gebunden sind,10 haben diese differenzierende Einordnung von mehrdeutigen Äußerungen inzwischen in ihrer Rechtsprechungspraxis umgesetzt,11 so dass sich die Medien darauf einstellen müssen, in Fällen der Ver-
11c
_______________
1 LG Hamburg AfP 1971, 87. 2 BVerfG AfP 1998, 500 = NJW 1999, 483; so jetzt auch BVerfG AfP 2008, 58 = NJW 2008, 1654 = ZUM 2008, 325 = WRP 2008, 343; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 89; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 38; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 350. 3 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär. 4 BVerfG AfP 1977, 274 = NJW 1977, 799. 5 BVerfG AfP 1992, 133 = NJW 1992, 2073 = GRUR 1992, 471 – geb. Mörder. 6 BVerfG AfP 2008, 58 = NJW 2008, 1654 = ZUM 2008, 325 = WRP 2008, 343; BGH AfP 2004, 56 = NJW 2004, 598 = ZUM 2004, 212 = WRP 2004, 364 – Klink Monopoly. 7 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär. 8 BVerfG AfP 2006, 349 = NJW 2006, 3769 – Babycaust. 9 Dazu im Einzelnen unten § 20 Tz. 7 ff. 10 § 31 Abs. 1 BVerfGG. 11 OLG Köln AfP 2006, 365 = NJW-RR 2007, 43; OLG München AfP 2007, 229; OLG Hamburg AfP 2007, 206 = NJW-RR 2007, 702 – Emissionsprospekt.
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§ 14 Tz. 11d
Recht der Darstellung – Grundlagen
öffentlichung mehrdeutiger Äußerungen künftig verstärkt mit Unterlassungsansprüchen konfrontiert zu werden. Das gilt allerdings nach der zutreffenden Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg1 nicht für mehrdeutige Aussagen, die über Internet-Suchmaschinen verbreitet werden, weil es einer Suchmaschine nicht wie einer Person möglich ist, sich so differenziert auszudrücken, dass Mehrdeutigkeiten von vornherein vermieden werden. 11d
Im Schrifttum ist die vom Bundesverfassungsgericht im Stolpe-Beschluss vollzogene Wende, die sich in seiner früheren Rechtsprechung nicht angekündigt hatte, demgegenüber mehrheitlich mit guten Gründen auf Kritik gestoßen, die sich freilich weniger auf das vom Gericht für den konkreten Einzelfall gefundene Ergebnis bezieht als auf die Methodik und die Konsequenzen für die Veröffentlichungspraxis der Medien.2
12
Nach der ansonsten unverändert maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts3 ist die Tragweite des Grundrechts der Meinungsfreiheit verkannt, wenn die Gerichte einer Äußerung einen Sinn beilegen, den sie nach dem festgestellten Wortlaut nicht hat. In allen Fällen einer strafrechtlichen Ahndung von Äußerungen oder in Fällen, in denen der Betroffene andere zivilrechtliche Sanktionen sucht als Unterlassungsansprüche, gilt nach der so genannten Zweifelsregel4 oder auch Variantenlehre5 dasselbe, wenn die Gerichte sich unter mehreren möglichen Deutungen für diejenige als Tatsachenbehauptung entscheiden, ohne die Deutung als Meinungsäußerung unter Angabe überzeugender Gründe ausschließen zu können.6 Einen Verstoß gegen diesen tragenden Rechtssatz des Äußerungsrechts stellt es dar, wenn Gerichte in der Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen in der Erwägung Großzügigkeit walten lassen, im Fall der Gegendarstellung treffe die geforderte Sanktion die Medien nicht in gleicher Weise wie im Fall anderer rechtlicher Sanktionen. Den Sanktionscharakter von Gegendarstellungen und daraus folgend die Einheitlichkeit des Tatsachenbegriffs für die Abgrenzung von der Meinungsäußerung insbesondere für das Gegendarstellungsrecht hat das Bundesverfassungsgericht7 selbst vielmehr auch nach dem Stolpe-Beschluss8 ausdrücklich und klarstellend bestätigt. _______________
1 OLG Hamburg ZUM 2007, 490. 2 Vgl. unten § 30 Tz. 1 und eingehender u.a. Grimm, AfP 2008, 1 ff.; Mann, AfP 2008, 6 ff.; Seelmann-Eggebert, AfP 2007, 86 ff.; differenzierend Helle, AfP 2006, 110 ff. mit Erwiderung Gas, AfP 2006, 428 ff.; a.A. u.a. Hochhuth, NJW 2006, 189 ff. 3 BVerfG = AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BVerfG = AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 1845; BVerfG NJW 1999, 204 = ZUM 1998, 930; OLG Düsseldorf AfP 1995, 500; LG Berlin AfP 2007, 65. 4 Seelmann-Eggebert, AfP 2007, 86 ff. und NJW 2008, 2551 unter IV 1. 5 Helle, AfP 2006, 110 ff. 6 BVerfG AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 1845; BVerfG NJW 1999, 204 = ZUM 1998, 930; BGH AfP 2004, 56 = NJW 2004, 598 = ZUM 2004, 212 = WRP 2004, 364 – Klink Monopoly; OLG Düsseldorf AfP 1995, 500. 7 BVerfG AfP 2008, 58 = NJW 2008, 1654 = ZUM 2008, 325 = WRP 2008, 343; vgl. dazu schon BVerfG AfP 1998, 500; OLG Karlsruhe AfP 1999, 373. 8 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär.
312
Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung
Tz. 13 § 14
Verfechter der gegenteiligen These verkennen, dass sie sich spätestens dann in einen unlösbaren Widerspruch versetzen, wenn eine Äußerung sowohl mit Gegendarstellungs- als auch mit Widerrufs- und Schadenersatzansprüchen bekämpft wird. Eine Aussage verliert auch dann nicht ihren Charakter als Meinungsäußerung, wenn ihr mit klaren tatsächlichen Aussagen begegnet werden kann. Es zeichnet vielmehr jede und gerade die fundierte Meinung aus, dass sie am besten mit tatsächlichen Argumenten bekämpft werden kann; das kann an ihrem Charakter als Meinungsäußerung nichts ändern. Den Vorwurf einer gewissen Widersprüchlichkeit muss sich allerdings auch das Bundesverfassungsgericht machen lassen, wenn es seit dem Stolpe-Beschluss an die rechtliche Einordnung mehrdeutiger Äußerungen im Grenzbereich zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung ausschließlich für den Bereich der Unterlassungsansprüche unterschiedliche Maßstäbe anlegt und dies mit der eher praxisfernen These begründet, derartigen Ansprüchen fehle der Sanktionscharakter.1 In der eigenen Rechtsprechungspraxis freilich setzt das Bundesverfassungsgericht2 die von ihm postulierten neuen Maßstäbe konsequent um, wie dies etwa die Babycaust-Entscheidung illustriert. Während es die strafrechtliche Verurteilung wegen der Äußerung einer mehrdeutigen Kritik, die in einer möglichen Deutungsvariante den Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB erfüllte, wegen Verletzung des Grundrechts der Meinungsfreiheit des Kritikers aufgehoben hat,3 hat es in der Verurteilung zur Unterlassung eine Verletzung des Grundrechts des Betroffenen nicht gesehen.
12a
a) Mischformen In eine große Zahl von Aussagen fließen tatsächliche und wertende Elemente ein, ohne dass sie sich scharf von einander trennen lassen. Weist eine Äußerung in nicht trennbarer Weise sowohl tatsächliche als auch wertende Elemente auf, so ist sie insgesamt als Meinungsäußerung zu behandeln, wenn sie durch die wertenden Elemente geprägt ist.4 Dann ist aber im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit dieser Meinungsäußerung zu berücksichtigen, ob in ihr verarbeitete tatsächliche Elemente zutreffend sind oder nicht.5 So ist die Aussage, ein Unternehmen habe einen Umsatzeinbruch hinnehmen müssen, eindeutig eine Tatsachenbehauptung, da durch Vergleich der Gewinnund Verlustrechnungen ohne Weiteres aufklärbar; ob sie diesen Charakter verliert, wenn von schweren Umsatzeinbrüchen die Rede ist, und damit ein wertendes Element hinzutritt, ist immerhin zweifelhaft. Eine semantische Analyse und Trennung derartiger zusammengesetzter Äußerungen ist jeden_______________
1 Zur Kritik im Einzelnen vgl. Grimm, AfP 2008, 1 ff.; Mann, AfP 2008, 6 ff.; Seelmann-Eggebert, AfP 2007, 86 ff.; differenzierend Helle, AfP 2006, 110 ff. mit Erwiderung Gas, AfP 2006, 428 ff.; a.A. u.a. Hochhuth, NJW 2006, 189 ff. 2 BVerfG AfP 2006, 349 = NJW 2006, 3769 = ZUM-RD 2007, 285 – Babycaust; kritisch dazu Hochhuth, NJW 2007, 192 ff. 3 BVerfG AfP 2006, 349 = NJW 2006, 3769 = ZUM-RD 2007, 285 – Babycaust. 4 BVerfG NJW 2007, 2686 = ZUM 2007, 468; BGH AfP 2009, 137 = WRP 2009, 631 – Fraport-Manila-Skandal. 5 BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG 1994, 1779; BVerfG NJW 1996, 1529.
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§ 14 Tz. 13a
Recht der Darstellung – Grundlagen
falls im Kontext rechtlicher Bewertung nicht möglich. Die Praxis entscheidet daher im Allgemeinen danach, ob der tatsächliche oder der wertende Charakter einer Aussage überwiegt bzw. welchen Kern sie hat.1 Der tatsächliche Charakter überwiegt, wenn eine Aussage aus verschiedenen tatsächlichen Komponenten zusammengesetzt wird und nur in der Zusammenfassung dieser tatsächlichen Komponenten ein wertendes Element zum Ausdruck kommt, die zusammengefassten Einzeltatsachen aber einer Klärung durch Beweisaufnahme zugänglich sind.2 Gleiches gilt, wenn das tatsächliche Element der Aussage im Verständnis des Lesers oder Hörers gegenüber dem wertenden deutlich in den Vordergrund tritt. Im erwähnten Beispiel des schweren Umsatzrückgangs wird man das jedenfalls dann annehmen müssen, wenn die Aussage in einem dialektischen Gegensatz zu einer Darstellung der bisherigen Geschäftsentwicklung steht. Demgegenüber handelt es sich insgesamt um eine Meinungsäußerung, wenn eine Äußerung nach ihrem Gesamtzusammenhang meinungsbildenden Charakter hat; dann dürfen nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptungen untersagt werden.3 13a
Die Wiedergabe der Äußerung eines fragwürdigen Zeugen in einem Buch über das Rotlichtmilieu, ein ehemaliger Polizeirat habe für einen Angehörigen diese Milieus gearbeitet, ist auch dann die Wiedergabe einer Tatsachenbehauptung, wenn der Verfasser hinzufügt, es handele sich insgesamt um eine unergiebige Recherche, und damit zum Ausdruck bringt, der Vorwurf lasse sich wohl nicht beweisen.4 Um eine Tatsachenbehauptung handelt es sich auch dann, wenn einer Redaktion nachgesagt wird, sie betreibe Gefälligkeitsjournalismus, weil der Leser dieser Formulierung den Eindruck entnehmen muss, die Redaktion berichte über ein Unternehmen unter bewusster Verletzung des Gebots der journalistischen Unabhängigkeit.5 Demgegenüber überwiegt der wertende Charakter, wenn der tatsächliche Gehalt einer Aussage substanzarm ist und gegenüber dem wertenden Element in den Hintergrund tritt,6 wenn also die Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Meinens oder Dafürhaltens geprägt wird7 oder wenn eine Trennung des wertenden und des tatsächlichen Gehalts einer Aussage ihren Sinn verfälschen oder aufheben würde.8 Ist daher im erwähnten Beispielsfall die Rede von einem seit Jahren anhaltenden Verfall eines Unternehmens, das nun auch im letzten Geschäfts_______________
1 BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef; BGH AfP 1997, 634 = NJW 1997, 2513 – Komplexe Gesamtäußerung; BGH AfP 2009, 137 = NJW 2009, 1872 = WRP 2009, 631 – Fraport-Manila-Skandal; Wenzel/Burkhardt, Kap. 4 Rz. 50. 2 BGH GRUR 1972, 435 – Grundstücksgesellschaft; BGH NJW 1974, 1710 = GRUR 1975, 36 – Arbeitsrealitäten. 3 BGH AfP 2009, 137 = NJW 2009, 1872 = WRP 2009, 631 – Fraport-Manila-Skandal. 4 BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef. 5 OLG Köln NJW-RR 2001, 1486. 6 BGH AfP 2005, 70 = NJW 2005, 279 = ZUM-RD 2005, 123 = WRP 2005, 236 – Anwaltsbrief. 7 BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef; BGH AfP 1997, 634 = NJW 1997, 2513 – Komplexe Gesamtäußerung. 8 BVerfG = AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BVerfG NJW 1993, 1845; BGH NJW 1994, 2614.
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Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung
Tz. 15 § 14
jahr schwere Umsatzeinbußen habe hinnehmen müssen, dann steht das wertende Element dieser Aussage im Vordergrund, sofern nicht die Aussage über die Umsatzeinbuße als solche falsch ist. Nur scheinbar um einen Fall einer solchen Mischform handelt es sich hingegen, wenn die Medien einer konkreten Sachdarstellung eine zusammenfassende, generalisierende Umschreibung voran- oder hintanstellen. Eine so zusammengesetzte Darstellung kann fast immer in ihre Einzelteile aufgegliedert und dann auch rechtlich getrennt behandelt werden. Bei der Darstellung der mitgeteilten Einzeltatsachen handelt es sich um Tatsachenbehauptungen, bei der generalisierenden Zusammenfassung hingegen um deren Bewertung. Dass mit der etwaigen Korrektur der behaupteten Tatsachen auch die Basis für deren Bewertung entfällt, macht diese nicht ihrerseits zur Tatsachenbehauptung. Es liegt vielmehr in der Natur des Streits auch über Meinungen, dass zu deren Rechtfertigung oder Widerlegung Tatsachen angeführt werden, ohne dass dies am Meinungscharakter einer Äußerung etwas ändert.1 Unzutreffend ist daher die Auffassung des Bundesgerichtshofs,2 die Formulierung „Mit Verlogenheit zum Geld“ stelle trotz des Umstandes eine widerrufsfähige Tatsachenbehauptung dar, dass es sich dabei um eine zusammenfassende Würdigung von Einzeltatsachen handelte, die im Text ausdrücklich mitgeteilt wurden.
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b) Sinnzusammenhang Häufig erschließt sich die zutreffende Einordnung einer Formulierung als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung erst aus ihrem Kontext.3 Er ist für die Auslegung und richtige Einordnung einer Äußerung stets zu berücksichtigen.4 Das ist insbesondere der Fall bei der Verwendung von Begriffen, die einen Zustand oder auch eine wertende Umschreibung zum Ausdruck bringen können. Wird ein Turnierpferd wegen einer Verletzung als lahm bezeichnet, so handelt es sich um die Beschreibung eines Zustands, die auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden kann; bezeichnet eine Redaktion einen Sportler als lahm, so wird es sich dabei in aller Regel um den Ausdruck ihrer subjektiven Auffassung handeln. Unzulässig ist es wegen der Maßgeblichkeit des Kontexts, komplexe Äußerungen, die sich aus tatsächlichen und wertenden Elementen zusammensetzen, in diese Elemente zu zerlegen und nur die tatsächlichen Elemente zum Gegenstand von Unterlassungsansprüchen zu _______________
1 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 84. 2 BGH AfP 1988, 25 = NJW 1988, 1589 = GRUR 1988, 402 – Mit Verlogenheit zum Geld; BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef; BGH AfP 1997, 634 = NJW 1997, 2513 – Komplexe Gesamtäußerung. 3 BGH AfP 1975, 804 = GRUR 1975, 89 – Brüning-Memoiren I; BGH NJW 1980, 2807 = GRUR 1980, 1090 – Medizin-Syndikat I; BGH AfP 1989, 669 = NJW-RR 1990, 1058 = GRUR 1989, 781 – Wünschelrute; BGH AfP 1994, 299 = NJW-RR 1994, 1246 – Verdeckte Behauptungen II; BGH AfP 2000, 88 = NJW 2000, 656 = WRP 2000, 177 = ZUM 2000, 318 – Verdacht am Bau. 4 BGH AfP 1987, 597 = NJW 1987, 2225 – Pressemäßige Sorgfalt; BGH AfP 1989, 669 = NJW-RR 1990, 1058 = GRUR 1989, 781 – Wünschelrute.
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§ 14 Tz. 16
Recht der Darstellung – Grundlagen
machen.1 So konnte etwa die isolierte Verbreitung des im Rahmen eines Flugblatts erhobenen tatsächlich unwahren Vorwurfs nicht untersagt werden, ein Rechtsanwalt habe seinen ehemaligen Mandanten durch falsche Beratung bei Anlagegeschäften geschädigt, weil in demselben Flugblatt auch die Tatsache Erwähnung fand, dass eine deswegen gegen den Rechtsanwalt erhobene Schadenersatzklage rechtskräftig abgewiesen wurde und der Verfasser des Flugblatts die entsprechenden gerichtlichen Entscheidungen für falsch hielt.2 Und mit Recht hat der Bundesgerichtshof3 in der Bezeichnung der Produkte einer Großmolkerei in einer Greepeace-Kampagne als Gen-Milch eine Meinungsäußerung gesehen, nachdem fest stand, dass die angegriffene Molkerei die Milch von mit gen-manipulierten Pflanzen gefütterten Tieren verarbeitete. 16
Die Qualifizierung einer Person als Nazi oder Kommunist wird Tatsachenbehauptung sein, wenn sich aus dem Kontext ergibt, dass damit eine gegenwärtige oder frühere Parteizugehörigkeit zum Ausdruck gebracht werden soll,4 während es sich in der Regel bei diesen Bezeichnungen wie auch bei Begriffen wie linksradikal oder Neofaschist um eine Meinungsäußerung handeln wird. Dies gilt immer dann, wenn sich aus dem Sinnzusammenhang kein Anhaltspunkt für eine konkrete Zuordnung, sondern die Intention des Verfassers ergibt, mit dem betreffenden Begriff eine bestimmte politische Einstellung oder Geisteshaltung zu kennzeichnen.5 So ist die Bezeichnung eines Gewalttäters, aus dessen Wohnung nationalsozialistische Parolen zu hören waren, als Nazi ebenso Meinungsäußerung6 wie diejenige einer pseudoreligiösen Sekte mit reaktionärem Gedankengut.7 Gleiches gilt für die Bezeichnung eines Unternehmens als Tarnorganisation der Scientology-Bewegung jedenfalls dann, wenn diese Bezeichnung im Rahmen eines Artikels verwendet wird, der die aktive Mitgliedschaft der Inhaber des Unternehmens in jener Bewegung darstellt,8 und die Darstellung, die Zeugen Jehovas lehnten Feuerwehr, Rotes Kreuz, Bundeswehr und Zivildienst als Einrichtungen ab.9
16a
Die Bezeichnung eines Fernsehpublizisten, der ein nationalsozialistisches Unrechtsurteil seinerzeit beifällig kommentiert und sich auch ansonsten während des Dritten Reichs publizistisch als Stütze des Regimes hervorgetan hatte, als Schreibtischtäter war daher Meinungsäußerung, solange sich nicht aus dem Kontext der Verwendung dieses Begriffes ergab, dass dem Betroffenen die unmittelbare Verantwortung für ein im Kontext erwähntes Todesurteil nachgesagt werden sollte.10 Gleiches gilt für die Äußerung, die Zeitung Junge _______________
1 BVerfG NJW 1991, 2074, 2075 – Gebührenerschleichung; BGH AfP 2009, 137 = NJW 2009, 1872 = WRP2009, 631 – Fraport-Manila-Skandal. 2 BGH AfP 1997, 634 = NJW 1997, 2513 – Komplexe Gesamtäußerung. 3 BGH AfP 2008, 297 = NJW 2008, 2110 = GRUR-RR 2008, 455 = WRP 2008, 813 – Gen-Milch; OLG Köln NJW-RR 2007, 698; dazu Gostomzyk, NJW 2008, 2082 ff. 4 OLG Düsseldorf NJW 1948, 386; OLG Frankfurt/Main AfP 1979, 359, 360; OLG Düsseldorf NJW 1970, 905; Wenzel/Burkhardt, Kap. 4 Rz. 55. 5 BVerfG NJW 1992, 2013; OLG München ArchPR 1975, 54. 6 BVerfG NJW 1992, 2013. 7 OLG Hamburg NJW 1992, 2035. 8 OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 1054. 9 OLG Köln AfP 1998, 404 = NJW 1998, 235. 10 LG Köln AfP 1988, 376.
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Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung
Tz. 17 § 14
Freiheit werde von der Jugendorganisation der NPD gelenkt.1Auch die Bezeichnung einer Person als Neofaschist im Rahmen einer Fernsehdiskussion über das Thema Abtreibung2 bzw. diejenige eines westdeutschen Rechtsanwalts, der in den Neuen Bundesländern innerhalb weniger Jahre mit der Liquidation von ehemals Volkseigenen Betrieben im Auftrag der damaligen Treuhandanstalt Honorareinnahmen von mehr als 10 Millionen DM erzielt hatte, als Abkassierer3 ist jedenfalls im jeweiligen Kontext zutreffend ebenso als Meinungsäußerung gewertet worden wie die Aussage, jemand gebe antisemitische Statements ab.4 Meinungsäußerung war auch die Formulierung, ein Institut für Medienanalyse betreibe Datenmanipulation,5 die Äußerung in einer Presseerklärung, eine Enten-Großmästerei halte die Tiere nicht artgerecht, sondern in tierquälerischen Großbeständen,6 sowie der Vorwurf wirtschaftlicher Verflechtungen der Familie eines Bürgermeisters im Zusammenhang mit einem kommunalen Bauvorhaben, an dem ein Planungsbüro des Schwiegervaters des Bürgermeisters beteiligt war.7 Umgekehrt werden die Bezeichnung einer Person als Stasi-Mitarbeiter oder vergleichbare Qualifizierungen in der Regel Tatsachenbehauptungen sein. Das hat das Oberlandesgericht Hamburg etwa in einem Fall angenommen, in dem der Betroffene als Stasi-Helfer, zugleich aber auch als Denunziant bezeichnet worden war.8 Auch die Charakterisierung von Greogor Gysi als registrierter Stasi-Spitzel wurde als Tatsachenbehauptung angesehen.9 In einem anderem Kontext könnte aber gerade die Bezeichnung Stasi-Helfer auch eine Meinungsäußerung sein,10 da sie die Überzeugung des Verfassers zum Ausdruck bringt, der Betroffene habe der Stasi objektiv Hilfe geleistet. Die Qualifizierung des damaligen Brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe als StasiMitarbeiter (IM Sekretär) im Rahmen eines Fernsehspiels wurde unter Berücksichtigung des Kontexts zutreffend als Meinungsäußerung angesehen.11 Dass der Bundesgerichtshof12 auch die Äußerung, Stolpe sei als IM Sekretär über 20 Jahre in den Diensten des Staatssicherheitsdienstes tätig gewesen, als Meinungsäußerung eingestuft hat, dürfte hingegen unter Berücksichtigung der konkreten Formulierung eine Überdehnung des Bereichs der Meinungsäußerung sein, da hier das Element der durch Beweiserhebung zu klärenden Tatsachenvermittlung so deutlich im Vordergrund stand, dass eine Anwendung der Zweifelsregel nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen war. Diese Auffas_______________
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OLG Frankfurt/Main AfP 2009, 163. OLG Köln AfP 1993, 755. OLG München NJW 1997, 62. LG Köln AfP 2008, 534, das diese Äußerung allerdings als unzulässige Schmähkritik bezeichnet. OLG Köln AfP 2003, 267. OLG Nürnberg AfP 2002, 328. LG Düsseldorf AfP 2005, 566. OLG Hamburg ZIP 1992, 117 – Hermann Kant. BVerfG NJW 2002, 356 – Gysi I. OLG Hamburg ZIP 1992, 117 – Hermann Kant. LG Berlin AfP 1993, 675; KG AfP 1994, 926 – IM Brandenburger. BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär.
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§ 14 Tz. 17a
Recht der Darstellung – Grundlagen
sung hat das Bundesverfassungsgericht1 im bereits oben2 erörterten StolpeBeschluss im Ergebnis zutreffend dahingehend korrigiert, dass von einer Tatsachenbehauptung auszugehen sei, wenngleich an der vom Gericht nunmehr geforderten Differenzierung unter Berücksichtigung der jeweiligen Sanktion erhebliche Zweifel bestehen.3 17a
Meinungsäußerung ist die Aussage, ein bereits in der ehemaligen DDR als Rechtsanwalt tätiger Betroffener habe Bürgerrechtler nicht verteidigt, sondern bespitzelt, wenn in demselben Kontext mitgeteilt wird, dazu hätten seine namentlich genannten Opfer genügend Dokumente vorgelegt4; ohne diese gedankliche Anknüpfung an vorliegende Dokumente handelte es sich vermutlich um eine Tatsachenbehauptung.5 Ähnlich kann die Aussage, ein Politiker habe zu Gewalt aufgerufen, Meinungsäußerung sein, wenn sie Teil der Schilderung einer konkreten historischen Begebenheit ist und damit deren Interpretation darstellt, während sie isoliert oder in anderem Kontext als Tatsachenbehauptung gelten könnte.6 Gleiches gilt für die Aussage, die als rechtsradikal geltende Zeitung Junge Freiheit werde durch die NPD gelenkt.7 Eine nicht mehr vertretbare Überinterpretation der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt es hingegen dar, wenn die Aussage, jemand habe in einem Punkt die Unwahrheit gesagt, mit der Begründung als Meinungsäußerung qualifiziert wird, sie sei unter Berücksichtigung ihres Kontexts substanzarm.8 Gleiches galt nach der hier vertretenen Auffassung für die vom Bundesgerichtshof9 als Meinungsäußerung eingestufte Aussage, der damalige Bundesminister Stolpe sei als IM Sekretär über 20 Jahre in den Diensten des Staatssicherheitsdienstes tätig gewesen, die das Bundesverfassungsgericht10 dann als Tatsachenbehauptung eingestuft hat. Derartige Äußerungen sind, wenn sich ihre Substantiierung nicht bereits aus dem Kontext ergibt, substantiierungsfähig und daher auch substantiierungsbedürftig, und ihre Richtigkeit kann mit den Mitteln der Beweiserhebung überprüft werden.
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Mit der Interpretation ambivalenter Äußerungen aus dem Kontext lassen sich auch die oben11 erwähnten Fälle zwanglos erklären, in denen die Rechtsprechung die Darstellung angeblicher innerer Tatsachen als Meinungsäußerungen qualifiziert hat. Dasselbe gilt für erkennbar substanzarme Äußerungen12 und solche, die trotz formaler Ausgestaltung als Tatsachenbehauptung ihrem _______________
1 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär. 2 Oben Tz. 11a ff. 3 Wegen der methodischen Kritik an der vom BVerfG vorgenommenen Modifikation der Zweifelsregel vgl. oben Tz. 12a und unten § 30 Tz. 1. 4 LG Berlin v. 19.1.1995, unveröffentlicht. 5 Vgl. BVerfG NJW 2002, 356 – Gysi I. 6 LG München I NJW-RR 1995, 660. 7 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2009, 835. 8 LG Saarbrücken NJW-RR 1993, 730. 9 BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär. 10 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär. 11 Oben Tz. 6 f. 12 BGH GRUR 1969, 555 – Cellulitis.
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Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung
Tz. 19a § 14
Inhalt nach so eindeutig irreal sind, dass sie bei Anlegung eines verständigen Maßstabs nur als Ausdruck einer Meinung verstanden werden können. Auch das wird sich dem verständigen durchschnittlichen Rezipienten in der Regel aus dem Kontext erschließen. Mit Recht hat daher das Bundesverfassungsgericht1 die Formulierung als Meinungsäußerung bezeichnet, die CSU sei die NPD von Europa. c) Fragen Auch die rechtliche Einordnung von Fragen kann unter dem hier erörterten Aspekt Schwierigkeiten bereiten. Dabei ist anerkannt, dass eine Tatsachenbehauptung auch in Gestalt einer Frage formuliert und verbreitet werden kann.2 Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schließt jedoch auch das Recht ein, Fragen zu stellen.3 Daher kann nicht in jeder Frage eine in sie eingekleidete Behauptung gesehen werden. Bei der rechtlichen Einordnung von Fragen kommt es vielmehr darauf an, ob die Frage im Einzelfall, gegebenenfalls wiederum unter Berücksichtigung ihres Kontexts, offen gestaltet ist oder ob sie dem Leser oder Hörer die Antwort in einer Weise suggeriert, dass sie sich ihm aufdrängt. Im letzteren Fall handelt es sich um rhetorische Fragen, die als verschleierte Tatsachenbehauptung einzuordnen sind. Um eine solche rhetorische oder geschlossene Frage handelt es sich auch, wenn die Frage als Schlagzeile ausgestaltet ist und sich aus dem folgenden Text ergibt, dass es in der konkreten historischen Situation für die Formulierung dieser Frage keinen tatsächlichen Anlass gibt.4 Das hat die Rechtsprechung mit Recht angenommen etwa im Fall der Schlagzeilen „Udo Jürgens im Bett mit Caroline?“5 oder „Heide Simonis jetzt ins Dschungel-TV?“6 Eine Tatsachenbehauptung im Sinn einer Verdachtsberichterstattung7 war auch der als Frage gestalteten Formulierung zu entnehmen, ob Altkanzler Gerhard Schröder „sein Amt loswerden (wollte), weil ihm lukrative Jobs zugesagt waren? Hatte er persönliche Motive, als er in politisch aussichtsloser Lage Neuwahlen herbeiführte?“, nachdem sich aus dem Kontext zweifelsfrei ergab, dass der Verfasser diese Frage als eine Verdachtsäußerung verstanden wissen wollte.8 Ohne diese Klärung aus dem Kontext hätte diese Frage als Meinungsäußerung behandelt werden müssen.9
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Handelt es sich hingegen um offene Fragen, die dem Rezipienten die Auswahl unter mehreren möglichen Antworten belassen und/oder ihm Denkanstöße
19a
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BVerfG AfP 1983, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa. BVerfG AfP 1992, 51 = NJW 1992, 1442 – Fragen; OLG Köln NJW 1962, 1121. BVerfG AfP 1992, 51 = NJW 1992, 1442 – Fragen. OLG Hamburg AfP 1995, 517 = NJW-RR 1995, 541; weitere Beispiele dazu bei Prinz/ Peters, Rz. 15. BGH AfP 2004, 124 = NJW 2004, 1034 = ZUM 2004, 211 = WRP 2004, 367 – unechte Frage. KG ZUM 2008, 60 = WRP 2007, 1496. Dazu im Einzelnen unten § 16 Tz. 23 ff. OLG Hamburg AfP 2008, 404. Vgl. oben Tz. 6.
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§ 14 Tz. 20
Recht der Darstellung – Grundlagen
zu geben bestimmt sind, dann genießen sie den Schutz der Meinungsfreiheit,1 wobei im Sinn der Zweifelsregel2 von einem weiten Meinungsbegriff auszugehen ist.3 Meinungsäußerung war daher auch die Frage „Benehmen sich so Gäste?“ in einem offensichtlich ausländerfeindlichen Pamphlet, in dem der Verfasser verschiedene, von Ausländern begangene Gewaltakte beschrieb, in dem er den Leser aber auch aufforderte, sich selbst eine Meinung zu bilden.4 Als offene Fragen in diesem Sinn müssen auch Interviewfragen angesehen werden, auch wenn die in ihnen enthaltenen Unterstellungen unwahr sind, sofern sie nur dem Befragten die Möglichkeit einer auch negativen Beantwortung und gegebenenfalls Kommentierung belassen. Derartige Fragen sind damit rechtlich stets zulässig, sofern sie nicht spezifische Elemente enthalten, die als solche ehrenrührig und damit persönlichkeitsrechtsverletzend sind.5 Gibt es allerdings für die Formulierung einer Frage, die den geschützten Persönlichkeitsbereich eines Betroffenen berührt, wie etwa vor Jahren diejenige, ob Caroline von Monaco schwanger sei, keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, so ist die Verbreitung einer derartigen offenen Frage als Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen selbst dann unzulässig, wenn man sie als spekulative Meinungsäußerung begreift.6 d) Schlussfolgerungen und Prognosen 20
Schlussfolgerungen und Bewertungen sind im Allgemeinen das Ergebnis einer Überzeugungsbildung auf der Grundlage festgestellter Tatsachen. Daher geht die Rechtsprechung auch in diesem Bereich im Regelfall zu Recht vom Vorliegen einer Meinungsäußerung aus; der häufig verwendete Begriff des Werturteils trifft derartige Aussagen besonders gut. Als Meinungsäußerung ist daher stets die Veröffentlichung des Ergebnisses von Warentests anzusehen.7 Gleiches gilt für wissenschaftliche Darstellungen8 sowie für Äußerungen von Sachverständigen im Rahmen von Gutachten9 und deren Wiedergabe in den Medien.
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Auch bei Prognosen namentlich in der Publikumspresse wird es sich im Allgemeinen nicht um Aussagen handeln, die unter Berücksichtigung des Leserhorizonts mit dem Anspruch auf überprüfbare Richtigkeit ausgestattet sind, sondern um das Ergebnis einer Meinungsbildung und damit um Meinungsäußerungen.10 Mit Recht hat etwa der Bundesgerichtshof11 im Rahmen der Be_______________
1 BVerfG AfP 1992, 51 = NJW 1992, 1442 – Fragen; OLG Hamburg AfP 1995, 517 = NJW-RR 1995, 541. 2 Oben Tz. 11a. 3 BVerfG AfP 2003, 41 = NJW 2003, 660. 4 BVerfG AfP 2003, 41 = NJW 2003, 660. 5 BVerfG AfP 1992, 51 = NJW 1992, 1442 – Fragen. 6 OLG Hamburg AfP 1995, 517 = NJW-RR 1995, 541. 7 BGH AfP 1976, 34 = NJW 1976, 620 = GRUR 1976, 268 – Warentest II; dazu unten § 22 Tz. 17 ff. 8 RGZ 84, 294; BGH NJW 1978, 751 = GRUR 1978, 258 – Schriftsachverständiger. 9 BGH NJW 1978, 751 = GRUR 1978, 258 – Schriftsachverständiger. 10 BGH WRP 1998, 303 – Versicherungsrundschreiben. 11 BGH AfP 1975, 801 – Metzeler.
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Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung
Tz. 22 § 14
richterstattung über ein Wirtschaftsunternehmen die Fragestellung, ob vorhandene Mittel es dem Unternehmen ermöglichen würden, über die Runden zu kommen, als das Ergebnis einer kritischen Meinungsbildung und damit als Meinungsäußerung angesehen und dabei berücksichtigt, dass es sich bei der publizierenden Tageszeitung nicht etwa um eine Fachzeitschrift handelte, die mit dem Anspruch auf wissenschaftliche Verlässlichkeit antrete. Die Auffassung des Landgerichts Hamburg,1 die Veröffentlichung von Zweifeln, ob ein bestimmtes Unternehmen veröffentlichte Vorgaben innerhalb eines bestimmten Zeitraums durchhalten werde, impliziere die Tatsachenbehauptung, das werde nicht der Fall sein, ist damit nicht zu vereinbaren und trägt dem Meinungscharakter einer derartigen Aussage nicht hinreichend Rechnung. Auch in diesem Bereich kann sich jedoch unter Berücksichtigung des Kontexts der veröffentlichten Äußerung ergeben, dass dem Leser eine konkrete, überprüfbare Tatsache nahe gebracht wird. Keinen Widerspruch zu der Feststellung, dass Prognosen in der Regel Meinungsäußerungen sind, stellt es insbesondere dar, wenn Mitteilungen mit eindeutigem Ankündigungscharakter wie etwa die in Frageform gekleidete Ankündigung einer Hochzeit im September2 oder die an ein bestimmtes Ereignis anknüpfende Frage, ob ein Geschäft nun für mehrere Wochen geschlossen bleiben wird, als Tatsachenbehauptung behandelt werden. Dabei handelt es sich nicht um eine Prognose im engeren Sinn, sondern um die Ankündigung zukünftigen tatsächlichen Geschehens, die sich als Tatsachenbehauptung an den normalen Kriterien der Wahrheitsüberprüfung messen lassen muss.
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e) Rechtliche Qualifizierungen Aus der Verwendung des Begriffspaars richtig/unrichtig als Test für das Vorliegen einer Meinungsäußerung im Gegensatz zu dem für Tatsachenbehauptungen maßgeblichen Begriffspaar wahr/unwahr leitet die Rechtsprechung zutreffender Weise ab, dass auch rechtliche Bewertungen in der Regel als Meinungsäußerung und nicht als Tatsachenbehauptung zu qualifizieren sind.3 So ist die Bezeichnung eines Verhaltens als illegal4 oder strafrechtlich relevant5 ebenso als Meinungsäußerung eingestuft worden wie die im Vorfeld der rechtlichen Bewertung angesiedelten Begriffe Sittenstrolch6 oder Wirtschaftskriminalität.7 Auch die Äußerung, eine bestimmte Vereinbarung bleibe hinter den gesetzlichen Regeln zurück und verkürze gesetzliche Haftungsansprüche gegen den Vertragspartner, ist Meinungsäußerung.8 Gleiches gilt für die Kennzeichnung einer Person, die entgegen dortigem Recht Falken aus den USA _______________
1 LG Hamburg v. 4.7.1986 – 74 O 253/85, unveröffentlicht. 2 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. 3 BGH NJW 1965, 294 – Volkacher Madonna; BGH AfP 1982, 217 = NJW 1982, 2246 = GRUR 1982, 631 – Klinikdirektoren. 4 BGH 1965, 294 – Volkacher Madonna; BGH AfP 1982, 217 = NJW 1982, 2246 = GRUR 1982, 631 – Klinikdirektoren. 5 LG Frankfurt/Main NJW-RR 1997, 85 – López. 6 OLG Schleswig AfP 1974, 759. 7 OLG Stuttgart AfP 1980, 43. 8 OLG Stuttgart AfP 1999, 353.
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§ 14 Tz. 23
Recht der Darstellung – Grundlagen
exportiert hatte und deswegen dort bestraft worden war, als Falkendieb, die gleichfalls im Bereich der Meinungsäußerung liegt und daher nicht etwa deshalb unzulässig ist, weil der Tatbestand des Diebstahls nach deutschem Recht nicht erfüllt ist.1 Meinungsäußerung war daher auch die Qualifizierung der Arbeit eines Meinungsforschungsinstituts als Datenmanipulation.2 Am Meinungscharakter der Äußerung einer Rechtsauffassung ändert sich schließlich auch dann nichts, wenn die rechtliche Bewertung einer objektiven Überprüfung nicht standhält3; für die Qualifikation einer Aussage als Meinungsäußerung spielt es mithin auch in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob sie richtig oder falsch ist. 23
Erneut kann sich jedoch aus dem Sinnzusammenhang im Einzelfall eine andere Beurteilung ergeben, wobei insbesondere unter Berücksichtigung des Kontexts zu ermitteln ist, ob derjenige, der sich äußert, eine rechtliche Qualifizierung rechtstechnisch oder umgangssprachlich verwendet. Daher wird es sich um eine Tatsachenbehauptung handeln, wenn die Verwendung eines Rechtsbegriffs dem Leser einen bestimmten, konkret nachprüfbaren Tatbestand vermittelt wie etwa mit der Bezeichnung einer bestimmten Person als Eigentümer eines Grundstücks.4 Unter diesem Aspekt ist etwa der Vorwurf, ein bestimmtes Werk sei ein Plagiat, in der Regel eine Tatsachenbehauptung5; aber auch insoweit kann sich Anderes aus dem Kontext ergeben.6 Unter Berücksichtigung des Kontexts hat der Bundesgerichtshof auch den prinzipiell wertenden Begriff der Illegalität7 sowie die Abqualifizierung eines bestimmten Verhaltens als Betrugsmasche und Taschenspielertrick8 als Tatsachenbehauptung angesehen, weil sie sich jeweils auf einen dem Leser erkennbaren konkreten tatsächlichen Vorgang bezogen. Gleiches gilt für die Darstellung, ein Geschäftsmann habe einen Beamten betrogen, weil im Zusammenhang mit ihr der Eindruck erweckt wurde, der Betroffene habe sich oder einem Dritten durch Täuschung einen Vermögensvorteil verschafft,9 während es sich in der Regel selbst hierbei nur um die pointierte Kennzeichnung eines Interessenkonflikts und damit eine Meinungsäußerung handeln wird.
23a
Verfehlt erscheint allerdings die Auffassung, die Äußerung, eine behauptete Abzweigung öffentlicher Mittel durch einen Theaterintendanten rechtfertige allemal den Vorwurf der Unterschlagung, sei Tatsachenbehauptung.10 Denn damit wird lediglich eine rechtliche Qualifizierung einer als Tatsache dargestellten Handlung vorgenommen,11 die allerdings auch als Meinungsäußerung _______________
1 OLG Köln AfP 1985, 295. 2 OLG Köln AfP 2003, 267. 3 BGH NJW 1965, 294 – Volkacher Madonna; BGH GRUR 1974, 797 – Fiete Schulze (insoweit in NJW 1974, 1371 nur auszugsweise abgedruckt). 4 Wenzel/Burkhardt, Kap. 4 Rz. 62. 5 BGH GRUR 1960, 500 – Plagiatsvorwurf I; BGH AfP 1992, 362 – Plagiatsvorwurf II. 6 OLG Köln AfP 2003, 335 = NJW-RR 2002, 1341. 7 BGH NJW 1993, 930 = GRUR 1993, 409 – illegaler Fellhandel. 8 BGH AfP 1989, 669 = NJW-RR 1989, 1058 = GRUR 1989, 781 – Wünschelrute. 9 BGH AfP 1982, 219 = NJW 1982, 2248 = GRUR 1982, 633 – Geschäftsführer. 10 OLG Hamburg AfP 1992, 364. 11 Wie hier OLG München AfP 1992, 78; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 88.
322
Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung
Tz. 24 § 14
rechtswidrig ist, sofern der Kritiker die Unwahrheit der ihr zugrundeliegenden Behauptung des Abzweigens nachweist.1 Eine Überspannung der Regel, nach der auch rechtliche Bewertungen im Zweifel als Meinungsäußerung einzustufen sind,2 stellt es schließlich dar, wenn das Oberlandesgericht Karlsruhe3 die Äußerung eines Abtreibungsgegners, ein namentlich benannter Gynäkologe nehme rechtswidrige Abtreibungen vor, mit der Begründung als durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerung eingestuft hat, der Gesetzgeber selbst habe die Frage, ob eine nach § 218 StGB straffreie Abtreibung dennoch rechtswidrig sei, nicht eindeutig beantwortet; hier übersieht das Gericht, dass auch der verständige Durchschnittsleser, der mit der rechtlichen Thematik nicht wirklich vertraut ist, der Charakterisierung einer Abtreibung als rechtswidrig zwingend die Behauptung entnehmen muss, sie sei unerlaubt und damit strafbar.4 f) Auslegungsregel Trotz der aufgezeigten Kriterien für die Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung und insbesondere der Möglichkeit, den Sinngehalt einer Aussage aus ihrem Kontext zu ermitteln, verbleiben Zweifelsfälle, die mit diesen Kriterien nicht zu lösen sind. Auf sie wendet die Rechtsprechung mit der so genannten Zweifels- oder Variantenlehre den Interpretationsstandard an, dass Äußerungen im Zweifel Meinungscharakter haben,5 sofern es nicht um Unterlassungsansprüche geht6; ob allerdings als Folge des Stolpe-Beschlusses diese Ausnahme uneingeschränkt gilt oder ob sie in Zukunft nicht doch auf einen Kernbereich reduziert werden wird, in dem die Annahme einer Meinungsäußerung, wie im Anlassfall des Stolpe-Beschlusses, im Ergebnis fern liegt,7 wird erst die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zeigen können. Richtiger Auffassung nach wird man eine solche Reduzierung erwarten dürfen. Denn an der Grundausrichtung der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung will das Bundesverfassungsgericht erklärtermaßen auch im Stolpe-Beschluss nichts ändern. Bewusst pointiert formuliert es an anderer Stelle,8 die Tragweite der Meinungsfreiheit sei verkannt, „… wenn Formulierungen, in denen die Bewertung tatsächlicher Vorgänge zum Ausdruck kommt, als Tatsachenbehauptungen angesehen werden … Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte (einer Äußerung) den Sinne der Äußerung aufhöbe oder verfälschte …“ _______________
1 Dazu unten § 20 Tz. 9. 2 Dazu sogleich Tz. 24. 3 OLG Karlsruhe AfP 2003, 452 = NJW 2003, 2029; anders in einem Parallelverfahren zutreffend BVerfG AfP 2006, 550. 4 Dass der Betroffene im entschiedenen Fall strafbare Abtreibungen nicht vornahm, stand fest. 5 BVerfG AfP 1983, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 1845; BGH NJW 1965, 294 – Volkacher Madonna; Grimm, NJW 1995, 1697, 1703 f. 6 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär; dazu oben Tz. 11a ff. 7 Dazu oben Tz. 17a. 8 BVerfG AfP 1983, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa.
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24
§ 14 Tz. 24a
Recht der Darstellung – Grundlagen
24a
Einen Verfassungsverstoß stellt es nach dieser Rechtsprechung auch dar, wenn die Gerichte einer Äußerung unter mehreren möglichen Deutungen diejenige geben, die zu einer strafrechtlichen Verurteilung oder zivilrechtlich zu anderen Sanktionen führt als Unterlassungsansprüchen,1 ohne die anderen unter Angabe überzeugender Gründe auszuschließen.2 Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die Medien, sondern generell und damit auch für diejenigen, die sich im Rahmen eines Leserbriefs äußern.3 Das Gericht, das sich im Streit über die richtige Einordnung einer Äußerung für die Tatsachenbehauptung und damit automatisch gegen die Meinungsfreiheit des Beklagten entscheidet, trifft damit eine konkrete Darlegungs- und Begründungslast dafür, dass die Qualifizierung der betreffenden Aussage als Meinungsäußerung nicht in Betracht kam. Diese Grundsätze gelten nicht nur für Äußerungen im politischen Meinungskampf, sondern für Äußerungen aller Art.4
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In Anwendung dieses Grundsatzes haben Gerichte etwa die folgenden Aussagen als Meinungsäußerungen behandelt:5 Eine im politischen Bereich tätige Stiftung sei von Alt- und Neufaschisten durchsetzt6; Kreditvermittler seien Kredithaie7; ein Unternehmen sei nur durch brutalen Machtmissbrauch zustande gekommen8; die Bayer AG bespitzele eine ihr missliebige Umweltschutzorganisation und setze sie unter Druck9; ein Klinikchef habe ein ganzes Krankenhaus heruntergewirtschaftet10; ein Unternehmer sei ein berüchtigter Chef und Halsabschneider11; ein Verlag betreibe mit der Herausgabe eines politischen Buchs Geschichtsfälschung12; oder ein Meinungsforschungsinstitut betreibe Datenmanipulation.13 Und das Oberlandesgericht München14 sieht in der Aussage, ein bekannter Fernsehpublizist des konservativen Lagers polemisiere seit Jahren aus seiner extrem rechten Position gegen alles, was nicht auf seiner Linie des kalten Krieges liege, er diffamiere, fälsche und beleidige und beteilige sich an rechtsextremen Kampagnen, ein pauschales Werturteil über das berufliche Wirken und öffentliche Auftreten des Betroffe_______________
1 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär. 2 BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 1845; BVerfG NJW 1999, 204 = ZUM 1998, 930; BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär; BayObLG AfP 1995, 496 = NJW 1995, 2501. 3 BVerfG AfP 1991, 735; OLG München NJW-RR 2005, 1355. 4 BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär. 5 Weitere umfangreiche Beispiele aus der Rechtsprechung insbes. bei Seitz/Schmidt/ Schoener, Rz. 340 ff. 6 BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 = GRUR 1975, 208 – Deutschlandstiftung. 7 BGH GRUR 1969, 304; BVerfGE 60, 234 = AfP 1982, 163 = NJW 1982, 2655 – Kredithaie. 8 BGH NJW 1981, 2117 = GRUR 1981, 616 – Abgeordnetenprivileg. 9 BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer. 10 BVerfG NJW 1993, 1845. 11 BGH AfP 1978, 33 = GRUR 1977, 801 – Halsabschneider. 12 OLG Köln AfP 1987, 696. 13 OLG Köln AfP 2003, 267. 14 OLG München v. 9.7.1984 – 21 U 2088/84, unveröffentlicht.
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Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung
Tz. 27 § 14
nen, dessen Verbreitung Meinungsäußerung und daher durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Auch die Äußerung, die Berichterstattung einer Zeitung erfolge mehr oder weniger durch Weglassen oder Hinzufügen, gibt die Meinung des Kritikers wieder und stellt damit keine Tatsachenbehauptung dar.1 Die Gerichte räumen daher den Medien einen erheblichen Freiraum für kritische und auch polemische Berichterstattung ein, indem sie Äußerungen im Zweifel nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung behandeln. Die dagegen vorgebrachte Kritik,2 mit der Ausweitung des Begriffs der Meinungsäußerung schränke das Bundesverfassungsgericht den Ehrenund Persönlichkeitsschutz in unzulässiger und im Ergebnis unerträglicher Weise ein, ist bei näherer Analyse dieser Rechtsprechung unzutreffend.3 Auch die Auffassung, mit dieser Rechtsprechung ersparten sich die Gerichte die Durchführung zeitaufwändiger Sachverhaltsaufklärung,4 ist zu vordergründig und im Ergebnis unzutreffend. Denn das Prinzip der Meinungsäußerungsfreiheit enthebt den Verbreiter einer scharfen, kritischen Äußerung nicht der Verpflichtung, jedenfalls im gerichtlichen Streit die tatsächliche Basis seiner Meinung darzulegen.5 Und es befreit auch die Gerichte nicht von der Verpflichtung, diese tatsächliche Basis zu überprüfen, wenn sie streitig ist. Der von der Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz „im Zweifel Meinungsäußerung“ lässt vielmehr Raum für die Ermittlung der Wahrheit behaupteter tatsächlicher Bezugspunkte der Kritik6 und stellt eine sachlich zutreffende Auslegungsregel dar, die dem hohen Stellenwert des Grundrechts der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit im Wertesystem des Grundgesetzes und in der erforderlichen Abwägung mit den Rechten Betroffener gerecht wird.
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Es ist daher auch nicht zutreffend, wenn das Oberlandesgericht Frankfurt7 in einer älteren Entscheidung angenommen hat, der Grundsatz sei nur auf Äußerungen im politischen Bereich anwendbar, während bei gewerblichen Äußerungen in der Regel der tatsächliche Gehalt im Vordergrund stehe. Auch Äußerungen über Waren und gewerbliche oder künstlerische Leistungen sind vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung erfasst und benötigen prinzipiell nicht weniger Freiraum als solche aus dem politischen Bereich. Wo ihnen im Einzelfall berechtigte Interessen Dritter entgegenstehen, ist dies bei der Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit einer Aussage, nicht aber bei ihrer Qualifikation als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung zu berücksichtigen. Richtig mag allerdings die resignative Feststellung8 sein, dass Ge-
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1 OLG Nürnberg AfP 1989, 562. 2 Sendler, NJW 1993, 2157 und ZRP 1994, 343; Redeker, NJW 1993, 1835; Isensee, AfP 1993, 619; Forkel, JZ 1994, 637; Kriele, NJW 1994, 1897; zu Letzterem Soehring, NJW 1994, 2926. 3 Einzelheiten bei Grimm, NJW 1995, 1697, 1701 f.; Soehring, NJW 1994, 2926. 4 Löffler, 3. Aufl. 1983, § 6 LPG Rz. 116. 5 BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 = GRUR 1975, 208 – Deutschlandstiftung. 6 Vgl. dazu BGH AfP 1989, 669 = NJW-RR 1990, 1058 = GRUR 1989, 781 – Wünschelrute. 7 OLG Frankfurt/Main NJW 1971, 471. 8 Wenzel/Burkhardt, Kap. 4 Rz. 68.
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§ 14 Tz. 28
Recht der Darstellung – Grundlagen
richte gelegentlich der Versuchung nicht widerstehen können, trotz dieses Grundsatzes die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen im Einzelfall daran zu orientieren, ob sie dem Betroffenen Schutz oder dem Kritiker Freiraum verschaffen wollen. g) Satire und Karikatur 28
Ein insbesondere aus dem Bereich der Printmedien nicht hinweg zu denkendes Stilmittel der Kommunikation vornehmlich im politischen und gesellschaftskritischen Bereich ist das Mittel der Satire oder Karikatur.1 Auch bei diesen Kommunikationsformen stellt sich häufig die Frage, ob sie Informationen über Tatsachen oder ob sie Meinungsäußerungen transportieren. Wer sich dieses Stilmittels bedient, wird allerdings im Allgemeinen Überzeugungen zum Ausdruck bringen und nicht in erster Linie Tatsachen vermitteln wollen. Dennoch können auch Karikatur und Satire, deren wesentliches Stilelemente die Mittel der Verzerrung, Verfremdung und Übertreibung sind, Tatsachenbehauptungen im Rechtssinn enthalten.
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Ob das der Fall ist, ist im Einzelfall anhand des Aussagekerns zu ermitteln, der einer satirischen Darstellung oder Karikatur verbleibt, wenn man ihn aus seiner satirischen Einkleidung herausschält.2 Setzen Satire und Karikatur in ihrer Verfremdung oder Überzeichnung bei einem Geschehen an, das sie selbst als real ausgeben oder das beim Rezipienten als bekannt vorausgesetzt werden kann, dann sind die darin liegenden Tatsachenbehauptungen auch als solche zu werten, unterliegen sie mithin den für diese geltenden Regeln.3 So gilt etwa für Zitate, die ein Kabarettist in seiner Präsentation als Anknüpfungspunkt für Satire oder Karikatur nutzt, das Gebot inhaltlicher Richtigkeit4 wie in allen anderen Fällen auch.5
30
Das Bundesverfassungsgericht6 sowie ihm folgend der Bundesgerichtshof7 und das Oberlandesgericht Hamburg8 haben nun allerdings in einer mit der sonstigen Position der Rechtsprechung zu den Freiräumen, die Satire und Karikatur beanspruchen können,9 nur schwer zu vereinbarenden Serie von Entscheidungen angenommen, die leichte und als solche nicht ohne weiteres erkenn_______________
1 Einzelheiten unten § 20 Tz. 13 ff. 2 BVerfG AfP 1987, 677 = NJW 1987, 2661 – Strauß-Karikatur; BVerfG AfP 1992, 133 = NJW 1992, 2073 = GRUR 1992, 471 – geb. Mörder; BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; OLG Hamm ArchPR 1974, 163; Löffler/ Steffen, § 6 LPG Rz. 78c; Gounalakis, NJW 1995, 811, 813. 3 BGH AfP 1975, 911 = NJW 1975, 1882 = GRUR 1976, 210 – Geist von Oberzell; OLG Stuttgart NJW 1983, 1263 – Siemens-Festschrift. 4 Oben Tz. 7. 5 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 78c. 6 BVerfG AfP 2005, 171 = NJW 2005, 3271 = ZUM 2005, 384 = GRUR 2005, 5000 = WRP 2005, 595 – Ron Sommer. 7 BGH AfP 2006, 54 = NJW 2006, 603 = ZUM 2006, 215 = GRUR 2006, 255 = WRP 2006, 267 – Satirische Fotomontage; anders noch zutreffend BGH AfP 2004, 51 = NJW 2004, 596 = ZUM 2004, 125 = GRUR 2004, 590 = WRP 2004, 240 – Fotomontage. 8 OLG Hamburg AfP 2008, 82 = ZUM-RD 2008, 408. 9 Dazu im Einzelnen unten § 20 Tz. 13 ff.
326
Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung
Tz. 31 § 14
bare Verfremdung eines Fotos des Kopfs des ehemaligen Vorstandvorsitzenden der Deutsche Telekom AG, Ron Sommer in einer Karikatur, die ihn lächelnd auf dem Querbalken des von seinem Unternehmen markenmäßig genutzten „T“ zeigte, könne die unzutreffende und sein Persönlichkeitsrecht verletzende Tatsachenbehauptung darstellen, der Abgebildete sehe exakt so aus wie auf dem Foto gezeigt. Da das Bild selbst nicht einmal erkennen ließ, ob diese – unterstellte – Behauptung zutreffend war oder nicht, hat das Oberlandesgericht Hamburg hierzu schließlich Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eingeholt und der Unterlassungsklage von Ron Sommer stattgegeben.1 Mit der ansonsten vom Bundesverfassungsgericht wie auch den Zivilgerichten geprägten Rechtsprechung, nach der Satire und Karikatur mit den Stilmitteln der Übertreibung, Verfremdung und Verzerrung arbeiten dürfen, ohne sich des Schutzes der Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG zu begeben,2 sind diese Entscheidungen nicht zu vereinbaren, wie schon die Tatsache belegt, dass das Oberlandesgericht Hamburg auch unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs erst durch Zuhilfenahme eines Sachverständigen zu einer Antwort auf die Frage gelangte, ob die Gesichtszüge des Betroffenen über technisch unvermeidbare Änderungen hinaus manipuliert waren. Auch liegt in diesen Entscheidungen ein Widerspruch zu der ansonsten verfestigten Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Einzelnen kein Recht darauf gibt, so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder sehen möchte.3 Generell hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Abwägung mit den Kommunikationsgrundrechten des Art. 5 Abs. 1 GG das Individuum vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen schützt, die von nicht ganz unerheblicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind,4 und an diesem Standard gemessen muss eine erst durch ein Sachverständigengutachten feststellbare Änderung der Gesichtszüge des Betroffenen hinter der in der Karikatur verwirklichten Meinungsäußerungsfreiheit zurück treten.
30a
Allerdings kann auch eine Identitätstäuschung im Rahmen von Satire oder Karikatur die Behauptung einer falschen Tatsache sein, wenn sie die Realität grob entstellt. Davon konnte im Fall Ron Sommer keine Rede sein. Gleiches gilt im Fall einer in einem Satiremagazin abgedruckten satirischen Anzeige für ein alkoholisches Getränk, die der über Jahrzehnte verbreiteten Jägermeister-Anzeigenserie nachempfunden war und den wahrheitswidrigen Eindruck erweckte, das vermeintlich werbende Unternehmen propagiere den Er-
31
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1 OLG Hamburg AfP 2008, 82 = ZUM-RD 2008, 408; über die gegen dieses Urteil erneut eingelegte Verfassungsbeschwerde des verurteilten Verlags hat das Bundesverfassungsgericht bei Drucklegung noch nicht entschieden. 2 So ausdrücklich auch BVerfG AfP 2005, 171 = NJW 2005, 3271 = ZUM 2005, 384 = GRUR 2005, 5000 = WRP 2005, 595 – Verdeckte Bildmanipulation. 3 Vgl nur BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; BVerfG AfP 1999, 57 = NJW 1999, 1322 = ZUM 1999, 236 – Helnwein. 4 BVerfG AfP 2007, 441, = NJW 2008, 39 = ZUM 2007, 829 = GRUR 2007, 1085 = WRP 2007, 1436 – Esra.
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§ 14 Tz. 31
Recht der Darstellung – Grundlagen
werb und Konsum von Alkoholika durch Kinder, weil jedenfalls maßgeblichen Teilen der Leserschaft der ironisierende Charakter dieses Motivs und damit seine mangelnde Authentizität nicht verborgen bleiben konnte.1 Im Zweifelsfall aber muss auch und gerade im Bereich von Satire und Karikatur die Vermutung gegen die Annahme einer Tatsachenbehauptung und für das Vorliegen einer Meinungsäußerung sprechen, weil beides in aller Regel Ausdruck künstlerischen Schaffens ist und damit den erhöhten Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG für sich in Anspruch nehmen kann.2
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1 A.A. LG Hamburg FuR 1981, 102 – Jägermeister. 2 BVerfG AfP 1987, 677 = NJW 1987, 2661 – Strauß-Karikatur.
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§ 15 Wahrnehmung berechtigter Interessen § 193 StGB bestimmt:
1
„Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von Seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insoweit strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.“ (Hervorhebung vom Verf.)
Kern dieser Bestimmung ist das Prinzip der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Es ist entgegen ihrem Wortlaut und ihrer gesetzessystematischen Stellung nicht nur auf die strafrechtlichen Beleidigungstatbestände anwendbar. Der vom Gesetzgeber – abgesehen vom Sonderfall der Kreditgefährdung nach § 824 Abs. 2 BGB1 – nur an dieser Stelle formulierte Gedanke der Wahrnehmung berechtigter Interessen gilt vielmehr als ein Grundprinzip, das die ganze Rechtsordnung durchzieht und namentlich auf die deliktsrechtlichen Tatbestände des Zivilrechts anwendbar ist, an denen sich auch das Haftungsrecht der Medien in erster Linie orientiert. Das Prinzip der Wahrnehmung berechtigter Interessen wurde mit Recht als die Magna Charta der Kritikfreiheit von Presse und Rundfunk bezeichnet.2 1. Rechtliche Relevanz Äußerungen, die sich im Rahmen des Grundrechts der Presse- und Rundfunkfreiheit halten, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts3 und des Bundesgerichtshofs4 nicht rechtswidrig; sie stellen per se keine unerlaubte Handlung dar. Nach heute ganz herrschender Auffassung handelt es sich bei der Bestimmung des § 193 StGB um eine Konkretisierung dieses allgemeinen Grundsatzes. Damit stellt das generelle Prinzip der Wahrnehmung berechtigter Interessen einen Rechtfertigungsgrund dar. Auch die Verbreitung objektiv rechtsverletzender Äußerungen durch die Medien ist folglich nicht rechtswidrig, wenn sie in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt.5 Sie ist damit auch weder strafbar6 noch tatbestandlich im Sinn der deliktsrechtlichen Bestimmungen.
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Dazu oben § 12 Tz. 58 ff. Löffler, Handbuch des Presserechts, 3. Aufl. 1983, § 6 LPG Rz. 66. BVerfG AfP 1980, 147 = NJW 1980, 2069 – Römerberg-Gespräche. BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 = GRUR 1981, 437 – Der Aufmacher I; BGH AfP 1989, 669 = NJW-RR 1990, 1058 = GRUR 1989, 781 – Wünschelrute; BGH AfP 1987, 597 = NJW 1987, 2225 – Pressemäßige Sorgfalt. 5 BGH NJW 1952, 660 = GRUR 1952, 410 – Constanze I; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 27 ff.; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 99. 6 Fischer, § 193 StGB Rz. 1.
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§ 15 Tz. 3
Recht der Darstellung – Grundlagen
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Der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen erfasst in erster Linie Äußerungen im Anwendungsbereich des § 186 StGB, mithin ehrenrührige Tatsachenbehauptungen, deren Wahrheit oder Unwahrheit im Zeitpunkt ihrer Verbreitung nicht feststeht. Im Rahmen der Verbreitung von Meinungen oder wahren Tatsachenbehauptungen, die nicht durch § 186 StGB, sondern durch den Tatbestand insbesondere des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß § 823 Abs. 1 BGB erfasst werden, bedarf es des Rückgriffs auf diesen Rechtfertigungsgrund nicht, weil sich in diesem Bereich Rechtfertigung und mangelnde Tatbestandsmäßigkeit unmittelbar aus der Gewährleistung der Pressefreiheit und ihrer Abwägung gegen die widerstreitenden Interessen des Betroffenen ergeben.1 Dass aber die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen insbesondere durch die Medien in Anbetracht der auch im Zivilprozess maßgeblichen Beweislastverteilung des § 186 StGB gefahrgeneigte Tätigkeit ist, wurde bereits in anderem Zusammenhang betont.2 Ebenso wurde an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass die durch die Landespressegesetze statuierte Verpflichtung der Medien zur Beachtung der publizistischen Sorgfaltspflicht ihre Grenzen im Bemühen um Wahrheit findet und eine Verpflichtung der Medien zur Gewährleistung der Wahrheit verbreiteter Nachrichten nicht begründet.3
4
Konsequent wird daher der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB heute als Ausdruck des Rechtsgedankens des erlaubten Risikos verstanden.4 Sind die Medien trotz der durch § 186 StGB grundsätzlich geschaffenen Risikoverteilung nach der Rechtsordnung nicht verpflichtet, die Wahrheit der von ihnen verbreiteten Nachrichten zu gewährleisten, so kann dann, wenn die Voraussetzungen der Wahrnehmung berechtigter Interessen vorliegen, allein aus der Fehlerhaftigkeit einer verbreiteten Tatsachenbehauptung im Anwendungsbereich der §§ 186 StGB, 823 BGB noch nicht auf die Rechtswidrigkeit der Verbreitung geschlossen werden. Eine Meldung kann danach falsch und geeignet sein, Rechte des Betroffenen zu verletzen, und ihre in Unkenntnis der Unwahrheit erfolgte erstmalige Verbreitung kann dennoch erlaubt sein. Ist das der Fall, so ergeben sich daraus bedeutsame praktische Konsequenzen, auf die in anderem Zusammenhang einzugehen sein wird.5 2. Voraussetzungen
5
Das Urteil, dass eine bestimmte Meldung in Wahrnehmung berechtigter Interessen verbreitet worden ist, setzt Feststellungen namentlich unter drei Aspekten voraus.
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Prinz/Peters, Rz. 254. Oben § 12 Tz. 12. Oben § 2 Tz. 9 f. BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 188 – Türkol; Fischer, § 193 StGB Rz. 1; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 29 ff. 5 Unten § 30 Tz. 10 und 25 f.
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Wahrnehmung berechtigter Interessen
Tz. 7 § 15
a) Geschützte Interessen Der Anwendungsbereich des Rechtfertigungsgrunds aus § 193 StGB war ursprünglich dadurch stark eingeschränkt, dass nur die Wahrnehmung eigener Interessen in Betracht kommen sollte, wobei die Rechtsprechung den Begriff des eigenen Interesses stets weit ausgelegt hat.1 Als Rechtfertigungsnorm für Medienveröffentlichungen schied der Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen nach dieser Auffassung dennoch in aller Regel aus. Gerechtfertigt könnten dann nur solche Meldungen sein, mit denen sich die Medien zum Sprachrohr ihrer eigenen Belange machen würden („in eigener Sache“).
6
Dieses untragbare Ergebnis vermeiden Rechtsprechung und Schrifttum jedoch heute mit unterschiedlicher Begründung. Teilweise wird das Recht der Medien, mit ihrer Berichterstattung nicht nur eigene Belange, sondern auch solche der Allgemeinheit zu wahren, aus der durch die meisten Landespressegesetze begründeten öffentlichen Aufgabe der Medien hergeleitet.2 Teilweise wird eine Sonderstellung der Medien abgelehnt, der Verzicht auf das Erfordernis der Wahrung von Eigeninteressen stattdessen mit dem übergreifenden Gesichtspunkt begründet, dass jedermann an der öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken befugt und daher auch berechtigt sei, den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen für sich in Anspruch zu nehmen, wenn er dies tut. So hält etwa das Kammergericht die Äußerung eines Rechtsanwalts über Einzelheiten eines ihm übertragenen Mandats in einer Presseerklärung ohne inhaltliche Prüfung allein deswegen für rechtmäßig, weil nach der Verkehrsauffassung davon auszugehen sei, dass der Verfasser ausschließlich in Wahrung fremder Interessen handele.3 Nach dieser Auffassung bedarf es keiner besonderen Legitimation gerade der Medien zur Wahrnehmung von Interessen der Allgemeinheit.4 Für die Praxis ist der dadurch gekennzeichnete Meinungsstreit jedoch ohne Bedeutung. Denn im Ergebnis steht fest, dass die Berufung der Medien auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht daran scheitert, dass ihre Berichterstattung nicht eigene Belange oder jedenfalls solche Belange betrifft, zu denen sie im konkreten Fall in engen persönlichen oder sachlichen Beziehungen stehen, sondern auch und vor allem Angelegenheiten eines allgemeinen Interesses der Öffentlichkeit.
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An die Stelle des Eigeninteresses tritt damit das öffentliche Informationsinteresse.5 Dabei ist allerdings anerkannt, dass nicht jedes Informationsinteresse als Rechtfertigungsgrund in Betracht kommt. Wäre das der Fall, so wäre Berichterstattung auch dann, wenn sie massiv in Rechte Dritter eingriffe, schlechthin ohne Risiko, da ein irgendwie geartetes Fremdinteresse an jeder noch so entfernten oder belanglosen Meldung zu begründen oder zu
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Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 45 m.N. BGH NJW 1960, 476 = GRUR 1960, 449 – Alte Herren. KG NJW 1997, 2390. BGH NJW 1963, 665 – Callgirl I; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 54 f. BVerfG NJW 1961, 819 – Schmid/Spiegel; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 564; Prinz/ Peters, Rz. 256.
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§ 15 Tz. 8
Recht der Darstellung – Grundlagen
vermuten ist. Die Berufung auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen setzt vielmehr voraus, dass am Inhalt der verbreiteten Nachricht bei deren Empfänger – im Fall der Medien also: in der Öffentlichkeit – ein berechtigtes Informationsinteresse besteht.1 b) Interessenabwägung 8
Kommt damit nicht jedes Informationsinteresse als Rechtfertigungsgrund in Betracht, sondern nur das berechtigte, so setzt die Berufung auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen im Konfliktfall voraus, dass die wahrgenommenen Interessen – im Fall Medienberichterstattung also das Informationsinteresse der Öffentlichkeit – gegenüber den gefährdeten und gegebenenfalls verletzten Interessen des von der Berichterstattung Betroffenen höherwertig sind.2 Ein sachgerechtes Ergebnis kann nur gefunden werden, indem der Informationswert der in Frage stehenden Meldung für die Öffentlichkeit in Bezug gesetzt und abgewogen wird gegen die Beeinträchtigungen, die sich aus der Veröffentlichung der Meldung für den Betroffenen ergeben können. Auch bei der Beantwortung der Frage nach dem berechtigten Informationsinteresse kommt die Praxis daher ohne die Methode der Güterabwägung nicht aus.3
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Die Folge ist auch in diesem Bereich eine beachtliche Rechtsunsicherheit. Die Feststellung, ob eine bestimmte Meldung einem berechtigten Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gilt, das höher wiegt als die Interessen desjenigen, dessen Rechte durch sie gefährdet oder gar verletzt werden, wird in der richterlichen Praxis, wenn auch vielfach unbewusst, nicht selten vom gewünschten Ergebnis her beeinflusst werden. Dennoch ist die Methode der Güterabwägung, die der Gesetzgeber auch in den einer vergleichbaren Problematik geltenden strafrechtlichen Bestimmungen über Notstand und Notwehr4 verankert hat, im Ergebnis nicht vermeidbar. Und wie bei der Entwicklung und Fortentwicklung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts5 hat die Rechtsprechung auch im vorliegenden Zusammenhang Fallgruppen entwickelt, mit denen sich die Fragestellung nach dem Vorliegen eines berechtigten Interesses und die dabei erforderliche Güterabwägung jedenfalls in gewissem Umfang eingrenzen lassen. aa) Art und Intensität des Informationsinteresses
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Die Inanspruchnahme des Rechtfertigungsgrunds der Wahrnehmung berechtigter Interessen kommt um so eher in Betracht, desto seriöser der Gegenstand der jeweiligen Berichterstattung ist. Handelt es sich um eine Thematik von großer Tragweite für die Allgemeinheit, so liegt die Wahrnehmung be_______________
1 Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 57 ff.; Wasserburg, S. 172 ff.; Einzelheiten unten Tz. 10 ff. 2 Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 61 ff.; Prinz/Peters, Rz. 257. 3 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 99. 4 §§ 32–34 StGB. 5 Einzelheiten unten § 19 Tz. 1 ff.
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Wahrnehmung berechtigter Interessen
Tz. 11 § 15
rechtigter Interessen prinzipiell nahe. Das ist etwa anzunehmen im Fall der Berichterstattung über politische Fragen1 und insbesondere Wahlkämpfe,2 über konfessionelle oder sonstige religiöse oder weltanschauliche Streitigkeiten,3 über Gewinnspielveranstalter und die mit der Teilnahme an solchen Spielen verbundenen Gefahren4 und über sonstige wirtschaftliche Sachverhalte mit Öffentlichkeitsbezug5 bzw. mit Bedeutung für den Verbraucherschutz6 oder für den konkreten Kreis der Adressaten der entsprechenden Mitteilung.7 In diesem Rahmen werden die Belange des von einer Meldung Betroffenen häufig weniger schwerer wiegen als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, so dass die bloße Möglichkeit der Verletzung privater Belange die Rechtmäßigkeit der Berichterstattung noch nicht ausschließt. Auf der anderen Seite ist entgegen einer früher vom Bundesgerichthof8 vertretenen Auffassung auch bei der Verbreitung von Meldungen, die nicht in erster Linie durch einen hohen Informationswert, sondern durch die Absicht gekennzeichnet sind, die Leser, Hörer oder Zuschauer zu unterhalten, die Inanspruchnahme des Rechtfertigungsgrunds der Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht ausgeschlossen.9 Auch die so genannten Unterhaltungsmedien können den Rechtfertigungsgrund für sich in Anspruch nehmen, da das Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit wertneutral ausgestaltet ist und es insbesondere nicht gestattet, zwischen guten und schlechten bzw. wertvollen und wertlosen Medien zu unterscheiden.10 Die Auffassung,11 die jeglicher Berichterstattung im Interesse reiner Unterhaltung schlechthin die Eignung abspricht, Gegenstand eines berechtigten Informationsinteresses zu sein, lässt im Ergebnis nicht nur den Grundsatz der Wertneutralität des Grundrechts der Pressefreiheit außer Acht.12 Sie wird auch nicht in der Lage sein, reine Unterhaltung auch nur annähernd verlässlich von anderen Gegenständen abzugrenzen, an denen die Öffentlichkeit oder maßgebliche Teile der Öffentlichkeit interessiert sein können.
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1 OLG Nürnberg MDR 1963, 412. 2 BVerfG AfP 1983, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BGH NJW 1959, 636 – Altbaden. 3 BGH NJW 1966, 1617 = GRUR 1966, 693 – Höllenfeuer. 4 OLG Karlsruhe AfP 2006, 162 = NJW-RR 2006, 483. 5 BGH NJW 1962, 32 = GRUR 1962, 108 – Waffenhandel; BGH GRUR 1969, 555 – Cellulitis; BGH AfP 1987, 597 = NJW 1987, 2225 – Pressemäßige Sorgfalt. 6 BGH NJW 1966, 2010 = GRUR 1966, 633 – Teppichkehrmaschine. 7 BGH AfP 1993, 703 = NJW 1993, 525 = GRUR 1993, 412 – Ketten-Mafia. 8 BGH NJW 1963, 665 – Callgirl I; BGH NJW 1963, 902 = GRUR 1963, 490 – Fernsehansagerin. 9 OLG München AfP 1990, 214; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 64; so wohl auch Löffler/Ricker, Kap. 42 Rz. 66. 10 BVerfG AfP 1973, 423 = NJW1973, 1226 – Soraya; BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher; BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; OLG München AfP 1990, 214; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 64; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 45. 11 Prinz/Peters, Rz. 256. 12 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; dazu Soehring, AfP 2000, 230.
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§ 15 Tz. 11a
Recht der Darstellung – Grundlagen
11a
In Wahrheit ist daher auch bei der Entscheidung der Frage, ob am Gegenstand einer Publikation ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, eine Güterabwägung anhand der widerstreitenden Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.1 So kann hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse eines Schauspielers, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht und diese auch selbst ständig sucht, selbst dann ein berechtigtes Informationsinteresse bestehen, wenn es sich um Klatsch oder Trivialitäten handelt.2 Allerdings werden im Rahmen von Sensations- oder Skandalberichterstattung die widerstreitenden Belange der Betroffenen häufig höher zu bewerten sein als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, so dass der Rechtfertigungsversuch insoweit häufig an der vorzunehmenden Güterabwägung scheitern wird.3
11b
Ein hierzu im Schrifttum4 vertretenes Postulat, bei Berichten der Klatschpresse über Prominente und Pseudoprominente von einer Art Freiraum auszugehen, innerhalb dessen es auf die Wahrheit oder Unwahrheit von Tatsachenbehauptungen und damit auch auf die Frage nach der Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht ankomme, findet aber in der Rechtsprechung kein Echo und wird auch als Prinzip nicht durchsetzbar sein, da ein dieser These zu Grunde liegendes Sonderrecht der Unterhaltungspresse nicht existiert. Richtig an dieser These ist aber der hinter ihr stehende Gedanke, dass Unrichtigkeiten in der Medienberichterstattung aus diesem Segment der Publizistik eher als nicht persönlichkeitsrelevant und damit als wertneutrale Falschbehauptungen einzustufen sein können, die durchsetzbare Ansprüche gegen die verbreitenden Medien nicht nach sich ziehen.5 bb) Sachlichkeitsgebot
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Verschiedentlich wird die Auffassung vertreten, dass die Rechtfertigung durch Wahrnehmung berechtigter Interessen ein sachliches Informationsinteresse bzw. die Sachlichkeit der Darstellung voraussetzt.6 Dieses Sachlichkeitskriterium ist jedoch im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Neben dem Erfordernis des ernstlichen Informationsinteresses, von dem ohnehin auszugehen ist, hat das Sachlichkeitsgebot bezogen auf den Gegenstand einer Meldung kein eigenständiges Gewicht; jede Meldung hat einen sachlichen Kern, auf den sie sich inhaltlich reduzieren lässt.
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Das Gebot der Sachlichkeit der Darstellung aber, von dem die Rechtsprechung7 verschiedentlich ausgeht, kollidiert mit dem anerkannten Prinzip, dass _______________
1 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 99. 2 OLG München AfP 1990, 214. 3 BVerfG AfP 1973, 435 = NJW 1973, 1221 – Soraya; BGH 1957, 1315 – Spätheimkehrer; BGH AfP 1996, 140 = NJW 1996, 1128 = GRUR 1996, 923 = ZUM 1996, 405 – Caroline von Monaco III; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 64; Löffler/Ricker, Kap. 42 Rz. 66. 4 Ladeur, NJW 2004, 393 ff. 5 Dazu im Einzelnen oben § 2 Tz. 17 und unten § 18 Tz. 6. 6 Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 62. 7 BGH NJW 1981, 1366 = GRUR 1981, 441 – Der Aufmacher II; BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 = GRUR 1975, 208 – Deutschlandstiftung.
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Wahrnehmung berechtigter Interessen
Tz. 15 § 15
das Recht auf freie Meinungsäußerung das Recht des Einzelnen einschließt, seine Meinung auch drastisch und mit Schärfe zu formulieren.1 Es ist daher mit Recht als Kriterium für die Feststellung der Voraussetzungen der Wahrnehmung berechtigter Interessen auf Ablehnung gestoßen.2 Geht es, wie gezeigt, hierbei in Wahrheit um einen Anwendungsfall des erlaubten Risikos bei der Vermittlung von Tatsachenbehauptungen, deren Wahrheit oder Unwahrheit im Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht feststeht, so führt der Ruf nach Sachlichkeit der Darstellung bei seiner Anwendung nicht weiter. Konkretisiert sich Unsachlichkeit im Einzelfall als (feststehende) Unwahrheit, so versagt der Rechtfertigungsgrund ohnehin. Und bietet sich die Unsachlichkeit in der Form der Äußerung dar, so greifen die allgemeinen Schranken der Äußerungsfreiheit ein, ohne dass es auf die Frage nach der Wahrnehmung berechtigter Interessen noch ankäme. cc) Angemessenheit des Mittels Mit dem Stichwort des angemessenen Mittels wird ferner die These umschrieben, dass die Berufung auf den Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen auch dann versagt, wenn die Art der Äußerung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht angemessen ist.3 Hierfür gilt jedoch das zum Sachlichkeitsgebot Ausgeführte entsprechend. Grundsätzlich findet die verfassungsrechtlich gewährleistete Kritikfreiheit im Bereich der Meinungsäußerung ihre Schranken erst bei der Überschreitung der Grenzen zur Schmähkritik.4 Es ist daher diese Schranke, die eingreift, wenn eine kritische Äußerung trotz sachlich berechtigten Anliegens und zutreffenden Tatsachenkerns etwa wegen der Maßlosigkeit des Ausdrucks Anlass zu rechtlichen Bedenken gibt. Auch eines besonderen Kriteriums der Angemessenheit des Mittels bedarf es daher im Zusammenhang mit dem Problem der Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht.
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Wenn im Schrifttum5 demgegenüber zur Begründung der vermeintlichen Notwendigkeit einer gesonderten Angemessenheitsprüfung darauf hingewiesen wird, dass unangemessene Kritik beim Adressaten zu falschen Sachverhaltsvorstellungen führen könne, so handelt es sich in Wahrheit nicht um ein Problem der Rechtfertigung, sondern um ein solches der Ermittlung des Aussagegehalts einer bestimmten Äußerung. Hierfür gilt auch in diesem Zusammenhang: Soweit Äußerungen aus nachweislich falschen Tatsachenbehauptungen bestehen, kommt eine Rechtfertigung ihrer zukünftigen Verbreitung ohnehin nicht in Betracht.6 Hinsichtlich solcher Äußerungen aber, die bereits verbreitet worden sind, ist der Streit um die Wahrheit der von ihnen vermit-
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1 BVerfG AfP 1982, 163 = NJW 1982, 2655 – Kredithaie; BGH AfP 1978, 33 = GRUR 1977, 801 – Halsabschneider. 2 Arndt, NJW 1964, 1310, 1312. 3 Fischer, § 193 StGB Rz. 15; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 81. 4 BGH AfP 1971, 132 = GRUR 1971, 529 – Dreckschleuder; BGH AfP 1978, 33 = GRUR 1977, 801 – Halsabschneider; Einzelheiten unten § 20 Tz. 9 ff. 5 Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 81. 6 Unten § 18 Tz. 1 ff.
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§ 15 Tz. 16
Recht der Darstellung – Grundlagen
telten Tatsachenbehauptungen gerade der Konflikt, in dem sich die Fragestellung nach der Wahrnehmung berechtigter Interessen praktisch auswirkt. 16
Mit Recht hat daher der Bundesgerichtshof1 klargestellt, dass im Streit darüber, ob für eine Äußerung der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen in Anspruch genommen werden kann, zunächst die Wahrheit der umstrittenen Sachaussage unterstellt und auf dieser Basis die Frage beantwortet werden muss, ob der Mitteilende die Äußerung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten durfte. Die Frage nach der Angemessenheit einer bestimmten Aussage oder Darstellungsform kann daher richtigerweise bei der Prüfung der Voraussetzungen für den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen keine Rolle spielen. Und keinesfalls ist das Erfordernis der Angemessenheit des Mittels mit einem Gebot der Verwendung des notwendigen oder schonendsten Mittels zu verwechseln. Ein derartiges Gebot wäre mit dem Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung nicht zu vereinbaren. Es ist daher entgegen gelegentlicher, nicht näher begründeter Äußerungen im Schrifttum2 abzulehnen.3 dd) Absicht der Interessenwahrung
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Aus der Formulierung des Gesetzeswortlauts, wonach Äußerungen zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt sind, wird teilweise gefolgert, dass die Rechtfertigung nur für solche Äußerungen in Betracht kommt, die in der subjektiven Absicht der Interessenwahrung verbreitet werden.4 Jedenfalls für Veröffentlichungen der Medien hat dieses Kriterium jedoch ebenfalls keine eigenständige Bedeutung.5 Es ist vielmehr in Anbetracht des in den Landespressegesetzen statuierten Informationsauftrags der Medien zu unterstellen, dass sie bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit auch über nicht vollständig aufgeklärte Tatbestände stets in der Absicht handeln, ihrem Informationsauftrag gerecht zu werden. Mit Recht ist insbesondere darauf hingewiesen worden, dass es mit dem Grundrecht der Pressefreiheit nicht zu vereinbaren wäre, wollten Gerichte im Rahmen der Prüfung einer etwaigen Rechtfertigung umstrittener Berichterstattung Motivforschung betreiben und dabei insbesondere zwischen seriöser und unseriöser Presse differenzieren.6 ee) Anlass der Berichterstattung
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Sind damit die Kriterien der Sachlichkeit und der Angemessenheit sowie der subjektiven Einstellung der betreffenden Publikation für die Frage der Wahr_______________
1 BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 188 – Türkol; BGH AfP 1989, 669 = NJW-RR 1990, 1058 = GRUR 1989, 781 – Wünschelrute; BGH AfP 1993, 703 = NJW 1993, 525 = GRUR 1993, 412 – Ketten-Mafia. 2 Wasserburg, S. 172. 3 BVerfG AfP 1980, 147 = NJW 1980, 2070 – Römerberg-Gespräche; BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 = GRUR 1975, 208 – Deutschlandstiftung; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 82. 4 Insbesondere Helle, NJW 1964, 841, 843; Wasserburg, S. 172. 5 Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 84 ff. 6 Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 84 ff.
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Wahrnehmung berechtigter Interessen
Tz. 20 § 15
nehmung berechtigter Interessen im Ergebnis ohne Belang, so kann die Frage nach dem Anlass der Berichterstattung für die Bejahung oder Verneinung dieses Rechtfertigungsgrunds durchaus von Bedeutung sein. Das gilt insbesondere im Bereich der Abwägung des Informationsinteresses gegen die Belange des Betroffenen. Es handelt sich hierbei zugleich um eine Konkretisierung des Prinzips der Ernstlichkeit des Informationsinteresses. Wer sich durch eigene Äußerungen oder eigenes Verhalten selbst in das Zentrum eines öffentlichen Interesses begibt, gibt den Medien allein dadurch Anlass, sich mit ihm kritisch auseinanderzusetzen. Er kann dann nicht mehr denjenigen Grad der Achtung seines Persönlichkeitsrechts und des daraus von der Rechtsprechung auch abgeleiteten Rechts beanspruchen, nicht und insbesondere nicht unter Namensnennung zum Gegenstand von Medienberichterstattung gemacht zu werden,1 den er beanspruchen könnte, wäre er im Anonymen geblieben. Das gilt für Äußerungen und Handlungen im politischen Bereich2 ebenso wie im Bereich der Wirtschaft,3 des Sports oder des Show Business, deren Angehörige ja in der Regel das Licht der Öffentlichkeit suchen und ihre öffentliche Wirkung und damit auch ihren wirtschaftlichen Erfolg erst aus dem Interesse der Öffentlichkeit beziehen.4 Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt auch die Medienberichterstattung über Strafverfahren und strafrechtliche Verurteilungen,5 die fast immer zu einer Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen führt, die aber wegen der Bedeutung der Information der Öffentlichkeit über alle Aspekte der Strafrechtspflege sowie im Fall der Verurteilung wegen schwerwiegender Straftaten auch deswegen hinzunehmen ist, weil der Täter als Folge der Übertretung für alle geltender Gesetze seinerseits eine Einschränkung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinzunehmen hat.6
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Aus dem Gedanken des berechtigten Anlasses zu kritischer Berichterstattung hat die Rechtsprechung7 ferner das so genannte Recht zum Gegenschlag entwickelt, das als besondere Konkretisierung des Gesichtspunkts der Wahrnehmung berechtigter Interessen gelten kann.8 Danach kann eine Äußerung schon dadurch gerechtfertigt sein, dass sie die adäquate Reaktion auf das Verhalten des Kritisierten darstellt.9 Entsprechend der generell für die Wahrnehmung berechtigter Interessen dargestellten Regel setzt auch das Recht zum Gegenschlag einen Angriff auf die eigene Person oder Position nicht voraus. Ausreichend ist vielmehr, dass es demjenigen, der sich äußert, darum geht,
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1 2 3 4 5 6 7 8 9
BGH AfP 1980, 154 = NJW 1980, 1790 = GRUR 1980, 813 – Familienname. BGH NJW 1959, 636 – Altbaden. BGH GRUR 1957, 360 – Phylax; BGH NJW 1964, 1471 – Sittenrichter. Zum Show Business insbesondere vgl. auch Ladeur, NJW 2004, 393 ff. BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 541 – Lebach I; dazu im Einzelnen unten § 19 Tz. 24 ff. Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 67. BVerfG NJW 1961, 819 – Schmid/Spiegel; BVerfG NJW 1969, 227 – Tonjäger; BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 – Deutschlandstiftung. Wasserburg, S. 184. BVerfG AfP 1984, 702 = NJW 1969, 227 – Tonjäger.
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§ 15 Tz. 21
Recht der Darstellung – Grundlagen
einen Angriff auf eine auch von ihm vertretene Überzeugung abzuwehren.1 Liegt eine derartige Situation vor, so kommt bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen dem Schutz des Betroffenen in der Regel weniger Gewicht zu als in Fällen, in denen er ohne direktes eigenes Zutun zum Ziel von Medienkritik geworden ist. c) Sorgfaltspflichten 21
Mit der Feststellung allein, dass ein Medienbericht sich, auch unter Berücksichtigung der Rechte des Betroffenen, mit einem Gegenstand befasst, dem ein ernstliches öffentliches Informationsinteresse gilt, kann die Berufung auf den rechtfertigenden Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen noch nicht begründet werden. Hinzukommen muss vielmehr ferner die Feststellung, dass die betreffende Redaktion bei der Recherche die gebotene pressemäßige Sorgfalt gewahrt hat.2 Liegt eine Sorgfaltspflichtverletzung vor, so versagt die Berufung auf Wahrnehmung berechtigter Interessen auch dann, wenn am Gegenstand der Berichterstattung ein überragendes Informationsinteresse besteht.3 d) Privilegierte Äußerungen
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Ein gesonderter Anwendungsfall des Rechtfertigungsgrunds der Wahrnehmung berechtigter Interessen ist die rechtliche Behandlung der so genannten privilegierten Äußerungen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Äußerungen innerhalb von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren, aber auch innerhalb besonders ausgestalteter Vertrauensbeziehungen einschließlich solcher im so genannten kleinen Kreis, wozu insbesondere der engste Familien-4 oder Freundeskreis gehören.5 Der Bundesgerichtshof6 behandelt mit Billigung durch das Bundesverfassungsgericht7 insbesondere Äußerungen von Verfahrensbeteiligten in gerichtlichen Auseinandersetzungen einschließlich solcher von Zeugen anlässlich ihrer Vernehmung als privilegiert mit der Folge, dass sie mit Rechtsbehelfen außerhalb des betreffenden Verfahrens schlechthin nicht angegriffen werden können. Das gilt auch für inhaltlich ehrenrührige Äußerungen, die gegenüber einer zur Amtsverschwiegenheit verpflichteten Behörde mit dem Ziel gemacht werden, diese zur Überprüfung eines bestimmten Verhaltens zu veranlassen,8 wie etwa die Beschwerde eines Patienten über _______________
1 BVerfG AfP 1980, 147 = NJW 1980, 2069 – Römerberg-Gespräche; BGH AfP 1972, 229 = NJW 1971, 1655 = GRUR 1971, 591 – Sabotage; BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 = GRUR 1975, 208 – Deutschlandstiftung. 2 Dazu im Einzelnen oben § 2 Tz. 8 ff. 3 BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 188 – Türkol; ständige Rechtsprechung; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 99; Wenzel/Burkhardt, Kap. 6 Rz. 73. 4 BGH NJW 1984, 1104 = GRUR 1984, 301. 5 BVerfG NJW 2007, 1194. 6 BGH NJW 1977, 1681 = GRUR 1977, 745; st. Rspr., zuletzt BGH AfP 2005, 70 = NJW 2005, 279 = ZUM-RD 2005, 123 = WRP 2005, 236 – Anwaltsbrief; BGH WRP 2008, 359. 7 BVerfG NJW-RR 2007, 840. 8 OLG Karlsruhe AfP 2006, 469 = NJW-RR 2006, 1640; OLG Hamm NJW-RR 1995, 1399.
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Wahrnehmung berechtigter Interessen
Tz. 23 § 15
seinen behandelnden Arzt in einer Eingabe gegenüber der für diesen zuständigen Landesärztekammer1 oder in einer gegenüber einer Staatsanwaltschaft abgegebenen eidesstattlichen Versicherung.2 Privilegiert sind in schließlich auch Äußerungen von Abgeordneten in den Sitzungen der Parlamente oder Gebietskörperschaften, denen sie angehören.3 In allen diesen Fällen setzt die Privilegierung allerdings voraus, dass die umstrittenen Äußerungen innerhalb des privilegierten Kreises fallen und von demjenigen, der sich äußert, nicht nach außen gegeben werden. Veröffentlicht etwa ein Rechtsanwalt eine Äußerung, die innerhalb eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens privilegiert ist, im Wege einer Presseerklärung, eines Rundschreibens oder einer wissenschaftlichen Abhandlung, dann folgt ihre rechtliche Einordnung den für Äußerungen generell geltenden Regeln.4 Der Betreffende kann daher den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen nur dann für sich in Anspruch nehmen, wenn die oben dargestellten Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
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1 BVerfG NJW 2004, 354 = ZUM-RD 2003, 82. 2 OLG München NJW-RR 2002, 1473. 3 BGH NJW 1980, 780; BGH NJW 1981, 2217; OLG München AfP 1987, 440; LG Köln AfP 2002, 346; Prinz/Peters, Rz. 46. 4 BGH AfP 2005, 70 = NJW 2005, 279 = ZUM-RD 2005, 123 = WRP 2005, 236; OLG Frankfurt/Main AfP 2000, 384.
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Zweiter Abschnitt Einzelfragen § 16 Verbreiterhaftung 1. Behaupten und Verbreiten a) Grundsätzliches 1
Wie bereits in anderem Zusammenhang1 dargestellt, reicht die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Meinungsfreiheit im Bereich der Tatsachenbehauptung sehr viel weniger weit als im Bereich der Äußerung und Verbreitung von Meinungen. Insbesondere die Verbreitung bewusst oder erwiesenermaßen unrichtiger Tatsachenbehauptungen wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts2 vom Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht erfasst. Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt allerdings voraus, dass die Gerichte bei der Ermittlung des Aussagegehalts einer bestimmten Äußerung die von der Rechtsprechung entwickelten Interpretationsstandards beachten. Dabei handelt es sich um dieselben Kriterien, die für die Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen maßgeblich sind.3 Auf deren Darstellung in anderem Zusammenhang kann daher verwiesen werden.4
1a
Bedeutsam ist und von der Rechtspraxis häufig nicht ausreichend beachtet wird in diesem Zusammenhang, dass auch für die Ermittlung des Aussagegehalts einer als Tatsachenbehauptung einzuordnenden Äußerung dieselbe Zweifelsregel gilt wie für die Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung.5 Lässt eine Äußerung tatsächlichen Inhalts mehrere Deutungen zu, so ist für die Prüfung daran anknüpfender Sanktionen mit Ausnahme des Unterlassungsanspruchs6 diejenige zugrunde zu legen, die den Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt und zugleich eine Verurteilung des beklagten Medienunternehmens nach Möglichkeit vermeidet.7 In der Praxis ist es dennoch das oberste Gebot, die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen zu vermeiden, und unter den gerichtlichen oder außergerichtlichen Auseinandersetzungen über Medienäußerungen nehmen _______________
1 Oben § 14 Tz. 2. 2 BVerfG AfP 1976, 115 = NJW 1976, 1677 – Echternach; BVerfG AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 916; BVerfG NJW 1993, 1845; BVerfG NJW 1994, 1779; Grimm, NJW 1995, 1697 ff. 3 Vgl. hierzu Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 90 ff. 4 Oben insbesondere § 14 Tz. 11, 12, 15 und 24. 5 Oben § 14 Tz. 12 ff. und 24 ff. 6 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär; dazu oben § 14 Tz. 11a ff. 7 BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär; KG AfP 1999, 369.
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Verbreiterhaftung
Tz. 4 § 16
diejenigen über angeblich oder tatsächlich wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen schon wegen der verfassungsrechtlich schwächeren Position, die die Medien insoweit im Vergleich zu Meinungsäußerungen haben, eine Sonderstellung ein. Dabei haben insbesondere die beiden einzigen gesetzlichen Tatbestände, die sich mit der Übermittlung falscher Tatsachenbehauptungen befassen, für die Berichterstattung durch Medien eine besondere Bedeutung: § 186 StGB betreffend die üble Nachrede und § 824 BGB betreffend die Kreditgefährdung. Beide Bestimmungen begründen eine strikte Verbreiterhaftung. Schon ihrem Wortlaut nach stehen die Begehungsformen des Aufstellens und des Verbreitens unwahrer Tatsachenbehauptungen nebeneinander. Es entlastet sich also nicht, wer sich darauf beruft, er habe eine bestimmte Behauptung nicht originär aufgestellt, er habe vielmehr nur verbreitet, was anderenorts behauptet wurde. Damit scheint die Frage, ob eine bestimmte Behauptung durch eine Redaktion aufgestellt oder nur verbreitet wird, auf den ersten Blick ohne praktische Relevanz für die rechtliche Beurteilung zu sein. Tatsächlich ist das jedoch in dieser Konsequenz nicht der Fall. Denn unbeschadet der grundsätzlichen rechtlichen Gleichstellung der Kommunikationsformen des Behauptens und des Verbreitens ist jedenfalls auf der Ebene der Rechtsfolgen im Interesse einer möglichst freien Berichterstattung zwischen beiden Formen zu differenzieren.
2
aa) Behaupten (1) Printmedien Für den Inhalt einer Meldung haftet zunächst, wer die Tatsachen, die in ihr verarbeitet werden, ausdrücklich behauptet. Tatsachen behauptet, wer einen bestimmten Tatbestand als Gegenstand eigener Feststellung oder Überzeugung darstellt. Dem Leser, Hörer oder Zuschauer muss, bevor eine bestimmte Äußerung als Behauptung einer Tatsache qualifiziert werden kann, die Überzeugung vermittelt werden, dass der Gegenstand der Berichterstattung wahr ist.
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Für die Annahme einer Behauptung im Rechtssinn reicht es aber in der Regel aus, wenn sich die Medien die von ihnen verbreiteten Meldungen zu eigen machen.1 Das kann in den unterschiedlichsten Formen geschehen. So ist es etwa unerheblich, ob die Redaktion, die eine bestimmte Tatsache behauptet, dies als Ergebnis eigener Recherche oder Wahrnehmung tut oder ob sie sich für die Richtigkeit der Meldung auf eine fremde Quelle stützt.2 Daher werden Redaktionen, die Tatsachen behaupten, grundsätzlich auch nicht durch den Hinweis entlastet, dass sie die entsprechenden Meldungen nicht selbst recherchiert, dass sie sie vielmehr anderen Publikationen entnommen und lediglich inhaltlich unverändert weiterverbreitet haben. Insbesondere rechtfertigt der Einwand der Vorveröffentlichung bei Medienberichterstattung auch
4
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1 Wenzel/Burkhardt, Kap. 4 Rz. 102 ff. 2 BGH NJW 1966, 2010 = GRUR 1966, 633 – Teppichkehrmaschine.
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§ 16 Tz. 4a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
nach dem Bayer-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts1 in der Regel für sich allein noch nicht die Berufung auf den rechtfertigenden Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen.2 Entscheidend bleibt allein, dass die Meldung sich dem Leser in der Form, in der sie konkret aufbereitet und publiziert wird, als wahr darstellt. Auf derselben Linie liegt die Feststellung, dass auch die ausdrückliche Berufung auf anonyme Quellen wie etwa die in der Praxis nicht selten zitierten gewöhnlich gut unterrichteten Kreise oder Insider am Charakter einer Meldung als Tatsachenbehauptung nichts ändert.3 4a
Als eigene Behauptung gilt es auch, wenn eine bestimmte Sachdarstellung in der Form einer eingehenden Wiedergabe einer Zeugenaussage präsentiert wird. Das gilt selbst dann, wenn in demselben Beitrag Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Darstellung erwähnt werden, der Leser aber der Gesamtdarstellung im Ergebnis den Eindruck entnimmt, Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Aussage hätten sich nicht ergeben.4 Dass sich die betreffende Redaktion jeder eigenen Darstellung enthält, ändert daran nichts. Selbst die unkritische Übernahme der Darstellung eines Dritten kann eigene Behauptung sein, wie etwa die Aussage, ein Gericht habe jemanden als Mörder oder Verbrecher bezeichnet.5
5
Ebenso wenig kommt es auf die Form der Behauptung an. Der Haftung für die unwahre Behauptung einer Tatsache entzieht sich nicht, wer durch einschränkende Formulierungen versucht, die Verantwortung von sich zu schieben, solange nur dem Leser oder Hörer durch die Art der Aussage der Eindruck vermittelt wird, sie sei eben doch sachlich richtig. Daher ist es in der Regel rechtlich unbeachtlich, wenn einer Aussage ein einschränkender Zusatz vorangestellt wird wie etwa die gebräuchliche Formulierung „soweit der Redaktion bekannt“. Auch sonstige Methoden der Einkleidung einer Aussage in einschränkende Formulierungen ändern an ihrem Charakter als Tatsachenbehauptung nichts, wenn ihr Kern dadurch nicht verändert und dem Empfänger trotzdem als Botschaft die Überzeugung vermittelt wird, sie sei wahr.6 So ändert auch die Angabe einer Belegstelle für eine im Text aufgestellte unwahre Behauptung nicht deren Charakter als eigene Behauptung des Verfassers.7
6
Auch eine in Frageform gekleidete Aussage kann unter denselben Voraussetzungen als Behauptung einer Tatsache anzusehen sein.8 Das kann etwa bei einer Artikelüberschrift der Fall sein, durch die dem Leser ein bestimmter Verdacht suggeriert wird („Udo Jürgens – Im Bett mit Caroline?“),9 sofern die_______________
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BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439; dazu Soehring, NJW 1994, 2926, 2927 m.N. Dazu oben § 15 Tz. 1 ff. LG Hamburg AfP 1973, 441. BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef; OLG München AfP 1976, 130. BGH NJW 1974, 1371 = GRUR 1974, 797, 798 – Fiete Schulze. BGH NJW 1980, 2801 = GRUR 1980, 1105 – Medizin-Syndikat III. OLG Frankfurt/Main AfP 2000, 384. BVerfG AfP 1992, 51 = NJW 1992, 1442 – Fragen; OLG Köln NJW 1962, 1121. BGH AfP 2004, 124 = NJW 2004, 1034 = ZUM 2004, 211 = WRP 2004, 367 – Unechte Frage.
342
Verbreiterhaftung
Tz. 8 § 16
ser Verdacht durch den folgenden Beitrag noch zusätzlich genährt, jedenfalls aber nicht entkräftet wird. Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt klar gestellt, dass es zum Grundrecht der freien Meinungsäußerung auch gehört, Fragen zu stellen.1 In der Formulierung von Fragen kann daher nur dann eine Tatsachenbehauptung gesehen werden, wenn sie dem Leser oder Hörer die Antwort suggeriert. Auch als Mittel zur Äußerung eines Verdachts kommt die Frage in Betracht; dann ist sie nach der zutreffenden Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg2 nach den für die Verdachtsberichterstattung entwickelten Grundsätzen3 zu beurteilen. Handelt es sich hingegen um so genannte offene Fragen, die das Publikum zum Nachdenken anregen und ihm die Möglichkeit belassen, in der Beantwortung zu unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen, so dürfen derartige Fragen nicht als Tatsachenbehauptung angesehen werden, sind sie vielmehr als Meinungsäußerungen zu behandeln.4
6a
Aus diesen Grundsätzen folgt bereits, dass auch so genannte verdeckte Behauptungen Tatsachenbehauptungen5 im Rechtssinn sind. Darum handelt es sich, wenn Sachaussagen nicht offen ausgesprochen, wenn sie stattdessen zwischen den Zeilen versteckt werden. Allerdings ist bei der Annahme verdeckter Behauptungen besondere Zurückhaltung geboten. Ähnlich wie bei Fragen liegen sie nur vor, wenn ihre Formulierung die Grenzen des Denkanstoßes überschreitet und dem Leser eine unabweisbare Schlussfolgerung nahe legt.6 Um eine verdeckte Tatsachenbehauptung in diesem Sinn handelt es sich auch, wenn ein Bericht dem Leser mehrere als solche richtige Einzelbehauptungen präsentiert, jedoch eine in den betreffenden Kontext gehörende Tatsache verschweigt und dadurch einen Eindruck eines Geschehens hervorruft, der mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt.7
7
(2) Hörfunk und Fernsehen Anders als in aller Regel die Printmedien agieren die Medien Hörfunk und Fernsehen in einem Teilbereich ihrer publizistischen Tätigkeit als Forum für Meinungen und Behauptungen Dritter. Das ist der Fall, soweit sie live aufnehmen und senden wie etwa bei situationsgebundenen aktuellen Interviews mit Politikern, Vertretern der Wirtschaft oder Sportlern. Das kann aber auch der Fall sein bei Diskussionen im Studio, bei denen sie sich den Diskussionsteilnehmern nur als Forum zur Verfügung stellen und auf den Inhalt der Äußerungen der Teilnehmer keinen Einfluss nehmen, der Diskussion vielmehr freien Lauf lassen.8 Da ihnen in diesen Fällen die Möglichkeit der Vor_______________
1 BVerfG AfP 1992, 51 = NJW 1992, 1442 – Fragen; BVerfG AfP 2003, 41 = NJW 2003, 660. 2 OLG Hamburg AfP 2009, 149. 3 Dazu unten Tz. 24 ff. 4 Oben § 14 Tz. 19 f. 5 Einzelheiten unten Tz. 44 ff. 6 BVerfG NJW 2004, 1942 = ZUM 2004, 560; Einzelheiten unten Tz. 44 ff. 7 BGH AfP 2006, 65 = NJW 2006, 601 = ZUM-RD 2006, 166 = WRP 2006, 363; OLG München AfP 2001, 63; Einzelheiten unten Tz. 44 ff. 8 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 276.
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8
§ 16 Tz. 9
Recht der Darstellung – Einzelfragen
auswahl und Überprüfung der von ihnen aufgenommenen und verbreiteten Aussagen Dritter fehlt, gelten die vorstehend dargestellten Grundsätze der Verbreiterhaftung insoweit nicht.1 Für die Übermittlung der Äußerungen Dritter können die Rundfunkmedien in derartigen Fällen daher nicht in Anspruch genommen werden. 9
Anderes gilt allerdings auch für Hörfunk und Fernsehen, wenn sie dem Hörer oder Zuschauer durch die Art der Darstellung, insbesondere der Anmoderation oder der Kommentierung der Aussage Dritter, die Überzeugung vermitteln, die von ihnen ausgestrahlte Mitteilung treffe zu. Dann wird ihnen die formal nur transportierte Meldung des oder der Dritten als eigene zugerechnet.2 Davon wird man insbesondere dann ausgehen müssen, wenn ein Magazinbeitrag eine bestimmte eigene Behauptung aufstellt oder dem Publikum eine bestimmte These nahe bringt und zu deren Beleg Personen zu Wort kommen lässt, die die Richtigkeit der betreffenden Behauptung oder These bestätigen oder sie durch Schilderung von Einzelbeispielen bekräftigen; die Äußerungen dieser Personen werden ihr dann wie eigene Äußerungen zugerechnet mit der Folge, dass sie für auch deren Inhalt nach den Grundsätzen der Verbreiterhaftung3 einzustehen haben. bb) Verbreiten (1) Printmedien
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Auch wo sich die Medien Behauptungen Dritter nicht zu eigen machen und es damit am Tatbestand der eigenen Behauptung fehlt, kommt eine Haftung der Medien gleichwohl in Betracht, soweit sie Aussagen Dritter verbreiten. Dabei wird im vorliegenden Zusammenhang unter dem Begriff des Verbreitens lediglich die publizistische Tätigkeit der Redaktionen im Sinn eines intellektuellen Verbreitens verstanden und auf die Haftung des technischen Verbreiters wie des Druckers, Vertriebsunternehmens o.Ä. nicht weiter eingegangen.4
11
Aus der Formulierung in den für das Medienrecht maßgeblichen Bestimmungen der §§ 186 StGB, 824 BGB folgt, dass nicht nur das Aufstellen eigener Behauptungen, sondern auch das Verbreiten von Äußerungen Dritter tatbestandlich sein kann und in der Regel ist. Besondere Bedeutung erlangt diese Feststellung jenseits des Anwendungsbereichs der genannten, auf Tatsachenbehauptungen beschränkten, Bestimmungen aber auch deswegen, weil auch die Veröffentlichung rechtswidriger Meinungsäußerungen häufig nur über die Kommunikationsform des Verbreitens zu erfassen ist. Gerade auch für die Verbreitung von Meinungen, Kritik und gelegentlich auch Diffamierungen oder Schmähungen durch Dritte in ihren Veröffentlichungen haften die _______________
1 BGH NJW 1970, 187 = GRUR 1969, 624 – Hormoncreme; BGH AfP 1976 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 276. 2 BGH NJW 1970, 187 = GRUR 1969, 624 – Hormoncreme; BGH AfP 1976 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 188 – Türkol. 3 Dazu sogleich Tz. 10 ff. 4 Dazu unten § 28 Tz. 14 ff.; Löffler/Ricker, Kap. 41 Rz. 21; Löffler/Bullinger, § 1 LPG Rz. 94 ff.; Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 221.
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Verbreiterhaftung
Tz. 13 § 16
Medien, wenn sie sich von deren Inhalt nicht eindeutig distanzieren.1 Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sie derartige Äußerungen Dritter zum Beleg eigener Meinungen und Kritik nutzen oder sie sonstwie in den dem Leser, Hörer oder Zuschauer vermittelten eigenen Gedankengang integrieren.2 Auch wo die Medien sich Äußerungen nicht zu eigen machen, wo sie diese vielmehr ohne Einschränkungen und ohne Verklausulierungsversuche klar als diejenigen Dritter ausgeben, haften sie, wenn sie sich von deren Inhalt nicht in geeigneter Weise distanzieren.3 Die gelegentlich im Schrifttum4 vertretene Auffassung, die inhaltlich richtige Wiedergabe von unwahren und ehrverletzenden Behauptungen, die Dritte auf Veranstaltungen aufstellen, sei stets erlaubt, ist in Anbetracht der Regelung der Verbreiterhaftung in §§ 186 StGB, 824 BGB nicht haltbar. Sie liefe auf das untragbare Ergebnis hinaus, dass die Medien sich entgegen der klaren Vorgabe des Gesetzgebers durch Bezugnahme auf Äußerungen Dritter von jedweder Haftung freizeichnen und damit dem von ihrer Berichterstattung Betroffenen ein im Hinblick auf seine verfassungsrechtlich gesicherten Rechtspositionen unvertretbares Risiko aufbürden könnten.
11a
Allerdings haften die Medien für sachlich zutreffende Berichterstattung über unwahre oder aus sonstigem Grund unzulässige Äußerungen Dritter nicht, soweit ihnen ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen größere Freiräume verschaffen. Das ist insbesondere der Fall im Rahmen der wahrheitsgetreuen Berichterstattung über die Sitzungen des Bundestags und seiner Ausschüsse, die durch Art. 42 Abs. 3 GG ausdrücklich von jeder Verantwortlichkeit freigestellt wird. Diese verfassungsrechtliche Privilegierung von Parlamentsberichterstattung erweitern und konkretisieren § 37 StGB für den Bereich des Strafrechts und die Rechtsprechung5 für denjenigen des Zivilrechts im Hinblick auf wahrheitsgetreue Berichte über öffentliche Sitzungen der Bundesversammlung und der gesetzgebenden Körperschaften der Bundesländer sowie schließlich auch der Kommunalvertretungen6 oder von Ausschüssen eines dieser Parlamente. Darüber hinaus schließen die Bestimmungen der Landespressegesetze Gegendarstellungen zu wahrheitsgemäßen Berichten über die Verhandlungen auch der kommunalen Parlamente sowie die Gerichtsberichterstattung aus.7
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Von straf- und zivilrechtlicher Haftung freigestellt sind damit alle Berichte über Verlauf und Inhalt der entsprechenden öffentlichen Sitzungen, sofern sie als solche wahrheitsgetreu sind. Dies setzt nicht voraus, dass der Bericht den Verlauf einer Sitzung vollständig wiedergibt; die publizistische Behandlung auch nur eines Tagesordnungspunkts einer entsprechenden Debatte reicht
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_______________
1 BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern-TV; BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef. 2 BVerfG AfP 2004, 49 = NJW 2004, 590 = ZUM-RD 2004, 63. 3 Dazu unten Tz. 15. 4 Wasserburg, S. 177. 5 BGH NJW 1980, 780 = GRUR 1980, 257. 6 LG Köln AfP 2002, 346. 7 Dazu unten § 29 Tz. 15 f.
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§ 16 Tz. 14
Recht der Darstellung – Einzelfragen
aus.1 Durch § 37 StGB privilegiert ist bereits die inhaltlich richtige Wiedergabe einzelner Reden oder Vorgänge aus einer längeren Debatte in einer öffentlichen Parlaments- oder Ausschusssitzung.2 Der Wortlaut von § 37 StGB rechtfertigt auch nicht die Forderung, dass stets ausdrücklich auf den Verlauf der betreffenden Sitzung Bezug genommen wird, sofern nur klargestellt wird, dass es sich um Äußerungen handelt, die vor dem betreffenden Parlament getätigt wurden und für die der betreffende Abgeordnete selbst Indemnität beanspruchen, mithin nach Art. 46 GG und § 36 StGB strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Damit dürfen die Medien berichten, was in öffentlichen Sitzungen der Parlamente oder ihrer Ausschüsse erörtert wird, selbst wenn der Inhalt der betreffenden Beiträge seinerseits, würde er außerhalb der Parlamente geäußert, eine zivil- oder strafrechtliche Haftung derjenigen nach sich ziehen würde, die ihn verbreiten. 14
Die Tatsache, dass die Gesetzgeber von Bund und Ländern für die Parlamentsund Gerichtsberichterstattung ausdrücklich einen Ausschluss bzw. eine Einschränkung der Medienhaftung anordnen, belegt aber zwingend, dass es prinzipiell bei dem bereits dargestellten Grundsatz bleiben muss, wenn und soweit diese Ausnahmebestimmungen nicht eingreifen. Auch für lediglich verbreitete Meldungen, die die Medien sich nicht zu eigen machen und die ihnen daher nicht als eigene Behauptungen zugerechnet werden, haften sie daher im Prinzip in gleicher Weise wie für eigene Behauptungen,3 sofern sie sich von ihrem Inhalt nicht in geeigneter Weise distanzieren.4
15
Häufig werden sie mit einer Distanzierung aber nur erreichen, dass sie sich die verbreiteten Behauptungen nicht mehr als eigene zurechnen lassen müssen, so dass erst dadurch der Tatbestand der Verbreiterhaftung begründet wird.5 Nur eine eindeutige Distanzierung, die der verbreiteten Meldung auch nicht den Anschein möglicher Richtigkeit belässt, ist ein geeignetes Mittel zum Ausschluss der Haftung für die Verbreitung von Äußerungen Dritter. Das kann etwa der Fall sein bei der Wiedergabe der Behauptung eines Dritten mit dem Zusatz, dieser habe seine Darstellung inzwischen widerrufen müssen, der Wiedergabe eines Gerüchts mit dem Zusatz, es habe sich als haltlos erwiesen, oder dem Bericht über eine von dritter Seite vorgebrachte Anschuldigung mit der Erläuterung, für ihre Richtigkeit hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben. Über die frei erfundene Wahlkampfäußerung einer politischen Partei etwa, eine konkurrierende Partei habe die Straflosigkeit sexueller Handlungen an Minderjährigen befürwortet, müssen die Medien die Öffentlichkeit unterrichten dürfen, wollen sie ihrem Informationsauftrag gerecht werden.
15a
Zu differenzieren ist in solchen Fällen zwischen dem Inhalt der Falschmeldung und der Tatsache ihrer Existenz. Indem die Medien solche Meldungen _______________
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Fischer, § 37 StGB Rz. 3. Löffler/Ricker, Kap. 49 Rz. 21. BGH AfP 1986, 241 = NJW 1986, 2503 = GRUR 1986, 683 – Ostkontakte. BVerfG AfP 2004, 49 = NJW 2004, 590 = ZUM-RD 2004, 63; Wenzel/Burkhardt, Kap. 4 Rz. 110 ff. 5 BGH AfP 1986, 241 = NJW 1986, 2503 = GRUR 1986, 683 – Ostkontakte.
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Verbreiterhaftung
Tz. 16a § 16
unter geeigneter Distanzierung von ihrem Inhalt wahrheitsgemäß verbreiten, handeln sie in Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe und damit in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Derartige Berichterstattung ist trotz des Grundsatzes der Verbreiterhaftung und trotz der feststehenden oder möglichen Unwahrheit der verbreiteten Behauptung gerechtfertigt. Sie kommt allenfalls als Anknüpfungspunkt für Gegendarstellungen in Betracht, sofern an der Durchsetzung dieses Anspruchs im Hinblick auf die Distanzierung im konkreten Fall noch ein berechtigtes Interesse anzuerkennen ist.1 (2) Hörfunk und Fernsehen Die dargestellten Grundsätze über die Verbreiterhaftung gelten prinzipiell für Hörfunk und Fernsehen in gleicher Weise. Allerdings bedarf es hier einer gewissen Reduktion der Haftung unter Berücksichtigung der Eigenheiten, die diese Medien von den Printmedien unterscheiden. Dabei geht es wiederum insbesondere um die Ausstrahlung von live aufgenommenen Diskussionen oder Interviews, die sich – anders als bei den Printmedien – einer Überarbeitung und Überprüfung durch die Rundfunkveranstalter und deren Redaktionen vor der Ausstrahlung in aller Regel entziehen. Die einschränkungslose Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Verbreiterhaftung auf derartige Sendeformen, in denen diese Medien keine eigenen redaktionelle Leistungen erbringen, in denen sie stattdessen nur als Forum der Meinungen und Darstellungen Dritter agieren, hieße den Veranstaltern ein Risiko auferlegen, das sie verantwortlicherweise nicht tragen können. Ein solches Risiko müsste sie vielmehr dazu veranlassen, auf aktuelle Sendeformen zu verzichten, die ihrerseits gerade im politischen Bereich einen unter den heutigen Gegebenheiten unverzichtbar erscheinenden Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leisten können.
16
Daher tragen Hörfunk und Fernsehen in den Fällen, in denen sich ihre Mitwirkung auf die Vermittlung rechtlich bedenklicher Äußerungen Dritter beschränkt, kein eigenes Haftungsrisiko.2 Das setzt aber voraus, dass sie dem Zuschauer oder -hörer nicht durch die Art der Moderation und Kommentierung oder der Integration der Live-Äußerungen Dritter in vorproduzierte Teile einer Sendung den Eindruck oder gar die Überzeugung vermitteln, der Inhalt der ausgestrahlten Äußerungen treffe zu. So durften etwa inhaltlich umstrittene Vorwürfe einer Reihe von Krankenhausärzten betreffend ein angebliches Fehlverhalten ihres Chefarzts im Fernsehen jedenfalls solange nicht verbreitet werden, als im redaktionellen Umfeld nicht klargestellt wurde, dass der ärztliche Direktor die Vorwürfe für unbegründet hielt und der beschuldigte Chefarzt ein zum Zeitpunkt der Ausstrahlung der Sendung noch nicht abgeschlossenes berufsrechtliches Verfahren gegen sich selbst eingeleitet hatte, um die Vorwürfe überprüfen zu lassen.3 Auch die Klage eines Münchner Psychologen gegen einen Fernsehveranstalter wegen der Verbreitung des Verdachts, er habe
16a
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1 Dazu unten § 29 Tz. 20 ff. 2 BGH NJW 1970, 187 = GRUR 1969, 624 – Hormoncreme; AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; Brauneck/Schwarz, AfP 2008 14 ff., 126 ff. 3 BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern-TV.
347
§ 16 Tz. 16b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
seine Patientinnen misshandelt, in einem bundesweit verbreiteten Magazin scheiterte nach der richtigen Auffassung des Oberlandesgerichts München1 nicht etwa daran, dass die Anstalt für die Verbreitung der Äußerungen einer angeblichen Kronzeugin nicht hafte, sondern daran, dass der Beitrag die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung2 nicht überschritten hatte. 16b
Eine Sonderfrage nach der Tragweite der Verbreiterhaftung ergibt sich schließlich in den Fällen, in denen private Fernsehveranstalter nach den Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags3 Fensterprogramme ausstrahlen, die von Dritten nach dem so genannten Herausgeberprinzip in eigener redaktioneller Verantwortung gestaltet und dem Programm des Veranstalters zugeliefert werden. Richtiger Ansicht nach reicht die Verbreiterhaftung der Fernsehveranstalter so weit, wie sie aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls auf den Inhalt einer Sendung Einfluss nehmen können, und endet sie dort, wo dies nicht der Fall ist.4 In Anwendung dieses Prinzips ist die Haftung der Fernsehveranstalter für Sendungen in den Fensterprogramen ausgeschlossen, sofern sie – wie dies die Regel ist – auf deren Inhalt keinen Einfluss nehmen können und die Herkunft der entsprechenden Sendungen aus dritter Quelle nach Art einer Distanzierung in fernsehtypischer Weise deutlich machen. An der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es in der Praxis jedoch in der Regel. Das Oberlandesgericht Hamburg5 hat daher im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Programmveranstalter SAT 1 für den Inhalt eines von ihm ausgestrahlten Beitrags von SPIEGEL TV nach den Grundsätzen der Verbreiterhaftung einzustehen hatte, nachdem sich aus der An- und Abmoderation nicht eindeutig ergab, dass es sich um einen Beitrag in alleiniger Verantwortung des Zulieferers handelte. (3) Internet
17
Besondere Probleme hat vor allem in den Anfangsjahren dieses Mediums die Verbreiterhaftung für Inhalte aufgeworfen, die über das Internet verbreitet werden.
17a
Aufgrund der stürmischen Entwicklung der über dieses Medium verbreiteten neuen Informations- und Kommunikationsdienste und der durch sie begründeten Risiken und Missbrauchsmöglichkeiten ergab sich schon frühzeitig das Bedürfnis für die Schaffung gesetzlicher Sonderregelungen, die dann im Verlauf der letzten zwanzig Jahre verschiedentlich überarbeitet werden mussten. Dabei hatten die Normsetzer nicht nur die föderalistische Struktur Deutschlands mit unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen für unterschiedliche Medieninhalte, sondern auch die Vorgaben der Europäischen Union zu berücksichtigen, die wegen der naturgemäß grenzüberschreitenden Verbreitung _______________
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OLG München AfP 1997, 636 = NJW-RR 1996, 1487 – Sex-Papst. Dazu unten Tz. 23 ff. §§ 25 ff. RStV. BGH NJW 1970, 187 = GRUR 1969, 624 – Hormoncreme; BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 188 – Türkol; oben Tz. 8 f. 5 OLG Hamburg ZUM 2004, 75.
348
Verbreiterhaftung
Tz. 17c § 16
der Internet-Kommunikation frühzeitig aufgerufen war, für dieses Medium einen europäischen Rechtsrahmen zu schaffen. Dieser Normsetzungsprozess dürfte mit der so genannten E-CommerceRichtlinie der Europäischen Union,1 dem Inkrafttreten des ihrer Umsetzung in nationales Recht dienenden Telemediengesetzes am 1. März 2007, dem damit verbundenen Außerkrafttreten des Teledienstegesetzes und des Mediendienstestaatsvertrags sowie schließlich dem Inkrafttreten des Rundfunkstaatsvertrags in der Fassung des 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrags am 1. Dezember 2008 zu einem jedenfalls vorläufigen Abschluss gekommen sein.2
17b
Soweit diese Normen Haftungsregelungen enthalten und daher hier zu erörtern sind, gelten sie allerdings ganz generell nur für die strafrechtliche Haftung der Dienstebetreiber und für deren zivilrechtliche Haftung im Rahmen von Schadenersatzforderungen.3 Für den stets verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch gelten daher nicht die ansonsten heute maßgeblichen Bestimmungen der §§ 7 ff. TMG, sondern die allgemeinen Regeln des Zivilrechts4 und damit auch die oben in Tz. 10 ff. dargestellten Grundsätze. Das gilt nicht nur in den Fällen der Wiederholungsgefahr,5 sondern auch für vorbeugende Unterlassungsansprüche.6 Dies führt allerdings in der Theorie dazu, dass jeder, der auch nur eine Mitursache für eine Rechtsverletzung setzt, vom Verletzten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann. Nach diesem Grundsatz haften auch bloß technische Verbreiter wie Host- oder Access Provider, die mit den Inhalten der von ihnen zum Abruf durch Dritte gespeicherten oder auch nur durchgeleiteten Informationen nichts zu tun haben. Denn im Internet verschwimmen die Grenzen zwischen intellektueller und technischer Verbreitung viel stärker als bei den herkömmlichen Medien.7 Da aber ein derart weitgehendes Haftungskonzept selbst dort, wo es nur um Unterlassungsansprüche geht, weder angemessen noch praktikabel wäre, schränkt der Bundesgerichtshof8 die Haftung derjenigen, die Inhalte im Internet nur technisch verbreiten, dadurch ein, dass sie an die Verletzung so genannter Verkehrs- oder Prüfpflichten anknüpft. Nur wer derartige, im Einzelfall anhand von Zumutbarkeitskriterien zu entwickelnde9 Prüfpflichten verletzt, kann hinsichtlich der Verbreitung rechtswidriger Informationen oder sonstiger Inhalte im Internet auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
17c
_______________
1 Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr v. 6.6.2000. 2 Kritisch dazu Hoeren, NJW 2007, 801 ff. 3 BGH NJW 2004, 3102 = ZUM 2004, 831 = GRUR 2004, 860 = WRP 2004, 1287 – Internetversteigerung; BGH AfP 2007, 350 = NJW 2007, 2558 = ZUM 2007, 533 = GRUR 2007, 724 = WRP 2007, 795 – Internetversteigerung II; Spindler/Hoffmann, § 9 TMG Rz. 23 m.N. 4 Dazu im Einzelnen unten § 30 Tz. 1 ff. 5 Dazu unten § 30 Tz. 7 ff. 6 BGH AfP 2007, 352 = NJW 2007, 2636 = ZUM 2007, 646 = GRUR 2007, 708 = Internetversteigerung II. 7 Dazu im Einzelnen oben Tz. 10 und unten § 28 Tz. 14 ff. 8 BGH AfP 2004, 357 = NJW 2004, 2158 = ZUM 2004, 666 = GRUR 2004, 693 = WRP 2004, 899 – Schöner Wetten; Spindler/Weber, § 1004 BGB Rz. 9 m.N. 9 OLG Hamburg MMR 2009, 405; LG Hamburg ZUM 2009, 587.
349
§ 16 Tz. 17d
Recht der Darstellung – Einzelfragen
17d
Bis zum Inkrafttreten der in Tz. 17b genannten Normen unterlag die strafund schadenersatzrechtliche Verantwortlichkeit für die Inhalte von InternetDiensten in Deutschland einem dualen, wenngleich weitgehend inhaltsgleichen Regelungsregime, innerhalb dessen die Verantwortung für die so genannten Mediendienste bei den Ländern lag, die diesen Komplex in §§ 6–9 MDStV regelten, die Gesetzgebungskompetenz für die so genannten Teledienste hingegen beim Bund; insoweit galten §§ 8–11 TDG. Damit ergab sich die Notwendigkeit, zum Zweck der Ermittlung des anwendbaren Rechts zwischen den Telediensten einer- und den Mediendiensten andererseits zu differenzieren und geeignete Abgrenzungskriterien zu entwickeln.1
17e
Diesen Dualismus beseitigt das Telemediengesetz, das gemäß seinem § 1 Abs. 1 für alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste gilt, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste,2 telekommunikationsgestützte Dienste3 oder Rundfunk im Sinn von § 2 RStV sind. Die Notwendigkeit für die noch in der Vorauflage4 im Einzelnen erörterte Differenzierung zwischen Medien- und Telediensten ist damit entfallen. Sedes materiae für die nunmehr einheitliche Regelung der straf- und zivilrechtlichen Haftung im Rahmen aller Telemedien mit Ausnahme der Unterlassungsansprüche sind jetzt nur noch §§ 7–10 TMG. Hinzu treten gemäß § 1 Abs. 4 TMG i.V.m. §§ 54 ff. RStV für die elektronische Presse5 lediglich die Bestimmungen über die inhaltlichen Anforderungen an derartige Dienste sowie die an die vergleichbaren Bestimmungen der Landespressegesetze angelehnten Impressumspflichten6 und Gegendarstellungsansprüche.7
17f
Wie schon die Vorgänger-Normen der §§ 5 ff. TDG und MDStV sehen auch §§ 7 ff. TMG hinsichtlich der Haftung der Diensteanbieter eine Differenzierung hinsichtlich der so genannten Content-Provider einerseits und der Hostund Access-Provider andererseits vor. Inhaltlich entsprechen die neuen Regeln den bisher geltenden, so dass für ihre Auslegung ohne Weiteres auf die Rechtsprechung zum früheren Recht zurück gegriffen werden kann.8
17g
Der Content-Provider, mithin der Anbieter, der eigene Inhalte zur Nutzung durch Dritte bereithält,9 ist gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Gesetzen stets und uneingeschränkt verantwortlich für die Rechtmäßigkeit der _______________
1 Vgl. zur Rechtslage bis zum 28.2.2007 und zur Rechtsentwicklung insbesondere Spindler/Schuster/Hoffmann, Vorbem. 1 ff. vor § 7 TMG; zusammenfassend Vorauflage Tz. 28.15 ff. 2 § 3 Nr. 24 TKG: Telekommunikationsdienste, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetzen bestehen. 3 § 3 Nr. 25 TKG. 4 Dort Tz. 28.14 ff. 5 § 54 Abs. 2 RStV: „Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden“; dazu unten § 29 Tz. 71 ff. 6 Dazu unten § 25 Tz. 7 ff. 7 Dazu unten § 29 Tz. 1 ff. und 71 ff. 8 BGH AfP 2007, 352 = NJW 2007, 2636 = ZUM 2007, 646 = GRUR 2007, 708; BGH AfP 2007, 350 = NJW 2007, 2558 = ZUM 2007, 533 = GRUR 2007, 724 = WRP 2007, 795; Hoffmann, NJW 2007, 2594 ff. 9 Spindler/Zimmermann/Stender-Vorwachs, Vorbem. §§ 7 ff. TMG Rz. 58.
350
Verbreiterhaftung
Tz. 17j § 16
von ihm in das Internet gestellten Inhalte. Bei § 7 Abs. 1 TMG handelt es sich damit nicht um eine haftungsbegründende Norm, sondern um eine Art Filter, der klarstellt, dass sich die Haftung aus den allgemeinen Bestimmungen des Zivil- und Strafrechts ergibt.1 Eigene Inhalte stellt aber im Internet nicht nur derjenige bereit, der eine Website inhaltlich selbst gestaltet, sondern auch derjenige, der sich von Dritten erstellte Inhalte zu eigen macht.2 Ob das der Fall ist, ergibt eine wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls, in deren Rahmen die Art der Datenübernahme, ihr Zweck sowie die konkrete Präsentation der übernommenen Daten durch den Übernehmenden zu berücksichtigen sind. Ein bloßer Hinweis auf die fremde Quelle übernommener Inhalte ändert an deren Qualifikation als eigener Inhalte in der Regel nichts; erforderlich ist vielmehr entsprechend den für die Verbreiterhaftung der Printmedien geltenden Grundsätzen3 eine eindeutige Distanzierung.4
17h
So haftet etwa ein Provider, der ein Forum mit obszön-fiktiven unbekleideten Körpern Prominenter anbietet und im Umfeld eines solchen Forums eigene Werbung platziert, für die dadurch begangenen schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen, obgleich er an der inhaltlichen Gestaltung in keiner Weise mitwirkt.5 Der Betreiber eines zugleich als kommerzielle Werbeplattform genutzten Themenportals für Kochrezepte, der Nutzern die Möglichkeit bietet, dort eigene Rezepte mit Abbildungen zu veröffentlichen, verbreitet eigene Informationen im Sinn von § 7 Abs. 1 TMG, wenn die Rezepte den Kerngehalt seines Forums darstellen, und haftet folglich für das unerlaubte Einstellen urheberrechtlich geschützter Lichtbilder durch die Nutzer.6 Eigene Informationen verbreitet auch der Betreiber eines Forums, das sich kritisch mit einem bestimmten Unternehmen befasst, für den Inhalt dort von Dritten eingestellter Äußerungen über dieses Unternehmen.7 Und als eigene Äußerung ist mit Recht auch die Verbreitung rechtswidriger Schmähkritik durch den Betreiber eines Meinungsforums angesehen worden, der die Identität des Urhebers der Schmähkritik und des sie enthaltenden Beitrags nicht offengelegt hat.8
17i
Die so genannten Host-Provider hingegen stellen dem Kunden lediglich Speicherplatz auf ihrem Server zur Verfügung und vermitteln dadurch den Zugang zu von Anderen betriebenen Telediensten.9 Sie verbreiten damit lediglich fremde Inhalte. Ihre Haftung ist gegenüber der Verbreiterhaftung der traditionellen Medien stark eingeschränkt.10 Sofern sie sich von ihnen vermittelte
17j
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1 BGH AfP 2007, 350 = NJW 2007, 2558 = ZUM 2007, 533 = GRUR 2007, 724 = WRP 2007, 795. 2 Spindler/Hoffmann, § 7 TMG Rz. 15 ff. 3 Dazu oben Tz. 10 ff. 4 OLG Köln NJW-RR 2002, 1700 = ZUM-RD 2002, 487 = MMR 2002, 548 – Steffi Graf. 5 OLG Köln NJW-RR 2002, 1700 = ZUM-RD 2002, 487 = MMR 2002, 548 – Steffi Graf. 6 OLG Hamburg AfP 2008, 304 = ZUM 2009, 417. 7 LG Hamburg AfP 2007, 277. 8 OLG Düsseldorf AfP 2006, 267 = ZUM-RD 2007, 234. 9 Spindler/Zimmermann/Stender-Vorwachs, Vorbem. §§ 7 ff. TMG Rz. 60 ff. 10 Spindler/Hoffmann, § 7 TMG Rz. 50 ff.
351
§ 16 Tz. 17k
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Inhalte nicht zu eigen machen, deren Übermittlung nicht veranlassen, die Adressaten nicht auswählen und die übermittelten Informationen nicht auswählen oder verändern,1 sind sie für die von ihnen übermittelten Informationen strafrechtlich nicht verantwortlich. Allerdings haftet ein Hostprovider für Schadenersatzansprüche, wenn ihm die Rechtswidrigkeit der von ihm für Dritte gespeicherten Information bekannt ist; hier wird allerdings positive Kenntnis gefordert, die der Geschädigte entsprechend allgemein geltenden Grundsätzen des Beweisrechts nachzuweisen hat.2 17k
Demgegenüber sieht § 8 TMG für Access Provider und sonstige Diensteanbieter, die fremde Inhalte nur durchleiten oder sie allenfalls so kurzfristig zwischenspeichern, wie dies aus technischen Gründen für die Durchleitung erforderlich ist,3 eine Haftung auch im Fall der Kenntniserlangung von der Rechtswidrigkeit von ihnen transportierter Inhalte nicht vor.4
17l
Diese Grundsätze gelten auch für Meinungsforen im Internet, sofern deren Betreiber nicht nach den dargestellten Grundsätzen unter dem Gesichtspunkt der Verbreitung eigener Inhalte ohnehin unbeschränkt haften. Der Bundesgerichtshof5 hat es allerdings abgelehnt, die für derartige Foren im Rundfunk geltende Haftungsprivilegierung pauschal auf das Internet zu erstrecken und den Betreiber eines Internet-Forums von jeglicher Haftung freizustellen. Entsprechend § 10 Nr. 1 TMG ist er vielmehr jedenfalls ab dem Zeitpunkt haftbar, zu dem ihm bekannt wird, dass eine in das Forum eingestellte Äußerung eine Rechtsverletzung darstellt,6 aber eben auch erst seit diesem Zeitpunkt.7 Der Betreiber eines solchen Forums kann allerdings die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG für sich in Anspruch nehmen und ist daher auch im Rahmen seiner allgemeinen zivilrechtlichen Störerhaftung für Unterlassungsansprüche8 zu vorbeugender Kontrolle der in seinen Dienst eingestellten Beiträge nicht verpflichtet, solange er nicht konkrete Hinweise darauf hat, dass aufgrund der Eigenart des betreffenden Forums oder bereits bekannter Rechtsverletzungen seitens eines Nutzers mit der Einstellung rechtswidrigen Materials zu rechnen ist; dann haftet er für Unterlassungsansprüche des Verletzten mit der Folge, dass die Wiederholungsgefahr nicht bereits durch die Löschung des infrage stehenden Beitrags, sondern – allgemeiner Regel9 entsprechend – erst nach Abgabe einer strafbewehrten Verpflichtungserklärung
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1 Vgl. im Einzelnen §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 TMG. 2 BGH AfP 2003, 550 = NJW 2003, 3764 = ZUM 2003, 67; OLG München AfP 2002, 522 = NJW 2002, 2398 = ZUM-RD 2002, 357. 3 § 8 Abs. 2 TMG. 4 Spindler/Hoffmann, § 8 TMG Rz. 29. 5 BGH AfP 2007, 350 = NJW 2007, 2558 = ZUM 2007, 553 = GRUR 2007, 724 = WRP 2007, 795 = MMR 2007, 518 – Meinungsforum; BGH AfP 2007, 352 = NJW 2007, 2636 = ZUM 2007, 646 = GRUR 2007, 708 = MMR 2007, 557 – Rolex. 6 BGH AfP 2007, 350 = NJW 2007, 2558 = ZUM 2007, 533 = GRUR 2007, 724 = WRP 2007, 795; OLG Hamburg AfP 2008, 304 = ZUM 2009, 417. 7 OLG Hamburg MMR 2009, 479. 8 Oben Tz. 17c. 9 Dazu unten § 30 Tz. 11 ff.
352
Verbreiterhaftung
Tz. 17n § 16
beseitigt wird.1 Entsprechend diesen Regeln haftet auch der Betreiber einer Website zur Veröffentlichung von Kontaktanzeigen durch interessierte Dritte nicht dafür, dass ein Dritter eine fiktive Kontaktanzeige einer existierenden Person unter Beifügung eines Aktfotos und der zutreffenden Kontaktdaten der Betroffenen in seinen Dienst einstellt und der Betroffenen damit eine schwere Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zufügt.2 Keine Eigenhaftung trifft auch den Betreiber eines Forums für Erfahrungsberichte mit Mobilfunktelefon-Händlern.3 Schärfer sind die Anforderungen an die Prüfungspflicht für die Betreiber von Internetversteigerungen. So ist eBay, der wohl führende Erbringer derartiger Dienstleistungen, zwar nicht originär verpflichtet, über seine Datenbanken abgewickelte Angebote auf ihre rechtliche Unbedenklichkeit zu überprüfen. Aus § 3 UWG leitet die Rechtsprechung jedoch eine als wettbewerbliche Verkehrspflicht bezeichnete Verpflichtung derartiger Veranstalter ab, die Gefahr der Verletzung wettbewerbsrechtlich geschützter Drittinteressen durch in ihr System eingestellte Angebote im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen zu begrenzen. Mit dieser Begründung hat der Bundesgerichtshof4 eine Haftung dieses Veranstalters für Wettbewerbsverstöße durch den Versandhandel mit jugendgefährdenden Schriften für möglich erachtet. Da das Gericht diese erweiterte Prüfungspflicht aber aus spezifisch wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen ableitet, kommt ihre Anwendung auf anderweitige Konstellationen wie etwa Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch über diesen Dienst abgewickelte Rechtsgeschäfte nicht in Betracht.5 Hingegen haftet der Provider einer Internet-Auktions-Website für das Angebot gefälschter Rolex-Uhren über seine Website als Mittäter einer Markenverletzung schon dann, wenn sich aus den konkreten Umständen des Falls Anzeichen für ein geschäftliches Handeln der Anbieter ergeben und der Provider seinerseits nicht nachweist, dass er konkrete Kontrollmaßnahmen zum Ausschluss der in diesem Fall nahe liegenden Markenverletzung vorgenommen hat.6
17m
Wie Host Provider gemäß § 9 TMG privilegiert sind auch Betreiber von Suchmaschinen wie etwa Google.7 Derartige Informationssysteme werden in der Regel vollautomatisch und damit ohne inhaltliche Einflussnahme des Providers betrieben. Für ihre Inhalte kann der Provider daher jedenfalls so lange nicht in Anspruch genommen werden, als ihm die Rechtswidrigkeit einer über die Suchmaschine abrufbaren Information nicht bekannt ist.8 Wird er auf eine Rechtsgutverletzung konkret hingewiesen, dann kann aber auch vom Betreiber einer Suchmaschine eine konkrete Prüfung der behaupteten
17n
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1 OLG Hamburg AfP 2006, 565 = ZUM 2006, 754 = MMR 1006, 744; LG Hamburg AfP 2006, 273; OLG München AfP 2002, 522 = NJW 2002, 2398 = ZUM-RD 2002, 357. 2 KG ZUM 2005, 160 = MMR 2004, 673. 3 LG Köln MMR 2003, 601. 4 BGH AfP 2007, 477 = ZUM 2007, 846 = GRUR 2007, 890 = MMR 2007, 634 – eBay. 5 OLG Frankfurt/Main ZUM 2008, 230 = WRP 2008, 377. 6 BGH NJW-RR 2008, 1136 = ZUM 2008, 685 = WRP 2008, 1104 – Internet-Versteigerung III. 7 Spindler/Zimmermann/Stender-Vorwachs, vor §§ 7 ff. TMG Rz. 74. 8 OLG Hamburg AfP 2007, 367 = ZUM 2007, 490 = MMR 2007, 315; OLG Stuttgart MMR 2009, 190.
353
§ 16 Tz. 17o
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Rechtswidrigkeit verlangt werden; kommt er anhand dieser Prüfung zu der vertretbaren Auffassung, dass eine Rechtsgutverletzung nicht vorliegt, ist er allerdings zur Sperrung und Entfernung der beanstandeten Information nicht verpflichtet. Das hat das Oberlandesgericht Nürnberg1 mit Recht angenommen im Fall der durch eine Suchmaschine bewirkten Verlinkung auf eine publizistische Beanstandung der Abmahnpraxis eines Rechtsanwalts, der im Auftrag rechtkräftig verurteilter Mörder deren fortdauernde namentliche Erwähnung von in den Online-Archiven deutscher Verlage gespeicherten, zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung rechtmäßiger2 Berichte über Tat und Täter gerichtlich verfolgte und den Suchmaschinenbetreiber für die über die Suchmaschine erreichbare Kritik an seiner Abmahnungspraxis in Anspruch nehmen wollte. 17o
Wie oben3 dargestellt, ist im Zusammenhang mit der Frage nach der Verantwortlichkeit der Provider die Abgrenzung zwischen eigenen und fremden Inhalten von zentraler Bedeutung. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Verantwortlichkeit für die als Link bezeichneten Querverweise zu anderen Websites, die erst das eigentliche Surfen im Internet ermöglichen und somit kennzeichnend für das Wesen dieses Mediums sind.4 Hier stellt sich die Frage, ob die Inhalte einer anderen Homepage durch den Link, der auf sie verweist, zu eigenen Inhalten des Verweisenden mit der Folge seiner Haftung werden. Generell kommt es auch in diesem Zusammenhang darauf an, ob der Link-Setzer durch die inhaltliche und optische Gestaltung des Link den Eindruck erweckt, er identifiziere sich mit dessen Inhalt; steht der Link im Rahmen einer publizistischen Information, so wird er als Hinweis auf eine fremde Quelle verstanden, so dass der Verweisende für den Inhalt der verlinkten Seite nicht haftet.5 So hat der Bundesgerichtshof6 inzwischen etwa eine Haftung des Link-Setzers zu Recht verneint im Fall eines auch in einer Online-Version abrufbaren redaktionellen Zeitungsbeitrags über Glücksspielunternehmen, der über einen Link Zugriff auf die Internetadresse des besprochenen wettbewerbswidrig handelnden Glücksspielanbieters gewährte; der Verlag hatte von der Wettbewerbswidrigkeit des Angebots keine Kenntnis, und der Bundesgerichtshof ist mit Recht davon ausgegangen, dass den Verlag nur eine der Rechtslage bei der Anzeigenveröffentlichung7 entsprechende eingeschränkte Prüfungspflicht traf.
17p
Andererseits haftet ein Fachzeitschriftenverlag für den Urheberrechtsverstoß durch den Vertrieb eines Programms zur Überwindung von Kopierschutzmaßnahmen, nachdem er einem auch online verbreiteten Bericht über das von ihm als urheberrechtswidrig erkannte Programm einen Link auf die Website _______________
1 OLG Nürnberg ZUM 2009, 249 = ZUM 2009, 216 = MMR 2009, 131; vgl. auch LG Hamburg ZUM 2008, 704. 2 Dazu unten § 19 Tz. 29 f. 3 Oben Tz. 17g ff. 4 Dazu Spindler/Zimmermann/Stender-Vorwachs, vor §§ 7 ff. TMG Rz. 34 ff. 5 OLG Braunschweig MMR 2001, 608. 6 BGH AfP 2004, 357 = NJW 2004, 2158 = ZUM 2004, 666 = GRUR 2004, 693 = WRP 2004, 899 – Schöner Wetten. 7 Dazu unten Tz. 33 ff.
354
Verbreiterhaftung
Tz. 20 § 16
des ausländischen Anbieters beigegeben hatte.1 Unter demselben Aspekt der Mitwirkung an fremdem Rechtsbruch hat der Bundesgerichtshof2 auch im Betrieb eines Altersverifikationssystems gemäß § 4 Abs. 2 JMStV einen eigenen Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG gesehen, weil dieses System es dem Nutzer faktisch ermöglichte, Zugriff auf pornografisches Material zu nehmen, ohne den geforderten Nachweis der altersmäßigen Qualifizierung führen zu müssen. b) Einzelheiten Wo immer die Medien die Äußerungen Dritter verbreiten und sie auch unter Benennung der jeweiligen Quelle als solche kennzeichnen, kann sie ein doppeltes Haftungsrisiko treffen. Dabei ist zunächst nur auf die Haftung für den Inhalt der jeweiligen Äußerung gegenüber dem davon Betroffenen einzugehen. Gesondert zu betrachten und in anderem Zusammenhang zu erörtern ist die Haftung der Medien für die Richtigkeit der Wiedergabe, eine Haftung, die in der Regel nicht gegenüber dem Betroffenen, sondern gegenüber dem Dritten besteht, dessen Äußerung die Medien verbreiten.3
18
aa) Leserbriefe Aus dem Prinzip der Verbreiterhaftung folgt, dass die Printmedien prinzipiell auch für den Inhalt des Leserbriefteils haften.4 Enthalten daher Leserzuschriften eine üble Nachrede zu Lasten Dritter oder haben sie einen in sonstiger Weise rechtsverletzenden Inhalt, so kann die Presse sich ihrer straf- und zivilrechtlichen Haftung für deren Verbreitung im Prinzip genau so wenig mit dem Hinweis darauf entziehen, dass es sich um Äußerungen Dritter handelt, wie in anderen Fällen der Verbreitung von Aussagen Dritter auch.5 Der vielfach übliche redaktionelle Hinweis darauf, dass Leserbriefe nicht die Meinung der Redaktion oder des Verlags wiedergeben, ist in rechtlicher Hinsicht unbeachtlich. Insbesondere kann in ihm nicht die Art der besonderen Distanzierung gesehen werden, die im Einzelfall die Verbreiterhaftung beseitigen kann.
19
Allerdings setzt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs6 den für die Presse geltenden Haftungsmaßstab bei der Veröffentlichung von Leserbriefen herab. Eine Pflicht der Redaktionen zu eigenständiger Überprüfung von Leserbriefen besteht danach erst dann, wenn darin im Einzelfall schwere Beeinträchtigungen der Rechte Dritter enthalten sind. Mit der Rechtswidrigkeit kann daher im Einzelfall auch die deliktsrechtliche Tatbestandsmäßigkeit
20
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1 OLG München AfP 2005, 480 = ZUM 2005, 896 = GRUR-RR 2005, 372; vgl. aber BVerfG ZUM 2009, 459 = MMR 2009, 459. 2 BGH AfP 2008, 182 = NJW 2008, 1882 = ZUM 2008, 511 = GRUR 2008, 534 = WRP 2008, 771 – ueber18.de; vgl. auch LG Karlsruhe MMR 2009, 418. 3 Dazu unten Tz. 30 ff. 4 BGH AfP 1986, 241 = NJW 1986, 2503 = GRUR 1986, 683 – Ostkontakte; OLG Celle AfP 2002, 506. 5 Löffler/Ricker, Kap. 41 Rz. 17; Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 212. 6 BGH AfP 1986, 241 = NJW 1986, 2503 = GRUR 1986, 683 – Ostkontakte.
355
§ 16 Tz. 20a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
und damit die zivilrechtliche Haftung des veröffentlichenden Verlags entfallen.1 20a
Auch gilt der Grundsatz, dass Äußerungen im Grenzbereich zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung im Zweifel der letzteren Kategorie zuzuordnen sind, für Leserbriefe in besonderem Maß, weil es ihr Zweck in aller Regel ist, zuvor veröffentlichte redaktionelle Beiträge zu kommentieren.2 Für die durch den Stolpe-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts3 geforderte Differenzierung zwischen Unterlassungsansprüchen einerseits und sonstige Sanktionen andererseits besteht bei Leserbriefen gegenüber der veröffentlichenden Presse daher keine Veranlassung.
20b
Mit Recht hat schließlich der Bundesgerichtshof4 auch darauf hingewiesen, dass im Rahmen von Unterlassungsklagen gerade bei Leserbriefen an den Nachweis der Wiederholungsgefahr besondere Anforderungen zu stellen sind, da Leserbriefe in der Regel nur einmal veröffentlicht zu werden pflegen. Daraus folgt, dass bei Leserbriefen die Wiederholungsgefahr gegenüber dem publizierenden Medium in der Regel nicht vermutet werden kann, während die Haftung des Verfassers allgemeinen Regeln folgt.5 bb) Interviews
21
Auch für den Inhalt von ihnen verbreiteter Interviews haften die Medien nach den allgemeinen Grundsätzen über die Verbreiterhaftung jedenfalls dann, wenn sich ihre Vertreter im Rahmen des Interwies die Thesen des Interviewpartners zu eigen gemacht haben.6 Ob die Printmedien, die den Inhalt der Aussagen ihrer Interviewpartner vor der Publikation überprüfen und eine eigenständige Veröffentlichungsentscheidung treffen können, für die Äußerungen ihrer Interview-Partner auch dann haften, wenn sie sich deren Inhalt nicht zu eigen machen, ist in der Rechtsprechung umstritten. Während das Oberlandesgericht Hamburg7 diese Frage uneingeschränkt bejaht und das Bundesverfassungsgericht8 diese strikte Rechtsauffassung als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden bezeichnet, beantworten andere Gerichte sie mit Recht differenzierter. So trifft den Verlag hinsichtlich der vom Interviewpartner aufgestellten Behauptungen nach der zutreffenden Auffassung des Oberlandesgerichts München9 nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht, weil Interviewäußerungen qualitativ mit denjenigen in Leserbriefen vergleichbar sind und es keinen überzeugenden Grund gibt, ihnen nicht dieselbe haftungsrechtliche Privilegierung einzuräumen wie diesen.10 Machen sich daher Redaktionen den _______________
1 Dazu oben § 15 Tz. 4. 2 OLG München NJW-RR 2005, 1355. 3 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär; dazu oben § 14 Tz. 11a. 4 BGH AfP 1986, 241 = NJW 1986, 2503 = GRUR 1986, 683 – Ostkontakte. 5 Einzelheiten unten § 30 Tz. 6 ff. 6 OLG Hamburg AfP 1983, 412. 7 OLG Hamburg AfP 2006, 564; so auch Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 276. 8 BVerfG AfP 2003, 539 = NJW 2004, 589 = ZUM 2004, 65. 9 OLG München AfP 2007, 229. 10 Oben Tz. 19 ff.
356
Verbreiterhaftung
Tz. 23 § 16
Inhalt von Interviewäußerungen nicht zu eigen und stellen sie Interviews etwa in einen separaten Kasten neben die eigene redaktionelle Berichterstattung, dann ist die Haftung der Printmedien in derselben Weise eingeschränkt, wie dies bei nicht offenkundig wahrheitswidrigen oder in sonstiger Weise offenkundig rechtswidrigen Leserbriefen der Fall ist.1 In jedem Fall aber ist der Grundsatz der Verbreiterhaftung bei Interviews in Hörfunk und Fernsehen aus den bereits erwähnten Gründen nur eingeschränkt anwendbar.2 Wo sie sich auf die Funktion eines Forums der Aussagen Dritter beschränken, haften sie gerade für den Inhalt von Interviews nicht, sofern sich nicht aus der Art der redaktionellen Aufbereitung des Interviews und seiner Integration in das Konzept einer redigierten und moderierten Sendung der Gesamteindruck ergibt, dass sie mit der Aussage des Interviewpartners in Wahrheit auch eine eigene Botschaft vermitteln, dass sie sich deren Inhalt also zu eigen machen.3
21a
Immer ist zudem auch bei Interviews gesondert zu prüfen, ob im Einzelfall die Vermutung der Wiederholungsgefahr besteht, von der die Rechtsprechung bei Medienäußerungen in der Regel ausgeht.4 Sie auf Interviewäußerungen schematisch anzuwenden, ist rechtlich nicht zulässig.5 Wiederum wie bei Leserbriefen muss insoweit vielmehr differenziert werden. Macht sich ein Medium die Äußerung eines Interviewpartners zu eigen, so wird es die Vermutung der Wiederholungsgefahr gegen sich gelten lassen müssen. Handelt es sich aber um eine Äußerung, die nach dem Gesamtzusammenhang des Interviews ausschließlich dem Interviewten zuzurechnen ist und ist diese Äußerung auch noch situationsgebunden, so ist die Gefahr, dass das publizierende Medium eine derartige Interviewäußerung später in anderem Zusammenhang erneut veröffentlichen wird, so fernliegend, dass sie nicht zu vermuten, sondern vom Verletzten konkret darzulegen ist.6
22
cc) Verdachtsberichterstattung Besondere Schwierigkeiten bereitet häufig die Berichtsform der Verdachtsberichterstattung.7 Wäre allein die Tatsache, dass die Medien über das Bestehen eines bestimmten Verdachts berichten, als die Behauptung seiner sachlichen Richtigkeit anzusehen oder wäre den Medien der Inhalt eines veröffentlichten Verdachts stets unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verbreiterhaftung zuzurechnen, so wäre ihnen auch in Fällen großer öffentlicher Bedeutung des Vorgangs im Ergebnis die Möglichkeit versperrt, über das Be_______________
1 LG Düsseldorf AfP 1999, 518. 2 OLG Frankfurt/Main AfP 1985, 288; oben Tz. 16 ff. 3 BGH NJW 1970, 187 = GRUR 1970, 624 – Hormoncreme; BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama. 4 Dazu unten § 30 Tz. 6 ff. 5 OLG München AfP 2007, 229; a.A. BVerfG AfP 2003, 539 = NJW 2004, 589 = ZUM 2004, 65, das die Anwendung der Vermutung der Wiederholungsgefahr auf Interviewäußerungen als jedenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet. 6 OLG München AfP 2007, 229; im Ergebnis auch LG Düsseldorf AfP 1999, 518. 7 Vgl. zur ähnlich liegenden Problematik der Berichterstattung über strafrechtliche Ermittlungsverfahren auch unten § 19 Tz. 30 ff.
357
23
§ 16 Tz. 23a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
stehen eines Verdachts zu berichten. Dass dies mit dem öffentlichen Auftrag der Medien und ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht zur Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung nicht zu vereinbaren wäre, sollte auf der Hand liegen. Staats- und Wirtschaftsaffären im In- und Ausland wären nicht ans Tageslicht gekommen, wären den Medien nicht entsprechende Verdächtigungen zugespielt worden und hätten sie durch die entsprechenden Veröffentlichungen nicht erst den Öffentlichkeitsdruck erzeugt, der in aller Regel schließlich zu deren Aufklärung und Aufarbeitung durch die zuständigen Stellen staatlicher Justiz und Verwaltung führt. Es mag genügen, hier auf die Watergate-Affäre in den USA als den Paradefall des modernen, investigativen Journalismus oder im Inland auf die Fälle Neue Heimat, Parteispenden, Barschel, oder aus jüngerer Zeit die Bespitzelung von Mitarbeitern durch die Deutsche Bahn AG und die Deutsche Telekom AG zu verweisen. In allen diesen Fällen hätten die berichtenden Medien ihre öffentliche Aufgabe weit verfehlt, Missstände in staatlichen oder anderen öffentlichkeitsrelevanten Bereichen aufzudecken, hätten sie auf die Veröffentlichung des jeweils bestehenden Verdachts verzichtet, weil der Beweis für die Richtigkeit noch nicht zu führen war. 23a
Daher ist anerkannt, dass die Medien prinzipiell auch berechtigt sein müssen, über Verdachtslagen unter Mitteilung der Quelle zu berichten.1 Dabei handelt es sich bei der Quelle in diesem Zusammenhang nicht um den – in der Regel anonymen – Informanten der Medien, sondern um die Quelle, aus der der Verdacht originär stammt, wie etwa die Beschuldigung des Betroffenen im Rahmen eines Zivilprozesses, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft2 oder das Auftauchen bestimmter Dokumente, deren Echtheit noch nicht verifiziert worden ist.
23b
Anderseits kann nicht übersehen werden, dass der klassische Spruch semper aliquid haeret wohl nirgends so große Berechtigung hat wie im Fall der Verbreitung von Verdächtigungen. Wer sich erst einmal einem Verdacht in der Öffentlichkeit ausgesetzt sieht, wird es häufig schwer haben, sich von dem daran hängenden Makel zu befreien, selbst wenn der Verdacht sich widerlegen lässt oder sich jedenfalls nicht bestätigt. Das in seiner rechtlichen Bedeutung häufig überstrapazierte Wort von der Vorverurteilung durch die Medien3 hat hier seine Berechtigung. Die Rechtsprechung, die die Verdachtsberichterstattung mit Recht als Ausfluss des Grundrechts der Presse- und Rundfunkfreiheit und des Prinzips der Wahrnehmung berechtigter Interessen4 vom Grundsatz her für zulässig erachtet, legt den Medien in der Wahrnehmung dieses Rechts daher eine beträchtliche Verantwortung auf. _______________
1 BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung; BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; OLG München AfP 1993, 767 – Amigo; OLG Düsseldorf AfP 1995, 500; OLG München AfP 1997, 636 = NJW-RR 1996, 1487 – Sex-Papst; LG Hamburg AfP 1993, 678 – López; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 175 ff.; Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 154 ff.; Prinz/Peters, Rz. 265 ff. 2 Dazu auch unten § 19 Tz. 30 ff. 3 Dazu Soehring, GRUR 1986, 518 ff.; detailliert und mit zahlreichen Beispielen aus der publizistischen Praxis C. H. Soehring, S. 19 ff.; vgl. auch unten § 19 Tz. 30. 4 Prinz/Peters, Rz. 265.
358
Verbreiterhaftung
Tz. 24b § 16
Aus diesem Grund ist zulässige Verdachtsberichterstattung durch die Medien im Einzelfall an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft.
24
So wird sie schon im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen immer voraussetzen, dass es sich um einen Gegenstand berechtigten öffentlichen Interesses handelt.1 Über reine Belanglosigkeiten darf, wenn überhaupt, im Verdachtsstadium noch nicht berichtet werden.2 Nicht erforderlich ist es auf der anderen Seite, dass Gegenstand des Verdachts eine strafbare Handlung ist,3 so dass auch Verhaltensweisen in Betracht kommen, die nur mit einem sozialen oder moralischen Unwerturteil zu verknüpfen sind. Der vermutete Kauf von Abgeordnetenstimmen,4 die vermutete Bespitzelung des politischen Gegners durch einen zur Wiederwahl anstehenden Amtsträger,5 der Verdacht der Wirtschaftsspionage zu Lasten eines ganzen Industriezweigs,6 der Verdacht der Käuflichkeit von selbst ernannten Anlegerschützern durch Anbieter dubioser Kapitalanlagemodelle7 oder der Misshandlung von Patientinnen durch einen prominenten Psychologen8 stellen Beispielsfälle dar, in denen die Praxis mit Recht von zulässiger Verdachtsberichterstattung ausgegangen ist. Gleiches gilt für die Wiedergabe der Äußerung der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Gregor Gysi habe wissentlich und willentlich mit der Stasi zusammen gearbeitet, als Ausdruck des Verdachts, Gysi habe sich seinerzeit zu einer solchen Zusammenarbeit verpflichtet.9 Die gegenteilige Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg10 wird dem überragenden Öffentlichkeitswert, die diese Materie in Ansehung der jüngeren deutschen Geschichte nun einmal hat,11 nicht annähernd gerecht. Zulässig war auch die Äußerung des Verdachts, Bundeskanzler Schröder habe im Jahr 2005 Neuwahlen nur angesetzt, um nach einer erwarteten Niederlage in der Lage zu sein, eine besser dotierte Position in der Wirtschaft anzunehmen.12 Im konkreten Einzelfall kommt die Praxis auch hier ohne eine Güterabwägung nicht aus.13
24a
Ebenfalls aus der Maßgeblichkeit des Rechtsgedankens der Wahrnehmung berechtigter Interessen für die Verdachtsberichterstattung folgt, dass diese Art der Berichterstattung nur zulässig ist, wenn die Medien die gebotene Sorgfalt haben walten lassen. Es müssen insbesondere hinreichende Anhaltspunkte für
24b
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Dazu oben § 15 Tz. 6 ff. Soehring, GRUR 1986, 518 ff. OLG Hamburg AfP 2008, 404. BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung. Fall Barschel. LG Hamburg AfP 1993, 678 – López. OLG Düsseldorf AfP 1995, 500. OLG München NJW-RR 1996, 1487. LG Hamburg AfP 2004, 420. OLG Hamburg AfP 2008, 627. BVerfG AfP 2000, 445 = NJW 2000, 2413 = ZUM-§RD 2000, 267 – Stasi-Liste; dazu unten § 17 Tz. 9b. 12 OLG Hamburg AfP 2004, 404. 13 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 175; Prinz/Peters, Rz. 270.
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§ 16 Tz. 24c
Recht der Darstellung – Einzelfragen
die Richtigkeit des Verdachts vorhanden sein.1 Die Auffassung, es bestehe für die Medien in den Fällen der Verdachtsberichterstattung eine erhöhte Prüfungspflicht,2 ist demgegenüber verfehlt. Denn es kennzeichnet ja diese Art von Berichterstattung gerade, dass die Medien in Kenntnis der Tatsache veröffentlichen und veröffentlichen dürfen, dass sie entgegen der Grundregel des § 186 StGB den Beweis für die Richtigkeit des Inhalts des Verdachts (noch) nicht führen können. Im Fall der Berichterstattung über den angeblichen Stimmenkauf durch den Kaufhausmillionär Helmut Horten im Zusammenhang mit dem konstruktiven Mißtrauensvotum gegen den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt etwa führte nicht die Tatsache zur Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung, dass sich die Redaktion auf einen anonymen Informanten stützte, sondern diejenige, dass es sich bei ihm um die einzige Informationsquelle handelte und die Redaktion an die Öffentlichkeit ging, obwohl es ihr nicht gelungen war, überhaupt Anhaltspunkte für die Richtigkeit des ihr zugespielten Verdachts ausfindig zu machen.3 Eine erhöhte Prüfungspflicht wird man daher den Medien in diesem Zusammenhang weniger bei der Recherche als bei der Entscheidung darüber abverlangen müssen, ob bei einer ungesicherten Verdachtslage die erforderliche Güterabwägung die Entscheidung rechtfertigt, den Verdacht gleichwohl zu veröffentlichen.4 24c
Hier gilt wie in anderem Zusammenhang auch: Je schwerer und nachhaltiger sich der in Rede stehende Verdacht auf das Ansehen des Betroffenen auswirken kann, um so höher werden die Anforderungen auch an die Sorgfaltspflicht anzusetzen sein.5 Gegen die Zulässigkeit von Verdachtsberichterstattung kann es daher sprechen, wenn über einen Verdacht berichtet wird, der bereits Gegenstand eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens gewesen ist, ohne dass sich daraus Anhaltspunkte für seine Richtigkeit ergeben haben,6 oder wenn ein Verdacht zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht mehr aktuell ist und er sich seit der Zeit seines Aufkommens weder bestätigt noch erhärtet hat. Das Oberlandesgericht Hamburg7 verlangt von den Medien, dass sie sich in einem solchen Fall jedenfalls bei der Ermittlungsbehörde, die den Verdacht ursprünglich verbreitet hat, darüber vergewissern, ob der Verdacht noch fortbesteht, und dass sie vor der Verbreitung des Verdachts einer inneren Tatsache8 dem Betroffenen die Möglichkeit geben, sich dazu zu äußern.9
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1 BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung; BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; OLG München AfP 1993, 767 – Amigo; OLG Düsseldorf AfP 1995, 500; OLG München NJW-RR 2002, 186 = ZUM 2001, 813; KG ZUM 2008, 58; LG Hamburg AfP 1993, 678 – López; Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 155. 2 OLG München NJW-RR 1996, 1493 – Focus; Prinz/Peters, Rz. 269. 3 BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung. 4 OLG München NJW-RR 1996, 1493 – Focus. 5 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung. 6 OLG München NJW-RR 1996, 1493 – Focus. 7 OLG Hamburg NJW-RR 1994, 1176. 8 Dazu oben § 14 Tz. 5 f. 9 OLG Hamburg AfP 2008, 404.
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Verbreiterhaftung
Tz. 24e § 16
Das Kammergericht1 andererseits vertritt mit Recht die Auffassung, dass die Anforderungen an die Verifizierungspflicht der Medien besonders gering ausgestaltet sind, wenn es um die Verbreitung des Verdachts eines von einem Staat als Träger staatlicher Gewalt zu verantwortenden Verbrechens geht wie im Fall der massenweisen Ermordung von Angehörigen der albanischen Bevölkerung und ihrer Beseitigung in Massengräbern. Aus der Aufgabe der freien Presse als eines Mittels zur Kontrolle staatlicher Gewalt folgt, dass der Staat sich in Anbetracht des Ungleichgewichts der Kräfte von Staat und freien Medien in erheblich größerem Umfang kritischer Berichterstattung auch über noch unbewiesene Vorwürfe stellen muss als sonstige Teilnehmer am Rechtsverkehr.
24d
Und schließlich fordert die Rechtsprechung2 als Voraussetzung zulässiger Verdachtsberichterstattung, dass die Medien durch die Art der Darstellung deutlich machen, dass es sich einstweilen um nicht mehr als einen Verdacht handelt. Das wird immer der Fall sein, wenn sie sich von dessen Inhalt ausdrücklich distanzieren, ohne dass dies schematisch und in jedem Einzelfall gefordert werden darf.3 In der Regel genügen die Medien diesem Erfordernis daher auch dann, wenn sie in sonstiger Weise deutlich machen, dass die Sachlage jedenfalls offen, der Verdacht mithin nicht erwiesen ist und dass auch nicht mehr für als gegen den Verdacht spricht.4 So war die erwähnte Berichterstattung über einen mutmaßlichen Fall der Bestechung von Abgeordneten des Deutschen Bundestags nicht schlechthin, im Einzelfall aber deswegen unzulässig, weil dem Leser durch die Art der Berichterstattung und insbesondere die Entwertung eines veröffentlichten Dementis des Betroffenen trotz formaler Vorbehalte der Eindruck suggeriert wurde, der Verdacht sei inhaltlich zutreffend.5 Umgekehrt war die Berichterstattung über den Verdacht eines gravierenden Falls der Industriespionage bzw. der Verletzung von Betriebsgeheimnissen gerechtfertigt, weil es sich um einen Fall von überragendem Öffentlichkeitswert handelte, hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Berechtigung des Verdachts bestanden und die betreffende Redaktion durch die Art ihrer Berichterstattung ausreichend deutlich gemacht hatte, dass über die Berechtigung des Verdachts von den unmittelbar Betroffenen noch gestritten wurde.6
24e
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1 KG AfP 1999, 362; zur Frage der Klagbefugnis der Republik Serbien in diesem Fall oben § 13 Tz. 19. 2 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; OLG München AfP 1993, 767 – Amigo; OLG München AfP 1997, 636 = NJW-RR 1996, 1487 – Sex-Papst; OLG Düsseldorf AfP 1995, 500; OLG Brandenburg AfP 2003, 343 = NJW-RR 2002, 1269; LG Hamburg AfP 1993, 678 – López; Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 162; Prinz/Peters, Rz. 271. 3 EGMR, Urteil v. 29.3.2001 – 38432/97 – Thoma/Luxemburg; EGMR, Urteil v. 30.3.2004 – 53984 – Radio France/Frankreich; BVerfG NJW 2007, 2868 = ZUM 2007, 468. 4 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung.; OLG Düsseldorf AfP 1995, 500; LG Hamburg AfP 1993, 678 – López. 5 BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung. 6 LG Hamburg AfP 1993, 678 – López.
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§ 16 Tz. 24f
Recht der Darstellung – Einzelfragen
24f
Unter denselben Voraussetzungen ist auch die Berichterstattung über die Erstattung einer Strafanzeige rechtmäßig, obwohl aus dem Tatbestand der Erstattung einer Anzeige nicht auf deren inhaltliche Richtigkeit geschlossen werden kann.1 Das Gebot, in der Darstellung des Verdachts darauf hinzuweisen, dass es sich eben nicht um einen feststehenden Sachverhalt handelt, wird auch hinreichend beachtet, wenn eine Redaktion in einem Fall von öffentlicher Bedeutung wie dem terroristischen Anschlag in Bad Kleinen im Sommer 1993 zwei denkbare Versionen der Tat mitteilt und zu erkennen gibt, dass sie einer dieser Versionen zuneigt, solange in ihrer Darstellung die Möglichkeit offenbleibt, dass auch die andere Version in Betracht kommt.2 Und wenn eine Staatsanwaltschaft in einer Pressekonferenz bestimmte Tatumstände als feststehend bezeichnet, dann kann von den Medien nicht verlangt werden, dass sie die so bestätigten Vorwürfe in ihrer Berichterstattung relativieren.3
25
In Fällen zulässiger Verdachtsberichterstattung stehen dem Betroffenen Ansprüche gegen die Medien wegen der Veröffentlichung nur zu, wenn er den Nachweis dafür führt, dass der Verdacht zu Unrecht erhoben wurde.4 Die Beweislast trägt unter den zu Tz. 24 ff. genannten Voraussetzungen mithin der Verletzte. Kann er die Unrichtigkeit des Verdachts nicht beweisen, so darf den Medien dessen weitere Verbreitung nicht untersagt werden, sofern sie die oben genannten Grundsätze dabei beachten.5 dd) Gerüchte
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Strikter als bei der Berichterstattung über konkrete Verdachtslagen unter Mitteilung der Quelle und Klarstellung der Tatsache, dass der Inhalt des Verdachts noch ungeklärt ist, erfasst die Haftung der Medien die Verbreitung von Gerüchten, die sich vom Verdacht in der Substanz dadurch unterscheiden, dass es ihnen an tatsächlichen Anhaltspunkten vollständig mangelt. Ist es den Medien generell nicht gestattet, sich der Verantwortung für den Inhalt von ihnen verbreiteter Meldungen dadurch zu entziehen, dass sie auf Dritte als deren Quelle oder Urheber verweisen, so muss dies auch und erst recht für Gerüchte gelten. Nichts wäre anderenfalls einfacher, als dubiose oder nicht verifizierbare Behauptungen über Dritte in die Form eines Gerüchts zu gießen und sich auf diese Weise der Haftung für ihren Inhalt zu entziehen.
27
Die Rechtsprechung legt daher an die Zulässigkeit der Verbreitung von Gerüchten mit Recht strenge Maßstäbe an. Stammen sie aus trüber Quelle und besteht an ihrem Inhalt nicht gerade ein überragendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, so haften die Medien für die Verbreitung von Gerüchten _______________
1 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; OLG Düsseldorf AfP 1995, 500; dazu auch C. H. Soehring, S. 19 ff.; unten § 19 Tz. 30 ff. 2 OLG Hamburg NJW-RR 1994, 1178. 3 LG Berlin AfP 2008, 530. 4 LG Hamburg NJW-RR 1994, 1178. 5 Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 163.
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Verbreiterhaftung
Tz. 28 § 16
selbst dann, wenn sie sich von ihrem Inhalt distanzieren.1 Die Verbreitung eines ungesicherten Gerüchts aus der Privatsphäre des Betroffenen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs2 schlechthin unzulässig, sofern an ihm nicht ausnahmsweise ein überragendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Das gilt auch, wenn sie das Privat- oder Eheleben Prominenter wie etwa des Bundeskanzlers betreffen.3 Auch die Formulierung einer Frage, für die es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt gibt, kann unter diesem Gesichtspunkt unzulässig sein.4 Gleiches gilt für ungesicherte Gerüchte aus dem wirtschaftlichen Bereich. Veröffentlicht etwa ein Börseninformationsdienst das „heiße Gerücht“, der Mehrheitsaktionär einer börsennotierten Aktiengesellschaft habe mit einer Großbank einen Deal über die Übernahme seiner Aktien zu Vorzugskonditionen vereinbart, so haftet er für die Verbreitung dieses Gerüchts jedenfalls dann, wenn er das Dementi der Bank zwar mit veröffentlicht, es aber mit dem Hinweis entwertet, die Bank habe auch in einem früheren Fall einen später erwiesenen Tatbestand zunächst dementiert.5 Auf der anderen Seite kann die Existenz bestimmter Gerüchte als solche namentlich im politischen, aber auch im wirtschaftlichen Umfeld durchaus eine Tatsache von hohem Informationswert darstellen,6 über die die Medien berichten dürfen und müssen. Wie bei Berichten über Äußerungen Dritter ist auch hier zwischen der Tatsache der Existenz des Gerüchts und seinem Inhalt zu differenzieren. Insbesondere bei der Berichterstattung über die Existenz von Gerüchten ist eine deutliche Distanzierung das geeignete und erforderliche Mittel, die Tatsache, dass ein bestimmtes Gerücht im Umlauf ist, zu veröffentlichen und der Haftung für die Verbreitung seines Inhalts gleichwohl zu entgehen.7 Der Bundesgerichtshof8 etwa hat dies prinzipiell angenommen in dem bereits erwähnten Fall der publizistischen Behandlung des Gerüchts über die Auslobung eines hohen Geldbetrags für Bundestagsabgeordnete zum Zweck der Beeinflussung ihres Abstimmungsverhaltens im Rahmen des konstruktiven Mißtrauensvotums gegen den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt. Ausdrücklich hat das Gericht in dieser Entscheidung anerkannt, dass allein die Existenz eines derartigen Gerüchts von hohem Stellenwert für die politisch interessierte Öffentlichkeit war und die Veröffentlichung des Gerüchts daher auch dann zulässig sein konnte, wenn seine Richtigkeit unter Berücksichtigung des vorhandenen Aktualitätsdrucks und der daraus resultierenden eingeschränkten Möglichkeiten der Verifikation nicht hinreichend _______________
1 BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef; BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 197, 651 – Panorama; LG Berlin AfP 1990, 59; Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 188; Prinz/Peters, Rz. 16. 2 BGH NJW 1963, 665 – Callgirl I; BGH AfP 1988, 34 = NJW-RR 1988, 733 – intime Beziehungen. 3 LG Berlin AfP 2003, 174. 4 BGH AfP 2004, 124 = NJW 2004, 1034 = ZUM 2004, 211 = WRP 2004, 367 – unechte Frage; KG ZUM 2008, 60 = WRP 2007, 1496; OLG Hamburg AfP 1995, 517. 5 OLG Düsseldorf AfP 1990, 303 = WM 1991, 577. 6 OLG Hamburg UFITA 78 (1976), 354. 7 Dazu schon oben Tz. 15. 8 BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung.
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§ 16 Tz. 29
Recht der Darstellung – Einzelfragen
abgesichert werden konnte. Unzulässig wurde die Berichterstattung im konkreten Fall, weil auf die inhaltliche Fragwürdigkeit des Gerüchts nicht in deutlicher Weise hingewiesen und insbesondere nicht alles vermieden wurde, was dem Leser den Eindruck nahebringen konnte, es werde an dem Gerücht schon etwas dran sein. Ähnlich wie in diesem Fall kann etwa die Berichterstattung über das Gerücht, ein bestimmtes Unternehmen stecke in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, rechtmäßig und sogar geboten sein, wenn dieses Gerücht von einem Wettbewerber gestreut wurde und bei der Veröffentlichung neben der Distanzierung vom Inhalt des Gerüchts auf diesen Umstand besonders hingewiesen wird. Auch in diesem Fall ist die Tatsache, dass ein Unternehmen das andere anzuschwärzen und damit in seiner wirtschaftlichen Leistungskraft zu schwächen versucht, die wahre Nachricht mit Informationswert für die Öffentlichkeit. 29
Fehlt es jedoch an einem vergleichbaren Informationswert und handelt es sich bei dem Gerücht nur um belanglosen Klatsch, dann bleibt es bei dem Grundsatz, dass die Medien für die Verbreitung des Inhalts von Gerüchten selbst dann haften, wenn sie sich von ihrem Inhalt gleichzeitig distanzieren. Hier überwiegt beim Durchschnittsleser der Eindruck, dass an dem Gerücht eben inhaltlich doch etwas dran sei, da, anders als in den Beispielsfällen in Tz. 28, anderenfalls keine Veranlassung dafür bestünde, darüber überhaupt zu berichten. Um solche Fälle handelte es sich etwa bei der Berichterstattung über die Gerüchte, ein Trainer der Fußball-Bundesliga unterhalte sexuelle Verhältnisse mit den Ehefrauen mehrerer der von ihm trainierten Spieler1 bzw. ein dem Zölibat verpflichteter katholischer Geistlicher unterhalte eine entsprechende Beziehung zu einer verheirateten Frau aus seiner Gemeinde.2 ee) Zitate
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Hinsichtlich der Inhalte von Zitaten3 ist die Rechtslage im Prinzip mit derjenigen bei der Verbreitung von Gerüchten identisch. Machen sich die Medien den Inhalt von ihnen verbreiteter Zitate zu eigen4 oder unterlassen sie auch nur die gebotene Distanzierung,5 so müssen sie sich ihn als eigene Behauptungen zurechnen lassen. Dass eine bestimmte Person zu Unrecht als Mörder oder Sittenstrolch diskreditiert wird, wirkt sich für den Betroffenen nicht weniger gravierend aus, wenn die Medien einen Dritten mit der entsprechenden Beschuldigung zitieren, als wenn sie sie als Eigenbehauptung oder als Gerücht in die Welt setzen.
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Ein Haftungsausschluss kommt daher wie bei Gerüchten und Interviews allenfalls dann in Betracht, wenn eine Distanzierung vorliegt, sofern zusätzlich ein öffentliches Informationsinteresse daran besteht, dass sich eine Persönlichkeit mit einer bestimmten Behauptung, einem bestimmten Verdacht _______________
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LG München I ZUM 1998, 576. BGH AfP 1988, 34 = NJW-RR 1988, 733 – intime Beziehungen. Zur Frage der Authentizität von Zitaten unten Tz. 50 ff. LG Berlin AfP 1990, 59; Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 209. BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef.
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Verbreiterhaftung
Tz. 33 § 16
oder einer bestimmten Kritik zu Wort gemeldet hat.1 Von einem öffentlichen Informationsinteresse an Äußerungen Dritter ist etwa bei Äußerungen von Politikern über bestimmte Sachverhalte oder Charakterisierungen, aber auch bei Aussagen von Beamten im Rahmen von Ermittlungsverfahren auszugehen. Liegt ein Fall des öffentlichen Interesses vor, so dürfen dann an die Form der Distanzierung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.2 Ausreichend kann es bereits sein, wenn die Redaktion – wie dies bei Zitaten ohnehin geboten ist – die in Rede stehende Äußerung in Anführungszeichen setzt,3 sofern sich nicht aus dem sonstigen Inhalt des zitierenden Artikels eine inhaltliche Billigung des Zitats ergibt. Werden im Wege des Zitats beleidigende Äußerungen eines Dritten wiedergegeben, so erfüllen die Medien ihrerseits damit nicht per se den Tatbestand der Beleidigung. Da es bei Beleidigungen nicht um die Verbreitung unwahrer Behauptungen geht, greift der auf § 186 StGB zurückgehende Rechtsgedanke der Verbreiterhaftung nicht ein. Die Veröffentlichung der Beleidigung kann jedoch den Tatbestand der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen erfüllen, wenn die im Rahmen dieses Tatbestands erforderliche Güterabwägung im Einzelfall das Fehlen eines berechtigten Informationsinteresses der Öffentlichkeit daran ergibt, dass und wie der in einem Bericht zitierte Dritte sich über den Betroffenen beleidigend geäußert hat. Im Fall der Bezichtigung eines prominenten Politikers als verlogen durch den politischen Gegner besteht ein derartiges Informationsinteresse, so dass allenfalls derjenige für den Inhalt der Äußerung haftet, der sie originär getan hat, nicht aber die Medien, die wahrheitsgemäß darüber berichten.4 Auch die Wiedergabe einer angeblichen Äußerung von Wolf Biermann anlässlich einer Tagung der CSU, der seither durch vielerlei Affären hervorgetretene letzte Innenminister der DDR sei „eine solche Bundesscheiße, da möchte man gar nicht rein treten“, im Rahmen eines Berichts über jene Tagung war durch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Sicht Biermanns gerechtfertigt, obwohl die Authentizität des Zitats umstritten war und es unbestreitbar einen beleidigenden Inhalt hatte.5
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ff) Anzeigenteil Aus dem Grundsatz der prinzipiell uneingeschränkten Verbreiterhaftung der Medien folgt, dass sie für den gesamten Inhalt der verbreiteten Zeitungen, Zeitschriften oder Sendungen haften. Das schließt grundsätzlich auch den Anzeigenteil ein,6 dessen Veröffentlichung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber auch wie die redaktionelle Tätigkeit von der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Pressefreiheit erfasst ist.7 Das Anzei_______________
1 2 3 4 5 6 7
OLG München AfP 1976, 130 – Lockheed; LG Berlin AfP 1990, 59. LG Berlin AfP 1990, 59. BVerfG AfP 2004, 49 = NJW 2004, 590 = ZUM-RD 2004, 63; KG AfP 2001, 65. OLG Hamburg NJW-RR 1994, 989. KG AfP 2001, 65; BVerfG AfP 2004, 49 = NJW 2004, 590 = ZUM-RD 2004, 63. BGH NJW 1972, 1658 = AfP 1972, 319 – Geschäftsaufgabe. BVerfG NJW 1967, 976 – Südkurier.
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§ 16 Tz. 34
Recht der Darstellung – Einzelfragen
genwesen ist traditionell vielfältig und erfasst namentlich in der Tagespresse neben der klassischen Markenartikel- und Dienstleistungswerbung so unterschiedliche Rubriken wie Familien- und Todesanzeigen, Verkaufs- und weitere Kleinanzeigen und nicht selten auch so genannte Bekenneranzeigen, mit denen überhaupt kein geschäftlicher oder Nachrichtenübermittlungszweck, sondern die Absicht des Inserenten verfolgt wird, die betreffende Zeitung als Medium für die Verbreitung eigener Nachrichten, Überzeugungen oder sonstiger Anliegen zu nutzen.1 34
Es würde daher die praktischen Möglichkeiten der Verlags- und Rundfunkunternehmen insbesondere bei der Veröffentlichung von Kleinanzeigen und solchen Anzeigen, deren Inhalt von Gewohntem nicht abweicht, bei Weitem überfordern, von den Medien eine uneingeschränkte inhaltliche Überprüfung von Anzeigen zu verlangen und die normale Verbreiterhaftung in Kraft treten zu lassen, wenn diese Prüfung nicht oder nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erfolgt.2 Das traditionelle Anzeigenwesen insbesondere der Tagespresse käme bei einem derartigen Haftungsmaßstab praktisch zum Erliegen. Daher führt schon eine verfassungskonforme Auslegung der zivil- und strafrechtlichen Haftungsnormen dazu, dass die Verbreitung von Anzeigen herkömmlichen Inhalts durch die Medien nicht tatbestandsmäßig im Sinn der deliktsrechtlichen Bestimmungen ist und dass sich derjenige, der durch ihren Inhalt verletzt wird, mit seinen Ansprüchen statt an die betreffenden Verlage oder Rundfunkveranstalter an den Inserenten halten muss, sofern nicht die Rechtswidrigkeit von Anzeigen im Einzelfall unschwer zu erkennen ist. So haften die Medien etwa nicht für die Verbreitung von Anzeigen für Möbel, die unter Verletzung des Urheberrechts Dritter hergestellt werden,3 für Kleinanzeigen,4 gegebenenfalls mit Ausnahme von Kontaktanzeigen,5 und sogar dann nicht, wenn der Inserent seinen Sitz im Ausland hat und der Verlag daher nicht als selbstverständlich davon ausgehen kann, dass ihm die Einzelheiten des strikten deutschen Wettbewerbsrechts bekannt sind.6 Auch bei Familienanzeigen kommt eine eigenständige Prüfungspflicht der Medien unter keinen Umständen in Betracht, wenngleich auch in diesem Bereich Scherzanzeigen und sonstige Missbräuche des Anzeigenwesens durchaus vorkommen.7 Ausgeschlossen ist die Haftung schließlich auch in Fällen berufsrechtswidriger Anwaltswerbung, da von den Anzeigenabteilungen der Medienunternehmen eine _______________
1 Vgl. dazu etwa LG Berlin AfP 1966, 100 – Kabarett; LG Braunschweig NJW 1975, 782 – Todesanzeige; OLG Düsseldorf AfP 1988, 259. 2 BGH NJW 1972, 2302 = GRUR 1973, 203 – Badische Rundschau; BGH AfP 1990, 202 = NJW-RR 1990, 1184 = GRUR 1990, 1012 – Pressehaftung I; BGH AfP 1998, 624 = NJW 1999, 1960 = ZUM 1999, 144; BGH AfP 2007, 119 = ZUM-RD 2006, 547 = GRUR 2006, 957 = WRP 2006, 1225 – Stadt Geldern; OLG Frankfurt/Main GRUR 1985, 71; OLG Hamm GRUR 1984, 538; OLG Düsseldorf AfP 1988, 259; OLG Brandenburg AfP 1999, 360; zum Ganzen Gaertner, AfP 1990, 269; Hecker, AfP 1993, 717. 3 BGH AfP 1998, 624 = NJW 1999, 1960 = ZUM 1999, 144; OLG Frankfurt/Main AfP 1997, 547; OLG Frankfurt/Main AfP 2006, 177; KG AfP 2005, 186. 4 OLG Hamm GRUR 1984, 538. 5 LG Berlin NJW-RR 1992, 1247. 6 BGH NJW 1992, 3093 = GRUR 1993, 53 – Ausländischer Inserent; a.A. KG NJW-RR 1988, 489. 7 Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 214.
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Verbreiterhaftung
Tz. 35 § 16
detaillierte Kenntnis des anwaltlichen Berufsrechts nicht erwartet werden kann.1 Allerdings kommt in allen diesen Fällen eine eigene Haftung der Medienunternehmen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr für die weitere Verbreitung von Anzeigen mit rechtswidrigem Inhalt in Betracht, wenn sie auf die Wettbewerbswidrigkeit der von ihnen veröffentlichten Anzeigen außergerichtlich hingewiesen und zur Ablehnung weiterer inhaltlich gleicher Anzeigenaufträge aufgefordert wurden2 oder wenn sie sich im Rechtsstreit nicht nur mit dem Hinweis auf ihre fehlende Haftung, sondern auch mit dem Argument verteidigen, die beanstandete Werbung ihres Inserenten sei rechtmäßig.3
34a
Auch wenn Anzeigen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen deutlich von der Norm des Üblichen abweichen, können die Medien für ihre Verbreitung haften, sind sie also zur Vermeidung eigener Haftung verpflichtet, Inserate auf ihre tatsächliche Richtigkeit und gegebenenfalls rechtliche Unbedenklichkeit zu überprüfen.4 Eine solche Überprüfung aufgegebener Inserate wird immer dann verlangt, wenn der Inhalt der Anzeige bei Anlegung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabs Anlass zu berechtigten Zweifeln gibt. Das ist bei großformatigen, gegebenenfalls ganzseitigen Inseraten eher der Fall als bei kleineren.5 Eine eigene Prüfungspflicht trifft die Medien unter diesem Aspekt etwa dann, wenn es sich beim Inhalt der Anzeige um einen Vorgang handelt, der üblicherweise nicht in der Form der Anzeige publiziert zu werden pflegt, oder wenn sonstige konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht vorliegen, der Inhalt der Anzeige könne manipuliert oder sonstwie missbräuchlich verfälscht sein.6 In derartigen Fällen wird man den Medien insbesondere eine vorsorgliche Rückfrage bei dem (vermeintlichen) Inserenten zumuten müssen, die in der Regel auch ohne großen Aufwand möglich sein wird,7 da Adresse und Telefonverbindung aus dem Anzeigenauftrag bekannt sind. Und die direkte, nach deutschem Wettbewerbsrecht nach wie vor stets unzulässige8 Herabsetzung eines Wettbewerbers im Text einer Anzeige ist nach der Rechtsprechung so auffallend, dass die Medien sie stets wahrnehmen und auf ihre rechtliche Zulässigkeit überprüfen müssen.9
35
_______________
1 OLG München NJW-RR 2001, 1716 = ZUM 2001, 529; OLG Frankfurt/Main NJW 2005, 157. 2 OLG Brandenburg AfP 1999, 360; OLG Frankfurt/Main AfP 1997, 547. 3 BGH AfP 1998, 389 = NJW 1998, 3342 = WRP 1998, 864 – Pressehaftung II; BGH AfP 1995, 600 = NJW 1995, 2490 = GRUR 1995, 595 – Kinderarbeit. 4 BGH AfP 1972, 319 = NJW 1972, 1658 – Geschäftsaufgabe; BGH AfP 1990, 202 = NJW-RR 1990, 1184 = GRUR 1990, 1012 – Pressehaftung I; BGH NJW-RR 1994, 872 – Kosmetikstudio; BGH AfP 1994, 140 = NJW-RR 1994, 874 = GRUR 1994, 454 = WRP 1994, 529 – Schlankheitswerbung; BGH AfP 2007, 119 = ZUM-RD 2006, 547 = GRUR 2006, 957 = WRP 2006, 1225 – Stadt Geldern; OLG Düsseldorf AfP 1988, 259. 5 BGH NJW-RR 2001, 1406 = GRUR 2001, 529 = WRP 2001, 531 – Herz-KreislaufStudie; OLG Frankfurt/Main AfP 2009, 262. 6 Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 216. 7 LG Berlin NJW-RR 1992, 1247. 8 Einzelheiten bei Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rz. 7.1 ff. 9 BGH AfP 1990, 202 = NJW-RR 1990, 1184 = GRUR 1990, 1012 – Pressehaftung I.
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§ 16 Tz. 36
Recht der Darstellung – Einzelfragen
36
Eine eigene Prüfungspflicht der Medien hat der Bundesgerichtshof1 etwa angenommen im Fall der Insertion des gesamten Maschinenparks eines Bauunternehmens wegen angeblicher Geschäftsaufgabe, die durch einen anonymen mutmaßlichen Wettbewerber zum Zweck der Schädigung des vermeintlichen Inserenten telefonisch aufgegeben wurde. Eine Eigenhaftung des betreffenden Verlags war auch zu bejahen in den Fällen der unbefugten Werbung eines privatwirtschaftlichen Unternehmens mit dem Namen der Stadt, in dem es ansässig war,2 sowie der Verwendung der berühmten Farbkombination grau/magenta in Kombination mit der Konzernmarke „T“der Deutsche Telekom AG durch einen mit ihr nicht verbundenen Anbieter von Online-Dienstleistungen.3 Gleiches galt im Fall einer Anzeige, in der der Inserent einem Wettbewerber im Wege direkt bezugnehmender herabsetzender Werbung einen zwei Jahre zurückliegenden Wettbewerbsverstoß vorwarf, ohne dass dazu zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch ein konkreter Anlass bestanden hätte,4 und im Fall einer grobformatigen Anzeige für Möbel, auf deren Urheberrechtswidrigkeit der Inhaber der Nutzungsrechte den Verlag vor der Erstveröffentlichung unter Vorlage von Dokumenten hingewiesen hatte.5
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Auch im Fall der Benetton-Werbung mit dem Motiv HIV-Positive hat der Bundesgerichtshof6 neben der von ihm bejahten Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige auch die Haftung des sie verbreitenden Verlags mit der Begründung bejaht, die vermeintliche Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige sei für den Verlag im Rahmen einer zumutbaren Prüfung ohne weiteres erkennbar gewesen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht7 jedoch die in dieser Sache ergangenen Entscheidungen jeweils als Verletzung des Grundrechts der Meinungsfreiheit des inserierenden Unternehmens aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG aufgehoben hat, erweist sich dieses Argument als verfehlt. Ohne weiteres erkennbar war die Wettbewerbswidrigkeit dieser Anzeige sicher nicht; aus den in Tz. 35 genannten Gründen war die Annahme der Eigenhaftung des publizierenden Verlags, die das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zu dieser Sache nicht problematisiert hat, im Ergebnis dennoch begründet.
36b
Denn die Ungewöhnlichkeit derartiger Anzeigen liegt nach Auffassung der Gerichte für Zeitungsverlag so offen zutage, dass sie die Rechtslage selbständig prüfen und gegebenenfalls auch unabhängigen rechtlichen Rat einholen müssen, bevor sie sie veröffentlichen.8 Eine gesteigerte Prüfungspflicht hat die Rechtsprechung auch bei Kontaktanzeigen unter Angabe einer Telefon_______________
1 BGH AfP 1972, 319 = NJW 1972, 1658 – Geschäftsaufgabe. 2 BGH AfP 2007, 119 = ZUM-RD 2006, 547 = GRUR 2006, 957 = WRP 2006, 1225 – Stadt Geldern. 3 OLG Köln NJW-RR 2001, 1196. 4 OLG Düsseldorf AfP 1988, 259. 5 OLG Frankfurt/Main AfP 2009, 262. 6 BGH AfP 1995, 599 = NJW 1995, 2492 = GRUR 1995, 600 = WRP 1995, 686 – H.I.V. POSITIVE I; BGH AfP 2002, 162 = NJW 2002, 1200 = ZUM-RD 2002, 232 = GRUR 2002, 360 = WRP 2002, 434 – H.I.V. POSITIVE II. 7 BVerfG AfP 2001, 44 = NJW 2001, 591 = ZUM-RD 2001, 56 = GRUR 2001, 170 = WRP 2001, 129 – Benetton-Werbung I; BVerfG AfP 2003, 149 = NJW 2003, 1303 = ZUM 2003, 390 = GRUR 2003, 442 = WRP 2003, 149 – Benetton-Werbung II. 8 OLG Düsseldorf AfP 1988, 259.
368
Verbreiterhaftung
Tz. 38 § 16
nummer angenommen, weil die etwaige Fehlerhaftigkeit der angegebenen Telefonnummer potenziell zu einer schweren Persönlichkeitsverletzung in Gestalt unerbetener Anrufe bei dem wahren Inhaber der Telefonnummer führen kann.1 Gleiches gilt im Fall der Insertion gefälschter Cartier-Uhren in einem Blatt, das sich in erster Linie an den ambulanten Handel wendet,2 oder bei der Anzeige für ein so genanntes Bio-Lotto-Programm, das angeblich die Errechnung persönlicher Lotto-Glückstreffertage ermöglicht und die Gewinnaussichten des Benutzers steigert.3 Hingegen ist die Verwendung einer für einen Produktionsbetrieb geschützten Marke in einer Händleranzeige nicht so augenfällig unzulässig, dass der Verleger für ihre Verbreitung haften müsste.4 Strengere Anforderungen werden im Fall der Arzneimittelwerbung gestellt,5 in denen die Medien schon bei begründetem Anlass zu Zweifeln an der rechtlichen Zulässigkeit der angedienten Werbung zur Vermeidung der eigenen Verbreiterhaftung Rechtsrat einholen oder sich die rechtliche Unbedenklichkeit durch ein vom Inserenten beizubringendes Gutachten nachweisen lassen müssen. Die Gesetzwidrigkeit einer großformatigen, plakativen Werbung mit einer angeblich sensationellen Herz-Kreislauf-Studie etwa lag nach Auffassung des Bundesgerichtshofs so nahe, dass eine eigenständige Prüfung ihrer Zulässigkeit durch den Verlag zu fordern war.6 Allerdings muss die Qualifikation eines beworbenen Produkts als Arzneimittel für den mit der Veröffentlichung einer Anzeige beauftragten Verlag offenkundig sein; ist sie nur zu vermuten, dann bleibt es hinsichtlich des Inhalts der Anzeige bei der generell eingeschränkten Prüfungspflicht.7 Gleiches gilt für Schlankheitswerbung;8 eine erhöhte Prüfungspflicht trifft die Medien auch für diesen Bereich in der Regel nicht. Und auch bei Verstößen gegen die Nährwertkennzeichenverordnung haben die Gerichte wiederholt entschieden, den Verlagen sei es nicht zuzumuten, konkrete Aussagen einzelner Inserate auf ihre Vereinbarkeit mit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen.9
37
Für gewerbliche Anzeigen ergibt sich eine gewisse Haftungsentlastung der Presse zusätzlich aus dem so genannten Presseprivileg des § 9 Satz 2 UWG. Im Fall irreführender Werbung haften Verleger und Redakteure von periodischen Druckschriften auf Schadenersatz nur, wenn ihnen die Unwahrheit oder Irreführungsneigung der in Frage stehenden Werbeaussage bekannt war. Diese Bestimmung beschränkt allerdings nur eine etwaige Schadenersatz-
38
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LG Berlin NJW-RR 1992, 1247. OLG Frankfurt/Main GRUR 1987, 539. KG GRUR 1988, 223. BGH AfP 1995, 489 = NJW 1994, 2827 – Suchwort Bosch. OLG Düsseldorf GRUR 1982, 622; KG NJW-RR 1988, 489; Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 216. BGH NJW-RR 2001, 1406 = GRUR 2001, 529 = WRP 2001, 531 – Herz-KreislaufStudie. OLG Hamburg AfP 2008, 520. BGH AfP 1994, 140 = NJW-RR 1994, 874 = GRUR 1994, 454 = WRP 1994, 529 – Schlankheitswerbung; BGH AfP 2006, 242 = NJW-RR 2006, 1044 = GRUR 2006, 429 – Schlank-Kapseln. OLG Hamburg AfP 2003, 58; OLG Bamberg AfP 2002, 239; OLG Dresden AfP 2004, 452.
369
§ 16 Tz. 39
Recht der Darstellung – Einzelfragen
pflicht der Medien auf Fälle vorsätzlichen Handelns. Die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen wird durch sie nicht ausgeschlossen, sofern die vorstehend genannten Voraussetzungen für eine gesteigerte Prüfungspflicht der Medien im Einzelfall vorliegen. Die Haftungsentlastung des § 9 Satz 2 UWG findet nach zutreffender Auffassung auch auf Fälle der Anschwärzung gemäß § 4 Nr. 8 UWG und über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auch auf die Medien Hörfunk und Fernsehen Anwendung, soweit diese als Werbeträger fungieren.1 39
Haftungsrisiken ganz anderer Art können sich aus dem Insertionsvertrag als solchem ergeben, wenn den Medien bei dessen Erfüllung Fehler unterlaufen. Zwar ist nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs2 ein Verlag allein aufgrund des Anzeigenauftrags Beauftragter des Werbungtreibenden gemäß § 8 Abs. 2 UWG, für dessen Verhalten der Inserent in Anspruch genommen werden kann. Das gilt insbesondere dann, wenn dem Verlag die Rechtswidrigkeit einer bestimmten Anzeigenveröffentlichung nicht bekannt sein konnte, weil etwa der Inserent sich gegenüber einem Dritten wirksam verpflichtet hatte, ein bestimmtes Anzeigenmotiv aus dem Verkehr zu ziehen, ohne den Verlag darüber zu informieren.3 Daraus allein ergeben sich noch keine besonderen Haftungsrisiken für die Medien.
39a
Das ändert sich jedoch dann, wenn ein Verlag sich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass eine bereits begangene Wettbewerbswidrigkeit im Rahmen von Folgeaufträgen nicht wiederholt wird. Kommt es in solchen Fällen trotz der eingegangenen Verpflichtung aufgrund eines Versehens des Verlags zu einer Wiederholung der beanstandeten Werbung, so wird das Verlagsverschulden zwar dem Inserenten zugerechnet.4 Der Verlag seinerseits haftet dann aber dem Inserenten für Vertragsstrafen oder gerichtlich verhängte Ordnungsgelder. Verlage werden in der Regel versuchen, diese Art der Haftung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen auszuschließen. Die Rechtsprechung nimmt jedoch an, dass Verlage grob fahrlässig handeln, wenn sie keine Vorkehrungen treffen, die sicherstellen, dass Anzeigenänderungsaufträge verlässlich beachtet werden,5 und dass ihnen der Nachweis dafür obliegt, im Einzelfall nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben.6 Die Berufung auf einschlägige haftungsausschließende Allgemeine Geschäftsbedingungen gegenüber ihren Inserenten wird den Verlagen daher in derartigen Fällen in der Regel verwehrt sein. 2. Vermitteln von Eindrücken
40
Vielfach ergeben sich Konfliktsituationen zwischen den Medien und denjenigen, die von ihrer Berichterstattung betroffen sind, nicht aus der Verbrei_______________
1 Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 219 m.N. 2 BGH AfP 1998, 389 = NJW 1998, 3342 = WRP 1998, 864 – Pressehaftung II; a.A. noch OLG Düsseldorf AfP 1994, 234 = WRP 1995, 121. 3 BGH AfP 1998, 389 = NJW 1998, 3342 = WRP 1998, 864 – Pressehaftung II. 4 BGH AfP 1988, 131 = NJW 1988, 1907 = GRUR 1988, 561 – Verlagsverschulden; OLG Düsseldorf AfP 1994, 234 = WRP 1995, 121. 5 OLG Hamm NJW-RR 1988, 944. 6 OLG Düsseldorf GRUR 1993, 851.
370
Verbreiterhaftung
Tz. 42 § 16
tung von Äußerungen, die als klare Behauptung bestimmter Tatsachen zu verstehen sind, sondern aus bestimmten Darstellungsformen wie Schlagzeilen, Bildunterschriften, Montagen von Aussagen, die als solche jeweils zutreffend sind, aber in ihrer Kombination ein falsches Bild vermitteln, oder aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten. Wenngleich es in diesen Fällen meist an der Vermittlung klarer Tatsachenbehauptungen fehlt, kann durch derartige Darstellungsformen ein Eindruck erweckt werden, der dem Leser, Hörer oder Zuschauer im Ergebnis in gleicher Weise ein verzerrtes und damit falsches Bild von der Wirklichkeit vermittelt, wie dies im Normalfall durch die Verbreitung eindeutig unwahrer Behauptungen geschieht. a) Schlagzeilen, Inhaltsangaben Durch die Wiedergabe der Kernaussage eines längeren Beitrags in Schlagzeilen und sonstigen Artikelüberschriften versuchen die Medien, die Aufmerksamkeit des Lesers, Hörers oder Zuschauers auf die folgende Detaildarstellung zu lenken. Gleiches gilt für geraffte Inhaltswiedergaben in Inhaltsverzeichnissen oder den – häufig drucktechnisch hervorgehobenen – Zusammenfassungen, die dem eigentlichen Text in vielen Publikationen vorangestellt werden. Bei den Rundfunkmedien können sich vergleichbare Konstellationen etwa in den Fällen der Anmoderation oder Ankündigung von Hörfunk- bzw. Fernsehsendungen oder dem so genannten Trailer von Fernsehsendungen ergeben. Schon der in diesen Fällen regelmäßig herrschende Zwang zur Kürze birgt die Gefahr, dass Sachverhalte, die im folgenden Textbeitrag zutreffend wiedergegeben werden, verzerrt oder verfälscht werden. Wo, wie vielfach in der Boulevardpresse, den Schlagzeilen eine besondere Aufmacherfunktion zugewiesen wird, ist diese Gefahr besonders stark ausgeprägt. Ob aus der Verbreitung solcher Schlagzeilen, Inhaltswiedergaben oder Artikeleinführungen Ansprüche hergeleitet werden können, wird von der Rechtsprechung in der Regel danach beurteilt, ob ihnen eine in sich geschlossene und daher selbständig zu wertende Sachaussage zu entnehmen ist oder ob sie nur als unselbständiger Hinweis auf den durch sie gekennzeichneten Beitrag zu werten sind.
41
Von einer selbständigen Sachaussage, für die die Medien nach allgemeinen Grundsätzen haften, geht die Rechtsprechung in der Regel dann aus, wenn der Betroffene bereits in der Schlagzeile oder Artikelankündigung namentlich benannt oder sonstwie erkennbar gemacht wird und diese obendrein einen aus sich heraus verständlichen Inhalt haben.1 Auch wenn die Formulierung einer Überschrift einen ehrverletzenden Eindruck vermittelt, der im folgenden Text korrigiert wird, kann sie unter Umständen als eigenständige Tatsachenbehauptung zu bewerten sein.2 Daher kann sich im Wege einer Gegendarstellung auch zur Wehr setzen, wer sich als Träger eines nicht ganz alltäglichen Namens in einer Artikelüberschrift als verhaftet bezeichnet findet, selbst wenn sich aus dem folgenden Text ergibt, dass nicht er, sondern nur ein namensgleicher Dritter gemeint sein kann.3
42
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1 OLG München AfP 1981, 297. 2 LG Bonn AfP 1992, 386. 3 OLG Hamburg AfP 1986, 137.
371
§ 16 Tz. 42a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
42a
Eine isolierte Betrachtung derartiger Ankündigungen ist vornehmlich bei Boulevardzeitungen und der so genannten Yellow Press gerechtfertigt und geboten, die das Instrument der Schlagzeile vor allem auf der ersten Seite nicht in erster Linie oder jedenfalls nicht nur zur Kennzeichnung des folgenden Artikelinhalts, sondern als blickfangmäßige Verkaufshilfe einsetzen. So ist etwa in einer mehrspaltigen Schlagzeile einer Boulevardzeitung, die dem Betrachter schon aus größerem Abstand den Eindruck vermittelte, Petra Kelly habe sich für 80.000,– DM nackt fotografieren lassen, während sich aus dem folgenden Text ergab, dass sie eine Geldentschädigung in der genannten Höhe von einem Dritten forderte, der sie in einer Zeichnung unbekleidet dargestellt hatte,1 oder den Ankündigungen auf den Titelblättern von Illustrierten, Caroline von Monaco habe sich in einer bestimmten Weise über ihr Privatleben geäußert,2 mit Recht jeweils die Verbreitung einer selbständig zu wertenden Behauptung gesehen worden. Derartige isoliert wirkende Darstellungen müssen die Medien als selbständige Sachaussagen gegen sich gelten lassen, zumal bei einem Großteil der Leser oder Betrachter nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie den Text, dem der zutreffende Sachverhalt im Detail entnommen werden kann, auch tatsächlich zur Kenntnis nehmen, wie dies insbesondere bei den so genannten Titelseiten- oder Kiosklesern der Fall ist, die sich damit begnügen, von den Aufmachern derartiger Publikationen Kenntnis zu nehmen, ohne das betreffende Blatt überhaupt im Einzelnen zu lesen.3
43
Grundsätzlich gilt aber auch für Schlagzeilen das Gebot der Textinterpretation aus dem Kontext.4 Insbesondere in der klassischen Zeitungs- oder Zeitschriftenpresse im Gegensatz zur Boulevardpresse versteht der Leser sie in aller Regel nicht als eine in sich abgeschlossene und damit aus sich selbst heraus interpretierbare Tatsachenbehauptung, sondern als die Hinlenkung auf die im folgenden Text zu lesende Detaildarstellung. Bei ihnen können daher insbesondere solche Artikelüberschriften nicht als selbständige und damit auch rechtlich selbständig zu wertende Sachaussagen angesehen werden. Bei ihnen handelt es sich vielmehr um Ankündigungen, die nicht in sich geschlossen und die daher auch nicht allein aus sich heraus verständlich sind, die vielmehr nur das Leserinteresse auf den folgenden Beitrag hinlenken und ohne dessen Lektüre inhaltsleer im Raume stehen. Davon ist etwa das Oberlandesgericht München5 bei der Schlagzeile „So werden Unfallopfer ausgeplündert“ mit Recht ausgegangen. Derartige Konstellationen liegen insbesondere auch dann vor, wenn ohne die Lektüre des folgenden Texts unklar bleibt, von wem in der Überschrift die Rede ist.6
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1 OLG Hamburg AfP 1988, 247 – Petra Kelly. 2 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. 3 Vgl. hierzu auch BVerfG AfP 1998, 184 = NJW 1998, 1381 – Gegendarstellung auf der Titelseite; dazu im Einzelnen unten § 29 Tz. 53, § 31 Tz. 23 f. 4 BGH AfP 1997, 643 = NJW 1997, 2513 – Komplexe Gesamtäußerung; KG AfP 1999, 369 = NJW-RR 1999, 2547; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 343. 5 OLG München AfP 1973, 483; zustimmend Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 343. 6 OLG Köln AfP 1976, 132; AfP 1985, 295; OLG München AfP 1978, 206.
372
Verbreiterhaftung
Tz. 44 § 16
Mit Recht hat das Oberlandesgericht Köln1 darauf hingewiesen, dass die Artikelüberschrift nahezu unverzichtbar für eine gegliederte und daher lesbare Aufmachung ist, und dass ihr aus diesem Grund nicht die Funktion einer aus sich selbst heraus verständlichen Tatsachenbehauptung zugewiesen werden kann, soweit Schlagzeilen nicht als blickfangmäßige Verkaufshilfe eingesetzt werden. Und wo Zeitungen oder Zeitungen zwischen den eigentlichen redaktionellen Text und die Schlagzeile oder Artikelüberschrift noch eine besonders hervorgehobene kurze Zusammenfassung setzen, darf die Schlagzeile keinesfalls ohne Berücksichtigung dieses ihr unmittelbar nachgeordneten Texts gewertet werden.2 So hat etwa das Landgericht Köln3 der Schlagzeile „Tod eines Pianisten“ im Zusammenwirken mit dem Untertitel „… über das Nazi-Opfer … und den Schreibtischtäter …“ mit Recht nicht die Behauptung entnommen, der als „Schreibtischtäter“ Bezeichnete sei für den Tod des „Nazi-Opfers“ direkt und persönlich verantwortlich. Häufig überwiegt bei Schlagzeilen und kurzen einführenden Inhaltswiedergaben ohnehin das wertende Element, indem sie die Tendenz des folgenden Beitrags vorwegnehmen.4 Bei derartigen Darstellungen handelt es sich nicht um die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen, sondern um die Äußerung einer redaktionellen Meinung, die in aller Regel durch die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt ist.5 Mit Recht wurde daher auch einer Schlagzeile wie „Sittenstrolch vom Zug überrollt“6 keine selbständig zu wertende Tatsachenbehauptung entnommen.
43a
b) Verdeckte Behauptungen Eindrücke, die nicht dem wahren Sachverhalt entsprechen, können in der Wortberichterstattung auch dadurch hervorgerufen werden, dass Sachverhalte in mehreren Einzelteilen geschildert werden, die bei isolierter Betrachtung als solche jeweils zutreffen, die jedoch in ihrer Kombination ein falsches Bild und damit eben einen falschen Eindruck vermitteln; die falsche Tatsachenbehauptung steht in diesen Fällen zwischen den Zeilen. Die Bewältigung dieses Problems bereitet in der Praxis sowohl den Redaktionen als auch den Betroffenen große Schwierigkeiten. Generell lässt sich feststellen, dass die Rechtsprechung der Äußerungsfreiheit in diesem Bereich in den letzten Jahren einen größeren Freiraum verschafft hatte, bevor der Stolpe-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts7 Anlass zu Überlegungen darüber gab, ob, wie bei der Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen, auch bei der Prüfung der Frage, ob eine verdeckte Behauptung vorliegt, im Hinblick auf die geforderte Sanktion unterschieden und im Bereich der Unterlassungsansprüche ein strikterer Maßstab angelegt werden muss als bei anderen Sanktionen. _______________
1 2 3 4 5 6 7
OLG Köln AfP 1976, 132. KG AfP 1999, 369 = NJW-RR 1999, 2547. LG Köln AfP 1988, 376. OLG Köln AfP 1976, 132. Vgl. auch LG Köln AfP 1988, 376. OLG Schleswig AfP 1975, 759. BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär.
373
44
§ 16 Tz. 44a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
44a
Im Prinzip erkennt die Rechtsprechung an, dass auch derartige Äußerungen zu einer Rechtsverletzung führen können. So hat der Bundesgerichtshof1 ausgesprochen, dass der Betroffene gegenüber verdeckten Behauptungen besonders schutzbedürftig sein kann, weil sie weniger greifbar sind, es also häufig an einer konkreten tatsächlichen Grundlage fehlen wird, gegen die er sich zur Wehr setzen kann. Die in einem Text nicht ausdrücklich enthaltene Aussage etwa, ein Wissenschaftler habe eine bestimmte Publikation im Bewusstsein ihrer objektiven Bedeutung für die Sterilisationsprogramme des NS-Regimes veröffentlicht, hat der Bundesgerichtshof2 der Verfremdung und Verfälschung einschlägiger Zitate entnommen und darin eine selbständig angreifbare – eben verdeckte – Behauptung gesehen. Um eine verdeckte Behauptung handelte es sich auch beim Abdruck des Porträts einer Frau im Zusammenhang mit der Zwischenüberschrift „Willy Brandt und der Sonderzug“ im Rahmen eines Berichts über sexuelle Beziehungen prominenter Politiker; dieser Art der Darstellung konnte der Leser nur die Schlussfolgerung entnehmen, die Abgebildete habe eine sexuelle Beziehung zu Willy Brandt unterhalten.3 Und der als solchen objektiv richtigen Darstellung, Funktionsträger der katholischen Kirche hätten auf die ihnen übermittelte Meldung, ein Priester habe eine Minderjährige geschwängert, binnen einer Zeitspanne von drei Wochen nicht reagiert, und während dieser Zeit habe die Schwangere eine Abtreibung vornehmen lassen, hat der Bundesgerichtshof4 mit Recht die verdeckte Behauptung entnommen, die Kirche sei in der Lage gewesen, die Abtreibung zu verhindern und gegen den Priester disziplinarisch vorzugehen. Hier musste der Leser zu der Überzeugung kommen, den kirchlichen Funktionsträgern seien gravierende Vorwürfe zu machen, während es in der Realität nicht einmal einen Anlass dafür gab, weil ihnen die Identität von Täter und Opfer nicht bekannt war. Dass das Bundesverfassungsgericht5 die in dieser Sache zunächst ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln6 aufgehoben hat, war nicht mit der Erwägung begründet, die Annahme einer verdeckten Behauptung verletze in diesem Fall das Grundrecht der Meinungsfreiheit desjenigen, der die Meldung verbreitet hatte, sondern mit der Auffassung des Gerichts, die konkrete Fassung des Verbotstenors verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.7
44b
Andererseits betont die Rechtsprechung8 aber mit Recht, dass bei der Annahme einer verdeckten Behauptung Zurückhaltung geboten ist, um die Spannungslage zwischen Ehrenschutz und Kritikfreiheit nicht einseitig zu _______________
1 BGH NJW 1980, 2807 = GRUR 1980, 1090 – Medizin-Syndikat I; dazu Wenzel/ Burkhardt, Kap. 12 Rz. 85. 2 BGH 1980, 2801 = GRUR 1980, 1105 – Medizin-Syndikat III. 3 OLG Köln NJW-RR 2000, 470. 4 BGH AfP 2006, 65 = NJW 2006, 601 = ZUM-RD 2006, 166 = WRP 2006, 363. 5 BVerfG NJW 2004, 1942 = ZUM 2004, 560. 6 OLG Köln NJW-RR 1998. 7 Dazu unten Tz. 44e. 8 BVerfG NJW 2004, 1942 = ZUM 2004, 560; BGH AfP 2004, 56 = NJW 2004, 598 = ZUM 2004, 212 = WRP 2004, 364 – Klink Monopoly; BGH NJW 1980, 2801 = GRUR 1980, 1105 – Medizin-Syndikat III; BGH AfP 1994, 295 = NJW-RR 1994, 1242 – verdeckte Behauptungen I; BGH AfP 1994, 299 = NJW-RR 1994, 1246 – verdeckte Behauptungen II; BGH OLG München AfP 2000, 174 = ZUM 1999, 331.
374
Verbreiterhaftung
Tz. 44c § 16
Lasten der letzteren zu verschieben. Erforderlich ist danach, dass der Kritiker sich an dem Gesagten oder Geschriebenen messen lassen muss und nicht notwendigerweise schon an dem, was ein Leser oder Richter aus dem realen Text zwischen den Zeilen herauszulesen meint.1 Eine verdeckte Behauptung liegt vielmehr nur in solchen Fällen vor, in denen der Autor durch das Zusammenfügen mehrerer offener und als solche richtiger Behauptungen eine zusätzliche Sachaussage macht, die er dem Leser oder Hörer nicht nur als Denkanstoß, sondern als fertige Schlussfolgerung nahelegt.2 So ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs3 etwa der im Rahmen einer persönlichen Auseinandersetzung zweier Politiker stehenden, als solcher unstreitig zutreffenden Darstellung, eine Bank habe einer bestimmten Person aus gegebenem Anlass sämtliche Kredite gesperrt und der klagende Betroffene sitze im Aufsichtsrat jener Bank, nicht der Eindruck zu entnehmen, der Betroffene habe mit der Sperrung der Kredite etwas zu tun gehabt. Nicht um verdeckte und damit nicht um rechtlich angreifbare Behauptungen handelt es sich danach, wenn die Zusammenfügung mehrerer als solcher wahrer Behauptungen dem Leser nicht mehr als die Möglichkeit nahe legt, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Die nach dieser Rechtsprechung maßgeblichen Kriterien entsprechen damit nun denjenigen für die Abgrenzung offener und geschlossener Fragen.4 Die damit verbundene Privilegierung einer möglicherweise irreführenden Zusammenfassung von als solchen richtigen Einzeltatsachen setzt aber voraus, dass die Berichterstattung über diese Einzeltatsachen vollständig ist. Ermöglicht hingegen die Mitteilung mehrerer wahrer Einzelbehauptungen eine bestimmte ehrverletzende Schlussfolgerung erst deswegen, weil der Verfasser eine für die Beurteilung maßgebliche Tatsache verschweigt und die Schlussfolgerung weniger nahe läge, hätte er auch die verschwiegene Tatsache mitgeteilt, dann haften die Medien für den dadurch hervorgerufenen falschen Anschein.5 Bei Veröffentlichungen im Internet steht es der Einordnung einer Aussage als verdeckte Behauptung nicht entgegen, dass der Leser die Möglichkeit hat, über den Aufruf eines Link eine für die Vermeidung des irreführenden Eindrucks maßgebliche Zusatzinformation zur Kenntnis zu nehmen.6 Das insoweit von der Rechtsprechung aufgestellte Postulat der Vollständigkeit der Darstellung schränkt damit das Gefährdungspotential für den Ruf des Betroffenen, das sich aus der dargestellten Rechtsprechung zu den verdeckten Behauptungen ohne Zweifel ergibt, in sachgerechter Weise wieder ein. _______________
1 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 92. 2 BGH NJW 1908, 2801 = GRUR 1980, 1105 – Medizin-Syndikat III; BGH AfP 1994, 295 = NJW-RR 1994, 1242 – verdeckte Behauptungen I; BGH AfP 1994, 299 = NJWRR 1994, 1246 – verdeckte Behauptungen II; BGH AfP 2004, 56 = NJW 2004, 598 = ZUM 2004, 212 = WRP 2004, 364 – Klink Monopoly; OLG München AfP 2000, 174 = ZUM 1999, 331; LG Düsseldorf AfP 2007, 58. 3 BGH AfP 1994, 295 = NJW-RR 1994, 1242 – verdeckte Behauptungen I. 4 Vgl dazu oben § 14 Tz. 19. 5 BGH AfP 2006, 65 = NJW 2006, 601 = ZUM-RD 2006, 166 = WRP 2006, 363; BGH AfP 2000, 88 = NJW 2000, 656 = WRP 2000, 177 = ZUM 2000, 318 – Verdacht am Bau; OLG Karlsruhe AfP 2006, 72; OLG München AfP 2001, 63. 6 KG AfP 2007, 369.
375
44c
§ 16 Tz. 44d
Recht der Darstellung – Einzelfragen
44d
Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht1 in einer Entscheidung aus dem Jahr 2004 noch ausdrücklich als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet. Ob sie im Lichte der später in Sachen Stolpe und Babycaust ergangenen Beschlüsse dieses Gerichts2 künftig unverändert auch praktiziert werden kann, wenn der Betroffene sich gegen eine aus seiner Sicht irreführende Darstellung lediglich mit Unterlassungsansprüchen zur Wehr setzt, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bisher nicht entschieden worden. Das Oberlandesgericht Köln3 hat diese Frage verneint und die Auffassung vertreten, für Unterlassungsansprüche müsse die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Differenzierung auf der Ebene der Sanktionen ebenso gelten wie in den sonstigen Anwendungsbereichen der Zweifels- oder Variantenlehre.4 Solange das Bundesverfassungsgericht an den Thesen der Stolpe- und Babycaust-Entscheidungen festhält, erscheint diese Auffassung konsequent. Da die rechtliche Behandlung verdeckter Behauptungen heute derjenigen der Abgrenzung verdeckter von offenen Fragen folgt und diese wiederum umstrittene Äußerungen in die Kategorien der Tatsachenbehauptung oder der Meinungsäußerung einordnet, ist ein überzeugender Grund dafür, bei der Ermittlung des Aussagegehalts verdeckter Behauptungen anders zu verfahren, nicht ersichtlich. Auch hier gilt daher der Grundsatz der meinungsfreundlichen Interpretation mehrdeutiger Äußerungen nicht mehr, soweit es um die rechtliche Beurteilung von Unterlassungsansprüchen geht, wohingegen er für alle anderen straf- und zivilrechtlichen Sanktionen von Medienäußerungen unverändert Geltung beansprucht.
44e
Schwierigkeiten in der rechtlichen Auseinandersetzung über die Zulässigkeit einer verdeckten Behauptung bereitet auch die Erfassung des konkreten Unrechtsgehalts und damit im Unterlassungsprozess des zu erlassenden Verbots. Grundsätzlich ist bei Rechtsverletzungen durch Medienäußerungen die konkrete Verletzungsform anzugreifen.5 Das führt bei verdeckten Behauptungen indes zu Schwierigkeiten, weil es hier ja um die Verbreitung von mehreren Äußerungen geht, die je für sich nicht unwahr sind und damit jedenfalls isoliert auch nicht verboten werden dürfen. Das Oberlandesgericht München6 hat daher die Auffassung vertreten, der Betroffene müsse in einschlägigen Auseinandersetzungen die Aussage, die er dem Text als verdeckte Behauptung entnimmt, offen formulieren und sie als solche zum Gegenstand insbesondere seines Unterlassungsantrags machen. Dies ist jedoch nicht zutreffend.7 Denn in den hier in Frage stehenden Fällen ergibt sich die Rechtswidrigkeit erst aus der konkreten Art der Kombination mehrerer Einzelaussagen, die bei isolierter Betrachtung jeweils für sich rechtmäßig sind. Führt diese Kombination zu einer unwahren verdeckten Behauptung, dann ergibt sich das eben aus dieser _______________
1 BVerfG NJW 2004, 1942 = ZUM 2004, 560. 2 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär; BVerfG AfP 2006, 349 = NJW 2006, 3769 = ZUM-RD 2007, 285 – Babycaust. 3 OLG Köln AfP 2006, 365 = NJW-RR 2007, 43 = ZUM-RD 2006, 438. 4 Dazu oben § 14 Tz. 12 ff. und 24 ff. 5 Unten § 30 Tz. 29. 6 OLG München NJW-RR 1996, 926. 7 So auch OLG München AfP 2000, 174 = ZUM 1999, 331.
376
Verbreiterhaftung
Tz. 46 § 16
konkreten Verletzungsform, die folglich auch bei verdeckten Behauptungen zum Gegenstand des gerichtlichen Verbots gemacht werden kann und muss; ihre erneute Verbreitung in dieser Form wäre eine neue Rechtsverletzung. Das Recht des Verletzers, jede der Einzelbehauptungen isoliert oder in anderer als der konkret angegriffenen Kombination weiter zu verbreiten, bleibt von einem solchen Verbot ohnehin unberührt. Dieser Auffassung hat sich im Ergebnis das Bundesverfassungsgericht1 angeschlossen, das in der über das unvermeidliche Maß hinaus gehenden Formulierung eines gerichtlichen Unterlassungsgebots eine Verletzung des Grundrechts der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG sieht und daher verlangt, dass der Tenor des Unterlassungsurteils bei verdeckten Behauptungen an die konkreten Äußerungen anknüpft, aus denen sich die Behauptung zusammen setzt.2 c) Illustration Dass durch die Verwendung und Kennzeichnung von Bildern Eindrücke vermittelt werden, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen und daher zu einer Verletzung der Rechte des Abgebildeten führen können, ist häufig zu beobachten. Diese Erfahrung findet ihren Niederschlag bereits in Richtlinie 2.2 zu den Publizistischen Grundsätzen (Pressekodex) des Deutschen Presserats,3 die das Problem wie folgt umschreiben:
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„Kann eine Illustration, insbesondere eine Fotografie, beim flüchtigen Lesen als dokumentarische Abbildung aufgefasst werden, obwohl es sich um ein Symbolfoto handelt, so ist eine entsprechende Klarstellung geboten. Daher sind – Ersatz- oder Behelfsillustrationen (gleiches Motiv bei anderer Gelegenheit, anderes Motiv bei gleicher Gelegenheit etc.), – symbolische Illustrationen (nachgestellte Szene, künstlich visualisierter Vorgang zum Text etc.) – Fotomontagen oder sonstige Veränderungen deutlich wahrnehmbar in Bildlegende bzw. Bezugstext als solche kenntlich zu machen.“
Schon diese Richtlinie zeigt, dass die Gestaltungsformen, deren sich die Medien zur optischen Illustration ihrer Beiträge bedienen, ebenso vielfältig sind wie die damit verbundenen Risiken. So wird man etwa der Abbildung eines identifizierbaren Betriebs einer chemischen Reinigung im Rahmen eines Berichts über die Umweltverseuchung mit Perchloräthylen die inzidente Aussage entnehmen, dieses nach heutiger Erkenntnis gefährliche Umweltgift werde im abgebildeten Betrieb noch eingesetzt. Die Einblendung des Etiketts einer bestimmten Mineralwassersorte in eine Fernsehreportage über die Nitratbelastung von Grund- und Mineralwasser wird beim Zuschauer die Assoziation hervorrufen, die abgebildete Sorte gehöre zu den belasteten Produkten.4 Die namentliche Nennung eines bestimmten Präparats im Rahmen _______________
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BVerfG NJW 2004, 1942 = ZUM 2004, 560. Vgl. hierzu auch unter § 30 Tz. 29 ff. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008, S. 148 ff. OLG Stuttgart AfP 1988, 147.
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§ 16 Tz. 47
Recht der Darstellung – Einzelfragen
eines kritischen Berichts über Ginseng-Produkte vermittelt dem Leser ebenfalls das Verständnis, es werde deswegen erwähnt, weil der Inhalt der im Text verbreiteten Kritik jedenfalls auch auf dieses Präparat zutrifft.1 Und der Veröffentlichung des aus unverfänglichem Anlass angefertigten Fotos einer jungen Frau neben Schilderungen sexueller Frühlingserlebnisse durch eine nicht mit Namen genannte angebliche Bekennerin muss der verständige Durchschnittsleser den Eindruck entnehmen, es handele sich um eine Schilderung der Abgebildeten, jedenfalls aber habe sie die Verwendung ihres Fotos zur Illustration eines derartigen Beitrags autorisiert.2 Der Wiedergabe des Lichtbilds eines durch Augenbalken nur unzureichend unkenntlich gemachten Strafhäftlings mit auffälliger Tätowierung im Rahmen eines Berichts über das Aids-Risiko Tätowierung wird man allerdings jedenfalls dann noch nicht die Behauptung entnehmen können, der Abgebildete sei tatsächlich an Aids erkrankt, wenn die Bildlegende ausdrücklich vom Aids-Risiko Tätowierung und nicht vom Aids-Opfer spricht.3 Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg4 stellt aber allein die durch die Verwendung des Lichtbilds im Rahmen des Aids-Beitrags hervorgerufene Assoziation zwischen der bloßen Möglichkeit einer Aids-Infektion und dem Abgebildeten eine Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. 47
Prinzipiell gehört jedoch auch die optische Illustration redaktioneller Beiträge, insbesondere durch geeignete Fotografien und deren textliche Kommentierung, zur legitimen und verfassungsrechtlich gewährleisteten Tätigkeit der Medien. Die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird, ist ebenso Ausfluss des Grundrechts der Pressefreiheit wie diejenige, welche Art von Person oder Objekt zum Gegenstand der Illustration gemacht werden soll.5 Bilder haben die Funktion, den Text zu veranschaulichen, und die Bildlegenden sind in aller Regel nur als eine Art Kurzfassung ohne eigenen sachlichen Aussagegehalt zu verstehen, die den Text pointieren, nicht aber ihn und seine Lektüre ersetzen.6 Schon das für die Ermittlung des Aussagehalts generell maßgebliche Gebot der Berücksichtigung des Kontexts7 verbietet die isolierte Berücksichtigung einer Bildlegende, sofern es sich bei dem Bild nicht um eine isolierte Abbildung handelt, die für sich selbst steht, sondern erkennbar um die Illustration des gedruckten Texts; dann bilden Bild, Bildlegende und redaktioneller Text insgesamt den Kontext, der bei der Ermittlung des Aussagegehalts auch der Bildlegende maßgeblich ist.
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Der Bildlegende „… kämpft mit allen Mitteln …“ darf daher nicht die Behauptung entnommen werden, der Betroffene kämpfe mit unlauteren oder gar rechtswidrigen Mitteln, wenn der das Bild umgebende Text dafür nichts her_______________
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BGH NJW 1966, 1857 – Tai Ginseng. OLG Hamburg AfP 1995, 508 = NJW-RR 1995, 220. OLG Hamburg AfP 1987, 703. OLG Hamburg 1987, 703. BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; vgl. dazu aber im Einzelnen die Darstellung unten § 21 Tz. 1 ff. 6 OLG Düsseldorf AfP 1995, 500. 7 Einzelheiten oben § 14 Tz. 15 ff.
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Verbreiterhaftung
Tz. 49 § 16
gibt.1 Das gilt auch dann, wenn in einem kritischen Beitrag über eine bestimmte Warenart ein bestimmtes zu ihr gehörendes Produkt zu Illustrationszwecken abgebildet wird, sofern nicht der Art der Präsentation oder sonstigen Umständen die Sachaussage zu entnehmen ist, eine bestimmte Behauptung beziehe sich gerade auf das abgebildete Produkt.2 In Einzelfällen kann aber gerade das Gebot der Berücksichtigung des Kontexts auch zum gegenteiligen Ergebnis führen. Das ist insbesondere dort der Fall, wo Bilder einschließlich ihrer Bildlegende für sich stehen und nicht der Illustration eines längeren gedruckten Texts dienen. Mit Recht hat daher das Oberlandesgericht München den Aussagegehalt der Bildlegende „doofer lederbehoster Bayer“ im Zusammenhang einer satirischen Bildfolge ohne weitere textliche Erläuterungen unmittelbar und ausschließlich auf den Abgebildeten bezogen.3 Die darauf beruhende Verurteilung des Verlags des stern zur Zahlung einer Geldentschädigung an den Betroffenen wegen der vom Oberlandesgericht angenommenen schwerwiegenden Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat allerdings das Bundesverfassungsgericht mit der zutreffenden Begründung aufgehoben, die Kernaussage der Bildfolge sei durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit noch gedeckt.4 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs5 gilt das Gebot der Berücksichtigung des Kontexts bei der Ermittlung des Aussagegehalts einer Lichtbildeinblendung insbesondere auch für den Bereich der Fernsehberichterstattung. Zwar kann auch in ihrem Rahmen jemand, der nicht namentlich genannt wird, der jedoch aus den Umständen des Beitrags jedenfalls für einen Teil der Adressaten identifizierbar ist, von der Sachaussage des Berichts unmittelbar betroffen sein.6 Doch darf das Bild in seiner Bedeutung für die Ermittlung des dadurch vermittelten Aussagegehalts auch hier nicht überinterpretiert werden. Es kann sich daher bei der optischen Erläuterung des gesprochenen Texts auch und gerade bei Fernsehberichterstattung um eine bloße Illustration ohne eigenen Aussagegehalt im Sinn einer Tatsachenbehauptung handeln. Die den Text erweiternde Sachaussage etwa, ein Unternehmen, dessen Marke oder Name im Bild im Zusammenhang mit der Schilderung eines Bestechungsskandals gezeigt wird, habe an den Bestechungshandlungen mitgewirkt, darf dem Beitrag nach den zur verdeckten Behauptung entwickelten Grundsätzen7 nur dann entnommen werden, wenn sich aus dem Zusammenwirken von Bild und Text die Teilnahme des betreffenden Unternehmens an den geschilderten Maßnahmen geradezu aufdrängt.
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Das gelegentlich verwendete Argument Betroffener, ein bestimmtes Foto sei nur aus Gründen der Illustration ausgewählt und verbreitet worden, hat für
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KG AfP 1999, 369 = NJW-RR 1999, 1547. BGH AfP 1987, 411 = NJW 1987, 2746 = GRUR 1987, 187 – Antiseptica. OLG München AfP 1999, 71. BVerfG AfP 2002, 417 = NJW 2002, 3767 = ZUM 2002, 920 – Bonnbons; dazu im Einzelnen unten § 20 Tz. 13 ff. 5 BGH AfP 1992, 140 = NJW 1992, 1312 = GRUR 1992, 201 – Bezirksleiter Straßenbauamt. 6 Dazu oben § 13 Tz. 27 ff. 7 Oben Tz. 44 ff.
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§ 16 Tz. 50
Recht der Darstellung – Einzelfragen
sich genommen keine rechtliche Substanz. Es ist vielmehr Ausdruck einer Verkennung der Tragweite des Grundrechts der Pressefreiheit. Es ist danach ausschließlich Sache der Redaktionen, ob und in welcher Weise sie Textbeiträge illustrieren und welchen Zweck sie damit im Einzelfall verfolgen wollen,1 sofern sie durch die Art der Bebilderung nicht besonders geschützte Rechte Dritter verletzen. Bereits die genannten Beispiele zeigen aber, dass auch in diesem Bereich ein Haftungsrisiko besteht, das seine Ursache häufig in mangelnder Koordination der Tätigkeiten von Text- und Bildredakteuren haben wird. 3. Zitieren 50
Besondere Probleme bereitet Redaktionen schließlich erfahrungsgemäß der Umgang mit Zitaten. Wörtliche Zitate sind eine bei den Medien beliebte und von ihnen vielfach praktizierte Methode insbesondere deswegen, weil sie dem Leser den Eindruck der Verbreitung von Informationen aus erster Hand und damit besonders authentischer Berichterstattung vermitteln. a) Wörtliche Zitate
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Die Zuordnung einer bestimmten Aussage zu einer bestimmten Person in der Form des – in der Regel wörtlichen – Zitats enthält ohne Ausnahme die jedenfalls inzidente Behauptung, der Zitierte habe sich so geäußert, wie er zitiert wird. Das gilt unabhängig vom Inhalt des Zitats,2 also insbesondere auch dann, wenn es sich bei der zitierten Aussage ihrerseits um Meinungsäußerung oder Kritik handelt. Stets vermittelt die Methode des Zitierens dem Leser die als Tatsachenbehauptung zu wertende Sachaussage, der Zitierte habe sich entsprechend geäußert. Das betrifft auch nicht nur den jeweiligen Satz oder häufig auch nur Satzteil, mit dem eine Person im Einzelfall wörtlich zitiert wird, betrifft vielmehr auch den Kontext, in den der zitierte Satz oder Satzteil durch die Medien gestellt wird. Nur ausnahmsweise werden Gerichte trotz formaler Fehlerhaftigkeit eines Zitats eine durch seine Verbreitung begangene Rechtsverletzung verneinen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Zitierte sich nicht wörtlich so geäußert hat, wie er zitiert wurde, der Inhalt des Zitats aber seinen ansonsten öffentlich geäußerten Auffassungen entspricht und er sich daher ohne eine Veränderung seiner Position in der Öffentlichkeit inhaltlich so geäußert haben könnte, wie er zitiert wurde.3
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Grundsätzlich stellt die Rechtsprechung an die Authentizität und Genauigkeit von Zitaten hohe Anforderungen. Sie sind nur zulässig, wenn sie dem Leser unter Einschluss des Kontexts ein zutreffendes Bild von der Aussage des
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1 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 2 Zur Frage der Haftung für den Inhalt verbreiteter Zitate und Interviews vgl. oben Tz. 30 ff. 3 BVerfGE AfP 1980, 149 = NJW 1980, 2070 – Eppler.
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Verbreiterhaftung
Tz. 53 § 16
Zitierten zeichnen.1 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schließt insbesondere das Recht des Individuums ein, durch Art und Inhalt seiner Aussagen seinen eigenen sozialen Geltungsanspruch zu definieren.2 Daher ist auch die fehlerhafte Übersetzung eines fremdsprachlichen Texts im Ergebnis einem Falschzitat gleichzusetzen, wenn sich dadurch die Sachaussage des Zitierten verändert.3 Dieses Recht wird allerdings noch nicht verletzt, wenn etwa politische Schreiben oder Reden ohne Verfälschung ihres Inhalts nur auszugsweise zitiert werden, insbesondere mit Wendungen, die sich für die Würdigung als besonders kennzeichnend herausheben und deren Mitteilung zur sachgemäßen Information der Leser oder Hörer über das Wesentliche einer Äußerung als ausreichend angesehen werden kann.4 Unzulässig ist es aber stets, einer Person Äußerungen unterzuschieben, die sie nicht, nicht so oder nicht in dem Zusammenhang getan hat, in dem sie sich veröffentlicht wiederfinden.5 Das gilt natürlich in erster Linie bei dem vielfach großzügig gehandhabten wörtlichen Zitat, durch dessen Verfälschung der Zitierte zugleich zum Zeugen gegen sich selbst6 gemacht wird. Den Eindruck, jemand habe sich in einem bestimmten Sinn geäußert, können die Medien aber auch durch Zitate in indirekter Rede erwecken.7 Dass durch ein falsch wiedergegebenes oder aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat beim Durchschnittsleser zwingend ein falscher Eindruck entsteht, ist nicht erforderlich. Die Möglichkeit, dass dem Leser durch die Art des Zitats ein falscher Eindruck über die ursprüngliche Aussage des Zitierten vermittelt wird, reicht bereits aus.8 Diese Grundsätze gelten auch für die redaktionelle Bearbeitung von Leserbriefen. Die Veröffentlichung eines Briefs an einen Verlag, der nicht als Leserbrief bestimmt war, suggeriert dem Leser ebenso den falschen Eindruck, der Verfasser habe sich tatsächlich gegenüber der Leserschaft – und nicht nur gegenüber dem Verlag – Gehör verschaffen wollen,9 wie auch die sinnentstellende Kürzung eines Leserbriefs den Leser über dessen tatsächlichen Inhalt täuscht. Der Bundesgerichtshof10 hat daher etwa in der auszugsweisen Veröffentlichung eines Anwaltsschreibens, mit dem hinsichtlich einer früheren Veröffentlichung Berichtigungsansprüche geltend gemacht wurden, mit Recht _______________
1 BVerfGE AfP 1973, 435 = NJW 1973, 1221 – Soraya; BVerfG AfP 1980, 149 = NJW 1980, 2070 – Eppler; BVerfGE AfP 1980, 151 = NJW 1980, 2072 – Böll/Walden; BVerfG AfP 1993, 563 = NJW 1993, 2925; BGH NJW 1978, 1797 = AfP 1978, 136 – Böll/Walden I; OLG Celle AfP 2002, 506. 2 BVerfG AfP 1980, 149 = NJW 1980, 2070 – Eppler. 3 BGH AfP 1998, 218 = NJW 1998, 1391 = GRUR 1998, 504 = ZUM 1998, 569 = WRP 1998, 509 – Klartext. 4 BGH NJW 1960, 476 = GRUR 1960, 449 – Alte Herren. 5 BVerfG AfP 1989, 532 = NJW 1989, 1789 – Rasterfahndung; BVerfG AfP 1993, 563 = NJW 1993, 2925; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. 6 LG Köln AfP 2008, 230. 7 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2005, 54; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 91. 8 OLG München AfP 1981, 297. 9 KG NJW 1995, 3392 – Botho Strauß; a.A. noch die Vorinstanz: LG Berlin NJW 1995, 881. 10 BGH NJW 1954, 1404 – Leserbrief.
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§ 16 Tz. 54
Recht der Darstellung – Einzelfragen
eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verfassers gesehen, die ihrerseits zu einem Berichtigungsanspruch führte. b) Interviews 54
Dieselben Regeln gelten für Interviews als Sonderform des Zitats. Auch bei der Veröffentlichung von Interviews vermitteln die Medien dem Leser stets den Eindruck, das Gespräch mit dem Interviewpartner sei wörtlich und inhaltlich so geführt worden, wie es gedruckt oder, im Fall von Hörfunk und Fernsehen, gesendet wiedergegeben wird. Damit stellt das erfundene Interview in gleicher Weise eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des vermeintlichen Interviewpartners dar wie das ge- oder verfälschte Zitat.1 Nichts Anderes gilt für die Wiedergabe von Interviews, die zwar nicht erfunden, aber sinnentstellend verändert oder gekürzt sind. Auch durch sie wird namentlich das Recht des Interviewpartners verletzt, selbst zu bestimmen, ob und wie er sich gegenüber einer breiten Öffentlichkeit zu bestimmten Fragen äußern will. Durch die Vereinbarung einer Autorisierung des ausgeschriebenen Texts durch den Interviewpartner2 schützen daher die Medien nicht zuletzt sich selbst gegen das Risiko nachträglicher Auseinandersetzungen über den Wortlaut des gesprochenen Interviews.
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1 BGH NJW 1965, 685 – Soraya; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; OLG München AfP 2001, 69 = NJW-RR 2001, 42 = ZUM-RD 2001, 484. 2 Oben § 7 Tz. 71.
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§ 17 Identifizierung Betroffener Medien haben, vor allem im Rahmen der Berichterstattung über brisante Themen, das Bestreben, Ross und Reiter und damit im Allgemeinen den Namen des- oder derjenigen zu nennen, über die sie berichten. Das geschieht zum Teil in der Überzeugung, dass die Öffentlichkeit ein legitimes Interesse nicht nur an bestimmten Fakten und Vorgängen, sondern auch an denjenigen hat, die in sie verwickelt oder an ihnen beteiligt sind, zum Teil aber auch aus der Erwägung heraus, dass nur die unter voller Namensnennung veröffentlichte Darstellung Anspruch auf Glaubwürdigkeit hat, und schließlich in vielen Fällen auch ohne nähere Reflexion darüber, ob und unter welchen Umständen das Recht zur Veröffentlichung von Fakten das Recht einschließt, auch die Namen der Betroffenen bekanntzugeben. Insoweit besteht ein ständiger Konflikt zwischen dem Interesse der Medien an möglichst vollständiger Aufklärung der Öffentlichkeit unter Aufdeckung der Identität Betroffener und dem Interesse des Individuums, nicht durch die Medien an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden. Dabei handelt es sich um eine der bedeutsamsten Konkretisierungen des aus Art. 5 Abs. 1 GG einerseits und Art. 1 und 2 GG andererseits resultierenden grundsätzlichen Konflikts zwischen dem jeweils verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht der Medien auf ungehinderte Berichterstattung und des Einzelnen auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.1
1
1. Arten der Identifizierung Die nächstliegende und gebräuchlichste Methode der Identifizierung Betroffener durch die Medien ist die Nennung ihres Namens und, sofern für das Verständnis der Zusammenhänge erforderlich und nicht aus den sonstigen Umständen ersichtlich, ihres Wohn- oder Tätigkeitsorts. Es ist aber bereits in anderem Zusammenhang2 darauf hingewiesen worden, dass von Berichterstattung Betroffene auch mit anderen Mitteln erkennbar gemacht werden können wie etwa der Veröffentlichung eines Bilds, der Schilderung der beruflichen Position des Betroffenen oder der Darstellung konkreter Ereignisse, die die Öffentlichkeit unschwer bestimmten Personen zuordnet.
2
Für die rechtliche Beurteilung der Frage, ob und unter welchen Umständen die Identifizierung Betroffener durch die Medien zulässig ist, ist die Art der Identifizierung prinzipiell unerheblich. Handelt es sich bei der Frage nach der Zulässigkeit der Identifizierung Betroffener um den erwähnten Konflikt zwischen dem Grundrecht auf freie Berichterstattung und demjenigen auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, dann kann es für die Bestimmung der Position des betroffenen Individuums im Einzelfall keinen Unterschied ausmachen, ob es für die Leser, Hörer oder Zuschauer durch die ausdrückliche Nennung seines Namens oder auf sonstige Weise erkennbar gemacht wird. Wäre die
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1 Dazu Soehring, GRUR 1986, 518 ff. 2 Vgl. im Einzelnen oben § 13 Tz. 34 ff.
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§ 17 Tz. 4
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Nennung des Namens unter den konkreten Umständen des Einzelfalls unzulässig, dann sind die Medien zur Vermeidung von Haftungsrisiken gehalten, bei der Darstellung der Zusammenhänge alles zu vermeiden, was zu einer Identifizierung des Betroffenen auf sonstige Weise führen könnte. Umgekehrt wird derjenige, der aufgrund seiner überragenden Bekanntheit in einer bestimmten Region im Rahmen einer Berichterstattung über ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren ohnehin erkennbar und verpflichtet ist, dies hinzunehmen, nicht dadurch in seinen Rechten verletzt, dass sein Name ausdrücklich genannt wird.1 2. Zulässigkeit der Identifizierung 4
Bei der Nennung des Namens Betroffener oder ihrer sonstigen Identifizierung im Rahmen von Medienberichterstattung handelt es sich nicht um einen Eingriff in ihr Namensrecht gemäß § 12 BGB. Durch diese Bestimmung wird nicht das Interesse des Individuums geschützt, nicht mit seinen Belangen vor die Öffentlichkeit gebracht zu werden, sondern das Interesse von Personen und Institutionen an der eigenen Identität. Der Namensträger hat gemäß § 12 BGB Anspruch darauf, dass seine Identität respektiert und dass er durch unbefugten Gebrauch seines Namens nicht mit Anderen verwechselt wird.2 Liegt ein solcher Eingriff in das Namensrecht vor, so kommt es nicht auf die Frage an, ob durch die Herstellung einer Assoziation zwischen dem Betroffenen und dem Sachzusammenhang, in dem sein Name unrechtmäßig verwendet wird, in andere Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Die Rechtsverletzung ergibt sich dann schon aus der Verwendung des Namens als solchen; sie hat allerdings keine medienrechtliche Dimension, ist vielmehr nach den allgemeinen Regeln des Zivil- und gegebenenfalls Handelsrechts zu beurteilen. Gleiches gilt für die Verwendung der Firma des Kaufmanns3 oder von Marken oder sonstigen geschützten Unternehmenskennzeichen im Sinn von § 5 MarkenG zur Kennzeichnung der durch sie geschützten Waren, Dienstleistungen oder Unternehmen.
4a
Soweit aber Berichterstattung diese Kennzeichen zur Identifizierung von Individuen, Unternehmen oder auch Produkten oder Dienstleistungen einsetzt, handelt sie außerhalb des Schutzbereichs des Namens-, Firmen- und Markenrechts.4 Versuche einzelner Unternehmen, sich unter Berufung auf ihre Rechte an ihrer eingetragenen Firma5 oder Marke6 dagegen zu wehren, dass Medien ihren Namen, ihre Marken oder ihre sonstigen geschützten Geschäftsbezeichnungen in Berichterstattung offenbaren, die sich mit ihnen, ihren Erzeug_______________
1 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; OLG Oldenburg AfP 1988, 138. 2 Vgl. Palandt/Ellenberger, § 12 BGB Rz. 22 ff.; Wasserburg, S. 81 ff. m.N. 3 Bei der Firma handelt es sich um den Namen, unter dem ein Kaufmann seine Geschäfte betreibt, § 17 Abs. 1 HGB. 4 Vgl. nur Ingerl/Rohnke, § 14 MarkenG Rz. 157. 5 BGH GRUR 1965, 547 – Carl Zeiss. 6 RGZ 117, 408 – Lysol; KG AfP 1997, 921; OLG Frankfurt/Main AfP 2000, 189 = GRUR 2000, 1066 = ZUM-RD 2000, 166 – Abkürzung ACC; vgl. aber zur Markenparodie unten § 20 Tz. 17 ff.
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Identifizierung Betroffener
Tz. 7 § 17
nissen oder Dienstleistungen befassen, sind daher mit Recht zurückgewiesen worden. Für die Medienberichterstattung hat daher das Namensrecht des § 12 BGB sowie das handelsrechtliche Firmen- und das Markenrecht in aller Regel keine praktische Bedeutung. Entsteht in ihrem Rahmen Streit über die Zulässigkeit einer Namensnennung oder die Identifizierung eines Beteiligten durch eines der anderen genannten Kennzeichen, so handelt es sich nicht um eine Verletzung der Rechte an diesen Kennzeichen, sondern um einen möglichen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, das auch das Recht auf gewählte Anonymität einschließt,1 oder unter Umständen in das Recht am Unternehmen2 der Betroffenen. Für den Bereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat das Kammergericht3 in diesem Zusammenhang den folgenden Leitsatz aufgestellt:
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„Die Nennung und Darstellung einer Person in einer Druckschrift und die damit erfolgte Mitteilung von Umständen über die Person an die Öffentlichkeit ist ohne Einwilligung grundsätzlich eine widerrechtliche Verletzung des nach Art. 1, 2 GG geschützten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.“
Dem kann in der daraus ersichtlichen Absolutheit jedoch ebenso wenig zugestimmt werden wie der im Schrifttum vereinzelt vertretenen gegenteiligen Auffassung, die öffentliche Erwähnung einer Person oder die öffentliche Aussage über sie sei grundsätzlich gestattet.4 Die Auffassung, die Aufdeckung der Anonymität ohne die Einwilligung des Betroffenen stelle grundsätzlich eine widerrechtliche Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, lässt außer Acht, dass es sich beim Allgemeinen Persönlichkeitsrecht um einen offenen Tatbestand handelt, dessen Auslegung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts5 zwingend eine an den Umständen des Einzelfalls orientierte Abwägung der widerstreitenden Interessen der Medien einerseits und des Betroffenen andererseits erfordert. Ginge man mit dem Kammergericht trotz dieser Interdependenz zwischen dem Recht des Einzelnen auf gewählte Anonymität und dem Grundrecht der Pressefreiheit von der prinzipiellen Unzulässigkeit der Namensnennung oder der sonstigen Aufdeckung der Anonymität aus, so würde dies die Berichterstattungsfreiheit der Medien in einer mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Weise beschränken.
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Das Problem der Namensnennung lässt sich daher, wie jede Streitfrage im Geltungsbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, richtiger Ansicht nach nur im Wege der Güterabwägung6 lösen. Das erkennt auch die Recht-
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1 Dazu unten § 19 Tz. 2 ff. 2 Dazu unten § 22 Tz. 49 ff. 3 KG AfP 1988, 137 Leitsatz 2; a.A. BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; OLG Celle AfP 1989, 575. 4 Wasserburg, S. 84. 5 BVerfG NJW 1958, 257 – Lüth; BVerfG NJW 1966, 1603 – Spiegel-Urteil; BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto; BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach; BVerfG AfP 1980, 151 = NJW 1980, 2072 – Böll/Walden; oben § 12 Tz. 50 ff.; unten § 19 Tz. 2 ff. 6 BGH AfP 1980, 154 = NJW 1980, 1790 = GRUR 1980, 813 – Familienname.
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§ 17 Tz. 7a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
sprechung des Bundesgerichtshofs1 an, die den Medien allerdings bei der Prüfung der Frage, ob dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht auch ohne Namensnennung genügt werden kann, eine besondere Sorgfalt abverlangt. Prinzipiell ist damit aber nicht von der Unzulässigkeit der Namensnennung oder sonstigen Identifizierung des Betroffenen, sondern davon auszugehen, dass es auf die Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Frage ankommt, ob ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht nur an dem berichteten Vorgang, sondern auch an der Identität der daran beteiligten Personen besteht. 7a
Diese Umstände können es sogar mit sich bringen, dass die Nennung des Namens des Betroffenen nicht nur nicht unzulässig, sondern dass sie sogar geboten ist. Das hat das Oberlandesgericht Düsseldorf2 im Fall der Berichterstattung über einen Verdacht krimineller Aktivitäten auf dem Gebiet der Kapitalanlage und der Verwicklung eines in diesem Metier bekanntermaßen aktiven Anlegerschützers in den betreffenden Vorgang mit der zutreffenden Erwägung angenommen, dass der Kreis der Beteiligten nach Kenntnis der interessierten Öffentlichkeit so klein war, dass nur die Identifizierung des tatsächlich Betroffenen andere in Betracht kommende Beteiligte gegen den ungerechtfertigten Verdacht schützen konnte, sie seien es, die in den Skandal verwickelt waren.3
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Zur Frage, ob im Einzelfall die Nennung des Namens oder die sonstige Aufdeckung der Identität des Betroffenen zulässig oder ob sie als Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unzulässig ist, liegt eine reichhaltige Kasuistik vor. So schützt die Rechtsprechung durch das Verbot der Namensnennung etwa das durch das aus Art. 4 GG abzuleitende Prinzip der negativen Bekenntnisfreiheit geschützte Interesse des Individuums, die Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften oder Sekten nicht zum Gegenstand öffentlicher Erörterungen werden zu lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Vater eines Betroffenen sich mit seiner Sorge über die mit der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft verbundene Veränderung der Persönlichkeitsstruktur seines Sohns selbst an die Medien wendet und die Berichterstattung unter Namensnennung wünscht und autorisiert.4
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Im Fall der in besonderem Maß im Licht des öffentlichen Interesses stehenden Scientology Church ist die Rechtsprechung zu diesem Komplex aber uneinheitlich. Teilweise gewährt sie dem Mitglied dieser Organisation den prinzipiellen Schutz der Anonymität durch das Verbot der Identifizierung.5 Mit Recht wurde die Nennung des Namens von Rechtsanwälten im Zusammenhang mit der Scientology-Bewegung untersagt, die einen Scientologen vertreten, selbst aber zu der Organisation keine persönlichen Beziehungen _______________
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BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung. OLG Düsseldorf AfP 1995, 500. Vgl. dazu aber unten Tz. 12a. OLG München NJW 1986, 1260 – Opus Dei; BVerfG NJW 1990, 1980 – Opus Dei; OLG Celle NJW-RR 1999, 1477; vgl. zum in der Öffentlichkeit ausgetragenen Konflikt unter Familienangehörigen aber andererseits BVerfG AfP 1998, 386 = NJW 1998, 2889 = ZUM 1998, 561; unten § 19 Tz. 19a. 5 OLG Stuttgart AfP 1993, 739.
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Identifizierung Betroffener
Tz. 9a § 17
hatten.1 Überwiegend erkennt die Rechtsprechung2 jedoch das überragende Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über die Aktivitäten der Scientologen an und misst sie ihm mehr Gewicht bei als dem Anonymitätsinteresse und der negativen Bekenntnisfreiheit des einzelnen Mitglieds. Das gilt sogar in einem Fall, in dem sich der Betroffene von der Bewegung losgelöst hat, aber weiterhin Elemente der Lehre des Sektengründers vertritt,3 wohingegen es unzulässig war, einen prominenten Künstler, der sich vorübergehend mit dieser Sekte beschäftigt und einige der von ihr veranstalteten Kurse besucht hatte, nach mehr als zwanzig Jahren noch mit der Scientology-Bewegung in Verbindung zu bringen.4 Eine Überspannung des Anonymitätsinteresses der Betroffenen war es jedoch, dass das Kammergericht mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts5 sogar die Nennung der Namen von Scientology-Mitgliedern in der Publikumspresse als unzulässig angesehen hat, die der Organisation namhafte Beträge als Spenden zugewendet hatten und zuvor in Verbandspublikationen als Spender offen ausgewiesen waren. Wo die Namensnennung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen steht, ist wiederum abzuwägen. Ist mit ihr keine sonstige Beeinträchtigung der Rechte des Betroffenen verbunden, so wird sie zulässig sein. Das gilt etwa für die Nennung der Namen von Rechtsanwälten im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Prozesse von allgemeinem Interesse, an denen sie beteiligt sind,6 für die Bekanntgabe des Namens eines Notarztes einschließlich seiner Einteilung zum Notfalldienst, selbst wenn die Veröffentlichung solcher Daten in der einschlägigen Notfalldienstordnung nicht vorgesehen ist,7 oder auch für die Aufnahme des Namens eines praktizierenden Arztes unter Angabe seines Fachgebiets in ein einschlägiges Verzeichnis.8 Auch die Veröffentlichung des Namens und der dienstlichen Kontaktdaten eines Beamten, der mit Außenkontakten betraut ist, auf der Website der ihn beschäftigenden Behörde ist mangels damit verbundener Persönlichkeitsrechtsverletzung zulässig.9
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Demgegenüber ist im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Einleitung oder Durchführung von Ermittlungsverfahren in der beruflichen Sphäre des Betroffenen bei der Namensnennung größte Zurückhaltung geboten. Wegen der akuten Gefahr, dass der Betroffene das Vertrauen seiner Klientel und damit die Basis seiner beruflichen Tätigkeit verliert, wird sie im Regelfall unzulässig sein,10 sofern nicht im Einzelfall die Voraussetzungen
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1 LG Berlin AfP 1997, 938 = NJW-RR 1997, 1245. 2 OLG München AfP 1993, 762; OLG Köln AfP 1993, 759; LG Baden-Baden, AfP 1994, 59. 3 OLG München AfP 1993, 769. 4 BVerfG AfP 1999, 57 = NJW 1999, 1322 = ZUM 1999, 236 – Helnwein. 5 BVerfG AfP 1998, 50 = NJW 1997, 2669. 6 OLG Hamm NJW-RR 2008, 640 = ZUM-RD 2008, 356 = MMR 2008, 1128; KG MMR 2009, 478. 7 BGH AfP 1991, 416 = NJW 1991, 1532 = GRUR 1991, 629 – Notfalldienst. 8 OLG Nürnberg NJW 1993, 796. 9 OVG Koblenz MMR 2008, 635. 10 BGH AfP 1994, 142 = NJW 1994, 1950 – Amtspflichtverletzung; OLG Hamburg NJW-RR 1994, 1176.
387
§ 17 Tz. 9b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
zulässiger Verdachtsberichterstattung1 vorliegen. Zurückhaltung ist auch bei der namentlichen Nennung von Straftätern und Personen geboten, gegen die strafrechtliche Ermittlungsverfahren ohne sachliche Berührung zu ihrem beruflichen Wirkungsfeld eingeleitet worden sind. Auch bei ihnen ist jedoch die Namensnennung nicht schlechthin unzulässig2; zulässig ist sie insbesondere, wenn sich eine Ermittlungsbehörde bei bereits bestehendem dringenden Tatverdacht von der Veröffentlichung Hinweise aus der Bevölkerung verspricht.3 Auch die gezielte Verbreitung eines nach den Bestimmungen des HGB im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlusses an Banken und Seminarteilnehmer unter Nennung des Namens des betroffenen Unternehmens kann als Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht unzulässig sein.4 9b
Mit der Veröffentlichung einer Liste der Namen mehrerer tausend ehemaliger inoffizieller Stasi-Mitarbeiter war nach Auffassung des Bundesgerichtshofs5 eine persönlichkeitsrechtsverletzende Prangerwirkung jedenfalls zu Lasten derjenigen Betroffenen verbunden, die in das Informationssystem der Stasi zwar als Mitläufer eingebunden waren, die aber weder dort eine exponierte Stellung noch in der Zeit nach der Vereinigung Deutschlands eine herausgehobene Position im öffentlichen Leben bekleideten. Das Bundesverfassungsgericht6 hat die gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde zwar im Ergebnis verworfen, in den Gründen seines dazu ergangenen Beschlusses aber ausgesprochen, dass die Veröffentlichung jener Liste vormaliger Stasi-Mitarbeiter prinzipiell durch die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt und dass auch das Auslegen der Liste mit Namen und Adresse meinungsäußerungsrechtlich geschützt war. Auch hat es in diesem Beschluss betont, dass bei der Abwägung mit den Persönlichkeitsrechten einzelner von der Veröffentlichung der Liste Betroffener der historische Stellenwert des Stasi-Themas besonders zu berücksichtigen war und dass diese durch die Auslegung der Liste nicht im Kernbereich ihres Persönlichkeitsrechts getroffen wurden; dass das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs dennoch im Ergebnis nicht beanstandet hat, lag daher in einer nicht verallgemeinerungsfähigen Besonderheit des individuellen Falls. Die Veröffentlichung jedenfalls einer entsprechenden Liste der ranghöchsten hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter ist unter Berücksichtigung dieser Entscheidung daher auch heute noch als zulässig anzusehen. Eine hierzu ergangene frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts7 kommt nur scheinbar zu einem anderen Ergebnis; denn sie beruht nicht auf der Erwägung, dass die Nennung der Namen der Angehörigen dieser Kategorie unzulässig war, sondern auf der Tatsache, dass jedenfalls der Kläger des Ausgangsverfahrens nicht zu dem von der Liste erfassten Kreis gehörte und dennoch in der Liste genannt wurde. Und zulässig ist auch die Nennung des Namens eines _______________
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Oben § 16 Tz. 23 ff. Dazu unten § 19 Tz. 24 ff. OLG Celle NJW 2004, 1461. BGH AfP 1994, 138 NJW 1994, 1281 = WRP 1994, 306; BVerfG ZIP 1994, 972 – Bilanzanalyse. 5 BGH AfP 1994, 306 = GRUR 1994, 913 – Stasi-Liste. 6 BVerfG AfP 2000, 445 = NJW 2000, 2413 = ZUM-RD 2000, 267. 7 BVerfG AfP 1999, 159 = NJW 1999, 3326 = ZUM-RD 1999, 174.
388
Identifizierung Betroffener
Tz. 11 § 17
ehemaligen Offiziers der DDR-Grenztruppen, der heute bei der Bundespolizei tätig ist und sich selbst öffentlich zum Dienst an der Berliner Grenze geäußert hat1 oder aber auch die Veröffentlichung von Namen und Foto eines ehemaligen Stasi-Mitarbeiters auf einer Internetseite über die Aktivitäten der Stasi in einer bestimmten Region.2 Prinzipiell sind in die erforderliche Abwägung dieselben Kriterien einzubeziehen, die die Rechtsprechung im Rahmen der §§ 22, 23 KUG für die Bestimmung der Grenzen des Rechts am eigenen Bild entwickelt hat.3 Allerdings geht das Kunsturhebergesetz für den Bereich des Rechts am eigenen Bild vom Grundsatz der Unzulässigkeit der Bildveröffentlichung aus; die Bestimmung des § 23 KUG enthält lediglich die Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen die Veröffentlichung von Bildnissen zulässig ist. Demgegenüber fehlt für den Bereich der Namensnennung eine gesetzgeberische Grundentscheidung für die Unzulässigkeit, so dass sich hier das Regel-Ausnahmeverhältnis umkehren muss.4 Prinzipiell ist daher die Namensnennung zulässig, da eine spezielle Norm, die sie im Grundsatz verbietet, nicht vorhanden ist und insbesondere § 12 BGB nicht die Funktion hat, die § 22 KUG im Rahmen des Rechts am eigenen Bild zukommt.5 Die Namensnennung wird jedoch unzulässig, wenn sich keine Anhaltspunkte für ein legitimes Informationsinteresse oder wenn sich in der Abwägung überwiegende Anonymitätsinteressen des Betroffenen ergeben.
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In den besonders problematischen Fällen der Berichterstattung über Persönlichkeiten im Blickpunkt der Öffentlichkeit6 und die sie betreffenden Vorgänge ist daher insbesondere zu erwägen, ob ein für den Zeitpunkt des betreffenden Ereignisses zu bejahendes Interesse der Öffentlichkeit an der Identität der beteiligten Personen auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch besteht. Das wird bei länger zurück liegenden Ereignissen und insbesondere auch bei der Berichterstattung über frühere strafrechtliche Verurteilungen in der Regel nicht mehr der Fall sein.7 Handelt es sich hingegen um aktuelle Vorgänge und besteht an ihnen und den betroffenen Personen ein berechtigtes aktuelles Informationsinteresse, so ist die Identifizierung des Betroffenen zulässig.8 Zulässig war etwa die namentliche Erwähnung einer in der Lokalpolitik aktiven vormaligen Sachbearbeiterin eines Straßenbauamts im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren wegen vermuteter Korruption9 oder diejenige des vormaligen Leiters der Schleswig-Holsteinischen Datenzentrale im Zuge einer die Öffentlichkeit berührenden Auseinandersetzung über Wirksamkeit und Hintergründe seiner plötzlichen Entlassung.10 Zulässig
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1 KG AfP 2003, 243. 2 LG München I v. 15.4.2009 – 9 O 1277/09, unveröffentlicht. 3 OLG Celle AfP 1989, 575; Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 51 ff.; dazu Einzelheiten unten § 21 Tz. 3 ff. 4 Vgl. G. Müller, VersR 2008, 1141 ff. unter B III 3. 5 Oben Tz. 4. 6 Dazu unten § 21 Tz. 5 ff. 7 Vgl. hierzu BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I; unten § 19 Tz. 27 ff. 8 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung. 9 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung. 10 BGH AfP 1979, 307 = NJW 1979, 1041 = GRUR 1979, 421 – Exdirektor.
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§ 17 Tz. 12
Recht der Darstellung – Einzelfragen
ist auch die namentliche Erwähnung eines Beamten in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit einem Komplex, zu dem er vor einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss als Zeuge ausgesagt hat.1 Einen besonderen Stellenwert gewinnt in der erforderlichen Güterabwägung andererseits der Schutz der Privatsphäre Minderjähriger, so dass die Nennung des Vornamens des Sohns der Schauspielerin Anke Engelke aus Anlass der Hochzeit seiner Mutter als unzulässig angesehen wurde.2 3. Gleichnamigkeit 12
Auch wo nach diesen Grundsätzen die Namensnennung zulässig ist, können sich Berichterstattungsrisiken insbesondere aus dem Problem der Gleichnamigkeit ergeben. Nach traditionellen äußerungsrechtlichen Grundsätzen musste sich derjenige, der eine bestimmte Tatsachenbehauptung verbreitete, deren Sachaussage mehrdeutig war, jede nicht ganz fernliegende Bedeutung dieser Aussage zurechnen lassen, konnte er sich insbesondere nicht damit entlasten, dass er eine bestimmte mögliche Bedeutung seiner Aussage nicht gemeint habe. Diese These lässt sich aber unter Berücksichtigung der von der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs begründeten Zweifels- oder Variantenlehre jedenfalls nicht mehr vorbehaltlos aufrechterhalten, wonach bei der Ermittlung des Aussagegehalts einer Äußerung unter mehreren möglichen Deutungen derjenigen der Vorzug zu geben ist, die den Betroffenen weniger belastet und nicht zu einer Verurteilung der Medien führt,3 soweit nicht die Unterlassung der künftigen Verbreitung von Äußerungen verlangt wird, die sich als mehrdeutig erweisen haben.4 Übertragen auf das Problem der Namensnennung bedeutet dies, dass nach der herkömmlichen Auffassung in den Fällen von Gleichnamigkeit Mehrerer, auf die sich eine bestimmte Sachaussage beziehen konnte, derjenige, der sie verbreitete, das Risiko der Verletzung eines jeden trug, der als Betroffener in Betracht kam.5 Das hat die Rechtsprechung sogar in Fällen angenommen, in denen der Name des Betroffenen in der Schlagzeile eines Berichts genannt, aus dem Text aber zweifelsfrei deutlich wurde, dass nicht er, sondern ein gleichnamiger Dritter gemeint war. Allein die Tatsache, dass die Schlagzeile bei isolierter Betrachtungsweise auf ihn bezogen werden konnte, sollte in diesen Fällen einen Eingriff in seine Rechte darstellen.6
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Mit dem erwähnten, heute maßgeblichen Interpretationsstandard der Zweifels- oder Variantenlehre ist dies jedoch ebenso wenig vereinbar wie mit dem Postulat der Maßgeblichkeit des Kontexts und der daraus abzuleitenden Zurückhaltung bei der selbständigen Berücksichtigung von Schlagzeilen.7 Das Risiko der Verfehlung des in Wahrheit Betroffenen aufgrund von Namens_______________
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OLG Celle AfP 1989, 575. KG AfP 2004, 374. Oben § 14 Tz. 12 ff. und 24 ff. BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär; dazu oben § 14 Tz. 11a. 5 So noch die 2. Auflage; Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 54. 6 OLG Hamburg AfP 1986, 137; LG Bonn AfP 1992, 386. 7 Oben § 16 Tz. 43.
390
Identifizierung Betroffener
Tz. 14 § 17
identität wird man danach heute den Medien allenfalls noch in den Fällen aufbürden können, in denen sich die wahre Identität des Betroffenen dem Publikum auch nicht aus dem Kontext erschließt.1 Unter keinen Umständen konnte es daher eine Verletzung der Rechte eines gleichnamigen Rechtsanwalts darstellen, dass ein Fabrikant einer Serie von Plüschtieren mit jeweils metaphorischen Namen dem zu dieser Serie gehörenden Hund den Namen Hasso von Wedel gab.2 Und der Träger des zwar nicht alltäglichen, aber auch keineswegs einmaligen Familiennamens Frankenberg ist von der Verwendung dieses Namens als Titel einer Fernsehserie mit erkennbar fiktivem Inhalt nicht in seinen Rechten betroffen.3 Das mit dem Problem der Gleichnamigkeit dennoch weiterhin verbundene Restrisiko können die Medien auch durch Verwendung von Initialen anstelle ausgeschriebener Nachnamen nicht mit Sicherheit ausschließen. So wurde etwa die Erwähnung eines als Dr. W. bezeichneten Bonner Urologen im Rahmen eines Berichts über einen schweren ärztlichen Kunstfehler mit anschließendem Vertuschungsversuch als eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Kollegen mit denselben Initialen gewertet,4 die diesen zur Geltendmachung eines Berichtigungsanspruchs, mangels schweren Verschuldens und Intensität des Eingriffs nicht jedoch zur Geltendmachung einer Geldentschädigung berechtigte; unter Berücksichtigung der dargestellten Kriterien ist diese Entscheidung im Ergebnis zutreffend, weil sich die Identität des in Wahrheit Betroffenen wegen der gewollten Anonymisierung auch nicht aus dem Kontext ergeben konnte.5 Selbst die vielfach praktizierte Verwendung erfundener Namen6 hilft nicht unbedingt weiter und birgt das nicht nur theoretische Risiko, dass mit dem erfundenen Namen eine der Redaktion nicht bekannte tatsächlich existierende Persönlichkeit getroffen wird. Dies gilt umso mehr in Fällen, in denen nicht ausreichend deutlich herausgestellt wird, dass die Redaktion einen erfundenen Namen benutzt.7
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Aus der Feststellung, dass das Mittel der Identifizierung möglicher Betroffener unerheblich, dass also die Namensnennung nur die nächst liegende und am häufigsten praktizierte Identifikationsmöglichkeit ist, folgt ferner, dass es sich beim Problem der Gleichnamigkeit in Wahrheit nicht um ein Problem der Namensnennung, sondern um ein solches der Risikostreuung handelt. Mit derselben Berechtigung, mit der sich ein Namens- oder auch nur Initialengleicher unter Umständen gegen die Verbreitung einer Behauptung wehren kann, mit der er zwar nicht gemeint ist, die ihn aber unter Berücksichtigung ihres Kontexts treffen kann, kann dies auch derjenige tun, dem ein bestimmter Bericht
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1 Die Grenze wird ähnlich verlaufen wie im Fall der Interpretation traditioneller Schlagzeilen mit Textbezug und selbstständig zu wertenden Aufmachern, oben § 16 Tz. 42. 2 OLG Hamburg AfP 1992, 267 – Hasso v. Wedel. 3 OLG München NJW-RR 1996, 1006 = WRP 1996, 787 – Frankenberg. 4 OLG Köln AfP 1975, 920. 5 Vgl. zum Aspekt der Vermeidung der Verletzung Mehrerer als Rechtfertigung der Identifizierung des in Wahrheit Betroffenen OLG Düsseldorf AfP 1995, 500; oben Tz. 7. 6 Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 57. 7 LG Bonn AfP 1992, 386.
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§ 17 Tz. 15
Recht der Darstellung – Einzelfragen
ohne jede Namensnennung allein aufgrund seines Kontexts zugerechnet werden kann. Hier trifft sich das Problem der Namensnennung mit demjenigen der Erkennbarkeit.1 Die wahrheitswidrige Berichterstattung über das angebliche Zusammenwirken eines Amtstierarztes in Paderborn mit Importeuren gesundheitlich bedenklichen Rindfleischs stellt auch ohne Namensnennung eine Verletzung von dessen Rechten dar, wenn es nur einen Angehörigen dieses Berufs in Paderborn gibt. Und auch wenn es dort zwei oder drei Amtstierärzte gibt, dann hat die Berichterstattung in dieser Ausgestaltung immer noch dieselbe Eingriffsintensität wie diejenige unter Verwendung eines mehrfach zutreffenden Namens oder verwechselungsfähiger Initialen. 15
Bei jedweder Identifizierung Betroffener verbleibt mithin ein nicht steuerbares Restrisiko für die Medien, das nur durch die Orientierung der jeweiligen Art der Identifizierung an der konkreten Situation beherrschbar ist. So erweist sich im Fall des Amtstierarztes der Verzicht auf die Namensnennung als unzureichend. Wäre im genannten Beispiel die Rede von einer westfälischen Kleinstadt anstelle von Paderborn, so wäre die Anonymisierung perfekt; denn die Betroffenheit aller Amtstierärzte aus westfälischen Kleinstädten wäre nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Im Fall des Berichts über ein Ermittlungsverfahren gegen einen bundesweit bekannten Anlegerschützer2 brächte eine Berichterstattung ohne volle Identifizierung des Betroffenen das Risiko mit sich, dass wegen der Überschaubarkeit der in Betracht kommenden Gruppe Unbeteiligte in ihren Rechten verletzt würden.3 Hier können die Medien ihrer Verantwortung daher nur dadurch gerecht werden, dass sie einerseits den Betroffenen identifizieren, andererseits aber in unübersehbarer Weise deutlich machen, dass er zwar verdächtigt wird, dass es aber konkrete Feststellungen über die Richtigkeit des Verdachts noch nicht gibt, und damit die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung erfüllen.4 Auch in dieser Frage kommt daher Medienberichterstattung und ihre rechtliche Beurteilung ohne eine an den Besonderheiten des Einzelfalls orientierte Güterabwägung nicht aus. 4. Namensnennung und Werbung
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Striktere Regeln gelten für die Nutzung des Namens oder die sonstige Vereinnahmung Dritter zu Zwecken der Werbung, ohne dass sich aus dieser Feststellung bereits ein absolutes Verbot der Verwendung fremder Namen zu Zwecken eigener Werbung ableiten ließe. Für die redaktionelle Arbeit scheint diese Feststellung zwar nur geringe praktische Bedeutung zu haben, da sie in aller Regel aus Berichterstattung und nicht aus Werbung besteht. Die Medien haften jedoch unter Umständen auch für den Inhalt der von ihnen verbreiteten Werbung Dritter.5 Und auch in der eigenen redaktionellen Arbeit werden _______________
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Oben § 13 Tz. 34 ff. Oben Tz. 7. Vgl. oben § 13 Tz. 21. Oben § 16 Tz. 24 ff. Oben § 16 Tz. 33 ff.
392
Identifizierung Betroffener
Tz. 16a § 17
Elemente der Berichterstattung mit denen der Werbung für die Produkte und Dienstleistungen Dritter nicht selten in unzulässiger Weise vermischt.1 Anders als in anderen Fällen der Namensnennung hat die Rechtsprechung bereits vor Jahrzehnten aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht die Regel abgeleitet, dass es das uneingeschränkte Recht jedes Einzelnen ist, sich nicht gegen den eigenen Willen von Dritten für deren Werbezwecke einspannen zu lassen. Dies galt über lange Zeit ohne Einschränkungen,2 und es galt und gilt für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auch insoweit, als sie die Veröffentlichung ihres Lichtbilds und nach den dargestellten Grundsätzen auch die Nennung ihres Namens zu Zwecken der Berichterstattung zu dulden haben,3 und auch für Verstorbene.4 Dieses Verbot folgt nicht etwa aus dem Namensrecht des Betroffenen aus § 12 BGB, da in derartigen Fällen eine Namenstäuschung nicht stattfindet, es dem Werbenden vielmehr gerade darauf ankommt, den beim Namen Genannten oder im Bild Gezeigten für sein Produkt oder seine Dienstleistungen zu vereinnahmen. Die unbefugte Werbung mit dem Namen eines Dritten wird vielmehr seit jeher als Verletzung von dessen Allgemeinem Persönlichkeitsrecht angesehen5; seitdem die Rechtsprechung6 obendrein anerkannt hat, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht neben seiner ideellen auch eine vermögensrechtliche Komponente enthält, gilt dies umso mehr. Im Prinzip muss daher niemand heute dulden, dass sein Name ungefragt oder gegen seinen Willen für fremde Werbung vereinnahmt wird. Das gilt auch bei Verwendung nur des Vornamens, wenn er eigentümlich und die Identität seines Trägers aus dem Kontext der Werbeaussage ersichtlich ist,7 oder in Fällen der Gleichnamigkeit. So ist die Verwendung des fiktiven Namens Huschke vom Busch im Rahmen einer Werbeaktion für ein Fast-Food-Produkt mit Recht als Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des seinerzeit noch berühmten Autorennfahrers Huschke von Hanstein angesehen worden, mit dem die angesprochenen Verkehrskreise den fiktiven Protagonisten der Werbeaktion unzweifelhaft assoziieren mussten.8
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1 Unten § 24 Tz. 6 ff. 2 Dazu sogleich unter Tz. 16b. 3 BGH NJW 1956, 1554 = GRUR 1956, 427 – Paul Dahlke; BGH AfP 1992, 149 = NJW 1992, 2084 = GRUR 1992, 557 – Joachim Fuchsberger; LG Hamburg AfP 1995, 526; LG Düsseldorf NJW-RR 1998, 747. 4 BGH AfP 2000, 356 = NJW 2000, 2195 = GRUR 2000, 715 = ZUM 2000, 582 – Marlene Dietrich; BVerfG AfP 20006, 452 = NJW 2006, 3409 = GRUR 2006, 1049 = WRP 2006, 1361 – Blauer Engel; OLG Hamburg AfP 1989, 760 = NJW 1990, 1995 – Heinz Erhart; KG AfP 1997, 926. 5 BGH NJW 1961, 2059 = GRUR 1962, 105 – Ginseng-Wurzel; BGH NJW 1981, 2402 = GRUR 1981, 846 – Rennsportgemeinschaft; BGH GRUR 1994, 732 – McLaren; LG Düsseldorf AfP 2003, 77. 6 BGH AfP 2000, 356 = NJW 2000, 2195 = GRUR 2000, 715 = ZUM 2000, 582 – Marlene Dietrich; BVerfG AfP 20006, 452 = NJW 2006, 3409 = GRUR 2006, 1049 = WRP 2006, 1361 – Blauer Engel; Einzelheiten oben § 13 Tz. 12c ff. 7 LG Düsseldorf AfP 1998, 238 = NJW-RR 1998, 747 – Berti; LG München I NJW-RR 2002, 617 = ZUM 2002, 238. 8 OLG Hamburg AfP 1993, 582 = WRP 1993, 251 – Huschke v. Busch.
393
16a
§ 17 Tz. 16b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
16b
Das Verbot der Nutzung eines fremden Namens oder auch der Abbildung eines unbeteiligten Dritten zu Zwecken der Werbung gilt nach neuerer Rechtsprechung allerdings nicht mehr völlig uneingeschränkt. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und, ihr folgend, des Bundesgerichtshofs hat vielmehr anerkannt, dass auch werbende Äußerungen Ausdruck der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit sind und dass es daher Konstellationen geben kann, in denen auch werbende Äußerungen, die mit Rechten Dritter kollidieren, durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt sind, sofern sie jedenfalls auch einen wertenden, meinungsbildenden und damit kommunikativen Inhalt haben.1 In Anwendung dieses Grundsatzes hat der Bundesgerichtshof inzwischen etwa die Untersagung der Verbreitung einer Anzeige mit dem Motiv „Sixt vermietet auch Autos an Mitarbeiter in der Probezeit“2 und von Zigarettenanzeigen mit den Motiven „War das Ernst? oder August?“3 oder „Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher“4 ungeachtet der Tatsache aufgehoben, dass sie für jeden erkennbar auf Oskar Lafontaine, Prinz Ernst-August von Hannover bzw. Dieter Bohlen zielten. In allen diesen Fällen ist der Bundesgerichtshof mit Recht davon ausgegangen, dass die werbenden Unternehmen jeweils aktuelle und in der Öffentlichkeit weithin bekannte Geschehnisse zum Anlass für satirischspöttische Werbesprüche genommen hatten, ohne über eine bloße Aufmerksamkeitswerbung hinaus die Betroffenen zur Anpreisung der beworbenen Produkte zu vereinnahmen.
16c
Wenngleich der Grundsatz des Verbots der Vereinnahmung fremder Namen zu Zwecken der Werbung als solcher durch diese neue Rechtsprechung nicht in Frage gestellt wird, ist mithin künftig genauer darauf zu achten, ob werbende Äußerungen dieses Element der Vereinnahmung des Genannten überhaupt enthalten oder ob, wie in den hier genannten Fällen, der Gesichtspunkt insbesondere der satirischen Anknüpfung an reale Geschehnisse im Vordergrund steht und sich daher das Grundrecht der Meinungsfreiheit des Werbenden gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des in der Werbung Genannten durchsetzt.
17
Auch begründet nicht jedes werbliche Umfeld die Annahme, die Nennung eines Namens oder die Abbildung einer Person erfolge tatsächlich zu Werbezwecken. Dies bedarf vielmehr stets gesonderter Feststellung.5 So hat etwa
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1 Grundlegend BVerfG AfP 2001, 44 = NJW 2001, 591 = ZUM-RD 2001, 56 = GRUR 2001, 170 = WRP 2001, 129 – H.I.V. POSITIVE I; BVerfG AfP 2003, 149 = NJW 2003, 1303 = ZUM 2003, 390 = GRUR 2003, 442 = WRP 2003, 633 – H.I.V. POSITIVE II; dazu Soehring/Link, S. 285 ff.; im Hinblick auf das Recht am eigenen Bild auch unten § 21 Tz. 19c. 2 AfP 2006, 559 = NJW 2007, 689 = ZUM 2007, 55 = GRUR 2007, 139 = WRP 2007, 83 – Lafontaine; vgl. zur abweichenden Entscheidung des OLG Hamburg Ehmann, AfP 2005, 237 ff. 3 BGH AfP 2008, 596 = NJW 2008, 3782 = ZUM 2008, 957 = GRUR 2008, 1124 = WRP 2008, 1524 – Zerknitterte Zigarettenschachtel. 4 BGH AfP 2008, 598 = WRP 2008, 1527 – Geschwärzte Worte. 5 Dazu unten § 22 Tz. 3 ff.
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Identifizierung Betroffener
Tz. 17 § 17
der Bundesgerichtshof1 mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts2 angenommen, dass auch die Verbreitung von Kundenzeitschriften legitime publizistische Tätigkeit und dass daher die Veröffentlichung des Lichtbilds eines bekannten Schauspielers auf der Titelseite einer derartigen Zeitschrift nicht unter dem Gesichtspunkt der Werbung unzulässig ist.
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1 BGH AfP 1995, 495 = NJW-RR 1995, 789 = ZUM 1995, 618 – Chris Revue; OLG München AfP 1998, 409 = ZUM 1998, 1042 – Uschi Glas. 2 BVerfG AfP 2000, 163 = NJW 2000, 1026 = ZUM 2000, 232 – Chris Revue.
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§ 18 Unwahre Tatsachenbehauptungen 1
Bei unwahren Tatsachenbehauptungen besteht eine faktische Vermutung der Unzulässigkeit ihrer Verbreitung durch die Medien. Sie nehmen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts1 am Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht teil, wenn sie bewusst unwahr sind oder wenn ihre Unwahrheit bereits zum Zeitpunkt ihrer Äußerung oder Verbreitung evident ist. Ist das der Fall, dann bietet auch die Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG keine Rechtsgrundlage für ihre Verbreitung.2 In diesen Fällen besteht an ihrer erneuten Verbreitung regelmäßig kein berechtigtes Interesse.
1a
Hingegen ist die erstmalige Verbreitung einer Behauptung, die sich erst nachträglich als unwahr herausstellt, nicht vom Grundrechtsschutz ausgenommen.3 Haben die Medien bei ihrer Abfassung in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt,4 dann ist ihre erstmalige Verbreitung rechtmäßig, wird mithin auch sie vom Grundrechtsschutz erfasst.5 Erst wenn feststeht, dass die in Rede stehende Meldung unrichtig ist oder sich mit den Mitteln der Beweiserhebung nicht feststellen lässt, dass der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen eingreift, ist eine Meldung als unwahr zu behandeln. 1. Grundsatz der Rechtswidrigkeit
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Unwahre Tatsachenbehauptungen über Personen oder Institutionen werden im Allgemeinen geeignet sein, sich nachteilig auf deren Ansehen in der Öffentlichkeit, ihren sozialen Geltungsanspruch oder ihren Kredit bzw. ihre Geschäftsehre auszuwirken. Die Aufstellung oder Verbreitung solcher Behauptungen erfüllt den Tatbestand der üblen Nachrede gemäß § 186 StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB bzw. denjenigen der Kreditgefährdung gemäß § 824 BGB.6 Ist das der Fall, so ist ihre weitere Verbreitung rechtlich ausnahmslos unzulässig. Steht die Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung fest, so kommt insbesondere der Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen als Rechtfertigung ihrer weiteren Verbreitung nicht in Betracht, obgleich ihre ursprüngliche Verbreitung unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt ge_______________
1 BVerfG AfP 1976, 115 = NJW 1976, 1677 – Echternach; BVerfG AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 916; BVerfG NJW 1993, 1845; dazu Grimm, NJW 1995, 1697 ff. 2 BVerfG AfP 2000, 555 = ZUM-RD 2000, 220. 3 BVerfG AfP 1982, 163 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BVerfG NJW 1996, 1529; BVerfG AfP 1999, 57 = NJW 1999, 1322 = ZUM 1999, 236; BVerfG AfP 2003, 43 = NJW 2003, 1109 = ZUM-RD 2004, 5. 4 Dazu oben § 15 Tz. 1 ff. 5 BVerfG AfP 1999, 57 = NJW 1999, 1322 = ZUM 1999, 236 – Helnwein; BVerfG NJW 2003, 1856 = ZUM-RD 2003, 114; BVerfG AfP 2000, 351 = ZUM-RD 2000, 316; BGH AfP 1987, 597 = NJW 1987, 2255 – Pressemäßige Sorgfalt. 6 Grimm, NJW 1995, 1697 ff.
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Unwahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 4 § 18
wesen sein kann. Auch auf die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG können sich die Medien zur Rechtfertigung der weiteren Verbreitung nachweislich unwahrer Tatsachenbehauptungen nicht berufen. Es gibt, so hat neben dem Bundesverfassungsgericht1 auch der Bundesgerichtshof2 wiederholt entschieden, kein berechtigtes Interesse an der Aufrechterhaltung und erneuten Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen, die im Sinn der zitierten Bestimmungen tatbestandlich sind. Dies gilt auch, soweit die Medien wertende Kommentare und damit Meinungsäußerungen verbreiten, wenn Tatsachenbehauptungen in sie einfließen, deren Unwahrheit feststeht oder Autor bekannt sind.3 2. Ausnahmen Trotz dieser auf den ersten Blick klaren Rechtslage neigen Betroffene und Gerichte erfahrungsgemäß häufig dazu, den Satz von der Unzulässigkeit der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen schematisch und damit unkritisch anzuwenden. Dabei wird übersehen, dass nicht jede unwahre Tatsachenbehauptung, die eine bestimmte Person oder Institution betrifft, tatbestandlich im Sinn der genannten straf- oder zivilrechtlichen Bestimmungen ist. Mit Ausnahme des Anspruchs auf Abdruck einer Gegendarstellung4 sind die genannten Tatbestände jedoch als Anknüpfungspunkt für die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche oder gar strafrechtlicher Verfolgung im vorliegenden Zusammenhang unverzichtbar.
3
Entgegen einer auch in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung5 stellt daher im Recht der Medien die Wahrheit als solche kein Rechtsgut dar, stellt also die Verletzung der Wahrheit ohne das Hinzutreten derjenigen Umstände, die sie zur üblen Nachrede im Sinn von § 186 StGB machen oder die den Tatbestand einer anderen gesetzlichen Verbotsnorm erfüllen, auch keine Rechtsverletzung dar.6 Die gegenteilige Auffassung7 übersieht, dass sowohl die Landespressegesetze als auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von den Medien lediglich ein Bemühen um Wahrheit, nicht aber eine absolute Richtigkeitsgewähr verlangen.8 Mit dieser Rechtslage wäre es unvereinbar, zivil- oder gar strafrechtliche Sanktionen an die Verbreitung bloßer Unwahrheiten zu knüpfen, durch die die gesetzlichen Tatbestände des Ehren- oder
4
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1 BVerfG AfP 1976, 115 = NJW 1976, 1677 – Echternach; BVerfG AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 916; BVerfG NJW 1993, 1845; BVerfG NJW 2003, 1856 = ZUM-RD 2003, 114. 2 BGH GRUR 1972, 435 – Grundstücksgesellschaft; BGH AfP 1975, 804 = GRUR 1975, 89 – Brüning-Memoiren I; BGH AfP 1975, 911 = NJW 1975, 1882 = GRUR 1976, 210 – Geist von Oberzell. 3 BVerfG AfP 2003, 535 = NJW 2004, 277 = ZUM-RD 2004, 64. 4 Hierzu reicht nach den Landespressegesetzen Betroffenheit aus; dass Rechte des Anspruchsstellers verletzt sind, wird nicht vorausgesetzt; dazu unten § 29 Tz. 9 ff. 5 OLG Hamburg AfP 1988, 143. 6 BVerfG AfP 1982, 163 = NJW 1982, 2655 – Kredithaie; BGH AfP 1979, 307 = NJW 1979, 1041 = GRUR 1979, 421 – Exdirektor; Grimm, NJW 1995, 1697. 7 OLG Hamburg AfP 1988, 143; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 76 ff. 8 Grimm, NJW 1995, 1697; Einzelheiten oben § 2 Tz. 9 ff.
397
§ 18 Tz. 5
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Kreditschutzes nicht verletzt werden. Auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht kommt als ausschließlich zivilrechtlicher Auffangtatbestand insoweit nur dort in Betracht, wo es in seinem Wesen verletzt ist. Verfälschungen des Lebensbilds,1 Verletzungen des Rechts auf Selbstbestimmung der Position der eigenen Persönlichkeit durch Veröffentlichung eines erfundenen Interviews2 oder des sozialen Geltungsanspruchs durch Manipulation oder sonstwie verfälschende Wiedergabe des gesprochenen3 oder geschriebenen4 Worts gehören in diesen Bereich, sind in aller Regel aber tatbestandlich auch bereits durch die Bestimmung des § 186 StGB zu erfassen und schließen den Einwand mangelnder Rechtsverletzung daher aus. 5
Die Behauptung aber, ein Filmschauspieler habe seinen letzten Urlaub in Madeira verbracht, während er sich tatsächlich auf Mallorca aufhielt, ein Unternehmen habe unter Verstoß gegen ein Embargo eine große Partie Weizen in ein betroffenes Land verkauft, während es sich tatsächlich um Roggen handelte, oder eine Vereinigung habe ihre Jahrestagung in Frankfurt abgehalten, während sie tatsächlich in Wiesbaden tagte, ist zwar jeweils unwahr, aber mangels Hinzutretens besonderer Umstände für Ehre, wirtschaftlichen Ruf oder sozialen Geltungsanspruch des Betroffenen ohne jede Relevanz. Sie mag daher einen Gegendarstellungsanspruch begründen, nicht aber eine straf- oder sonstige zivilrechtliche Haftung der Medien, die sie irrtümlich verbreiten. Wenn etwa das Oberlandesgericht Hamburg über einen Unterlassungsanspruch betreffend die unwahre Behauptung zu entscheiden hatte, eine namentlich genannte Frau stehe zu einem Dritten in sexuellen Beziehungen, dann handelte es sich wegen des Inhalts dieser Behauptung um einen Fall der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, zu dessen sachgerechter Entscheidung es der Formulierung eines mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so nicht zu vereinbarenden generellen Leitsatzes des Inhalts nicht bedurft hätte, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze „… vor der Verbreitung von Unwahrheiten unabhängig davon, ob diese Unwahrheiten einen irgendwie diskriminierenden oder auch nur kritisierenden Einschlag haben“.5
6
Tatsächlich hat denn auch die Rechtsprechung trotz der dargestellten Tendenz im Ergebnis verschiedentlich anerkannt, dass Wahrheit oder Unwahrheit als solche keine rechtliche Dimension darstellen. Wertneutrale Falschmeldungen wie etwa Vergröberungen und Einseitigkeiten infolge des Zwangs zu Kürze und pressegerechter Darstellung können unvermeidbar sein. Sie beeinträchtigen das Lebensbild nicht ohne Weiteres und können daher im Einzelfall hinzunehmen sein.6 Das gilt etwa für die Behauptung, von der Annullierung eines Charterflugs in die Türkei seien 40 Personen betroffen, während es _______________
1 BGH NJW 1958, 459 = GRUR 1958, 354 – Sherlock Holmes. 2 BGH NJW 1965, 685 – Soraya; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. 3 BVerfG AfP 1980, 149 = NJW 1980, 2070 – Eppler. 4 BGH NJW 1954, 1404 – Leserbrief. 5 OLG Hamburg AfP 1988, 143. 6 BVerfG AfP 1982, 163 = NJW 1982, 2655 – Kredithaie; BGH AfP 1979, 307 = NJW 1979, 1041 = GRUR 1979, 421 – Exdirektor; OLG Brandenburg NJW-RR 1999, 3339; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 249.
398
Unwahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 6b § 18
tatsächlich nur 30 waren,1 oder diejenige, ein Betrüger, der insbesondere Bürgern der Neuen Bundesländer wertlose Beteiligungen an Scheinfirmen verkaufte, habe auf diese Weise 6 Millionen DM ergaunert, während es tatsächlich nur wenig mehr als 5 Millionen DM waren.2 Und mit Recht haben die Gerichte3 die fehlerhafte Meldung, ein Betroffener habe sich gegenüber dem Magazin stern in einer bestimmten Weise geäußert, während er die in Rede stehende Äußerung tatsächlich gegenüber der Deutschen Presseagentur getätigt hatte, als wertneutrale Falschbehauptung eingestuft und die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Eine wertneutrale Falschbehauptung in diesem Sinn war auch die Behauptung, ein bestimmtes Ereignis habe anlässlich einer Vernissage bei Jil Sander stattgefunden, während es sich in der Tat um eine Vernissage von Jil Sander handelte.4 Auch die sachlich falsche Meldung, die ARD überprüfe den Missbrauch von Subventionen, ist als wertneutrale Falschmeldung ohne rechtsverletzenden Charakter anzusehen, wenn die Prüfung in einem Bericht über eine Reihe zweifelhafter Subventionszahlungen durch die ARD erwähnt wird, der in seinen sonstigen Bestandteilen nicht angegriffen wird.5 Gleiches gilt für die objektiv falsche Behauptung, ein namentlich genannter Aktionär habe sich in einem aktienrechtlichen Anfechtungsverfahren die von ihm erhobene Klage gegen Zahlung einer Entschädigung abkaufen lassen wollen, während es sich tatsächlich um eine Gesellschaft handelte, deren Geschäftsführer der Betroffene war.6 Hingegen kann dem Oberlandesgericht Karlsruhe7 nicht gefolgt werden, wenn es angenommen hat, die Behauptung, ein Arzt, der unstreitig keine strafbaren Abtreibungen vornahm, nehme rechtswidrige Abtreibungen vor, sei ihrem Gehalt nach wertneutral, weil der Gesetzgeber selbst es im Gesetzgebungsverfahren offen gelassen habe, ob nicht auch gemäß § 218 StGB straflose Abtreibungen rechtswidrig sind; der Durchschnittsleser, an den sich der Verfasser dieser Behauptung wandte, unterscheidet bei einem so sensiblen Thema wie demjenigen der Abtreibung nicht zwischen den Begriffen strafbar und rechtswidrig und wird als selbstverständlich annehmen, derjenige, dem rechtswidriges Tun vorgeworfen wird, verletze die einschlägigen Gesetze.
6a
Wie wertneutrale Falschmeldungen im erörterten Sinn sind auch Übertreibungen und Ausschmückungen durch die Boulevardpresse zu behandeln, wenn sie den wahren Sachverhalt in seiner Substanz nicht verfälschen und sich eine Beeinträchtigung des Lebensbilds oder des sozialen Geltungsanspruchs des Betroffenen aus ihnen nicht ergibt.8 Einen Fall der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, nicht aber einen Fall des § 186 StGB
6b
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1 BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 188 – Türkol. 2 KG v. 24.1.1995 – 9 U 4493/94, unveröffentlicht. 3 BGH AfP 2006, 60 = NJW-RR 2006, 126 = ZUM 2006, 321 = WRP 2006, 265 – dpaInterview; BVerfG AfP 2008, 55 = NJW 2008, 747 – dpa-Interview. 4 OLG Köln AfP 2005, 287 = NJW-RR 2006, 1126 = ZUM-RD 2006, 78. 5 BGH AfP 2009, 55 = MMR 2009, 252. 6 LG Köln AfP 2007, 380. 7 OLG Karlsruhe AfP 2003, 452 = NJW 2003, 2029; anders in einem Parallelverfahren zutreffend BVerfG AfP 2006, 550 – Babycaust. 8 BGH GRUR 1968, 209 – Lengede.
399
§ 18 Tz. 7
Recht der Darstellung – Einzelfragen
kann es etwa auch darstellen, wenn die Medien einer Prominenten eine bevorstehende Hochzeit mit einem namentlich genannten Partner andichten, die tatsächlich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und Entscheidung nicht beabsichtigt ist.1 7
Es ist damit auch im Fall feststehender Unwahrheiten und bei streitigen Behauptungen vor Durchführung einer gerichtlichen Beweiserhebung stets zu prüfen, ob im Einzelfall geschützte Rechte des Betroffenen verletzt sind oder sein können oder ob es sich um eine wertneutrale Falschbehauptung oder eine unschädliche Übertreibung handelt, durch die sein sozialer Achtungs- und Geltungsanspruch als Ausprägung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ebenso wenig verletzt wird wie die spezielleren Tatbestände der §§ 186 StGB und 824 BGB.
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1 OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1701.
400
§ 19 Wahre Tatsachenbehauptungen – Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht Tatsachenbehauptungen sind Nachrichten. Ihre Verbreitung gehört, sofern sie wahr oder jedenfalls von öffentlichem Interesse und mit der gebotenen Sorgfalt recherchiert und damit von der Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt sind,1 neben der Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung zu den ersten und vornehmsten Rechten und Aufgaben der Medien. Wahre Tatsachenbehauptungen sind unter keinen Umständen tatbestandlich im Sinn von §§ 186 StGB, 824 BGB, die spezifisch an die Unwahrheit der aufgestellten oder verbreiteten ehrenrührigen bzw. kreditschädigenden Behauptungen anknüpfen. Die Feststellung, dass ein beträchtlicher Teil aller medienrechtlichen Auseinandersetzungen nicht die Verbreitung unwahrer, sondern diejenige wahrer Tatsachenbehauptungen betrifft, erscheint daher auf den ersten Blick paradox. Doch es ist gerade der Bereich der wahren Tatsachenbehauptungen, in dem sich das Spannungsfeld zwischen dem Bestreben der Medien, die Öffentlichkeit möglichst umfassend zu informieren, und dem in Gestalt des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschützten Wunsch des Einzelnen, mit seinen Belangen nicht an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, in besonderem Maß entfaltet, wie sich bereits am Beispiel der Identifizierung und insbesondere namentlichen Benennung Betroffener gezeigt hat.2
1
Aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ergibt sich damit die nahezu einzige und in der Praxis obendrein äußerst bedeutsame Einschränkung für die Berichterstattung der Medien über wahre Tatsachenbehauptungen. Bei ihm handelt es sich um die für das Medienrecht wichtigste Ausprägung der durch Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG begründeten Freiheitsrechte des Einzelnen im Wertesystem des Grundgesetzes und damit in der Abgrenzung zu den Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts3 hat es als solches selbst Verfassungsrang, und die für die Praxis der Gerichte auch in Deutschland zunehmend bedeutsame Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte4 leitet aus der Gewährleistung des Anspruchs des Einzelnen auf Achtung seines Privat- und Familienlebens durch Art. 8 Abs. 1 EMRK ein Gebot des Persönlichkeitsschutzes auch gegenüber Medienveröffentlichungen ab, der im Einzelfall über dasjenige noch hinaus gehen kann, was die deutsche oder auch eine andere nationale Rechtsprechung gewährt. Für die Rechtspraxis hat dies erhebliche praktische Konsequenzen insoweit, als es die Grundrechtsqualität des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, die es dem Bundesverfassungsgericht erlaubt und gebietet, die Rechtsprechung namentlich der Zivilgerichte immer
2
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1 Oben § 15 Tz. 1 ff. 2 Oben § 17 Tz. 4 ff. 3 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; anders Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 57. 4 Vgl. z.B. EGMR AfP 2004, 348 = NJW 2004, 2647 = ZUM 2004, 651 = GRUR 2004, 1051 – Caroline von Monaco.
401
§ 19 Tz. 2a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
wieder nicht nur im Hinblick darauf zu überprüfen, ob sie der Gewährleistung der Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit durch das Grundgesetz gerecht wird, sondern eben auch darauf, ob im Einzelfall der Schutz der Persönlichkeit gegenüber Beeinträchtigungen durch die Medien verkürzt wird. Obendrein begrenzt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht die Kommunikationsgrundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG als allgemeines Gesetz gemäß Art. 5 Abs. 2 GG. 2a
Zugleich ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aber auch Ausprägung von oder Vorbild für besondere Persönlichkeitsrechte, die der Gesetzgeber zum Teil bereits vor seiner Entwicklung geschaffen1 und zum Teil später nachvollzogen hat.2 Als sonstiges Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB bildet es einen so genannten offenen Tatbestand, der nicht abschließend umschrieben, dessen Ausprägung vielmehr jeweils anhand des zu entscheidenden Falls herauszuarbeiten ist.3 Bei seiner Auslegung und Anwendung bedarf es in besonderem Maß der Methode der Güterabwägung, in die die persönliche Ehre des Betroffenen als Kern des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts einerseits und das berechtigte Interesse der Medien an der möglichst vollständigen Unterrichtung der Öffentlichkeit andererseits einzubeziehen sind.
2b
Mit dem Schutz der Persönlichkeit, um den es bei diesem Rechtsinstitut geht, nicht zu verwechseln ist allerdings der vielfach erkennbare Wunsch des Individuums, sich gegenüber der Öffentlichkeit selbst zu definieren. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gibt dem Einzelnen nicht das Recht, von Anderen und insbesondere von den Medien nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder gesehen werden möchte.4 Aufgabe der Rechtsprechung ist es, in den jeweils konkret zu entscheidenden Fallkonstellationen die kollidierenden Prinzipien des Persönlichkeitsschutzes und der Medienfreiheiten im Wege der Güterabwägung mit einander in Einklang zu bringen.5 Um diesen Abwägungsvorgang jedenfalls im Rahmen des Möglichen transparent und kalkulierbar zu machen, hat die Rechtspraxis den offenen Tatbestand des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Schaffung spezieller Problemfelder fortentwickelt, in denen sich das genannte Spannungsfeld konkretisiert und anhand deren sich die Redaktionen vor der Vornahme von Veröffentlichungen jeweils Klarheit über die Frage verschaffen können, ob und inwieweit die Zulässigkeit beabsichtigter Berichterstattung auf die Schranken des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Betroffenen stößt und möglicherweise hinter ihm zurückzustehen hat.
2c
Wie erwähnt, hat die Rechtsprechung nach dem Zweiten Weltkrieg das Allgemeine Persönlichkeitsrecht anhand des Vorbilds des sehr viel älteren _______________
1 §§ 22 ff. KUG: Recht am eigenen Bild; dazu unten § 21 Tz. 1 ff. 2 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 57: Datenschutzrecht; Schutz des gesprochenen Worts; Schutz gegen unerlaubte Bildaufnahmen. 3 Dazu schon oben § 12 Tz. 50 ff. 4 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 5 BVerfGE 7, 198 = NJW 1958, 257 – Lüth; BVerfGE 20, 162 = NJW 1966, 1603 – Spiegel-Urteil; BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto; BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I; BVerfG AfP 1980, 151 = NJW 1980, 2072 – Böll/Walden; BVerfG AfP 1987, 677 = NJW 1987, 2661 – Konkret-Karikatur; BVerfG AfP 1999, 57 = NJW 1999, 1322 = ZUM 1999, 236 – Helnwein.
402
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 2d § 19
Rechts am eigenen Bild entwickelt. Die Typisierungen und Fallgruppen, anhand deren die Praxis die erforderliche Güterabwägung mit den Medienfreiheiten vornimmt, entsprechen daher weitgehend jenen, die für die Bestimmung der Tragweite des Rechts am eigenen Bild maßgeblich sind.1 Dennoch sind sie nicht identisch. Während für das Recht der Wortberichterstattung und damit in erster Linie für dasjenige der Verbreitung von Tatsachenbehauptungen der Grundsatz gilt, dass es zum Selbstbestimmungsrecht der Medien gehört, nach eigenen Kriterien zu entscheiden, was sie für berichtenswert halten,2 gilt für die Bildberichterstattung der Grundsatz, dass nach § 22 KUG die Verbreitung des Bildnisses einer Person deren Zustimmung bedarf und Ausnahmen nur in Betracht kommen, soweit der Katalog des § 23 Abs. 1 KUG und die dazu ergangene Rechtsprechung dies vorsehen. Das Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen zulässiger Medienäußerung und deren Beschränkung ist mithin bei der Verbreitung wahrer Tatsachenbehauptungen mit dem Potenzial zur Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Betroffenen ein anderes als es dies bei der Verbreitung seines Bildnisses ist.3 Hier, bei der Verbreitung wahrer Tatsachenbehauptungen, ist es die Beschränkung auf der Basis des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die einer besonderen Rechtfertigung bedarf, während es bei Bildnissen deren Verbreitung ist. Es hat daher auch seinen guten Grund, dass jenseits der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen4 Konflikte, die die Gerichte und insbesondere das Bundesverfassungsgericht unter dem Aspekt einer zutreffenden Güterabwägung beschäftigen, ihren Ursprung weit häufiger im Bereich der Bild- als in demjenigen der Wortberichterstattung haben und dass bei bildlicher und paralleler textlicher Darstellung häufig lediglich die Bildveröffentlichung angegriffen wird. So hat etwa der ehemalige Torwart der deutschen Fußballnationalmannschaft Oliver Kahn die Verbreitung eines Urlaubsfotos, das ihn zusammen mit seiner neuen Freundin zeigt, erfolgreich gerichtlich angegriffen, nicht aber diejenige des begleitenden Texts über die verliebten Blicke, die er mit ihr ausgetauscht habe,5 und Prinz Ernst August von Hannover, der Ehemann von Caroline von Monaco, wandte sich mit einer Unterlassungsklage, wenn auch vergeblich, gegen die Veröffentlichung eines Fotos, das ihn zum Zeitpunkt einer schweren Erkrankung seines Schwiegervaters zusammen mit seiner Ehefrau bei einem Skiurlaub in St. Moritz zeigte,6 nicht aber gegen die begleitende Berichterstattung darüber, dass er mit seiner Frau zum Skiurlaub gefahren sei, während es deren Vater wieder einmal schlecht gehe.
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1 Einzelheiten dazu unten § 21 Tz. 2 ff. 2 BVerfG AfP 1998, 192 = NJW 1998, 1627 = ZUM 1998, 240 = MMR 1998, 202; BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 645 – Caroline von Monaco II. 3 So wohl auch G. Müller, VersR 2008, 114 ff. unter B III 3. 4 Dazu oben § 18 Tz. 1 ff. 5 BGH AfP 2007, 475 = NJW 2007, 749 = ZUM 2007, 858 – Oliver Kahn. 6 BGH AfP 2007, 121 = NJW 2007, 1981= ZUM 2007, 382 = GRUR 2007, 523 = WRP 2007, 644 – Ernst August von Hannover.
403
2d
§ 19 Tz. 2e
Recht der Darstellung – Einzelfragen
2e
Vor diesem Hintergrund bedarf es auch besonderer Betonung, dass die Einschränkungen der Medienfreiheiten, die sich auf der Basis der Europäischen Menschenrechtskonvention aus der Rechtsprechung des EGMR ergeben,1 in erster Linie wiederum die Bildberichterstattung betreffen und daher nicht schematisch auf die Verbreitung wahrer Tatsachenbehauptungen und deren Begrenzung durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht übertragen werden dürfen. Allerdings darf aus diesen Feststellungen auch nicht der pauschale Schluss gezogen werden, dass Wortberichterstattung bei identischen Themen immer in weiterem Umfang zulässig ist als die bildliche Darstellung; dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Text eine Intensität von Detailinformationen aufweist, die derjenigen, die durch ein Bild vermittelt werden, gleich ist oder sie sogar überschreitet.2
2f
Häufig, wenn nicht in der Mehrzahl aller Fälle, entstammen Konflikte über angebliche oder tatsächliche Übergriffe der Medien in den Bereich des geschützten Persönlichkeitsrechts dem Bereich der unterhaltenden Presse. Und nicht selten wird dann zu beobachten sein, dass Betroffene sich auf den Standpunkt stellen, die Medien könnten die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG schon deswegen nicht für sich in Anspruch nehmen, weil es in den konfliktträchtigen Fällen nicht um öffentlichkeitsrelevante Fakten, sondern eben nur um Unterhaltung des Publikums gehe. Es ist daher geboten zu betonen, dass der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Presseund Rundfunkfreiheit den Bereich unterhaltender Berichterstattung nicht ausklammert. Beiträge der Medien über das Privat- und Alltagsleben Prominenter und über ihr soziales Umfeld sind vielmehr durch das Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit im Prinzip in gleicher Weise geschützt wie etwa solche aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport.3 Gerade in der Konkurrenz zu anderen Medien und Unterhaltungsangeboten ist insbesondere die Presse darauf angewiesen, ihren Lesern auch unterhaltende Beiträge anzubieten und sie so an sich zu binden.4 Allerdings ist die Unterhaltungspresse auch an die aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht resultierenden Schranken der Berichterstattung gebunden, und in der Abwägung der widerstreitenden Interessen kann das Argument, es handele sich im konkreten Fall nur um Unterhaltendes, dann doch an Gewicht gewinnen: Je größer und intensiver das öffentliche Interesse an einem berichteten Vorgang ist, desto weiter wird auch der Spielraum der Medienfreiheiten gegenüber den kollidierenden Persönlichkeitsrechten sein, und wo es an Öffentlichkeitsrelevanz fehlt und es daher nur oder doch in erster Linie um die Befriedigung von Neugier und Voyeurismus geht, wird sich das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffe_______________
1 Insbesondere EGMR AfP 2004, 348 = NJW 2004, 2647 = ZUM 2004, 651 = GRUR 2004, 1051 – Caroline von Monaco; dazu unten § 21 Tz. 2 ff. 2 BVerfG AfP 2000, 349 = NJW 2000, 2194 = ZUM-RD 2000, 319. 3 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; BVerfG AfP 2006, 448 = NJW 2006, 3406 = GRUR 2006, 1051 = WRP 2006, 1365; BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 – Caroline von Monaco II; BGH GRUR 2009, 584 – Enkel von Fürst Rainier; Hoffmann-Riem, NJW 2009, 20 ff. unter V 1. 4 BVerfG NJW 2008, 1793 – Caroline von Monaco II.
404
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 5 § 19
nen gegenüber den Medienfreiheiten tendenziell eher durchsetzen,1 sofern und soweit nicht der Betroffene sich auf die entsprechende Berichterstattungsform und die daraus resultierende Zurückdrängung seiner Persönlichkeitsrechte selbst einlässt.2 Wie beim Recht am eigenen Bild sind aber auch im Rahmen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts dessen Systematisierung und Typisierung keineswegs einheitlich definiert3 oder endgültig abgeschlossen. Sie befinden sich vielmehr in ständiger Fortentwicklung. Soweit das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als spezielle Schranke des Rechts der Medien zur Berichterstattung über wahre Tatsachen eingreift, kommen insbesondere die folgenden Ausprägungen und Fallgruppen in Betracht.
3
1. Intimsphäre Die Intimsphäre des Einzelnen definiert den engsten Bereich der Persönlichkeit des Menschen. Sie ist daher nur dem Individuum, nicht hingegen Unternehmen und anderen Personenvereinigungen zuzubilligen. Sie steht unter dem effektivsten Schutz der Rechtsordnung gegen Eingriffe Dritter und insbesondere gegen Veröffentlichungen durch die Medien. Das gilt für Texte wie für Abbildungen. Das gilt insbesondere auch für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und solche, die vorübergehend im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen,4 obwohl diese es in der Regel hinzunehmen haben, wenn die Medien über sie und ihre Aktivitäten unter Namensnennung berichten. Auch sie sind nicht gehalten, die Veröffentlichung von Informationen oder Lichtbildern zu tolerieren, mit denen die Medien in ihre Intimsphäre eindringen.5
4
So wird etwa die Ehescheidung eines führenden Politikers Gegenstand eines berechtigten Informationsinteresses der Öffentlichkeit und damit nicht mehr seiner Intimsphäre zuzurechnen sein, so dass die Medien darüber berichten dürfen. Die Gründe, die zur Zerrüttung der Ehe geführt haben, sind jedoch in der Regel in der Intimsphäre angesiedelt und daher gegen Veröffentlichung schlechthin geschützt.6 Zeigt sich eine verheiratete Person der Zeitgeschichte wiederholt mit einem anderen Partner in der Öffentlichkeit, dann ist dies jedenfalls dann nicht mehr der Intim-, sondern bereits ihrer weniger stringent geschützten Privatsphäre zuzurechnen, wenn ansonsten der Ehegatte an ihrem öffentlichen Leben teilnimmt. Darüber dürfen die Medien berichten.7
5
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1 BVerfG NJW 2008, 1793 – Caroline von Monaco II; Hoffmann-Riem, NJW 2009, 20 ff. unter V 1; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 45 f. 2 BVerfG AfP 1998, 52 = NJW 1998, 1386 – Münzen-Erna; vgl. zum Aspekt der so genannten Unterhaltungsöffentlichkeit auch Ladeur, NJW 2004, 393 ff. 3 Vgl. etwa die unterschiedlichen Systematisierungen bei Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 20 ff.; Wasserburg, S. 59 ff.; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 57 ff.; Soehring, GRUR 1986, 518, 521 ff. 4 Nach herkömmlicher Terminologie: Personen der Zeitgeschichte; dazu unten § 21 Tz. 2 ff. 5 BGH AfP 1971, 76 = NJW 1971, 698 = GRUR 1972, 97 – Pariser Liebestropfen. 6 Zur Maßgeblichkeit dieser Differenzierung vgl. BGH AfP 1999, 350 = NJW 1999, 2893 = GRUR 1999, 1034 = ZUM 1999, 734 – Ehebruch. 7 BGH NJW 1964, 1471 – Sittenrichter.
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§ 19 Tz. 6
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Hingegen wird eine flüchtige Urlaubsbekanntschaft, die sich nicht vor den Augen der Öffentlichkeit abspielt, in der Regel der Intimsphäre zuzurechnen und daher gegen Berichterstattung schlechthin geschützt sein.1 6
Der Intimsphäre zuzuordnen sind fast immer Vorgänge aus dem Sexualbereich, der gegen eine Darstellung in der Öffentlichkeit nahezu absolut geschützt ist.2 Die Auffassung, dies gelte ohne jede Ausnahme, und eine Güterabwägung komme in diesem Bereich schlechthin nicht in Betracht,3 ist dennoch nicht zutreffend.4 So verdrängte etwa in der Auseinandersetzung zwischen einer in ihrer Kindheit von ihrem Vater vielfach vergewaltigten Frau und diesem über die Zulässigkeit der öffentlichen Erörterung der Vorfälle durch die Betroffene deren Grundrecht der Meinungsfreiheit das Persönlichkeitsrecht ihres Vaters trotz der unleugbaren Tatsache, dass es hier um intimste Vorgänge ging und die Identität des Vaters durch die Berichterstattung seiner Tochter zwangsläufig aufgedeckt werden musste,5 während die Veröffentlichung intimer Details aus einem Abstammungsprozess als unzulässig angesehen wurde,6 obwohl an dem Prozess eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens beteiligt war und die andere Prozesspartei die betreffenden Details öffentlich gemacht hatte.
6a
Ausnahmsweise nicht geschützt ist die Intimsphäre insbesondere dann, wenn sich ihr zugehörige Vorgänge in der sozial geprägten Öffentlichkeit oder gar der politischen Realität auswirken, wie dies etwa bei einem Streit über die nicht eheliche Vaterschaft eines prominenten Zeitgenossen7 oder den auch hierzulande von einem Teil der Medien über Jahre mit Ausdauer verbreiteten Berichten der englischen Presse über intime Affären des britischen Thronfolgers der Fall sein kann. Präsentiert sich eine Prominente zusammen mit ihrem neuen Partner gegenüber Journalisten als neues Paar, so ist es kein rechtswidriger Einbruch in die Intimsphäre der Beteiligten, wenn die Medien darauf hinweisen, dass der neue Partner eine Vergangenheit als Pornodarsteller hat; eine Verletzung der Intimsphäre stellt es aber dar, wenn eine Redaktion daraus spekulative Schlussfolgerungen auf die Potenz des Betroffenen zieht.8 Berichte über das Sexualleben von Personen des politischen Lebens oder gar die Veröffentlichung von Fotografien, die mittels Teleobjektiven und Eindringens in umfriedete private Bereiche entstehen, sind nach traditionellem deutschen Rechts- und auch Moralverständnis nicht nur unüblich;9 kommen sie dennoch vor, so sind sie ebenso unzulässig, wie sie es bei jedem _______________
1 Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 51. 2 BGH AfP 1971, 76 = NJW 1971, 698 = GRUR 1972, 97 – Pariser Liebestropfen; BGH AfP 1988, 34 = NJW-RR 1988, 733 – Intime Beziehungen; BGH NJW 1974, 1947 = GRUR 1975, 561 – Nacktaufnahme; OLG Stuttgart AfP 1983. 396; OLG Düsseldorf AfP 1984, 229 – Rückenakt. 3 Prinz/Peters, Rz. 54. 4 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 67; OLG Hamburg AfP 1991, 533 = NJW-RR 1991, 98 – Graf. 5 BVerfG AfP 1998, 386 = NJW 1998, 2889 = ZUM 1998, 561. 6 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2000, 474. 7 OLG Hamburg AfP 1991, 533 = NJW-RR 1991, 98 – Graf. 8 LG Hamburg AfP 2008, 532; a.A. LG Berlin ZUM 2007, 866. 9 Benda, NJW 1994, 2267; Soehring, NJW 1994, 2926, 2928.
406
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 7a § 19
Normalbürger sind, und obendrein häufig strafbar.1 Berichtet aber die ausländische Presse über derartige Vorgänge und geschieht das noch dazu mit einer Intensität, die politische Auswirkungen naheliegen lässt, dann kann auch die erwähnte inländische Berichterstattung über derartige Vorgänge jedenfalls durch den Aspekt der Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt sein.2 Zur Intimsphäre gehören aber auch andere Bereiche, die durch die strafrechtlichen Bestimmungen über den Schutz von Privatgeheimnissen3 besonders geschützt sind. Das wird etwa der Fall sein bei Details medizinischer Untersuchungen,4 während die Tatsache der Erkrankung als solche bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in aller Regel jedenfalls nicht ihrer Intimsphäre zuzurechnen ist.5 Eine Verletzung der Intimsphäre des Betroffenen stellt auch die Herstellung und Ausstrahlung von Filmaufnahmen eines in einem Pflegeheim liegenden hilf- und damit wehrlosen so genannten Wachkomapatienten dar, auch wenn mit ihr das publizistische Anliegen der Dokumentation von Missständen im Bereich der Krankenpflege verfolgt werden soll.6 Auch Äußerungen unter dem Schutz des Beichtgeheimnisses gehören der Intimsphäre an. Gleiches muss für Äußerungen, die der anwaltlichen Schweigepflicht unterliegen, jedenfalls dann gelten, wenn sie sich inhaltlich mit Vorgängen aus der Intimsphäre befassen.
7
Der Intimsphäre zuzurechnen sind schließlich auch die Fälle, in denen die Medien Sterbende oder Verstorbene in der Situation ihres Todeskampfs oder in vergleichbaren Einstellungen fotografieren und die betreffenden Bilder veröffentlichen. Durch die Veröffentlichung derartiger Bilder verletzen sie zwar in erster Linie das Recht des Verstorbenen an seinem eigenen Bild gemäß § 22 KUG, das – anders als das Allgemeine Persönlichkeitsrecht – nicht mit dem Tod erlischt. Die Veröffentlichung kann jedoch zugleich auch die Intimsphäre der engsten Angehörigen verletzen, die auch deren Recht einschließt, mit der Trauer um den Verstorbenen allein gelassen und mit ihr nicht – wenn auch nur über das Bild des Verstorbenen – der Öffentlichkeit präsentiert zu werden.7 Gleiches galt im Fall des Rauschgifttodes eines 19-Jährigen, über den eine Zeitung unter Beifügung eines Familienfotos und mit Andeutungen darüber berichtete, die Eltern seien für den Tod ihres Sohnes verantwortlich.8 Und auch die Veröffentlichung einer unmittelbar nach der Tat entstandenen
7a
_______________
1 § 201a StGB; dazu oben § 10 Tz. 8 ff. 2 Vgl. zu der umgekehrten Konstellation BGH AfP 1999, 350 = NJW 1999, 2893 = ZUM 1999, 734 = GRUR 1999, 1034 – Ehebruch; BVerfG AfP 2000, 352 = NJW 2000, 2189 = ZUM-RD 2000, 321; die Zulässigkeit der Bekanntmachung der Scheidung des Klägers durch die deutsche Presse im Fall „Ehebruch“ wurde auch mit der Tatsache begründet, dass die Veröffentlichung dieser Nachricht in England erlaubtermaßen bereits erfolgt war. 3 § 203 StGB; dazu oben § 10 Tz. 13 ff. 4 OLG Hamburg UFITA 71 (1978), 278; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 48. 5 Dazu aber unten Tz. 16. 6 OLG Karlsruhe AfP 1999, 489 = NJW-RR 1999, 1699. 7 OLG Düsseldorf AfP 2000, 574. 8 BGH GRUR 1974, 794 – Todesgift.
407
§ 19 Tz. 8
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Aufnahme des Opfers eines Tötungsdelikts kann im Einzelfall eine Verletzung der Intimsphäre der nächsten Angehörigen darstellen.1 8
Soweit die Intimsphäre reicht, ist ihr Schutz absolut, kommt eine Rechtfertigung ihrer Verletzung mithin nicht in Betracht. Die einzige Ausnahme bilden Fälle der Einwilligung bzw. des Verzichts.2 Wer Einzelheiten seines intimen Lebensbereichs selbst vor der Öffentlichkeit ausbreitet, muss es hinnehmen, wenn die Medien davon Notiz nehmen und darüber berichten.3 Wer sich als Pornodarsteller auch nur einer eingeschränkten Öffentlichkeit präsentiert, kann sich gegenüber einer Berichterstattung über diesen Teil seines Wirkens nicht auf den Schutz seiner Intimsphäre berufen,4 sofern nicht besondere Gesichtspunkte hinzukommen. Einem Verzicht gleichkommen kann es, wenn der Betroffene sich gegen eine Verletzung seiner Intimsphäre durch die Medien zunächst nicht oder nur zögerlich zur Wehr setzt und der betreffende Vorgang durch Verbreitung in verschiedenen Medien einen Öffentlichkeitswert erhält, der bei sofortiger Verfolgung der Rechte des Betroffenen vermeidbar gewesen wäre.5 Und wer einem Journalisten gegenüber etwa aufgrund eines Exklusivvertrags und gegen Honorar Intimitäten aus seinem Sexualleben ausplaudert oder sich für pornografische Fotografien zum Zweck der Veröffentlichung in einschlägigen Magazinen zur Verfügung stellt, wird in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht dadurch verletzt, dass seine Äußerungen oder Fotografien auch anderenorts publiziert werden.6 Soweit in derartigen Fällen die Äußerungen oder Bilder durch speziellere Normen etwa des Urheberrechts oder des Rechts am eigenen Bild geschützt sind, kann der Verletzte nach den dafür geltenden Bestimmungen Rechtsschutz genießen. Eine Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter dem Gesichtspunkt der Intimsphäre scheidet jedoch aus. 2. Geheimsphäre
9
Ähnlichen Schutz gegen Medienveröffentlichungen wie die Intimsphäre genießt als weitere Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts die so genannte Geheimsphäre. Damit sind prinzipiell Äußerungen gegen Veröffentlichungen geschützt, die ohne oder gegen den Willen des Betroffenen auf Tonträger aufgenommen oder in unter Verstoß gegen § 201 Abs. 1 StGB abgehörten und mitgeschriebenen Telefongesprächen7 gefallen sind, sofern nicht im Einzelfall überragende Informationsinteressen der Öffentlichkeit die Preisgabe _______________
1 Vgl. dazu BGH AfP 2006, 67 = NJW 2006, 605 = ZUM 2006, 270 = GRUR 2006, 252 – Obduktionsfoto. 2 Einzelheiten unten Tz. 43 ff. 3 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 51. 4 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; LG Berlin NJW 1997, 1155. 5 OLG Hamburg AfP 1991, 533 = NJW-RR 1991, 98 – Graf. 6 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; Soehring, AfP 2000, 230. 7 BGH AfP 1979, 304 = NJW 1979, 647 = GRUR 1979, 418 – Kohl/Biedenkopf.
408
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 12 § 19
rechtfertigen.1 Gleiches gilt für Äußerungen in persönlichen Briefen.2 Der Geheimsphäre zuzurechnen sind schließlich gespeicherte persönliche Daten, die unter dem Schutz des Bundesdatenschutzgesetzes stehen. Jede von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht gedeckte Weitergabe solcher Daten durch das speichernde Unternehmen gilt als Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.3 Das gilt im Prinzip nicht nur für private, sondern auch für geschäftliche Äußerungen und Aufzeichnungen der gekennzeichneten Art4 sowie für solche wörtlichen Äußerungen, die der Betroffene gegenüber Angehörigen der Medien selbst gemacht hat und die diese unter Verstoß gegen die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen5 aufgezeichnet haben. Der besonders geschützten Geheimsphäre zuzurechnen sind sogar Geschäftsbücher und sonstige Aufzeichnungen von Unternehmen jedenfalls dann, wenn sie von dem betreffenden Unternehmen nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen zur Vernichtung bestimmt sind und zu diesem Zweck geschreddert werden.6
10
Anders als dies im Bereich der Intimsphäre der Fall ist, wo eine Güterabwägung in Betracht nicht in Betracht kommt, ist der Schutz der Geheimsphäre durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht jedoch nicht schrankenlos; vielmehr kann die Veröffentlichung daraus stammender Informationen und Aussagen Dritter ausnahmsweise zulässig sein, wenn an ihrem Inhalt unter Abwägung der widerstreitenden Interessen ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Anzuwenden sind insoweit dieselben Grundsätze, die die Rechtsprechung7 für die Verwendung rechtswidrig beschaffter Informationen entwickelt hat. Soweit der Bruch der Geheimsphäre allerdings durch Veröffentlichung des nicht öffentlich gesprochenen Worts eines Dritten erfolgt, kommt die Nutzung daraus resultierender Informationen nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 201 Abs. 2 Satz 3 StGB und damit nur im Fall des Vorliegens eines überragenden öffentlichen Informationsinteresses in Betracht. Es liegt auf der Hand, dass derartige Ausnahmekonstellationen bei Vorgängen aus dem wirtschaftlichen oder politischen Bereich eher vorliegen können als bei solchen aus der Geheimsphäre Privater.
11
3. Privatsphäre Sind die Konturen der Intim- und der Geheimsphäre danach noch einigermaßen fest gefügt, so ergeben sich die schwierigsten Abwägungsprobleme in den Bereichen, die der Privatsphäre zugerechnet werden müssen. Es ist daher im _______________
1 § 201 Abs. 2 Satz 3 StGB; dazu oben § 10 Tz. 7c; vgl. auch BGH NJW 1988, 1016. 2 BGH NJW 1954, 1404 – Leserbrief; BGHZ 15, 249 – Cosima Wagner; KG AfP 2008, 196 = NJW-RR 2008, 857 = ZUM 329 – Günter Grass-Briefe. 3 BGH NJW 1984, 1886 – AEG-Aktionär. 4 BGH NJW 1962, 32 = GRUR 1962, 108 – Waffenhandel; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 41. 5 Oben § 10 Tz. 7 ff. 6 OLG Hamm AfP 1993, 740. 7 BGH AfP 1979, 304 = NJW 1979, 647 = GRUR 1979, 418 – Kohl/Biedenkopf; OLG Hamm AfP 1993, 740; Einzelheiten oben § 12 Tz. 72 ff., 84 ff.
409
12
§ 19 Tz. 13
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Interesse größtmöglicher Rechtsklarheit und -sicherheit möglich und geboten, in diesem Bereich noch weiter zu differenzieren. Insbesondere die folgenden Komplexe können als Ausprägungen der durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Privatsphäre angesehen werden. Auch für sie gilt aber jeweils die bereits für die Geheimsphäre getroffene Feststellung: Auch und gerade im Bereich der Privatsphäre ist der Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen Medienveröffentlichungen nicht absolut, können sachgerechte Ergebnisse vielmehr nur als Folge einer an allen Besonderheiten des Einzelfalls orientierten Güterabwägung gewonnen werden. Und wie bereits im Bereich der Intimsphäre kommt auch in allen Bereichen der Privatsphäre eine Rechtfertigung der Medienberichterstattung durch ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen,1 aber auch dann in Betracht, wenn der Betroffene seine Privatsphäre selbst kontinuierlich über die Medien geöffnet oder sie gar gegenüber der Öffentlichkeit inszeniert hat.2 a) Privater Lebensbereich 13
Das primäre Anwendungsgebiet des Schutzes der Privatsphäre ist der private Lebensbereich des Individuums. Hier hängt die Zulässigkeit der Berichterstattung zum Einen von der Intensität des Eindringens in die private Sphäre und zum Anderen von der sozialen Position des Betroffenen ab. Die deutsche Rechtsprechung hat allerdings in der Folge der Caroline von Monaco-Entscheidung des EGMR3 die Schranken für die Berichterstattung etwas enger gezogen als in der Vergangenheit. Während nach der ersten Caroline von Monaco-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts4 die Privatsphäre erst dann für Medienberichterstattung tabu war, wenn sie sich in so genannter räumlicher Abgeschiedenheit abspielte, räumt die Rechtsprechung ihr nun Vorrang vor der Berichterstattungsfreiheit der Medien auch und schon dann ein, wenn es um Momente der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in Pflichten und Funktionen des Berufs oder des Alltags geht.5 So hat etwa das Bundesverfassungsgericht6 im Verbot der Berichterstattung über den Skiurlaub einer Prominenten keinen Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit der berichtenden Zeitschrift gesehen und der Bundesgerichtshof7 die Veröffentlichung einer Wegbeschreibung zum Ferienhaus einer namentlich genannten Prominenten untersagt.
_______________
1 Dazu unten Tz. 43 ff. 2 OLG Hamburg AfP 2006, 173; LG Berlin AfP 2006, 190. 3 EGMR AfP 2004, 348 = NJW 2004, 2647 = ZUM 2004, 651 = GRUR 2004, 1051 – Caroline von Monaco; dazu unten § 21 Tz. 2 ff. 4 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 5 BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 – Caroline von Monaco II; BVerfG AfP 2007, 441, = NJW 2008, 39 = ZUM 2007, 829 = GRUR 2007, 1085 = WRP 2007, 1436 – Esra; BGH AfP 2004, 119 = NJW 2004, 762 = ZUM 2004, 207 = GRUR 2004, 438 – Feriendomizil II; Hoffmann-Riem, NJW 2009, 20 ff. unter V 1. 6 BVerfG AfP 2000, 349. 7 BGH AfP 2004, 119 = NJW 2004, 762 = ZUM 2004, 207 = GRUR 2004, 438 – Feriendomizil II.
410
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 14a § 19
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und solche, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen,1 werden aber auch heute noch Berichte über ihren Familienstand und dessen Veränderung einschließlich der Anzahl der Kinder und unter Umständen ihrer beruflichen Entwicklung in der Regel hinnehmen müssen; für Ernst August von Hannover, einen Angehörigen des deutschen und britischen Hochadels, seinerzeit ständigen Begleiter und heute Ehemann von Caroline von Monaco, hat die Rechtsprechung2 dies bestätigt, ohne zu der umstrittenen Frage Stellung zu nehmen, ob der Betroffene zum Zeitpunkt der Veröffentlichung als Persönlichkeit der Zeitgeschichte anzusehen war. Unter diesem Aspekt kann sogar die Berichterstattung über eine außereheliche Affäre und ein aus ihr hervorgegangenes Kind jedenfalls dann zulässig sein, wenn über die Vaterschaft gestritten wird,3 wohingegen intime Details aus derartigen Streitigkeiten selbst dann gegen Veröffentlichungen geschützt sind, wenn eine der beteiligten Parteien sie öffentlich machen will, während die andere sich dem widersetzt.4 Zulässig ist auch der Bericht über die Existenz eines nicht ehelichen Sohns des Thronfolgers einer konstitutionellen Erbmonarchie im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung der Existenz eines männlichen Nachkommens für die Bevölkerung des betroffenen Landes.5
14
Für die Einschätzung der Persönlichkeit derjenigen, die aufgrund ihrer politischen, beruflichen oder sozialen Funktion im Licht der Öffentlichkeit stehen, sind Informationen aus der Privatsphäre in der Regel von legitimem Interesse, das allerdings schon dem sachlichen Umfang nach nicht schrankenlos ist. So ist es selbstverständlich und wurde schon erwähnt, dass Gegenstand des öffentlichen Interesses zwar der Familienstand und die etwaige Ehescheidung von Personen des öffentlichen Lebens sein können, nicht aber die intimen Details6 oder auch nur Gerüchte über Details des Ehelebens eines Prominenten wie etwa des Bundeskanzlers.7 Ebenso darf über die bevorstehende Hochzeit eines der bekanntesten deutschen Fernsehmoderatoren berichtet werden, nicht aber über vermutete oder tatsächliche Details der Feierlichkeiten.8 Auch Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit sind nach heutiger Rechtsprechung gegen eine öffentliche Erörterung von Fragen ihres Privatlebens geschützt, die erkennbar ohne Bezug zur jeweils bekleideten öffentlichen Position oder Funktion sind; die über etliche Jahre geltende Einschränkung, dass dies nicht gilt, wenn sich die Vorgänge in der Öffentlichkeit abspielen, kann im Licht der neueren Rechtsentwicklung jedenfalls als Prinzip nicht mehr aufrecht erhalten werden,9 wenngleich Wortberichterstattung hier mehr Freiraum beanspruchen kann als Bildveröffentlichungen.10
14a
_______________
1 Nach herkömmlicher Terminologie Personen der Zeitgeschichte; Einzelheiten dazu unten § 21 Tz. 2 ff. 2 BGH AfP 1999, 350 = NJW 1999, 2893 = GRUR 1999, 1034 = ZUM 1999, 734 – Ehebruch; BVerfG AfP 2000, 352 = NJW 2000, 2189 = ZUM-RD 2000, 321. 3 OLG Hamburg AfP 1991, 533 = NJW-RR 1991, 98 – Graf. 4 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2000, 474. 5 OLG Karlsruhe AfP 2006, 170 =NJW 2006, 617 = ZUM 2006, 226. 6 Oben Tz. 4 ff. 7 LG Berlin AfP 2003, 174. 8 LG Berlin AfP 2006, 394 = NJW-RR 2006, 1639. 9 Hierzu unten § 21 Tz. 2 ff. 10 Oben Tz. 2d.
411
§ 19 Tz. 14b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
14b
Mit der Erwägung, dass dies eine erkennbar private Angelegenheit ohne jeden Öffentlichkeitsbezug ist, hat etwa das Oberlandesgericht Hamburg1 mit Zustimmung des Bundesverfassungsgerichts2 die Verbreitung von Meldungen darüber untersagt, dass der älteste Sohn der Prinzessin von Monaco noch keine Freundin habe und viel Sport treibe. Die Berichterstattung darüber, dass und mit wem ein Spitzenpolitiker ein bestimmtes Restaurant aufsucht, wird noch kein Eindringen in seine geschützte Privatsphäre darstellen, die öffentliche Erörterung der dort eingenommenen Speisen und Getränke und der dort geführten und belauschten Gespräche wird man demgegenüber als Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts werten müssen.3 Zulässig ist wiederum die Berichterstattung über den Nachbarstreit eines Lokalpolitikers jedenfalls in einem Blatt mit lokaler oder regionaler Verbreitung,4 da aus seinem Verhalten in einer solchen Streitigkeit Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit seiner in öffentlicher Funktion vertretenen Haltung gezogen werden können.
14c
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts5 wirkt obendrein die Gewährleistung des Grundrechts der Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG in die Ausgestaltung des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht hinein mit der besonderen Konsequenz, dass Kinder ein gesteigertes Recht darauf haben, in ihrem privaten Umfeld ohne Beobachtung durch die Medien und die Öffentlichkeit aufzuwachsen, und dass daher Details aus dem Privatleben der Kinder von Personen des öffentlichen Lebens in stärkerem Maße gegen Berichterstattung geschützt sind als dies bei ihren prominenten Eltern der Fall wäre. Hier manifestiert sich das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein Recht auf kindgemäße Entwicklung. Eine Verletzung dieses Rechts hat das Bundesverfassungsgericht etwa in der Veröffentlichung eines so genannten Geburtshoroskops aus Anlass der Geburt der Tochter von Caroline von Monaco gesehen.6 Aus ähnlicher Erwägung war es unzulässig, anlässlich der Berichterstattung über die Hochzeit einer Person des öffentlichen Lebens den Vornamen ihres minderjährigen Sohns zu nennen,7 da die Gefahr bestand, dass seine Bindung an die prominente Mutter dadurch mehr als erforderlich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wurde. Hingegen wurde ein Fernsehbericht über den privaten Alltag des Enkels von Fürst Rainier von Monaco aus Anlass der Beisetzung des Fürsten mit Recht als durch dieses zeitgeschichtliche Ereignis gerechtfertigt angesehen.8
14d
Mit einem solchen Recht auf eine ungestörte kindgemäße Entwicklung hat es aber nichts mehr zu tun, wenn sich erwachsene Kinder gegen eine Berichterstattung über ihre aktuell oder vormals berühmten Eltern wenden. Daher _______________
1 OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1550 = ZUM 1999, 735. 2 BVerfG NJW 2000, 2191 = ZUM-RD 2000, 324. 3 So für den Bereich des Rechts am eigenen Bild: BGH AfP 1996, 140 = NJW 1996, 1128 = GRUR 1996, 923 = ZUM 1996, 405 – Caroline von Monaco III; BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 4 KG AfP 2008, 392. 5 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 6 BVerfG AfP 2003, 537 = NJW 2003, 3262 = ZUM 2004, 64 – Geburtshoroskop. 7 KG AfP 2007, 374. 8 BGH GRUR 2009, 584 = WRP 2009, 741 – Enkel von Fürst Rainier.
412
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 15a § 19
stand der Tochter von Ulrike Meinhof kein Unterlassungsanspruch gegen die Verfilmung des Wirkens der Baader-Meinhof-Gruppe zu, in der ihre Mutter eine herausragende Rolle gespielt hat.1 Andererseits kann sich der spezifische Schutz der kindgerechten Entwicklung gegen Medienberichterstattung auch zu einem Schutz der ungestörten Eltern/Kind-Beziehung verdichten. Mit dieser Begründung hat das Bundesverfassungsgericht2 die Erwähnung einer Vorstrafe eines Mannes wegen eines strafrechtlich geahndeten sexuellen Missbrauchs der Tochter einer früheren Lebensgefährtin aus Anlass der ansonsten zulässigen Berichterstattung über eine Mehrlingsgeburt in der neuen Familie des Betroffenen und die Übernahme einer Ehrenpatenschaft durch den Bürgermeister der Wohngemeinde als Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen bezeichnet, ohne dass es auf das etwa entgegenstehende Resozialisierungsinteresse des Betroffenen noch ankam.3 Bei Personen, denen ein berechtigtes öffentliches Interesse nicht gilt, kommt eine Erörterung von Angelegenheiten ihres Privatlebens schon vom Ausgangspunkt her nicht in Betracht. Veröffentlichungen etwa über eine erfolgte Ehescheidung können bei ihnen nicht durch ein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe legitimiert werden.4 Anderes kann aber gelten, wenn eine solche Person eine gewisse Bekanntheit dadurch erringt, dass sie sich mit einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens privat liiert und sich mit dieser auch zusammen in der Öffentlichkeit zeigt5 oder wenn sie sich über Jahre hin selbst gegenüber den Medien über ihre Beziehungen zu ihrem prominenten Partner äußert.6
14e
Auch bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens endet aber das legitime Informationsinteresse in der Regel an der privaten Haustür, sofern sie die Medien nicht ausdrücklich zu einem Blick dahinter einladen.
15
Allerdings ist der Begriff der Haustür nach heutiger Rechtslage in diesem Zusammenhang nicht mehr wörtlich zu nehmen. Bundesgerichtshof7 und Bundesverfassungsgericht8 haben die rechtlichen Konturen der Privatsphäre dahin gehend fortentwickelt, dass auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein Recht darauf beanspruchen können, zu sich zu kommen, sich zu entspannen oder auch sich gehen zu lassen, ohne sich der Beobachtung durch Medien und Öffentlichkeit ausgesetzt zu sehen, und dass von ihnen nicht verlangt werden kann, dieses Recht ausschließlich in den eigenen vier Wänden oder in der Abgeschiedenheit eines umfriedeten Geländes auszuüben. Zwar ist diese Recht-
15a
_______________
1 OLG München AfP 2008, 75 = NJW-RR 2008, 1220 = ZUM 2007, 932 – Baader-Meinhof-Komplex. 2 BVerfG NJW-RR 2007, 1191. 3 Dazu unten Tz. 27 ff. 4 OLG Hamburg AfP 1971, 32. 5 BVerfG AfP 2006, 448 = NJW 2006, 23406 = GRUR 2006, 1051 = WRP 2006, 1365. 6 OLG Hamburg ZUM 2006, 340. 7 BGH AfP 1996, 140 = NJW 1196, 1128 = GRUR 1996, 923 = ZUM 1996, 405 – Caroline von Monaco III; BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept. 8 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 – Caroline von Monaco II.
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§ 19 Tz. 15b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
sprechung zum Recht am eigenen Bild ergangen;1 trotz bestehender Unterschiede2 wird sie aber jedenfalls ihrer Tendenz nach auch für die Bestimmung der Tragweite des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung der Privatsphäre Geltung beanspruchen können. Über den eigenen, ohnehin geschützten Wohnbereich hinaus erstreckt sich der Schutz auch der Privatsphäre des Betroffenen daher auf Örtlichkeiten und Situationen, „… in denen er objektiv erkennbar für sich allein sein will und in denen er sich im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so verhält, wie er es in der breiten Öffentlichkeit nicht tun würde“.3
Ausschlaggebend ist, „… ob der Betroffene eine Situation vorfindet oder schafft, in der er begründeter maßen und somit auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein“.4
An der Tendenz dieser Konkretisierung der geschützten Privatsphäre hat sich durch die Caroline von Monaco-Entscheidung des EGMR5 ebenso wenig etwas geändert wie durch die ihr zeitlich nachfolgenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs6 und des Bundesverfassungsgerichts7 zu demselben Komplex. 15b
Allerdings reduzieren die Gerichte den Schutz der Privatsphäre nun nicht mehr auf die so umschriebene räumliche Abgeschiedenheit, stellen sie heute demgegenüber in erster Linie darauf ab, ob es sich beim Gegenstand der Berichterstattung um ein zeitgeschichtliches Ereignis handelt.8 Das bedeutet zwar eine durchaus spürbare Einschränkung der Berichterstattungsfreiheit gegenüber der früheren medienfreundlicheren Rechtslage,9 die aber teilweise dadurch kompensiert wird, dass die Rechtsprechung die Rechtsfigur der Person der Zeitgeschichte aufgegeben hat und statt dessen nun darauf abstellt, ob die Medien über ein zeitgeschichtliches Ereignis im weitesten Sinn berichten.10 Es bedeutet damit keineswegs eine Abkehr von dem Grundsatz, dass sich das Privatleben von Personen des öffentlichen Lebens gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit nur eines eingeschränkten Schutzes erfreut. Wo aber – pars pro toto – Caroline von Monaco sich zum Einkauf auf einen privaten Markt begibt, wo sie an öffentlichen Stränden schwimmt oder auf öffentlichen Wegen ausreitet oder Fahrrad fährt, wo sie in Begleitung ein Restaurant mit normalem Publikumsverkehr oder eine Oper besucht, sind _______________
1 Dazu im Einzelnen unten § 21 Tz. 2 ff. 2 Oben Tz. 2d. 3 BGH AfP 1996, 140 = NJW 1196, 1128 = GRUR 1996, 923 = ZUM 1996, 405 – Caroline von Monaco III. 4 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 5 EGMR AfP 2004, 348 = NJW 2004, 2647 = ZUM 2004, 651 = GRUR 2004, 1051 – Caroline von Monaco. 6 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept. 7 BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 645 – Caroline von Monaco II; dazu im Einzelnen Hoffmann-Riem, NJW 2009, 20 ff. 8 G. Müller, VersR 2008, 1141 ff. unter III 2 d. 9 Vgl. dazu Soehring, AfP 2000, 230. 10 G. Müller, VersR 2008, 1141 ff. unter III 2 d.
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Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 15d § 19
ihre Auftritte und Handlungen heute in der Regel nicht mehr Gegenstand eines berechtigten Informationsinteresses,1 so dass die Medien darüber grundsätzlich auch nicht mehr werden berichten und ihre Berichte bildlich dokumentieren dürfen. Auch gegenständlich wird Medienberichterstattung durch die Privatsphäre von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eingeschränkt. So sind familiäre Auseinandersetzungen und noch nicht realisierte Scheidungsabsichten in der Regel auch bei Prominenten private Belange, die die Öffentlichkeit nichts angehen und über die die Medien daher nicht berichten dürfen. Hinsichtlich der Tatsache der Ehescheidung als solche wird demgegenüber bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen; und haben ausländische Medien in großem Umfang auch über den Scheidungsgrund berichtet, dann stellt auch ein entsprechender Bericht der deutschen Presse keine Persönlichkeitsverletzung dar.2 Haben aber Scheidungsfolgen auch eine gesellschaftspolitische Dimension wie etwa die Frage nach der in Öffentlichkeit und Politik immer wieder diskutierten gerechten Verteilung der finanziellen Folgen einer gescheiterten Ehe, dann dürfen die Medien einen Betroffenen mit Klagen darüber, dass seine geschiedene Ehefrau ihn „ausnehme wie eine Weihnachtsgans“, auch dann zu Wort kommen lassen, wenn die Ehefrau dadurch identifiziert und in den Augen jedenfalls eines Teils der Leser oder Zuschauer an den Pranger gestellt wird.3
15c
Dass andererseits die Öffentlichkeit von den Betroffenen gepflegtere Umgangsformen erwartet hätte, rechtfertigt es nicht, einen Konflikt in die Öffentlichkeit zu tragen,4 wenn sich der Verstoß gegen diese Erwartung seinerseits nicht in der Öffentlichkeit abspielt und sich auf sie nicht auswirkt. Die Meldung über eine angeblich bevorstehende Hochzeit, die tatsächlich nicht beabsichtigt ist, verletzt auch eine Angehörige des europäischen Hochadels in der geschützten Privatsphäre ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ist nicht etwa deswegen sanktionslos, weil sie als solche nicht ehrenrührig ist;5 die Verletzungsintensität, die die Zuerkennung eines Anspruchs auf Geldentschädigung erforderlich machen könnte, hat eine derartige Falschmeldung allerdings nicht.6 Größer wird der Spielraum für rechtmäßige Meldungen bei spektakulären Ereignissen sein. So müsste es eine im politischen Leben stehende Persönlichkeit wohl hinnehmen, wenn die Medien über die gegen ihren Willen erfolgende Heirat ihrer minderjährigen Tochter im schottischen Gretna Green unter Namensnennung berichteten; bei einer Familie, die nicht im Licht der Öffentlichkeit steht, überwiegt in einem solchen Fall der Schutz
15d
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1 Einzelheiten unten § 21 Tz. 2 ff. und 7 ff.; anders noch BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 2 BGH AfP 1999, 350 = NJW 1999, 2893 = GRUR 1999, 1034 = ZUM 1999, 734 – Ehebruch; BVerfG AfP 2000, 352 = NJW 2000, 2189 = ZUM-RD 2000, 321. 3 BVerfG NJW-RR 2007, 1055 = ZUM 2007, 463. 4 OLG Hamburg ArchPR 1971, 110 – Prinzessin von Preußen. 5 OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1701; BVerfG AfP 2000, 353 = NJW 2000, 2193 = ZUM-RD 2000, 317. 6 OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1701.
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§ 19 Tz. 16
Recht der Darstellung – Einzelfragen
der Privatsphäre, so dass ein entsprechender Bericht unter Namensnennung unzulässig ist.1 16
Gesundheitliche Probleme sind in aller Regel der Privatsphäre zuzuordnen2 und daher nicht Gegenstand berechtigter Berichterstattung der Medien. Das gilt auch für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Prinz Ernst August von Hannover,3 kann allerdings anders sein, wenn eine Erkrankung sich auf Position und Funktion einer im öffentlichen Leben stehenden Person unmittelbar auswirken könnte.4 So wird der Kandidat, der sich um das Amt des Bundeskanzlers oder eines Ministerpräsidenten bewirbt, es hinnehmen müssen, wenn die Medien über zwei bereits überstandene Herzinfarkte berichten, da dies für die Einschätzung des Kandidaten, seiner Leistungsfähigkeit und damit seiner Eignung für das angestrebte Amt von unmittelbarer Bedeutung ist. Die in einer älteren Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg vertretene Auffassung, über gesundheitliche Probleme von prominenten Politikern und Angehörigen regierender Fürstenhäuser dürfe stets berichtet werden,5 ist jedoch nach dem heutigen Stand der Entwicklung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht mehr vertretbar.
17
Berichte über die Unfruchtbarkeit der Ehefrau eines Monarchen können jedenfalls dann zulässig sein, wenn diese Tatsache zum Scheitern der Ehe geführt hat,6 während dies bei jeder anderen Frau oder jedem anderen Paar eindeutig der Privat-, wenn nicht der Intimsphäre zuzuordnen und ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit daran zu verneinen ist. Gerüchte über sexuelle Beziehungen sind im Grenzbereich zwischen der Privat- und Intimsphäre der Betroffenen angesiedelt und haben auch dann nicht den Öffentlichkeitswert, der ihre Veröffentlichung vor definitiver Klärung des Sachverhalts rechtfertigen könnte, wenn sie einen katholischen Geistlichen betreffen.7 Hingegen kann es zulässig sein, über einen derartigen Vorgang nach Klärung des Sachverhalts zu berichten, da er nach katholischer Morallehre unmittelbare Auswirkungen auf die Amtstauglichkeit des Priesters haben wird. Über die Tatsache, dass ein Ehebruch der Scheidungsgrund des im öffentlichen Leben stehenden Ernst August von Hannover war, durfte ohne Nennung der Partnerin und – natürlich – Schilderung der Details berichtet werden.8 Außereheliche Beziehungen eines Privatmanns sind hingegen stets seine Privatsache und nicht Gegenstand eines berechtigten Informationsinteresses der Öffentlichkeit. _______________
1 BGH GRUR 1965, 256 – Gretna Green. 2 BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 373 = ZUM 1996, 308 – Caroline von Monaco II. 3 BGH AfP 2008, 610 = GRUR 2009, 86 = WRP 2009, 195; für das Recht am eigenen Bild insoweit auch BGH AfP 2008, 606 = ZUM 2009, 58 = WRP 2009, 198; BGH AfP 2008, 608 = WRP 2009, 204; BGH AfP 2008, 609 = WRP 2009, 201. 4 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = WRP 2007, 789; BGH AfP 2008, 610 = GRUR 2009, 86 = WRP 2009, 195. 5 OLG Hamburg UFITA 78 (1977), 252 – Gracia Patricia. 6 Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 61. 7 BGH AfP 1988, 34 = NJW-RR 1988, 733 – intime Beziehungen. 8 BGH AfP 1999, 350 = NJW 1999, 2893 = GRUR 1999, 1034 = ZUM 1999, 734 – Ehebruch; BVerfG AfP 2000, 352 = NJW 2000, 2189 = ZUM-RD 2000, 321.
416
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 19a § 19
Alkoholprobleme sind in der Regel ebenfalls eine Angelegenheit der von den Medien zu respektierenden Privatsphäre. Das gilt auch für Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.1 Sie sind es jedoch nicht bei einem Showstar, der über Jahre hinweg als Liebling des Publikums aufgebaut worden und als solcher ständig in den Medien präsent gewesen ist, wenn sie sich auf seine öffentlichen Auftritte unmittelbar ausgewirkt haben. Dann wird ein legitimes Informationsinteresse des Publikums auch hieran als der Ursache des plötzlichen Scheiterns bestehen, hinter dem das Recht des Betroffenen auf Achtung seiner Privatsphäre zurückzutreten hat.
18
Der Privatsphäre sind auch Informationen über das religiöse Bekenntnis oder die Zugehörigkeit zu Sekten oder weltanschaulichen Gruppen zuzurechnen. Hier trifft sich das Allgemeine Persönlichkeitsrecht mit dem Grundrecht der negativen Bekenntnisfreiheit.2 An Informationen aus diesem Bereich besteht in der Regel ebenfalls kein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Unhaltbar ist daher die Auffassung,3 das Anonymitätsinteresse des Einzelnen sei geringer zu bewerten als das Interesse einer Kirchengemeinde an der Information ihrer Gemeindemitglieder über Kirchenaustritte bestimmter Personen; sie verkennt nicht nur den Stellenwert des Rechts der negativen Bekenntnisfreiheit, sondern auch die unvermeidbare und im Zweifel gewollte Prangerwirkung, die mit derartigen Veröffentlichungen verbunden ist. Dem berechtigten Informationsinteresse der Gemeinde wird in einem solchen Fall mit der Veröffentlichung der Anzahl der Kirchenaustritte vollauf Genüge getan.
19
Das Anonymitätsinteresse des Betroffenen kann aber selbst dann überwiegen, wenn innerhalb einer Familie Meinungsverschiedenheiten über eine Sektenoder Gruppenzugehörigkeit bestehen und sich ein Familienmitglied mit seinen Sorgen an die Öffentlichkeit wendet, während das andere die Berichterstattung über den Konflikt und seine Gruppenzugehörigkeit nicht wünscht.4 Diese Frage kann aber nicht generell, sondern nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls abschließend beurteilt werden.5 Auch das Anliegen eines Betroffenen, die Öffentlichkeit anhand eines in der eigenen Familie erlebten Schicksals über die Praktiken bestimmter Jugendsekten zu unterrichten, kann im Hinblick auf dessen Persönlichkeitsrecht durchaus denselben Stellenwert haben wie das Interesse seines von einer solchen Sekte vereinnahmten Angehörigen daran, nicht erwähnt zu werden. Der Schutz der Privatsphäre kann daher jedenfalls dann hinter das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurücktreten, wenn es um die Mitgliedschaft in einer als besonders aggressiv bekannten Gruppierung wie etwa der Scientology Church geht und aufgrund der Funktion des Betroffenen im öffentlichen Leben nicht
19a
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BGH AfP 2008, 610 = GRUR 2009, 86 = WRP 2009, 195. Oben § 17 Tz. 8 f. LG Zweibrücken NJW 1998, 3360 (nur Leitsatz). BVerfG NJW 1990, 1980 – Opus Dei; OLG München NJW 1986, 1260 – Opus Dei; OLG Celle NJW-RR 1999, 1477. 5 Vgl. insoweit die abweichende und anders entschiedene Konstellation in BVerfG AfP 1998, 386 = NJW 1998, 2889 = ZUM 1998, 561; oben Tz. 6.
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§ 19 Tz. 20
Recht der Darstellung – Einzelfragen
ausgeschlossen werden kann, dass eine Indoktrination oder sonstige Beeinflussung unbeteiligter Dritter und insbesondere Jugendlicher erfolgt.1 20
Auch sonstige Umstände des privaten Lebensbereichs können unter dem rechtlichen Aspekt der Privatsphäre gegen ihre Preisgabe an die Öffentlichkeit geschützt sein. Dazu können etwa der Wohnort oder die Telefonnummern von Personen gehören, die aufgrund ihrer beruflichen Funktionen als besonders gefährdet gelten müssen2 oder die sich etwa als überregional bekannte und populäre Schauspieler gegen unerwünschte Kontaktversuche seitens des Publikums abschirmen wollen.3 Als Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen hat der Bundesgerichtshof4 auch die Veröffentlichung von im Auftrag einer Presseagentur hergestellten Luftbildern von Ferienhäusern Prominenter angesehen, die darauf bezogenen Unterlassungsklagen jedoch im Ergebnis mit Recht abgewiesen, weil der Eingriff einerseits nicht den Kernbereich der Persönlichkeit der Betroffenen erreichte und diese sich der Öffentlichkeit gegenüber in Wort und Bild selbst über ihre Feriendomizile geäußert hatten. Die zusätzliche Veröffentlichung einer detaillierten Wegbeschreibung zu dem betreffenden Grundstück stellte hingegen nach Auffassung des Gerichts5 einen rechtswidrigen Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen dar.
20a
Die Frage, ob bereits die Veröffentlichung der Abbildung des Wohnhauses eines Prominenten ohne begleitende Wegbeschreibung einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Bewohners darstellt, beantworten die Gerichte6 uneinheitlich. Die Veröffentlichung eines Bilds des Wohnhauses und der Adresse eines namentlich genannten, nach langjähriger Haft entlassenen ehemaligen RAF-Terroristen verletzt den Betroffenen nach Auffassung des Kammergerichts7 in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht selbst dann, wenn man richtigerweise annimmt, dass über seine Haftentlassung berichtet werden durfte.8 Richtig ist demgegenüber die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg,9 dass eine Rechtsverletzung im Hinblick auf die Flüchtigkeit des Mediums jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn ein Haus ohne Wegbeschreibung oder Adressenangabe im Fernsehen abgebildet wird. Und im Hinblick auf das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG _______________
1 LG Baden-Baden AfP 1994, 59; OLG München AfP 1993, 762; OLG Köln AfP 1993, 759; zur Identifizierung von Personen im Zusammenhang mit Scientology auch oben § 17 Tz. 8a. 2 OLG München AfP 1991, 435 = NJW-RR 1990, 1364 – Maus. 3 LG Hamburg AfP 1996, 185. 4 BGH AfP 2004, 116 = NJW 2004, 766 = GRUR 2004, 442 = WRP 2004, 370 – Feriendomizil I; BGH AfP 2004, 119 = NJW 2004, 762 = ZUM 2004, 207 = GRUR 2004, 438 – Feriendomizil II. 5 BGH AfP 2004, 119 = NJW 2004, 762 = ZUM 2004, 207 = GRUR 2004, 438 – Feriendomizil II; so auch BVerfG AfP 2006, 347 = NJW 2006, 2836 = ZUM 2006, 631 = WRP 2006, 1021; mit dem Recht am eigenen Bild können derartige Unterlassungsansprüche nicht begründet werden; dazu unten § 21 Tz. 37. 6 Bejahend OLG Hamburg AfP 2005, 75 = NJW-RR 2005, 414; KG NJW 2005, 2320 = ZUM 2005, 561; verneinend KG AfP 2006, 564. 7 KG AfP 2008, 396 = NJW-RR 2008, 1625. 8 Dazu unten Tz. 27b. 9 OLG Hamburg AfP 2006, 182 = ZUM-RD 2006, 390.
418
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 21 § 19
zutreffend hat das Kammergericht1 entschieden, dass es keine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts des vormaligen Bundesaußenministers Joschka Fischer darstellte, wenn eine Zeitung die Außenansicht seines durchaus ansehnlichen Wohnhauses abbildete und dies mit einer Textberichterstattung über die Grundstückspreise in der betreffenden Gegend und der Fragestellung verband, woher Fischer die Mittel für den Erwerb eines derartigen Grundstücks habe. Als Bestandteil der Privatsphäre geschützt sind auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Das hat das Oberlandesgericht Hamburg2 angenommen im Fall der Berichterstattung über die Vermögenslosigkeit eines Angehörigen des Hochadels. Das muss aber schon wegen der Gefahr, dass durch derartige Informationen die Aufmerksamkeit Krimineller geweckt wird, auch für die Veröffentlichung von Listen wie derjenigen über „Die reichsten Deutschen“ unter Angabe des Namens und der Anschriften der Betroffenen gelten, sofern nicht deren Vermögensverhältnisse aufgrund ihrer beruflichen oder gesellschaftlichen Funktion einer breiteren Öffentlichkeit ohnehin bekannt sind oder in einem bestimmten zeitlichen Kontext gesellschaftliche Relevanz haben; hiervon wird man etwa in der seit 2008 herrschenden weltweiten Finanzkrise hinsichtlich teilweise exorbitanter Gehälter und insbesondere Bonuszahlungen an Manager von Banken und anderen Finanzdienstleistern ohne Weiteres ausgehen können, so dass die breite öffentliche Diskussion über die Berechtigung und Angemessenheit derartiger Vergütungssysteme von den Grundrechten der Meinungs- und Medienfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt ist. Unhaltbar war angesichts der Transparenz des Gehaltsgefüges in dieser Branche die Ansicht,3 die öffentliche Bekanntgabe des Gehalts eines Profi-Fußballspielers stelle eine – noch dazu schwerwiegende und durch Zuerkennung einer Geldentschädigung zu ahndende – Persönlichkeitsrechtsverletzung dar.
20b
Auch an der früheren Eigenschaft eines Betroffenen als informeller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der vormaligen DDR (IM) wird im Hinblick auf den historischen Stellenwert der Institution Stasi jedenfalls in der Regel ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestehen. In der undifferenzierten Bekanntgabe einer Liste mit mehreren tausend Namen ehemaliger Informeller Mitarbeiter durch eine in der Aufarbeitung früheren DDRUnrechts engagierte Bürgerinitiative hat der Bundesgerichtshof4 zwar eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht jedenfalls derjenigen gesehen, die weder zu DDR-Zeiten in ihrer Eigenschaft als IM eine herausgehobene Rolle spielten noch nach der Vereinigung Deutschlands eine entsprechende Position bekleideten. In seinem zu derselben Liste ergangenen Urteil hat das Bundesverfassungsgericht5 jedoch mit guten Gründen erhebliche Vor-
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KG AfP 2008, 399. OLG Hamburg AfP 1992, 376. AG Berlin-Mitte AfP 1996, 188; a.A. OLG Celle AfP 1997, 819. BGH AfP 1994, 306 = GRUR 1994, 913 – Stasi-Liste. BVerfG AfP 2000, 445 = NJW 2000, 2413 = ZUM-RD 2000, 267; dass das Gericht die ihm vorliegende Verfassungsbeschwerde im Ergebnis gleichwohl abgewiesen hat, lag an formalen Besonderheiten des Falls; vgl. dazu auch oben § 17 Tz. 9b.
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§ 19 Tz. 21a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
behalte gegen diese Auffassung formuliert und insbesondere auf die zentrale Rolle verwiesen, die das Ministerium für Staatssicherheit im totalitären Unrechtssystem der DDR gespielt hat und aus der sich ein fortdauerndes und überragendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinsichtlich aller damit zusammen hängenden Fragen ergibt. Hat ein ehemaliger IM aber heute eine Position im öffentlichen Leben inne, so überwiegt schon nach den Wertungen des StUG das Interesse der Öffentlichkeit daran, über Spitzeltätigkeiten des Betroffenen in der ehemaligen DDR informiert zu werden.1 In diesem Fall muss das Interesse an dem Schutz des privaten Lebensbereichs zurücktreten, ist Berichterstattung mithin zulässig.2 21a
Im Fall der Bezeichnung einer im öffentlichen Leben stehenden Persönlichkeit wie des früheren Brandenburgischen Ministerpräsidenten und Bundesministers Manfred Stolpe war die Bezeichnung Stasi-Spitzel nach Auffassung des Kammergerichts3 im Rahmen des Berichts über einen Spielfilm unter Berücksichtigung des Kontexts obendrein eine Meinungsäußerung, die schon deswegen zulässig war, weil der Betroffene unstreitig als Stasi-IM geführt wurde, wenn er auch eine aktive Spitzeltätigkeit stets in Abrede genommen hat. Dass das Bundesverfassungsgericht4 die Bezeichnung Stolpes als IM Sekretär als nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckten Eingriff in geschützte Rechte des Betroffenen angesehen hat, lag demgegenüber daran, dass es in dieser Bezeichnung eine Tatsachenbehauptung sah, die nicht erweislich wahr und daher vom Schutzbereich des Grundrechts nicht erfasst war.5 An der gerade auch vom Bundesverfassungsgericht6 selbst betonten Freiheit der Medien, über Stasi-Verstrickungen wahrheitsgemäß zu berichten, ändert der Stolpe-Beschluss nichts.
21b
Das öffentliche Informationsinteresse überwiegt daher auch, wenn jemand, der von der Stasi observiert wurde, die über ihn geführte Akte und damit auch darin enthaltene Behauptungen über einen ehemaligen Funktionsträger der DDR veröffentlicht. Sind diese Informationen unwahr, dann kann der Betroffene zwar einen Hinweis darauf verlangen, dass eine bestimmte Information aus der Akte nicht zutrifft, nicht aber fordern, dass die Akte mit seinem Namen überhaupt nicht mehr veröffentlicht wird.7 Der von ehemaligen StasiMitarbeitern in diesem Zusammenhang häufig in Anspruch genommene Grundsatz der Resozialisierung8 greift hier nicht ein, weil es nicht um das einseitige Recht eines verurteilten Straftäters geht, nach Verbüßung seiner Strafe die Chance zu einem nicht durch seine eigene Vergangenheit vorbelasteten neuen Lebensabschnitt zu erhalten, sondern um die Bewältigung eines _______________
1 BGH AfP 1994, 306 = GRUR 1994, 913 – Stasi-Liste; BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär; KG NJW-RR 1994, 926 – IM Brandenburger; Weberling, § 20 Rz. 1, 2, 5, und 7; Bork, ZIP 1992, 90 ff. 2 BVerfG AfP 2000, 445 = NJW 2000, 2413 = ZUM-RD 2000, 267. 3 KG NJW-RR 1994, 926 – IM Brandenburger. 4 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär. 5 Dazu oben § 14 Tz. 11a und 17. 6 BVerfG AfP 2000, 445 = NJW 2000, 2413 = ZUM-RD 2000, 267. 7 OLG Hamburg AfP 1993, 756 – Hermann Kant. 8 Dazu unten Tz. 27 ff.
420
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 22a § 19
Konflikts zwischen vormaligen Tätern und Opfern. In diesem Konflikt aber muss der durch die Geschichte legitimierten1 Freiheit der Opfer, ihr im Unrechtssystem erlittenes Schicksal zu beschreiben und ihre Meinung dazu zu äußern, mehr Gewicht zuerkannt werden als dem Interesse der Täter, nicht mehr mit ihrer Vergangenheit konfrontiert zu werden,2 zumal der Resozialisierungsgedanke als Instrument zum Schutz der Persönlichkeit auch ansonsten nicht ohne Einschränkungen schematisch angewandt werden darf.3 Wo es nicht um die Bewältigung einer solchen Konfliktlage zwischen Täter und Opfer geht und für die Bekanntgabe der ehemaligen Stasi-Tätigkeit eines Betroffenen auch kein funktionsbezogener anderer Anlass besteht, wird die Offenbarung der früheren Stasi-Funktion hingegen als Persönlichkeitsrechtsverletzung anzusehen sein.4
b) Recht auf informationelle Selbstbestimmung Nach der ausdrücklichen Postulierung eines mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch das Bundesverfassungsgericht5 steht eine weitere Konkretisierung des aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleiteten Rechts auf Achtung der Privatsphäre zur Verfügung.6 Ursprünglich vom Bundesverfassungsgericht als Abwehrrecht gegen überzogene Informationsforderungen des Staats im Rahmen einer Volkszählung geschaffen, wirkt es sich in gleicher Weise als Schranke der Medienberichterstattung aus wie andere Typisierungen und Konkretisierungen der Grundrechte aus Art. 1 und 2 GG auch. Tragweite und Schutzfunktion gerade dieses Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in der Abwägung gegenüber den Grundrechten der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit sind aber noch nicht abschließend geklärt.7 In der Veröffentlichung mehrerer tausend Namen ehemaliger Stasi-IM durch eine Bürgerinitiative sah der Bundesgerichtshof8 eine Verletzung auch dieses Rechts, wenngleich insoweit der Meinungsfreiheit ein höheres Gewicht beizumessen gewesen wäre.9
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Die Speicherung der Daten eines Arztes in einer Datei betreffend den ärztlichen Notfalldienst in einer Gemeinde stellt einen objektiven Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des einzelnen Arztes dar, ist jedoch wegen des überwiegenden Interesses der Öffentlichkeit an der Verfügbarkeit der entsprechenden Information gerechtfertigt.10 Für die öffentliche
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1 BVerfG AfP 2000, 445 = NJW 2000, 2413 = ZUM-RD 2000, 267. 2 Vgl. für eine ähnliche Konfliktlage BVerfG AfP 1998, 386 = NJW 1998, 2889 = ZUM 1998, 561; LG München I vom 15.4.2009 – 9 O 1277/09, unveröffentlicht. 3 BVerfG AfP 2000, 160 = NJW 2000, 1859 = ZUM-RD 2000, 55 – Lebach II; so auch BVerfG NJW-RR 2007, 1340 = WM 2007, 1001; unten Tz. 27b. 4 LG Berlin AfP 2008, 645. 5 BVerfG NJW 1984, 419 – Volkszählungsgesetz. 6 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 58. 7 Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 21. 8 BGH AfP 1994, 306 = GRUR 1994, 913 – Stasi-Liste. 9 BVerfG AfP 2000, 445 = NJW 2000, 2413 = ZUM-RD 2000, 267; dazu oben Tz. 21. 10 BGH AfP 1991, 416 = NJW 1991, 1532 = GRUR 1991, 629 – Notfalldienst.
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§ 19 Tz. 23
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Bekanntmachung der Entmündigung wegen Trunksucht oder Verschwendung1 oder der Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung2 gilt das nicht. Auch die Unzulässigkeit der Bekanntgabe des Wohnsitzes oder der Wegbeschreibung zu einem privaten Feriendomizil gegen den Willen des Betroffenen hat der Bundesgerichtshof3 hier verortet. Und die Weitergabe personenbezogener gespeicherter Daten, soweit nicht gesetzlich ausdrücklich erlaubt, stellt stets auch eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar.4 Das gilt auch für die Bekanntgabe personenbezogener Daten eines Journalisten in einem parlamentarischen Bericht über die Bespitzelung von Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst, da es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt.5 23
Eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung kann auch die Veröffentlichung von Informationen darstellen, die sich die Medien selbst unter Verletzung der Schranken der Informationsbeschaffung erarbeitet haben, wie etwa durch heimliche Anfertigung graphologischer Gutachten, Herstellung von Psychogrammen6 oder sonstige systematische Speicherung und Auswertung privater Daten, die jedenfalls in ihrer Summe nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.7 Auch das von der Rechtsprechung entwickelte8 und heute partiell unter Strafe gestellte9 Verbot der fotografischen Aufnahme von Personen oder der Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Worts10 kann als Konkretisierung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung verstanden werden.11 Als weitere Konkretisierung dieses Rechts wird man auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs12 ansehen müssen, dass es einen unzulässigen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt, wenn ein Journalist, mit dem ein Informant die gemeinsame publizistische Auswertung und Bearbeitung von brisantem Material aus dessen geheimdienstlicher Tätigkeit vereinbart hat, dieses Material absprachewidrig allein redigiert und veröffentlicht. c) Literarische Vorbilder
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Mit zunehmender Häufigkeit sehen sich Personen mit Charakteren in Romanen oder Filmen konfrontiert, in denen sie sich wiederzuerkennen meinen und in deren Präsentation gegenüber einem breiten Publikum sie eine Verlet_______________
1 BVerfGE 78, 77 = NJW 1988, 2031; BVerfGE 84, 192 = NJW 1991, 2411 – Mietvertrag. 2 OLG Hamburg AfP 1992, 376. 3 BGH AfP 2004, 119 = NJW 2004, 762 = ZUM 2004, 207 = GRUR 2004, 438 – Feriendomizil II. 4 BGH NJW 1984, 1886 – AEG-Aktionär. 5 VG Berlin AfP 2006, 397. 6 Oben § 10 Tz. 34 f.; Wente, S. 96 ff. 7 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 58. 8 Dazu oben § 9 Tz. 3 ff. 9 § 201a StGB; dazu oben § 10 Tz. 8 ff. 10 Oben § 10 Tz. 16 f. 11 Jarass, NJW 1989, 857, 858; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 58. 12 BGH AfP 1987, 508 = NJW 1987, 2667 = GRUR 1987, 464 – Langemann; Löffler/ Steffen, § 6 LPG Rz. 58.
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Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 23b § 19
zung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch und gerade dann sehen, wenn die Geschichten dieser Charaktere im Roman oder Film den Realitäten entsprechen oder nahe kommen. Fast immer werfen derartige Konstellationen das Problem der Erkennbarkeit auf, da die Autoren in der Regel fiktive Namen verwenden und Charakterzüge sowie Geschehnisse jedenfalls so weit verfremden, dass jedenfalls Meinungsverschiedenheiten darüber aufkommen können, ob sich ein Betroffener zu Recht als das Vorbild der jeweiligen Roman- oder Filmfigur bezeichnet. Da es in derartigen Konstellationen stets um einen Konflikt des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht nur mit dem Kommunikationsgrundrechten des Art. 5 Abs. 1 GG, sondern auch mit dem Grundrecht der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG geht, das nicht unter dem speziellen Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG steht,1 hat das Bundesverfassungsgericht2 hierzu den Grundsatz der Vermutung der Fiktionalität aufgestellt. Danach bedarf die Annahme der Erkennbarkeit der Feststellung einer besonderen Intensität der Identifizierungsmerkmale.3 Wird sie nach Maßgabe dieses Grundsatzes verneint, dann fehlt es schlechthin an einer rechtlich relevanten Konfliktlage zwischen dem Autor oder Verleger des literarischen Werks und demjenigen, der sich als Vorbild eines seiner Protagonisten begreift.4 Wird hingegen die Erkennbarkeit bejaht, dann stellt sich die weitere Frage, ob der Betroffene die Verwendung seiner Person, seiner Lebensgeschichte oder eines Auszugs daraus oder sonstiger Merkmale, die mit seiner Persönlichkeit eng verbunden sind, tolerieren muss oder ob es sich dabei um rechtswidrige Eingriffe in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht handelt. Auch auf dieser Ebene wirkt sich zunächst wieder der Umstand aus, dass die Schranken, die entgegenstehende Rechte Dritter und in ihrer Durchsetzung die Gerichte literarischer Darstellung ziehen können, im Hinblick auf die durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährte besondere Intensität der Freiheitsgewährleistungen enger gezogen sind als im Anwendungsbereich der Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG.5 Da aus diesem Grund die Kunstfreiheit das Recht zur Verwendung von Vorbildern aus der Lebensrealität einschließt, folgt aus der Erkennbarkeit eines Vorbilds nicht automatisch eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts und scheidet sie insbesondere dann aus, wenn der Grad der Übereinstimmung nur gering ist. Wird auch diese Bagatell-Hürde überschritten, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dieser Konflikt im Wege der Güterabwägung mit der Folge zu lösen, dass eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Vorbilds umso eher festzustellen ist, desto stärker das Vorbild und die daraus entwickelte Figur übereinstimmen. Mit dieser Begründung hat der Bundesgerichtshof6 die gegen die Verbreitung des Romans Esra gerichtete Klage einer der beiden Protagonistinnen abgewie_______________
1 Dazu unten § 20 Tz. 13 ff. 2 BVerfG NJW 2004, 3619; BGH NJW-RR 1988, 733; BGH AfP 2005, 464 = NJW 2005, 2844 = GRUR 2005, 788 = WRP 2005, 1258 – Esra. 3 Dazu schon oben § 13 Tz. 37a. 4 Vgl. hierzu im Einzelnen u.a. Raue, AfP 2009, 1 ff.; Wittreck, AfP 2009, 6 ff. 5 BVerfG NJW 2004, 3619; BGH NJW-RR 1988, 733; BGH AfP 2005, 464 = NJW 2005, 2844 = GRUR 2005, 788 = WRP 2005, 1258 – Esra. 6 BGH AfP 2008, 385 = NJW 2008, 2587 = ZUM 2008, 683 = WRP 2008, 1218 – Esra II.
423
23b
§ 19 Tz. 23c
Recht der Darstellung – Einzelfragen
sen, weil die dort erzählte Geschichte die Klägerin zwar schon aufgrund der realen Mutter-Tochter-Beziehung eindeutig als die fiktive Figur Lale identifiziere, im Übrigen aber überwiegend fiktiv ausgestaltet sei. Da das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Tochter Esra das vom Bundesgerichtshof zuvor ausgesprochene Veröffentlichungsverbot1 wegen der Intensität ihrer Annäherung an die Realität verfassungsrechtlich nicht beanstandet hatte, blieb die spätere Entscheidung des Bundesgerichtshofs weitgehend ohne praktische Relevanz; durch die in dieser Sache nun vorliegende Kette von Entscheidungen sind aber die Grundzüge weitgehend geklärt, nach denen im Konflikt zwischen Realität und Fiktion die Tragweite des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bestimmen ist. 23c
Die Rechtsprechung hat sich in einer Reihe weiterer Entscheidungen mit vergleichbaren Konflikten zwischen Realität und Fiktionalität im Anwendungsbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts befassen müssen. Mit Erwägungen zur Wechselwirkung zwischen der Realitätsnähe der fiktiven Figur und der Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Vorbilds, die denjenigen des Bundesverfassungsgerichts in der Esra-Entscheidung entsprechen, hat das Kammergericht2 bereits im Jahr 2004 die Verbreitung des Romans Meere untersagt. Da aber das Gericht in dieser Entscheidung die erst später vom Bundesverfassungsgericht3 entwickelte Vermutung der Fiktionalität nicht berücksichtigte, stellt dieses Verbot im Ergebnis eine unzulässige Beschränkung der Kunstfreiheit des Autors und des Verlages dar. Mit den Leitgedanken des Bundesverfassungsgerichts vereinbar ist demgegenüber ein Urteil des Bundesgerichtshofs,4 der die Klage des Täters gegen die Ausstrahlung eines eng an die Realitäten angelehnten Spielfilms über den als Kannibale von Rothenburg weithin bekannt gewordenen Straftäter abgewiesen hat, sowie ein Urteil des Landgerichts Koblenz,5 das einen Verbotsantrag des Täters gegen die Ausstrahlung eines Fernsehfilms nach der Vorlage der Realität im Mordfall Jakob von Metzler zurückgewiesen hat. Die Verarbeitung der Ermordung eines 14 jährigen Mädchens durch einen jungen Mann, mit dem sie kurz vor der Tat freiwilligen Geschlechtsverkehr ausgeübt hatte, in einem Theaterstück stellt ebenfalls keine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs der Ermordeten dar, weil im Hinblick auf die Fiktionalität des Theaterstücks und dessen verzerrende und partiell falsche Darstellung der Fakten noch nicht die Eingriffsintensität vorlag, die als Verletzung der Menschenwürde der Getöteten angesehen werden konnte.6 _______________
1 BGH AfP 2005, 464 = NJW 2005, 2844 = ZUM 2005, 735 = GRUR 2005, 788 = WRP 2005, 1258 – Esra I. 2 KG AfP 2004, 371 = NJW 2004, 3639 = ZUM-RD 2004, 466 – Meere. 3 BVerfG NJW 2004, 3619; BGH NJW-RR 1988, 733; BGH AfP 2005, 464 = NJW 2005, 2844 = GRUR 2005, 788 = WRP 2005, 1258 – Esra. 4 BGH WRP 2009, 986; anders noch OLG Frankfurt/Main AfP 2006, 185 = NJW 2007, 699 = ZUM 2006, 407 – Rothenburg. 5 LG Koblenz NJW 2007, 695 = ZUM 2006, 951 – Gäfgen; kritisch dazu von Becker, NJW 2007, 662 ff.; vgl. auch LG Leipzig ZUM 2008, 617. 6 BVerfG AfP 2008, 161 = NJW 2008, 1657 = ZUM 2008, 323; BGH ZUM 2008, 951 = GRUR 2009, 83; OLG Hamm AfP 2006, 261 – Ehrensache; BGH AfP 2008, 601 = NJW 2009, 751 = ZUM 2008, 951 = GRUR 2009, 83 – Theaterstück; a.A. in der Vorinstanz OLG Köln ZUM 2008, 335.
424
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 24 § 19
Auch die Versuche sowohl des Unternehmens Chemie Grünenthal als auch eines Rechtsanwalts, der viele der Opfer des Contergan-Skandals der Sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts vertreten hatte, die Ausstrahlung eines Fernsehfilms über den Contergan-Komplex wegen behaupteter Verletzung ihres Unternehmens- bzw. Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu verhindern, blieben ohne Erfolg, weil das Oberlandesgericht Hamburg1 mit Recht im Fall des Unternehmens von einem Überwiegen des Grundrechts der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG über das Unternehmenspersönlichkeitsrecht und im Fall des klagenden Rechtsanwalts davon ausging, dass die Übereinstimmung zwischen Realität und Fiktionalität nicht groß genug war, um einen rechtswidrigen Eingriff in dessen Allgemeines Persönlichkeitsrecht begründen zu können; die gegen diese Entscheidungen gerichteten Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen hat das Bundesverfassungsgericht2 jeweils zurück gewiesen. Und der eng an die Realitäten einer Schule in einer deutschen Kleinstadt angelehnte Roman Pestalozzis Erben verletzte das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des darin heftig kritisierten und ohne Weiteres erkennbaren Lehrers ebenfalls nicht, weil die im Roman zum Ausdruck gebrachte Kritik nicht die Verletzungsintensität erreichte, die das Bundesverfassungsgericht fordert, um den mit einem Verbot verbundenen Eingriff in die Grundrechte der Kunst- und Meinungsfreiheit des Autors zu rechtfertigen.3
23d
Die Ausstrahlung des Films Der Baader-Meinhof-Komplex schließlich, die die Tochter von Ulrike Meinhof zu verhindern versuchte, wurde schon deswegen nicht untersagt, weil eigene Rechte der klagenden Tochter nicht verletzt werden;4 Abweichungen der Darstellung in diesem Film von der Realität stellen auch keine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs des ermordeten Jürgen Ponto dar.5 Mit Recht hat das Oberlandesgericht Hamburg6 aber in der Verbreitung eines Romans, der Kritikern der Politik des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder den „Ausweg“ der mangels Entdeckung des Täters sanktionslosen Ermordung Schröders nahelegte, als gravierende Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des damaligen Bundeskanzlers angesehen.
23e
d) Strafrechtliche Verurteilungen aa) Namensnennung Die Rechtspflege durch die staatlichen Gerichte ist als Teil der Ausübung hoheitlicher Gewalt grundsätzlich Gegenstand eines berechtigten Interesses _______________
1 OLG Hamburg AfP 2007, 146 = ZUM 2007, 483; OLG Hamburg AfP 2007, 143 = NJW-RR 2007, 1268 = ZUM 2007, 479; OLG Hamburg AfP 2009, 151 = NJW 2009, 1510 – Contergan. 2 BVerfG ZUM 2007, 730; BVerfG AfP 2007, 453 = NJW 2007, 3197 = WRP 2007, 1168 – Contergan. 3 OLG Hamm AfP 2002, 224 = ZUM 2002, 387 – Pestalozzis Erben. 4 OLG München AfP 2008, 75 = NJW-RR 2008, 1220 = ZUM 2007, 932 – Baader-Meinhof-Komplex. 5 LG Köln AfP 2009, 78 = NJW-RR 2009, 623 = GRUR 2009, 2487 = ZUM 2009, 324. 6 OLG Hamburg AfP 2004, 375 = ZUM 2004, 79.
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24
§ 19 Tz. 25
Recht der Darstellung – Einzelfragen
der Öffentlichkeit und damit auch berechtigter Berichterstattung durch die Medien. Der Gesetzgeber trägt dem mit der Begründung des Öffentlichkeitsprinzips Rechnung.1 Bereits aus dem Prinzip der Öffentlichkeit der Verhandlung und insbesondere der Urteilsverkündung folgt, dass eine Verurteilung wegen begangener Straftaten niemals ausschließlich Privatsache sein kann, wenngleich es Sinn der Öffentlichkeitsgewähr in erster Linie ist, die Verfahrensgerechtigkeit zu gewährleisten.2 Auch stellt sich, wer strafbare Handlungen begeht, allein dadurch außerhalb der Rechtsordnung, so dass er im Spannungsfeld zwischen dem von den Medien wahrzunehmenden Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und seinem eigenen Anspruch auf Achtung seiner Privatsphäre Einschränkungen in gewissem Umfang hinnehmen muss, soll nicht das vom Gesetzgeber gewollte und in der demokratischen Gesellschaft unverzichtbare Prinzip der Öffentlichkeit des Strafverfahrens ad absurdum geführt werden. Wer den Rechtsfrieden bricht und durch seine Tat Rechtsgüter der Gemeinschaft angreift oder verletzt, muss es auch hinnehmen, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen und damit eben auch und vor allem über die Medien befriedigt wird.3 Damit ist Berichterstattung über Hauptverhandlungen im Strafprozess und die darin ergehenden Entscheidungen prinzipiell zulässig.4 25
Jedoch ist die Frage, ob auch der Name des Verurteilten genannt werden darf, damit noch nicht beantwortet. Auch sie kann im Einzelfall nur als Folge der erforderlichen Güterabwägung beantwortet werden,5 für die der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz gilt, dass die Namensnennung um so eher zulässig ist, desto gravierender die Straftat und desto hervorgehobener die Position des Täters ist.6 Das Recht der Medien, nicht nur über die Straftat und das Urteil, sondern auch über den Täter unter Aufdeckung seiner Identität zu berichten, ist unbestritten, wenn sich ein berechtigtes Informationsinteresse nicht nur auf die Tat, sondern auch auf die Identität des Täters bezieht.7
25a
So fehlt es im Fall von Kleinkriminalität in aller Regel an einem legitimen Interesse der Öffentlichkeit, den Namen des Täters zu erfahren.8 Von der Hauptverhandlung eines Strafrichters über „Schwere Gefechte hinterm _______________
1 Dazu oben § 6 Tz. 4 ff. 2 BVerfG AfP 2001, 48 = NJW 2001, 1633 = ZUM 2001, 220 – Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen. 3 BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I; BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; BGH AfP 2006, 62 = ZUM 2006, 323 = GRUR 2006, 257 = WRP 2006, 261. 4 BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach; OLG Hamm AfP 1988, 258; OLG Hamburg NJW-RR 1991, 990. 5 OLG Düsseldorf AfP 1980, 108. 6 BGH. AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; BGH NJW 1962, 32 = GRUR 1962, 108 – Waffenhandel; OLG Frankfurt/Main NJW 1980, 597; OLG Hamm AfP 1985, 218; OLG Hamburg AfP 1991, 537 = NJW-RR 1991, 990. 7 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; Löffler/ Steffen, § 6 LPG Rz. 205 ff.; Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 192; Lampe, NJW 1973, 217 ff. 8 Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 191.
426
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 25b § 19
Hühnerschuppen“ und deren Ergebnis kann die Lokalpresse die Öffentlichkeit umfassend und gegebenenfalls in humoriger Diktion auch dann hinreichend informieren, wenn sie die Identität der Beteiligten nicht preisgibt.1 Im Fall von Verkehrsdelikten etwa ist eine Berichterstattung unter Namensnennung in der Regel unzulässig, wenn der Täter nicht im öffentlichen Leben steht; hier erstreckt sich das berechtigte Informationsinteresse auf die Tat, nicht aber auf den Täter. Allerdings gilt auch die Regel, dass eine Aufdeckung der Identität von Alltagspersonen im Zusammenhang mit von ihnen begangener Klein- oder Gelegenheitskriminalität nicht statthaft ist, nicht ohne Ausnahme. Mit Recht hat etwa das Oberlandesgericht Braunschweig2 die Klage eines NPD-Angehörigen gegen eine Berichterstattung über seine Verurteilung wegen einer Gewalttätigkeit anlässlich einer von Gegendemonstranten begleiteten NPD-Demonstration mit der Erwägung abgewiesen, dass an der Ausuferung von Demonstrationen gerade der extremen politischen Szene in Gewalttaten ein dringendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, obwohl der Täter keine herausgehobene Funktion innerhalb seiner Partei einnahm. Handelt es sich hingegen bei kleiner oder mittlerer Kriminalität um einen Täter in herausgehobener Position oder besteht zwischen der Tat und der beruflichen oder sozialen Funktion des Täters ein sachlicher Zusammenhang, so wird seine Identifizierung tendenziell eher gestattet sein.3 So wird etwa das Mitglied der Bundes- oder einer Landesregierung, das unter Alkoholeinfluss einen Verkehrsunfall schuldhaft verursacht und anschließend Unfallflucht begeht, einen Bericht der Medien unter Namensnennung hinnehmen müssen. Mit Recht haben daher die Gerichte auch die Berichterstattung über einen Verkehrsverstoß für zulässig erachtet, den der stets im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehende Prinz Ernst August von Hannover dadurch begangen hatte, dass er die auf einer französischen Autobahn zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um ca. 80 km/h überschritten hatte.4 Zutreffend ist auch die Auffassung des Kammergerichts,5 die damalige Ehefrau des Schauspielers Till Schweiger, die ihre Ehe einschließlich der Trennung der Eheleute sowie ihr Familien- und eigenes Unternehmerleben in den Medien umfangreich dargestellt hatte, müsse es hinnehmen, dass die Medien über ihre Verurteilung wegen Fahrens ohne Führerschein berichteten, zumal sie auch als Protagonistin eines neuen, familienfreundlichen PKW aktiv in Erscheinung getreten war; hier ergibt sich das berechtigte Informationsinteresse nicht nur an der Tat, sondern gerade auch an der Identität der Täterin in erster Linie aus der Vorbildfunktion, die sie selbst in ihren eigenen Auftritten in und gegenüber der Öffentlichkeit für sich reklamiert hatte. Unzutreffend war daher die Untersagung der Berichterstattung über ein Drogendelikt eines der Öffent_______________
1 OLG Nürnberg NJW 1996, 530. 2 OLG Braunschweig = ZUM 2005, 77. 3 BGH NJW 1962, 32 = GRUR 1962, 108 – Waffenhandel; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 208. 4 KG AfP 2004, 559 = NJW 2004, 3637 = GRUR 2004, 1059; BGH AfP 2006, 62 = ZUM 2006, 323 = GRUR 2006, 257 = WRP 2006, 261; BVerfG AfP 2006, 354 = NJW 2006, 2835 = ZUM 2006, 747. 5 KG AfP 2008, 409.
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25b
§ 19 Tz. 26
Recht der Darstellung – Einzelfragen
lichkeit als Fernsehkommissar weithin bekannten Schauspielers wegen vermeintlich fehlenden legitimen Informationsinteresses an der Identität des Verurteilten;1 auch aus einer solchen Rolle ergibt sich, wenn sie wie in diesem Fall über längere Zeit gespielt wird, eine Vorbildfunktion, mit der sich gerade jüngere und unkritische Zuschauer leicht identifizieren. 26
Ist die Tat gravierend und die Identität des Täters ohnehin bekannt, weil er in aller Öffentlichkeit gehandelt hat, so stellt aktuelle Berichterstattung unter Namensnennung keinen unzulässigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar.2 Dasselbe gilt im Fall der Selbstbezichtigung3 und dann, wenn zwischen Tat und beruflicher Stellung des Täters wie etwa einer herausgehobenen Position in der öffentlichen Verwaltung ein funktionaler Zusammenhang besteht; so war es zulässig, den Namen des Leiters eines Kriminalkommissariats bekannt zu machen, der im Zusammenhang mit einer Fahndung im Rotlichtmilieu unter Anderem Dienstgeheimnisse an die Verdächtigen weitergegeben und damit den Fahndungserfolg gefährdet hatte und deswegen verurteilt wurde.4 Und es liegt auf der Hand, dass der Funktionszusammenhang zwischen Tat und Beruf des Täters die Identifizierung eines wegen Strafvereitelung verurteilten Rechtsanwalts ohne Weiteres rechtfertigt.5 Ist die Verurteilung zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch nicht rechtskräftig, dann ist darauf allerdings in geeigneter Weise hinzuweisen.6
26a
Bei den so genannten Kapitalverbrechen schließlich tritt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht stets hinter den Informationsanspruch der Öffentlichkeit zurück. Hingegen überwiegt bei straffällig gewordenen Jugendlichen, bei denen der Resozialisierungszweck der Strafe besonderes Gewicht hat, in der Regel der Persönlichkeitsschutz. Diese Wertung ist bereits durch die Entscheidung des Gesetzgebers vorgegeben, Hauptverhandlungen in Strafverfahren gegen Jugendliche einschließlich der Urteilsverkündung unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen. Die Namensnennung von Jugendlichen kann daher nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig sein.7 bb) Zeitliche Beschränkung
27
Das Zurücktreten des aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgenden Anspruchs auf Anonymität gegenüber dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit und der daraus resultierenden Berichterstattungsfreiheit der Medien über strafrechtliche Verurteilungen in den Fällen, in denen über die Person des Verurteilten unter Namensnennung überhaupt berichtet werden darf, findet seine Rechtfertigung unter Anderem darin, dass der Straftäter zum Zeitpunkt der Begehung und Aburteilung seiner Tat in das Bewusstsein der _______________
1 2 3 4
OLG Hamburg AfP 2006, 257 = ZUM-RD 2006, 513; OLG Hamburg ZUM 2008, 63. OLG Oldenburg AfP 1988, 138. OLG Karlsruhe ArchPR 1972, 82. LG Berlin AfP 1998, 418 = NJW-RR 1999, 1253; weitere Beispiele aus der Rechtsprechung unten Tz. 30 ff. 5 OLG München AfP 2003, 438 = NJW-RR 2003, 111 = ZUM-RD 2003, 42. 6 LG Berlin AfP 1998, 418 = NJW-RR 1999, 1253. 7 BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I.
428
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 27b § 19
Öffentlichkeit tritt. Dieses öffentliche Interesse an seiner Person wird aber, sofern nicht andere Umstände hinzutreten, stets vorübergehend sein und mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Verurteilung wieder abnehmen. Versteht man den verurteilten Straftäter unter den oben genannten Voraussetzungen daher als Person im Blickpunkt der Öffentlichkeit,1 so ist er dies doch nicht auf Dauer, sondern stets nur für den Zeitraum, in dem die von ihm begangenen Straftat aktuelle Bedeutung hat; in der von der Rechtsprechung herkömmlicherweise verwendeten Rechtsfigur ist er daher in aller Regel nicht absolute, sondern allenfalls relative Person der Zeitgeschichte.2 Schon hieraus folgt, dass die Berichterstattung über erfolgte strafrechtliche Verurteilungen unter Namensnennung zeitlich nicht schrankenlos zulässig ist. Dabei können allerdings für alle Fälle geltende absolute zeitliche Grenzen nicht gezogen werden.3 In den auch hier erforderlichen Prozess der Abwägung zwischen dem im Grundsatz auch dem verurteilten Straftäter verbleibenden Anspruch auf Respektierung seiner Privatsphäre und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist seit der ersten Lebach-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts4 in verstärktem Maß der Gedanke der Resozialisierung einzubeziehen. Freilich darf diese Feststellung entgegen der Praxis mancher Gerichte nicht dahin gehend missverstanden werden, dass nach Ablauf des dafür im Einzelnen maßgeblichen Zeitraums eine Berichterstattung oder sonstige Erwähnung einer strafrechtlich gesühnten Straftat unter keinen Umständen mehr in Betracht kommt. Nicht selten ergeben sich vielmehr Konstellationen, in denen trotz dieses Umstands die Frage nach der Zulässigkeit einer öffentlichen Diskussion einer früher begangenen Straftat nicht schematisch im Sinn der ersten Lebach-Entscheidung beantwortet werden darf, in denen vielmehr eine erneute Güterabwägung unter Berücksichtigung der dann maßgeblichen tatsächlichen Umstände vorgenommen werden muss. In seiner zweiten Lebach-Entscheidung hat daher das Bundesverfassungsgericht5 ausdrücklich klargestellt, dass mit den in der ersten zu diesem Komplex ergangenen Entscheidung aufgestellten Grundsätzen eine vollständige Immunisierung nicht gemeint war und dass vielmehr ein Abwägungsspielraum verbleiben kann, den wahrzunehmen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gebietet.
27a
Jedenfalls bei solchen Straftätern, die zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, folgt allerdings schon aus dem Resozialisierungszweck der Strafe, dass eine weitere publizistische Behandlung ihrer Tat unter Namensnennung
27b
_______________
1 Zu diesem Begriff unten § 21 Tz. 2 ff. 2 OLG München AfP 1981, 360 – Bayerische Spitzbuben; OLG Hamburg AfP 1991, 537 = NJW-RR 1991, 990; OLG Hamburg AfP 1994, 232 = NJW-RR 1994, 1439. 3 BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I; OLG Hamburg AfP 1991, 537 = NJW-RR 1991, 990; OLG Hamm AfP 1988, 258; OLG Köln AfP 1986, 347; OLG München AfP 1981, 360 – Bayerische Spitzbuben; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 211; Wenzel/ Burkhardt, Kap. 10 Rz. 200 ff. 4 BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I. 5 BVerfG AfP 2000, 160 = NJW 2000, 1859 = ZUM-RD 2000, 55 – Lebach II; so auch BVerfG NJW-RR 2007, 1340 = WM 2007, 1001.
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§ 19 Tz. 27c
Recht der Darstellung – Einzelfragen
in der Regel nicht mehr zulässig ist, sobald sie ihre Haftstrafe verbüßt haben.1 Solange sich ein verurteilter Täter aber noch in Haft befindet und seine Haftentlassung auch nicht abzusehen ist, ist eine Gefährdung seiner Resozialisierung durch identifizierende Berichterstattung als gering anzusehen und daher in der Regel ein Veröffentlichungsverbot noch nicht zu rechtfertigen; dies gilt insbesondere dann, wenn der Betroffene durch eigene Maßnahmen dazu beiträgt, dass sein Name und seine Verurteilung im Bewusstsein der Öffentlichkeit bleiben.2 Die Haftentlassung eines Straftäters wird hingegen in der Regel kein berechtigter Anlass zur erneuten Berichterstattung über die dann meist schon lange zurück liegende Tat sein, zumal dies der Zeitpunkt ist, zu dem sich der Resozialisierungsgedanke in der Praxis bewähren und der Betroffene die Chance auf einen unbelasteten Neubeginn erhalten muss.3 Allerdings kann im Wege der auch in diesem Zusammenhang gebotenen Güterabwägung anders zu entscheiden sein, wenn eine außergewöhnliche Konstellation dies gebietet. Das haben insbesondere die Berliner Gerichte im Hinblick auf den historischen Stellenwert des gesamten RAF-Komplexes mit Recht angenommen im Zusammenhang mit Medienberichten über die bevorstehende Haftentlassung rechtskräftig verurteilter Straftäter aus dieser Gruppe4 oder auch der Teilnahme eines entlassenen Täters an einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung.5 27c
Auch die Tilgung einer Strafe aus dem Strafregister wird von der Rechtsprechung als eine Zäsur angesehen, jenseits deren jedenfalls über eine früher verhängte Freiheitsstrafe im Regelfall nicht mehr berichtet werden darf.6 Richtigerweise wird man aber auch aus ihr keine absolute Sperrwirkung gegen die spätere Erwähnung der Tat aus begründetem Anlass ableiten können.7 Steht eine Durchbrechung dieser Regel zur Diskussion und erwägen die Medien die öffentliche Erwähnung einer früher begangenen Straftat aus aktuellem Anlass, dann handelt es sich bei der Straftilgung aber jedenfalls um ein wesentliches Kriterium, das bei der Güterabwägung in Rechnung zu stellen ist.8 Das Kammergericht9 hat dennoch mit Recht entschieden, dass die Erwähnung einer schon zwanzig Jahre zurückliegenden und inzwischen getilgten Vorstrafe wegen Teilnahme an einer blutigen Schießerei aus Anlass der neuerlichen Verhaftung des Betroffenen wegen eines in demselben Milieu angesiedelten Delikts von diesem hinzunehmen war. Und die Berichterstattung über ein _______________
1 BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I; OLG Hamburg AfP 1976, 137 – Banklady: OLG München AfP 1981, 360 – Bayerische Spitzbuben; OLG Hamm AfP 1988, 258; OLG Hamburg AfP 1991, 537 = NJW-RR 1991, 990; OLG Hamburg AfP 1994, 232 = NJW-RR 1994, 1439; OLG Hamburg AfP 2007, 228. 2 OLG Hamburg AfP 2008, 95 = ZUM-RD 2008, 232. 3 OLG München AfP 2007, 136; OLG Frankfurt/Main ZUM 2007, 546; OLG Köln AfP 2007, 126. 4 KG AfP 2008, 396 = NJW-RR 2008, 1625; KG AfP 2007, 376 = NJW-RR 2008, 492; LG Berlin AfP 2007, 282. 5 LG Berlin AfP 2008, 222. 6 OLG Köln AfP 1975, 866; BVerfG AfP 1993, 478 = NJW-RR 1993, 1463. 7 BVerfG AfP 2000, 160 = NJW 2000, 1859 = ZUM-RD 2000, 55 – Lebach II; BVerfG NJW 2006, 1865; OLG Frankfurt/Main NJW 1976, 1410; LG Köln AfP 1992, 83. 8 BVerfG NJW 2006, 1865. 9 KG AfP 1992, 302.
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Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 27e § 19
Vermögensdelikt mit einem überdurchschnittlichen angerichteten Schaden ist auch Jahre nach Verbüßung der Haft durch den Täter zulässig, wenn er sich um einen Auftrag der öffentlichen Hand bemüht.1 Zu weit geht es daher, wenn das Oberlandesgericht Köln2 in einem Fall, in dem im Zusammenhang mit der Bewerbung des Betroffenen um den Posten eines Leiters der Kriminalpolizei eine elf Jahre zurückliegende und inzwischen getilgte Verurteilung wegen eines Ladendiebstahls erwähnt wurde, sogar von einer Verletzung der Menschenwürde spricht. Bei Straftätern, die keine Freiheitsstrafe haben verbüßen müssen, kann der Zeitraum zulässiger Berichterstattung unter Namensnennung im Einzelfall sehr viel kürzer sein als im Fall der Verurteilung zu Freiheitsstrafen. Im Schrifttum3 ist zwar insoweit eine Frist von nur sechs Monaten vorgeschlagen worden. Jedoch ist es auch in diesem Zusammenhang nicht möglich, ohne klare gesetzliche Grundlage mit starren Fristen zu operieren.4 Auch für diesen Komplex gilt das aus der ersten Lebach-Entscheidung5 abgeleitete Gebot der Respektierung des Resozialisierungsgedankens durch die Medien nicht schematisch und nicht ohne Ausnahmen.6 So kann etwa die Tatsache, dass der Bewerber um die Position eines Gerichtsvollziehers vor wenigen Jahren wegen Unterschlagung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, für die Beurteilung der Frage, ob er für den Posten geeignet ist, durchaus von Bedeutung sein, und die Öffentlichkeit wird einen Anspruch darauf haben zu erfahren, dass einschlägige Bedenken bestehen. Im Wege der Abwägung kann sich daher auch hier ein sehr viel längerer Zeitraum für zulässige Berichterstattung dann ergeben, wenn zwischen der früheren Verurteilung und dem aktuellen Anlass der Berichterstattung ein Funktionszusammenhang besteht.7
27d
So werden die Medien etwa eine bereits viele Jahre zurückliegende Verurteilung wegen Wahlfälschung erneut erwähnen dürfen, wenn der Betroffene im Rahmen einer Kommunalwahl zum Wahlleiter ernannt werden soll. Ist der Geschäftsführer eines in einen betrügerischen Bankrott verwickelten Unternehmens bereits früher wegen einer entsprechenden Tat verurteilt worden, so darf darüber aus Anlass seiner erneuten Verurteilung wieder berichtet werden, auch wenn die Berichterstattung über den abgeschlossenen Vorgang in den dazwischen liegenden Jahren unzulässig war. Die Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt,8 in einem solchen Fall dürften zwar das Unternehmen und der Geschäftsführer, letzterer aber nicht unter seinem Namen genannt werden, ist inkonsequent und schon deswegen abzulehnen, weil ein Geschäftsführer über seine Funktion ohnehin identifizierbar ist und im Fall der Ano-
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BVerfG NJW-RR 2007, 1340. OLG Köln NJW-RR 1993, 31; BVerfG AfP 1993, 478 = NJW-RR 1993, 1463. Lampe, NJW 1973, 217 (222); kritisch mit Recht Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 201. Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 200. BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I. Oben Tz. 27a. OLG Hamburg AfP 1991, 537 = NJW-RR 1991, 990; OLG Hamburg AfP 1994, 232 = NJW-RR 1994, 1439; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1995, 476; Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 205. 8 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1995, 476.
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§ 19 Tz. 28
Recht der Darstellung – Einzelfragen
nymisierung ein ungerechtfertigter Verdacht auf andere Geschäftsführer des selben Unternehmens fallen kann. 28
Die Rechtsprechung legt insgesamt kritische Maßstäbe an. So reichte die Tatsache, dass drei Jahre nach der Verurteilung eines zum Zeitpunkt der Tat noch jugendlichen Straftäters ein weiterer, zunächst unentdeckter Tatbeteiligter gefasst wurde, nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm1 als berechtigter Anlass zur Berichterstattung über diese Straftat unter Nennung des Namens des bereits Verurteilten nicht aus, wenngleich die Tat als solche aus diesem Anlass erneut Gegenstand eines Informationsbedürfnises der Öffentlichkeit war. Das Oberlandesgericht Hamburg hat im Rahmen einer Artikelserie über „Mörder, die man nie vergisst“, die namentliche Erwähnung eines Manns, der als vierfacher Frauenmörder Kriminalgeschichte geschrieben hatte, 13 Jahre nach der Verurteilung ebenso als unzulässig angesehen2 wie die Erwähnung des selben Manns aus Anlass der von ihm beantragten vorzeitigen bedingten Haftentlassung im Rahmen eines Artikels über Jahrhundert-Mordfälle,3 beide Entscheidungen aber in einem Urteil aus jüngster Zeit4 dahingehend relativiert, dass sie vom Resozialisierungsgedanken getragen seien, weil die Haftentlassung des Betroffenen nicht mehr allzu fern gewesen sei. Hätte derselbe Mann jedoch nach der Haftentlassung erneut eine vergleichbare Tat begangen, wären die Medien zur Berichterstattung auch über die früheren Taten berechtigt gewesen.5 Und führende Politiker, die über Jahrzehnte im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, müssen es auch unter Berücksichtigung ihres Anspruchs auf Respektierung ihrer Privatsphäre hinnehmen, wenn die Medien die Öffentlichkeit aus aktuellem Anlass immer wieder an ihre frühere Verwicklung in politische oder finanzielle Skandale und deren Aufarbeitung in gerichtlichen Verfahren erinnern. Gleiches gilt wegen der Bedeutung dieser Fälle für das Bewusstsein der Bevölkerung und die deutsche Geschichte für die Täter nationalsozialistischer Gewaltverbrechen6 sowie verurteilte RAF-Terroristen,7 die ihre Namensnennung im Zusammenhang mit der Darstellung ihrer Taten auch noch nach Jahrzehnten hinnehmen müssen, sofern sich spezifische Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht aus der Art der Darstellung ergeben.
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Eine weitere Einschränkung des als Lebach-Doktrin zu bezeichnenden Schutzes verurteilter Straftäter gegen Medienberichterstattung über sie und ihre Taten ist als Folge der in den letzten Jahren stark fortgeschritten Digitalisierung und Archivierung der Inhalte von Printmedien geboten. Nachdem inzwischen vermutlich alle, jedenfalls aber nahezu alle deutschen Printmedien, aber auch die Rundfunkmedien dazu übergegangen sind, ihre Inhalte in _______________
1 OLG Hamm AfP 1988, 258. 2 OLG Hamburg AfP 1991, 537 = NJW-RR 1991, 990; a.A. mit Recht insoweit Löffler/ Steffen, § 6 LPG Rz. 211. 3 OLG Hamburg AfP 1994, 232 = NJW-RR 1994, 1439. 4 OLG Hamburg AfP 2008, 95 = ZUM-RD 2008, 232. 5 KG AfP 1992, 302. 6 OLG Frankfurt/Main NJW 1980, 597: Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 211. 7 KG AfP 2008, 396 = NJW-RR 2008, 1625; KG AfP 2007, 376 = NJW-RR 2008, 492; LG Berlin AfP 2007, 282.
432
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 29a § 19
Online-Archive einzustellen und diese einem breiten Publikum, häufig unentgeltlich, manchmal aber auch gegen Entgelt zugänglich zu machen, drohen aus der Sicht der Betroffenen und häufig auch ihrer Anwälte Verletzungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts dadurch, dass die Öffentlichkeit Zugriff auf Berichte über ihre Straftaten hat, die zum Zeitpunkt ihrer originären Veröffentlichung rechtmäßig waren, deren neuerliche Veröffentlichung aber nach den dargestellten Grundsätzen unzulässig wäre. Die Rechtsprechung zu der durch diese Konstellation aufgeworfenen Problematik ist uneinheitlich. Während die Hamburger Gerichte1 in der Tatsache, dass die Betreiber der OnlineArchive deren Inhalte zur Einsichtnahme durch die Öffentlichkeit bereit stellen, eine Art perpetuierter Veröffentlichung sehen und sie für verpflichtet halten, ihre Archive ständig darauf hin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang ursprünglich rechtmäßige Berichterstattung durch Zeitablauf unrechtmäßig wird, und aus dieser These Unterlassungs- und Löschungsansprüche ableiten, sehen die Gerichte in Berlin,2 Frankfurt,3 Köln4 und München5 in diesen Publikationsformen kein selbständiges Behaupten oder Verbreiten und damit auch keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Während diese Kontroverse im Ergebnis durch den Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht wird entschieden werden müssen, kann die insoweit ausstehende höchstrichterliche Klärung nur im Sinn der Archivierungsfreiheit ausfallen, sofern der Nutzer Zugriff auf die Originalseiten der einschlägigen Berichte erhält, die den Erstveröffentlichungszeitraum erkennen lassen, oder die Betreiber der Online-Archive dies auf sonstige Weise sicher stellen. Denn nur die Rechtsprechung, die in dieser Publikationsform keine eigenständige Rechtsverletzung sieht, wird dem Umstand gerecht, dass sich aus der ersten Lebach-Entscheidung Bundesverfassungsgerichts6 eben gerade keine absolute Veröffentlichungsschranke ableiten lässt, dass es hier um die Archivierung rechtmäßiger Berichterstattung und deren Nutzung durch die Öffentlichkeit geht, mit der die archivierenden Medien ein eigenes und von der Erstberichterstattung unabhängiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit an den durch frühere Medienberichterstattung dokumentierten historischen und kulturellen Zusammenhängen befriedigen,7 dass die Intensität der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen durch den stets nur punktuellen Abruf der archivierten Informationen mit derjenigen durch die Verbreitung der Erstmitteilungen nicht annähernd vergleichbar ist und dass es in Anbetracht der Fülle des anfallenden Materials eine mit der Gewährleistung der Medienfreiheiten durch Art. 5 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende _______________
1 OLG Hamburg NJW 2008, 775 = MMR 2008, 377; OLG Hamburg ZUM 2009, 232; LG Hamburg AfP 2008, 226 = NJW-RR 2009, 120; ähnlich LG Düsseldorf AfP 2007, 162; Versweyen/Schulz, AfP 2008, 133. 2 KG AfP 2001, 337; AfP 2006, 561; AfP 2008, 74. 3 OLG Frankfurt/Main AfP 2006, 569 = NJW 2007, 1366 = ZUM 2007, 139; AfP 2006, 570; AfP 2006, 571 = NJW-RR 2007, 988; ZUM 2007, 915; AfP 2008, 621. 4 OLG Köln AfP 2007, 126. 5 OLG München AfP 2008, 618. 6 BVerfG AfP 2000, 160 = NJW 2000, 1859 = ZUM-RD 2000, 55 – Lebach II. 7 BVerfG NJW 1982, 633 = GRUR 1982, 45; OLG Köln AfP 2007, 126.
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29a
§ 19 Tz. 30
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Belastung der Betreiber der Archive wäre, wollte man sie, wie die Hamburger Gerichte, verpflichten, die von ihnen archivierten Inhalte ständig auf deren jeweils aktuelle Vereinbarkeit mit sich inhaltlich verändernden Rechten Dritter zu überprüfen. e) Ermittlungsverfahren 30
Im Grenzbereich zwischen der Vermittlung wahrer und möglicherweise unwahrer Tatsachenbehauptungen angesiedelt und mit erheblichen Problemen verbunden ist die Medienberichterstattung über anhängige, noch nicht abgeschlossene Ermittlungsverfahren. In der öffentlichen Diskussion fällt in diesem Zusammenhang nicht selten das der Sache nach nicht immer gerechtfertigte Schlagwort der so genannten Vorverurteilung durch die Medien.1 Ähnlich wie in den Fällen der Verdachtsberichterstattung2 mischen sich hier Elemente der Übermittlung nachweislich wahrer und möglicherweise unwahrer Tatsachenbehauptungen insbesondere deswegen, weil die Medien sich bei ihrer Berichterstattung über anhängige Ermittlungsverfahren in der Regel auf nachweislich zutreffende Primärquellen wie Auskünfte der Ermittlungsbehörden, der beteiligten Anwälte oder ihnen zugängliche Aktenbestandteile stützen, die Frage, ob der Inhalt der betreffenden Informationen als solcher zutrifft, in der Regel aber vor Abschluss der Verfahren noch nicht beweiskräftig entschieden ist und von den Medien mit presseüblicher Sorgfalt auch nicht geprüft werden kann.
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Das Risiko nachhaltiger Verletzung der Rechte Betroffener ist daher beträchtlich. Niemandem, dem in der Öffentlichkeit zu Unrecht die Begehung eines Kapitalverbrechens nachgesagt wird, nützt die Feststellung, dass die Medien dabei nur amtliche Auskünfte der Ermittlungsbehörden weitergegeben haben, und der alte Satz semper aliquid haeret hat in diesem Bereich besondere Bedeutung.3 Andererseits liegt es auf der Hand, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hat, auch über Ermittlungsverfahren jedenfalls dann unterrichtet zu werden, wenn die Unterrichtung über Verurteilungen ihrerseits zulässig wäre, und dass die Medien mithin auch insoweit den ihnen durch die Landespressegesetze zugewiesenen Informationsauftrag zu erfüllen haben. Dabei ergibt sich jedoch schon aus den allgemeinen Grundsätzen der Verbreiterhaftung,4 dass es sich bei der Weitergabe von den Ermittlungsorganen ausgesprochener Verdächtigungen oder Beschuldigungen zwar nicht um Eigenmeldungen der Medien, sondern um Behauptungen oder Vermutungen Dritter handelt, dass die Medien aber für deren Inhalt aufgrund ihrer Mitwirkung bei der Verbreitung haften können. Entsprechend hoch sind die Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Zulässigkeit der Bekanntgabe von Ermittlungsergebnissen durch die Medien und an deren Sorgfaltspflicht vor Abschluss der Verfahren stellt. Die Medien sind sich der daraus resultierenden gesteigerten _______________
1 Dazu grundsätzlich C. H. Soehring, S. 19 ff., 41 ff.; Nothelle, AfP 1985, 18; Kohl, AfP 1985, 102; Soehring, GRUR 1986, 518 ff. 2 Oben § 16 Tz. 23 ff. 3 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung. 4 Dazu oben § 16 Tz. 10 ff.
434
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 33 § 19
Verantwortung im Prinzip bewusst. Ziffer 13 des Pressekodex des Deutschen Presserats1 bringt dies deutlich zum Ausdruck: „Die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse.“
Trotz der besonderen Eignung von Berichten über anhängige Ermittlungsverfahren unter Namensnennung, im Fall ihrer Fehlerhaftigkeit oder Nichterweislichkeit Rechte der Beschuldigten zu beeinträchtigen, ist jedoch auch die Berichterstattung über die Einleitung und Durchführung von Ermittlungsverfahren nicht etwa prinzipiell unzulässig, sofern die Medien zugleich die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung2 beachten. Auch Straftaten gehören zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe und Recht der Medien ist. Bei aktueller Berichterstattung über Straftaten von Gewicht hat daher das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im Allgemeinen Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht des Täters.3 Abbildung, Namensnennung oder sonstige Identifizierung des Täters oder Verdächtigen sind daher vom Grundsatz her zulässig. Erforderlich ist aber auch in diesem Zusammenhang eine Güterabwägung unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.4 Dabei ist die durch Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Konvention der Menschenrechte gesicherte Unschuldsvermutung als Interpretationsstandard zu berücksichtigen, wenngleich diese Vorschrift in der Bundesrepublik Deutschland zwar als einfaches Bundesrecht5 gilt, sich aber nur an die Träger staatlicher Gewalt wendet und daher auf Medienberichterstattung nicht unmittelbar anwendbar ist.6 Dennoch hat unter dem Eindruck der Fortentwicklung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in den letzten Jahrzehnten der Deutsche Presserat im Pressekodex die grundsätzliche Geltung der Unschuldsvermutung auch für die Presse anerkannt und damit ihre Berücksichtigung im Rahmen der Güterabwägung jedenfalls zur Standespflicht der Presse erhoben.
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Entgegen einer in der Rechtsprechung zunehmend vertretenen Auffassung7 ist es allerdings nicht zulässig und im Interesse eines sachgerechten Schutzes der Betroffenen auch nicht erforderlich, die Unschuldsvermutung in den Rang einer gesonderten Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit absoluter Geltung zu erheben. Legitime Berichterstattung wird durch diese Auffassung in unzulässiger und unzumutbarer Weise beeinträchtigt.8 Sie führt zu dem abstrusen, in der Medienpraxis aus Furcht vor rechtlichen Sanktionen
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Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008, S. 148 ff. Dazu im Einzelnen oben § 16 Tz. 23 ff. BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I. BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1226 – Lebach I; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 207. C. H. Soehring, S. 43 f. m.w.N. Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 205; Soehring, GRUR 1986, 518; a.A. u.a. C. H. Soehring, S. 56 ff., 63 m.w.N.; Lampe, NJW 1973, 217. 7 OLG Köln AfP 1987, 705 = NJW 1987, 2682; OLG Köln AfP 1989, 684; OLG Braunschweig AfP 1981, 29; C. H. Soehring, S. 56 ff., 63. 8 So auch BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; die Unschuldsvermutung bindet die Medien jedenfalls dann nicht, wenn sie die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung einhalten; dazu oben § 16 Tz. 23 ff. und unten Tz. 34 ff.
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§ 19 Tz. 34
Recht der Darstellung – Einzelfragen
dennoch nicht selten zu beobachtenden Ergebnis, dass auch der Geiselnehmer, der sein Verbrechen vor laufenden Fernsehkameras begeht, nach seiner Festnahme als mutmaßlicher Täter zu bezeichnen wäre; Gleiches würde selbst für den geständigen Täter gelten, solange die Tat nicht rechtskräftig abgeurteilt ist, und damit zu einem Formalismus führen, der die Unschuldsvermutung dort, wo sie angebracht ist, in den Augen des Publikums nur entwertet.1 Als Interpretationsstandard für die Ermittlung der Tragweite des Persönlichkeitsschutzes allerdings werden die Medien die Unschuldsvermutung bei der Abwägung zwischen ihrem Informationsstreben und den Persönlichkeitsrechten der Beschuldigten in der Regel nicht außer Acht lassen dürfen.2 34
Unter Berücksichtigung der allgemein zur Verdachtsberichterstattung dargestellten Grundsätze3 ist daher auch in diesem Zusammenhang jeweils eine Güterabwägung anhand aller Umstände des konkreten Falls erforderlich.4 Dabei ist in die Abwägung stets auch die soziale Funktion des Beschuldigten und gegebenenfalls der Sachzusammenhang zwischen ihr und der Tat einzustellen, wegen deren ermittelt wird. Über Ermittlungsverfahren gegen Regierungsmitglieder oder sonstige Funktionsträger in den Schaltzellen der Macht wird unter Namensnennung eher berichtet werden dürfen als bei Verfahren gegen jemanden, er in der Öffentlichkeit keine herausragende Position einnimmt.5 Auch kann, wie in sonstigen Fällen des Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht auch, berücksichtigt werden, dass sich ein Beschuldigter gegebenenfalls selbst gegenüber der Öffentlichkeit zu der Beschuldigung eingelassen hat. Äußert er sich etwa über seinen Verteidiger gegenüber der Presse, dann ist er gegen identifizierende Berichterstattung über den Inhalt eines gegen ihn erhobenen strafrechtlich relevanten Vorwurfs nicht mehr geschützt.6 Und wer sich gegenüber der Öffentlichkeit selbst brüstet, ein Unterweltkönig zu sein, muss es hinnehmen, dass über seine Festnahme wegen des Verdachts des Rauschgifthandles und -schmuggels in Wort und Bild berichtet wird.7
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Keine Probleme ergeben sich dabei, wenn die Begehung einer bestimmten Straftat einschließlich der Identität des Täters fest- und nur noch die verfahrensmäßige Bewältigung der Folgen aussteht, wie etwa bei Geiselnahmen, Banküberfällen oder sonstigen Fällen, in denen der Täter auf frischer Tat ertappt oder die Tat gefilmt wurde und der wesentliche objektive Geschehensablauf feststeht. Die Zulässigkeit von Berichterstattung unter Namensnennung ist dann nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, die im Rahmen bereits abgeschlossener Strafverfahren gelten,8 allerdings mit der Maßgabe, _______________
1 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 210 a.E.; hierzu C. H. Soehring, S. 67 f., 82 ff. 2 EGMR NJW 2006, 1645; EGMR NJW 2008, 3412; OLG Köln AfP 1987, 705 = NJW 1987, 2682; OLG Köln AfP 1989, 684; Lampe, NJW 1973, 217; Soehring, GRUR 1986, 518. 3 Oben § 16 Tz. 23 ff. 4 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 207. 5 Vgl. auch EGMR NJW 2008, 3412. 6 LG Berlin AfP 2003, 559 = NJW-RR 2003, 552 = ZUM-RD 2003, 592. 7 KG NJW-RR 2007, 345 = ZUM-RD 2006, 378 = GRUR-RR 2007, 126. 8 Oben Tz. 24 ff.
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Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 34b § 19
dass die Behauptung nicht aufgestellt und der Eindruck nicht erweckt werden darf, als sei der Täter bereits verurteilt.1 Ist also die Tat von einigem Gewicht oder besteht an der Identität des überführten, aber noch nicht verurteilten Täters im Hinblick auf dessen soziale Stellung ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit, so darf darüber zeitnah berichtet werden. Ist, wie etwa in den Parteispendenverfahren der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, der objektive Tatbestand geklärt, dessen rechtliche Bewertung aber vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens umstritten, so gilt dasselbe; dabei gilt zugunsten der Medien der Grundsatz, dass rechtliche Bewertungen feststehender Sachverhalte in aller Regel als Meinungsäußerungen durch das Grundrecht der Pressefreiheit gedeckt sind.2 Die Behauptung etwa, ein noch nicht Verurteilter habe Steuerhinterziehung begangen, wird in solchen Fällen umstrittener rechtlicher Bewertungen feststehender Sachverhalte unzulässig sein, die Meinung hingegen, der festgestellte Sachverhalt erfülle den Tatbestand der Steuerhinterziehung, zulässigerweise in den Medien verbreitet werden dürfen. Steht dagegen die Begehung der Straftat oder die Identität des Täters noch nicht fest, gehen die Ermittlungsbehörden stattdessen nur von einem diesbezüglichen Verdacht aus, dann ist unter Berücksichtigung der Unschuldsvermutung als Interpretationsstandard anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Falls zu prüfen, ob die namentliche Erwähnung des Verdächtigten zulässig ist. Das ist stets der Fall, wenn gerade hinsichtlich der Identität des in einen bestimmten Verdacht Geratenen ein öffentliches Informationsinteresse besteht. Davon ist etwa im Fall der Einleitung und Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Angehörige der Parlamente von Bund und Ländern nach Aufhebung ihrer Immunität oder gegen Funktionsträger in der Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen ohne Weiteres auszugehen.3 An der Identität der Person des Verdächtigen besteht aber auch im Fall eines Wirtschaftsjournalisten ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, der sich als Sachwalter von Kapitalanlegern einen Namen gemacht hat und dem im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Vorwurf gemacht wird, er arbeite im eigenen wirtschaftlichen Interesse mit denjenigen Anlagevermittlern zusammen, deren Angebote er in seinen Publikationen vermeintlich kritisch beleuchtet.4 Gleiches gilt für Rechtsanwälte, denen eine Straftat vorgeworfen wird, die mit ihrer beruflichen Tätigkeit in einem Funktionszusammenhang steht,5 oder einen prominenten Psychologen, der zu den oberen Gesellschaftsschichten seiner Kommune gehört und als fachlich anerkannter Gutachter einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt, wenn ihm im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens vorgeworfen wird, er habe über einen _______________
1 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; C. H. Soehring, S. 83. 2 BGH AfP 1982, 217 = NJW 1982, 2246 = GRUR 1982, 631 – Klinikdirektoren; oben § 14 Tz. 22 f. 3 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung. 4 OLG Düsseldorf AfP 1995, 500. 5 OLG München AfP 2003, 438 = NJW-RR 2003, 111 = ZUM-RD 2003, 42; OLG Karlsruhe AfP 2006, 72 = NJW 2005, 2400 = ZUM-RD 2005, 452; OLG Karlsruhe AfP 2006, 262 = ZUM 2006, 571.
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34b
§ 19 Tz. 35
Recht der Darstellung – Einzelfragen
längeren Zeitraum Patientinnen misshandelt.1 Sind derart Verdächtige in ihrer Berufsausübung mit Anderen in Sozietät oder Praxisgemeinschaft verbunden, dann haben die Medien aber eine besondere Verantwortung klarzustellen, dass ein Ermittlungsverfahren gegebenenfalls nur einen der Partner und nicht alle von ihnen betrifft.2 Zulässig ist auch die Berichterstattung unter Namensnennung im Fall eines wegen eines anderen Vermögensdelikts rechtskräftig verurteilten und inhaftierten Straftäters, gegen den ein Ermittlungsverfahren wegen erneuter Vermögensdelikte eröffnet wird. 35
Unabhängig von der Prominenz des Verdächtigten ist die Berichterstattung unter Namensnennung im Stadium des Ermittlungsverfahrens nach einer von der Rechtsprechung entwickelten Formel zulässig, wenn es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt und ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegt, der für den Wahrheitsgehalt der Information spricht und ihr damit erst Öffentlichkeitswert verleiht.3 Zulässig ist diese Art der Berichterstattung auch, wenn die Mitteilung über die Person des Tatverdächtigen geeignet ist, zur Aufklärung beizutragen, und bereits ein nicht unbeträchtlicher konkreter Tatverdacht vorliegt.4 In der Regel muss aber in diesen Fällen der Ermittlungsstand zutreffend wiedergegeben werden, was eine Darstellung der Position des Betroffenen einschließt.5
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Keinesfalls reicht die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als solche zur Rechtfertigung der Veröffentlichung eines gegen eine bestimmte Person bestehenden Tatverdachts aus, da die Ermittlungsbehörden auch auf völlig unbegründete, unter Umständen wider besseres Wissen in Schädigungsabsicht erstattete Strafanzeigen hin tätig werden müssen. Erforderlich ist daher in jedem Fall der Berichterstattung über eingeleitete Ermittlungsverfahren das Vorliegen eines Mindestbestands an Tatverdacht,6 der freilich noch nicht die Qualität eines für den Erlass eines Haftbefehls oder für die Anklageerhebung erforderlichen dringenden Verdachts haben muss. Und wo nach den dargestellten Grundsätzen die Bekanntgabe eines noch nicht endgültig abgesicherten Verdachts durch die Medien zulässig ist, müssen diese im Interesse des Betroffenen jede Darstellung vermeiden, durch die dem Leser, Hörer oder Zuschauer der Eindruck vermittelt wird, als stehe das Ergebnis der Ermittlungen bereits fest und habe sich der Verdacht zur Gewissheit erhärtet.7 Unzutreffend ist es allerdings, wenn das Kammergericht8 die Auffassung vertreten hat, eine Persönlichkeitsrechtsverletzung liege in einem Fall der zunächst unzulässigen Berichterstattung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auch dann noch vor, wenn sich nachträglich die Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses bestätigt hat und der Betroffene deswegen verurteilt worden ist. _______________
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OLG München AfP 1997, 636 = NJW-RR 1996, 1487 – Sex-Papst. OLG Karlsruhe AfP 2006, 72 = NJW 2005, 2400 = ZUM-RD 2005, 452. BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung. OLG Frankfurt/Main NJW 1971, 47. OLG Köln AfP 1989, 683; OLG Düsseldorf NJW 1980, 599; OLG München AfP 1997, 636 = NJW-RR 1996, 1487 – Sex-Papst. 6 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; Löffler/ Steffen, § 6 LPG Rz. 209. 7 OLG Köln AfP 1987, 705; OLG Köln AfP 1989, 683; OLG Düsseldorf NJW 1980, 599. 8 KG NJW 1968, 1969.
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Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 38 § 19
Wie im Fall erfolgter Verurteilungen ist in die im Einzelfall erforderliche Güterabwägung auch die zeitliche Komponente mit einzubeziehen. So kann es nicht zweifelhaft sein, dass jedenfalls im Regelfall die Berichterstattung über ein bestimmtes Ermittlungsverfahren einen rechtswidrigen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellt, wenn es mangels Tatverdachts oder gar wegen erwiesener Unschuld endgültig eingestellt worden ist;1 neue Erkenntnisse, die dazu führen, dass das Verfahren wieder aufgenommen wird, oder die spätere Begehung der Straftat durch den Betroffenen, die ihm im ersten Fall nicht hat nachgewiesen werden können, mögen dann auch zu einer neuen Beurteilung der Statthaftigkeit von Berichterstattung über das frühere Verfahren führen. Unzulässig wird weitere Berichterstattung in der Regel auch, wenn ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren mit einer Anklageerhebung geendet hat und der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen worden ist. Hier kann der von einem Ermittlungsverfahren Betroffene unter persönlichkeitsrechtlichen Aspekten nicht schlechter gestellt sein als der rechtskräftig Verurteilte.2 In den nicht ganz seltenen Fällen schließlich, in denen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und rechtmäßig darüber berichtet wird, in denen die Ermittlungen aber nicht oder nur schleppend vorangehen und sich das Verfahren dementsprechend lange hinzieht, muss in der Regel dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen größeres Gewicht eingeräumt werden als dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, wenn erneute Berichterstattung der Medien nicht durch neue Ereignisse oder jedenfalls Erkenntnisse veranlasst ist, sondern ausschließlich oder überwiegend durch das Interesse daran, die Tatsache der Anhängigkeit des Ermittlungsverfahrens und damit des Fortbestehens eines Verdachts gegen den Betroffenen im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu halten.
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Soweit die Ermittlungsbehörden den Medien bestimmte Erkenntnisse aus dem Verfahren mitteilen, handelt es sich um privilegierte Quellen, auf deren Richtigkeit die Medien in der Regel vertrauen dürfen.3 Das gilt auch für Aufforderungen zur Veröffentlichung von Fahndungsaufrufen. Veröffentlichen die Medien derartige Erkenntnisse oder Aufrufe in sachlich zutreffender Weise, ohne insbesondere den bestehenden Verdacht zu einer noch nicht existenten Gewissheit zu erhöhen, dann handeln sie, sofern an der Identität des Verdächtigten nach den dargestellten Grundsätzen ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, in der Regel in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Sie können dann auf Schadenersatz nicht und auf Unterlassung nur im Fall des Nachweises einer besonderen Wiederholungsgefahr und festgestellter Unwahrheit in Anspruch genommen werden.4 In Betracht kommt in solchen Fällen aber eine Haftung der Ermittlungsbehörden selbst unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB, sofern sie
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1 KG NJW 1989, 397; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 211. 2 OLG Dresden AfP 1998, 410; OLG Brandenburg NJW-RR 2003, 919. 3 OLG Braunschweig AfP 1975, 913; OLG Karlsruhe AfP 1993, 586 = NJW-RR 1993, 723; vgl. auch BGH AfP 1971, 76 = NJW 1971, 698 = GRUR 1972, 97 – Pariser Liebestropfen; OLG Hamburg AfP 1977, 351; OLG Hamburg NJW 1980, 842; LG Oldenburg AfP 1988, 79; OLG Hamm NJW 1993, 1209 = GRUR 1993, 154; LG Berlin AfP 2008, 530; LG Berlin AfP 2008, 636; vgl. auch oben § 2 Tz. 21b. 4 Dazu unten § 32 Tz. 3; § 30 Tz. 10.
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§ 19 Tz. 39
Recht der Darstellung – Einzelfragen
die sie treffenden Verpflichtungen vor Information der Medien und insbesondere vor der Ausschreibung von Fahndungsaufrufen nicht beachtet haben.1 Gleiches kann auch und insbesondere dann gelten, wenn die Ermittlungsbehörden die Medien über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens unterrichten und dabei ihrerseits die dargestellten Abwägungskriterien und insbesondere die Tatsache nicht hinreichend beachten, dass zum Zeitpunkt der Unterrichtung ein Tatverdacht, der diese Maßnahme rechtfertigen konnte, noch nicht bestand.2 4. Sozial- und Öffentlichkeitssphäre 39
Mit den Begriffen der Sozial- bzw. Öffentlichkeitssphäre werden diejenigen Bereiche menschlichen Lebens und menschlicher Betätigung bezeichnet, die sich außerhalb der Privat- oder gar der Intimsphäre in oder vor einer eingeschränkten oder unbeschränkten Öffentlichkeit abspielen.3 Auch in diesen Bereichen sind Personen oder Institutionen gegen wahre Medienberichterstattung keineswegs schutzlos, ist aber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Einzelnen ein tendenziell größeres Gewicht zuzuerkennen.4
40
Das gilt vor allem für die eigentliche Öffentlichkeitssphäre, in der in der Regel keine Schranken für wahrheitsgemäße Berichterstattung existieren. Über professionelle Äußerungen und Maßnahmen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Politikern oder Wirtschaftsführern, die sich auf ihre öffentlichen Funktionen oder Leistungen beziehen oder auswirken, dürfen die Medien uneingeschränkt wahrheitsgemäß berichten. Wer sich aufgrund beruflicher oder sportlicher Leistungen so qualifiziert hat, dass die Öffentlichkeit sich für ihn interessiert, wird wahrheitsgemäße Berichte über diese Leistungen hinzunehmen haben, soweit sie sich in der Öffentlichkeit abspielen. Das gilt auch für die Mitwirkung von Rechtsanwälten an spektakulären Strafverfahren5 oder auch für Personen, die im Allgemeinen nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen, sich aber im Einzelfall freiwillig ihrer Anonymität begeben. Wer sich etwa an einer Rundfunkdiskussion oder einem Fernsehspiel beteiligt oder aus aktuellem Anlass Fernsehaufnahmen in seiner Wohnung zulässt und dabei ein Interview gibt, muss es hinnehmen, wenn die dabei entstandenen Aufnahmen mit seinen Beiträgen – unter Umständen auch mehrfach – einem Millionenpublikum vermittelt werden, auch wenn er dabei keine gute Figur macht.6
41
Ausgeprägter ist der Persönlichkeitsschutz in der so genannten Sozialsphäre, mithin dem sozialen oder nicht direkt in der Öffentlichkeit angesiedelten be_______________
1 OLG Hamburg NJW 1980, 842 – Lottoskandal; OLG Hamm NJW 1993, 1209 = GRUR 1993, 154; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 1184. 2 BGH AfP 1994, 142 = NJW 1994, 1950 – Amtspflichtverletzung. 3 Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 65 ff.; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 70, 218. 4 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 70. 5 KG MMR 2009, 478; OLG Hamm NJW-RR 2008, 640 = ZUM 2008, 356 = MMR 2008, 1128; Jarass, NJW 1982, 1833, 1838; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 72. 6 BVerfG AfP 2000, 78 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I.
440
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 41b § 19
ruflichen Umfeld des Einzelnen. Einer öffentlichen Darstellung seiner Persönlichkeit und seiner Leistungen wird sich der Einzelne aber in diesem Bereich immer dann zu unterwerfen haben, wenn und soweit daran ein aktuelles Informationsinteresse besteht. So ist etwa die Bewertung der Leistungen von Lehrern in einem von Schülern unterhaltenen Online-Portal auch dann zulässig, wenn die jeweilige Schule sowie die Namen der Lehrer und die von ihnen unterrichteten Fächer genannt werden.1 Auch in diesem Zusammenhang kann sich allerdings das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu Gunsten des Individuums auswirken. Im Prinzip braucht es daher niemand zu dulden, etwa in seiner beruflichen Tätigkeit, die sich in einem engen sozialen Umfeld unter Ausschluss der breiteren Öffentlichkeit abspielt, dadurch beobachtet und zum Gegenstand auch sachlich zutreffender Medienberichterstattung gemacht zu werden, dass sich ein Beobachter in seine Umgebung einschleicht2 oder dass unter Verstoß gegen die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen3 Ton- oder Filmaufnahmen von ihm hergestellt und später verbreitet werden. Eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines im öffentlichen Leben stehenden Betroffenen stellt es auch dar, wenn aufgrund einer Indiskretion seines ehemaligen Vorgesetzten nach Jahrzehnten darüber berichtet wird, dass er als Student für eine kurze Zeit vom sowjetischen Geheimdienst KGB angeworben worden war und daraufhin freiwillig mit einer deutschen Verfassungsschutzbehörde zusammengearbeitet hatte.4 Und der Bundesgerichtshof5 hat mit Billigung durch das Bundesverfassungsgericht6 dem Persönlichkeitsrecht des betroffenen Unternehmens in einem Fall den Vorzug gegeben, in dem der nach handelsrechtlichen Bestimmungen publizitätspflichtige Jahresabschluss des betroffenen Unternehmens ungekürzt und unverändert als Bestandteil von Seminarunterlagen veröffentlicht wurde. In Anbetracht der handelsrechtlichen Publizitätspflicht des betroffenen Unternehmens sind diese Entscheidungen allerdings nur vor dem Hintergrund der Tatsache zu erklären, dass es hier nicht um eine Abwägung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts gegen die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG ging, sondern um gewerblichkommerzielle Interessen des Verwenders; greifen die Medien auf publizierte Jahresabschlüsse zu und bilden sie sie zur Untermauerung etwa von Kritik an dem publizierenden Unternehmen in ihren Veröffentlichungen ab, so sind sie dazu ungeachtet dieser Entscheidungen befugt.
41a
Wer sich aber beruflich oder gesellschaftlich exponiert wie die stellvertretende Leiterin einer Haftanstalt,7 ein Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes in
41b
_______________
1 BGH NJW 2009, 979; OLG Köln AfP 2008, 85 = NJW-RR 2008, 203 = ZUM 2008, 238; OLG Köln ZUM 2008, 869 – spickmich.de; LG Regensburg AfP 2009, 175; kritisch dazu Peifer/Kamp, ZUM 2009, 185 ff. 2 BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 = GRUR 1981, 437 – Der Aufmacher I. 3 §§ 201, 201a StGB; dazu oben § 10 Tz. 7 ff. 4 OLG Bremen NJW 1996, 1000 – Willi Lemke; zur Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Verletzung vereinbarter Vertraulichkeit vgl. auch BGH AfP 1987, 508 = NJW 1987, 2667 = GRUR 1987, 464 – Langemann. 5 BGH AfP 1994, 138 = NJW 1994, 1281 = GRUR 1994, 394 – Bilanzanalyse. 6 BVerfG NJW 1994, 1784. 7 LG Hamburg AfP 1994, 321.
441
§ 19 Tz. 42
Recht der Darstellung – Einzelfragen
der vormaligen DDR1 oder ein Angehöriger der damaligen DDR-Grenztruppen,2 der wird in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht dadurch verletzt, dass die Medien über diese seine gesellschaftlichen Funktionen auch noch Jahre nach Auflösung des Unrechtsstaats berichten, dem er in dieser Funktion gedient hat. Auf den Gesichtspunkt des Zeitablaufs wird er sich regelmäßig jedenfalls dann nicht berufen können, wenn sich Opfer mit ihrer Darstellung seiner Rolle im Unrechtsstaat zu Wort melden.3 Wer sich als Geschäftsführer eines großen kommunalen Klinikbetriebs in einer Auseinandersetzung mit einem Großteil seiner Mitarbeiter befindet und aus diesem Anlass gekündigt wird, wird es hinnehmen müssen, dass die Medien darüber berichten.4 Hochrangige Ministerialbeamte5 oder kommunale Bürgermeister6 werden in ihrer Sozialsphäre nicht dadurch rechtswidrig beeinträchtigt, dass die Medien über von ihnen geführte Nachbarstreitigkeiten7 oder darüber berichten, dass sie von der öffentlichen Hand ein Grundstück erworben haben und nun versuchen, es im Eigeninteresse seiner vorbestehenden gemeinnützigen Bindung zu entziehen.8 Und ein Rechtsanwalt, der sich vornehmlich in presserechtlichen Streitigkeiten engagiert, muss es hinnehmen, dass Medien sein Auftreten vor Gericht unter Namensnennung kritisch würdigen.9 In der Abwägung zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen setzt sich die Berichterstattungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch durch im Zusammenhang mit der Nennung des Namens und Veröffentlichung des Lichtbilds eines Aktivisten der rechtsradikalen Szene im Rahmen einer steckbriefartigen Aufforderung zu mehr Zivilcourage.10 42
Der Schutz der Geheimsphäre gilt allerdings auch für den beruflichen Bereich11 und kann damit auf die Sozialsphäre ausstrahlen. So musste zwar der als Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag im öffentlichen Leben stehende Gregor Gysi die Veröffentlichung seiner anwaltlichen Verteidigungsschrift im zeitgeschichtlich bedeutsamen DDR-Verfahren gegen Robert Havemann hinnehmen,12 nicht hingegen ein weniger im Licht der Öffentlichkeit stehender Rechtsanwalt die Veröffentlichung eines ausschließlich zur persönlichen Information seines Mandanten bestimmten vertraulichen Vermerks durch die Medien, obgleich die Wiedergabe sachlich zutreffend war und am Inhalt des Vermerks wegen der Besonderheit des Mandats ein prinzipielles _______________
1 OLG Hamburg AfP 1993, 756. 2 KG AfP 2007, 243; vgl. auch LG München I v. 15.4.2009 – 9 O 1277/09, unveröffentlicht. 3 Oben Tz. 21b. 4 BGH AfP 2007, 44 = NJW-RR 2007, 619 = ZUM-RD 2007, 113 = GRUR 2007, 350 – Klinik-Geschäftsführer. 5 KG NJW-RR 2005, 350 = GRUR 2006, 260 = ZUM-RD 2005, 55. 6 KG AfP 2008, 292. 7 KG AfP 2008, 292. 8 KG NJW-RR 2005, 350 = GRUR 2006, 260 = ZUM-RD 2005, 55. 9 KG AfP 2007, 490. 10 OLG Braunschweig AfP 2000, 588 = NJW 2001, 160. 11 BGH NJW 1962, 32 = GRUR 1962, 108 – Waffenhandel; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 67 f. 12 OLG Hamburg AfP 2000, 91 = NJW 1999, 3343 = ZUM 2000, 316 – Berufungsschrift.
442
Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 44 § 19
Informationsinteresse der Öffentlichkeit bejaht werden konnte.1 Gleiches gilt für Korrespondenz, die ein bekannter Schriftsteller mit einer Redaktion mit der ausdrücklichen Erklärung wechselte, er sei mit deren Veröffentlichung nicht einverstanden.2 Auch im Bereich der Sozialsphäre wird sich das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen daher in der Regel gegenüber dem Berichterstattungsinteresse der Medien insoweit durchsetzen, als seine Aktivitäten und Funktionen nicht dazu bestimmt sind, Außenwirkungen zu entfalten. 5. Einwilligung Sofern die Veröffentlichung wahrer Tatsachenbehauptungen über Dritte nach den dargestellten Grundsätzen im Hinblick auf deren entgegen stehende Rechte, insbesondere deren Allgemeines Persönlichkeitsrecht, prinzipiell unzulässig ist, kommt doch im Einzelfall ihre Rechtfertigung durch Einwilligung in Betracht. Dieses Rechtsinstitut wird zwar im Hinblick auf § 22 KUG vornehmlich im sachlichen Zusammenhang mit dem Recht am eigenen Bild erörtert.3 Es kann jedoch auch sonstige Einschränkungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtfertigen,4 um dessen gesetzliche Konkretisierung es sich beim Recht am eigenen Bild handelt. Besondere Bedeutung gewinnt die Einwilligung im sachlichen Zusammenhang mit den an anderer Stelle behandelten Exklusivverträgen,5 da unter den heutigen Gegebenheiten gerade Informationen aus Persönlichkeitssphären, die prinzipiell gegen Medienberichterstattung geschützt sind, zunehmend nur noch gegen Entgelt und dann meist mit der Vereinbarung von Exklusivbindungen zur Veröffentlichung freigegeben zu werden pflegen.
43
a) Erteilung Wenngleich Einzelheiten rechtsdogmatisch umstritten sind, handelt es sich bei der Einwilligung in Veröffentlichungen, die ohne sie die Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder des Rechts am eigenen Bild darstellen würden, um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung.6 Ist mit ihr die Vereinbarung einer Gegenleistung verbunden, kommt sie im Wege des Vertrags zustande. Sie kann aber auch einseitig erklärt werden. Wie jede Willenserklärung, für die das Gesetz nicht die Einhaltung einer bestimmten Form vorschreibt, kann auch die Einwilligung ausdrücklich oder stillschweigend, insbesondere durch _______________
1 LG Hamburg AfP 1988, 170. 2 KG NJW 1995, 3392; a.A. noch die Vorinstanz: LG Berlin NJW 1995, 881. 3 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 202 ff.; Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 59 ff.; Helle, AfP 1985, 93. 4 BVerfG AfP 2000, 76= NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; dazu Soehring, AfP 2000, 230; vgl. auch Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 61. 5 Oben § 7 Tz. 48 ff.; BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 6 OLG Hamburg AfP 1987, 703; OLG München AfP 1983, 230; OLG München AfP 1989, 570 = NJW-RR 1990, 999; OLG München AfP 2001, 400 = NJW 2002, 305 = ZUM 2001, 708; Helle, AfP 1985, 93 (96 f.); Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 67; Prinz/Peters, Rz. 248; a.A. (Realakt) Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 124 m.w.N.
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44
§ 19 Tz. 44a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
konkludente Handlung erteilt werden.1 Das ist stets dann der Fall, wenn der Betreffende den Medien anderweitig gegen Veröffentlichungen geschützte Informationen erteilt oder die Anfertigung von Lichtbildern in Kenntnis des damit verfolgten Zwecks gestattet. So liegt in der Tatsache, dass eine Person sich von einem Fernsehteam interviewen lässt, regelmäßig die Einwilligung zur späteren Ausstrahlung des Interviews.2 Die Auffassung des Oberlandesgerichts München,3 eine konkludente Einwilligung liege nur vor, wenn dem Betroffenen bekannt ist, dass er berechtigt ist, sie zu verweigern, und hierfür seien die Medien beweispflichtig, läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass konkludente Einwilligungen keine verlässliche Grundlage für die redaktionelle Tätigkeit sein können, und ist mit allgemeinen Prinzipien der Rechtsgeschäftslehre4 nicht zu vereinbaren. Im Streit darüber, ob eine Einwilligung insbesondere zu Fernsehaufnahmen jedenfalls konkludent erteilt worden ist, kommt es nicht nur auf den gesendeten Beitrag an, kann vielmehr auf das gesamte aufgenommene Filmmaterial zurückgegriffen werden.5 44a
Verfehlt ist die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg, eine stillschweigende Einwilligung liege in einem Fall nicht vor, in dem der Betroffene mit der Aufnahme seiner polizeilichen Vernehmung durch ein Fernseh-Team einverstanden war, dem Team im Anschluss an die Vernehmung freiwillig zur Beantwortung ergänzender Fragen zur Verfügung stand und sich obendrein nach dem Sendetermin erkundigte;6 für die ihm zu Grunde liegende These, der Betroffene hätte über die Erforderlichkeit einer Einwilligung ausdrücklich belehrt werden müssen, ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Hingegen liegt eine konkludente Einwilligung nicht etwa schon dann vor, wenn über eine Person eine rechtswidrige Veröffentlichung erscheint und diese sich dagegen zunächst nicht gerichtlich zur Wehr setzt. Auch unter diesem Aspekt können sich daher die Medien zur Rechtfertigung eigener Publikationen prinzipiell nicht auf bereits vorliegende inhaltsgleiche Vorveröffentlichungen berufen. Hat über einen Vorgang allerdings ein Großteil der Presse unbeanstandet berichtet, dann kann im Einzelfall der Gesichtspunkt konkludenter Einwilligung demjenigen entgegengehalten werden, der nach langer Duldung der Beeinträchtigung seiner Rechte plötzlich gegen ein bestimmtes Medium Ansprüche geltend machen will.7
45
Als rechtsgeschäftliche Erklärung setzt die Erteilung der Einwilligung prinzipiell Geschäftsfähigkeit des Betroffenen voraus, so dass sich die Medien auf eine Einwilligung durch Minderjährige nicht berufen können.8 Die unter dem Stichwort der Grundrechtsmündigkeit erörterte Frage, ob ein entgegenstehender Wille des Minderjährigen die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters _______________
1 BGH GRUR 1962, 211 – Hochzeitsbild; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 124. 2 LG Köln AfP 1989, 766; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1990, 1439; OLG Karlsruhe ZUM 2006, 568. 3 OLG München ZUM 2009, 429. 4 Palandt/Heinrichs, Rz. 6 vor § 116 BGB. 5 OLG Köln NJW-RR 1994, 865. 6 OLG Hamburg AfP 2005, 73 = NJW-RR 2005, 479 = ZUM-RD 2005, 129. 7 OLG Hamburg AfP 1991, 533 = NJW-RR 1991, 98 – Graf. 8 Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 67.
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Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 46a § 19
außer Kraft setzt,1 ist noch nicht abschließend geklärt. Der Bundesgerichtshof2 hat in diesem Zusammenhang nur entschieden, dass dem Minderjährigen im Fall seines Einverständnisses mit der Veröffentlichung kein eigenständiges Recht zusteht, auf die Höhe des mit seinem gesetzlichen Vertreter vereinbarten Veröffentlichungsentgelts Einfluss zu nehmen. In Zweifelsfällen sollten sich die Medien darauf einstellen, dass die Einwilligungserklärung des oder der gesetzlichen Vertreter stets unverzichtbar ist und dass eine Veröffentlichung von Tatsachen oder Lichtbildern, die eine Verletzung der Rechte des Minderjährigen darstellen würde, trotz erteilter Einwilligung der gesetzlichen Vertreter unterbleiben sollte, wenn ein in Anbetracht seines Lebensalters und seiner Entwicklungsstufe nicht ganz unbeachtlich erscheinender Widerspruch des Minderjährigen vorliegt. Gibt es, wie häufig bei Familien- oder Nachbarschaftsstreitigkeiten, mehrere Betroffene, dann ist in der Regel die Einwilligung eines jeden von ihnen erforderlich.3 b) Umfang Die textliche oder auch bildliche Darstellung von Vorgängen aus dem gegen Berichterstattung prinzipiell geschützten Persönlichkeitsbereich und ihre Gestattung durch die Betroffenen geschehen in aller Regel aus aktuellem Anlass.
46
Damit stellt sich die in den Gestattungsverträgen in aller Regel nicht geregelte Frage nach dem Umfang der Einwilligung und insbesondere dem zeitlichen und sachlichen Rahmen der nunmehr erlaubten Berichterstattung. Dieses Problem wirkt sich besonders im Bereich der Bildveröffentlichung aus,4 kann aber im Einzelfall auch bei der Freigabe von Informationen zur Veröffentlichung von Bedeutung sein. Bei Vorgängen aus dem Intimleben etwa muss sich die Einwilligung ausdrücklich auf die Aufdeckung der Identität des Betroffenen erstrecken.5 Generell wird man die im Urheberrecht entwickelte Zweckübertragungslehre entsprechend anwenden müssen,6 deren Kernaussage lautet, dass eine Einwilligung in der Regel nur so weit reicht wie der mit ihrer Erteilung verfolgte Zweck. Dabei kann der Zweck ausdrücklich vereinbart werden, sich aber auch aus den Umständen ergeben. Wird er ausdrücklich vereinbart, so ist die Rechtslage unproblematisch. Die anderweitige Verwendung von zu einem konkret vereinbarten Zweck freigegebenen Texten oder Bildern ist rechtswidrig,7 sofern sie nicht aus anderen Gründen erlaubt ist, es der Einwilligung aus Rechtsgründen mithin nicht bedurfte. So wirkt etwa die Einwilligung eines Sportstars zu einem Interview für eine Sportsendung nicht als Rechtfertigung der Ausstrahlung des Interviews oder eines Teils davon im
46a
_______________
1 Bejahend Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 68; OLG Köln ArchPR 1970, 133; verneinend Helle, AfP 1985, 93 ff. 2 BGH NJW 1974, 1947 = GRUR 1975, 561 – Nacktaufnahme. 3 OLG Karlsruhe AfP 2002, 42 = ZUM 2002, 883. 4 Dazu unten § 21 Tz. 24 ff. 5 OLG München AfP 2001, 135 = ZUM 2001, 252. 6 Prinz/Peters, Rz. 834. 7 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 127; Prinz/Peters, Rz. 834.
445
§ 19 Tz. 46b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Rahmen einer pornografischen Sendung oder im Rahmen der Werbung für eine politische Partei.1 46b
Als problematisch erweisen sich hingegen häufig Fälle der konkludenten Einwilligung, in denen der mit der Informationserteilung oder Bildaufnahme verfolgte Zweck naturgemäß nicht ausdrücklich besprochen und vereinbart wird. Hier laufen die Medien beträchtliche Risiken, da die Rechtsprechung dazu neigt, die Reichweite der Einwilligung grundsätzlich eng auszulegen, und da die Beweislast für Erteilung und Umfang der Einwilligung bei demjenigen liegt, der ein geschütztes Recht nutzt, mithin im Regelfall bei den Medien.2 Die Auffassung, auch eine konkludente Einwilligung werde wirksam nur getroffen, wenn der Betroffene konkret wisse, für welche Publikation er sich fotografieren oder für welche Fernsehsendung er sich interviewen lasse,3 ist allerdings deutlich überzogen. Interessiert sich der Betroffene aus Anlass der mit seinem Einverständnis erfolgten Aufnahme nicht für den Zweck, zu dem die Aufnahme gemacht wird oder ist der Zweck bei vernünftiger Betrachtungsweise evident, dann ist vielmehr im Prinzip von einer konkludent erteilten uneingeschränkten Einwilligung auszugehen und bedarf es einer gesonderten Vereinbarung nur noch dann, wenn das Fernsehteam eine Ausstrahlungsart beabsichtigt oder sie später veranlasst, mit der der Betroffene billigerweise nicht rechnen konnte.4
46c
Wer sich etwa von einem Fernsehteam bewusst filmen lässt und ihm obendrein zu Fragen des Alltags oder der Tagespolitik Rede und Antwort steht, ohne sich darüber zu vergewissern, für welche Sendung die Aufnahmen bestimmt sind, oder wer sich am Strand von einem ihm fremden Menschen mit ersichtlich professioneller Kameraausstattung willentlich fotografieren lässt, ohne zu fragen, zu welchem Zweck das geschieht, der muss sich sein Verhalten nach den Auslegungskriterien der §§ 157, 242 BGB als Einwilligung zu einer Verwendung zurechnen lassen, mit der er billigerweise rechnen konnte und musste.5 Seine Einwilligung etwa zur Ausstrahlung des Interviews in einer etablierten Nachrichten- oder Magazinsendung oder zur Veröffentlichung des Lichtbilds im Rahmen der Reportage einer Tageszeitung über das Strandleben im Herbst ist in solchen Fällen konkludent erteilt.6 Häufig werden derlei Fälle nicht sein. Und im Hinblick auf die erwähnte Beweislastregel ist die Ausnutzung der Bereitschaft, sich filmen, fotografieren oder interviewen zu lassen, ohne über die Zweckbestimmung konkrete und beweisbare Absprachen zu treffen, für die Medien stets mit einem beträchtlichen Risiko verbunden.
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1 BGH AfP 1980, 35 = NJW 1980, 994 = GRUR 1980, 259 – Wahlkampfillustrierte. 2 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 128; Prinz/Peters, Rz. 836. 3 OLG Hamburg AfP 2005, 73 = NJW-RR 2005, 479 = ZUM-RD 2005, 129; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1990, 1439; Prinz/Peters, Rz. 834. 4 OLG Karlsruhe ZUM 2006, 568; LG Bielefeld NJW-RR 2008, 715. 5 LG Köln AfP 1989, 766; a.A. OLG Hamburg AfP 2005, 73 = NJW-RR 2005, 479 = ZUM-RD 2005, 129. 6 Beispiele aus der Rechtsprechung unten § 21 Tz. 24 ff.
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Wahre Tatsachenbehauptungen
Tz. 49 § 19
In Anwendung dieser Grundsätze wird die aus aktuellem Anlass erteilte Einwilligung zur Bekanntgabe von prinzipiell geschützten Details aus der Privatsphäre in der Regel nur so lange gelten wie die Aktualität des Anlasses fortbesteht. Erteilt etwa der Täter einer spektakulären Straftat den Medien zum Zeitpunkt des gegen ihn durchgeführten Ermittlungs- und Strafverfahrens Informationen über sein früheres Privatleben, so muss er deren Veröffentlichung zu diesem Zeitpunkt dulden. Insoweit ist er in der Regel auch nicht dagegen geschützt, dass auch andere Medien als sein Vertragspartner diese Informationen auswerten und publizieren.1 Der Verzicht auf die Respektierung seiner Privatsphäre wirkt insoweit jedenfalls zu diesem Zeitpunkt uneingeschränkt.2 Gegen ein Jahre später erfolgendes Wiederaufgreifen dieser seine Privatsphäre betreffenden Informationen ohne entsprechenden aktuellen Anlass wird er sich jedoch sowohl gegenüber seinem früheren Vertragspartner als auch gegenüber Dritten zur Wehr setzen können, sofern nicht konkret etwas Anderes vereinbart ist. So hat etwa das Oberlandesgericht Oldenburg3 entschieden, dass die Einwilligung in die Darstellung einer Nierentransplantation eine drei Jahre später erfolgende erneute Veröffentlichung nicht rechtfertigt. Eine gegenüber einer Redaktion für einen gewissen Zeitraum freigelegte Intimsphäre schließt sich danach schon deswegen nach Ablauf einer gewissen Zeit mangels abweichender Vereinbarungen von selbst wieder, weil sich die Persönlichkeit mit ihren Anschauungen, Meinungen und Erfahrungen fortentwickelt und demgemäß niemand unterstellen kann, dass ein aus einer bestimmten Situation heraus erklärter Verzicht auf Respektierung der Intimoder Privatsphäre zeitlich schrankenlos fortwirken soll.
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c) Widerruf Prinzipiell bindet die Einwilligung denjenigen, der sie erteilt, für den Gegenstand und die Dauer, für die sie bestimmt ist.4 Wer sich zu diesem Zeitpunkt oder in engem zeitlichen Zusammenhang aus ihr lösen will, hat dazu die Möglichkeit nur unter den Voraussetzungen, unter denen nach §§ 119 ff. BGB Willenserklärungen angefochten werden können.5 Das gilt insbesondere dann, wenn die Einwilligung im Rahmen eines entgeltlichen Vertrags erteilt worden ist.6
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Sowohl bei der die Persönlichkeitssphäre betreffenden Information als auch bei dem nach § 22 KUG geschützten Recht am eigenen Bild ändert die rechtliche Qualifikation der Einwilligung als rechtsgeschäftlicher Erklärung aber nichts daran, dass es sich um einen Vorgang handelt, der das im Wertesystem des Grundgesetzes mit besonderem Stellenwert ausgestattete Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Mit unterschiedlicher rechtlicher Begründung erkennen
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BVerfG AfP 2000, 76= NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. Oben Tz. 8. OLG Oldenburg NJW 1983, 1202. Helle, AfP 1985, 93, 100; OLG München AfP 1989, 570 = NJW-RR 1990, 999; LG Köln AfP 1989, 766. 5 LG Köln AfP 1989, 766; a.A. offenbar LG Hamburg NJW-RR 2005, 1357. 6 LG Köln AfP 1996, 186.
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§ 19 Tz. 49
Recht der Darstellung – Einzelfragen
daher Rechtsprechung1 und Schrifttum2 das prinzipielle Recht des Betroffenen an, die einmal erteilte Einwilligung nach Ablauf einer gewissen Zeit zu widerrufen. Das kann bei der Einwilligung zur Lichtbildveröffentlichung insbesondere dann statthaft sein, wenn sich die Voraussetzungen geändert haben, unter denen der Betroffene der Veröffentlichung ursprünglich zugestimmt hat, wie im Fall des erlaubtermaßen hergestellten Aktfotos einer jungen Frau, deren Einstellung zu derartigen Veröffentlichungen sich später ändert.3 Auch die Freigabe von Informationen aus der Intim- oder geschützten Privatsphäre zur Veröffentlichung durch Medien im Wege der Einwilligung oder Gestattung ist nicht prinzipiell unwiderruflich. Auf sie wird man insbesondere den in §§ 42 UrhG und 35 VerlG niedergelegten Grundsatz entsprechend anwenden müssen, dass Einwilligungen widerrufen werden können, wenn sich die ihrer Erteilung zugrundeliegenden Auffassungen des Betroffenen geändert haben.4 Die Auffassung hingegen,5 ein Betroffener sei jederzeit und damit auch noch vor erstmaliger Ausstrahlung eines mit seiner Zustimmung hergestellten Films berechtigt, eine einmal erteilte Einwilligung zu widerrufen, weil er deren Tragweite erst später erkannt hat, ist mit der Qualifizierung der Einwilligung als eines rechtsgeschäftlichen Akts nicht zu vereinbaren und entzieht dem Umgang insbesondere des Mediums Fernsehen mit dem kooperationswilligen Publikum jede Basis für eine vernünftige, planbare Arbeit.
_______________
1 OLG Hamburg AfP 1987, 703; OLG München AfP 1989, 570 = NJW-RR 1990, 999; LG Köln AfP 1996, 186. 2 Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 83; Helle, AfP 1985, 93, 100. 3 LG Köln AfP 1996, 186; Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 84. 4 OLG München AfP 1989, 570 = NJW-RR 1990, 999; LG Köln AfP 1996, 186; vgl. auch LG Nürnberg-Fürth AfP 2009, 177. 5 LG Hamburg NJW-RR 2005, 1357.
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§ 20 Meinungsäußerungen und Kritik 1. Meinungsäußerungen Im Vergleich zur Verbreitung von Tatsachenbehauptungen folgt diejenige von Meinungen einem grundsätzlich anderen und in der Tendenz liberaleren Regime. Tatsachenbehauptungen stehen dann, wenn ihre Unwahrheit feststeht, außerhalb der Gewährleistung der Meinungs,- Presse- und Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG.1 Steht ihre Unwahrheit nicht fest, ist ihre Verbreitung aber nicht durch das Prinzip der Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt, so tragen die Medien in den meisten Fällen das Risiko ihrer Nichterweislichkeit,2 können sie also den Schutz der Grundrechtsgewährung dann nicht für sich in Anspruch nehmen, wenn sie den ihnen obliegenden Beweis der Wahrheit nicht führen können. Und selbst die Verbreitung erweislich wahrer Tatsachenbehauptungen ist mit dem Risiko der Kollision mit höherrangigen Persönlichkeitsrechten Betroffener behaftet, die zu ihrer Unzulässigkeit im Einzelfall führen können.3
1
a) Meinungsfreiheit Ganz anders verhält es sich mit der Äußerung und Verbreitung von Meinungen und Kritik. Es ist die Freiheit der Meinungsäußerung, die das Bundesverfassungsgericht4 schon vor Jahrzehnten als ein für die freie demokratische Gesellschaft schlechthin konstitutives Grundrecht bezeichnet hat und die auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte5 als eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft hervorhebt. Für die Äußerung und Verbreitung von Meinungen können die Medien grundsätzlich den Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in Anspruch nehmen. Für die Zulässigkeit ihrer Verbreitung streitet jedenfalls bei Äußerungen über Fragen, die die Öffentlichkeit maßgeblich berühren, die Vermutung.6
2
Wo es um den Schutz der freien Meinungsäußerung geht, nimmt das Bundesverfassungsgericht obendrein eine außerordentlich aktive Rolle ein und überlässt es insbesondere in den von ihm entschiedenen Fällen prinzipiell nicht den Fachgerichten die Festlegung der Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit im Einzelfall. Diese Praxis des Bundesverfassungsgerichts und die ihr zugrundeliegende Überzeugung, dass das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eine im demokratischen Staat schlechthin konstitutive Rolle einnimmt, die einen konsequenten Schutz durch die Rechtsprechung nicht nur rechtfertigt, sondern unabdingbar macht, ist in der Literatur zum Teil heftig kritisiert
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Oben § 18 Tz. 1 ff. Oben § 12 Tz. 12; unten § 30 Tz. 24 f. Oben § 19 Tz. 1 ff. BVerfG NJW 1958, 257 – Lüth. EGMR NJW 2004, 2653 – Perna/Italien. BVerfG AfP 1984, 94 = NJW 1984, 1741 – Der Aufmacher; BVerfG NJW 1985, 787 – Schwarze Sheriffs; BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer.
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§ 20 Tz. 3
Recht der Darstellung – Einzelfragen
worden.1 Das Bundesverfassungsgericht hat es aber mit Recht abgelehnt, seine Rechtsprechung im Hinblick auf diese Kritik zu ändern, die trotz gelegentlicher Überspitzungen der genannten Grundsätze durch die Rechtsprechung der Fachgerichte in der Sache unbegründet ist.2 Der im Hinblick auf den effektiven Schutz der Meinungsfreiheit durch die deutsche Rechtsprechung aus Deutschland nach wie vor nur vergleichsweise selten angerufene Europäische Gerichtshof für Menschenrechte3 misst der auch durch Art. 10 EMRK geschützten Meinungsfreiheit einen ähnlichen Stellenwert bei. 3
Schon bei der Sachverhaltsaufklärung durch die Zivilgerichte ist dem Grundrechtsschutz Rechnung zu tragen mit der Folge, dass unter mehreren möglichen Deutungen einer Äußerung vor dem Hintergrund einer bestimmten tatsächlichen Konstellation derjenigen der Vorzug zu geben ist, die nicht zu einer Verurteilung führen muss.4 Allerdings wird nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts5 im Anschluss an dessen StolpeBeschluss6 das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht verletzt, wenn die Rechtsprechung nunmehr verlangt, mehrdeutige Meinungsäußerungen, die in einer möglichen Deutungsvariante die Grenze zur Schmähkritik7 überschreiten, bei künftigen Wiederholungen in der Weise klarzustellen, dass eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder der persönlichen Ehre des Betroffenen vermieden wird. Und eine Vermutung spricht auch dafür, dass es sich um Meinungsäußerungen handelt, wo im Einzelfall die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen zu keinen klaren Ergebnissen führt,8 sofern nicht der Betroffene lediglich die Unterlassung der künftigen, erneuten Verbreitung einer umstrittenen Äußerung verlangt.9
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Grundsätzlich besteht aber kein Abwehranspruch des Einzelnen gegen Schärfen und Überspitzungen, namentlich im öffentlichen Meinungskampf.10 Im Interesse freier Rede ist daher auch aggressive, scharfe Sprache11 sowie ein ge_______________
1 Kriele, NJW 1994, 1897; Sendler, NJW 1993, 2157; ders., ZRP 1994, 343; Isensee, AfP 1993, 619; Redeker, NJW 1993, 1835; Forkel, JZ 1994, 637; Schmitt Glaeser, NJW 1996, 873; beiläufig auch Seitz, NJW 2003, 3523. 2 Grimm, ZRP 1994, 276 und NJW 1995 1697 ff.; dazu im Einzelnen Soehring, NJW 1994, 2926 m. Nachw. 3 EGMR NJW 1992, 613; NJW 1999, 1321; NJW 2004, 2653; NJW 2007, 1799; vgl. hierzu Holoubek, AfP 2003, 193 ff. 4 BVerfG AfP 1990, 192 = NJW 1991, 95 – Zwangsdemokrat; BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 1845; BVerfG NJW 1999, 204 = ZUM 1998, 930; BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär; BayObLG AfP 1995, 496 = NJW 1995, 2501. 5 BVerfG AfP 2006, 349 = NJW 2006, 3769 = ZUM-RD 2007, 285; BVerfG AfP 2006, 550 – Babycaust. 6 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär. 7 Dazu unten Tz. 9 ff. 8 BVerfG AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; oben § 14 Tz. 24 ff. 9 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär; oben § 14 Tz. 11a. 10 BVerfG AfP 1980, 147 = NJW 1980, 2069 – Römerberg-Gespräche; BVerfG AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa; BVerfG NJW 1985, 787 – Schwarze Sheriffs. 11 BVerfG AfP 1982, 163 = NJW 1982, 2655 – Kredithaie.
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Meinungsäußerungen und Kritik
Tz. 5 § 20
wisses Maß an Provokation1 prinzipiell erlaubt. Das gilt nach dem Prinzip des Gegenschlags insbesondere dann, wenn der Kritisierte seinerseits durch scharfe Äußerungen, aber auch durch fragwürdige Handlungen Anlass zu pointierter Kritik gegeben hat.2 Dabei genießen Beiträge in einer die Öffentlichkeit besonders berührenden Frage stärkeren Schutz als Äußerungen, die ausschließlich der Verfolgung privater Interessen dienen.3 Die Freiheit der Meinungsäußerung gewährleistet prinzipiell auch nicht nur deren Inhalt, sondern auch deren Form.4 Die vom Bundesverfassungsgericht5 in seiner älteren Rechtsprechung vertretene Auffassung, das Grundrecht der Meinungsfreiheit sei weniger schützenswert, wo ein gerichtliches Verbot nur eine bestimmte, konkrete Formulierung betrifft, als wo es um das Verbot der Verbreitung einer Kritik ihrem Inhalt nach geht, findet sich in der späteren Judikatur des Gerichts6 mit Recht nicht mehr. Bei der Verbreitung von Meinungen und Kritik geht es nicht um die Frage nach der Wahrheit oder Unwahrheit. Meinungen sind vielmehr vertretbar oder unvertretbar, richtig oder falsch, und das maßgebliche Kriterium für die eine oder andere dieser Alternativen ist nicht das Mittel der Beweiserhebung, sondern dasjenige der Überzeugungsarbeit.7 Dass das Gericht, das über die Zulässigkeit der Verbreitung einer Meinung oder Kritik zu entscheiden hat, diese Meinung oder Kritik seinerseits für richtig hält, ist nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit ihrer Verbreitung.8 Vielmehr ist auch die Verbreitung einer falschen oder unbegründeten Meinung prinzipiell erlaubt.9 Daher ist auch die Offenbarung der tatsächlichen Bezugspunkte für eine bestimmte Meinung oder Kritik nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit ihrer Verbreitung. Es genügt, wenn derjenige, der eine Meinung äußert, im Prozess bereit und in der Lage ist, diese tatsächlichen Bezugspunkte mitzuteilen und sie, soweit erforderlich, zu beweisen.10
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In Anwendung dieser Grundsätze steht insbesondere politischer Meinungsäußerung und Kritik ein weiter Freiraum offen. Nach einer eingängigen Formel des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte11 sind die Grenzen für zulässige Kritik gegenüber Regierungen weiter als gegenüber individuellen Politikern und diesen gegenüber wiederum weiter als gegenüber Privatpersonen; die Charakterisierung der türkischen Kurdenpolitik als eines echten
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1 EGMR NJW 2004, 2653 – Perna/Italien. 2 BVerfG NJW 1961, 819 – Schmid/Spiegel; BVerfG NJW 1969, 227 – Tonjäger; vgl. hierzu auch EGMR NJW 1992, 613; EGMR NJW 1999, 1321. 3 BVerfG AfP 1980, 147 = NJW 1980, 2069 – Römerberg-Gespräche; BVerfG NJW 1992, 2013. 4 BVerfG AfP 1982, 163 = NJW 1982, 2655 – Kredithaie. 5 BVerfG AfP 1976, 115 = NJW 1976, 1677 – Echternach. 6 Vgl. insoweit BVerfG AfP 1982, 163 = NJW 1982, 2655 – Kredithaie; BVerfG AfP 1990, 192 = NJW 1991, 95 – Zwangsdemokrat. 7 Oben § 14 Tz. 8 ff. 8 BGH NJW 1965, 294 – Volkacher Madonna. 9 BVerfG AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa. 10 BVerfG AfP 1976, 119 = NJW 1976, 1680 – Deutschlandstiftung; BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 = GRUR 1975, 208 – Deutschlandstiftung; OVG Münster NJW 1996, 3355. 11 EGMR NJW 2002, 1995 – Baskaya u.a./Türkei.
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§ 20 Tz. 5a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Kolonialstatus durch einen türkischen Autor war danach durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 10 EMRK gedeckt.1 Nach deutscher Rechtsprechung ist die Verwendung eines Aufklebers mit dem Slogan „Soldaten sind Mörder“2 ebenso durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt wie die Bezeichnung eines querschnittsgelähmten Reserveoffiziers der Bundeswehr, der sich trotz seiner körperlichen Konstitution um die Einberufung zu einer Wehrübung bemühte, als geb. Mörder durch ein Satiremagazin3 oder die Bezeichnung des politischen Gegners in einer lokalpolitischen Auseinandersetzung als Dummschwätzer.4 Als Meinungsäußerung zulässig war auch die Bezeichnung des verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß als Zwangsdemokrat,5 die Äußerung, Strauß decke Faschisten,6 die Bezeichnung der CSU als NPD von Europa,7 der an eine politische Partei gerichtete Vorwurf, sie werfe 3 Millionen Steuergelder zum Fenster hinaus8 oder die Umschreibung des Programms einer anderen, in ihm würden Menschen zu Heuschrecken, die mit Gewalt dezimiert werden müssen.9 5a
Ebenfalls unter den Umständen des Einzelfalls zulässige Meinungsäußerung war etwa die Bezeichnung eines Betroffenen als Nazi im Rahmen einer persönlichen Auseinandersetzung, nachdem aus seiner Wohnung nationalsozialistische Propaganda zu hören gewesen war,10 die Titulierung einer Person als Neofaschist im Rahmen einer Fernsehdiskussion zum Thema „Kirche terrorisiert Frauen“,11 die Äußerung, Spezialität einer kritisierten Person seien antisemitische, antizionistische Statements, in einem im Internet veröffentlichten Brief,12 die Bezeichnung einer weltanschaulich gegen die Liberalisierung des Abtreibungsrechts engagierten Vereinigung als rechte bis rechtsradikale frauenfeindliche Lebensschützer-Organisation13 oder diejenige eines autoritär geführten Psychologenverbands als Psychogruppe mit autoritärer bis totalitärer Struktur14 und die Kritik der Abschiebepraxis einer Kommune als Gestapo-Methode.15 Und auch der im Wahlkampf erhobene Vorwurf, ein Bewerber um ein Bürgermeisteramt gehe über Leichen und trete unsere Rechtsordnung mit Füßen, war durch das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt.16 Gleiches gilt schließlich für den ironisch-satirischen Aufruf an _______________
1 EGMR NJW 2002, 1995 – Baskaya u.a./Türkei. 2 BVerfG AfP 1994, 286 = NJW 1994, 2943 – Soldaten sind Mörder; anders BVerfG AfP 1996, 50 = NJW 1995, 3303, 3304 – Soldaten sind Mörder II. 3 BVerfG AfP 1992, 133 = NJW 1992, 2073 – geb. Mörder. 4 BVerfG AfP 2009, 49 = NJW 2009, 749 – Dummschwätzer. 5 BVerfG AfP 1990, 192 = NJW 1991, 95 – Zwangsdemokrat; OLG München NJW 1992, 1323 – Zwangsdemokrat II. 6 BVerfG NJW 1990, 1980 – Anti-Strauß-Parole. 7 BVerfG AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa. 8 OLG München AfP 1992, 258. 9 OLG München AfP 1996, 391 = NJW 1996, 2515 – Feuer in die Herzen. 10 BVerfG AfP 1992, 58 = NJW 1992, 2013. 11 OLG Köln AfP 1993, 755. 12 OLG Köln NJW-RR 2009, 697 = MMR 2009, 265. 13 OLG Karlsruhe AfP 1992, 263. 14 OVG Münster NJW 1996, 3355. 15 BVerfG NJW 1992, 2815. 16 BVerfG AfP 2003, 538 = NJW 2003, 3760.
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Meinungsäußerungen und Kritik
Tz. 6a § 20
„Kameraden mit nationalem Hintergrund“, in eine bestimmte Stadt zu kommen, womit der Verfasser aus seiner Sicht zu zögerliche Haltung gegenüber rechtsradikalen Gruppen persiflierte.1 Weite Freiräume beanspruchen können Meinungsfreiheit und Kritik auch im Bereich wirtschafts- oder gesellschaftskritischer Äußerungen. Eine zulässige Meinungsäußerung stellte die Äußerung dar, ein Chefarzt habe ein Krankenhaus heruntergewirtschaftet, obgleich er nur für die Missstände in der von ihm geleiteten Abteilung verantwortlich gemacht werden konnte.2 Gleiches gilt für die im Rahmen einer Meinungsverschiedenheit gefallene Äußerung, der Vorstand eines Fußballclubs fühle sich von einem Funktionär belogen und betrogen.3 Die schriftlich geäußerte Auffassung des Gutachters einer Versicherungsgesellschaft, ein Arzt stelle leichtfertig Atteste und Krankschreibungen aus,4 wurde zu Recht ebenso wenig als Schmähkritik angesehen wie die Bezeichnung eines Gutachters, der eine in ihrer Wertigkeit umstrittene Sacheinlage in eine in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Kapitalgesellschaft im Auftrag des Großaktionärs extrem hoch bewertet hatte, als eines namenlosen Gutachters.5 Eine selbsternannte „Geistheilerin“ und „Ordensgründerin“ muss die Bezeichnung ihrer Heilungsmethoden als Scharlatanerie,6 ein Fußballtrainer in der Auseinandersetzung mit einem ihm zugeordneten Spieler seine Bezeichnung als linke Bazille7 als Ausprägung des Rechts der freien Meinungsäußerung hinnehmen. Die Abbildung eines mit schwarzer Uniform und Mütze bekleideten Mitarbeiters eines anhand dieser Uniform erkenntlichen privaten Bewachungsunternehmens auf einer Postkarte mit der Aufschrift Recht & Ordnung – München 1980 ist trotz der Tatsache durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt, dass ihr der durchschnittliche Betrachter die Aussage entnehmen wird, so sehe derjenige aus, der sich als selbsternannter Ordnungshüter zu Unrecht polizeiliche Funktionen anmaßt.8 Gleiches gilt für die Qualifizierung einer partiell unvollständigen Statistik über eine vermeintliche Trendumkehr bei Kirchenaustritten als trickreiches Frisieren der Statistik.9
6
Vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt ist auch das Unterhalten einer Website zur Bewertung der Leistungen der Lehrer einer bestimmten Schule einschließlich der Nennung der Namen der Lehrer und der von ihnen unterrichteten Fächer10 oder die Wiedergabe der Einstufung der geschäftlichen Ak-
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OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2009, 475. BVerfG NJW 1993, 1845. Zweifelnd OLG Hamm NJW-RR 1996, 538. BVerfG NJW 2003, 961. BGH AfP 2008, 113 = NJW-RR 2008, 913 = ZUM-RD 2008, 521 = GRUR-RR 2008, 527 = WRP 2008, 820 – Namenloser Gutachter. OLG München AfP 1997, 721. OLG Saarbrücken NJW-RR 1996, 1048. BVerfG NJW 1985, 787 – Schwarze Sheriffs. OLG Nürnberg NJW-RR 2008, 1434. BGH WM 2009, 979; OLG Köln AfP 2008, 85 = NJW-RR 2008, 203 = ZUM 2008, 238; OLG Köln ZUM 2008, 869; LG Köln ZUM-RD 2008, 205 – spickmich.de; LG Regensburg AfP 2009, 175; dazu Peifer/Kamm, ZUM 2009, 185.
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§ 20 Tz. 6b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
tivität eines Prozesskostenfinanzierers als Bauernfängerei.1 Und das Oberlandesgericht München2 hat in der publizistischen Auseinandersetzung über die Disziplinierung eines in der Friedensbewegung aktiven Fernsehjournalisten durch die ihn beschäftigende Anstalt die Aussage eines kritischen Berichts als zulässige Meinungsäußerung bewertet, die Fernsehanstalten mäßen mit zweierlei Maß, wenn eine weitere Moderatoren-Tätigkeit des betroffenen Journalisten von politischer Enthaltsamkeit abhängig gemacht werde, während in einer anderen Anstalt ein namentlich genannter konservativer Moderator ungehindert tätig sein dürfe, der seit Jahren gegen alles polemisiert, was nicht auf seiner politischen Linie liegt, und im Rahmen seiner Tätigkeit diffamiert, fälscht und beleidigt und sich an rechtsextremen Kampagnen beteiligt. 6b
Einen ähnlich weiten Freiraum können schließlich Äußerungen zur Durchsetzung umweltschützender oder sonstiger weltanschaulicher Anliegen beanspruchen. Vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt ist es daher auch, wenn einem Unternehmen durch eine weltanschaulich motivierte Gruppe vorgeworfen wird, es bespitzele missliebige Kritiker und setze sie unter Druck,3 oder wenn der Vorstandsvorsitzende eines der größten deutschen Chemiekonzerne auf einem Greenpeace-Plakat mit der Aufschrift „Alle reden vom Klima – Wir ruinieren es“ abgebildet wird.4 Ebenso zulässig ist die Bezeichnung von Milchprodukten als Gen-Milch durch die Umweltorganisation Greenpeace5 aufgrund der Tatsache, dass die produzierenden Kühe auch gentechnisch veränderte Futtermittel erhalten, und die dem Ministerpräsidenten eines Bundeslands satirisch zugeschriebene Äußerung „Millionenfache Tierquälerei darf nicht aufhören – meine Agrarindustrie will sie“ zur Anprangerung des legalen Haltens von Legehennen in Käfigbatterien durch einen Tierschutzverein.6 Gleiches gilt für die Äußerung, der Berichterstatter einer Zeitung sei bei einer Reise nach Nigeria von einer Mineralölfirma für firmenfreundliche Berichterstattung geschmiert worden und habe sich mit seiner Berichterstattung für das Mineralölunternehmen prostituiert, wenn unstreitig ist, dass die Reise in das damalige Krisengebiet Nigeria durch das Mineralölunternehmen überhaupt erst ermöglicht und dass sie von ihm finanziert wurde,7 und für den Vorwurf der Verbreitung rassistischen Gedankenguts und des Ausländerhasses gegenüber Türken in einem Beschwerdebrief einer Elterninitiative betreffend einen mehrfach durch Schikanen gegenüber Schülern mit Migrantenhintergrund bekannt gewordenen Lehrer.8 _______________
1 BGH AfP 2005, 70 = NJW 2005, 279 = ZUM-RD 2005, 123 = WRP 2005, 236 – Anwaltsbrief. 2 OLG München v. 9.7.1984 – 21 U 2088/84, unveröffentlicht. 3 BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer. 4 BGH AfP 1993, 736 = NJW 1994, 124 = GRUR 1994, 391; BVerfG AfP 1999, 254 – Alle reden vom Klima. 5 BGH AfP 2008, 297 = NJW 2008, 2110 = GRUR-RR 2008, 455 = WRP 2008, 813 – Gen-Milch. 6 OLG München NJW-RR 2006, 328; ähnlich OLG Nürnberg AfP 2002, 328 = NJW-RR 2002, 1471: tierquälerische Großbestände, nicht artgerechte Tierhaltung. 7 LG Köln NJW-RR 1998, 318. 8 BVerfG AfP 2003, 43 = NJW 2003, 1109 = ZUM-RD 2004, 5.
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Meinungsäußerungen und Kritik
Tz. 7 § 20
Auch in der nicht selten weltanschaulich aufgeheizten Diskussion um die rechtliche und moralische Rechtfertigung der Abtreibung räumt die Rechtsprechung dem Kritiker beachtliche Freiräume ein, die allerdings gelegentlich an ihre Grenzen stoßen. So waren nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts1 sowohl der Slogan „damals Holocaust – heute Babycaust“ als auch die Bezeichnung eines Gynäkologen als „Tötungs-Spezialist für ungeborene Kinder“ durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt, während das Gericht in derselben Entscheidung den dem Betroffenen gemachten Vorwurf „Kindermord im Mutterschoß“ als nicht mehr zu rechtfertigende Schmähkritik ansah, weil ihm die Aussage entnommen werden könne, der Betroffene handele wie ein Mörder heimtückisch oder aus niederen Beweggründen, und diesem Vorwurf Belegtatsachen nicht zugrundelagen. Dieser Gesichtspunkt gilt erst recht bei der schlicht plakativen Bezeichnung eines Gynäkologen als Kindermörder2 und musste auch ausschlaggebend sein für die Qualifizierung des Vorwurfs der Durchführung rechtswidriger Abtreibungen in einer namentlich benannten Arztpraxis als Schmähkritik,3 weil unstreitig war, dass der betreffende Arzt strafbare Abtreibungen gerade nicht vornahm; bei der Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe,4 der durchschnittliche Betrachter des betreffenden Flugblatts unterscheide zwischen den Begriffen rechtswidrig und strafbar, und der erste dieser beiden Begriffe sei erkennbar nicht rechtstechnisch zu verstehen, handelte es sich um eine deutliche Überdehnung der Bedeutung der Meinungsfreiheit in der Abwägung gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des angegriffenen Arztes, der sich mit seiner Praxis unstreitig im Rahmen des geltenden Rechts hielt.5
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b) Schranken Trotz des damit weiten Schutzbereichs für die Verbreitung von Meinungen gilt die Schrankenfunktion der allgemeinen Gesetze nach Art. 5 Abs. 2 GG auch für sie. Zu ihnen gehören auch die Bestimmungen des Gesetzes gegen Unlauteren Wettbewerb, die der Betätigung der Meinungsfreiheit im Bereich der Werbung traditionell enge Fesseln anlegen, auf die hier nicht im Einzelnen eingegangen werden kann. Es muss hier der Hinweis darauf genügen, dass Äußerungen zu Zwecken des Wettbewerbs speziellen Geboten unterworfen sind, die die Rechtsprechung insbesondere im Rahmen des heute in § 3 Abs. 1 UWG normierten Grundtatbestands der unlauteren geschäftlichen Handlung6 entwickelt hat und die jedenfalls die Grundsätze über die Zulässigkeit auch scharfer, aggressiver und bissiger Kritik für den Bereich wettbewerblicher _______________
1 BVerfG AfP 2006, 349 = NJW 2006, 3769 = ZUM-RD 2007, 285 – Babycaust; hinsichtlich des Babymord-Vorwurfs a.A. BGH AfP 2000, 463 = NJW 2000, 3421 = WRP 2000, 2393 – Babycaust. 2 LG Kaiserslautern NJW 1989, 1369. 3 BVerfG AfP 2006, 550. 4 OLG Karlsruhe AfP 2003, 452 = NJW 2003, 2029. 5 So auch Seitz, NJW 2003, 3523 ff., dessen generalisierender Einschätzung, dass der Ehrenschutz fast tot sei, allerdings zu widersprechen ist; dazu oben Tz. 2a; a.A. Hochhuth, NJW 2007, 192 ff. 6 Vor Inkrafttreten der UWG-Novellen 2000 und 2008: Verbot der sittenwidrigen Werbung, § 1 UWG a.F.
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§ 20 Tz. 7a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Äußerungen außer Kraft gesetzt haben.1 Um so bedeutsamer ist es, dass die Rechtsprechung Berichterstattung der Medien auch dort, wo sie sich mit anderen Medien befasst,2 sowie dort, wo es sich um wirtschaftliche Themen mit jedenfalls reflexartiger Auswirkung auf die Wettbewerbssituation beteiligter Unternehmen handelt, prinzipiell aus dem Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts ausgenommen hat, indem sie anerkennt, dass Berichterstattung der Medien nicht geschäftliche Handlung im Sinn von § 3 Abs. 1 UWG ist.3 7a
Allerdings hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts4 in jüngerer Zeit den extrem weiten Schutzbereich, den das Wettbewerbsrecht gegenüber dem Grundrecht der Meinungsfreiheit über Jahrzehnte in Anspruch genommen hat, jedenfalls für den Bereich der Bewerbung eigener Produkte oder Dienstleistungen ohne Bezugnahme auf Mitbewerber drastisch eingeschränkt. Nunmehr ist anerkannt, dass auch werbende Äußerungen Ausdruck der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit sind und dass es daher Konstellationen geben kann, in denen sie, auch wenn sie mit Rechten Dritter kollidieren, durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt sind, sofern sie jedenfalls auch einen wertenden, meinungsbildenden und damit kommunikativen Inhalt haben. In Anwendung dieses Grundsatzes hat der Bundesgerichtshof inzwischen etwa die Untersagung der Verbreitung einer Anzeige mit dem Motiv „Sixt vermietet auch Autos an Mitarbeiter in der Probezeit“5 und von Zigarettenanzeigen mit den Motiven „War das Ernst? oder August?“6 oder „Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man super Bücher“7 ungeachtet der Tatsache aufgehoben, dass sie für jeden erkennbar auf Oskar Lafontaine, Prinz Ernst August von Hannover bzw. Dieter Bohlen zielten. In allen diese Fällen ist der Bundesgerichtshof mit Recht davon ausgegangen, dass die werbenden Unternehmen jeweils aktuelle und in der Öffentlichkeit weithin bekannte Geschehnisse zum Anlass für satirisch-spöttische Werbesprüche genommen hatten, ohne über eine bloße Aufmerksamkeitswerbung hinaus die Betroffenen zur Anpreisung der beworbenen Produkte zu vereinnahmen und ohne deren Allgemeines Persönlichkeitsrecht in spürbarer Weise zu beeinträchtigen. _______________
1 Vgl. dazu aber auch oben § 17 Tz. 16 ff. 2 Unten § 22 Tz. 32 ff. 3 Bis zum Inkrafttreten der UWG-Novelle 2008: Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs; Einzelheiten unten § 22 Tz. 3 ff. 4 Grundlegend BVerfG AfP 2001, 44 = NJW 2001, 591 = ZUM-RD 2001, 56 = GRUR 2001, 170 = WRP 2001, 129 – H.I.V. POSITIVE I; BVerfG AfP 2003, 149 = NJW 2003, 1303 = ZUM 2003, 390 = GRUR 2003, 442 = WRP 2003, 633 – H.I.V. POSITIVE II; BVerfG AfP 2001, 380 = NJW 2001, 3403 = ZUM 2002, 131 = WRP 2001, 1160 – Therapeutische Äquivalenz; dazu u.a. Ahrens, JZ 2004, 763 ff.; Lange, AfP 2002, 185 ff.; Zagouras, WRP 2007, 115 ff.; Soehring/Link, S. 285 ff.; unten § 21 Tz. 19c. 5 BGH AfP 2006, 559 = NJW 2007, 689 = ZUM 2007, 55 = GRUR 2007, 139 = ZUM 2007, 83 – Lafontaine; vgl. zur abweichenden Entscheidung des OLG Hamburg Ehmann, AfP 2005, 237 ff. 6 BGH AfP 2008, 596 = NJW 2008, 3782 = ZUM 2008, 957 = GRUR 2008, 1124 = WRP 2008, 1524 – Zerknitterte Zigarettenschachtel. 7 BGH AfP 2008, 598 = WRP 2008, 1527 – Geschwärzte Worte.
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Meinungsäußerungen und Kritik
Tz. 9a § 20
Gerade in diesem Bereich wirkt sich zusätzlich die Tatsache aus, dass die Meinungsfreiheit nicht nur durch Art. 5 GG, sondern zusätzlich durch Art. 10 Abs. 2 EMRK gewährleistet wird. Diese Bestimmung gilt in der Bundesrepublik Deutschland im Rang einfachen Gesetzesrechts und gewährt zum Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit zusätzlich zu den innerstaatlichen ordentlichen Gerichten sowie gegebenenfalls dem Bundesverfassungsgericht auch noch den Zugang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Wenngleich wegen der unbestreitbaren Effektivität des innerstaatlichen Rechtsschutzes die Gewährleistung der Meinungsfreiheit durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Deutschland nicht die Bedeutung hat wie in Ländern, in denen die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Meinungsfreiheit und deren Schutz durch die staatlichen Gerichte nicht so deutlich ausgeprägt sind, gewinnt seine Rechtsprechung auch für innerstaatliche Sachverhalte zunehmend an Bedeutung. Gerade im Spannungsfeld zwischen Wettbewerbsrecht und Äußerungsfreiheit hat dieses Gericht1 in Einzelfällen die Unvereinbarkeit der deutschen Wettbewerbsrechtsprechung mit der Gewährleistung der Meinungsfreiheit durch Art. 10 Abs. 2 EMRK festgestellt und daher dem Institut der Meinungsfreiheit auch gegenüber dem restriktiven System des Wettbewerbsrechts mehr Spielraum verschafft.2
8
Außerhalb des Sondergebiets des Wettbewerbsrechts findet die freie Meinungsäußerung, soweit es um Äußerungen der Medien geht, erst im Fall der Schmähkritik und dort ihre Grenze, wo es für eine bestimmte und einen Anderen belastende Meinung schlechthin keine tatsächlichen Bezugspunkte gibt.
9
Um Schmähkritik handelt es sich, wo drastische Kritik in bewusste Schmähung und insbesondere in einen Angriff auf die Menschenwürde3 umschlägt. Das ist jedenfalls immer dann der Fall, wenn die Absicht zu verletzen stärker hervortritt als die Absicht zur Äußerung der eigenen Meinung.4 Ausschlaggebend wird dabei häufig sein, ob die streitige Äußerung Sachnähe zu einem ihr zugrundeliegenden Tatbestand hat.5 Dabei ist der Begriff der Schmähkritik wegen seines Effekts der Einschränkung der Meinungsfreiheit eng auszulegen.6 Sie liegt aber in der Regel vor, wenn der Angriff auf den Betroffenen selbst vom Standpunkt des Kritikers und unter Berücksichtigung seines Engagements für die Sache nicht mehr verständlich ist.7
9a
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1 EGMR AfP 1986, 33 = NJW 1985, 2885 – Fall Barthold; EGMR AfP 1988, 231 – Denkzettel; EGMR GRUR-RR 2009, 173 – Brzank/Deutschland. 2 Einzelheiten dazu u.a. bei Soehring/Link, S. 285 ff. 3 BVerfG AfP 2003, 538 = NJW 2003, 3760; BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = ZUM 2000, 310 – Namensnennung. 4 BVerfG AfP 1976, 119 = NJW 1976, 1680 – Deutschlandstiftung; BVerfG AfP 1980, 147 = NJW 1980, 2069 – Römerberg-Gespräche; BVerfG AfP 1990, 192 = NJW 1991, 95 – Zwangsdemokrat; BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 = GRUR 1975, 208 – Deutschlandstiftung; BGH AfP 1978, 33 = GRUR 1977, 801 – Halsabschneider; BGH AfP 1971, 132 = GRUR 1971, 529 – Dreckschleuder. 5 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 190; OLG Köln AfP 1983, 472; LG Köln AfP 1988, 376. 6 BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = ZUM 2000, 310 – Namensnennung. 7 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 190.
457
§ 20 Tz. 9b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
9b
Insbesondere das Fehlen tatsächlicher Bezugspunkte, auf die sich eine Meinung stützen kann und in der Regel stützen wird, kann ein maßgebliches Indiz dafür darstellen, dass die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist. Und in der Wirkung derselbe Effekt ergibt sich, wenn sich herausstellt, dass die Tatsachenbehauptungen, auf die sich eine den Anderen beeinträchtigende Meinung stützt, unwahr sind.1 Daher verlangt die Rechtsprechung2 im Prozess um die Zulässigkeit der Äußerung einer tendenziell herabsetzenden Meinung die Offenbarung und gegebenenfalls den Nachweis der Richtigkeit der tatsächlichen Bezugspunkte der umstrittenen Äußerung, während es eine Verpflichtung, sie bereits zusammen mit der Äußerung bekanntzugeben, nicht gibt. Es besteht damit kein Zwang zur Begründung einer Meinungsäußerung außerhalb rechtlicher Auseinandersetzungen. Im Ergebnis stößt die Verbreitung von Meinungsäußerungen und Kritik auf dieselben Schranken wie unter dem strafrechtlichen Aspekt der Formalbeleidigung diejenige wahrer Tatsachenbehauptungen im Anwendungsbereich der §§ 186, 192 StGB.3
9c
Die Bezeichnung eines islamischen Predigers als Hassprediger etwa wird durch den Bezugspunkt legitimiert, dass der Betroffene in einer seiner Predigten dazu aufgerufen hatte, bereits Kinder auf den Dschihad vorzubereiten.4 Die Bezeichnung „durchgeknallter Staatsanwalt“ im Rahmen einer kontroversen Diskussion über ein vielbeachtetes Ermittlungsverfahren gegen einen Prominenten ist durch die darin zum Ausdruck kommende Kritik gerechtfertigt.5 Nur durch tatsächliche Bezugspunkte zu rechtfertigen war auch die Bezeichnung der Tochter von Ulrike Meinhof als Terroristentochter in einem zeitgeschichtlichen Beitrag über Einzelaspekte der Rolle Meinhofs in der RAF, der sich u.a. mit einem von der Tochter selbst verfassten Beitrag zu demselben Thema kritisch auseinandersetzte,6 oder die auf den ersten Blick als reine Schmähung erscheinende Bezeichnung der Witwe eines auf dem Gebiet der Brustvergrößerung hervorgetretenen Schönheitschirurgen als BusenmacherWitwe, nachdem sich die Betroffene in der Öffentlichkeit in vielfältiger Weise einschließlich der Zurschaustellung ihres eigenen Körpers mit den Leistungen ihres verstorbenen Ehemanns identifiziert hatte.7 Die Schmähung eines Bundespolitikers in einer Schlagzeile einer großen überregionalen Tageszeitung als Puff-Politiker hingegen konnte nicht hinreichend mit allein der Tatsache unterlegt werden, dass der Betroffene Miteigentümer eines Mehrfamilienhauses war, in dem zwei Wohnungen an Prostituierte vermietet waren.8
10
Überschritten ist die Grenze zur Schmähkritik oder Formalbeleidigung insbesondere bei der Diskreditierung einer Person mit Begriffen wie Schwein, _______________
1 BVerfG AfP 2003, 535 = NJW 2004, 277 = ZUM-RD 64 – NGG. 2 BVerfG AfP 1976, 119 = NJW 1976, 1680 – Deutschlandstiftung; BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 = GRUR 1975, 208 – Deutschlandstiftung. 3 Oben § 12 Tz. 13. 4 OLG Köln NJW 2005, 2554 = ZUM-RD 2005, 511; OLG Brandenburg AfP 2007, 567 = NJW-RR 2007, 1641= ZUM-RD 2007, 403. 5 BVerfG WRP 2009, 943. 6 BGH AfP 2007, 46 = NJW 2007, 686 = ZUM 2007, 201 = WRP 2007, 327 – Terroristentochter. 7 OLG München AfP 2005, 560 = ZUM 2005, 564. 8 LG Berlin AfP 2007, 63.
458
Meinungsäußerungen und Kritik
Tz. 10a § 20
Ferkel oder Affe1 oder sonstigen bloßen Schmähungen ohne sachlichen Aussagewert2 und insbesondere ohne sachliche Nähe zum kritisierten Verhalten oder Sachverhalt wie etwa der Bezeichnung eines Unternehmers, der sich im Einzelnen gekennzeichneter dubioser Geschäftsmethoden bedient, als Halunke, Kanaille oder Schuft.3 Um nicht mehr durch die Meinungsäußerungsfreiheit gedeckte Schmähungen handelt es sich auch bei der Äußerung, ein konservativer Publizist handhabe die Dreckschleuder ebenso gut wie die Feder,4 oder derjenigen, ein in einer arbeitsrechtlichen Kontroverse angegriffener Arbeitgeber sei ein Halsabschneider.5 Im Fall des querschnittsgelähmten Reserveoffiziers, der sich um die Teilnahme an einer Wehrübung bemühte, hat das Bundesverfassungsgericht6 in sachgerechter Abgrenzung die Bezeichnung des Betroffenen als geb. Mörder noch als zulässigen Ausdruck satirischer Kritik an der Geisteshaltung des Betroffenen angesehen, diejenige als Krüppel hingegen als unzulässige Schmähung. Die Bezeichnung des Schriftstellers Heinrich Böll als steindummer, kenntnisloser und talentfreier Autor sowie als einer der verlogensten, ja korruptesten Autoren im Rahmen einer Buchrezension überschreitet nach der insoweit zutreffenden Auffassung des Bundesverfassungsgerichts7 ebenfalls die Grenzen der Schmähkritik, während der in dieser Entscheidung getroffenen generalisierenden Feststellung des Gerichts, Kunstkritik sei per se keine Kunst und könne daher die gesteigerte Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 GG nicht für sich in Anspruch nehmen, nicht gefolgt werden kann. Als Schmähkritik wurde mit Recht auch die Bezeichnung eines Mitglieds des Zentralrats der Juden in Deutschland als Zigeunerjude angesehen.8 Zutreffend ist es auch, in der Bezeichnung eines Polizisten als Clown anlässlich einer Verkehrskontrolle eine Überschreitung der Grenzen der Meinungsfreiheit zu sehen,9 während es als Überspannung der Meinungsfreiheit angesehen werden muss, wenn das damalige Bayerische Oberste Landesgericht10 in derselben Konstellation die Verwendung des Begriffs Wegelagerer als noch rechtmäßig angesehen hat; bei diesen Begriffen ist eine noch so pointierte Auseinandersetzung mit der Sache nicht mehr erkennbar, kommt vielmehr nur noch die Absicht zum Ausdruck, den Anderen verbal anzugreifen und zu verletzen. Als Grenzfall muss die Bezeichnung eines in der damaligen DDR mit vielfachen Doping-Aktivitäten mit gesundheitlichen Spätfolgen für die betroffenen Sportler aufgefallenen Sportarztes als Mengele des DDR-Doping-Systems bezeichnet werden, deren Einordnung als Schmähkritik durch die Zivilgerichte das _______________
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Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 234. OLG Köln AfP 1983, 472. OLG Hamburg AfP 1990, 135. BGH AfP 1971, 132 = GRUR 1971, 529 – Dreckschleuder; LG München I AfP 1997, 827. BGH AfP 1978, 33 = GRUR 1977, 801 – Halsabschneider. BVerfG AfP 1992, 133 = NJW 1992, 2073 – geb. Mörder. BVerfG AfP 1993, 476 = NJW 1993, 1462 – Böll/Walden II; a.A. Gounalakis, NJW 1995, 811, 814. BayObLG AfP 2002, 221. KG NJW 2005, 2872. BayObLG NJW 2005, 1291.
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10a
§ 20 Tz. 10b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Bundesverfassungsgericht1 wegen eines Überschusses der mit dem Namen Mengele assoziierbaren Greueltaten über den Unrechtsgehalt planmäßigen gesundheitsgefährlichen Dopings verfassungsrechtlich nicht beanstandet hat. 10b
Die Bezeichnung eines Journalisten als Berufsdesinformant und Mitglied der journalistischen Totenkopfdivision Joseph Goebbels ist jedenfalls so lange Schmähkritik,2 als sie nicht mit Belegtatsachen dafür unterlegt werden kann, dass der Geschmähte nachhaltig und planmäßig falsche Nachrichten publiziert. Die Bezeichnung des Oberlandesgerichts Nürnberg als ReichsparteitagsOLG durch einen Strafgefangenen hat das Bundesverfassungsgericht3 als noch zulässige Meinungsäußerung, das nach Zurückverweisung zuständige Oberlandesgericht Bamberg4 hingegen als nicht mehr zu rechtfertigende Schmähkritik angesehen. Um Schmähkritik handelte es sich auch bei der Bezeichnung eines mehrfach vorbestraften Rückfalltäters als Doktorand der Knastologie,5 eines Polizisten als Bulle6 oder Clown,7 der Bundesgrenzschutzeinheit GSG 9 als Killertruppe8 und des Schriftstellers Heinrich Böll als geistigen Miturhebers des Terrorismus.9 Auch die Bezeichnung eines Lokalpolitikers als allergrößte Pfeife10 sowie eines Offiziers der Bundeswehr als Wehrsklavenhalter11 gilt als von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckte Schmähung.
11
Durch das Recht auf freie Meinungsäußerungen gedeckt sind hingegen so griffige Formulierungen wie etwa diejenigen, die CSU sei die NPD von Europa,12 die Bezeichnung von Kreditvermittlern als Kredithaie,13 die Bezeichnung des privaten Sicherheitsdienstes eines Einkaufszentrums als privater Schlägertruppe und ihrer Mitarbeiter u.a. als verkrachte Existenzen jeder Couleur14 oder die Bezeichnung eines westdeutschen Rechtsanwalts, der in den Neuen Bundesländern mit der Liquidation vormals staatseigener Betriebe im Auftrag der damaligen Treuhandanstalt binnen kurzer Zeit Honorarerlöse von mehr als 10 Millionen DM erzielt hatte, als Abkassierer;15 als Abkassierer durfte auch ein gut bezahlter Fußballprofi im Zusammenhang mit einer vernichtenden Kritik an seinen sportlichen Leistungen bezeichnet werden.16 Zulässige Meinungsäußerung war auch die Bezeichnung eines Amtsbewerbers als eines linksradikal bis prokommunistisch eingestellten Kommunistenspezis,17 die Bezeichnung eines mit alternativen Behandlungsmethoden bekannt geworde_______________
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BVerfG NJW 2006, 3266. LG München I AfP 1997, 827. BVerfG NJW 1994, 1149. OLG Bamberg NJW 1994, 1972. LG Nürnberg-Fürth ArchPR 1972, 84. LG Essen NJW 1980, 1639. KG NJW 2005, 2872. OLG Köln AfP 1980, 112. BVerfG AfP 1980, 151 = NJW 1980, 2072 – Böll/Walden. LG Oldenburg AfP 1995, 679 = NJW-RR 1995, 1427. LG Nürnberg-Fürth NJW 1998, 3423. BVerfGE 61, 1 = AfP 1982, 215 = NJW 1983, 1415 – NPD von Europa. BVerfGE 60, 234 = AfP 1982, 163 = NJW 1982, 2655 – Kredithaie. BVerfG NJW 2002, 3315. OLG München NJW 1997, 62. OLG Celle AfP 1997, 819. OLG München ArchPR 1972, 109.
460
Meinungsäußerungen und Kritik
Tz. 13 § 20
nen Arztes als Scharlatan und Pfuscher durch einen Kritiker seiner Behandlungsmethoden im Rahmen eines Fernseh-Interviews1 oder schließlich die Bezeichnung des Vaters eines Kinder-Virtuosen, der mit seiner Familie von den Einkünften des Kindes lebte, als kleingewachsener Patriarch und Schikanör.2 Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte3 war auch die Bezeichnung des damaligen FPÖ-Politikers Jörg Haider als Trottel von der Gewährleistung der Meinungsfreiheit durch Art. 10 EMRK gerechtfertigt, obgleich hier die Sachaussage hinter den Wunsch zur Schmähung deutlich zurückzutreten scheint. Bei der Benutzung von Begriffen wie Nazi, Faschist oder Stasi-Spitzel ist zunächst aus dem Kontext zu entnehmen, ob es sich um die Behauptung einer nachweislichen Tatsache im Sinn einer – gegebenenfalls früheren – Parteizugehörigkeit handelt.4 Ist das nicht der Fall und die Bezeichnung danach Meinungsäußerung, so hängt die Frage, ob die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist oder es sich um eine Äußerung handelt, durch die im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung ein sachliches Anliegen zum Ausdruck kommt, von den Umständen des Einzelfalls ab. Mangels tatsächlicher Bezugspunkte kann eine derartige Qualifizierung unzulässig,5 in den Fällen, in denen sich aus dem Verhalten oder der Vergangenheit des Betroffenen Anhaltspunkte ergeben, die seine entsprechende Qualifizierung jedenfalls nachvollziehbar erscheinen lassen, wird sie als – wenn auch möglicherweise überspitzter – Ausdruck einer politischen oder weltanschaulichen Meinung hingegen zulässig sein.6
12
2. Kunst und Satire a) Grundsätzliches Anders als die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG, die ihre Schranken in den in Art. 5 Abs. 2 GG genannten Normen und den durch sie geschützten Rechten Dritter finden, steht die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit der Kunst unter keinem speziellen Gesetzesvorbehalt. Eine textliche oder bildliche Darstellung ist als Kunst zu qualifizieren, wenn sie über den Rahmen der üblichen Form der Meinungsäußerung hinausgehend Ausdruck einer freien schöpferischen Gestaltung ist, in der der Autor oder Zeichner seine Überzeugungen, Eindrücke, Erfahrungen oder Erlebnisse zu unmittelbarer Anschauung bringt.7 Auf Qualität, Niveau oder gar Geschmack kommt es bei der Bestimmung dessen, was Kunst ist, nicht an. Ein Staat und _______________
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OLG Karlsruhe AfP 2002, 533 = NJW-RR 2002, 1695 = ZUM-RD 2002, 27. OLG Karlsruhe AfP 2001, 336 = ZUM 2001, 888. EGMR NJW 1999, 1321. Oben § 14 Tz. 17 ff. OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1996, 1050. BVerfG AfP 1992, 58 = NJW 1992, 2013; OLG Köln 1993, 755; KG NJW-RR 1994, 926 – IM Brandenburger. 7 BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto; BVerfGE 67, 213 = NJW 1985, 261 – Anachronistischer Zug; Einzelheiten bei Isensee, AfP 1993, 619; Gounalakis, NJW 1995, 811.
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13
§ 20 Tz. 14
Recht der Darstellung – Einzelfragen
seine Gerichte, die Kunstfreiheit gewährleisten und zu berücksichtigen haben, müssen auf alles Qualitativ-Wertende verzichten, damit nicht über die Definition der Kunst staatliches Kunstrichtertum entsteht.1 Kunst im Sinn der verfassungsrechtlichen Gewährleistung ist daher nicht nur dort anzuerkennen, wo es sich um Aktivitäten im künstlerischen Bereich handelt und repräsentative Vertreter der infrage kommenden Kunstgattung sich zu einem Werk als Ausdruck künstlerischen Schaffens bekennen.2 Aus gutem Grund stellt das Bundesverfassungsgericht keine hohen qualitativen Anforderungen an den Begriff der Kunst. Eine gewisse Verfremdung der Stilmittel reicht jedenfalls dann aus, wenn es sich um Aussagen im geistigen Meinungskampf handelt. Ist das der Fall, so steht auch eine Medienäußerung unter dem Schutz nicht nur der Meinungsäußerungs-, sondern auch der Kunstfreiheit als des spezielleren Grundrechts.3 Allerdings soll nach der insoweit nicht unproblematischen Auffassung des Bundesverfassungsgerichts4 Kunstkritik als solche nicht als Kunst anzusehen sein. 14
Als Kunst in diesem weiten Sinn geschützt waren nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etwa die Assoziierung von Franz Josef Strauß mit nationalsozialistischen Unrechtstaten in einem politischen Straßentheater,5 die Bezeichnung eines querschnittsgelähmten Reserveoffiziers als geb. Mörder im Rahmen eines satirischen Beitrags,6 die Verballhornung des Deutschlandlieds,7 die Verunglimpfung der Bundesflagge8 oder schließlich die Verwendung verbotener nationalsozialistischer Symbole im Rahmen einer Hitler-Parodie.9 Auch insoweit ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts10 die zu Art. 5 Abs. 1 GG entwickelte Zweifelsregel zu beachten, nach der die Gerichte unter mehreren möglichen Deutungen einer künstlerischen oder satirischen Äußerung derjenigen den Vorzug zu geben haben, die nicht zur Verurteilung führt.11 Soweit das Bundesverfassungsgericht12 diesen Grundsatz in seiner jüngeren Rechtsprechung dahingehend eingeschränkt hat, dass er nicht gilt, wenn der Betroffene lediglich die Unterlassung künftiger Wiederholungen einer umstrittenen Äußerung verlangt, verbietet es der im Vergleich zu Art. 5 Abs. 1 GG größere Schutzbereich der Kunstfreiheit aus _______________
1 Maunz/Dürig/Scholz, Art. 5 Abs. 3 GG Rz. 38 f. 2 Maunz/Dürig/Scholz, Art. 5 Abs. 3 GG Rz. 38; OLG Hamburg v. 30.3.1995 – 3 U 210/94, unveröffentlicht. 3 BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto; BVerfG AfP 1987, 677 = NJW 1987, 2661 – Konkret-Karikatur. 4 BVerfG AfP 1993, 476 = NJW 1993, 1462 – Böll/Walden II. 5 BVerfG NJW 1985, 261 – Anachronistischer Zug. 6 BVerfG AfP 1992, 133 = NJW 1992, 2073 – geb. Mörder. 7 BVerfG NJW 1990, 1985 – Deutschlandlied; BVerfG NJW 2001, 596 = ZUM 2001, 320 – Deutschland muss sterben. 8 BVerfG NJW 1990, 1982 – Bundesflagge; LG Aachen NJW 1995, 894. 9 BVerfG NJW 1990, 2541 – Hitler-Satiren. 10 BVerfG AfP 1993, 476 = NJW 1993, 1462 – Böll/Walden II. 11 BVerfG NJW 1990, 2541 – Hitler-Satiren; vgl. hierzu auch BayObLG NJW 1995, 145 – Asylbetrüger; a.A. insoweit OLG Frankfurt/Main NJW 1995, 143 – Asylbetrüger. 12 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär; BVerfG AfP 2006, 349 = NJW 2006, 3769 = ZUM-RD 2007, 285 – Babycaust; dazu oben § 14 Tz. 11a ff.
462
Meinungsäußerungen und Kritik
Tz. 15a § 20
Art. 5 Abs. 3 GG, diese Einschränkung auch dann zur Anwendung zu bringen, wenn eine Äußerung oder Darstellung nur aus einem bestimmten Blickwinkel oder Verständnis heraus als Kunst anzusehen ist, aus einem anderen hingegen nicht.1 Dies gilt umso mehr, als Mehrdeutigkeit als probates Stilmittel jeder Art von Kunst und insbesondere von Satire und Kultur angesehen werden muss. Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG ist daher auch gegenüber Unterlassungsansprüchen nur dann von vornherein nicht betroffen, wenn eine künstlerische und insbesondere satirische Äußerung offenkundig nicht in Betracht kommt.2 Der Begriff der Schmähkritik ist auch in diesem Zusammenhang eng,3 derjenige der Kunst hingegen weit auszulegen. Auch die Gewährleistung der Kunstfreiheit durch das Grundgesetz ist jedoch trotz Fehlens eines speziellen Gesetzesvorbehalts nicht schrankenlos. Die Freiheit der Kunst findet vielmehr dort ihre Grenze, wo ihre Ausübung unmittelbar mit anderen durch das Grundgesetz gewährleisteten Grundwerten wie der Würde des Menschen nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG oder dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG kollidiert.4 Damit sind Äußerungen auch dort, wo sie sich in künstlerischer Form präsentieren, prinzipiell dann unzulässig, wenn sie in den Kernbereich der Würde des durch sie Kritisierten eingreifen, spricht aber gerade bei dieser Äußerungsform zunächst eine Vermutung für die Zulässigkeit ihrer Verbreitung. Ein Eingriff in den geschützten Bereich der Menschenwürde lag nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts etwa vor im Fall des Romans Mephisto von Klaus Mann, in dem es eine Schmähschrift gegen den Schauspieler Gustav Gründgens sah,5 im Fall der Karikatur, die Franz Josef Strauß als kopulierendes Schwein in Richterrobe zeigte6 oder im Fall der Beschimpfung des verstorbenen Heinrich Böll als steindummer, kenntnisloser und talentfreier Autor.7
15
Einen deutlich weiteren Freiraum als noch in der Mephisto-Entscheidung räumt das Bundesverfassungsgericht8 in seiner neueren Rechtsprechung allerdings der künstlerischen Anlehnung literarischer Figuren an Vorbilder aus der Realität ein. Für diesen Komplex hat das Bundesverfassungsgericht9 nun den Grundsatz der Vermutung der Fiktionalität aufgestellt, nach dem die Erkennbarkeit einer realen Person in der fiktiven Figur eines Kunstwerks nur festgestellt werden kann, wenn eine besondere Intensität der Identifizierungsmerkmale vorliegt.10 Da die Kunstfreiheit obendrein das Recht zur Verwendung von Vorbildern aus der Lebensrealität einschließt, folgt aus der Erkennbarkeit eines Vorbilds allerdings noch nicht automatisch eine Verletzung
15a
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A.A. LG Hamburg v. 13.3.2009 – 324 O 800/08, unveröffentlicht; nicht rechtskräftig. BVerfG NJW 1990, 2541 – Hitler-Satiren. BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung. BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto. BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto. BVerfG AfP 1987, 677 = NJW 1987, 2661 – Konkret-Karikatur. BVerfG AfP 1993, 476 = NJW 1993, 1462 – Böll/Walden II. Dazu im Einzelnen oben § 19 Tz. 23 ff. BVerfG NJW 2004, 3619; BGH NJW-RR 1988, 733; BGH AfP 2005, 464 = NJW 2005, 2844 = GRUR 2005, 788 = WRP 2005, 1258 – Esra. 10 Dazu schon oben § 13 Tz. 37a, § 19 Tz. 23a ff.
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§ 20 Tz. 16
Recht der Darstellung – Einzelfragen
seines Persönlichkeitsrechts und scheidet sie insbesondere dann aus, wenn der Grad der Übereinstimmung nur gering ist. Wird auch diese Bagatell-Hürde überschritten, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dieser Konflikt im Wege der Güterabwägung mit der Folge zu lösen, dass eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Vorbilds umso eher festzustellen ist, desto stärker das Vorbild und die daraus entwickelte Figur übereinstimmen.1 In der Praxis ergeben sich aus dieser neuen Sicht des Bundesverfassungsgerichts weite Freiräume für die Anlehnung literarischer oder filmischer Gestalten an Vorbilder aus der Realität, die dazu geführt haben, dass Versuche, einschlägige Romane, Theaterstücke oder Filme zu untersagen, in der Mehrzahl der Fälle an dem gebotenen weiten Kunstverständnis gescheitert sind.2 b) Satire und Karikatur 16
Die prinzipielle Privilegierung künstlerischer Tätigkeit durch das Grundgesetz wirkt sich für die Medien insbesondere im Bereich der Stilmittel von Satire oder Karikatur aus, ohne dass es im Einzelfall entscheidend darauf ankommen wird, ob in Anwendung dieser Stilmittel Kunst im Rechtssinn oder nur eine pointierte Meinungsäußerung entsteht.3
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Allerdings muss Satire für den Leser oder Betrachter jedenfalls in einer möglichen Deutungsvariante als solche erkennbar sein.4 Wird durch sie eine Herkunftstäuschung hervorgerufen, wird etwa dem Betroffenen ein erfundenes Zitat in satirischer Absicht und in einer Weise in den Mund gelegt, dass der zwingende Eindruck entsteht, es stamme von ihm, oder wird einem Unternehmen eine kreditschädigende Werbeaussage untergeschoben, die dem Leser oder Betrachter den zwingenden Eindruck vermittelt, sie stamme von dem betreffenden Unternehmen, dann enthält auch Satire im Ergebnis eine unwahre Tatsachenbehauptung, die sie als solche gegen sich gelten lassen muss.5 Derartige, in der Praxis vermutlich äußerst seltene, nur künstlerisch gemeinte, aber gerade nicht künstlerisch verkleidete Eingriffe in Rechte Dritter rechtfertigt der Gesichtspunkt der Kunstfreiheit jedenfalls dann nicht, wenn für den Betrachter nicht auf sonstige Weise deutlich gemacht wird, dass es sich nicht um eine authentische Aussage, sondern um eine in satirischer Absicht geschaffene Erfindung handelt.6
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1 BVerfG NJW 2004, 3619; BGH NJW-RR 1988, 733; BGH AfP 2005, 464 = NJW 2005, 2844 = GRUR 2005, 788 = WRP 2005, 1258 – Esra. 2 Einzelnachweise oben § 19 Tz. 23c. 3 BVerfG NJW 1985, 787 – Schwarze Sheriffs; BVerfG AfP 1992, 133 = NJW 1992, 2073 – geb. Mörder; BVerfG AfP 1998, 52 = NJW 1998, 1386 – Münzen-Erna. 4 Oben Tz. 14. 5 Dazu oben § 14 Tz. 28 ff.; unten Tz. 18. 6 OLG Stuttgart NJW 1976, 628 – Siemens-Festschrift; OLG Hamburg NJW-RR 1994, 1373 – Engholm.
464
Meinungsäußerungen und Kritik
Tz. 17b § 20
Unter diesem Aspekt hat das Landgericht Hamburg1 in einer älteren Entscheidung die Veröffentlichung einer fingierten Anzeige, die für das alkoholische Getränk Jägermeister um jugendliche Käufer und Konsumenten warb, als unzulässig angesehen, weil sie unter Berücksichtigung der jahrelang tatsächlich verbreiteten Werbung des betroffenen Unternehmens von jedenfalls einem Teil der Betrachter als authentisch missverstanden werden konnte. Nach modernem Verständnis der Tragweite der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG und unter Berücksichtigung der Zweifelsregel käme ein Verbot dieser vermeintlichen Anzeige heute nicht mehr in Betracht, da jedenfalls beachtliche Teile der Leser schon im Hinblick auf ihre Platzierung in einem Satiremagazin nicht annehmen konnten, sie sei authentisch. Gleiches gilt für den erfundenen Lesebrief, mit dem dem Anschein nach der Chefredakteur des Neuen Deutschland gemeinsam mit der Bürgerlichen Presse die kollektive Verantwortung für den Tod von Lady Diana übernahm, da sich dem Leser die mangelnde Ernstlichkeit der Aussage aufgrund der Gesamtumstände nicht verschließen konnte.2 So war auch die Verbreitung von satirischen Aufklebern zulässig, die den berühmten Lufthansa-Kranich in erkennbarer Verfremdung in ein Lusthansa-Symbol3 oder die BMW-Marke in eine Aufforderung mit dem Wortlaut Bums Mal Wieder umfunktionierten.4 Gleiches galt für die Verfremdung der bekannten Zigarettenmarke Marlboro durch die fiktive Marke Mordoro und die Auslobung eines fiktiven Preisausschreibens mit den Hauptgewinnen Magengeschwür, Herzinfarkt und Lungenkrebs in parodierter Zigarettenwerbung.5 Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts6 und der Zivilgerichte,7 die leichte und als solche nicht ohne weiteres erkennbare Verfremdung eines Fotos des Kopfs des ehemaligen Vorstandvorsitzenden der Deutsche Telekom AG, Ron Sommer in einer Karikatur, die ihn lächelnd auf dem Querbalken des von seinem Unternehmen markenmäßig genutzten „T“ zeigte, stelle die unzutreffende und sein Persönlichkeitsrecht verletzende Tatsachenbehauptung dar, der Abgebildete sehe exakt so aus wie auf dem Bild gezeigt, ist schon deswegen verfehlt, weil sich aus der unverkennbaren Ausgestaltung des Gesamtbilds als Karikatur zweifelsfrei ergab, dass es hier nicht um Detailgenauigkeit ging.8
17a
Bei der damit prinzipiell zulässigen satirischen Verfremdung geschützter Unternehmenskennzeichen soll die Gewährleistung der Kunstfreiheit nach älteren gerichtlichen Entscheidungen allerdings dort aufhören, wo auch nur entfernt ein Wettbewerbsverhältnis zwischen demjenigen, der das Zeichen
17b
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LG Hamburg FuR 1981, 102 – Jägermeister. LG Berlin AfP 1998, 525. OLG Frankfurt/Main NJW 1982, 648 – Lusthansa. BGH AfP 1986, 361 = NJW 1986 2951 = GRUR 1986, 759 – BMW. BGH AfP 1984, 151 = NJW 19984, 1956 = GRUR 1984, 684 – Mordoro. BVerfG AfP 2005, 171 = NJW 2005, 3271 = ZUM 2005, 384 = GRUR 2005, 5000 = WRP 2005, 595 – Ron Sommer. 7 BGH AfP 2006, 54 = NJW 2006, 603 = ZUM 2006, 215 = GRUR 2006, 255 = WRP 2006, 267 – Satirische Fotomontage; OLG Hamburg AfP 2008, 82 = ZUM-RD 2008, 408; anders noch zutreffend BGH AfP 2004, 51 = NJW 2004, 596 = ZUM 2004, 125 = GRUR 2004, 590 = WRP 2004, 240 – Fotomontage. 8 Dazu im Einzelnen oben § 14 Tz. 30.
465
§ 20 Tz. 18
Recht der Darstellung – Einzelfragen
verfremdet, und dem berechtigten Inhaber des Zeichens besteht oder vom Verkehr vermutet werden kann. Mit dieser Begründung hat die Rechtsprechung in der Verfremdung der berühmten Marken NIVEA1 oder MARS2 als satirische Bezeichnung von Kondomen eine Verletzung der Marken- und Namensrechte der betroffenen Unternehmen gesehen. Aus derselben Erwägung musste es nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln3 auch der Verleger des real existierenden Zeitungstitels Express nicht hinnehmen, dass eben dieser Titel als Titel der fiktiven Zeitschrift genutzt wurde, in der im Film Schtonk die falschen Hitler-Tagebücher veröffentlicht wurden. Unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung zur Tragweite des Grundrechts der Meinungsfreiheit im Bereich des Wettbewerbsrechts4 erscheinen diese Entscheidungen allerdings nicht mehr haltbar. Und fehlerhaft war es auch vor der Öffnung des Bereichs wettbewerblicher Äußerungen für die Grundrechte der Meinungs- und Kunstfreiheit, wenn das Oberlandesgericht Karlsruhe die Verbreitung eines Polit-Posters mit der erkennbar satirischen Aussage „Die Reichen müssen noch reicher werden – deshalb CDU“ untersagt hat, weil es sich um eine unbefugte Benutzung des Namens CDU gehandelt habe;5 hier kam eine Herkunftstäuschung nicht ernsthaft in Betracht, überwog vielmehr der satirische Gehalt der Aussage eindeutig. Gleiches galt im Fall der Verfremdung der notorischen Telekom-Werbung unter Verwendung der von der Deutsche Telekom AG seit Jahren eingesetzten Farben und sogenannten T-Punkte für den Slogan „Alles wird teurer“,6 in der der Betrachter unschwer die Kritik an der Preispolitik der Telekom erkannte. 18
Das Mittel der Freilegung der eigentlichen Aussage einer Satire oder Karikatur von dem aus gewollter Verzerrung, Übertreibung oder Verfremdung bestehenden in Wort und Bild gewählten satirischen Gewand, mit dem bereits die Unterscheidung von satirischen Tatsachenbehauptungen von mit demselben Stilmittel verbreiteten Meinungsäußerungen zu treffen ist,7 ist auch dort einzusetzen, wo es um die Bestimmung des Aussagekerns einer in satirische Form gegossenen Meinungsäußerung geht.8 Auch im Bereich der Satire rechtfertigen die genannten grundrechtlichen Gewährleistungen nicht die unrichtige und ihrerseits rechtsverletzende Wiedergabe eines tatsächlichen Geschehens9 und insbesondere die in eine Satire oder Glosse eingekleidete Behauptung, der Kritisierte habe eine Äußerung getan, die er tatsächlich nicht getan hat oder hat tun wollen.10 Die – als solche unwahre – Behauptung etwa, der _______________
1 OLG Hamburg GRUR 1993, 132 = WRP 1992, 573 – NIVEA; BGH NJW 1995, 871 = GRUR 1995, 57 = WRP 1995, 92 – Markenverunglimpfung II. 2 BGH NJW 1994, 1954 = GRUR 1994, 808 = WRP 1994, 495 – Markenverunglimpfung; BVerfG NJW 1994, 3342 – Mars-Kondom. 3 OLG Köln AfP 1992, 371 – Express. 4 Dazu oben Tz. 7a. 5 OLG Karlsruhe NJW 1972, 1810. 6 KG AfP 1997, 921 = NJW-RR 1997, 937. 7 Oben § 14 Tz. 28 f. 8 BVerfGE 75, 369 = AfP 1987, 677 = NJW 1987, 2661 – Konkret-Karikatur; BVerfG AfP 1998, 52 = NJW 1998, 1386 – Münzen-Erna; BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; Zechlin, NJW 1984, 1091, 1093. 9 OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 1116 – die sieben peinlichsten Persönlichkeiten. 10 BVerfG AfP 2001, 382 = NJW 2001, 3613 = ZUM-RD 2001, 481.
466
Meinungsäußerungen und Kritik
Tz. 19 § 20
namentlich genannte Leiter einer Behörde erscheine aufgrund seiner gesellschaftlichen Verpflichtungen regelmäßig erst nachmittags gegen 17.00 Uhr zum Dienst, wo er dann aber durchaus bis gegen 21.00 Uhr verweile, wird auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass sie Teil eines satirischen Beitrags ist.1 Und die in die Form einer Suggestivfrage gefasste, als Schlagzeile verbreitete Behauptung „Heide Simonis jetzt ins Dschungel-TV?“ war auch im Rahmen des darunter abgedruckten und satirisch bebilderten kritischen Beitrags über Auftritte der ehemaligen Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidentin in TV-Tanz-Shows als nicht zu rechtfertigende üble Nachrede zu qualifizieren, nachdem die Betroffene Fragen der Medien nach ihrer Bereitschaft, nun auch im Dschungel-TV aufzutreten, eindeutig negativ beantwortet hatte.2 Enthält die von ihrer satirischen Umkleidung freigelegte Aussage einer Karikatur die Kundgebung einer Missachtung, die die Würde des Kritisierten in ihrem Kernbereich trifft, dann rechtfertigt auch die Gewährleistung der Kunstfreiheit durch das Grundgesetz ihre Verbreitung nicht,3 ist sie vielmehr strafrechtlich als Beleidigung im Sinn von § 185 StGB und zivilrechtlich als Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kritisierten zu qualifizieren. Unter diesem Aspekt war etwa das öffentliche Bekenntnis einer PopGruppe „I wanna make love with Steffi Graf“, zu dessen vermeintlicher Rechtfertigung das Argument angeführt wurde, der Vater der so Verunglimpften habe das auch getan, nicht mehr durch den Kunstvorbehalt des Art. 5 Abs. 3 GG gerechtfertigt.4 Dasselbe galt für die Verunglimpfung des damaligen SPD-Vorsitzenden und Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidenten Björn Engholm durch eine Fotomontage, die seinen Kopf auf dem Körper des toten Uwe Barschel in der Badewanne von dessen Genfer Hotel zeigte – verbunden mit der Unterzeile „Sehr komisch, Herr Engholm“.5 Unzulässig war auch die Darstellung des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß in der Form eines Schweins, das in mehreren Varianten mit in Richterroben verkleideten anderen Schweinen kopuliert. Darin lag nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts6 nicht nur wegen der Darstellung des Betroffenen als Schwein ein Eingriff in dessen Menschenwürde; sie enthielt zusätzlich die nach Ansicht des Gerichts als solche nicht zu rechtfertigende Sachaussage, Strauß mache sich die Justiz in anstößiger Weise zunutze und empfinde an einer ihm willfährigen Justiz ein tierisches Vergnügen. Gleiches galt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg7 auch für die unter der Überschrift „Gegen Faschismus, Reaktion und Krieg“ verbreitete Darstellung von Franz Josef Strauß in Gestalt eines amoklaufenden, bereits verletzten Kampfstiers, der auf eine Gruppe Jugendlicher losging, weil ihr die Aussage zu entnehmen sei, der so Gekennzeichnete sei ein faschistischer Kriegstreiber _______________
1 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1993, 852. 2 KG AfP 2007, 569 = ZUM 2008, 60 = WRP 2007, 1496 – Satirische Fotomontage. 3 BVerfG AfP 1971, 119 = NJW 1971, 1645 – Mephisto; BVerfG NJW 1985, 261 – Anachronistischer Zug. 4 OLG Karlsruhe NJW 1994, 1963 – Steffi Graf. 5 LG Hamburg AfP 1994, 64; OLG Hamburg NJW-RR 1994, 1373 = WRP 1994, 889 – Engholm; kritisch dazu Gounalakis, NJW 1995, 811, 814. 6 BVerfG AfP 1987, 677 = NJW 1987, 2661 – Konkret-Karikatur. 7 OLG Hamburg NJW 1982, 659.
467
19
§ 20 Tz. 20
Recht der Darstellung – Einzelfragen
mit der Absicht menschenverachtender Vernichtung aller Andersdenkenden, oder Abbildung der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen auf einem Plakat in Verbindung mit einem SS-Offizier, einem Kreuzritter und abgewandelten Hitler-Zitaten,1 weil dieser Kombination die sachlich unwahre Behauptung zu entnehmen ist, die Betroffene verfolge dieselben Ziele gegenüber Osteuropa wie die Kreuzritter und das nationalsozialistische Dritte Reich. 20
Grundsätzlich kann aber als solche erkennbare Satire oder Karikatur einen beachtlichen Freiraum beanspruchen.2
20a
Zulässig war daher etwa die Verwendung der Metapher von den bezahlten Politikern in einer Moritat auf Helmut Hortens Angst und Ende trotz der Möglichkeit, diese Metapher im Hinblick auf den Fall Abgeordnetenbestechung3 als Behauptung tatsächlich erfolgter Bestechung von Politikern misszuverstehen.4 Zulässig war auch die Äußerung, ein bestimmter Politiker sei störrischer als ein Esel, und dieser müsse davor geschützt werden, dass man ihn mit dem Politiker verwechsele,5 die Verbreitung des Posters „Alle reden vom Frieden … wir nicht“ mit dem Porträt eines bekannten Rüstungsindustriellen6 oder eines Greenpeace-Plakats mit dem Foto des Vorstandsvorsitzenden eines deutschen Chemiekonzerns und dem Slogan „Alle reden vom Klima – Wir ruinieren es!“7 Als zulässige Satire wurde auch die satirische Verfremdung des Zeitungstitels BILD durch den Slogan „BILD Dir keine Meinung“8 und diejenige des Zeitschriftentitels Fit for Fun durch den Slogan Fick for Fun angesehen.9 Während im erstgenannten Fall die hinter der satirischen Verfremdung stehende Sachaussage aus sich selbst heraus verständlich ist, hat das Oberlandesgericht Hamburg die Zulässigkeit der Verfremdung im zweiten Fall mit seiner Feststellung begründet, einzelne Exemplare der so kritisierten Zeitschrift enthielten über das übliche Maß hinausgehende Darstellungen sexueller Themen. Zulässige Satire, die sich auch gegenüber dem Urheberrecht des gestaltenden Künstlers durchsetzte, war auch die parodistische Umgestaltung des über Jahrzehnte im ersten Bonner Plenarsaal des Deutschen Bundestags hängenden, nach seinem Schöpfer so benannten Gies-Adlers in einen als solchen erkennbaren Pleitegeier im Rahmen eines kritischen Beitrags über die Haushaltspolitik des Deutschen Bundestags. Der Bundesgerichtshof10 hat es zwar abgelehnt, dieses Ergebnis mit einem Vorrang der satirisch-künstlerischen Freiheit des Gestalters der Parodie über das Urheberrecht zu begründen, seinerseits aber die zutreffende Auffassung vertreten, das Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst umfassenden Zugang zu die_______________
1 2 3 4 5 6 7
OLG Köln AfP 2009, 156. Wenzel/Burkhardt, Kap. 3 Rz. 30 ff. BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung. BGH AfP 1982, 173 = NJW 1983, 1194 = GRUR 1982, 627 – Moritat. OLG Hamburg MDR 1967, 146. OLG Karlsruhe NJW 1982, 647. BGH AfP 1993, 736 = NJW 1994, 124 = GRUR 1994, 391; BVerfG AfP 1999, 254 – Alle reden vom Klima; a.A. OLG Frankfurt/Main NJW 1991, 361 = GRUR 1991, 209. 8 OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1060 – BILD Dir keine Meinung. 9 OLG Hamburg AfP 1999, 287 – Fit for Fun. 10 BGH AfP 2003, 541 = NJW 2003, 2622 = ZUM 2003, 777 = GRUR 2003, 956 – GiesAdler.
468
Meinungsäußerungen und Kritik
Tz. 20b § 20
sem ihr gewidmeten Werk müsse im Rahmen der Abgrenzung des Urheberrechts und seiner gesetzlichen Schranken wie im Fall der freien Bearbeitung berücksichtigt werden.1 Die Verfremdung des seit Jahren notorischen Werbespruchs Fakten, Fakten, Fakten! der Zeitschrift Focus durch den Slogan Ficken, Ficken, Ficken! hingegen hat das Landgericht Berlin2 als nicht mehr durch die Meinungs- und Satirefreiheit gedeckte Verletzung der Intimsphäre des Focus-Chefredakteurs angesehen. Und nicht durch die Satirefreiheit gedeckt war auch die satirisch gemeinte Assoziierung einer Minderjährigen, die an einem Schönheitswettbewerb teilgenommen hatte, mit pornografischen Aktivitäten durch das TV-Format TV Total.3 Obwohl ebenfalls im Grenzbereich der Intimsphäre angesiedelt, hat das Oberlandesgericht Hamburg4 andererseits die satirische zeichnerische Darstellung des nackten Körpers eines Protagonisten des Bodybuilding mit bei geöffnetem Fenster und dadurch hervorgerufenem Luftzug seitlich abgeknicktem Glied und der Unterzeile als zulässig angesehen, der Abgebildete sei von oben bis unten durchtrainiert; er habe sämtliche Glieder absolut unter Kontrolle – bis auf die Augenblicke, in denen das Fenster offen sei. Wesensmerkmal des Bodybuilding sei der Anspruch seiner Verfechter, zur absoluten Beherrschung jedes Muskels in der Lage zu sein; die Aussage der satirischen Bildfolge ziele daher nicht auf die Person des Abgebildeten, sondern auf die Feststellung, dass auch derartige Körperbeherrschung ihre Grenzen hat, weswegen der Betrachter diese Abbildung auch nicht als in den Intimbereich hineinwirkende Entblößung der auf ihr erkennbaren Person missverstehen könne.
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1
Zustimmend im Ergebnis, mit Recht kritisch aber zur vom BGH gewählten Begründung v. Becker, GRUR 2004, 104 ff. 2 LG Berlin AfP 1997, 735 = NJW 1997, 1371. 3 OLG Hamm AfP 2004, 543 = NJW-RR 2004, 919 = ZUM 2004, 388. 4 OLG Hamburg AfP 1987, 701.
469
20b
§ 21 Bildberichterstattung 1. Recht am eigenen Bild 1
Ein beachtlicher Teil aller Auseinandersetzungen zwischen Medien und Individuen über die Zulässigkeit von Medienberichterstattung, dessen Bedeutung im letzten Jahrzehnt noch einmal dramatisch zugenommen hat, entfällt auf Streitigkeiten als Folge der Veröffentlichung von Bildern, auf denen einzelne Personen in erkennbarer Weise abgebildet sind. Den rechtlichen Rahmen für derartige Bildveröffentlichungen stecken die als gesetzliche Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehenden1 Bestimmungen der §§ 22 ff. KUG ab. Zusätzliche Bedeutung gewinnen diese Bestimmungen dadurch, dass die Rechtspraxis sie entgegen ihrem Wortlaut in der Regel nicht nur auf die Veröffentlichung von Lichtbildern, sondern bereits auf deren Herstellung anwendet.2 a) Überblick
2
Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder zur Schau gestellt werden. Die wesentlichen Ausnahmen von dieser Regel normiert § 23 Abs. 1 KUG, der bestimmt, dass „1. Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte; 2. Bilder, auf denen Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; 3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die Abgebildeten teilgenommen haben; 4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient“
ohne Einwilligung des Betroffenen verbreitet werden dürfen. Dies gilt allerdings nach § 23 Abs. 2 KUG nur, sofern dem nicht im Einzelfall berechtigte Interessen des Betroffenen oder – im Falle seines Todes – seiner Angehörigen entgegenstehen. 2a
Da es bei §§ 22 ff. KUG um einen Aspekt des Persönlichkeitsschutzes geht, hat die Rechtspraxis den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG betreffend Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte speziell auf die Abbildung von Personen bezogen und dazu die für die Praxis Jahrzehnte lang maßgeblichen, besonders bedeutsamen Rechtsfiguren der absoluten und der relativen Person der Zeitgeschichte entwickelt,3 deren Einwilligung zur Verbreitung und damit auch zur Herstellung von Fotografien im Prinzip als nicht erforderlich galt, sofern dem nicht im Einzelnen zu begründende berechtigte Belange der Betroffenen im Sinn von § 23 Abs. 2 KUG entgegenstanden. Keine _______________
1 v. Gamm, Einführung Rz. 102; Schricker/Gerstenberg/Götting, § 22 KUG/§ 60 Rz. 1. 2 Dazu oben § 9 Tz. 3 ff. 3 Neumann-Duesberg, JZ 1960, 114.
470
Bildberichterstattung
Tz. 2c § 21
andere Rechtsfigur hat im Zusammenhang mit dem Recht am eigenen Bild wie auch im Bereich der Auslegung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts1 Rechtsprechung und rechtswissenschaftliches Schrifttum so geprägt wie diejenige der Persönlichkeit der Zeitgeschichte und deren Ausdifferenzierung durch die Gerichte. Bereits in der 3. Auflage wurde jedoch die Frage aufgeworfen,2 ob nicht die Rechtsentwicklung namentlich des letzten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts und insbesondere eine uneinheitliche und in manchen Details kaum noch nachvollziehbare Rechtsprechung der Zivilgerichte Anlass boten, die Sachgerechtigkeit der Zuordnung von Individuen zu den Kategorien der absoluten und der relativen Person der Zeitgeschichte zu überprüfen.3 So hatten es etwa die Hamburger Gerichte4 über Jahre hin abgelehnt, dem in den Medien schon seinerzeit omnipräsenten Chef des Hauses Hannover, Ernst August von Hannover, den Status einer absoluten Person der Zeitgeschichte zuzuerkennen, und im Wesentlichen mit der Begründung, er gehöre dieser Kategorie nicht an, die Veröffentlichung zahlreicher seiner Abbildungen ebenso untersagt wie die seine Privatsphäre betreffende Meldung über seine in England vollzogene Ehescheidung und die Tatsache, dass ein Ehebruch der Scheidungsgrund war. Der Bundesgerichtshof,5 der die Verbreitung dieser Meldung mit späterer Billigung durch das Bundesverfassungsgericht6 für rechtmäßig hielt, hat die Frage, ob und welcher der genannten Kategorien der Betroffene zuzuordnen war, bereits 1999 unentschieden gelassen, sie in den Gründen seines Urteils nicht einmal als Rechtsproblem erwähnt und das öffentliche Interesse an der in Rede stehenden Nachricht im Wege der Güterabwägung mit der gesellschaftlichen Position des Betroffenen begründet, wobei er insbesondere dessen schon damals bekannte, unübersehbare Nähe zu seiner späteren Ehefrau, der von der Rechtsprechung seit Langem als absolute Person der Zeitgeschichte eingestuften Prinzessin Caroline von Monaco, sowie den Inhalt der Nachricht selbst und die Umstände ihres Bekanntwerdens berücksichtigte.
2b
Statt die Frage, ob – vorbehaltlich entgegenstehender Rechte gemäß § 23 Abs. 2 KUG – die Einwilligung einer bestimmten Person zur Veröffentlichung eines bestimmten Bilds entbehrlich ist, anhand ihrer Zuordnung zur Kategorie der absoluten oder relativen Person der Zeitgeschichte zu beantworten, hat der Verfasser im Anschluss an einen im Schrifttum publizierten Vorschlag7 bereits seinerzeit angeregt zu fragen, ob es sich beim Betroffenen um eine Persönlichkeit handelt, die im öffentlichen Leben oder zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aufgrund bestimmter Ereignisse im Blickpunkt der Öffentlich-
2c
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1 Oben § 19 Tz. 1 ff. 2 Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Tz. 21.2 ff. 3 Kritisch u.a. Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 131 und – wenn auch mit anderen Schlussfolgerungen – Prinz/Peters, Rz. 859. 4 OLG Hamburg v. 17.12.1996 – 7 U 178/96; LG Hamburg – 324 O 381/96 und 324 O 382/96, jeweils unveröffentlicht; weitere Nachweise unveröffentlichter Urteile zu diesem Komplex bei Prinz/Peters, Rz. 848 Fußn. 232. 5 BGH AfP 1999, 350 = NJW 1999, 2893 = ZUM 1999, 734 = GRUR 1999, 1034 – Ehebruch. 6 BVerfG AfP 2000, 352 = NJW 2000, 2189 = ZUM-RD 2000, 321. 7 Engels/Schulz, AfP 1998, 574 ff., 579 ff.
471
§ 21 Tz. 2d
Recht der Darstellung – Einzelfragen
keit steht. Ist diese Frage zu diesem Zeitpunkt zu bejahen, so besteht ein empirisch belegbares Informationsinteresse der Öffentlichkeit, mithin ein objektivierbares öffentliches Interesse an der Beschäftigung mit der betreffenden Person und der Illustration einschlägiger Berichterstattung durch entsprechende Bebilderung.1 Das Beispiel Ernst August von Hannover belegt die Richtigkeit dieses Ansatzes. Nicht weil er Angehöriger eines der ältesten und historisch bedeutungsvollsten Adelsgeschlechter Europas ist, sind die Medien berechtigt, sich mit ihm zu befassen, sondern weil er durch zahllose öffentliche Auftritte, Aktionen, Skandale und damit zeitgeschichtliche Ereignisse das Augenmerk der Öffentlichkeit immer wieder auf sich gezogen hat; sein jüngerer Bruder, der ein vergleichsweise zurückgezogenes und bescheidenes Leben zu führen scheint, konnte und kann offenbar ungeachtet seiner Zugehörigkeit zu derselben jedenfalls historisch bedeutenden Familie die Respektierung seiner Privatsphäre in demselben Umfang verlangen wie jeder Andere auch, der nicht im Licht der Öffentlichkeit steht.2 2d
Die Voraussetzungen für erlaubnisfreie Abbildungen nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG werden damit, wie etwa zeitgleich auch das Bundesverfassungsgericht3 formuliert hat, nicht mehr primär anhand der Einordnung der Handelnden in die hergebrachten Kategorien der absoluten und der relativen Person der Zeitgeschichte bestimmt, sondern anhand eines seinerseits durch zeitgeschichtliche Ereignisse oder Konstellationen determinierten Informationsinteresses der Öffentlichkeit. Dieser Ansatz erklärt zwanglos, warum etwa Persönlichkeiten aus den Bereichen Sport und Unterhaltung, wenn sie nur hinreichend bekannt geworden sind, seit jeher zu den absoluten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte gerechnet werden, obgleich sie zur Zeitgeschichte im engeren Sinn nichts beitragen und öffentliches Leben auch nur in den seltensten Fällen in sonstiger Weise prägen; denn auch Aspekte der Unterhaltung sind, wie das Bundesverfassungsgericht4 wiederholt entschieden hat, Gegenstand legitimer Medientätigkeit und geeignet, auf ihre Weise zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Dieser Ansatz erklärt auch, dass nach etablierter Praxis Begleiter von Prominenten gewisse Einschränkungen ihres Rechts am eigenen Bild hinnehmen müssen, obgleich sie in der Regel weder als Persönlichkeit der Zeitgeschichte gelten können noch unmittelbar etwas mit Ereignissen der Zeitgeschichte zu tun haben werden;5 sie geraten allein aufgrund ihrer persönlichen Beziehungen und deren Präsenz in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die Veröffentlichung von Bildern, auf denen in diesem Sinn definierte Personen des öffentlichen Lebens zu sehen sind, und die Berichterstattung über sie sind dann vom Prinzip her zulässig.
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1 Dazu im Einzelnen Engels/Schulz, AfP 1998, 574 ff., 579, 581. 2 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2000, 474. 3 BVerfG AfP 2000, 78 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I;. dazu Soehring, AfP 2000, 230 ff.; BVerfG AfP 2001, 212 = NJW 2001, 1921 = ZUM 2001, 578 = WRP 2001, 910. 4 Vgl. nur BVerfG AfP 2000, 78 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 5 Unten Tz. 7 f.
472
Bildberichterstattung
Tz. 2f § 21
Dass das so begründete Verbreitungsrecht seinerseits nicht schrankenlos sein kann, war zu keinem Zeitpunkt fraglich und versteht sich auch heute von selbst. Seine Grenzen ergeben sich aber weniger aus der Verortung unterschiedlichster Persönlichkeiten im Kontext des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Rahmen von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG denn aus der Veröffentlichungsschranke der entgegenstehenden berechtigten Interessen des Betroffenen gemäß Abs. 2 der Vorschrift,1 der zugleich das im Bereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts maßgebliche Prinzip der Güterabwägung zu entnehmen ist. Die Kategorien der Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und derjenigen im Blickpunkt der Öffentlichkeit erscheinen damit geeignet zur Überwindung von Schwierigkeiten, die sich bei der Anwendung der Parameter der absoluten und der relativen Person der Zeitgeschichte in der Praxis ergeben haben.
2e
Die damit vorgeschlagene und in einigen gerichtlichen Entscheidungen2 des ausgehenden 20. Jahrhunderts bereits vorgezeichnete Abkehr von der Rechtsfigur der Person der Zeitgeschichte als dem maßgeblichen Kriterium für die Interpretation des Rechts am eigenen Bild hat der Bundesgerichtshof3 inzwischen durch eine Serie von Entscheidungen vom 6. März 2007 vollzogen. Die Geschichte dieses Paradigmenwechsels, wie er in der Rechtsprechung eines Obersten Bundesgerichts nicht eben häufig zu beobachten ist, lässt sich unschwer bis zum ersten Caroline von Monaco-Urteil des Bundesgerichtshofs4 zurückverfolgen, das die damalige Klägerin mit der Verfassungsbeschwerde angefochten hatte. Auf diese Beschwerde hin erging mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts5 vom 15. Dezember 1999 die erste Grundsatzentscheidung dieses Gerichts zur Bestimmung eines gegen das Eindringen von Fotojournalisten geschützten privaten Rückzugsraums auch solcher Persönlichkeiten, die nach bisherigem Verständnis als Personen der Zeitgeschichte nur ein sehr eingeschränktes Recht am eigenen Bild für sich hatten in Anspruch nehmen können.6 Nachdem Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof zwar das Postulat eines Schutzes gegen das Eindringen von Fotografen in Bereiche räumlicher Abgeschiedenheit aufgestellt hatten, die klagende Caroline von Monaco aber mit dem Kern ihrer prozessualen Ziele in Gestalt ihrer völligen Tabuisierung gegen Bildberichterstattung und ihrer dieser Forderung zu Grunde liegenden These unterlegen war, sie sei nicht als Person der Zeitgeschichte zu behandeln, rief sie gegen die Entscheidung des
2f
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1 Engels/Schulz, AfP 1998, 574 ff. (581). 2 Vgl. nur BVerfG AfP 2000, 78 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 2004, 540 = NJW 2005, 594 = ZUM 2005, 155 = GRUR 2005, 76 = WRP 2005, 117 – Rivalin von Uschi Glas; BGH AfP 2006, 62 = NJW 2006, 599 = ZUM 2006, 323 = GRUR 2006, 257 – Ernst August von Hannover. 3 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept; BGH ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 532 = WRP 2007, 648; BGH AfP 2007, 121 = NJW 2007, 1981 = ZUM 2007, 382 = GRUR 2007, 523 = WRP 2007, 644 – Ernst August von Hannover. 4 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. 5 BVerfG AfP 2000, 78 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 6 Unten Tz. 15 ff.
473
§ 21 Tz. 2g
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Bundesverfassungsgerichts den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an. 2g
Mit dessen Urteil vom 24. Juni 20041 schien die Prinzessin ihr Ziel erreicht zu haben: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte akzeptiert dort den Begriff einer absoluten Person der Zeitgeschichte nicht und stuft Caroline von Monaco als eine Privatperson ein, die es, da sie keine öffentliche Funktion bekleide, nicht ohne Weiteres dulden müsse, ohne Einwilligung fotografiert zu werden. Insbesondere reiche das von den deutschen Gerichten zum Schutz des Persönlichkeitsrechts gerade prominenter Persönlichkeiten entwickelte Kriterium der örtlichen Abgeschiedenheit nicht aus, um diesem Personenkreis einen angemessenen Schutz ihrer Privatsphäre zu gewährleisten; ein Anspruch der Öffentlichkeit auf Informationen über das Privatleben könne nur bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und damit insbesondere Politikern anerkannt werden, zu denen Caroline von Monaco nach Auffassung dieses Gerichts aber gerade nicht gehöre. Dieses Urteil, das aufgrund der Ausgestaltung der Europäischen Konvention für Menschenrechte nicht zwischen den Parteien des Ausgangsrechtsstreits wirkt, sondern statt dessen die Bundesrepublik Deutschland zur Leistung von Schadenersatz an Caroline von Monaco verpflichtet, und seine Auswirkungen auf die weitere Entwicklung von Berichterstattungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz in Deutschland wurden sodann Gegenstand intensiver und kontrovers geführter Diskussionen, auf die an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen werden kann.2 Erwähnenswert ist indessen, dass die Bundesrepublik Deutschland von ihrer prozessualen Möglichkeit, gegen das von einer Kammer erlassene Urteil die Entscheidung der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anzurufen, keinen Gebrauch gemacht hat, nachdem die Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht zu dieser Frage angehört und dieses erklärt hatte,3 es bestehe nicht auf dieser Maßnahme und halte es für vertretbar, zunächst die Auswirkungen des Urteils auf die Praxis der Fachgerichte in Deutschland und den übrigen Mitgliedstaaten der EMRK abzuwarten. Allerdings hat der für Rechtsstreitigkeiten aus dem Bereich von Art. 5 GG nicht zuständige Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts4 nur wenige Monate nach dem Erlass des Caroline von Monaco-Urteils in einem anderen Verfahren klargestellt, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur EMRK von den deutschen Gerichten einschließlich des Bundesverfassungsgerichts selbst als Auslegungshilfe zur Bestimmung von Inhalt und Reichweite auch der deutschen Grundrechte berücksichtigt werden muss, soweit dies nicht entgegen Art. 53 EMRK zu einer Beschränkung des durch das Grundgesetz gewährten Grundrechtsschutzes führt. _______________
1 EGMR AfP 2004, 348 = NJW 2004, 2674 = ZUM 2004, 651 = GRUR 2004, 1051 – Caroline von Monaco. 2 Vgl. statt Vieler nur Stürner, AfP 2005, 213 ff.; Gersdorf, AfP 2005, 221 ff.; Engels/ Jürgens, NJW 2007, 2517; Mann, NJW 2004, 3220; Heldrich, NJW 2004, 1634; zu den faktischen Auswirkungen des Urteils auf die weitere Rechtsentwicklung vor allem Hoffmann-Riem, NJW 2009, 20 ff. 3 Pressemitteilung Nr. 84/2004 des Bundesverfassungsgerichts v. 1.9.2004. 4 BVerfG NJW 2004, 3407 – Görgülü; so schon BVerfG NJW1987, 2427; Heldrich, NJW 2004, 2634 ff.; Paschke/Schulz, Abschnitt 3 Rz. 4 ff.
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Bildberichterstattung
Tz. 2i § 21
Die mit der Nichtanfechtung der Caroline-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte faktisch in die Verantwortung der deutschen Gerichte zurück verlagerte weitere Rechtsentwicklung musste damit die Sicht des Europäischen Gerichts berücksichtigen, ohne zugleich die in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorliegenden Konkretisierungen der Meinungs- und Medienfreiheiten einer- und der Persönlichkeitsrechte andererseits zu missachten. Die Bemühungen der Zivilgerichte1 um die Lösung dieser auf den ersten Blick unlösbar erscheinenden Aufgabe kulminieren nun in der Serie der vom Bundesgerichtshof am 6. März 2007 verkündeten Urteile,2 die sämtlich wiederum Caroline von Monaco und den mit ihr inzwischen verheirateten Prinz Ernst August von Hannover betreffen, sowie in einer Reihe weiterer Urteile dieses Gerichts.3 Entsprechend der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat nun auch der Bundesgerichtshof das Konzept der Person der Zeitgeschichte aufgegeben. Stattdessen ist nun auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs entscheidend, ob die in Rede stehende Bildberichterstattung ein Ereignis der Zeitgeschichte und die Einbindung der betroffenen Personen in ein derartiges Ereignis betrifft. Maßgeblich ist damit die zeitgeschichtliche Bedeutung und damit der Kontext der Berichterstattung, um deren Bebilderung es im Allgemeinen geht. Gleichzeitig hat der Bundesgerichtshof im Sinn der Position des Bundesverfassungsgerichts4 aber klargestellt, dass der Begriff der Zeitgeschichte im Interesse der Informationsfreiheit weit auszulegen und auf alle Vorgänge von gesellschaftlicher Relevanz anzuwenden ist und nicht etwa entsprechend der Position des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Wesentlichen auf den Bereich der Politik bezogen werden kann.5 Hinsichtlich der Privatsphäre von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens hat der Bundesgerichtshof in diesen Entscheidungen obendrein die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ebenfalls beanstandete Beschränkung des Schutzes auf Bereiche örtlicher Abgeschiedenheit aufgegeben und klargestellt, dass sich aus der Fokussierung auf den zeitgeschichtlichen Charakter des Anlasses von Bildberichterstattung gerade für die Gruppe der bisherigen absoluten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte eine Ausweitung des Schutzes ergibt, da es nun nicht mehr auf die räumliche Abgeschiedenheit, sondern darauf ankommt, ob der Anlass der Berichterstattung einen relevanten Informationsoder Nachrichtenwert hat oder ob er rein privater Natur ist.
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Gegen zwei der drei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 6. März 2007 haben die Beteiligten erneut das Bundesverfassungsgericht angerufen,
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1 Auf die Rechtsprechung der Zivilgerichte seit 2004 wird in der folgenden Einzeldarstellung in Tz. 3 ff. eingegangen werden. 2 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept; BGH ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 532 = WRP 2007, 648; BGH AfP 2007, 121 = NJW 2007, 1981 = ZUM 2007, 382 = GRUR 2007, 523 = WRP 2007, 644 – Ernst August von Hannover. 3 Vgl. dazu die nachstehende Detailerörterungen. 4 BVerfG AfP 2000, 78 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; BVerfG AfP 2001, 212 = NJW 2001, 1921 = ZUM 2001, 578 = WRP 2001, 910. 5 Vgl. dazu G. Müller, VersR 2008, 1141 ff. unter B III 2 d; G. Müller ist die Vorsitzende des für das Äußerungsrecht zuständigen VI. Zivilsenats des BGH.
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§ 21 Tz. 2j
Recht der Darstellung – Einzelfragen
das durch Beschluss vom 26. Februar 20081 das vom Bundesgerichtshof nun verfolgte modifizierte Schutzkonzept aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet und lediglich in einem der streitigen Punkte der Verfassungsbeschwerde des beteiligten Verlags wegen Verletzung von dessen Grundrecht der Pressefreiheit stattgegeben hat. Wie schon der Bundesgerichtshof hat auch das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht etwa „den Fehdehandschuh hingeworfen“,2 sondern stattdessen die Leitlinien für die künftige Abgrenzung von Medienfreiheiten und Persönlichkeitsrechten in weitgehender Übereinstimmung mit seiner früheren Rechtsprechung unter Berücksichtigung der dargestellten Veränderungen in der Auffassung des Bundesgerichtshofs fortentwickelt, ohne in den modifizierten Positionen des Bundesgerichtshofs eine Verletzung der Vorgaben des Grundgesetzes zu erblicken.3 Von der Maßgeblichkeit der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen der verfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes geht in dieser Entscheidung nun auch der für Art. 5 GG zuständige Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts aus. Ausdrücklich und mit Recht betont und belegt das Gericht, dass es in Übereinstimmung mit der Position des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte steht, wenn bei der Konfliktbewältigung im Einzelfall auch die Art der Stellung des Betroffenen im öffentlichen Leben berücksichtigt wird, nachdem der Gerichtshof selbst an anderer Stelle4 zwischen Politikern, Personen des öffentlichen Lebens oder im Blickpunkt der Öffentlichkeit sowie bloßen Privatpersonen unterschieden und die den Konflikt auslösende Caroline von Monaco der mittleren dieser drei Kategorien zugeordnet hatte. Mit Recht verwirft das Bundesverfassungsgericht auch die Auffassung der klagenden Prinzessin, sie sei gegen Medienberichterstattung und insbesondere Bildberichterstattung schlechthin zu immunisieren. Leuchtet es im Licht der durch sie maßgeblich mit beeinflussten Rechtsentwicklung ein, dass Individuen gleich welcher Funktion und Prominenz nicht durch bloße Kategorisierung als absolute Person der Zeitgeschichte pauschal der auch ihnen zukommende Persönlichkeitsschutz aberkannt werden darf, so ist es bei der gebotenen Berücksichtigung der Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG, über die auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nicht verfügen darf, ebenso zwingend, dass legitime Berichterstattung nicht daran scheitern kann, dass eine Person des öffentlichen Lebens durch einmalige gerichtliche Tabuisierung generell und unabhängig vom jeweiligen Anlass gegen Berichterstattung abgeschottet wird. 2j
Damit erweist sich am vorläufigen Ende5 dieser Kette neuer Entscheidungen zum Schutzbereich des Rechts am eigenen Bild die eingangs6 versuchte Erfassung potenzieller Ziele von Bildberichterstattung der Medien unter den Kate_______________
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BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 64 – Caroline von Monaco II. Hoffmann-Riem, NJW 2009, 20 ff., unter VIII. Vgl. die Detaildarstellung bei Hoffmann-Riem, NJW 2009, 20 ff. EGMR v. 11.1.2005 – 50774/99 – Sciacca/Italien; Hoffmann-Riem, NJW 2009, 220 ff., Fußn. 9. 5 Caroline von Monaco hat gegen den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26.2.2008 erneut den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen. 6 Oben Tz. 2a ff.
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Bildberichterstattung
Tz. 2l § 21
gorien der Persönlichkeit des öffentlichen Lebens und derjenigen im Blickpunkt der Öffentlichkeit trotz des von der deutschen Rechtsprechung in jüngster Zeit entwickelten abgestuften Schutzkonzepts ebenso wenig als obsolet wie es die Beschäftigung mit den Fallgruppen sein wird, die die deutsche Rechtsprechung traditionell als Interpretationsstandard für die Definition der berechtigten Interessen genutzt hat, die nach § 23 Abs. 2 KUG legaler Bildberichterstattung in jedem Fall ihre Grenzen aufzeigen. Es ist also trotz des nun von der Rechtsprechung richtigerweise vollzogenen Abschieds von der Rechtsfigur der Person der Zeitgeschichte und trotz der Tatsache, dass die in ihren Grundzügen dargestellte Entwicklung in Teilbereichen zu einer nicht zu leugnenden Ausweitung des Schutzbereichs des § 22 KUG gegenüber den Kommunikationsgrundrechten des Art. 5 Abs. 1 GG geführt hat, weder geboten noch gerechtfertigt, das über Jahrzehnte deutscher Rechtskultur gewachsene System der Rechtsgewährung und des Rechtsschutzes in diesem Bereich in seinen Grundstrukturen zu verändern oder gar über Bord zu werfen. Eine größere Anzahl von Entscheidungen, die vor der hier dargestellten Entwicklung gefällt worden sind, würde zwar künftig anders ausfallen; für die auch im Rahmen von § 23 Abs. 2 KUG unverzichtbare Güterabwägung werden die im Folgenden darzustellenden Typisierungen1 und Fallgruppen der Medienpraxis wie auch der Rechtsprechung aber weiter die notwendige Orientierungshilfe bieten können und müssen. Neben § 23 Abs. 1 Nr. 1 erlaubt § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG die Veröffentlichung von Bildern von Versammlungen, Aufzügen oder ähnlichen Vorgängen, an denen die Abgebildeten teilgenommen haben.2 Wie § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG hat auch dieser Ausnahmetatbestand von der Grundregel der Einwilligungsbedürftigkeit der Veröffentlichung der Abbildung von Personen in der Praxis der Medien und ihrer rechtlichen Bewältigung erhebliche Bedeutung. Sein heute bei weitem wichtigster Anwendungsbereich sind Aufnahmen von Demonstrationen oder sonstigen spektakulären Ereignissen.
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Hingegen spielt, soweit ersichtlich, der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG betreffend Bilder, auf denen Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen, in der Praxis keine erhebliche Rolle.3 Ohne Relevanz für die Medien ist schließlich der weitere Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG betreffend Bildnisse, deren Verbreitung einem höheren Interesse der Kunst dient.4 Für alle diese Bestimmungen gilt aber die Beschränkung des § 23 Abs. 2 KUG ebenso wie im Rahmen des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Auch unter Berufung auf § 23 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 KUG dürfen Abbildungen von Personen mithin nur veröffentlicht werden, soweit dem nicht berechtigte Interessen des Abgebildeten entgegenstehen.
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1 So auch G. Müller, VersR 2008, 1141 unter B III 2 e unter Verweis auf BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 64 – Caroline von Monaco II. 2 Dazu unten Tz. 10 ff. 3 Dazu Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 8 Rz. 47 f. 4 Dazu Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 8 Rz. 54.
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§ 21 Tz. 2m 2m
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Wie jedes in unserer Rechtsordnung gewährte Recht steht aber auch das Recht am eigenen Bild gegenüber jeder der Ausprägungen des § 23 Abs. 1 KUG unter dem Vorbehalt der missbräuchlichen Rechtsausübung. Nicht nur den Medien werden daher Beschränkungen auferlegt, sondern auch den Betroffenen. Wer insbesondere an die Öffentlichkeit drängt, darf sich nicht darüber beschweren, dass er als deren Teil wahrgenommen und dargestellt wird. So können sich beispielsweise Angehörige einer Sekte, an deren Einrichtungen und Aktivitäten ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, gegen grundsätzlich zulässige Fernsehaufnahmen ihres Zentrums nicht zur Wehr setzen, indem sie sich gegen den Widerspruch des Aufnahmeteams selbst ins Bild drängen, um sich anschließend gegenüber der Ausstrahlung der so entstandenen Bilder auf ihr Recht am eigenen Bild zu berufen.1 b) Einzelheiten aa) Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens
3
Am beruflichen und gesellschaftlichen Verhalten von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens besteht ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, das in aller Regel deren eigenes Interesse an der Aufrechterhaltung ihrer Anonymität überwiegt und zur Zulässigkeit der Herstellung und späteren Verbreitung von Fotografien führt; für den strikt privaten Bereich gilt dies heute allerdings nur noch, sofern und soweit ein Funktionszusammenhang mit ihrer beruflichen oder sozialen Sphäre festgestellt werden kann.
3a
Zum Kreis der Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zählen Personen, die kraft politischer oder gesellschaftlicher Position oder kraft außergewöhnlicher persönlicher Leistung – positiv oder negativ – aus der Masse der Mitmenschen herausragen.2 Sie müssen ihrer andauernden Popularität oder sonstigen Präsenz im Bewusstsein der Öffentlichkeit Tribut zollen und eine Einschränkung ihres Bildnisschutzes hinnehmen, die nicht auf ihr öffentliches Wirken beschränkt sein muss, sondern auch ihre Privatsphäre erfassen kann, sofern dies durch ein in diesen Bereich hinein wirkendes oder aus ihm heraus beeinflusstes zeitgeschichtliches Ereignis gerechtfertigt ist.3 Dabei ist der Begriff der Zeitgeschichte weit auszulegen. Im Hinblick auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern das Zeitgeschehen im Allgemeinen, und damit alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse.4 Das gilt auch für unterhal_______________
1 LG Frankfurt/Main NJW-RR 1995, 27; OLG Frankfurt/Main NJW 1995, 878 – Universelles Leben II. 2 Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 19; Damm/Rehbock, Rz. 211. 3 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept; BGH ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 532 = WRP 2007, 648; BGH AfP 2007, 121 = NJW 2007, 1981 = ZUM 2007, 382 = GRUR 2007, 523 = WRP 2007, 644 – Ernst August von Hannover; Schricker/Gerstenberg/ Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 22 ff. 4 BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 64 – Caroline von Monaco II; BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept; BGH GRUR 2009, 584 = WRP 2009, 741 – Enkel von Fürst Rainier; Paschke/Kröner, Abschnitt 34 Rz. 44 ff.
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Bildberichterstattung
Tz. 3c § 21
tende Themen und Beiträge, die nach ständiger Rechtsprechung1 am Grundrechtsschutz teilnehmen und, wie der Bundesgerichtshof2 mit Recht festgestellt hat, die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsbildung nicht selten nachhaltiger anregen und beeinflussen können als strikt sachbezogene Informationen. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in diesem Sinn sind u.a. Politiker3 einschließlich derjenigen, die nicht mehr aktiv sind, aber in ihrer aktiven Zeit eine herausragende Rolle im öffentlichen Leben gespielt haben wie etwa die politische Führungsschicht der vormaligen DDR, deren Angehörige es auch aus diesem Grund hinzunehmen haben, dass sich die Medien auch zwanzig Jahre nach dem Ende des von ihnen repräsentierten Regimes mit ihnen und der sie betreffenden strafrechtlichen Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftigen und unter Namensnennung und Verbreitung ihrer Bilder darüber berichten.4 Zulässig war aber auch eine Bildberichterstattung über einen Einkaufsbummel der früheren Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis nur wenige Tage nach ihrer Abwahl. Die Gerichte5 haben mit Recht ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit daran bejaht, wie die Betroffene auch als Privatperson auf die Tatsache reagierte, dass sie das von ihr viele Jahre lang ausgeübte Amt völlig unerwartet an ihren politischen Gegner verloren hatte. Zulässig war es ebenso, dass Zeitungen unmittelbar nach dessen Ausscheiden aus dem Amt bebilderte Berichte des privaten Wohnhauses des ehemaligen Bundesaußenministers Joschka Fischer6 sowie von dessen Ankunft auf dem Flughafen Newark auf dem Weg zum Antritt einer Dozentur in Princeton7 veröffentlichten.
3b
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens können in Ausnahmefällen auch Angehörige führender Politiker sein; das ist aber nur dann der Fall, wenn sie – wie etwa die Ehefrau des Bundespräsidenten – häufig in der Öffentlichkeit zu repräsentieren haben oder wenn sie aufgrund eigener Entscheidung eine originäre Rolle in der Öffentlichkeit übernehmen.8 Zu diesem Kreis gehören ferner berühmte Wissenschaftler, Schauspieler und andere Künstler,9
3c
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1 BVerfG AfP 2000, 78 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; BVerfG AfP 2001, 212 = NJW 2001, 1921 = ZUM 2001, 578 = WRP 2001, 910; BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 64 – Caroline von Monaco II. 2 BGH AfP 2004, 116 = NJW 2004, 766 = GRUR 2004, 442 = WRP 2004, 370 – Feriendomizil I; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept. 3 Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 29; Damm/Rehbock, Rz. 211. 4 BVerfG AfP 1992, 359 = NJW 1992, 3288 – Honecker I; BVerfG AfP 1994, 213 = NJW 1995, 184 – Honecker II. 5 BGH AfP 2008, 499 = NJW 2008, 3134 = ZUM 789 = GRUR 2008, 1017 = WRP 2008, 1221 – Heide Simonis; KG AfP 2006, 369 – Heide Simonis. 6 KG AfP 2007, 573 = ZUM-RD 2008, 1. 7 KG AfP 2007, 375 = ZUM-RD 2007, 516. 8 Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 42. 9 BGH NJW 1956, 1554 = GRUR 1956, 427 – Paul Dahlke; BGH NJW 1959, 1269 = GRUR 1959, 430 – Caterina Valente; BGH NJW 1961, 558 = GRUR 1961, 138 – Familie Schölermann; OLG Hamburg AfP 1995, 512.
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§ 21 Tz. 3d
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Sportler1 oder Erfinder.2 Hingegen sind nach der modifizierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs3 Angehörige regierender Fürstenhäuser wie etwa Caroline von Monaco diesem Bereich nicht mehr zuzuordnen, wenn sie selbst keine öffentlichkeitsrelevante und damit vor allem keine politische Funktion wahrnehmen; sie können dann aber aufgrund ihres persönlichen Verhaltens im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen,4 wie dies Bundesgerichtshof5 und Bundesverfassungsgericht6 für Caroline von Monaco und ihren Ehemann Prinz Ernst August von Hannover mit Recht festgestellt haben. Inwieweit Nachrichtensprecher und Schauspieler, die der Öffentlichkeit aus dem Fernsehen bekannt sind, dazu gehören, kann nicht abstrakt beurteilt werden. Häufig suchen sie auch außerhalb ihrer unmittelbaren beruflichen Funktion zur Steigerung ihres Marktwerts oder aus sonstigen Gründen die Öffentlichkeit und sorgen dann selbst dafür, dass sie zu den Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gehören; wo das nicht der Fall ist, sie vielmehr außerhalb des Mediums, das sie für alle wahrnehmbar macht, ein Leben normaler Zurückgezogenheit führen, werden sie auch den normalen Schutz ihrer Privatsphäre für sich in Anspruch nehmen und nicht als Person des öffentlichen Lebens gelten können. 3d
Anders als vor Beginn der oben unter Tz. 2 ff. dargestellten neueren Entwicklung dürfen auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nicht mehr uneingeschränkt fotografiert und abgebildet werden; dies gilt auch, soweit sie sich in der Öffentlichkeit zeigen. Gefordert wird vielmehr heute ein Bezug zwischen der betreffenden Person und einem zeitgeschichtlichen Ereignis im weitesten Sinn dieses Begriffs.7 Faktisch ist damit nun der funktionale Zusammenhang zwischen der Stellung des Betroffenen im öffentlichen Leben und der jeweiligen Abbildung unverzichtbar, der noch nach den ersten Caroline von Monaco-Entscheidungen8 für diese Personengruppe nicht erforderlich war. Für die damit erforderliche Bestimmung des Funktionszusammenhangs zwischen der Bildveröffentlichung und dem sie legitimierenden Ereignis wird in aller Regel der die Bebilderung begleitende Text heranzuziehen sein.9 Mit dieser Begründung hat es der Bundesgerichtshof in den Entscheidungen vom _______________
1 BGH NJW 1968, 1091 = GRUR 1968, 652 – Ligaspieler; BGH AfP 1980, 101 = NJW 1979, 2203 = GRUR 1979, 425 – Fußballkalender; BGH AfP 1979, 345 = NJW 1979, 2205 = GRUR 1979, 732 – Fußballtor; LG Berlin AfP 2006, 574. 2 RGZ 74, 308 – Graf Zeppelin; Damm/Rehbock, Rz. 211. 3 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept; anders noch BGH AfP 1996, 140 = NJW 1996, 1128 = GRUR 1996, 923 = ZUM 1996, 405 – Caroline von Monaco III. 4 Dazu unten Tz. 6a. 5 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept. 6 BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 64 – Caroline von Monaco II. 7 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept; BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 64 – Caroline von Monaco II. 8 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BVerfG AfP 2000, 78 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 9 BGH ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 523 = WRP 2007, 648; Paschke/Kröner, Abschnitt 34 Rz. 53.
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Bildberichterstattung
Tz. 4 § 21
6. März 2007 einerseits für vom Berichterstattungsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt erachtet, dass eine Zeitschrift einen bebilderten Bericht darüber veröffentlichte, dass Caroline von Monaco mit ihrem Ehemann beim Skilaufen weilte, während ihr Vater, der regierende Fürst von Monaco, schwer erkrankt war und nur von ihrer Schwester besucht wurde,1 während er bebilderten Berichten über einen privaten Skiurlaub der Prinzessin und ihres Ehemanns2 sowie über die Vermietung einer Ferienvilla des Paars3 ohne weiteren Informationsgehalt keinen zeitgeschichtlichen Kontext und damit keinen legitimen Berichterstattungswert entnommen hat. Fast immer kommt es jetzt auf den begleitenden Text an. So hat der Bundesgerichtshof4 in einer späteren Entscheidung zu einem Bericht über die Vermietung des Ferienanwesens des Prinzen Ernst August von Hannover dessen Bebilderung mit einem Foto von Caroline von Monaco mit der Erwägung gerechtfertigt, aus dem begleitenden Text, der auf die neue Sparsamkeit der Reichen verwies, ergebe sich ein Informationswert des Beitrags, der dessen Bebilderung mit dem Foto einer der Beteiligten rechtfertige. Gleiches gilt für einen Fernsehbericht über den Enkel von Fürst Rainier von Monaco aus Anlass der Beisetzung des Letzteren.5 Nicht zu den Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gehören Menschen, deren Bekanntheitsgrad nicht auf eigener Leistung oder erworbener gesellschaftlicher oder politischer Position, sondern auf Schicksalsschlägen beruht,6 wie Menschen von abnorm kleinem Wuchs,7 Siamesische Zwillinge8 oder auch Opfer von Verkehrsunfällen und Gewalttaten.9 Sie sind nicht Teil des öffentlichen Lebens, sofern sich nicht aus konkreten Umständen etwas Anderes ergibt, wie dies etwa bei einem überragenden Erfolg eines Kleinwüchsigen als Artist oder Künstler der Fall sein kann. Wenn das Recht am eigenen Bild und die durch die Rechtsprechung bewirkte Vorverlegung des Persönlichkeitsschutzes durch die Ableitung eines faktischen Fotografierverbots aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht10 in einem Fall besonders gerechtfertigt sind, dann dürfte das für diesen Bereich gelten. Opfern von Schicksalsschlägen sollte das Mitgefühl und nicht die Neugier der Öffentlichkeit gelten, und ihr zu vermutender Wunsch, nicht zum Objekt für Fotografen und eines aus deren Tätigkeit möglicherweise entstehenden Voyeurismus der Öffentlichkeit zu werden, verdient den Respekt der Rechtsordnung, der sich im vorliegenden Zusammenhang bereits im Verbot der Herstellung von Lichtbildern auswirkt. _______________
1 BGH AfP 2007, 121 = NJW 2007, 1981 = ZUM 2007, 382 = GRUR 2007, 523 = WRP 2007, 644 – Ernst August von Hannover. 2 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept. 3 BGH ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 523 = WRP 2007, 648. 4 BGH AfP 2008, 503 = NJW 2008, 3141 = ZUM 2008, 785 = GRUR 2008, 1020 = WRP 2008, 1367 – Urlaubsfoto von Caroline. 5 BGH GRUR 2009, 584 = WRP 2009, 741 – Enkel von Fürst Rainier. 6 Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 30, 37. 7 OLG München NJW 1975, 1129 – Zwerg. 8 LG Kleve MDR 1953, 107. 9 LG Köln AfP 1991, 757; OLG Karlsruhe GRUR 1989, 823 – Unfallfoto. 10 Oben § 9 Tz. 4 ff.
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§ 21 Tz. 4a 4a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Auch rechtskräftig verurteilte Straftäter nehmen als solche am öffentlichen Leben nicht teil und gelten daher mit Recht nicht als Personen des öffentlichen Lebens.1 Die Auffassung, jedenfalls Straftäter, die aufgrund der Außergewöhnlichkeit ihrer Tat aus der Masse herausragen, seien als Personen des öffentlichen Lebens einzustufen,2 lässt sich im Lichte der ersten LebachEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts3 trotz der inzwischen vorliegenden Klarstellung in dessen zweiter Entscheidung zu demselben Komplex4 nicht aufrechterhalten; allerdings stehen sie im zeitlichen Kontext zu ihrer Tat und deren strafrechtlicher Ahndung, gegebenenfalls aber auch später aus anderem Anlass, im Blickpunkt der Öffentlichkeit.5 Als Person des öffentlichen Lebens werden sich prominente Straftäter allerdings in den seltenen Fällen etablieren, in denen sie, wie etwa der verstorbene Fälscher der HitlerTagebücher Konrad Kujau, sich selbst weiterhin der Öffentlichkeit stellen und auf diese Weise Erinnerung und Interesse an Tat und Täter lebendig halten oder gar kommerzialisieren. bb) Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit
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Zu der mit diesem Begriff umschriebenen Gruppe gehören Personen, die nicht durch ihre eigene Stellung in der Gesellschaft und/oder politische bzw. berufliche Leistungen aus der Masse hervorragen, die vielmehr erst aufgrund ihrer Verknüpfung mit einem Ereignis der Zeitgeschichte oder aufgrund ihrer Beziehungen zu einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten und auf diese Weise nun ihrerseits zum Gegenstand eines Informationsinteresses der Öffentlichkeit werden. Sie durften seit jeher nicht schlechthin, sondern vielmehr nur in sachlichem und in der Regel räumlichem Zusammenhang mit dem zeitgeschichtlichen Ereignis fotografiert und abgebildet werden, zu dem sie in Verbindung stehen.6 Dabei kann das Ereignis als solches positiver wie negativer Art sein. Seit der oben unter Tz. 2 ff. dargestellten Modifizierung der Rechtsprechung zum Schutzkonzept im Anwendungsbereich des Rechts am eigenen Bild ist die Zuordnung zu diesem Personenkreis in Abgrenzung zur Person des öffentlichen Lebens allerdings nicht mehr von derselben praktischen Bedeutung wie zuvor, da der hier maßgebliche Gesichtspunkt der thematischen Bindung der Person an ein zeitgeschichtliches Ereignis nun auch bei der Abbildung von Personen des öffentlichen Lebens zu berücksichtigen ist und es niemanden gibt, der, sofern er nur in der Öffentlichkeit sichtbar ist, prinzipiell keinen absoluten Schutz mehr dagegen beanspruchen kann, dass er von Fotojournalisten fotografiert wird und dass seine Bilder über die Medien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dennoch bietet die Kategorie der Persönlichkeiten im Blickpunkt der Öffentlichkeit weiterhin eine wichtige Orientierungshilfe, weil nur diese _______________
1 OLG Hamburg AfP 1991, 537 = NJW-RR 1991, 990; OLG Hamburg AfP 1994, 232 = NJW-RR 1994, 1439. 2 Damm/Rehbock, Rz. 221. 3 BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1221 – Lebach I. 4 BVerfG AfP 2000, 160 = NJW 2000, 1859 – Lebach II. 5 Dazu im Einzelnen oben § 19 Tz. 24 ff. 6 Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 12.
482
Bildberichterstattung
Tz. 6a § 21
Rechtsfigur erklären kann, dass auch Menschen, die nicht zu den Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zählen, situationsbedingt und häufig auch mit zeitlichen Einschränkungen ein legitimes Berichterstattungsinteresse der Medien hervorrufen, das in Verbindung mit dem zeitgeschichtlichen Ereignis, aus dem sich dieses Interesse ableitet, zu der durch § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG bewirkten Einschränkung ihres Rechts am eigenen Bild führt. Zu den Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit in diesem Sinn können wegen des großen öffentlichen Interesses häufig die Beteiligten an spektakulären Strafprozessen in zeitlichem Zusammenhang mit dem Verfahren zählen,1 und zwar nicht nur die Straftäter2 selbst, sondern bei Prozessen von einigem Öffentlichkeitswert auch die übrigen Beteiligten wie Zeugen3 und Opfer,4 nicht aber in aller Regel die Angehörigen der Beteiligten.5 So können insbesondere die überlebenden Angehörigen eines Mordopfers die Respektierung ihrer persönlichen Trauer auch und gerade aus Anlass des Begräbnisses des Opfers beanspruchen.6 Jedenfalls bei gerichtlichen Verfahren, an denen ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, das sich auch auf die Identität der Beteiligten erstreckt,7 sind hingegen auch die beteiligten Richter, Staatsanwälte und Verteidiger als Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit anzusehen;8 fehlerhaft ist daher die Auffassung des Landgerichts Berlin,9 ein seinerseits prominenter Anwalt müsse es nicht dulden, dass sein Lichtbild im Zusammenhang mit dem als solchen zulässigen Bericht über ein gegen seinen prominenten Mandanten gerichtetes Verfahren veröffentlicht wurde.
6
Allerdings kann es legitim sein, zur Verhinderung befürchteter Gewalttaten oder gar Lynch-Justiz das entgegenstehende Interesse im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG höher zu werten als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit.10 Bei Allerweltsverfahren stehen ohnehin weder die unmittelbar Beteiligten wie Angeklagte, Zeugen und gegebenenfalls Opfer noch die mitwirkenden Richter, Staatsanwälte und Anwälte im Blickpunkt der Öffentlichkeit, so dass im Zusammenhang mit solchen Verfahren Bildberichterstattung in der Regel unzulässig sei wird.11 In den Blickpunkt der Öffentlichkeit können andererseits auch Journalisten geraten, die Zeuge herausragender Ereignisse und auf diese Weise Teil des Geschehens werden; so wurde mit Recht etwa der mit ihrem eigenen Recht am Bild begründete Versuch einer Fernsehjournalistin
6a
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1 Zur Identifizierung von Straftätern und Beschuldigten im Ermittlungsverfahren durch Medienberichterstattung oben § 19 Tz. 24 ff. und 30 ff. 2 Oben § 19 Tz. 24 ff. und 30 ff. 3 BGH NJW 1965, 2148 = GRUR 1966, 102 – Spielgefährtin I. 4 OLG Frankfurt/Main AfP 1976, 181 – Verbrechensopfer. 5 LG Köln AfP 1991, 757. 6 LG Köln AfP 1991, 757. 7 Dazu oben § 19 Tz. 24 ff. 8 OLG Hamburg AfP 1982, 177 – Rechtsanwalt; OLG München Schulze OLGZ 91; Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 34; Damm/Rehbock, Rz. 233 ff.; a.A. OLG Celle AfP 1984, 236. 9 LG Berlin NJW-RR 2007, 1270. 10 Oben § 6 Tz. 10c. 11 Dazu oben § 19 Tz. 30 ff.
483
§ 21 Tz. 6b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
zurückgewiesen, die spätere Berichterstattung über eine Szene zu unterbinden, in der sie zu dessen Lebzeiten den bekannten Entertainer Harald Juhnke interviewen wollte, in der dieser sie jedoch im Zustand der Trunkenheit tätlich angegriffen hatte.1 6b
Angehörige des Adels, soweit es sich nicht um regierende Fürstenhäuser handelt, gehören in einer demokratischen Gesellschaft Jahrzehnte nach Abschaffung der gesetzlichen Adelsprivilegien allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Familien nicht mehr zu den Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.2 Sie werden aber häufig Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit sein. Das wird immer dann der Fall sein, wenn sie aufgrund ihres persönlichen Verhaltens im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen wie etwa Caroline von Monaco und ihr Ehemann Prinz Ernst August von Hannover3 oder wenn sie, wie dies nicht selten zu beobachten ist, danach streben, das manchmal nur von ihnen selbst so empfundene Herausragen ihrer gesellschaftlichen Position aus dem Rahmen des Durchschnittlichen ihrerseits durch aktiven Kontakt mit den Medien zu pflegen. Stets ist aber zu beachten, dass es nach neuerer Rechtsprechung eines zeitgeschichtlichen Kontexts bedarf, soll die einwilligungslose Abbildung auch eines Angehörigen des Adels gerechtfertigt sein. Die damalige Auffassung des Bundesverfassungsgerichts4 etwa, die Veröffentlichung von Fotografien, die Caroline von Monaco bei einem Sturz in einem öffentlichen Schwimmbad zeigten, sei allein deswegen gerechtfertigt, weil es sich dort nicht um einen örtlich abgeschiedenen Rückzugsbereich handelte, ist mit dem seither gewandelten Verständnis des Schutzes der Privatsphäre nicht mehr zu vereinbaren. Andererseits geraten auch Angehörige des Adels in einen legitimen Blickpunkt der Öffentlichkeit, wenn sie sich durch Leistungen, Funktionen oder auch nur ihr Verhalten einen entsprechenden Platz im Bewusstsein der Öffentlichkeit erworben haben. Das traf etwa zu auf den Versuch eines Angehörigen des Hochadels, nach dem Zweiten Weltkrieg enteignetes Grundvermögen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR in einem Verwaltungsverfahren zurück zu erhalten,5 so dass ein Pressebericht über das Verfahren mit seinem Bild illustriert werden darf. Und Berichte über die Verurteilung von Ernst August von Hannover in Frankreich wegen eines erheblichen Verkehrsdelikts6 oder den Grund seiner Ehescheidung7 sind auch nach jetzigem Verständnis unter Beifügung eines Fotos zulässig.
7
Angehörige, Lebensgefährten oder sonstige enge Vertraute von Personen des öffentlichen Lebens stehen nicht selten ihrerseits im Blickpunkt der Öffent_______________
1 OLG Düsseldorf ZUM 2001, 706. 2 OLG Hamburg AfP 1992, 376 – Preußenprinz; OLG Hamburg ArchPR 1971, 110 – Prinzessin von Preußen; oben Tz. 2b f. 3 Oben Tz. 3c. 4 BVerfG AfP 2000, 348 = NJW 2000, 2193 = ZUM-RD 2000, 318. 5 LG Hamburg AfP 1999, 523. 6 KG AfP 2004, 559 = NJW 2004, 3637 = GRUR 2004, 1059; BGH AfP 2006, 62 = ZUM 2006, 323 = GRUR 2006, 257 = WRP 2006, 261; BVerfG AfP 2006, 354 = NJW 2006, 2835 = ZUM 2006, 747. 7 BGH AfP 1999, 350 = NJW 1999, 2893 = ZUM 1999, 734 = GRUR 1999, 1034 – Ehebruch.
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Bildberichterstattung
Tz. 7b § 21
lichkeit. Als Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens können sie selbst dennoch nur dann eingestuft werden, wenn sie eine eigene und von derjenigen ihres Partners unabhängige Position im Bewusstsein der Öffentlichkeit bekleiden, mag auch die Prominenz des Partners ihnen den Weg dorthin erleichtert haben; nimmt etwa der Ehepartner eines Regierungschefs aktiv am politischen Geschehen teil oder übernimmt er oder sie eine herausragende Funktion im karikativen Bereich, dann wird man ihn oder sie als Person des öffentlichen Lebens aus eigenem Recht wahrnehmen dürfen. Bleiben sie hingegen bewusst im Hintergrund, so folgt allein aus dieser Tatsache, dass sie nicht in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten; sie werden dann in aller Regel auch nicht Gegenstand eines berechtigten Informationsinteresses der Öffentlichkeit sein. Die im Sinn der Medienfreiheiten liberalere ältere Rechtsprechung,1 die dazu tendierte, einem Menschen gegebenenfalls allein aus der Begleiterfunktion die Position einer relativen Person der Zeitgeschichte mit der daraus resultierenden Einschränkung ihres Rechts am eigenen Bild zuzuweisen, muss als überholt angesehen werden. Kaum noch Einschränkungen ihres Rechts am eigenen Bild werden nach neuer Rechtslage daher die Angehörigen, Partner oder Begleiter von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens hinnehmen müssen, die keine originäre Position im öffentlichen Bewusstsein einnehmen. Sie stehen ihrerseits nur in sachlichem Zusammenhang mit dem Wirken ihrer prominenten Partner im Blickpunkt der Öffentlichkeit und dürfen daher auch nur noch dann im Bild gezeigt werden, wenn sie mit dem betreffenden Partner zusammen im Rahmen eines zeitgeschichtlichen Ereignisses in der Öffentlichkeit auftreten oder wenn sie mit ihm zusammen oder an seiner Statt öffentlich repräsentieren.2 Isoliert – etwa bei privatem Auftreten in der Öffentlichkeit und insbesondere in Urlaubssituationen3 – sind sie nicht Objekt erlaubter Bildberichterstattung, und insbesondere ein wirkliches oder vermutetes Interesse an ihrem äußeren Erscheinungsbild ersetzt nicht das nunmehr für die Einschränkung des Rechts am eigenen Bild gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erforderliche zeitgeschichtliche Element. So war etwa die Verbreitung eines Fotos, das Caroline von Monaco und ihre damals 15jährige Tochter im Profil zeigte, unzulässig.4
7a
Der Bundesgerichtshof5 hat auch die Verbreitung von Fotografien der neuen Lebensgefährtin des Musikers Herbert Grönemeyer anlässlich eines gemeinsamen, privaten Rom-Besuchs trotz der Tatsache als rechtswidrigen Eingriff in ihr Recht am eigenen Bild eingestuft, dass diese Reise in zeitlichem Zusammenhang mit der Verarbeitung des Krebstodes der Ehefrau und des Bru-
7b
_______________
1 BVerfG AfP 2001, 212 = ZUM 2001, 578 = WRP 2001, 910; OLG Hamburg AfP 1991, 437 = NJW-RR 1990, 1000 = GRUR 1990, 35 – Begleiterin; OLG Hamburg AfP 1995, 512; LG Köln AfP 1994, 165; LG Köln AfP 1994, 166. 2 OLG Hamburg AfP 1991, 437 = NJW-RR 1990, 1000 = GRUR 1990. 35 – Begleiterin; Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 44. 3 Dazu auch unten Tz. 18d ff. 4 BGH AfP 2004, 267 = NJW 2004, 1795 = ZUM 2004, 465 = GRUR 2004, 592 = WRP 2004, 772 – Begleitperson II. 5 BGH AfP 2007, 472 = NJW 2007, 3440 = ZUM-RD 2007, 397 = GRUR 2007, 899 – Caféhausbesuch in Rom; ebenso KG AfP 2004, 564 = NJW 2005, 605 = GRUR 2005, 79; a.A. noch KG AfP 2004, 556 = NJW 2005, 603.
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§ 21 Tz. 7c
Recht der Darstellung – Einzelfragen
ders des Sängers in diversen von ihm in der Öffentlichkeit vorgetragenen Songs gesehen werden konnte und die publizierende Zeitschrift im begleitenden Text auf diese Zusammenhänge eingegangen war. Hier bestand allerdings der Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis, als das man nicht nur das künstlerische Wirken Grönemeyers, sondern auch die Tatsache werten muss, dass er seine an sich strikt privaten Verluste in dieses künstlerische Wirken eingebunden und damit selbst öffentlich gemacht hatte. Die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof dennoch die Verbreitung des Lichtbilds seiner neuen Partnerin untersagt hat, wird man daher nur so deuten können, dass die Abbildung von Begleitern Prominenter nach heutiger Rechtslage nur noch in ganz besonders gelagerten Fällen statthaft sein wird.1 7c
Personen, die sich nur einmal oder nur gelegentlich mit einem Prominenten in der Öffentlichkeit zeigen, galten demgegenüber schon nach bisheriger Rechtslage nicht als Persönlichkeiten der Zeitgeschichte; sie mussten daher eine Einschränkung ihres Rechts am eigenen Bild nicht hinnehmen.2 Und bei Persönlichkeiten, die nur im Zusammenhang mit einem bestimmten Ereignis in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten, die daher nicht als Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gelten, machen auch enge persönliche Bindungen den jeweiligen Partner seinerseits jedenfalls im Allgemeinen nicht zum Gegenstand eines berechtigten Informationsinteresses der Öffentlichkeit.3
7d
Wo allerdings Personen selbst in die Öffentlichkeit drängen, ergeben sich die auch ansonsten in Fällen der Einwilligung oder des Verzichts geltenden Einschränkungen des Rechts am eigenen Bild. Die noch vor der Modifizierung der Rechtsprechung zur Abgrenzung des Rechts am eigenen Bild vom Bereich der geschützten Persönlichkeitsrechte ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts,4 die ihrerseits in der Öffentlichkeit völlig unbekannte neue Partnerin des Ehemanns der prominenten Schauspielerin Uschi Glas, dessen Ehe aufgrund dieser neuen Beziehung gescheitert war, müsse eine bebilderte Berichterstattung über die neue Beziehung hinnehmen, nachdem sie sich mit ihrem neuen Partner anlässlich einer Pressekonferenz zu ihm bekannt und in die Fertigung von Bildern eingewilligt hatte, wird daher auch der für diesen Bereich geltenden modifizierten und in der Tendenz eher berichterstattungsfeindlichen neueren Rechtsprechung gerecht.5 Und mit Recht hat das Landgericht Berlin entschieden, dass ein Zeuge in einem spektakulären Strafverfahren zwar noch nicht durch seine Zeugenaussage, zu der er gesetzlich verpflichtet war, wohl aber dadurch zu einer Person im Blickpunkt der Öffentlichkeit wurde, dass er sich selbst gegenüber einer Zeitungsredaktion zum Gegenstand des entsprechenden Strafverfahrens äußerte.6 _______________
1 2 3 4
Klass, ZUM 2007, 818 ff. OLG Hamburg NJW-RR 1991, 90. OLG Frankfurt/Main GRUR 1958, 508 – Verbrecherbraut. BVerfG AfP 2006, 448 = NJW 2006, 3406 = GRUR 2006, 1051 = WRP 2006, 1365; BGH AfP 2004, 540 = NJW 2005, 594 = ZUM 2005, 155 = GRUR 2005, 76 = WRP 2007, 117 – Rivalin von Uschi Glas. 5 Vgl. hierzu auch BVerfG AfP 2006, 347 = NJW 2006, 2836 = ZUM 2006, 631 = WRP 2006, 1021 – Feriendomizil II. 6 LG Berlin AfP 2004, 68.
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Bildberichterstattung
Tz. 8 § 21
Große Zurückhaltung ist aber vor allem bei Kindern von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens geboten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts1 bedürfen Kinder im Interesse ihrer ungestörten Entwicklung eines größeren Freiraums ihrer Privatsphäre gegenüber der Beobachtung durch die Medien einschließlich deren bildlicher Dokumentation. Für Kinder von Personen in herausgehobener Position hat das Bundesverfassungsgericht2 die These, dass ein Agieren in der Öffentlichkeit in der Regel bereits mit einem Verzicht auf Privatheit einhergehe, bereits früh verworfen und entschieden, dass auch kindgerechtes Verhalten in der Öffentlichkeit selbst bei Kindern von Personen des öffentlichen Lebens ihrer geschützten Privatsphäre zuzurechnen ist. So galten etwa die Kinder von Caroline von Monaco ihrerseits schon zu der Zeit nicht als Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens,3 als der Bundesgerichtshof4 ihre Mutter in ständiger Rechtsprechung noch als Person der Zeitgeschichte einordnete. Dieser Schutz hatte und hat obendrein die Reflexwirkung, dass Eltern, die ohne ihre Kinder Bildveröffentlichungen hinzunehmen hätten, an dem durch den seit Langem anerkannten höheren Schutzgehalt des Rechts ihrer Kinder teilnehmen und ihrerseits geschützt sind, soweit es um die Verbreitung von Aufnahmen geht, die sie gemeinsam mit ihren Kindern zeigen.5 Anderes gilt nur, wenn Kinder sich – dann in der Regel in Begleitung ihrer Eltern oder jedenfalls eines von ihnen – bewusst der Öffentlichkeit zuwenden oder in Begleitung ihrer Eltern an öffentlichen Ereignissen teilnehmen.6 Geschützt gegen Bildberichterstattung ist auch der Bereich spezifischer elterlicher Zuwendung zu den Kindern. Eine Verletzung des Rechts des Kindes an seinem eigenen Bild stellte daher auch die Veröffentlichung von Lichtbildern dar, die ohne Einverständnis der Betroffenen anlässlich der Taufe des Kindes der Geigerin Anne Sophie Mutter angefertigt worden waren.7
7e
In aller Regel erlischt das Interesse der Öffentlichkeit an Ereignissen der Zeitgeschichte ohne historische oder sonstwie überragende Dimension nach einer gewissen Zeitspanne, wie auch das Interesse der Öffentlichkeit an den Begleitern von Prominenten nach einer Weile erlischt, wenn sie sich nicht mehr gemeinsam in der Öffentlichkeit zeigen. Die Betroffenen stehen dann nicht mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Dies führt dazu, dass bei ihnen das Recht zur Verbreitung ihres Bilds in der Regel zeitlich befristet sein und erlöschen wird, wenn auch das Interesse der Öffentlichkeit an dem Geschehen oder wenn die Verbindung der Betroffenen mit den Personen endet, mit dem oder denen sie in Verbindung stehen,8 wie aber auch umgekehrt das
8
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1 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; dazu Soehring, AfP 2000, 230 ff. 2 BVerfG AfP 2000, 347 = NJW 2000, 2191. 3 BGH AfP 1996, 138 = NJW 1996, 985 = GRUR 1996, 227 = ZUM 1996, 243 – Kumulationsgedanke; KG AfP 2007, 221. 4 Vgl. nur BGH AfP 1996, 140 = NJW 1996, 1128 = GRUR 1996, 923 = ZUM 1996, 405 – Caroline von Monaco III. 5 OLG Hamburg AfP 2007, 558. 6 OLG Hamburg AfP 2006, 369. 7 OLG München AfP 1995, 658 = NJW-RR 1996, 93. 8 OLG Hamburg AfP 1987, 518; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 211.
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§ 21 Tz. 8a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
öffentliche Interesse an einem bestimmten Vorgang der Vergangenheit nach Jahren aus aktuellem Anlass wieder erwachen kann und dann auch diejenigen, die mit ihm in unmittelbarer Verbindung standen, erneut ins Licht der Öffentlichkeit rücken können.1 Soweit Begleiter von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens überhaupt im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, kommt eine Einschränkung ihres Rechts am eigenen Bild gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG daher allenfalls für die Zeit des Bestehens der Bindung oder einer gewissen Nachwirkung in Betracht. Wer sich etwa mit einem Schlager- oder Fußballstar liiert und in dieser Beziehung in der Öffentlichkeit präsentiert, ist Gegenstand eines eingeschränkten öffentlichen Interesses allenfalls für die Zeit der Liaison, nicht aber Jahre danach.2 So musste es eine frühere Freundin des Tennisstars Boris Becker auch nicht hinnehmen, dass sich ein Film über Becker mit dessen Beziehung zu ihr noch nach deren Beendigung beschäftigte.3 8a
Bildberichterstattung wird ihr Augenmerk häufig auch auf die Täter aufsehenerregender Verbrechen zum Zeitpunkt ihrer Entlassung aus der Strafhaft richten. Insoweit kommen dieselben Kriterien zur Anwendung wie im Fall der Wortberichterstattung.4 Ist ein Bericht über die bevorstehende Haftentlassung im Ausnahmefall zulässig, weil auch dieser Vorgang als ein zeitgeschichtliches Ereignis anzusehen ist, dann muss auch die Bebilderung des entsprechenden Berichts mit einem Foto des Betroffenen aus der Zeit der Tat oder aber auch mit einem aktuellen Foto5 zulässig sein. Zulässig im Hinblick auf den historischen Stellenwert des gesamten RAF-Komplexes war daher bebilderte Berichterstattung über die bevorstehende Haftentlassung rechtskräftig verurteilter Straftäter aus dieser Gruppe6 oder auch die Teilnahme eines entlassenen Täters an einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung.7 Und zulässig war auch die mit einem Foto des Betroffenen bebilderte Berichterstattung darüber, dass ein zu zwei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilter bundesweit bekannter Fernsehschauspieler bereits zwei Wochen nach Haftantritt Freigang für einen Besuch bei seiner Familie erhielt, weil der Bundesgerichtshof8 in der Frage nach der Angemessenheit eines derart lockeren Strafvollzugs anhand des Beispiels eines prominenten Strafgefangenen mit Recht ein zeitgeschichtlich relevantes Thema sah, das zu erörtern und zu bebildern die Medien berechtigt sein müssen.
9
Besonders zu beachten wird der Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit gegen eine Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts schließlich bei Verbrechensopfern sein; gerade für sie gilt, dass Personen im Blickpunkt der _______________
1 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 211. 2 OLG Frankfurt/Main GRUR 1987, 195 – Foto der Freundin; OLG Hamburg AfP 1985, 209 = Schulze OLGZ 273. 3 OLG Hamburg AfP 1993, 576. 4 Dazu oben § 19 Tz. 27b. 5 LG Berlin AfP 2008, 222. 6 KG AfP 2008, 396 = NJW-RR 2008, 1625; KG AfP 2007, 376 = NJW-RR 2008, 492; LG Berlin AfP 2007, 282. 7 LG Berlin AfP 2008, 222. 8 NJW 2009, 150 = ZUM 2009, 148 = GRUR 2009, 150 = WRP 2009, 190 – Karsten Speck.
488
Bildberichterstattung
Tz. 11 § 21
Öffentlichkeit Gegenstand eines berechtigten Informationsinteresses und damit erlaubtes Objekt der Herstellung und Verbreitung von Fotografien nur im Zusammenhang mit dem jeweiligen Ereignis sind, durch das sie bekanntgeworden sind. So ist es etwa zulässig, das Opfer einer Geiselnahme während des für die Öffentlichkeit sichtbaren Abtransports zum Fluchtauto des Geiselnehmers und später im Zusammenhang mit seinem Zeugenauftritt im Strafprozess zu fotografieren. Losgelöst von diesen Ereignissen stellt die Herstellung fotografischer Aufnahmen eine Verletzung des Rechts des Betroffenen an seinem eigenen Bild dar.1 cc) Demonstrationen und Polizeieinsätze Stets umstritten ist in der Praxis die Frage, ob und in welchem Umfang es zulässig ist, Fotografien von Demonstrationen und Polizeieinsätzen herzustellen und zu verbreiten. Dabei wurde traditionell Widerstand gegen die Tätigkeit der Fotojournalisten in diesem Bereich nicht ausschließlich von Seiten der bei Demonstrationen eingesetzten Polizeibeamten, sondern wegen des Versagens von Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot bei selbst recherchiertem Material und damit vor allem bei selbst gefertigten Fotos auch von Seiten der Teilnehmer an Demonstrationen geleistet. Hieraus ergab sich eine bedenkliche Einschränkung der Freiheit der Berichterstattung gerade in einem Bereich, der nicht nur durch Art. 9 GG selbst verfassungsrechtlich gewährleistet ist, in dem sich vielmehr die Einschränkung der Berichterstattung in erhöhtem Maße kontraproduktiv auswirkt. Demonstrationen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit – einschließlich derjenigen, die nur durch Vermittlung der Medien Kenntnis nehmen kann oder will – stattfinden, verfehlen ihren ureigensten Zweck. Nachdem der Gesetzgeber durch die StPO-Novelle 2002 grundsätzlich auch das selbst recherchierte Material dem Zeugnisverweigerungsrecht und damit dem Beschlagnahmeverbot unterworfen hat,2 hat sich damit auch die Rechtslage bei der fotografischen Begleitung von Demonstrationen und Polizeieinsätzen entspannt; es wird abzuwarten bleiben, ob sich dies im Bewusstsein der Teilnehmer so nachhaltig verankert, dass Fotojournalisten ihre Tätigkeit in diesem Bereich künftig unbeeinträchtigt ausüben können.
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Denn Bildberichterstattung über und damit auch die Aufnahme von Fotografien von Demonstrationen und Polizeieinsätzen ist gerade im Licht der modifizierten Interpretation von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG durch die Rechtsprechung zulässig. Das folgt nicht nur aus dem verfassungsrechtlich gesicherten Auftrag der Medien zur Beobachtung und Kontrolle staatlichen Handelns, der gerade dort besondere Bedeutung erlangt, wo dieses – wie bei Polizeieinsätzen gelegentlich ganz unvermeidlich – in Gewaltanwendung mündet. Das folgt vielmehr bereits unmittelbar aus dem Gesetz. § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG gestattet die einwilligungslose Verbreitung von Fotografien ausdrücklich für
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_______________
1 OLG Hamburg NJW 1975, 649 – Aus nichtigem Anlass? 2 Oben § 8 Tz. 3 und 17 ff.
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§ 21 Tz. 11a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
„Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen dargestellte Personen teilgenommen haben“.
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Obendrein kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei Demonstrationen und Versammlungen sowie bei deren Begleitung und Sicherung durch die Polizei um zeitgeschichtliche Ereignisse handelt, an die die einwilligungsfreie Herstellung und Verbreitung von Personenbildern nach der neuen Rechtsprechung in allererster Linie anknüpft. Damit ist die Anfertigung und Verbreitung von Bildern von Demonstrationen und Versammlungen gerechtfertigt, an denen die abgebildeten Personen teilnehmen oder teilgenommen haben.1 Die grundsätzliche Berechtigung der Medien, bei derartigen Ereignissen Aufnahmen herzustellen, erkennen daher die von den journalistischen Berufsverbänden und der Innenministerkonferenz herausgegebenen Verhaltensgrundsätze für Presse/Rundfunk und Polizei zur Vermeidung von Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung2 seit jeher an, die obendrein ausdrücklich festlegen, dass auch das Fotografieren mehrerer oder einzelner Polizeieinsätze bei aufsehenerregenden Einsätzen im Allgemeinen zulässig ist.
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Insbesondere in diesem Zusammenhang ist daher gerade wegen der Tendenz der Rechtsprechung, das gesetzliche Verbot der Verbreitung von Lichtbildern auf den Vorgang der Aufnahme vorzuverlegen, zunächst der Grundsatz zu betonen, dass die Herstellung von Aufnahmen in diesem Bereich nicht gesetzlich verboten ist, weil es auch deren Verbreitung nicht wäre. Wer sich an einer öffentlichen Demonstration beteiligt, begibt sich per se in den Anwendungsbereich von § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG und gerät obendrein allein dadurch jedenfalls für den Zeitraum der Veranstaltung und im Umfang seines persönlichen Engagements in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und verzichtet schon damit auf ein Stück seiner Anonymität. Berechtigte Belange, die er der Anfertigung von Fotografien des Vorgangs als solchen entgegensetzen könnte, an dem er sich beteiligt, gibt es im Allgemeinen nicht,3 auch wenn er aufgrund seiner Teilnahme auf derartigen Aufnahmen erkennbar ist. Und wer als Polizist an einer Demonstration oder einer anderen Aktion in der Öffentlichkeit teilnimmt, wird seinerseits im Anwendungsbereich von § 23 Abs. 1 Nr. 1 und 3 KUG tätig, so dass ein generelles Verbot der Herstellung von Aufnahmen auch insoweit nicht in Betracht kommt.4 Soweit die Rechtsprechung5 insbesondere der Strafgerichte eine gegenteilige Tendenz erkennen lässt, ist sie mit § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG ebenso wenig zu vereinbaren wie mit der verfassungsrechtlichen Gewährleistung auch der Bildberichterstattung wie schließlich der heutigen Interpretation von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts.6 Mit Recht haben Kritiker dieser Rechtsprechung, die von der prinzipiellen _______________
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Damm/Rehbock, Rz. 251; Löffler/Ricker, Kap. 43 Rz. 21. Oben § 6 Tz. 20. Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 56. Damm/Rehbock, Rz. 252; Löffler/Ricker, Kap. 43 Rz. 21. OLG Hamburg NJW 1972, 1290; OLG Bremen NJW 1977, 158; OLG Celle NJW 1979, 57. 6 Oben Tz. 2 ff.
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Bildberichterstattung
Tz. 13b § 21
Unzulässigkeit des Fotografierens oder Filmens von Polizisten bei Demonstrationen und Einsätzen ausgeht, den Vorwurf gemacht, sie messe mit zweierlei Maß, indem sie das Fotografieren von Demonstranten regelmäßig erlaube, dasjenige der sie begleitenden Polizisten hingegen nicht.1 Tatsächlich ist in beiden Bereichen eine differenzierende Betrachtungsweise geboten.2
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Dem Grundsatz nach sind Herstellung und Verbreitung fotografischer Aufnahmen von Demonstrationen und Polizeieinsätzen erlaubt, soweit sie den Vorgang an sich erfassen.3 Nur diese Auffassung ist mit der Regel des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG zu vereinbaren, die die Verbreitung von Bildern von Versammlungen und ähnlichen Veranstaltungen auch ohne die Einwilligung derjenigen für rechtmäßig erklärt, die daran – sei es als Demonstranten, sei es als Polizisten – teilnehmen. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts4 vom 27. Februar 2009, die die Fertigung und Speicherung von Übersichtsaufnahmen von Demonstrationen an bestimmte Voraussetzungen knüpft, steht dem nicht entgegen, da sie die Tätigkeit der Polizei auf der Basis des Bayerischen Versammlungsgesetzes und nicht diejenige der Medien betrifft. Einzelne Personen geraten aber durch ihre schlichte Teilnahme an einer Demonstration als Individuen nur sehr eingeschränkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit; Gleiches gilt für die Zugehörigkeit zu einer Polizeieinheit, die die Aufgabe hat, die Demonstration zu begleiten und bei etwaigen Gewalttätigkeiten einzuschreiten. Mit dieser Begründung galten nach bisheriger Rechtslage Herstellung und Verbreitung so genannter Porträtaufnahmen von Demonstranten wie auch von Polizisten, Aufnahmen also, deren optischer Schwerpunkt nicht dem Vorgang der Demonstration oder des Polizeieinsatzes an sich, sondern der Erfassung und Darstellung einzelner daran beteiligter Personen gilt, in der Regel als unzulässig.5
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Daran wird aber auch die Neuausrichtung der Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nichts ändern. Denn wer etwa in einem Demonstrationszug lediglich mitmarschiert, ohne sich als Redner oder durch Gewaltakte zu exponieren, nimmt bei einem solchen zeitgeschichtlichen Ereignis nur eine derart zurückgezogene Rolle ein, dass seine isolierte Herausstellung im Bild von dieser Rolle nicht legitimiert werden kann. Insoweit gilt nichts anderes als bei anderen Massenveranstaltungen auch. So ist es etwa ohne Weiteres zulässig, die Gesamtansicht einer überfüllten Stadiontribüne bei einem Fußballspiel abzulichten, während es unzulässig ist, einzelne Besucher mittels Teleobjektivs aus der Masse der Zuschauer zu isolieren. Auch die filmische Abbildung eines Trauerzugs ist nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG zulässig, sofern nicht ein-
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1 Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 57; Schomburg, AfP 1984, 80. 2 Löffler/Ricker, Kap. 43 Rz. 21. 3 Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 59; Löffler/Ricker, Kap. 43 Rz. 21; Damm/Rehbock, Rz. 252. 4 BVerfG, Pressemitteilung Nr. 17/2009 v. 27.2.2009. 5 Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 60 f.; Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 20, der auf die Möglichkeit der Benutzung von Augenbalken bei der Wiedergabe der Bilder verweist.
491
§ 21 Tz. 13c
Recht der Darstellung – Einzelfragen
zelne Teilnehmer nach Art einer Porträtaufnahme gezielt herausgestellt werden.1 13c
Die gezielte Aufnahme einzelner Demonstranten wird daher erst dann zulässig, wenn sie durch die Art ihrer Teilnahme – sei es als Versammlungsleiter oder Veranstalter der Demonstration, sei es als Redner oder durch die Begehung von Straftaten wie des Einwerfens von Fensterscheiben oder tätlicher Angriffe auf Dritte – in den Blickpunkt öffentlichen Interesses geraten.2 Gleiches gilt für die gezielte Aufnahme von Polizisten im Einsatz. Auch sie wird in dem Augenblick zulässig, in dem an ihr ein besonderes öffentliches Informationsinteresse entsteht, weil etwa der Polizist selbst bei der Ausübung seines Amts eine strafbare Handlung begeht und insbesondere durch die Situation nicht gerechtfertigte Gewalt ausübt.3
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Wenngleich damit Herstellung und Verbreitung von Fotografien von Demonstrationen und Polizeieinsätzen im Einzelfall unzulässig sein können, so ist es jedoch keineswegs gerechtfertigt, allein aus der Tatsache, dass Fotojournalisten auch die Polizeieinheiten aufnehmen oder filmen, die eine Demonstration begleiten und gegebenenfalls eingreifen, zu folgern, dass dadurch das Recht einzelner Beamten an ihrem eigenen Bild verletzt werden soll oder könnte.4 Das Verwaltungsgericht Köln5 hat vielmehr in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass von Fotoreportern und Journalisten in der Regel die Kenntnis der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und dementsprechend eine sachgerechte und gesetzeskonforme Verwendung des hergestellten fotografischen oder filmischen Materials erwartet werden darf. Schon aus diesem Grund besteht kein Anlass für die Vermutung, zulässige Aufnahmen der bei Demonstrationen und Polizeieinsätzen entstehenden Situationen könnten in einer Weise missbräuchlich veröffentlicht werden, die zu einer Verletzung des Rechts der Beteiligten an ihrem eigenen Bild führen. c) Berechtigte Interessen des Abgebildeten
15
Auch soweit in den vorstehend dargestellten Grenzen die Herstellung und Verbreitung von fotografischen oder filmischen Aufnahmen ohne Einwilligung des Abgebildeten zulässig sind, gilt dies nicht ohne Einschränkung. § 23 Abs. 2 KUG bestimmt vielmehr, dass die Verbreitung von Aufnahmen, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, im Fall seines Todes, der Angehörigen verletzt wird, stets unzulässig ist. Ob das der Fall ist, lässt sich in der Regel erst anhand der konkreten Art der Veröffentlichung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen feststellen. Dabei sind insbesondere auch das redaktio_______________
1 LG Köln AfP 1994, 246 = NJW-RR 1995, 1175; a.A. Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 8 Rz. 53. 2 Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 60. 3 Rebmann, AfP 1982, 189, 194. 4 Schoreit, AfP 1989, 413, 415; Löffler/Ricker, Kap. 43 Rz. 18. 5 VG Köln AfP 1988, 182; vgl. auch BVerwG AfP 2000, 205; VGH Baden-Württemberg AfP 1996, 193; oben § 9 Tz. 9.
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Bildberichterstattung
Tz. 17a § 21
nelle Umfeld der Bildveröffentlichung sowie der Text etwaiger Bildlegenden von Bedeutung.1 Nach der neueren Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1 KUG sind zwar Herstellung und Verbreitung von Aufnahmen aus der Privatsphäre jedenfalls bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nicht schlechthin unzulässig, bedürfen sie aber stets der Legitimation durch ein zeitgeschichtliches Ereignis. Erst wenn festgestellt wird, dass danach eine Bildveröffentlichung grundsätzlich zulässig sein kann, stellt sich die Frage, ob sie dennoch wegen entgegenstehender berechtigter Belange des Abgebildeten oder gegebenenfalls seiner Angehörigen zu unterbleiben hat.
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Das gilt für Bilder aus der Intimsphäre ohne Ausnahme, sofern nicht im Einzelfall eine Einwilligung vorliegt.2 Trotz gelockerter Moralvorstellungen geht die Rechtsprechung noch immer vom Grundsatz aus, dass der unbekleidete menschliche Körper diesem Bereich zuzurechnen ist und damit ausschließlich der Verfügungsgewalt des Einzelnen unterliegt. Die Veröffentlichung einer Aktaufnahme ohne Einwilligung des Betroffenen ist daher auch dann nicht zulässig, wenn sie der optischen Illustration eines im Fernsehen ausgestrahlten Beitrags eines Wissenschaftsmagazins3 oder derjenigen eines Artikels über die familieninterne Auseinandersetzung zwischen Eva und Nina Hagen über die rechtliche Zulässigkeit der Verbreitung der Memoiren der Mutter mit der Schilderung und Bebilderung intimer Details aus dem Leben der Tochter dient.4 Die einwilligungslose Verbreitung von Bildern des nackten menschlichen Körpers ist sogar dann unzulässig, wenn der oder die Betroffene auf dem Bild nicht identifizierbar ist,5 weil sie einen Bereich betrifft, der allein der freien Verfügung des Individuums unterliegt.
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Zur Intimsphäre gehört aber etwa auch das Krankenlager des hilflosen und pflegebedürftigen Schwerstkranken, so dass die fotografische Aufnahme eines Wachkomapatienten ohne Einwilligung selbst dann unzulässig ist, wenn sie zu Dokumentationszwecken gefertigt wird.6 Unzulässig ist auch die Herstellung und Verbreitung des Fotos einer Leiche jedenfalls dann, wenn es intime Details sichtbar macht.7 Derartige, nicht von gezielter Einwilligung gedeckte Eingriffe in die Intimsphäre verletzen nicht nur das Recht des Betroffenen an seinem eigenen Bild, sondern in der Regel auch sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht, seine durch Art. 1 Abs. 1 GG besonders geschützte Menschen-
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1 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept; BGH ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 532 = WRP 2007, 648; BGH AfP 2007, 121 = NJW 2007, 1981 = ZUM 2007, 382 = GRUR 2007, 523 = WRP 2007, 644 – Ernst August von Hannover; BGH NJW 1956, 1554 = GRUR 1956, 427 – Paul Dahlke; BGH GRUR 1962, 212 – Hochzeitsbild; BGH NJW 1957, 1315 = GRUR 1957, 494 – Spätheimkehrer; Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 78. 2 Dazu unten Tz. 20 ff. 3 LG München I NJW 2004, 617 = ZUM-RD 2004, 321. 4 LG Berlin AfP 2001, 246. 5 LG Frankfurt/Main AfP 2006, 380. 6 OLG Karlsruhe AfP 1999, 489. 7 BGH AfP 2006, 67 = NJW 2006, 605 = ZUM 2006, 270 = GRUR 2006, 252 – Obduktionsfoto; LG Köln AfP 2002, 343.
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§ 21 Tz. 17b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
würde1 sowie im Fall der Abbildung intimer Ansichten einer Leiche deren postmortalen Achtungsanspruch;2 sie werden in aller Regel nicht nur Unterlassungs-, sondern auch Ansprüche auf Zahlung einer Geldentschädigung nach sich ziehen.3 Das gilt unabhängig von der Prominenz des Betroffenen. Der voyeuristische Blick mittels Teleobjektivs in den Garten oder Swimmingpool eines Filmstars ist heute in der Regel gemäß § 201a StGB strafbar und jedenfalls als Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch dann unzulässig, wenn der Betreffende in Filmen bereits unbekleidet aufgetreten ist und die Verbreitung gestellter Aktaufnahmen gestattet hat.4 17b
Gleiches gilt nach der deutschen Rechtslage auch für die Verbreitung einschlägiger Paparazzi-Fotos aus der Intimsphäre von Mitgliedern des englischen Königshauses.5 Wegen des besonderen Öffentlichkeitswerts dieser unter Verletzung der Intimsphäre hergestellten Aufnahmen, deren Auswirkungen bis zum Sturz der Monarchie reichen können, kann allerdings in Einzelfällen ein berechtigtes Informationsinteresse auch der deutschen Öffentlichkeit an den durch solche Bilder dokumentierten Vorgängen und Zuständen angenommen werden. Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen nach § 23 Abs. 2 KUG kann dann dem Berichterstattungsinteresse der Medien bei der Wiedergabe jedenfalls solcher Fotos der Vorzug zu geben sein, die in England bereits durch die Massenpresse veröffentlicht worden sind.6 Ein originärer Einbruch in die Intimsphäre wäre hingegen auch bei diesem Personenkreis nicht zu rechtfertigen.
17c
Nicht jede unerlaubte Veröffentlichung der Abbildung des nackten menschlichen Körpers stellt aber neben der Verletzung des Rechts am eigenen Bild auch eine schwere Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen dar, wenngleich dies im Normalfall anzunehmen sein wird. Das Oberlandesgericht München7 etwa hat dies mit Recht verneint im Falle der Veröffentlichung des Fotos einer Gruppe von acht unbekleideten Personen, die entgegen einer einschlägigen Polizeiverordnung im Englischen Garten ein Sonnenbad nahmen; als Verletzung des Rechts am eigenen Bild der Betroffenen war aber auch diese Bildveröffentlichung unzulässig.
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Einen in die Mediengeschichte eingegangenen unzulässigen Einbruch in die Intimsphäre stellte richtiger Ansicht nach auch die Herstellung der Foto_______________
1 BGH NJW 1974, 1947 = GRUR 1975, 561 – Nacktaufnahme; OLG Stuttgart AfP 1983, 396; OLG Düsseldorf AfP 1984, 229 – Rückenakt. 2 BGH AfP 2006, 67 = NJW 2006, 605 = ZUM 2006, 270 = GRUR 2006, 252 – Obduktionsfoto. 3 OLG Oldenburg AfP 1988, 400; anders für den Fall der Abbildung einer Leiche BGH AfP 2006, 67 = NJW 2006, 605 = ZUM 2006, 270 = GRUR 2006, 252 – Obduktionsfoto; zu Geldentschädigung im Einzelnen unten § 32 Tz. 21 ff. 4 OLG Hamburg AfP 1982, 41 – Heimliche Nacktfotos. 5 Vgl. auch BGH AfP 1996, 140 = NJW 1996, 1128 = GRUR 1996, 923 = ZUM 1996, 405 – Caroline von Monaco III; BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 6 Vgl. für den Bereich der Wortberichterstattung BGH AfP 1999, 350 = NJW 1999, 2893 = GRUR 1999, 1034 = ZUM 1999, 734 – Ehebruch. 7 OLG München AfP 1986, 69.
494
Bildberichterstattung
Tz. 18a § 21
grafien des toten Uwe Barschel in der Badewanne seines Genfer Hotelzimmers durch Journalisten dar, weil dem berechtigte Interessen seiner Angehörigen entgegenstanden.1 Für die erstmalige Veröffentlichung der so entstandenen Aufnahmen gilt diese Feststellung allerdings nicht.2 Dass in diesem Beispielsfall die Herstellung der Aufnahmen der Beweissicherung diente, sie also für Zwecke der Rechtspflege dringend erforderlich war, rechtfertigt das Vorgehen der Journalisten nicht, ist vielmehr ein Gesichtspunkt, der ausschließlich die Herstellung der Fotografien durch Angehörige der Ermittlungsbehörden nach § 24 KUG gerechtfertigt hätte,3 hätte sich der Vorgang im Geltungsbereich deutschen Rechts abgespielt. Außerhalb des Bereichs der Intimsphäre ist wie beim Allgemeinen Persönlichkeitsrecht4 im Wege der Güterabwägung zu prüfen, ob eine prinzipiell durch einen der Tatbestände des § 23 Abs. 1 KUG gerechtfertigte Einschränkung des Rechts am eigenen Bild durch entgegenstehende berechtigte Belange des Betroffenen überlagert wird. Wo eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens sich zum Einkauf auf einen privaten Markt begibt, wo sie an öffentlichen Stränden schwimmt oder auf öffentlichen Wegen ausreitet oder Fahrrad fährt, wo sie in Begleitung ein Restaurant mit normalem Publikumsverkehr oder eine Oper besucht, galten ihre Auftritte und Handlungen bis zur Caroline von MonacoEntscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Gegenstand eines berechtigten Informationsinteresses,5 so dass die Medien bei dieser Gelegenheit entstandene Lichtbilder veröffentlichen durften. Davon kann indessen heute nicht mehr ausgegangen werden.
18
Gefordert wird heute vielmehr die Legitimation derartiger Bildberichterstattung durch ein zeitgeschichtliches Ereignis und damit im Ergebnis ein Funktionszusammenhang zwischen der Position des Betroffenen im öffentlichen Leben und seinem bildlich festgehaltenen Auftreten in der Öffentlichkeit.6 Prinzipiell ist es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verbreitung einer bei einer solchen Gelegenheit entstandenen Fotografie allerdings auch heute unbeachtlich, ob die Berichterstattung, die mit ihr dokumentiert werden soll, primär der seriösen Information der Öffentlichkeit oder ob sie primär der Unterhaltung dient,7 wobei allerdings die Toleranzschwelle umso höher liegen wird, desto mehr der Informationscharakter einer Berichterstattung hinter denjenigen purer Unterhaltung oder gar der Befriedigung von Neugier und
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1 2 3 4 5
Schweizerisches Bundesgericht NJW 1994, 504; oben § 10 Tz. 5. Unten Tz. 28 ff. Schricker/Gerstenberg/Götting, § 24 KUG/§ 60 Rz. 5. Oben § 19 Tz. 12 ff. BGH AfP 1996, 140 = NJW 1996, 1128 = GRUR 1996, 923 = ZUM 1996, 405 – Caroline von Monaco III; BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. 6 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept; BGH ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 532 = WRP 2007, 648; BGH AfP 2007, 121 = NJW 2007, 1981 = ZUM 2007, 382 = GRUR 2007, 523 = WRP 2007, 644 – Prinz Ernst August von Hannover; BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 64 – Caroline von Monaco II. 7 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I.
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§ 21 Tz. 18b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Sensationslust zurück tritt.1 Die Auffassung aber, Wortberichterstattung über Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens dürfe durch kontextneutrale Bilder, die nicht im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Berichterstattung entstanden sind, nur dann illustriert werden, wenn es sich um neutrale Porträtfotos handelt,2 findet in § 23 Abs. 2 KUG keine Grundlage und ist mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts3 nicht zu vereinbaren. Und § 23 Abs. 2 KUG fordert auch nicht, dass der Kopf, nicht aber der Körper des Betroffenen im Bild gezeigt wird. 18b
Zu dem durch entgegenstehende berechtigte Belange geschützten engeren privaten Bereich gehört wie bisher die eigene Wohnung, deren Inneres daher ohne Zustimmung des Berechtigten nicht fotografiert werden darf.4 Auch bei Trägern hoher politischer Ämter und anderen Personen der Zeitgeschichte endet das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit bereits an der Haus- und nicht erst an der Schlafzimmertür,5 sofern der Betreffende nicht seine Haustür öffnet und mit dem Fotografen auch die Öffentlichkeit in seine private Sphäre ausdrücklich einlädt.6
18c
Allerdings stellt der schon nach bisheriger Rechtslage7 gegenüber dem Recht der Medien zur Verbreitung von Bildern gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht mehr wörtlich zu nehmende Begriff der Haustür nun nicht mehr das allein maßgebliche Abgrenzungskriterium zur Bestimmung berechtigter Belange der Betroffenen dar. Hatte das Bundesverfassungsgericht8 noch in seiner ersten Caroline von Monaco-Entscheidung ausgesprochen, der Schutz der Privatsphäre des Betroffenen erstrecke sich über den eigenen, ohnehin geschützten Wohnbereich hinaus nur auf Örtlichkeiten und Situationen, „… in denen er objektiv erkennbar für sich allein sein will und in denen er sich im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so verhält, wie er es in der breiten Öffentlichkeit nicht tun würde“,
und ausschlaggebend sei, „… ob der Betroffene eine Situation vorfindet oder schafft, in der er begründetermaßen und somit auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein“, _______________
1 BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 64 – Caroline von Monaco II; BGH AfP 2008, 507 = NJW 2008, 3138 = ZUM-RD 2008, 457 = GRUR 2008, 1024 = WRP 2008, 1363 – Einkaufsbummel auf Mallorca. 2 LG Hamburg AfP 1999, 523 unter Hinweis auf OLG Hamburg v. 17.3.1998 – 7 U 208/97 und v. 31.1.1998 – 7 U 179/97, jeweils unveröffentlicht. 3 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; BVerfG AfP 2001, 212 = NJW 2001, 1921 = ZUM 2001, 578 = WRP 2001, 910 – Ernst August von Hannover; Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 8 Rz. 27. 4 OLG Düsseldorf NJW 1994, 1971. 5 Schricker/Gerstenberg/Götting, § 23 KUG/§ 60 Rz. 86. 6 BGH NJW 1957, 1315 = GRUR 1957, 494 – Spätheimkehrer. 7 Einzelheiten schon oben § 19 Tz. 15a. 8 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 140 = NJW 1996, 1128 = GRUR 1996, 923 = ZUM 1996, 405 – Caroline von Monaco III.
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Bildberichterstattung
Tz. 18d § 21
so ist heute entscheidend, ob die Bebilderung einer Darstellung von Ereignissen oder Situationen aus dem Privatleben jedenfalls einen gewissen Nachrichtenwert mit Orientierungsfunktion für die Öffentlichkeit hat oder ob es sich um belanglose Informationen aus dem Privatleben ohne jeden Sachzusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis handelt.1 Ein zeitgeschichtliches Ereignis, das die Ausstrahlung eines Fernsehfilms über den Enkel des Fürsten von Monaco rechtfertigt, war aber die Beisetzung des verstorbenen Fürsten.2 Und liegt ein zeitgeschichtliches Ereignis vor, so stellt die vom Betroffenen dennoch geschaffene räumliche Abschottung dieses Ereignisses kein rechtliches Hindernis für die Veröffentlichung eines Bilds und begleitender Informationen mehr dar. So hat das Kammergericht3 die Verbreitung eines Berichts über die mit großem Pomp in Anwesenheit des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefeierte Hochzeit des Fernsehmoderators Günther Jauch und eines begleitenden Fotos des Betroffenen mit Recht als rechtmäßig eingestuft, weil ein berechtigtes Interesses der Öffentlichkeit daran bestand zu erfahren, wie und mit wem dieses Ereignis gefeiert wurde. Auf den ersten Blick erscheint es in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Berichterstattungsfreiheit allerdings bedenklich, dass Bundesverfassungsgericht4 und Bundesgerichtshof5 die Gerichte auch für befugt halten zu prüfen, ob ein begleitender Text lediglich dazu bestimmt ist, den Anlass für die Abbildung prominenter Persönlichkeiten zu schaffen, ohne dass die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erkennen lässt. Im Ergebnis freilich ist dies konsequent, wenn es nach der neuen Rechtsprechung zum Recht am eigenen Bild darauf ankommt, ob die Veröffentlichung eines Bilds durch ein weit verstandenes zeitgeschichtliches Ereignis veranlasst ist oder nicht. Denn fehlt es an einem derartigen Anlass, so wird man der begleitenden Wortberichterstattung auch keinen Nachrichtenwert attestieren können, der für die Meinungsbildung der Öffentlichkeit auch nur entfernt relevant sein könnte; ein Urteil über die Zulässigkeit der unbebilderten Wortberichterstattung ist damit allerdings nicht verbunden,6 zumal der Schutz des Rechts am eigenen Bild im Vergleich _______________
1 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept; BGH ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 532 = WRP 2007, 648; BGH AfP 2007, 121 = NJW 2007, 1981 = ZUM 2007, 382 = GRUR 2007, 523 = WRP 2007, 644 – Ernst August von Hannover; BGH AfP 2008, 507 = NJW 2008, 3138 = ZUM-RD 2008, 457 = GRUR 2008, 1024 = WRP 2008, 1363 – Einkaufsbummel auf Mallorca; BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 64 – Caroline von Monaco II. 2 BGH GRUR 2009, 584 = WRP 2009, 741 – Enkel von Fürst Rainier. 3 KG AfP 2008, 631. 4 BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 64 – Caroline von Monaco II. 5 BGH AfP 2008, 507 = NJW 2008, 3138 = ZUM-RD 2008, 457 = GRUR 2008, 1024 = WRP 2008, 1363 – Einkaufsbummel auf Mallorca; BGH AfP 2008, 608 = NJW 2009, 757 = ZUM-RD 2009, 11 = WRP 2009, 204 – Kleiner Spaziergang in St. Rémy. 6 BGH AfP 2008, 507 = NJW 2008, 3138 = ZUM-RD 2008, 457 = GRUR 2008, 1024 = WRP 2008, 1363 – Einkaufsbummel auf Mallorca; BGH AfP 2008, 608 = NJW 2009, 757 = ZUM-RD 2009, 11 = WRP 2009, 204 – Kleiner Spaziergang in St. Rémy.
497
18d
§ 21 Tz. 18e
Recht der Darstellung – Einzelfragen
zu demjenigen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen Wortberichterstattung stärker ausgeprägt ist.1 18e
Vor dem Hintergrund dieser Neuorientierung des Stellenwerts des Rechts am eigenen Bild im Konflikt mit der Berichterstattungsfreiheit der Medien wird es heute in aller Regel unzulässig sein, Bilder aus Urlaubssituationen von Prominenten jeglicher Gattung zu veröffentlichen, da gerade der Urlaub mit Recht als ein Lebensbereich angesehen wird, der nicht nur der Erholung dient, sondern der entspannten und ausschließlich selbst bestimmten Entfaltung der Persönlichkeit. Das haben die Gerichte so entschieden in den Fällen der Eheleute Caroline von Monaco und Ernst August von Hannover,2 der bekannten Fernsehmoderatorin Sabine Christiansen3 sowie der Fußballspieler Oliver Kahn4 und Lukas Podolski.5 Und das gilt nach der jetzt maßgeblichen Rechtsprechung erst recht für Urlaubsfotos von Kindern6 oder Begleitern Prominenter.7 Im Fall Sabine Christiansen hat der Bundesgerichtshof obendrein entschieden, dass auch die Begründung einer neuen Liebesbeziehung kein Ereignis ist, das eine bebilderte Berichterstattung rechtfertigen kann.8
18f
Auch die Verknüpfung der Bildveröffentlichung mit einem Bericht über eine Erkrankung Ernst Augusts von Hannover war nicht durch einen zeitgeschichtlichen Anlass gerechtfertigt.9 Als überzogener Tribut an den deutlich höheren Stellenwert des Rechts am eigenen Bild muss es allerdings gewertet werden, wenn der Bundesgerichtshof10 die Verbreitung eines Bilds des Betroffenen auch im Zusammenhang mit einem Interview untersagt, in dem er sich selbst zu seiner Krankheit geäußert hat; wertet das Gericht den Betroffenen mit Recht als eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens und begibt er sich durch die Gewährung des Interviews über seine Erkrankung des ihm insoweit prinzipiell zustehenden Persönlichkeitsschutzes, dann muss allein hierin das zeitgeschichtliche Ereignis gesehen werden, das auch die Veröffentlichung des Bilds rechtfertigt.11 Eine Ausnahme bildete lediglich ein Bericht über einen Urlaub der Eheleute Hannover/Monaco zu einem Zeitpunkt, zu _______________
1 Oben § 19 Tz. 2c f. 2 BGH AfP 2007, 208 = NJW 2007, 1977 = ZUM 2007, 651 = GRUR 2007, 527 = WRP 2007, 789 – abgestuftes Schutzkonzept; BGH AfP 2008, 608 = NJW 2009, 757 = ZUM-RD 2009, 11 = WRP 2009, 204 – Kleiner Spaziergang in St. Rémy. 3 BGH AfP 2008, 507 = NJW 2008, 3138 = ZUM-RD 2008, 457 = GRUR 2008, 1024 = WRP 2008, 1363 – Einkaufsbummel auf Mallorca. 4 BGH AfP 2007, 475 = NJW 2007, 749 = ZUM 2007, 858 – Oliver Kahn; OLG Hamburg AfP 2006, 471. 5 LG Berlin AfP 2007, 547 = NJW-RR 2007, 923 = GRUR-RR 2007, 198 – Podolski. 6 OLG Hamburg AfP 2007, 558. 7 BGH AfP 2007, 472 = NJW 2007, 3440 = ZUM-RD 2007, 397 = GRUR 2007, 899 – Caféhausbesuch in Rom; ebenso KG AfP 2004, 564 = NJW 2005, 605 = GRUR 2005, 79; a.A. noch KG AfP 2004, 556 = NJW 2005, 603. 8 BGH AfP 2009, 256 = NJW 2009, 1502 = ZUM 2009, 560 = GRUR 2009, 665 = WRP 2009, 738 – Private Lebensvorgänge. 9 BGH AfP 2008, 606 = ZUM 2009, 58 = WRP 2009, 198; BGH AfP 2008, 610 = NJW 2009, 254; BGH AfP 2008, 609 = NJW 2009, 271. 10 BGH AfP 2008, 606 = NJW 2009, 756 = ZUM 2009, 58 = WRP 2009, 198. 11 Konsequent ist es dann allerdings, dass der BGH auch die Verbreitung eines Fotos der Ehefrau in diesem Kontext untersagt hat: BGH AfP 2008, 608 = NJW 2009, 757 = ZUM-RD 2009, 11 = WRP 2009, 204.
498
Bildberichterstattung
Tz. 19 § 21
dem der seither verstorbene Vater der Ehefrau schwer erkrankt war; da nach Auffassung des Bundesgerichtshofs1 die Wortberichterstattung in diesem Fall durch einen die interessierte Öffentlichkeit berührenden zeitgeschichtlichen Anlass geprägt war, war auch die Bebilderung des Beitrags gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gerechtfertigt, ohne dass dem berechtigte Belange der Betroffenen entgegenstanden. Neben Urlaubssituationen kommt eine Vielzahl anderer Konstellationen als Gegenstand eines berechtigten Interesses im Sinn von § 23 Abs. 2 KUG in Betracht, das auch bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zur Unzulässigkeit der Bildnisveröffentlichung führen kann. So kann die Verbreitung eines Lichtbilds etwa unzulässig sein, weil zu befürchten ist, dass seine Veröffentlichung den Abgebildeten dem Risiko von Gewalttaten oder Entführungen aussetzen2 oder zu einer nicht hinnehmbaren Prangerwirkung zu Lasten der Angeklagten in prominenten Strafverfahren führen würde.3 Mit Recht hat das Landgericht Berlin4 etwa die Veröffentlichung des Porträts und damit die Demaskierung eines Komikers, dessen Geschäftsprinzip es war, stets nur mit Maske aufzutreten und seine Identität geheim zu halten, als Verletzung von dessen berechtigten Belangen eingestuft. Wehrt sich ein Betroffener gegen die Herstellung von Fotografien, die ihn erkennbar in einer Alltagssituation ohne Nachrichtenwert zeigen, dann stehen der Veröffentlichung von Fotos, die bei dem anschließenden Gerangel entstehen, ebenfalls berechtigte Belange des Betroffenen entgegen,5 da Fotografen es anderenfalls in der Hand hätten, den Nachrichtenwert einer solchen Konfrontation zu provozieren. Mit dem heutigen Verständnis des Rechts am eigenen Bild ist es auch nicht mehr zu vereinbaren, wenn das Landgericht Berlin6 angenommen hat, der TV-Showmaster Thomas Gottschalk müsse es als einer der bekanntesten Deutschen hinnehmen, dass er bei einem privaten Einkaufsgang an seinem Wohnort in Kalifornien fotografiert und dass das entsprechende Foto veröffentlicht wird; eine auch noch so entfernte zeitgeschichtliche Komponente ist hier ebenso wenig zu erkennen wie im Fall des privaten Einkaufsbummels Sabine Christiansens an ihrem Urlaubsort.7
18g
Nahezu ausnahmslos unzulässig ist es weiterhin, das Lichtbild einer Person des öffentlichen Lebens, gegen dessen Aufnahme rechtlich nichts einzuwenden war, ohne die spezielle Einwilligung des Betroffenen zu Zwecken der Werbung zu benutzen.8
19
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1 BGH AfP 2008, 503 = NJW 2008, 3141 = ZUM 2008, 785 = GRUR 2008, 1020 WRP 2008, 1367 – abgestuftes Schutzkonzept. 2 BVerfG AfP 2000, 348 = NJW 2000, 2194 = ZUM-RD 2000, 323; BVerfG AfP 2002, 213. 3 BVerfG AfP 2007, 551; BVerfG AfP 2009, 46 = NJW 2009, 350 = ZUM 2009, 216 – Holzklotz-Fall; vgl. auch BVerfG AfP 2009, 244 = NJW 2009, 211 f. 4 LG Berlin AfP 2005, 292. 5 KG AfP 2007, 139 = NJW-RR 2007, 1196 = ZUM 2007, 475. 6 LG Berlin AfP 2007, 257. 7 BGH AfP 2008, 507 = NJW 2008, 3138 = ZUM-RD 2008, 457 = GRUR 2008, 1024 = WRP 2008, 1363 – Einkaufsbummel auf Mallorca. 8 BGH NJW 1956, 1554 = GRUR 1956, 427 – Paul Dahlke; BGH NJW 1961, 558 = GRUR 1961, 138 – Familie Schölermann; BGH AfP 1992, 149 = NJW 1992, 2084 = GRUR 1992, 557 – Joachim Fuchsberger.
499
§ 21 Tz. 19a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
19a
Die Rechtslage entspricht hier derjenigen bei der unautorisierten Einspannung der Namen Prominenter zu Zwecken der Werbung.1 So war etwa die Werbung mit einem Foto der deutschen Fußballnationalmannschaft von 1954 für einen Autohersteller2 ebenso unzulässig wie diejenige mit dem Lichtbild von Oliver Kahn für ein Fußball-Computerspiel3 oder der Kopie einer gestatteten Werbeanzeige mit dem Bild von Boris Becker im Rahmen der Anzeige für ein Konkurrenzprodukt.4 Unzulässig ist auch die Werbung mit dem Bild eines Doubles5 oder mit einer nachgestellten Szene, die der Betrachter aufgrund ihrer Einmaligkeit mit einer lebenden oder verstorbenen Person assoziiert,6 sofern der Verstorbene noch Rechtsschutz genießt,7 oder die Benutzung eines Fotos des berühmten Sängers Bob Dylan für das Cover einer Schallplatte mit seiner Musik ohne seine Einwilligung, obgleich die Veröffentlichung der Musik als solche urheberrechtlich erlaubt war.8 Als unzulässige kommerzielle Ausbeutung des Bilds des Verstorbenen wurde auch die Herausgabe von sogenannten Gedenkmünzen mit dem Reliefbild von Franz Josef Strauß ohne Einwilligung der Angehörigen angesehen,9 während der Bundesgerichtshof10 sie im Fall Willy Brandt mit der Begründung für zulässig erachtet hat, die konkrete Ausgestaltung der Medaille, die nicht nur das Bild des früheren Bundeskanzlers, sondern auch schlagwortartig dessen historische Verdienste aufzeige, lasse erkennen, dass der Herausgeber der Medaille Informationsinteressen verfolge; dass es ihm daneben auch um erwerbswirtschaftliche Interessen gehe, sei in diesem Kontext ebenso wenig schädlich wie bei Presse und Rundfunk, die von ihrem Recht zur Abbildung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auch aus erwerbswirtschaftlichen Gründen Gebrauch machen und dazu berechtigt sind, soweit sie damit publizistische Interessen im weitesten Sinn verfolgen.
19b
Ausnahmen vom Verbot, das Bildnis Anderer zu Zwecken der Werbung zu nutzen, sind aber möglich. So ist die Abbildung der Titelseite einer Zeitschrift, auf der eine Person des öffentlichen Lebens berechtigtermaßen abgebildet wird, im Rahmen einer Anzeige oder auf einem Plakat, mit dem die betreffende Zeitschrift beworben wird, zulässig, da die Gewährleistung der Pressefreiheit durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Werbung für Presseerzeugnisse umfasst; berechtigte Interessen des Abgebildeten im Sinn von § 23
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Oben § 17 Tz. 16 ff. LG München I ZUM 2003, 418. OLG Hamburg ZUM 2004, 309. OLG München AfP 2001, 244 = ZUM 2001, 434; vgl. auch LG München I NJW-RR 2002, 617 = ZUM 2002, 238. OLG Karlsruhe AfP 1998, 326; LG Köln ZUM 2001, 180; oben § 13 Tz. 38a. BGH AfP 2000, 354 = NJW 2000, 2201 = ZUM 2000, 589 – Der blaue Engel. Dazu oben § 13 Tz. 12e. BGH AfP 1997, 475 = NJW 1997, 1152 = GRUR 1997, 125 – Bob Dylan. OLG München NJW-RR 1990, 1327. BGH NJW 1996, 593 = GRUR 1996, 195 – Willy Brandt; BVerfG NJW 2001, 594 = ZUM 2001, 232 – Willy Brandt.
500
Bildberichterstattung
Tz. 19c § 21
Abs. 2 KUG stehen einer solchen Werbung nicht entgegen.1 Auch bei der Abbildung eines Künstlers, der zu den Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gehört, auf der Titelseite einer ihm gewidmeten Publikation handelt es sich nicht um eine Werbemaßnahme, sondern um legitime publizistische Tätigkeit.2 In der Tatsache, dass Bilder bekannter Schauspieler oder Fernsehmoderatoren, die als Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens galten, in einer Kundenzeitschrift3 bzw. auf dem Titelblatt einer Rätselzeitschrift4 wiedergegeben wurden, hat die Rechtsprechung denn auch mit Recht noch keine Verwendung des Bilds zu Zwecken der Werbung gesehen, da auch derartige Publikationen einem Informationsinteresse der Leser dienen und eine ausdrücklich werbliche Verwendung des Bilds nicht in Rede stand. Ausnahmen vom Verbot der Nutzung des Bilds und des Namens Prominenter zu Zwecken der eigenen Produktwerbung gestattet die neuere Rechtsprechung schließlich in den Fällen, in denen die Werbeaussage jedenfalls auch einen meinungsbildenden Charakter hat.5 Voraussetzung dafür ist allerdings stets, dass der Werbende den Abgebildeten nicht werblich vereinnahmt,6 dass also dem Betrachter nicht der Eindruck vermittelt wird, der Abgebildete nehme aktiv an der betreffenden Werbung teil oder identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt. So hat der Bundesgerichtshof die Werbung des Autovermieters Sixt mit einem Foto des kurz zuvor nach nur wenigen Monaten im Amt zurückgetretenen Bundesfinanzministers Oskar Lafontaine und der Textzeile „Sixt verleast auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit“ wegen der erkennbaren Anspielung auf den kurz zuvor erfolgten spektakulären Rücktritt des Betroffenen ebenso als zulässig angesehen7 wie erkennbar auf Ernst August von Hannover bzw. Dieter Bohlen zielende Zigarettenwerbung mit den Motiven „War das Ernst? Oder August?“8 oder „Schau mal, lieber Dieter, so einfach schreibt man Bücher“.9 Zulässig war es aber auch, ein Porträtfoto des früheren Tennisspielers Boris Becker auf der Titelseite eines für die Einführung der damals noch in der Vorbereitungsphase befindlichen Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung als Illustration einer Schlagzeile zu verwerten, die sich mit dem sozialen Abstieg des Betroffenen in der Folge von Ehekrisen und Steuerskandalen befasste; die gegenteilige Auffassung des Oberlandes_______________
1 BGH AfP 2002, 435 = NJW 2002, 2317 = GRUR 2002, 690 = WRP 2002, 999 – Marlene Dietrich II; a.A. noch OLG München AfP 1999, 507 = NJW-RR 2000, 29 = ZUM 1999, 848; LG Berlin NJW 1996, 1142 – Schalck-Golodkowski; vgl. aber auch LG Köln AfP 1982, 49 – Fernsehansagerin. 2 KG UFITA 90 (1981), 163. 3 BGH AfP 1995, 495 = NJW-RR 1995, 789 = ZUM 1995, 618 – Chris Revue; BVerfG AfP 2000, 163 = NJW 2000, 1026 = ZUM 2000, 232 – Chris Revue; OLG München AfP 1998, 409 = ZUM 1998, 1042 – Uschi Glas; OLG Köln AfP 1993, 751; BVerfG NJW 2000, 1026. 4 OLG Hamburg ZUM 2007, 210. 5 Dazu schon oben § 17 Tz. 16b; Alexander, AfP 2008, 556 ff. 6 OLG Hamburg AfP 2008, 210 = ZUM 2008, 690. 7 BGH AfP 2006, 559 = NJW 2007, 689 = ZUM 2007, 55 = GRUR 2007, 139 – Lafontaine. 8 BGH AfP 2008, 596 = NJW 2008, 3782 = ZUM 2008, 957 = GRUR 2008, 1124 = WRP 2008, 1524 – Zerknitterte Zigarettenschachtel. 9 BGH AfP 2008, 598 = WRP 2008, 1527 – Geschwärzte Worte.
501
19c
§ 21 Tz. 20
Recht der Darstellung – Einzelfragen
gerichts München1 berücksichtigt nicht, dass auch die Werbung für eine Zeitung vom Grundrecht der Pressefreiheit erfasst ist2 und dass berechtigte Interessen des Betroffenen mangels dessen Vereinnahmung für das beworbene Produkt dieser Bildnutzung nicht entgegenstanden.3 d) Einwilligung und Zweckbestimmung 20
Der grundsätzliche Schutz des Rechts am eigenen Bild versagt neben den Fällen erlaubter Bildveröffentlichung nach den Regeln des § 23 KUG auch dort, wo eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Im Streit um die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen insbesondere im Bereich der Fernsehberichterstattung erweist sich die Einwilligung als der vermutlich am häufigsten vertretene Rechtfertigungsversuch. Die Frage nach Wirksamkeit, Fortdauer und Umfang der Einwilligung wirft jedoch nicht selten schwierige Probleme auf. aa) Erteilung und Widerruf
21
Für die Erteilung der Einwilligung zur Veröffentlichung eines Bilds gelten dieselben Grundsätze wie für diejenige zur Veröffentlichung von Informationen, die dem Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterliegen und die daher nur im Fall der Einwilligung verbreitet werden dürfen. Das gilt sowohl für die Art der Erteilung als auch für die Probleme der Einwilligung durch Minderjährige und der so genannten Grundrechtsmündigkeit. Auch ein etwaiger Widerruf der einmal erteilten Einwilligung kommt nach denselben Regeln in Betracht. Es kann daher auf die Darstellung zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verwiesen werden.4 Allerdings tendiert die Rechtsprechung dazu, für den Bereich des Rechts am eigenen Bild eine Einschränkung zu postulieren, die im Fall der Wortberichterstattung der Natur der Sache nach nicht zu Tragen kommen kann. Danach soll die Einwilligung oder auch der konkludente Verzicht auf den Schutz der Persönlichkeit im Hinblick auf ein bestimmtes Ereignis nur für Bilder gelten, die zeitgleich oder danach angefertigt werden, während die Nutzung früher unter Verletzung von § 22 KUG angefertigter Bilder weiterhin untersagt sein soll.5 bb) Postmortaler Bildnisschutz
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Von der generellen Einwilligungsproblematik unterscheidet sich die Regelung des Kunsturhebergesetzes für den Bereich des Rechts am eigenen Bild nur in_______________
1 OLG München AfP 2003, 363 = ZUM 2003, 787 = GRUR 2003, 984; OLG München AfP 2007, 237 = ZUM-RD 2007, 360 – Sonntagszeitung; auf die Nichtzulassungsbeschwerde des FAZ-Verlags hat der Bundesgerichtshof die Revision gegen dieses Urteil zugelassen, über die bei Drucklegung nocht nicht entschieden wurde. 2 BGH AfP 2002, 435 = NJW 2002, 2317 = GRUR 2002, 690 = WRP 2002, 999 – Marlene Dietrich II. 3 Vgl. insoweit die zutreffende Anmerkung von Ladeur, ZUM 2007, 111 ff. zu dem einen ähnlichen Fall betreffenden Urteil LG Hamburg AfP 2006, 585 = NJW 2007, 691 = ZUM 2007, 155 = GRUR 2007, 143 – Joschka Fischer. 4 Oben § 19 Tz. 43 ff. 5 Dazu unten Tz. 30a.
502
Bildberichterstattung
Tz. 23 § 21
soweit, als durch § 22 Satz 3 und 4 KUG ein postmortaler Rechtsschutz ausdrücklich begründet und die Frist bestimmt wird, binnen deren er durch die Angehörigen des Abgebildeten geltend gemacht werden kann. Danach ist die Einwilligung der Angehörigen für die Dauer von zehn Jahren nach dem Tod des Abgebildeten erforderlich. Zu den Angehörigen im Sinn dieser Bestimmung zählen Ehegatten und Kinder sowie die Eltern des Verstorbenen, letztere aber nur, wenn weder ein überlebender Ehegatte noch Kinder vorhanden sind. Zu beachten ist dabei besonders, dass die Einwilligung aller Angehörigen erforderlich ist, dass also bereits der Widerspruch nur eines der Berechtigten genügt, um die Abbildung eines Verstorbenen innerhalb der gesetzlichen Schutzfrist rechtswidrig zu machen; dementsprechend ist im Fall unerlaubter Abbildung bereits einer von mehreren Berechtigten klagebefugt.1 Nach Ablauf der Zehnjahresfrist kann die Verbreitung eines Bilds des Verstorbenen unter Umständen als Verletzung seines postmortalen Achtungsanspruchs gleichwohl unzulässig sein, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht endet.2 Das kommt allerdings wie in den sonstigen Fällen des Schutzes des postmortalen Achtungsanspruchs nur bei einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Lebensbilds des Verstorbenen in Betracht. So konnten die Eltern nach Ablauf der Zehnjahresfrist des § 22 Satz 3 KUG die Veröffentlichung eines Bilds, das ihre entführte Tochter kurz vor ihrer Ermordung in Todesangst zeigte, nicht unter Berufung auf deren postmortalen Achtungsanspruch verhindern, weil eine Verfälschung ihres Lebensbilds hier nicht in Rede stand.3 Dieser besondere postmortale Bildnisschutz unterliegt nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes denselben Einschränkungen wie das Recht am eigenen Bild des lebenden Menschen auch. Prinzipiell darf also auch das Bild eines Toten veröffentlicht werden, wenn die Voraussetzungen von § 23 Abs. 1 KUG vorliegen. Allerdings stellt die Abbildung eines Menschen in der konkreten Situation seines Todes in der Regel einen Einbruch in dessen nunmehr von seinen Angehörigen wahrzunehmende Intimsphäre dar.4 Die Informationsinteressen der Öffentlichkeit können aber überwiegen, wenn der Tod und seine Begleitumstände Folge eines Ereignisses sind, das seinerseits ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf sich zieht. Das war etwa der Fall bei der erstmaligen Verbreitung des Bilds des verstorbenen Uwe Barschel in der Badewanne seines Genfer Hotels im Hinblick auf den überragenden Informationswert dieses Bilds zum Zeitpunkt dieses konkreten historischen Ereignisses,5 während spätere Verbreitungen desselben Bilds durch einen Informationszweck nicht mehr gedeckt und daher rechtswidrig waren.6 Zulässig war auch die Veröffentlichung eines Fotos der Leiche eines bei einem _______________
1 Schricker/Gerstenberg/Götting, § 22 KUG/§ 60 Rz. 58; v. Gamm, Einführung Rz. 108; für den postmortalen Achtungsanspruch ebenso OLG Köln AfP 1998, 647 = NJW 1999, 1969 – Adenauer. 2 Oben § 13 Tz. 12 f. 3 OLG Hamburg AfP 2005, 76 = ZUM 2005, 168. 4 Vgl. dazu BGH AfP 2006, 67 = NJW 2006, 605 = ZUM 2006, 270 = GRUR 2006, 252 – Obduktionsfoto; LG Köln AfP 2002, 343. 5 A.A. Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 137 a.E.; Prinz/Peters, Rz. 882. 6 So auch Deutscher Presserat in: Jahrbuch 1987, S. 11.
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§ 21 Tz. 24
Recht der Darstellung – Einzelfragen
spektakulären Bombenanschlag ums Leben gekommenen Täters.1 Auch in solchen Fällen ist die Abbildung eines Verstorbenen gegen den Willen seiner Angehörigen allerdings nur statthaft, sofern sie ihn nicht im Einzelfall in einem nicht mehr erträglichen Maß bloßstellt oder ohne inhaltlichen Bezug zum begleitenden Text lediglich zum Mittel der Befriedigung reiner Neugier oder Sensationslust wird.2 cc) Zweckbestimmung 24
Besondere praktische Bedeutung für die Bestimmung von Tragweite und Umfang der Einwilligung hat das Problem der Zweckbestimmung. Insbesondere freie Fotografen sind sich der Notwendigkeit einer Definition des Geltungsbereichs einer von ihnen erwirkten Einwilligung häufig nicht bewusst und nehmen daher mehr oder weniger sorglos an, sie könnten mit der ihnen in einer bestimmten Konstellation gestatteten Abbildung einer Person künftig nach Belieben verfahren und die Veröffentlichungsrechte daran ohne Berücksichtigung des Veröffentlichungszwecks veräußern. Dass Redaktionen sich beim Erwerb der Rechte die Einwilligung des Abgebildeten vom Fotografen ausdrücklich zusichern lassen,3 mag ihnen gegebenenfalls Regressansprüche gegen den Fotografen verschaffen, stellt im Verhältnis zum Abgebildeten jedoch regelmäßig keine Rechtfertigung dar, wenn eine ursprünglich erteilte Einwilligung die konkrete Veröffentlichung nicht deckt. Die Verantwortung für die Prüfung des Vorliegens und des Umfangs der Einwilligung trifft immer auch die Redaktion, die ein Bild tatsächlich veröffentlicht,4 und nicht nur den Fotografen, der es aufnimmt, oder die Agentur, die die Rechte daran vergibt.5
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Wie im Bereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts generell6 reicht auch für den Spezialfall des Rechts am eigenen Bild die Einwilligung in der Regel nur so weit wie der mit ihrer Erteilung verfolgte Zweck.7 So deckt die pauschale Einwilligung zur Veröffentlichung eines Fotos in einer Zeitschrift, in der nicht ausschließlich erotische Texte veröffentlicht werden, nicht die Veröffentlichung des Bilds zur Illustration eines pornografischen Texts.8 Ist der Veröffentlichungszweck nicht Gegenstand einer ausdrücklichen Einigung, so ist er den Umständen zu entnehmen, die für die Erteilung maßgeblich waren.9 Lassen sich etwa professionelle Fotomodelle anlässlich einer Modenschau von erkennbar professionell agierenden Fotografen ablichten, ohne hinsichtlich der Verwendung der Fotos Vorbehalte zu machen, dann liegt darin die jeden_______________
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OLG Hamburg AfP 1983, 466 – Bombenattentäter. OLG Hamburg AfP 1983, 466 – Bombenattentäter. Oben § 9 Tz. 28 ff. BGH GRUR 1962, 211 – Hochzeitsbild; BGH AfP 1980, 35 = NJW 1980, 994 = GRUR 1980, 259 – Wahlkampfillustrierte; BGH NJW 1965, 1374 = GRUR 1965, 495 – Wie uns die Anderen sehen. Oben § 2 Tz. 21a. Oben § 19 Tz. 46 f. Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 127. OLG Hamburg AfP 1995, 508 = NJW-RR 1995, 220 – Heiße Quickes. OLG Hamburg AfP 1981, 356 – Intime Sprechstunde; Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 40.
504
Bildberichterstattung
Tz. 25b § 21
falls konkludente Einwilligung der Abgebildeten zur Verwendung der Fotos zu Berichterstattungszwecken.1 Auch wer sich anlässlich einer öffentlichen Veranstaltung gemeinsam mit einem prominenten Politiker fotografieren lässt, willigt damit konkludent in die spätere Veröffentlichung der Bilder ein, sofern nicht die konkrete Art der Veröffentlichung berechtigte Belange verletzt.2 Hingegen deckt die konkludente Einwilligung in die Fertigung und Veröffentlichung von Bildern aus Anlass eines Reitturniers nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die erneute Verbreitung der Bilder aus Anlass eines anderen Reitturniers jedenfalls dann nicht mehr, wenn sich der begleitende Text nicht in erster Linie mit dem zeitgeschichtlichen Ereignis dieses anderen Turniers, sondern mit dem Aussehen der Abgebildeten befasst.3 Wer erkennt, dass er von einem Kamerateam gefilmt wird und dabei an ihn gerichtete Fragen beantwortet, ohne sich gegen die Ausstrahlung der Bilder zu verwahren, willigt dadurch konkludent in die spätere Ausstrahlung ein.4 Die gegenteilige Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg,5 das trotz der erkennbaren Bereitwilligkeit eines Betroffenen, die Herstellung von Filmaufnahmen zu ermöglichen, und trotz der Tatsache, dass er persönliche Fragen des Aufnahmeteams beantwortet und sich nach dem Datum der Sendung des aufgenommenen Beitrags erkundet, noch eine ausdrückliche Belehrung über die Erforderlichkeit der Einwilligung verlangt, überspannt die Anforderungen an eine konkludente Einwilligung bei Weitem und wird auch der Arbeit der Aufnahmeteams in konkreten Situationen nicht gerecht. Gleiches gilt für die Auffassung des Oberlandesgerichts München,6 der Betroffene müsse noch nachweislich über die Notwendigkeit seiner Einwilligung unterrichtet sein. Verwendet eine Redaktion allerdings derart zustande gekommene Aufnahmen in einem Kontext, mit dem der Betroffene aus der konkreten Aufnahmesituation billigerweise nicht rechnen konnte, dann trägt die konkludent erteilte Einwilligung eine solche Verbreitung der Aufnahmen nicht.
25a
Mangels ausdrücklicher Vereinbarung erfasst daher die Einwilligung zur Herstellung von Fotografien eines Schauspielers im Rahmen eines Interviews7 oder einer öffentlichen Informationsveranstaltung8 oder eines Wanderers auf einer Bergtour9 nicht die Verwendung der so entstandenen Fotos für Zwecke der Werbung. Der Einsatz einer Aufnahme zu Werbezwecken ist vielmehr ohne spezielle Vereinbarung prinzipiell unzulässig10 und kann ausnahmsweise nur dann zulässig sein, wenn den Umständen des konkreten Falls eine jedenfalls konkludente Einwilligung entnommen werden kann oder die Vorausset-
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1 LG Düsseldorf AfP 2003, 469; LG Berlin AfP 2008, 634. 2 BVerfG AfP 2002, 417 = NJW 2002, 3767 = ZUM 2002, 920 – Bonnbons. 3 BGH AfP 2004, 533 = WRP 2004, 1494 – Springturnierfotos I; BGH AfP 2004, 534 = NJW 2005, 56 = GRUR 2005, 74 = WRP 2004, 120 – Springturnierfotos II. 4 OLG Karlsruhe AfP 2006, 467 = NJW-RR 2006, 1198. 5 OLG Hamburg AfP 2005, 73 = NJW-RR 2005, 479 = GRUR-RR 2005, 140 = ZUMRD 2005, 129. 6 OLG München ZUM 2009, 429. 7 BGH NJW 1956, 1554 = GRUR 1956, 427 – Paul Dahlke. 8 BGH AfP 1992, 149 = NJW 1992, 2084 = GRUR 1992, 557 – Joachim Fuchsberger. 9 OLG Frankfurt/Main AfP 1986, 140 = GRUR 1986, 614 – Ferienprospekt. 10 Oben Tz. 19 ff.
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§ 21 Tz. 26
Recht der Darstellung – Einzelfragen
zungen meinungsbildender Werbung1 vorliegen. Sie liegen nicht vor, wenn ein Model anlässlich einer Modenschau berechtigtermaßen fotografiert wird und die so entstandenen Bilder nicht nur im Rahmen der Berichterstattung über die Modenschau, sondern auch in der Werbung benutzt werden.2 Hingegen ist es zulässig, wenn ein Verlag ein Titelbild einer von ihm verlegten Zeitung oder Zeitschrift zur Plakat- oder Anzeigenwerbung für das betreffende Objekt benutzt, auf dem eine Person mit deren Einverständnis oder im Hinblick auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG berechtigtermaßen abgebildet ist.3 26
Die generelle Einwilligung in die Veröffentlichung eines Bilds deckt nicht solche Veröffentlichungen, die den Betreffenden in unvorhersehbarer Weise in einen Zusammenhang bringen, durch den seine Ehre schwer beeinträchtigt wird.4 Ein erlaubter maßen hergestelltes Werbefoto darf nicht als Reklame für eine politische Partei benutzt werden, wenn sich die Erlaubnis nicht speziell auch darauf bezieht und dadurch der Eindruck erweckt wird, der Abgebildete sei Mitglied dieser Partei oder unterstütze sie, während er tatsächlich einer anderen angehört.5 Das Einverständnis eines auffällig tätowierten Strafgefangenen mit Herstellung und Veröffentlichung seines in der Zelle aufgenommenen Lichtbilds im Rahmen eines Bildbands über das Leben in der Haftanstalt rechtfertigt nicht die Verwendung des selben Bilds zur Illustration eines redaktionellen Beitrags über das Aids-Risiko Tätowierung, und zwar unabhängig von der Frage, ob im Zusammenhang mit der Veröffentlichung behauptet oder der Eindruck erweckt wird, der Betroffene sei infiziert.6 Und das konkludent erteilte Einverständnis mit der Herstellung von Aufnahmen einer als belastend empfundenen Situation wie des Verschwindens eines Kindes auf einem unübersehbar großen, bevölkerten Campingplatz deckt nicht die Ausstrahlung der betreffenden Aufnahmen im Rahmen einer Unterhaltungssendung über die kleinen Skurilitäten des Alltags.7
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Besonders kritisch werden Redaktionen die Frage der Einwilligung schließlich immer dort prüfen müssen, wo durch die Veröffentlichung die Intimsphäre des Betroffenen verletzt werden könnte.
27a
Das ist auch bei der Ermittlung des Umfangs einer erteilten Einwilligung besonders zu berücksichtigen. So deckt nach der Rechtsprechung die Einwilligung zur Herstellung und Verbreitung von Aktaufnahmen in einem Schulbuch zur Sexualkunde die Ausstrahlung des Bilds in einer Fernsehsendung oder die Wiedergabe in einer satirischen Zeitschrift auch dann nicht, wenn die behördliche Verbannung von Abbildungen des unbekleideten menschlichen Körpers aus bayerischen Schulbüchern einen sachbezogenen Anlass für die publizistische Behandlung des Themas bietet und eine Illustration des Bei_______________
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Oben Tz. 19c. OLG Koblenz NJW-RR 1995, 1112 = WRP 1995, 962. Oben Tz. 19b. OLG Hamburg AfP 1981, 356 – Intime Sprechstunde. BGH AfP 1980, 35 = NJW 1980, 994 = GRUR 1980, 259 – Wahlkampfillustrierte. OLG Hamburg AfP 1987, 703 – Aids-Risiko. OLG Karlsruhe AfP 2006, 467 = NJW-RR 2006, 1198.
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Bildberichterstattung
Tz. 27b § 21
trags sich geradezu aufdrängt.1 Unzulässig ist auch die Verwendung von Aktfotos aus einem Aufklärungsfilm zur Illustration von Zeitschriftenbeiträgen.2 Ebenso wenig ist es gerechtfertigt und von der Einwilligung gedeckt, ein Bild, das mit Einwilligung des Betroffenen für eine Modebeilage gefertigt wurde und ihn in Unterwäsche zeigt, Jahre später zur Illustration eines redaktionellen Texts mit sexuell-anzüglichem Inhalt zu nutzen.3 Selbst in Fällen, in denen die abgebildete Person nicht mehr erkennbar ist, kann die nicht von der speziellen Einwilligung gedeckte Bildveröffentlichung unzulässig sein.4 Als unzulässig haben Gerichte schließlich im Fall der mit Einwilligung erfolgten Veröffentlichung von Bildern des zwar unbekleideten, aber im Rahmen einer body painting-Aktion bemalten Körpers einer berühmten Pop-Sängerin in einer Zeitschrift, die die Aktion initiiert hatte, die Veröffentlichung der Bilder durch eine andere Zeitschrift,5 und im Fall der Veröffentlichung von Aktaufnahmen von Fernsehstars u.a. in der Zeitschrift Playboy den Nachdruck in anderen Publikationen6 angesehen. Diese Entscheidungen werden jedoch der Tatsache nicht hinreichend gerecht, dass die Bereitschaft der Betroffenen, ihren unbekleideten Körper in der Unterhaltungspresse abbilden zu lassen, für die Unterhaltungsbranche durchaus einen Informationswert hatte. Jedenfalls nachdem das Bundesverfassungsgericht7 in anderem Zusammenhang mit Recht betont hat, dass der durch das Recht am eigenen Bild bezweckte Schutz der Privatsphäre entfällt, wenn sich eine Person etwa aufgrund von Exklusivverträgen damit einverstanden erklärt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sind aus dem Aspekt der geschützten Privat- oder auch Intimsphäre abzuleitende Gesichtspunkte, die in der erforderlichen Abwägung größeres Gewicht hätten als das auch im Rahmen der Unterhaltungspresse verfassungsrechtlich geschützte Recht der Medien an ungehinderter Berichterstattung,8 nicht mehr ersichtlich.9 Für das Recht am eigenen Bild kann insoweit nichts Anderes gelten als für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht im Rahmen der Wortberichterstattung, wo schon lange anerkannt ist, dass der Schutz der Intimsphäre endet, wo ein Betroffener auf ihn verzichtet hat.10 Dass ein allseits bekannter Fernseh- oder Pop-Star für _______________
1 OLG Stuttgart AfP 1983, 396; BGH AfP 1985, 110 = NJW 1985, 1617 = GRUR 1985, 398 – Nacktfoto; vgl. aber unten Tz. 27b. 2 KG Schulze KGZ 51. 3 KG NJW-RR 1999, 1703; OLG Hamburg AfP 1995, 508 = NJW-RR 1995, 220 – Heiße Quickies. 4 BGH NJW 1974, 1947 = GRUR 1975, 561 – Nacktaufnahme; OLG Düsseldorf AfP 1984, 229 – Rückenakt. 5 LG Hamburg AfP 1995, 526 – Nena. 6 LG Berlin AfP 1999, 191; OLG Hamburg AfP 1995, 665 = NJW 1996, 1151 = GRUR 1996, 123 – Esther Schweins. 7 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; dazu Soehring, AfP 2000, 230 ff. 8 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; BVerfG AfP 2008, 163 = NJW 2008, 1793 = WRP 2008, 645 – Caroline von Monaco II. 9 OLG Frankfurt/Main AfP 2000, 185 = NJW 2000, 594 – Katharina Witt; vgl. auch KG AfP 2000, 282. 10 Oben § 19 Tz. 8.
507
27b
§ 21 Tz. 28
Recht der Darstellung – Einzelfragen
ein bestimmtes Medium gegen Entgelt die Hüllen fallen lässt, ist vielmehr eine Nachricht, über die auch andere Medien unter Verwendung von Belegfotos berichten dürfen.1 Dass dies so ist, erkennt auch das Oberlandesgericht Hamburg2 im Prinzip an; nicht gefolgt werden kann ihm indessen in der Ansicht, bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Nachdrucks derartiger Bilder von prominenten Zeitgenossen komme es auf den Inhalt des redaktionellen Begleittexts an, solange der Nachdruck des Bilds überhaupt in einem redaktionellen Bezug zur Erstveröffentlichung steht. e) Veröffentlichung rechtswidrig hergestellter Aufnahmen 28
In anderem Zusammenhang3 ist dargelegt worden, dass die Veröffentlichung von Informationen, die unter Verletzung bestehender Gesetze beschafft worden sind, nicht notwendigerweise unzulässig ist. Das gilt im Prinzip auch für die Verbreitung von Fotografien und Filmen, deren Aufnahme unzulässig war. Da das Recht am eigenen Bild eine besondere Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt und insbesondere auch bei der Auslegung des § 23 Abs. 2 KUG eine Abwägung der widerstreitenden Interessen nach denselben Kriterien vorzunehmen ist, die auch für die Lösung des Spannungsfelds von Allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit heranzuziehen sind, lässt sich auch aus der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Herstellung einer Aufnahme nicht zwingend auf die Unzulässigkeit ihrer Verbreitung schließen.
29
Allerdings kommt eine rechtmäßige Verbreitung unrechtmäßig gefertigter Fotografien oder Filme nur in Ausnahmefällen in Betracht. Da die heimliche Aufnahme von Personenfotos heute unter Umständen strafbar ist4 und sich die Frage nach der Zulässigkeit der Fertigung der Aufnahme de facto an derjenigen nach ihrer Verbreitung orientiert,5 kann in den Fällen, in denen bereits die Herstellung der Aufnahme strafbar ist oder jedenfalls eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt, deren Verbreitung nur in extremen Ausnahmefällen6 gerechtfertigt sein. Prinzipiell muss die Güterabwägung hier früher ansetzen und bereits die Rechtmäßigkeit der Herstellung der Aufnahme bejahen, wenn deren Verbreitung zulässig sein soll.
29a
Anders ist die Situation in Fällen, in denen die Unzulässigkeit der Herstellung der Fotografie nicht aus dem Straftatbestand des § 201a StGB oder aus einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, sondern aus der Verletzung sonstiger Rechtsnormen wie etwa des Hausrechts des Betroffenen herzuleiten ist. Hierfür gelten dieselben Kriterien wie für die Verwendung rechts_______________
1 OLG Frankfurt/Main AfP 2000, 185 = NJW 2000, 594 – Katharina Witt; ein anderes Thema ist es, ob die Veröffentlichung solcher Fotos der Einwilligung des Fotografen bedarf oder ob sie vom Zitatrecht des nachdruckenden Mediums gedeckt ist; dazu unten Tz. 32 ff. 2 OLG Hamburg AfP 1992, 159; OLG Hamburg AfP 1995, 665 = NJW 1996, 1151 = GRUR 1996, 123 – Esther Schweins. 3 Oben § 12 Tz. 84 ff. 4 § 201a StGB, dazu oben § 10 Tz. 8 ff. 5 Oben § 9 Tz. 3 ff. 6 Dazu unten Tz. 30.
508
Bildberichterstattung
Tz. 30a § 21
widrig erlangter Informationen, ist also die Verbreitung zulässig, wenn ein öffentliches Informationsinteresse an dem Gegenstand der Bildberichterstattung existiert, hinter dem im Einzelfall die Rechte des Betroffenen zurückzustehen haben.1 Unzutreffend ist es daher, wenn das Landgericht Berlin2 die Veröffentlichung des Lichtbilds eines Angeklagten, den es ausdrücklich als Persönlichkeit im Blickpunkt der Öffentlichkeit bezeichnet, die grundsätzlich abgebildet werden dürfe, nur deswegen als unzulässig bezeichnet, weil das Bild ohne die Einwilligung des Gerichts heimlich in der Hauptverhandlung angefertigt wurde. Richtig ist demgegenüber die Auffassung des Landgerichts Hamburg,3 im Fall eines Fernsehberichts über sittenwidriges Lohndumping komme dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit ein größeres Gewicht zu als dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht eines Handwerksbetriebs, das das Fernsehteam durch die Anfertigung heimlicher Aufnahmen eines Gesprächs verletzte, in dem der Tatbestand des Lohndumping eingeräumt wurde. Leitet sich die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Herstellung der Aufnahme hingegen aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ab, so kommt eine Rechtfertigung der dennoch erfolgenden Veröffentlichung allenfalls in extremen Ausnahmesituationen in Betracht. Das kann dann der Fall sein, wenn der Informationswert des Bilds und der dadurch optisch wahrnehmbar gemachten Wahrheit erst durch die als solche rechtswidrige Herstellung der Aufnahme erkennbar wird. Im Fall des in der Badewanne fotografierten toten Uwe Barschel etwa war die Herstellung der Fotografien unzulässig, bestand jedoch an der Kenntnis der tatsächlichen Situation am Sterbeort angesichts wuchernder Gerüchte über verschiedenste Todesursachen einschließlich eines angeblichen Todes durch Erschießen ein so überragendes Informationsinteresse der Allgemeinheit, dass die erstmalige Veröffentlichung der rechtswidrig zustande gekommenen Bilder gerechtfertigt war.4 Gleiches kann etwa im Rahmen der Berichterstattung über das englische Königshaus für die Veröffentlichung von Bildern gelten, deren Herstellung nach deutschem Recht eine klare Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen ist.5
30
Hingegen lehnen es die Gerichte6 in der Regel ab, eine in einer konkreten zeitgeschichtlichen Konstellation erteilte Einwilligung oder einen bei dieser Gelegenheit konkludent erteilten Verzicht auf die Wahrung der Persönlichkeitssphäre rückwirkend auf die Veröffentlichung von Bildern zu erstrecken, die zum demselben tatsächlichen Komplex bei früherer Gelegenheit unter Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen entstanden sind. Diese Auffassung erscheint jedoch nur in Konstellationen gerechtfertigt, in denen sich aus der konkreten Art der Veröffentlichung eine Missachtung berechtigter Belange der Betroffenen im Sinn von § 23 Abs. 2 KUG ergibt.
30a
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1 2 3 4 5 6
BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I. LG Berlin AfP 1994, 332. LG Hamburg AfP 2008, 639. Vgl. dazu auch oben Tz. 23. Oben Tz. 17b. BGH AfP 2004, 540 = NJW 2004, 594 = ZUM 2005, 155 = GRUR 2004, 76 = WRP 2004, 117 – Rivalin von Uschi Glas; KG AfP 2007, 48 = NJW 2007, 703; KG AfP 2008, 199 = ZUM-RD 2008, 461.
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§ 21 Tz. 31
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Prinzipiell bringt aber ein Betroffener durch die Einwilligung in die Veröffentlichung von Bildern, die ihn etwa mit einem neuen Lebenspartner zeigen,1 zum Ausdruck, dass er diesen prinzipiell geschützten Lebensbereich zur Kenntnisnahme durch die Öffentlichkeit frei gibt; es ist dann nicht zu erkennen, welcher Gesichtspunkt diese Freigabe auf nach deren Erteilung entstandene Bilder beschränken könnte und welche berechtigten Belange des Betroffenen dadurch verletzt werden, dass die Medien das nun für Berichterstattung geöffnete Informationsinteresse der Öffentlichkeit durch Verwendung eines früher entstandenen Bilds zu demselben Thema befriedigen. 2. Sonstige Schranken der Bildberichterstattung 31
Häufig werden die Medien mit der Fragestellung konfrontiert, ob sie in fremde Rechte bereits dadurch eingreifen, dass sie Bilder von Gegenständen veröffentlichen, die sich im Eigentum Dritter befinden oder an denen sonstige Rechte Dritter bestehen. Das Recht am eigenen Bild im Sinn der §§ 22, 23 KUG scheidet in diesem Zusammenhang als Eingriffsnorm aus, da dieses Recht ausschließlich den Schutz von Personen gegen unberechtigte Verbreitung ihres Bilds gewährleistet. In Betracht kommen als derartige entgegenstehende Rechte Dritter vielmehr insbesondere das Urheberrecht sowie die Rechtsinstitute Eigentum und Besitz. a) Urheberrechte
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Die Veröffentlichung von Lichtbildern und Filmberichten kann vor allem Urheberrechte Dritter verletzen, und zwar auch dann, wenn der Fotograf als Inhaber des Urheberrechts seine Einwilligung zur Veröffentlichung gegeben hat. Das ist der Fall, wenn Gegenstände abgebildet werden, die ihrerseits urheberrechtlich geschützt sind, insbesondere also in den Fällen der fotografischen oder filmischen Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken der bildenden Kunst. Da nach §§ 15 ff. UrhG das Recht, derartige Werke zu vervielfältigen und zu verbreiten, ausschließlich dem Urheber zusteht und da zu den auf diese Weise für den Urheber reservierten Rechten insbesondere auch das Recht zur Herstellung und Verbreitung von fotografischen oder filmischen Aufnahmen der geschützten Werke gehört,2 bedürfen die Medien, die urheberrechtlich geschützte Werke im Rahmen ihrer Berichterstattung ohne Einwilligung des Urhebers optisch sichtbar machen wollen, hierzu einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung. Rechtsgrundlage für erlaubte Medienberichterstattung ist insoweit die Bestimmung des § 50 UrhG. Danach sind die Medien im Rahmen ihrer Bild-(und Ton)-Berichterstattung über Tagesereignisse zur Vervielfältigung und Verbreitung solcher geschützter Werke berechtigt, die im Verlauf der Vorgänge, über die berichtet wird, optisch (bzw. akustisch) wahrnehmbar werden, soweit dies durch den Zweck der Berichterstattung geboten ist. _______________
1 BGH AfP 2004, 540 = NJW 2004, 594 = ZUM 2005, 155 = GRUR 2004, 76 = WRP 2004, 117 – Rivalin von Uschi Glas. 2 Schricker/Loewenheim, § 16 UrhG Rz. 5.
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Bildberichterstattung
Tz. 34 § 21
Voraussetzung für die zulässige fotografische oder filmische Wiedergabe geschützter Werke ist damit zunächst ihre optische Wahrnehmbarkeit im Rahmen von Tagesereignissen. Dazu kann auch der Bericht einer Zeitschrift über aktuelle Ereignisse selbst gehören, so dass es zulässig sein kann, einzelne Illustrationen aus einem derartigen Bericht in einem anderen wiederzugeben.1 In erster Linie kommen aber Kunstausstellungen,2 die Schenkung einer Kunstsammlung durch einen Mäzen an eine Kommune3 oder die Neuerscheinung einer Kunstbuchreihe4 als Tagesereignisse im Sinn von § 50 UrhG in Betracht. Zulässig ist auch der Abdruck eines geschützten Kunstwerks auf dem Titelbild eines Versteigerungskatalogs.5 Für die redaktionelle Ankündigung der Versteigerung in den Medien kann dann nichts anderes gelten. Ein Tagesereignis in diesem Sinn ist aber auch eine politische oder gesellschaftliche Veranstaltung in einem Raum, der mit urheberrechtlich geschützten Kunstwerken dekoriert ist. Erforderlich ist ferner, dass das wiedergegebene Kunstwerk aus Anlass des Ereignisses, über das berichtet wird, optisch wahrnehmbar ist. Dies rechtfertigt die Wiedergabe eines oder mehrerer Bilder eines Künstlers, die auf einer Ausstellung gezeigt werden, nicht aber die Wiedergabe anderer Bilder des selben Künstlers lediglich aus Anlass der Ausstellung. Sind Werke aus Anlass des Tagesereignisses optisch sichtbar geworden, so ist ihre Wiedergabe durch die Medien auch dann zulässig, wenn sie sie nicht bei dem Ereignis selbst ablichten, sondern dafür vorhandene Archivbilder einsetzen.6
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Soweit danach die Wiedergabe in den Medien prinzipiell zulässig ist, dürfen die betreffenden Bilder jedoch nur in einem durch den Zweck der Berichterstattung gebotenen Umfang gezeigt werden. Die Wiedergabe darf damit nicht Selbstzweck sein, muss vielmehr der optischen Illustration eines primär dem Ereignis und nicht dem Werk geltenden Berichts dienen. Dieser Rahmen ist etwa überschritten, wenn zahlreiche Werke eines Künstlers aus Anlass des Ereignisses in optisch großer Aufmachung als Seitenfüller wiedergegeben werden.7 Die Auffassung, aus Anlass eines derartigen Ereignisses dürfe jeweils nur ein Bild veröffentlicht werden, hat der Bundesgerichtshof8 jedoch mit Recht zurückgewiesen und im Zusammenhang mit der Eröffnung einer durch den Europarat veranstalteten Kunstausstellung die kleinformatige, im Schwarzweiß-Druck gehaltene Wiedergabe von vier in der Ausstellung gezeigten geschützten Werken durch eine Tageszeitung für zulässig erachtet. Bei Hörfunk- oder Fernsehberichterstattung über kulturelle oder politische Ereignisse dürfen in Anwendung dieses Grundsatzes urheberrechtlich geschützte Aufführungen nicht in voller Länge, sondern nur auszugsweise übertragen wer-
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1 KG AfP 2000, 282. 2 BGH AfP 1982, 221 – Presseberichterstattung und Kunstwiedergabe I; Schricker/ Vogel, § 50 UrhG Rz. 12. 3 BGH AfP 1982, 221 – Presseberichterstattung und Kunstwiedergabe I. 4 BGH AfP 1982, 224 = GRUR 1983, 28 – Presseberichterstattung und Kunstwiedergabe II. 5 BGH NJW 1993, 1468. 6 BGH AfP 1982, 221 – Presseberichterstattung und Kunstwiedergabe I. 7 Schricker/Vogel, § 50 UrhG Rz. 24. 8 BGH AfP 1982, 221 – Presseberichterstattung und Kunstwiedergabe I.
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§ 21 Tz. 35
Recht der Darstellung – Einzelfragen
den.1 Es gelten dieselben Grundsätze, die die Rechtsprechung für das so genannte große Kleinzitat im Rahmen von § 51 Nr. 2 UrhG entwickelt hat.2 So darf etwa ein urheberrechtlich geschützter Film auch in einem kurzen Ausschnitt nur dann in einen Fernsehbeitrag eingespielt werden, wenn zwischen der aufnehmenden Sendung und dem übernommenen Ausschnitt eine sachliche Verbindung besteht.3 35
Nach § 59 UrhG versagt das Urheberrecht als Schranke der Bildberichterstattung ferner in den Fällen der so genannten Panoramafreiheit, mithin der fotografischen oder filmischen Wiedergabe von Werken, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden. Dabei wird es sich in der Regel um Bauwerke oder Skulpturen handeln, die demnach uneingeschränkt abgelichtet und deren Abbildungen uneingeschränkt veröffentlicht werden dürfen,4 soweit die Aufnahmen von den öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen gemacht werden, an denen sich das Bauwerk befindet; die Anfertigung von Fotos aus anderer Position wie etwa anliegenden Gebäuden oder aus der Luft ist von der Ausnahmebestimmung des § 59 UrhG hingegen nicht gedeckt.5 Bei Bauwerken, soweit sie urheberrechtlich geschützt sind, gilt dieses Veröffentlichungsrecht nur für die Außenansicht. Voraussetzung ist allerdings stets die bleibende Anbringung solcher Werke an öffentlich zugänglichen Straßen und Plätzen. Dazu gehört nicht die erklärtermaßen nur vorübergehende Platzierung von Skulpturen durch eine Galerie in einer öffentlichen Anlage oder ein so genanntes Landschaftskunstwerk, das unter Einbeziehung der Natur oder anderer örtlicher Gegebenheiten für bestimmte Zeit errichtet und dann wieder entfernt wird.6 Auch die Verhüllung des Berliner Reichstags im Sommer 1995 war ein in diesem Sinn vorübergehendes Ereignis, das daher nach der allerdings nicht unumstrittenen Auffassung der Gerichte nicht unter Berufung auf § 59 UrhG fotografiert7 bzw. zum Gegenstand einer Gedenkmünze8 gemacht werden durfte.
35a
Abbildungen derart auf befristete Zeit öffentlich ausgestellter Kunstwerke können allerdings im Zusammenhang mit deren öffentlicher Vorstellung als Objekt von Tagesereignissen nach den Regeln des § 50 UrhG zulässig sein. Losgelöst davon ist ihre Wiedergabe durch die Medien unbeschadet der Tatsache unzulässig, dass sie während einer bestimmten Zeit öffentlich zugänglich waren oder sind. Ist eine Abbildung nach § 59 UrhG zulässig, so sind die Medien nach § 63 Abs. 1 UrhG zur Angabe des Urhebers verpflichtet, wenn er auf dem abgebildeten Kunstwerk angegeben oder sonstwie bekannt ist. Das _______________
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OLG Frankfurt/Main GRUR 1985, 380 – Operneröffnung. Oben § 3 Tz. 12 ff. OLG Köln NJW 1994, 1968. LG Mannheim AfP 1997, 738 – Freiburger Holbein-Pferd. BGH AfP 2003 543 = NJW 2004, 594 = ZUM 2003, 955 = GRUR 2003, 1035 = WRP 2003, 1460 – Hundertwasser-Haus; OLG München ZUM 2005, 755 = GRUR 2005, 1038 – Hundertwasser-Haus II. 6 LG Hamburg AfP 1988, 381 – Neonrevier; LG Hamburg NJW 1990, 2004. 7 BGH AfP 2002, 219 = NJW 2002, 2394 = ZUM 2002, 636 = GRUR 2002, 605 = WRP 2002, 712 – Verhüllter Reichstag; KG NJW 1997, 1160 – Verhüllter Reichstag II. 8 KG NJW 1996, 2370 = GRUR 1997, 128 – Verhüllter Reichstag I; zustimmend in beiden Fällen u.a. Ernst, ZUM 1998, 475; a.A. u.a. Weberling, AfP 1996, 34.
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Bildberichterstattung
Tz. 37 § 21
wird bei abgebildeten Skulpturen in der Regel der Fall sein, bei urheberrechtlich geschützten Außenansichten von Bauwerken hingegen im Regelfall nicht. Ist in diesen Fällen der Architekt den Medien nicht bekannt, so sind sie zur Einholung entsprechender Erkundigungen nicht verpflichtet, sondern berechtigt, das Bild ohne die Benennung des Architekten zu veröffentlichen.1 b) Eigentum und Besitz Verschiedentlich ist darüber hinaus angenommen worden, dass auch die Rechtsinstitute Eigentum und Besitz eine Schranke für die Ausübung von fotografischer Tätigkeit und Bildberichterstattung darstellen, dass also der Eigentümer oder Besitzer die Herstellung und Verbreitung von Abbildungen ihm gehörender oder in seinem Besitz befindlicher Gegenstände aus Rechtsgründen verhindern kann. Diese Ansicht kann zutreffen, wo es sich um die Abbildung des Inneren einer Wohnung und damit um einen Einbruch in die Privatsphäre handelt.2 Ansonsten läuft sie auf die These des Bestehens eines Rechts am Bild der eigenen Sache hinaus. Ein derartiges Recht und ein daraus abzuleitendes Fotografier- und Veröffentlichungsverbot existiert jedoch entgegen vereinzelter Tendenzen der Rechtsprechung nicht.3
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Allerdings hat der Bundesgerichtshof4 die Unzulässigkeit der Veröffentlichung des Lichtbilds der Außenansicht eines Schlosses festgestellt und sich zur Begründung auf das aus §§ 903, 1004 BGB abzuleitende Recht des Eigentümers bezogen, andere von jeder Einwirkung oder Beeinträchtigung auszuschließen. Dieser Fall zeichnet sich jedoch durch die Besonderheit aus, dass die abgebildete Schlossansicht nur im Wege des Hausfriedensbruchs fotografiert werden konnte, weil das Gebäude von einem öffentlichen Weg aus nicht einzusehen war und eine Berufung auf die Bestimmung des § 59 UrhG damit ausschied. Auch wurden die hergestellten Bilder als Postkarten vertrieben, während der Eigentümer des Gebäudes seinerseits ebenfalls Postkarten mit Ansichten seines Schlosses herstellte und vertrieb. Eine Verallgemeinerung der Aussage der Entscheidung, die Herstellung einer fotografischen Aufnahme eines Gebäudes stelle eine Verletzung des Eigentums daran dar, ist daher weder zulässig noch geboten, zumal sie auch rechtsdogmatisch nicht überzeugen kann. Durch die Herstellung und Verbreitung von Fotografien eines Gebäudes oder eines sonstigen Gegenstands wird nicht in deren Substanz eingegriffen und dadurch das Eigentum verletzt, werden vielmehr allenfalls Vermögens- oder ideelle Interessen des Eigentümers tangiert, die im Rahmen der eigentumsrechtlichen Bestimmungen nicht unmittelbar geschützt sind. Das hat der Bundesgerichtshof5 in einem anderen Fall ausdrücklich klargestellt. Die Herstellung der Außenaufnahme eines charakteristischen Friesenhauses von allgemein zugänglicher Stelle aus und die anschließende Verbreitung des Fotos sind nicht rechtswidrig. Gleiches gilt etwa für Außenaufnahmen des An-
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Schricker/Vogel, § 59 UrhG Rz. 22. OLG Düsseldorf NJW 1994, 1971. OLG Köln NJW 2004, 619 = GRUR 2003, 1066. BGH NJW 1975, 778 = GRUR 1975, 500 – Schloss Tegel. BGH AfP 1989, 660 = NJW 1989, 2251 = GRUR 1989, 539 – Friesenhaus.
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§ 21 Tz. 38
Recht der Darstellung – Einzelfragen
wesens einer Sekte1 oder die Aufnahme einer in einschlägigen Kreisen bundesweit bekannten Segelyacht.2 Entgegen einer in der Rechtsprechung3 vereinzelt vertretenen These hängt die Berechtigung der Medien zur Veröffentlichung von Fotografien fremden Eigentums auch nicht davon ab, dass höherrangige Informationsinteressen der Öffentlichkeit bestehen. Soweit die Rechtsprechung in Einzelfällen die Verbreitung von Lichtbildern von Ferienhäusern auf Antrag ihrer Eigentümer untersagt hat, sind die Entscheidungen zu Recht nicht mit Eigentum der Betroffenen, sondern mit deren Allgemeinem Persönlichkeitsrecht begründet worden.4 38
Die Herstellung von Lichtbildern von Sachen und ihre Veröffentlichung durch die Medien ist vielmehr prinzipiell uneingeschränkt zulässig,5 sofern sich nicht aus der Art der Veröffentlichung Anhaltspunkte für eine Verletzung sonstiger Rechte des Eigentümers oder Besitzers ergeben, wie dies verschiedentlich bei der soeben erwähnten Verbreitung von Aufnahmen von Ferienhäusern Prominenter angenommen wurde. Dafür spricht nicht nur die Tatsache, dass sich Eigentum und Besitz als Schranke fotografischer Aktivitäten entgegen der vom Bundesgerichtshof6 im Fall Schloss Tegel vertretenen Auffassung schon rechtsdogmatisch nicht eignen. Dafür spricht auch die in § 59 UrhG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung. Dürfen Außenansichten allgemein zugänglicher geschützter Kunstwerke uneingeschränkt fotografiert und die entsprechenden Aufnahmen uneingeschränkt verbreitet werden, so sind rechtliche Gesichtspunkte nicht erkennbar, die für nicht urheberrechtlich geschütztes Eigentum Dritter eine restriktivere Auffassung rechtfertigen könnten. Eigentum und Besitz kommen als Grundlage für Beschränkungen der Freiheit der Medien zur Bildberichterstattung daher nur dann in Betracht, wenn sie wie im Fall Schloss Tegel über das Hausrecht am Grundstück schon als Zutrittsschranke wirken können7 oder wenn die daraus resultierenden Befugnisse vertraglich abgesichert werden. Der Eigentümer eines zoologischen Gartens, eines Museums oder einer Kirche darf deren Betreten davon abhängig machen, dass Lichtbilder nicht, nur gegen ein gesondert zu entrichtendes Entgelt oder nur mit bestimmten Verwendungsbeschränkungen hergestellt werden.8 Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Köln9 rechtfertigt die Gestattung der Herstellung von Fotos innerhalb des Herrschaftsbereichs des Eigentümers allerdings nur deren spätere nichtkommerzielle Nutzung, während eine kommerzielle Nutzung einer gesonderten Gestattungsvereinbarung bedürfen soll.
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OLG Frankfurt/Main NJW 1995, 878 – Universelles Leben II. LG Hamburg AfP 1994, 161. OLG München AfP 1988, 45. Dazu oben § 19 Tz. 20a m. Nachw. OLG Köln AfP 2003, 447 = NJW 2003, 619 = ZUM-RD 2003, 539 = GRUR 2003, 1066; LG Freiburg GRUR 1985, 544; Wenzel/v. Strobl-Albegg, Kap. 7 Rz. 48. BGH NJW 1975, 778 = GRUR 1975, 500 – Schloss Tegel. Dazu oben § 10 Tz. 4 ff. KG Schulze KGZ 52; LG Potsdam ZUM 2009, 430. OLG Köln AfP 2003, 447 = NJW 2003, 619 = ZUM-RD 2003, 539 = GRUR 2003, 1066.
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Bildberichterstattung
Tz. 39 § 21
c) Banknoten Nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 OWiG stellt das Herstellen oder Verbreiten von Drucksachen oder Abbildungen, die nach ihrer Art geeignet sind, im Zahlungsverkehr mit Papiergeld verwechselt oder dazu verwendet zu werden, Drucksachen herzustellen, die ihrerseits mit Papiergeld verwechselungsfähig sind, eine Ordnungswidrigkeit dar. Das gilt nicht nur für deutsche, sondern ebenso für fremde Zahlungsmittel. Nach Auffassung der Deutschen Bundesbank,1 die obendrein hinsichtlich deutscher Banknoten ein Urheberrecht für sich in Anspruch nimmt, verstößt eine Redaktion, die gültige Banknoten etwa im Tiefdruckverfahren ganz oder zum überwiegenden Teil in Originalgröße oder einer dem Original ähnlichen Größe abbildet, gegen die zitierte Bestimmung, so dass sie sich einer Ordnungswidrigkeit schuldig macht. Nur gegen solche Abbildungen von Banknoten, die aufgrund ihrer Größe oder Beschaffenheit jede auch nur entfernte Gefahr der Verwechslung mit dem jeweiligen Original ausschließen, erhebt die Deutsche Bundesbank keine Einwendungen.
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1 Mitteilung der Deutschen Bundesbank v. 19.12.1979, Bundesanzeiger Nr. 242/1979.
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§ 22 Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung 1
Berichterstattung über wirtschaftliche Fragen, Probleme und Ereignisse sowie über neue Produkte und Dienstleistungen spielt bereits im Redaktionskonzept der allgemeinen Publikumspresse sowie von Hörfunk und Fernsehen eine bedeutsame Rolle. Insbesondere aber die für bestimmte Verbrauchergruppen bestimmten Medien wie etwa Test-, Automobil-, Computer- oder Reisezeitschriften oder die entsprechenden Formate der Rundfunkmedien kommen ohne derartige redaktionelle Beiträge sowie die Durchführung und Auswertung von Warentests nicht mehr aus.1
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Die Risiken, denen sich die Medien in diesem Zusammenhang aussetzen, und zugleich das Gefährdungspotential solcher Berichterstattung können beträchtlich sein. Bedenkt man, welchen Einfluss publizistische Berichterstattung im Einzelfall haben kann, so kann es nicht verwundern, dass Unternehmen und Verbände Wirtschaftsberichterstattung mit großer Aufmerksamkeit und häufig argwöhnisch betrachten und sie auf ihre inhaltliche Richtigkeit und rechtliche Zulässigkeit hin untersuchen.2 Denn die potenziellen Schäden, die insbesondere durch negative Warenkritik verursacht werden können, sind beträchtlich, wie etwa vor Jahren das Beispiel der Berichterstattung über Würmer in Frischfisch gezeigt hat, die – in der Sache gerechtfertigt – für kurze Zeit nahezu zum Erliegen eines ganzen Industrie- und Handelszweigs geführt hat,3 oder die Verbreitung des voreilig von einer Lebensmittelüberwachungsbehörde an die Öffentlichkeit gegebenen Verdachts, die Produkte eines namentlich genannten Herstellers von Teigwaren seien unter Verwendung von verunreinigtem Flüssig-Ei hergestellt worden.4 Von den Folgen der ebenfalls zutreffenden Berichterstattung der Medien über den österreichischen GlykolSkandal hat sich der Import österreichischer Weine nach Deutschland über viele Jahre nicht erholt. Derartige Folgen der publizistischen Behandlung solcher Themen wären natürlich nicht weniger gravierend, das Haftungsrisiko der Medien wäre aber entsprechend höher, handelte es sich bei den entsprechenden Berichten nicht um gesicherte Fakten, sondern um ungesicherte Spekulationen oder gar um nachweisliche Falschmeldungen. 1. Rechtsgrundlagen
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Produktberichterstattung und -kritik sowie die Berichterstattung über sonstige wirtschaftliche Sachverhalte unterscheidet sich von anderen publizistischen Themen prinzipiell dadurch, dass sie nahezu unvermeidlich Auswirkungen auf die geschäftliche Position des Betroffenen hat. Selbst wo diese _______________
1 Gegenstand dieses Kapitels sind ausschließlich Fragen des Inhalts von Wirtschaftsberichtserstattung und Produktkritik; zu Absprachen mit Werbungtreibenden wie Anzeigenplatzierung, Product Placement und Sponsoring unten § 24 Tz. 1 ff. 2 Hierzu eingehend Ricker, Unternehmensschutz und Pressefreiheit, 1989. 3 Vgl. dazu AG Köln AfP 1988, 390. 4 OLG Stuttgart NJW 1990, 2690 – Birkel.
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Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 4 § 22
Auswirkungen auf den unmittelbar Betroffenen positiv sind, können sie für dessen Mitbewerber, der nicht oder nicht gleich positiv erwähnt wird, durchaus negativ sein.1 Da das Wettbewerbsrecht im Anwendungsbereich der seit der UWG-Novelle 20082 in § 3 Abs. 1 UWG angesiedelten wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des Verbots unlauterer geschäftlicher Handlungen3 aber nicht darauf abstellt, dass es sich um die Förderung eigenen Wettbewerbs handelt, die Förderung fremden Wettbewerbs vielmehr in aller Regel ausreichen lässt,4 wäre publizistische Tätigkeit in diesem Bereich den strikten Restriktionen unterworfen, die die Rechtsprechung im Anwendungsbereich von §§ 3 ff. UWG wettbewerblichen Äußerungen unterwirft, wenn davon auszugehen wäre, dass es sich bei Medienberichterstattung über Waren oder gewerbliche Leistungen um geschäftliche Handlungen im Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG handelt. Auf das bis zur UWG-Reform 2008 maßgebliche Kriterium der Wettbewerbsabsicht kommt es zwar in diesem Zusammenhang nicht mehr an, da Wettbewerbsabsicht im Rahmen von § 3 UWG n.F. nicht mehr gefordert wird.5 Würde man aber bei der einschlägigen Berichterstattung nach den Kriterien des bis 2008 geltenden UWG Wettbewerbsabsicht unterstellen oder nunmehr in derartiger Berichterstattung geschäftliche Handlungen im Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F. sehen, dann wäre die Berichterstattungsfreiheit auch dort, wo es um die Verbreitung von erweislich wahren Tatsachenbehauptungen oder fundierten Meinungen geht, durch die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG und die dazu sowie zu §§ 1, 3 UWG a.F. vorliegende Rechtsprechung in beträchtlicher Weise eingeschränkt. So kann im Anwendungsbereich dieser Normen schon die namentliche Erwähnung des Konkurrenten oder seines Produkts, wird aber jedenfalls aggressive oder polemische Auseinandersetzung mit ihnen stets als unzulässig gelten, während dort, wo es bei Medienäußerungen nicht um geschäftliche Handlungen oder, nach den Kriterien des früheren Rechts, um Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbs, sondern um einen Beitrag der Medien zur Meinungsbildung geht, derartige Äußerungsformen prinzipiell erlaubt sind. Trotz des erwähnten besonderen Gefährdungspotentials, das in der publizistischen Behandlung von Wirtschaftsfragen und insbesondere der Unternehmens-, Produkt- oder Dienstleistungskritik angelegt ist, gilt jedoch der gesicherte Grundsatz, dass bei derartigen Medienäußerungen eine Vermutung _______________
1 OLG Stuttgart WRP 1991, 528. 2 Dazu Köhler, WRP 2009, 109 ff. 3 Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F. ist geschäftliche Handlung „jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen.“ Der Verf. bezieht sich in der folgenden Darstellung auf die nunmehr geltenden Bestimmungen des UWG und die nunmehr maßgebliche Terminologie auch insoweit, als im Text berücksichtige gerichtliche Entscheidungen aus der Zeit vor Inkrafttreten der UWG-Novelle 2008 noch nach altem Recht begründet sind, wie das weit überwiegend der Fall ist. 4 § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 2 UWG Rz. 33 ff. 5 Köhler, WRP 2009, 109 ff.
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4
§ 22 Tz. 4a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
für die Wahrnehmung von Informationsinteressen spricht.1 Die nach altem Recht maßgebliche Wettbewerbsabsicht oder das Vorliegen der nunmehr erforderlichen geschäftlichen Handlung kann mithin bei redaktionellen Äußerungen der Medien über Wirtschaftsunternehmen und deren Angebote oder Leistungen prinzipiell nicht unterstellt werden.2 Das gilt zunächst in den Fällen, in denen die Medien einschlägige Äußerungen Dritter verbreiten, die ihrerseits bei der Beleuchtung wirtschaftlicher Fakten oder gewerblicher Leistungen in Ausübung ihrer Meinungsäußerungsfreiheit und nicht geschäftlich im Sinn des Wettbewerbsrechts handeln wie etwa Fachverbände,3 Gewerkschaften,4 Verbraucherverbände5 oder auch Betreiber von PreisvergleichsServices im Internet.6 Auch ein Rechtsanwalt, der sich im Rahmen eines Seminars zur Fragen der Anlegerberatung über einen bestimmten Prospekt äußert und dabei das Rechnen mit steigenden Charterraten über zehn Jahre als objektiv nicht plausibel bezeichnet, kann für diese Äußerung den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beanspruchen und muss sich nicht an wettbewerbsrechtlichen Kriterien messen lassen.7 4a
Handeln derartige Primärurheber bei der kritischen Würdigung von Waren, Dienstleistungen oder Geschäftspraktiken mithin nicht geschäftlich im Sinn des UWG, können also ihre diesbezüglichen Äußerungen nicht mit der strengeren Elle des Wettbewerbsrechts gemessen werden, so gilt für die Medien, die sie weiterverbreiten, nichts Anderes. Sie können insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt der wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung in Anspruch genommen werden.8 Auch wenn in einem vom Fernsehen ausgestrahlten Expertengespräch kritische Äußerungen über eine Branche oder ein Unternehmen fallen, kann in der Regel weder demjenigen, der sich äußert, noch der Fernsehanstalt geschäftliches Handeln unterstellt werden.9 Selbst Werkszeitungen können sich auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen.10
5
Ebenso wenig darf geschäftliches Handeln in den Fällen unterstellt oder vermutet werden, in denen die Medien eigene Stellungnahmen zu den entsprechenden Themen erarbeiten und verbreiten. Unternehmen müssen sich der _______________
1 BGH NJW 1966, 1617 = GRUR 1966, 693 – Höllenfeuer; BGH AfP 1986, 219 = NJW 1987, 1082 = GRUR 1986, 812 – Gastrokritiker; BGH AfP 1986, 228 = NJW-RR 1986, 1484 = GRUR 1986, 898 – Frank der Tat; BGH NJW-RR 1995, 301 = WRP 1995, 186 – Dubioses Geschäftsgebaren; BGH AfP 1997, 798 = WRP 1997, 1054 – Kaffeebohnen; OLG Stuttgart BB 1963, 831; OLG Köln AfP 1996, 398; OLG München AfP 1996, 278 = NJW-RR 1996, 811; LG Köln AfP 1997, 831. 2 OLG Hamburg NJW-RR 2004, 1558 = ZUM-RD 2004, 519 = GRUR-RR 2005, 20; OLG Hamburg AfP 2005, 474 = ZUM-RD 2005, 442 = GRUR-RR 2005, 385. 3 BGH GRUR 1968, 205 – Teppichreinigung. 4 BGH AfP 1972, 229 = NJW 1971, 1655 = GRUR 1971, 591 – Sabotage; BGH NJW 1980, 1685 = GRUR 1980, 309 – Flugschrift. 5 BGH NJW 1981, 2304 = GRUR 1981, 658 – Preisvergleich. 6 OLG Hamburg NJW-RR 2004, 1558 = ZUM-RD 2004, 519 = GRUR-RR 2005, 20; OLG Hamburg AfP 2005, 474 = ZUM-RD 2005, 442 = GRUR-RR 2005, 385. 7 OLG Hamburg AfP 2007, 483 = NJW-RR 2007, 702 = GRUR-RR 2007, 206 – Emissionsprospekt. 8 BGH NJW 1990, 1529 = GRUR 1990, 373 – Schönheitschirurgie. 9 OLG Hamburg v. 2.2.1989 – 3 U 114/89, unveröffentlicht. 10 BVerfG NJW 1997, 386.
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Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 7 § 22
Beurteilung und Bewertung ihrer Angebote und Dienstleistungen durch die Medien ebenso stellen1 wie derjenigen durch sonstige Dritte. Es liegt auch im publizistischen Ermessen, ob Berichterstattung über bestimmte Branchen oder Dienstleistungen mit namentlicher Nennung oder bildlicher Hervorhebung einzelner Anbieter illustriert wird. So stellte es kein geschäftliches Handeln dar, dass der Titel der Zeitschrift Finanztest im Bild einer Fernsehsendung über Finanzdienstleistungen gezeigt wurde.2 Und im Wesentlichen auf Interviews beruhende Ranglisten von wirtschaftsrechtlich tätigen Anwaltssozietäten enthalten schwerpunktmäßig wertende Äußerungen, die durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt und nicht als geschäftliches Handeln im Sinn einer Störung des Leistungswettbewerbs innerhalb der untersuchten Branche der Rechtsanwälte gewertet werden dürfen,3 wenngleich sie geeignet sind, die geschäftliche Position der positiv eingestuften Berufsangehörigen zu Lasten derjenigen zu beeinflussen, die nicht genannt oder schlechter eingestuft werden. Schließlich kann geschäftliches Handeln der Medien im wettbewerbsrechtlichen Sinn im Allgemeinen auch in den Fällen nicht unterstellt werden, in denen sie Porträts von oder Interviews mit Angehörigen der freien Berufe veröffentlichen, die durch die Art ihrer Selbstdarstellung und ihres Zusammenwirkens mit den Medien ihrerseits berufs- und wettbewerbswidrig oder jedenfalls geschäftlich handeln mögen.4 In diesen Fällen können sich zwar die Interviewpartner bzw. Informanten Ansprüchen anderer Berufsangehöriger oder der Verbände aussetzen, die ihre Interessen repräsentieren,5 nicht aber die berichtenden Medien.6 Auch soweit für Angehörige freier Berufe nach den einschlägigen berufsrechtlichen Bestimmungen ein Werbeverbot gilt, sind sie im Hinblick auf ihr Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht schlechthin daran gehindert, durch Gewährung von Interviews oder Informationen an der Entstehung einschlägiger Medienberichte mitzuwirken. So kann von ihnen insbesondere nicht verlangt werden, die Veröffentlichung von Informationen oder Äußerungen gegenüber den Medien davon abhängig zu machen, dass ihnen die betreffenden Publikationen vorher zur Billigung vorgelegt werden.7
6
Ist also davon auszugehen, dass Medien, die über Produkte oder Dienstleistungen Dritter berichten, dabei im Regelfall nicht geschäftlich im Sinn des Wettbewerbsrechts handeln, so können sich diejenigen Unternehmen oder Verbände, die sich von einschlägiger Berichterstattung verletzt fühlen, zur
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1 BGH GRUR 1967, 113 – Warentest I; BGH GRUR 1968, 314 – fix und clever; BGH GRUR 1969, 304 – Kredithaie. 2 OLG Hamburg AfP 1993, 578 = WRP 1993, 405. 3 BVerfG NJW 2003, 277 = ZUM-RD 2003, 1 = WRP 2003, 69 – Juve-Handbuch; BGH AfP 2006, 460 = NJW 2006, 2764 = GRUR 2006, 875 – Juve-Handbuch. 4 BGH NJW 1990, 1529 = GRUR 1990, 373 – Schönheitschirurgie. 5 Vgl. etwa EGMR AfP 1986, 33 – Fall Barthold; OLG Hamburg AfP 1988, 350. 6 BGH AfP 2006, 460 = NJW 2006, 2764 = GRUR 2006, 875 – Juve-Handbuch; OLG München NJW 2003, 1534 = GRUR 2003, 719; Einzelheiten oben § 7 Tz. 18 f. 7 BVerfG AfP 1992, 128 = NJW 1992, 2341 – Hackethal-Interview; BVerfG NJW 1994, 123 – Anwaltsinterview; BGH AfP 1994, 302 = NJW-RR 1994, 1385 = GRUR 1994, 819 – Produktinformation II; BGH WRP 1997, 24 – Orangenhaut; BGH AfP 1996, 64 = GRUR 1996, 71 = WRP 1996, 98 – Produktinformation III.
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§ 22 Tz. 8
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Rechtfertigung entsprechender Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüche auch nicht auf die Tatbestände der §§ 3 ff. UWG berufen. Rechtsschutz gegen solche Berichterstattung gewähren ausschließlich die Tatbestände der Kreditgefährdung nach § 824 BGB, wo es um die Verbreitung unrichtiger Tatsachenbehauptungen geht, sowie Rechts am Unternehmen gemäß § 823 Abs. 1 BGB in den Fällen unvertretbarer Wertungen und insbesondere von Schmähungen.1 2. Produktkritik und Tests a) Produkt- und Dienstleistungskritik 8
In der kritischen Behandlung von Produkten oder Dienstleistungen unterliegen die Medien damit nur den allgemeinen Schranken, die sich aus den erwähnten zivilrechtlichen Bestimmungen ergeben. Die in anderem Zusammenhang dargestellte Regel, dass Medienäußerungen, deren eindeutige Zuordnung in den Bereich der Tatsachenbehauptung oder der Meinungsäußerung nicht möglich ist, im Zweifel als Meinungsäußerung zu qualifizieren sind,2 gilt auch für Unternehmens- oder Produktkritik,3 wenngleich im Hinblick auf den in anderem Zusammenhang besprochenen Stolpe-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts4 im Rahmen der Beurteilung von Unterlassungsansprüchen Mehrdeutigkeiten zu Lasten des Kritisierenden gewürdigt werden können.5 Kritische Äußerungen über die Waren oder Dienstleistungen eines Anderen liegen damit prinzipiell im Schutzbereich der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit und sind insbesondere nicht schon deswegen rechtswidrig, weil sie für den Betroffenen ungünstig oder nachteilig sind.6 Das gilt jedenfalls solange, wie die sachliche Unterrichtung des Lesers, Hörers oder Zuschauers im Vordergrund steht, die Vor- bzw. Nachteile für den Absatz der Waren oder Dienstleistungen einzelner davon betroffener Unternehmen nur eine unvermeidliche Folge der Berichterstattung sind7 und Feststellungen zu einer etwaigen Gefährdung des Leistungswettbewerbs durch ein im konkreten Einzelfall sittenwidriges Verhalten des kritisierenden Mediums nicht getroffen werden können.8 Abgesehen von derartigen Sonderkonstellationen, die in der Praxis kaum festzustellen sein dürften, darf kritische Berichterstattung die Namen von Unternehmen deren Erzeugnissen oder Dienstleistungen nennen oder sonstwie erkenntlich machen.
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Das gilt auch für positive Berichterstattung und Kritik. Sind die Medien zu negativer Kritik und dabei zur Verwendung auch scharfer oder überzeichneter _______________
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Dazu oben § 12 Tz. 53 ff. und 58 ff. Oben § 14 Tz. 12 f. BGH AfP 1976, 34 = NJW 1976, 620 = GRUR 1976, 268 – Warentest II. BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe / IM Sekretär; dazu oben § 14 Tz. 11a ff. OLG Hamburg AfP 2007, 483 = NJW-RR 2007, 702 = GRUR-RR 2007, 206 – Emissionsprospekt. BGH GRUR 1969, 304 – Kredithaie; BGH NJW 1970, 187 = GRUR 1969, 624 – Hormoncreme. BGH NJW 1968, 1419 = GRUR 1968, 645 – Pelzversand. BVerfG NJW 2003, 277 = ZUM-RD 2003, 1 = WRP 2003, 69 – Juve-Handbuch; BGH AfP 2006, 460 = NJW 2006, 2764 = GRUR 2006, 875 – Juve-Handbuch.
520
Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 10a § 22
Formulierungen in Ausübung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Meinungsfreiheit berechtigt,1 so kann ihr Recht, gewerbliche Leistungen oder Produkte positiv zu beschreiben, als solches nicht in Frage stehen und geschäftliches Handeln im wettbewerbsrechtlichen Sinn auch bei positiver Berichterstattung nicht vermutet werden, solange ihre Berichterstattung und Kritik sachbezogen bleibt.2 Die Frage, ob Berichterstattung im Interesse der Information der Öffentlichkeit geboten oder veranlasst ist, ist primär von den Medien und nicht von den Gerichten zu entscheiden. Nur dann, wenn aufgrund des Inhalts von Veröffentlichungen publizistische Motive mit Sicherheit auszuschließen sind, ist es zulässig, aus dem Inhalt von Berichten auf die Absicht zu schließen, nicht die Öffentlichkeit zu informieren, sondern ausschließlich den Wettbewerb des positiv kritisierten Unternehmens zu fördern. Die Feststellung, dass Berichterstattung bewusst falsch ist, kann ein Indiz hierfür sein.3 Ist Berichterstattung über gewerbliche Produkte oder Leistungen im Einzelfall als Tatsachenbehauptung zu behandeln und als solche unwahr, so wird sie in der Regel eine Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens des Betroffenen und damit eine Kreditgefährdung im Sinn von § 824 BGB darstellen.4 Unwahr und damit tatbestandlich im Sinn dieser Bestimmung kann insbesondere eine allgemeine Kritik an bestimmten Waren oder Warenarten sein, die anhand eines bildlich dargestellten individuellen Produkts erläutert wird, gerade auf dieses spezielle Produkt aber nicht zutrifft. Behandelt etwa ein Fernsehmagazin Probleme der Belastung von Grund- und Mineralwasser mit schädlichen Stoffen und zeigt es zur Illustration das Etikett einer bestimmten Mineralwasserflasche, so ist dies nur zulässig, wenn die Sachaussage des Beitrags auf dieses bestimmte Produkt zutrifft.5 Allerdings kommt es auch in diesem Zusammenhang auf die konkreten Umstände des einzelnen Falls und insbesondere den Kontext an. Daraus kann sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ergeben, dass die Einblendung eines bestimmten Firmenkennzeichens in einen solchen Fernsehbeitrag keine über den gesprochenen Text hinausgehende Sachaussage enthält, sondern lediglich optischen Demonstrationszwecken dient.6
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Dasselbe kann gelten, wenn die Printmedien im Zusammenhang mit der redaktionellen Behandlung allgemeiner systemtypischer Missstände zur
10a
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1 Oben § 20 Tz. 3 ff. 2 BGH NJW 1966, 1617 = GRUR 1966, 693 – Höllenfeuer; BGH AfP 1986, 219 = NJW 1987, 1082 = GRUR 1986, 812 – Gastrokritiker; BGH AfP 1986, 228 = NJW-RR 1986, 1484 = GRUR 1986, 898 – Frank der Tat; BGH NJW-RR 1995, 301 = WRP 1995, 186 – Dubioses Geschäftsgebaren; OLG Stuttgart BB 1963, 831; OLG Düsseldorf AfP 1997, 621. 3 BGH AfP 1994, 293 = WRP 1994, 862 – Bio-Tabletten. 4 Vgl. z.B. OLG Frankfurt/Main NJW 1996, 1146. 5 OLG Stuttgart AfP 1988, 147; vgl auch oben § 13 Tz. 28 ff. 6 BGH AfP 1992, 140 = NJW 1992, 1312 = GRUR 1992, 201 – Bezirksleiter Straßenbauamt; zur Zulässigkeit der Verwendung einer Marke anstelle einer Gattungsbezeichnung und ohne Hinweis, dass es sich um eine Marke handelt, im Rahmen redaktioneller Berichterstattung vgl. OLG Frankfurt/Main AfP 2000, 189.
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§ 22 Tz. 11
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Illustration einzelne Produkte oder etwa Ladengeschäfte der besprochenen Gattung im Bild zeigen, ohne im Text Aussagen darüber zu treffen, dass das gezeigte Bild als Prototyp des besprochenen Missstands gelten soll. Nennen sie aber im Rahmen solcher Berichte Unternehmens- oder Produktnamen, auf die die Kritik sachlich nicht zutrifft, ohne dies klarzustellen, oder erwecken sie durch die Illustration eines derartigen Textbeitrags mit der Abbildung eines individualisierbaren Produkts oder Unternehmens den Eindruck, es handele sich um eines der im Text kritisierten Unternehmen,1 dann wird es sich um die jedenfalls konkludente Behauptung handeln, die Kritik betreffe das genannte oder gezeigte Unternehmen oder Produkt. Auch die Kritik eines neuen Films enthält eine nach § 824 BGB rechtswidrige Tatsachenbehauptung, wenn sie aufgrund einer Verwechselung davon ausgeht, dass es sich um ein mehr als zwanzig Jahre altes Werk handelt, das lediglich neu verliehen wird.2 11
Ist Medienberichterstattung über Waren oder Dienstleistungen hingegen wahr oder entzieht sie sich als Ausdruck von Kritik der Beurteilung nach dem Kriterium der Wahrheit oder Unwahrheit, so haben die betroffenen Unternehmen ihre Verbreitung in aller Regel hinzunehmen. So muss es etwa ein Arzt, der sich öffentlich dazu bekennt, auf die Heilkunst der Hildegard von Bingen und deren göttliche Erleuchtung zu setzen, hinnehmen, dass seine Behandlungsmethoden besonders kritisch beleuchtet werden.3 Zulässig war etwa der Vergleich eines so genannten Zuschuss-Verlags, dem Autoren für die Veröffentlichung ihrer Werke finanzielle Leistungen erbringen müssen, mit einem Käsehändler, der seine Kunden übervorteile,4 oder die Bezeichnung eines Gutachters als namenlos in einem Beitrag, der sich mit der zweifelhaft hohen Bewertung einer Sacheinlage in eine wirtschaftlich angeschlagene Aktiengesellschaft befasst.5
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Unzulässig ist auch wertende Wirtschaftsberichterstattung nur, wenn es an jedwedem tatsächlichen Bezugspunkt für die Kritik fehlt, da dann in der Regel die Grenze zur Schmähkritik überschritten sein wird und im Spannungsfeld zwischen dem Grundrecht der Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des betroffenen Unternehmens schon nach allgemeinen Grundsätzen Letzteres überwiegt.6 Wie generell im Anwendungsbereich des Grundrechts der freien Meinungsäußerung endet auch das Recht zur Äußerung gewerblicher Kritik dort, wo es dem Kritisierenden erkennbar nicht in erster Linie um die Sache, sondern um die Herabsetzung des
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Vgl dazu oben § 16 Tz. 45 ff. BGH AfP 1989, 456 = NJW-RR 1989, 924 = GRUR 1989, 222 – Filmbesprechung. OLG Karlsruhe NJW 1996, 1140. BGH AfP 2002, 169 = NJW 2002, 1192 = ZUM 2002, 552 = WRP 2002, 447 – Zuschussverlag. 5 BGH AfP 2008, 193 = NJW-RR 2008, 913 = ZUM-RD 2008, 521 = GRUR-RR 2008, 527 = WRP 2008, 820 – Namenloser Gutachter. 6 BGH NJW 1980, 881 – Vermögensverwaltung; zur Abgrenzung vgl. auch OLG Köln NJW-RR 1997, 786.
522
Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 12 § 22
Kritisierten geht.1 Das war etwa der Fall im Rahmen einer Restaurantkritik mit den Aussagen, die Preise seien außerirdisch, das Management treibe durch gezielte personelle Unterbesetzung die Gäste bis zum Randalieren, und es handele sich um ein Unternehmen der Wucherkategorie.2 Auch die Bezeichnung eines Lokals als Pygmäen-Lokal und die Abqualifizierung eines Cappuccino als mehr nach Haarwaschwasser denn nach italienischem Kaffee schmeckend fällt jedenfalls dann in diese Kategorie, wenn sie auf einem einzigen Besuch des Kritikers in dem so abqualifizierten Restaurant beruht.3 Demgegenüber handelt es sich bei der Bezeichnung einer Fluggesellschaft als Flop-Airline in einer im Internet veröffentlichten vergleichenden Übersicht über die Sicherheit von Fluglinien jedenfalls dann um eine vom Informationsauftrag des Mediums gedeckte und damit zulässige Meinungsäußerung, wenn dem Nutzer des betreffenden online-Services die Möglichkeit eingeräumt wird, alle für dieses negative Urteil relevanten Informationen über einen Link abzurufen.4 Abweichend von den dargestellten Grundsätzen kann allerdings auch Medienberichterstattung im konkreten Einzelfall als wettbewerbsrechtlich relevante geschäftliche Handlung im Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG eingestuft werden. Das hat das Kammergericht5 etwa angenommen im Fall mehrerer aufeinander folgender redaktioneller Berichte über ein und dasselbe Produkt, die sich inhaltlich in nichts von Werbeanpreisungen unterschieden und Äußerungen begeisterter Konsumenten des Inhalts wiedergaben, das besprochene Produkt stärke die Leistungsfähigkeit, entlaste den Kreislauf, reguliere überhöhte Blutdruckwerte, rege die Darmtätigkeit an, entgifte die Leber und entwässere das Bindegewebe. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf6 handelt eine Redaktion geschäftlich unlauter, die in einer Rubrik Bauen und Wohnen ausschließlich die Produkte eines einzelnen Anbieters unter drucktechnischer Hervorhebung der Preise und Angabe der Bezugsquelle herausstellt. Die Auffassung des Kammergerichts7 allerdings, im erwähnten Fall treffe die veröffentlichende Zeitschrift die Beweislast dafür, dass ihr Beitrag keine geschäftliche Handlung sei, und zur Führung dieses Nachweises reiche die Feststellung nicht aus, das positiv besprochene Unternehmen habe ihr keinen Auftrag erteilt, kein Entgelt gezahlt oder versprochen und auf den Text oder die Aufmachung des infrage stehenden Beitrags auch keinen Einfluss genommen, ist unzutreffend. Sie trägt der Gewährleistung der Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG auch im Bereich der Produktkritik ebenso wenig Rechnung _______________
1 BVerfG AfP 1976, 119 = NJW 1976, 1680 – Deutschlandstiftung; BVerfG AfP 1980, 147 = NJW 1980, 2069 – Römerberg-Gespräche; BVerfG AfP 1990, 192 = NJW 1991, 95 – Zwangsdemokrat; BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 = GRUR 1975, 208 – Deutschlandstiftung; BGH AfP 1978, 33 = GRUR 1977, 801 – Halsabschneider; BGH AfP 1971, 132 = GRUR 1971, 529 – Dreckschleuder; WRP 1996, 925; OLG Brandenburg NJW 1996, 666. 2 OLG Frankfurt/Main NJW 1990, 2002. 3 OLG München AfP 1993, 760 = NJW 1994, 1964 – Pygmäen-Lokal. 4 OLG München NJW-RR 2006, 1131 = GRUR-RR 2006, 208. 5 KG AfP 1989, 741. 6 OLG Düsseldorf AfP 1994, 311. 7 KG AfP 1989, 741.
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§ 22 Tz. 13
Recht der Darstellung – Einzelfragen
wie der allgemeinen zivilprozessualen Beweislastverteilung, nach der der jeweilige Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen zu beweisen hat. Mit Recht hat daher das Oberlandesgericht München1 angenommen, die Beweislast der angeblichen Eignung der Anwaltsrankings der Zeitschrift Juve für eine unlautere Störung des Leistungswettbewerbs hätten diejenigen zu tragen, die die weitere Verbreitung des in Rede stehenden Handbuchs im Wege der Unterlassungsklage unterbinden wollten. 13
Die Vermutung, dass Medienveröffentlichungen vom Informationszweck gedeckt und keine geschäftlichen Handlungen im Sinn des Wettbewerbsrechts sind, kann insbesondere widerlegt sein, wo einzelne Erzeugnisse oder Angebote über das durch den Inhalt der Information gebotene Maß hinaus pauschal gelobt oder sonstwie hervorgehoben werden.2 So wurde etwa die kritiklose Bezeichnung einer Sportsalbe als Wundermittel, das auch zu seidenweicher Haut führe und daher bei Münchens Society-Ladies auf begeisterte Akzeptanz stoße, in einer so genannten In/Out-Liste einer Unterhaltungszeitschrift mit Recht als nicht mehr durch Art. 5 Abs. 1 GG gedeckte werbliche Anpreisung und damit als geschäftliche Handlung im Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG angesehen, die zugleich unlauter im Sinn von § 3 UWG ist.3 Die Tatsache allein, dass einzelne Produkte in einem redaktionellen Beitrag namentlich genannt und positiv besprochen werden, reicht allerdings zur Widerlegung der Vermutung des Handelns zu Informationszwecken insbesondere dann nicht aus, wenn ein Beitrag sachlich gehalten ist.4 Daran ändert auch nichts, dass der Hersteller eines Produkts in dem betreffenden redaktionellen Bericht zu Wort kommt.5 Unrichtig ist daher die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln,6 die Nennung mehrerer medizinischer Präparate unter ihrem Handelsnamen in populärwissenschaftlichen Ratgeber-Taschenbüchern sei selbst dann als unlautere geschäftliche Handlung im Sinn des Wettbewerbsrechts anzusehen, wenn zwischen Verlag und Autoren einerseits und den Produktherstellern andererseits keine wirtschaftlichen oder tatsächlichen Beziehungen bestehen. Diese Ansicht führt zu einer mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Einschränkung der legitimen Ratgeber- und Aufklärungsfunktion der Medien.
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So liegt auch keine geschäftliche Handlung vor, wenn eine Redaktion im Zusammenhang mit der redaktionellen Besprechung von Kapitalanlagen ankündigt, sie nenne dem Leser auf Anfrage die Namen von auf dem infrage stehenden Gebiet besonders qualifizierten Rechtsanwälten und Steuerberatern. Die gegenteilige Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf,7 hier liege zugleich ein Fall der Förderung des Verstoßes gegen die berufsrechtlichen Werbe_______________
1 OLG München NJW 2003, 1534 = GRUR 2003, 719 – Juve-Handbuch; BGH AfP 2006, 460 = NJW 2006, 2764 = GRUR 2006, 875 – Juve-Handbuch. 2 OLG Düsseldorf AfP 1988, 354 – Leserreise; OLG Köln AfP 1992, 272. 3 OLG München AfP 2004, 360. 4 BGH AfP 1994, 293 = WRP 1994, 862 – Bio-Tabletten; OLG Dresden WRP 1995, 38 – Beispielhafter Produkthinweis. 5 OLG Hamm AfP 1992, 256. 6 OLG Köln WRP 1993, 515 – Verdeckte Arzneimittelwerbung. 7 OLG Düsseldorf AfP 1994, 323.
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Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 15 § 22
verbote durch die empfohlenen Anwälte und Steuerberater selbst vor, hat der Bundesgerichtshof1 im Ergebnis mit Recht verworfen. Die Vermutung der Wahrnehmung von Informationsinteressen ist aber widerlegt, wenn ein redaktioneller Beitrag sich inhaltlich in nichts von Reklame unterscheidet wie etwa ein Bericht über die Erweiterung der Geschäftsräume eines Textileinzelhandelsgeschäfts, in dem das betreffende Geschäft als die optimale Adresse bezeichnet wird, die im weiten Umkreis längst zu einem Begriff geworden sei und sich durch interessante Preise und ein ständig wechselndes Warenangebot auszeichne.2 Dasselbe gilt auch in den Fällen der Veröffentlichung pauschaler Listen mit Namen, Fachgebieten und Anschriften der besten Ärzte,3 der besten Scheidungsanwälte und deren Tricks4 oder der 500 besten Anwälte.5 Diese Entscheidungen sind im Wesentlichen darin begründet, dass Leistungen, die sich ihrer Natur nach einer Objektivierung entziehen, pauschal und ohne die gebotene Relativierung sowie ohne jeden Hinweis auf das Fehlen objektiver Kriterien mit einem Superlativ versehen und damit im Ergebnis beworben werden. Derartige Veröffentlichungen sind jedenfalls wegen fehlender Objektivität und Sachkunde unzulässig.6 Redaktionelle Beiträge hingegen, die die größten deutschen Wirtschaftskanzleien oder vergleichbare Ärztelisten in sachlich begründeter Form in so genannten Rankings vorstellen und die Bewertungskriterien nennen, die ihrem Urteil zugrunde liegen, halten sich innerhalb der Schranken der durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten freien Wirtschaftsberichterstattung.7
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Probleme können sich insbesondere bei der Auslobung von Gewinnen im Rahmen von Preisrätseln oder sonstigen Leseraktionen ergeben, wenn die ausgelobten Produkte zugleich im redaktionellen Teil angepriesen oder sonst besprochen werden. Werden derartige Gewinne dem Verleger vom Hersteller unentgeltlich zur Verfügung gestellt und weist die Redaktion hierauf im Rahmen der Auslobung nicht hin, so liegt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stets ein Verstoß gegen § 3 UWG vor.8 Handelt es sich hingegen um einen Preis, den der Verleger selbst aussetzt, und nennt die Redaktion Produkt und Hersteller bei der redaktionellen Ankündigung des Preisausschreibens in einer Weise, die einen Anreiz zur Teilnahme darstellt, dann handelt sie noch nicht allein deswegen geschäftlich im Sinn des Wettbewerbsrechts, weil mit der Ankündigung eine Werbewirkung für das in Frage stehen-
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1 BGH AfP 1997, 621 = NJW 1997, 1304 – Versierter Ansprechpartner. 2 OLG Köln AfP 1992, 272. 3 OLG München NJW-RR 1994, 171; OLG München GRUR 1994, 835 – Ärzteliste; BGH AfP 1997, 795 = NJW 1997 2679 = WRP 1997, 1050 – Die Besten I; die Wettbewerbswidrigkeit verneinend LG München AfP 1998, 332. 4 OLG München AfP 1992, 282 = NJW 1992, 1332 = GRUR 1992, 409; OLG München NJW 1996, 237. 5 BGH AfP 1997, 797 = NJW 1997, 2681 = WRP 1997, 1053 – Die Besten II. 6 Zuck, NJW 1994, 297; unten Tz. 25 ff. 7 BVerfG NJW 2003, 277 = ZUM-RD 2003, 1 = WRP 2003, 69 – Juve-Handbuch; BGH AfP 2006, 460 = NJW 2006, 2764 = GRUR 2006, 875 – Juve-Handbuch; LG München AfP 1997, 945; OLG München MedR 1999, 76. 8 BGH NJW 1994, 2954 = WRP 1994, 816 – Preisrätselgewinnauslobung II; BGH WRP 1996, 1034; kritisch hierzu Gröning, WRP 1995, 181.
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§ 22 Tz. 16
Recht der Darstellung – Einzelfragen
de Produkt verbunden ist.1 Anderes kann gelten, wenn sie das Produkt dabei besonders in den Vordergrund stellt und dem Leser auf diese Weise die Empfehlung vermittelt, das Produkt zu kaufen.2 Ist dies nicht der Fall, so ist auch eine Abbildung des als Gewinn ausgelobten Produkts nicht als unzulässige redaktionelle Werbung zu beanstanden.3 16
Schließlich kann die Vermutung, die Medien handelten bei Produktberichterstattung zu Informationszwecken und nicht geschäftlich im wettbewerbsrechtlichen Sinn, auch widerlegt sein, wenn dem kritisierenden Medium die erforderliche Neutralität fehlt. Wettbewerbswidrig ist daher eine als objektive Stellungnahme des Herausgebers einer Fachzeitschrift getarnte Eigenwerbung.4 Die publizistische Darstellung und Bewertung verschiedener Verlagserzeugnisse stellt unabhängig von ihrer inhaltlichen Richtigkeit einen Verstoß gegen § 3 UWG dar und ist damit unzulässig, wenn ein besprochenes Erzeugnis von einer Schwestergesellschaft des Verlags vertrieben wird, in dem die berichtende Zeitung erscheint,5 sofern nicht eindeutig auf die entsprechenden Zusammenhänge hingewiesen wird. Unzulässig ist daher auch die positive Berichterstattung über ein Reiseangebot, wenn dem Leser nicht deutlich mitgeteilt wird, dass es sich dabei um ein Angebot der berichtenden Zeitung selbst handelt,6 oder diejenige über einen bestimmten Freizeitpark, dessen Geschäftsführer der Verfasser des Beitrags ist, selbst wenn die Redaktion in einem Kasten auf diesen Umstand hinweist.7 In solchen Fällen handelt es sich in Wahrheit um unlauteres geschäftliches Handeln zur Förderung eigenen Wettbewerbs. Eine Förderung fremden Wettbewerbs, die ebenfalls als geschäftliches Handeln zu qualifizieren und nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig sein kann, ist insbesondere in den Ausnahmefällen anzunehmen, in denen sich Medien im Grenzbereich zwischen Berichterstattung und Werbung8 in Wahrheit vor den Karren eines Wettbewerbers des Kritisierten haben spannen lassen. Allerdings besteht keine generelle Verpflichtung der Medien zur Kennzeichnung solcher Produktinformationen, die sie direkt vom Hersteller erhalten haben.9 b) Tests
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Auch wenn die Medien Produkte und Dienstleistungen mehrerer Unternehmen, insbesondere in der Form von Tests, einander gegenüberstellen, handeln sie in der Regel nicht geschäftlich im Sinn des Wettbewerbsrechts. Zwar ist auch vergleichende Werbung, die nach deutschem Recht über lange Zeit stets _______________
1 BGH NJW 1996, 3278 = GRUR 1997, 145 = WRP 1996, 453 – Preisrätselgewinnauslobung IV. 2 BGH NJW 1994, 2953 = WRP 1994, 814 – Preisrätselgewinnauslobung I. 3 BGH NJW 1996, 3278 = GRUR 1996, 804 = WRP 1996, 1034 – Preisrätselgewinnauslobung III. 4 BGH GRUR 1968, 382 – Favorit II. 5 OLG Koblenz AfP 1988, 356. 6 OLG Düsseldorf AfP 1988, 354 – Leserreise. 7 OLG Köln AfP 2004, 136. 8 Unten § 24 Tz. 10 ff. 9 BGH AfP 1993, 567 = GRUR 1993, 656 – Faltenglätter.
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Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 19 § 22
als ein Fall der unlauteren Werbung galt, unter den Voraussetzungen von § 6 UWG heute auch den Marktteilnehmern erlaubt. Wie im Fall der nicht vergleichenden Waren- oder Dienstleistungskritik können sich aber Unternehmer oder Verbände, die sich durch die Veröffentlichung von Tests in den Medien in ihren Rechten verletzt fühlen, zur Rechtfertigung daraus abgeleiteter Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüche in der Regel nicht auf die Tatbestände der §§ 3, 6 UWG berufen. Rechtsschutz gegen die stets vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckte1 Berichterstattung über selbst oder von dritter Seite durchgeführte Tests gewähren vielmehr wie im Fall der isolierten Kritik ausschließlich die Tatbestände des § 823 Abs. 1 BGB oder, sofern es ausnahmsweise um unrichtige Tatsachenbehauptungen geht, des § 824 BGB.2 Die rechtliche Beurteilung der Tests und ihrer Verbreitung durch die Medien vollzieht sich in der Regel nicht nach den am Maßstab der Wahrheit orientierten Regeln des § 824 BGB, sondern nur anhand derjenigen des § 823 Abs. 1 BGB. Denn die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs3 hat mit der Entscheidung Warentest II eine wichtige Weichenstellung zu Gunsten von Testern und berichtenden Medien vorgenommen. Der Inhalt von und die Berichterstattung über Tests ist im Zweifel nicht Tatsachenbehauptung, sondern das Ergebnis einer Bewertung. Dies gilt nicht nur für die eigentlichen Testresultate, sondern auch für deren Begründung. So handelt es sich etwa bei der Mitteilung über eine festgestellte Schadstoffbelastung im Rahmen eines unter Angabe der Untersuchungsmethode veröffentlichten Lebensmitteltests nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Bewertung.4 Um Bewertungen handelt es sich auch bei der Durchführung von Modellrechnungen im Rahmen der vergleichenden Beurteilung von Versicherungsprodukten.5
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Damit finden auf Warentests und vergleichbare Publikationen im Ansatz ausschließlich die allgemeinen Schranken wertender Berichterstattung Anwendung. Vom testenden Institut wie von den berichterstattenden Medien wird nicht verlangt, dass Ergebnisse von Tests und deren Begründung objektiv richtig sind. Sie benötigen insbesondere einen angemessenen Spielraum für die angewandten Untersuchungsmethoden, die Bewertung der gefundenen Ergebnisse wie schließlich auch für die Art und Weise der redaktionellen Präsentation. Wäre das anders, dann wäre die Durchführung von Tests und insbesondere die Berichterstattung darüber mit wirtschaftlichen Risiken verbunden, die im Ergebnis faktisch zu einer Abschottung der Wirtschaft gegen derartige Formen der Kritik und damit auch zu einer unannehmbaren Einschränkung der Berichterstattungsfreiheit führen müsste.
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1 OLG Karlsruhe AfP 2003, 346 = NJW-RR 2003, 177 = ZUM-RD 2003, 132. 2 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 6 UWG Rz. 95. 3 BGH AfP 1976, 34 = NJW 1976, 620 = GRUR 1976, 278 – Warentest II; Hefermehl/ Köhler/Bornkamm, § 6 UWG Rz. 95; OLG Köln AfP 1995, 498 = NJW-RR 1995, 24. 4 OLG Karlsruhe AfP 2003, 346 = NJW-RR 2003, 177 = ZUM-RD 2003, 132. 5 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2002, 1697 = ZUM-RD 2003, 121 = GRUR 2003, 85 – Analog-FinanzTest.
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§ 22 Tz. 19a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
19a
Allerdings kommt es für die Ermittlung der Schranken der Kritik auch in diesem Zusammenhang stets auf die Umstände des Einzelfalls an. So wird die Veröffentlichung auch eines vernichtenden Testurteils im redaktionellen Teil einer Zeitschrift unter entsprechender redaktioneller Aufbereitung sich noch im Rahmen der Verbraucheraufklärung halten und damit den Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beanspruchen können. Hingegen kann es als ein Fall des unlauteren geschäftlichen Handelns gemäß § 3 Abs. 1 UWG anzusehen sein, wenn dasselbe Testurteil als Aufmacher auf dem Titelblatt des publizierenden Mediums oder als Blickfang einer Werbeanzeige des betreffenden Verlags benutzt wird. Insbesondere beim Einsatz von Testergebnissen für die redaktionelle Eigenwerbung ist daher Zurückhaltung geboten.1
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In Anerkenntnis des mit der Veröffentlichung von Testergebnissen verbundenen Gefährdungspotentials hat der Bundesgerichtshof in einer Reihe von Entscheidungen2 die Kriterien für die Prüfung der Rechtmäßigkeit veröffentlichter Warentests herausgearbeitet, die auch für die Durchführung von Tests von Dienstleistungen maßgeblich sind.3 Dabei handelt es sich um die Gebote der Neutralität, Objektivität und Sachkunde. Jedes dieser Kriterien ist für die Durchführung von Tests und die Verbreitung ihrer Ergebnisse durch die Medien unverzichtbar. aa) Neutralität
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Nur wenn ein Test neutral ist, kann derjenige, der ihn veranstaltet oder verbreitet, die Freistellung vom schärferen Regime des Wettbewerbsrechts für sich in Anspruch nehmen. Wer eigene Produkte testet, ohne den darin liegenden Mangel an Neutralität deutlich erkennbar zu machen, wird ebenso geschäftlich unlauter handeln,4 wie diejenige Redaktion zielgerichtet fremden Wettbewerb fördert, die in Kenntnis dieses Umstands einen solchen Testbericht ohne entsprechende Klarstellung veröffentlicht. Als unlauteres geschäftliches Handeln ist auch die Veröffentlichung einer Steuerberater-Rangliste einzustufen, die eine Kanzlei positiv bewertet, die mit dem für die Erstellung der Rangliste verantwortlichen Institut wirtschaftlich verflochten ist.5 Derartige Konstellationen bewirken eine Täuschung des Lesers. Die Verbreitung auf diese Weise durchgeführter Tests ist sowohl nach § 823 Abs. 1 BGB als auch nach § 3 UWG selbst dann unzulässig, wenn ihre Ergebnisse sachlich zutreffen.6 In diesen Fällen werden Gerichte mit Recht stets sensibel sein, und schon eine gewisse Abhängigkeit zwischen dem Getesteten und dem be_______________
1 Vgl. zu einer ähnlichen Fallkonstellation OLG Frankfurt/Main AfP 1987, 528. 2 BGH GRUR 1967, 113 – Warentest I; BGH AfP 1976, 34 = NJW 1976, 620 = GRUR 1976, 278 – Warentest II; BGH AfP 1986, 47 = NJW 1986, 981 = GRUR 1986, 330 = Warentest III; BGH AfP 1987, 504 = NJW 1987, 2222 = GRUR 1987, 468 – Warentest IV. 3 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2002, 1697 = ZUM-RD 2003, 121 = GRUR 2003, 85 – Analog-Finanz-Test. 4 OLG Hamm WRP 1980, 281; OLG Koblenz AfP 1988, 356 = NJW-RR 1989, 166. 5 LG München I MMR 2008, 491, nicht rechtskräftig. 6 BGH AfP 1976, 34 = NJW 1976, 620 = GRUR 1976, 278 – Warentest II; Hefermehl/ Köhler/Bornkamm, § 6 UWG Rz. 89.
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Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 23 § 22
richtenden Medium kann zum Urteil führen, dass dieses mangels Neutralität unzulässig handelt. Auch im Fall des Bestehens eines abstrakten Wettbewerbsverhältnisses kann ein Testbericht allerdings auf dem besonderen Anliegen der Medien beruhen, die Öffentlichkeit über Vorgänge von allgemeiner Bedeutung zu unterrichten. Dass derjenige, der einen Test durchführt oder dessen Ergebnisse veröffentlicht, in der betreffenden Branche auch eigene Interessen verfolgt, ist mithin nicht per se schädlich; häufig vermitteln derartige Eigeninteressen dem Testenden auch erst die Sachkunde, die ihm die Durchführung des Tests ermöglicht. Im Fall einer Restaurantkritik hat das Oberlandesgericht Düsseldorf1 das Neutralitätsgebot schon deswegen als verletzt angesehen, weil der Kritiker sich auch als Weinhändler betätigte, der am Absatz seiner Weine bei Restaurants interessiert war; es sah die Gefahr, dass diejenigen Restaurants im Rahmen der Kritik Vorteile haben, die zu den Abnehmern der Weine des Kritikers gehören. Der Bundesgerichtshof2 hat jedoch im selben Fall im Interesse der Berichterstattungsfreiheit entschieden, das generelle Interesse des Kritikers am Absatz seiner Ware beim Kritisierten und dessen Wettbewerbern begründe noch keine Verletzung des Neutralitätsgebots; erforderlich sei stattdessen die Feststellung einer gezielten Absicht zur Förderung von Wettbewerbern des Kritisierten. Gleiches galt für einen auch als Journalist tätigen Architekten, der als gelegentlicher Mitveranstalter von Fortbildungsseminaren objektiv in einem Wettbewerbsverhältnis zu einem Seminarveranstalter stand, den er in einem Pressebeitrag scharf kritisierte.3 Unter diesem Aspekt stellt es auch keinen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot dar, wenn in einer Fernsehsendung über die Grundlagen einer alternativen, gesünderen Ernährungsweise bestimmte Produkte namentlich erwähnt werden, die der Moderator auch in einem derselben Thematik gewidmeten Buch vorstellt, sofern nicht zwischen dem Hersteller und dem Autor wirtschaftliche oder sonstige Verbindungen bestehen.4
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Das Gebot der Neutralität ist auch nicht verletzt, wenn ein Test nach bestimmten parteilichen Kriterien wie etwa der Umweltverträglichkeit aufgelegt wird, sofern dies im Rahmen seiner Verbreitung offengelegt wird. So bestehen keine Bedenken gegen die Durchführung eines Tests von Kosmetikprodukten, der sich auf etwaige gesundheitlich oder ökologisch bedenkliche Inhaltsstoffe beschränkt und die Frage nach der Wirksamkeit der Produkte ausblendet, wenn der so eingeschränkte Testumfang dem Verbraucher in geeigneter Weise offen gelegt wird.5 Selbst die Tatsache, dass ein Test im Auftrag nicht eines neutralen Instituts oder einer Zeitschrift, sondern im Auftrag eines Wettbewerbers um den Absatz der getesteten Produkte durchgeführt worden ist, muss nicht zu einer Verletzung des Neutralitätsgebots führen, wenn der Leser hierüber aufgeklärt wird.6 Allerdings sind an die Deutlichkeit
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OLG Düsseldorf AfP 1984, 52. BGH AfP 1987, 219 = NJW 1987, 1082 = GRUR 1986, 812 – Gastrokritiker. BGH NJW-RR 1995, 301 = WRP 1995, 186 – Dubioses Geschäftsgebaren. OLG Frankfurt/Main AfP 1994, 47 = NJW-RR 1994, 367 = GRUR 1994, 13. OLG Frankfurt/Main AfP 2007, 49 = NJW-RR 2007, 38 = GRUR-RR 2007, 16. BGH GRUR 1961, 189 – Rippenstreckmetall.
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§ 22 Tz. 24
Recht der Darstellung – Einzelfragen
dieser Aufklärung hohe Anforderungen zu stellen; die Vermutung spricht bei solcher Fallgestaltung gegen die Einhaltung des Neutralitätsgebots. 24
Keinen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht stellt es prinzipiell auch dar, wenn in der Zeitschrift, in der ein Warentest veröffentlicht wird, Anzeigen der getesteten Unternehmen veröffentlicht werden,1 sofern sich nicht im Einzelfall aus der Platzierung von Testbericht und Inserat oder sonstigen besonderen Umständen die Absicht der Zeitschrift ergibt, gerade einen ganz bestimmten Testbeteiligten zu fördern oder zu behindern. Die große Mehrheit der Medien ist auf die Veröffentlichung von Anzeigen angewiesen, und aus der Sachnähe von Inseraten zum Themenschwerpunkt des betreffenden Mediums allein kann nicht auf die Sittenwidrigkeit der Veröffentlichung von Tests geschlossen werden.2 Ein Indiz gegen die Neutralität stellt es jedoch dar, wenn mit einem der getesteten Unternehmen schon vor der Durchführung und Veröffentlichung des Tests die Abnahme einer größeren Menge von Exemplaren der den Testbericht enthaltenden Ausgabe der Zeitschrift vereinbart wird.3 Schließlich handelt es sich bei der Fehlerhaftigkeit der Anlage des Tests als solcher nicht um einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot; nach Auffassung des Bundesgerichtshofs4 kann sie aber als Indiz für unlauteres geschäftliches Handeln in Betracht kommen. bb) Objektivität
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Besonders deutlich im Sinn der Freiheit der Berichterstattung ist die Aussage der Rechtsprechung zum Gebot der Objektivität. Es bedeutet nicht, dass das Ergebnis oder eine daraus gezogene Schlussfolgerung richtig sein muss; verlangt wird stattdessen wie bei redaktioneller Berichterstattung5 nur das Bemühen um Richtigkeit.6 Trotz hieran lautgewordener Kritik, die im Fall der Testveröffentlichung prinzipiell eine Richtigkeitsgewähr fordert,7 hat der Bundesgerichtshof an dieser Auffassung zutreffend festgehalten und dem Berichtenden zusätzlich – wiederum allgemeinen Grundsätzen zur Berichterstattung im wertenden Bereich folgend – einen erheblichen Ermessensspielraum und das Recht zu drastischer Darstellung eingeräumt.8 Das Bemühen um Richtigkeit hingegen ist unverzichtbar. Gegen dieses Kriterium verstößt ein Kritiker, der ein Restaurant nur ein einziges mal aufsucht, dort nur ein einziges Getränk zu sich nimmt und anschließend das Restaurant generell und in herabsetzender Weise negativ kritisiert.9 _______________
1 BVerfG NJW 2003, 277 = ZUM-RD 2003, 1 = WRP 2003, 69 – Juve-Handbuch; OLG München NJW 2003, 1534 = GRUR 2003, 719 – Juve-Handbuch. 2 BVerfG NJW 2003, 277 = ZUM-RD 2003, 1 = WRP 2003, 69 – Juve-Handbuch. 3 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 6 UWG Rz. 89. 4 BGH NJW 1981, 2304 = GRUR 1981, 658, 660 – Preisvergleich. 5 Dazu oben § 2 Tz. 9 ff. 6 BGH AfP 1976, 34 = NJW 1976, 620 = GRUR 1976, 278 – Warentest II; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2002, 1697 = ZUM-RD 2003, 121 = GRUR-RR 2003, 167 – Analog-Finanz-Test. 7 Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 95. 8 BGH AfP 1987, 504 = NJW 1987, 2222 = GRUR 1987, 468 – Warentest IV. 9 OLG München AfP 1993, 760 = NJW 1994, 1964 – Pygmäen-Lokal.
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Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 28 § 22
An Normen ohne Gesetzeskraft wie etwa die DIN ist der Tester nicht gebunden. Insbesondere stellt es keine Verletzung des Objektivitätsgebots dar, wenn er etwa an Sicherheitskriterien höhere Anforderungen stellt als die einschlägige DIN und hierauf im Testbericht ausdrücklich hinweist.1 Allerdings hat das Deutsche Institut für Normung spezielle Normen für die Durchführung von Warentests entwickelt, deren Einhaltung sich für die Testenden zur Vermeidung späterer Auseinandersetzungen über die Beachtung des Objektivitätsgebots empfehlen dürfte.2
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Auch ist absolute Vollständigkeit bei der Aufnahme von Produkten einer bestimmten Warengattung in die Testreihe nicht zu verlangen, vorausgesetzt, die getesteten Produkte bilden einen repräsentativen Querschnitt ihrer Gattung und die Auswahlkriterien gehen aus dem Test hervor.3 So ist es nicht wettbewerbswidrig oder aus anderen Gründen rechtlich zu missbilligen, wenn eine Lokalredaktion im Rahmen einer Übersicht über Notdiensttelefonnummern auch die Nummer eines von der örtlichen Elektroinnung angebotenen Bereitschaftsdienstes für Elektrostörungen veröffentlicht, nicht aber diejenige eines außerhalb des Bereitschaftsdienstsystems tätigen Spezialbetriebs für die kurzfristige Beseitigung einschlägiger Schäden.4 Gleiches gilt für die Nennung nur einer zentralen Notrufnummer im Leser-Service-Teil einer Lokalzeitung.5 Zulässig ist es auch, wenn bei der Herausgabe so genannter Tonträger-Charts bestimmte Kategorien und Sparten gebildet werden, die zur Nichtberücksichtigung eines Anbieters der in die Erhebung einbezogenen Tonträger führen, sofern das erhebende Unternehmen sachliche Kriterien für die Bildung der Kategorien und Sparten anführen kann.6 Allerdings sind hier Grenzfälle denkbar. Die Nichtberücksichtigung etwa eines führenden Anbieters eines bestimmten Produkts im Rahmen eines Tests kann im Einzelfall jedenfalls dann einen Mangel an Objektivität darstellen, wenn der Testbericht ansonsten den Anschein erweckt, eine vollständige Marktübersicht im fraglichen Segment zu vermitteln. Umgekehrt hat der Bundesgerichtshof7 in der Durchführung eines Tests einen Verstoß gegen das Objektivitätsgebot gesehen, in den neben hochpreisiger französischer Mantelmode ein in einem deutlich niedrigeren Preissegment angesiedelter negativ beurteilter Konfektionsmantel einbezogen wurde, ohne dass auf die Zugehörigkeit zu den völlig unterschiedlichen Preiskategorien hingewiesen wurde.
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Werden einzelne Produkte im Test zu gut beurteilt, dann ergibt sich hieraus auch nicht deswegen eine Verletzung des Objektivitätsgebots, weil dies nachteilige Auswirkungen auf die relativ schlechter abschneidenden Konkurrenzprodukte hat, die objektiv richtig beurteilt worden sind. Dies ist vielmehr als Reflex der in diesem Bereich für Testinstitute und Medien bestehenden
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BGH AfP 1987, 504 = NJW 1987, 2222 = GRUR 1987, 468 – Warentest IV. Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 102 ff. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 6 UWG Rz. 89. OLG Stuttgart WRP 1991, 528. LG Leipzig AfP 2004, 577. OLG Hamburg AfP 2000, 362. BGH NJW 1963, 484 = GRUR 1963, 277 – Maris.
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§ 22 Tz. 29
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Bewertungs- und Berichterstattungsfreiheit hinzunehmen.1 Die Möglichkeit, dass ein getestetes Produkt ein Ausreißer ist, und dass es sich aus Sicherheitsgründen anbietet, mehrere Stücke eines Produkts zu Kontrollzwecken in den Test einzubeziehen, muss aber jedenfalls in der Regel einkalkuliert werden.2 Der Bundesgerichtshof3 hat allerdings für den Bereich der Markenwaren dieses Erfordernis in einem die Stiftung Warentest betreffenden Fall verneint. 29
Wo Testaussagen entgegen der Regel im Einzelfall als Tatsachenbehauptungen anzusehen sind, ist der Maßstab, an dem sich Test und Testberichterstattung messen lassen müssen, deutlich schärfer als in den Regelfällen.4 Hier genügt, wie stets im Anwendungsbereich von § 824 BGB, die gerichtliche Feststellung, dass eine Behauptung falsch und dass sie geeignet ist, den Kredit des Getesteten zu gefährden.5 Der Bundesgerichtshof6 hat dies für einen Test angenommen, in dem die Preiswürdigkeit von Handelsketten getestet wurde und in den eine Gruppe von Supermärkten einbezogen war, die trotz Namensgleichheit mit einem der getesteten Unternehmen nicht zu diesem Unternehmen gehörten und deren im Test berücksichtigte Preise zu einer Verfälschung des ermittelten Gesamtbilds führten. Die verschärfte Haftung nach § 824 BGB kommt auch in Betracht, wenn einzelne Testaussagen auch bei voller Berücksichtigung ihres Wertungszusammenhangs als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren und als solche unwahr sind.7 cc) Sachkunde
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Schließlich wird vom Testveranstalter Sachkunde gefordert. Dazu gehört die Sorgfalt bei der Auswahl des testenden Personals ebenso wie diejenige bei der Festlegung der Testverfahren und -apparaturen. Redakteure werden in der Regel die erforderliche Sachkunde und Erfahrung zur eigenständigen Durchführung von Tests nicht haben. Ein Redakteur etwa, der sich mit alkoholhaltiger Zahncreme die Zähne geputzt, unmittelbar danach in ein Alkoholteströhrchen geblasen und sodann das Testurteil „Zähneputzen genügt – Führerschein futsch“ verbreitet hatte, obwohl sich der irreführende Einfluss des Alkohols auf die Atemluft bereits etwa nach 15 Minuten verflüchtigte, besaß nicht die erforderliche Sachkunde.8 Insbesondere im Bereich der Sachkunde dürften die wesentlichen Gefahren für diejenigen Redaktionen liegen, die Tests selbst veranstalten und sich nicht auf die Ergebnisse der Arbeit der Stiftung Warentest verlassen oder die Dienste anderer unabhängiger und entsprechend ausgestatteter Institute in Anspruch nehmen wollen oder können. Ob die Aussage des Oberlandesgerichts Düsseldorf9 verallgemeinerungsfähig ist, bei einem regional verbreiteten Anzeigenblatt bestünden hinsichtlich der Sach_______________
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BGH AfP 1976, 34 = NJW 1976, 620 = GRUR 1976, 278 – Warentest II. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 6 UWG Rz. 92. BGH AfP 1976, 34 = NJW 1976, 620 = GRUR 1976, 278 – Warentest II. BGH ZUM 1998, 160. OLG Frankfurt/Main NJW 1996, 1146 = WRP 1996, 440. BGH AfP 1986, 47 = NJW 1986, 981 = GRUR 1986, 330 – Warentest III. BGH AfP 1989, 538 = NJW 1989, 1923 = GRUR 1989, 539 – Warentest V. BGH AfP 1978, 29 = NJW 1978, 210 – Alkoholtest. OLG Düsseldorf AfP 1985, 38.
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Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 33 § 22
kunde und Sorgfalt bei der Durchführung von Produktuntersuchungen weniger hohe Anforderungen als bei einer Testzeitschrift mit überregionaler Verbreitung, erscheint jedenfalls zweifelhaft. In diesem Bereich können die Medien trotz der grundsätzlichen Berichterstattungsfreundlichkeit der Rechtsprechung bestehende Restrisiken allerdings auch nicht dadurch ausschließen, dass sie unabhängige Institute beauftragen und auf die eigenständige Durchführung von Tests ganz verzichten. Unterlaufen diesen im Einzelfall grobe Methodenfehler, die auf mangelnde Sachkunde auf dem getesteten Sachgebiet schließen lassen, so haften Medien, die die so entstandenen Testergebnisse verbreiten, für die Folgen, obwohl sie den Test selbst nicht durchgeführt haben. Ihr Vertrauen in die Seriosität und Sachkunde des beauftragten Instituts entlastet sie auch nicht gemäß § 831 BGB, da es sich bei der Verbreitung eines aufgrund mangelnder Sachkunde im Einzelfall unvertretbaren Testergebnisses um eine eigene Verletzungshandlung der betreffenden Redaktion und nicht nur um eine solche des beauftragten Testinstituts handelt. Unter dem Aspekt mangelnder Sachkunde unzulässig waren die von einem Münchener Verlag veranstalteten Testreihen über die besten Ärzte,1 die besten Scheidungsanwälte und deren Tricks2 sowie die 500 besten Anwälte,3 da objektiv nachvollziehbare Standards, anhand deren derartige Rangfolgen aufgestellt werden könnten, nicht zur Verfügung standen.4 Gibt es hingegen objektive Bewertungskriterien oder wird, wie im Fall Juve-Handbuch,5 mangels deren Vorliegens mit der gebotenen Deutlichkeit auf die Subjektivität der Auswahl und die bei ihrer Erstellung angewandten Methoden hingewiesen, dann ist gegen die Veröffentlichung derartiger Listen nichts einzuwenden.
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3. Pressefehde Besonderer Aufmerksamkeit und gegebenenfalls Sorgfalt bedarf kritische Auseinandersetzung und Berichterstattung mit anderen Medien. Sie wirft nicht selten die Frage auf, ob sie darauf abzielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, oder ob es der betreffenden Redaktion darum geht, durch Kritik an anderen Medien den eigenen Wettbewerb zu fördern.
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Grundsätzlich können die Medien die Meinungsäußerungsfreiheit uneingeschränkt auch dort für sich in Anspruch nehmen, wo sie sich kritisch mit anderen Medien, mithin mit ihren tatsächlichen oder potenziellen Wettbewer-
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1 OLG München NJW-RR 1994, 171; OLG München GRUR 1994, 835 – Ärzteliste; BGH AfP 1997, 795 = NJW 1997, 2679 = WRP 1997, 1050 – Die Besten I. 2 OLG München NJW 1992, 1332 = GRUR 1992, 409. 3 LG München AfP 1994, 61 = NJW 1994, 331; BGH AfP 1997, 797 = NJW 1997, 2681 = WRP 1997, 1053 – Die Besten II. 4 BGH AfP 1997, 795 = NJW 1997, 2679 = WRP 1997, 1050 – Die Besten I; BGH AfP 1997, 797 = NJW 1977, 2681 = WRP 1997, 1053 – Die Besten II; Zuck, NJW 1994, 297. 5 BVerfG NJW 2003, 277 = ZUM-RD 2003, 1 = WRP 2003, 69 – Juve-Handbuch; BGH AfP 2006, 460 = NJW 2006, 2764 = GRUR 2006, 875 – Juve-Handbuch; vgl. auch oben Tz. 14a.
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§ 22 Tz. 34
Recht der Darstellung – Einzelfragen
bern auseinandersetzen.1 Wenn demgegenüber die ältere Rechtsprechung2 der Kritikfreiheit im wirtschaftlichen Bereich im Allgemeinen und der Auseinandersetzung mit publizistischen Mitbewerbern im Besonderen enge Grenzen zog und entsprechend den damals im Wettbewerbsrecht geltenden Grundsätzen von einem Gebot sachlicher Kritik und größtmöglicher Schonung ausging, dann ist das mit dem heutigen Verständnis des Stellenwerts der Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG nicht mehr zu vereinbaren. Wie bei der Berichterstattung über Produkte oder Dienstleistungen generell besteht daher auch bei Äußerungen der Medien über andere Medien keine Vermutung für ein geschäftliches Handeln im Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, ist vielmehr prinzipiell davon auszugehen, dass es sich bei redaktionellen Äußerungen eines Mediums über ein anderes um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf handelt,3 und zwar auch im Fall einer direkten Auseinandersetzung mit und kritischen Kommentierung von Handlungen eines anderen Verlegers.4 34
Dass nur diese Auffassung zutreffen kann, ergibt die aus der früheren Praxis folgende und in der Sache unhaltbare Konsequenz. Leisten die Medien nach der Entscheidung der Landespressegesetze und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen unverzichtbaren Beitrag zum öffentlichen Meinungskampf, so liegt es in der Natur der Sache, dass sich dieser Kampf auch unter den konkurrierenden Medien abspielen muss, die im Sinn erwünschter Meinungsvielfalt häufig zugleich Protagonisten bestimmter politischer, religiöser oder weltanschaulicher Strömungen sind. Sie nach wettbewerbsrechtlichen Kriterien gegen scharfe, gelegentlich auch unsachliche oder herabsetzende Kritik zu schützen, die sie selbst nach den zur Tragweite der Meinungsfreiheit entwickelten Grundsätzen5 gegenüber jedem anderen Kritisierten äußern dürften, liefe nicht nur auf eine unzulässige Einschränkung der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit des kritisierenden Mediums,6 sondern obendrein darauf hinaus, ausgerechnet die Medien, deren gesetzliche Aufgabe die Mitwirkung an Auseinandersetzung und Kritik ist, in einen Freiraum zu stellen, der sie selbst vor kritischer Beobachtung und Kommentierung schützt. Da bei Medienäußerungen über branchenfremde Waren und Leistungen grundsätzlich nicht von der Vermutung geschäftlichen Handelns im Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, sondern von der Wahrnehmung von In_______________
1 BGH NJW 1965, 1476 – Glanzlose Existenz; BGH AfP 1982 = NJW 1982, 637 = GRUR 1982, 234 – Großbankenrestquoten; BGH AfP 1986, 219 = NJW 1987, 1082 = GRUR 1986, 812 – Gastrokritik; BGH AfP 1986, 228 = NJW-RR 1986, 1484 = GRUR 1986, 898 – Frank der Tat; Wenzel/Burkhardt, Kap. 5 Rz. 322; Löffler/Ricker, Kap. 73 Rz. 10. 2 BGH NJW 1952, 660 = GRUR 1952, 410 – Constanze I. 3 BGH NJW 1966, 1617 = GRUR 1966, 693 – Höllenfeuer; OLG Hamburg, NJW 1996, 1002. 4 BGH NJW 1965, 1476 – Glanzlose Existenz; BGH AfP 1982 = NJW 1982, 637 = GRUR 1982, 234 – Großbankenrestquoten; BGH AfP 1986, 219 = NJW 1987, 1082 = GRUR 1986, 812 – Gastrokritiker; BGH AfP 1986, 228 = NJW-RR 1986, 1484 = GRUR 1986, 898 – Frank der Tat; BGH NJW-RR 1995, 301 = WRP 1995, 186 – Dubioses Geschäftsgebaren; BGH AfP 1998, 215; BGH AfP 1997, 798. 5 Dazu oben § 20 Tz. 1 ff. 6 BGH NJW 1952, 1617 = GRUR 1952, 693 – Höllenfeuer.
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Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 35a § 22
formationsinteressen auszugehen ist,1 kann kein anderer Wirtschaftszweig eine derartige Abschottung gegen Medienkritik für sich in Anspruch nehmen. Die früher vom Bundesgerichtshof2 vertretene Auffassung, es gebe keine Umstände, die es rechtfertigen könnten, die Auseinandersetzung zwischen Zeitungen oder Zeitschriften mit anderen Maßstäben zu messen als Wettbewerbsmaßnahmen anderer Gewerbezweige, ist daher für Auseinandersetzungen im redaktionellen Teil nicht haltbar. Sie wird heute mit Recht als Prinzip nicht mehr vertreten. Nach diesen Grundsätzen ist ein geschäftliches Handeln im Sinn des Wettbewerbsrechts nicht zu vermuten im Fall einer kleinen Tageszeitung, die im redaktionellen Teil über eine einstweilige Verfügung berichtete, die sie gegen einen größeren Wettbewerber wegen unlauterer Methoden der Bezieherwerbung erwirkt hatte.3 Gleiches gilt im Fall harter Kritik an den Ausschreibungsbedingungen eines von einem Zeitschriftenverleger ausgelobten Kunstpreises durch eine konkurrierende Kunstzeitschrift.4 Die Einblendung des Titels der Zeitschrift Finanztest in einem im Fernsehen ausgestrahlten Ratgeber Geld kann mangels besonderer Anhaltspunkte ebenfalls nicht als geschäftliches Handeln und daher nicht als Verstoß gegen die dem öffentlichrechtlichen Fernsehen auferlegten Werbebeschränkungen angesehen werden.5 Auch die Bezeichnung eines Spezialblatts für Kapitalanleger als dünnleibiges Blatt, das nicht gerade zu den herausragenden Publikationen gehört, in einem Zeitschriftenartikel, der sich auch mit angeblich strafbarem Verhalten des Herausgebers des Kapitalanlagedienstes befasst, ist nicht als geschäftliche Handlung anzusehen und daher durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt.6
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Ebenso wenig kann von einem an den Maßstäben von § 3 UWG zu messenden geschäftlichen Handeln die Rede sein, wenn eine Publikation sich kritisch mit grob fehlerhafter und ehrabschneiderischer Berichterstattung durch eine Boulevardzeitung befasst, die zu einer nicht weniger als vier Textseiten langen Gegendarstellung und einer Reihe von Folgepublikationen geführt hat, und wenn es darin heißt, die Boulevardzeitung führe ihre Leser in Niederungen, die auf keiner Landkarte der Publizistik oder Kriminalistik verzeichnet sind, die aber dort liegen müssten, wo auf beiden noch weiße Flecken seien.7 Und die Veröffentlichung eines Solidaritätsschreibens von Redakteuren der taz zu Gunsten der Mitarbeiter des in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Tagesspiegels durch diese Zeitung stellt auch dann kein wettbewerblich relevantes Handeln dar, wenn sich das Solidaritätsschreiben kritisch mit Äußerungen des eigenen Verlags zur Situation des Konkurrenzunternehmens auseinandersetzt.8
35a
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Oben Tz. 3 ff. BGH NJW 1968, 644 = GRUR 1968, 262 – Fälschung. OLG Hamm AfP 1983, 469. OLG Köln AfP 1993, 657. OLG Hamburg AfP 1993, 578 = WRP 1993, 405 – Finanztest. OLG Frankfurt/Main AfP 1989, 675. OLG München AfP 1991, 534. KG AfP 20004, 64 = ZUM-RD 2004, 117.
535
§ 22 Tz. 36
Recht der Darstellung – Einzelfragen
36
Unzutreffend ist daher jedenfalls nach heutigen Maßstäben die Auffassung des Bundesgerichtshofs,1 die Charakterisierung eines Börseninformationsdienstes als nicht gerade für Seriosität bekannt im redaktionellen Teil eines Wirtschaftsmagazins sei nach dem damaligen § 1 UWG unzulässig. Das Gericht hat seine Auffassung, diese Äußerung sei jedenfalls deswegen als geschäftliche Handlung und als solche nach den Kriterien des Wettbewerbsrechts als rechtswidrig anzusehen, damit begründet, dass keine näheren Umstände mitgeteilt wurden, die diese Kennzeichnung rechtfertigten. Diese Auffassung stellt aber nicht nur für den Verleger des so gekennzeichneten Periodikums jenen Freiraum gegenüber Medienkritik her, den kein Angehöriger einer anderen Branche für sich beanspruchen kann. Sie ist auch mit dem Grundsatz nicht vereinbar, dass derjenige, der Kritik äußert, nicht verpflichtet ist, deren tatsächliche Grundlagen zusammen mit der Kritik zu veröffentlichen,2 und dass auch im Rahmen der Wirtschafts- und Produktkritik eine drastische Sprache erlaubt ist, sofern sie nicht in Schmähkritik abgleitet.3
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Die grundsätzliche Befreiung der publizistischen Befassung der Medien mit Mitbewerbern von den Fesseln des Wettbewerbsrechts macht jedoch den Angegriffenen nicht schlechthin schutzlos. Denn die Bestimmungen der §§ 823, 824 BGB und 186 StGB gelten auch für den Bereich der Pressefehde. Ihre Freistellung von den Restriktionen des Wettbewerbsrechts ermöglicht daher den Medien auch in diesem Bereich harte, drastische Kritik, wie sie im Geltungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch ansonsten statthaft ist.4 Sie rechtfertigt aber auch in diesem Rahmen weder die Aufstellung oder Verbreitung unwahrer oder irreführender Tatsachenbehauptungen noch Äußerungen, die als Schmähkritik anzusehen sind. So ist es nicht wettbewerbswidrig, wohl aber ein Verstoß gegen die genannten deliktsrechtlichen Bestimmungen, wenn eine Lokalzeitung über die konkurrierende Lokalausgabe eines größeren Wettbewerbers wahrheitswidrig behauptet, sie stehe vor dem Aus.5 In der Bezeichnung Ruhrgebietszeitung für eine im Münsterland vertriebene Lokalzeitung hat das Oberlandesgericht Hamm6 eine rechtswidrige Herabsetzung gesehen, weil sie dem Leser suggeriere, es handele sich nicht um eine bodenständige Publikation, sondern um einen Fremdkörper auf dem in Betracht kommenden engen lokalen Markt. Und der von einem Brancheninformationsdienst gegenüber einem Wirtschaftsmagazin erhobene Vorwurf des vom Anzeigenaufkommen eines Großunternehmens abhängigen Gefälligkeitsjournalismus stellt mangels Vorhandenseins belastbarer Anhaltspunkte für seine
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1 BGH AfP 1982, 107 = NJW 1982, 637 = GRUR 1982, 234 – Großbankenrestquoten. 2 BVerfG AfP 1976, 119 = NJW 1976, 1680 – Deutschlandstiftung; BGH AfP 1974, 702 = NJW 1974, 1762 = GRUR 1975, 208 – Deutschlandstiftung. 3 BVerfG AfP 1982, 163 = NJW 1982, 2655 – Kredithaie; BGH NJW-RR 1995, 301 = WRP 1995, 186 – Dubioses Geschäftsgebaren; BGH AfP 2008, 193 = NJW-RR 2008, 913 = ZUM-RD 2008, 521 = GRUR-RR 2008, 527 = WRP 2008, 820 – Namenloser Gutachter. 4 OLG Köln NJW-RR 1998, 83. 5 OLG Hamm AfP 1992, 255 = WRP 1991, 37. 6 OLG Hamm GRUR 1991, 56.
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Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 37b § 22
Richtigkeit eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts des kritisierten Unternehmens dar.1 Allerdings ist im Hinblick auf die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG bei der Annahme von Schmähkritik auch dann Zurückhaltung geboten, wenn ein Medium Kritik über einen Wettbewerber äußert. Unzutreffend ist es daher, wenn das Oberlandesgericht München2 in der Gleichsetzung des Medienunternehmers Leo Kirch mit dem publizistischen Wegbereiter des Dritten Reichs Alfred Hugenberg durch den Geschäftsführer eines der größten privaten Fernsehveranstalter Deutschlands ein unlauteres geschäftliches Handeln gesehen hat. Im Hinblick auf die Marktmacht, die Kirch seinerzeit im Bereich insbesondere des Fernsehens aufgebaut hatte, erscheint der drastische Hinweis auf die mit einer solchen Marktmacht verbundenen Gefahren für die Meinungsvielfalt und das politische Klima vielmehr als Ausdruck einer publizistischen Überzeugung vertretbar und damit vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Auch die Abqualifizierung einer neuen Frauenzeitschrift durch einen Konkurrenzverlag als billiges Plagiat in zeitlichem Kontext mit einer von beiden beteiligten Verlagen geführten Folge gerichtlicher Auseinandersetzungen über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der jeweiligen Konkurrenzprodukte ist entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts München3 jedenfalls dann eine vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckte, wenngleich aggressive Meinungsäußerung, wenn sie von der Pressesprecherin des betroffenen Verlags gegenüber einem Journalisten geäußert wird, der sie zum Stand der branchenbekannten Serie von gerichtlichen Auseinandersetzungen befragt.
37a
Wo sich Redaktionen allerdings zum direkten Sprachrohr fremder und vor allem eigener geschäftlicher Interessen machen, liegt ein geschäftliches Handeln vor, so dass das schärfere Schwert des Wettbewerbsrechts zur Anwendung kommen muss. Das kann etwa der Fall sein bei der herabsetzenden Berichterstattung über Verkaufsstrategien eines Diamantenhändlers, wenn dieser zugleich als Verleger von Spezialpublikationen für den Schmuck- und Diamantenhandel tätig ist und zwischen diesen Publikationen und dem kritisierenden Medium ein Wettbewerbsverhältnis besteht.4 Und das ist immer dann der Fall, wenn es um werbliche Äußerungen eines Mediums geht, hinter die die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Informationsanliegen in der Regel zurück treten. So stellt es einen Verstoß gegen das Verbot herabsetzender vergleichender Werbung gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG dar, wenn eine Zeitung sich in Fernseh-Werbespots auf Kosten einer anderen zu profilieren sucht.5 Handelte es sich bei der vorstehend erwähnten Bezeichnung einer konkurrierenden Zeitschrift als billiges Plagiat um eine in der Form einer Anzeige oder einer sonstigen werblichen Maßnahme getätigte Äußerung, dann bestünde an
37b
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1 OLG Köln NJW-RR 2001, 1486. 2 OLG München WRP 1993, 414; vgl. auch OLG Hamburg NJW 1996, 1002 – Schmuddelsender. 3 AfP 2004, 269 = ZUM 2004, 491 = GRUR-RR 2004, 309. 4 OLG Frankfurt/Main AfP 1992, 297 = WRP 1992, 570. 5 OLG Hamburg AfP 2008, 387.
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§ 22 Tz. 38
Recht der Darstellung – Einzelfragen
ihrer Qualifizierung als unlauteres geschäftliches Handeln im Sinn von §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG ebenfalls kein Zweifel. 4. Wirtschaftliche Prognosen 38
Insbesondere im Rahmen von Wirtschaftsberichterstattung nimmt die Vornahme und Veröffentlichung von Einschätzungen und Bewertungen einen breiten Raum ein. Es ist kaum ein Bericht der Medien etwa über die Hauptversammlung eines Großunternehmens oder bedeutsame wirtschaftliche Ereignisse wie Messen, Verbandstagungen o.Ä. denkbar, in den neben der Mitteilung von Daten und Fakten nicht auch Reflexionen und nicht selten auch Spekulationen sowohl Dritter, die mit solchen Äußerungen zitiert werden, als auch der berichtenden Medien selbst über die Zukunftserwartungen und -aussichten der betroffenen Unternehmen oder Branchen einfließen. Soweit derartige Einschätzungen oder Erwartungen eine negative Tendenz haben, befürchten die betroffenen Unternehmen oder Branchen – in Anbetracht der Meinungsführerschaft mancher Medien nicht selten zu Recht –, dass derartige Publikationen negative Konsequenzen für ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung und den Absatz ihrer Dienstleistungen oder Produkte haben können. Wird etwa über ein führendes Unternehmen der EDV-Branche berichtet, es habe nach Jahren kontinuierlichen Aufschwungs erstmals starke Einbußen an Umsatz und Auftragseingängen hinnehmen müssen, und mit einer Umkehr des dadurch eingeleiteten negativen Trends sei auch für die nähere Zukunft nicht zu rechnen, so liegt es nahe, dass ein derartiger Bericht die Marktposition des betreffenden Unternehmens weiter schwächen kann. Und bescheinigt Wirtschaftsberichterstattung einer ganzen Branche aufgrund näher erläuterter Einzelheiten eine negative Entwicklungsprognose, so kann auch das sich auf die Akzeptanz der angebotenen Waren oder Dienstleistungen beim Publikum nachteilig auswirken und damit zu einer Beeinträchtigung sämtlicher ihr angehörigen Unternehmen führen.
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Soweit sich derartige Äußerungen mit ganzen Branchen oder Warengattungen befassen, besteht im Allgemeinen kein rechtliches Risiko für die Medien. Insbesondere fehlt es in der Regel an der erforderlichen individuellen Betroffenheit im Sinn eines betriebsbezogenen Eingriffs, wenn sich einzelne Angehörige der betroffenen Branche gegen diese Art von Berichterstattung zur Wehr setzen wollen.1 So muss es etwa trotz der beschränkten Anzahl der Marktteilnehmer jedes Unternehmen der westeuropäischen Automobilindustrie hinnehmen, wenn in den Medien Überlegungen darüber veröffentlicht werden, dass im Zuge weltweiter Konzentrationsbestrebungen in den nächsten Jahren jedenfalls ein europäischer Automobilproduzent auf der Strecke bleiben wird.
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Wo sich derartige Äußerungen hingegen mit einzelnen Unternehmen oder ihnen erkennbar zuzurechnenden Angeboten befassen, liegen rechtliche Kon_______________
1 BGH NJW 1963, 1871 – Elektronenorgeln; BGH AfP 1989, 456 = NJW-RR 1989, 924 = GRUR 1989, 222 – Filmbesprechung; OLG Köln NJW 1985, 1643; OLG Hamburg AfP 1988, 348 = GRUR 1988, 480 – Schadstoff Zucker; oben § 13 Tz. 27 ff.
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Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 42 § 22
flikte mit den Betroffenen erheblich näher. Auch im vorliegenden Zusammenhang kommt es dann darauf an, ob es sich bei den umstrittenen Äußerungen um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Auch in diesem Zusammenhang beansprucht der Satz Geltung, dass Aussagen im Zweifel als Meinungsäußerungen zu qualifizieren1 und daher nicht schon dann unzulässig sind, wenn die Richtigkeit der entsprechenden Prognose nicht bewiesen werden kann oder wenn sie sich gar nachträglich als unrichtig darstellt. Das Bundesverfassungsgericht2 hat insbesondere herausgestellt, dass auch die Artikulierung von Fragen vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt ist und dass Aussagen in Frageform nur dann als verdeckte Tatsachenbehauptung angesehen werden dürfen, wenn sie dem Leser oder Hörer in der Beantwortung keine Wahl lassen, ihm mithin (nur) eine bestimmte Antwort gleichsam vorgeben. Damit ist auch die Formulierung der Frage oder des Zweifels, ob ein bestimmtes Unternehmen oder eine bestimmte Branche eine bestehende Krise längerfristig überstehen wird, grundsätzlich zulässige Meinungsäußerung. Mit Recht hat das Bundesverfassungsgericht3 im Zusammenhang mit kritischer Wirtschaftsberichterstattung auch darauf hingewiesen, dass es der Publikumspresse im Regelfall nicht um die Verbreitung exakter Marktanalysen geht, sondern um die Warnung vor unlauteren Geschäftspraktiken oder das Aufzeigen von Tendenzen oder möglichen Entwicklungen. Derartige Medienäußerungen werden auch vom Adressaten im Allgemeinen nicht dahingehend verstanden, dass mit ihnen feststehende Sachverhalte im Sinne einer Wahrheitsgewähr gekennzeichnet werden. In Anwendung dieser Grundsätze hat etwa der Bundesgerichtshof4 in der Äußerung, es müsse sich erst zeigen, ob der Erlös aus dem Verkauf einer Beteiligung durch ein bestimmtes Unternehmen ausreiche, um dieses in den nächsten Monaten liquiditätsmäßig über die Runden zu bringen, keine Tatsachenbehauptung gesehen, da es sich nicht um eine definitive Zukunftsprognose, sondern um das Aufwerfen einer Frage handelte, deren Beantwortung ausdrücklich offengelassen wird. Und mit Recht hat der Bundesgerichtshof in derselben Entscheidung ausgesprochen, die in der aufgeworfenen Frage enthaltene Andeutung der Möglichkeit, dass das betreffende Unternehmen in erneute Schwierigkeiten kommen könne, sei auch nicht als Eingriff in die Rechte des Unternehmens aus § 823 Abs. 1 BGB unzulässig. Auch die Äußerung derartiger Zweifel und die darin liegende Andeutung der Möglichkeit, es könnten sich Schwierigkeiten ergeben, müssen Unternehmen vielmehr als Ausfluss der Meinungs- und Pressefreiheit in der Regel hinnehmen, sofern nicht im Einzelfall falsche Tatsachenbehauptungen oder Elemente der Schmähkritik hinzutreten.
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Den Charakter von Tatsachenbehauptungen haben Zukunfts- oder Erfolgsprognosen aber dann, wenn sie vom Leser oder Hörer als Äußerung einer bereits feststehenden künftigen Tatsache oder einer bereits getroffenen Ent-
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1 2 3 4
Oben § 14 Tz. 24 ff. BVerfG AfP 1992, 51 = NJW 1992, 1442 – Fragen; oben § 14 Tz. 19 f. BVerfG AfP 1982, 163 = NJW 1982, 2655 – Kredithaie. BGH AfP 1975, 801 – Metzeler.
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§ 22 Tz. 43
Recht der Darstellung – Einzelfragen
scheidung verstanden werden, wie etwa die Aussage, ein Unternehmen werde im nächsten Jahr eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitern entlassen. Für die etwaige Unwahrheit einer derartigen Behauptung müssen die Medien nach den Regeln des § 824 BGB unbeschadet der Tatsache einstehen, dass es sich um eine Prognose handelt. Auch insoweit wird von den Medien aber keine absolute Wahrheitsgewähr verlangt, sondern nur das Bemühen um Richtigkeit. Insbesondere im Fall der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen durch die betroffenen Unternehmen ist daher zu prüfen, ob die Medien nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt haben. 5. Boykottaufrufe 43
Eine besondere Form der publizistischen Auseinandersetzung mit den Leistungen oder Produkten von Unternehmen stellen die in unterschiedlichster Gestaltung auftretenden und in der Regel als Boykottaufruf bezeichneten Aufforderungen dar, bestimmte Erzeugnisse oder bei bestimmten Unternehmen nicht zu kaufen. Für sie gilt der Grundsatz, dass Medien bei der publizistischen Befassung mit wirtschaftlichen Sachverhalten in der Regel nicht geschäftlich handeln, nach der bisherigen Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht1 und Bundesgerichtshof2 nicht ohne Einschränkung.3 Auch dort aber, wo eine wettbewerbsrechtliche Beurteilung ausscheidet, wird dem Boykottaufruf in der Abwägung der Kommunikationsgrundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG gegenüber dem Recht am Unternehmen durch die Rechtsprechung ein deutlich engerer Rahmen gezogen als der Meinungsfreiheit generell. Insbesondere findet der Satz keine uneingeschränkte Anwendung, dass sich Meinungsäußerungen im Allgemeinen keiner Kontrolle der Angemessenheit des angewandten Mittels unterziehen lassen müssen.4 a) Ideelle Zwecke
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Boykottaufrufe zur Förderung politischer, sozialer oder kultureller Belange unterliegen allerdings dem Schutz der Meinungsfreiheit uneingeschränkt. Das war etwa der Fall beim Aufruf eines Politikers, keine Filme eines in der nationalsozialistischen Epoche zu Ruhm und Erfolg gekommenen Regisseurs anzusehen,5 beim Aufruf, einer bestimmten Zeitschrift im Hinblick auf ihre jugendgefährdende Titelblattgestaltung keine Anzeigenaufträge zu erteilen,6 oder der von einer Tierschutzvereinigung verbreiteten Aufforderung, keine Seehundmäntel mehr zu kaufen.7 _______________
1 BVerfG AfP 1983, 267 = NJW 1983, 1181 – Denkzettel. 2 BGH GRUR 1980, 241 – Denkzettel. 3 Zur Abgrenzung der zulässigen Information von unzulässigen Boykottaufrufen vgl. auch Bechtold/Uhlig, NJW 1999, 3532. 4 BGH AfP 1985, 114 = NJW 1985, 1620 = GRUR 1985, 470 – Mietboykott; bestätigt durch BVerfG AfP 1988, 236 = NJW 1989, 381 – Mietboykott. 5 BVerfG NJW 1958, 257 – Lüth. 6 OLG Köln NJW 1965, 2345. 7 OLG Frankfurt/Main NJW 1969, 2095.
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Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 45a § 22
Im Hinblick auf die gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen, die Boykottaufrufe auf den Boykottierten haben können, gewährt die Rechtsprechung die Meinungsäußerungsfreiheit jedoch nicht in demselben Umfang wie in anderen Bereichen. Insbesondere ist das eingesetzte Mittel in Betracht zu ziehen. So war zu Zeiten des Kalten Krieges der ausschließlich aus politischer Überzeugung motivierte Aufruf des Axel Springer-Verlags an den Pressegrosso unzulässig, die Auslieferung einer bestimmten Zeitung aus einem anderen Verlag davon abhängig zu machen, ob dessen Verleger von der bisher geübten Praxis ablasse, die Rundfunk- und Fernsehprogramme der DDR-Sender zu veröffentlichen.1 Mit der Begründung, das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit schütze den Austausch und Einsatz von Argumenten, nicht aber denjenigen von wirtschaftlichem Druck, ist auch der Aufruf einer Zeitungsredaktion als rechtswidriger Eingriff in das Recht des Betroffenen an seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb angesehen worden, zur Durchsetzung einer geforderten Änderung der Wohnungsmarktpolitik einem Berliner Unternehmen der Wohnungswirtschaft mit mehr als 30.000 Mietern einen Monat lang die vertraglich geschuldete Miete nicht zu zahlen.2 Und in der durch anhaltendes Tragen eines Sandwich-Plakats und Ansprechen von potenziellen Patientinnen vor der Praxis eines Gynäkologen, der legale Abtreibungen durchführte, manifestierten Aufforderung eines Abtreibungsgegners, die Praxis des betroffenen Arztes nicht aufzusuchen, hat der Bundesgerichtshof3 im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs und insbesondere die Behinderung einer legalen beruflichen Tätigkeit eine nicht mehr durch die Meinungsfreiheit gedeckte Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des betroffenen Arztes gesehen.
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In diesen Fällen sieht die Rechtsprechung das Unlauterkeitsmoment mit Recht darin, dass die jeweiligen Boykott-Verrufer zur Durchsetzung ihrer ideellen Ziele nicht den Austausch von Argumenten einsetzen, wie er für den Meinungskampf typisch und durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt ist, sondern wirtschaftliche Druckmittel aufbauen, gegen die sich der Boykottierte nur durch Aufgabe seiner ebenfalls durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten abweichenden Position wehren kann. Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht4 in einem von der Jungen Union verbreiteten öffentlichen Aufruf, die Dienste von Werbeagenturen nicht mehr in Anspruch zu nehmen, die Werbeaufträge der Scientology-Kirche ausführen, noch keine Überschreitung der gebotenen Zweck/Mittel-Relation und damit eine zulässige Meinungsäußerung gesehen. Und zulässige Meinungsäußerung war auch der durch ein ARDMagazin ausgestrahlte Appell an die deutsche Kreditwirtschaft, keine Geschäftsbeziehungen zur rechtsradikalen NPD zu unterhalten.5 Das ist zutreffend, weil die Intensität der Auswirkungen dieser Boykott-Aufrufe auf die
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1 BVerfG NJW 1969, 1161 – Blinkfüer. 2 BGH AfP 1985, 114 = NJW 1985, 1620 = GRUR 1985, 470 – Mietboykott; bestätigt durch BVerfG AfP 1988, 236 = NJW 1989, 381 – Mietboykott. 3 BGH NJW 2005, 592 = GRUR 2005, 612 = WRP 2005, 343 – Abtreibungs-Arzt; anders für einen vergleichbaren Fall LG München I NJW 2006, 3791. 4 BVerfG NJW-RR 2008, 200, anders OLG München AfP 2002, 235 = ZUM-RD 2002, 370. 5 LG Mainz AfP 2001, 157 = NJW 2001, 761 = ZUM-RD 2001, 207.
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§ 22 Tz. 46
Recht der Darstellung – Einzelfragen
wirtschaftliche Position der Angegriffenen mit derjenigen in den oben1 genannten Fällen nicht annähernd vergleichbar ist. b) Wirtschaftliche Zwecke 46
Wo der Boykottaufruf aber nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen zur Durchsetzung ideeller Ziele anstrebt, sondern wirtschaftliche Ziele verfolgt, ist er in der Regel unzulässig. Insbesondere steht seiner Qualifizierung als unlauterer Wettbewerbsverstoß die Tatsache nicht entgegen, dass das Medium, das ihn verbreitet, damit nicht immer eigene wettbewerbliche Interessen, sondern nicht selten auch diejenigen einer bestimmten Gruppe von Unternehmen wie etwa derjenigen der Fach-Einzelhändler fördert. Als Verstoß gegen das Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen im Sinn von § 3 Abs. 1 UWG sowie gegen das Verbot sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB unzulässig war daher die Veröffentlichung der an Fachhändler gerichteten Aufforderung, solche Hersteller bekanntzugeben, die Verbrauchermärkte belieferten, damit diese künftig von der Belieferung von Fachhändlern ausgeschlossen werden konnten,2 sowie die ebenfalls an Fachhändler gerichtete Aufforderung eines Brancheninformationsdienstes, die Geschäftsbeziehungen zu einem angeblich zu teuer liefernden Händler zu beenden und den Bedarf stattdessen bei von dem Dienst zu benennenden preisgünstigeren Lieferanten zu decken.3
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Allerdings hat die Europäische Kommission für Menschenrechte4 in einem Bericht vom 18. Dezember 1987 die erste dieser beiden Entscheidungen für unvereinbar mit dem auch durch Art. 10 EMRK garantierten Recht auf freie Meinungsäußerung erklärt. Es mag daher zweifelhaft erscheinen, ob jede Förderung wettbewerblicher Drittinteressen durch in Medien verbreitete Boykottaufrufe als rechtswidriger Eingriff in das Recht am Unternehmen des Boykottierten angesehen werden kann. Die prinzipielle Eignung auch der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG als Schranke der Meinungsäußerungsfreiheit und damit die prinzipielle Befugnis der Gerichte, Boykottaufrufe als Verstoß gegen diese Bestimmung anzusehen, hat jedoch auch die Kommission nicht in Frage gestellt, so dass weiterhin von der Vermutung der Unzulässigkeit der Verbreitung wirtschaftlich motivierter Boykottaufrufe auszugehen ist.
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Zulässig kann eine Boykottaufforderung entgegen dieser Regel insbesondere dann sein, wenn sie sich zwar als Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs darstellt, mit ihr daneben aber auch gemeinschaftswichtige allgemeine Ziele verfolgt werden. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte5 die Untersagung einer vom Oberlandesgericht Hamburg als wettbewerbswidrig eingestuften Aussage eines Tierarztes über den von ihm eingerichteten tierärztlichen Notdienst nicht deswegen als Verstoß gegen die Gewährleistung der freien Meinungsäußerung angesehen, weil sie nicht der _______________
1 Tz. 45. 2 BGH GRUR 1980, 242 – Denkzettel; BVerfG AfP 1983, 267 = NJW 1983, 1181 – Denkzettel. 3 BGH AfP 1984, 31 = NJW 1985, 62 = GRUR 1984, 214 – Copy-Charge. 4 Europäische Kommission für Menschenrechte AfP 1988, 231. 5 EGMR AfP 1986, 33 – Fall Barthold.
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Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 49 § 22
Förderung (auch) des eigenen Wettbewerbs gedient habe, sondern deswegen, weil mit der Hervorhebung der Missstände der tierärztlichen Versorgung an Sonn- und Feiertagen ein die Öffentlichkeit allgemein berührender Missstand angesprochen worden sei, zu dem sich auch der Betroffene als Angehöriger des Berufsstands müsse äußern dürfen. Das erscheint insbesondere in Anbetracht der Tatsache zutreffend, dass die Rechtsprechung heute auch ansonsten anerkennt, dass werbende Äußerungen auch einen meinungsbildenden Inhalt haben können und dass der Schutz der Meinungsfreiheit ein höheres Gewicht hat als das Interesse der Allgemeinheit an einer Unterbindung vermeintlich unlauterer Werbeäußerungen, wenn das der Fall ist.1 Daher können auch Boykottaufrufe zur Durchsetzung wirtschaftlicher Ziele im Einzelfall zulässig sein, wenn das Anliegen deutlich wird, neben dem eigenen oder fremden Wettbewerb mit ihnen primär Belange der Allgemeinheit zu fördern. So stellt es keinen sittenwidrigen Boykott dar, wenn ein gewerblicher Konzertveranstalter einen Konkurrenzbetrieb schriftlich und mit drastischen Worten dazu auffordert, von dem bereits vereinbarten Engagement einer rechtsradikalen Rock-Gruppe Abstand zu nehmen, selbst wenn in dieser Aufforderung die Ankündigung zum Ausdruck kommt, der Adressat müsse für den Fall der Durchführung der beanstandeten Veranstaltung mit einer Beeinträchtigung der ansonsten zwischen den Parteien bestehenden Geschäftsverbindung rechnen.2 Und Boykottaufrufe durch die Medien, durch die nicht eigener, sondern fremder Wettbewerb beeinflusst wird, werden künftig eher zulässig sein, wenn neben der direkten Beeinträchtigung eines bestimmten Marktteilnehmers das Bestreben deutlich wird, mit dem Aufruf außerwirtschaftliche Anliegen politischer oder gesellschaftlicher Art zu fördern.
48a
6. Abbildung von Marken Durch die Eintragung einer Marke erwirbt dessen Inhaber prinzipiell das Recht, Andere von der Verwendung des selben oder eines damit verwechselungsfähigen Zeichens zur Kennzeichnung einer identischen oder gleichartigen Ware oder zur Werbung dafür auszuschließen.3 Nur im Ausnahmefall, wenn sich das Zeichen zu einer im Inland bekannten Marke verfestigt hat, entfällt die Beschränkung auf identische oder gleichartige Warengattungen und gewährt es absoluten Schutz gegen die Benutzung durch Dritte zur Kennzeichnung eigener Waren oder gewerblicher Leistungen.4 Stets aber ist die Bedeutung der Marke darauf beschränkt, deren Inhaber gegen eine Herkunftstäuschung, also dagegen zu schützen, dass sich der Verkehr falsche Vorstellungen über die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Betrieb macht. In demselben Sinn schützen die Bestimmungen des § 5 Abs. 2 und 3 MarkenG den Inhaber einer besonderen Geschäftsbezeichnung oder eines Werktitels und diejenige des § 4 Nr. 2 MarkenG denjenigen einer Ausstattung gegen die Verwendung von Kennzeichen, die mit ihren eigenen _______________
1 2 3 4
Oben § 17 Tz. 16b m. Nachw. LG Köln GRUR 1994, 741 – Rechtsradikale Musikgruppe. § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.
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49
§ 22 Tz. 50
Recht der Darstellung – Einzelfragen
identisch oder verwechselungsfähig sind, sofern dadurch die Gefahr einer Herkunftstäuschung verbunden ist. 50
Die Gefahr einer derartigen Herkunftstäuschung besteht in der Regel nicht, wenn sich Medien dieser geschützten Kennzeichnungen im Rahmen ihrer Berichterstattung bedienen. Daher kann in der publizistischen Verwendung derartiger Kennzeichen ein Eingriff weder in das Markenrecht des Inhabers noch in die sonstigen genannten vergleichbaren Rechte gesehen werden. So stellte nach der zutreffenden Ansicht des Bundesgerichtshofs1 die Benutzung des berühmten Emblems der BILD-Zeitung durch ein Gewerkschaftsblatt zur Kennzeichnung eines Artikels, der sich kritisch mit dem in dieser Zeitung praktizierten Journalismus auseinandersetzte, entgegen der Auffassung der Vorinstanz2 keinen Eingriff in die gewerblichen Schutzrechte des Axel Springer-Verlags an diesem Emblem dar. Dass zwischen dem kritisierenden und dem mit seinem geschützten Zeichen zitierten Medium ein Wettbewerbsverhältnis bestehen mag, schadet nicht. Denn auch insoweit entfällt die Möglichkeit der Herkunftstäuschung. Es ist daher auch zulässig, zur Kennzeichnung zulässiger Zitate aus anderen Publikationen deren Titelschriftzug abzubilden.
51
Da es in diesen Fällen stets am Element der Herkunftstäuschung fehlt, bestehen erst recht keine rechtlichen Bedenken dagegen, im Rahmen von Wirtschaftsberichterstattung über bestimmte Unternehmen oder deren Produkte oder im Rahmen von Karikaturen die auf sie hindeutenden Marken oder sonstigen geschützten Kennzeichnungen bildlich darzustellen,3 sofern nicht der Hinweis auf das betreffende Unternehmen oder die betreffende Ware im Einzelfall aus anderen Gründen unzulässig ist. Unzulässig wird der Gebrauch fremder Warenzeichen oder sonstiger geschützter Kennzeichnungen wie etwa auch des Titelschriftzugs anderer Medien jedoch stets, soweit dies nicht zur Kennzeichnung redaktioneller Beiträge oder satirischer oder karikierender Aussagen,4 sondern zum Zweck der Werbung für das eigene Medium5 oder zur Kennzeichnung eigener Produkte geschieht,6 selbst wenn damit die Absicht verknüpft ist, das Originär-Produkt gleichzeitig satirisch zu verfremden.7
51a
Insoweit müssen dieselben Grundsätze wie diejenigen für den unbefugten Gebrauch des Namens oder Bildnisses Dritter für Werbezwecke zur Anwendung kommen, der nach heutiger Rechtslage nicht mehr ausnahmslos unzulässig ist, der vielmehr dann zulässig sein kann, wenn das damit verknüpfte _______________
1 BGH NJW 1980, 280 = GRUR 1979, 564 – Metallzeitung. 2 OLG Hamburg GRUR 1975, 72 – Metallzeitung. 3 BGH NJW 1986, 2951 = GRUR 1986, 759 – BMW; OLG Frankfurt/Main NJW 1982, 648 = GRUR 1982, 319 – Lusthansa; BGH AfP 1984, 151 = NJW 1984, 1956 = GRUR 1984, 684 – Mordoro; BGH NJW 2005, 2856 = GRUR 2005, 583 = WRP 2005, 896 – Lila Postkarte. 4 KG WRP 1997, 85 – Alles wird teurer. 5 Vgl. BGH NJW 1981, 2402 = GRUR 1981, 846 – Rennsportgemeinschaft. 6 OLG Hamburg AfP 2000, 382 = NJW-RR 2000, 48 = ZUM-RD 2000, 536. 7 BGH NJW 1995, 871 = GRUR 1995, 57 = WRP 1995, 92 – Markenverunglimpfung II; BGH NJW 1994, 1954 = GRUR 1994, 808 = WRP 1994, 495 – Markenverunglimpfung; BVerfG NJW 1994, 3342 – Mars-Kondom; dazu aber Tz. 51b.
544
Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 51b § 22
Motiv jedenfalls auch einen meinungsbildenden oder auch künstlerischen Charakter hat und eine Vereinnahmung des Abgebildeten für die eigentliche Werbebotschaft nicht in Rede steht.1 Durch Art. 5 Abs. 3 GG gerechtfertigt war daher wegen ihres fraglos meinungsbildenden Charakters die Verfremdung der berühmten Zigarettenmarke Marlboro zu der auf die gesundheitlichen Risiken des Rauchens verweisenden fiktiven Marke Mordoro.2 Für zulässig erachtet hat die Rechtsprechung mit Recht auch die Verwandlung des Lufthansa-Kranichs in einen Lusthansa-Vogel, die ersichtlich scherzhafte Erweiterung des BMW-Logo um den Slogan BummsMalWieder3 oder die Verfremdung der berühmten Milka-Marke Lila auf einer Postkarte mit dem Slogan „Über allen Wipfeln ist Ruh, irgendwo blökt eine Kuh. Muh! Rainer Maria Milka“.4 In allen diesen Fällen handelt es sich um künstlerisch geprägte scherzhafte Verfremdungen der jeweiligen Originale, bei denen eine Herkunftstäuschung ausgeschlossen ist und die daher in der Abwägung der widerstreitenden Interessen den Schutz der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG für sich in Anspruch nehmen können. Wenn die Gerichte demgegenüber in den Fällen Mars-Kondom5 und Nivea6 die scherzhafte Verfremdung der ihnen zu Grunde liegenden Marken im Rahmen von Kondom-Werbung als rechtswidrige Eingriffe in die Ausschließlichkeitsrechte der jeweiligen Berechtigten angesehen haben, dann erscheint das eher durch die Geschmacklosigkeit der jeweiligen Werbemotive motiviert denn durch eine rationale Abgrenzung von den Fällen erlaubter Markenparodie; von einer Herkunftstäuschung konnte in jenen Fällen ebenso wenig die Rede sein wie in diesen, und auch in diesen Fällen lässt sich eine Kombination von künstlerisch-scherzhafter Gestaltung mit der Förderung des eigenen Geschäfts nicht leugnen. Zulässig war daher auch die Verfremdung des berühmten AOL-Werbeslogans „Bin ich schon drin … oder was?“ zu dem Slogan „Bin ich da schon durch … oder was?“ auf einem so genannten Abi-T-Shirt,7 während die Nutzung des vergleichbaren Slogans „Trabi 03 … Nach uns die Wende“ auf einem anderen T-Shirt im Hinblick auf die Tatsache untersagt wurde,8 dass die Marke Trabi nicht nur für das berühmte Automobil aus DDR-Produktion, sondern auch für Textilien geschützt war. Wettbewerbswidrig ist auch die Verwendung des Titelschriftzugs einer anderen Zeitschrift nicht zu Zwecken der inhaltlichen Auseinandersetzung mit ihr, sondern zu Zwecken der Werbung für das eigene Medium9 oder die Nutzung der geschützten Marke FC Schalke 04 auf dem Titelblatt eines Buchs, das sich inhaltlich mit dem betreffenden Fußballklub befasst.10 _______________
1 Oben § 17 Tz. 16b, § 21 Tz. 19c; vgl. zu dem hier besprochenen Problem der Markenparodie auch Mahr, WRP 2006, 1083 ff. 2 BGH AfP 1984, 151 = NJW 1984, 1956 = GRUR 1984, 684 – Mordoro. 3 BGH NJW 1986, 2951 = GRUR 1986, 759 – BMW. 4 BGH NJW 2005, 2856 = GRUR 2005, 583 = WRP 2005, 896 – Lila Postkarte. 5 BGH NJW 1994, 1954 = GRUR 1994, 808 = WRP 1994, 495 – Markenverunglimpfung; BVerfG NJW 1994, 3342 – Mars-Kondom. 6 BGH NJW 1995, 871 = GRUR 1995, 57 = WRP 1995, 92 – Markenverunglimpfung II. 7 OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 231. 8 OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 224. 9 OLG Hamburg v. 3.12.1992 – 3 U 90/92, unveröffentlicht. 10 OLG Hamburg AfP 2000, 382 = NJW-RR 2000, 48 = ZUM-RD 2000, 536.
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51b
§ 22 Tz. 52
Recht der Darstellung – Einzelfragen
7. Rechtsberatung 52
Nicht selten erteilen Zeitungs- und Magazinpresse sowie auch Hörfunk- und Fernsehveranstalter im Rahmen ihrer redaktionellen Arbeit rechtliche Ratschläge und Empfehlungen, etwa in Fragen des Miet-, Verkehrs- oder auch des Steuerrechts. Dabei gerieten die Redaktionen in der Vergangenheit immer wieder mit den Bestimmungen des am 30. Juni 2008 außer Kraft getretenen Rechtsberatungsgesetzes in Konflikt, nach dessen Art. 1 § 1 die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Erteilung von Rechtsrat erlaubnispflichtig war, und zwar auch insoweit, als sie nebenberuflich und unentgeltlich erfolgte, wie dies bei redaktioneller Behandlung rechtlicher Fragen in den Regel der Fall sein wird. Mit Wirkung zum 1. Juli 2008 ist nun an die Stelle des Rechtsberatungsgesetzes das Rechtsdienstleistungsgesetz getreten, nach dessen § 2 Abs. 1 „… jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert,“
Rechtsdienstleistung ist. Hingegen ist nach § 2 Abs. 3 Nr. 5 des Gesetzes „… die an die Allgemeinheit gerichtete Darstellung und Erörterung von Rechtsfragen und Rechtsfällen in den Medien
keine Rechtsdienstleistung und daher nicht erlaubnispflichtig. 52a
Schon nach altem Recht war den Medien die jetzt nach dem Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich erlaubte allgemeine Erörterung rechtlicher Probleme nicht untersagt. Das hat nach Jahre langen Auseinandersetzungen vor den Instanzgerichten1 der Bundesgerichtshof in einer Serie von Entscheidungen vom 6. Dezember 2001 betreffend Beratungsservices zweier öffentlichrechtlicher2 und eines privaten3 Fernsehveranstalters entschieden. Eine gegen diese medienfreundliche Auffassung eingelegte Verfassungsbeschwerde eines Rechtsanwalts hat das Bundesverfassungsgericht4 zurückgewiesen, das im Übrigen in weiteren Entscheidungen5 die Auffassung des Bundesgerichtshofs auch für die Printmedien im Wesentlichen geteilt hat. Wie juristische Fachzeitschriften waren damit bereits nach altem Recht auch Publikumspresse und elektronische Medien berechtigt, sich rechtlicher Fragestellungen redaktionell anzunehmen und sie in allgemein verständlicher Weise aufzubereiten und abzuhandeln. Dass die damit verbundene Belehrung abstrakt und losgelöst von individuellen Fällen ihrer Leser oder Zuschauer erfolgte, war nicht erforderlich; zulässig war es vielmehr auch, dem Publikum die Möglichkeit zu geben, in einer entsprechenden Sendung der Rundfunkmedien anzurufen und _______________
1 Vgl. nur OLG München AfP 1989, 757; OLG Köln AfP 1997, 551. 2 BGH AfP 2002, 419 = NJW 2002, 2877 = ZUM 2002, 642 = GRUR 2002, 996 = WRP 2002, 964 – Bürgeranwalt; BGH AfP 421 = NJW 2002, 2882 = ZUM 2002, 639 = GRUR 2002, 987 = WRP 2002, 956 – Wir Schuldenmacher; BGH NJW 2002, 2884 – Ohne Gewähr; BGH AfP 2002, 426 = NJW 2002, 2880 = GRUR 2002, 985 = WRP 2002, 952 – WISO. 3 BGH AfP 2002, 423 = NJW 2002, 2879 = GRUR 2002, 993 = WRP 2002, 970 – Wie bitte?! 4 BVerfG NJW 2002, 3387. 5 BVerfG NJW 2004, 672 = ZUM 2004, 304; BVerfG ZUM 2004, 556.
546
Produktkritik und Wirtschaftsberichterstattung
Tz. 53 § 22
den anwesenden Experten ihre Fälle zur Diskussion und Abgabe von Empfehlungen vorzutragen.1 Zulässig war es auch, wenn Redaktionen ihre Sendungen so gestalteten, dass der von ihrer Darstellung und der Kommentierung konkreter Fälle ausgehende öffentliche Druck geeignet sein konnte, die Kontrahenten derjenigen, die mit ihren Anliegen zu Wort kamen, zum Einlenken zu veranlassen.2 Erst wo das Beratungsangebot dadurch konkretisiert wurde, dass den Zuschauern die Möglichkeit geboten wurde, nach der betreffenden Sendung den telefonischen Rat der dort auftretenden Experten individuell in Anspruch zu nehmen, war die Grenze zu unerlaubter Rechtsberatung überschritten.3 An der durch diese Urteile des Bundesgerichtshofs weitgehend geklärten Rechtslage hat sich durch das Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes nichts geändert. Nachdem dieses Gesetz nunmehr klarstellt, dass an die Allgemeinheit gerichtete Darstellungen und Erörterungen von Rechtsfragen und Rechtsfällen in den Medien keine Rechtsdienstleistungen sind und damit per se nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, kann an der Maßgeblichkeit der dargestellten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs auch für das neue Recht kein Zweifel bestehen. Weiterhin zulässig ist es auch, wenn die Publikumspresse um der besseren Verständlichkeit willen bei der Abhandlung rechtlicher Probleme von allgemeinem Interesse an fingierte Leseranfragen anknüpft4 oder auf tatsächliche Erfahrungen realer, mit Phantasienamen belegter Personen zurückgreift.5 Dass auf diese Weise die Erteilung von Rechtsrat auf eine konkrete Frage und damit objektiv ein Tatbestand erlaubnispflichtiger Rechtsberatung vorgetäuscht wird, führt auch unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zur Unzulässigkeit eines derartigen abstrakten Leserservices.
52b
Unzulässige Rechtsdienstleistung auch nach neuem Recht ist hingegen die individuelle Beantwortung jedweder Art von rechtlichen Fragen außerhalb der jeweiligen redaktionellen Präsentation. Ist es mithin zulässig, wenn die Medien Rechtssuchende in Magazinsendungen bzw. Hörer- oder Telefonaktionen mit konkreten Rechtsfragen zu Wort kommen lassen und den von ihnen eingeladenen Experten Gelegenheit geben, sich dazu ad hoc zu äußern, so vermitteln sie auch unter dem neuen Recht erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistungen, wenn sie individuelle Rechtsfragen außerhalb der jeweiligen Sendung oder Telefonaktion konkret beantworten lassen.6 Unzulässig ist auch
53
_______________
1 BGH AfP 2002, 426 = NJW 2002, 2880 = GRUR 2002, 985 = WRP 2002, 952 – WISO. 2 BGH AfP 2002, 419 = NJW 2002, 2877 = ZUM 2002, 642 = GRUR 2002, 996 = WRP 2002, 964 – Bürgeranwalt; BGH NJW 2002, 2884 – Ohne Gewähr; BGH AfP 2002, 423 = NJW 2002, 2879 = GRUR 2002, 993 = WRP 2002, 970 – Wie bitte?!; kritisch dazu Huff, NJW 2002, 2840 f. 3 BGH AfP 421 = NJW 2002, 2882 = ZUM 2002, 639 = GRUR 2002, 987 = WRP 2002, 956 – Wir Schuldenmacher. 4 BGH NJW 1981, 1616 = GRUR 1981, 529 – Rechtsberatungsanschein; OLG München AfP 1989, 757. 5 OLG Köln AfP 1997, 551. 6 BGH AfP 421 = NJW 2002, 2882 = ZUM 2002, 639 = GRUR 2002, 987 = WRP 2002, 956 – Wir Schuldenmacher; OLG München AfP 1989, 757; OLG Düsseldorf AfP 1992, 153; OLG Düsseldorf AfP 1998, 232; OLG Nürnberg AfP 1998, 229 = NJW-RR 1998, 137.
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§ 22 Tz. 53
Recht der Darstellung – Einzelfragen
die individuelle Durchführung von Rentenberechnungen.1 Das Angebot einer Zeitschrift an ihre Leser, derartige Berechnungen auf Anfrage in Zusammenarbeit mit einem Versicherungsunternehmen durchzuführen, ist daher gesetzwidrig und kann, auch als Verstoß gegen § 3 Abs. 1 UWG, auf Antrag eines zugelassenen gewerblichen Rentenberaters oder Rechtsanwalts gerichtlich untersagt werden.2
_______________
1 BGH AfP 1987, 497 = NJW 1987, 1894 = GRUR 1987, 373 – Rentenberechnungsaktion. 2 BGH AfP 1987, 497 = NJW 1987, 1894 = GRUR 1987, 373 – Rentenberechnungsaktion.
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§ 23 Redaktionelle Empfehlungen und Ratschläge Medien verstehen sich nicht nur als Informationsvermittler, sondern auch als Ratgeber ihrer Leser oder Zuschauer. Konsumenten erwarten und Redaktionen gewähren neben Information und Unterhaltung Ratschläge vielfältigster Art. Von der richtigen Art der Geldanlage über besonders geeignete Verfahren der Ernährung oder Körperpflege oder die besten Rahmenbedingungen für das Bestellen des häuslichen Gartens bis zur Pflege und Wartung des eigenen PKW gibt es so gut wie kein Thema, zu dem sich nicht die Publikumspresse sowie Hörfunk und Fernsehen in verschiedenster Art und Weise regelmäßig äußern. Eine noch größere Rolle spielen Ratschläge in Fachzeitschriften. Häufig richten Redaktionen überdies so genannte Leserservices ein, bei denen ergänzende Auskünfte oder Anleitungen zu redaktionell behandelten Themen abgerufen werden können.1
1
Auch derartige redaktionelle Empfehlungen und Ratschläge bergen das Risiko, dass ihre Erteilung oder Befolgung Rechte Dritter verletzt. Als Schutzgut kommen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht am Unternehmen im Sinn von § 823 Abs. 1 BGB oder ein spezieller gesetzlicher Tatbestand wie derjenige der §§ 186 StGB, 824 BGB ebenso in Betracht wie die Gesundheit oder das Vermögen desjenigen, der sich auf die inhaltliche Richtigkeit redaktioneller Ratschläge verlässt und danach handelt. Insbesondere in dieser Hinsicht unterscheiden sich Ratschläge und Empfehlungen haftungsrechtlich von sonstigen Formen der Berichterstattung.
2
1. Empfehlungen Keine Besonderheiten ergeben sich in diesem Zusammenhang allerdings, soweit redaktionelle Ratschläge oder Empfehlungen unmittelbare Eingriffe in besonders geschützte Rechte Dritter darstellen oder die genannten gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz Dritter unmittelbar verletzen. Wie bei sonstigen Formen der Berichterstattung auch können die Medien einen Freiraum für die Übernahme fremder oder die Durchführung eigener Bewertungen für sich in Anspruch nehmen und dürfen sie das Ergebnis dieser Bewertungen auch in der Form von Empfehlungen veröffentlichen. Kommt eine Redaktion etwa aufgrund objektiver und neutraler Überlegungen zu dem Ergebnis, ein bestimmtes Produkt oder Verfahren sei zur Erreichung eines bestimmten Zwecks besonders geeignet, so darf sie es empfehlen, ohne sich Ansprüchen anderer, schlechter bewerteter oder nicht berücksichtigter Anbieter auszusetzen. Insoweit handelt es sich um nichts Anderes als eine Konsequenz aus dem Recht der Medien, auch positive Produkt- oder Dienstleistungskritik zu äußern.2 Fließen in die Empfehlungen hingegen unwahre und im Sinn von § 824 BGB kreditschädigende Behauptungen über nicht berücksichtigte Wett_______________
1 Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Rechtsberatung durch die Medien oben § 22 Tz. 52 ff. 2 Oben § 22 Tz. 9.
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§ 23 Tz. 4
Recht der Darstellung – Einzelfragen
bewerbserzeugnisse oder -verfahren ein oder ergibt sich aus sonstigen Umständen der Empfehlung, insbesondere aus dem Gesichtspunkt mangelnder Neutralität deren Unzulässigkeit, so haften die Medien nach den dargestellten Grundsätzen auch im vorliegenden Zusammenhang.1 4
Keine Verletzung der Rechte nicht empfohlener Dritter stellt etwa eine mangelnde Objektivität einer Empfehlung dann dar, wenn sie sich aus der Natur der Sache ergibt oder sonstwie redaktionell hinreichend klargestellt wird. So bestehen insbesondere trotz ihrer subjektiven Ausrichtung keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass Medien etwa Autoren oder Buchhändlern Raum für die Vorstellung ihrer aktuellen Lieblingsbücher einräumen oder Redaktionen Einkaufs- bzw. Geschenktipps veröffentlichen, deren gewollte Subjektivität sie dem Leser oder Hörer hinreichend deutlich machen. Erst wo derartige Formen des Journalismus in der Verkleidung vermeintlicher Objektivität und Neutralität daherkommen oder von denen, deren Erzeugnisse empfohlen werden, in irgendeiner Weise gefördert werden,2 verlassen sie den Bereich zulässiger Ausübung redaktioneller Tätigkeit und stellen sie im Einzelfall einen Verstoß gegen § 3 UWG und gegebenenfalls eine Verletzung nicht berücksichtigter oder herabgesetzter Mitbewerber in ihrem Recht am Unternehmen dar, für die die Medien nach den allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln haften.
4a
Besonderen Beschränkungen unterliegen im Hinblick auf die Insidervorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes redaktionelle Empfehlungen von Wertpapieren. Wer etwa in einem Wirtschaftsmagazin Empfehlungen zum Kauf bestimmter Aktien ausspricht, um die Zuschauerreaktionen für sich selbst gewinnbringend auszunutzen, verwirklicht den Tatbestand des so genannten Scalping und macht sich nach den Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes gegebenenfalls strafbar. Insoweit kann auf die in anderem Zusammenhang gegebene Darstellung3 verwiesen werden. 2. Ratschläge und Handlungsanleitungen
5
Besondere Haftungsprobleme ergeben sich damit erst dort, wo Leser, Hörer oder Zuschauer sich an bestimmten redaktionellen Ratschlägen oder Handlungsanleitungen orientieren und dadurch in ihrem Vermögen oder ihrer Gesundheit geschädigt werden oder wo sie aufgrund solcher Empfehlungen anderen Schäden zufügen. Aufgerufen ist insofern die Frage nach der Haftung der Medien für die inhaltliche Richtigkeit der von ihnen veröffentlichen Beiträge gegenüber den Käufern und sonstigen Lesern ihrer Verlagserzeugnisse oder den Zuschauern oder Hörern entsprechender Fernseh- und Hörfunksendungen.
5a
Schädigungen können sich in vielfältiger Weise ergeben. So kann derjenige, der einer redaktionellen Empfehlung zum Erwerb einer bestimmten Aktie durch einen Börseninformationsdienst folgt, binnen kurzem das eingesetzte Kapital verlieren, wenn das empfohlene Unternehmen entgegen der redaktio_______________
1 Einzelheiten oben § 22 Tz. 10 und 21 ff. 2 Dazu unten § 24 Tz. 1 ff. 3 Oben § 12 Tz. 48b f.
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Redaktionelle Empfehlungen und Ratschläge
Tz. 7 § 23
nellen Prognose nicht prosperiert, sondern Insolvenz anmelden muss.1 Wer blind darauf vertraut, dass eine redaktionelle Anleitung zur Vornahme einer Kraftfahrzeugreparatur sachlich richtig ist, kann Gesundheits- und Vermögensschäden erleiden oder sie bei Dritten verursachen, wenn die Anleitung sich als falsch erweist und dies infolge Versagens des Fahrzeugs zu einem Verkehrsunfall führt. Vermögensschäden kann erleiden, wer im Vertrauen auf die redaktionelle Darstellung einer bestimmten Rechtslage danach handelt und als Folge dessen seinerseits einem Dritten schadenersatzpflichtig wird,2 und wiederum Gesundheits- und Vermögensschäden kann es verursachen, wenn sich in die redaktionelle Darstellung eines medizinischen Tests infolge eines Druckfehlers eine fehlerhafte Angabe über die Konzentration einer anzuwenden Lösung einschleicht3 und ein Leser den auf diese Weise fehlerhaften Test bei sich oder anderen anwendet. Die juristische Bewältigung der aus solchen Konstellationen resultierenden Probleme ist dadurch gekennzeichnet, dass das deutsche Deliktsrecht das Vermögen als solches in der Regel nicht als geschütztes Rechtsgut anerkennt. Das ist anders nur im Fall der Verletzung eines zum Schutz des Vermögens bestimmten Gesetzes im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB wie etwa der Betrugsund Untreuetatbestände der §§ 263 ff. StGB, deren Verletzung im vorliegenden Zusammenhang nicht in Betracht gezogen werden muss. Unmittelbar durch die Bestimmung des § 823 Abs. 1 BGB geschützt sind demgegenüber nur absolute Rechte wie das Leben, die Gesundheit, das Eigentum oder als sonstige Rechte das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am Unternehmen. Diese Tatbestände aber greifen in den angeführten Beispielsfällen nicht ein, weil es an einer primären Verletzung eines dieser speziell geschützten Rechte durch den Inhalt der redaktionellen Auskunft oder Empfehlung gerade fehlt.4 Die Gesundheit eines Hobbybastlers wird nicht unmittelbar dadurch verletzt, dass eine redaktionelle Anleitung zur Durchführung einer Kfz-Reparatur falsch ist, sondern erst dadurch, dass er sie im Vertrauen auf ihre Richtigkeit ausführt und es als weitere Konsequenz daraus zu einem Unfall kommt. Und der Kapitalanleger, der sich aufgrund einer unvertretbaren Anlageempfehlung verspekuliert, erleidet dadurch Schäden nicht an seinem Eigentum, sondern an seinem Vermögen, das nicht als absolutes Recht, sondern nur durch speziell zu seinem Schutz bestehende Gesetze oder als Folge vertraglicher Haftung geschützt ist.5
6
a) Vertragliche Haftung aa) Kaufvertrag Eine Haftung der Medien für die inhaltliche Richtigkeit der von ihnen verbreiteten Ratschläge, Meldungen und Empfehlungen nach den Regeln des _______________
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BGH NJW 1978, 997 = GRUR 1978, 380 – Börseninformationsdienst. BGH NJW 1973, 843 = GRUR 1974, 50 – Nottestament. BGH NJW 1970, 1963 – Carter-Robbins-Test. Lang, S. 82 f. Hierzu im Einzelnen Lang, S. 78 ff.; Röhl, JZ 1979, 369; Schröder, NJW 1980, 2279; Köndgen, JZ 1978, 389; Foerste, NJW 1991, 1433.
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§ 23 Tz. 8
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Kaufrechts kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht. In der Regel scheitert sie schon daran, dass zwischen den Rundfunkveranstaltern und Verlagen einerseits und dem Publikum andererseits direkte vertragliche Beziehungen nicht bestehen. Sie sind beim Hörfunk de facto ausgeschlossen, bei Fernsehen und Online-Medien nur in den Fällen entgeltlichen Abrufs im Sinn etwa des Pay-TV und bei Zeitungen und Zeitschriften nur im Fall des Abonnements und auch dort nur insoweit denkbar, als dieses nicht über zwischengeschaltete Vertriebsunternehmen bezogen wird. Bei anderen Vertriebsformen entstehen kaufvertragliche Beziehungen nur zwischen dem jeweiligen Händler und dem Käufer der Zeitung oder Zeitschrift, so dass eine vertragliche Haftung der Verlage gegenüber den Käufern schon aus diesem Grund ausscheidet. 8
Selbst im Bereich der rechtlich als Kaufverträge einzuordnenden1 Abonnementsverträge zwischen Verlag und Abonnent kommt eine Haftung des Verlegers für den Inhalt der vertriebenen Zeitung oder Zeitschrift aber in aller Regel nicht in Betracht. Sie scheitert daran, dass die gesetzliche Gewährleistungspflicht des Verkäufers nach §§ 434 ff. BGB unmittelbar nur die körperliche Beschaffenheit des gekauften Gegenstands im Sinn eines Sachmangels oder dessen Freiheit von Rechten Dritter im Sinn eines Rechtsmangels betrifft, bei Zeitungen oder Zeitschriften mithin nur in Fällen von Verschmutzung, schlechter Druckqualität oder Fehlerhaftigkeit des Papiers2 oder in dem nur theoretisch denkbaren Fall eingreift, dass das verkaufte Exemplar bereits einem Dritten gehört. Damit scheidet eine Haftung des Verlegers nach den Regeln des Kaufrechts auch dort, wo überhaupt vertragliche Beziehungen zu den Lesern bestehen, in der Regel aus. Für im Wege des Pay-TV oder entgeltlicher Online-Dienste verbreitete Informationen gilt nichts Anderes.
9
In den wenigen Fällen, in denen die Rechtsprechung unter Rückgriff auf kaufvertragliche Gesichtspunkte dennoch eine solche Haftung gegenüber einem Leser angenommen hat, handelte es sich um atypische Ausnahmekonstellationen. So hat der Bundesgerichtshof3 im Fall eines für bestimmte Adressaten konzipierten Ratgebers für die Gestaltung von Nottestamenten, der mit der Anpreisung des Verlags vertrieben wurde, der Erwerber entledige sich mit dem Erwerb jeder Sorge von Irrtümern und unabsehbaren Haftungskosten und sichere sich vor der Gefahr empfindlicher Schadenersatzansprüche, ausnahmsweise eine vertragliche Zusicherung der inhaltlichen Richtigkeit des angebotenen Werks angenommen, die gemäß damaligem4 und heutigem Recht5 zu einer Haftung des Verkäufers für Vermögensschäden führte und führt. Für redaktionelle Empfehlungen durch Medien lässt sich aber aus diesem Gedanken eine Haftung in der Regel nicht ableiten. Nur wenn sie ihre Empfehlungen mit einer ausdrücklichen Richtigkeitsgarantie versehen oder wenn sie sie in einer Weise anpreisen, die dieser in den Augen des Verkehrs gleichkommt, _______________
1 BGH 1978, 997 = GRUR 1978, 380 – Börseninformationsdienst; Lang, S. 5 ff.; Schröder, NJW 1980, 2279. 2 BGH NJW 1978, 997 = GRUR 1978, 380 – Börseninformationsdienst. 3 BGH NJW 1973, 843 = GRUR 1974, 50 – Nottestament. 4 § 463 BGB a.F. 5 §§ 435, 437 BGB.
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Redaktionelle Empfehlungen und Ratschläge
Tz. 12 § 23
wird ihre Haftung ausnahmsweise in Betracht kommen, sofern zu dem Geschädigten obendrein unmittelbare kaufvertragliche Rechtsbeziehungen bestehen. In einem anderen Fall hat der Bundesgerichtshof1 eine Haftung des Verlegers eines Börseninformationsdienstes für die inhaltliche Richtigkeit einer Anlageempfehlung bejaht und dies mit der Erwägung begründet, abweichend vom Regeltypus des Abonnementsvertrags handele es sich bei dem infrage stehenden Börseninformationsdienst um eine atypische Vertragskonstellation mit kauf- und dienstvertraglichen Elementen, weil der Verleger gegenüber den Beziehern durch die konkrete Aufmachung des Dienstes und die Werbung dafür spezielle Beratungspflichten übernommen habe, die er im konkreten Fall grob fahrlässig verletzt habe. Für diesen Informationsdienst war mit dem Hinweis geworben worden, er enthalte in jeder Ausgabe zahlreiche sorgfältig geprüfte Anlageempfehlungen, die dem Abonnenten einen Informationsvorsprung vor anderen Anlegern und erhebliche Börsengewinne ermöglichten. Auch diese Entscheidung betrifft eine Ausnahmekonstellation schon deswegen, weil es sich bei der betreffenden Publikation nicht um eine auf den üblichen Vertriebswegen verbreitete Zeitschrift, sondern um einen hochpreisigen Spezialinformationsdienst handelte, der ausschließlich im persönlichen Abonnement vertrieben wurde. Trotz der Zustimmung, die die Entscheidung im Schrifttum insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Anlegerschutzes gefunden hat,2 ist die aus ihr ersichtliche Auffassung, der Verleger hafte jedenfalls gegenüber dem Abonnenten aus der stillschweigenden Übernahme einer Beratungspflicht neben der vertraglichen Verpflichtung zur regelmäßigen Lieferung der entsprechenden Publikation, nicht über den entschiedenen Fall hinaus verallgemeinerungsfähig.3 Beim typischen Massengeschäft der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger liegt die Annahme einer derartigen Beratungspflicht außerhalb der Realität.
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Eine kaufrechtlich begründete Vertragshaftung des Verlegers für den Inhalt der Publikation scheidet daher in aller Regel auch dort aus, wo auf dem Wege eines direkten Abonnementsvertrags eine vertragliche Haftung jedenfalls theoretisch denkbar ist.
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bb) Auskunftshaftung Von unmittelbarer rechtlicher Relevanz für das Rechtsverhältnis zwischen Medien und ihren Lesern, Hörern oder Zuschauern ist demgegenüber die Bestimmung des § 675 Abs. 2 BGB. Nach ihr ist derjenige, der einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, diesem nicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der sich aus der Befolgung des Rats oder der Empfehlung ergibt, sofern nicht eine Haftung aus speziellen vertraglichen Bindungen oder den Normen des Deliktsrechts4 abzuleiten ist. Eine vertragliche Beratungs_______________
1 2 3 4
BGH NJW 1978, 997 = GRUR 1978, 380 – Börseninformationsdienst. Köndgen, JZ 1978, 389 ff. Schröder, NJW 1980, 2279. Dazu unten Tz. 16 ff.
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§ 23 Tz. 13
Recht der Darstellung – Einzelfragen
pflicht, die der Verleger zusätzlich zur vertraglichen Hauptpflicht zur regelmäßigen Lieferung des abonnierten Dienstes übernommen habe, hat der Bundesgerichtshof1 in der erwähnten Entscheidung Börseninformationsdienst angenommen. 13
Die Annahme derartiger nebenvertraglicher Beratungspflichten, die entgegen der Regel des § 675 Abs. 2 BGB zu einer Haftung der Medien führen könnten, auch für sonstige Fälle der Raterteilung oder Empfehlung durch redaktionelle Beiträge ist jedoch ohne das Hinzutreten besonderer Umstände nicht möglich. Sie kommt nur in Betracht, wenn demjenigen, der den Rat oder die Auskunft erteilt, ein rechtsgeschäftlicher Bindungswille unterstellt werden kann. Das ist mangels ausdrücklicher Absprachen insbesondere dann anzunehmen, wenn die Empfehlung oder der Rat für den Empfänger erkennbar von wesentlicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage seiner Entschlüsse machen will.2 Dies aber kann in der Regel nur angenommen werden, wenn diejenigen, denen gegenüber die Auskunft erteilt und eine Haftung erwogen wird, dem anderen Teil bekannt sind. Auf andere Personen als den Empfänger kann die Annahme eines konkludenten Auskunftsvertrags, der den Auskunft Erteilenden zur Haftung verpflichtet, allenfalls dann ausgedehnt werden, wenn der Auskunftgeber weiß, dass die Auskunft für Dritte bestimmt und für diese von erheblicher Bedeutung ist.3 Auch dann haftet der Auskunftgeber aber nicht, wenn die Auskunft, wie regelmäßig im Fall von Medienveröffentlichungen, an einen unüberschaubaren Kreis von Dritten gerichtet ist.4 Der Bundesgerichtshof5 hat daher die Annahme eines Auskunftsvertrags sogar im Fall der Herausgabe einer Gebrauchsanweisung und deren Übergabe an den Käufer einer Ware abgelehnt. Um so weniger kommt sie im Verhältnis zwischen den Medien und ihren Lesern, Hörern oder Zuschauern in Betracht.
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Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass für denjenigen, der entgegen der Regel des § 675 Abs. 2 BGB für die inhaltliche Richtigkeit seiner Auskunft oder Empfehlung haften soll, das daraus resultierende Haftungsrisiko überschaubar bleiben muss. Das trifft für die typischen, aber seltenen Fälle zu, in denen die Rechtspraxis eine Haftung trotz der Regel des § 675 Abs. 2 BGB bejaht, wie etwa Kreditauskünfte, Gutachten oder auch individuelle Anlageempfehlungen, für die Erteilung von Ratschlägen oder Auskünften durch Medien hingegen nicht. Sie sind in aller Regel nicht auf einen konkreten Sachverhalt und damit auch nicht auf ein konkretes, kalkulierbares Risiko zugeschnitten, sondern für eine unübersehbare Anzahl von Anwendungsfällen abstrakt gefasst. Sie werden auch nicht einem bestimmten oder bestimmbaren kleinen Empfängerkreis gegenüber abgegeben, sondern gegenüber einer nicht definierten und wegen der Streuwirkung von Rundfunksendungen und der üblichen Mehrfachnutzung von Druckerzeugnissen auch nicht identifizierbaren Vielzahl potenzieller Anwender. _______________
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BGH NJW 1978, 997 = GRUR 1978, 380 – Börseninformationsdienst. Palandt/Sprau, § 675 BGB Rz. 30. Palandt/Sprau, § 675 BGB Rz. 30; BGHZ 12, 105. BGH VersR 1986, 35. BGH NJW 1989, 1029.
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Redaktionelle Empfehlungen und Ratschläge
Tz. 16 § 23
Mangels Vorliegens besonderer Umstände haften die Medien damit jedenfalls für Empfehlungen oder Ratschläge im redaktionellen Teil der jeweiligen Produkte auch nach den Grundätzen der Auskunftshaftung nicht.1 Die gegenteilige Auffassung2 wird dem Normzweck des § 675 Abs. 2 BGB und der in ihm ausdrücklich angelegten Haftungsbeschränkung nicht gerecht. Anderes kann allerdings gelten, wenn derartige Vorgänge sich nicht im redaktionellen Teil abspielen, wenn vielmehr Redaktionen im Rahmen ihrer Leserservices einzelnen Interessenten auf spezifische Nachfrage hin Auskünfte oder Ratschläge erteilen. In solchen Fällen ist eine Haftung nach denselben Grundsätzen, nach denen die Rechtspraxis trotz der Grundregel des § 675 Abs. 2 BGB eine Haftung für die Richtigkeit erteilter Ratschläge oder Empfehlungen bejaht,3 auch für die Medien denkbar.
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Auch die durch die Schuldrechtsreform 2002 eingeführte Bestimmung des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB begründet keine Haftung der Medien für den Inhalt von ihnen gegebener Empfehlungen. Nach dieser Bestimmung können haftungsbegründende Vertragsbeziehungen auch zu einem Dritten entstehen, der nicht Vertragspartei wird oder werden soll, sofern er im Rahmen von Vertragsverhandlungen besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Verhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Hier geht es mithin um eine Konstellation, wie sie jedenfalls im Fall Börseninformationsdienst4 vorgelegen hat. Allerdings setzt die Haftung nach § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB voraus, dass der Dritte, mithin im Rahmen der hier erörterten Problematik der Verlag, an den Vertragsverhandlungen teilgenommen oder, sofern das nicht der Fall war, jedenfalls durch sein Verhalten dafür gesorgt hat, dass er dem Vertragspartner als derjenige erscheint, von dessen Entscheidung der Vertragsschluss abhängt.5 Mit diesen Erwägungen ließe sich selbst in der Konstellation der Börseninformationsdienst-Entscheidung die Haftung des Verlags nicht begründen; dass sie bei üblichen redaktionellen Empfehlungen nicht in Betracht kommt, liegt im Hinblick auf die genannten Haftungsvoraussetzungen auf der Hand.
15a
b) Produzentenhaftung Als Grundlage einer Haftung kommen jedoch unter Umständen die Grundsätze der so genannten Produzentenhaftung in Betracht.6 Danach haftet der Hersteller einer Ware dem Endverbraucher, der durch ihren Gebrauch geschädigt wird, unabhängig vom Bestehen vertraglicher Beziehungen, wenn sie die im Verkehr erwartete Gebrauchssicherheit nicht aufweist und der Hersteller dies unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zu vertreten hat.7 _______________
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Lang, S. 63 ff. Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 268 f. Palandt/Sprau, § 675 BGB Rz. 30 f. Oben Tz. 10. BGH NJW 2004, 2523. Foerste, NJW 1991, 1433 ff. Einzelheiten bei Palandt/Sprau, § 823 BGB Rz. 166 ff. m. Nachw.; Foerste, NJW 1991, 1433 ff.
555
16
§ 23 Tz. 17
Recht der Darstellung – Einzelfragen
17
Die Frage, ob dieses Prinzip auf den Inhalt von Verlagserzeugnissen anwendbar ist, ist vom Bundesgerichtshof1 in der, soweit ersichtlich, einzigen hierzu veröffentlichten Entscheidung verneint worden, während sie im Schrifttum umstritten ist.2 Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag ein Fall zugrunde, in dem aufgrund eines Druckfehlers die Konzentration einer chemischen Substanz um eine Zehnerpotenz zu hoch angegeben worden war, was zu einer Gesundheitsschädigung desjenigen geführt hatte, bei dem der infrage stehende Test angewendet wurde. Der Bundesgerichtshof3 ist dabei einer grundsätzlichen Entscheidung der Frage nach einer Produzentenhaftung des Verlegers von Druckschriften für deren inhaltliche Richtigkeit aus dem Weg gegangen und hat die Haftung für den konkreten Fall mit der Begründung verneint, es lasse sich anhand der Existenz lediglich eines Druckfehlers die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch den Verleger nicht feststellen. Hingegen deutet das Gericht an, dass eine Verkehrssicherungspflicht des Verlegers und damit eine Produzentenhaftung für den Inhalt von Druckwerken jedenfalls in solchen Fällen in Betracht komme, in denen es aus der Natur der Sache heraus erforderlich sei, Druckfehler durch besondere, unter Umständen aufwendige Maßnahmen mit Sicherheit zu vermeiden. Das könne etwa bei mathematischen und technischen Tabellen, baustatischen Anleitungen und im medizinischen Bereich bei Anweisungen für die Dosierung von Medikamenten und Anleitungen zur Vornahme neuer gefährlicher Eingriffe der Fall sein.
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Gegen die Anwendung der Grundsätze der Produzentenhaftung auf den Inhalt von Medienberichterstattung sprechen jedoch schon grundsätzliche Bedenken. Zeitungen und Zeitschriften wie auch Bücher unterschieden sich ihrer Art nach von sonstigen Erzeugnissen industrieller Fertigung deutlich. Sie sind in erster Linie Vermittler von Informationen und sonstigen gedanklichen Inhalten. Bei Hörfunk- und Fernsehsendungen handelt es sich schlechthin nicht um Produkte, die in den Verkehr gebracht werden und für deren Beschaffenheit der Veranstalter wie ein industrielles Erzeugnis haften könnte, sondern um Dienstleistungen. Wie sich bereits bei der kaufrechtlichen Einordnung des Problems4 gezeigt hat, sind die für Waren bestimmten Gewährleistungsnormen nur auf ihre körperliche, industriell erzeugte Beschaffenheit, nicht aber auf ihren informationellen und gedanklichen Inhalt anwendbar. Im Bereich der Produzentenhaftung kann im Prinzip nichts Anderes gelten. Da es bei der Verbreitung von Anleitungen, Ratschlägen oder Empfehlungen durch die Rundfunkmedien zudem schon am Vorliegen eines körperlichen Produkts fehlt, bei dessen Herstellung eine Verkehrssicherungspflicht verletzt werden und von dem eine Gefährdung des Benutzers ausgehen könnte, läuft die Annahme, die Grundsätze der Produzentenhaftung seien auf redaktionelle Ratschläge oder Handlungsanweisungen der Printmedien anzuwenden, im Ergeb_______________
1 BGH NJW 1970, 1963 – Carter-Robbins-Test. 2 Bejahend: Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 268 f.; Röhl, JZ 1979, 369; Foerste, NJW 1991, 1433; verneinend Lang, S. 71 ff. 3 BGH NJW 1970, 1963 – Carter-Robbins-Test; zustimmend Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 268; Foerste, NJW 1991, 1433. 4 Oben Tz. 7 ff.
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Redaktionelle Empfehlungen und Ratschläge
Tz. 20 § 23
nis darauf hinaus, dass die Presse für einen Tatbestand haftbar gemacht würde, für den eine vergleichbare Haftung des Rundfunks schlechthin nicht zu begründen ist. Rechtliche Gesichtspunkte, die eine derartige Differenzierung in der Haftung der Printmedien einerseits und der elektronischen Medien andererseits rechtfertigen oder gar gebieten könnten, sind jedoch nicht ersichtlich. Auch das Institut der Produzentenhaftung zielt im Normalfall der industriellen Fertigung von Waren auf deren unmittelbare körperliche Beschaffenheit und die von ihr ausgehenden Gefahren. Daher würde die Übertragung dieses Haftungsprinzips auf den gedanklichen Inhalt von Medienberichterstattung und damit auch auf in ihr enthaltene Handlungsanweisungen und Ratschläge im Ergebnis eine Gefährdungshaftung der Medien für die Richtigkeit der von ihnen verbreiteten Inhalte begründen, gegen die gravierende Bedenken bestehen. Sie ergeben sich nicht nur aus der Gewährleistung der Presse- und Rundfunkfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG,1 sondern schon daraus, dass die Landespressegesetze von den Medien das Bemühen um Wahrheit unter Anwendung der pressemäßigen Sorgfalt, nicht aber inhaltliche Richtigkeitsgewähr verlangen.2 Auch würde durch die Anwendung des Rechtsinstituts der Produzentenhaftung auf den Inhalt redaktionell erteilter Auskünfte, Ratschläge und Empfehlungen die Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 675 Abs. 2 BGB, nach der eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit erteilter Ratschläge oder gegebener Empfehlungen ausgeschlossen ist, in ihr Gegenteil verkehrt.3
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Auch mit den Bestimmungen des Produkthaftungsgesetzes, das für bestimmte Schäden beim Endverbraucher industriell gefertigter Güter eine verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers einführt, ist eine Haftung der Medien für die Richtigkeit von ihnen verbreiteter Ratschläge oder Handlungsanweisungen nicht zu begründen.4 Für den Rundfunk scheidet die Anwendung dieses Gesetzes wie schon diejenige der deliktsrechtlichen Grundsätze der Produzentenhaftung schon deswegen aus, weil es sich bei Hörfunk- oder Fernsehsendungen nicht um fehlerhafte Sachen handelt, an deren Produktion das Gesetz anknüpft.5 Aber auch die Anwendung dieses Gesetzes auf die Printmedien kommt nicht in Betracht. Denn die Fehler, um die es im vorliegenden Zusammenhang geht, betreffen, wie bereits im Rahmen der kaufrechtlichen Erörterung gezeigt,6 auch bei den Printmedien nicht die Substanz der gelieferten Ware, mithin Papier und Druck, sondern den Inhalt der von ihr übermittelten Informationen, die, wie beim Rundfunk, auch bei den Printmedien als Dienstleistung anzusehen sind.7
20
_______________
1 Vgl im Einzelnen Lang, S. 71 ff.; für Art. 5 Abs. 3 GG Foerste, NJW 1991, 1433 m. Nachw. 2 Oben § 2 Tz. 9 ff. 3 Zum Zusammenhang zwischen der deliktsrechtlichen Beurteilung nach den Grundsätzen der Produzentenhaftung und dem Regelungsgehalt des § 675 Abs. 2 BGB, jedoch mit anderem Ergebnis vgl. auch Wenzel/Burkhardt, Kap. 10 Rz. 269. 4 Vgl. zu diesem Problemkreis Cahn, NJW 1996, 2899 ff. 5 §§ 2 Satz 1, 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG. 6 Oben Tz. 7 ff. 7 Foerste, NJW 1991, 1433, 1439.
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§ 23 Tz. 21 21
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Für redaktionelle Ratschläge und Handlungsanleitungen bleibt es daher dabei, dass eine Haftung der Medien prinzipiell nur in Betracht kommt, wenn sie sich aus allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen ergibt.1 Haftungsvoraussetzung ist daher, dass die Medien durch die Verbreitung ihrer Empfehlungen im Einzelfall ausnahmsweise ein Schutzgesetz verletzen oder unmittelbar in absolut geschützte Rechte Dritter eingreifen. Eine darüber hinausgehende Haftung speziell für den Inhalt von Empfehlungen oder Ratschlägen wird man nur in den Ausnahmefällen annehmen können, in denen sich aus der Art ihrer Präsentation Anhaltspunkte für eine jedenfalls konkludente Richtigkeitsgewähr2 oder, wie etwa im Fall der Erteilung individuellen Rats, für die Übernahme einer besonderen vertraglichen Haftung3 ergeben.
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1 Lang, S. 77. 2 BGH NJW 1973, 843 = GRUR 1974, 50 – Nottestament. 3 BGH NJW 1978, 997 = GRUR 1978, 380 – Börseninformationsdienst.
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§ 24 Redaktionelle Arbeit und Werbung Unter den ökonomischen und gesellschaftlichen Realitäten der heutigen Zeit ist die Tätigkeit der Medien ohne Werbung nicht denkbar. Nur wenige sehr speziell ausgerichtete Zeitschriften treten mit dem Anspruch an, ihre Arbeit ausschließlich aus Vertriebserlösen zu finanzieren und daher auf Erträge aus der Werbung ganz zu verzichten, und noch wenigere werden ein derartiges Konzept über längere Zeit durchhalten. Die Rechtsordnung hat dem stets Rechnung getragen. So entspricht es der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass sich der verfassungsrechtliche Schutz der Presse nicht auf deren redaktionelle Arbeit beschränkt, dass er die Akquisition und Verbreitung von Werbung vielmehr ausdrücklich einschließt.1 Dass auch Hörfunk und Fernsehen heute nicht mehr ohne Erträge aus der Werbung auskommen, zeigen die Entwicklung des privaten Rundfunksystems während der letzten drei Jahrzehnte ebenso wie die nicht enden wollenden Auseinandersetzungen über Art und Höhe der Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks und damit zusammenhängend die Verteilung der Werbeeinnahmen auf die privaten und öffentlichrechtlichen Anbieter von drahtloser Werbung. Die namentlich während des letzten Jahrzehnts ständig ausgeweiteten Informationsangebote im Internet schließlich wären ohne Werbeerlöse nicht denkbar, selbst wenn sie in vielen Fällen zusätzlich durch die häufig vorhandenen Trägermedien quer subventioniert werden.
1
Auf die hiermit nur angedeutete medienwirtschaftliche Problematik kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Der Kampf um das als lebensnotwendig zu bezeichnende Werbeaufkommen wird jedoch nicht nur in den und durch die Anzeigen- und Marketingabteilungen der Medienunternehmen ausgetragen. Er macht vor den Redaktionstüren keineswegs halt. Im Gegenteil, in der Praxis insbesondere, aber nicht ausschließlich, kleinerer Presseunternehmen, des privaten Rundfunks und vieler Online-Dienste ergeben sich vielfältige Anfechtungen und Versuchungen, und die Aufmerksamkeit namentlich der für wettbewerbsrechtliche Probleme zuständigen Gerichte, der einschlägig interessierten Fachverbände und Juristen sowie der Landesmedienanstalten als der Kontrollinstanzen des privaten Rundfunks für die hiermit angesprochene Thematik2 ist in den letzten Jahren ständig gestiegen.
2
Das Grundprinzip ist einfach. Zwar dürfen und müssen die Medien sich redaktionell mit Angelegenheiten der gewerblichen Wirtschaft, mit ihren Produkten und Dienstleistungen befassen und ihre Leser, Hörer und Zuschauer auch in diesem Bereich umfassend unterrichten. Indem sie das tun, erfüllen sie ihren publizistischen Auftrag und handeln sie unter dem Schutz der Gewährleistung der Presse- und Rundfunkfreiheit. Die Absicht, fremden Wettbe-
3
_______________
1 BVerfG NJW1967, 976 – Südkurier. 2 Gegenstand dieses Kapitels sind Fragen der Gestaltung, Aufmachung und Platzierung von Werbung und deren Verschleierung; zu den Wechselbezügen zwischen der Berichterstattungsfreiheit der Medien und den durch das Wettbewerbsrecht beeinflussten Einschränkungen der Berichterstattung oben § 22 Tz. 1 ff.
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§ 24 Tz. 3a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
werb zu fördern, oder geschäftliches Handeln im Sinn von § 3 UWG n.F. darf ihnen bei ihrer redaktionellen Tätigkeit insoweit nicht unterstellt werden, sofern sie die von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen nicht überschreiten.1 3a
Für die in Deutschland tätige Presse gilt jedoch ein striktes Gebot der Trennung von redaktionellem Teil und Werbung. Abgestufte, aber im Prinzip vergleichbare Regelungen für den Rundfunk enthalten die einschlägigen Staatsverträge und Landesmediengesetze. Nr. 11 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG in der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung definiert den „… vom Unternehmer finanzierten Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt,“
erstmals medienübergreifend als „als Information getarnte Werbung“ und damit als gemäß § 3 UWG unlautere geschäftliche Handlung. Nach § 4 Nr. 3 UWG handelt ferner unlauter, „wer den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert.“
Mit diesen Bestimmungen kodifiziert das Gesetz freilich nur, was auf Grund medienrechtlicher Bestimmungen sowie einer umfangreichen wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung seit jeher gilt. 3b
Problemfelder und Grauzonen beschäftigen die Gerichte dennoch seit Jahrzehnten. Allerdings liegen die tatsächlichen und ihnen folgend die rechtlichen Verhältnisse der Printmedien einerseits und der Medien Hörfunk und Fernsehen andererseits nur zum Teil identisch, so dass im vorliegenden Zusammenhang zwischen beiden Mediengruppen Differenzierung geboten ist. Hinzu kommen nun in jüngster Zeit einige wenige neuartige Probleme der Handhabung der hier angesprochenen Thematik im Internet.2 1. Presse
4
Den Rechtsgrund für das Prinzip der strikten Trennung von redaktionellem Teil und Anzeigen bildeten für die Printmedien vor dem Inkrafttreten der Neufassung des UWG am 1. Januar 20093 in erster Linie die nach wie vor geltenden Bestimmungen der Landespressegesetze.4 Sie bestimmen, in leicht voneinander abweichenden Formulierungen, dass der Verleger, der für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhält, fordert oder sich versprechen lässt, diese Veröffentlichung deutlich mit dem Wort Anzeige kennzeichnen muss, „… soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist“.5 _______________
1 Einzelheiten oben § 22 Tz. 3 ff. 2 Unten Tz. 54. 3 Zur Bezeichnung der im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des UWG und der daraus resultierenden heute maßgeblichen Terminologie vgl. § 22 Tz. 3. 4 Jeweils § 10; in Bayern, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Schleswig-Holstein§ 9; in Brandenburg § 11, in Rheinland-Pfalz und Saarland § 13. 5 So z.B. § 10 LPG Nordrhein-Westfalen; OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 1133.
560
Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 5 § 24
Damit herrscht hinsichtlich des Prinzips zunächst Klarheit. Wer als Verleger Werbung veröffentlicht, ohne sie entweder durch die deutlich sichtbare Hinzufügung des Worts Anzeige als solche kenntlich zu machen oder auf anderem Wege – etwa durch Umbruch und Layout – für hinreichend klare Trennung vom redaktionellen Teil zu sorgen, verstößt seit jeher gegen die genannten Bestimmungen der Landespressegesetze; der Verstoß gilt als Ordnungswidrigkeit,1 die allerdings erfahrungsgemäß in der Praxis fast niemals als solche verfolgt und geahndet wird. Er verstößt ferner gegen die Richtlinien, die der Zentralausschuss der Werbewirtschaft zusammen mit Journalisten- und Verlegerverbänden bereits vor Inkrafttreten der Landespressegesetze aufgestellt hat2 und die heute mit Recht als eine Art Standesrecht der Presse bezeichnet werden.3 Der Deutsche Presserat teilt diese Auffassung und konkretisiert sie in Ziffer 7 des Pressekodex: „Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.“
Ausdrücklich heißt es in den dazu erlassenen Richtlinien obendrein: „Werbetexte, Werbefotos und Werbezeichnungen sind als solche kenntlich zu machen.“4
Das Bundesverfassungsgericht5 schließlich hat entschieden, dass das Gebot der Trennung von redaktionellen Inhalten und Werbung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und insbesondere nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG verstößt. Es gilt auch für Anzeigenblätter, sofern diese entsprechend dem Regelfall über einen redaktionellen Teil verfügen.6
4a
Verstöße gegen dieses Prinzip bleiben auch nicht sanktionslos. Sie sind vielmehr nach der nunmehr ausdrücklichen Regel in § 4 Nr. 3 UWG sowie in Nr. 11 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG zugleich ein Verstoß gegen das Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen im Sinn von § 3 UWG.7 Das gilt ent-
5
_______________
1 Vgl. etwa § 23 Abs. 1 Nr. 2 LPG Nordrhein-Westfalen und die entsprechenden Bestimmungen der übrigen Landespressegesetze. 2 ZAW-Richtlinien für redaktionelle Hinweise in Zeitschriften und Zeitungen sowie Richtlinien für redaktionell gestaltete Anzeigen in der Fassung v. 1.1.2003; abgedruckt u.a. bei Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Anhang Nr. 20. 3 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Einl. UWG Rz. 2 37; Löffler/Ricker, Kap. 14 Rz. 19; OLG Frankfurt/Main AfP 1984, 240. 4 Richtlinie 7.3 zu den Publizistischen Grundsätzen (Pressekodex), abgedruckt in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008 S. 148 ff. 5 BVerfG AfP 2006, 39 = NJW 2005, 3201 = ZUM-RD 2006, 7. 6 OLG Hamm AfP 2008, 513. 7 BGH AfP 1974, 618 = NJW 1974, 1141 = GRUR 1975, 75 – Wirtschaftswerbung/public relations; BGH AfP 1981, 458 = NJW 1981, 2572 = GRUR 1981, 835 – Getarnte Werbung I; BGH AfP 1997, 795 = NJW 1997, 2679 = WRP 1997, 1050 – Die Besten I; BGH AfP 1997, 797 = NJW 1997, 2681 = WRP 1997, 1053 – Die Besten II; Hefermehl/ Köhler/Bornkamm, Anl. zu § 3 III UWG Rz. 11.1 ff.; Löffler/Ricker, Kap. 14 Rz. 19; Kübler, AfP 1988, 309, 314; Groß, AfP 1993, 548 ff.; Einzelheiten bei Gröning, WRP 1993, 685.
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§ 24 Tz. 6
Recht der Darstellung – Einzelfragen
gegen einer in der Rechtsprechung1 vereinzelt vertretenen These auch nicht etwa nur für Tageszeitungen herkömmlicher Art, sondern gleichermaßen für die sonstige Presse. Erscheint also dieses durch gesetzliche Bestimmungen und gleichlaufende Standesüberzeugungen gesicherte Prinzip als solches klar und eindeutig, so bedeutet das jedoch ebenso wenig, dass es in der Praxis durchgängig befolgt wird, wie es die Feststellung rechtfertigt, es ergäben sich bei seiner Umsetzung in der täglichen Arbeit keine rechtlichen Probleme. Das Gegenteil trifft zu, wie anhand der im Folgenden dargestellten Fallgestaltungen zu zeigen ist. a) Redaktionelle Werbung 6
Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass Unternehmen oder Verbände versuchen, Anzeigenwerbung als redaktionell verbrämte Pseudo-Berichterstattung zu gestalten und die Presse dazu zu veranlassen, derartige Beiträge in ihre Publikationen einzurücken. Geschieht dies ohne jede Kennzeichnung, so liegt der Verstoß gegen die dargestellten Prinzipien auf der Hand.2 Das gilt nicht nur bei der heute von Nr. 11 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG erfassten versteckten redaktionellen Werbung für Erzeugnisse Dritter, sondern gleichermaßen für die getarnte Werbung eines Verlags für eigene geschäftliche Angebote unter dem Deckmantel positiver Berichterstattung, und zwar unabhängig davon, ob das positiv besprochene Unternehmen für derartige Beiträge ein Entgelt entrichtet oder nicht.3 Berichtet etwa ein Gesundheitsmagazin nahezu ausschließlich über Produkte eines einzelnen Arzneimittelproduzenten, dessen als solche gekennzeichnete Anzeigen nahezu den gesamten Anzeigenteil des betreffenden Hefts bestücken, dann liegt ein Fall unlauterer getarnter Werbung auch dann vor, wenn das so geförderte Unternehmen neben den Insertionshonoraren nicht auch noch eine Vergütung für die Berichterstattung bezahlt.4 Darüber hinaus können die Grundsätze des Verbots der getarnten redaktionellen Werbung u.U. auch dann eingreifen, wenn der als redaktioneller Beitrag erscheinende Text nicht von der Presse, sondern vom Hersteller des darin beschriebenen Produkts verfasst worden ist.5 Und kündigt eine Zeitschrift auf der Titelseite plakativ einen Persönlichkeitstest an, um dem Leser erst im Heftinneren zu offenbaren, dass er daran nur teilnehmen kann, wenn er einem Drittunternehmen ein Entgelt dafür bezahlt, dann ist auch das ein Fall verschleierter Werbung.6
7
Das strikte Gebot der Kenntlichmachung von Anzeigen wird auch verletzt, wenn der präzise Begriff der Anzeige vermieden und stattdessen ein weicherer wie etwa Wirtschaftsanzeigen/public relations, PR-Mitteilung, PR-Anzeige _______________
1 OLG Hamm GRUR 1986, 172. 2 OLG München AfP 1997, 915 = NJWE-WettbR 1996, 218; OLG Hamburg, AfP 1997, 806. 3 BGH GRUR 1968, 382 – Favorit II; OLG Düsseldorf AfP 1988, 354; OLG München NJW-RR 1996, 1132; Einzelheiten schon oben § 22 Tz. 16. 4 LG München I WRP 2006, 284. 5 OLG Köln AfP 2004, 136; vgl. dazu oben § 7 Tz. 35 ff. 6 OLG Hamburg AfP 2002, 324 = NJW-RR 2002, 687 = ZUM-RD 2002, 438 = GRURRR 2002, 260.
562
Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 10 § 24
oder Promotion gewählt wird.1 Die Rechtsprechung2 hat diese Art von Aufweichungsversuchen bisher stets zurückgewiesen und in allen genannten Fällen gefordert, dass entsprechend der Vorgabe durch die Landespressegesetze der Begriff Anzeige als solcher Verwendung findet, wo sich der AnzeigenCharakter einer Veröffentlichung nicht schon aus den sonstigen Umständen klar ergibt. Auch die häufig zu beobachtende Vorstellung, es fehle am Merkmal der entgeltlichen Veröffentlichung von als solcher nicht gekennzeichneter Werbung, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Veröffentlichung und dem Entgelt im Einzelfall nicht hergestellt werden kann, ist in den meisten Fällen verfehlt. So ändert es am Merkmal der Entgeltlichkeit und damit an der Gesetzeswidrigkeit einer nicht als solche gekennzeichneten Werbepublikation nichts, wenn das Entgelt nicht für die einzelne Veröffentlichung gewährt wird, der Werbungtreibende sich vielmehr stattdessen verpflichtet, den Verleger bzw. eine ihm nahestehende Institution mit vorgeblich neutralen Zuwendungen wie Spenden, Mitgliedsbeiträgen o.ä. zu unterstützen, wenn seine als redaktionelle Beiträge getarnte Werbung in regelmäßigen bzw. unregelmäßigen Abständen unentgeltlich veröffentlicht wird. Derartige Absprachen sind etwa in der häufig als public relations bezeichneten Zusammenarbeit zwischen gewerblichen Unternehmen und Verbänden festzustellen, deren Publikationsorgane vereinbarungsgemäß zur vertriebsfördernden Berichterstattung über die Erzeugnisse des jeweiligen Partners eingesetzt werden. Auch solche Vereinbarungen oder faktischen Kooperationen verstoßen gegen das Gebot der Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen.
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Wo finanzielle oder sonstige geldwerte Zuwendungen fehlen, begründet andererseits die Tatsache allein noch nicht den Vorwurf versteckter redaktioneller Werbung, dass ein Beitrag von einem darin erwähnten Unternehmen selbst oder von der von ihm beauftragten Werbeagentur stammt.3 Ist dessen Inhalt allerdings nicht neutral, sondern deutlich vom Bestreben gekennzeichnet, das infrage stehende Erzeugnis nach Art einer Anpreisung hervorzuheben, dann ist die Veröffentlichung eines zugelieferten Beitrags als Verstoß gegen § 3 UWG unzulässig.4
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b) Mischformen Schwierigkeiten bereiten und zunehmend die Aufmerksamkeit der Wettbewerbsverbände und -juristen erwecken aber vor allem verschiedene Formen _______________
1 BGH AfP 1974, 618 = NJW 1974, 1141 = GRUR 1975, 75 – Wirtschaftsanzeigen/ public relations; OLG München AfP 1997, 801 = NJW-RR 1996, 1132; ZAW-Richtlinien für redaktionell gestaltete Anzeigen Nr. 6. 2 BGH AfP 1996, 375 = NJW 1996, 2580 = GRUR 1996, 791 = WRP 1996, 892 – Editorial II; BGH GRUR 1975, 75; OLG Hamburg WRP 1972, 89; OLG Düsseldorf WRP 1979, 165; vgl. auch Hdb. d. WettbR/Helm, § 53 Rz. 53; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rz. 3.21. 3 BGH AfP 1994, 141 = GRUR 1994, 445 = WRP 1994, 400 – Beipackzettel; dazu oben § 7 Tz. 35 ff. 4 OLG Saarbrücken AfP 1988, 135.
563
10
§ 24 Tz. 11
Recht der Darstellung – Einzelfragen
der rechtlichen oder auch nur faktischen Koppelung von entgeltlicher – und entsprechend gekennzeichneter – Anzeigenveröffentlichung und begleitender redaktioneller Berichterstattung. Die Gerichte begegnen derartigen Konstellationen im Allgemeinen mit großer Skepsis und tendieren im Einzelfall dazu, in ihnen Verstöße gegen das Trennungsprinzip und damit gegen die Bestimmung des § 3 UWG zu sehen. 11
Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Problemkreises ist jedoch wiederum Differenzierung geboten. Die Berichterstattung über wirtschaftliche Fragen einschließlich derjenigen über Produkte und Unternehmen ist eine originäre und durch Art. 5 Abs. 1 GG in gleicher Weise geschützte Aufgabe wie diejenige über politische, weltanschauliche oder gesellschaftliche Fragen.1 Es geht daher nicht an, die wettbewerbsrechtliche Unzulässigkeit von Presseberichten aus der bloßen Tatsache abzuleiten, dass in einem bestimmten räumlichen, zeitlichen oder gestalterischen Zusammenhang Anzeigen veröffentlicht werden, die sachlich zur Berichterstattung passen.2
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Zwei Leitsätze älterer gerichtlicher Entscheidungen verdeutlichen die Problematik anschaulich. So vertritt das Kammergericht die Auffassung: „Hat eine Lokalzeitung einen aktuellen publizistischen Anlass, auf ein ortsansässiges gewerbliches Unternehmen und seine Erzeugnisse/Leistungen hinzuweisen (etwa bei einer Geschäftseröffnung oder einer bevorstehenden Modenschau), und entsteht durch den Zeitungsbeitrag eine gewisse Werbewirkung, so ist ein Verstoß gegen § 1 UWG auch dann nicht ohne Weiteres gegeben, wenn in derselben Zeitungsausgabe an anderer Stelle eine bezahlte Werbeanzeige des betreffenden Unternehmens veröffentlicht wird.“3
Das Oberlandesgericht Frankfurt andererseits formuliert: „Wird einem Anzeigenblatt untersagt, in redaktionell gestalteten und nicht als Anzeigen kenntlich gemachten Beiträgen für einzelne Unternehmen zu werben, so ist damit nicht nur ein Verhalten erfasst, bei welchem bezahlte Werbeanzeigen als redaktionelle Beiträge aufgemacht werden, sondern auch ein Verhalten, bei welchem eine unbezahlte Berichterstattung, die von dem Anzeigenblatt ausgeht, die sachliche Information des Lesers so in den Hintergrund treten lässt, dass sie in Reklame abgleitet.“4
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Mit diesen Leitsätzen sind nicht nur faktische Erscheinungsformen angesprochen, denen der Zeitungsleser – und namentlich der Leser von Anzeigenblättern und Lokalberichterstattung, bei denen derartige Fallgestaltungen schon der Natur der Sache nach häufiger zu beobachten sein werden als bei der überregionalen Tages- und Magazinpresse – begegnet. Sie kennzeichnen auch den weiten Bogen der Möglichkeiten, die die Rechtsprechung nutzt, um einerseits – so im ersten Fall – der Presse einen gewissen Freiraum zu erhalten und andererseits – so die zweite Entscheidung – dem Gebot derLauterkeit des _______________
1 Oben § 22 Tz. 1 ff. 2 BGH AfP 1993, 735 = GRUR 1992, 463 = WRP 1992, 378 – Anzeigenplatzierung. 3 KG AfP 1987, 697; vgl. auch BVerfG NJW 2003, 277 = ZUM-RD 2003, 1 = WRP 2003, 69 – Juve-Handbuch; BGH AfP 1998, 221; OLG München NJW 2003, 1534 = GRUR 2003, 719 – Juve-Handbuch; LG Köln, NJW-RR 1996, 1131 = WRP 1996, 459 = AfP 1996, 387. 4 OLG Frankfurt/Main AfP 1988, 59.
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Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 15 § 24
Wettbewerbs auch gegenüber Presseberichterstattung zur Geltung zu verhelfen. Es erscheint kaum möglich, für dieses Konfliktfeld allgemeinverbindliche Leitlinien zu formulieren. Die Möglichkeiten, deren sich die Werbung treibende Wirtschaft, aber auch namentlich kleinere Zeitungen und Anzeigenblätter bedienen, um sich an den Schranken des Verbots der verschleierten Werbung vorbei Nischen zu erschließen, erscheinen zu vielfältig. In der Praxis hat sich jedoch eine Reihe von Fallgruppen herausgebildet, die eine gewisse Systematisierung ermöglicht. aa) Koppelung Ausdrücklich vereinbarte, rechtlich abgesicherte Koppelungen, die früher gegen die Bestimmungen der Zugabeverordnung verstießen, sind daher auch nach deren Aufhebung im Jahr 20011 verboten. Wo im Rahmen eines Insertionsauftrages vereinbart wird, dass in derselben Ausgabe einer Zeitung oder Zeitschrift oder aber auch später eine positive, inhaltlich abgestimmte Berichterstattung über das inserierte Produkt oder die inserierte gewerbliche Leistung veröffentlicht wird, liegt ein klarer Verstoß gegen das Gebot der Trennung von redaktioneller Berichterstattung und Werbung vor.2 Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die begleitende Berichterstattung von der Redaktion des betreffenden Blatts selbst erarbeitet oder ob sie – wie vielfach üblich – vom Inserenten gleich mit der Anzeige zur Veröffentlichung eingereicht wird. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg3 lag eine seinerzeit noch ausdrücklich gesetzlich verbotene Zugabe in diesem Sinn selbst dann vor, wenn die Veröffentlichung eines die Anzeige positiv begleitenden redaktionellen Artikels zwar nicht bei Abschluss des Insertionsvertrags ausdrücklich vereinbart wurde, wenn sie aber vom Inserenten auf Grund der Veröffentlichungspraxis des betreffenden Verlages erwartet werden konnte.
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Nach heutiger Rechtslage gilt nichts Anderes. Denn der Sinn der gesetzlichen Bestimmungen über das Gebot der Kenntlichmachung entgeltlicher Veröffentlichungen liegt nicht nur im Schutz der Unabhängigkeit der Redaktionen vor Einflussnahmen wirtschaftlicher und politischer Gruppierungen, die mit dem verfassungsrechtlichen Verständnis der Pressefreiheit nicht vereinbar wären.4 Durch das Trennungsprinzip soll vielmehr vor allem der Leser vor Irreführung,5 soll also in erster Linie sein Vertrauen darauf geschützt werden, dass die Presse ihre Informationsaufgabe auch im Bereich der Wirtschafts- und Produktberichterstattung im Rahmen des Möglichen objektiv erfüllt und sich nicht aus wirtschaftlichen Gründen und für den Leser unerkennbar vor den Karren einseitiger Unternehmer- oder Inserenteninteressen spannen lässt.
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_______________
1 Gesetz zur Aufhebung der Zugabeverordnung und Anpassung weiterer Rechtsvorschriften v. 23.7.2001, BGBl. I, 1661. 2 BGH AfP 1993, 735 = GRUR 1992, 378 = WRP 1992, 378 – Anzeigenplatzierung; BGH AfP 1994, 136 = NJW-RR 1994, 872 = GRUR 1994, 441 – Kosmetikstudio; OLG München NJWE-WettbR 1996, 243; Fuchs, GRUR 1988, 736. 3 OLG Hamburg NJW-RR 1988, 1258; OLG Hamburg AfP 1990, 215. 4 Löffler/Ricker, Kap. 14 Rz. 2. 5 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rz. 3.20.
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§ 24 Tz. 16
Recht der Darstellung – Einzelfragen
bb) Bezahlte Berichterstattung 16
Keine rechtlichen Probleme bereiten auch Fälle, die in der Praxis ebenfalls vorkommen, sich aber in der Regel schwer nachweisen lassen. Wo Unternehmen Geld oder geldwerte Leistungen einsetzen, um die Presse zu einer bestimmten, positiven Berichterstattung zu veranlassen, ist das Verbot der bezahlten Berichterstattung offensichtlich überschritten, und zwar unabhängig davon, ob die betreffenden Zuwendungen dem Verlag oder dem berichtenden Autoren zufließen.1 Das gilt auch dann, wenn bezahlte redaktionelle Berichterstattung formal als Anzeige bezeichnet, dies aber wegen der konkreten Aufmachung des Beitrags von relevanten Teilen der Leser nicht wahrgenommen wird. So sind etwa redaktionell aufgemachte Einkaufstipps einer mit ihrem Namen zeichnenden Redakteurin wettbewerbswidrig und damit unzulässig, wenn die Inhaber der besprochenen Geschäfte dafür bezahlen, dass sie in die betreffende Rubrik aufgenommen werden.2 Hingegen liegt es im Rahmen zulässiger Wirtschaftsberichterstattung, subjektiv gewonnene und als solche gekennzeichnete Einkaufstipps oder etwa Buch- oder Restaurantempfehlungen zu veröffentlichen, wenn dies in eigener redaktioneller Verantwortung und ohne finanzielle oder sonstige wirtschaftliche Gegenleistung des rezensierten Unternehmens oder Anbieters geschieht.
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Wo die Gegenleistung für bezahlte Berichterstattung nicht dem Verleger zufließt, sondern einzelnen Redakteuren und dies für den Verleger nicht erkennbar ist, stellen die zugrunde liegenden Vereinbarungen Verstöße gegen das Verbot der Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB dar und sind sie aus diesem Grund nichtig. Dass derartige Berichterstattung, würde sie im Einzelfall entdeckt, unter Berufung auf § 3 UWG verboten würde, ist nicht zweifelhaft. Der Leser wird auch in solchen Fällen darüber getäuscht, dass etwa ein positiver Bericht über einen Urlaubsort oder über ein extravagantes Automobil nicht das Ergebnis eigener objektiver Überzeugungsbildung der Redaktion, sondern stattdessen Folge der Tatsache ist, dass der betreffende Redakteur mit seiner Familie dort einen Gratisurlaub verbringen bzw. sich des unentgeltlichen Gebrauchs des betreffenden PKW erfreuen durfte. Der Deutsche Presserat hat daher mit vollem Recht in Richtlinie 15.1 zum Pressekodex festgestellt, dass die Annahme von Geschenken oder Einladungen, deren Wert das im gesellschaftlichen Verkehr übliche und im Rahmen der beruflichen Tätigkeit notwendige Maß übersteigt, eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des betreffenden Journalisten und damit des Verlags darstellt, die zu missbilligen ist. Darauf beruhende und in der Regel positive Berichterstattung oder Kritik ist daher stets wettbewerbswidrig. cc) Umfeldgestaltung
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Größere rechtliche Schwierigkeiten als eindeutige Koppelungen oder bezahlte Berichte bereiten der Praxis die Mischfälle, die zum Teil jenseits klarer ver_______________
1 Publizistische Grundsätze (Pressekodex) Nr. 15, abgedruckt in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008, S. 148 ff. 2 OLG Karlsruhe AfP 1989, 462; unklar insoweit OLG München WRP 1992, 199 – Redaktionelle Anzeige.
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Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 20 § 24
traglicher Absprachen angesiedelt sind und die heute zunehmend unter dem Stichwort des Product Placement erörtert werden – einem Stichwort, das allerdings im Bereich von Hörfunk und vor allem Fernsehen größere Aufmerksamkeit findet.1 In der oben zitierten Entscheidung hat das Kammergericht2 mit Recht entschieden, dass aus der bloßen thematischen Nähe einer Anzeige zu einem dazu passenden redaktionellen Bericht noch nicht dessen Wettbewerbswidrigkeit abgeleitet werden kann. Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, die vertragsgemäße Veröffentlichung einer bezahlten und als solche gekennzeichneten Anzeige und eines thematisch dazu gehörenden redaktionellen Beitrags auf derselben Seite bzw. auf zwei vorhergehenden oder folgenden Seiten stelle per se einen Verstoß gegen § 3 UWG dar.3 Als wettbewerbswidrig wird auch der redaktionelle Hinweis auf den guten Ruf bestimmter Restaurants in Verbindung mit der Anregung angesehen, sie aus bestimmtem Anlass aufzusuchen, wenn in räumlichem Zusammenhang damit Anzeigen der betreffenden Restaurants veröffentlicht werden.4 Gleiches gilt im Rahmen der Bildberichterstattung für die Abbildung einer Szene aus einem Spiel der Fußballbundesliga, in der im Wesentlichen die Frontalansicht eines Spielers mit dem deutlich sichtbaren Sponsorenlogo auf dem Trikot zu sehen ist, wenn unmittelbar daneben eine gewerbliche Anzeige desselben Sponsoren veröffentlicht wird.5
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Der verbotene enge Zusammenhang zwischen Berichterstattung und Werbung kann aber auch auf andere Weise hergestellt werden, wie z.B. durch Text und Abbildung.6 Das Oberlandesgericht Hamburg7 etwa hat in der Gestaltung des Titelblattes einer Jugendzeitschrift in enger optischer Anlehnung an die Gestaltung einer auf der hinteren äußeren Umschlagseite desselben Hefts abgedruckten Anzeige einen Fall unlauterer verschleierter Werbung gesehen. Generelle Abgrenzungskriterien lassen sich kaum aufstellen. Stets kommt es auf die Gesamtumstände des einzelnen Falls an. So muss es nicht unbedingt wettbewerbswidrig sein, wenn eine nicht ausdrücklich als solche gekennzeichnete Anzeige neben einer fettgedruckten Überschrift und einem hervorgehobenen Produktnamen auch Fließtextanteile und damit eine Gesamtanmutung hat, die einem redaktionellen Beitrag jedenfalls nahe kommt.8
19a
Gerichte9 sprechen andererseits sogar das Verbot einer positiven, reklamehaften redaktionellen Berichterstattung über einzelne Unternehmen oder deren gewerbliche Angebote bereits dann aus, wenn sie in Erwartung künfti-
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1 Dazu unten Tz. 31 ff. 2 KG AfP 1987, 697; oben Tz. 12; vgl. auch OLG Köln AfP 1996, 387 = NJW-RR 1996, 1131 = WRP 1996, 459. 3 OLG Hamburg NJW-RR 1988, 1258; OLG Hamburg AfP 1990, 215; OLG Karlsruhe AfP 1995, 670. 4 OLG München AfP 1990, 56. 5 KG AfP 1994, 313. 6 OLG München AfP 1997, 801. 7 OLG Hamburg AfP 2004, 126 = NJW-RR 2004, 196 = ZUM-RD 2004, 20. 8 OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 1133. 9 OLG Frankfurt/Main AfP 1988, 59; OLG Düsseldorf AfP 1987, 418.
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§ 24 Tz. 21
Recht der Darstellung – Einzelfragen
ger Insertionsaufträge erfolgt. Selbst wenn das nicht der Fall ist, kann die einseitige Hervorhebung nur eines einzelnen Anbieters im Rahmen redaktioneller Berichterstattung einen Verstoß gegen das Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen darstellen.1 Auch wenn nur ein Inserat eines Unternehmens, dessen Angebote oder gewerbliche Leistungen redaktionell besprochen werden, in derselben Ausgabe der Publikation erscheint wie der Bericht, soll das nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg2 bereits einen Wettbewerbsverstoß darstellen, und zwar unabhängig davon, ob dem eine vertragliche Absprache zu Grunde liegt oder nicht, sofern nicht der redaktionelle Bericht durch publizistische Anlässe wie Firmenjubiläen, Geschäftseröffnungen oder Inhaberwechsel veranlasst ist. 21
So weit wird man allerdings nicht gehen können, ohne die Presse in unzulässiger Weise in ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit der Berichterstattung zu beeinträchtigen.3 Es entspricht vielmehr langjährig bewährter Praxis der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, bestimmte Ausgaben oder bestimmte Teile ihrer Publikationen bestimmten Themenkreisen zu widmen und darauf in der Anzeigenakquisition auch hinzuweisen. Zu denken ist etwa an Sonder- oder Spezialhefte zu bestimmten wirtschaftlichen Themen wie Bürokommunikation oder Hafenwirtschaft, an die traditionell in Zeitungen erscheinenden Reiseteile oder an Themenhefte, wie sie nicht selten von Magazinen mit bestimmten inhaltlichen Schwerpunkten angeboten werden. Das Interesse der Werbung treibenden Wirtschaft, durch Insertion gerade in derartigen Spezialausgaben oder -teilen das Augenmerk derjenigen Leser auf sich zu ziehen, die an der betreffenden Thematik besonders interessiert sind und daher auch als Nachfrager der angebotenen Waren oder Dienstleistungen in erster Linie in Betracht kommen, ist prinzipiell legitim. Aus der bloßen Tatsache etwa, dass eine Automobilanzeige in einer Automobilzeitschrift erscheint, die sich mit der inserierten Marke auch thematisch befasst, kann daher entgegen den dargestellten Tendenzen der Rechtsprechung ebenso wenig auf die Wettbewerbswidrigkeit der Berichterstattung gefolgert werden wie aus der Veröffentlichung des Inserats eines New Yorker Hotels in einer Reisebeilage, die sich mit dieser Stadt und auch dem dortigen Angebot an Hotelunterkünften beschäftigt.
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Soweit den zitierten gerichtlichen Entscheidungen Gegenteiliges zu entnehmen ist, schränken sie die Freiheit der Wirtschaftsberichterstattung und des ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten4 Anzeigenwesens in unzulässiger Weise ein. Auch Wirtschaftsberichterstattung ist vielmehr eine legitime Aufgabe der Presse, die in vollem Umfang an der verfassungsrechtlich gewährleisteten Pressefreiheit teilnimmt. Es kann nicht Aufgabe der Wettbewerbsrechtsprechung sein, sie durch Einschränkungen in der Art und Weise der Anzeigenplatzierung über das unumgänglich Notwendige hinaus zu kontrollieren _______________
1 OLG Köln AfP 2004, 136. 2 OLG Hamburg WRP 1984, 628; OLG Hamburg NJW-RR 1988, 1258; OLG Hamburg AfP 1990, 215. 3 OLG Köln AfP 1996, 287 = NJW-RR 1996, 1131 = WRP 1996, 459; Fuchs, GRUR 1988, 736, 742. 4 BVerfG NJW1967, 976 – Südkurier.
568
Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 23a § 24
oder gar zu verhindern. Die sachliche oder räumliche Nähe einer themenbezogenen Berichterstattung zu Anzeigen, die zum Thema passen, kann daher für sich allein kein Unzulässigkeitskriterium sein. Das gilt auch für einen darauf gerichteten Vertrag, sofern dieser nur sichert, dass die Anzeige im vereinbarten thematischen Umfeld veröffentlicht wird. Der Bundesgerichtshof1 hat daher mit Recht festgestellt, dass in der Platzierung einer Anzeige in unmittelbarem optischen Zusammenhang mit einem redaktionellen Textbeitrag jedenfalls dann keine nach damaligem Recht verbotene Zugabe und auch kein sonstiger Wettbewerbsverstoß gesehen werden kann, wenn im Textbeitrag nur allgemein und ohne Nennung des Inserenten und/oder der beworbenen Produkte über Anwendungsmöglichkeiten von Waren der beworbenen Art berichtet wird. Steht allerdings ein inhaltlich reklamehafter Bericht über ein einziges Unternehmen über, unter oder neben einer Anzeige desselben Unternehmens, dann ist dies ein Verstoß gegen § 3 UWG.2 Redaktionelle Berichterstattung in einem Anzeigenblatt über Ausbildungsmöglichkeiten bei den inserierenden Unternehmen der Region ist jedoch von einem publizistischen Anlass gedeckt und daher nicht wettbewerbswidrig.3 Das Oberlandesgericht Hamburg4 hat zudem zutreffend klargestellt, dass ein publizistischer Anlass im Sinn seiner Rechtsprechung zur prinzipiellen Unzulässigkeit der Platzierung von Anzeigen in unmittelbarem Zusammenhang mit begleitenden redaktionellen Beiträgen auch in Zielen der Verbraucheraufklärung liegen kann.
22a
Mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs5 ist daher für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung weniger auf die Platzierung als auf den Inhalt der vertraglichen Gestaltungen und der Berichterstattung im Einzelfall abzustellen. Ist Berichterstattung generell themenbezogen, so ist sie auch dann wettbewerbsrechtlich unbedenklich, wenn sie von themenbezogenen Anzeigen begleitet wird, ist also auch die Platzierung der Anzeige ihrerseits nicht zu beanstanden. Wird hingegen eine Anzeigenveröffentlichung von einer Veröffentlichung begleitet, die sich speziell mit dem Unternehmen oder den gewerblichen Angeboten des Inserenten befasst und die in der Regel dann auch positiv eingestimmt sein wird, dann sind jedenfalls im Regelfall die Grenzen des wettbewerbsrechtlich Unbedenklichen überschritten. In einer solchen Konstellation ist zum Mindesten ein starkes Indiz für unlauteres geschäftliches Handeln durch gezielte Förderung fremden Wettbewerbs zu sehen.6
23
Gleiches gilt für Konstellationen, in denen der Inserent speziell dafür bezahlt oder seinen Insertionsauftrag in sonstiger Weise davon abhängig macht, dass seine Anzeige nicht nur im angebotenen redaktionellen Umfeld wie einem Sonderheft oder einem Spezialteil, sondern darin an einer bestimmten Stelle
23a
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1 2 3 4 5 6
BGH AfP 1993, 735 = GRUR 1992, 463 = WRP 1992, 378 – Anzeigenplatzierung. OLG Nürnberg WRP 1995, 338; OLG Karlsruhe AfP 1995, 670. BGH AfP 1998, 221 = NJW-RR 1998, 831 = WRP 1998, 596. OLG Hamburg WRP 1984, 628. BGH AfP 1993, 735 = GRUR 1992, 463 = WRP 1992, 378 – Anzeigenplatzierung. Kohl, AfP 1984, 201, 208 f.
569
§ 24 Tz. 24
Recht der Darstellung – Einzelfragen
und/oder in einem bestimmten räumlichen Zusammenhang mit Berichten über sein eigenes Unternehmen oder Angebot platziert wird. Nicht unlauter in diesem Sinn war jedoch nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf1 die Begleitung einer Werbeanzeige der damaligen Deutschen Bundesbahn betreffend ein neues Streckenangebot mit einer positiven redaktionellen Besprechung eben dieses neuen Angebots. Hier hat sich das Gericht von der zutreffenden Erwägung leiten lassen, dass die Inserentin als damaliges Monopolunternehmen im Allgemeininteresse liegende Aufgaben der Verkehrsplanung wahrnahm, deren Bekanntmachung gegenüber der Öffentlichkeit durch einen berechtigten publizistischen Anlass gerechtfertigt war. Im Fall vergleichbarer begleitender Berichterstattung über normale Produkte, die sich dem Wettbewerb stellen müssen, wäre anders zu entscheiden gewesen.2 c) Kundenzeitschriften 24
Die Grundsätze über die strikte Trennung von redaktionellem und Anzeigenteil gelten für Kundenzeitschriften belehrenden und unterhaltenden Inhalts, die nach ihrer Aufmachung und Ausstattung der Werbung von Kunden und den Interessen des Verbreiters dienen, nur mit Einschränkungen.3 Derartige Zeitschriften müssen durch einen entsprechenden Aufdruck auf der Titelseite unübersehbar und unmissverständlich als einschlägige Publikationen gekennzeichnet sein. Dabei ist die Verwendung des Begriffs Kundenzeitschrift allerdings nicht erforderlich. Die Zweckbestimmung derartiger Zeitschriften als Werbemedium kann sich vielmehr auch aus dem Titel selbst oder anderen Angaben auf dem Titelblatt hinreichend deutlich ergeben.4 Ausreichend ist jeder Aufdruck, der dem durchschnittlichen Empfänger darüber Aufschluss gibt, dass die Zeitschrift Werbezwecken dient.5 Dafür kann bei einer Zeitschrift mit einem inhaltsbestimmten Titel wie etwa Drogisten-Illustrierte der Werbeaufdruck des Einzelhandelsgeschäfts ausreichen, in dem sie verteilt wird.6 Auch aus anderen Umständen kann sich im Einzelfall die Zweckbestimmung als Werbeschrift ergeben.7
24a
Wie Kundenzeitschriften im herkömmlichen Sinn sind auch solche Werbeschriften einzuordnen, die von einem einzelnen Unternehmen oder in seinem Auftrag herausgegeben werden und dementsprechend neben informativen oder unterhaltenden Beiträgen Werbung nur für dieses einzelne Unternehmen enthalten, sofern sie im erwähnten Sinn deutlich als Werbeschrift gekenn_______________
1 OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 677. 2 OLG Nürnberg WRP 1995, 338. 3 So die Definition des Gesetzgebers in § 1 Abs. 2e der 2001 außer Kraft getretenen Zugabeverordnung; an der Rechtslage hat sich durch die Streichung dieses Gesetzes im vorliegenden Kontext nichts geändert. 4 BGH GRUR 1966, 338 – Drogisten-Illustrierte; BGH GRUR 1967, 665 – Fernsehprogramm; BGH NJW-RR 1989, 937 = DB 1989, 1325 – Vermögensberater. 5 BGH GRUR 1966, 338 – Drogisten-Illustrierte. 6 BGH GRUR 1966, 338 – Drogisten-Illustrierte; BGH GRUR 1967, 665 – Fernsehprogramm. 7 BGH NJW-RR 1989, 937 = DB 1989, 1325 – Vermögensberater.
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Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 25a § 24
zeichnet sind.1 Nicht zu den Kundenzeitschriften in diesem Sinn gehören Anzeigenblätter, für die die allgemeinen medien- und wettbewerbsrechtlichen Regeln gelten, sowie die so genannten Offertenblätter, die in Umkehrung eingeführter Prinzipien gegen Entgelt abgegeben werden, aber private Kleinanzeigen unentgeltlich veröffentlichen.2 Sind Kundenzeitschriften und vergleichbare Publikationen auf dem Titelblatt im dargestellten Sinn ausreichend als Werbedruckschriften kenntlich gemacht, dann galt früher für deren Inhalt nach der Rechtsprechung das Trennungsprinzip nicht, da der Verkehr von derartigen Publikationen redaktionelle Unabhängigkeit nicht erwartet. Der Werbezweck brauchte insbesondere nicht in Gestalt von Anzeigen verfolgt zu werden, durfte vielmehr auch im Inhalt der in informative oder unterhaltende Form gekleideten Beiträge selbst zum Ausdruck kommen.3
25
Von dieser Auffassung hat sich aber die neuere Rechtsprechung4 gelöst, die nun auch für Kundenzeitschriften die Einhaltung des Trennungsgebots fordert. Jedenfalls gilt das, wenn in derartigen Blättern Werbung verbreitet wird, die nicht ohne Weiteres dem Herausgeber-Unternehmen zugeordnet werden kann; für Eigenwerbung des Herausgebers liegt aber die Toleranzschwelle auch heute noch niedriger als in den Fällen klassischer Medienwerbung. In solchen Blättern stellt es auch keine relevante Irreführung des Lesers dar, wenn ein dem jeweiligen Werbung treibenden zugeschriebenes Editorial in Wahrheit nicht von ihm, sondern von dem Verlag stammt, der die Kundenzeitschrift im Auftrag einer Vielzahl von Werbung treibenden produziert.5 Werbende publizistische Darstellung und Selbstdarstellung ist im Rahmen derartiger Publikationen erlaubt. Sie dürfen der äußeren Anmutung nach auch ähnlich wie käufliche Zeitschriften gestaltet sein.6 Soweit sie informative oder unterhaltende Beiträge enthalten, gelten sie allerdings nicht als Werbung, können sie vielmehr den Schutz der Pressefreiheit wie sonstige Medienveröffentlichungen auch für sich in Anspruch nehmen. Im Rahmen der Information oder Unterhaltung veröffentlichte Lichtbilder gelten daher auch nicht als zu Zwecken der Werbung veröffentlicht.7 Fehlt hingegen die eindeutige Kennzeichnung als Werbepublikation auf dem Titelblatt, so gilt auch für Kundenzeitschriften das Gebot der Trennung von Text- und Anzeigenteil uneingeschränkt.8
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1 OLG Hamm WRP 1979, 561. 2 Vgl. zu den damit verbundenen Rechtsproblemen Kübler, AfP 1988, 309. 3 BGH GRUR 1966, 338 – Drogisten-Illustrierte; OLG Hamm WRP 1979, 561; a.A. LG Hamburg WRP 1997, 253; a.A. Hefermehl, AfP 1971, 111. 4 BGH GRUR 1997, 907 – Emil-Grünbär-Klub; LG Hamburg WRP 1997, 253. 5 BGH NJW 1995, 873 = GRUR 1995, 125 = WRP 1995, 183 – Editorial. 6 BGH GRUR 1967, 665 – Fernsehprogramm. 7 BGH AfP 1995, 495 = NJW-RR 1995, 789 = ZUM 1995, 618 – Chris Revue; OLG Köln AfP 1993, 751. 8 BGH NJW-RR 1989, 937; OLG Hamm WRP 1979, 561.
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§ 24 Tz. 26
Recht der Darstellung – Einzelfragen
2. Hörfunk und Fernsehen 26
Die für die Presse dargestellten Grundsätze über die Trennung von redaktionellem Teil und Werbung gelten, wenn auch mit einigen Modifikationen, auch für die Medien Hörfunk und Fernsehen.1 a) Trennungsprinzip
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Dies gilt zunächst für das generelle Gebot der Trennung von Anzeigenwerbung und redaktionellem Teil bzw. – beim Film – dem eigentlichen Programm. Rechtsgrundlage dieses Gebots ist heute im Wesentlichen § 7 Abs. 3 RStV, der nun auch für das ZDF gilt. Im Zuge einer zunehmenden Internationalisierung des Angebots auf diesem Gebiet ist es bedeutsam, dass das Trennungsprinzip rechtlich auch grenzüberschreitend abgesichert ist. Das gewährleistet die EG-Richtlinie über die Ausübung von Fernsehtätigkeit vom 3. Oktober 1989, die der Rundfunkstaatsvertrag hinsichtlich seiner werberechtlichen Komponenten in innerstaatliches Recht umgesetzt hat.2 Wo im System der einschlägigen Rechtsnormen insoweit noch Lücken klaffen sollten – das mag im Bereich des Films sowie bis zur vollständigen Umsetzung der EGFernsehrichtlinie durch den deutschen sowie durch die Gesetzgeber anderer Europäischer Staaten im Bereich des grenzüberschreitenden Fernsehens der Fall sein –, wird man sich im Übrigen auch für diese Medien auf eine gefestigte Rechtsüberzeugung der beteiligten Verkehrskreise stützen können, so dass zur Begründung des Trennungsgebots § 4 Nr. 3 UWG sowie Nr. 11 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG als Auffangtatbestände wirken.3
28
Im Bereich der reinen Anzeigenwerbung sowie für das in Deutschland den privaten Fernsehveranstaltern vorbehaltene4 Teleshopping gilt das Trennungsprinzip für die Medien Rundfunk und den Film mithin genau so unangefochten wie für die Printmedien. So bestimmt etwa der Rundfunkstaatsvertrag in § 7 Abs. 3 ausdrücklich: „Werbung und Teleshopping müssen als solche klar erkennbar sein. Sie müssen im Fernsehen durch optische und im Hörfunk durch akustische Mittel eindeutig von anderen Programmteilen getrennt sein. In der Werbung und im Teleshopping dürfen keine unterschwelligen Techniken eingesetzt werden.“
Insoweit können die von der Rechtsprechung für die Printmedien entwickelten Kriterien ohne Weiteres auf die Bereiche von Hörfunk und Fernsehen übertragen werden.5 Einen Verstoß gegen das Trennungsgebot stellte es etwa dar, dass die in der ARD zusammengeschlossenen Fernsehanstalten dazu übergingen, vor der allabendlichen Tagesschau einen Werbespot als so ge_______________
1 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rz. 3.38 ff. 2 Dazu im Einzelnen Holznagel/Stenner, ZUM 2004, 617 ff.; zur Neufassung durch die Richtlinie v. 11.12.2007 vgl. unten Tz. 30. 3 BGH AfP 1990, 1458 = NJW 1990, 3199 = GRUR 1990, 373 – Wer erschoss Boro?; OLG München WRP 1976, 393; Sack AfP 1991, 704, 712; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rz. 3.38. 4 § 18 RStV. 5 Vgl. dazu auch Hahn/Vesting/Ladeur, § 7 RStV Rz. 28 ff.
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Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 29a § 24
nannte Werbe-Uhr unmittelbar auf die Zeittafel der Programmvorschau auszustrahlen.1 Unzulässig ist auch die Ausstrahlung einer Magazinsendung über Baumärkte im Fernsehen, die nahezu ausschließlich einen bestimmten Baumarkt als verlässlichen Partner für Heimwerker präsentiert und dessen Firmenlogo weit über das Übliche und dramaturgisch Notwendige hinaus ins Bild rückt.2 Zulässig ist hingegen heute die so genannte Splitscreen-Werbung, bei der redaktionelles Programm und Werbung bei räumlicher Unterteilung des Bildschirms gleichzeitig ausgestrahlt werden.3 Im Fernsehen kann das Gebot der Trennung der redaktionellen Inhalte von der Werbung mithin nicht nur durch zeitliche Separierung, sondern auch in Analogie zur Regelung bei den Printmedien durch Einrichtung räumlicher Strukturen erfüllt werden.
28a
Das Verbot der Vermengung von Programm und Werbung in den Rundfunkmedien ist, solange und soweit es von den Rundfunkveranstaltern befolgt wird, theoretisch sogar effektiver als bei den Printmedien. Denn ein Äquivalent für die namentlich im Bereich der Magazinpresse, aber auch in der herkömmlichen Tagespresse seit Langem fest etablierte optische Mischung von redaktionellen Beiträgen und Anzeigen ist bei den Rundfunkmedien so lange ausgeschlossen, als sie sich an die zitierte Bestimmung des Rundfunkstaatsvertrags halten. Obendrein stellen Verstöße gegen die im Folgenden nur kursorisch dazustellenden werberechtlichen Spezialbestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags Ordnungswidrigkeiten dar, die durch die zuständige Landesmedienanstalt mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden können.4
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In der Praxis des privaten Rundfunks allerdings, der im Unterschied zum öffentlichrechtlichen Rundfunk zulässigerweise Unterbrecherwerbung betreibt,5 hat der Hörer oder Zuschauer im Ergebnis noch weniger die Möglichkeit, sich aus Werbesendungen auszublenden als es dem Leser einer Zeitung oder einer Illustrierten möglich ist, sich der jedenfalls beiläufigen Rezeption der Anzeigenwerbung zu entziehen, sofern er die durch die Werbung unterbrochenen redaktionellen Sendungen lückenlos verfolgen will. Dies und die Tatsache, dass insbesondere im privaten Hörfunk Verstöße gegen das Trennungsprinzip an der Tagesordnung zu sein scheinen6 und offenbar wegen der Flüchtigkeit des Mediums von Verbänden oder Wettbewerbern nicht annähernd mit derselben Intensität verfolgt werden, wie dies im Bereich der Printmedien der Fall ist, führt im Ergebnis zu der Feststellung, dass der Zuschauer oder Hörer jedenfalls im privaten Rundfunk vom Programm nicht
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1 LG Hamburg AfP 1993, 664. 2 OVG Berlin-Brandenburg ZUM 2007, 765. 3 § 7 Abs. 4 RStV; VG Berlin MMR 1999, 176; OVG Berlin AfP 1999, 203 = ZUM 1999, 500; Holznagel/Stenner, ZUM 2004, 617 unter IV 1. 4 § 49 Abs. 1 Nr. 2–10, Abs. 2 und 3 RStV; soweit die Landespressegesetze Verstöße gegen das Trennungsgebot durch die Presse ebenfalls als Ordnungswidrigkeiten einordnen, laufen diese Bestimmungen in der Praxis erfahrungsgemäß mangels Verfolgung faktisch leer. 5 § 44 Abs. 2–5 RStV. 6 Dazu Ladeur, ZUM 2001, 643 ff.
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§ 24 Tz. 29b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
eindeutig abgegrenzter Werbung häufiger ausgesetzt ist als in den Printmedien. 29b
Seit der Novellierung des Rundfunkstaatsvertrags durch den 5. RundfunkÄnderungsstaatsvertrag vom 24. Juni 1999 besteht obendrein die Möglichkeit der Einfügung virtueller Werbung und insbesondere virtueller Billboards in redaktionelle Sendungen. Voraussetzung ist, dass sie, wie etwa bei der in Sportstadien regelmäßig vorhandenen Bandenwerbung, eine am Originalschauplatz ohnehin vorhandene Werbung ersetzen und dass sowohl am Anfang als auch am Ende der Sendung darauf hingewiesen wird.1
29c
Zulässig sind schließlich so genannte Dauerwerbesendungen. Dabei handelt es sich nach den Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten2 um Sendungen mit einer Länge von mindestens 90 Sekunden, deren wesentlicher Bestandteil das Bewerben von Produkten ist. Die Präsentation der Produkte ist in der Regel redaktionell gestaltet. Sie müssen zu Beginn als Dauerwerbesendung angekündigt und während ihres gesamten Verlaufs als solche gekennzeichnet werden.3 Entsprechend den strikten Regeln für die Kennzeichnung von Anzeigen in den Printmedien4 verlangt die Rechtsprechung auch hier, dass in dieser Ankündigung der Begriff Dauerwerbesendung nicht nur zu Beginn, sondern während des gesamten Verlaufs der Sendung eingeblendet wird; die Einblendung eines neutraleren Begriffs wie etwa Promotion wird den Anforderungen von § 7 Abs. 5 Satz 2 RStV nicht gerecht.5 b) Mischformen
30
Hinzu kommen beim Hörfunk, vor allem aber bei Film und Fernsehen die unter den Stichwörtern Product Placement und Sponsoring bekannten Werbeformen, für die der Rundfunkstaatsvertrag sowie die Europäische Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen6 eine Reihe von Regeln enthält. Diese Regeln differenzieren das in Deutschland schon traditionell geltende Trennungsprinzip für diese medialen Formen weiter aus, um sie zum Teil aber auch zu modifizieren.7 Sie werden im Folgenden kurz dargestellt; auf zusätzliche Probleme der Werbung im interaktiven Fernsehen wird hingegen im Rahmen dieser Darstellung nicht eingegangen werden.8 _______________
1 2 3 4 5
§ 7 Abs. 6 Satz 2 RStV; dazu Holznagel/Stenner, ZUM 2004, 617 unter IV 2. Abzurufen unter www.alm.de. § 7 Abs. 5 Satz 2 RStV. Oben Tz. 7. BayOVG ZUM 2008, 889; OVG Koblenz AfP 2008, 657 = MMR 2009, 72; VG Berlin ZUM 2008, 810. 6 Richtlinie 89/552 EWG in der Fassung der Richtlinie 2007/65 EG v. 11.12.2007, nunmehr bezeichnet als Richtlinie über audiovisuelle Medien; im Text: Fernsehrichtlinie. 7 Die folgende Darstellung geht vom Regelungsgehalt der Fernsehrichtlinie aus, deren Umsetzung durch eine neuerliche Änderung des Rundfunkstaatsvertrags bei Abschluss des Manuskripts noch aussteht und die im Rahmen des Product Placement erst für nach dem 19.12.2009 produzierte Sendungen gilt. 8 Vgl. dazu nur Holznagel/Stenner, ZUM 2004, 617 ff. unter V.
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Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 32 § 24
aa) Product Placement Mit dem Begriff des Product Placement werden Sachverhalte bezeichnet, die herkömmlich auch mit dem sehr viel deutlicheren Terminus der Schleichwerbung erfasst zu werden pflegen.1 Ihn benutzt § 2 Abs. 2 Nr. 6 RStV im Rahmen einer Legaldefinition:
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„Schleichwerbung ist die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als zu Werbezwecken vorgesehen, wenn sie gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung erfolgt.“2
Die Medien und vornehmlich das Fernsehen werden dazu benutzt, dem Publikum die Botschaft der Werbung treibenden Wirtschaft unter Umgehung des Trennungsgebots und der herkömmlichen, offenen Darstellungsform des Anzeigenspots versteckt zu vermitteln; der Held einer Fernsehserie etwa raucht ständig und unübersehbar eine bestimmte Zigarettenmarke,3 trinkt eine bestimmte Whiskysorte oder fährt ein bestimmtes extravagantes Automobil – all dies so aufgemacht, dass die Botschaft der jeweiligen Konsumempfehlung, obgleich nicht traditionelle Werbung, vom Betrachter nicht übersehen werden kann.4 Darüber hinaus kann Werbung auch durch in das Programm eingebundene Schleichwerbung betrieben werden. Hierbei handelt es sich um so genanntes Imageplacement, eine Art des Product Placement, bei der jedoch die Thematik eines ganzen Films auf ein Unternehmen oder ein Produkt zugeschnitten ist. Auch das Imageplacement kann verbotene Schleichwerbung darstellen, wenn die Förderung werblicher Interessen durch die redaktionelle Gestaltung nicht gerechtfertigt ist.5 Auf die Verwirklichung derartiger verbotener Werbeformen gerichtete Verträge sind nichtig.6 Die Problematik des Product Placement ist vielfach rechtlich erörtert worden7 und inzwischen durch die zitierte Bestimmung des Rundfunkstaatsvertrags jedenfalls theoretisch im Sinn eines absoluten Verbots geklärt. Dieses generelle Verbot bekräftigt Art. 3g Abs. 1 der Fernsehrichtlinie auch mit Geltung für die Zukunft. Anders als nach bisher geltender Rechtslage nimmt jedoch Art. 3 g Abs. 2 der Richtlinie künftig Kinofilme sowie u.a. Fernsehfilme und -serien mit Ausnahme von Kindersendungen von diesem Verbot ausdrücklich _______________
1 Henning-Bodewig, GRUR 1988, 867; zum RStV Hahn/Vesting/Ladeur, § 7 RStV Rz. 28 ff., 58 f. 2 Vgl. insoweit auch Erwägungsgrund 61 der Fernsehrichtlinie. 3 Nach Art. 3g Abs. 3 ist Product Placement für Tabakerzeugnisse künftig auch in den Fällen ohne Ausnahme verboten, in denen es ansonsten erlaubt sein wird. 4 Weitere eindrucksvolle Beispiele aus deutscher Fernsehgeschichte bei Bork, GRUR 1988, 264, 265. 5 Niedersächs. OVG AfP 1999, 300 = ZUM 1999, 347. 6 OLG München AfP 2006, 183 = ZUM 2006, 479 = GRUR 2006, 603. 7 Vgl. z.B. Henning-Bodewig, BB 1986, Beilage 18; Hauschka, DB 1988, 165 ff.; Bork, GRUR 1988, 264 ff.; Kohl, AfP 1984, 201; Sack, AfP 1991, 704, 707; Holznagel/ Stenner, ZUM 2004, 617 ff. unter III 2.
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§ 24 Tz. 32a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
aus. Prinzipiell ist bei diesen Sendeformaten künftig zu Beginn und am Ende einer jeden Sendung sowie nach Werbeunterbrechungen ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sie Product Placement enthalten, wobei bei fremd produzierten Sendungen unter Umständen auf diesen Hinweis verzichtet werden darf.1 Nach Art. 3 Abs. 2a–c der Fernsehrichtlinie darf das Product Placement den Inhalt und den Programmplatz von Fernsehsendungen nicht so beeinflussen, dass die redaktionelle Verantwortung und Unabhängigkeit des Veranstalters beeinträchtigt wird; es darf auch nicht unmittelbar zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen auffordern und das betreffende Produkt nicht zu stark herausstellen. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese erkennbar als Folge politischer und insbesondere transnationaler Kompromisse entstandenen Bestimmungen im Rahmen der Umsetzung in nationales Recht und im Lichte des fortgeltenden, aber europarechtskonform zu interpretierenden deutschen Wettbewerbsrechts bewähren werden. In Anbetracht ihrer generalklauselartigen Fassung wird sich auch in diesem Bereich künftig für die forensische Praxis ein weiter Interpretationsspielraum ergeben. 32a
Unmittelbar einschlägige gerichtliche Entscheidungen zur bisher geltenden Rechtslage zum Product Placement fehlen im Bereich des Rundfunks weitgehend,2 wenngleich etwa anhand der ARD-Serie Marienhof weithin bekannt geworden ist, dass Verstöße auch im Bereich des öffentlichrechtlichen Rundfunks vorgekommen sind.3 Tatsächlich ergeben sich in diesem Bereich wohl weniger Probleme der rechtlichen Einordnung als solche des tatsächlichen Nachweises missbräuchlichen Verhaltens. Auch für den Bereich des Films, auf den die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags nicht anwendbar sind,4 ist von einem prinzipiellen Verbot der Schleichwerbung auszugehen,5 wobei eine vollständige Untersagung der Vorführung oder des Verleihs von Filmen mit werblichen Elementen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs6 nicht verfügt werden kann, da dem die Gewährleistung der Kunstfreiheit durch Art. 5 Abs. 3 GG entgegensteht. Im Fall eines Kinofilms, der Markenartikel und Firmenlogos grotesk verfremdet und in thematisch-stilistischem Übermaß als Teil der Handlung zur Schau stellte, war die Grenze des Zulässigen nach Auffassung der Gerichte daher noch nicht überschritten, obwohl die Platzierung der Artikel gegen Entgelt erfolgte; aufgrund der Eigenheiten dieses Films war eine Irreführung des Publikums ausgeschlossen.7
33
Für die Auslegung des vorbehaltlich der neuen Regeln der Fernsehrichtlinie gesetzlich normierten Verbots des Product Placement oder der Schleichwerbung ist davon auszugehen, dass auch Produktion und Verbreitung von _______________
1 Fernsehrichtlinie Art. 3g Abs. 2d. 2 Vgl. aber OVG Koblenz ZUM 2009, 507 sowie BGH AfP 1990, 1458 = NJW 1990, 3199 = GRUR 1990, 611 – Wer erschoss Boro?; unten Tz. 51 ff. 3 Vgl. nur „Margarine für Alle“, Süddeutsche Zeitung vom 24.9.2007. 4 Vgl. aber jetzt Fernsehrichtlinie Art. 3g. 5 BGH NJW 1995, 3177 = GRUR 1995, 744 = WRP 1995, 923 – Feuer, Eis & Dynamit I; BGH NJW 1995, 3182 = GRUR 1995, 750 = WRP 1995, 930 – Feuer, Eis & Dynamit II. 6 BGH NJW 1995, 3182 = GRUR 1995, 750 = WRP 1995, 930 – Feuer, Eis & Dynamit II. 7 OLG Hamburg WRP 1994, 125; OLG München WRP 1993, 420 – Feuer, Eis & Dynamit.
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Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 35 § 24
Fernseh- oder Kinofilmen unter dem Schutz des Grundgesetzes stehen. Die Rundfunkfreiheit wird durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in demselben Maß geschützt wie die Pressefreiheit, und die in Art. 5 Abs. 3 GG besonders gewährleistete Freiheit der Kunst unterliegt, anders als diejenige von Presse und Rundfunk, nicht einmal einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Verzehr und Gebrauch von Konsumartikeln gehören zur modernen Lebenswirklichkeit. Rundfunkstaatsvertrag und Wettbewerbsrecht können daher ebenso wenig fordern, dass filmische Darstellung gänzlich darauf verzichtet, diese Lebenswirklichkeit in Anlehnung an die Realitäten zu verarbeiten und zu zeigen, wie sie verlangen können, dass etwa Konsumartikel nur noch nach Art der no-names in neutraler, weißer Verpackung ins Bild gesetzt werden. Im Ernst redet dem auch niemand das Wort. Es kann damit bei dem Versuch, in der Auslegung von § 7 Abs. 3 RStV i.V.m. § 4 Nr. 3 UWG und Nr. 11 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG sowie unter Berufung auf die wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 3 UWG die Grenzen zwischen erlaubtem Film- und Fernsehschaffen und unerlaubtem Product Placement abzustecken, nur darum gehen, Auswüchsen entgegen zu steuern. Ziffern 8.3 ff. der ARD-Richtlinien für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das Sponsoring1 enthalten dazu eine Reihe wesentlicher Klarstellungen, die freilich im Hinblick auf die partielle Freigabe des Product Placement durch die Fernsehrichtlinie der Anpassung bedürfen werden:
34
„Zulässig ist die Erwähnung oder Darstellung von Produkten, wenn und soweit sie aus journalistischen oder künstlerischen Gründen, insbesondere zur Darstellung der realen Umwelt, zwingend erforderlich ist. Soweit gemäß Satz 1 Produkte erwähnt oder dargestellt werden, ist durch die Art der Darstellung nach Möglichkeit die Förderung werblicher Interessen zu vermeiden (z.B. Marktübersichten statt Einzeldarstellungen, Vermeiden werbewirksamer Kameraführung und – insbesondere bei Serien – Wechsel der Produkte und unterschiedliche Ausstattung). Für die Beschaffung von Rechten an Produktionen sowie Dienst- und Sachleistungen für die Herstellung von Produktionen sind angemessene Entgelte zu vereinbaren. Die unentgeltliche oder verbilligte Entgegennahme von Produktionsmitteln oder sonstigen Leistungen (Produktionshilfe) ist nur zulässig, wenn damit keine Einschränkung der journalistischen oder künstlerischen Darstellungsfreiheit verbunden ist. Ein etwaiger Hinweis auf eine solche Produktionshilfe in Bild oder Ton hat sich unter Vermeidung aller werblichen Effekte auf die Sachinformation zu beschränken. Die Entgegennahme von Entgelten oder geldwerten Vorteilen für den Einsatz, die besondere Hervorhebung oder die Nennung von Produkten ist unzulässig. Dies gilt für alle Produktionsbeteiligten.“
Damit dürften die wesentlichen Kriterien zur rechtlichen Bewältigung des grundsätzlichen Problems nach geltendem Recht hinreichend deutlich umschrieben sein. Künstlerischer und journalistischer Arbeit kann auch insoweit, als sie Produkte und Dienstleistungen bestimmter Anbieter optisch kenntlich macht, nicht von vornherein die für das wettbewerbsrechtliche Unlauterkeitsurteil _______________
1 Abzurufen u.a. unter www.br-online.de/unternehmen/organisation/gesetzestexte.
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§ 24 Tz. 36
Recht der Darstellung – Einzelfragen
unverzichtbare gezielte Absicht geschäftlichen Handelns unterstellt werden. Auch in diesem Punkt unterscheidet sich die Situation von Film und Fernsehen nicht von derjenigen der Printmedien, deren Berichterstattung über Produkte oder unter Einbeziehung von Produkten bestimmter Unternehmen in der Regel auch nicht als geschäftliches Handeln gilt und daher nicht nach wettbewerbsrechtlichen Kriterien zu beurteilen ist.1 36
Verstöße gegen das Trennungsgebot im Rahmen des Product Placement kommen für den Bereich des Rundfunks vielmehr erst – allerdings auch immer dort – ins Spiel, wo für die optische Präsentation einer Ware oder einer Dienstleistung Geld oder geldwerte Vorteile gewährt oder versprochen werden oder wo eine entsprechende vertragliche Verpflichtung übernommen wird2 – dies künftig allerdings nur, sofern die Voraussetzungen für dennoch erlaubtes Product Placement gemäß Art. 3 der Fernsehrichtlinie nicht erfüllt sind. Werden allerdings Geld oder geldwerte Vorteile gewährt oder versprochen, dann ist zugleich geschäftliches Handeln im Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG nicht nur zu vermuten, sondern positiv festzustellen.3 Ob die großzügigere Auffassung, die die Oberlandesgerichte München4 und Hamburg5 für den Bereich des Kinofilms in dem oben6 erwähnten Fall vertreten haben, über diesen Einzelfall hinaus verallgemeinerungsfähig sind, erscheint jedenfalls zweifelhaft. Dass gemäß § 3 Abs. 2 UWG auch die Feststellung unlauteren geschäftlichen Handelns nicht mehr per se zum Unzulässigkeitsurteil führt, sondern nur noch dann, wenn sie geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers spürbar zu beeinträchtigen, ändert an der Richtigkeit des Satzes nichts, dass die Gewährung oder das Versprechen von Gegenleistungen vorbehaltlich einer künftigen Erlaubnis gemäß Art. 3g der Fernsehrichtlinie stets zur Wettbewerbswidrigkeit eines Product Placement führen müssen, da derartige Maßnahmen nach deutschem Recht stets ein Fall der Nr. 11 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG sind und damit stets als unlauter gelten.
37
Können Gegenleistungen nicht festgestellt werden, so kann, wie bei der Berichterstattung durch die Printmedien,7 prinzipiell nicht davon ausgegangen werden, dass redaktionelle Beiträge, Filme oder Serien ein wettbewerbsrechtlich relevantes geschäftliches Handeln darstellen. Das muss dann vielmehr im Einzelfall konkret festgestellt werden. Indizien für wettbewerbsrechtlich unlauteres Handeln sind etwa eine gezielte Art der Kameraführung, ein dramaturgisch nicht motiviertes Verweilen auf einem bestimmten Produkt8 oder vergleichbare Stilmittel, die in der Gesamtschau die Feststellung rechtfertigen, bei der betreffenden Produktdarstellung gehe es in Wahrheit nicht um die optische Unterlegung der Handlung, sondern eben um die Dar_______________
1 Vgl. hierzu oben § 22 Tz. 4 ff.; im vorliegenden Kontext etwa Henning-Bodewig, BB Beilage 18/1986, 3 f.; Bork, GRUR 1988, 264 ff. 2 Vgl. ARD-Richtlinien für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das Sponsoring Ziff. 8.5; oben Tz. 34. 3 Vgl. OVG Koblenz ZUM 2009, 507. 4 OLG München WRP 1993, 420 – Feuer, Eis & Dynamit. 5 OLG Hamburg WRP 1994, 125 – Feuer, Eis & Dynamit. 6 Tz. 32a. 7 Oben § 22 Tz. 3 ff. 8 Vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg ZUM 2007, 765.
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Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 40 § 24
stellung des Produkts und die Förderung seines Absatzes. Es ist dann Sache des Veranstalters der betreffenden Sendung, die Gesichtspunkte darzulegen, die die beanstandete Produktdarstellung dennoch rechtfertigen könnten.1 Unzulässig ist es nach diesen Kriterien etwa auch, wenn, wie häufig zu beobachten, Fernsehredaktionen ihren Talkshow-Gästen Gelegenheit geben, in der Sendung auf eigene Buchveröffentlichungen hinzuweisen, die inhaltlich keinen Bezug zur Thematik der betreffenden Sendung haben. Werden hingegen solche Buchtitel und -preise eingeblendet, mit denen sich eine Sendung redaktionell befasst, so hält sich das im Rahmen zulässiger Berichterstattung, ist es folglich auch wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. bb) Sponsoring Fest etabliert in der Praxis von Hörfunk und Fernsehen haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten Tatbestände, die sich unter den Begriff des Sponsoring subsumieren lassen: Ein Elektrokonzern stellt einem Opernhaus einen bestimmten Geldbetrag für die Durchführung einer künstlerisch besonders förderungswürdigen Inszenierung zur Verfügung mit der einzigen Auflage, dass er im Programmheft, bei öffentlichen Ankündigungen, aber auch im Voroder Nachspann von Fernseh- oder Videoaufnahmen als Sponsor genannt wird; ein Unternehmen der Konsumgüterindustrie kauft sich vom Deutschen Fußballbund ein Länderspiel mit der Absprache, dass bei Fernsehübertragungen der einschlägige Markenname im Vor- oder Abspann einzublenden ist; und der Hörer privater Rundfunksendungen erfährt regelmäßig, dass die mehrmals täglich ausgestrahlten Sportmeldungen von einer namentlich genannten Versicherungsgesellschaft „präsentiert werden“. Diese Beispiele des Rundfunksponsoring lassen sich beliebig vermehren und sind Beleg für die Bedeutung, die das Sponsoring für die Hörfunk- und Fernsehveranstalter inzwischen erlangt hat.
38
Anders als das Product Placement, das dem bereits von § 4 Nr. 3 UWG erfassten Prototyp der Schleichwerbung entspricht und vorbehaltlich einer Öffnung auf der Basis von Art. 3g der Fernsehrichtlinie zur Zeit noch durch § 7 Abs. 6 RStV verboten ist, kann von einem prinzipiellen Verbot des Sponsoring nicht die Rede sein. Diese vor zwei Jahrzehnten in Deutschland noch so gut wie unbekannte Werbeform2 ist vielmehr heute in wesentlicher Übereinstimmung mit der Fernsehrichtlinie3 durch § 8 RStV ausdrücklich zugelassen. Dabei ist allerdings zwischen den Formen des Sendungssponsoring einerseits und des Ereignissponsoring andererseits zu unterscheiden, die unterschiedlichen rechtlichen Regeln folgen.
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(1) Sendungssponsoring Unter dem Begriff des Sendungssponsoring ist die partielle oder vollständige, direkte oder indirekte Finanzierung von Rundfunksendungen durch Dritte zu _______________
1 Bork, GRUR 1988, 264, 268 f.; a.A. Bülow WRP 1991, 9. 2 Zur Entwicklung vgl. etwa Weiand, NJW 1994, 227; Reidt, AfP 1990, 101. 3 Fernsehrichtlinie Art. 3f.
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§ 24 Tz. 41
Recht der Darstellung – Einzelfragen
verstehen.1 Das Sendungssponsoring ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit Art. 3f der Fernsehrichtlinie in § 8 RStV eingehend geregelt. Legitimes Ziel dieser Werbeform ist es, durch die finanzielle Förderung von Rundfunksendungen den Namen, die Marke oder das Erscheinungsbild von Unternehmen oder Personen bekannt zu machen. Bei Sendungen, die ganz oder teilweise gesponsert werden, „… muss zu Beginn oder am Ende auf die Finanzierung durch den Sponsor in vertretbarer Kürze deutlich hingewiesen werden; der Hinweis ist in diesem Rahmen auch durch Bewegtbild möglich. Neben oder anstelle des Namens des Sponsors kann auch dessen Firmenemblem oder eine Marke eingeblendet werden“.2
41
Die damit für das Sendungssponsoring vorgeschriebene Einblendung des Namens des Sponsors ist eine Form der Werbung,3 für die das Trennungsgebot allein deswegen nicht gilt, weil der Rundfunkstaatsvertrag sie in den Grenzen des § 8 ausdrücklich vorschreibt. Die früher vertretene Auffassung, Marken dürften als Hinweis auf den Sponsor nicht genannt werden,4 ist durch die ausdrückliche gegenteilige Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 2 RStV überholt. Die nach dieser Bestimmung nunmehr zulässige Einblendung einer Marke als Hinweis auf den Sponsor ist auch nicht auf Marken beschränkt, die zugleich Bestandteil der Firma des unterstützenden Unternehmens sind.5
41a
Für das Ereignissponsoring6 ist diese Sonderform der Werbung hingegen weder vorgeschrieben noch erlaubt. Anderes gilt nur, wenn ein und derselbe Sponsor ein bestimmtes Ereignis und zusätzlich die ihm geltende Sendung sponsert. Dann ist § 8 RStV anwendbar, die Einblendung des Sponsorenhinweises mithin wiederum vorgeschrieben.7
42
Während die jetzt geltende Regelung sich mithin ausdrücklich zu den Interessen der Sponsoren durch den Sponsorenhinweis zur Sonderform der Werbung bekennt, gingen die Vorgänger-Regelungen noch davon aus, dass es sich bei erlaubtem Sponsoring überhaupt nicht um Werbung handele. So bestimmten etwa die ARD-Richtlinien über die Trennung von Werbung und Programm in der Fassung vom 4. März 1988:8 „Die Ausstrahlung von Sendungen, deren vollständige oder teilweise Erstellung und/ oder Finanzierung durch einen Sponsor erfolgt, ist nur zulässig, wenn sie nicht den wirtschaftlichen Interessen des Sponsors oder eines Dritten dient; dies kann insbesondere dann angenommen werden, wenn eine Sendung der mäzenatischen Förderung von Kunst oder Kultur oder der Förderung gemeinnütziger Ziele durch den Sponsor dient. Der Sponsor ist im Vor- und/oder Abspann zu nennen.“
_______________
1 Henning-Bodewig, AfP 1991, 487, 488; Weiand, NJW 1994, 227, 231. 2 § 8 Abs. 1 RStV. 3 BGH NJW 1992, 2089 = GRUR 1992, 518 = WRP 1992, 550 – Ereignis-Sponsoring; Sack, AfP 1991, 704, 710. 4 OLG Frankfurt/Main AfP 1994, 45 = NJW-RR 1994, 365 = GRUR 1994, 365. 5 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1996, 491 = AfP 1995, 609 = GRUR 1995, 500 – Isostar. 6 Dazu unten Tz. 47 ff. 7 Weiand, NJW 1994, 227, 232. 8 Oben Tz. 34.
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Tz. 45 § 24
Die hierdurch aufgestellte Vermutung, das Sponsoring diene in den dort genannten Fällen nicht den wirtschaftlichen Interessen des Sponsors, war von Anfang an realitätsfern. Unter den ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der heutigen Zeit kann schlechthin nicht angenommen werden, ein Unternehmen, das eine Opernaufführung finanziell fördert, verfolge damit nicht eigene wirtschaftliche Interessen. Und wenn man das im Sinn klassischen Mäzenatentums vielleicht noch wird annehmen können, sofern die finanzielle Förderung anonym erfolgt, so kann die Absicht des Sponsors, jedenfalls auch eigene wirtschaftliche Interessen zu fördern, nicht zweifelhaft sein, wenn es Teil der Sponsoring-Vereinbarung oder entsprechend der heutigen Rechtslage sogar gesetzlich vorgeschrieben ist, dass der Sponsor im Vor- oder Abspann einer entsprechenden Fernsehaufzeichnung namentlich oder gar unter Verwendung seiner Marke genannt wird. Die Umsetzung durch den jeweiligen Rundfunkveranstalter stellt dann geradezu unvermeidlich auch eine Förderung der Geschäfte des Sponsors dar.
43
Die Vermutung einer nicht wirtschaftlichen Orientierung des mäzenatischen Sponsoring wird damit durch die Forderung der Normsetzer nach Bekanntgabe des Sponsors widerlegt; auch bei dieser Werbeform handelt es sich mithin um eine Einschränkung des Gebots der Trennung von Werbung und Programm. Der Rundfunkstaatsvertrag bekennt sich dazu, indem er die Vermutung, der Sponsor fördere nicht den eigenen Wettbewerb, nicht mehr erwähnt. Wettbewerbspolitsch mag diese Einschränkung vertretbar sein, da jedenfalls das Täuschungselement, das für versteckte redaktionelle Werbung und Product Placement kennzeichnend ist, hier weitgehend fehlt.1 Ihre ausdrückliche Zulassung durch den Rundfunkstaatsvertrag wird man daher als politische Entscheidung dafür werten müssen, den Anbietern von Hörfunk und Fernsehen zusätzliche Finanzierungsquellen zu erschließen.
43a
Auch das nunmehr gesetzlich zugelassene Sendungssponsoring unterliegt jedoch Einschränkungen. Insbesondere dürfen Nachrichtensendungen und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen nicht gesponsert werden.2 Das Sponsoring durch Unternehmen der Tabakindustrie ist verboten,3 dasjenige durch Unternehmen der pharmazeutischen Industrie sowie des Gesundheitswesens auf den Namen oder das Image unter Ausschluss bestimmter Produkte des Sponsors beschränkt.4 Wie im Rahmen des künftig partiell zulässigen Product Placement dürfen auch durch das Sponsoring Inhalt und Programmplatz nicht so beeinflusst werden, das die redaktionelle Verantwortung und Unabhängigkeit des Programmanbieters beeinträchtigt wird.5
44
Besondere Bedeutung haben aber vor allem die Bestimmungen, dass der vorgeschriebene Sponsorenhinweis nur in vertretbarer Kürze gesendet werden,6
45
_______________
1 2 3 4 5
Henning-Bodewig, BB 1986, Beilage 18, 9; dies., AfP 1991, 487 ff. § 8 Abs. 6 RStV. § 8 Abs. 4 RStV. § 8 Abs. 5 RStV. § 8 Abs. 2 RStV; vgl. insoweit auch Fernsehrichtlinie Art. 3f Abs. 1a für das Sponsoring und Art. 3g Abs. 2a für das Product Placement. 6 § 8 Abs. 1 Satz 1 RStV.
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§ 24 Tz. 45a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
und dass er – entsprechend der Regelung zum künftig erlaubten Product Placement – nicht zur Abnahme der Waren oder Dienstleistungen des Sponsors oder auch eines Dritten anregen darf.1 Mit dem Gebot vertretbarer Kürze wird im Ergebnis die Zweck-/Mittel-Relation zwischen Sendung und Sponsorenhinweis angesprochen. Ein optisches oder längenmäßiges Übergewicht des Sponsorenhinweises über die gesponserte Sendung wird dadurch ausgeschlossen. Es läge etwa beim so genannten Wetter- oder Uhrenpatronat vor, wenn bei ihnen die Sponsorenhinweise in An- und Abspann länger dauern als die eigentliche Sendung.2 45a
Mit dem Verbot der Anregung zum Erwerb versucht der Rundfunkstaatsvertrag, dem Trennungsgebot jedenfalls für den Inhalt der gesponserten Sendungen Geltung zu verschaffen.3 Insbesondere in diesem Punkt sind die Grenzen zwischen erlaubtem Sponsoring und verbotenem Product Placement fließend.4 Kündigt allerdings ein Hörfunksender nicht nur an, dass eine regelmäßig ausgestrahlte Wirtschaftssendung von einem namentlich genannten Unternehmen gesponsert wird, sondern gibt er im Anschluss an den Abspann der Sendung dem Sponsor zusätzlich Gelegenheit, unter Nennung der eigenen Telefonnummer auf die von ihm angebotenen Dienstleistungen zu verweisen, so liegt ein klarer Verstoß gegen das Trennungsgebot und das auch für das Sendungssponsoring geltende Verbot der direkten Verkaufsförderung vor.
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Diesem Verbot werden Rundfunkunternehmen und werbungtreibende Wirtschaft im Ergebnis nur gerecht werden können, wenn sie erlaubtes Sponsoring als nicht produktbezogenes Sponsoring verstehen und praktizieren. Auch die Verwendung des Begriffs der mäzenatischen Förderung durch die Vorläufer des Rundfunkstaatsvertrags5 wird man in diesem Sinn deuten können. Das Sponsoring eines Fernsehfilms über eine Operninszenierung durch einen Automobilhersteller ist danach unbedenklich, dasjenige eines Films über die Produktion von Automobilen und dabei zu wahrende Qualitätsstandards durch einen Angehörigen derselben Branche demgegenüber als produktspezifisches Sponsoring nach wie vor unzulässig. Und für die gesponserte Aufzeichnung eines Automobilrennens gilt jedenfalls dann dasselbe, wenn Fahrzeuge oder sonstige Produkte des Sponsors am Rennen beteiligt sind. (2) Ereignissponsoring
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Nicht von den genannten Regeln des Rundfunkstaatsvertrags erfasst werden alle Formen des Ereignissponsoring.6 Der oben erwähnte Fall eines gesponser_______________
1 § 8 Abs. 3 RStV; vgl. insoweit auch Fernsehrichtlinie Art. 3f Abs. 1 b für das Sponsoring und Art. 3g Abs. 2b für das Product Placement. 2 Sack, AfP 1991, 704, 710; Henning-Bodewig, AfP 1991, 487 ff. 3 Weiand, NJW 1994, 227 ff. 4 Henning-Bodewig, AfP 1991, 487 ff.; Weiand, NJW 1994, 227 ff. 5 Oben Tz. 42 f. 6 BGH NJW 1992, 2089 = GRUR 1992, 518 = WRP 1992, 550 – Ereignis-Sponsoring; Sack, AfP 1991, 704, 711; Henning-Bodewig, AfP 1991, 487 ff.; Weiand, NJW 1994, 227 ff.; aus jüngerer Zeit, aber nicht speziell auf die Medien ausgerichtet: Schaub, GRUR 2008, 955 ff.
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Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 48a § 24
ten Fußballländerspiels1 gehört ebenso in diese Gruppe wie derjenige der Übertragung einer gesponserten Opernaufführung. Weitere Fälle sind jedem Fernsehzuschauer insbesondere aus der Frühzeit dieser Werbeform bekannt: Interviews mit Sport- oder Schaugrößen in einschlägigen Fernsehsendungen etwa kamen nur zustande, indem die betreffenden Stars im Sportwagen in das Studio rollten und sich auf dessen Kühlerhaube sitzend befragen ließen.2 Und auch die seit Langem eingeführte und von der Praxis im Ergebnis akzeptierte Trikot- und Bandenwerbung bei Sportveranstaltungen gehört in diesen Bereich. Das Ereignissponsoring wird durch den Rundfunkstaatsvertrag zwar nicht erlaubt. Es wird damit aber auch nicht verboten, sondern von dessen Regelungsbereich nicht erfasst. Seine rechtliche Beurteilung folgt vielmehr dem generellen Gebot der Trennung von Werbung und Programm und den dieses Gebot konkretisierenden wettbewerbs- und rundfunkrechtlichen Werberegeln.3 An der Eignung und Zweckbestimmung der Sponsorenbenennung, der Werbedisplays oder der offen zum Sponsoring eingesetzten Gegenstände zur Förderung des Wettbewerbs des jeweiligen Herstellers oder Anbieters kann beim Ereignissponsoring ebenso wenig gezweifelt werden wie an der Tatsache, dass die Ausstrahlung der Sponsorennamen und/oder -marken zu Beginn und am Ende der Sendungen, aber auch diejenige der Banden- oder Trikotwerbung eine zielgerichtete Förderung der Geschäfte des Sponsors und dass sie damit wettbewerbsrechtlich relevant sind. Eine Fernsehanstalt etwa, die – entsprechend einer Forderung des Veranstalters, der ihr die Senderechte eingeräumt hat – vor und nach der Übertragung eines Fußballländerspiels Namen und Firmenemblem des Unternehmens, das das Spiel gesponsert hat, jeweils 15 Sekunden lang einblendet, handelte geschäftlich unlauter und verstieß nach der zutreffenden Auffassung des Bundesgerichtshofs4 wegen der Verletzung des Trennungsgebots selbst dann gegen § 1 UWG a.F., wenn sie ohne die Erfüllung der Forderung des Sponsors auf die Übertragung vollständig hätte verzichten müssen, weil der Veranstalter darauf bestand, die Übertragungsrechte nur gegen die Zusage einer derart auffällig herausgestellten Sponsorenbenennung zu vergeben. Unter der Geltung des UWG 2008 würde im Ergebnis nichts Anderes gelten.
48
Sponsorenhinweise am Anfang und Ende einer Sendung sind daher in den Fällen des Ereignissponsoring im Gegensatz zum Sendungssponsoring unzulässig,5 da sie als Teil der Sendung und damit des redaktionellen Programms
48a
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1 BGH NJW 1992, 2089 = GRUR 1992, 518 = WRP 1992, 550 – Ereignis-Sponsoring. 2 Vgl. Bork, GRUR 1988, 264 ff. 3 BGH NJW 1992, 2089 = GRUR 1992, 518 = WRP 1992, 550 – Ereignis-Sponsoring; Henning-Bodewig, AfP 1991, 487 ff.; Sack, AfP 1991, 704 ff.; Schaub, GRUR 2008, 955 ff. 4 BGH NJW 1992, 2089 = GRUR 1992, 518 = WRP 1992, 550 – Ereignis-Sponsoring; KG AfP 1987, 712 – Agfa; LG Frankfurt/Main AfP 1988, 172 – Agfa; a.A. OLG Frankfurt/ Main ZUM 1990, 482 – Agfa. 5 KG AfP 1987, 712 – Agfa; LG Frankfurt/Main AfP 1988, 172 – Agfa; Sack, AfP 1991, 704, 711.
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§ 24 Tz. 49
Recht der Darstellung – Einzelfragen
gelten1 und damit dem Trennungsgebot unterliegen.2 Soweit die ARD-Richtlinien über die Trennung von Werbung und Programm in der Fassung vom 4. März 1988 noch vorsahen, dass beim Ereignissponsoring die Sponsorenbenennung zulässig ist, wenn sie programmlich veranlasst ist, ist dies durch die Regelungen des Rundfunkstaatsvertrags überholt.3 Dementsprechend sieht die geltende Fassung dieser Richtlinien nunmehr auch vor: „Es ist darauf hinzuwirken, dass der Programminhalt nicht mit dem Sponsor des Ereignisses identifiziert werden kann und Hinweise auf den Sponsor das von den Rundfunkanstalten nicht zu vermeidende Maß an Werbung nicht überschreitet. Der Sponsor des Ereignisses wird nicht im Vor- und Abspann genannt.“4
49
Dennoch wäre ein aus § 3 UWG abgeleitetes uneingeschränktes Verbot, über gesponserte Veranstaltungen zu berichten, mit dem verfassungsrechtlich gesicherten Berichterstattungsauftrag der Medien unvereinbar. Denn es ist nicht zu bestreiten, dass ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit auch an solchen Veranstaltungen bestehen kann, die durch Wirtschaftsunternehmen finanziell auf die eine oder andere Weise gefördert und damit im Ergebnis jedenfalls mittelbar gesponsert werden. Das gilt etwa für Sportveranstaltungen, die im Fernsehen nicht übertragen werden können, ohne die regelmäßig eingesetzte Banden- oder Trikotwerbung mit zu übertragen;5 dem trägt § 7 Abs. 6 Satz 2 RStV ausdrücklich Rechnung, indem er insoweit die so genannte virtuelle Werbung, mithin das Überblenden von Bandenwerbung vor Ort mit einer anderen, auf die Zuschauer der entsprechenden Übertragungssendung abgestimmten Werbung gestattet.6
49a
Gleiches kann aber auch für die Übertragung kultureller Ereignisse gelten, in deren Rahmen der Name oder die Marke des Sponsors auf andere Weise sichtbar wird als durch die Benennung durch das übertragende Medium selbst. Insoweit kann die Problemlösung im Einzelfall nur über das Element der wettbewerbsrechtlichen Unlauterkeit gefunden werden, deren ausdrückliche Feststellung erforderlich ist, bevor eine bestimmte Programmmaßnahme nach § 3 UWG verboten werden kann. Bei der Ausfüllung des Begriffs der Unlauterkeit aber wird man im Ergebnis auch heute noch ohne Rückgriff auf das Prinzip der Güterabwägung nicht auskommen.7
50
Ist das Informationsinteresse der Öffentlichkeit groß und die Werbewirkung des im Rahmen der Ausstrahlung des Ereignisses sichtbar werdenden Sponsorenhinweises vergleichsweise gering, so kann die Unlauterkeit dieser Art einer in das Programm integrierten Werbung in der Regel nicht festgestellt werden. Ist der publizistische (Informations- oder Unterhaltungs-)Wert der _______________
1 BGH AfP 1990, 120 = NJW 1990, 3199 = GRUR 1990, 611 – Wer erschoss Boro?; Schaub, GRUR 2008, 955. 2 Sack, AfP 1991, 704, 711. 3 BGH NJW 1992, 2089 = GRUR 1992, 518 = WRP 1992, 550 – Ereignis-Sponsoring. 4 ARD-Richtlinien für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das Sponsoring Ziff. 11, oben Tz. 34. 5 Sack, AfP 1991, 704, 711. 6 Dazu Holznagel/Stenner, ZUM 2004, 617 ff. unter IV 2. 7 OLG München WRP 1976, 393; Henning-Bodewig, DB 1986, Beilage 18, 9; Bork, GRUR 1988, 264, 269.
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Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 52 § 24
infrage stehenden Sendung demgegenüber gering, die Last der Werbeauflage dagegen groß, dann muss einem Sender trotz seiner prinzipiellen Freiheit der Berichterstattung im Hinblick auf § 3 UWG ein Verzicht auf die Ausstrahlung zugemutet werden, wenn sie ohne die Werbeauflage nicht zu haben ist.1 Von den eingangs erwähnten Beispielsfällen kann die Ausstrahlung eines gesponserten Fußball-Länderspiels oder einer gesponserten Oper danach nur in Fällen einer ganz besonders krassen Werbebelastung für unzulässig erklärt werden, will nicht das Wettbewerbsrecht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise in die Freiheit der Berichterstattung eingreifen. Demgegenüber ist die Ausstrahlung eines eher belanglosen Interviews mit einem Star, das davon abhängig gemacht wird, dass sein Sponsor im Interview entsprechend herausgestellt oder dessen Ware ohne sachlichen Zusammenhang mit dem Gegenstand des Interviews ins Bild gerückt wird, gemäß § 3 UWG in der Regel unzulässig.2 cc) Medienübergreifende Kooperationen Probleme bereiten schließlich gelegentlich medienübergreifende Formen der Kooperation und des Merchandising. Als wettbewerbswidrig anzusehen ist etwa die neuerdings namentlich von öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten praktizierte werbliche Präsentation bei ihnen oder im Handel erhältlicher DVDs mit den Inhalten gerade ausgestrahlter Filme oder Serienfolgen. Diese Art der Werbung erfolgt außerhalb der für die öffentlichrechtlichen Sender festgelegten Werbeblöcke,3 ist damit Bestandteil des Programms und folglich als Verstoß gegen das Trennungsgebot gemäß § 7 Abs. 3 RStV unzulässig. Und verfasst etwa der Autor einer populären Fernsehserie einen begleitenden oder zusammenfassenden Roman (Buch zur Serie), auf den bei der Ausstrahlung weiterer Serienteile in werblich wirksamer Weise hingewiesen wird, gelten insoweit keine Besonderheiten. Das Verbot der Werbung im Programmteil findet uneingeschränkte Anwendung. Allerdings ist die Ausstrahlung der Serie ohne Hinweis auf die Möglichkeit zum Erwerb des Buchs nicht allein deswegen wettbewerbswidrig, weil das Buch im Einzelhandel erhältlich ist.4 Kreiert eine Brauerei eine bis dahin unbekannte Biermarke, die zunächst als das Fantasieprodukt einer Fernsehserie bekannt geworden ist, so kann die Zulässigkeit der weiteren Ausstrahlung der Serie dadurch nicht in Frage gestellt werden. Die Beurteilung des wettbewerblichen Verhaltens der Brauerei, die sich an die Bekanntheit der Fantasiemarke anhängt, folgt allgemeinen wettbewerbs- bzw. kennzeichenrechtlichen Regeln.5
51
Geplante Kooperationen zwischen Fernsehanstalten und Buchverlagen schließlich wie die gemeinsame Produktion eines Buchs und einer Fernsehfilmserie, die nach Art eines Spiels aufeinander abgestimmt sind und sich inhaltlich
52
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1 2 3 4 5
KG AfP 1987, 712 – Agfa; LG Frankfurt/Main AfP 1988, 172 – Agfa. Vgl. auch Bork, GRUR 1988, 264, 269. § 16 RStV. OLG Frankfurt/Main AfP 1994, 47 = NJW-RR 1994, 367 = GRUR 1994, 133. Dazu BGH AfP 1993, 485 = NJW 1993, 852 = GRUR 1993, 692 – Guldenburg; BVerfG NJW 1999, 709 – Guldenburg.
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§ 24 Tz. 53
Recht der Darstellung – Einzelfragen
ergänzen, sind nach Auffassung des Bundesgerichtshofs im Fall Wer erschoss Boro?1 jedenfalls dann nicht durch die Gewährleistung der Kunstfreiheit gedeckt, stellen vielmehr einen Verstoß gegen § 3 UWG dar, wenn in der ausgestrahlten Serie, die inhaltlich auch ohne Verweisung auf das dazugehörige Buch auskäme, zugleich Werbung für das betreffende Buch gemacht wird oder wenn dessen Kenntnis die Chancen des Zuschauers erhöht, an einer für das Ende der Serie angekündigten Gewinnauslosung teilzunehmen. Der Bundesgerichtshof stützt sich dabei in erster Linie auf das in § 7 Abs. 3 RStV normierte Trennungs- und Kennzeichnungsgebot, aber auch auf das ursprünglich für die Printmedien entwickelte Verbot der getarnten redaktionellen Werbung.2 Die Tatsache, dass im entschiedenen Fall der Buchverlag der sendenden ARD-Anstalt einen Produktionskostenzuschuss zahlte, dessen Höhe vom Absatz des Buchs abhängig war, hat bei dieser Entscheidung sicher eine Rolle gespielt, da sie in besonders augenfälliger Weise dokumentiert, dass die Kooperation ein zielgerichtetes geschäftliches Handeln darstellt.3 53
Die Zulässigkeit eines Medienverbunds als solchen wird durch die Boro-Entscheidung jedoch nicht infrage gestellt. Der Bundesgerichtshof4 geht im vorliegenden Zusammenhang vielmehr davon aus, dass die Grenzen zwischen vom Programmauftrag noch gedeckten Kooperationsformen und wettbewerbswidriger redaktioneller Werbung fließend sind und dass insoweit eine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls angezeigt ist. So bestehen etwa keine Bedenken gegen einen Sprachkurs, der von vornherein als Kombination einer Rundfunksendung und dazugehöriger gedruckter Lernmittel konzipiert wird und dessen Veranstaltung sich fraglos im Rahmen des publizistischen Auftrags des Rundfunks hält. Sofern derartige Koproduktionen aus inhaltlichen Gründen ohne wechselseitige Verweisungen nicht auskommen, sind sie als prinzipiell zulässig anzusehen, obwohl sie schon ihrer Natur nach eine gewisse Aufweichung des Prinzips der Trennung von redaktionellem Teil und Werbung mit sich bringen. Die beteiligten Medien müssen aber bei der konkreten Ausgestaltung besonders peinlich auf die Einhaltung allgemeiner wettbewerbsrechtlicher Grundsätze achten. Das Oberlandesgericht Stuttgart5 etwa hat es bei der von ihm grundsätzlich für zulässig erachteten Koppelung von Buch und Fernsehspiel im Fall Boro als wettbewerbswidrig angesehen, dass in der Sendung die Chance angekündigt wurde, durch den Kauf des Buchs und die dadurch erst geschaffene Möglichkeit zur Lösung der Spielaufgabe an der Verlosung eines Geldpreises teilzunehmen.
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1 BGH AfP 1990, 120 = NJW 1990, 3199 = GRUR 1990, 611 – Wer erschoss Boro?; a.A. die Vorinstanz OLG Stuttgart AfP 1988, 76 = GRUR 1988, 546 = WRP 1988, 695; dazu Sack, WRP 1990, 791. 2 BGH AfP 1974, 618 = NJW 1974, 1141 = GRUR 1975, 75 – Wirtschaftswerbung – public relations; BGH AfP 1981, 458 = NJW 1981, 2572 = GRUR 1981, 835 – Getarnte Werbung I; oben Tz. 4 ff. 3 Kritisch hierzu Sack, WRP 1990, 857. 4 v. Gamm, GRUR 1991, 405. 5 OLG Stuttgart AfP 1988, 76 = GRUR 1988, 546 = WRP 1988, 695 – Wer erschoss Boro?
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Redaktionelle Arbeit und Werbung
Tz. 56 § 24
3. Internet Nachdem die so genannten Telemedien nach der ab dem 1. Dezember 2008 geltenden Neufassung des Rundfunkstaatsvertrags dessen Regime unterstellt sind und der früher für sie geltende Mediendienste-Staatsvertrag1 zeitgleich außer Kraft getreten ist, gelten im hier erörterten Zusammenhang von redaktioneller Arbeit und Werbung für die über das Internet verbreiteten Mediendienste keine Besonderheiten mehr.2 Wie für die Printmedien sowie für Hörfunk und Fernsehen gilt auch für diese Medien das Gebot der eindeutigen Trennung verbreiteter Werbung von den übrigen Inhalten der betreffenden Dienste,3 und soweit Inhalte derartiger Dienste gesponsert werden, gilt § 8 RStV entsprechend.4 Auch die grafisch häufig unübersichtlichen und mit als solchen erkennbaren Werbebannern angereicherten Online-Dienste sind mithin verpflichtet, bezahlte Werbung, die nicht ausdrücklich durch den Begriff Anzeige als solche gekennzeichnet ist, und insbesondere redaktionell aufgemachte, aber von Dritten bezahlte Beiträge eindeutig als solche zu kennzeichnen.5 Verstöße gelten wie bei den Printmedien und beim Rundfunk als unlautere Werbung im Sinn von §§ 3, 4 Nr. 3 UWG.6
54
Allerdings kann sich bei Internet-Angeboten das Problem der Verletzung des Trennungsgebots nur dann stellen, wenn der Nutzer eines individuellen Angebots erwartet, dort objektive Informationen vorzufinden, da es sonst am für die Beurteilung maßgeblichen Täuschungselement fehlen wird. Wer sich etwa auf die Homepage eines Automobilproduzenten oder eines Versandhändlers begibt, erwartet dort nichts Anderes als Kommunikation zur Förderung der Geschäfte des Anbieters. Maßgeblich ist, wie im sonstigen Wettbewerbsrecht auch, die Sicht eines durchschnittlich informierten verständigen Verbrauchers.7 Wo hingegen der Informationszweck im Vordergrund steht wie bei den Homepages der Medienunternehmen, staatlicher oder sonstiger anerkannter Organisationen, ist das Gebot der Trennung des redaktionellen oder sonstwie informativen Angebots von der Werbung in gleicher Weise zu beachten wie bei den anderen Medien auch.8
55
Das gilt auch für die Verwendung der für diese mediale Form kennzeichnenden und auch nur in ihr verwendeten so genannten Links. Steht dabei der Informationszweck im Vordergrund, so kann das Setzen eines Hyperlink auf die Homepage eines in einem redaktionellen Beitrag besprochenen Unternehmens noch vom Informationszweck gedeckt und damit rechtlich unbedenk-
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1 Dazu Vorauflage Tz. 24.54 ff. 2 Zur Frage der Haftung der Betreiber unterschiedlicher Verbreitungsstufen vgl. aber oben § 16 Tz. 17a ff. 3 § 58 Abs. 1 RStV. 4 § 58 Abs. 3 RStV. 5 KG NJW-RR 2006, 1633 = ZUM-RD 2007, 503 = GRUR 2007, 254 – Getarnte LinkWerbung. 6 Fezer/Hoeren, § 4–3 Rz. 83. 7 BGH NJW-RR 2000, 1490 = ZUM-RD 2000, 279 = GRUR 2000, 619 = WRP 2000, 517 – Orient-Teppichmuster. 8 Fezer/Hoeren, § 4–3 Rz. 87.
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§ 24 Tz. 57
Recht der Darstellung – Einzelfragen
lich sein; das Kammergericht1 hat mit Recht darauf hingewiesen, dass das Setzen von Links für das Medium der Online-Kommunikation charakteristisch ist und vom Nutzer als eine nur dort verfügbare Service-Funktion auch erwartet wird. Führt hingegen ein Link aus einem publizistischen Zusammenhang direkt zu einer Produkt- oder Dienstleistungswerbung, dann muss schon der Link selbst für den Nutzer erkennbar machen, dass er auf eine Werbeseite mit werblichen Inhalten verweist.2 Wenn daher das Setzen des Link und der Inhalt der über den Link verfügbaren weiteren Information noch vom Informationszweck des primär genutzten Online-Service gedeckt ist, handelt es sich insgesamt um eine publizistische und damit wettbewerbsrechtlich unbedenkliche Information; führt hingegen ein Link aus einer redaktionellen Darstellung nicht nur zu dem besprochenen Unternehmen, sondern direkt zur Präsentation des beschriebenen Produkts, dann verschwimmen die Grenzen zwischen Informationszweck und Werbung, so dass eine Verletzung des Trennungsgebots festgestellt werden muss.3 Gleiches gilt in der Regel in den Fällen des so genannten Framing, sofern auf diese Weise die Werbebotschaft einer zweiten Website in das Informationsangebot der zunächst aufgerufenen Homepage integriert wird.4 57
Bannerwerbung hingegen hat sich als das klassische Werbemedium für Internet-Kommunikation etabliert, ist in der Regel unschwer als solche zu erkennen und verstößt dann nicht gegen das Trennungsgebot. Dass der Begriff Anzeige dort in aller Regel nicht verwendet wird, schadet nicht, da es ja auch in den klassischen Werbemedien ausreicht, wenn eine nicht als Anzeige bezeichnete Werbung aus den konkreten Umständen ihrer Platzierung oder sonstigen Aufmachung heraus als solche zu erkennen ist.5 Und nicht als Verstoß gegen das Trennungsgebot ist es schließlich anzusehen, wenn Suchmaschinen als Reaktion auf die Suche nach einer Information auch auf Websites mit werbendem Inhalt verweisen, weil der Verkehr inzwischen weiß, dass die Suchmaschinenbetreiber eine saubere Trennung informativer von werbenden Hinweisen nicht gewährleisten können.6
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1 KG MMR 2002, 119; OLG Jena NJW-RR 2003, 1199 = GRUR 2003, 531 = WRP 2003, 1141; Fezer/Hoeren, § 4–3 Rz. 90. 2 KG NJW-RR 2006, 1633 = ZUM-RD 2007, 503 = GRUR 2007, 254 – Getarnte LinkWerbung; Fezer/Hoeren, § 4–3 Rz. 90. 3 Fezer/Hoeren, § 4–3 Rz. 90. 4 Fezer/Hoeren, § 4–3 Rz. 91. 5 Oben Tz. 4. 6 Fezer/Hoeren, § 4–3 Rz. 94; vgl. hierzu auch OLG Stuttgart MMR 2009, 190.
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§ 25 Impressum, Anbieterkennzeichnung 1. Presse Nach den Bestimmungen aller Landespressegesetze1 hat jedes im Geltungsbereich des jeweiligen Gesetzes erscheinende Druckwerk mit Ausnahme der so genannten harmlosen Druckwerke wie Formulare, Werbedrucksachen, Preislisten, Stimmzettel o.ä.2 ein Impressum aufzuweisen, in dem der Name oder die Firma sowie die Anschrift des Verlegers und des Druckers anzugeben sind. Diese Angaben müssen so klar und eindeutig sein, dass dem Verkehr eine problemlose Identifizierung insbesondere des Verlegers möglich ist.3 Angaben über die konkrete Ausgestaltung, Aufmachung und Platzierung enthalten die Landespressgesetze hingegen nicht.4
1
Zusätzlich verlangen inzwischen etliche Landespressegesetze5 in unterschiedlicher Regelungstiefe die regelmäßige Offenlegung der wirtschaftlichen Beteiligungsverhältnisse des Verlags, die in der Regel quartals- bzw. halbjahresweise gefordert wird. Einige dieser Gesetze bestimmen ergänzend, dass Änderungen der Beteiligungsverhältnisse unverzüglich im Blatt bekanntzugeben sind.6 In Hessen7 ist zusätzlich die Offenlegung jeder unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung einer politischen Partei im Sinn des Parteiengesetzes offenzulegen, sofern sie mindestens 5 % der Anteile oder der Stimmrechte vermittelt.
1a
Darüberhinaus hat das Impressum periodischer Druckschriften, mithin dasjenige der Tageszeitungen sowie der Wochen- oder Monatszeitschriften, den Namen und die Anschrift des- oder derjenigen anzugeben, die als Verantwortliche Redakteure bezeichnet werden. Handelt es sich dabei um mehrere Redakteure, so ist ferner anzugeben, für welchen Teil oder sachlichen Bereich des Periodikums jeder von ihnen verantwortlich ist. Die Angabe jedenfalls eines Verantwortlichen Redakteurs ist unverzichtbar. Dessen oder deren gesetzlich Aufgabe ist es, die Presse von strafbarem Inhalt freizuhalten8 und
2
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1 Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, NordrheinWestfalen und Saarland § 8; Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen § 7; Hessen und Sachsen § 6, RheinlandPfalz § 9. 2 Löffler/Löhner, § 7 LPG Rz. 59 ff. 3 BGH AfP 1989, 732 = NJW 1990, 1991 = GRUR 1989, 830 – Impressumspflicht; OLG Hamm AfP 1991, 441 = GRUR 1991, 58; OLG Frankfurt/Main AfP 1988, 55. 4 OLG Hamm AfP 1991, 441 = GRUR 1991, 58. 5 Bayern § 8 Abs. 2; Berlin § 7a; Brandenburg § 9; Hessen § 5 Abs. 2; MecklenburgVorpommern und Schleswig-Holstein § 7 Abs. 4; Sachsen und Thüringen § 8, Rheinland-Pfalz § 9 Abs. 4. 6 Bayern § 8 Abs. 3; Brandenburg § 9 Abs. 1 Satz 3; Sachsen § 8 Satz 2; Thüringen § 8 Abs. 1 Satz 3. 7 Hessisches LPG § 5. 8 Dazu unten § 26 Tz. 8 ff.
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§ 25 Tz. 2a
Recht der Darstellung – Einzelfragen
für die Erfüllung von Gegendarstellungsansprüchen zu sorgen, soweit sie ihm gegenüber persönlich geltend gemacht werden.1 2a
Wegen der damit verbundenen Verantwortung, aus der sich im Einzelfall sogar hinsichtlich spezifischer Veröffentlichungen ein Vetorecht gegenüber Verleger oder Chefredakteur ergeben kann,2 stellen die Landespressegesetze3 bestimmte Mindestanforderungen an die persönliche Qualifikation der Verantwortlichen Redakteure. Diese Anforderungen variieren in den einzelnen Landespressegesetzen im Detail.4 Im Wesentlichen werden ein ständiger Aufenthalt im Inland, mit Ausnahme der sogenannten Jugendpresse Geschäftsfähigkeit bzw. Einhaltung eines bestimmten Mindestalters, die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter5 sowie uneingeschränkte strafrechtliche Verfolgbarkeit gefordert. Durch das zuletzt genannte Kriterium wird insbesondere die Benennung solcher Personen als Verantwortliche Redakteure ausgeschlossen, die aufgrund ihrer Immunität als Bundes- bzw. Landtagsabgeordnete strafrechtlich nicht ohne Weiteres zur Verantwortung gezogen werden könnten.6 Anzugeben ist schließlich die Person desjenigen, der für den Anzeigenteil verantwortlich ist. Für sogenannte Kopf- bzw. Anschlusszeitungen ist zusätzlich bestimmt, dass in ihrem Impressum auch Angaben über den Verleger und den Verantwortlichen Redakteur vollständig übernommener fertiger Seiten für den redaktionellen Teil sowie gegebenenfalls über den Verleger der jeweiligen Hauptausgabe enthalten sind.
3
Demgegenüber müssen, soweit vorhanden, Herausgeber, Chefredakteure und Ressortleiter im Impressum nicht genannt werden. Ihnen weist das Presserecht keine eindeutig definierte Rolle und damit rechtlich auch keine Sonderstellung zu.7 Soweit, wie vielfach üblich, Presseunternehmen derartige Funktionsträger im Impressum gesondert ausweisen, handeln sie mithin aufgrund freiwilliger Entscheidung und ohne rechtliche Verpflichtung. Aus ihrer Nennung im Impressum können daher auch keine Folgerungen im Hinblick auf eine etwaige straf- oder zivilrechtliche Haftung gezogen werden.
4
Sinn der Impressumspflicht ist es, denjenigen, die durch den Inhalt von Presseberichten in ihren Rechten verletzt werden, die Möglichkeit der Rechtsverfolgung zu eröffnen.8 Missverständliche Angaben gehen zu Lasten des Verlags. So muss sich etwa derjenige, der sich in einem Impressum als Verleger bezeichnen lässt, auch dann als solcher in Anspruch nehmen lasen, wenn an _______________
1 Dazu unten § 29 Tz. 1 ff. 2 Löffler/Ricker, Kap. 13 Rz. 24, 24a. 3 Bayern § 5 Abs. 2; Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein § 7; Berlin, MecklenburgVorpommern und Sachsen-Anhalt § 8; Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Thüringen§ 9; Brandenburg und Rheinland-Pfalz § 10. 4 Nachweise bei Löffler/Ricker, Kap. 13 Rz. 29 ff. 5 §§ 45 ff. StGB. 6 Löffler/Ricker, Kap. 13 Rz. 33. 7 Löffler/Ricker, Kap. 13 Rz. 21. 8 BGH AfP 1989, 732 = NJW 1990, 1991 = GRUR 1989, 830 – Impressumspflicht; OLG Frankfurt/Main AfP 1988, 55; OLG Karlsruhe AfP 1992, 373; Löffler/Ricker, Kap. 13 Rz. 2.
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Impressum, Anbieterkennzeichnung
Tz. 5a § 25
anderer Stelle des Impressums noch ein mit ihm nicht identischer Verlag genannt wird.1 Blieben insbesondere die Verleger dem Publikum verborgen, würden sich bei der Rechtsverfolgung erhebliche, unter Umständen unüberwindliche Schwierigkeiten ergeben, denen der Verletzte nicht ausgesetzt werden soll. Gesichert wird durch die Bestimmungen über die Benennung des Verantwortlichen Redakteurs aber auch der staatliche Strafanspruch. In unterschiedlicher Ausprägung im Detail sehen die Landespressegesetze vor, dass der Verantwortliche Redakteur strafbar ist, wenn er vorsätzlich, leichtfertig oder fahrlässig seine Verpflichtung verletzt, die Druckschrift von strafbarem Inhalt freizuhalten.2 Inwieweit die Verpflichtung, auch den Verantwortlichen Redakteur im Impressum anzugeben, auch der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche Betroffener dienen soll, hängt hingegen von der umstrittenen Frage ab, ob und unter welchen Voraussetzungen Verantwortliche Redakteure zivilrechtlich haftbar sind.3 Verstöße gegen die Impressumspflicht gelten als so genannte Presseordnungsdelikte. Sie sind nach den Bestimmungen eines Teils der Landespressegesetze4 u.a. strafbar, sofern ein Verleger jemanden zum Verantwortlichen Redakteur bestellt, der die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt, oder sofern jemand, auf den dies zutrifft, faktisch als Verantwortlicher Redakteur handelt; im Übrigen können sie, wie in den übrigen Bundesländern5 auch die genannten Tatbestände, als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbuße geahndet werden.
5
Hingegen stellten Verletzungen der Impressumspflicht nach Auffassung des Bundesgerichtshofs6 keinen Verstoß gegen die Bestimmung des § 1 UWG a.F. dar. Der Bundesgerichtshof7 ging davon aus, dass es sich bei den Bestimmungen über die Impressumspflicht nicht um so genannte wertbezogene Normen handelt, deren Verletzung ohne Weiteres auch einen Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb im Sinn von § 1 UWG a.F. darstellte; Presseverleger, die die ihnen gesetzlich obliegenden Angaben über das Impressum nicht oder nicht vollständig machten, verschafften sich allein dadurch gegenüber rechtstreuen Mitbewerbern noch keine unlauteren Vorteile, dass sie durch fehlende oder unvollständige Impressums-Angaben gegebenenfalls die Durchsetzung von Ansprüchen in der Folge rechtswidriger Berichterstattung erschwerten oder vereitelten. Nachdem im Rahmen des UWG 2008 an die Stelle des früheren Verbots sittenwidriger Werbung gemäß § 1 UWG a.F. nun das Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen im Sinn von §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 UWG getreten ist und nach § 3 Abs. 2 UWG nur solche geschäftlichen Handlungen als unlauter gelten, die geeignet sind, die Entscheidungsfähigkeit des Verbrau-
5a
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1 2 3 4
OLG Karlsruhe AfP 1992, 373. Dazu unten § 26 Tz. 8 ff. Dazu unten § 28 Tz. 11 ff. Baden-Württemberg und Niedersachsen §§ 21, 22; Mecklenburg-Vorpommern §§ 20, 21; Nordrhein-Westfalen §§ 22, 23; Rheinland-Pfalz §§ 35 Abs. 1, 36; Saarland §§ 63 Abs. 1, 64; Sachsen-Anhalt §§ 13, 14; Schleswig-Holstein §§ 15, 16. 5 Bayern, Sachsen und Thüringen § 13; Brandenburg und Hessen § 15; Berlin und Hamburg § 20; Bremen § 21. 6 BGH AfP 1989, 732 = NJW 1990, 1991 = GRUR 1989, 830 – Impressumspflicht. 7 BGH AfP 1989, 732 = NJW 1990, 1991 = GRUR 1989, 830 – Impressumspflicht; a.A. OLG Düsseldorf AfP 1988, 343 = GRUR 1987, 297.
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§ 25 Tz. 6
Recht der Darstellung – Einzelfragen
chers spürbar zu beeinträchtigen, wird man auch nach heute geltendem Recht davon ausgehen müssen, dass Verstöße gegen die Impressumspflicht nicht als Wettbewerbsverletzungen anzusehen sind und dass sie daher auch nicht von Wettbewerbern geahndet werden können.1 2. Rundfunk 6
Den Impressumspflichten der Printmedien im Ansatz vergleichbare Bestimmungen enthalten auch nahezu alle Landesgesetze oder Staatsverträge über den Rundfunk.2 Allerdings haben sie wegen der Flüchtigkeit der Rundfunkmedien in der Praxis nur eine eingeschränkte Bedeutung. Im Wesentlichen beschränken sie sich auf die Bestimmung, dass die Veranstalter einen Verantwortlichen Redakteur zu benennen haben, ohne diesem allerdings ausdrücklich spezifische Funktionen wie etwa die strafrechtliche Verantwortlichkeit oder diejenige für die Ausstrahlung von Gegendarstellungen zuzuweisen. Während die Auffassung, der für einen Rundfunkbeitrag verantwortliche Redakteur hafte persönlich für die Ausstrahlung etwaiger Gegendarstellungen, ersichtlich nicht vertreten wird, soll sich allerdings die strafrechtliche Haftung der Verantwortlichen Rundfunkredakteure in Analogie zu den Bestimmungen der Landespressegesetze ergeben.3 Im Hinblick auf das für den Bereich des Strafrechts geltende Analogieverbot4 bestehen gegen die Richtigkeit dieser Auffassung allerdings durchgreifende Bedenken, so dass eine gesetzlich definierte Spezialverantwortlichkeit der Verantwortlichen Redakteure im Bereich des Rundfunks nicht ersichtlich ist. Von einer näheren Darstellung der insoweit im Einzelnen geltenden Bestimmungen soll daher an dieser Stelle abgesehen werden, zumal Rechtsprobleme in diesem Zusammenhang nicht bekannt geworden sind. 3. Internet
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Wie schon die Vorgänger-Normen § 6 TDG und § 6 MDStV begründet nunmehr § 5 TMG in Umsetzung der so genannten E-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union5 die Verpflichtung, geschäftsmäßig verbreitete Telemedien mit einer üblicherweise auch hier als Impressum bezeichneten Anbieterkennzeichnung zu versehen.6 In Anlehnung an die Regelung in den Landespressegesetzen fordert § 5 TMG im Wesentlichen die Angabe von Namen, Anschrift und Rechtsform sowie bei registrierungspflichtigen Anbietern die_______________
1 Im Ergebnis ebenso Paschke/Henkel, Abschnitt 71 Rz. 24. 2 LMG Baden-Württemberg § 7; LMG Bremen § 16; Staatsvertrag über das Medienrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein § 8; Hessisches Privatrundfunkgesetz § 23; Rundfunkgesetz Mecklenburg-Vorpommern § 27; Niedersächsisches Mediengesetz § 19; LMG Nordrhein-Westfalen § 31 Abs. 6; LMG Rheinland-Pfalz § 9 Abs. 6; Saarländisches Mediengesetz § 8 Abs. 2; Sächsisches Privatradiogesetz § 16; Mediengesetz Sachsen-Anhalt § 24; LMG Thüringen § 20. 3 Hermann/Lausen, § 26 Rz. 19. 4 § 1 StGB; dazu Fischer, § 1 StGB Rz. 10 ff. 5 Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 6. Juni 2000. 6 Zu den insoweit weitgehend identischen Vorgängervorschriften im Einzelnen Stickelbrock, GRUR 2004, 111 ff.
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Impressum, Anbieterkennzeichnung
Tz. 8a § 25
jenige des zuständigen Registers des jeweiligen Anbieters. Zusätzlich und über das aus den Impressumvorschriften für die Printmedien Bekannte hinausgehend fordert das Gesetz1 Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Anbieter ermöglichen, einschließlich der E-Mail-Adresse. Dabei kommt es nicht in jedem Fall darauf an, wer der Inhaber einer genutzten Domain ist; wer in einem Internet-Impressum benannt wird, ist für die zugänglich gemachten Leistungen und Angebote auch dann verantwortlich, wenn er im Einzelfall nicht der Domain-Inhaber ist.2 Zusätzlich schreibt § 55 Abs. 2 RStV für die Anbieter der elektronischen Presse die Bekanntgabe mindestens eines Verantwortlichen vor, der im Wesentlichen dieselben Qualifikationsmerkmale erfüllen muss wie der Verantwortliche Redakteur gemäß den Landespressegesetzen.3 Anders als die Landespressegesetze und damit entsprechend den einschlägigen rundfunkrechtlichen Bestimmungen begründet § 55 Abs. 2 RStV für diese Verantwortlichen jedoch weder die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen noch eine spezifische strafrechtliche Haftung.
7a
Wie die elektronischen Medien diese Vorschriften im Einzelnen in die Praxis umzusetzen haben, war zunächst unter verschiedenen Aspekten ungeklärt. Das gilt in erster Linie für die Frage, ob der Anbieter das Online-Impressum auf der Startseite oder sonstwie unmittelbar auf seiner Homepage anbringen muss oder ob die leichte Erkennbarkeit und unmittelbare Erreichbarkeit im Sinn des Gesetzes auch auf andere Weise gesichert werden kann. Diese leichte Erkennbarkeit hat das Oberlandesgericht Hamburg4 für den Fall der Erreichbarkeit des Impressums über einen als Backstage bezeichneten Link im Ergebnis mit Recht verneint, weil dieser Begriff für den verständigen Durchschnittsnutzer nicht hinreichend erkennen lässt, dass er zu den gesetzlichen Pflichtangaben führt. Hingegen ist es ausreichend, wenn das Impressum über einen auf der Startseite angebrachten gestaffelten Link „Kontakt und Impressum“ erreichbar ist.5
8
Die Forderung nach Angabe der Handelsregisternummer müssen auch solche Anbieter erfüllen, die in einem ausländischen Register eingetragen sind.6 Gerade in diesen Fällen kann die Erreichbarkeit des Anbieters für den durchschnittlichen Internet-Nutzer nur über das Impressum hergestellt werden, und die Möglichkeit, sich fehlende Angaben, die etwa zur Rechtsverfolgung benötigt werden, wie bei deutschen Anbietern aus dem Handelsregister zu beschaffen, wird nicht oder nur unter größeren Schwierigkeiten bestehen. Bei ausländischen Anbietern, die die Pflichtangaben nicht machen, wird man
8a
_______________
1 2 3 4 5
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG. OLG Hamburg AfP 2005, 366 = ZUM-RD 2005, 229. Dazu oben Tz. 2a. OLG Hamburg NJW-RR 2003, 985 = ZUM 2003, 566 = GRUR-RR 2003, 92 – Backstage. BGH AfP 2006, 557 = NJW 2006, 3633 = ZUM 2006, 922 = GRUR 2007, 159 = WRP 2006, 1507 – Anbieterkennzeichnung. 6 LG Frankfurt/Main ZUM-RD 2003, 544 = GRUR-RR 2003, 347 = MMR 2003, 597.
593
§ 25 Tz. 8b
Recht der Darstellung – Einzelfragen
Verstöße daher auch nicht als wettbewerbsrechtliche Bagatellen ansehen können.1 8b
Umstritten war schließlich insbesondere die Frage, ob im Hinblick auf die Forderung nach der Ermöglichung einer unmittelbaren Kommunikation mit dem Anbieter die Angabe einer Telefonnummer erforderlich ist. Diese Frage hat der Europäische Gerichtshof2 inzwischen für den Regelfall verneint, in dem der Anbieter auf elektronische Kontaktaufnahmen binnen angemessen kurzer Frist per E-Mail antwortet und darauf organisatorisch eingestellt ist; lediglich in einer für die elektronischen Medien praktisch nicht relevanten Konstellation, in der der Anbieter seinerseits keinen Online-Zugriff und daher keine Möglichkeit der Beantwortung von Kontaktwünschen per E-Mail hat, ist die Angabe einer Telefonnummer erforderlich.
9
Darüber hinaus haben Anbieter der elektronischen Presse gemäß § 55 Abs. 2 RStV einen Verantwortlichen Redakteur mit Angabe des Namens und der Anschrift zu benennen; werden mehrere Verantwortliche benannt, so ist kenntlich zu machen, für welchen Teil des Dienstes der jeweils Benannte verantwortlich ist.3 Wiederum in enger Anlehnung an die Vorschriften der Landespressgesetze legt der Rundfunkstaatsvertrag auch die qualitativen Voraussetzungen für die Bestellung des Verantwortlichen Redakteurs fest,4 so dass insoweit auf die Darstellung zu den Printmedien5 verwiesen werden kann.
10
Wie Verstöße gegen die Impressumspflicht nach den Landesmediengesetzen stellen auch diejenigen gegen die entsprechenden Bestimmungen für die Telemedien Ordnungswidrigkeiten dar, die mit Bußgeldern geahndet werden können. Wie bei den Printmedien6 stellt sich aber auch hier die Frage, ob Verstöße auch als Verletzung des Verbots unlauterer geschäftlicher Handlungen im Sinn von §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 UWG anzusehen sind, die auch von Wettbewerbern auf dem Zivilrechtsweg verfolgt werden können. Gerichte7 haben diese Frage verschiedentlich bejaht. Nachdem aber der Bundesgerichtshof8 diese Frage für das Impressum der Printmedien verneint und der Gesetzgeber obendrein die Bagatellklausel des § 3 Abs. 2 UWG eingeführt hat, nach der nur solche unlauteren Geschäftshandlungen verboten sind, die geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinflussen, ist auch im vorliegenden Zusammenhang die Berechtigung von Mitbewerbern zur Verfolgung von Impressumverstößen _______________
1 OLG Hamm MMR 2009, 469; dazu unten Tz. 10. 2 EuGH AfP 2009, 40 = MMR 2009, 25; so schon OLG Hamm NJW-RR 2004, 1045 = ZUM-RD 2004, 526; dazu Vorlagebeschluss BGH NJW 2007, 2352 = ZTUM 2007, 742 = GRUR 2007, 723. 3 § 55 Abs. 2 RStV. 4 § 55 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1–4 RStV. 5 Oben Tz. 2a. 6 Dazu oben Tz. 5a. 7 OLG Hamburg NJW-RR 2003, 985 = ZUM 2003, 566 = GRUR-RR 2003, 92 – Backstage; LG Frankfurt/Main ZUM-RD 2003, 544 = GRUR-RR 2003, 347 = MMR 2003, 597; OLG Düsseldorf MMR 2009, 266; so auch Paschke/Held, Abschnitt 71 Rz. 44. 8 BGH AfP 1989, 732 = NJW 1990, 1991 = GRUR 1989, 830 – Impressumspflicht.
594
Impressum, Anbieterkennzeichnung
Tz. 11 § 25
jedenfalls für den Regelfall zu verneinen.1 Die für die gegenteilige Auffassung gegebene Begründung, Anbieter könnten aufgrund von ihnen in diesem Bereich begangener Rechtsverstöße günstiger kalkulieren, weil sie wegen schwerer Erreichbarkeit in geringerem Umfang mit zivil- oder strafrechtlichen Verfahren rechnen müssten,2 erscheint bei objektiver Betrachtung fernliegend.3 Verfehlt ist daher die Auffassung,4 schon das Fehlen des ausgeschriebenen Vornamens eines Geschäftsführers eines Anbieters im Impressum stelle eine spürbare Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers gemäß § 3 Abs. 2 UWG dar. Die Spürbarkeit ist allerdings zu bejahen, wenn ein ausländischer Anbieter es unterlässt, seine Handelsregisternummer anzugeben, weil er auf diese Weise dem inländischen Nutzer unter Umständen die Verfolgung seiner Ansprüche unmöglich macht.5 Die nach § 3 UKlaG zur Klageerhebung berechtigten Verbände sind im Hinblick auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 UKlaG stets berechtigt, Verstöße gegen § 5 TMG zu verfolgen.6
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1 2 3 4 5 6
OLG Hamburg AfP 2008, 511; OLG Düsseldorf MMR 2008, 56. OLG Hamburg NJW-RR 2003, 985 = ZUM 2003, 566 = GRUR-RR 2003, 92 – Backstage. Stickelbrock, GRUR 2004, 111 ff. unter VI 1. OLG Düsseldorf MMR 2009, 266. OLG Hamm MMR 2008, 469. OLG München AfP 2004, 147 = NJW-RR 2004, 1345 = ZUM-RD 2004, 308.
595
11
Teil III Haftung und Ansprüche 1
Die praktische Relevanz insbesondere des im Zweiten Teil behandelten Rechts der Berichterstattung für die Arbeit der Redaktionen bei der Umsetzung vorhandener Informationen erweist sich erst anhand der rechtlichen Folgen rechtswidriger Berichterstattung. Die Verletzung der Rechte Dritter durch die Medien kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Insbesondere der vom Grundgesetz als Schranke der Kommunikationsgrundrechte gemäß Art. 5 Abs. 1 GG konzipierte Ehrenschutz ist vom Gesetzgeber in Gestalt der §§ 185 ff. StGB in erster Linie im Strafgesetzbuch geregelt, während sich das Zivilrecht hinsichtlich des positiv kodifizierten Ehrenschutzes auf den Tatbestand der Kreditgefährdung nach § 824 BGB beschränkt. Zwar finden über die Bestimmung des § 823 Abs. 2 BGB die speziellen Tatbestände des strafrechtlichen Ehrenschutzes Eingang auch in den Bereich des Zivilrechts und steht mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB eine Generalklausel zur Verfügung, die die zivilrechtliche Bewältigung der Rechtsfolgen von Medienberichterstattung umfassend ermöglicht. Auch hat sich in der Praxis eine Entwicklung fort vom straf- und hin zum zivilrechtlichen Ehrenschutz vollzogen, als deren Ergebnis sich feststellen lässt, dass rechtliche Auseinandersetzungen über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Darstellungen in den Medien heute in der weit überwiegenden Zahl der Fälle vor den Zivilgerichten geführt werden. Die zivilrechtlichen Sanktionen stehen daher im Allgemeinen im Zentrum der Aufmerksamkeit und des Interesses derjenigen Redakteure und Juristen, die die Rechtsfolgen möglicherweise rechtswidriger Berichterstattung vorausschauend beurteilen und im Einzelfall gegen den Informationswert der zur Veröffentlichung anstehenden Texte oder Bilder abwägen müssen. Dennoch besteht auch weiterhin das Risiko der Verletzung der einschlägigen Straftatbestände und damit der Strafbarkeit von Medienveröffentlichungen, haben daher auch Staatsanwälte sowie Strafrichter immer wieder Veranlassung, sich mit den Folgen von Medienberichterstattung zu befassen.
Erster Abschnitt Strafrechtliche Haftung 2
Wie in anderem Zusammenhang gezeigt,1 wird die Freiheit der Berichterstattung durch eine Reihe von Normen des Strafrechts eingeschränkt. Verstöße gegen diese Bestimmungen stellen strafbare Handlungen dar. Dabei ist der Strafrahmen den einzelnen Tatbeständen zu entnehmen. In der Mehrzahl der geregelten Tatbestände droht das Gesetz für diejenigen Delikte, die typischerweise durch Verbreitung von Äußerungen oder bildlichen Darstellungen in den Medien begangen werden, Geld- oder niedrige Freiheitsstrafen an, wo_______________
1 Oben § 12 Tz. 5 ff.
596
Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit
Tz. 4 § 26
bei die Verhängung von Freiheitsstrafen nach heutiger Rechtspraxis eine seltene Ausnahme bleiben wird. Höhere Freiheitsstrafen, die gegebenenfalls auch vollstreckt werden, drohen etwa die Bestimmungen der §§ 94, 95 StGB über den Landesverrat oder des § 130 über die Volksverhetzung an. Die Verhängung von Geldstrafen ist demgegenüber die Regel, soweit Medienberichterstattung überhaupt strafrechtlich verfolgt wird. Die praktische Bewältigung der strafrechtlichen Folgen widerrechtlicher Medienberichterstattung und ihre richtige Einschätzung durch die Medien wird dadurch erschwert, dass zahlreiche Normen ineinandergreifen, die teils im Strafgesetzbuch, teils in der Strafprozessordnung und teils in den Landespressegesetzen geregelt sind.
§ 26 Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit Straftaten, die durch das Verbreiten von Druckschriften begangen werden, werden als Presseinhaltsdelikte bezeichnet.1 Für sie verweisen die meisten Landespressegesetze2 auf die allgemeinen Strafgesetze, zu denen insbesondere die in § 12 Tz. 1 ff. behandelten Normen, aber auch alle anderen Straftatbestände gehören, die mittels Verbreitung einer Druckschrift begangen werden können.3 Diese Verweise haben im Hinblick auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bereich des Strafrechts4 freilich nur deklaratorische Bedeutung, so dass in den wenigen Ländern, die eine entsprechende Verweisung in ihren Landespressegesetzen nicht kennen,5 nichts Anderes gilt.6 Für die Medien gelten im Rahmen der damit auf ihre Berichterstattung anwendbaren generellen strafrechtlichen Bestimmungen nur wenige Besonderheiten.
3
1. Täterschaft und Teilnahme a) Verfasser Jede strafrechtliche Haftung knüpft primär an die Täterschaft desjenigen an, der haftbar gemacht werden soll. Das gilt auch für Presseinhaltsdelikte.7 Als Täter eines Presseinhaltsdelikts wie etwa einer Beleidigung oder einer üblen _______________
1 Löffler/Ricker, Kap. 17 Rz. 7 ff. 2 Baden-Württemberg, Bremen und Niedersachsen § 20 Abs. 1; Berlin, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern § 19 Abs. 1; Bayern § 11 Abs. 1; Brandenburg und Schleswig-Holstein § 14 Abs. 1; Nordrhein-Westfalen § 21 Abs. 1; Sachsen § 12 Abs. 1; Sachsen-Anhalt § 12; Saarland § 12 Abs. 2. 3 Löffler/Ricker, Kap. 17 Rz. 7. 4 Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. 5 Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen. 6 A.A. Löffler/Kühl, § 20 LPG Rz. 61 mit einem irrtümlichen Verweis auf Groß, Rz. 644, der eine eigenständige Bedeutung der landesrechtlichen Bestimmungen mit Recht nur für die so genannten Presse-Ordnungsdelikte anerkennt; vgl. dazu die Nachweise in § 25 Tz. 5. 7 BGH AfP 1990, 117 = NJW 1990, 2828.
597
4
§ 26 Tz. 5
Strafrechtliche Haftung
Nachrede kommt daher rechtlich in erster Linie der Verfasser des in Rede stehenden Beitrags in Betracht. Wird ein redaktioneller Beitrag von mehreren Personen gemeinschaftlich als Verfasser gezeichnet, weil sie ihn gemeinsam recherchiert oder weil sie jeweils Teile des Beitrags verfasst haben, dann kann Täter gleichwohl nur derjenige sein, der für die Veröffentlichung der im konkreten Fall strafbaren Äußerung persönlich verantwortlich ist.1 Eine strafrechtliche Haftung des oder der Anderen kommt nicht in Betracht. Wirken hingegen mehrere Redakteure bei der Erstellung eines Beitrags mit strafbarem Inhalt tatsächlich zusammen, so haften sie als Mittäter. Darüber hinausgehend kann Täter sein, wer zwar nicht Autor ist, den strafbaren Inhalt einer Veröffentlichung aber als eigene Handlung mitgetragen, mithin mit entsprechendem Willen auf das Verhalten des oder der Autoren mit dem Erfolg Einfluss genommen hat, dass der strafbare Beitrag veröffentlicht wird.2 Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Autor hinsichtlich der Veröffentlichungsfähigkeit eines Beitrags gegenüber seinem Ressortleiter oder Chefredakteur intern Zweifel äußert, diese aber die Veröffentlichung anordnen. Im Rundfunk kommen als Täter neben den Autoren insbesondere diejenigen Redakteure in Betracht, die Beiträge mit strafbarem Inhalt in den ausgestrahlten Sendungen verlesen oder moderieren. 5
Die strafrechtliche Verfolgung der Täter in diesem Sinn ist in der Praxis allerdings nur in den Fällen möglich, in denen sie ihre Beiträge mit ihrem Namen zeichnen oder in denen sie als Autoren eines rechtsverletzenden Beitrags sonstwie bekannt werden. In vielen Fällen wird die Strafverfolgung der Täter daher daran scheitern, dass Medienberichterstattung häufig Ergebnis interner Arbeitsteilung ist und der Verfasser eines bestimmten Beitrags nicht benannt wird. Da sich das Zeugnisverweigerungsrecht der Pressemitarbeiter auch auf die Identität redaktionsangehöriger Verfasser erstreckt,3 können die Strafverfolgungsbehörden dieses praktische Strafverfolgungshindernis auch nicht etwa dadurch überwinden, dass sie Angehörige der Verlage oder Rundfunkveranstalter als Zeugen laden und versuchen, deren Aussage über die Person des Verfassers eines bestimmten Beitrags zu erzwingen. b) Chefredakteur und Herausgeber
6
Das Prinzip, dass nur derjenige strafrechtlich haftbar ist, der eine bestimmte Tat begangen hat, gilt auch für die Funktionsträger in den Verlagen oder Rundfunkunternehmen wie Geschäftsführer, Herausgeber, Chefredakteure oder Ressortleiter. Keineswegs kann bei den periodischen Printmedien Zeitung und Zeitschrift ihre strafrechtliche Haftung damit begründet werden, dass sie bereits aufgrund derartiger Funktionen besondere Verantwortung tragen. Nur wenn ihnen entgegen der Regel im Einzelfall ein konkreter Tatbeitrag nachgewiesen werden kann, kommt ihre persönliche strafrechtliche Verantwortlichkeit in Betracht, wobei sie in der Mehrheit solcher Fälle nicht _______________
1 Vgl. für die insoweit identische Problematik des Verantwortlichen Redakteurs KG AfP 1998, 324 = NJW 1998, 1420 = ZUM 1998, 850; unten Tz. 8. 2 BGH AfP 1990, 117 = NJW 1990, 2828. 3 Oben § 8 Tz. 12.
598
Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit
Tz. 8 § 26
als Täter, sondern als Gehilfen anzusehen sein werden.1 Bei nicht periodischen Druckwerken hingegen, für die die Bestellung eines verantwortlichen Redakteurs nicht vorgeschrieben ist, ist der Verleger für den Inhalt originär strafrechtlich verantwortlich.2 Die Auffassung, ein Herausgeber übernehme regelmäßig die dem Verantwortlichen Redakteur zukommende Rolle,3 trifft gerade für den Regelfall nicht zu, in dem zusätzlich zum Herausgeber ein oder mehrere Verantwortliche Redakteure bestellt werden und bestellt werden müssen. In diesen Fällen ist sie mit der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren. Selbst wenn aber unter Verstoß gegen die Impressumpflicht4 die Bestellung eines Verantwortlichen Redakteurs unterbleibt, ist es mit dem im Strafrecht geltenden Analogieverbot nicht zu vereinbaren, aus diesem Gesetzesverstoß eine strafrechtliche Haftung des Herausgebers für den Inhalt von Beiträgen abzuleiten, mit denen er im Einzelnen vor der Veröffentlichung nicht befasst war. Wird allerdings im Einzelfall festgestellt, dass der Herausgeber Kenntnis von den in seinem Periodikum erscheinenden Beiträgen hat und die Veröffentlichung derartiger Beiträge in Kenntnis ihrer Strafbarkeit duldet oder gar anordnet, dann kann auch er zwar nicht als Täter, wohl aber wegen Beihilfe strafbar sein.5
7
c) Verantwortlicher Redakteur und Verleger Um den Schwierigkeiten zu begegnen, die sich bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs daraus ergeben können, dass die Täter von Presseinhaltsdelikten häufig unbekannt bleiben,6 begründen die Landespressegesetze7 mit Ausnahme derjenigen von Rheinland-Pfalz und Thüringen die besondere strafrechtliche Haftung des Verantwortlichen Redakteurs bzw. im Fall der nicht periodischen Presse des Verlegers. Im Detail weichen die gesetzlichen Bestimmungen nicht unerheblich von einander ab.8 In ihrer Grundfunktion ist jedoch diese besondere strafrechtliche Haftung in den einzelnen Landespressegesetzen identisch ausgestaltet. Für die Verantwortlichen Redakteure des Rundfunks und die Verantwortlichen des Internet sehen die einschlägigen Normen des Rundfunkrechts9 sowie der für die elektronische Presse maßgebliche § 55 Abs. 2 RStV10 eine entsprechende strafrechtliche Haftung nicht vor. _______________
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BGH AfP 1190, 117 = NJW 1990, 2828; Löffler/Kühl, § 20 LPG Rz. 89 f. Löffler/Kühl, § 20 LPG Rz. 90; Löffler/Ricker, Kap. 17 Rz. 11. Löffler/Kühl, § 20 LPG Rz. 91. Dazu oben § 25 Tz. 2. BGH AfP 1990, 117 = NJW 1990, 2828; Löffler/Kühl, § 20 LPG Rz. 89. BGH AfP 1990, 117 = NJW 1990, 2828. Baden-Württemberg § 20 Abs. 2; Bayern § 11 Abs. 3; Berlin, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern § 19 Abs. 2; Brandenburg, Hessen und Schleswig-Holstein § 14 Abs. 2; Bremen und Niedersachsen § 20; Nordrhein-Westfalen § 21 Abs. 2; Saarland § 63 Abs. 1; Sachsen § 12 Abs. 2; Sachsen-Anhalt § 12. 8 Einzelheiten bei Löffler/Ricker, Kap. 17 Rz. 12 ff. 9 Oben § 25 Tz. 6. 10 Oben § 25 Tz. 7a.
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8
§ 26 Tz. 8a
Strafrechtliche Haftung
8a
Danach haben die Verantwortlichen Redakteure einer periodischen Druckschrift die gesetzliche Verpflichtung, die von ihnen verantworteten Teile oder, wo nur ein Verantwortlicher bestellt ist, den gesamten Inhalt der Druckschrift auf seine Strafbarkeit zu überprüfen und strafbaren Inhalt vor der Veröffentlichung auszuscheiden.1 Diese Verpflichtung trifft denjenigen, der die Position des Verantwortlichen Redakteurs mit dem Willen des Verlegers tatsächlich bekleidet und kraft dieser Stellung die Entscheidung darüber innehat, ob ein bestimmter Beitrag veröffentlicht wird oder nicht.2 Wird er nur irrtümlich im Impressum als Verantwortlicher Redakteur benannt, übt diese Funktion indessen tatsächlich ein Anderer aus, so begründet allein die fehlerhafte Benennung seine strafrechtliche Haftung nicht.3 In der Verpflichtung zur Überprüfung und Verhinderung der Publikation strafbarer Inhalte besteht die wesentliche Funktion des Verantwortlichen Redakteurs und der bindenden Anordnung der Gesetzgeber, dass für jede periodische Druckschrift bzw. für jeden ihrer Teile ein Verantwortlicher Redakteur bestellt und im Impressum bekanntgegeben werden muss.4
8b
Bei der nicht periodischen Presse, für die die Pressegesetze die Bestellung eines Verantwortlichen Redakteurs nicht anordnen, tritt an seine Stelle der Verleger, lässt sich also aus dessen Funktion entgegen der Regel eine eigene strafrechtliche Verantwortlichkeit herleiten.
9
Der Verantwortliche Redakteur und gegebenenfalls der Verleger haben die Verpflichtung, das Druckwerk von strafbarem Inhalt freizuhalten. Sie machen sich strafbar, wenn sie diese Verpflichtung verletzen, sofern sie nicht bereits nach allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen als Täter oder Teilnehmer strafbar sind, weil sie an der rechtsverletzenden Berichterstattung konkret mitgewirkt haben.5 Die Auffassung, es handele sich insoweit um eine allein am Erfolg orientierte und damit verschuldensunabhängige strafrechtliche Garantenhaftung,6 ist jedoch verfehlt. Strafbar ist vielmehr nur derjenige Verantwortliche Redakteur und gegebenenfalls Verleger, der seine Verpflichtung, das ihm anvertraute Periodikum von strafbarem Inhalt freizuhalten, vorsätzlich oder fahrlässig verletzt;7 in Nordrhein-Westfalen wird sogar vorsätzliches oder leichtfertiges Handeln gefordert.8
10
Erforderlich ist damit im Einzelfall nicht nur die Feststellung, dass eine Publikation einen strafbaren Inhalt hat, sondern auch diejenige, dass der für sie verantwortliche Redakteur dies mit der von ihm zu fordernden Sorgfalt hätte verhindern können.9 Das setzt zunächst voraus, dass er am Erscheinen des betreffenden Objekts überhaupt mitgewirkt hat. Das ist nicht der Fall, _______________
1 RGSt 59, 181; BGH NJW 1966, 1857; Löffler/Kühl, § 20 LPG Rz. 123; Löffler/Sedelmeier, § 9 LPG Rz. 37. 2 Löffler/Kühl, § 20 LPG Rz. 124. 3 KG AfP 1998, 324 = NJW 1998, 1320 = ZUM 1998, 850; Löffler/Kühl, § 20 LPG Rz. 125. 4 Löffler/Sedelmeier, § 9 LPG Rdnr: 37. 5 BGH AfP 1990, 117 = NJW 1990, 2828; Löffler/Ricker, Kap. 17 Rz. 11. 6 So wohl Löffler/Ricker, Kap. 17 Rz. 11. 7 LG Berlin AfP 1992, 86. 8 § 21 Abs. 2 LPG Nordrhein-Westfalen. 9 Löffler/Kühl, § 20 LPG Rz. 129, 137 ff.
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Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit
Tz. 11 § 26
wenn er etwa aufgrund Urlaubs oder Krankheit in den Produktionsprozess nicht eingebunden war.1 Gleiches gilt im Fall seiner fehlerhaften Benennung.2 Wirkt der Verantwortliche Redakteur tatsächlich mit, so kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls konkret beurteilt werden, welcher Sorgfaltsmaßstab von ihm zu fordern ist. Eine absolute Richtigkeitsgewähr darf auch in diesem Zusammenhang nicht gefordert werden, da die Landespressegesetze nicht mehr als die pressemäßige Sorgfalt fordern.3 So wird gerade bei umfangreichen Publikationen vom Verantwortlichen Redakteur zwar die kritische Lektüre der unter seiner Verantwortung entstehenden Beiträge sowie im Zweifelsfall Rücksprache mit dem oder den Autoren zu fordern sein, nicht aber eine vollständige eigene Recherche aller in dem in Rede stehenden Artikel verarbeiteten tatsächlichen Informationen. Wird dem Verantwortlichen Redakteur auf Befragen vom Autor schlüssig dargelegt, dass und wie er kritische Behauptungen verifiziert hat, so verletzt er die erforderliche Sorgfalt jedenfalls dann nicht und damit scheidet damit seine strafrechtliche Haftung aus, wenn er sich darauf verlässt und aufgrund der beruflichen Erfahrungen des Verfassers und seiner Stellung innerhalb der Redaktion dessen Auskünften Glauben schenken darf. Die Verpflichtung, persönliche Recherche zu betreiben, trifft ihn nicht, wohl aber diejenige, die Veröffentlichung zu verhindern oder bis zur Klärung aufzuschieben, wenn er den Verdacht haben muss, dass sie jedenfalls in Teilen einen strafbaren Inhalt haben könnte.4 Jedenfalls theoretisch ist der Verantwortliche Redakteur auch dafür verantwortlich, dass sich die Strafbarkeit begründende Fehler nicht erst im technischen Herstellungsprozess einschleichen; in aller Regel wird er sich insoweit aber entlasten können, wenn er nachweist, dass der Herstellungsprozess aufgrund der Verlagsorganisation anderweitig verlässlich kontrolliert und überwacht wird.5
10a
Liegen die Voraussetzungen der Strafbarkeit des Verantwortlichen Redakteurs im Einzelfall vor, so tritt die Haftung auch dann ein, wenn es sich bei dem betreffenden Artikel um einen Namensartikel handelt, der Autor mithin bekannt ist und seinerseits wegen des Inhalts strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann.6 Daran kann wegen der zwingenden Natur der einschlägigen Bestimmungen der Landespressegesetze auch ein Hinweis im Impressum nichts ändern, wonach für namentlich gezeichnete Beiträge die Autoren die Verantwortung übernehmen,7 sofern nicht der Verleger im Rahmen der Organisation der redaktionellen Tätigkeit die presserechtliche Verantwortung tatsächlich den Namensautoren überträgt und sie entsprechend im Impressum ausweist.
11
_______________
1 Engels, AfP 2005, 39 ff. 2 KG AfP 1998, 324 = NJW 1998, 1320 = ZUM 1998, 850; Löffler/Kühl, § 20 LPG Rz. 125. 3 Oben § 2 Tz. 9 ff. 4 Löffler/Sedelmeier, § 9 LPG Rz. 47. 5 Löffler/Sedelmeier, § 9 LPG Rz. 48. 6 LG Berlin AfP 1992, 86. 7 LG Berlin AfP 1992, 86.
601
§ 26 Tz. 11a
Strafrechtliche Haftung
d) Internet 11a
Die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter im Internet ergibt sich heute für die elektronische Presse aus den speziellen Haftungsvorschriften der §§ 5–10 TMG.1 Strafrechtlich ist neben dem Verfasser von Beiträgen, die dieser für das Internet erstellt,2 derjenige täterschaftlich verantwortlich, der eigene Inhalte ins Netz bringt.3 Das gilt auch für solche Inhalte, die nicht von ihm stammen, die er sich aber zu eigen macht;4 insoweit kann ohne Weiteres auf die für die Printmedien entwickelten Prinzipien der Verbreiterhaftung verwiesen werden.5 Dieser so genannte Content Provider6 kann aufgrund eigenen aktiven Tuns strafbar sein, während die so genannten Host- und Access-Provider, mithin diejenigen Anbieter, die nur fremde Inhalte bereithalten oder durchleiten,7 für diese Inhalte nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TMG nur verantwortlich sind, wenn sie sie selbst ausgewählt oder verändert und damit einen aktiven Tatbeitrag geleistet haben; sie haften allerdings auch dann, wenn sie mit einem Nutzer ihres Dienstes in der Absicht zusammenarbeiten, rechtswidrige Handlungen zu begehen,8 oder einer Verpflichtung zur Entfernung von Informationen strafbaren Inhalts aus ihren Diensten nicht nachkommen; derartige Verpflichtungen können sich insbesondere aus §§ 7 Abs. 2 Satz 2, 9 Satz 1 Nr. 5 und 10 Satz 1 Nr. 2 TMG ergeben. 2. Strafantrag und Privatklage a) Strafantrag
12
Bei der Mehrzahl der als Presseinhaltsdelikt infrage kommenden Tatbestände handelt es sich um Delikte, die nur auf Antrag des Verletzten verfolgt werden. Das gilt nach § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB vor allem für die gesamte Gruppe der Beleidigungsdelikte der §§ 185 ff. StGB. Ausgenommen sind nach §§ 194 Abs. 1 Satz 2, 130 Abs. 3 StGB die unter dem Stichwort der so genannten Auschwitzlüge bekanntgewordenen Tatbestände der Beleidigung der Angehörigen von Gruppen, die unter der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- oder Willkürherrschaft verfolgt wurden, sowie der Leugnung des Holocaust.9 Derartige Delikte werden von Amts wegen verfolgt, sofern sie durch die Medien begangen werden. Gleiches gilt nach § 194 Abs. 2 Satz 2 StGB bei der öffentlichen Beleidigung von verstorbenen Opfern derartiger Regime, sofern die Beleidigung mit ihrer Opferrolle zusammenhängt.
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Das Strafantragsrecht steht ausschließlich dem Verletzten und gemäß § 194 Abs. 2 Satz 1 StGB nach seinem Tod seinen Angehörigen zu, zu denen nach § 77 Abs. 2 StGB primär der Ehegatte und die Kinder und, sofern Kinder nicht _______________
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Dazu im Einzelnen oben § 16 Tz. 17a ff. Vgl. hierzu allgemein oben Tz. 4 f. § 7 Abs. 1 TMG. Spindler/Zimmermann/Stender-Vorwachs, § 7 TMG Rz. 47. Oben § 16 Tz. 10 ff. Dazu im Einzelnen oben § 16 Tz. 17g ff. Dazu oben § 16 Tz. 17j f. § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG. Vgl. dazu § 130 Abs. 3 StGB; oben § 12 Tz. 18 und 46.
602
Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit
Tz. 16 § 26
vorhanden sein sollten, unter Umständen auch Eltern, Geschwister und Enkel gehören. Bei Beleidigungen von Amtsträgern oder Soldaten der Bundeswehr steht nach Maßgabe von § 194 Abs. 3 Satz 1 StGB das Strafantragsrecht auch dem Dienstvorgesetzten, im Fall der Tat zum Nachteil von Behörden oder sonstigen Stellen der öffentlichen Verwaltung steht es nach § 194 Abs. 3 Satz 2 StGB dem jeweiligen Behördenleiter zu. Ausführungsbestimmungen hierzu enthält § 77a StGB. Nach § 77a Abs. 4 StGB können etwa Beleidigungsdelikte zum Nachteil der Bundes- oder einer Landesregierung bzw. eines ihrer Mitglieder nur auf Antrag der betroffenen Regierung verfolgt werden. Die in der Praxis nicht eben seltenen Beschwerden oder auch Strafanzeigen Einzelner gegen Medien, mit deren politischer Ausrichtung oder Problembehandlung im Einzelfall sie nicht einverstanden sind, wegen einzelner Beiträge zum Nachteil von Regierungen und deren Mitgliedern sind damit rechtlich unbeachtlich. Sofern die Tat zum Nachteil eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes oder einer anderen politischen Körperschaft begangen ist, tritt nach § 197 StGB an die Stelle des Strafantrags des Verletzten die Ermächtigung der betroffenen Körperschaft zur Strafverfolgung. Entsprechendes gilt bei den Tatbeständen der Verunglimpfung des Bundespräsidenten oder von Verfassungsorganen nach §§ 90, 90a StGB. Sie dürfen nur mit Ermächtigung des Bundespräsidenten bzw. des betroffenen Verfassungsorgans verfolgt werden.
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b) Privatklage Ergänzend zum insbesondere für die Beleidigungsdelikte bestehenden Erfordernis des Strafantrags bestimmt § 374 Abs. 1 StPO, dass diese Delikte, soweit sie nicht von Amts wegen verfolgt werden, vom Verletzten persönlich im Wege der Privatklage zu verfolgen sind, sofern er auf ihre strafrechtliche Ahndung überhaupt Wert legt und daher einen Strafantrag stellt. Eine Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaften kommt bei diesen Delikten nach § 376 StPO nur dann in Betracht, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Ob dies der Fall ist, beurteilen die Ermittlungsbehörden anhand der Regeln in Nr. 86 der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren.1 Danach soll ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung in der Regel vorliegen, wenn
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„… der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus gestört und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist, z.B. wegen des Ausmaßes der Rechtsverletzung, wegen der Rohheit oder Gefährlichkeit der Tat, der niedrigen Beweggründe des Täters oder der Stellung des Verletzten im öffentlichen Leben …“
Schon aus diesen Formulierungen ergibt sich, dass die Voraussetzungen für ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung von Presseinhaltsdelikten, soweit diese Antragsdelikte sind, in der Regel nicht vorliegen. Soweit nach den Richtlinien das öffentliche Interesse darauf gestützt werden soll, dass der Verletzte eine besondere Stellung im öffentlichen Leben einnimmt, bestehen dagegen die bereits in anderem Zusammenhang geäußerten prinzipiellen Be_______________
1 Abgedruckt u.a. bei Meyer-Goßner, Anhang 12.
603
16
§ 26 Tz. 16a
Strafrechtliche Haftung
denken gegen eine Ausweitung des Ehrenschutzes zu Lasten der Medien und zugunsten namentlich der Träger hoheitlicher Gewalt.1 In dieser Hinsicht sind die Richtlinien auch mit der klaren gesetzlichen Bestimmung des § 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht zu vereinbaren, die Verstöße gegen die Bestimmungen der §§ 185 bis 189 StGB dem Bereich der Privatklage zuweist, zu denen auch diejenige des § 188 StGB betreffend die politische üble Nachrede gehört. Da dieses Delikt sich schon kraft Gesetzes nur gegen Persönlichkeiten richten kann, die aufgrund ihrer politischen Position eine hervorgehobene Stellung im öffentlichen Leben einnehmen,2 muss seine Verfolgung durch die Staatsanwaltschaften an andere Voraussetzungen anknüpfen als an die bloß herausgehobene Stellung des Verletzten im öffentlichen Leben. Das besondere öffentliche Interesse, das § 376 StPO für eine Verfolgung der Beleidigungsdelikte im Wege der öffentlichen Klage voraussetzt, muss sich folglich auch bei Delikten zu Lasten der Träger öffentlicher Funktionen aus zusätzlichen Kriterien ergeben; die nicht mit Gesetzeskraft ausgestatteten Richtlinien für das Strafund Bußgeldverfahren stehen dem nicht entgegen. 16a
Obendrein ist im Rahmen der Prüfung, ob ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung von Beleidigungsdelikten vorliegt, die Gewährleistung der Meinungsfreiheit durch Art. 10 EMRK zu beachten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte3 ist es im Lichte dieser Gewährleistung unverhältnismäßig, wenn in den Mitgliedstaaten der Konvention Medienveröffentlichungen strafrechtlich verfolgt werden, obwohl dem Betroffenen die Möglichkeit offen steht, Ansprüche auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. Gerade die Gewichtigkeit strafrechtlicher Ahnung stellt einen Aspekt dar, der Einschränkungen der Meinungsfreiheit dann unzulässig macht, wenn andere Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Insbesondere der chilling effect, der sich bereits aus dem Risiko einer strafrechtlichen Ahnung auf die Bereitschaft der Medien ergibt, sich an der Diskussion von Fragen allgemeinen Interesses zu beteiligen,4 steht der Eröffnung eines Strafverfahrens in aller Regel entgegen.
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Die prinzipielle Zurückhaltung, die die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren den Strafverfolgungsbehörden ansonsten bei der Verfolgung von Presseinhaltsdelikten aus dem Bereich der Beleidigungsdelikte auferlegen, gewinnt noch dadurch an Gewicht, dass die Staatsanwaltschaften im Hinblick auf die grundsätzliche verfassungsrechtliche Gewährleistung der Pressefreiheit in der Mehrzahl der Fälle dazu tendieren, den Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn von § 376 StPO restriktiv auszulegen. Im Wesentlichen auf dieser zutreffenden Handhabung strafrechtlicher Instrumentarien gegenüber Medienberichterstattung beruht die Tatsache, dass sich der Ehrenschutz trotz seiner prinzipiellen Verankerung im Strafgesetzbuch in der Praxis fort vom Strafrecht und hin zur zivilrechtlichen Sanktion entwickelt hat. _______________
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Oben § 12 Tz. 23. Dazu oben § 12 Tz. 27 ff. EGMR – 55/1997/839/1045 – Lehideux. EGMR NJW-RR 2007, 1524.
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Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit
Tz. 19 § 26
3. Verjährung Unabhängig von den allgemeinen Verjährungsregeln des Strafgesetzbuchs enthalten alle Landespressegesetze1 eine besondere Verjährungsregelung für Presseinhaltsdelikte. Danach verjähren Straftaten, die durch die Veröffentlichung oder Verbreitung von Druckschriften begangen werden, in der Regel in sechs Monaten. Lediglich bei Verbrechen, Handlungen also, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind,2 beträgt die Verjährungsfrist ein Jahr. Diese kurze Verjährung findet nach den Bestimmungen einer Reihe von Landespresse- oder Mediengesetzen auf Inhaltsdelikte, die über Hörfunk und Fernsehen verbreitet werden, entsprechende Anwendung.3 Im Bereich des Fernsehens findet die kurze Verjährung auch Anwendung für Äußerungen Dritter, die im Rahmen einer Talk Show ausgestrahlt werden.4
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Die kurze Verjährung wird als eine bedeutsame Privilegierung der Medien im Bereich ihrer strafrechtlichen Haftung bezeichnet.5 Das ist jedenfalls rechtsdogmatisch zutreffend, weil der Lauf der presserechtlichen Verjährung mit der erstmaligen Verbreitung einer Veröffentlichung und nicht erst mit dem Abschluss der Verbreitung beginnt. Da insbesondere die nicht periodische Presse, aber auch nicht aktuelle Monatsmagazine häufig über einen langen Zeitraum verbreitet werden, ergibt sich dadurch im Einzelfall eine beträchtliche Verkürzung der Verjährung im Vergleich zur Verjährung nach allgemeinem Strafrecht. Theoretisch führt die kurze presserechtliche Verjährung obendrein zu einer nennenswerten Entlastung insbesondere im Bereich der Dokumentation und Beweissicherung,6 da mit Ablauf der Verjährungsfrist jedenfalls aus strafrechtlicher Sicht keine Veranlassung mehr zu weiterer Sicherung vorgehaltenen Beweismaterials besteht.
18a
Im Gegensatz zu ihrem theoretischen Wert ist jedoch die praktische Bedeutung der kurzen Verjährung vergleichsweise gering. Sie wird schon dadurch relativiert, dass die Landesmediengesetze nur die strafrechtliche Verjährung im Vergleich zum Regelfall verkürzen. Die zivilrechtliche Verjährung beträgt demgegenüber entsprechend allgemeinen deliktsrechtlichen Regeln drei Jahre,7 so dass die erwähnte Entlastung im Bereich der Beweissicherung im Hinblick auf etwaige zivilrechtliche Ansprüche nicht mit dem Ablauf der kurzen strafrechtlichen Verjährung in Anspruch genommen werden sollte.
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1 Baden-Württemberg, Bremen und Niedersachesen § 24 Abs. 1; Bayern und Sachsen § 14 Abs. 1; Brandenburg § 16 Abs. 1; Berlin und Mecklenburg-Vorpommern § 22 Abs. 1; Hamburg § 23 Abs. 1; Hessen § 13 Abs. 1; Nordrhein-Westfalen § 25 Abs. 1; Rheinland-Pfalz § 37 Abs. 1; Saarland § 66 Abs. 1; Sachsen-Anhalt § 15 Abs. 1; Schleswig-Holstein § 17 Abs. 1; Thüringen § 14 Abs. 2. 2 § 12 Abs. 1 StGB. 3 LPG Baden-Württemberg § 25 Abs. 1; BayMG Art. 38; LPG Berlin § 23 Abs. 1; LPG Niedersachsen § 25 Abs. 1; LPG Nordrhein-Westfalen § 26 Abs. 1; LPG SachsenAnhalt § 16 Abs. 1 sowie Landesmediengesetze Rheinland-Pfalz § 37 Abs. 1 und Saarland § 66 Abs. 1. 4 BGH NJW 1999, 508 = ZUM 1999, 75. 5 Löffler/Ricker, Kap. 17 Rz. 49 ff. 6 Dazu oben § 11 Tz. 9 ff. 7 § 195 BGB.
605
§ 26 Tz. 19
Strafrechtliche Haftung
Aber auch für den Bereich des Strafrechts wird der Entlastungseffekt dadurch relativiert, dass § 78c StGB den Strafverfolgungsbehörden die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung außerordentlich leicht macht. So reicht zur Unterbrechung der Verjährung bereits eine formlose Bekanntgabe durch die Staatsanwaltschaft an den Beschuldigten darüber aus, dass ein Ermittlungsverfahren wegen einer bestimmten Veröffentlichung eingeleitet worden ist. Wo die strafrechtliche Verfolgung von Presseinhaltsdelikten tatsächlich von den Staatsanwaltschaften betrieben wird, scheitert sie daher erfahrungsgemäß nur selten am Eintritt der Verfolgungsverjährung.
606
§ 27 Beschlagnahme und Einziehung 1. Kompetenzfragen Weit gravierender als die Folgen individueller Verfolgung von Presseinhaltsdelikten für die als Täter in Betracht kommenden Journalisten oder die neben ihnen haftenden Verantwortlichen Redakteure können für die Presse die Folgen sein, die sich aus einer etwaigen Beschlagnahme oder gar Einziehung einer ganzen Ausgabe einer Zeitung oder Zeitschrift wegen einer durch ihre Verbreitung begangenen strafbaren Handlung ergeben können. Hiervon zu unterscheiden ist die Beschlagnahme zu Beweiszwecken, auf die in anderem Zusammenhang eingegangen wurde.1 Schon wegen des Aktualitätsdrucks, unter dem Medienberichterstattung im Allgemeinen steht, sind die wirtschaftlichen Folgen der Beschlagnahme einer ganzen Ausgabe einer Zeitung oder Zeitschrift verheerend. Ihre spätere Verbreitung ist in aller Regel nicht mehr möglich. Selbst für Periodika mit ausschließlich unterhaltendem oder belehrendem Inhalt, die ihrer Art nach nicht aktualitätsbezogen und die daher auf die Verbreitung zu einem fest bestimmten Zeitpunkt nicht unbedingt angewiesen sind, werden sich wegen des straff durchorganisierten Verteilungssystems des Pressegrosso und wegen der in der Regel fest terminierten Folgeausgaben Verzögerungen und Behinderungen, die sich aus einer Auflagenbeschlagnahme ergeben können, kaum weniger gravierend auswirken.
1
Das Recht der Pressebeschlagnahme zeichnet sich durch eine vermutlich einmalige Unübersichtlichkeit aus, die sich daraus ergibt, dass es über lange Jahre vom Bundesgesetzgeber und in einzelnen Landespressegesetzen in teils identischen, teils unterschiedlichen Bestimmungen geregelt wurde und zum Teil noch geregelt wird; die dem zugrundeliegende verfassungsrechtlich umstrittene Frage, ob die Gesetzgebungskompetenz insoweit beim Bund oder bei den Landesgesetzgebern liegt, ist immer noch nicht verbindlich geklärt. Während der Komplex der Pressebeschlagnahme ebenso wie derjenige des journalistischen Zeugnisverweigerungsrechts traditionell als Teil der Materie Presserecht galt, hinsichtlich deren die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt, und der daher bei deren Inkrafttreten in allen Landespressegesetzen der alten Bundesländer geregelt wurde,2 hat sich der nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes u.a. für das Verfahrensrecht zuständige Bundesgesetzgeber im Rahmen der durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts3 erforderlich gewordenen Neuregelung des Zeugnisverweigerungsrechts und des Rechts der Beschlagnahme zu Beweiszwecken auch des Rechts der Pressebeschlagnahme angenommen und es in §§ 111m und 111n StPO bundeseinheitlich geregelt.4 Da der Bundesgesetzgeber jedoch nicht in der Lage war und ist, seinerseits Landesgesetze außer Kraft zu setzen,
2
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Oben § 8 Tz. 24 ff. Löffler/Ricker, Kap. 31 Rz. 3 ff. BVerfG NJW 1974, 356; BVerfG NJW 1974, 743. Gesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk v. 25.7.1975, BGBl. I 1975, 1973 ff.
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§ 27 Tz. 3
Strafrechtliche Haftung
bestehen seither in einigen Bundesländern bundes- und landesrechtliche Regelungen desselben Gegenstands nebeneinander. Zwar hat die Mehrheit der alten Bundesländer1 die einschlägigen Bestimmungen in ihren Landespressegesetzen aufgehoben und hat die Mehrheit der neuen Bundesländer im Rahmen der Verabschiedung ihrer Landespressegesetze im Hinblick auf das Bestehen einer bundeseinheitlichen Regelung darauf verzichtet, diese Materie zu regeln.2 In den übrigen alten Bundesländern3 gelten jedoch trotz ausnahmsloser Novellierung der Gesetze innerhalb des letzten Jahrzehnts die jeweiligen Bestimmungen über die Pressebeschlagnahme und Einziehung fort,4 und Mecklenburg-Vorpommern hat „unbeschädigt der Bestimmungen der Strafprozessordnung“ im Rahmen seines Landespressegesetzes eine detailierte Neuregelung der Pressebeschlagnahme in Kraft gesetzt.5 3
Die Frage, ob die Materie der Pressebeschlagnahme dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist und der Bundesgesetzgeber daher kompetenzrechtlich befugt war, sie wie diejenige des Zeugnisverweigerungsrechts und der Beschlagnahme zu Beweiszwecken in der Strafprozessordnung einheitlich zu regeln, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bisher nicht geklärt. Im Schrifttum6 wird sie überwiegend und mit guten Gründen bejaht. Annähernd dreißig Jahre nach Inkrafttreten der Bestimmungen der §§ 111m und n StPO erscheint aber vor allem die Feststellung gerechtfertigt, dass die praktische Bedeutung des durch das partielle Nebeneinander von bundes- und landesrechtlichen Bestimmungen aufgeworfenen Problems erheblich geringer sein dürfte als es zunächst den Anschein hatte. Nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass Bundesrecht dem Landesrecht vorgeht, ist heute auch in den Bundesländern, die auf einer eigenen Regelung beharren, von der ausschließlichen Geltung der bundesrechtlichen Regelungen auszugehen. 2. Einzelheiten a) Beschlagnahme
4
Nach § 111b StPO können Gegenstände im Wege der Beschlagnahme sichergestellt werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass im weiteren Verfahren ihre Einziehung in Betracht kommt. An die Stelle dieser generellen Ermächtigung für Ermittlungsbehörden zur Beschlagnahme von Gegenständen tritt für Druckschriften die Bestimmung des § 111m StPO, der die Bedeutung dieses Komplexes für die Presse erheblich relativiert. Danach steht die Presse in diesem für sie außerordentlich sensiblen Bereich _______________
1 Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland; in Schleswig-Holstein regelt § 13 nur noch das Verbot der Verbreitung während einer angeordneten Beschlagnahme. 2 Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 3 Baden-Württemberg §§ 13–18; Bayern §§ 15, 16; Berlin §§ 12–16; Bremen §§ 13–17. 4 Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland §§ 13 ff.; Bayern §§ 16 f.; Berlin §§ 12 ff. 5 §§ 12–17 LPG Mecklenburg-Vorpommern. 6 Löffler/Achenbach, Rz. 24 ff., 27 vor §§ 13 ff. LPG; Löffler/Ricker, Kap. 31 Rz. 5 ff.; Meyer-Goßner, § 111m StPO Rz. 2.
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Beschlagnahme und Einziehung
Tz. 6 § 27
unter dem besonderen Schutz des bereits von Verfassungs wegen geltenden Prinzips der Verhältnismäßigkeit. Eine Beschlagnahme setzt die Prognose der hohen Wahrscheinlichkeit einer späteren Einziehung voraus. Sie ist unzulässig, wenn ihre nachteiligen Folgen und insbesondere die Gefährdung des öffentlichen Interesses an unverzögerter Verbreitung außer Verhältnis zur Bedeutung der durch die Presse inhaltlich begangenen Straftat stehen. Erforderlich ist eine Güterabwägung zwischen den nachteiligen Folgen der Beschlagnahme für den Verlag und der Bedeutung der strafbaren Handlung, die durch die Verbreitung der zu beschlagnahmenden Druckschrift begangen wird.1 Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, das durch die Verhinderung der Verbreitung beeinträchtigt wird und das sich nicht nur auf den strafbaren Bestandteil, sondern auf den Gesamtinhalt einer Zeitung oder Zeitschrift einschließlich des Anzeigenteils bezieht.2 Nach diesen Kriterien ist eine Beschlagnahme nur wegen eines besonders gravierenden Delikts statthaft. Zulässig kann sie bei der Gefährdung wichtiger Gemeinschaftsinteressen wie etwa in schweren Fällen des Landesverrats3 oder dann sein, wenn das infrage stehende Delikt seiner Art nach geeignet ist, die Existenz eines betroffenen Unternehmens zu vernichten.4 Zudem darf sich eine danach nur ausnahmsweise zulässige Beschlagnahme nur auf ausscheidbare Teile der Druckschrift beziehen, sofern eine Trennung möglich ist.5 Und vor allem ist im Einzelfall stets zu prüfen, ob der mit der Beschlagnahme verfolgte Zweck noch erreicht werden kann. Das ist nicht der Fall, wenn – wie in aller Regel – jedenfalls eine Teilauflage der betreffenden Druckschrift bereits verbreitet worden und damit die strafbare Meldung, deren Verbreitung die Beschlagnahme verhindern soll, jedenfalls einem Teil des Publikums bereits bekannt geworden ist.6
4a
Damit kommt eine Beschlagnahme periodischer Presse zur Sicherung ihrer späteren Einziehung wegen strafbaren Inhalts praktisch nicht in Betracht. Ist sie nach Ansicht der Strafverfolgungsbehörden aber ausnahmsweise dennoch geboten, so darf sie nach § 111n StPO nur durch den Richter angeordnet werden. In anderen Fällen zulässige Sicherungsmaßnahmen durch Staatsanwaltschaft oder Polizei sind im Fall der Pressebeschlagnahme schlechthin unzulässig.
5
b) Einziehung Ausgangspunkt der bundesrechtlichen Regelung ist die Bestimmung des § 74d StGB, nach dessen Abs. 1 Schriften, die einen strafbaren Inhalt haben, prinzipiell jeweils mit ihrer gesamten Auflage einzuziehen und unbrauchbar zu _______________
1 Löffler/Ricker, Kap. 31 Rz. 23; Einzelheiten bei Löffler/Achenbach, § 13 LPG Rz. 34 ff., 87 ff. 2 LG Hamburg AfP 1971, 168; Löffler/Achenbach, § 13 LPG Rz. 94 ff.; Meyer-Goßner, § 111m StPO Rz. 5. 3 Löffler/Achenbach, § 13 LPG Rz. 103; Löffler/Ricker, Kap. 31 Rz. 30. 4 Löffler/Achenbach, § 13 LPG Rz. 103. 5 Löffler/Achenbach, § 13 LPG Rz. 51. 6 Löffler/Achenbach, § 13 LPG Rz. 108.
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6
§ 27 Tz. 7
Strafrechtliche Haftung
machen sind.1 Das gilt mangels speziellerer Regelungen mithin auch für Zeitungen oder Zeitschriften, sofern deren Verbreitung ein Presseinhaltsdelikt darstellt. Prinzipiell wäre dann jeweils die ganze Ausgabe des betreffenden Titels einzuziehen, auch wenn sie nur einen einzigen kurzen Artikel beleidigenden Inhalts enthält. Diese außerordentlich weit gehende Bestimmung wird allerdings dadurch entscheidend relativiert, dass auch ihre Anwendung unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit steht.2 Kann der Zweck der Einziehung durch ein milderes Mittel erreicht werden wie etwa die Schwärzung eines Beitrags oder das Überkleben eines strafbaren Symbols auf dem Titelblatt, so sind derartige Maßnahmen anstelle der Einziehung der gesamten Druckschrift anzuordnen.3 7
Dennoch handelt es sich bei der Einziehung von Presseerzeugnissen um ein scharfes Schwert. Seine Bedeutung für die periodische Presse wird allerdings durch § 74d Abs. 2 StGB auf ein erträgliches Maß reduziert, da die Einziehung nach dieser Bestimmung nur solche Druckschriften erfassen darf, die sich zum Zeitpunkt der Verkündung des Urteils, durch das sie angeordnet wird, noch beim Verlag oder im Vertrieb befinden. In Anbetracht der Dauer gerichtlicher Verfahren wird diese Phase bei der periodischen Presse zum Zeitpunkt des Erlasses eines Einziehungsurteils regelmäßig abgeschlossen sein, so dass sich die praktische Bedeutung der Einziehung für die periodische Presse auf Remittenden beschränkt.
_______________
1 OLG Düsseldorf AfP 1992, 280; Löffler/Ricker, Kap. 49 Rz. 30; Einzelheiten bei Löffler/Achenbach, § 13 LPG Rz. 36 ff.; Fischer, § 74d StGB Rz. 3 ff. 2 BGHSt 23, 208; BGHSt 23, 267; Löffler/Achenbach, § 13 LPG Rz. 48; Löffler/Ricker, Kap. 49 Rz. 30. 3 Löffler/Achenbach, § 13 LPG Rz. 51.
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Zweiter Abschnitt Zivilrechtliche Ansprüche § 28 Verantwortliche 1. Medienunternehmer Für die zivilrechtlichen Folgen von Medienberichterstattung haften stets die Verlage bzw. im Falle der Medien Hörfunk und Fernsehen die Rundfunkveranstalter; die Haftung für Inhalte, die über das Internet verbreitet werden, ist bereits oben1 im Rahmen der Darstellung der Verbreiterhaftung erörtert worden, soweit für sie segmentspezifische Regeln gelten.
1
Die Haftung der Verlage, Rundfunkveranstalter und Anbieter elektronischer Presse beruht nur im Fall der Gegendarstellung auf medienspezifischer gesetzlicher Anordnung.2
2
Hinsichtlich aller anderen zivilrechtlichen Ansprüche beruht die Haftung der Verlage bzw. Rundfunkveranstalter auf allgemeinen zivilrechtlichen Prinzipien und einer gefestigten Rechtsprechung, die allerdings nur im Wege einer Fiktion zu rechtfertigen und im Ergebnis von dem Gedanken geprägt ist, dass der wirtschaftliche Träger einer Publikation auch das damit verbundene Haftungsrisiko tragen soll. Da zivilrechtliche Haftung für die Folgen rechtswidriger Medienberichterstattung mit Ausnahme des Spezialproblems der Gegendarstellung und der verschuldensunabhängigen Folgenbeseitigungsansprüche3 stets deliktische Haftung im Sinn von §§ 823 ff. BGB ist, kann ein Verleger oder Rundfunkunternehmer sich im Prinzip von jeder eigenen Haftung dadurch entlasten, dass er den durch § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB erlaubten Nachweis führt, diejenigen, die an der betreffenden Berichterstattung mitgewirkt und damit die behauptete Rechtsverletzung konkret verursacht haben, sorgfältig ausgewählt und überwacht zu haben. Die auf diesem Wege in der Mehrzahl aller Fälle mögliche Freistellung der Unternehmer von eigener zivilrechtlicher Haftung hätte zur Folge, dass dem Betroffenen, der die Autoren eines ihn schädigenden Beitrags und damit die primär haftbaren Täter der unerlaubten Handlung häufig nicht einmal kennt, ein Haftungssubjekt in vielen Fällen überhaupt nicht zur Verfügung stünde. Um dieses untragbare Ergebnis zu vermeiden, konstruiert die Rechtsprechung4 eine eigene Verpflichtung des Verlegers oder des Rundfunkveranstalters, sämtliche veröffentlichten Beiträge auf ihre inhaltliche Richtigkeit und _______________
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Oben § 16 Tz. 17a ff. Zu den Rechtsquellen unten § 29 Tz. 6 ff. und 71. Dazu unten § 30 Tz. 1 ff., § 31 Tz. 1 ff. BGH NJW 1952 = GRUR 1952, 410 – Constanze I; BGH NJW 1954, 1682 – Constanze II; BGH NJW 1963, 902 = GRUR 1963, 490 – Fernsehansagerin; BGH NJW 1965, 685 – Soraya; BGH NJW 1980, 2810 = GRUR 1980, 1099 – Medizin-Syndikat II; OLG Stuttgart NJW 1976, 628 – Siemens-Festschrift.
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Zweiter Abschnitt Zivilrechtliche Ansprüche § 28 Verantwortliche 1. Medienunternehmer Für die zivilrechtlichen Folgen von Medienberichterstattung haften stets die Verlage bzw. im Falle der Medien Hörfunk und Fernsehen die Rundfunkveranstalter; die Haftung für Inhalte, die über das Internet verbreitet werden, ist bereits oben1 im Rahmen der Darstellung der Verbreiterhaftung erörtert worden, soweit für sie segmentspezifische Regeln gelten.
1
Die Haftung der Verlage, Rundfunkveranstalter und Anbieter elektronischer Presse beruht nur im Fall der Gegendarstellung auf medienspezifischer gesetzlicher Anordnung.2
2
Hinsichtlich aller anderen zivilrechtlichen Ansprüche beruht die Haftung der Verlage bzw. Rundfunkveranstalter auf allgemeinen zivilrechtlichen Prinzipien und einer gefestigten Rechtsprechung, die allerdings nur im Wege einer Fiktion zu rechtfertigen und im Ergebnis von dem Gedanken geprägt ist, dass der wirtschaftliche Träger einer Publikation auch das damit verbundene Haftungsrisiko tragen soll. Da zivilrechtliche Haftung für die Folgen rechtswidriger Medienberichterstattung mit Ausnahme des Spezialproblems der Gegendarstellung und der verschuldensunabhängigen Folgenbeseitigungsansprüche3 stets deliktische Haftung im Sinn von §§ 823 ff. BGB ist, kann ein Verleger oder Rundfunkunternehmer sich im Prinzip von jeder eigenen Haftung dadurch entlasten, dass er den durch § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB erlaubten Nachweis führt, diejenigen, die an der betreffenden Berichterstattung mitgewirkt und damit die behauptete Rechtsverletzung konkret verursacht haben, sorgfältig ausgewählt und überwacht zu haben. Die auf diesem Wege in der Mehrzahl aller Fälle mögliche Freistellung der Unternehmer von eigener zivilrechtlicher Haftung hätte zur Folge, dass dem Betroffenen, der die Autoren eines ihn schädigenden Beitrags und damit die primär haftbaren Täter der unerlaubten Handlung häufig nicht einmal kennt, ein Haftungssubjekt in vielen Fällen überhaupt nicht zur Verfügung stünde. Um dieses untragbare Ergebnis zu vermeiden, konstruiert die Rechtsprechung4 eine eigene Verpflichtung des Verlegers oder des Rundfunkveranstalters, sämtliche veröffentlichten Beiträge auf ihre inhaltliche Richtigkeit und _______________
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Oben § 16 Tz. 17a ff. Zu den Rechtsquellen unten § 29 Tz. 6 ff. und 71. Dazu unten § 30 Tz. 1 ff., § 31 Tz. 1 ff. BGH NJW 1952 = GRUR 1952, 410 – Constanze I; BGH NJW 1954, 1682 – Constanze II; BGH NJW 1963, 902 = GRUR 1963, 490 – Fernsehansagerin; BGH NJW 1965, 685 – Soraya; BGH NJW 1980, 2810 = GRUR 1980, 1099 – Medizin-Syndikat II; OLG Stuttgart NJW 1976, 628 – Siemens-Festschrift.
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§ 28 Tz. 4
Zivilrechtliche Ansprüche
rechtliche Unbedenklichkeit zu überprüfen und dafür zu sorgen, dass durch sie Rechte Dritter nicht verletzt werden; für die Betreiber von InternetServices gilt nichts Anderes, soweit nach den Grundätzen der Verbreiterhaftung ihre Haftung überhaupt in Betracht kommt.1 Zwar erkennen die Gerichte an, dass die Einhaltung dieser Verpflichtung von einem Zeitungs- oder Zeitschriftenverleger oder gar einem Rundfunkintendanten in der Praxis nicht gewährleistet werden kann, dass er sich vielmehr der Mitwirkung verlässlicher Hilfskräfte bedienen muss. Diese sind aber verpflichtet, bei erkennbar gefährlicher Berichterstattung und der Behandlung so genannter heißer Eisen die persönliche Entscheidung des Verlegers oder – bei Medienunternehmen in der Rechtsform der juristischen Person – seines gesetzlichen Vertreters einzuholen, und für die Folgen des Unterbleibens dieser Maßnahme haftet wiederum der Verlag oder der Rundfunkveranstalter selbst.2 Im Ergebnis können sich die Medienunternehmer daher ihrer eigenen zivilrechtlichen Haftung nicht entziehen. Das gilt auch dann, wenn sie den Nachweis führen, die Überprüfung einer bestimmten Publikation ihrer Rechtsabteilung oder einem mit Spezialkenntnissen ausgestatteten Rechtsanwalt übertragen zu haben.3 4
Allerdings setzt die Haftung der Unternehmer nach diesen Grundsätzen die Feststellung voraus, dass sie ihrerseits schuldhaft gehandelt hätten, hätten sie die Überprüfung der infrage stehenden Veröffentlichung selbst vorgenommen.4 Die im Einzelfall unterbliebene Überwachung oder persönliche Prüfung einer Veröffentlichung durch ein Medienunternehmen muss mithin kausal für die eingetretene Rechtsverletzung geworden sein.5 Die Medienunternehmer haften mithin ohne die Möglichkeit des Entlastungsbeweises dafür, dass sie das Verfahren einer sorgfältigen Überprüfung aller zu veröffentlichenden Beiträge in der erforderlichen Form sicherstellen, nicht aber für den Eintritt oder Nichteintritt eines bestimmten Erfolgs.
5
Damit haften die Medienunternehmen in vollem Umfang, soweit die Verbreiterhaftung6 des primär haftenden Redakteurs oder Autors reicht. Sie haften nicht, wo die Verbreiterhaftung versagt, wie dies insbesondere beim Rundfunk in den Fällen in Betracht kommt, in denen er ohne eigene redaktionelle Einfluss- und Kontrollmöglichkeit als Forum für Äußerungen Dritter handelt oder einem Dritten Sendezeit als so genanntes Fensterprogramm zur Verfügung stellt.7 Hingegen haftet der Verlag einer so genannten Mantelzeitung für den Inhalt auch solcher Beiträge, die er unverändert von einem Dritten übernimmt.8 Auf Vorschriften der Landespressegesetze, die bei Mantelzeitungen einen Hinweis auf Verleger und verantwortlichen Redakteur des Inhalts übernommener Blattbestandteile vorschreiben9 und damit gegebenen_______________
1 Dazu oben § 16 Tz. 17 ff. 2 BGH AfP 1978, 29 = NJW 1978, 210 = GRUR 1978, 187 – Alkoholtest; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 221, 223; Damm/Rehbock, Rz. 684 ff. 3 BGH NJW 1980, 2810 = GRUR 1980, 1099 – Medizin-Syndikat II. 4 OLG München AfP 1990, 222 = NJW-RR 1990, 1433; OLG Karlsruhe AfP 1990, 223. 5 OLG München AfP 1990, 222 = NJW-RR 1990, 1433. 6 Dazu oben § 16 Tz. 10 ff. und 17 ff. 7 Oben § 16 Tz. 16 ff. 8 OLG München NJW-RR 2002, 1339. 9 Vgl. etwa Art. 8 Abs. 4 Bay LPG; § 7 Abs. 2 Hess LPG.
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Verantwortliche
Tz. 8 § 28
falls deren strafrechtliche Haftung begründen,1 kann sich der Verleger der Mantelzeitung schon deswegen nicht berufen, weil die Landespressegesetze außerhalb des Gegendarstellungsrechts eine zivilrechtliche Haftung des Verantwortlichen Redakteurs nicht begründen2 und die Landesgesetzgeber obendrein keine Kompetenz für das zivile Haftungsrecht der Medien haben.3 Werden im Einzelfall neben dem Medienunternehmen die dem Verletzten bekannten Redakteure oder Autoren persönlich in Anspruch genommen, so ersetzt ihre Haftung nicht diejenige des Verlags oder Veranstalters. Beide haften vielmehr gegebenenfalls gemäß §§ 830, 840 BGB als Gesamtschuldner. Die Frage, ob einem neben einem Verlag, Rundfunkveranstalter oder InternetAnbieter persönlich haftenden angestellten Redakteur oder freien Mitarbeiter hinsichtlich der Prozesskosten und etwaiger Schadenersatzansprüche des Betroffenen ein Freistellungsanspruch zusteht, regelt sich in erster Linie nach den Bedingungen des jeweiligen Anstellungs- oder eines sonstigen seiner Tätigkeit zugrunde liegenden Vertrags. Enthält er keine oder keine abweichenden Regelungen, so steht dem Redakteur oder sonstigen Mitarbeiter ein Freistellungsanspruch jedenfalls dann nicht zu, wenn er bei der Veröffentlichung des infrage stehenden Beitrags grob fahrlässig gehandelt hat.4
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2. Mitwirkende Neben den Unternehmen haften die von ihnen Beschäftigten für die Rechtsfolgen widerrechtlicher Publikationen, soweit sie dafür aufgrund ihrer Mitwirkung individuelle Verantwortung tragen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Chefredakteure und, soweit vorhanden, Herausgeber, den oder die Verfasser individueller Beiträge sowie schließlich die Verantwortlichen Redakteure im Sinn der Landespressegesetze. Gesondert zu betrachten ist sodann eine etwaige Haftung der so genannten technischen Verbreiter.
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a) Chefredakteur und Herausgeber Die Feststellung, dass persönliche Haftung eine persönliche Mitwirkung am Zustandekommen rechtsverletzender Beiträge voraussetzt, gilt auch für Herausgeber und Chefredakteure. Deren Funktionen sind presserechtlich nicht einheitlich definiert, hängen vielmehr von der Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse und den Funktionszuweisungen in den einzelnen Medienunternehmen ab. Ihnen kommt daher aufgrund ihrer bloßen Funktionsbezeichnung keine haftungsrechtliche Sonderstellung zu.5 Ihre Benennung im Impressum wird von den Landespressegesetzen nicht gefordert6 und begründet ihre persönliche Haftung auch dann nicht, wenn sie erfolgt. Auch sie haften persön_______________
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Dazu oben § 26 Tz. 8 ff. Unten Tz. 11 ff. Dazu unten Tz. 13. BAG NJW 1992, 2109. Löffler/Ricker, Kap. 13 Rz. 21; im Ergebnis ebenso Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 224, 227; Damm/Rehbock, Rz. 680 ff. 6 Oben § 25 Tz. 3.
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§ 28 Tz. 9
Zivilrechtliche Ansprüche
lich nur dann, wenn sie an der strittigen Veröffentlichung selbst mitgewirkt oder die notwendige Überwachung ihrer Mitarbeiter pflichtwidrig unterlassen haben.1 Von einer derartigen persönlichen Überwachungspflicht wird man aber nur bei kleinen Redaktionen ohne spezielle Ressorts und interne Verantwortung der jeweiligen Ressortleiter ausgehen können, während in größeren Redaktionen der oder die Chefredakteure oder Herausgeber überfordert wären, wollte man von ihnen Kenntnis und eigenverantwortliche Prüfung sämtlichen veröffentlichten Materials verlangen.2 Nimmt etwa ein Herausgeber keinen Einfluss auf die einzelnen Beiträge der Zeitschrift, beschränkt er sich vielmehr im Wesentlichen auf die Festlegung und Überwachung der grundsätzlichen Linie des Blatts, so haftet er für den Inhalt einzelner Artikel nicht.3 Der Chef der Regionalredaktion einer überregionalen Tageszeitung haftet für deren Gesamtinhalt persönlich weder in seiner Eigenschaft als örtlicher Redaktionsleiter noch als Verantwortlicher Redakteur für den Abdruck einer Gegendarstellung, sofern er nicht tatsächlich für die infrage stehende Veröffentlichung die Verantwortung übernommen hat oder die Funktion des Verantwortlichen Redakteurs tatsächlich wahrnimmt.4 9
In Anbetracht der dargestellten Ausweitung der Haftung des Medienunternehmers besteht selbst unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, den von Medienberichterstattung Betroffenen die Durchsetzung ihrer Ansprüche zu ermöglichen, keine Notwendigkeit oder gar Rechtfertigung für eine Ausweitung der Haftung auch der Herausgeber und Chefredakteure über den Rahmen individuell vorwerfbarer Verantwortung hinaus. Soweit die Rechtsprechung ihre Haftung in Einzelfällen mit der Begründung bejaht hat, es handele sich bei ihnen um den Herrn der Zeitung,5 übersieht sie, dass dies im Regelfall der Verleger ist6 und dessen Haftung im Hinblick auf eben diese Eigenschaft auch in Fällen begründet wird, in denen er mit dem konkreten Gegenstand eines Berichts mit rechtsverletzendem Inhalt persönlich nichts zu tun hat und in denen er auch den Entlastungsbeweis nach § 831 BGB ohne Weiteres führen könnte. b) Verfasser
10
Neben dem Unternehmen haften für alle zivilrechtlichen Ansprüche mit Ausnahme der Gegendarstellung diejenigen, die einen Beitrag rechtsverletzenden Inhalts erarbeitet oder daran mitgewirkt haben. Hierfür kommt eine Vielzahl von Personen in Betracht wie Autoren, Rechercheure, Redakteure, _______________
1 BGH AfP 1979, 307 = NJW 1979, 1041 = GRUR 1979, 421 – Exdirektor; OLG Celle AfP 1992, 295; Damm/Rehbock, Rz. 681; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 224, 227; a.A. für den Unterlassungsanspruch Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 67; OLG Köln AfP 1985, 293; OLG Düsseldorf AfP 1988, 154. 2 Löffler/Steffen, 6 LPG Rz. 224, 227. 3 OLG Celle AfP 1992, 295. 4 OLG Celle AfP 1996, 274 = NJW 1996, 1149. 5 OLG Köln AfP 1985, 293. 6 BGH NJW 1952, 660 = GRUR 1952, 410 – Constanze I; BGH NJW 1974, 1371 = GRUR 1974, 797 – Fiete Schulze.
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Verantwortliche
Tz. 11 § 28
Informanten1 sowie im Bereich des Rundfunks Moderatoren und diejenigen, die Beiträge rechtswidrigen Inhalts verlesen. Keiner von ihnen haftet nach Maßgabe einer Garantenstellung allein aufgrund seiner Funktion. Stets ist die Feststellung erforderlich, dass sie an der Verbreitung eines Beitrags mit rechtsverletzendem Inhalt konkret mitgewirkt haben.2 Wird ein redaktioneller Beitrag von mehreren Personen gemeinschaftlich als Verfasser gezeichnet, weil sie ihn gemeinsam recherchiert oder jeweils teilweise verfasst haben, dann haftet nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt3 jeder von ihnen für die Gesamtheit des Artikels. Das ist indessen nicht zutreffend, weil ein Name auch versehentlich unter einen Beitrag gesetzt werden kann.4 Individuelle Haftung setzt vielmehr auch im Zivilrecht individuelle Verantwortlichkeit voraus, und für eine Lockerung dieses Prinzips besteht auch unter praktischen Aspekten im Interesse der Gewährung eines umfassenden Rechtsschutzes kein Bedürfnis, da ja der Verlag bzw. der Rundfunkveranstalter dem Betroffenen in jedem Fall haften. Wie bereits die strafrechtliche Verantwortlichkeit führt aber auch die zivilrechtliche Haftung der Verfasser in den Fällen nicht zu praktischen Konsequenzen, in denen die jeweils mitwirkenden Redakteure oder sonstigen Beteiligten dem Verletzten nicht bekannt sind. In Anbetracht der im Ergebnis uneingeschränkten Haftung der Verleger und Rundfunkveranstalter ist indessen auch damit eine Gefährdung der Durchsetzung von Ansprüchen der Betroffenen nicht verbunden.
10a
c) Verantwortliche Redakteure Den Verantwortlichen Redakteur im Sinn der Landespressegesetze trifft neben der Haftung für den strafbaren Inhalt von Publikationen5 kraft ausdrücklicher Anordnung in den Landespressegesetzen6 auch die Haftung für die Veröffentlichung von Gegendarstellungen; für die Verantwortlichen Redakteure im Rundfunk sowie die Verantwortlichen der elektronischen Presse gilt dies nicht.7 Nur in der Presse tritt damit die Haftung des Verantwortlichen Redakteurs neben diejenige des Verlegers. Der Anspruch kann wahlweise gegen den Verlag oder den Verantwortlichen Redakteur oder auch gegen beide zusammen durchgesetzt werden; in diesem Fall haften sie für den Abdruck der Gegendarstellung als Gesamtschuldner. Wird der Anspruch nur gegen den Verantwortlichen Redakteur durchgesetzt, so kann dieser sich der Abdruckverpflichtung nicht mit dem Einwand entziehen, er könne den Abdruck inner_______________
1 2 3 4
Zur Informantenhaftung oben § 7 Tz. 27 ff. BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama. Urteil v. 10.2.2000 – 16 U 146/99, unveröffentlicht. Vgl. für die insoweit identische Problematik des irrtümlich benannten Verantwortlichen Redakteurs KG AfP 1998, 324 = NJW 1998, 1420 = ZUM 1998, 850; oben § 26 Tz. 8. 5 Oben § 26 Tz. 8 ff. 6 Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen § 11; Bayern, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt § 10; Brandenburg § 12. 7 Oben § 25 Tz. 6 und 7a.
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11
§ 28 Tz. 12
Zivilrechtliche Ansprüche
betrieblich nicht durchsetzen. Die Durchsetzung des Anspruchs kann vielmehr auch ihm gegenüber mit den Mitteln des § 888 ZPO erzwungen werden.1 12
Für alle anderen zivilrechtlichen Ansprüche Betroffener haftet der Verantwortliche Redakteur jedoch nur nach den allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen, mithin dann, wenn er zugleich Autor eines Beitrags mit rechtsverletzendem Inhalt ist oder an dessen Zustandekommen auf sonstige Weise aktiv mitgewirkt hat, nicht jedoch allein aufgrund der ihm durch die Landespressegesetze zugewiesenen Funktion.2 Gegenteiliges ist auch einer häufig fehlinterpretierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs3 nicht zu entnehmen, der im Ergebnis eine persönliche Haftung des Verantwortlichen Redakteurs im Einzelfall lediglich deswegen angenommen hat, weil ihm zugleich die inhaltliche redaktionelle Verantwortung für den Bereich übertragen worden war, in dem es zu einer Rechtsverletzung kam.4
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Eine zivilrechtliche Haftung des Verantwortlichen Redakteurs, der nicht zugleich Autor des infrage stehenden Beitrags ist oder in sonstiger Weise an dessen Zustandekommen aktiv mitgewirkt hat, kommt auch dann nicht in Betracht, wenn es sich im konkreten Fall um eine Veröffentlichung mit strafbarem Inhalt handelt und der Verantwortliche Redakteur seiner Verpflichtung, die Veröffentlichung dieses Beitrags zu verhindern, in schuldhafter Weise nicht nachgekommen ist. Denn die Bestimmungen der Landespressegesetze über die strafrechtliche Haftung des Verantwortlichen Redakteurs sind nicht Schutzgesetz im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB.5 Sie bestehen im Allgemeininteresse und nicht im Interesse derjenigen, die von Presseberichterstattung individuell zivilrechtlich betroffen sind, und bezwecken schon daher nicht die Begründung zusätzlicher zivilrechtlicher Haftungsverhältnisse.6 Das kann in Anbetracht der Kompetenzverteilung in Art. 31, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG und der Tatsache auch nicht anders sein, dass es sich bei sämtlichen denkbaren Ansprüchen abseits der Gegendarstellung um zivilrechtliche Ansprüche handelt, für deren Begründung die Bundesländer keine Gesetzgebungskompetenz haben.7 d) Technische Verbreiter
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Besondere Probleme wirft eine etwaige Haftung der so genannten technischen Verbreiter wie Druckereien und deren Mitarbeiter, Vertriebsunternehmen sowie im Bereich des Rundfunks die Kabelnetz- oder Satellitenbetreiber auf. _______________
1 OLG Köln NJW 1969, 755; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 80; a.A. Seitz/Schmidt/ Schoener, Tz. 780. 2 KG AfP 1991, 639 = NJW 1991, 1490; OLG Bremen NJW-RR 1993, 726; OLG München NJW-RR 2002, 1339 = ZUM-RD 2003, 354; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 226; Löffler/Löhner, § 9 LPG Rz. 38 ff.; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 66; Löffler/Ricker, Kap. 13 Rz. 24a; Soehring, AfP 1977, 330. 3 BGH AfP 1977, 223 = NJW 1977, 626 – Konkret; dazu Löffler/Löhner, § 9 LPG Rz. 40. 4 Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 66; Löffler/Löhner, § 9 LPG Rz. 40. 5 Löffler/Löhner, § 9 LPG Rz. 42; a.A. Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 66. 6 Löffler/Löhner, § 9 LPG Rz. 42. 7 OLG München NJW-RR 2002, 1339 = ZUM-RD 2003, 354.
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Verantwortliche
Tz. 16 § 28
Zwar wirken sie an der Verbreitung von Beiträgen mit rechtswidrigem Inhalt objektiv mit, setzen damit Ursachen für den eintretenden Erfolg und sind daher nach allgemeinen zivilrechtlichen Kriterien haftbar. Sie haben jedoch auf den Inhalt der von ihnen verbreiteten Medien keinen Einfluss. Eine verschuldensabhängige Haftung kommt daher schlechthin nicht in Betracht. Ob aber im Bereich der verschuldensunabhängigen Störerhaftung für Unterlassungsund Folgenbeseitigungsansprüche eine Haftung auch des technischen Verbreiters und damit insbesondere des Vertriebsunternehmens in Betracht kommt, ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Das Oberlandesgericht München1 hat diese Frage hinsichtlich eines Unterlassungsanspruchs gegen das inländische Vertriebsunternehmen einer im Ausland hergestellten Publikation bejaht. Dem wird man über den Anlassfall hinaus für die Haftung für Unterlassungsansprüche generell insoweit zustimmen müssen, als es um die weitere Verbreitung fertig gestellter, bereits an sie ausgelieferter und bei ihnen noch vorhandener Ausgaben geht, da die technischen Verbreiter einen echten kausalen Beitrag für die infrage stehende Rechtsverletzung setzen;2 allerdings kommt im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein Verbot der Auslieferung einer gesamten Ausgabe oder eines vollständigen Buchs ohnehin nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht.3 Auch für Unterlassungsansprüche haftet aber ein Pressegrossist oder Buchhändler4 nur dann, wenn seine Mitwirkung an der Verbreitung rechtswidrig ist. Das setzt in Analogie zu den heute für die Internet-Provider geltenden Regeln5 die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, die die technischen Verbreiter aber erst dann trifft, wenn sie auf die Rechtswidrigkeit hingewiesen wurden,6 und auch danach nur dann, wenn ihnen eine Prüfung im Einzelfall zuzumuten ist.7 Im Ergebnis wird man daher eine Haftung der technischen Verbreiter unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr8 nahezu ausnahmslos verneinen müssen und sie auch unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr9 nur dann bejahen können, wenn sie nach von ihnen geschuldeter Prüfung an der weiteren Verbreitung festhalten.
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Für vorbeugende Unterlassungsansprüche können die technischen Verbreiter aber unter keinen Umständen haftbar gemacht werden, da sie auf den Inhalt der von ihnen verbreiteten Medien keinen Einfluss nehmen und von ihm vor Beginn des Auslieferungsprozesses auch keine Kenntnis erhalten.10 Auch für Folgenbeseitigungsansprüche wie etwa den Widerruf oder die Richtigstellung ist das Prinzip der Verbreiterhaftung mit der Folge einzuschränken, dass die
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_______________
1 OLG München AfP 2001, 139 = ZUM-RD 2001, 160. 2 OLG Frankfurt/Main ZUM-RD 2008, 128; zustimmend Löffler/Ricker, Kap. 41 Rz. 21; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 61; anders noch Vorauflage Tz. 28.7. 3 Dazu unten § 30 Tz. 30 ff. 4 LG Berlin AfP 2009, 75 = ZUM 2009, 163 = GRUR-RR 2009, 216. 5 Dazu oben § 16 Tz. 17c. 6 OLG Frankfurt/Main ZUM-RD 2008, 128. 7 Vgl. für die ähnliche Konstellation des DENIC BGH AfP 2001, 507 = ZUM 2001, 869 = WRP 2001, 1305 – ambiente.de; OLG Frankfurt/Main ZUM-RD 2008, 128. 8 Dazu unten § 30 Tz. 12. 9 Dazu unten § 30 Tz. 7 ff. 10 Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 61.
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§ 28 Tz. 16
Zivilrechtliche Ansprüche
technischen Verbreiter nicht in Anspruch genommen werden können; insoweit würde einer Klage jedenfalls der Einwand mangelnden Rechtsschutzinteresses entgegen stehen, da von vornherein fest steht, dass der Verbreiter einen derartigen Anspruch mangels Herrschaft über das Objekt nicht würde erfüllen können. Gleiches gilt für Schadenersatzansprüche, da sie stets Verschulden voraussetzen und dem technischen Verbreiter wegen des Inhalts vom ihm verbreiteter Printmedien ein Verschuldensvorwurf nicht gemacht werden kann.
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§ 29 Gegendarstellung Die heute bei Weitem am häufigsten gewählte Reaktion auf Medienberichterstattung, durch die sich Personen oder Institutionen in ihren Rechten beeinträchtigt fühlen, dürfte die Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs sein. Dieses Rechtsinstitut unterscheidet sich von allen anderen zivilrechtlichen Ansprüchen aufgrund inhaltlich umstrittener Medienveröffentlichungen grundlegend dadurch, dass es die Rechtswidrigkeit der infrage stehenden Veröffentlichung nicht voraussetzt.
1
1. Rechtsgrundlagen Beim Anspruch auf Abdruck oder – im Rundfunk – Verlesung einer Gegendarstellung handelt es sich nach heute einhelliger Auffassung um eine im Spannungsfeld der Art. 2 Abs. 1 einer- und 5 Abs. 1 GG andererseits angesiedelte Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.1 Wenngleich der Gegendarstellungsanspruch heute wohl für alle in Betracht kommenden Medien gesetzlich geregelt ist, ist er der Disposition des Gesetzgebers weitgehend entzogen.2
2
Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Institut der Gegendarstellung im Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsrecht und Medienfreiheiten einen hohen Stellenwert ein und hält ihn als Teil eines durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Rechts auf Selbstbestimmung des Einzelnen über die Darstellung der eigenen Person für unverzichtbar.3 Die Bestimmungen der Landespressegesetze über die Gegendarstellung sind allgemeine Gesetze im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG, gegen deren Verfassungsmäßigkeit keine Bedenken bestehen.4 Das gilt auch für das von der Rechtsprechung entwickelte Prinzip, dass die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Gegendarstellung unabhängig von der Wahrheit oder Unwahrheit der Erstmitteilung5 und unabhängig davon besteht, ob die Erstmitteilung den Betroffenen in einem seiner geschützten Rechte wie etwa seiner Ehre oder seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Diese Wahrheitsunabhängigkeit der Gegendarstellung ist damit die wichtigste Ausprägung des vom Bundesverfassungsgericht so genannten Gebots der Sicherstellung gleicher publizistischer Wirkung.6
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1 BVerfG AfP 1983, 334 = NJW 1983, 1179 = GRUR 1983, 316 – Gegendarstellung I; BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; Löffler/ Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 40; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 28. 2 BVerfG AfP 1983, 334 = NJW 1983, 1179 = GRUR 1983, 316 – Gegendarstellung I. 3 BVerfG AfP 1983, 334 = NJW 1983, 1179 = GRUR 1983, 316 – Gegendarstellung I; BVerfG AfP 1986, 314 = NJW 1987, 239 – 4. Rundfunkurteil; BVerfG AfP 1998, 500 = NJW 1999, 483; BayVerfGH AfP 1994, 216 = NJW 1994, 2477. 4 BVerfG AfP 1998, 194 = NJW 1998, 1381 = ZUM 1998, 315 – Gegendarstellung auf der Titelseite. 5 Unten Tz. 14. 6 BVerfG AfP 1998, 194 = NJW 1998, 1381 = ZUM 1998, 315 – Gegendarstellung auf der Titelseite.
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§ 29 Tz. 2b
Zivilrechtliche Ansprüche
2b
Andererseits erkennt das Bundesverfassungsgericht1 ausdrücklich an, dass es sich bei der Verpflichtung der Medien zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen um einen Eingriff in die Grundrechte der Presse- bzw. Rundfunkfreiheit handelt, der einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Wo eine solche Grundlage, wie vor dem Inkrafttreten der jeweiligen Landespressegesetze in den neuen Bundesländern, nicht vorhanden war, war die gerichtliche Anordnung der Veröffentlichung einer Gegendarstellung wegen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 GG unzulässig;2 es lag nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts3 freilich zugleich ein Verstoß des betreffenden Landesgesetzgebers gegen seine Verpflichtung vor, dem Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Schaffung der entsprechenden gesetzlichen Grundlage Geltung zu verschaffen. Auch sah das Bundesverfassungsgericht4 einen Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 GG darin, dass der Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk die Ausschlussfrist zur Geltendmachung des Gegendarstellungsanspruchs mit nur zwei Wochen so kurz bemaß, dass sie vielfach nicht eingehalten werden konnte und der Gegendarstellungsanspruch damit in vielen Fällen leerzulaufen drohte.
2c
Wegen dieser verfassungsrechtlichen Verankerung des Gegendarstellungsanspruchs können Entscheidungen der Zivilgerichte unter den generellen Voraussetzungen der Statthaftigkeit und Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde in geeigneten Fällen sowohl von den Abdruckpflichtigen5 als auch von den Betroffenen, deren Gegendarstellungsanspruch vor den Zivilgerichten nicht durchsetzbar war,6 mit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht angefochten werden. Stellt das Bundesverfassungsgericht auf die Verfassungsbeschwerde eines Betroffenen fest, dass ein Zivilgericht bei der Zurückweisung seines Anspruchs seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht hinreichend Geltung verschafft hat, dann ist das betreffende Gericht bei der neuerlichen Sachentscheidung nach Zurückverweisung des Falls durch das Bundesverfassungsgericht an dessen Entscheidung weitgehend gebunden.7 a) Presse
3
Eine Verpflichtung der periodischen Presse zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen Betroffener sehen mit Abweichungen nur im Detail sämtliche Landespressegesetze vor.8 Wenngleich dies wegen der Begründung des An_______________
1 BVerfG AfP 1993, 474 – Gegendarstellung II; BVerfG AfP 1993, 733 = NJW 1994, 1948 – Veröffentlichung auf der Titelseite; ebenso BayVerfGH NJW 1994, 2944; BayVerfGH AfP 1994, 216 = NJW 1994, 2477. 2 BVerfG AfP 1993, 474 – Gegendarstellung II. 3 BVerfG AfP 1993, 474 – Gegendarstellung II. 4 BVerfG AfP 1983, 334 = NJW 1983, 1179 = GRUR 1983, 316 – Gegendarstellung I. 5 BVerfG AfP 1993, 733 = NJW 1994, 1948; BVerfG AfP 1998, 148 = NJW 1998, 1381 = ZUM 1998, 315 – Gegendarstellung auf der Titelseite. 6 BVerfG AfP 1998, 500 = NJW 1999, 483. 7 OLG München AfP 1999, 84 = NJW-RR 1999, 964. 8 Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen § 11; Bayern, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachen-Anhalt § 10; Brandenburg § 12.
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Gegendarstellung
Tz. 5 § 29
spruchs in diesen in erster Linie dem Presseordnungsrecht dienenden Gesetzen zunächst nicht unumstritten war, handelt es sich dabei um einen zivilrechtlichen Anspruch1 bzw. nach anderer Auffassung um einen Anspruch sui generis, der aber in jedem Fall im Zivilrechtsweg durchsetzbar ist.2 Die Frage nach der rechtlichen Einordnung des Gegendarstellungsanspruchs hat keine erhebliche praktische Bedeutung mehr,3 nachdem mit Ausnahme Bayerns alle Landespressegesetze jedenfalls die Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs vor den Zivilgerichten im Wege der einstweiligen Verfügung ausdrücklich ermöglichen und die Praxis die Zulässigkeit dieses Verfahrens auch in Bayern anerkennt.4 Aus der Eröffnung dieses beschleunigten Verfahrens zur Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs folgt auch die weitgehende Akzeptanz dieses Instruments durch diejenigen, die von Medienberichterstattung betroffen sind. Nur im Anwendungsbereich des Bayerischen Landespressegesetzes stellt einerseits die Ablehnung eines berechtigten Gegendarstellungsanspruchs, andererseits die Durchsetzung einer Gegendarstellung, die in wesentlichen Punkten unwahr ist, eine Ordnungswidrigkeit dar,5 die allerdings nur auf Antrag verfolgt wird; stellt ein Betroffener einen derartigen Antrag, so kann er gleichzeitig beantragen, dass die zuständige Ordnungsbehörde den Abdruck der Gegendarstellung anordnet. In der Praxis werden jedoch Gegendarstellungsansprüche auch in Bayern in aller Regel vor den Zivilgerichten im Verfahren der einstweiligen Verfügung durchgesetzt.
3a
Trotz im Wesentlichen einheitlicher gesetzlicher Regelungen herrscht im Gegendarstellungsrecht eine beträchtliche, dem deutschen Rechtssystem ansonsten weitgehend fremde regionale Rechtszersplitterung. Sie hat ihre Ursache zum Einen darin, dass die Landespressegesetze – und zusätzlich die zahlreichen Regelungen des Gegendarstellungsrechts für das Gebiet des Rundfunks – im Detail eine Reihe von Regelungen enthalten, die nur im Geltungsbereich des jeweiligen Gesetzes zur Anwendung kommen.6 Zum Anderen folgt diese Rechtszersplitterung aus der Eröffnung des Verfahrens der einstweiligen Verfügung zur Durchsetzung des Anspruchs. Da eine Revision zum Bundesgerichtshof in diesem Verfahren nicht statthaft ist, endet der Instanzenzug beim jeweils zuständigen Oberlandesgericht. Die zentrale Rolle des Bundesgerichtshofs als der für die Klärung zivilrechtlicher Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zuständigen Instanz kann damit für das Gegendarstellungsrecht nicht nutzbar gemacht werden.
4
Wegen der landesrechtlichen Gesetzgebungskompetenz für diesen Bereich, der daraus resultierenden unterschiedlichen Detailausgestaltung des Gegendarstellungsrechts und der Zuständigkeit regionaler Gerichte zur Konfliktentschei-
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1 Dazu Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 44; differenzierend Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 27. 2 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 9 m. Nachw. 3 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 10. 4 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 571 m. Nachw. 5 § 12 Abs. 1 Nr. 3 und 4 Bay LPG. 6 Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 29 ff.
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§ 29 Tz. 6
Zivilrechtliche Ansprüche
dung muss im Einzelfall geklärt werden, welches Recht auf eine bestimmte Publikation anwendbar ist. Maßgeblich ist insoweit der Erscheinungsort, mithin der Ort, an dem die Zeitung oder Zeitschrift mit Willen des Verlegers der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.1 Das ist in aller Regel der Verlagsort; auf die Frage, wo ein Periodikum gedruckt wird, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Auffassung des Landgerichts München I,2 wonach bei überregionalen Tageszeitungen mit Regionalausgaben Erscheinungsort der Sitz der jeweiligen Lokalredaktion ist, erscheint bedenklich und führt zu dem schwer akzeptablen Ergebnis, dass sich für ein und dasselbe Periodikum mehrere unterschiedliche anwendbare Rechtsordnungen in Abhängigkeit davon ergeben können, ob ein Bericht von einer Lokal- oder der Zentralredaktion stammt. Davon unabhängig ist die Frage zu entscheiden, ob in derartigen Fällen neben dem Verlagssitz des auch der Sitz der Lokal- oder Regionalredaktion als Gerichtsstand zur Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs in Betracht kommt.3 b) Rundfunk 6
Die schon bei der Durchsetzung von Gegendarstellungsansprüchen gegenüber der Presse trotz ihrer in allen wesentlichen Punkten einheitlichen Ausgestaltung konstatierte Rechtszersplitterung kennzeichnet schon traditionell und insbesondere nach der Etablierung des privaten Rundfunks und der damit zusammenhängenden Schaffung der Landesmediengesetze das Gegendarstellungsrecht des Rundfunks noch mehr. Rechtsgrundlagen sind insoweit die einschlägigen Bestimmungen der Staatsverträge bzw. Gesetze über die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Länder und des Bundes4 sowie für den privaten Rundfunk die jeweiligen Bestimmungen der Landesmedien- bzw. -rundfunkgesetze5 sowie der einschlägigen Staatsverträge.6
6a
Hinsichtlich der Frage des im Einzelfall anwendbaren Rechts tritt bei Veranstaltern des privaten Rundfunks der Sitz der Landesmedienanstalt, die dem in Anspruch genommenen Sender die Zulassung erteilt hat, an die Stelle des für die Printmedien maßgeblichen Erscheinungsorts; so beurteilt sich etwa der Gegendarstellungsanspruch gegen den Fernsehveranstalter Pro 7 nach § 58 des Medienstaatsvertrags Berlin-Brandenburg, obwohl der Veranstalter seinen Sitz am Rand von München hat und das dortige Landgericht für die Entscheidung _______________
1 2 3 4
Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 55; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 32. Zitiert nach Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 514 Fußn. 63. Dazu unten Tz. 44 ff. Gesetz über den Bayerischen Rundfunk Art. 17; Gesetz über den Hessischen Rundfunk § 3 in Verbindung mit § 10 Hess LPG; WDR-Gesetz § 9; RBB-Staatsvertrag § 9; NDR-Staatsvertrag; Radio Bremen-Gesetz § 24; MDR-Staatsvertrag § 15; SWRStaatsvertrag § 10; Saarländisches Mediengesetz § 10; ZDF-Staatsvertrag § 9 Abs. 4 Satz 3; Deutschlandradio-Staatsvertrag § 9; Deutsche Welle-Gesetz § 18. 5 Baden-Württemberg § 9; Bayern Art. 18; Bremen § 19; Hessen § 28; MecklenburgVorpommern § 30; Niedersachsen § 21; Nordrhein-Westfalen § 44; Rheinland-Pfalz § 11; Saarland § 10; Sachsen § 19; Sachsen-Anhalt § 26; Thüringen § 24. 6 Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks § 58; Staatsvertrag über das Medienrecht in Hamburg und SchleswigHolstein § 10.
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Gegendarstellung
Tz. 9 § 29
über den Anspruch auch örtlich zuständig ist.1 Für den öffentlichrechtlichen Rundfunk ergibt sich das anwendbare Recht demgegenüber aus den Gesetzen und Staatsverträgen, die für die jeweils ausstrahlende Anstalt maßgeblich sind. Dass es sich beim Institut der Gegendarstellung um einen Rechtsbehelf handelt, der dem Betroffenen auch gegenüber Hörfunk- und Fernsehberichterstattung zur Verfügung stehen muss, steht spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts2 betreffend den Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk fest. Das Gericht hat in den Gründen dieser Entscheidung ausdrücklich ausgesprochen, dass der von einer Darstellung in den Medien Betroffene die rechtlich gesicherte Möglichkeit haben muss, ihr mit seiner eigenen Darstellung entgegenzutreten; anderenfalls werde er zum bloßen Objekt öffentlicher Erörterungen herabgewürdigt. Die genannten rundfunkrechtlichen Bestimmungen tragen dem Rechnung. Prinzipielle Unterschiede hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen des Gegendarstellungsanspruchs zwischen den Printmedien einerseits und dem Rundfunk andererseits gibt es damit nach heutiger Rechtslage nicht mehr.3
7
c) Internet Auch für das Internet gewährt das geltende Recht einen gesetzlich geregelten Gegendarstellungsanspruch. Rechtsgrundlage ist heute § 56 RStV, der die Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen Betroffener verpflichtet. Wie schon beim Rundfunk bestehen auch für die über das Internet verbreitete elektronische Presse hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen und der Durchsetzung keine wesentlichen, sondern lediglich systembedingte Unterschiede im Vergleich zur gedruckten Presse.4
7a
2. Materielle Anspruchsvoraussetzungen Zur Geltendmachung des Anspruchs auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung berechtigt ist, wer von einer in einer periodischen Druckschrift, einer Rundfunksendung oder in der elektronischen Presse aufgestellten oder verbreiteten Tatsachenbehauptung betroffen ist.
8
a) Betroffenheit Aus der Tatsache, dass alle einschlägigen Bestimmungen den Gegendarstellungsanspruch jeder Person oder Stelle gewähren, die von einer Tatsachen_______________
1 OLG München AfP 1998, 89 = ZUM 1998, 166; OLG München AfP 2001, 70 = NJWRR 2000, 1573 = ZUM-RD 2000, 441. 2 BVerfG AfP 1983, 334 = NJW 1983, 1179 = GRUR 1983, 316 – Gegendarstellung I. 3 Zu den dennoch bestehenden, segmentspezifischen Besonderheiten unten Tz. 64 ff. 4 Einzelheiten unten Tz. 71 ff.
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§ 29 Tz. 9a
Zivilrechtliche Ansprüche
behauptung betroffen ist, ohne deren Unwahrheit zur Anspruchsvoraussetzung zu machen, folgert eine völlig einhellige gerichtliche Praxis, dass dieser Anspruch im Prinzip jedem Betroffenen zusteht, sofern er nur die Unrichtigkeit einer ihn betreffenden veröffentlichten Tatsachenbehauptung behauptet. Dabei entspricht der Begriff der Betroffenheit grundsätzlich demjenigen, der auch ansonsten im Zusammenhang mit Medienäußerungen Anwendung findet.1 9a
Unter einer Person sind auch in diesem Zusammenhang nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen des Privat- und des öffentlichen Rechts sowie sonstige Personenvereinigungen zu verstehen, die eine jedenfalls partielle Rechtsfähigkeit haben und vor Gericht klagen oder verklagt werden können.2 Dazu gehören auch nicht rechtsfähige Vereine, politische Parteien und Gewerkschaften.3 Als Stelle gelten Behörden4 einschließlich Gerichten und Staatsanwaltschaften, Organisationseinheiten der körperschaftlich verfassten Kirchen,5 die Bundesregierung,6 Ministerien7 sowie Gesetzgebungsorgane wie der Bundestag oder Landes- bzw. Kommunalparlamente.8
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Allerdings ist bei der Beurteilung von Gegendarstellungen von Behörden oder anderen öffentlichrechtlichen Stellen den Kommunikationsgrundrechten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG besondere Beachtung zu schenken, da diesen Betroffenen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht zusteht9 und damit für diesen Kreis Betroffener die maßgebliche Grundlage für die Verankerung des Gegendarstellungsanspruchs im Verfassungsrecht entfällt. Nicht jede behauptete Unwahrheit eines Medienberichts berechtigt daher Behörden zur Geltendmachung von Gegendarstellungsansprüchen; in Betracht kommt dieser Anspruch vielmehr hier nur gegenüber Tatsachenbehauptungen, die gravierend in die Rechtsstellung einer Behörde oder anderen öffentlichen Stelle eingreifen und sich auf deren Erscheinungsbild erheblich auswirken können.10 Für den Gegendarstellungsanspruch öffentlicher Stellen gelten insofern dieselben Abwägungskriterien11 wie für den Berichtigungsanspruch.
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Entsprechend dem Konzept der Gegendarstellung, die nicht von der Rechtswidrigkeit der Erstmitteilung abhängt, erfordert die Betroffenheit im gegendarstellungsrechtlichen Sinn allerdings keine negative Beeinträchtigung und _______________
1 Einzelheiten oben § 13 Tz. 20 ff.; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 62 ff.; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 77; Prinz/Peters, Rz. 465 ff. 2 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 59; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 48; Löffler/Ricker, Kap. 24 Rz. 1. 3 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 59; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 49. 4 Seitz/Schmid/Schoener, Rz. 60; Löffler/Ricker, Kap. 24 Rz. 1; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 74. 5 OLG Karlsruhe AfP 1998, 65. 6 OLG München AfP 1976, 188. 7 LG Hamburg NJW 1967, 734. 8 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 60; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 74. 9 Dazu schon oben § 13 Tz. 16. 10 BerlVerfGH AfP 2008, 593 = NJW 2008, 3491 = ZUM-RD 2008, 393. 11 BGH AfP 2008, 381 = NJW 2008, 2262 = ZUM 2009, 61 = WRP 2008, 114 – Richtigstellungsanspruch des BKA.
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Gegendarstellung
Tz. 11 § 29
nicht die Darlegung, dass der Anspruchssteller in seinen Rechten verletzt ist.1 Auch eine positive Meldung kann einen Anspruch auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung auslösen2 wie etwa die zwar positiv klingende, im Ergebnis aber kreditschädigende unzutreffende Meldung,3 ein Theater sei über Monate hinaus ausverkauft, die zwangsläufig dazu führen würde, dass sich das interessierte Publikum nicht mehr um Eintrittskarten bemüht. Allerdings muss der Betroffene in seiner eigenen Interessensphäre berührt sein, wobei eine wertende Betrachtung zur Anwendung kommt. So hat die Rechtsprechung Betroffenheit etwa angenommen im Fall des Chefredakteurs, der sich gegen eine sein Blatt oder seine Redaktion betreffende Behauptung wendet,4 oder des Theaterintendanten im Zusammenhang mit einem Bericht über Zustände im von ihm geleiteten Theater.5 Betroffen in diesem Sinn sind auch der Vorsitzende des Landesverbands einer politischen Partei von Behauptungen über seine Partei, die Bundesregierung von der Behauptung, die Regierungsparteien hätten öffentliche Mittel verschwendet,6 oder die Eltern von Behauptungen, die ihre minderjährigen Kinder betreffen.7 Andererseits ist der Gegendarstellungsanspruch untrennbar mit der Person der Betroffenen verbunden.8 Nicht betroffen sind daher in der Regel die Kinder oder sonstigen Erben von Berichterstattung über ihre Eltern oder Erblasser. Der von der Rechtsprechung bei schweren Beeinträchtigungen des Lebensbilds zur Verfügung gestellte postmortale Achtungsanspruch9 kann zur Begründung einer gegendarstellungsrechtlichen Betroffenheit nicht herangezogen werden.10 Insoweit fehlt es an der erforderlichen Betroffenheit der Kinder oder Erben. Stirbt der Betroffene, nachdem die Veröffentlichung seiner Gegendarstellung angeordnet, aber bevor sie tatsächlich vorgenommen wurde, so kann der Veröffentlichungspflichtige die Aufhebung des gerichtlichen Titels verlangen.11 Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die primär dem Verstorbenen geltende Berichterstattung auch die Kinder in ihrer eigenen Sphäre und insbesondere in der Frage betrifft, wie sie selbst zu den originär den Verstorbenen betreffenden Behauptungen stehen oder wie sie sich zum referierten Sachverhalt selbst eingelassen haben.12 Dementsprechend erlischt ein Gegendarstellungsanspruch eines betroffenen Unternehmens, das vor der
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Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 64. OLG München NJW 1954, 927; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 64. Oben § 12 Tz. 62. KG AfP 2007, 321; OLG Hamburg AfP 2008, 314 = ZUM-RD 2008, 475; OLG Frankfurt/Main AfP 1984, 225OLG; Hamburg AfP 1973, 387. LG München v. 2.11.1977 – 9 O 16335/77, unveröffentlicht, zitiert nach Seitz/ Schmidt/Schoener, Tz. 69 FN 25. OLG München AfP 1976, 188. Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 78. KG AfP 2007, 137 = ZUM-RD 2007, 232. Dazu oben § 13 Tz. 6 ff. KG AfP 2007, 137 = ZUM-RD 2007, 232; OLG Hamburg AfP 1994, 322; OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 599. KG AfP 2007, 137 = ZUM-RD 2007, 232. OLG Hamburg v. 23.6.1994 – 3 U 113/94, unveröffentlicht.
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11
§ 29 Tz. 12
Zivilrechtliche Ansprüche
Erfüllung des Anspruchs mit einem anderen Unternehmen verschmolzen wird; er geht auch nicht etwa auf das übernehmende Unternehmen über.1 b) Inhalt der Erstmitteilung 12
Der Gegendarstellungsanspruch setzt voraus, dass der Anspruchsteller von einer Tatsachenbehauptung in der Erstmitteilung betroffen ist. Für die Auslegung von Tatsachenbehauptungen sowie die Abgrenzung der Tatsachenbehauptung von der Meinungsäußerung gelten im Rahmen des Gegendarstellungsrechts keine Besonderheiten,2 sind vielmehr die allgemein gültigen Kriterien anzuwenden.3
12a
Nachdem das Bundesverfassungsgericht allerdings in den Stolpe4- und Babycaust-Entscheidungen5 für den Bereich der Unterlassungsansprüche einer- und alle anderen Sanktionen medialer Äußerungen andererseits unterschiedliche Wertungen vornimmt und sowohl bei mehrdeutigen Tatsachenbehauptungen als auch bei Äußerungen im Grenzbereich zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung den Grundsatz, dass unter mehreren Deutungsmöglichkeiten derjenigen Deutung einer Äußerung der Vorzug zu geben ist, die dem Betroffenen am Günstigsten ist und die nicht zur Verurteilung der Medien führt,6 für in die Zukunft gerichtete Unterlassungsansprüche nicht mehr anwendet,7 stellte sich die Frage, ob für den Bereich des Gegendarstellungsrechts am Postulat der einheitlichen Auslegung und Einordnung von Äußerungen festgehalten werden kann. Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht8 inzwischen in der Weise beantwortet, dass es für die Auslegung mehrdeutiger Tatsachenbehauptungen bei der Grundregel bleibt: Sie sind auch im Gegendarstellungsrecht so auszulegen, dass bei Mehrdeutigkeit derjenigen Deutung der Vorzug zu geben ist, die nicht zur Verurteilung der Medien führt.
12b
Ein Verlag, ein Rundfunkveranstalter oder der Betreiber eines geeigneten Internet-Portals darf daher auch heute nicht schon dann zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung verurteilt werden, wenn nur eine nicht fernliegende Deutung der Erstmitteilung einen gegendarstellungsfähigen Inhalt ergibt9 oder wenn es zur gewählten und beanstandeten Deutungsvariante eine gleich_______________
1 LG Hamburg AfP 2002, 70 = ZUM-RD 2002, 305. 2 BVerfG AfP 1998, 500 = NJW 1999, 483; OLG Karlsruhe AfP 1999, 373 = NJW-RR 2000, 323; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 89. 3 Dazu im Einzelnen oben § 14 Tz. 1 ff. 4 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär. 5 BVerfG AfP 2006, 349 = NJW 2006, 3769 = ZUM-RD 2007, 285 – Babycaust. 6 BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 1845; BVerfG NJW 1999, 204 = ZUM 1998, 930; BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär; BayObLG AfP 1995, 496 = NJW 1995, 2501; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 326. 7 Zweifels- oder Variantenlehre; dazu oben § 14 Tz. 11a f.; § 16 Tz. 44 ff. 8 BVerfG AfP 2008, 58 = NJW 2008, 1654 = ZUM 2008, 325 = WRP 2008, 343. 9 OLG Karlsruhe AfP 2008, 89 = NJW-RR 2008, 641= ZUM-RD 2008, 70; a.A. LG München I NJW-RR 2006, 911 = ZUM-RD 2006, 198.
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Gegendarstellung
Tz. 12d § 29
wertige Alternative gibt.1 Es reicht auch nicht aus, dass sich eine Gegendarstellung gegen eine von zwei vom Gericht als gleichwertig angesehene Deutungen richtet.2 Nicht gegendarstellungsfähig ist auch eine als Vermutung gekennzeichnete Schlussfolgerung aus dem Verkauf des Wohnhauses eines Prominenten auf den Zustand seiner Ehe.3 Nur solche mehrdeutigen Äußerungen kommen vielmehr als Basis für Gegendarstellungen in Betracht, deren Deutung sich dem Leser oder Hörer unter Berücksichtigung des Kontexts der Erstmitteilung4 als unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängt.5 Dass eine Behauptung zwischen den Zeilen aufgestellt wurde,6 begründet daher einen Gegendarstellungsanspruch ebenfalls nur, wenn der Leser sie der Erstmitteilung zwingend entnimmt. Nicht gefordert werden kann eine Gegendarstellung immer dort, wo es um die Entgegnung auf Meinungsäußerungen und Kritik geht.7 Dass sich allerdings eine als solche gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung innerhalb eines Kommentars befindet, steht dem Anspruch nicht entgegen.8 Voraussetzung für die Durchsetzung eines Gegendarstellungsanspruchs ist stets die Anknüpfung an Tatsachenbehauptungen, deren Gegenstand auch im vorliegenden Zusammenhang innere Tatsachen sein können.9 Tatsachenbehauptungen können auch in diesem Zusammenhang Verdachtsäußerungen, Gerüchte oder sogar Fragen sein.10 Auch Äußerungen, die als solche zutreffend sind, durch deren Darstellung aber ein unrichtiger oder irreführender Eindruck11 erweckt wird, gelten als gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptungen, sofern sich der Eindruck dem Leser oder Hörer als unabweisliche Schlussfolgerung aufdrängt.12
12c
Nicht gegendarstellungsfähig sind Presseberichte über einen Verdacht von Ermittlungsbehörden, sofern sie den betreffenden Verdacht nicht als wahr hinstellen.13 Gegendarstellungsfähig sind demgegenüber Tatsachenbehauptungen auch dann, wenn sie im Rahmen von Satire oder Karikatur aufgestellt werden.14 Für die Ermittlung ihres tatsächlichen Aussagegehalts ist auch in diesem Zusammenhang die Äußerung von ihrer satirischen Einklei-
12d
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OLG Düsseldorf AfP 2008, 523. So aber LG München I AfP 2006, 379 = NJW-RR 2006, 911 = ZUM-RD 2006, 198. OLG Karlsruhe AfP 2003, 439 = NJW-RR 2003, 109 = ZUM 2003, 314. BVerfG AfP 2004, 48 = NJW 2004, 1235 = ZUM-RD 2004, 1. OLG Düsseldorf AfP 2008, 208 = NJW 2008, 1825 = ZUM-RD 2008, 469; OLG Hamburg AfP 2008, 314 = ZUM-RD 2008, 475. OLG Karlsruhe AfP 2007, 55. Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 90 ff.; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 302 ff.; Löffler/ Ricker, Kap. 25 Rz. 9 ff. BVerfG AfP 2004, 48 = NJW 2004, 1235 = ZUM-RD 2004, 1. Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 40; Einzelheiten oben § 14 Tz. 5 f. Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 319. Dazu oben § 16 Tz. 40 ff. OLG Frankfurt/Main AfP 2008, 628. KG v. 12.6.1986 – 9 W 2595/86; KG v. 23.2.1988 – 9 W 891/88, jeweils unveröffentlicht. Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 370; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 42; Löffler/Ricker, Kap. 25 Rz. 11.
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§ 29 Tz. 13
Zivilrechtliche Ansprüche
dung zu befreien.1 Die Äußerung etwa, der Leiter einer Behörde erscheine aufgrund seiner gesellschaftlichen Verpflichtungen regelmäßig erst nachmittags gegen 17.00 Uhr zum Dienst, wo er dann aber durchaus bis gegen 21.00 Uhr verweile,2 ist daher auch dann gegendarstellungsfähig, wenn sie im Rahmen eines satirischen Beitrags fällt. Ebenfalls gegendarstellungsfähig sind tatsächliche Aussagen, die durch die Verbreitung von Bildern vermittelt werden.3 Dabei ist allerdings die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs4 zu beachten, nach der das in erster Linie zu Illustrationszwecken eingesetzte Bild nicht ohne Weiteres als Ergänzung einer im Text formulierten Sachaussage zu verstehen ist. 13
Entgegen dem Wortlaut der Landespressegesetze kommt es nach einhelliger Auffassung nicht darauf an, ob die betreffende Zeitung oder Zeitschrift eine Behauptung als eigene aufgestellt oder sie sich nur zu eigen gemacht hat.5 Die Gegendarstellung darf sich damit auch gegen solche Behauptungen wenden, die die Presse nicht selbst aufstellt, sondern nur verbreitet, wobei es auch auf die Form der Verbreitung in aller Regel nicht ankommt. Auch Äußerungen Dritter, die die Medien unter Nennung der Quelle verbreiten,6 und selbst Leserbriefe sind damit im Prinzip gegendarstellungsfähig.7 Gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung ist auch die Aussage, ein Dritter habe sich in einem bestimmten Sinn wörtlich oder inhaltlich geäußert, selbst wenn die inhaltliche Richtigkeit dieser Äußerung als solche nicht infrage steht.8 Die Behauptung des Betroffenen, der Dritte habe sich nicht im zitierten Sinn geäußert, kann diesen aber seinerseits in seinen Rechten verletzen und daher unter Umständen einen strafbaren Inhalt der Gegendarstellung darstellen.9
14
Grundsätzlich besagt der Abdruck einer Gegendarstellung nichts über die Wahrheit oder Unwahrheit der darin in Bezug genommenen Erstmitteilung. Mit dem Abdruck ist auch nicht etwa ein ausdrückliches oder auch nur inzidentes Eingeständnis des betroffenen Periodikums verbunden, dass die frühere Mitteilung unrichtig war, wenngleich ein Teil der Leser diese unrichtige Schlussfolgerung ziehen wird. Nach der Konzeption der Gesetzgeber und der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich bei der Veröffentlichung der Gegendarstellung um nicht mehr als die Verwirklichung des Rechts des Betroffenen, sich gegenüber der Öffentlichkeit, an die sich die Erst_______________
1 Oben § 14 Tz. 29. 2 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1993, 852. 3 OLG München AfP 1979, 364; OLG Hamburg ArchPR 1976, 55; LG München I AfP 2003, 373 = NJW 2004, 606 = ZUM-RD 2003, 489; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 370; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 43; Löffler/Ricker, Kap. 25 Rz. 11. 4 BGH AfP 1992, 140 = NJW 1992, 1312 = GRUR 1992, 201 – Bezirksleiter Straßenbau. 5 OLG Frankfurt/Main AfP 1985, 288; OLG München ArchPR 1974, 108; Seitz/ Schmidt/Schoener, Rz. 311; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 107; Löffler/Ricker, Kap. 25 Rz. 13. 6 OLG Hamburg AfP 1983, 345; OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 326; OLG Karlsruhe AfP 1999, 373 = NJW-RR 2000, 323; OLG Karlsruhe AfP 2009, 267. 7 OLG Hamburg AfP 1983, 345. 8 OLG Hamburg NJW-RR 1994, 1179; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 108. 9 Unten Tz. 22 f.
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Gegendarstellung
Tz. 16 § 29
mitteilung gewandt hat, mit seiner eigenen Darstellung Gehör zu verschaffen.1 Dass deren Richtigkeit nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wird, ist Anspruchsvoraussetzung ebenso wenig2 wie die Darlegung, dass die beanstandete Tatsachenbehauptung besonders geschützte Rechte des Betroffenen verletzt. Auch die Glaubhaftmachung der Unwahrheit der Erstmitteilung ist nicht Anspruchsvoraussetzung.3 Der Gegendarstellungsanspruch ist damit im Wesentlichen formaler Natur. Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen zu lediglich verbreiteten Behauptungen, die sich die Presse nicht zu eigen gemacht hat, und vom Prinzip, dass im Gegendarstellungsverfahren eine Wahrheitsermittlung nicht stattfindet, gilt für den Bereich der Parlamentsund Gerichtsberichterstattung. Für den Bundestag und seine Ausschüsse ergibt sich dies unmittelbar aus Art. 42 Abs. 3 GG, für die Parlamente von Ländern und Kommunen sowie die Gerichtsberichterstattung aus §§ 10 bzw. 11 Abs. 5 der Landespressegesetze.4 Einzelne Landespressegesetze gehen weiter und privilegieren Berichterstattung auch über internationale parlamentarische Organe5 bzw. die beschließende Organe der EuropäischenUnion.6 Damit bleiben Berichte über Ablauf von und Erörterungen in den Sitzungen von Gerichten und Parlamenten gegendarstellungsfrei, auch wenn der Betroffene geltend macht, dass der Inhalt der Erörterungen, über den die Presse berichtet, unrichtig ist.7 Dieses Privileg der Parlaments- und Gerichtsberichterstattung stellt die wohl einzige gesetzliche Einschränkung des Prinzips der Verbreiterhaftung8 dar. Es ist weit auszulegen und entfällt nicht etwa bereits deswegen, weil ein bestimmter Pressebericht nicht ausdrücklich als Parlaments- oder Gerichtsbericht aufgemacht und gekennzeichnet ist.9 Die Berichterstattung darf zusammenfassen, Schwerpunkte bilden, über Ausschnitte oder Teilkomplexe der Erörterungen berichten und muss auch nicht wörtlich zitieren, um privilegiert zu sein.10
15
Vorausgesetzt wird allerdings, dass der Bericht wahrheitsgetreu ist. Damit kann die Privilegierung der Parlaments- und Gerichtsberichterstattung dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn aus der Sitzung Tatsachen oder
16
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1 BVerfG AfP 1983, 334 = NJW 1983, 1179 = GRUR 1983, 316 – Gegendarstellung I. 2 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 243; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 113; für den Gegendarstellungsanspruch vor Inkrafttreten der Landespressegesetze BGH NJW 1963, 151 = GRUR 1963, 83 – Staatskarosse; BGH NJW 1963, 1155 = GRUR 1963, 638 – Geisterreigen; BGH NJW 1964, 1132 = GRUR 1964, 562 – Uhren-Weiß. 3 OLG Hamburg NJW 1968, 2383. 4 In Brandenburg § 12 Abs. 5; in Bayern fehlt diese Regelung, beschränkt sich daher die Privilegierung der Parlamentsberichterstattung auf den Bundestag und seine Ausschüsse sowie nach § 37 StGB auf die Bundesversammlung und die Landesparlamente; vgl. Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 72 ff.; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 276 ff. 5 § 11 Abs. 5 LPG Rheinland-Pfalz, § 10 Abs. 5 LPG Saarland. 6 § 12 Abs. 5 LPG Brandenburg, § 10 Abs. 6 LPG Sachsen, § 11 Abs. 5 LPG Thüringen. 7 Seitz/Schmidt/Schoener, Tz. 280; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 75; Wenzel/ Burkhardt, Kap. 11 Rz. 61 ff. 8 Oben § 16 Tz. 10 ff. 9 Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 74; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 61. 10 OLG Hamburg AfP 1979, 361.
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§ 29 Tz. 17
Zivilrechtliche Ansprüche
Äußerungen berichtet werden, die sich so nicht ereignet haben oder die nicht oder nicht wie berichtet gefallen sind. Macht ein Betroffener geltend, eine von einer Zeitung wiedergegebene, in einer Parlamentssitzung oder einer Gerichtsverhandlung gefallene Äußerung sei inhaltlich unwahr, so scheidet ein Gegendarstellungsanspruch schlechthin aus.1 Behauptet er hingegen, der Bericht sei deswegen unwahr, weil die betreffende Äußerung in der Sitzung, über die berichtet wird, nicht oder nicht so gefallen sei, dann müssen die Gerichte – abweichend vom ansonsten im Gegendarstellungsrecht geltenden Grundsatz – die Wahrheit ermitteln.2 Dazu ist im für die Durchsetzung von Gegendarstellungsansprüchen vorgeschriebenen Verfahren der einstweiligen Verfügung die Glaubhaftmachung der Unwahrheit des Berichts über den Verlauf der betreffenden Sitzung durch eidesstattliche Versicherungen ausreichend.3 Die herrschende Meinung im Schrifttum4 lehnt dies ab und meint, es komme auch insoweit auf die Wahrheit der Gegendarstellung nicht an. Diese Auffassung missachtet jedoch den klaren Wortlaut der Landespressegesetze, die die Wahrheit der Parlaments- bzw. Gerichtsberichterstattung ausdrücklich als Voraussetzung dafür nennen, dass der Gegendarstellungsanspruch entfällt, den Anspruch mithin nur gegenüber unwahrer Parlaments- oder Gerichtsberichterstattung gewähren. c) Inhalt der Gegendarstellung 17
Wie die Gegendarstellung sich nur gegen Tatsachenbehauptungen der Erstmitteilung wenden darf, so darf auch ihr entgegnender Teil ausschließlich aus Tatsachenbehauptungen bestehen. Es gilt das Prinzip Tatsache gegen Tatsache.5
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Erforderlich ist dabei die sachgerechte Anknüpfung an die Erstmitteilung. Die Gegendarstellung muss die Erstmitteilung konkret bezeichnen und diejenigen Tatsachenbehauptungen, gegen die sie sich wendet, konkret und zutreffend wiedergeben. Stammt sie von einem Unternehmen, dann muss sie die vollständige Firmenbezeichnung enthalten.6 Dass die Gegendarstellung die Tatsachenbehauptungen, auf die sie erwidert, wörtlich wiedergibt, schreiben die Gesetze nicht vor; erforderlich ist dann aber eine korrekte Wiedergabe ohne Sinnentstellung oder Verfälschung.7 Die wörtliche Wiedergabe ist aber in der Regel schon deswegen angeraten, weil durch sie die Gefahr am zuverlässigsten vermieden werden kann, dass die Aussagen der Erstmitteilung unzutreffend oder sinnentstellend wiedergegeben werden. Unzulässig ist stets eine irreführende oder gar falsche Wiedergabe der Erstmitteilung.8 So darf die _______________
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Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 283. OLG Hamburg AfP 1979, 361. OLG Hamburg AfP 1979, 361; OLG Jena AfP 2007, 559. Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 76; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 282 f.; Wenzel/ Burkhardt, Kap. 11 Rz. 63. OLG Hamburg AfP 1978, 155; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 210. KG AfP 2008, 394 = ZUM-RD 2008, 229. OLG Hamburg AfP 1980, 106; OLG Hamburg AfP 1983, 289; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 97. OLG Köln AfP 1972, 231.
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Gegendarstellung
Tz. 19a § 29
Gegendarstellung nicht die Aussage enthalten, die infrage stehende Zeitung oder Zeitschrift habe eine bestimmte Behauptung aufgestellt, wenn sie in Wahrheit einen Dritten zitiert1 oder den Gegenstand des Verdachts einer Ermittlungsbehörde wiedergegeben hat.2 Hat die Erstmitteilung die betreffende Behauptung durch Anführungszeichen als diejenige eines Dritten gekennzeichnet, so muss auch das in der Wiedergabe durch die Gegendarstellung zutreffend zum Ausdruck gebracht werden.3 Und verlangt ein Betroffener eine Gegendarstellung zu einer im Inland escheinenden fremdsprachlichen Zeitung, dann muss sowohl die Wiedergabe der Erstmitteilung als auch die Entgegnung in derselben Sprache gehalten sein.4 Die eigentliche Entgegnung muss in einem gedanklichen Zusammenhang mit dem Inhalt der Erstmitteilung stehen, gegen den sie sich wendet; sie muss sich mithin thematisch mit dem von ihr in Bezug genommenen Teil der Erstmitteilung befassen5 und ihr eine abweichende Darstellung entgegen stellen.6 Ausreichend sein kann allerdings auch eine bloße Negation,7 sofern sie als solche eindeutig ist und insbesondere keine Irreführung hervorruft.8 Diese Gefahr besteht etwa im Fall der Erwiderung des Betroffenen, er sei entgegen der Erstmitteilung kein enger Mitarbeiter der in der Erstmitteilung genannten Person, weil offenbleibt, ob er überhaupt kein oder nur kein enger Mitarbeiter ist9 und es sich in der zweiten Alternative obendrein um eine im Rahmen der Gegendarstellung unzulässige Wertung handelt. Gerade weil sehr knappe und auf bloße Negation beschränkte Entgegnungen häufig eine derartige Irreführungsgefahr beinhalten, lässt die Rechtsprechung10 auch ergänzende Erläuterungen zu, soweit sie zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlich sind.
19
Zulässig ist es auch, von der Erstmitteilung referierte Tatsachen mit der Erwiderung nicht zu negieren oder ihnen konträre Behauptungen gegenüberzustellen, sondern im Wege der Erwiderung einem durch sie hervorgerufenen bestimmten Eindruck entgegenzutreten,11 wobei die gerichtliche Praxis gerade in diesem Bereich mehrdeutiger Äußerungen dem Gebot der restriktiven Annahme verdeckter Behauptungen12 und der Bevorzugung von Aussagegehalten, die den Betroffenen am Wenigsten belasten und nicht zur Verurteilung
19a
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OLG Karlsruhe AfP 1999, 373 = NJW-RR 2000, 323. OLG Düsseldorf AfP 1976, 194. OLG Hamburg ArchPR 1974, 111. LG Darmstadt AfP 2005, 484. OLG München AfP 1972, 278; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 221; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 100. OLG Frankfurt/Main NJW 1950, 270. OLG Hamburg AfP 1979, 403; OLG Hamburg AfP 1980, 106; Seitz/Schmidt/ Schoener, Rz. 220. OLG München NJW-RR 2000, 319; OLG Düsseldorf AfP 2005, 368 = ZUM-RD 2005, 25. Zutreffend Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 103; a.A. OLG Hamburg AfP 1980, 106. OLG Hamburg AfP 1973, 387; OLG Frankfurt/Main AfP 1980, 38; OLG Hamburg AfP 1987, 625; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 220, 225; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 104. Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 220. Oben § 16 Tz. 44 ff.
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§ 29 Tz. 20
Zivilrechtliche Ansprüche
führen,1 in der Vergangenheit häufig zu wenig Beachtung geschenkt hat. Nach der nunmehr vorliegenden Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die damit angesprochene Zweifelsregel auch im Rahmen des Gegendarstellungsrechts gilt,2 wird man von den Zivilgerichten in diesem Punkt künftig eine striktere Handhabung der Gegendarstellungsvoraussetzungen erwarten dürfen. d) Berechtigtes Interesse 20
Die oben3 getroffene Feststellung, dass die Gegendarstellung auch bezogen auf ihren Inhalt im Wesentlichen formaler Natur ist, wird durch das das gesamte Zivilrecht beherrschende Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gemäß §§ 226, 242 BGB eingeschränkt. Nach ständiger Praxis bedeutet dies im vorliegenden Zusammenhang, dass ein Gegendarstellungsanspruch dann nicht besteht, wenn es am berechtigten Interesse des Betroffenen fehlt. Diese Einschränkung sieht die Mehrheit der Landespressegesetze4 heute ausdrücklich vor. Wo das nicht der Fall ist, gilt sie dennoch als allgemeingültiges Prinzip.5
20a
Der wichtigste Anwendungsfall dieses Grundsatzes ist die Einschränkung des Prinzips, dass Gegendarstellungen unbeschadet der Frage nach ihrer Wahrheit abgedruckt werden müssen. Dieses Prinzip begründet entgegen der Vorstellung manchen Anspruchsstellers kein Recht zur Lüge.6 Am erforderlichen berechtigten Interesse an der Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs fehlt es daher insbesondere, wenn sich ergibt, dass der Inhalt der Gegendarstellung offen- bzw. gerichtskundig unwahr7 oder offen- bzw. gerichtskundig irreführend8 ist. Ein Fall der offenkundigen Unwahrheit liegt etwa vor, wenn der Betroffene sich in seiner Entgegnung mit eigenen Äußerungen in Widerspruch setzt, die er früher in schriftlicher Form niedergelegt hat, oder wenn sich die Unwahrheit seiner Entgegnung aus sonstigen Dokumenten er_______________
1 BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG NJW 1993, 1845; BVerfG NJW 1999, 204 = ZUM 1998, 930; BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär; BayObLG AfP 1995, 496 = NJW 1995, 2501; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 326. 2 BVerfG AfP 2008, 58 = NJW 2008, 1654 = ZUM 2008, 325 = WRP 2008, 343; oben Tz. 12a. 3 Oben Tz. 14. 4 Baden-Württemberg, Hamburg und Schleswig-Holstein § 11 Abs. 2 Satz 1; Brandenburg § 12 Abs. 2 Nr. 1; Berlin, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern § 10 Abs. 2 Satz 1; Bremen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen § 11 Abs. 2 Nr. 1; RheinlandPfalz § 11 Abs. 3 Nr. 1; Saarland § 10 Abs. 3 Nr. 1; Sachsen § 10 Abs. 2 Nr. 4. 5 OLG Naumburg AfP 2006, 464 = ZUM 2006, 482; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 246 ff.; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 61; für Bayern: OLG München NJW-RR 2000, 319; OLG München AfP 1999, 484. 6 OLG Hamburg MDR 1966, 593; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 245, 254 f.; Wenzel/ Burkhardt, Kap. 11 Rz. 127; Korte, S. 60 ff. 7 OLG Hamburg AfP 1974, 573; OLG Hamburg AfP 1977, 245; OLG Karlsruhe AfP 1977, 356; OLG Karlsruhe AfP 1998, 89 = ZUM 1998, 166; OLG Köln AfP 1971, 174; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 245, 254 f.; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 63; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 127. 8 OLG München AfP 1992, 171; OLG München AfP 1998, 515 = ZUM 1998, 846; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 261; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 129 ff.
632
Gegendarstellung
Tz. 20c § 29
gibt, deren inhaltliche Richtigkeit ihrerseits nicht in Streit steht.1 Auch sein Verhalten im gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs und insbesondere darin auftretende Widersprüchlichkeiten können unter diesem Aspekt von Bedeutung sein.2 Irreführend ist auch die vorbehaltlose Negierung einer Behauptung, die lediglich einer Ergänzung oder Einschränkung bedarf.3 So entfällt etwa der Gegendarstellungsanspruch wegen offenkundiger Irreführung, wenn die Gegendarstellung die Behauptung enthält, die Teilnahme an Verlosungsaktionen eines Unternehmens sei nicht davon abhängig, dass der Teilnehmer Einkäufe bei dem Unternehmen tätigt, und sich aus dem eigenen Vortrag des Betroffenen ergibt, dass dies zwar auf den Fall zutrifft, der Anlass für die Erstmitteilung war, nicht aber der generellen Praxis des Unternehmens entspricht.4 Bleibt im Verfahren über die Durchsetzung eines Gegendarstellungsanspruchs zu einem Bericht über die Tätigkeit eines Bundestagsausschusses unstreitig, dass Mitglieder des Ausschusses den Entwurf eines Abschlussberichts vorgelegt haben, dann ist die Gegendarstellung offenkundig irreführend, wenn sie die Behauptung enthält, es gebe keinen Bericht des Ausschusses.5 Ein Fall der Irreführung, die den Gegendarstellungsanspruch entfallen lässt, sofern sie offen- oder gerichtskundig ist, liegt schließlich auch vor, wenn der Betroffene auf die Behauptung der Erstmitteilung, er sei in einem bestimmten tatsächlichen Zusammenhang wegen Erpressung bestraft worden, mit einer schlichten Negation entgegnet und auf diese Weise verschweigt, dass er tatsächlich wegen Nötigung bestraft worden ist.6
20b
Damit erweist sich die Wahrheit bzw. Unwahrheit der Gegendarstellung als ein Kriterium, das trotz ihrer prinzipiellen Unbeachtlichkeit im Verfahren über die Durchsetzung des Anspruchs häufig doch eine beträchtliche Rolle spielt. Die Gerichte haben zwar nur offenkundige Unwahrheiten oder Irreführungen zu beachten; vor diesen dürfen sie aber ihre Augen nicht verschließen. Daraus folgt, dass insbesondere die gesetzliche Verpflichtung zu wahrheitsgemäßem Sachvortrag im Zivilprozess7 auch im gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung der Gegendarstellung gilt. Die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für die offenkundige Unwahrheit oder Irreführungsneigung der Gegendarstellung liegt zwar bei den Abdruck- bzw. Sendepflichtigen.8 Der Betroffene muss sich aber auf substantiierte Behauptungen der Medien im Prozess, nach denen der Inhalt der Erwiderung unwahr ist, jedenfalls substantiiert einlassen. Kann oder tut er es nicht, so muss das Gericht nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln den Sachvortrag des in Anspruch genommenen Mediums als wahr unterstellen9 und demgemäß von der Unwahrheit der
20c
_______________
1 OLG Hamburg AfP 1973, 387; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 257. 2 OLG Hamburg AfP 1980, 104. 3 OLG Düsseldorf AfP 2005, 368 = ZUM-RD 2005, 25; OLG Dresden AfP 2002, 55 = ZUM-RD 2002, 287. 4 OLG München AfP 1998, 89 = ZUM 1998, 166. 5 OLG München AfP 1998, 515 = ZUM 1998, 846. 6 OLG Hamburg ArchPR 1974, 110. 7 § 138 Abs. 1 ZPO. 8 OLG München NJW-RR 2000, 319; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 260. 9 § 138 Abs. 3 ZPO.
633
§ 29 Tz. 20d
Zivilrechtliche Ansprüche
Gegendarstellung ausgehen. In diesem Fall fehlt das für jede Anspruchsverfolgung erforderliche berechtigte Interesse des Betroffenen an der Durchsetzung seiner Gegendarstellung. 20d
Haben sich in der Zeit zwischen der Veröffentlichung der Erstmitteilung und der gerichtlichen Durchsetzung der Gegendarstellung die für die Beurteilung der vom Veröffentlichungspflichtigen behaupteten Irreführung maßgeblichen tatsächlichen Umstände geändert, dann ist entscheidend für die Frage der Irreführung der Sachverhalt zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.1 Denn die Medien dürfen schon im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Eingriffscharakter der Veröffentlichungsanordnung2 nicht gerichtlich zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung verpflichtet werden, deren Unwahrheit oder Irreführungseignung zum Zeitpunkt der Anordnung feststeht und damit offenkundig ist.
21
Neben den Fällen der offenkundigen Unwahrheit oder Irreführungseignung kennt die Praxis weitere Fälle, in denen ein berechtigtes Interesse an der Durchsetzung der Gegendarstellung zu verneinen ist.
21a
Dies ist etwa der Fall bei reinen Belanglosigkeiten.3 Da der Gegendarstellungsanspruch dem Schutz der Persönlichkeit dient, kommt er nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts4 dann nicht in Betracht, wenn es um Tatsachenbehauptungen geht, die sich nicht in nennenswerter Weise auf das Persönlichkeitsbild des Betroffenen auswirken können.
21b
Ein berechtigtes Interesse fehlt ferner dann, wenn sich mehrere Betroffene bei gleicher Interessenlage mit mehreren Gegendarstellungen zu derselben Behauptung der Erstmitteilung zu Wort melden,5 und insbesondere dann, wenn eine dieser inhaltsgleichen Gegendarstellungen schon veröffentlicht worden ist.6 Ist eine Redaktion in einer derartigen Konstellation zum Abdruck mehrerer Gegendarstellungen verpflichtet, weil zwar die Anknüpfungspunkte der Erstmitteilung identisch, die Beeinträchtigung der Betroffenen aber unterschiedlich ist, dann genügt es den berechtigten Interessen der Betroffenen, wenn die in allen Fällen identischen Aussagen der Erstmitteilung zur Anknüpfung der Erwiderungen nur einmal zusammengefasst wiedergegeben werden.7 Ein berechtigtes Interesse fehlt aber auch dann, wenn ein Betroffener eine Medienveröffentlichung inhaltlich zerlegt und sich zu verschiedenen darin enthaltenen Tatsachenbehauptungen mit verschiedenen Gegendarstellungen zu Wort meldet.
21c
Das berechtigte Interesse kann auch entfallen, wenn der Betroffene bereits im Rahmen der Erstmitteilung mit seiner Darstellung – etwa mit einer wörtlich _______________
1 2 3 4
A.A. OLG München AfP 1999, 484. Oben Tz. 2b. OLG Hamburg ArchPR 1970, 81; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 62. BVerfG AfP 1998, 194 = NJW 1998, 1381 = ZUM 1998, 315 – Gegendarstellung auf der Titelseite; OLG Düsseldorf AfP 2008, 83. 5 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 266. 6 OLG Hamburg AfP 1974, 576. 7 OLG Karlsruhe AfP 2006, 372 = ZUM-RD 2006, 515.
634
Gegendarstellung
Tz. 23 § 29
zitierten Einlassung zu dem tatsächlichen Vorwurf, um den es in der Erstmitteilung und in der Gegendarstellung geht – zu Wort gekommen ist.1 In diesen Fällen wird allerdings häufig eine klare Distanzierung des Mediums von der umstrittenen Tatsachenbehauptung verlangt, um das berechtigte Interesse des Betroffenen an der Veröffentlichung der Gegendarstellung in Fortfall kommen zu lassen.2 Das ist indessen wenig konsequent und daher im Ergebnis unzutreffend, da es ja bei der Gegendarstellung eben nicht um die Aufklärung der Wahrheit geht, sondern darum, dem Betroffenen mit seiner Darstellung Gehör zu verschaffen. Richtiger erscheint es daher, in derartigen Fällen die Entscheidung davon abhängig zu machen, ob das Dementi oder die anderweitige Darstellung des Betroffenen im Rahmen der Erstmitteilung inhaltlich wie eine von ihm ernst gemeinte Erklärung präsentiert wird; ist das der Fall, fehlt für eine inhaltsgleiche oder im Wesentlichen identische Gegendarstellung das berechtigte Interesse. Das berechtigte Interesse entfällt schließlich, wenn die Medien sich von der Unrichtigkeit ihrer Darstellung überzeugen und unverzüglich, mithin vor Veröffentlichung der Gegendarstellung, ihrerseits einen Widerruf oder eine Richtigstellung veröffentlichen.3 Denn hier erhält der Betroffene mit dem in der freiwilligen Veröffentlichung des Widerrufs liegenden Eingeständnis der Unwahrheit der Erstmitteilung mehr als mit der Veröffentlichung seiner Gegendarstellung, die ja dem Leser über die Wahrheit oder Unwahrheit der Erstmitteilung gerade keine Information vermittelt.
21d
Schließlich besteht schon nach dem Wortlaut der Landespressegesetze kein Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung, die ihrerseits einen strafbaren Inhalt hat. Das kann dann der Fall sein, wenn sie die Redaktion oder den Verlag der Publikation, an die sie sich wendet, beleidigt, wie etwa durch die Bezeichnung der Erstmitteilung als lügnerisch, verleumderisch oder frei erfunden.4 Die Bezeichnung der Erstmitteilung als unwahr oder unrichtig ist hingegen in den meisten Fällen durch das Anliegen der Gegendarstellung gerechtfertigt und stellt daher keine Beleidigung dar.
22
Die Strafbarkeit des Inhalts einer Gegendarstellung kann sich aber auch daraus ergeben, dass sie eine Beleidigung zu Lasten eines Dritten enthält.5 Das kann etwa der Fall sein, wenn die Entgegnung einen Dritten inhaltlich der Lüge oder einer strafbaren Handlung bezichtigt. Derartige Äußerungen erfüllen, sofern sie nicht erweislich wahr sind, den Tatbestand der üblen Nachrede zu Lasten des Dritten. In diesem Fall stellt sich entgegen der Regel die Frage nach der Wahrheit des Teils der Gegendarstellung, der als üble Nachrede in Betracht kommt.
23
_______________
1 LG Düsseldorf AfP 1992, 315; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 267; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 65. 2 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 267; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 66. 3 OLG Schleswig AfP 2004, 125; LG Berlin AfP 2004, 148; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 268; a.A. Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 66. 4 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 240; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 124. 5 Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 115; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 122; Seitz/ Schmidt/Schoener, Rz. 239 f.
635
§ 29 Tz. 23a
Zivilrechtliche Ansprüche
23a
Wie bei der vergleichbaren Problematik der Parlaments- oder Gerichtsberichterstattung1 handelt es sich auch bei der etwaigen Strafbarkeit des Inhalts der Gegendarstellung um ein vom Gesetzgeber ausdrücklich aufgestelltes Anspruchshindernis, so dass die Gerichte wie im genannten Parallelfall die Wahrheit berücksichtigen müssen. Die Medien haben mithin auch in diesem Fall die Möglichkeit, im Wege der Glaubhaftmachung darzutun, dass die den Dritten betreffende Behauptung der Gegendarstellung unzutreffend ist. Erhält der Dritte selbst Kenntnis von der ihn betreffenden Behauptung, so hat er jedenfalls so lange nicht die Möglichkeit, die Veröffentlichung der Gegendarstellung durch eine einstweilige Verfügung zu verhindern, als das Verfahren der gerichtlichen Durchsetzung noch nicht abgeschlossen ist. Er kann sich aber an diesem Verfahren im Wege der Nebenintervention auf Seiten des Verlags beteiligen2 und dann seinerseits glaubhaft machen, dass die ihn betreffende Behauptung unwahr ist.
24
Rechte Dritter können auch dann durch den Inhalt einer Gegendarstellung tangiert werden, wenn es sich nicht um strafbare Äußerungen handelt. In Betracht kommt etwa ein Verstoß gegen zivil- oder gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten oder vertragliche oder gesetzliche Werbeverbote.3 Derartige Verstöße sind aber im Prinzip unbeachtlich, tangieren den Anspruch auf Abdruck der Gegendarstellung mithin nicht. Der betroffene Verlag kann sich auf sie nicht berufen. Die Feststellung, eine Gegendarstellung sei inhaltlich unzulässig, weil sie werbende Angaben enthält, rechtfertigt nur dann die Verweigerung des Abdrucks, wenn die Entgegnung zugleich ohne sachlichen Bezug zur beanstandeten Erstmitteilung4 oder wenn sie zugleich strafrechtlich relevant ist.
24a
Ausnahmsweise kann aber auch eine solche Konstellation zur Verneinung des berechtigten Interesses des Betroffenen führen. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Betroffener in der Gegendarstellung die Identität eines bisher nicht bekannten Täters oder Mittäters einer strafbaren Handlung offenbart,5 oder dann, wenn ein Betroffener einem Dritten im Rahmen seiner Gegendarstellung Verfehlungen im Intimbereich nachsagt, deren Veröffentlichung der Dritte im Hinblick auf sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht hinnehmen müsste. Wie im Fall der strafbaren Gegendarstellung steht Dritten, deren Rechte durch den Inhalt einer Gegendarstellung unter zivil- oder wettbewerbsrechtlichen Aspekten verletzt werden, obendrein die Möglichkeit offen, sich als Nebenintervenient am Verfahren der gerichtlichen Durchsetzung zu beteiligen und auf diese Weise unter Berufung auf ihre geschützten Rechtspositionen den Versuch zu unternehmen, den Abdruck der Gegendarstellung zu verhindern.6 _______________
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Oben Tz. 15 ff. OLG Hamburg AfP 1983, 475; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 649. Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 125; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 242. OLG Hamburg AfP 1988, 345. LG Oldenburg AfP 1986, 299; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 242. OLG Hamburg AfP 1983, 475.
636
Gegendarstellung
Tz. 26 § 29
e) Umfang Der Anspruch auf Abdruck einer Gegendarstellung setzt ferner voraus, dass sie ihrem Umfang nach nicht unangemessen ist. Bei dieser Regel handelt es sich in Bayern und Hessen um eine Sollvorschrift, deren Nichtbeachtung einen Anspruch des abdruckpflichtigen Verlags auf Zahlung eines Annoncenentgelts auslöst,1 während es sich nach allen anderen Landespressegesetzen um zwingendes Recht handelt. Die Landespressegesetze konkretisieren das Gebot der Angemessenheit des Umfangs dahingehend, dass es stets beachtet ist, wenn der Umfang der Gegendarstellung denjenigen des beanstandeten Texts nicht überschreitet.2 Dabei handelt es sich allerdings nicht um den infrage stehenden Artikel insgesamt, sondern um denjenigen Teil eines Artikels, auf den sich die Gegendarstellung konkret bezieht;3 andererseits ist bei der Ermittlung der Angemessenheit des Umfangs der für die Wiedergabe der in Bezug genommenen Behauptung erforderliche Raum nicht zu berücksichtigen.4 Wo die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen für den Fall eines unverhältnismäßigen Umfangs der Gegendarstellung die Zahlung einer Annoncenvergütung vorsehen, ist sie nur für den Teil der Gegendarstellung zu entrichten, der den angemessenen Umfang überschreitet; das Gericht kann sie gegebenenfalls der Höhe nach im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO festsetzen und den Abdruck der Gegendarstellung von der Leistung eines entsprechenden Vorschusses abhängig machen.5
25
Aus der Beobachtung, dass die Widerlegung einer Tatsachenbehauptung häufig mehr Platz beanspruchen wird als deren erstmalige Verbreitung, leiten die Gerichte in der Regel eine sehr großzügige Handhabung des Kriteriums des unverhältnismäßigen Umfangs zugunsten der Betroffenen ab.6 Das Oberlandesgericht München7 etwa nimmt Unverhältnismäßigkeit erst an, wenn der Text der Gegendarstellung denjenigen der beanstandeten Meldung um mehr als das Doppelte überschreitet. Aus der Tatsache allein, dass die Gegendarstellung länger ist als der beanstandete Teil der Erstmitteilung, kann jedenfalls noch nicht auf die Unverhältnismäßigkeit ihres Umfangs geschlossen werden. Gleiches gilt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg8 für die Feststellung, dass der Umfang durch eine andere Art der Formulierung der Gegendarstellung reduziert werden könnte. Nur unnötige Weitschweifigkeiten oder Geschwätzigkeiten führen zur Zurückweisung eines Gegen-
26
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1 § 10 Abs. 2 Satz 4 Bay LPG und § 10 Abs. 3 Satz 3 Hess LPG ordnen den kostenfreien Abdruck nur für Gegendarstellungen mit angemessenem Umfang an. 2 OLG Hamburg AfP 1979, 403; OLG Düsseldorf AfP 1988, 160; OLG Karlsruhe NJWRR 1992, 1305. 3 OLG Düsseldorf AfP 1988, 160; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 233; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 134. 4 OLG Karlsruhe AfP 2009, 267. 5 OLG München AfP 1999, 72. 6 OLG Hamburg AfP 1979, 405; OLG Frankfurt/Main AfP 1983, 279; LG Hamburg AfP 1971, 87; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 234; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 140 ff.; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 134. 7 OLG München AfP 1999, 72. 8 OLG Hamburg AfP 1985, 53.
637
§ 29 Tz. 27
Zivilrechtliche Ansprüche
darstellungsanspruchs wegen unverhältnismäßigen Umfangs.1 Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn die Gegendarstellung eine aus mehreren Einzelbehauptungen bestehende Erstmitteilung insgesamt als unrichtig bezeichnet, um sodann jeden einzelnen Punkt ohne Hinzufügung ergänzender Tatsachen negierend zu wiederholen.2 Da die Gerichte unter dem Aspekt der Angemessenheit des Umfangs aber in der Regel Großzügigkeit walten lassen spielt dieses Kriterium in der Praxis keine bedeutsame Rolle. 3. Formelle Anspruchsvoraussetzungen a) Schriftform 27
Nahezu alle einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen schreiben für die Gegendarstellung die Schriftform sowie die eigenhändige Unterzeichnung durch den Betroffenen oder seinen gesetzlichen Vertreter vor. Geringfügige Abweichungen in den Texten der einzelnen gesetzlichen Bestimmungen sind im Ergebnis ohne rechtliche Relevanz, da sich das Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung bereits aus der gebotenen entsprechenden Anwendung von § 126 BGB ergibt.3
28
Dem Gebot der Schriftform genügt jede Art der schriftlichen Fixierung. Das gilt unabhängig von der Frage, ob die Zuleitung einer Telekopie der Gegendarstellung den gesetzlichen Anforderungen genügt,4 auch für die Fixierung des Gegendarstellungstexts auf einer Telekopie, sofern nur diese im Original eigenhändig durch den Betroffenen unterzeichnet ist. Die Niederlegung des Gegendarstellungstexts in gesonderter Urkunde entspricht zwar weitgehend eingeführter Praxis und empfiehlt sich schon deswegen, weil dadurch Zweifel über den Inhalt des Texts der Gegendarstellung und hinsichtlich deren eigenhändiger Unterzeichnung ausgeschlossen werden können; rechtlich erforderlich ist sie nicht.5 Befinden sich aber Gegendarstellung und Abdruckverlangen in einem einheitlichen Dokument, so muss der Text der Gegendarstellung als solcher eigenhändig unterschrieben sein. Das bereitet zwar dann keine Probleme, wenn die Gegendarstellung den abschließenden Teil des Dokuments bildet und die ihr folgende Unterschrift mithin den gesamten Text des Dokuments abdeckt, wohl aber dann, wenn dem Gegendarstellungstext noch andere Inhalte einschließlich einer üblichen Grußformel folgen. In diesem Fall muss der Gegendarstellungstext gesondert unterschrieben werden.
29
Die schriftlich formulierte Gegendarstellung muss eigenhändig unterzeichnet werden. Das bedeutet nach ganz herrschender Praxis6 die handschriftliche _______________
1 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 236 f. 2 OLG Düsseldorf AfP 2006, 475. 3 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 168; Löffler/Ricker, Kap. 25 Rz. 18; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 148. 4 Unten Tz. 30 f. 5 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 172; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 146. 6 OLG Hamburg ArchPR 1970, 82; OLG Hamburg AfP 1989, 746; OLG München NJW 1990, 2895; OLG Saarbrücken AfP 1992, 287; OLG Köln AfP 1985, 151; LG Frankfurt/Main AfP 2009, 73; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 177; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 148 ff.; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 145; Löffler/Ricker, Kap. 25 Rz. 18.
638
Gegendarstellung
Tz. 31 § 29
Unterzeichnung. Nur die eigenhändige Unterzeichnung gibt dem Abdruckpflichtigen die Gewähr, dass die Gegendarstellung wirklich vom Betroffenen selbst stammt, und schließt Manipulationen weitgehend aus.1 Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Gegendarstellung um eine höchstpersönliche Erklärung des Betroffenen handelt, die zugleich als Ausdruck seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gilt,2 ist dieses strikte Erfordernis unverzichtbar. Damit ist insbesondere die Verwendung von Stempeln oder Faksimile-Unterschriften ebenso ausgeschlossen wie die Abfassung der Gegendarstellung einschließlich ihrer Unterzeichnung in Gestalt eines Maschinendrucks oder Telegramms. Stammt die Gegendarstellung von einem Unternehmen, so muss der Unterschrift des oder der Vertretungsberechtigten die vollständige Firmenbezeichnung beigefügt werden.3 Ob die eigenhändige Unterzeichnung des Originals dann ausreicht, wenn dem Abdruckpflichtigen lediglich eine Telekopie des unterzeichneten Originals zugeleitet wird, ist umstritten. Während einzelne Oberlandesgerichte4 die Zuleitung des Originals als unabdingbar bezeichnen und die Zuleitung der Telekopie mithin als unbeachtlich ansehen, halten andere sie prinzipiell5 oder jedenfalls dann für ausreichend, wenn die Gegendarstellung dem Adressaten per Telekopie ohne Zwischenempfänger6 bzw. direkt vom Telefaxgerät des Betroffenen7 zugeleitet wird. Schon im Hinblick auf diese unterschiedlichen gerichtlichen Entscheidungen herrscht eine beträchtliche Rechtsunsicherheit.
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Dabei ist den Befürwortern der großzügigeren Auffassung zuzugeben, dass die Telekopie heute ein eingeführtes Kommunikationsmittel ist, das eine schnelle Übermittlung ermöglicht, und dass die Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte die Einlegung von Rechtsmitteln auf diesem Wege trotz der auch insoweit vorgeschriebenen Schriftform zulässt.8 Gleiches gilt für die Übermittlung unterzeichneter Schriftsätze als PDF-Datei per E-Mail.9 Dennoch herrscht die erwähnte Rechtsunsicherheit nicht nur auf dem isolierten Gebiet des Gegendarstellungsrechts. So erachtet die Rechtsprechung10 etwa die schriftformbedürftige Erteilung von Bürgschaften für unwirksam, wenn die Bürgschaftsurkunde nur als Telekopie vorliegt. Schriftliche Vollmachtsurkunden gemäß § 80 ZPO müssen ebenfalls im Original vorgelegt werden; auch insoweit reicht die Vorlage der Telekopie nicht aus.11 Und der Nachweis der Ab-
31
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OLG München NJW 1990, 2895; OLG Saarbrücken AfP 1992, 287. Oben Tz. 2a. KG AfP 2008, 394 = ZUM-RD 2008, 229. OLG Köln AfP 1985, 151; OLG Hamburg AfP 1989, 746 = NJW 1990, 1613; LG Düsseldorf AfP 1993, 498; zustimmend Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 145; Seitz/ Schmidt/Schoener, Rz. 177; differenzierend dies., Rz. 200. OLG Saarbrücken AfP 1992, 287; LG Köln AfP 1995, 684; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 159. KG AfP 1993, 748. OLG München AfP 1991, 531 = NJW 1990, 2895; Löffler/Ricker, Kap. 25 Rz. 18 a.E. Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 159. BGH BB 2008, 1741 (nur Leitsatz). BGH NJW 1993, 1126; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 93. BGH NJW 1994, 2298; BFH NJW 1996, 2183; BFH NJW 1996, 3366.
639
§ 29 Tz. 31a
Zivilrechtliche Ansprüche
sendung eines Dokuments per Telekopie kann nach herrschender Ansicht1 nicht einmal durch das vom Absendegerät regelmäßig erstellte Sendeprotokoll geführt werden. 31a
Im Hinblick auf diese vielfache Rechtsunsicherheit erscheint die strikt am Wortlaut des Gesetzes orientierte Auffassung allein zutreffend, dass die Vorlage der Telekopie diejenige der im Original unterzeichneten Gegendarstellung nicht ersetzt. Das gilt umso mehr, als einer Telekopie nicht verlässlich entnommen werden kann, ob das Original eigenhändig unterzeichnet worden ist. Moderne Textverarbeitungsprogramme ermöglichen heute schon die Speicherung und anschließende Simulation handschriftlicher Schriftzüge; faksimilierte Namensstempel sind seit Jahrzehnten bekannt und vermutlich immer noch im Einsatz. Die Gründe, die nach der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte gegen die Wirksamkeit von Bürgschafts- oder Vollmachtsurkunden sprechen, die nur als Telekopie vorgelegt werden, haben daher auch im vorliegenden Zusammenhang ihre Berechtigung. Zeitliche Verzögerungen, die sich aus dem Erfordernis der Zuleitung des Originals im Einzelfall ergeben können, sind hinzunehmen. Und Betroffene, die sich auf die Rechtsprechung einzelner Gerichte über die Zulässigkeit der Vorlage der Telekopie verlassen, laufen das Risiko, dass sie den Nachweis des Zugangs nicht führen können, wenn er vom Verlag bestritten wird.
32
Die Unterschrift unter der Gegendarstellung ist nach nahezu allen Landespressegesetzen durch den Betroffenen oder seinen gesetzlichen Vertreter eigenhändig zu leisten. Stellvertretung ist also bei natürlichen Personen ausgeschlossen, soweit es sich nicht um die gesetzlichen Vertreter Minderjähriger handelt.2 Bei juristischen Personen und klagebefugten nicht rechtsfähigen Handelsgesellschaften wird die Unterzeichnung durch den gesetzlichen Vertreter verlangt. Hat eine Gesellschaft mehrere Organe, so genügt die Unterzeichnung in der Weise, wie sie in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag vorgesehen und im Handelsregister eingetragen ist.3 Das gilt auch im Fall der gemischten Stellvertretung, mithin der Unterzeichnung durch einen Geschäftsführer oder ein Vorstandsmitglied in Verbindung mit einem Prokuristen, sofern es sich dabei um die satzungsmäßige Vertretungsform handelt.4 Gewillkürte Stellvertretung wie etwa die Unterzeichnung durch zwei Prokuristen ist auch insoweit ausgeschlossen.5 Daher ist die Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf6 abzulehnen, bei einer Aktiengesellschaft mit Gesamtvertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder genüge die Unterzeichnung durch ein Vorstandsmitglied, wenn dieses von einem anderen zur alleinigen Unter_______________
1 OLG München NJW 1993, 244; KG NJW 1994, 3172; OLG Dresden NJW-RR 1994, 1485; OLG Köln NJW-RR 1995, 1228; a.A. OLG München NJW 1994; offengelassen in BGH NJW 1995, 665. 2 OLG Frankfurt/Main NJW 1953, 1068; OLG Schleswig AfP 1982, 45 m. Anm. Soehring; OLG Hamburg AfP 1971, 37; OLG Hamburg AfP 1979, 405; OLG Stuttgart AfP 1979, 363; LG Frankfurt/Main AfP 2009, 73; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 188 ff.; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 146; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 155. 3 Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 146. 4 LG Düsseldorf AfP 1993, 498. 5 OLG Frankfurt/Main AfP 2003, 459; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 190. 6 OLG Düsseldorf AfP 2006, 473.
640
Gegendarstellung
Tz. 34 § 29
zeichnung ermächtigt worden ist; diese Art der Ermächtigung unterscheidet sich rechtlich nicht von sonstigen Fällen der gewillkürten Stellvertretung und wird dem strikten Formerfordernis der Eigenhändigkeit der Unterzeichnung nicht gerecht. In den Ländern Berlin, Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ist demgegenüber nach der Rechtsprechung der dortigen Oberlandesgerichte1 die gewillkürte Stellvertretung in der Unterzeichnung der Gegendarstellung zulässig.
32a
b) Zuleitung Nach allen einschlägigen gesetzlichen Vorschriften muss die Gegendarstellung dem Verlag oder dem Verantwortlichen Redakteur zugeleitet werden, bevor ihr Abdruck verlangt werden kann.2 Hierbei handelt es sich nach heute herrschender Auffassung3 um einen Realakt, für den das Erfordernis höchst persönlichen Handelns des Betroffenen oder seiner gesetzlichen Vertreter nicht gilt. Stellvertretung ist mithin insoweit jederzeit zulässig; umstritten ist dies nur für die Fälle, in denen der Text einer Gegendarstellung im Verfahren der gerichtlichen Durchsetzung geändert wird.4 Bis zur tatsächlichen Zuleitung trägt der Betroffene das Übermittlungsrisiko.5 Das gilt dort, wo die Gerichte die Zuleitung per Telekopie genügen lassen, auch für das Risiko unvollständiger Übermittlung.6 Den Nachweis der erfolgten Zuleitung der vollständigen Gegendarstellung hat im Streitfall der Betroffene zu führen.
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Vom Realakt der Zuleitung ist das förmliche Abdruckverlangen zu unterscheiden.7 Insoweit war lange umstritten, ob es sich um eine materiellrechtliche Anspruchs- oder ob es sich um eine Prozessvoraussetzung handelt.8 Nach richtiger Ansicht ist es weder das Eine noch das Andere. Der Anspruch entsteht vielmehr materiellrechtlich mit der Zuleitung der Gegendarstellung an den richtigen Adressaten, und beim Abdruckverlangen des Betroffenen oder seines Vertreters handelt es sich um die einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung darüber, dass die entstandene Forderung tatsächlich geltend gemacht wird.9 Erforderlich ist das Abdruckverlangen insbesondere auch deswegen, weil der Betroffene die Gegendarstellung dem Abdruckpflichtigen, etwa im Rahmen von Vergleichsverhandlungen, auch mit der ausdrücklichen Erklärung zuleiten kann, dass der Abdruck zunächst noch nicht gefordert werde. Entschließt sich der Betroffene in einer solchen Situation, den An-
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1 OLG Bremen AfP 1978, 157; KG NJW 1970, 2029; OLG Celle NJW-RR 1988, 956; OLG Naumburg NJW-RR 2000, 475. 2 Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 158. 3 Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 154 ff. m. Nachw. 4 Dazu unten Tz. 45a. 5 Prinz/Peters, Rz. 564. 6 KG AfP 1993, 748. 7 OLG Hamburg AfP 1978, 155; OLG Hamburg AfP 1981, 410; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 158. 8 Nachweise bei Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 150; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 158. 9 LG München I AfP 2006, 573; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 150.
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§ 29 Tz. 34a
Zivilrechtliche Ansprüche
spruch tatsächlich geltend zu machen und tut er das durch Einreichung eines Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung, ohne dem Abdruckpflichtigen noch das bisher fehlende Abdruckverlangen zu übermitteln, dann ist der Anspruch gleichwohl entstanden und fällig. Allerdings hat der Betroffene gemäß § 93 ZPO die Verfahrenskosten zu tragen, wenn der Abdruckpflichtige den Anspruch im gerichtlichen Verfahren sofort anerkennt.1 34a
Anders als für die Gegendarstellung selbst gelten für das Abdruckverlangen keine besonderen gesetzlichen Formerfordernisse. Zwar wird das Abdruckverlangen in aller Regel schriftlich übermittelt. Im Fall der zulässigen Einschaltung eines Bevollmächtigten empfiehlt sich die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht des Betroffenen oder seines gesetzlichen Vertreters,2 da anderenfalls der Abdruckpflichtige berechtigt ist, das Abdruckverlangen gemäß § 174 Satz 1 BGB zurückzuweisen.3 Erforderlich ist ein schriftliches Abdruckverlangen jedoch nicht.4 Der Verlag oder verantwortliche Redakteur kann auch persönlich, telefonisch oder per Telekopie zum Abdruck aufgefordert werden, sofern nur sichergestellt wird, dass ihm die unterzeichnete Gegendarstellung ordnungsgemäß zugeht. Auch das Verbot der gewillkürten Stellvertretung gilt insoweit nicht. Die Handlungsvollmacht etwa des mit der Durchsetzung des Anspruchs beauftragten Rechtsanwalts kann daher, anders als die Gegendarstellung selbst, wirksam auch von einem bevollmächtigten Vertreter des Betroffenen unterzeichnet werden.5
34b
Eine Verpflichtung des auf die Veröffentlichung einer Gegendarstellung in Anspruch genommenen Unternehmens zur Abgabe einer Erklärung über die Abdruckbereitschaft kennen die einschlägigen Gesetze nicht. Faktisch stellt sich diese Frage nur in den Konstellationen, in denen ein Verlag oder ein Rundfunkveranstalter die Gegendarstellung nach Zuleitung veröffentlicht, der Betroffene aber in Unkenntnis dieses Umstands beim zuständigen Gericht einen in Anbetracht der bereits erfolgten Erfüllung offenbar unbegründeten Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung stellt. Hat der Veröffentlichungspflichtige dadurch, dass er den Betroffenen über die umgehende Veröffentlichung der Gegendarstellung nicht unterrichtet, Anlass zur Einleitung des in dieser Situation ebenso unnützen wie unbegründeten Verfahrens gegeben, so hat er nach § 93 ZPO die Verfahrenskosten zu tragen; war er zur Benachrichtigung des Betroffenen nicht verpflichtet, hat dieser das gerichtliche Verfahren auf eigenes Risiko mit der Folge zu tragen, dass ihn die Kosten treffen. Nach Auffassung der Rechtsprechung trifft in diesen Konstellationen den Verlag oder Rundfunkveranstalter eine im Sinn einer Rechtspflicht verstandene Obliegenheit zur Benachrichtigung des Betroffenen jedenfalls dann, wenn dieser mit dem Abdruckverlangen zu einer solchen Benachrichtigung
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Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 109. A.A. Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 156. LG München I AfP 2006, 573. OLG Schleswig AfP 1982, 45 m. Anm. Soehring; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 158. Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 160.
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Gegendarstellung
Tz. 35 § 29
unter Fristsetzung aufgefordert hat,1 während ohne eine solche Aufforderung eine Benachrichtigungsobliegenheit nicht bestehen soll.2 Im Schrifttum3 wird demgegenüber mehrheitlich die Auffassung vertreten, den Veröffentlichungspflichtigen treffe eine Benachrichtigungsobliegenheit jedenfalls dann, wenn die Gegendarstellung formal veröffentlichungsfähig ist. Rechtlich ist eine solche Verpflichtung jedoch nicht zu begründen. Gesetz und Rechtsprechung kennen auch außerhalb dieses Rechtsgebiets keine Verpflichtung oder Obliegenheit des Schuldners, nicht nur seine Verpflichtung zu erfüllen, sondern den Gläubiger obendrein ausdrücklich darüber zu informieren, dass er bereit ist, dies zu tun; ist das aber so, dann ist nicht erkennbar, aus welchem Grund eine einseitige Aufforderung des Gläubigers zur Abgabe einer solchen Erklärung eine derartige Verpflichtung sollte begründen können. Auch die in diesem Zusammenhang vom Amtsgericht Hamburg4 bemühte Analogie zum Wettbewerbsrecht kommt nicht in Betracht, da es sich bei der Aufklärungspflicht des Abgemahnten im Wettbewerbsrecht5 um die Verpflichtung zur Erklärung über tatsächliche Vorgänge handelt, auf die der Betroffene im Zusammenhang mit der Durchsetzung einer Gegendarstellung nicht angewiesen sein kann, und da eine Aufklärungspflicht über Tatsachen auch im Wettbewerbsrecht denjenigen nicht trifft, der zu Unrecht abgemahnt wird.6
34c
c) Fristen Eine Verpflichtung der Presse zum Abdruck besteht nicht, wenn die Gegendarstellung dem Veröffentlichungspflichtigen nicht unverzüglich zugeleitet wird. Dies erfordert nach der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB Handeln des Betroffenen ohne schuldhaftes Zögern.7 Dabei kommt es für den Beginn der dem Betroffenen zur Verfügung stehenden Frist nicht auf das Datum der erstmaligen Veröffentlichung der Erstmitteilung, sondern auf dasjenige der erstmaligen Kenntnisnahme durch den Betroffenen an.8 Ob derjenige, der bei einem Fortsetzungsbericht vom ersten Teil betroffen ist, mit der Geltendmachung des Gegendarstellungsanspruchs den Abschluss der Serie in der Erwägung abwarten darf, dass er auch in den folgenden Teilen erwähnt werden könnte, ist streitig.9 Man wird das allenfalls in Fällen annehmen können, in denen die Anzahl der infrage kommenden Serienteile bekannt und überschau_______________
1 KG AfP 2006, 476; OLG Düsseldorf NJW 1970, 760; OLG Karlsruhe AfP 1981, 363. 2 KG AfP 2007, 245 = ZUM 2007, 537. 3 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 463 ff.; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 182; Wenzel/ Burkhardt, Kap. 11 Rz. 212; Sedelmeier, AfP 2007, 324 ff. 4 AG Hamburg AfP 1994, 169. 5 BGH NJW-RR 1987, 225. 6 BGH NJW 1995, 715 = WRP 1995, 300. 7 Auf den Begriff des schuldhaften Zögerns stellt nur § 10 Abs. 2 Satz 2 Hess LPG ausdrücklich ab. 8 LG Hamburg AfP 1971, 87; OLG Hamburg AfP 1971, 172; LG Frankfurt/Main AfP 1981, 414; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 130; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 171. 9 Bejahend Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 131; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 159; verneinend OLG Hamburg AfP 1971, 172.
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35
§ 29 Tz. 36
Zivilrechtliche Ansprüche
bar ist und konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass sich auch weitere Folgen mit dem Betroffenen befassen werden. In solchen Fällen kann es auch im Interesse der Medien sein, Entgegnungen des unter Umständen mehrfach genannten Betroffenen gegebenenfalls in einer einheitlichen Gegendarstellung zu veröffentlichen. Ist der Abschluss der Serie hingegen nicht voraussehbar, liegt er in weiter Zukunft oder sind Anhaltspunkte für eine neuerliche Erwähnung des Betroffenen in den folgenden Serienteilen nicht ersichtlich, dann muss der Betroffene nach dem Erscheinen desjenigen Teils handeln, gegen dessen Darstellung er vorgehen will. 36
Ob dem Erfordernis unverzüglicher Zuleitung entsprochen wird, beurteilt die Rechtsprechung1 anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls ohne Anwendung starrer Fristen. Eine zusätzliche Aktualitätsgrenze gibt es neben dem Unverzüglichkeitskriterium nicht.2 Jedoch ist der Gesichtspunkt der Aktualität, der den gesetzlichen Regeln über die Unverzüglichkeit zugrundeliegt,3 bei der Anwendung des Unverzüglichkeitskriteriums im Einzelfall zu berücksichtigen.4 Lediglich in Bayern, dessen Landespressegesetz das Erfordernis der Unverzüglichkeit der Zuleitung der Gegendarstellung nicht kennt, ersetzt die Rechtsprechung dieses Kriterium durch eine Aktualitätsgrenze.5
36a
Die ursprünglich vom Oberlandesgericht Hamburg formulierte Regel, der Betroffene müsse den Anspruch innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme geltend machen, und die Einhaltung dieser Frist wahre zugleich stets das Kriterium der Unverzüglichkeit, wird als solche nicht mehr angewandt. Im Schrifttum6 wird hingegen die Auffassung vertreten, dass eine Gegendarstellung niemals verspätet ist, wenn sie dem Verlag oder dem verantwortlichen Redakteur binnen zwei Wochen nach Erscheinen der beanstandeten Meldung zugeleitet wird, während der Betroffene bei längerem Zuwarten die Gründe darlegen muss. Die in Bayern geltende Aktualitätsgrenze soll bei Veröffentlichungen in Magazinen oder überregionalen Tageszeitungen bei vier bis sechs Wochen liegen,7 bei regionalen oder lokalen Tageszeitungen bei vier Wochen.8 Unter dem Aspekt des Unverzüglichkeitskriteriums geht das Oberlandesgericht Stuttgart9 davon aus, dass bei täglich ausgestrahlten Fernsehsendungen die erwähnte Zweiwochenfrist maßgeblich ist.
36b
Tatsächlich sind derartige Regeln mit dem Gebot des unverzüglichen Handelns nicht zu vereinbaren, wenn sie als mehr verstanden werden denn als abstrakte Interpretationsmaximen. Das Gebot unverzüglichen Handelns ent_______________
1 KG AfP 2009, 61 = ZUM 2009, 228; OLG Hamburg ArchPR 1977, 50; Seitz/Schmidt/ Schoener, Rz. 132; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 159; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 168. 2 OLG Karlsruhe NJW-RR 1992, 1305; OLG Karlsruhe AfP 1994, 318. 3 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 132. 4 OLG Stuttgart AfP 2006, 252 = ZUM 2006, 427; KG AfP 1993, 749. 5 OLG München AfP 2000, 126; OLG München AfP 2001, 137 = NJW-RR 2001, 832. 6 Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 159; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 132; Wenzel/ Burkhardt, Kap. 11 Rz. 159. 7 OLG München AfP 2000, 126. 8 OLG München AfP 2001, 137 = NJW-RR 2001, 832. 9 OLG Stuttgart AfP 2006, 252 = ZUM 2006, 427.
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Gegendarstellung
Tz. 37 § 29
spricht einem Verbot schuldhafter Verzögerung. Unter den konkreten Umständen des Einzelfalls kann daher auch schnelleres Handeln geboten sein.1 Davon ist insbesondere auszugehen, wenn der Betroffene sonstige presserechtliche Ansprüche frühzeitig geltend macht und sich nur mit der Zuleitung der Gegendarstellung mehr Zeit lässt.2 Allerdings sind auch insoweit Konstellationen denkbar, in denen ein zeitlich gestaffeltes Vorgehen gerechtfertigt ist; das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Betroffene wegen Abwesenheit die erforderliche Unterschrift unter eine Gegendarstellung noch nicht leisten kann, aber in der Lage ist, durch einen Bevollmächtigten bereits einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Mit Recht hat jedenfalls das Oberlandesgericht Koblenz3 die Zuleitung einer Gegendarstellung als nicht mehr unverzüglich angesehen, die dem sendepflichtigen Rundfunkveranstalter mehr als eine Woche nach dem Zeitpunkt zugeleitet wurde, zu dem der Betroffene einen zunächst eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung eines Unterlassungsanspruchs zurückgenommen hatte. Und eine schuldhafte Verzögerung bedeutet es auch, wenn ein Betroffener die Gegendarstellung nicht dem abdruckpflichtigen Verlag, sondern dessen Muttergesellschaft zuleitet.4 Das Risiko, wegen der Durchsetzung einer unwahren Gegendarstellung mit Schadenersatzansprüchen überzogen zu werden, rechtfertigt es unter dem Aspekt der Unverzüglichkeit nicht, mit der Zuleitung der Gegendarstellung bis zum Eintritt einer optimalen Beweislage zu warten.5 Gleiches gilt für den Wunsch nach Erzielung einer umfassenden gütlichen Einigung; der Betroffene kann und muss auch in solchen Fällen seinen Anspruch auf Abdruck oder Verlesung der Gegendarstellung zunächst durch deren ordnungsgemäße Zuleitung wahren und dies mit der Erklärung verbinden, dass er die Aufforderung zur Veröffentlichung der Gegendarstellung bis zum Abschluss der Verhandlungen zurückstellt.6 Lässt sich der Betroffene anwaltlich beraten und vertreten, so muss er sich Säumnisse in der zügigen Geltendmachung des Anspruchs, die nicht ihm selbst, wohl aber seinem Anwalt unterlaufen sind, wie eigenes Verschulden zurechnen lassen.7
36c
Zugeleitet werden muss dem Abdruckpflichtigen innerhalb der Unverzüglichkeitsfrist eine im Prinzip abdruckfähige Gegendarstellung.8 Das bedeutet nach einhelliger gerichtlicher Praxis nicht, dass die Gegendarstellung allen inhaltlichen Anforderungen entsprechen muss. Sie muss aber die äußere Form einer Gegendarstellung aufweisen, formal ordnungsgemäß, also insbesondere
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1 KG AfP 2009, 61 = ZUM 2009, 228. 2 KG AfP 2009, 61 = ZUM 2009, 228; OLG Hamburg v. 2.10.1992 – 3 U 151/92, unveröffentlicht. 3 OLG Koblenz NJW-RR 1998, 25. 4 OLG Düsseldorf AfP 2008, 523. 5 OLG Hamburg AfP 1994, 225. 6 Oben Tz. 34. 7 OLG Hamburg ArchPR 1977, 50; OLG Hamburg AfP 1994, 225; Seitz/Schmidt/ Schoener, Rz. 139. 8 OLG Hamburg AfP 1981, 410; OLG Hamburg AfP 1985, 216; LG Frankfurt/Main AfP 2009, 73; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 144; a.A. KG NJW 1970, 2029; KG AfP 1977, 286.
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§ 29 Tz. 38
Zivilrechtliche Ansprüche
durch den Betroffenen oder seinen oder seine gesetzlichen Vertreter eigenhändig unterzeichnet sein und obendrein sowohl in der Wiedergabe der Erstmitteilung als auch in der Entgegnung die tatsächlichen Punkte in vollem Text bezeichnen, die ihren Gegenstand bilden.1 Die Zuleitung einer Gegendarstellung, die diesen Mindestanforderungen nicht gerecht wird und die insbesondere an groben, ohne Weiteres erkennbaren Mängeln leidet,2 führt zu einer schuldhaften Verzögerung im Sinn von § 121 BGB; sie erfolgt damit nicht mehr unverzüglich. 38
Wird dem Abdruckpflichtigen eine in diesem Sinn abdruckfähige Gegendarstellung unverzüglich zugeleitet, entspricht sie jedoch inhaltlich auch nur in einem Punkt nicht den dargestellten Anforderungen, wendet sie sich etwa in einem Punkt gegen eine Meinungsäußerung der Erstmitteilung oder stellt sie einer Tatsachenbehauptung eine Meinungsäußerung des Betroffenen gegenüber, so ist sie insgesamt nicht durchsetzbar, da jede Gegendarstellung einen einheitlichen Streitgegenstand bildet und die Abdruckpflichtigen weder berechtigt noch verpflichtet sind, nach ihrem Ermessen dasjenige aus einer ihnen zugeleiteten Gegendarstellung herauszusuchen, das sie für abdruckpflichtig halten.3
38a
Die Rechtsprechung4 erlaubt jedoch das Nachschieben weiterer Fassungen derselben Gegendarstellung, sofern die Erstfassung abdruckfähig war und der Betroffene in jedem einzelnen Verfahrensschritt unverzüglich handelt. Unverzüglich handelt der Betroffene in diesem Verfahrensstadium nicht, wenn er die Undurchsetzbarkeit der Erstfassung aus einem gerichtlichen Hinweis kennt und sich mit der Zuleitung der Zweitfassung nach Eingang dieses Hinweises einen Monat Zeit lässt;5 schiebt er andererseits eine Zweitfassung so schnell nach, dass über sie in demselben Gerichtstermin verhandelt werden kann wie über die Erstfassung, dann genügt das dem Unverzüglichkeitskriterium ohne Frage.6 Dass im Fall des Nachschiebens einer neuen Fassung der Zeitraum zwischen der Veröffentlichung der beanstandeten Erstmitteilung und der Zuleitung der schließlich abzudruckenden Gegendarstellung als solcher unter dem Aspekt der Unverzüglichkeit zu lang ist, schadet nicht.7
38b
Stets muss es sich der Sache nach aber um dieselbe Gegendarstellung handeln. Dass der Betroffene sie kürzt und insbesondere einzelne Punkte aus_______________
1 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 144. 2 OLG Stuttgart AfP 2006, 252 = ZUM 2006, 427. 3 OLG Hamburg AfP 1979, 405; OLG Hamburg AfP 1981, 408; OLG Hamburg AfP 1984, 155; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 615; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 180; a.A. Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 259, die eine aus mehreren selbständigen Punkten bestehende Gegendarstellung als ein Bündel mehrerer selbständiger Gegendarstellungen auffassen, das vom Betroffenen aufgeschnürt und gegebenenfalls auch mit seinen Einzelteilen durchgesetzt werden könne; zur Änderung der Gegendarstellung im Prozess unten Tz. 45a ff. 4 OLG Hamburg AfP 1984, 155; OLG München AfP 1990, 53; OLG Koblenz NJW-RR 1998, 23; zur Frage der erneuten Zuleitung und eigenhändigen Unterzeichnung derartiger Fassungen unten Tz. 45a ff. 5 OLG Düsseldorf AfP 2001, 327 = ZUM 2002, 63. 6 OLG München AfP 2001, 137 = NJW-RR 2001, 832. 7 OLG Hamburg AfP 1979, 405; OLG Hamburg AfP 1981, 410.
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Gegendarstellung
Tz. 39a § 29
scheidet, die sich als nicht durchsetzungsfähig erweisen, schadet nicht.1 Hingegen ist er nicht berechtigt, den Gegenstand der zunächst geltend gemachten Gegendarstellung durch Aufnahme neuer Punkte inhaltlich zu erweitern. Tut er das, so handelt es sich um eine neue Gegendarstellung, die sich erneut am Unverzüglichkeitskriterium messen lassen muss und die dann regelmäßig als zu spät zugeleitet gilt.2 Nach den Bestimmungen in allen Landespressegesetzen bis auf Bayern und Hessen sowie einer Reihe rundfunkrechtlicher Bestimmungen entfällt der Anspruch, wenn die Gegendarstellung dem Abdruckpflichtigen nicht binnen einer Frist von drei Monaten zugeleitet wird. Hierbei handelt es sich um eine Ausschlussfrist mit absolutem Geltungsanspruch, die im Gegensatz zur Frist für die unverzügliche Zuleitung der Gegendarstellung mit dem erstmaligen Erscheinen der Erstmitteilung beginnt.3 Ihre Anwendung kann der Betroffene auch nicht mit der Begründung verhindern, er habe von der ihn betreffenden Veröffentlichung erst nach Ablauf der Frist Kenntnis erlangt bzw. sei an der früheren Geltendmachung seines Anspruchs gehindert gewesen. Auch steht es der Anwendung der Ausschlussfrist nicht entgegen, dass ein Betroffener in komplizierten Einzelfällen während des gesamten Dreimonatszeitraums um die Zuleitung einer inhaltlich durchsetzbaren Fassung seiner Gegendarstellung bemüht war und dabei in jedem einzelnen Schritt unverzüglich gehandelt hat. Wird dem Verlag oder Rundfunkveranstalter nach Ablauf der Ausschlussfrist noch eine Gegendarstellung zugeleitet, dann ist sie unter keinen Umständen mehr durchsetzbar. Eine andere Auffassung vertreten allerdings die Gerichte, die eine Kürzung einer in einem Punkt undurchsetzbaren Gegendarstellung auch im gerichtlichen Verfahren für zulässig halten;4 nach ihrer Auffassung5 genügt die Zuleitung einer formal abdruckfähigen Gegendarstellung innerhalb der Ausschlussfrist und kann dann auch nach deren Ablauf noch eine gekürzte Fassung gerichtlich durchgesetzt werden.
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In Bayern und Hessen sowie im Anwendungsbereich derjenigen rundfunkrechtlichen Bestimmungen, die eine Ausschlussfrist nicht kennen, tritt an die Stelle der Dreimonatsfrist die so genannte verschuldensunabhängige Aktualitätsgrenze.6 Der insoweit maßgebliche Zeitraum ist wie derjenige für die Unverzüglichkeitsgrenze nicht generell festgelegt. Er liegt nach Auffassung des Oberlandesgerichts München bei einem wöchentlich erscheinenden Objekt bei etwa vier bis sechs Wochen, und bei Tageszeitungen bei vier Wochen.7 Nach Auffassung des Landgerichts München8 ist das Aktualitätsgebot hingegen in Analogie zu Art. 18 Abs. 1 Satz 2 BayMG im Sinn einer
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1 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 730; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 259. 2 OLG Hamburg UFITA 90 (1981), 180. 3 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 148; Löffler/Ricker, Kap. 25 Rz. 26; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 175. 4 Dazu unten Tz. 45a ff. 5 LG Frankfurt/Oder AfP 2000, 388; LG Köln NJW-RR 2006, 846 = ZUM-RD 2006, 43. 6 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 149; BayObLG NJW 1970, 1927. 7 OLG München AfP 1998, 86 = NJW-RR 1998, 26; OLG München AfP 2001, 137 = NJW-RR 2001, 832. 8 LG München I AfP 2006, 80 = NJW-RR 2005, 56.
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§ 29 Tz. 40
Zivilrechtliche Ansprüche
Ausschlussfrist von zwei Monaten auszulegen. Ob im Hinblick auf die Praxis der Münchener Gerichte die im Schrifttum1 vertretene Auffassung noch durchsetzbar ist, die Frist bis zur Erreichung der Aktualitätsgrenze könne unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Erstmitteilung auch beträchtlich länger sein und dann bis zu mehreren Monaten dauern, erscheint zweifelhaft. 40
Die Pflicht zur unverzüglichen Verfolgung des Gegendarstellungsanspruchs betrifft nach dem Wortlaut der einschlägigen Gesetze nur die Zuleitung der Gegendarstellung an den Abdruckpflichtigen, nicht jedoch die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zur Durchsetzung des Anspruchs.2 Das Oberlandesgericht München3 geht demgegenüber für die in Bayern maßgebliche Aktualitätsgrenze davon aus, dass innerhalb der daraus abzuleitenden Frist nicht nur die Gegendarstellung dem Betroffenen zugeleitet, dass vielmehr auch das gegebenenfalls erforderliche gerichtliche Verfahren eingeleitet sein muss. Außerhalb Bayerns aber können sich die Medien der Veröffentlichungspflicht nicht dadurch entziehen, dass sie die Erledigung des Abdruckersuchens dilatorisch behandeln und darauf setzen, dass der Betroffene sich nicht unverzüglich an das zuständige Gericht wendet.
40a
Eine angemessene Beschleunigung auch dieses Verfahrensabschnitts gebieten jedoch die Regeln des anwendbaren Rechts der einstweiligen Verfügung.4 So wird die in diesem Verfahren erforderliche Dringlichkeit in der Regel dann zu verneinen sein, wenn der Betroffene nach Zuleitung der Gegendarstellung sechs Wochen oder mehr abwartet, bevor er das gerichtliche Verfahren einleitet.5 Die zeitweilig vom Oberlandesgericht Karlsruhe6 vertretene Auffassung, die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs auf Abdruck einer dem Verleger unverzüglich zugeleiteten Gegendarstellung sei jedenfalls bei einem Monatsmagazin auch vier Monate später noch statthaft, ist mit den Prinzipien des Verfahrens der einstweiligen Verfügung nicht zu vereinbaren und wurde auch von diesem Gericht7 in einem Fall nicht aufrechterhalten, in dem zwischen der Zuleitung der Gegendarstellung und der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zwei Monate verstrichen waren. Derartige Fälle extrem säumigen Verhaltens sind unabhängig vom zivilprozessualen Gesichtspunkt mangelnder Dringlichkeit bereits materiellrechtlich unter dem Gesichtspunkt des Verbots rechtsmissbräuchlichen Verhaltens zu werten;8 sie führen damit zur Verwirkung des Gegendarstellungsanspruchs.9 Das kann auch dann gelten, wenn der Betroffene dem Verlag eine nicht abdruckfähige Gegendarstellung ohne Setzung einer Frist für Abdruck oder Rückäußerung zuleitet, danach _______________
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Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 150 m.w.N. OLG Hamburg ArchPR 1977, 50; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 225. OLG München AfP 2001, 126 = ZUM-RD 2000, 428. Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 596 ff. Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 597 m.w.N. OLG Karlsruhe NJW-RR 1992, 1305. OLG Karlsruhe AfP 1999, 356 = NJW-RR 1999, 387. OLG Hamburg AfP 1980, 210; OLG Hamburg AfP 1987, 434. OLG Karlsruhe AfP 1999, 356 = NJW-RR 1999, 387; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 226; Soehring, NJW 1994, 16, 22.
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Gegendarstellung
Tz. 41a § 29
eine Weile untätig bleibt und dem Verlag erst nach längerer Zeit eine neue, nunmehr abdruckfähige Zweitfassung zuleitet.1 4. Durchsetzung des Anspruchs a) Verfahrensart Nach den Bestimmungen aller Landespressegesetze mit Ausnahme Bayerns kann die Gegendarstellung im Verfahren der einstweiligen Verfügung vor den Zivilgerichten durchgesetzt werden. Auch für Bayern gilt aber im Ergebnis nichts Anderes, da hier die Rechtsprechung2 die Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs im Verfügungsverfahren in ständiger Praxis zulässt. Diese Regelung ermöglicht die Durchsetzung des Anspruchs in einem beschleunigten Verfahren von hoher Effektivität. Die Gerichte entscheiden meist ohne mündliche Verhandlung im Beschlussweg; sofern sie nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, wird diese in der Regel sehr kurzfristig anberaumt werden. Die erstinstanzliche gerichtliche Entscheidung ist bereits mit Erlass des die Veröffentlichung anordnenden Beschlusses oder Urteils sofort vollziehbar. Für die Vollziehung durch den Antragsteller genügt die Zustellung durch den Betroffenen, ohne dass ein Erzwingungsantrag gemäß § 888 ZPO erforderlich wäre.3
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Rechtsbehelfe der Abdruckpflichtigen hemmen die Vollziehung gerichtlicher Abdruck- oder Ausstrahlungsanordnungen nur, soweit die Gerichte auf Antrag gemäß §§ 924 Abs. 3, 707 ZPO von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung über die Rechtsbehelfe einzustellen. Die Voraussetzungen hierfür liegen nach der Praxis einiger Oberlandesgerichte4 nur vor, wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts bereits aufgrund des Akteninhalts der ersten Instanz fest steht, dass die erstinstanzliche Anordnung der Veröffentlichung unrichtig ist. Richtiger Ansicht nach kommt es gemäß §§ 936, 924 Abs. 3, 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO darauf an, ob dem zur Veröffentlichung der Gegendarstellung Verpflichteten durch die sofortige Vollziehung der erstinstanzlichen Anordnung ein nicht zu ersetzender Nachteil entsteht. Das ist wegen der Unwiderruflichkeit der einmal erfolgten Veröffentlichung aber auch dann der Fall, wenn nur ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erstinstanzlichen Anordnung bestehen. Denn die einmal erfolgte Veröffentlichung kann nach Aufhebung der Entscheidung, die sie angeordnet hat, nicht rückgängig gemacht werden, was einen nicht reversiblen Nachteil für die veröffentlichungspflichtigen Medien darstellt. Das Bundesverfassungsgericht5 lehnt es allerdings bereits dann ab, gegen die Vollziehung einer Anordnung zum Abdruck einer Gegendarstellung eine einstweilige Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG zu erlassen, wenn der Ausgang des Verfahrens aus seiner Sicht offen ist; die im Rahmen von § 32 BVerfGG erforder-
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OLG Hamburg AfP 1985, 216. OLG München AfP 1973, 483; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 571 m.w.N. OLG München AfP 2002, 528 = ZUM-RD 2003, 93; OLG München AfP 2007, 53. OLG Karlsruhe AfP 1999, 506; KG AfP 2006, 255 = ZUM 2006, 565; OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 190. 5 BVerfG AfP 2000, 456 = NJW-RR 2000, 1713 = ZUM 2000, 946.
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§ 29 Tz. 42
Zivilrechtliche Ansprüche
liche Rechtsfolgenabwägung mache es erforderlich, bei offenem Verfahrensausgang dem Interesse des Betroffenen am Abdruck ein größeres Gewicht beizulegen als demjenigen des Verpflichteten, nicht zur Veröffentlichung der Gegendarstellung gezwungen zu werden, auf die der Betroffene nach dem noch offenen Ausgang des Berufungsverfahrens keinen Anspruch haben könnte. 42
Für den Gegendarstellungsanspruch ist – abweichend von den normalen Regeln des Zivilprozesses – die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens durch die Bestimmungen der Landespressegesetze1 bzw., wo ausdrückliche Regelungen fehlen, durch die Rechtsprechung2 ausgeschlossen. Daher enden Instanzenzug und Verfahren stets bei den Oberlandesgerichten. Für die Fortentwicklung des Rechts der Gegendarstellung fehlt dem Bundesgerichtshof seit dem Inkrafttreten der Landespressegesetze die Rechtsprechungskompetenz. Der Ausschluss des Hauptsacheverfahrens führt auch dazu, dass der Gegendarstellungsanspruch stets in einem gesonderten Verfahren geltend gemacht werden muss und nicht mit anderen zivilrechtlichen Ansprüchen des Betroffenen in einem gerichtlichen Verfahren gekoppelt werden kann.3 Einige Landespressegesetze4 schließen die Geltendmachung des Anspruchs auch im Wege der Klage nicht ausdrücklich aus. Die Praxis interpretiert aber auch diese Gesetze dahin gehend, dass für die Geltendmachung des Anspruchs ausschließlich das Verfahren über den Erlass einstweiliger Verfügungen entsprechend anwendbar ist. Faktisch jedenfalls machen die Betroffenen auch in diesen Ländern schon wegen ihres offensichtlichen Beschleunigungsinteresses nur von der Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung Gebrauch. Für Hessen hat das Oberlandesgericht Frankfurt5 obendrein mit Recht entschieden, dass ein Hauptsachverfahren nicht mehr zulässig ist, wenn im Verfahren der einstweiligen Verfügung ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.
43
Für die Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs sind in erster Instanz, abhängig vom Streitwert des Anspruchs, sachlich die Amts- oder Landgerichte zuständig. Die bis 1993 geltende Spezialzuständigkeit der Landgerichte für nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten, aufgrund deren Gegendarstellungssachen stets vor den Landgerichten zu verhandeln waren, ist entfallen.6 Da die Streitwerte in aller Regel oberhalb eines Betrags von 5.000 Euro und meistens in der Größenordnung zwischen 10.000 und 40.000 Euro liegen werden,7 werden Gegendarstellungsstreitigkeiten in der Praxis wohl ausnahmslos vor den Landgerichten ausgetragen. _______________
1 Baden-Württemberg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen § 11 Abs. 4 Satz 5; Berlin und Sachsen § 10 Abs. 4 Satz 5; Brandenburg § 12 Abs. 4 Satz 5; Rheinland-Pfalz § 11 Abs. 4 Satz 4; Saarland § 10 Abs. 4 Satz 4; SachsenAnhalt und Schleswig-Holstein § 11 Abs. 4 Satz 2. 2 OLG Hamburg MDR 1972, 333; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2002, 1474. 3 Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 189. 4 Bayern, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. 5 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2002, 1474. 6 Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege v. 11.1.1993, BGBl. I 1993, 50. 7 Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 236.
650
Gegendarstellung
Tz. 45a § 29
b) Örtliche Zuständigkeit Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Sitz des in Anspruch genommenen Verlags, Rundfunkveranstalters oder Telemedienanbieters; soweit der Betroffene den Verantwortlichen Redakteur in Anspruch nehmen kann und von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, ist der Anspruch beim Gericht seines Wohnsitzes geltend zu machen.1 Hat ein Verlagsunternehmen ausnahmsweise zwei Registersitze, sind die Gerichte an beiden Sitzorten nach Wahl des Betroffenen zuständig.2 Bei privaten Rundfunkveranstaltern ist das Gericht am Sitz des Unternehmens selbst dann zuständig, wenn sie durch eine Landesmedienanstalt in einem anderen Bundesland lizensiert sind.3
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Hingegen findet der so genannte fliegende Gerichtsstand der Presse, der es dem Betroffenen erlaubt, alle anderen zivilrechtlichen Ansprüche aus Medienveröffentlichungen bei jedem inländischen Gericht geltend zu machen, in dessen Bezirk die fragliche Zeitung oder Zeitschrift bestimmungsgemäß verbreitet oder das betreffende Rundfunkprogramm ausgestrahlt wird,4 auf das Verfahren zur Durchsetzung von Gegendarstellungsansprüchen keine Anwendung.5
44a
Nicht völlig geklärt ist die Frage, ob neben dem Gericht am Sitz des Verlags und dem Wohnsitz des Verantwortlichen Redakteurs, sofern er anstelle des Verlages in Anspruch genommen wird, auch das Gericht der örtlichen Redaktionsvertretung eines Verlags oder des Regionalstudios eines Rundfunkveranstalters zuständig ist. Für Gegendarstellungen zu Meldungen, die ausschließlich in einer von der betreffenden Lokalredaktion betreuten Regionalausgabe erschienen sind und die daher nach dem Prinzip der Waffengleichheit ihrerseits nur in derselben Regionalausgabe zu veröffentlichen sind, kann dieser spezielle Gerichtsstand nach richtiger Ansicht6 in Anspruch genommen werden. Hingegen ist die Zuständigkeit der Gerichte am Sitz der Lokalredaktion bzw. der Regionalstudios für Gegendarstellungen zu Meldungen aus dem überregionalen Teil der jeweiligen Publikation bzw. des jeweiligen Programms nicht zu begründen.7 Von der Frage der örtlichen Zuständigkeit zu unterscheiden ist stets diejenige des im Einzelfall anwendbaren Rechts.8
45
c) Änderung der Gegendarstellung im Prozess Nicht zuletzt im Hinblick auf die beträchtlichen Schwierigkeiten, die sich auch für den erfahrenen Medienrechtspraktiker im Einzelfall bei dem Versuch _______________
1 2 3 4 5
BayObLG NJW 1958, 1825; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1986, 606. LG Berlin AfP 2004, 148. OLG München AfP 1998, 89 = ZUM 1998, 166. Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, § 32 ZPO. Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 192; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 515; Wenzel/ Burkhardt, Kap. 11 Rz. 231; Soehring, AfP 1978, 81. 6 OLG Naumburg NJW-RR 2000, 475; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 514; Wenzel/ Burkhardt, Kap. 11 Rz. 234; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 192; Löffler/Ricker, Kap. 28 Rz. 5. 7 LG Stuttgart AfP 2002, 340; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 192; a.A. aus Gründen der Praktikabilität Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 514. 8 Dazu oben Tz. 5 f.
651
45a
§ 29 Tz. 45b
Zivilrechtliche Ansprüche
ergeben, eine den Anforderungen der Rechtsprechung in allen Einzelheiten gerecht werdende Gegendarstellung zu formulieren, nimmt in der Praxis der Gerichte und im einschlägigen Schrifttum die Frage breiten Raum ein, ob und in welchem Umfang es statthaft ist, eine dem Abdruckpflichtigen ordnungsgemäß zugeleitete Gegendarstellung, die sich in den Augen des zuständigen Gerichts als nicht durchsetzungsfähig erweist, im gerichtlichen Verfahren der Rechtsauffassung des Gerichts so anzupassen, dass sie danach die Billigung des Gerichts erfährt. Dabei wird es in der Regel entweder darum gehen, dass das zuständige Gericht einzelne Punkte der Erstmitteilung, gegen die sich die Gegendarstellung wendet, für überhaupt nicht gegendarstellungsfähig hält, weil etwa nach seiner Auffassung eine Meinungsäußerung angegriffen wird – in diesen Fällen kommt nur die Streichung des betreffenden Punkts bei Weiterverfolgung der Gegendarstellung im Übrigen in Betracht –, oder dass es eine Formulierung zu einem im Prinzip gegendarstellungsfähigen Punkt für korrekturbedürftig hält, weil etwa nach seiner Auffassung die Wiedergabe der Erstmitteilung nicht sachgerecht ist.1 Die dadurch umschriebene Streitfrage hatte nur das Saarland zeitweilig dadurch gelöst, dass es durch die Novelle des dortigen Landespressegesetzes im Jahr 1994 unter Anderem die Änderung der Gegendarstellung im Prozess ohne erneute Zuleitung und ohne Unterzeichnung durch den Betroffenen ausdrücklich zuließ.2 Im Geltungsbereich aller anderen einschlägigen Gesetze ist das Problem durch die Gesetzgeber nicht geregelt worden, und im Saarland ist die erwähnte Sonderregelung nach Inkrafttreten des Saarländischen Mediengesetzes vom 27. Februar 2002 wieder entfallen. 45b
Angesprochen sind durch diese Problematik im Wesentlichen die Rechtsprobleme der eigenhändigen Unterzeichnung3 sowie der Zuleitung4 der gegebenenfalls geänderten Fassung der Gegendarstellung. Ausgehend davon, dass es sich bei einer Gegendarstellung um die höchstpersönliche Erklärung des Betroffenen und zudem um einen einheitlichen Streitgegenstand handelt, verlangen das Oberlandesgericht Hamburg und eine Reihe weiterer Gerichte5 in ständiger Rechtsprechung jedenfalls im Prinzip die eigenhändige Unterzeichnung durch den Betroffenen oder seinen gesetzlichen Vertreter und die erneute Zu_______________
1 Vgl. hierzu die eingehende Darstellung bei Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 689 ff.; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 207 ff. 2 Saarländisches Pressegesetz § 11 Abs. 4 Satz 6 in der Fassung vom 11. Mai 1994 sowie Rundfunkgesetz für das Saarland § 7 Abs. 4 Satz 6; dazu Pöppelmann, AfP 1994, 100. 3 Oben Tz. 27 ff. 4 Oben Tz. 33. 5 OLG Hamburg AfP 1978, 158; OLG Hamburg AfP 1979, 405; OLG Hamburg AfP 1984, 155; OLG München NJW 1988, 349; OLG München AfP 1998, 523 = NJW-RR 1998, 1632; OLG München AfP 1998, 89 = ZUM 1998, 166; OLG Karlsruhe AfP 1994, 317; OLG Karlsruhe AfP 1999, 74; OLG Karlsruhe AfP 2003, 439 = NJW-RR 2003, 109 = ZUM 2003, 314; OLG Köln NJW-RR 1990, 1119; OLG Düsseldorf AfP 1972, 281; OLG Koblenz NJW-RR 1998, 23; LG Berlin AfP 2008, 532; LG Baden-Baden AfP 1998, 91; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 215 f.; zustimmend hinsichtlich des Streitgegenstands und damit im Prinzip Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 698; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 262; a.A. aus Gründen der Opportunität Prinz/Peters, Rz. 618 f.
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Gegendarstellung
Tz. 45c § 29
leitung an den Verlag oder Verantwortlichen Redakteur hinsichtlich jeder Neufassung einer Gegendarstellung, unabhängig davon, ob die Änderung innerhalb oder außerhalb des gerichtlichen Verfahrens erfolgt. Nach dieser Rechtsprechung gilt insoweit das Alles-oder-nichts-Prinzip. Konsequenz dieser Auffassung ist es, dass ein Antrag auf Verurteilung der Medien zur Veröffentlichung einer mehrgliedrigen Gegendarstellung schon dann zurückzuweisen und der Anspruch auf Veröffentlichung der unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts geänderten oder gekürzten Gegendarstellung erneut außergerichtlich durch Zuleitung der geänderten Fassung geltend zu machen ist, wenn die Gegendarstellung auch nur in einem Punkt nicht den Anforderungen des Gerichts entspricht. Im Hinblick auf die damit verbundene Erschwernis in der Durchsetzung des Anspruchs und ersichtlich von Praktikabilitätserwägungen geprägt, gestattet eine Reihe von Gerichten1 systemwidrig die Änderung im Prozess ohne erneute Zuleitung an den Verlag oder verantwortlichen Redakteur. Die Oberlandesgerichte München,2 Celle3 und Karlsruhe,4 die im Ansatz der Praxis des Oberlandesgerichts Hamburg folgen, halten in ihrer jüngeren Rechtsprechung die Streichung einzelner selbständiger Punkte der Gegendarstellung, durch die der Aussagegehalt der übrigen Punkte nicht verändert wird, durch das Gericht dann für zulässig, wenn der Betroffene das im Verfahren – regelmäßig im Hinblick auf Bedenken des Gerichts – beantragt oder das Gericht jedenfalls dazu ermächtigt.5 Derartige Streichungen führen nach Auffassung dieser Gerichte6 zu einer Teilabweisung des Antrags mit Kostenfolgen für den Betroffenen. Dabei soll eine in erster Instanz erteilte Ermächtigung des Gerichts zur Streichung einer Passage der Gegendarstellung auch für die Berufungsinstanz gelten,7 während sie für eine dort etwa anhängig werdende Zweitfassung der Gegendarstellung nicht gelten soll.8
_______________
1 OLG Frankfurt/Main AfP 2008, 628; OLG Frankfurt/Main AfP 1980, 225; KG AfP 2006, 255 = ZUM 2006, 565; KG NJW 1970, 2029; KG AfP 1977, 286; OLG Köln AfP 1985, 227 = NJW-RR 1986, 418. 2 OLG München AfP 1998, 515 = NJW-RR 1999, 386 = ZUM 1998, 846; OLG München AfP 1998, 523 = NJW-RR 1998, 1632; OLG München AfP 2000, 172; zustimmend Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 708 ff.; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 220, soweit durch die Streichung einzelner Punkte ein minus, nicht aber ein aliud entsteht. 3 OLG Celle NJW-RR 1995, 794. 4 OLG Karlsruhe AfP 2003, 439 = NJW-RR 2003, 109 = ZUM 2003, 314; OLG Karlsruhe AfP 2009, 267. 5 OLG München AfP 2001, 132 = ZUM-RD 2001, 163; OLG München AfP 2003, 70 = NJW-RR 2002, 1048 = ZUM 2002, 360. 6 OLG München AfP 1998, 515 = NJW-RR 1999, 386 = ZUM 1998, 846; OLG München AfP 1998, 523 = NJW-RR 1998, 1632; OLG München AfP 2000, 172; OLG Celle NJWRR 1995, 794; OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 326; zu den kostenrechtlichen Problemen, die jede Zulassung einer Änderungspraxis mit sich bringt, vgl. Seitz/Schmidt/ Schoener, Rz. 745. 7 OLG München AfP 2003, 70 = NJW-RR 2002, 1048 = ZUM 2002, 360. 8 OLG München AfP 2001, 132 = ZUM-RD 2001, 163.
653
45c
§ 29 Tz. 45d
Zivilrechtliche Ansprüche
45d
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt1 schließlich ist sogar das Gericht selbst befugt, die von ihm als sachdienlich angesehenen Änderungen der Gegendarstellung vorzunehmen. Diese Auffassung verlässt nicht nur die eingeführte und dogmatisch richtige Streitgegenstandslehre. Sie berücksichtigt vor allem nicht den höchstpersönlichen Charakter des Gegendarstellungsanspruchs und den daraus abzuleitenden Grundsatz, dass auch der abdruckpflichtige Verlag oder der zur Ausstrahlung verpflichtete Rundfunkveranstalter nicht berechtigt ist, das nach seiner Auffassung Abdruckfähige auszusondern und nach eigenem Ermessen zu veröffentlichen.2 Mit Recht hält daher das Oberlandesgericht Karlsruhe3 die Ausscheidung eines einzelnen Punkts aus einer mehrgliedrigen Gegendarstellung im gerichtlichen Verfahren jedenfalls dann für unzulässig, wenn sie nicht von dem Betroffenen persönlich, sondern von seinem Prozessbevollmächtigten vorgenommen wird.
45e
Richtiger Auffassung nach ist eine Änderung im Prozess nur zulässig zur Korrektur offenbarer formaler Unrichtigkeiten wie etwa grammatikalischer, orthografischer oder offenkundiger Fehler wie der Verwechselung einer Jahreszahl in der Wiedergabe der Erstmitteilung. Derartige Korrekturen können vom Gericht selbst, mithin auch ohne Mitwirkung des Betroffenen vorgenommen werden.4 Ansonsten schafft trotz ihrer Nachteile nur die dargestellte Lehre vom einheitlichen Streitgegenstand und der Notwendigkeit der Einhaltung des für die Geltendmachung des Gegendarstellungsanspruchs allgemein geltenden Verfahrens einen gerechten Ausgleich zwischen den berechtigten Belangen der Beteiligten. Die Nachteile, die für den Betroffenen mit der Notwendigkeit der erneuten Unterzeichnung und Zuleitung der geänderten Gegendarstellung fraglos verbunden sind, lassen sich durch die Möglichkeit, eine formal korrekt entstandene und zugeleitete Zweitfassung im Wege eines Hilfsantrags in ein laufendes gerichtliches Verfahren einzuführen,5 im Wesentlichen kompensieren. Allerdings sollten Hilfsfassungen der Gegendarstellung unter Berücksichtigung etwaiger erkennbarer Bedenken des Gerichts oder auch von Einwendungen des Veröffentlichungspflichtigen nach Möglichkeit bereits in erster Instanz in das Verfahren eingeführt werden, weil der Betroffene nur so das Risiko vermeidet, dass eine erst in der Berufungsinstanz eingeführte Hilfsfassung dadurch gegenstandslos wird, dass das Berufungsgericht von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Berufung des Betroffenen gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurück zu weisen.6 _______________
1 OLG Frankfurt/Main NJW 1971, 471; OLG Frankfurt/Main AfP 1979, 359; OLG Frankfurt/Main AfP 1982, 179; OLG Frankfurt/Main AfP 1983, 279; differenzierend jetzt OLG Frankfurt/Main AfP 2008, 628: Änderungsbefugnis im Fall der Ermächtigung des Gerichts durch den Betroffenen. 2 Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 213 ff.; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 734 ff. 3 OLG Karlsruhe NJW-RR 2000, 323. 4 OLG Hamburg NJW-RR 1995, 1053; OLG München AfP 1999, 484. 5 Die Zulässigkeit der Einführung von Hilfsfassungen im Wege von Hilfsanträgen in das laufende Verfahren ist allgemein anerkannt; vgl. nur KG AfP 2007, 52 = NJW 2006, 3505 = ZUM-RD 2006, 435; OLG Koblenz NJW-RR 1998, 23; Seitz/Schmidt/ Schoener, Rz. 732 f. 6 KG AfP 2007, 52 = NJW 2006, 3505 = ZUM-RD 2006.
654
Gegendarstellung
Tz. 45h § 29
Der Grundsatz, dass es sich bei der Gegendarstellung um eine höchstpersönliche Erklärung des Betroffenen handelt, die aus den erwähnten Gründen in aller Regel weder vom Abdruckpflichtigen noch im gerichtlichen Verfahren vom Gericht geändert oder gekürzt werden darf, gilt nur für den Inhalt der Gegendarstellung, nicht hingegen für die Abdruckmodalitäten. Diese Modalitäten können vielmehr im gerichtlichen Verfahren durch das Gericht auf Antrag des Betroffenen, aber auf der Basis von § 938 Abs. 1 ZPO auch von Amts wegen jederzeit geändert oder ergänzt werden, ohne dass es der erneuten Formulierung, Unterzeichnung und Zuleitung der Gegendarstellung durch den Betroffenen bedarf.1
45f
Aus der Möglichkeit und nicht selten der Notwendigkeit, eine Gegendarstellung mehrfach zu formulieren und folglich die Veröffentlichung mehrerer Versionen zu verlangen, können sich dann Komplikationen ergeben, wenn ein Betroffener seinen primären Anspruch im gerichtlichen Verfahren erster Instanz nicht durchsetzen kann und einerseits vom Abdruckpflichtigen die Veröffentlichung einer in der Regel nach den Hinweisen des Gerichts modifizierten Gegendarstellung verlangt, andererseits aber versucht, sein ursprüngliches Begehren im Berufungsverfahren durchzusetzen. Aus der Streitgegenstandslehre2 folgt in solchen Fällen, dass der Abdruckpflichtige dem zweiten Anspruch nicht die Einrede der Rechtshängigkeit des ersten entgegenhalten kann; beide Versionen der Gegendarstellung bilden ja unterschiedliche Streitgegenstände. Der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg,3 der Betroffene dürfe in einer solchen Situation beide Versionen der Gegendarstellung nebeneinander gerichtlich durchsetzen, und die Frage, welche Fassung schließlich zu veröffentlichen ist, müsse im Vollstreckungsverfahren geklärt werden, kann jedoch nicht gefolgt werden. Sie ist im rechtlichen Ansatz und in der praktischen Konsequenz verfehlt. Denn die Zweitversion kann unter Umständen schnell und problemlos durchsetzbar und ein Erzwingungsverfahren gemäß § 888 ZPO bereits anhängig sein, während der Streit über die Erstfassung der Gegendarstellung noch beim Berufungsgericht anhängig ist.
45g
Richtiger Ansicht ist daher eine solche Konstellation über das berechtigte Interesse zu lösen: Wer mit Hilfe des Gerichts noch eine Basisfassung seiner Gegendarstellung durchzusetzen versucht, der hat kein berechtigtes Interesse an der Erzwingung einer anderen Version, solange er nicht beide Fassungen eindeutig als Haupt- und Hilfsfassung mit der Folge bezeichnet, dass das Gericht in einer einheitlichen Entscheidung über beide zu befinden hat. Erkennt ein erstinstanzliches Gericht dem Betroffenen nur die Hilfsfassung zu und will er die Hauptfassung im Berufungsverfahren weiter verfolgen, so kann er das berechtigte Interesse an deren späterer Veröffentlichung nur wahren, wenn er für die Dauer des Berufungsverfahrens auf die Durchsetzung der Hilfsfassung verzichtet.
45h
_______________
1 KG AfP 2007, 231; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 709 m. Nachw. 2 Oben Tz. 45b. 3 OLG Hamburg AfP 1993, 591.
655
§ 29 Tz. 46
Zivilrechtliche Ansprüche
d) Rechtswidrige Anspruchsdurchsetzung 46
Wird aufgrund einer erstinstanzlichen Entscheidung der Abdruck der Gegendarstellung erzwungen und diese Entscheidung später auf Grund eines Rechtsbehelfs des Verlags aufgehoben, dann haftet der Betroffene dem Verlag nach der allgemeinen prozessualen Vorschrift des § 945 ZPO auf Ersatz des aus der Erzwingung des Abdrucks entstandenen Schadens.1 Das wird allerdings nur dann zu einer spürbaren finanziellen Belastung des Betroffenen führen, wenn einem Verlag der Nachweis möglich ist, dass er den für den Abdruck der Gegendarstellung benötigten Raum anderenfalls für den Abdruck von Anzeigen hätte verwenden können und dass ihm durch den Verzicht auf diese Anzeigen finanzielle Verluste entstanden sind. Derartige Konstellationen kommen in der Praxis kaum vor. Und im Fall der Ausstrahlung einer Gegendarstellung durch den Rundfunk sind durch deren Verlesung entstehende Schäden ausgeschlossen, weil sie stets zu Lasten der redaktionellen Zeiten und nicht zu Lasten der Werbeblöcke erfolgen muss; Anderes kann allenfalls für die in der Praxis kaum nachweisbaren Kosten der technischen Umsetzung der Ausstrahlung gelten. e) Kosten
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Die Gegendarstellung selbst ist in der Regel kostenfrei zu veröffentlichen. Anderes gilt nur insoweit, als einzelne Landespressegesetze die Kostenfreiheit des Abdrucks nur für den Fall anordnen, dass die Gegendarstellung einen angemessenen Umfang nicht überschreitet,2 sowie für Gegendarstellungen, die den Anzeigenteil betreffen, sofern die Medien nach den für sie maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zur Veröffentlichung derartiger Gegendarstellungen überhaupt verpflichtet sind.3
48
Zur Erstattung von Anwaltskosten des Betroffenen sind die Medien nicht ohne Weiteres verpflichtet. Auch unter dem Gesichtspunkt des Verzugs kann die Erstattung der Kosten der erstmaligen Formulierung und Geltendmachung einer ordnungsgemäßen Gegendarstellung nicht verlangt werden, da sich die Medien vor der Zuleitung einer abdruckfähigen Gegendarstellung mit ihrer Pflicht zur Veröffentlichung nicht in Verzug befinden.4 Stellt allerdings die Erstmitteilung ihrerseits eine unerlaubte Handlung wie etwa eine üble Nachrede gemäß § 186 StGB zu Lasten des Betroffenen dar, dann handelt es sich bei der Geltendmachung des Gegendarstellungsanspruchs nicht nur um die Ausübung eines gesetzlichen Rechts, sondern zugleich auch um eine Maßnahme der Schadensminderung.5 Die dem Betroffenen entstehenden Anwaltskosten müssen in diesem Fall vom Verlag oder dem Rundfunkveranstalter in der Höhe erstattet werden, wie sie sich aus den anwendbaren gebührenrechtlichen Bestimmungen ergeben.6 Wird der Anspruch gerichtlich geltend gemacht, so _______________
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BGH AfP 1974, 571 = NJW 1974, 642. Oben Tz. 25. Einzelheiten bei Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 285 ff. Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 488. BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama. LG Hamburg AfP 1990, 332; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 211.
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Gegendarstellung
Tz. 50 § 29
ergibt sich die Kostenerstattungspflicht der unterliegenden Partei aus den allgemeinen Regeln der §§ 91 ff. ZPO. Verlangt allerdings ein Betroffener außergerichtlich die Veröffentlichung einer Gegendarstellung, die inhaltlich nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht und auf deren Veröffentlichung er folglich keinen Anspruch hat, dann steht ihm insoweit auch kein Kostenerstattungsanspruch zu; die Verfolgung eines unbegründeten Anspruchs kann nicht als sachdienliche Maßnahme der Schadensminderung angesehen werden, so dass es für einen Kostenerstattungsanspruch auch keine Rechtsgrundlage gibt.1 Macht der Betroffene neben dem Anspruch auf Abdruck der Gegendarstellung wegen derselben Veröffentlichung gleichzeitig weitere Ansprüche wie etwa Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche geltend, so sind die Anwaltskosten für die vorprozessuale Geltendmachung nicht für jeden dieser Ansprüche getrennt, sondern nach dem zusammengerechneten Streitwert aller geltend gemachten Ansprüche einheitlich zu berechnen.2 Wegen der Besonderheit des für die Durchsetzung der Gegendarstellung vorgeschriebenen Verfahrens müssen dem erfolgreichen Betroffenen die Kosten der gerichtlichen Durchsetzung aber auch dann separat erstattet werden, wenn er etwaige weitere Ansprüche in getrennten Verfahren geltend macht.
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5. Erfüllung des Anspruchs a) Nächstfolgende Ausgabe Die Gegendarstellung ist nach dem Wortlaut aller Landespressegesetze mit Ausnahme Bayerns, das unverzüglichen Abdruck verlangt, in der nächsten nach Zuleitung für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der betreffenden Zeitung oder Zeitschrift zu veröffentlichen. Im Fall gerichtlicher Geltendmachung tritt an die Stelle der Zuleitung die Zustellung des den Abdruck anordnenden vollstreckbaren Beschlusses oder Urteils. Ist die Erstmitteilung in einer nur unregelmäßig oder nur in großen zeitlichen Abständen verbreiteten Teilausgabe einer Zeitschrift erschienen, so kann der Betroffene allerdings vom Verlag nicht darauf verwiesen werden, die nächste derartige Teilausgabe abzuwarten. Er kann dann vielmehr die Veröffentlichung in der Hauptausgabe verlangen,3 muss aber auch berechtigt sein, den Abdruck erst in der nächsten entsprechenden Teilausgabe zu fordern, wenn er sich davon eine größere Aufmerksamkeit gerade der Leserschaft verspricht, die vermutlich die Erstmitteilung zur Kenntnis genommen hat. Aus derselben Erwägung kann derjenige, der von einer Meldung in der Wochenendausgabe einer Zeitung betroffen ist, den Abdruck der Gegendarstellung ebenfalls in der Wochenendausgabe verlangen,4 während grundsätzlich kein Anspruch darauf besteht, _______________
1 Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz, 211; a.A. LG Berlin NJW-RR 1998, 316 = ZUM-RD 1998, 341. 2 BGH AfP 1990, 202 = NJW-RR 1990, 1184 = GRUR 1990, 1012 – Pressehaftung I; a.A. LG Hamburg AfP 1990, 332, das die getrennte Abrechnung der einzelnen Ansprüche für zulässig hält. 3 OLG Hamburg NJW-RR 1991, 97. 4 OLG München AfP 1992, 158; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 187.
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§ 29 Tz. 51
Zivilrechtliche Ansprüche
dass eine Gegendarstellung an einem bestimmten Wochentag veröffentlicht wird.1 51
Maßgeblich ist die Ausgabe, die zum Zeitpunkt der Zuleitung für den Druck noch nicht abgeschlossen ist. Wann dies der Fall ist, ist in der Rechtsprechung nicht im Einzelnen geklärt. Das Schrifttum2 stellt für Zeitungen auf den Abschluss des Umbruchs, für Zeitschriften auf die Fertigstellung des Layouts ab. Da die Landespressegesetze nicht den Andruck, sondern den Zeitpunkt als maßgeblich erklären, zu dem die Zeitung oder Zeitschrift für den Druck abgeschlossen wird, ist das zutreffend. Sinn der zeitlichen Zäsur ist es, die einzelnen Ausgaben zwar einerseits für die Aufnahme von Gegendarstellungen möglichst lange offenzuhalten, andererseits aber den in der Regel hochkomplizierten, zeitlich genau geplanten und außerordentlich kostenaufwändigen technischen Herstellungsprozess nicht dadurch aufzuhalten oder zu gefährden, dass er wegen der Notwendigkeit der Aufnahme einer Gegendarstellung unterbrochen oder gar teilweise wiederholt werden muss. Dieser Zeitpunkt ist mit dem Abschluss des Umbruchs bzw. der Fertigstellung des Layout zutreffend definiert.
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Wird in mehreren Teilen produziert, dann kommt es auf die Fertigstellung desjenigen Teils an, in dem die Gegendarstellung zu veröffentlichen ist.3 Das kann insbesondere bei Zeitschriften mit teilweise langfristiger Vorproduktion nicht aktueller Teile zu beachtlichen Verzögerungen führen. Dennoch ist ein generelles Recht des Betroffenen, in solchen Fällen unter Verzicht auf den Abdruck in demselben Teil, in dem die Erstmitteilung erschienen ist, den Abdruck in dem zuletzt abgeschlossenen aktuellen Teil zu verlangen, nicht anzuerkennen. Anderes gilt nur für den Fall, dass die betreffende Rubrik in der nächsterreichbaren Ausgabe überhaupt nicht vorgesehen ist.4 Da die Pflicht zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen auch einen Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit darstellt,5 handelt es sich bei der Bestimmung, dass die Gegendarstellung in demselben Teil abzudrucken ist wie die Erstmitteilung, um eine Regel, die auch zu Gunsten der Presse wirken soll. Das redaktionelle Konzept würde etwa empfindlich gestört, wäre ein Wochenoder Monatsmagazin verpflichtet, eine längere Gegendarstellung zu einem Sportbericht im aktuellen politischen Teil abzudrucken. Jedenfalls bei kürzeren Erscheinungsintervallen und regelmäßig erscheinenden redaktionellen Teilen oder Rubriken muss es daher auch dann bei der gesetzlichen Anordnung der Veröffentlichung in demselben Teil bleiben, in dem die Erstmitteilung erschienen ist, wenn dadurch eine Verschiebung des Abdrucks bis zur übernächsten Ausgabe bedingt wird.
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1 LG Oldenburg AfP 1986, 84. 2 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 418; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 162; Wenzel/ Burkhardt, Kap. 11 Rz. 186; Löffler/Ricker, Kap. 27 Rz. 1. 3 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 418.; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 187. 4 Dazu oben Tz. 54. 5 Oben Tz. 2b.
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Gegendarstellung
Tz. 54a § 29
b) Waffengleichheit Die Gegendarstellung muss in demselben Teil der Druckschrift veröffentlicht werden, in dem die Erstmitteilung veröffentlicht worden ist. Sie ist ferner in derselben Schriftgröße wie die Erstmitteilung zu halten.1 Ihr Abdruck darf nicht durch Einschaltungen oder Weglassungen optisch oder inhaltlich entwertet werden. Durch diese Anordnungen soll erreicht werden, dass sie möglichst dieselbe Aufmerksamkeit erweckt und auf diese Weise von demselben Leserkreis zur Kenntnis genommen werden kann, der die Erstmitteilung gelesen hat. Aus den genannten gesetzlichen Anordnungen für die Erfüllung des Gegendarstellungsanspruchs leitet die Rechtsprechung in unterschiedlicher Intensität ein allgemeines Prinzip der Waffengleichheit ab.2
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Nach diesem Prinzip ist eine Gegendarstellung zu einer auf einer Themenseite wie etwa der aus überregionalen Tageszeitungen bekannten Seite 3 abgedruckten Erstmitteilung auf derselben Seite zu veröffentlichen,3 während innerhalb definierter Teile oder Rubriken, die über mehr als eine Seite laufen, Seitengleichheit nicht gefordert werden kann. Zeitschriften, die einzelne Rubriken nicht regelmäßig führen, müssen die Rubrik, unter der eine Erstmitteilung erschienen ist, für den Abdruck der Gegendarstellung speziell ins Blatt rücken, wenn sie ansonsten in der Ausgabe nicht enthalten wäre, in der die Gegendarstellung unter Berücksichtigung des Zeitpunkts ihrer Zuleitung bzw. der gerichtlichen Anordnung ihres Abdrucks veröffentlicht werden muss.4 Erscheint eine Erstmitteilung nur in einer bestimmten Regionalausgabe einer Zeitung, dann ergibt sich aus dem Wortlaut der einschlägigen Gesetze wie auch aus dem Prinzip der Waffengleichheit, dass auch die Gegendarstellung nur dort veröffentlicht werden muss und darf. Das Landgericht München5 hat hieraus die Konsequenz gezogen, dass der Gegendarstellungsanspruch entfällt, wenn der abdruckpflichtige Verlag die betreffende Regionalausgabe vor Abdruck der Gegendarstellung einstellt. Das Oberlandesgericht München6 hingegen nimmt für diesen Fall an, dass das Gebot der Waffengleichheit in erster Linie dem Schutz des Betroffenen dient und die Verpflichtung des Gesetzgebers zur Schaffung eines effektiven Gegendarstellungsrechts7 daher zu einer ergänzenden Auslegung des Gesetzes mit der Folge führt, dass der abdruckpflichtige Verlag die Gegendarstellung in diesem Fall im Nachrichtenteil der weiter geführten Bundesausgabe seiner Zeitung zu veröffentlichen hatte.
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Bei Zeitungen kann sich aus dem Gebot der Waffengleichheit die Verpflichtung ergeben, die Gegendarstellung auf der Titelseite zu veröffentlichen,
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KG NJW-RR 2009, 767. Dazu weitere Einzelheiten bei KG NJW-RR 2009, 767. OLG München AfP 2000, 386 = ZUM 2000, 969. OLG Hamburg AfP 1973, 388; OLG Hamburg AfP 1990, 307; vgl. auch OLG Hamburg NJW-RR 1991, 97. 5 LG München I ZUM 2003, 695. 6 OLG München AfP 2003, 458 = NJW 2003, 2756 = ZUM 2003, 688. 7 Oben Tz. 2b.
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§ 29 Tz. 55
Zivilrechtliche Ansprüche
wenn auch die Erstmitteilung dort zu lesen war.1 Werden insbesondere Boulevardzeitungen üblicherweise gefaltet zum Verkauf ausgelegt, so kann sich aus dem Prinzip der Waffengleichheit auch die Verpflichtung ergeben, die Gegendarstellung in der oberen Hälfte der Titelseite zu platzieren, wenn sie sich gegen eine Erstmitteilung wendet, die ihrerseits der Aufmacher der betreffenden Ausgabe war.2 Das Landgericht Berlin3 hat sogar die Veröffentlichung einer Gegendarstellung auf einer so genannten Händlerschürze angeordnet, nachdem die in Rede stehende Erstmitteilung ebenfalls auf einer solchen Verkaufshilfe abgedruckt worden war; dabei handelt es sich allerdings nicht um eine periodische Druckschrift, die der presserechtliche Gegendarstellungsanspruch voraussetzt, so dass für diese Anordnung ein Rechtsgrund nicht besteht. 55
Unter Berufung auf das Prinzip der Waffengleichheit ordnen Gerichte4 den Abdruck von Gegendarstellungen auch auf den Titelblättern von Zeitschriften an, die ihrerseits ganze Meldungen auf dem Titelblatt wiedergeben, wie dies insbesondere bei einer Vielzahl von Titeln der Yellow Press der Fall ist, die mit häufig mehr als einer in sich geschlossenen Schlagzeile auf dem Titelblatt um die Aufmerksamkeit der Leser werben. Dem Prinzip der Waffengleichheit entnimmt die Rechtsprechung5 auch die Verpflichtung, auf eine im Heftinneren abzudruckende Gegendarstellung auf dem Titelblatt hinzuweisen, wenn die Erstmitteilung dort entsprechend angekündigt war. Die von den betroffenen Verlagen gegen diese sehr weitgehenden und in den Pressegesetzen nicht ausdrücklich vorgesehenen Anordnungen im Hinblick auf das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und das Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung für seine Beschränkungen erhobenen rechtlichen und insbesondere verfassungsrechtlichen Bedenken haben der Bundesgerichtshof6 für die insoweit gleich liegende Problematik der Platzierung von Berichtigungen auf der Titelseite sowie das Bundesverfassungsgericht7 im Ergebnis verworfen. Das Bundesverfassungsgericht8 hat allerdings klargestellt, dass auch die Gestaltung des Titelblatts einer Publikation vom Grundrecht der Pressefreiheit erfasst ist, dem zudem gerade bei der in der Regel nicht im Abonnement verkauften Yellow Press als Kaufanreiz eine besondere Bedeutung zukommt, und dass es daher in den entsprechenden gerichtlichen An_______________
1 OLG Hamburg AfP 1975, 861; OLG Hamburg AfP 1977, 243; OLG München AfP 1991. 2 LG Hamburg AfP 1987, 631. 3 LG Berlin AfP 2000, 98. 4 OLG Karlsruhe AfP 2006, 168 = NJW 2006, 621 = ZUM-RD 2006, 74; OLG Karlsruhe AfP 1992, 307 = NJW-RR 1993, 728; OLG Karlsruhe AfP 1992, 385; weitere Nachweise bei Damm, AfP 1994, 270; Prinz/Peters, Rz. 594. 5 OLG München AfP 1991, 531. 6 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. 7 BVerfG AfP 1998, 184 = NJW 1998, 1381 = ZUM 1998, 315 – Gegendarstellung auf der Titelseite; BVerfG AfP 1993, 733 = NJW 1994, 1948 – Veröffentlichung auf der Titelseite. 8 BVerfG AfP 1998, 184 = NJW 1998, 1381 = ZUM 1998, 315 – Gegendarstellung auf der Titelseite; BVerfG AfP 1993, 733 = NJW 1994, 1948 – Veröffentlichung auf der Titelseite; so auch OLG Karlsruhe AfP 2008, 315 = NJW-RR 2008, 856 = ZUM-RD 2008, 299.
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Gegendarstellung
Tz. 57 § 29
ordnungen eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Pressefreiheit sieht, die nicht schematisch praktiziert werden darf. Dennoch ist das Bundesverfassungsgericht1 im Ergebnis der zur Berichtigungsproblematik bereits vom Bundesgerichtshof2 gebilligten Auffassung der Zivilgerichte gefolgt, dass unter Berücksichtigung des Inhalts der jeweiligen konkreten Titelseiten-Meldung und der Art ihrer Anordnung einschließlich der Erreichbarkeit so genannter Kiosk- oder Titelseitenleser einerseits und unter gebotener Rücksichtnahme auch auf das berechtigte Interesse der Verlage an der Freiheit in der Gestaltung ihrer Titelblätter andererseits die Anordnung der Veröffentlichung einer kurzen Gegendarstellung bzw. ihrer Ankündigung auf der Titelseite einer Illustrierten das Grundrecht der Pressefreiheit nicht in verfassungswidriger Weise tangiert. In der zur Berichtigungsproblematik ergangenen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof seinerseits klargestellt, dass eine schematische Gleichheit der Platzierung und Schriftgröße auf dem Titelblatt in Hinblick auf den damit verbundenen Eingriff in die verfassungsrechtlich gewährleistete redaktionelle Gestaltungsfreiheit nicht in Betracht kommen kann. Da es sich bei der entsprechenden Anordnung stets um einen schwerwiegenden Eingriff in die Pressefreiheit handelt, kann sie auch stets nur das Ergebnis einer Güterabwägung sein. Die Gerichte werden daher immer anhand der Umstände des Einzelfalls abwägen müssen, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang es geboten und zulässig ist, die Veröffentlichung einer Gegendarstellung oder ihre Ankündigung auf dem Titelblatt einer Zeitschrift anzuordnen.
55a
Bei Zeitschriften, deren Titelblatt nicht zur Verbreitung in sich geschlossener Meldungen, sondern als nicht selten nach künstlerischen Gesichtspunkten gestaltetes optisches Aushängeschild mit gleichzeitiger Ankündigung des Themenschwerpunkts eines Hefts dient, ist die Anordnung des Abdrucks einer Gegendarstellung auf dem Titelblatt schlechthin unzulässig. Derartige Titelblätter haben nicht die Funktion der Titelseite einer Zeitung, die regelmäßig Schlagzeilen und redaktionelle Texte enthält, und kommen daher für die Platzierung von Gegendarstellungen nicht in Betracht.3
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Aus dem Prinzip der Waffengleichheit folgt ferner die Verpflichtung, eine drucktechnisch hervorgehobene Überschrift4 oder auch eine Gegenüberschrift abzudrucken, wenn die Erstmitteilung eine Überschrift mit einer in sich geschlossenen Sachaussage hatte, gegen die sich die Gegendarstellung jedenfalls auch wendet.5 Üblicherweise ordnen die Gerichte jedenfalls die drucktechnische Hervorhebung des Worts „Gegendarstellung“ als Überschrift ausdrücklich an.6 In Betracht kommt auch die Anordnung, die Gegendarstellung
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1 BVerfG AfP 1998, 184 = NJW 1998, 1381 = ZUM 1998, 315 – Gegendarstellung auf der Titelseite; BVerfG AfP 1993, 733 = NJW 1994, 1948 – Veröffentlichung auf der Titelseite. 2 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. 3 OLG Hamburg ArchPR 1977, 52. 4 OLG Hamburg AfP 1975, 861. 5 OLG München AfP 1978, 27; OLG Hamburg AfP 1975, 861. 6 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 430; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 175.
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§ 29 Tz. 58
Zivilrechtliche Ansprüche
farblich zu unterlegen, wenn die Erstmitteilung auf entsprechend farbigem Untergrund veröffentlicht worden ist. 58
Aus dem Prinzip der Waffengleichheit leitet die Rechtsprechung1 schließlich die Verpflichtung der Presse ab, die Gegendarstellung auf Antrag des Betroffenen im Inhaltsverzeichnis anzukündigen, wenn das betreffende Periodikum ein Inhaltsverzeichnis hat und die Erstmitteilung dort ihrerseits erwähnt war. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts München2 besteht eine solche Verpflichtung allerdings jedenfalls dann nicht, wenn eine Zeitschrift in einem vorhandenen Inhaltsverzeichnis auch sonst nicht sämtliche Beiträge ankündigt. Richtigerweise kann diese Verpflichtung nur angeordnet werden, wenn die Erstmitteilung ihrerseits ausdrücklich im Inhaltsverzeichnis angekündigt war.3 Richtet sich die Gegendarstellung gegen eine Erstmitteilung, die als Teil einer nur einheitlich angekündigten Rubrik im Inhaltsverzeichnis nicht gesondert genannt wurde, dann würde die Anordnung, die Gegendarstellung ausdrücklich anzukündigen, das Prinzip der Waffengleichheit überspannen. c) Glossierungsverbot
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Erhebliche praktische Bedeutung hat das so genannte Glossierungsverbot. Wer sich zum Inhalt der Gegendarstellung in derselben Ausgabe der Zeitung oder Zeitschrift in einer üblicherweise als Redaktionsschwanz bezeichneten Erwiderung äußert, muss sich nach der großen Mehrheit der einschlägigen Gesetze und Staatsverträge auf tatsächliche Angaben beschränken. Das gilt für die Presse in allen Bundesländern außerhalb Bayerns. Für den privaten Rundfunk gilt es in allen Bundesländern bis auf Nordrhein-Westfalen; die früher in allen einschlägigen Gesetzen übliche weitere Einschränkung, dass der Rundfunk sich zum Inhalt einer Gegendarstellung in zeitlichem Zusammenhang mit seiner Ausstrahlung überhaupt nicht äußern darf, gilt heute nur noch in einem Teil der Bundesländer.4 Im Bereich des öffentlichrechtlichen Rundfunks schließlich sehen die Regeln für den Bayerischen Rundfunk, den RBB sowie den WDR heute kein Glossierungsverbot mehr vor; für den MDR gilt noch das Verbot der Äußerung am gleichen Tag,5 während für die Mehrheit der öffentlichrechtlichen Sender nun auch das Gebot der Beschränkung einer Erwiderung auf tatsächliche Angaben eingeführt wurde.6 Für den Bereich der Telemedien schließlich enthält die nunmehr maßgebliche Be_______________
1 OLG Hamburg ArchPR 1974, 113; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 423; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 208; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 176. 2 OLG München ArchPR 1974, 112. 3 OLG München AfP 1995, 667 = NJW 1995, 2297. 4 Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks § 58 Abs. 3 Satz 2; Staatsvertrag über das Medienrecht in Hamburg und Schleswig-Holstein § 10 Abs. 3 Satz 4; Hessisches Privatrundfunkgesetz § 28 Abs. 4 Satz 2; Sächsisches Privatrundfunkgesetz § 19 Abs. 4 Satz 3; Mediengesetz Sachsen-Anhalt § 26 Abs. 4 Satz 2; Thüringer Mediengesetz § 24 Abs. 4 Satz 2. 5 MDR-Staatsvertrag § 15 Abs. 4 Satz 3. 6 NDR-Staatsvertrag § 12 Abs. 3 Satz 3; Radio Bremen-Gesetz § 24 Abs. 4 Satz 3; SWRStaatsvertrag § 10 Abs. 4 Satz 3; ZDF-Staatsvertrag § 9 Abs. 4 Satz 3; Deutschlandradio-Staatsvertrag § 9 Abs. 4 Satz 3; Deutsche Welle-Gesetz § 18 Abs. 4 Satz 3.
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Gegendarstellung
Tz. 59c § 29
stimmung des § 56 Abs. 1 Satz 5 RStV das Glossierungsverbot und zusätzlich die Regelung, dass Erwiderungen nicht unmittelbar mit der Gegendarstellung verknüpft werden dürfen. Soweit die genannten Normen dem Rundfunk verbieten, sich zum Inhalt einer Gegendarstellung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang oder auch nur am Tag der Ausstrahlung zu äußern, bestehen dagegen im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken.1 Die Berechtigung der Medien, im Anschluss an die Gegendarstellung durch Wiederholung, Vertiefung oder Ergänzung der Erstmitteilung auch ihre Sicht noch einmal darzustellen, solange die Unwahrheit der Erstmitteilung nicht jedenfalls im summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung im Zusammenhang mit der Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs glaubhaft gemacht worden ist, stellt ein unverzichtbares Korrelat zu der Tatsache dar, dass der Betroffene die Unwahrheit der Erstmitteilung und die inhaltliche Richtigkeit der Erwiderung nicht beweisen oder auch nur glaubhaft machen muss.2 Dieses Recht wird bis zur Bedeutungslosigkeit denaturiert, wenn der Rundfunk gezwungen wird, seine Entgegnung auf einem anderen Sendeplatz als demjenigen der Gegendarstellung vorzutragen – dort also, wo sie der Hörer oder Zuschauer mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht mehr wahrnimmt.
59a
Schon im Hinblick auf diesen Effekt handelt es sich bei diesen Bestimmungen um einen unverhältnismäßigen und damit verfassungswidrigen Eingriff in die Rundfunkfreiheit.3 Dies gilt um so mehr, als die betroffenen Rundfunkveranstalter nach dem Wortlaut der einschlägigen Normen sogar daran gehindert werden, im Wege eines positiven Redaktionsschwanzes einen ihnen im Rahmen der Erstmitteilung unterlaufenen Fehler einzugestehen und die inhaltliche Richtigkeit der Gegendarstellung zu bestätigen. Die Gesetzgeber nehmen den von diesen Regelungen betroffenen Medien damit ein Instrumentarium aus der Hand, das sich in geeigneten Fällen als Mittel der Folgenbeseitigung und zur Vermeidung weiterer presserechtlicher Auseinandersetzungen bewährt hat4 und dessen Anwendung etwa der Deutsche Presserat von den Printmedien in Nr. 3 des Pressekodex in geeigneten Fällen ausdrücklich fordert.5
59b
Auch im Regelungsbereich derjenigen Normen, die ein Glossierungsverbot nicht kennen, ist aber nicht jede Glossierung einer Gegendarstellung zulässig; sie kann im Einzelfall als Verstoß gegen das Gebot der Wahrung von Treu und Glauben im Rechtsverkehr gemäß § 242 BGB oder gar als sittenwidrige Schädigung des Betroffenen gemäß § 826 BGB gelten.6 Soweit sie sich entsprechend der Anordnung der Mehrheit der einschlägigen Normen auf tatsächliche Angaben beschränkt, ist sie aber gerade im Anwendungsbereich die-
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Korte, S. 204 ff. Oben Tz. 14. Korte, S. 204 ff. Unten § 31 Tz. 10. Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008, S. 148 ff. OLG München AfP 1999, 496; OLG München AfP 2001, 308.
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§ 29 Tz. 60
Zivilrechtliche Ansprüche
ser Gesetze und Staatsverträge zulässig.1 Auch der Einschluss von Wertungen in die Glossierung einer Gegendarstellung kann den Veröffentlichungspflichtigen im Geltungsbereich dieser Normen mangels gesetzlicher Grundlage für den darin liegenden Eingriff in das Grundrecht der Presse- bzw. Rundfunkfreiheit nicht untersagt werden. Die Grenze zulässiger Kommentierung liegt hier erst dort, wo sich eine Entgegnung als Schikane erweist oder wo sie den Zweck der Gegendarstellung vereitelt, dem Betroffenen Gehör zu verschaffen.2 60
Aus dem Glossierungsverbot folgt zunächst, dass die zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen verpflichteten Medien nicht berechtigt sind, den Abdruck oder die Ausstrahlung mit hämischen Kommentaren oder sonstigem Räsonieren zu begleiten.3 Bereits die Anmerkung im Redaktionsschwanz, die Gegendarstellung sei irreführend, ist als Verstoß gegen das Glossierungsverbot gewertet worden.4 Gleiches gilt für die Anmerkung, der Inhalt der Gegendarstellung sei frei erfunden.5 Als Verstoß gegen das Glossierungsverbot hat es das Oberlandesgericht Hamburg6 auch angesehen, dass eine Redaktion einer Gegendarstellung die erkennbar ironisierende Schlagzeile der Erstmitteilung voranstellte. Unzulässig ist schließlich auch die Einfügung einer tatsächlichen Anmerkung der Redaktion zwischen die Überschrift und den eigentlichen Text der Gegendarstellung.7 Allerdings kann dem Oberlandesgericht Koblenz8 nicht in der Auffassung gefolgt werden, das ZDF habe gegen das Glossierungsverbot verstoßen, indem es einer durch einen besonderen Sprecher verlesenen Gegendarstellung eine durch den regulären Moderator des infrage stehenden Magazins vorgetragene tatsächliche Darstellung folgen ließ, deren Umfang deutlich größer war als diejenige der Gegendarstellung selbst.
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Angaben tatsächlicher Art im Anschluss an die Gegendarstellung sind vielmehr in allen Bundesländern im Prinzip uneingeschränkt zulässig, soweit nicht einzelne rundfunkrechtliche Normen noch die Einschränkung vorsehen, dass sie nicht am selben Tag wie die Gegendarstellung oder in zeitlichem Zusammenhang mit deren Ausstrahlung verlesen werden dürfen.9 So sind die Medien insbesondere berechtigt, in einer redaktionellen Anmerkung auf der Richtigkeit der früheren eigenen Darstellung zu beharren oder sie inhaltlich zu wiederholen oder zu vertiefen.10 Enthalten derartige Anmerkungen neue Tatsachenbehauptungen, die über das Bestreiten der Wahrheit der Gegendarstellung hinausgehen, so können diese Anknüpfungspunkt für eine neue _______________
1 BerlinerVerfG AfP 2006, 356 = NJW-RR 2006, 1479 = ZUM-RD 2007, 229; KG AfP 2007, 492 = NJW-RR 2008, 357 = ZUM-RD 2007, 565. 2 KG AfP 2007, 492 = NJW-RR 2008, 357 = ZUM-RD 2007, 565. 3 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 435 ff.; Löffler/Ricker, Kap. 27 Rz. 8 ff.; Löffler/Sedelmeier, § 11 LPG Rz. 171. 4 OLG Hamburg ArchPR 1971, 91; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 436. 5 OLG Stuttgart AfP 1987, 420. 6 OLG Hamburg AfP 1984, 39 – Fidele Ignoranten. 7 OLG München AfP 2001, 308. 8 OLG Koblenz NJW-RR 2006, 484. 9 Dazu oben Tz. 59a ff. 10 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 435 f.
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Gegendarstellung
Tz. 63 § 29
Gegendarstellung sein.1 Hat der Betroffene allerdings wegen der umstrittenen Behauptung bereits ein gerichtliches Unterlassungsgebot erwirkt, so bindet dies die Medien auch im Zusammenhang mit dem Abdruck der Gegendarstellung, und ein ausdrückliches Beharren auf der streitigen Behauptungen oder gar deren Wiederholung im Redaktionsschwanz stellt eine Verletzung des gerichtlichen Unterlassungstitels dar,2 während ohne Vorliegen eines Unterlassungstitels der die Erstmitteilung bekräftigende Redaktionsschwanz ohne Weiteres zulässig ist.3 Außerhalb des Anwendungsbereichs der rundfunkrechtlichen Bestimmungen, die die Verlesung jeder Art von Erwiderungen untersagen, ist allerdings ein Redaktionsschwanz gewohnheitsrechtlich zulässig, mit dem Presse oder Rundfunk daraufhin weisen, dass der Abdruck oder die Verlesung der Gegendarstellung in Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung oder gerichtlichen Anordnung ohne Rücksicht auf ihren Wahrheitsgehalt erfolgt.4 Das gilt selbst dann, wenn gegen den Verlag oder Rundfunkveranstalter hinsichtlich der Erstmitteilung ein gerichtliches Unterlassungsgebot erwirkt worden ist. Der übliche Hinweis darauf, dass die Gegendarstellung in Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung ohne Prüfung der Wahrheit abgedruckt wird, stellt damit noch keine Verletzung des gerichtlichen Verbots5 oder einer durch die Medien freiwillig abgegebenen Verpflichtungserklärung dar.
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d) Fehlerhafte Veröffentlichung Wird die Gegendarstellung nicht entsprechend den gerichtlichen Anordnungen6 oder unter Verstoß gegen das Glossierungsverbot veröffentlicht, so wird der Veröffentlichungsanspruch des Betroffenen dadurch nicht ordnungsgemäß erfüllt.7 Er hat dann Anspruch darauf, dass die Gegendarstellung erneut veröffentlicht wird. Dieser Anspruch ist im Wege des Erzwingungsverfahrens gemäß § 888 ZPO durchsetzbar. Dass ein derartiger Antrag trotz nicht ordnungsgemäßer Veröffentlichung einer Gegendarstellung seinerseits rechtsmissbräuchlich sein könnte, ist zwar theoretisch denkbar,8 dürfte aber in der Praxis nicht vorkommen. Eine Erfüllung des Anspruchs liegt auch dann nicht vor, wenn eine Rundfunkanstalt verpflichtet ist, eine Gegendarstellung innerhalb einer bestimmten namentlich bezeichneten Sendung auszustrahlen, sie tatsächlich aber erst nach Beendigung der Sendung und dem zu ihr gehörenden Abspann verlesen lässt.9 Im Einzelfall kann die Nichtbeachtung _______________
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LG Hamburg ArchPR 1970, 83. OLG Hamburg AfP 1989, 464. OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 832. Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 436; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 202; Korte, S. 203 f. OLG Hamburg AfP 1989, 464. OLG Hamburg AfP 1977, 243; OLG München AfP 1991, 531; Seitz/Schmidt/ Schoener, Rz. 442. 7 OLG Hamburg ArchPR 1971, 91; OLG Frankfurt/Main NJW 1965, 2163; OLG München AfP 1999, 496; OLG München AfP 2000, 386 = ZUM 2000, 969; LG Frankfurt/Main AfP 1987, 723; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 442. 8 OLG München AfP 2001, 308. 9 LG Berlin v. 12.12.1991 – 27 O 671/91, unveröffentlicht.
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§ 29 Tz. 64
Zivilrechtliche Ansprüche
einer gerichtlichen Abdruckanordnung allerdings unbeachtlich sein, sofern sie berechtigte Interessen des Betroffenen nicht verletzt und die Wirkung der Gegendarstellung gegenüber dem Publikum dadurch nicht beeinträchtigt wird. Das hat das Landgericht Köln1 mit Recht in einem Fall angenommen, in dem der Verlag verpflichtet war, die Gegendarstellung auf dem Titelblatt anzukündigen, tatsächlich dort aber ein Dementi der Betroffenen angekündigt, die Gegendarstellung unter dieser Überschrift im Heftinneren ordnungsgemäß veröffentlicht wurde und der Verlag der dementierenden Gegendarstellung einen eigenen Widerruf folgen ließ. 6. Besonderheiten im Rundfunk 64
Inhaltlich gelten für den Gegendarstellungsanspruch gegenüber Hörfunk und Fernsehen die dargestellten Grundsätze entsprechend, soweit sich nicht aus den segmentspezifischen Strukturen dieser Medien die im Folgenden darzustellenden Abweichungen ergeben.2 Eine zusätzliche Besonderheit besteht insoweit lediglich in Bayern, wo Gegendarstellungsansprüche zu Sendungen des privaten Rundfunks sowohl gegenüber dem Veranstalter als auch der öffentlichrechtlichen Landeszentrale für Neue Medien geltend zu machen sind.3 a) Sendemanuskript
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Besondere Bedeutung hat im Bereich des Rundfunks der Anspruch der Betroffenen auf Überlassung eines Manuskripts des sie betreffenden Sendebeitrags, da sie wegen der Flüchtigkeit des gesprochenen und ausgestrahlten Worts den genauen Wortlaut regelmäßig nicht kennen und daher ohne Überlassung des ausgeschriebenen Texts oder eines Mitschnitts, dem sie den Text selbst entnehmen können, nicht in der Lage sind, eine ordnungsgemäße Gegendarstellung zu formulieren. In der Literatur4 ist dieser Anspruch auf Überlassung eines Sendemanuskripts, den die einschlägigen medienrechtlichen Bestimmungen zunächst nicht vorgesehen haben, mit Recht aus dem allgemeinen Rechtsgedanken des Gebots einer Orientierung des eigenen Verhaltens an den Maßstäben von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB abgeleitet worden. Da ohne Gewährung dieses Anspruchs das vom Bundesverfassungsgericht mit Verfassungsrang ausgestattete Recht auf Ausstrahlung von Gegendarstellungen gegenüber Hörfunk- und Fernsehberichterstattung im Ergebnis ausgehöhlt würde, ist dieser Anspruch in der Tat faktisch unverzichtbar.
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Dem trägt die weit überwiegende Mehrheit der neueren rundfunkrechtlichen Bestimmungen inzwischen Rechnung, indem sie zunächst anordnen, dass alle Sendungen in Ton und Bild vollständig aufgezeichnet und aufbewahrt werden müssen. Die Aufbewahrungsfrist variiert in den einzelnen Normwerken; sie beträgt in der Regel sechs Wochen bis drei Monate nach Ausstrahlung und _______________
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LG Köln AfP 1992, 389. Einzelheiten bei Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 283, 291 ff. Art. 18 Abs. 1 BayMG. Kühle, AfP 1975, 791; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 298.
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Gegendarstellung
Tz. 67a § 29
verlängert sich, sofern innerhalb der Frist Beanstandungen geltend gemacht werden.1 Innerhalb dieser Frist ist dem Betroffenen auf Verlangen Einsicht in die Aufzeichnungen zu gewähren; die Erteilung von Abschriften kann er nach den meisten gesetzlichen Bestimmungen gegen Erstattung der Kosten, nach einigen Regelungen auch kostenlos verlangen. Wo, wie in Bayern für den privaten Rundfunk, eine gesetzliche Regelung dieses Anspruchs noch fehlt, ergibt er sich weiterhin unmittelbar aus § 242 BGB.2 Solange ein Rundfunkveranstalter seiner Verpflichtung zur Herausgabe eines Sendemanuskripts nicht nachkommt, kann für den Betroffenen die Frist zur unverzüglichen Zuleitung seiner Gegendarstellung nicht laufen. Auch kann dem Rundfunkveranstalter, der sich weigert, das Manuskript herauszugeben, unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verbots rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Einwand verwehrt sein, eine vom Betroffenen dennoch verfasste Gegendarstellung sei inhaltlich nicht durchsetzbar, weil sie in unzutreffender Weise an die Erstmitteilung anknüpfe.3 b) Entgegnung Die Gegendarstellung ist auch im Bereich des Rundfunks vom Betroffenen schriftlich zu formulieren und eigenhändig zu unterzeichnen. Sie ist sodann von der Redaktion in derselben Sendung bzw. dann, wenn die Erstmitteilung nicht innerhalb einer regelmäßig ausgestrahlten Sendung verbreitet wurde, zu gleicher Sendezeit zu verlesen.4
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Ein Anspruch auf eigene Sendezeit, in der der Betroffene selbst eine von ihm formulierte Gegendarstellung verliest, besteht nach geltender Rechtslage nicht.5 Der Betroffene hat auf die Räumlichkeiten und technischen Einrichtungen von Rundfunksendern ebenso wenig einen Zugriff, wie er ihn nach den Landespressegesetzen im Zuge der Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs auf die sachlichen und persönlichen Mittel eines Presseverlags hat. Die im Schrifttum6 vereinzelt vertretene gegenteilige Auffassung, die dem Betroffenen das Recht einräumen will, seine Gegendarstellung persönlich zu verlesen und sich dabei in Szene zu setzen, ist allenfalls rechtspolitischer
67a
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1 Für den privaten Rundfunk: Baden-Württemberg § 8 (sechs Wochen); Bremen § 18 (zwei Monate); Hessen § 27 (sechs Wochen); Berlin/Brandenburg § 57 (sechs Wochen); Hamburg/Schleswig-Holstein (sechs Wochen); Mecklenburg-Vorpommern § 28 (drei Monate); Niedersachsen § 20 (sechs Wochen); Nordrhein-Westfalen § 43 (drei Monate); Rheinland-Pfalz § 21 (zwei Monate); Saarland § 18 (vier Wochen); Sachsen § 17 (sechs Wochen); Sachsen-Anhalt § 25 (sechs Wochen); Thüringen § 23 (zwei Monate). Für den öffentlichrechtlichen Rundfunk: Gesetz über den Bayerischen Rundfunk Art. 16 (zwei Monate); RBB-Staatsvertrag § 11 (drei Monate); NDR-Staatsvertrag § 14 (drei Monate); SWR-Staatsvertrag § 12 (drei Monate); MDR-Staatsvertrag § 17 (zwei Monate); ZDF-Staatsvertrag § 14 (drei Monate); Saarland § 18 (vier Wochen); Deutschlandradio-Staatsvertrag § 14 (drei Monate); Gesetz über die Deutsche Welle § 21 (drei Monate). 2 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 469. 3 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 470. 4 Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 297. 5 Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 451. 6 Prinz/Peters, Rz. 669 ff.
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§ 29 Tz. 67b
Zivilrechtliche Ansprüche
Natur und findet im geltenden Recht keine Grundlage. Sollte, wie diese Autoren befürchten, ein Rundfunkveranstalter eine Gegendarstellung durch bewusst unverständliches Verlesen oder durch die Art ihrer Umfeldgestaltung,1 wie insbesondere unzulässige Kommentare,2 entwerten, kann es sich im Einzelfall um eine mangelhafte Erfüllung handeln, die dem Betroffenen in gleicher Weise einen Anspruch auf nochmalige Verlesung verschafft, wie er bei den Printmedien im Fall eines nicht ordnungsgemäßen Abdrucks besteht.3 67b
Auch ein Anspruch auf Ausstrahlung eines Gegenfilms durch das Fernsehen kommt allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Auch in diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Gegendarstellung sich auf die Wiedergabe von Tatsachen zu beschränken hat und filmische Darstellungen in der Regel aus einer Vielzahl Elementen bestehen werden, die nur zum Teil gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptungen darstellen. Daher ist ein Anspruch auf Ausstrahlung eines Gegenfilms allenfalls bei dokumentarischem Material in Betracht zu ziehen, das abgrenzbare Tatsachenbehauptungen enthält, dem dann auch mit anderen im Bild oder Film zu zeigenden Dokumenten entgegnet werden kann. Das kann auch der Fall sein, wenn ein Fernsehbeitrag eine Originalszene gekürzt wiedergibt und dadurch beim Zuschauer einen falschen tatsächlichen Eindruck erweckt und wenn der Betroffene über das Originalmaterial verfügt. c) Örtliche Zuständigkeit
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Für Sendungen in der Verantwortung einzelner öffentlichrechtlicher Anstalten sowie in der Regel Sendungen der privaten Anbieter von Hörfunk und Fernsehen ergeben sich hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit der Gerichte für die Durchsetzung von Gegendarstellungsansprüchen gegenüber der für die Printmedien geltenden Rechtslage4 keine Besonderheiten. Zuständig ist hier das für den Sitz des Rundfunkveranstalters zuständige Gericht. Das gilt auch dann, wenn für einen privaten Veranstalter eine Aufsichtsbehörde in einem anderen Bundesland zuständig ist.5 d) Zur Ausstrahlung Verpflichtete
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Entsprechend den bei den Printmedien geltenden Regeln ist zur Ausstrahlung einer Gegendarstellung derjenige Rundfunkveranstalter verpflichtet, in dessen Verantwortung die Erstmitteilung ausgestrahlt wurde. Hingegen sehen die rundfunkrechtlichen Bestimmungen eine eigene Ausstrahlungsverpflichtung des Verantwortlichen Redakteurs nicht vor.6
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Schwierigkeiten ergaben sich hinsichtlich der Passivlegitimation bis Ende 2000 nur hinsichtlich des Gemeinschaftsprogramms der ARD, dessen ein_______________
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Dazu Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 451. Dazu oben Tz. 59 ff. Oben Tz. 63. Oben Tz. 44 ff. OLG München AfP 1998, 89 = ZUM 1998, 166. Oben § 25 Tz. 6.
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Gegendarstellung
Tz. 71 § 29
zelne Bestandteile zwar in der Verantwortung jeweils eines Senders produziert, die dann aber unter Mitwirkung aller ARD-Anstalten im gesamten Sendegebiet ausgestrahlt werden. Hier war lange Zeit ungeklärt, ob der Gegendarstellungsanspruch zu einer im Gemeinschaftsprogramm ausgestrahlten Erstmitteilung nach Wahl des Betroffenen gegen jede der in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten oder ob er nur gegen den produzierenden Sender geltend gemacht werden konnte und ob im letzteren Fall alle beteiligten Sender verpflichtet waren, die Ausstrahlung in ihrem Sendegebiet sicherzustellen.1 Diese Streitfrage ist durch den ARD-Staatsvertrag in der Fassung des am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen 5. RundfunkänderungsStaatsvertrags geklärt. Nach dessen § 8 ist verantwortlich für die Ausstrahlung von Gegendarstellungen nunmehr stets die Anstalt, die die Erstmitteilung in das Gemeinschaftsprogramm eingebracht hat. Nur sie kann der Betroffene in Anspruch nehmen. Eine gegen sie erwirkte gerichtliche Ausstrahlungsanordnung ist dann von allen beteiligten Anstalten für ihr Verbreitungsgebiet zu erfüllen. Sofern ein Betroffener nicht weiß, an welche Anstalt er sich mit seinem Gegendarstellungsverlangen wenden muss, sind ihm alle ARD-Anstalten insoweit auskunftspflichtig. Eine gegen § 8 des ARD-Staatsvertrags gerichtete Verfassungsbeschwerde eines Betroffenen, der vergeblich versuchte, einen anderen als den produzierenden ARD-Sender auf Veröffentlichung seiner Gegendarstellung in Anspruch zu nehmen, hat das Bundesverfassungsgericht2 mit Recht nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit im privaten Fernsehen Sendebeiträge Dritter in Fensterprogrammen nach dem so genannten Herausgeberprinzip ausgestrahlt werden, folgt bereits aus der oben3 vertretenen Auffassung, dass der Anspruch gegen den Dritten und damit auch an dessen Sitz geltend gemacht werden kann, sofern durch die Gestaltung der Sendung seine inhaltliche Verantwortung für die Erstmitteilung hinreichend kenntlich gemacht wird. Ist das nicht der Fall, so ist auch der Gegendarstellungsanspruch gegen den Veranstalter des Hauptprogramms zu richten.
70
7. Besonderheiten im Internet Für Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, begründet nunmehr § 56 RStV einen im Internet durchsetzbaren Gegendarstellungsanspruch. Die Bestimmung ist an die Stelle des nahezu gleich lautenden Art. 10 des Mediendienste-Staatsvertrags getreten. Der Anspruch kann auf der Basis von § 56 Abs. 1 RStV nicht gegen jeden Anbieter von Informationen im Internet geltend gemacht werden, sondern im Ergebnis nur gegen die Betreiber elektronischer Presse. Welche Kategorien von Anbietern dazu neben den im Text von §§ 54 Abs. 2 und 56 Abs. 1 RStV ausdrücklich genannten Verlegern der auch _______________
1 Zur Problematik im Einzelnen vgl. 3. Auflage, Tz. 29.69 ff.; BVerfG NJW 2005, 1343 = ZUM 2005, 473; OLG München AfP 2001, 75 = NJW 2001, 613. 2 BVerfG NJW 2005, 1343 = ZUM 2005, 473. 3 § 16 Tz. 16b.
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71
§ 29 Tz. 72
Zivilrechtliche Ansprüche
über das Internet verbreiteten Printmedien gehören, ist im Einzelnen immer noch umstritten.1 Als sicher kann aber gelten, dass alle Anbieter redaktionell gestalteter Dienste, die nach Art der über das Internet verbreiteten periodischen Presse konzipiert sind und regelmäßig aktualisiert werden, gegendarstellungspflichtig sind. Neben den Anbietern der Online-Versionen der etablierten Tages- oder Magazinpresse richtet sich der Anspruch daher auch gegen die Internet-Portale großer Rundfunkanstalten wie etwa tagesschau.de oder heute.de, da sie journalistische Inhalte vermitteln, die sich von elektronischer Presse strukturell nicht unterscheiden. 72
Soweit § 56 RStV den Gegendarstellungsanspruch gegenüber der elektronischen Presse gewährt, unterscheidet er sich in seinen Voraussetzungen und in der Art der Durchsetzung von der für Presse und Rundfunk geltenden Rechtslage nur insoweit, als dies durch die Art des Mediums bedingt ist.
72a
Auch gegenüber diesen Medien muss die Gegendarstellung dem Verpflichteten unverzüglich zugeleitet werden. Auf ihre Veröffentlichung besteht kein Anspruch, wenn dies nicht spätestens sechs Wochen nach dem letzten Tag, an dem die Erstmitteilung abrufbar ist, und spätestens drei Monate nach der erstmaligen Einstellung der Erstmitteilung in das Angebot des Verpflichteten geschieht.2
72b
Da Online-Angebote in der Regel über eine längere Zeit angeboten werden, der Gegendarstellungsanspruch bei den klassischen Medien aber durch einmaligen Abdruck oder durch einmalige Ausstrahlung endgültig erfüllt wird, stellt sich nur für die Telemedien die Frage nach der Dauer der Platzierung. § 56 Abs. 1 Satz 3 und 4 RStV schreibt dazu vor, dass die Gegendarstellung prinzipiell für die Dauer der Verbreitung der Erstmitteilung zu verbreiten ist, und zwar in unmittelbarer Verknüpfung mit dieser. Diese Verknüpfung kann auch durch Setzen eines Links bewirkt werden, sofern der Link deutlich macht, dass er den Nutzer zu einer Gegendarstellung zu dem Text führt, an dem er angebracht ist.3 Wird die Erstmitteilung zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Gegendarstellungsanspruchs oder der Einstellung der Gegendarstellung in das Online-Angebot des Verpflichteten nicht mehr verbreitet, dann ist die Gegendarstellung dort so lange anzubieten wie die Erstmitteilung verbreitet wurde, auf die sie erwidert. Sie ist auch dann an der Platzierung der Erstmitteilung vergleichbarer Stelle anzubieten.
72c
§ 56 Abs. 1 Satz 5 RStV schließlich schreibt, entsprechend den Regelungen in den meisten für Presse und Rundfunk geltenden Normwerken,4 vor, dass sich Erwiderungen auf die Gegendarstellung auf tatsächliche Angaben beschränken müssen; es gilt mithin das auch für Presse und Rundfunk mit wenigen Ausnahmen geltende Glossierungsverbot. Zusätzlich bestimmt § 56 Abs. 1 Satz 6 RStV jedoch, dass die Erwiderung nicht unmittelbar mit der Gegendarstellung verknüpft werden darf. Wie die Normsetzer diese Bestimmung _______________
1 Dazu Hahn/Vesting/Held, § 54 RStV Rz. 38 ff.; Hartstein/Ring/Kreile/Doerr/Stettner, § 54 RStV Rz. 3. 2 § 56 Abs. 2 Nr. 4 RStV. 3 LG Potsdam AfP 2009, 165; Hahn/Vesting/Schulz, § 56 RStV Rz. 45. 4 Oben Tz. 59 ff.
670
Gegendarstellung
Tz. 72c § 29
verstanden wissen wollen, ist unklar. Richtiger Ansicht nach kann sie aber verfassungskonform nur im Sinn einer Klarstellung des Inhalts verstanden werden, dass der Verbreitungspflichtige Gegendarstellung und Erwiderung nicht in einer Weise mit einander verzahnen darf, dass dadurch die Aussage der Gegendarstellung verfälscht wird.1 Die alternativ mögliche Deutung, dass der Anbieter eine Gegendarstellung überhaupt nicht in räumlichem Zusammenhang mit ihrer Platzierung tatsächlich kommentieren darf, würde aus denselben Gründen als Verstoß gegen die Kommunikationsgrundrechte des Anbieters aus Art. 5 Abs. 1 GG einzustufen sein, wie es das für einige wenige Rundfunkveranstalter noch geltende entsprechende Verbot ist.2
_______________
1 Oben Tz. 59c. 2 Oben Tz. 29; Korte, S. 204 ff.; Hahn/Vesting/Schulz, § 56 RStV Rz. 47.
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§ 30 Unterlassungsanspruch 1
Neben dem Gegendarstellungs- hat der Unterlassungsanspruch die größte praktische Bedeutung unter den von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten zivilrechtlichen Sanktionen unrechtmäßiger Medienberichterstattung. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts1 soll es sich beim Unterlassungsanspruch um eine Rechtsfolge ohne Sanktionscharakter handeln, deren Erfüllung den Medien eher und leichter zuzumuten sei als Maßnahmen mit Sanktionscharakter wie Gegendarstellungs-, Schadenersatz- und Berichtigungsansprüche. Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen. Das Gebot, eine bestimmte Tatsachenbehauptung, ein bestimmtes Lichtbild oder eine bestimmte Meinung nicht mehr zu verbreiten, mag zwar im Hinblick auf geschützte Rechte des Betroffenen hinzunehmen sein, stellt aber einen Eingriff in die Kommunikationsgrundrechte der Medien aus Art. 5 Abs. 1 GG dar wie andere Ge- oder Verbote auch. In anderem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht selbst völlig zutreffend ausgesprochen, dass ein gerichtliches Verbot stets einen erheblichen Eingriff darstellt.2 Auch haben sich die Medien mit den Unterlassungsansprüchen Betroffener außergerichtlich oder gegebenenfalls gerichtlich auseinander zu setzen und den damit verbundenen organisatorischen und finanziellen Aufwand zu tragen. Und schließlich wird der Unterlassungsanspruch von Betroffenen nicht selten als politisches oder propagandistisches Instrument eingesetzt; die öffentliche Bekanntgabe der Tatsache, dass einem Medium durch ein Gericht auferlegt worden sei, bestimmte Äußerungen nicht mehr zu verbreiten, gehört zum gebräuchlichen Instrumentarium derjenigen, die sich mit den Medien auseinandersetzen, und belastet deren Reputation und publizistische Glaubwürdigkeit insbesondere in den Fällen, in denen Unterlassungsansprüche den Betroffenen aufgrund summarischer gerichtlicher Prüfung im Wege der einstweiligen Verfügung zuerkannt und entsprechende gerichtliche Entscheidungen später wieder aufgehoben werden.3
1a
Denn wie bei der Gegendarstellung handelt es sich auch beim Unterlassungsanspruch um einen Anspruch, der im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann und dem Betroffenen damit eine schnelle und effektive Reaktion auf rechtsverletzende Medienberichterstattung ermöglicht. 1. Voraussetzungen
2
Der für das Recht der Medien an keiner Stelle speziell gesetzlich geregelte Unterlassungsanspruch wird materiellrechtlich aus einer entsprechenden _______________
1 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär; dazu oben § 14 Tz. 11a ff. 2 BVerfG AfP 2000, 160 = NJW 2000, 1859 – Lebach II. 3 Zur Kritik an der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im Einzelnen vgl. Grimm, AfP 2008, 1 ff.; Mann, AfP 2008, 6 ff.; Seelmann-Eggebert, AfP 2007, 86 ff.; differenzierend Helle, AfP 2006, 110 ff. mit Erwiderung Gas, AfP 2006, 428 ff.; a.A. u.a. Hochhuth, NJW 2006, 189 ff.
672
Unterlassungsanspruch
Tz. 5 § 30
Anwendung der Bestimmung des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB hergeleitet, die dem Eigentümer einer Sache einen klagbaren Anspruch auf Unterlassung zu befürchtender Störungen seines Eigentums gibt. Er ist unter einer Reihe von Voraussetzungen durchsetzbar, die im Folgenden darzustellen sind. a) Rechtsverletzung Wie im Fall des eigentumsrechtlichen Unterlassungsanspruchs die bevorstehende Verletzung oder Störung des Eigentums Anspruchsvoraussetzung ist, so ist Voraussetzung für einen gegen Medienberichterstattung gerichteten Unterlassungsanspruch die Verletzung geschützter sonstiger Rechte des Betroffenen. Dazu gehört die Darlegung des Betroffenen, dass eine konkrete Darstellung tatsächlich unwahr oder aus sonstigen Gründen unzulässig ist und dass er dadurch objektiv in seinen Rechten, etwa seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder seinem Recht am eigenen Bild, verletzt ist.1 Auch Verstöße gegen ausdrückliche straf- oder zivilrechtliche Bestimmungen zum Schutz der Ehre und des wirtschaftlichen Rufs kommen gemäß § 823 Abs. 2 BGB als Anknüpfungspunkte für die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen in Betracht. Hingegen reicht die schlichte Darlegung der Unrichtigkeit einer von den Medien verbreiteten Behauptung, durch die Rechte des Betroffenen nicht verletzt werden, nicht aus.2 Im Fall von wertneutralen Falschmeldungen3 kommt mithin auch die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nicht in Betracht.
3
Als quasi-negatorischer Anspruch4 setzt der Unterlassungsanspruch nur die Darlegung objektiver Rechtswidrigkeit voraus. Die Darlegung der subjektiven Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung auf Seiten des Verletzers, insbesondere also des Verschuldens, ist nicht erforderlich.5 Die Medien sehen sich daher berechtigten Unterlassungsansprüchen häufig auch dann ausgesetzt, wenn sie selbst bei der Darstellung und Verbreitung der beanstandeten Meldung in gutem Glauben an deren Richtigkeit gehandelt haben, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Wahrnehmung berechtigter Interessen6 und damit für die Rechtmäßigkeit der Berichterstattung aber nicht darlegen oder beweisen bzw. glaubhaft machen können.
4
Der Anspruch ist nach ständiger Rechtsprechung7 höchstpersönlicher Natur. Er kann daher nur persönlich geltend gemacht werden und ist nicht übertragbar. Verzichtet daher etwa eine religiöse Glaubensgemeinschaft, die unter einem bestimmten Namen an die Öffentlichkeit tritt, darauf, sich in einer rechts- oder parteifähigen Weise zu organisieren, dann können ihre Mitglieder
5
_______________
1 2 3 4 5 6 7
Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 261. Damm/Rehbock, Rz. 799. Dazu oben § 18 Tz. 4 ff. Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 260; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 1. BGH AfP 2007, 357 = NJW 2007, 3429; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 260. Dazu oben § 15 Tz. 1 ff. BGH NJW 1952, 660 = GRUR 1952, 410 – Constanze I; BGH AfP 1981, 270 = NJW 1981, 1089 = GRUR 1981, 437 – Der Aufmacher I; BGH NJW 1981, 2062 = GRUR 1981, 297 – Anne Frank; oben § 13 Tz. 4 ff.
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§ 30 Tz. 6
Zivilrechtliche Ansprüche
und selbst eine mit ihr namensgleiche rechtsfähige Organisation gegenüber Medienäußerungen, die sich auf sie beziehen, Unterlassungsansprüche nicht geltend machen.1 Vererblich ist der Unterlassungsanspruch dann, wenn die Erben an seiner Geltendmachung ein eigenes wirtschaftliches Interesse haben. Das ist nach der Anerkennung vermögenswerter Bestandteile des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts2 stets der Fall, wenn derartige Aspekte durch rechtswidrige Ausbeutung verletzt werden. Im Fall des Tagebuchs der Anne Frank ergab sich die Berechtigung der Erben zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs gegenüber dem Bestreiten der Authentizität des Werks3 aus dem auf die Erben übergegangenen Urheberrecht der Verstorbenen. Fehlt es an wirtschaftlichen Eigeninteressen, so kann der Unterlassungsanspruch durch Erben nur unter den Voraussetzungen des postmortalen Achtungsanspruchs4 geltend gemacht werden. b) Begehungsgefahr 6
Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs setzt ferner voraus, dass die behauptete Rechtsverletzung bevorsteht. Dieses Tatbestandsmerkmal kann sich aus den Gesichtspunkten der Wiederholungs- oder der (Erst)Begehungsgefahr ergeben. Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr sind damit zwingende materiellrechtliche Voraussetzung jedes Unterlassungsanspruchs.5 Können sie im Einzelfall nicht konkret festgestellt werden und sind sie auch nicht zu vermuten, so kann ein Unterlassungsanspruch nicht durchgesetzt werden. aa) Wiederholungsgefahr
7
Die Wiederholungsgefahr vermutet die gerichtliche Praxis in aller Regel bereits dann, wenn eine bestimmte Äußerung einmal verbreitet worden ist und der Betroffene ihre Rechtswidrigkeit behauptet. Wie im Wettbewerbsrecht begründet nach dieser Auffassung allein die erstmalige Rechtsverletzung die Gefahr ihrer Wiederholung.6 Während aber viele Angelegenheiten, über die die Medien berichten, sich eines bleibenden oder doch länger andauernden Interesses der Öffentlichkeit erfreuen und damit die Gefahr ihrer erneuten publizistischen Behandlung jedenfalls naheliegt, widmet sich Medienberichterstattung in der täglichen Praxis in mindestens gleichem Umfang Begebenheiten von nur flüchtigem Interesse, deren Wiederaufgreifen in späterer _______________
1 2 3 4 5
OLG Frankfurt/Main NJW 1995, 876 – Universelles Leben I. Dazu oben § 13 Tz. 12a ff. BGH NJW 1981, 2062 = GRUR 1981, 297 – Anne Frank. Oben § 13 Tz. 6 ff. BGH AfP 2004, 540 = NJW 2005, 594 = ZUM 2005, 155 = GRUR 2005, 76 = WRP 2007, 117 – Rivalin von Uschi Glas; BGH NJW 1954, 1682 – Constanze II; Löffler/ Steffen, § 6 LPG Rz. 263; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 7; Damm/Rehbock, Rz. 1011. 6 BGH GRUR 1966, 157 – Wo ist mein Kind?; BGH AfP 1975, 804 = GRUR 1975, 89 – Brüning-Memoiren I; BGH AfP 1994, 138 = NJW 1994, 1281 = GRUR 1994, 394 – Bilanzanalyse; BGH AfP 1998, 218 = NJW 1998, 1391 = GRUR 1998, 504 = WRP 1998, 509 – Klartext; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 264; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 8 ff.
674
Unterlassungsanspruch
Tz. 9 § 30
Berichterstattung schon aus Gründen fehlender Aktualität ausgeschlossen erscheint oder doch jedenfalls fernliegt. An der gerichtlichen Praxis der schematischen Vermutung der Wiederholungsgefahr aufgrund einmal erfolgter Rechtsverletzung ist daher Kritik geübt worden,1 die im Prinzip berechtigt erscheint. Strikt angewendet ist diese Vermutung nichts Anderes als eine reine Fiktion. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass der Betroffene zu konkreten Darlegungen über eine bevorstehende oder jedenfalls zu befürchtende Wiederholung der angegriffenen Äußerungen nur in Ausnahmefällen in der Lage ist. Das wird in der Regel nur in Fällen fortdauernden Interesses der Öffentlichkeit an dem in Rede stehenden Vorgang oder dann der Fall sein, wenn der Betroffene zugleich einen Gegendarstellungs- oder Berichtigungsanspruch geltend macht und sich die Gefahr der Wiederholung aus der damit zwangsläufig bevorstehenden erneuten Befassung der Medien mit der betreffenden Thematik ergibt. Hingegen liegt die Gefahr der Wiederholung der publizistischen Behandlung von aktuellen Tagesereignissen in der Realität einigermaßen fern. Und fast niemals ist ein Betroffener in der Lage, konkrete Angaben über weitere Veröffentlichungsabsichten zu machen oder gar entsprechende Nachweise zu führen.
8
Aus der in der Regel daraus resultierenden Unmöglichkeit für den Außenstehenden, die bevorstehende Wiederholung der Rechtsverletzung konkret darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, ergäbe sich die untragbare Konsequenz, dass der Betroffene gegenüber den Medien rechtlos wäre, wo es um die Verhinderung weiterer rechtsverletzender Berichterstattung geht. Allein hieraus rechtfertigt sich die in der Praxis unbestrittene Vermutung der Wiederholungsgefahr,2 solange sie nicht als Fiktion missverstanden wird und folglich widerleglich ausgestaltet ist. Unabhängig von dieser Vermutung kann sich die Wiederholungsgefahr aber auch aus dem konkreten Verhalten des Verletzers und insbesondere daraus ergeben, dass er im Prozess die Rechtmäßigkeit der umstrittenen Veröffentlichung verteidigt,3 ohne zugleich deutlich zu machen, dass dies ausschließlich zu Zwecken der Rechtsverteidigung und in der erklärten Absicht geschieht, die umstrittene Äußerung unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits nicht zu wiederholen.4 Und hat eine Redaktion dieselbe Behauptung bereits mehrmals veröffentlicht, so findet die Vermutung der Wiederholungsgefahr ohne Weiteres Anwendung.5
8a
Die Vermutung der Wiederholungsgefahr darf aber nicht schematisch auch auf Fälle angewandt werden, in denen die Wiederholung einer beanstandeten Äußerung nach den Umständen des Falls außerhalb vernünftiger Wahrscheinlichkeit liegt.
9
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1 Mathy/Wendt, AfP 1982, 144, 153 f.; OLG Celle AfP 1977, 345; OLG Köln AfP 1976, 185. 2 Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 8; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 264. 3 BGH AfP 1998, 218 = NJW 1998, 1391 = GRUR 1998, 504 = WRP 1998, 509 – Klartext. 4 BGH NJW-RR 2001, 1483 = ZUM-RD 2002, 59 = GRUR 2001, 1174 = WRP 2001, 1076. 5 OLG Saarbrücken NJW 1997, 1376 – Rotlichtfürst.
675
§ 30 Tz. 9a
Zivilrechtliche Ansprüche
9a
Das kann etwa bei der Veröffentlichung von Behauptungen Dritter als Leserbrief1 oder erkennbar situationsbedingten Äußerungen der Fall sein. Bedenken bestehen daher auch gegen die Annahme, die Wiederholungsgefahr sei im Rahmen einer beiläufigen Interviewäußerung auch zu Lasten des Verlags zu vermuten.2 Die Vermutung der Wiederholungsgefahr kann aber auch in Situationen entfallen, in denen der Verletzer jenseits allen Zweifels deutlich macht, dass er die beanstandete Behauptung unter keinen Umständen wiederholen wird. Unter diesem Aspekt entfällt sie etwa dann, wenn der Verletzer dem Verletzten eine förmliche schriftliche Entschuldigung aushändigt, aus der sich zweifelsfrei ergibt, dass er den ihm unterlaufenen Irrtum einräumt, bevor der Verletzte seinen Unterlassungsanspruch erstmals geltend macht.3 Widerlegt ist sie auch im Fall der zeitnah zur Erstmitteilung erfolgenden freiwilligen Veröffentlichung eines Widerrufs oder einer Richtigstellung.4 Dasselbe gilt im Fall einer Folgeberichterstattung, die deutlich macht, dass im Zusammenhang mit einem früher erhobenen Vorwurf einzelne Betroffene nicht mehr genannt werden, weil sich herausgestellt hat, dass sich der Vorwurf insoweit als falsch erwiesen hat.5 Die Vermutung der Wiederholungsgefahr kommt auch in einem Fall nicht zur Anwendung, in dem eine Zeitung aus einer Dokumentation des Bundespresseamts zitiert, das seinerseits die entsprechende Meldung zwischenzeitlich zurückgezogen hat,6 oder im Fall der Wiedergabe einer Behauptung aus einem Buch im Rahmen einer Rezension.7
9b
In derlei Fällen aus dem Fehlen einer gesonderten strafbewehrten Unterlassungserklärung auf fortbestehende Wiederholungsgefahr schließen zu wollen, liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass die Vermutung im Ergebnis unwiderleglich wäre. Die damit vorliegende Fiktion einer in solchen Konstellationen fortbestehenden Wiederholungsgefahr wäre aber pure Förmelei, die dem Bestreben derjenigen Vorschub leistet, die rechtliche Auseinandersetzungen um ihrer selbst willen oder im anwaltlichen Gebühreninteresse auch dann noch beginnen, wenn dazu materiell kein Anlass mehr besteht. Auch ein ungewöhnlich langer Zeitablauf, während dessen der Verletzer die Verletzungshandlung nicht erneut begangen und während dessen der Verletzte sie nicht beanstandet hat, kann die Vermutung der Wiederholungsgefahr im Einzelfall widerlegen.8 So hat es das Amtsgericht Hamburg9 in einem Fall mit Recht abgelehnt, dem Verlangen des Verletzten nach Erstattung anwaltlicher Abmahnkosten zu entsprechen, in dem der Anwalt des Verletzten nach Er_______________
1 BGH AfP 1986, 241 = NJW 1986, 2503 = GRUR 1986, 683 – Ostkontakte. 2 OLG Hamburg v. 22.7.1993 – 3 U 247/91, unveröffentlicht; a.A. zutreffend LG Düsseldorf AfP 1999, 518. 3 LG Hamburg v. 20.5.1994 – 324 O 64/94, unveröffentlicht; a.A. die Entscheidung des Berufungsgerichts: OLG Hamburg NJW-RR 1996, 90 – RTL Aktuell. 4 OLG Köln AfP 1989, 764; OLG Köln AfP 1993, 744; OLG Karlsruhe AfP 1989, 542; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 268; a.A. offenbar OLG Hamburg NJW-RR 1996, 90 – RTL Aktuell; KG AfP 2005, 78 = NJW-RR 2005, 274. 5 OLG Köln AfP 1993, 744. 6 LG Oldenburg AfP 1988, 79. 7 OLG Köln AfP 1976, 185. 8 LG Köln NJW-RR 2006, 908 – Marienfeld. 9 AG Hamburg AfP 1996, 189.
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Unterlassungsanspruch
Tz. 12 § 30
wirkung einer einstweiligen Verfügung und deren Hinnahme durch den Verletzer die Angelegenheit erst annähernd zwei Jahre später wieder aufgenommen und die im Regelfall geschuldete Abschlusserklärung unter Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gefordert hatte. Unter keinen Umständen darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs1 die Wiederholungsgefahr aus der Erstveröffentlichung abgeleitet werden, wenn diese ihrerseits gerechtfertigt ist. Das gilt auch dann, wenn die Unwahrheit einer Behauptung im Zeitpunkt der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs feststeht, die Medien aber bei ihrer früheren Verbreitung in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt haben. Insbesondere in solchen Fällen muss die Gefahr künftiger erneuter Verbreitung der inkriminierten Aussagen konkret dargelegt werden.
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Grundsätzlich kann die Wiederholungsgefahr zur Vermeidung einer gerichtlichen Entscheidung entsprechend der im Wettbewerbsrecht geltenden Praxis auch in medienrechtlichen Auseinandersetzungen nur durch Abgabe einer mit einem Vertragsstrafeversprechen versehenen Unterlassungserklärung beseitigt werden, und zwar unabhängig davon, ob sie konkret dargelegt oder – wie im Regelfall – vermutet wird.2 Diese Unterlassungserklärung muss bei Medienäußerungen die Begehungsformen des Behauptens und des Verbreitens abdecken, selbst wenn sie an eine Meldung anknüpft, die eine Redaktion nicht als eigene Behauptung aufgestellt, sondern nur verbreitet hat.3 Liegt eine ausreichende Unterlassungserklärung vor, dann beseitigt sie die Wiederholungsgefahr auch dann, wenn der Betroffene ihre Annahme ablehnt.4
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Ist aber die Wiederholungsgefahr im konkreten Fall nicht zu vermuten oder ist die Vermutung durch das bisherige Verhalten der Medien bereits widerlegt wie etwa im Fall der freiwilligen Veröffentlichung eines Widerrufs, dann sind die Medien auch nicht zur Abgabe von Unterlassungserklärungen verpflichtet. Aus deren Verweigerung oder aus der Rechtsverteidigung gegenüber einer folgenden Unterlassungsklage mit dem Hinweis auf die fehlende Wiederholungsgefahr kann entgegen einer auch in gerichtlichen Entscheidungen häufig zu lesenden Ansicht nicht darauf geschlossen werden, dass die anderweitig nicht zu begründende Wiederholungsgefahr vorliegt,5 sofern die Rechtsverteidigung ausdrücklich mit deren Fehlen begründet wird.
11a
bb) Erstbegehungsgefahr Neben der Wiederholungsgefahr kommt zur Begründung des Unterlassungsanspruchs gegenüber Medien in Ausnahmefällen die Darlegung der bevor_______________
1 BGH AfP 1987, 597 = NJW 1987, 2225 – Pressemäßige Sorgfalt; OLG Karlsruhe AfP 2006, 170 = NJW 2006, 617 = ZUM 2006, 226; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 262; Einzelheiten oben § 15 Tz. 5 ff. 2 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 267 m. Nachw. 3 OLG Hamburg AfP 2003, 349. 4 OLG München AfP 2004, 60 = NJW-RR 2003, 1487 = ZUM 2003, 870 – Esra. 5 OLG Hamburg NJW-RR 1996, 90 – RTL Aktuell; OLG Köln AfP 1976, 185; Wenzel/ Burkhardt, Kap. 12 Rz. 9.
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12
§ 30 Tz. 13
Zivilrechtliche Ansprüche
stehenden erstmaligen Rechtsverletzung in Betracht. Sie setzt voraus, dass der Betroffene von der bevorstehenden Rechtsverletzung Kenntnis erlangt. Das wird bei noch nicht erfolgter Medienberichterstattung nur in seltenen Ausnahmekonstellationen und namentlich aufgrund von Indiskretionen der Fall sein, durch die dem Betroffenen aus Redaktionen unter Verletzung arbeitsrechtlicher Verschwiegenheitspflichten bereits fertiggestellte oder in Arbeit befindliche Manuskripte zugespielt werden. 13
Die tatsächliche Vermutung, die Medien stünden im Begriff, bestimmte Tatsachenbehauptungen zu verbreiten, kann sich aber auch aus der Recherchetätigkeit der Medien und namentlich der Nachfrage beim Betroffenen selbst ergeben. Wird er im Rahmen der Recherche mit hinreichend klaren Behauptungen konfrontiert, um ihm die Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen, so wird er nicht selten allein daraus die Überzeugung gewinnen, dass die betreffende Redaktion entschlossen ist, die infrage stehende Behauptung unabhängig von seiner Stellungnahme zu veröffentlichen, und mit dieser Begründung die Erstbegehungsgefahr darzulegen versuchen. Die Rechtsprechung1 geht aber mit Recht davon aus, dass die Begehungsgefahr mit Recherchemaßnahmen nicht begründet werden kann. Das gilt auch im Fall des Drehens von Filmaufnahmen für einen Fernsehbeitrag, solange nur Rohmaterial vorliegt und nicht fest steht, welchen konkreten Inhalt ein geplanter Bericht haben wird.2 Würde diese Frage anders entschieden, müsste dies im Ergebnis dazu führen, dass Redaktionen aus der Befürchtung, mit vorbeugenden Unterlassungsansprüchen überzogen zu werden und dadurch beabsichtigte Veröffentlichungen konkret zu gefährden, auf gebotene Recherchemaßnahmen und insbesondere die vielfach von der Rechtsprechung geforderte Anhörung des Betroffenen3 verzichten.
13a
Auch aus behaupteter Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung kann ohne Darlegung des konkreten Inhalts der daraus entstehenden Veröffentlichung die Erstbegehungsgefahr nicht abgeleitet werden. Mit der zutreffenden Begründung, dass die behauptete Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung allein kein Grund für die vom Kläger angenommene Rechtswidrigkeit der bevorstehenden Ausstrahlung einer Fernsehreportage war,4 hat der Bundesgerichtshof5 daher den Erlass eines vorbeugenden Unterlassungsurteils abgelehnt, mit dem die Ausstrahlung von nach Auffassung des Klägers im Wege des Hausfriedensbruchs erlangtem Filmmaterial verhindert werden sollte. Die Erstbegehungsgefahr kann daher in aller Regel nur dann dargelegt
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1 OLG Hamburg AfP 1992, 279; OLG Hamburg AfP 2000, 188 = ZUM 2000, 163; OLG Karlsruhe AfP 2006, 482 = NJW-RR 2006, 1551; OLG Karlsruhe AfP 2008, 213 = NJWRR 2008, 1259 = ZUM-RD 2009, 75; LG Köln AfP 2003, 173; LG Frankfurt/Main AfP 1991, 545; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 269 m.w.N.; a.A. LG Hamburg NJW 2003, 1952. 2 LG Stuttgart AfP 2003, 471. 3 OLG Frankfurt/Main AfP 2003, 63 = NJW-RR 2003, 37; dazu oben § 2 Tz. 22 ff. 4 Dazu im Einzelnen oben § 12 Tz. 72 ff. 5 BGH AfP 1998, 399 = NJW 1998, 2141 = ZUM 1998, 566 = WRP 1998, 768 – Appartmentanlage.
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Unterlassungsanspruch
Tz. 15 § 30
werden, wenn der Betroffene von einem fertiggestellten Artikel1 oder nach anderer Auffassung jedenfalls einem Rohmanuskript2 Kenntnis erlangt und dem Gericht die entsprechenden Materialien im Rahmen des beanspruchten vorläufigen Rechtsschutzes vorlegen bzw. ihren Inhalt glaubhaft machen kann.3 Ohne konkrete Kenntnis bevorstehender Berichterstattung kommen vorbeugende einstweilige Verfügungen zur Verhinderung der Veröffentlichung bestimmter Informationen nur in spezifisch gelagerten Ausnahmekonstellationen in Betracht, wenn der Betroffene zwar keine Kenntnis von einer Veröffentlichungsabsicht hat, die Veröffentlichung aufgrund bestimmter Umstände aber naheliegt und sich aus ihr voraussehbar eine konkrete Gefährdung höherwertiger Rechtsgüter wie des Lebens oder der Gesundheit eines Betroffenen ergeben würde.4 Mit dieser Begründung hat das Landgericht Hamburg im Fall der Entführung eines Kindes, dessen Ermordung für den Fall des Bekanntwerdens der Entführung in der Öffentlichkeit angedroht worden war, den in Betracht kommenden Hamburger Presseverlagen auf Antrag der Familie des Entführten ein zeitlich beschränktes Veröffentlichungsverbot auferlegt.5 Im Normalfall scheitern Versuche, den Medien Berichterstattung vorbeugend untersagen zu lassen, aber daran, dass der Betroffene die bevorstehende Rechtsverletzung nicht hinreichend deutlich darlegen kann.6
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2. Durchsetzung a) Abmahnung Bevor derjenige, der von Medienberichterstattung in seinen Rechten verletzt ist, gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt, ist er gehalten, die Medien abzumahnen, sie mithin außergerichtlich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufzufordern. Nur eine solche Erklärung ist geeignet, anstelle einer gerichtlichen Entscheidung die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Das entspricht ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung7 und Schrifttum.8 Anderes gilt nach Auffassung einer Reihe von Oberlandesgerichten nur in Fällen vorsätzlichen9 oder jedenfalls grob rechtswidrigen10 Verhaltens der Medien, von dem nur in besonderen Ausnahmefällen wie etwa offen_______________
1 LG Frankfurt/Main AfP 1991, 545; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 269; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 9. 2 OLG Hamburg AfP 2000, 188. 3 Vgl. auch OLG Dresden NJW-RR 2009, 833. 4 Senfft, NJW 1980, 367. 5 Entscheidung v. 19.10.1977, unveröffentlicht; zu den Einzelheiten dieses Falls Damm/Rehbock, Rz. 573 Fußn. 1554. 6 Mathy/Wendt, AfP 1982, 144, 154; OLG Dresden NJW-RR 2009, 833. 7 OLG Düsseldorf AfP 1982, 4; OLG Köln AfP 1985, 61; OLG Köln AfP 1990, 51; OLG Hamburg WRP 1986, 292; LG Köln AfP 1997, 834. 8 Damm/Rehbock, Rz. 819; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 106; Löffler/Ricker, Kap. 44 Rz. 9 f. 9 OLG Düsseldorf AfP 1982, 44; OLG Köln AfP 1995, 506. 10 OLG Köln AfP 1995, 506; OLG Köln AfP 1990, 51; OLG Düsseldorf AfP 1982, 44; OLG München AfP 2001, 69 = NJW-RR 2001, 42 = ZUM-RD 2001, 484.
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§ 30 Tz. 15a
Zivilrechtliche Ansprüche
kundiger Schmähkritik wird ausgegangen werden können, während die Abmahnung nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg1 auch in schwerwiegenden Fällen nicht entbehrlich ist. Seine gegenteilige Auffassung,2 bei medienrechtlichen Unterlassungsansprüchen seien Abmahnungen vor Einleitung gerichtlicher Verfahren prinzipiell nicht erforderlich, hat das Oberlandesgericht München3 inzwischen mit Recht aufgegeben. Insbesondere das Argument, das Erfordernis der Abmahnung verzögere die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs, überzeugt im Zeitalter von Telekopie und E-Mail nicht mehr, die es dem in aller Regel anwaltlich vertretenen Verletzten und dem Medienunternehmer ermöglichen, wegen einer etwaigen freiwilligen Anerkennung des Unterlassungsanspruchs binnen kürzester Fristen miteinander zu kommunizieren. 15a
Die von den Medien gegebenenfalls abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung bedarf der Annahme durch den Betroffenen; nur so kommt als Grundlage einer etwaigen Vertragsstrafeforderung im Verletzungsfall der erforderliche Unterlassungsvertrag zustande. Allerdings kann und wird in der Regel die Annahmeerklärung konkludent erteilt werden, da die Medien im Fall der Abgabe einer geforderten Unterwerfungserklärung davon ausgehen können, dass sie dem Willen des Verletzten entspricht, und folglich eine förmliche Annahmeerklärung nicht erwartet werden kann.4 Weicht aber die Annahmeerklärung nur in einem nicht ganz unwesentlichen Detail vom Wortlaut der geforderten Erklärung ab, dann bedarf sie, um Wirkung zu entfalten, der förmlichen Annahme durch den Betroffenen.5 Unterlässt er die Abgabe der Annahmeerklärung, dann kann er im späteren erneuten Verletzungsfall die ihm in der Unterwerfungserklärung angebotene Vertragsstrafe nicht fordern.6
15b
Lässt sich ein Betroffener bei der Abmahnung anwaltlich vertreten und ist die Abmahnung begründet, so hat der in Anspruch genommene Verlag oder Rundfunkveranstalter die gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts zu tragen. Wenngleich für derartige Maßnahmen in der Regel in erster Linie anwaltliche Gebühreninteressen und nicht sachliche Gesichtspunkte maßgeblich sind, lässt es die Rechtsprechung anders als im Wettbewerbsrecht7 zu, dass mehrere Unterlassungsschuldner wie etwa ein Verlag und ein Autor in getrennten Verfahren abgemahnt und dementsprechend mehrere getrennte Kostenerstattungsansprüche geltend gemacht werden.8 Auch wenn ein Verlag zwei Zeitschriften verbreitet, in denen zeitgleich identische Rechtsverletzungen begangen werden, soll es unter dem Aspekt der Kostenpflicht statthaft sein, diese _______________
1 OLG Hamburg WRP 1995, 1037. 2 OLG München AfP 1992, 285 = NJW-RR 1992, 731; OLG München v. 22.2.1996 – 21 W 817/96, unveröffentlicht. 3 OLG München AfP 2001, 69 = NJW-RR 2001, 42 = ZUM-RD 2001, 484. 4 BGH NJW-RR 2002, 1613 = GRUR 2002, 824 = WRP 2002, 1075. 5 BGH NJW-RR 2002, 1613 = GRUR 2002, 824 = WRP 2002, 1075. 6 OLG Karlsruhe AfP 2009, 270. 7 Vgl. dazu nur BGH NJW-RR 2006, 474 = GRUR 2006, 243 = WRP 2006, 354 – MEGA SALE. 8 KG AfP 2006, 254; LG Berlin AfP 2009, 72.
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Unterlassungsanspruch
Tz. 17 § 30
Rechtsverletzungen in jeweils getrennten Verfahren zu verfolgen.1 Anwälte, die Betroffene vertreten, pflegen in der Regel auch mehrere aus einer Rechtsverletzung resultierende Unterlassungsansprüche wie etwa denjenigen gegen eine Wortberichterstattung und denjenigen gegen die Veröffentlichung eines begleitenden Lichtbilds separat zu verfolgen und auf diese Weise die Kostenlast der Abgemahnten zu erhöhen, was nach Auffassung der Rechtsprechung ebenfalls zulässig sein soll.2 Eine derartige Aufteilung in einem inneren Zusammenhang stehender Verletzungshandlungen in unterschiedliche Verfahren mit der Folge einer Erhöhung der Kostenlast ist jedoch in der Regel nicht durch sachgerechte Interessen zu rechtfertigen, so dass der in Anspruch genommene Verlag oder Rundfunkveranstalter in der Regel nur verpflichtet sein wird, die Kosten der Abmahnung nach den zusammen gerechneten Streitwerten der getrennt geltend gemachten Ansprüche zu tragen.3 Lediglich die Kosten der gesonderten Geltendmachung eines Gegendarstellungsanspruchs sind gesondert zu ermitteln und dem Betroffenen gegebenenfalls zu erstatten,4 während im Hauptsacheverfahren verfolgte Unterlassungs-, Berichtigungs- und gegebenenfalls Schadenersatzansprüche als Folge einer einheitlichen Rechtsverletzung auch einheitlich geltend zu machen und kostenrechtlich abzuwickeln sind.5 Erwirkt ein Betroffener eine einstweilige Verfügung und lässt er dem Unterlassungsschuldner zur Vermeidung eines anschließenden Hauptsacheverfahrens ein so genanntes Abschlussschreiben zustellen, so steht ihm dafür ein gesonderter Gebührenerstattungsanspruch zu.6
15c
Da die Gefahr besteht, dass eine vom Betroffenen beantragte und gegebenenfalls ohne mündliche Verhandlung erlassene einstweilige Verfügung aufgrund des einseitigen Parteivorbringens des Betroffenen zu Unrecht ergeht und damit ein materiell unzulässiger Eingriff in die Presse- oder Rundfunkfreiheit der Medien begangen wird, dürfen richtigerweise einstweilige Verfügungen, die ohne vorherige Abmahnungen beantragt werden, nicht ohne mündliche Verhandlung erlassen werden. Die Abmahnung ersetzt insoweit auch das anderenfalls durch das Gericht zu gewährende rechtliche Gehör. Unterbleibt aber die Abmahnung und erkennen die Medien den geltend gemachten Unterlassungsanspruch im gerichtlichen Verfahren sogleich an, so hat der Verletzte nach § 93 ZPO die Verfahrenskosten zu tragen.
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b) Verfahren Für Streitigkeiten über zivilrechtliche Unterlassungsansprüche gegenüber Medienäußerungen ist ausnahmslos der Zivilrechtsweg eröffnet. Das gilt auch _______________
1 LG Berlin AfP 2009, 71. 2 LG Berlin AfP 2009, 69 = ZUM 2009, 488. 3 BGH AfP 1990, 202 = NJW-RR 1990, 1184 = GRUR 1990, 1012 – Pressehaftung I, offen gelassen bei BGH AfP 2008, 189 = NJW-RR 2008, 656 = ZUM 2008, 435 = GRUR 2008, 367; BGH WRP 2009, 992 – gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit. 4 Oben § 29 Tz. 49. 5 BGH AfP 1990, 202 = NJW-RR 1990, 1184 = GRUR 1990, 1012 – Pressehaftung I. 6 BGH AfP 2008, 192 = NJW 2008, 1744 = ZUM-RD 2008, 587 = GRUR-RR 2008, 368 = WRP 2008, 805 – Kostenerstattung Abschlussschreiben.
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17
§ 30 Tz. 18
Zivilrechtliche Ansprüche
im Fall behaupteter Rechtsverletzungen durch den öffentlichrechtlichen Rundfunk,1 durch Presseerklärungen öffentlichrechtlicher Krankenkassen2 sowie für Äußerungen von Regierungsmitgliedern oder Beamten, soweit sie in Gestalt von Medieninterviews verbreitet werden.3 Demgegenüber sind rein behördliche Verlautbarungen als Ausprägung hoheitlicher Betätigung gegebenenfalls vor den Verwaltungsgerichten zu verfolgen.4 Die Zuständigkeit der Zivilgerichte für etwaige Ansprüche gegen die Medien wegen der Verbreitung derartiger Verlautbarungen bleibt davon aber unberührt. 18
Örtlich zuständig für die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen ist nach § 32 ZPO neben dem Sitz des Verlags oder des Rundfunkveranstalters und gegebenenfalls dem Wohnsitz des- oder derjenigen, die im Einzelfall persönlich in Anspruch genommen werden können, das Gericht an dem Ort, an dem die unerlaubte Handlung begangen worden ist. Das ist bei Medienäußerungen jeder Ort, an dem sie bestimmungsgemäß verbreitet worden sind. Man spricht insoweit vom fliegenden Gerichtsstand der Medien. Bei bundesweit verbreiteten Zeitungen oder Zeitschriften sowie bundesweit empfangbaren Hörfunk- und Fernsehsendungen kann der Betroffene seine Unterlassungsansprüche daher, abhängig allein vom Streitwert, bei jedem deutschen Amtsoder Landgericht geltend machen. Bei regional verbreiteten Medien kommt es auf die bestimmungsgemäße Verbreitung an.5 Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung wird danach etwa dann nicht am Verbreitungsort begründet, wenn ein Urlaubsreisender eine Ausgabe eines ausschließlich an seinem bayerischen Ferienort erhältlichen Lokalblatts mit in seine norddeutsche Heimat nimmt. Hingegen kommt es auf die Anzahl derjenigen Exemplare, die regelmäßig und damit bestimmungsgemäß in eine bestimmte Region verbreitet werden, nicht an.6 Im Extremfall kann bei Printmedien ein regelmäßig ausgeliefertes Abonnementsexemplar zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit bereits ausreichen.7 Bei regionalen oder lokalen Rundfunkveranstaltern sind die normalen Empfangsmöglichkeiten maßgeblich.
18a
Besondere Probleme ergeben sich aus der Begründung des fliegenden Gerichtsstands für die Verbreitung rechtsverletzender Inhalte über das Internet. Da dessen Inhalte nicht nur im Inland, sondern weltweit abrufbar sind, führt dieser Gerichtsstand auch nicht nur zu einer stets anzunehmenden Zuständigkeit aller Gerichte in Deutschland, sondern darüber hinaus zu einer Art Weltgerichtsbarkeit. Nach dem deutschen Tatort-Prinzip könnten deutsche Gerichte ihre Zuständigkeit für alle Inhalte weltweit in Anspruch nehmen, und jedes Gericht der Welt wäre nach diesem Prinzip auch für in Deutschland _______________
1 BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; BVerwG NJW 1994, 2500; OLG Koblenz GRUR 1973, 42 – Lebach I. 2 BGH NJW 2003, 1192. 3 OLG Düsseldorf AfP 1980, 46; a.A. OVG Münster NJW 1995, 1629, das ohne Begründung die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs wegen einer Äußerung des Bundesgesundheitsministers im ZDF angenommen hat. 4 BVerwG NJW 1989, 412. 5 OLG Köln AfP 1988, 146; OLG Frankfurt/Main GRUR 1989, 136. 6 BGH AfP 1977, 385 = NJW 1977, 1590 = GRUR 1978, 194 – Profil. 7 KG GRUR 1989, 134 – Rhein-Zeitung; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 121.
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Unterlassungsanspruch
Tz. 19 § 30
generierte Inhalte zuständig. Das würde auch in den in der Praxis gelegentlich vorkommenden Fällen gelten, dass namentlich wohlhabende Betroffene ein deutsches Medium in einem Drittsaat verklagen, zu dem die angegriffene Berichterstattung zwar keinen Anknüpfungspunkt hat, von dessen Rechtsordnung sie sich aber schärfere Sanktionen und insbesondere höhere Schadenersatzzahlungen versprechen, als sie in Deutschland erzielbar sind; auch in umgekehrter Richtung mussten sich deutsche Gerichte auf dieser Basis bereits mit fremdsprachlichen Medienberichten aus Drittstaaten ohne Anknüpfung an das Inland befassen.1 Erforderlich ist daher die segmentspezifische Übertragung des Rechtsgedankens der bestimmungsgemäßen Verbreitung auf dieses Medium mit der Folge, dass die örtliche Zuständigkeit nur dort begründet ist wo sich ein hinreichender Sachbezug zu der angegriffenen Meldung ergibt.2 Anderes ist auch der Entscheidung des Bundesgerichtshofs3 zur Strafbarkeit der aus dem Ausland in das Internet eingestellten Auschwitz-Lüge nicht zu entnehmen, da dieses Delikt stets den zu fordernden Inlandsbezug hat. Nach diesem Maßstab sind die deutschen Gerichte für aus dem Ausland über das Internet verbreitete Inhalte nur zuständig, wenn diese einen klaren Inlandsbezug haben. Und innerhalb Deutschlands ist der fliegende Gerichtsstand nur in den Fällen zu begründen, in denen eine umstrittene Meldung im Internet einen überregionalen Bezug aufweist. Ergibt sich hingegen aus dem Inhalt einer deutschen Internet-Meldung ein klarer Bezug zu nur einer Region oder Gemeinde, dann liegt auch nur dort der die Zuständigkeit eines Gerichts begründende Erfolgsort.
18b
Wie die Gegendarstellung kann auch der Unterlassungsanspruch im Verfahren der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Darin liegt sein Vorzug für diejenigen, die sich von Medienberichterstattung in ihren Rechten verletzt fühlen. Sie können schnell reagieren und in geeigneten Fällen ihrerseits die Öffentlichkeit wissen lassen, dass sie reagiert und den Medien die weitere Verbreitung einer sie betreffenden Äußerung mit Hilfe des Gerichts untersagt haben. Insbesondere in den nicht seltenen Fällen, in denen die Gerichte von der Möglichkeit des Erlasses einstweiliger Verfügungen ohne mündliche Verhandlung Gebrauch machen, findet eine Sachverhaltsprüfung im eigentlichen Sinn vor der gerichtlichen Entscheidung nicht statt.4 Sie wird dann in das Widerspruchsverfahren verlagert, in dem der in Anspruch genommene Verlag oder Rundfunkveranstalter seine Sachdarstellung und seine Glaubhaftmachungs- oder Beweismittel vorbringen kann. Insbesondere in umfangreichen und komplizierten Verfahren wird es sich für die Medien häufig empfehlen, anstelle der Durchführung des Widerspruchsverfahrens den Be-
19
_______________
1 OLG Düsseldorf AfP 2009, 159 = NJW-RR 2009, 701. 2 OLG Köln NJW-RR 2008, 359 = ZUM-RD 2008, 130 = MMR 2008, 342; OLG Düsseldorf AfP 2009, 159 = NJW-RR 2009, 701; LG Düsseldorf AfP 2008, 224 = ZUM-RD 2008, 482; LG Krefeld AfP 2008, 99; grundlegend für den Bereich von Kennzeichenverletzungen BGH NJW 2005, 1435 = GRUR 2005, 431 = WRP 2005, 493 – Hotel Maritime; a.A. KG AfP 2006, 258 = ZUM-RD 2008, 272. 3 BGH NJW 2001, 624 = MMR 2001, 228; dazu oben § 12 Tz. 46. 4 Zur Darlegungs- und Beweislast unten Tz. 22 ff.
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§ 30 Tz. 20
Zivilrechtliche Ansprüche
troffenen über § 926 ZPO zu zwingen, die Hauptsacheklage zu erheben, um alsdann im ordentlichen Verfahren die Richtigkeit der eigenen Darstellung mit den normalen Beweismitteln des Zivilprozesses und ohne den einer gründlichen Sachaufklärung oft hinderlichen Zeitdruck des Verfügungsverfahrens nachzuweisen. 20
Sachlich zuständig sind für medienrechtliche Unterlassungsklagen bei (seltenen) Streitwerten bis zu 5.000 Euro die Amts- und bei höheren Streitwerten die Landgerichte. Die in der Vorauflage noch behandelte Frage, inwieweit Unterlassungsansprüche vermögensrechtlicher oder nicht vermögensrechtlicher Natur sind, hat in der Praxis keine Bedeutung mehr, nachdem die früher nur für nicht vermögensrechtliche Ansprüche vorgesehene Zulassungsrevision zum Bundesgerichtshof seit dem 1. Januar 2002 für alle zivilrechtlichen Streitigkeiten vorgeschrieben ist.1
21
Ergehen vollstreckbare gerichtliche Unterlassungsurteile oder entsprechende einstweilige Verfügungen, so sind die Medien, entsprechend der auch außerhalb des Medienrechts geltenden Rechtslage, gehalten, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um einen Verstoß gegen den Unterlassungstitel zu verhindern. Dazu gehören insbesondere organisatorische Vorkehrungen, die sicherstellen, dass die Mitarbeiter des in Anspruch genommenen Verlags oder Rundfunkveranstalters sich an das Unterlassungsgebot halten. Hierzu reichen allgemeine Hinweise an das Archiv nicht aus.2 Erforderlich sind vielmehr konkrete Hinweise an die einzelnen Mitarbeiter des Archivs und Anweisungen, die sicherstellen, dass dort abgespeicherte oder sonstwie archivierte Hinweise auf ein bestehendes Veröffentlichungsverbot bei der Behandlung der einschlägigen Thematik nicht unbeachtet bleiben können.
21a
Allerdings kann und muss ein Unterlassungsanspruch vom Verpflichteten nur insoweit erfüllt werden, als er noch die Herrschaft über das von ihm betroffene Medium hat. Das ist gerade bei den aktuellen Printmedien in der Regel nicht der Fall, weil sie im Rahmen festgelegter Vertriebskonzepte unmittelbar nach der Produktion an die verschiedenen Stufen des Pressevertriebs ausgeliefert werden; auch fertig produzierte Bücher werden im Regelfall jedenfalls mit dem größten Teil der Auflage alsbald nach Abschluss der Produktion über Grossisten an den Buchhandel ausgeliefert und befinden sich dann nicht mehr in der Verfügungsgewalt der Verlage. Daher läuft der ohnehin zukunftsgerichtete Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Mehrheit der eine Rechtsverletzung enthaltenden Exemplare faktisch leer.
21b
Um diesem als unbefriedigend empfundenen Zustand zu begegnen, wird im Schrifttum3 unter dem Stichwort des Rückrufanspruchs eine Verpflichtung der Verlage erörtert, in Erfüllung gerichtlicher Unterlassungsgebote oder als eine gesondert durchzusetzende Verpflichtung von einem gerichtlichen _______________
1 § 542 ZPO in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses v. 27.6.2001, BGBl. I, 1887. 2 OLG Hamburg NJW-RR 1993, 1392. 3 Paschke/Busch, NJW 2004, 2620 ff.; Prinz/Peters, Rz. 517; Wenzel/Burkhardt, Kap. 15 Rz. 17 ff.; Paschke/Wanckel, Abschnitt 47 Rz. 1 ff.
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Unterlassungsanspruch
Tz. 22 § 30
Unterlassungsgebot betroffene Auflagen oder Auflagenteile aus dem Vertrieb zurück zu rufen, um so die faktische Auslieferung an den Leser zu verhindern. Auf diese Weise träfe den Verleger nicht nur die Verpflichtung, innerhalb seines eigenen Unternehmens für die Beachtung des Unterlassungsgebots zu sorgen, sondern auch auf den nachgeordneten Vertriebsstufen. Die damit zusammenhängenden Rechtsprobleme sind vielschichtig und stehen einem derartigen Anspruch in der Regel schon deswegen entgegen, weil die Vertriebsunternehmen rechtlich nicht verpflichtet sind, Rückrufe eines Verlags zu beachten. In fast allen Fällen wird aber einem etwaigen Rückrufanspruch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen stehen, der es fast immer auch dann verbietet, Unterlassungsgebote auf vollständige Druckwerke zu erstrecken, wenn sie sich noch in der Verfügungsgewalt des Verlags befinden.1 Der von der Rechtsprechung bisher mit gutem Grund noch nicht zuerkannte2 Rückrufanspruch kommt daher allenfalls bei ganz außergewöhnlich schwerwiegenden Rechtsverletzungen in Betracht.3 Unterlassungsansprüche gegen im Internet verbreitete Rechtsverletzungen sind bei der Haftung für eigene Inhalte4 dadurch zu erfüllen, dass der Betreiber des infrage stehenden Dienstes die streitgegenständlichen Inhalte vom Server löscht.5 Auch hier reicht eine einmalige Anweisung des Unterlassungsschuldners an den Systemadministrator zur Löschung nicht aus; der Schuldner muss sich vielmehr davon überzeugen, ob der Anweisung Folge geleistet wurde.6 Haftet ein Host- oder Access-Provider für fremde Inhalte, dann gilt nichts anderes, soweit diese Provider überhaupt für Unterlassungsansprüche haften.7
21c
c) Darlegungs- und Beweislast Werden Unterlassungsansprüche gegen Medien mit der Begründung geltend gemacht, bei den von ihnen erfassten Äußerungen handele es sich um unwahre Tatsachenbehauptungen, so stellt sich das in der gerichtlichen Praxis häufig entscheidende Problem der Beweislast, die gerade beim Unterlassungsanspruch unübersichtlich geregelt ist. Der Zivilprozess geht zwar von dem Grundsatz aus, dass derjenige, der einen Anspruch geltend macht, dessen tatbestandliche Voraussetzungen zu beweisen hat. Im Strafprozess führt die gesetzliche Unschuldsvermutung zu einem entsprechenden Ergebnis, ergibt sich jedoch im für Medienstreitigkeiten besonders bedeutsamen Fall der üblen Nachrede gemäß § 186 StGB eine abweichende Regel, da Äußerungen im Sinn dieses Tatbestands bereits dann strafbar sind, wenn sie nicht erweislich wahr sind.8 In allen anderen Fällen kommt eine Verurteilung erst in Betracht, wenn _______________
1 Dazu unten Tz. 30 ff.; zur vergleichbaren Problematik der Haftung der technischen Verbreiter oben § 28 Tz. 14 ff. 2 Nachweise bei Paschke/Busch, NJW 2004, 2620 ff. unter II 2. 3 Prinz/Peters, Rz. 780; Paschke/Wanckel, Abschnitt 47 Rz. 5. 4 Dazu oben § 16 Tz. 17g ff. 5 OLG München AfP 2003, 76 = ZUM-RD 2003, 258. 6 OLG München AfP 2003, 76 = ZUM-RD 2003, 258. 7 Oben § 16 Tz. 17c. 8 Oben § 12 Tz. 12.
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§ 30 Tz. 23
Zivilrechtliche Ansprüche
dem Angeklagten die Erfüllung aller gesetzlichen Tatbestandsmerkmale positiv nachgewiesen wird. Für die Medienberichterstattung haben diese Grundsätze jedoch im Rahmen von Unterlassungsprozessen nur eingeschränkte Bedeutung. Dabei ist hinsichtlich des Tatbestands der üblen Nachrede und der übrigen deliktsrechtlichen Tatbestände zu differenzieren. aa) Darlegungslast 23
Die Erkenntnis, dass es in der Regel nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten möglich ist, den Beweis des Nichtvorhandenseins bestimmter Umstände oder Tatbestandselemente zu führen, solange diese nicht hinreichend konkretisiert werden, führt dazu, dass die Medien in allen Fällen eine erweiterte Darlegungs- bzw. Substantiierungslast trifft.1 Das gilt auch in den Fällen, in denen die eigentliche Beweislast beim Verletzten liegt. Die Unrichtigkeit des Vorwurfs etwa mangelnder Authentizität der Übersetzung eines bestimmten Buchs braucht vom Betroffenen so lange nicht bewiesen zu werden, als derjenige, der den Vorwurf verbreitet, nicht konkret darlegt, in welchen Teilen und aus welchen Gründen die Übersetzung von der Originalvorlage abweicht.2 Können allerdings Medien eine Behauptung nicht vollständig substantiieren, ohne gegen von ihnen zugesagten Informantenschutz zu verstoßen, dann genügen sie ihrer Darlegungslast schon dadurch, dass sie ohne Offenbarung ihrer Quelle diejenigen Umstände vortragen, aufgrund deren sie auf die Richtigkeit der umstrittenen Information geschlossen haben.3 bb) Beweislast
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In der Mehrzahl aller Fälle, in denen über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit durch die Medien verbreiteter Tatsachenbehauptungen gestritten wird, wird dem Streit die Auffassung des Verletzten und Klägers zugrunde liegen, die nach seiner Darstellung falsche Meldung sei geeignet, ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder seinen sozialen Geltungsanspruch sonstwie zu beeinträchtigen; sie ist dann tatbestandlich im Sinn von § 186 StGB. Aus der in dieser Bestimmung enthaltenen Risikoverteilung4 folgt die berichterstattungsfeindliche Beweislastregel, dass derjenige, der eine im Sinn von § 186 StGB tatbestandsmäßige Behauptung aufstellt oder verbreitet, im Streitfall ihre Richtigkeit zu beweisen hat. Die allgemeinen Beweislastregeln kehren sich also im Anwendungsbereich dieser Bestimmung und damit in der weitaus größten Anzahl der streitigen Fälle zu Lasten der Medien und ihrer Angehörigen um.5 Können sie den Nachweis der Richtigkeit der verbreiteten _______________
1 BGH NJW 1974, 1710 = GRUR 1975, 36 – Arbeitsrealitäten; BGH AfP 1975, 911 = NJW 1975, 1882 = GRUR 1976, 210 – Geist von Oberzell; Damm/Rehbock, Rz. 826; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 133. 2 BGH AfP 1975, 804 = GRUR 1975, 89 – Brüning-Memoiren I. 3 LG Köln AfP 2007, 153. 4 Oben § 12 Tz. 10 ff. 5 Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 188 – Türkol; BGH AfP 1987, 597 = NJW 1987, 2225 – Pressemäßige Sorgfalt; BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 273; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 134.
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Unterlassungsanspruch
Tz. 26 § 30
Behauptung nicht führen, wird die Unterlassungsklage auch dann erfolgreich sein, wenn der Verletzte seinerseits den Nachweis ihrer Unrichtigkeit ebenfalls nicht führen kann. Das gilt auch dann, wenn die Medien vortragen, zur Führung des ihnen obliegenden Beweises deswegen nicht in der Lage zu sein, weil sie dem oder den in Betracht kommenden Zeugen Informantenschutz zugesichert haben.1 Die Führung des Beweises durch mittelbare Zeugen oder im Wege der Parteivernehmung verklagter Redakteure ist in diesen Fällen aber jedenfalls dann möglich, wenn die Medien in der Lage sind, konkret darzulegen, aus welchen Gründen die so gewonnenen Informationen zuverlässig sind.2 Die dargestellte Beweislastregel gilt nach ständiger Rechtsprechung allerdings dann nicht, wenn die Medien bei der Verbreitung der umstrittenen Behauptung in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt haben. Dann wird durch eine abermalige Umkehr der Beweislast die generelle Regel wiederhergestellt, dass Unklarheiten in der Sachverhaltsaufklärung zu Lasten des Klägers gehen.3 Das bedeutet aber nicht, dass dem Betroffenen die Möglichkeit abgeschnitten werden darf, nun seinerseits den Nachweis der Unwahrheit der umstrittenen Behauptung zu führen. Nur wenn er den vom Verletzer in Wahrnehmung berechtigter Interessen zusammengetragenen Belegtatsachen nichts entgegenzusetzen hat, was zu deren Widerlegung geeignet ist, dürfen die Gerichte davon ausgehen, dass der Beweis weder für die Wahrheit noch für die Unwahrheit geführt werden kann und die Klage daher abzuweisen ist.4 Die weitere Verbreitung der nicht erweislichen Behauptung darf dann demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, nicht untersagt werden, solange er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf.5 Das gilt auch in einer Gegenschlag-Situation, in der der Betroffene den Vorwurf, er habe in einem maßgeblichen Punkt die Unwahrheit gesagt, seinerseits als Lüge bezeichnet.6
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Dabei ist nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass den Medien der Nachweis dafür obliegt, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Rechtfertigungsgrunds der Wahrnehmung berechtigter Interessen7 im Einzelfall vorliegen. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs8 auch diese Frage am Grundrecht der Presse- bzw. Rundfunkfreiheit zu messen. Steht die Unwahrheit der aufgestellten Behauptung nicht fest, so ist zunächst zugunsten der Medien zu unterstellen, dass sie wahr ist. Von dieser Unterstellung aus ist sodann zu prüfen, ob sie zur Wahrnehmung berechtigter
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_______________
1 OLG Hamburg NJW-RR 1992, 1378. 2 OLG Hamburg NJW-RR 1992, 1378; oben § 11 Tz. 17. 3 BGH NJW 1981, 2117 = GRUR 1981, 616 – Abgeordnetenprivileg; BGH AfP 1985, 116 = NJW 1985, 1621 = GRUR 1986, 188 – Türkol; BGH AfP 1987, 597 = NJW 1987, 2225 – Pressemäßige Sorgfalt; BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär; OLG Nürnberg ZUM 1998, 849. 4 BVerfG AfP 1999, 57 = NJW 1999, 1322 = ZUM 1999, 236 – Helnwein. 5 BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär. 6 OLG Köln AfP 1991, 438. 7 Dazu oben § 15 Tz. 5 ff. 8 BGH AfP 1987, 597 = NJW 1987, 2225 – Pressemäßige Sorgfalt.
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§ 30 Tz. 26a
Zivilrechtliche Ansprüche
Interessen aufgestellt oder verbreitet worden ist.1 Haften die Medien etwa mangels hinreichender Distanzierung für den Inhalt eines von ihnen verbreiteten Zitats,2 so reicht zur Darlegung der Wahrnehmung berechtigter Interessen das öffentliche Interesse am Inhalt des Zitats allein nicht aus, vielmehr muss die Darlegung hinzukommen, dass und auf welche Weise eine Redaktion sich von der Zuverlässigkeit des Inhalts des Zitats überzeugt hat.3 26a
Keiner besonderen Darlegung der Voraussetzungen der Wahrnehmung berechtigter Interessen bedarf es lediglich im Anwendungsbereich von § 190 Satz 1 StGB. Nach dieser Bestimmung kommt eine strafrechtliche Verurteilung wegen einer Beleidigung nicht in Betracht, wenn es um die Behauptung der Begehung einer strafbaren Handlung durch den Betroffenen geht und dieser wegen der in Rede stehenden Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Diese Bestimmung ist entsprechend der Beweislastregel des § 186 StGB in das Zivilrecht zu transponieren und enthebt die Medien in den einschlägigen Fällen der Notwendigkeit der Beweisführung.4 Ob dies auch in der umgekehrten Situation des § 190 Satz 2 StGB gilt, der für den Bereich des Strafrechts die Führung des Wahrheitsbeweises ausschließt, wenn der Betroffene vom Vorwurf der behaupteten Straftat rechtskräftig freigesprochen worden ist, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.5 Die Medien werden sich in einem solchen Fall zur Rechtfertigung des erneuten Vorwurfs, der Betroffene haben die Straftat doch begangen, aber regelmäßig nicht mehr auf den Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen können und daher nach der Regel des § 186 StGB ihrerseits den Wahrheitsbeweis führen müssen.
26b
Das Recht, sich zur Darlegung der Einhaltung der zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlichen Sorgfalt auf Vorveröffentlichungen anderer Medien zu berufen, steht in der politischen oder weltanschaulichen Auseinandersetzung nur Bürgerinitiativen6 oder auch Einzelpersonen zu.7 An die Darlegung der Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt durch die Medien stellt die Rechtsprechung8 demgegenüber im Allgemeinen höhere Anforderungen.
27
Macht ein Betroffener unter Berufung auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB einen Unterlassungsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend, so muss er nach § 920 Abs. 2 ZPO in diesem Verfahren als Anspruchsteller unabhängig von der dargestellten Beweislastregel die Voraussetzungen seines Anspruchs und damit in der Regel die Unwahrheit einer von ihm bestrittenen Behauptung glaubhaft machen.9 § 284 ZPO erlaubt aber die Glaubhaft_______________
1 BGH AfP 1987, 597 = NJW 1987, 2225 – Pressemäßige Sorgfalt.; BGH AfP 1989, 669 = NJW-RR 1990, 1058 = GRUR 1989, 781 – Wünschelrute. 2 Dazu oben § 16 Tz. 51 ff. 3 OLG Hamburg NJW-RR 1993, 734. 4 BGH AfP 1985, 204 – Nachtigall II; OLG Dresden AfP 1998, 410. 5 Vgl. hierzu OLG Dresden AfP 1998, 410. 6 BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer. 7 OLG Hamburg NJW-RR 1993, 1056 – Grundstücksgeschäfte der Scientology-Kirche. 8 BVerfG AfP 1992, 53 = NJW 1992, 1439 – Bayer; BVerfG AfP 1999, 57 = NJW 1999, 1322 = ZUM 1999, 236 – Helnwein; Einzelheiten oben § 2 Tz. 8 ff. 9 OLG Düsseldorf GRUR 1959, 550; OLG Stuttgart GRUR 1962, 526.
688
Unterlassungsanspruch
Tz. 29b § 30
machung bereits mittels einer eigenen eidesstattlichen Versicherung des Betroffenen, so dass er diesem Erfordernis in der Regel schnell und unproblematisch genügen kann. Wird ein Unterlassungsanspruch nicht auf den Tatbestand der üblen Nachrede, sondern auf sonstige Tatbestände und insbesondere denjenigen der Kreditgefährdung gemäß § 824 BGB gestützt, so gelten die allgemeinen Beweislastregeln. Der klagende Verletzte muss dann beweisen, dass die Behauptung, deren weitere Verbreitung er mit der Unterlassungsklage verhindern will, unwahr ist. Die nur für den Bereich der üblen Nachrede geltende Beweislastumkehr gilt in diesen Fällen nicht.1
28
d) Verbotsumfang Medienberichterstattung ist in unserer Rechtsordnung prinzipiell frei. Verbote stellen unweigerlich eine Einschränkung dieser Freiheit dar und dürfen daher nur erlassen werden, sofern und soweit sie zur Durchsetzung entgegenstehender Rechte unabweislich sind. Schon hieraus folgt, dass sich ein gerichtliches Unterlassungsgebot stets an der konkreten Verletzungsform zu orientieren und sich darauf auch zu beschränken hat.2 Die Verbreitung eines ganzen Artikels etwa darf daher nicht bereits deswegen verboten werden, weil in ihm eine oder mehrere rechtswidrige Äußerungen enthalten sind.
29
Bei Wortberichterstattung ist das Verbot vielmehr auf die konkreten Äußerungen zu beschränken, deren Rechtswidrigkeit das Gericht im Einzelfall feststellt. Es geht auch nicht an, das Gebot der Anknüpfung an die konkrete Verletzungsform dadurch zu unterlaufen, dass ein Verbot der Veröffentlichung bestimmter Behauptungen „ohne aktuellen Anlass“ beantragt und ausgesprochen wird,3 da ein derartiges Verbot mangels Konkretisierung nicht vollstreckungsfähig wäre.
29a
Das Erfordernis der Bezugnahme eines beantragten gerichtlichen Verbots auf die konkrete Verletzungsform führt allerdings bei verdeckten Behauptungen zu Schwierigkeiten.4 Hierzu verlangt die Praxis zum Teil5 und zu Unrecht, dass der Betroffene in einschlägigen Auseinandersetzungen die Aussage, die er dem Text als verdeckte Behauptung entnimmt, offen formuliert und sie als solche zum Gegenstand insbesondere seines Unterlassungsantrags macht. Gleiches gilt für das Verbot von Eindrücken.6 Das setzt dann jeweils voraus, dass der Unrechtsgehalt der verdeckten Behauptung oder des erweckten Ein-
29b
_______________
1 BGH GRUR 1972, 435, 439 – Grundstücksgesellschaft; Damm/Rehbock, Rz. 830; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 139. 2 BGH AfP 1975, 911 = NJW 1975, 1882 = GRUR 1976, 210 – Geist von Oberzell; OLG Hamburg AfP 1990, 128; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 270; Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 152. 3 KG NJW-RR 2005, 1711 = ZUM 2005, 891 = WRP 2005, 1418. 4 Oben § 16 Tz. 44e. 5 OLG München NJW-RR 1996, 926; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 270; a.A. OLG München AfP 2000, 174 = ZUM 1999, 331. 6 Oben § 16 Tz. 40 ff.
689
§ 30 Tz. 29c
Zivilrechtliche Ansprüche
drucks von der konkreten Verletzungsform abstrahiert und verallgemeinert wird.1 Bei Eindrucksberichterstattung ist dies problematisch, weil sich daraus häufig ein zu unbestimmter und damit prozessual unzulässiger Unterlassungsanspruch ergeben wird;2 hier ist es zum Mindesten erforderlich, durch Aufnahme der beanstandeten konkreten Formulierung in die Fassung des Unterlassungsgebots deutlich zu machen, worauf sich das Verbot in seiner konkreten Ausgestaltung erstreckt. Nach richtiger Auffassung3 ist indessen die Abstraktion von der konkreten Verletzungsform und die daraus folgende Verallgemeinerung des Verbots auch in diesen Fällen nicht nur nicht geboten; sie ist im Hinblick auf den Eingriffscharakter eines derart abstrahierten Verbots und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht einmal zulässig.4 Denn die Rechtswidrigkeit folgt ja gerade aus der konkreten Art der Kombination mehrerer Einzelaussagen, die bei isolierter Betrachtung jeweils für sich rechtmäßig sind. Ergibt sich aus dieser Kombination eine unwahre verdeckte Behauptung oder ein irreführender Eindruck, dann ist das die Konsequenz aus der konkreten Verletzungsform; der Verletzer kann das rechtswidrige Ergebnis vermeiden, indem er die für sich wahren und damit rechtmäßigen Einzelbehauptungen in einer anderen Weise kombiniert und erneut verbreitet. Auch in diesen Fällen ist daher die konkrete Verletzungsform der richtige und verfassungsrechtlich gebotene Anknüpfungspunkt für die Formulierung des Unterlassungsgebots. 29c
Ein Gesamtverbot kommt daher bei Wortberichterstattung richtiger Auffassung nach allenfalls dann in Betracht, wenn aufgrund der Besonderheit der Materie eine Aussonderung des rechtswidrigen Teils einer Darstellung im Einzelfall nicht möglich ist.5 Der Bundesgerichtshof hat dies etwa angenommen im Fall des von ihm als rechtswidrige Schmähschrift angesehenen Romans Mephisto von Klaus Mann6 oder eines aufgrund der konkreten Umstände insgesamt als rechtswidrig angesehenen Theaterstücks.7 In Fällen herkömmlicher Medienberichterstattung darf ein Gesamtverbot demgegenüber nicht ausgesprochen werden.
29d
Im Zusammenhang mit rechtswidriger Bildberichterstattung spricht demgegenüber insbesondere das Oberlandesgericht Hamburg8 Gesamtverbote aus, durch die es den Verlagen untersagt, das Foto eines Prominenten nicht nur in Anknüpfung an die konkrete Verletzungsform erneut zu veröffentlichen, sondern generell und unter allen Umständen. Das Gericht9 rechtfertigt ein _______________
1 BGH NJW 1980, 2807 = GRUR 1980, 1090 – Medizin-Syndikat I; BGH NJW 1984, 467 – Das unmögliche Möbelhaus; BGH NJW 1991, 254 – Unbestimmter Unterlassungsantrag. 2 OLG München AfP 2000, 174 = ZUM 1999, 331; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 271. 3 OLG München AfP 2000, 174 = ZUM 1999, 331. 4 BVerfG NJW 2004, 1942 = ZUM 2004, 560. 5 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 270. 6 BGH NJW 1968, 1773 = GRUR 1968, 552 – Mephisto. 7 BGH AfP 1975, 911 = NJW 1975, 1882 = GRUR 1976, 210 – Geist von Oberzell. 8 OLG Hamburg AfP 2006, 369; OLG Hamburg AfP 2008, 623 = NJW 2009, 784 = GRUR-RR 2009, 95. 9 OLG Hamburg AfP 2006, 369.
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Unterlassungsanspruch
Tz. 30 § 30
solches generelles Verbot mit der Erwägung, es unterliege einer immanenten Schranke des Inhalts, dass es nicht greift, wenn in bestimmten Situationen eine Abbildung des Betroffenen gerechtfertigt ist. Dieses Argument ist aber nicht tragfähig, weil es den Medien in Situationen, in denen eine Abbildung des Betroffenen erlaubt scheint, das Risiko aufbürdet, mit der Abbildung gegen ein bestehendes gerichtliches Verbot zu verstoßen.1 Diese Praxis errichtet damit eine Hürde für die Bildberichterstattung, die mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar ist. Der Erlass genereller, von der konkreten Verletzungshandlung abstrahierender Verbote ist vielmehr auch im Zusammenhang mit Bildveröffentlichungen genau so wenig statthaft wie im Rahmen von Wortberichterstattung. Gerade aus der neueren Rechtsprechung zum abgestuften Schutzkonzept beim Recht am eigenen Bild2 ergibt sich zwingend, dass die Veröffentlichung insbesondere so genannter kontextneutraler Fotos in einem thematischen Zusammenhang unzulässig, in einem anderen hingegen zulässig sein kann. Es ist daher nur konsequent und sachlich zutreffend, dass der Bundesgerichtshof3 nunmehr auch für den Bereich der Bildberichterstattung den Erlass generalisierender Unterlassungsgebote für unzulässig erklärt und zugleich ausgesprochen hat, dass auch ein Verbot so genannter kerngleicher Bildberichterstattung nicht in Betracht kommen kann.4 Wie im Bereich der Wortberichterstattung ist daher nun auch im Bereich der Bildberichterstattung der Unterlassungsanspruch durch Bezugnahme auf die umstrittene Quelle der Veröffentlichung und gegebenenfalls den verbalen Kontext der Bildveröffentlichung5 auf die konkrete Verletzungsform zu beschränken.
29e
e) Beschränkung des Unterlassungsanspruchs Die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs insbesondere im Wege einstweiliger Verfügungen kann für die Medien und besonders für die Presse im Einzelfall zu einer erheblichen Belastung werden und nicht nur die Freiheit ihrer Berichterstattung – im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 GG zulässigerweise –, sondern auch ihre wirtschaftliche Betätigung empfindlich beeinträchtigen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn gerichtliche Unterlassungsgebote sich gegen die Verbreitung solcher Äußerungen richten, die sich in bereits fertiggestellten bzw. in einem fortgeschrittenen Produktionsstadium befindlichen Druckwerken finden. Die dann unter Umständen notwendig werdende Vernichtung einer ganzen Ausgabe einer Zeitung oder Zeitschrift würde zu _______________
1 BGH WRP 2009, 990 – Andrea Casiraghi mit Fliege. 2 Dazu im Einzelnen oben § 21 Tz. 2h und 15 ff. 3 BGH AfP 2004, 267 = NJW 2004, 1795 = ZUM 2004, 465 = GRUR 2004, 592 = WRP 2004, 772 – Charlotte Casiraghi; BGH AfP 2008, 187 = NJW 2008, 1593 = ZUM 2008, 437 = GRUR 2008, 446 = WRP 2008, 495; BGH WRP 2009, 990 – Andrea Casiraghi mit Fliege. 4 Vgl. auch BGH AfP 2004, 267 = NJW 2004, 1795 = ZUM 2004, 465 = GRUR 2004, 592 – Begleitperson II; KG ZUM-RD 2007, 53 (Vorinstanz); KG AfP 2006, 477 = NJWRR 2007, 47 = ZUM 2007, 538 = GRUR 2007, 80 – Zärtliche Freundschaft; KG AfP 2006, 479 = NJW-RR 2007, 109 = ZUM 2006, 872 = GRUR 2007, 82. 5 Lettl, NJW 2008, 2160 ff.
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30
§ 30 Tz. 31
Zivilrechtliche Ansprüche
untragbaren wirtschaftlichen Verlusten und obendrein zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Verhinderung der Verbreitung auch des rechtlich unbedenklichen Teils des betreffenden Periodikums führen. Auch durch die erzwungene Neugravur etwa eines für die Produktion im Tiefdruckverfahren erforderlichen Druckzylinders können bereits hohe finanzielle Belastungen entstehen. Zwar gilt auch hier, dass jedenfalls derjenige, der eine einstweilige Verfügung vollzieht, die später auf einen Rechtsbehelf hin aufgehoben wird, nach § 945 ZPO schadenersatzpflichtig ist. Nur wenige Betroffene werden aber über die finanziellen Mittel verfügen, derartige Schäden tatsächlich auszugleichen. Vor allem aber stellt sich das Problem der unter Umständen untragbaren Auswirkungen des Vollzugs einer einstweiligen Unterlassungsverfügung nicht minder gravierend bei solchen Unterlassungsgeboten, die in der Sache zu Recht erlassen werden. 31
Dieser Situation hat der Gesetzgeber im Bereich der strafprozessualen Beschlagnahmeregeln Rechnung getragen, indem er dort1 für jede Beschlagnahme die besondere Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich anordnet. Für den gesetzlich nicht im Detail geregelten zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch kann im Ergebnis nichts Anderes gelten.2 Auch seine Durchsetzung kann die Erfüllung des Informationsauftrags der Medien dann, wenn er bereits fertig gestellte oder in einem fortgeschrittenen Produktionsstadium befindliche Druckwerke betrifft, in gleicher Weise beeinträchtigen wie eine strafprozessuale Beschlagnahme, und auch die gravierenden wirtschaftlichen Folgen entsprechen einander.
32
Dem muss die Praxis der erstinstanzlich tätigen Gerichte in aller Regel in der Weise Rechnung tragen, dass bereits fertig gestellte bzw. für den Druck abgeschlossene3 Ausgaben der betreffenden Zeitung oder Zeitschrift vom Unterlassungsgebot ausgenommen werden, sofern sich nicht im Wege der Güterabwägung im seltenen Einzelfällen ausnahmsweise ergibt, dass der durch die Verbreitung der Druckschrift entstehende Schaden im Hinblick auf die Art der Rechtsverletzung denjenigen überwiegt, der durch die Verhinderung der Verbreitung eintritt.4 Der strafprozessuale Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel ist dabei als Auslegungsmaßstab heranzuziehen5 mit der Folge, dass das Verbot durch die Gerichte von Amts wegen einzuschränken und dies jedenfalls bei vorbeugenden Unterlassungsgeboten auch durch die Fassung des Tenors des gerichtlichen Verbots zum Ausdruck zu bringen ist. Im Regelfall des im Wege der einstweiligen Verfügung beantragten Verbreitungsverbots ist in diesem Zusammenhang jedenfalls dann, wenn die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht, ergänzend zu berücksichtigen, dass das Verbot ohne Gewährung rechtlichen Gehörs erlassen wird. Bei dieser Einschrän_______________
1 Oben § 27 Tz. 4 ff. 2 OLG Hamburg ArchPR 1969, 58; OLG München AfP 1974, 631; OLG Düsseldorf AfP 1985, 51; OLG Frankfurt/Main GRUR 1985, 395; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 272. 3 Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt oben § 29 Tz. 51. 4 OLG Hamburg ArchPR 1969, 58; im Ergebnis auch Wenzel/Burkhardt, Kap. 12 Rz. 147. 5 OLG Hamburg ArchPR 1969, 58.
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Unterlassungsanspruch
Tz. 32 § 30
kung des Unterlassungsgebots handelt es sich richtiger Ansicht nach nicht um die aus dem Wettbewerbsrecht bekannte Figur der Gewährung einer Aufbrauchfrist,1 sondern um eine dem Unterlassungsanspruch bereits im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG immanente Beschränkung. Sie muss daher im Wege der Auslegung gerichtlicher Unterlassungsgebote selbst dann gelten, wenn sie durch deren Wortlaut nicht ausdrücklich angeordnet worden ist.
_______________
1 A.A. Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 272.
693
§ 31 Berichtigungsansprüche 1
Als zivilrechtliche Folge von Medienberichterstattung kommt ferner die Durchsetzung von Berichtigungsansprüchen in Betracht. Diese Ansprüche sind von denjenigen auf Abdruck einer Gegendarstellung scharf zu unterscheiden. Handelt es sich bei der Gegendarstellung um die persönliche Erklärung des Betroffenen, die in der Regel ohne Klärung der Frage nach der Wahrheit oder Unwahrheit der Erstmitteilung zu veröffentlichen ist, so handelt es sich bei der Berichtigung um das Gegenstück des Unterlassungsanspruchs unter dem Aspekt der Folgenbeseitigung. Die Berichtigung wird von denjenigen, die für den Inhalt von Medienberichterstattung zivilrechtlich verantwortlich sind,1 gegebenenfalls als eigene Erklärungen geschuldet. Daraus folgt, dass insbesondere der Abdruck einer Gegendarstellung des Betroffenen auf dessen etwaigen Berichtigungsanspruch ohne Einfluss ist. Dessen Erfüllung kann regelmäßig nicht mit der Begründung verweigert werden, dass bereits eine Gegendarstellung erschienen ist.2 1. Voraussetzungen a) Rechtsverletzung
2
Wie der als Störungsbeseitigung konzipierte Unterlassungsanspruch, so ist auch der als Folgenbeseitigungsanspruch zu verstehende zivilrechtliche Berichtigungsanspruch gesetzlich unmittelbar nicht geregelt, sondern der Bestimmung des § 1004 BGB über den Schutz des Eigentümers vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen entlehnt. Wie jener setzt er nicht nur die Unwahrheit der beanstandeten Äußerung, sondern zusätzlich die Verletzung deliktsrechtlich geschützter Rechtsgüter im Sinn der §§ 823, 824 BGB voraus.3 Wertneutrale Falschmeldungen, die zwar objektiv unwahr sind, den Betroffenen aber nicht in seinen geschützten Rechten verletzen, scheiden wie beim Unterlassungsanspruch als Anknüpfungspunkt für die Geltendmachung von Berichtigungsansprüchen aus.4
3
Als Folgenbeseitigungsanspruch ist auch der Berichtigungsanspruch verschuldensunabhängig, wenngleich er vom durchschnittlichen Leser oder Hörer fraglos als eine Art Schuldeingeständnis des veröffentlichenden Mediums verstanden werden wird und insoweit auch einen kompensatorischen Charakter hat, der ihn dogmatisch jedenfalls in die Nähe des Schadenersatzanspruchs rückt.5 Nicht abschließend geklärt ist daher die Frage, ob gegenüber einer in Wahrnehmung berechtigter Interessen veröffentlichten Berichterstattung die Geltendmachung eines Berichtigungs-, und insbesondere eines Widerrufs_______________
1 2 3 4
Oben § 28 Tz. 1 ff. Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 290; Wenzel/Gamer, Kap. 13 Rz. 41. Dazu oben § 30 Tz. 3 ff.; Wenzel/Gamer, Kap. 13 Rz. 21. BGH AfP 1992, 361 = NJW-RR 1992, 93 = GRUR 1992, 527 – Plagiatsvorwurf II; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 290. 5 Seyfarth, NJW 1999, 1287, 1293.
694
Berichtigungsansprüche
Tz. 4a § 31
anspruchs in Betracht kommt. Anders als beim Unterlassungsanspruch handelt es sich hier um ein Problem weder der Wiederholungsgefahr noch der Beweislast.1 Da eine Berichtigung ohnehin nur verlangt werden kann, wenn die Unwahrheit der verbreiteten Meldung positiv feststeht,2 wirkt sich die Umkehr der Beweislast als Folge der Rechtfertigung durch den Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen in diesem Zusammenhang nicht aus. Aus der Feststellung, dass eine in Wahrnehmung berechtigter Interessen verbreitete falsche Behauptung nicht rechtswidrig und damit nicht tatbestandsmäßig im Sinn der deliktsrechtlichen Normen ist,3 an die auch der Folgenbeseitigungsanspruch anknüpft, drängt sich die Folgerung auf, dass mangels Vorliegens einer unerlaubten Handlung auch die Durchsetzung von Berichtigungsansprüchen nicht möglich ist, wenn die Medien bei der Verbreitung der betreffenden Behauptung nicht rechtswidrig gehandelt haben. Diese Konsequenz hat jedoch die Rechtsprechung nicht gezogen und sich statt dessen auf den Standpunkt gestellt, dass die nachträgliche Feststellung der Unwahrheit einer Behauptung zwar nicht deren ursprüngliche Verbreitung, wohl aber deren Weiterwirken in der Öffentlichkeit rechtswidrig macht. Hieraus leitet sich die Feststellung nachträglicher Tatbestandsmäßigkeit mit der Folge ab, dass neben Unterlassungsansprüchen auch Berichtigungsansprüche geltend gemacht werden können, sofern die Unwahrheit der in Rede stehenden Behauptung fest steht.4
3a
Rechtsdogmatisch ist die Auffassung, die ursprünglich rechtmäßige Verbreitung einer unrichtigen Behauptung werde nachträglich rechtswidrig, nicht zu halten, und verfassungsrechtlich ist sie wegen des kompensatorischen Elements des Berichtigungsanspruchs, das grundsätzlich schuldhaftes Handeln des Verletzers voraussetzt, bedenklich,5 wenngleich sie einem kaum zu leugnenden praktischen Bedürfnis entgegenkommen mag. Denn dass es im Einzelfall als unbillig empfunden werden und beim Betroffenen auf wenig Verständnis stoßen würde, wenn gegenüber Meldungen, deren Unwahrheit nachträglich festgestellt wurde, ein Berichtigungsanspruch mit der Begründung versagt werden würde, die Verbreitung der Meldung sei rechtmäßig gewesen, liegt auf der Hand.6
4
Dennoch erscheint es zweifelhaft, ob die Rechtsprechung an der Fiktion der nachträglichen Rechtswidrigkeit festhalten kann, nachdem der Bundesgerichtshof7 mit Recht festgestellt hat, dass im Fall der Wahrnehmung berech-
4a
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Oben § 30 Tz. 7 ff. und 24 ff. Unten Tz. 6. Oben § 15 Tz. 2 ff. BGH NJW 1960, 672 – La Chatte; BGH NJW 1966, 647 – Reichstagsbrand; BGH AfP 1986, 333 = NJW 1997, 1398 – Kampfanzug unter der Robe; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 287; Wenzel/Gamer, Kap. 13 Rz. 24; anders für den Fall rechtmäßiger Verdachtsberichterstattung BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; dazu unten Tz. 16. 5 Seyfarth, NJW 1999, 1287, 1294. 6 Wenzel/Gamer, Kap. 13 Rz. 23; Damm/Rehbock, Rz. 868. 7 BGH AfP 1987, 597 = NJW 1987, 2225 – Pressemäßige Sorgfalt; vgl. auch BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung.
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§ 31 Tz. 5
Zivilrechtliche Ansprüche
tigter Interessen auch die ansonsten im Rahmen von §§ 823 Abs. 2 BGB, 186 StGB geltende Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht besteht. Geht man aber im Interesse eines umfassenden Persönlichkeitsschutzes trotz der bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken von dieser Fiktion aus, dann kann der Berichtigungsanspruch nur nach einer besonders sorgfältigen Prüfung der Frage zugesprochen werden, ob die andauernde Rechtsverletzung tatsächlich nur durch eine veröffentlichte Berichtigung beseitigt werden kann.1 Und auch wenn diese Frage zu bejahen ist, kommt der Berichtigungsanspruch in diesen Fällen nur in abgeschwächter Form in Betracht.2 Jedenfalls die Formulierung der Berichtigung muss dann der Tatsache Rechnung tragen, dass die Medien bei der Verbreitung der zu berichtigenden Meldung nicht nur guten Glaubens, sondern in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt haben.3 Das kann etwa in Gestalt einer Klarstellung geschehen, dass eine Behauptung nach der inzwischen erfolgten Klärung des Sachverhalts nicht aufrechterhalten oder nicht weiter verbreitet werden wird.4 b) Beschränkung auf Tatsachenbehauptungen 5
Wie der Gegendarstellungs-, aber anders als der Unterlassungsanspruch kann eine Berichtigung von den Medien nur als Sanktion der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen gefordert werden.5 Die Berichtigung einer Meinungsäußerung im Wege einer den Medien aufgezwungenen Erklärung kommt nicht in Betracht, weil es mit der Gewährleistung der freien Meinungsäußerung durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar wäre, mittels gerichtlicher Entscheidungen Zwang dahingehend auszuüben, dass jemand seine Meinung aufgibt oder eine Meinung äußert, die nicht der eigenen entspricht.6 Grundsätzlich sind auch nur solche Behauptungen widerrufsfähig, die die Medien selbst aufgestellt haben.7 Verbreiten sie Behauptungen Dritter, so kommt ein Berichtigungsanspruch unter Umständen in Gestalt eines Distanzierungsanspruchs in Betracht.8 Auch ein solcher Anspruch entfällt allerdings, wenn die erforderliche Distanzierung schon in der Erstmitteilung enthalten war.9
6
Als Reaktion auf Tatsachenbehauptungen kann der Berichtigungsanspruch nur durchgesetzt werden, wenn die Unwahrheit der beanstandeten Behauptung _______________
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Seyfarth, NJW 1999, 1287, 1294. BGH NJW 1970, 557 = GRUR 1970, 254 – Remington. Seyfarth NJW 1999, 1287, 1294; Damm/Rehbock, Rz. 868; unten Tz. 14. BVerfG NJW 2004, 354; BGH NJW 1960, 672 – La Chatte; BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 287. BGH NJW 1974, 1371 = GRUR 1974, 797 – Fiete Schulze; BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; BGH AfP 1982, 217 = NJW 1982, 2246 = GRUR 1982, 631 – Klinkdirektoren; ständige Rechtsprechung; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 284. BGH NJW 1974, 1371 = GRUR 1974, 797 – Fiete Schulze; BGH AfP 1982, 217 = NJW 1982, 2246 = GRUR 1982, 631 – Klinikdirektoren. Damm/Rehbock, Rz. 864; Wenzel/Gamer, Kap. 13 Rz. 15. BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 286. OLG Köln AfP 1976, 185.
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Berichtigungsansprüche
Tz. 6a § 31
positiv feststeht.1 Gerichte sind nicht befugt, jemanden dadurch der Gefahr der Verbreitung von Unwahrheiten auszusetzen, dass sie ihn zur Veröffentlichung von Behauptungen verurteilen, die ihrerseits möglicherweise unzutreffend sind.2 Dabei kommt es im gerichtlichen Verfahren für die Feststellung der Unwahrheit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz an; hat sich zu diesem Zeitpunkt die vom Kläger als unwahr behauptete Meldung aufgrund weiterer Entwicklungen als richtig herausgestellt, dann entfällt damit der geltend gemachte Berichtigungsanspruch, auch wenn er anfänglich begründet erschien.3 Insbesondere die Veröffentlichung von Tatsachenbehauptungen, die zwar wahr sind, deren Bekanntgabe aber schlechthin oder zum infrage stehenden Zeitpunkt als Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unzulässig ist, löst keinen Widerrufsanspruch aus.4 Niemand kann zum Widerruf einer wahren Tatsachenbehauptung gezwungen werden.5 Gleiches gilt für mehrdeutige Äußerungen, die nach dem Verständnis des Durchschnittslesers oder -hörers eine Deutung zulassen, die inhaltlich zutrifft und damit keine Rechtsverletzung darstellt.6 Gerade in diesem Zusammenhang beansprucht die Zweifels- oder Variantenlehre Geltung, die als Interpretationsmaxime dahingehend anzuwenden ist, dass unter mehreren möglichen Deutungen von Äußerungen der Medien derjenigen der Vorzug zu geben ist, die den Betroffenen am wenigsten belastet und nicht zur Verurteilung des angeblichen Verletzers führt.7 Daran hat der Stolpe-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts8 nichts geändert, das keinen Zweifel daran gelassen hat, dass es sich bei der Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Berichtigung um eine Sanktion handelt, die den Medien nicht auferlegt werden darf, wenn nicht eine zwingende Deutung der Erstmitteilung dies gebietet. Trotz Unaufklärbarkeit des Sachverhalts kann andererseits die Verurteilung zur Veröffentlichung eines eingeschränkten Widerrufs ausnahmsweise dann zulässig sein, wenn es, insbesondere bei lange zurückliegenden Tatbeständen, an jedem ernstlichen Anhaltspunkt für die Wahrheit eines erhobenen Vorwurfs fehlt. Ist es jedoch auch nach durchgeführter Beweisaufnahme noch möglich, dass die umstrittene Behauptung wahr ist, kommt die Verurteilung zur Veröffentlichung einer Berichtigung unter keinen Umständen in Betracht.9
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1 BGH AfP 2008, 381 = NJW 2008, 2262 = ZUM 2009, 61 = WRP 2008, 114 – Richtigstellungsanspruch des BKA; BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; ständige Rechtsprechung; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 285. 2 BGH NJW 1962, 1438 – Eheversprechen. 3 OLG Karlsruhe AfP 2003, 338 = NJW-RR 2003, 688 = ZUM-RD 2003, 249. 4 OLG Köln AfP 1975, 866. 5 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 285. 6 OLG Dresden AfP 1993, 496. 7 BGH AfP 1998, 506 = NJW 1998, 3047 = GRUR 1999, 187 = ZUM 1998, 834 – IM Sekretär; KG AfP 1999, 369. 8 BVerfG AfP 2005, 544 = AfP 2006, 41 = NJW 2006, 207 = ZUM-RD 2006, 1 = WRP 2006, 61 – Stolpe/IM Sekretär; dazu oben § 14 Tz. 11a ff. 9 BGH AfP 1978, 23 = NJW 1977, 1681 = GRUR 1977, 745 – Wohnstättengemeinschaft; Wenzel/Gamer, Kap. 13 Rz. 64 ff. m.w.N.
697
6a
§ 31 Tz. 7 7
Zivilrechtliche Ansprüche
Die Aussage, dass Berichtigungsansprüche nur gegenüber Tatsachenbehauptungen geltend gemacht werden können, wird allerdings dadurch relativiert, dass die Rechtsprechung1 die Möglichkeit bejaht hat, den Verleger einer Zeitschrift zur Veröffentlichung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu verpflichten, mit der er einem Unterlassungsanspruch als Folge einer ehrverletzenden Meinungsäußerung entsprochen hatte. Auch die Veröffentlichung des Tenors eines eine Tatsachenbehauptung betreffenden unanfechtbaren Unterlassungsurteils kann nach dieser Rechtsprechung gefordert werden. Auch in diesen Fällen handelt es sich jedoch um Folgenbeseitigungsmaßnahmen durch gerichtlich aufgezwungene Medienveröffentlichungen. Betrifft der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung daher eine Tatsachenbehauptung, muss auch bei dieser Form der Berichtigung der Grundsatz gelten, dass nur solche Tatsachenbehauptungen Gegenstand eines entsprechenden Urteils sein können, deren Unrichtigkeit feststeht.2 Gegenteiliges kann auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs3 zur Veröffentlichungsbefugnis bei Ehrverletzungen gefolgert werden, da es dort nicht um die Richtigstellung von falschen Tatsachenbehauptungen, sondern um die Beseitigung der Folgen einer Schmähkritik geht. c) Erforderlichkeit
8
Bei der Verpflichtung der Medien zur Veröffentlichung einer Berichtigung handelt es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit, der zwar durch §§ 823, 1004 BGB als allgemeinen Gesetzen im Sinn von Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt sein kann,4 der aber die Medien im Hinblick auf die Notwendigkeit der Veröffentlichung einer Erklärung, mit der sie sich im Ergebnis selbst ins Unrecht setzen,5 nichtsdestoweniger stark belastet.6 Zusätzlich zur positiven Feststellung der Unwahrheit der zu berichtigenden Behauptung verlangt die Rechtsprechung daher die an den konkreten Umständen des Einzelfalls und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Feststellung, dass die Veröffentlichung der Berichtigung zur Beseitigung einer fortdauernden Rufbeeinträchtigung des Betroffenen erforderlich ist.7 Dabei ist abzuwägen zwischen dem Interesse des Betroffenen an der Wiederherstellung seines Rufs auf dem Wege der öffentlichen Berichtigung und dem Interesse der Medien, einmal geäußerte Behauptungen nicht förmlich zurücknehmen zu müssen. Erforderlich ist ein objektives Berichtigungsbe_______________
1 BGH AfP 1987, 412 = NJW 1987, 1400 – Veröffentlichungsbefugnis bei Ehrenschutz; OLG München AfP 1989, 747 = NJW-RR 1990, 1435 – Zwangsdemokrat I. 2 LG Hamburg v. 14.1.1994 – 324 O 607/94, unveröffentlicht. 3 BGH AfP 1987, 412 = NJW 1987, 1400 – Veröffentlichungsbefugnis bei Ehrenschutz. 4 BVerfG AfP 1998, 184 = NJW 1998, 1381 = ZUM 1998, 315 – Gegendarstellung auf der Titelseite. 5 BGH NJW 1982, 1805 = GRUR 1982, 318 – Schwarzer Filz; BGH AfP 1984, 33 = NJW 1984, 1104 = GRUR 1984, 301 – Kleiner Kreis; BGH AfP 1992, 361 = NJW-RR 1992, 936 = GRUR 1992, 527 – Plagiatsvorwurf II. 6 BGH NJW 1982, 1805 = GRUR 1982, 318 – Schwarzer Filz; BGH AfP 1984, 33 = NJW 1984, 1104 = GRUR 1984, 301 – Kleiner Kreis; BGH AfP 1992, 361 = NJW-RR 1992, 936 = GRUR 1992, 527 – Plagiatsvorwurf II; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 289. 7 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 289.
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Berichtigungsansprüche
Tz. 8b § 31
dürfnis. Ein bloßes Genugtuungsinteresse des Betroffenen oder gar der Wunsch, den Verfasser des beanstandeten Berichts zu demütigen, reicht zur Begründung des Berichtigungsanspruchs nicht aus.1 Unter diesem Aspekt ist besondere Zurückhaltung geboten gegenüber Berichtigungsforderungen des Staats oder seiner Untergliederungen. Wie schon im Bereich der Gegendarstellung2 ist auch im vorliegenden Zusammenhang zu beachten, dass dem Staat und seinen Untergliederungen weder die Grundrechte der Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG noch außerhalb des Anwendungsbereichs von §§ 90a, 90b StGB ein besonderer straf- oder zivilrechtlicher Ehrenschutz zustehen.3 Nicht jede Unwahrheit, deren Feststellung bei einer natürlichen Person einen Berichtigungsanspruch auslösen würde, kommt mithin als Anknüpfungspunkt für Berichtigungsansprüche öffentlicher Stellen in Betracht. Es bedarf vielmehr der einzelfallbezogenen Feststellung einer besonders gravierenden Rufbeeinträchtigung, die sich auf die Rechtsstellung einer Behörde oder sonstigen staatlichen Stelle nachteilig auswirken und ihr Erscheinungsbild gegenüber der Öffentlichkeit erheblich beeinträchtigen kann.4 Das hat der Bundesgerichtshof5 etwa angenommen im Fall der Behauptung, das Bundeskriminalamt habe Geheiminformationen über einen international gesuchten Top-Terroristen manipuliert, der als der gefährlichste Mann der Welt bezeichnet worden war. Demgegenüber wurde ein Berichtigungsanspruch gegenüber der Behauptung, das Bundeskanzleramt habe einen fälschlich zu hoch bezifferten Betrag in die Ausstattung des individuellen Arbeitszimmers der Ehefrau des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder in den Räumen des Bundeskanzleramts investiert, mit der zutreffenden Erwägung verneint, die insoweit genannte überhöhte Zahl und die aus ihrer Veröffentlichung resultierenden Beeinträchtigung der Belange des Staats erreiche nicht annähernd die Intensität, die einen Richtigstellungsanspruch der Bundesrepublik ausnahmsweise rechtfertigen könne.6
8a
Besonders zu beachten ist unter dem Aspekt der Erforderlichkeit einer Berichtigung stets auch der Gesichtspunkt der Aktualität. Wer sich nach Kenntnisnahme von einer ihn betreffenden unwahren, ehrenrührigen Tatsachenbehauptung mit der Geltendmachung eines Berichtigungsanspruchs außergewöhnlich viel Zeit lässt und dafür keine schlüssige Erklärung geben kann, gibt durch sein eigenes Verhalten zu verstehen, dass er die von der falschen Meldung ausgehende Beeinträchtigung für nicht so gravierend hält, dass die Durchsetzung des Berichtigungsanspruchs erforderlich ist. Zwar fehlt es in diesem Zusammenhang an dem für das Gegendarstellungsrecht ausdrücklich gesetzlich begründeten Kriterium der unverzüglichen Geltendmachung des
8b
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1 BGH AfP 1978, 23 = NJW 1977, 1681 = GRUR 1977, 745 – Wohnstättengemeinschaft; BGH AfP 1984, 33 = NJW 1984, 1104 = GRUR 1984, 301 – Kleiner Kreis. 2 Dazu oben § 29 Tz. 9b. 3 Oben § 13 Tz. 16 ff.; LG Hamburg AfP 2002, 450 = ZUM-RD 2003, 48. 4 BerlinerVerfGH AfP 2008, 593 = NJW 2008, 3491 = ZUM-RD 2008, 393. 5 BGH AfP 2008, 381 = NJW 2008, 2262 = ZUM 2009, 61 = WRP 2008, 114 – Richtigstellungsanspruch des BKA; ebenso OLG Hamburg AfP 2007, 488. 6 LG Hamburg AfP 2002, 450 = ZUM-RD 2003, 48.
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§ 31 Tz. 9
Zivilrechtliche Ansprüche
Anspruchs,1 und man wird von der Erforderlichkeit von Reaktionen innerhalb der dort geltenden engen Zeiträume daher nicht ausgehen können. Die Rechtsprechung2 erkennt aber an, dass einem Berichtigungsverlangen wegen Zeitablaufs das Rechtsschutzbedürfnis fehlen kann.3 Dafür reicht nach Auffassung des Bundesgerichtshofs allerdings ein Zeitraum von sieben Monaten zwischen Veröffentlichung der Erstmitteilung und Erhebung der Berichtigungsklage nicht aus. Das Oberlandesgericht Karlsruhe4 etwa hat aber den Fortfall des Rechtsschutzbedürfnisses angenommen in einem Fall, in dem ein Betroffener erst ein Jahr nach Verbreitung der ihn betreffenden Erstmitteilung eine Widerrufsklage erhob. Das erscheint zutreffend. Denn wer sich mit der Geltendmachung des Anspruchs derart lange Zeit lässt, der lässt zugleich erkennen, dass nach seinem eigenen ursprünglichen Empfinden die Beeinträchtigung nicht die für einen Berichtigungsanspruch erforderliche Intensität aufweist; daran kann dann auch eine spätere Sinnesänderung nichts mehr ändern. Das Landgericht Hamburg5 geht daher zutreffend von einer widerleglichen Vermutung dafür aus, dass nach Ablauf eines Jahres nach Veröffentlichung der Erstmitteilung der für die Geltendmachung eines Berichtigungsanspruchs erforderliche Aktualitätsbezug entfällt. Stets wird es aber auf den Zeitraum zwischen der erstmaligen Veröffentlichung der ehrverletzenden Behauptung und der Geltendmachung des Anspruchs auf Veröffentlichung der Berichtigung ankommen; die teilweise sehr lange Dauer der zu dessen Durchsetzung erforderlichen gerichtlichen Verfahren werden die Medien dem Verletzten nicht mit Aussicht aus Erfolg entgegen halten können.6 9
Außerhalb dieser spezifischen Konstellationen wird die gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen im Allgemeinen zu Gunsten der Betroffenen und damit gegen die Medien ausfallen. Die Versagung eines Berichtigungsanspruchs bei feststehender Unwahrheit einer ehrverletzenden Behauptung wird von den Gerichten nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen ernsthaft in Betracht gezogen und dürfte in der gerichtlichen Praxis die Ausnahme darstellen. Als Ergebnis der erforderlichen Abwägung ausgeschlossen sein kann der Berichtigungsanspruch aber etwa in Fällen vorausgegangener Provokation des Betroffenen.7
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Ausgeschlossen ist ein Berichtigungsanspruch auch dann, wenn die Medien die unwahre Behauptung bereits freiwillig widerrufen oder sonst geeignete Maßnahmen zur Störungsbeseitigung ergriffen haben.8 Dabei kommt es für _______________
1 Dazu oben § 29 Tz. 35 ff. 2 BGH AfP 2004, 124 = NJW 2004, 1034 = ZUM 2004, 211 = WRP 2004, 367 – Unechte Frage. 3 BGH GRUR 1998, 415 – Wirtschaftsregister; OLG Hamburg AfP 1971, 105; OLG München AfP 1974, 119. 4 OLG Karlsruhe NJW-RR 2004, 917. 5 LG Hamburg AfP 2007, 273. 6 BGH AfP 2004, 124 = NJW 2004, 1034 = ZUM 2004, 211 = WRP 2004, 367 – Unechte Frage; OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1701. 7 BGH GRUR 1962, 315 – Deutsche Miederwoche; BGH AfP 1992, 361 = NJW-RR 1992, 936 = GRUR 1992, 527 – Plagiatsvorwurf II; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 289. 8 BGH GRUR 1969, 555 – Cellulitis; OLG Köln AfP 1989, 764; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 290.
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Berichtigungsansprüche
Tz. 12 § 31
die Beurteilung der Frage, ob ein an sich begründeter Berichtigungsanspruch aufgrund einseitiger Maßnahmen der Medien entfällt, auch auf die Art und Aufmachung der freiwilligen Störungsbeseitigung an.1 So hat das Oberlandesgericht Düsseldorf2 den Abdruck eines richtigstellenden Leserbriefs des Betroffenen, der mit dem redaktionellen Zusatz versehen war, dass der Betroffene mit seiner Darstellung Recht habe, unbeschadet der Tatsache als ausreichend angesehen, dass die Erstmitteilung im redaktionellen Teil des Hefts, der Leserbrief indessen in dem allerdings gut platzierten Leserbriefteil abgedruckt war. Verlangt der Betroffene neben einer Berichtigung auch den Abdruck einer Gegendarstellung und steht für die betreffende Redaktion die Unwahrheit der beanstandeten Behauptung bereits frühzeitig fest, so kann insbesondere ein redaktioneller Zusatz zur Gegendarstellung, durch den deren inhaltliche Richtigkeit bestätigt wird, ein geeignetes und auch für die Medien zumutbares Mittel freiwilliger Störungsbeseitigung darstellen, das eine Verpflichtung zur späteren Veröffentlichung einer Berichtigung ausschließt.3 d) Ausgestaltung Beim Berichtigungsanspruch gegenüber Medienveröffentlichungen handelt es sich um eine Schöpfung der Rechtspraxis ohne gesetzliche Konkretisierung. Daher gibt es für ihn keine fest vorgeschriebene Form oder Formulierung. In der Praxis hat sich aber eine Reihe von Berichtigungsformen herausgebildet, zu denen insbesondere der Widerruf, die Richtigstellung, die Erklärung, dass eine Behauptung nicht aufrechterhalten wird, die Distanzierung sowie in extremen Ausnahmefällen die Folgeberichterstattung gehören.4 Für sonstige Berichtigungssurrogate besteht demgegenüber kein Rechtsschutzbedürfnis. So kann ein Betroffener insbesondere nicht die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Veröffentlichung oder Meldung verlangen, die er als unwahr bezeichnet oder deren Unwahrheit sogar erwiesen ist.5 Auch im Fall wahrer, aber als Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht unzulässiger Berichterstattung steht dem Betroffenen ein Anspruch auf Abdruck einer redaktionellen Erklärung darüber, dass die Veröffentlichung unrechtmäßig war, nicht zu,6 während ein Anspruch auf Veröffentlichung eines einschlägigen Unterlassungsurteils in Betracht kommen kann.7
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Die klassische und in der Praxis gebräuchlichste Form der Berichtigung ist der förmliche Widerruf. Die Behauptung, deren Unrichtigkeit sich herausgestellt
12
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1 BGH NJW 1982, 1805 = GRUR 1982, 318 – Schwarzer Filz. 2 OLG Düsseldorf AfP 1997, 711; ähnlich für die Rubrik „Rückspiegel“ im Nachrichtenmagazin Der Spiegel, BGH GRUR 1969, 555 – Cellulitis; zum Prinzip der Waffengleichheit unten Tz. 23 ff. 3 OLG Hamburg AfP 1970, 968; OLG Karlsruhe AfP 1989, 542; OLG Köln AfP 1991, 427; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 290; Damm/Rehbock, Rz. 874. 4 Dazu unten Tz. 16; weitere Beispiele bei Damm/Rehbock, Rz. 890 ff.; Wenzel/ Gamer, Kap. 13 Rz. 64 ff.; Prinz/Peters, Rz. 688. 5 BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung. 6 OLG Hamburg NJW-RR 1994, 1437. 7 BGH AfP 1987, 412 = NJW 1987, 1400 – Veröffentlichungsbefugnis bei Ehrenschutz; OLG München AfP 1989, 747 = NJW-RR 1990, 1435 – Zwangsdemokrat I.
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§ 31 Tz. 13
Zivilrechtliche Ansprüche
hat und die im Rahmen der Berichtigung wiederholt wird, „wird widerrufen“. Der förmliche Widerruf setzt ohne Ausnahme die nachgewiesene oder unstreitige Unwahrheit der zu berichtigenden Behauptung voraus.1 13
Anstelle des förmlichen Widerrufs verwendet die Praxis als mildere Form insbesondere die Richtigstellung. Sie eignet sich schon deswegen besser zur Störungsbeseitigung, weil sie sich nicht auf die bloße Negation zu beschränken braucht, sondern unter Umständen erforderliche erläuternde Klarstellungen ermöglicht.2 Die Richtigstellung vermeidet auch die mit der Verurteilung zur Veröffentlichung des förmlichen Widerrufs in der Sicht des Lesers häufig einhergehende und von der Rechtsprechung3 ausdrücklich missbilligte Demütigung des Berichtigungspflichtigen. Es liegt daher in der Regel im Interesse beider Seiten, von diesem im Vergleich zum Widerruf weniger hölzern wirkenden Mittel der Berichtigung Gebrauch zu machen, wo eine Berichtigung als solche unvermeidlich ist. Diese Berichtigungsform bietet sich insbesondere auch in Fällen an, in denen die beanstandete Behauptung nicht schlechthin unwahr ist, durch die Art ihrer Darstellung aber ein falscher Anschein erweckt wird,4 sofern dieser zwingend ist.5 Allerdings wird bei der Richtigstellung die Grenze zur Gegendarstellung des Betroffenen nicht immer hinreichend beachtet. Es geht hier nicht darum, dem Leser die Sicht des Betroffenen zu vermitteln wie bei der Gegendarstellung, sondern darum, objektiv falsch dargestellte Fakten nach Aufklärung des Sachverhalts in geeigneter Weise zurechtzurücken.
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Als eingeschränkter Widerruf wird die Erklärung bezeichnet, eine bestimmte Behauptung werde nicht aufrechterhalten. Sie kommt insbesondere in den Ausnahmefällen in Betracht, in denen Medien trotz Fehlens der positiven Feststellung der Unwahrheit der umstrittenen Behauptung berichtigungspflichtig sind, weil nach der möglichen Klärung des Sachverhalts keine vernünftigen Anhaltspunkte mehr für die Richtigkeit der verbreiteten Behauptung bestehen.6 Auch bei einer ursprünglich rechtmäßigen Meldung7 ist der eingeschränkte Widerruf die geeignete Sanktion, mit der der veröffentlichungspflichtigen Redaktion zugleich Gelegenheit zur Klarstellung gegeben werden kann, dass die ursprüngliche Meldung nicht widerrechtlich war.8 _______________
1 Damm/Rehbock, Rz. 890; Wenzel/Gamer, Kap. 13 Rz. 61. 2 BGH AfP 1987, 502 = NJW-RR 1987, 754 = GRUR 1987, 397 – Insiderwissen; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 373 = ZUM 1996, 308 – Caroline von Monaco II; Prinz/Peters, Rz. 690. 3 BGH AfP 1978, 23 = NJW 1977, 1681 = GRUR 1977, 745 – Wohnstättengemeinschaft; BGH AfP 1984, 33 = NJW 1984, 1104 = GRUR 1984, 301 – Kleiner Kreis. 4 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 373 = ZUM 1996, 308 – Caroline von Monaco II. 5 Oben Tz. 6a. 6 BGH AfP 1978, 73 = NJW 1977, 1681 = GRUR 1977, 745 – Wohnstättengemeinschaft. 7 Oben Tz. 3 ff. 8 BVerfG NJW 2004, 354; BGH NJW 1960, 672 – La Chatte; BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; BGH NJW 1974, 1371 = GRUR 1974, 797 – Fiete Schulze; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 293.
702
Berichtigungsansprüche
Tz. 16a § 31
Nach der Rechtsprechung kommt ferner die Verurteilung der Medien zur Veröffentlichung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, die ein Verlag oder ein Rundfunkveranstalter ohne gerichtliches Verfahren abgegeben hat, oder des Tenors eines unanfechtbaren Unterlassungsurteils in Betracht – dies allerdings nur unter den generell für die Veröffentlichung von Richtigstellungen geltenden Voraussetzungen, mithin nur dann, wenn die Unwahrheit der zu unterlassenden Behauptung positiv feststeht.1 Insoweit decken sich mithin die Voraussetzungen für die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs2 und diejenigen für die Durchsetzung des ihm kongruenten Veröffentlichungsanspruchs nicht. Handelt es sich beim Gegenstand einer Urteilsveröffentlichung um eine Tatsachenbehauptung, deren Unwahrheit sich herausgestellt hat, so sind die Medien allerdings nicht verpflichtet, neben oder nach einer Veröffentlichung des Unterlassungsurteils zusätzlich noch eine förmliche Berichtigung zu veröffentlichen.3
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Einen Anspruch auf Veröffentlichung einer Folgeberichterstattung erkennt die Rechtsprechung4 für den Regelfall nicht an. Der von einem Medienbericht Betroffene hat prinzipiell keinen Rechtsanspruch darauf, dass das betreffende Medium die Fortentwicklung der tatsächlichen Situation oder etwa anderweitig veröffentlichte Kritik zum Anlass für die Veröffentlichung eines Folgeberichts nimmt. Ob und in welchem Sinn die Redaktionen derartigen neuen Entwicklungen durch erneute Berichterstattung Rechnung tragen wollen, steht allein in ihrem Ermessen.5 Vereinzelt hat die Rechtsprechung6 allerdings in Fällen der rechtmäßigen Berichterstattung über strafrechtliche Ermittlungsverfahren einen Anspruch auf Folgeberichterstattung anerkannt, nachdem das infrage stehende Strafverfahren mit einem rechtskräftigen Freispruch geendet hat.
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Diese Fälle betreffen jedoch Ausnahmesituationen, in denen dem Betroffenen schwere strafbare Verfehlungen vorgeworfen worden waren und in denen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts7 die Instanzgerichte nach den Prinzipien der Güterabwägung zum Ergebnis kommen durften, dass der Folgebericht zur Beseitigung einer schweren Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen im Einzelfall geboten war. Verallgemeinerungsfähig sind diese Entscheidungen nicht.8 Der Bundesgerichtshof9 hat in
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7 8 9
Oben Tz. 7. Oben § 30 Tz. 22 ff. BGH GRUR 1966, 272 – Arztschreiber. BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; OLG München AfP 1997, 636 = NJW-RR 1996, 1487; LG Hamburg AfP 1999, 93; Prinz/ Peters, Rz. 694. LG Hamburg AfP 1999, 93. BGH AfP 1972, 220 = NJW 1972, 431 = GRUR 1972, 666 – Freispruch; OLG Hamburg v. 18.2.1997 – 7 U 136/96, unveröffentlicht, bestätigt durch BVerfG AfP 1997, 619 = NJW 1997, 2589; a.A. ausdrücklich BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung. BVerfG AfP 1997, 619 = NJW 1997, 2589. BGH AfP 2000, 167 = NJW 2000, 1036 = WRP 2000, 310 – Namensnennung; a.A. nur Prinz/Peters, Rz. 694. BGH AfP 1972, 220 = NJW 1972, 431 = GRUR 1972, 666 – Freispruch.
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§ 31 Tz. 17
Zivilrechtliche Ansprüche
der wohl einzigen Entscheidung, in der er einen Anspruch auf Veröffentlichung einer Folgeberichterstattung gebilligt hat, selbst darauf hingewiesen, dass eine Verurteilung zur Folgeberichterstattung trotz Rechtmäßigkeit der Erstmitteilung auf den konkreten Ausnahmefall zu beschränken ist. Wegen der beträchtlichen Intensität des Eingriffs in die Pressefreiheit, die mit einer derartigen Verurteilung regelmäßig verbunden ist, ist es in jedem Fall geboten, über die bei jedem Berichtigungsanspruch erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus abzuwägen, ob eine derart gravierende und fortdauernde Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass sie nur durch eine selbständige Folgeberichterstattung beseitigt werden kann.1 Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, dass die Tatsache der Beschuldigung und Anklage des Betroffenen durch den Folgebericht unvermeidlich erneut in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt wird; ohne dessen ausdrückliches Einverständnis kann daher ein Folgebericht über einen Freispruch sogar eine selbständige Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen darstellen.2 2. Durchsetzung a) Verfahrensart aa) Hauptsacheklage 17
Wird der Berichtigungsanspruch nicht freiwillig erfüllt, so ist er im Wege der Hauptsacheklage geltend zu machen. Das folgt aus der Regel, dass eine Verurteilung der Medien zur Veröffentlichung der Berichtigung nur bei festgestellter Unwahrheit zulässig ist. Hinsichtlich der Rechtswegs sowie der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit kann auf die Hinweise zum Unterlassungsanspruch3 verwiesen werden.
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Im Rahmen einer Berichtigungsklage bestimmt der Betroffene durch die Formulierung der von ihm geforderten Berichtigung den Streitgegenstand. Anders als beim Unterlassungsanspruch, bei dem die Gerichte jedenfalls im Verfahren der einstweiligen Verfügung gemäß § 938 ZPO die Möglichkeit haben, als nicht sachdienlich angesehene Unterlassungsanträge dem aus der Sicht des Richters Erforderlichen anzupassen, sind die Gerichte beim Berichtigungsanspruch an den Antrag des Klägers gebunden. Die Formulierung des Klagantrags dient insoweit der notwendigen Beschränkung auf eine bestimmte, erwiesenermaßen unwahre und damit berichtigungsfähige Tatsachenbehauptung, und das Gericht darf von den Anträgen des Betroffenen weder abweichen noch gar über sie hinausgehen.4 Das gilt – anders als bei der Gegendarstellung5 – auch hinsichtlich der konkreten Abdruckanordnung. Verlangt etwa der Betroffene zu Unrecht den Abdruck einer Berichtigung auf einem _______________
1 Seyfarth, NJW 1999, 1287, 1294. 2 OLG Brandenburg NJW-RR 2003, 919; OLG Dresden AfP 1998, 410; vgl. schon oben § 19 Tz. 37. 3 Oben § 30 Tz. 17 ff. 4 BGH AfP 1992, 361 = NJW-RR 1992, 936 = GRUR 1992, 527 – Plagiatsvorwurf II. 5 Oben § 29 Tz. 45 f.
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Berichtigungsansprüche
Tz. 19 § 31
Titelblatt, dann hat das Gericht keine Möglichkeit, eine anderweitige Platzierung anzuordnen, die ihrerseits nicht gefordert wurde; es muss die Berichtigungsklage vielmehr insgesamt abweisen,1 wenn es die geforderte Art der Platzierung nicht für geschuldet hält. Die Tatsache, dass Medienbehauptungen nur bei feststehender Unwahrheit zu berichtigen sind, führt auch dazu, dass Urteile, durch die die Veröffentlichung einer Berichtigung angeordnet wird, erst nach Rechtskraft, gegebenenfalls also nach Ausschöpfung des Instanzenzugs, vollstreckbar sind.2 Vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens steht jedenfalls in aller Regel noch nicht definitiv fest, dass die streitige Behauptung unwahr ist. Streiten die Parteien etwa um die angemessene Platzierung einer Berichtigung, so schafft auch insoweit erst ein rechtskräftiges Urteil endgültige Klarheit, und die Anordnung des Abdrucks vor diesem Zeitpunkt brächte das Risiko einer Verpflichtung des Verlags zu einem wiederholten Abdruck mit unterschiedlichen Modalitäten mit sich. Auf die Frage, ob die Verurteilung zur Veröffentlichung einer Berichtigung in entsprechender Anwendung des § 894 ZPO zu vollstrecken ist,3 der stets die Rechtskraft der Entscheidung voraussetzt, oder ob die Zwangsvollstreckung, wie die herrschende Meinung mit Recht annimmt,4 nach den Regeln des § 888 ZPO über die Erzwingung der Vornahme unvertretbarer Handlungen erfolgt, die im Allgemeinen auch aus nur vorläufig vollstreckbaren Urteilen möglich ist, kommt es daher im Ergebnis nicht an.
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bb) Einstweiliger Rechtsschutz Die Durchsetzung von Berichtigungsansprüchen im Wege der einstweiligen Verfügung ist prinzipiell nicht möglich.5 Dem steht schon die allgemeine zivilprozessuale Regel entgegen, dass einstweilige Verfügungen nur zur Sicherung, nicht aber zur Erfüllung von Ansprüchen dienen und dass der einmal erfolgte Abdruck oder die einmal erfolgte Verlesung einer durch einstweilige Verfügung angeordneten Berichtigung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Auch würde die Anordnung der Veröffentlichung einer Berichtigung im Wege einer einstweiligen Verfügung dem tragenden Grundsatz des Berichtigungsrechts nicht gerecht, dass eine Berichtigung nur bei feststehender Unwahrheit gefordert werden kann. Mit den beschränkten Mitteln des Verfahrens der einstweiligen Verfügung aber kann der Beweis der Unwahrheit nicht mit der Sicherheit geführt werden, die erforderlich ist, um die Unwahrheit _______________
1 OLG Hamburg AfP 1995, 515 = NJW 1995, 885. 2 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 302; Damm/Rehbock, Rz. 906; a.A. Wenzel/Gamer, Kap. 13 Rz. 105. 3 OLG Frankfurt/Main NJW 1982, 113. 4 BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung; OLG Zweibrücken NJW 1991, 304; OLG Frankfurt/Main GRUR 1993, 697; Löffler/ Steffen, § 6 LPG Rz. 302; Wenzel/Gamer, Kap. 13 Rz. 105; Damm/Rehbock, Rz. 906. 5 OLG Bremen AfP 1979, 355; OLG Köln AfP 1981, 358; OLG Hamm AfP 1979, 355; OLG Hamm AfP 1979, 396; OLG Celle BB 1964, 910; LG Dresden AfP 2009, 274; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1996, 423 für den urheberrechtlichen Berichtigungsanspruch; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 302; Damm/Rehbock, Rz. 899 f.; Löffler/ Ricker, Kap. 44 Rz. 33.
705
19
§ 31 Tz. 20
Zivilrechtliche Ansprüche
positiv festzustellen. Soweit im Wettbewerbsrecht ein Folgenbeseitigungsanspruch im Wege vorläufigen Rechtsschutzes bejaht worden ist,1 kommt eine Übertragung auf das Berichtigungsrecht der Medien nicht in Betracht, da es dort nicht um Eingriffe in die Presse- bzw. Rundfunkfreiheit geht. 20
Nur in extremen Ausnahmefällen kann daher eine Abweichung von dieser Regel erwogen werden und haben einzelne Gerichte2 die Veröffentlichung vorläufiger Berichtigungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes angeordnet. Derartige Ausnahmekonstellationen kommen aber nur in Betracht, wenn die Unwahrheit der veröffentlichten Behauptung und ihre nachteilige Auswirkung auf schützenswerte Belange des Betroffenen offenkundig sind, wenn insbesondere unstreitig ist, dass die beanstandete Meldung unwahr ist.3 Selbst dann aber kann Streit über die konkrete Ausgestaltung und Platzierung der Berichtigung bestehen, der nicht im Eilverfahren geklärt werden kann.
21
Bedenken bestehen auch gegen die Auffassung,4 jedenfalls eine vorläufige Berichtigung etwa des Inhalts, der Betroffene habe auf Veröffentlichung einer Richtigstellung geklagt, sei im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbar. Denn auch die Verpflichtung zur Veröffentlichung einer solchen vorläufigen Berichtigung stellt einen Eingriff in die Presse- oder Rundfunkfreiheit dar, der so lange nicht gerechtfertigt ist, als die Unwahrheit der zu berichtigenden Behauptung nicht feststeht. In Anbetracht der Möglichkeit des Betroffenen, seine Sicht der Dinge im Wege der Gegendarstellung öffentlich zu machen und deren Entwertung durch einen redaktionellen Zusatz auf dem Wege einer gerichtlichen Unterlassungsverfügung zu verhindern, wird ein derartiger Eingriff stets als unverhältnismäßig anzusehen sein. b) Darlegungs- und Beweislast
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Aus der Regel, dass die Durchsetzung eines Berichtigungsanspruchs nur in Betracht kommt, wenn die Unwahrheit der beanstandeten Behauptung fest steht, folgt ein weiterer Unterschied zum Unterlassungsanspruch. Die Beweislast für die Unwahrheit der von den Medien veröffentlichten Darstellung liegt uneingeschränkt beim Kläger.5 Das gilt, trotz der Risikoverteilung im Rahmen des § 186 StGB, wie bei allen anderen deliktischen Tatbeständen auch im Fall der üblen Nachrede. Auch hier trifft die Medien aber die bereits in anderem Zusammenhang dargestellte Substantiierungspflicht.6 Bleiben sie im Prozess jede Substantiierung und Konkretisierung des von ihnen erhobenen Vorwurfs schuldig und machen sie dem klagenden Verletzten die Führung _______________
1 OLG Koblenz GRUR 1987, 730. 2 OLG Hamburg AfP 1970, 85; OLG Köln AfP 1972, 331; OLG Stuttgart MDR 1961, 1024; OLG Frankfurt/Main GRUR 1989, 74. 3 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 302. 4 LG Hamburg ArchPR 1974, 126; Schneider, AfP 1984, 127 ff.; Wenzel/Gamer, Kap. 13 Rz. 102. 5 BGH AfP 2008, 381 = NJW 2008, 2262 = ZUM 2009, 61 = WRP 2008, 114 – Richtigstellungsanspruch des BKA; BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 296. 6 BGH AfP 2008, 381 = NJW 2008, 2262 = ZUM 2009, 61 = WRP 2008, 114 – Richtigstellungsanspruch des BKA; oben § 30 Tz. 23.
706
Berichtigungsansprüche
Tz. 23a § 31
des ihm obliegenden Negativbeweises damit de facto unmöglich, dann kann ausnahmsweise von der Unwahrheit der umstrittenen Behauptung ausgegangen werden und eine Verurteilung zur Veröffentlichung eines Widerrufs trotz ungeklärter Sachlage und prinzipieller Beweislast des Verletzten in Betracht kommen.1 3. Erfüllung Wie das Gegendarstellungsrecht wird auch das Berichtigungsrecht vom Prinzip der Waffengleichheit geprägt.2 Die Berichtigung ist daher prinzipiell wie eine Gegendarstellung in demselben Teil einer Zeitung oder Zeitschrift oder auf demselben Sendeplatz zu verbreiten wie die zu berichtigende Behauptung.3 Handelte es sich dabei um die Titelseite einer Zeitung, so ist die Berichtigung ebenfalls dort zu veröffentlichen.4 Die Rechtsprechung zum Gegendarstellungsrecht, die die Platzierung einer vollständigen Gegendarstellung auf dem Titelblatt einer Zeitschrift anordnet, wenn auch die Erstmitteilung dort als in sich abgeschlossene Sachaussage platziert war, ist auf das Berichtigungsrecht ebenfalls entsprechend anwendbar.5 Dabei haben der Bundesgerichtshof6 und das Oberlandesgericht Hamburg7 jedoch klargestellt, dass es insoweit nicht um pauschale Gleichmacherei geht, sondern um sachgerechte Einzelfallentscheidungen.
23
Ist daher eine Berichtigung auf der Titelseite zu veröffentlichen, so ist durch die Art der Abdruckanordnung dem berechtigten Interesse des Verlags daran, den Titel frei zu gestalten und ihn zur Ankündigung der Heftinhalte zu nutzen, angemessen Rechnung zu tragen. Die Berichtigung muss zwar für den Kioskleser erkennbar sein, wenn die zu berichtigende Meldung es ihrerseits war, darf aber nicht das Gesicht des Titelblatts prägen.8 So kann im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Garantie der Pressefreiheit und die besondere Bedeutung, die die Gestaltung einer Titelseite insoweit hat, die Berichtigung nicht direkt unterhalb der Titelmarkette und kann sie in deutlich kleinerer Schrift als die Ursprungsmeldung abzudrucken sein, selbst wenn diese direkt
23a
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1 BGH NJW 1974, 1710 = GRUR 1975, 36 – Arbeitsrealitäten. 2 OLG Hamburg AfP 1970, 968 – Prinzessin von Preußen; OLG Hamburg AfP 1995, 515 = NJW 1995, 885; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; Wenzel/Gamer, Kap. 13 Rz. 91; a.A. Damm/Rehbock, Rz. 915; Einzelheiten oben § 22 Tz. 53 ff. 3 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH NJW 1968, 644 = GRUR 1968, 262 – Fälschung; OLG Hamburg AfP 1995, 515 = NJW 1995, 885. 4 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BVerfG AfP 1998, 184 = NJW 1998, 1381 = ZUM 1998, 315 – Gegendarstellung auf der Titelseite; OLG Hamburg AfP 1970, 968 – Prinzessin von Preußen. 5 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BVerfG AfP 1998, 184 = NJW 1998, 1381 = ZUM 1998, 315 – Gegendarstellung auf der Titelseite; OLG Hamburg AfP 1995, 515 = NJW 1995, 885. 6 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1998, 1381 = GRUR 1995, 861 – Caroline von Monaco I. 7 OLG Hamburg AfP 1995, 515 = NJW 1995, 885; a.A. LG Hamburg AfP 1994, 243. 8 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1998, 1381 = GRUR 1995, 861 – Caroline von Monaco I; OLG Hamburg AfP 1999, 68.
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§ 31 Tz. 24
Zivilrechtliche Ansprüche
unterhalb der Titelmarkette platziert war.1 Und selbst unter Berücksichtigung des Prinzips der Waffengleichheit kann es ausreichend sein, die Berichtigung im Heftinneren abzudrucken, wenn auf dem Titelblatt bereits eine Gegendarstellung veröffentlicht wurde.2 24
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Waffengleichheit sind durch die speziell zu dieser Thematik ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts3 im Ergebnis gegenstandslos geworden. Diese Entscheidung ändert aber an der Richtigkeit der Auffassung des Bundesgerichtshofs4 und der Instanzgerichte darüber nichts, dass bei entsprechenden Anordnungen nicht pauschal vorgegangen werden darf, dass vielmehr im Rahmen der Einzelfallentscheidung dem besonderen verfassungsrechtlichen Stellenwert gerade der Titelseite in angemessener Weise Rechnung zu tragen und ein entsprechender Interessenausgleich zu schaffen ist.
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Gegenäußerungen zu einer von den Medien zu veröffentlichenden Berichtigung sind nicht ausgeschlossen. Gesetzliche Einschränkungen wie etwa das Glossierungsverbot im Gegendarstellungsrecht gibt es im Rahmen des Berichtigungsrechts nicht. Keinesfalls ist die Durchsetzung eines Berichtigungsanspruchs zur Demütigung des Verpflichteten bestimmt.5 Mit ihr soll auch nicht sein Wille gebrochen, sondern eine vom Gericht im Einzelfall festzustellende fortdauernde Beeinträchtigung des Rufs des Betroffenen beseitigt werden. Mit Recht hat daher das Bundesverfassungsgericht6 festgestellt, dass es dem zur Veröffentlichung eines Widerrufs Verpflichteten nicht verwehrt ist, im Rahmen der Veröffentlichung zum Ausdruck zu bringen, dass sie in Erfüllung eines gerichtlichen Urteils und nicht etwa aus freier Überzeugung erfolgt. Medien, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, müssen aber darauf achten, dass durch sie nicht der Eindruck der Fehlerhaftigkeit der Berichtigung und damit der Richtigkeit der ursprünglichen Behauptung erweckt wird. Dadurch kann die Berichtigung im Ergebnis so entwertet werden, dass sie nicht als Erfüllung des gerichtlichen Gebots anerkannt wird und daher ein abermaliger Abdruck erzwungen werden kann. Zugleich liegt darin die Gefahr eines Verstoßes gegen ein gerichtliches Unterlassungsgebot, das der Betroffene in aller Regel neben seinem Berichtigungsanspruch durchgesetzt haben wird.
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1 OLG Hamburg AfP 1999, 68. 2 OLG Hamburg AfP 1995, 515 = NJW 1995, 885. 3 BVerfG AfP 1998, 184 = NJW 1998, 1381 = ZUM 1998, 315 – Gegendarstellung auf der Titelseite. 4 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1998, 1381 = GRUR 1995, 861 – Caroline von Monaco I. 5 BGH AfP 1978, 23 = NJW 1977, 1681 = GRUR 1977, 745 – Wohnstättengemeinschaft; BGH AfP 1984, 33 = NJW 1984, 1104 = GRUR 1984, 301 – Kleiner Kreis. 6 BVerfG NJW 1970, 651 – Korruptionsvorwurf.
708
§ 32 Schadenersatz und Bereicherungshaftung 1. Schadenersatz Nach § 823 Abs. 1 BGB ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig eines der durch diese Bestimmung geschützten Rechte eines Anderen verletzt, diesem zum Ausgleich des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Dieselbe Rechtsfolge knüpfen § 823 Abs. 2 BGB an die Verletzung eines zum Schutz eines Anderen bestimmten Gesetzes und § 824 BGB an die Erfüllung des Tatbestands der Kreditgefährdung. Damit ist die Schadenersatzpflicht desjenigen, der fremde Rechte schuldhaft verletzt, diejenige – und die einzige – Rechtsfolge, die das Bürgerliche Gesetzbuch für Rechtsverletzungen durch die Medien ausdrücklich und unmittelbar anordnet. Die von den Medien gelegentlich vertretene These, diese Verpflichtung zum Schadenersatz verletze jedenfalls dann die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG, wenn die Höhe eines einem Verletzten zugesprochenen Ersatzbetrags die wirtschaftliche Basis des ersatzpflichtigen Verlags gefährdet, hat das Bundesverfassungsgericht1 ausdrücklich zurückgewiesen und dies mit der Feststellung verbunden, dass sich aus Art. 5 Abs. 1 GG eine Bestandsgarantie zwar für die Institutionen Presse und Rundfunk, nicht aber für ein individuelles Medienunternehmen ergibt.
1
a) Haftungsvoraussetzungen aa) Schuldhafte Rechtsverletzung Voraussetzung für die Verpflichtung der Medien zur Leistung von Schadenersatz nach den genannten Bestimmungen des Deliktsrechts ist zunächst die Verletzung eines haftungsbegründenden Tatbestands. Hierbei kann es sich um die unmittelbare Verletzung eines der in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte wie des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am Unternehmen ebenso handeln wie um die Erfüllung des Tatbestands der Kreditgefährdung nach § 824 BGB wie schließlich um die Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB, wozu im Zusammenhang mit Medienberichterstattung in erster Linie die Bestimmungen der §§ 185 ff. StGB über den strafrechtlichen Ehrenschutz gehören.
2
Abweichend von der Rechtslage bei den Ansprüchen auf Unterlassung oder Berichtigung sowie beim Gegendarstellungsanspruch tritt aber die deliktsrechtliche Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz nur ein, wenn eine rechtswidrige und schuldhafte Rechtsverletzung vorliegt. Damit scheidet zunächst rechtmäßige Berichterstattung als Anknüpfungspunkt für eine Schadenersatzpflicht der Medien selbst dann aus, wenn sie unwahr ist und dem Betroffenen durch sie möglicherweise ein Schaden entsteht. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn ein Bericht den Voraussetzungen für die
3
_______________
1 BVerfG AfP 2001, 121 = NJW 2001, 1639.
709
§ 32 Tz. 4
Zivilrechtliche Ansprüche
Inanspruchnahme des Rechtfertigungsgrunds der Wahrnehmung berechtigter Interessen genügt.1 Auch wenn das nicht der Fall ist, eine Redaktion aber an der Rechtsverletzung kein Verschulden trifft, weil sie etwa Meldungen von Agenturen2 oder Behörden3 ungeprüft wiedergibt, auf deren Richtigkeit sie vertrauen darf,4 kommt eine Schadenersatzpflicht nicht in Betracht. Da vorsätzliche Schädigung Dritter durch Medienberichterstattung im Allgemeinen ausscheidet, muss die Herbeiführung der Rechtsverletzung jedenfalls auf Fahrlässigkeit beruhen, wobei es auf den Verschuldensmaßstab nicht ankommt. Das Deliktsrecht differenziert bei der Verpflichtung zum Ausgleich rechtswidrig verursachter Schäden nicht zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit, so dass im Fall rechtsbeeinträchtigender Berichterstattung jede Verletzung der pressemäßigen Sorgfalt5 die Haftung der Medien auslösen kann. Die rechtswidrige Verwendung von Lichtbildern etwa zu Zwecken der Werbung ohne ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen wird nur unter ganz besonderen Umständen unverschuldet sein,6 kann dann aber immer noch einen Zahlungsanspruch des Betroffenen aus ungerechtfertigter Bereicherung auslösen.7 bb) Kausalität 4
Voraussetzung jeder Schadenersatzpflicht der Medien ist ferner, dass eine schuldhaft rechtswidrige Veröffentlichung einen Schaden verursacht. Daran wird es bei der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Allgemeinen, keineswegs aber immer fehlen. Ein Politiker etwa, dessen Privatsphäre durch einen rechtswidrigen Bericht über seine Familienverhältnisse verletzt wird, erleidet dadurch in der Regel keinen wirtschaftlichen Schaden. Berichten die Medien aber unter Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts8 des Betroffenen über eine lange zurück liegende Straftat, wegen deren er vor Jahren verurteilt wurde, so kann das durchaus zu direkten wirtschaftlichen Einbußen und damit zu einem Schaden führen, wenn er etwa eine ihm bereits zugesagte Anstellung unter Hinweis auf den entsprechenden Bericht nicht erhält oder sein Beschäftigungsverhältnis unter Hinweis auf dieser Basis beendet wird.9
4a
Bei der Verletzung des Tatbestands der Kreditgefährdung gemäß § 824 BGB oder der üblen Nachrede gemäß §§ 823 Abs. 2, 186 StGB zum Nachteil eines _______________
1 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 304; dazu oben § 15 Tz. 5 ff. 2 KG AfP 2007, 571 = NJW-RR 2008, 356 = ZUM 2008, 59; OLG Hamburg AfP 1977, 351; LG München AfP 1975, 758; LG Oldenburg AfP 1988, 79. 3 OLG Dresden NJW 2004, 1181; OLG Karlsruhe AfP 1993, 586 = NJW-RR 1993, 723; vgl. auch BGH AfP 1971, 76 = BGH NJW 1971, 698 = GRUR 1972, 97 – Pariser Liebestropfen; OLG Hamburg AfP 1977, 351; OLG Hamburg NJW 1980, 842; OLG Hamm NJW 1993, 1209 = GRUR 1993, 154; LG Berlin AfP 2008, 530; LG Oldenburg AfP 1988, 79. 4 Oben § 2 Tz. 21 ff. 5 Dazu oben § 2 Tz. 8 ff. 6 BGH AfP 1992, 149 = NJW 1992, 2084 = GRUR 1992, 557 – Joachim Fuchsberger. 7 Dazu unten Tz. 37 ff. 8 BVerfG AfP 1973, 423 = NJW 1973, 1221 – Lebach I; dazu oben § 19 Tz. 27 ff. 9 BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern TV.
710
Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 5 § 32
Unternehmens durch Medienberichterstattung liegen wirtschaftliche Nachteile des Betroffenen als deren Folge noch um etliches näher. Berichte etwa über angebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten einer Privatbank, die zum massiven Abzug von Kundengeldern führen,1 über die angebliche mikrobielle Verseuchung eines Markenerzeugnisses der Lebensmittelindustrie,2 über die Glykolvergiftung von Wein oder den Wurmbefall von Meeresfischen können zur wirtschaftlichen Gefährdung oder gar Vernichtung ganzer Unternehmen oder Branchen führen. Sie stellen, wenn sie unwahr, schuldhaft rechtswidrig3 und auf ein konkretes Unternehmen bezogen4 sind, einen klaren Anknüpfungspunkt für Schadenersatzverpflichtungen der Medien dar. Dennoch scheitert der Versuch Betroffener, die Medien durch Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen für die Folgen widerrechtlicher Berichterstattung haftbar zu machen, häufig an der Schwierigkeit, die Ursächlichkeit der Berichterstattung für den behaupteten und möglicherweise tatsächlich eingetretenen Schaden nachzuweisen. Fälle, in denen dieser Nachweis gelingt, sind daher in der Praxis vergleichsweise selten.5 Insoweit nimmt das Haftungsrisiko der Medien deutlich zu, je dichter die kausale Verknüpfung zwischen einer Meldung und den durch sie nachweislich herbeigeführten wirtschaftlichen Folgen ist. Sagt etwa ein Bericht einer Lokalzeitung einem am Ort tätigen Rechtsanwalt wahrheitswidrig eine persönliche Verwicklung in den betrügerischen Bankrott eines seiner Mandanten nach, als dessen Folge zahlreiche Arbeitsplätze am selben Ort verlorengegangen sind, so ist es überwiegend wahrscheinlich, dass dies zu einem unmittelbar spür- und nachweisbaren Rückgang seiner Aufträge und damit seines Umsatzes und Ertrags führt. Die Verbreitung der unwahren Behauptung, eine Kapitalanlagegesellschaft habe Kundengelder veruntreut, kann insbesondere dann zu deren wirtschaftlichem Zusammenbruch führen, wenn sie zu einer Jahreszeit veröffentlicht wird, zu der ein solches Unternehmen seinen wesentlichen Umsatz tätigt. Die Behauptung, ein Rechtsanwalt, der sich im Recht der Kapitalanlagen einen Namen gemacht hat, lasse sich von Anbietern von Anlagemodellen, die er im Auftrag von Mandanten zu prüfen hat, für positive Voten bezahlen,6 oder diejenige, einem praktizierenden Arzt seien serienweise Kunstfehler unterlaufen,7 können die berufliche Kariere der Betroffenen und damit deren wirtschaftliches Fortkommen aufs Schwerste beeinträchtigen.
_______________
1 2 3 4 5
Landgericht Hamburg ZIP 1997, 1409 = ZUM-RD 1998, 166. OLG Stuttgart AfP 1990, 145 – Birkel. Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 305. Dazu oben § 13 Tz. 27 ff. BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern TV; vgl. auch den Fall BGH AfP 2006, 150 = NJW 2006, 830 – Breuer, in dem der Verletzte allerdings nicht die Medien, sondern mit dem damaligen Sprecher des Vorstands der Deutsche Bank AG deren Informanten in Anspruch nahm. 6 OLG Düsseldorf AfP 1995, 500. 7 BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern TV.
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5
§ 32 Tz. 6
Zivilrechtliche Ansprüche
cc) Beweislast 6
Werden als Folge von Medienberichterstattung Schadenersatzansprüche geltend gemacht, so gelten für die Frage der objektiven Rechtsverletzung die zum Unterlassungsanspruch dargestellten Grundsätze.1
6a
Knüpft also der geltend gemachte Anspruch an eine behauptete üble Nachrede an, so obliegt der Nachweis der Richtigkeit der verbreiteten Behauptung den Medien, sofern sie nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt haben.2 Das gilt auch im Rahmen der Klage auf Zahlung einer Geldentschädigung.3 Haben die Medien in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, kommt mangels Rechtswidrigkeit der Verbreitungshandlung die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen selbst dann nicht in Betracht, wenn der Verletzte den Nachweis der Unrichtigkeit der streitigen Behauptung führt.4
6b
In allen anderen Fällen gilt der Grundsatz, dass der Betroffene die so genannte haftungsbegründende Kausalität, mithin sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen für den Grund des geltend gemachten Anspruchs und damit vor allem die Unwahrheit der umstrittenen Behauptung sowie schuldhaftes Handeln des Schädigers beweisen muss.5 Auch insoweit trifft die Medien aber die gesteigerte Substantiierungspflicht, deren Einhaltung es dem Betroffenen in vielen Fällen erst möglich und zumutbar macht, auf Medienäußerungen substantiiert zu erwidern und die erforderlichen Beweise zu führen.6
7
Stehen Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit einer Äußerung sowie das Verschulden auf Seiten des Verlags oder Rundfunkveranstalters fest, dann obliegt der Nachweis der Ursächlichkeit ihrer Verbreitung für den behaupteten Schaden nach allgemeinen Beweislastregeln stets dem Verletzten.
7a
Das gilt zunächst für die so genannte haftungsausfüllende Kausalität, mithin die Behauptung, dass als Folge der rechtswidrigen Berichterstattung überhaupt ein Schaden eingetreten ist. Daran scheiterte etwa die Schadenersatzforderung eines Unternehmens der Filmbranche mit der Begründung, ihm seien als Folge einer negativen, auf einer Verwechselung beruhenden Filmkritik Gewinnausfälle entstanden; die Möglichkeit, dass der ausbleibende wirtschaftliche Erfolg des infrage stehenden Films auf anderen Ursachen wie etwa mangelnder Attraktivität beruhte, war nicht auszuschließen.7 Zum Beweis der haftungsausfüllenden Kausalität gehört auch der Nachweis, dass eine rechtswidrige Einzelbehauptung, die sich innerhalb eines insgesamt kritischen, aber ansonsten rechtlich unbedenklichen Artikels befindet, für den behaupteten Schaden ursächlich geworden ist, dass mithin die negative Geschäftsentwick_______________
1 BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 304 ff. 2 Oben § 30 Tz. 24 ff. 3 BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef. 4 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 305. 5 Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 36. 6 Oben § 30 Tz. 23. 7 BGH AfP 1989, 456 = NJW-RR 1989, 924 = GRUR 1989, 222 – Filmbesprechung.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 8a § 32
lung des Betroffenen nicht bereits durch die zulässige negative, aber rechtmäßige Kritik verursacht worden ist.1 Zu beweisen hat der Geschädigte aber auch die Behauptung, die widerrechtliche Berichterstattung sei ursächlich für die konkrete Höhe des behaupteten Schadens.2 Dabei kommt aber gegebenenfalls die Bestimmung des § 287 ZPO zur Anwendung, die es dem Gericht erlaubt, bei festgestellter Rechtsverletzung und durch sie verursachtem Schaden die Schadenshöhe in freier richterlicher Schätzung zu ermitteln. Es kann daher, sofern der Anspruch dem Grund nach bewiesen ist, zur Begründung der Schadenshöhe eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichen.3 In Anwendung dieses Grundsatzes hat etwa das Oberlandesgericht Frankfurt4 einem Arzt nach einer rechtswidrigen Berichterstattung, die sich auf seine freiberufliche ärztliche Tätigkeit nachteilig auswirkte, Schadenersatz in einer geschätzten Höhe zugesprochen, ohne einzelne Feststellungen dazu zu treffen, welche Patienten ihn als Folge der Berichterstattung nicht mehr konsultiert und welche Honorarausfälle sich daraus im jeweiligen Einzelfall ergeben haben.
7b
b) Materielle Schäden aa) Entgangener Gewinn Sofern einem Betroffenen durch Medienberichterstattung überhaupt nachweisliche finanzielle Einbußen entstehen, wird es sich in aller Regel um entgangenen Gewinn handeln. Aufgrund einer unwahren Behauptung über angeblich negative Eigenschaften eines Produkts oder dem Betroffenen in der Vergangenheit unterlaufene Fehler in der Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit bleiben Kunden oder Interessenten aus.5 In solchen Fällen erlaubt § 252 BGB dem Geschädigten, als seinen Schaden den entgangenen Gewinn zu liquidieren, dessen Höhe gegebenenfalls wiederum gemäß § 287 ZPO durch das Gericht geschätzt werden kann, wenn die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen unstreitig oder bewiesen sind. Die Regulierung derartiger Ansprüche richtet sich nach dem allgemeinen Schadenersatzrecht der §§ 249 ff. BGB. Medienspezifische Aspekte sind insoweit nicht ersichtlich.
8
Das gilt auch für die nicht seltene Parallelverursachung des Schadens durch mehrere Veröffentlichungen. Hier wird sich in aller Regel nicht feststellen lassen, auf welche der verschiedenen Rechtsverletzungen etwa die Kündigung des Anstellungsvertrags oder der Umsatzausfall des Betroffenen zurückzuführen ist. Die jeweils Verantwortlichen haften dann gemäß §§ 830 Abs. 1 Satz 2, 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner.6 Anderes soll nach Auffassung des Bun-
8a
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1 BGH AfP 1987, 494 = NJW 1987, 1403 = GRUR 1987, 316 – Türkol II. 2 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 321 f.; Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 36. 3 BGH NJW 1972, 1515; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 321 f.; Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 36. 4 OLG Frankfurt/Main ZUM 1992, 361. 5 BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern TV; OLG Frankfurt/Main ZUM 1992, 361. 6 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 311 f.; Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 32, 67.
713
§ 32 Tz. 8b
Zivilrechtliche Ansprüche
desgerichtshofs1 insoweit allerdings im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung gelten, bei der der Verletzte berechtigt sein soll, mehrere Schädiger jeweils isoliert in Anspruch zu nehmen. Die gesamtschuldnerische Haftung setzt aber voraus, dass jede der parallel erfolgenden Rechtsverletzungen ihrer Art nach geeignet ist, den vollen Schaden herbeizuführen; ist das nicht der Fall, so kommt nur eine anteilige Haftung der verschiedenen Rechtsverletzer in Betracht.2 Da der Nachweis der anteiligen Verursachung des eingetretenen Schadens und insbesondere der angemessenen Quoten, mit denen die Verursacher haften, in der Praxis nicht zu führen sein wird, muss die Aufteilung der Schadenersatzleistung auf die Mehrheit der Schädiger gegebenenfalls erneut im Wege der richterlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO ermittelt werden. 8b
Von der Parallelverursachung zu unterscheiden sind Fälle, in denen eine schuldhaft rechtswidrige Erstveröffentlichung zu Folgeveröffentlichungen anderer Medien führt und der Schaden erst nach Abschluss der Veröffentlichungswelle eintritt. Hier hat der Geschädigte die Wahl. Er kann auch in diesen Fällen die Mehrheit der Schädiger anteilig in Anspruch nehmen, die sich in der Regel nicht unter Berufung auf die Erstmeldung vom Vorwurf des Verschuldens entlasten können;3 tut er dies, wird das Gericht die Verteilung der auf die einzelnen Schädiger entfallenden Haftungsquoten im Ergebnis wiederum auf der Basis von § 287 ZPO schätzen müssen. Der Geschädigte kann sich aber in diesen Fällen auch mit seinem gesamten Schaden an denjenigen halten, der die in Rede stehende Meldung als erster publik gemacht hat, da die Weiterverbreitung der schädigenden Meldung durch andere Medien im Rahmen des Voraussehbaren liegt und sich damit auch im Rahmen des von ihm zu verantwortenden Kausalverlaufs hält.4
9
Insbesondere bei einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild, aber auch bei einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch unbefugte Ausbeutung einer Persönlichkeit zu Zwecken der Werbung kommt nun die Tatsache zum Tragen, dass der Bundesgerichtshof5 inzwischen die vermögenswerten Aspekte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkennt. In diesen Fällen kann der Schaden nun auch nach der Methode der Lizenzanalogie berechnet werden, wie dies die Rechtsprechung für den Sonderfall der Verletzung des Rechts am eigenen Bild schon früher angenommen hatte.6 So haben das Landgericht Düsseldorf7 dem ehemaligen Fußballbundestrainer Berti Vogts für die Verwendung seines ohne Frage individualisierenden Vornamens Berti in der Zeitungswerbung für ein Energiegetränk eine fiktive _______________
1 BGH AfP 1985, 110 = NJW 1985, 1617 = GRUR 1985, 398 – Nacktfoto; dazu unten Tz. 36a. 2 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 312. 3 Dazu oben § 2 Tz. 20 f. 4 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 313. 5 BGH AfP 2000, 356 = NJW 2000, 2195 = GRUR 2000,7 15 = ZUM 2000, 582 – Marlene Dietrich; dazu im Einzelnen oben § 13 Tz. 12 ff. 6 BGH NJW 1956, 1554 = GRUR 1956, 427 – Paul Dahlke; BGH AfP 1979, 345 = NJW 1979, 2205 = GRUR 1979, 732 – Fußballtor; Nachweise bei Schricker/Gerstenberg/ Götting, § 60 UrhG/§§ 33 ff. KUG Rz. 9 ff.; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 320. 7 LG Düsseldorf AfP 1998, 238 = NJW-RR 1998, 747 – Berti.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 10 § 32
Lizenzgebühr von 10.000 Euro und das Oberlandesgericht Karlsruhe1 einem bekannten Sänger für den Einsatz eines Doubles in einer mehr als ein Jahr laufenden Fernsehwerbung für Milchprodukte 155.000 Euro zugesprochen, nachdem der Betroffene eigene Auftritte in der betreffenden Werbekampagne zuvor abgelehnt hatte, weil das werbende Unternehmen seinen Honorarvorstellungen nicht hatte entsprechen wollen.2 Diese Entscheidungen betreffen jedoch Fälle der kommerziellen Vermarktung bestimmter Aspekte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die üblicherweise nur gegen Entgelt gestattet zu werden pflegen. Die ihnen zugrunde liegenden Konstellationen haben daher mit einer medientypischen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nichts zu tun. Die darin zum Ausdruck kommende Anerkennung vermögenswerter Aspekte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nicht dazu bestimmt, die publizistische Auseinandersetzung der Medien mit Persönlichkeiten und Unternehmen als solche einzuschränken.3 Bei der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch publizistische Medieninhalte kommt eine Schadensberechnung nach der Methode der Lizenzanalogie folglich nicht in Betracht.4 Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner ideellen Ausprägung schafft, anders als heute sein vermögenswertes Pendant sowie gewerbliche Schutzrechte, keine Rechtsposition zur kommerziellen Verwertung5 und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Geltendmachung materieller Schadenersatzansprüche in aller Regel aus.
9a
Wo aber Schadenersatzansprüche im Wege der Lizenzanalogie im Prinzip in Betracht kommen wie etwa in den Fällen der Nutzung von Lichtbildern zu Zwecken der Werbung, sind sie schlechthin ausgeschlossen, wenn der Betroffene sich grundsätzlich nicht abbilden lässt,6 wenn er mithin nicht lizenzbereit gewesen wäre; in solchen Fällen können aber Ansprüche auf einen Bereicherungsausgleich geltend gemacht werden,7 die im Ergebnis zu demselben wirtschaftlichen Resultat führen können wie der Schadenersatzanspruch nach der Methode der Lizenzanalogie.
9b
Nicht selten ergeben sich Konstellationen, in denen der Betroffene befürchtet, durch rechtswidrige Medienäußerungen in seiner Vermögenssphäre und insbesondere seinen künftigen Absatz- und Gewinnerwartungen geschädigt zu sein, ohne diese Befürchtung schon hinreichend konkretisieren oder einen messbaren finanziellen Schaden bereits darlegen und beweisen zu können. In
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1 OLG Karlsruhe AfP 1998, 326. 2 Weitere Beispiele unten Tz. 39. 3 BGH AfP 2007, 42 = NJW 2007, 684 = ZUM 2007, 54 = GRUR 2007, 168 – kinskiklaus.de. 4 Vgl. insoweit den von OLG Hamburg AfP 2008, 631 = ZUM 2009, 297 entschiedenen Fall. 5 BVerfG AfP 2000, 78 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; dazu Soehring, AfP 2000, 230 f. 6 BGH NJW 1958, 827 = GRUR 1958, 408 – Herrenreiter; BGH AfP 1979, 345 = NJW 1979, 2205 = GRUR 1979, 732 – Fußballtor; OLG Hamburg AfP 1995, 504 = NJW-RR 1994, 990; Ullman, AfP 1999, 209, 212. 7 Nachweise bei Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 320; unten Tz. 37 ff.
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§ 32 Tz. 10a
Zivilrechtliche Ansprüche
solchen Fällen erlaubt ihm die Rechtsprechung, die gerichtliche Feststellung einer Schadenersatzpflicht des Verletzers zu beantragen. Eine auf diese Feststellung gerichtete Klage, die in der Praxis meistens mit der Unterlassungsund gegebenenfalls Berichtigungsklage verbunden wird, ermöglicht es dem Betroffenen insbesondere, die Verjährung zu unterbrechen und die weitere Entwicklung abzuwarten, ohne befürchten zu müssen, seiner Ansprüche verlustig zu gehen. Gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjähren Ansprüche aus unerlaubter Handlung, mithin auch alle medienrechtlichen Schadenersatzansprüche, innerhalb einer Frist von drei Jahren, die mit dem Ende des Kalenderjahrs beginnt, in dem der Verletzte Kenntnis vom Eintritt des Schadens erlangt hat. 10a
Für den Beginn der Verjährungsfrist reicht es aus, dass der Verletzte Kenntnis von der Rechtsverletzung als solcher sowie davon hat, dass ein Schaden überhaupt entstanden ist, so dass die Verjährungsfrist auch dann läuft, wenn er die Höhe des Schadens noch nicht kennt.1 Die Feststellungsklage hat im Fall ihrer Koppelung mit der Unterlassungs- und gegebenenfalls Berichtigungsklage ferner den Vorteil, dass die Rechtsfrage, ob ein Schadenersatzanspruch dem Grunde nach besteht, gemeinsam mit derjenigen nach der Unwahrheit und gegebenenfalls Rechtswidrigkeit der Berichterstattung in einem einheitlichen Verfahren geklärt werden kann. Zur Begründung einer solchen Feststellungsklage braucht die Kausalität der rechtswidrigen Medienäußerung für den befürchteten, aber konkret noch nicht eingetretenen Schaden noch nicht nachgewiesen zu werden. Es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden eintreten wird.2 Diese Wahrscheinlichkeit aber muss konkret dargetan werden. Die häufig formelhaft aufgestellte Behauptung, der Eintritt eines Schadens als Folge der beanstandeten Berichterstattung sei wahrscheinlich, ohne nähere Mitteilung der Umstände, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit ergeben soll, genügt zur Begründung des Anspruchs auf Schadenfeststellung nicht.3 bb) Schadensmindernde Aufwendungen
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Von besonderer praktischer Bedeutung kann im Fall rechtswidriger Medienäußerungen die Verpflichtung sein, dem Verletzten die Kosten zu ersetzen, die er selbst aufgewandt hat, um das Entstehen eines konkreten Schadens zu verhindern oder den bereits eingetretenen Schaden zu begrenzen oder ihn jedenfalls zu mindern. Nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Geschädigte verpflichtet, ihm zumutbare Maßnahmen zu treffen, um den eingetretenen oder drohenden Schaden zu mindern. Insbesondere Unternehmen der Wirtschaft machen gelegentlich von der Möglichkeit eigener schadensmindernder Maßnahmen Gebrauch und konfrontieren die Medien sodann mit der Forderung nach dem Ausgleich dadurch entstandener Kosten. Dadurch können selbst dann hohe Schadenersatzrisiken auf die Medien zukommen, wenn – wie in der Mehrzahl der Fälle – der Nachweis der Ursächlichkeit ihrer Berichterstat_______________
1 Palandt/Heinrichs, § 199 BGB Rz. 27 ff. 2 BGH GRUR 1981, 80 – Medizin-Syndikat IV. 3 BGH AfP 1994, 218 = NJW 1994, 2614 – Börsenjournalist.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 13 § 32
tung für tatsächlich eintretende wirtschaftliche Verluste des Betroffenen nicht geführt werden kann. Als schadensmindernde Maßnahme kommt in erster Linie die im beschleunigten Verfahren der einstweiligen Verfügung schnell durchsetzbare Veröffentlichung einer Gegendarstellung in Betracht. Das hat der Bundesgerichtshof1 in entsprechenden Fällen ausdrücklich entschieden. Die damit verbundenen Kosten der Rechtsverfolgung haben die Medien daher immer dann zu erstatten, wenn es sich bei der Verbreitung der Erstmitteilung um eine unerlaubte Handlung handelt.2 Die Erstattungspflicht besteht insoweit, als die Aufwendungen erforderlich sind.3
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Wirtschaftlich erheblich stärker ins Gewicht als die vergleichsweise geringfügigen Kosten der Rechtsverfolgung fallen die Kosten, die Betroffene gelegentlich für die Durchführung von Anzeigenaktionen und vergleichbare schadensmindernde Maßnahmen aufwenden und deren Ersatz sie dann von den Medien fordern. Auch insoweit ist eine Schadenersatzpflicht der Medien prinzipiell möglich. In der Zuerkennung derartiger Schadenersatzansprüche sind die Gerichte jedoch mit Recht zurückhaltend. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs4 sind die Kosten von Anzeigen- und vergleichbaren Aktionen wie etwa Mailings-, Flugblatt- oder Plakataktionen nur in engen Grenzen erstattungsfähig. Wo die Möglichkeit zur Durchsetzung einer Gegendarstellung besteht, ist der Betroffene in der Regel gehalten, von ihr Gebrauch zu machen, und es ist ihm verwehrt, die Medien mit den erheblich höheren Kosten einer Anzeigenaktion zu belasten.5 Ist die Gegendarstellung ordnungsgemäß veröffentlicht worden, sind Ansprüche auf Ersatz der Kosten, die dem Betroffenen durch zusätzliche Anzeigenaktionen entstehen, in aller Regel ausgeschlossen.6 Nur in Ausnahmefällen, in denen ein ganz außerordentlich hoher Schaden droht, in denen die infrage stehenden Verkehrskreise durch Anzeigen- oder Mailing-Aktionen gezielter erreicht werden können als durch die Gegendarstellung oder in denen sich das Verfahren zur Durchsetzung der Gegendarstellung ungewöhnlich lange hinzieht, kann eine auf Kosten der Medien durchgeführte Anzeigenaktion zulässig sein, deren Kosten auch dann nicht unbegrenzt, sondern nur in dem Umfang zu ersetzen sind, der unter Berücksichtigung des drohenden Schadens bei Anlegung des
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1 BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; BGH AfP 1978, 29 = NJW 1978, 210 = GRUR 1978, 187 – Alkoholtest; BGH NJW 1979, 2197 = GRUR 1979, 804 – Konkursfalschmeldung; BGH AfP 1986, 47 = NJW 1986, 981 = GRUR 1986, 330 – Warentest III. 2 LG Hamburg AfP 1990, 332; Seitz/Schmidt/Schoener, Rz. 487; Wenzel/Burkhardt, Kap. 11 Rz. 211. 3 Dazu oben § 29 Tz. 47 ff. 4 BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; BGH AfP 1978, 29 = NJW 1978, 210 = GRUR 1978, 187 – Alkoholtest; BGH NJW 1979, 2197 = GRUR 1979, 804 – Konkursfalschmeldung; BGH AfP 1986, 47 = NJW 1986, 981 = GRUR 1986, 330 – Warentest III; BGH AfP 1990, 202 = NJW-RR 1990, 1184 = GRUR 1990, 1012 – Pressehaftung I; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 319. 5 BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama. 6 BGH NJW 1979, 2197 = GRUR 1979, 804 – Konkursfalschmeldung.
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§ 32 Tz. 13a
Zivilrechtliche Ansprüche
Maßstabs wirtschaftlicher Vernunft verhältnismäßig und angemessen erscheint.1 13a
Die im Schrifttum2 vereinzelt vertretene Auffassung, die Medien hätten dem Betroffenen die Kosten von Anzeigenaktionen schon dann als Schadenersatz zu erstatten, wenn diese die Veröffentlichung einer Gegendarstellung ablehnen, findet in der Rechtsprechung keine Stütze. Sie ist auch sachlich unzutreffend. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass die Gegendarstellung im Fall der Ablehnung durch die Medien im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann, ist dem Betroffenen der Versuch ihrer Durchsetzung in aller Regel zumutbar, bevor er zu Lasten der Medien kostenträchtige anderweitige Aktionen einleitet. Hingegen kommt eine Anzeigenaktion als schadensmindernde Maßnahme ohne vorgeschaltete Gegendarstellung in den seltenen Fällen in Betracht, in denen die beanstandete Meldung nicht gegendarstellungsfähig und dennoch schadensträchtig ist; das kann etwa bei grob methodenwidrigen Warentests der Fall sein, die zwar rechtswidrig und geschäftsschädigend, als Meinungsäußerungen indessen nicht gegendarstellungsfähig sind.3 Eine derartige Konstellation lag auch im Fall einer irreführenden Werbung eines Verlagsunternehmens mit Leserschaftsdaten vor, die ein Wettbewerber im Wege einer Gegenanzeige richtigstellte,4 nachdem eine Gegendarstellung mangels redaktioneller Erstmitteilung nicht in Betracht kam.
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Sofern Anzeigenkosten hiernach erstattungsfähig sind, wird sich der Betroffene in der Regel darauf beschränken müssen, in demjenigen Medium zu inserieren, das die schadenträchtige Meldung verbreitet hat, da er auf diesem Wege die Leser der früheren Publikation mit der größten Wahrscheinlichkeit erreicht.5 Ausnahmekonstellationen und damit auch ein größeres Haftungsrisiko der Medien sind aber auch insoweit denkbar. Ein bekannter Schlagersänger etwa, dem in einem unwahren Bericht der Boulevardpresse in großer Aufmachung eine angebliche nichteheliche Vaterschaft nachgesagt wurde, konnte den Ersatz der Kosten beanspruchen, die ihm durch die Beauftragung eines PR-Beraters entstanden, der sich im Kontakt mit der übrigen Boulevardpresse auftragsgemäß darum bemühte, die Verbreitung der Falschmeldung in weiteren Blättern zu verhindern.6 Der Reeder eines Kreuzfahrtschiffs, hinsichtlich dessen ein nur monatlich erscheinendes Fachblatt für Reisebüros zu Beginn der Reisesaison Zweifel an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Reederei und deswegen auch an der Durchführung des angezeigten Kreuzfahrtprogramms der bevorstehenden Saison geäußert hatte, war berechtigt, sich auf Kosten des Verlags mit einer Briefaktion an alle Reisebüros zu wen_______________
1 BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; BGH AfP 1978, 29 = NJW 1978, 210 = GRUR 1978, 187 – Alkoholtest; BGH AfP 1986, 47 = NJW 1986, 981 = GRUR 1986, 330 – Warentest III. 2 Prinz/Peters, Rz. 734. 3 BGH AfP 1986, 47 = NJW 1986, 981 = GRUR 1986, 330 – Warentest III; dazu oben § 22 Tz. 17 ff. 4 OLG Hamburg AfP 2002, 50 = ZUM-RD 2001, 551. 5 BGH AfP 1978, 29 = NJW 1978, 210 = GRUR 1978, 187 – Alkoholtest; Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 44; Damm/Rehbock, Rz. 938; Prinz/Peters, Rz. 734. 6 OLG München AfP 1990, 45.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 15a § 32
den, da infolge des Berichts zu befürchten war, dass die Reisebüros wegen der durch die Berichterstattung hervorgerufenen Ungewissheit die Angebote anderer Veranstalter bevorzugt verkaufen würden.1 c) Geldentschädigung Gemäß § 253 Abs. 1 BGB kennt das deutsche Recht den Anspruch auf Schmerzensgeld nur in den vom Gesetz besonders bestimmten Fällen. Dazu gehören nach § 253 Abs. 2 BGB, der insoweit an die Stelle des mit der Schuldrechtsreform 2002 aufgehobenen Sondertatbestands des § 847 BGB getreten ist, zwar u.a. weiterhin die Verletzung des Körpers und der Gesundheit sowie die Freiheitsentziehung, nach wie vor nicht aber die Verletzung der Ehre oder des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Im Zuge der Fortentwicklung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seiner Verankerung als Teil der verfassungsrechtlich geschützten Prinzipien der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG war die Rechtsprechung jedoch seit der Herrenreiter-Entscheidung des Bundesgerichtshofs2 aus dem Jahr 1958 dazu übergegangen, den Betroffenen Schmerzensgelder auch als Sanktion der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuzusprechen. An dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof3 mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts4 bis in die jüngste Zeit festgehalten,5 so dass heute von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Schmerzensgeldanspruchs als Folge von Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch die Medien gesprochen werden kann. Wenngleich diese Rechtsprechung seit Jahrzehnten bekannt und etabliert war, hat der Gesetzgeber die Gelegenheit der Schuldrechtsreform 2002 allerdings nicht dazu genutzt, diesen Anspruch nun auch formell im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verankern. Damit hat er indessen nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass der Anspruch nach der Regel des § 253 Abs. 1 BGB künftig ausgeschlossen sein sollte. Der Gesetzgeber ist vielmehr mit der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass sich der Entschädigungsanspruch unmittelbar aus der Gewährleistung der Freiheitsrechte der Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB ableitet und dass er aus diesem Grund einer ausdrücklichen Verankerung im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht bedarf.6 _______________
1 LG Hamburg v. 4.7.1986 – 74 O 253/85, unveröffentlicht. 2 BGH NJW 1958, 827 = GRUR 1958, 408 – Herrenreiter. 3 BGH NJW 1961, 2059 = GRUR 1962, 105 – Ginseng-Wurzel; BGH NJW 1965, 685 – Soraya; BGH GRUR 1965, 256 – Gretna Green; BGH GRUR 1966, 157 – Wo ist mein Kind? 4 BVerfG AfP 1973, 435 = NJW 1973, 1221 – Soraya. 5 BGH AfP 1985, 110 = NJW 1985, 1617 = GRUR 1985, 398 – Nacktfoto; BGH AfP 1988, 34 = NJW-RR 1988, 733 – intime Beziehungen; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 373 – Caroline von Monaco II; BGH AfP 1996, 138 = NJW 1996, 985 = GRUR 1996, 227 – Kumulationsgedanke; BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef; BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern TV. 6 Gesetzesbegründung zu § 253 BGB n.F., BT-Drucks. 14/7752, 25; OLG München ZUM 2008, 984; Palandt/Heinrichs, § 253 BGB Rz. 10.
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§ 32 Tz. 15b
Zivilrechtliche Ansprüche
15b
Damit hat sich mit der Schuldrechtsreform an der theoretischen Begründung sowie der praktischen Ausgestaltung des Schmerzensgeldanspruchs nichts geändert. Das Bundesverfassungsgericht1 hat allerdings inzwischen klargestellt, dass die Zuerkennung dieses Anspruchs nach Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch die Medien nicht nur nicht gegen die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG verstößt;2 da sich das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, an dessen Verletzung dieser Anspruch anknüpft, seinerseits aus den Grundrechten des Einzelnen aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG ableitet, ist die Zuerkennung einer Geldentschädigung unter den von der Rechtsprechung entwickelten und im Folgenden darzustellenden Voraussetzungen vielmehr ihrerseits verfassungsrechtlich geboten. Mit der Verfassungsbeschwerde kann Entscheidungen der Zivilgerichte nun nicht mehr nur derjenige rügen, der meint, seine Verurteilung zur Leistung einer Entschädigungszahlung verletze ihn in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG, sondern auch derjenige, der meint, ihm sei in Anbetracht der Schwere einer als solche empfundenen Persönlichkeitsverletzung eine Entschädigung zu Unrecht vorenthalten worden.
15c
Der Bundesgerichtshof3 hatte in seiner neueren Rechtsprechung aber schon vor der Schuldrechtsreform betont, dass es sich bei dieser Entschädigung im eigentlichen Sinn nicht um Schmerzensgeld nach § 847 BGB, sondern um einen eigenständigen Rechtsbehelf handelt, der seine Grundlage unmittelbar in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG hat. Konsequent haben denn auch er selbst in seinen jüngeren Entscheidungen4 sowie ihm folgend die Praxis der Instanzgerichte und das juristische Schrifttum5 den bislang auch für den Ersatz immaterieller Schäden aufgrund von Persönlichkeitsrechtsverletzungen gebräuchlichen Begriff des Schmerzensgelds durch denjenigen der Geldentschädigung bzw. des Geldersatzes ersetzt. Während der letztgenannte Begriff schon deswegen ungenau und damit unzutreffend ist, weil der Betroffene ja, soweit es um den Ausgleich immaterieller Schäden geht, keinen (materiellen) Verlust erlitten hat, der ihm ersetzt werden könnte, grenzt der Begriff der Geldentschädigung diese Art der Kompensation von den nunmehr in § 253 Abs. 2 BGB ausdrücklich geregelten Entschädigungskomplexen in sachgerechter Weise ab; zudem trifft er terminologisch die vom Bundesgerichtshof mit der Entschädigung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen verfolgten Zwecke, zu denen heute nicht nur das Genugtuungs-, sondern auch das Präventionsinteresse gehört,6 das bei der Bemessung echter Schmerzens_______________
1 BVerfG NJW 2004, 2371. 2 BVerfG AfP 1973, 435 = NJW 1973, 1221 – Soraya. 3 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 373 – Caroline von Monaco II; BGH AfP 1996, 138 = NJW 1996, 985 = GRUR 1996, 227 – Kumulationsgedanke; OLG Hamm NJW-RR 2001, 1622. 4 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 373 – Caroline von Monaco II; BGH AfP 1996, 138 = NJW 1996, 985 = GRUR 1996, 227 – Kumulationsgedanke. 5 Vgl. nur Steffen, NJW 1997, 10 ff.; Gounalakis, AfP 1998, 10 ff.; Prinz, NJW 1996, 953; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 334 ff. 6 Unten Tz. 32 f.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 17 § 32
gelder wie etwa derjenigen nach Körperverletzungen in der Regel keine Rolle spielt.1 Daher wird auch in der folgenden Darstellung der bis zur 2. Auflage verwendete Begriff des Schmerzensgelds nicht mehr verwendet. aa) Anspruchsberechtigte Die Verpflichtung zur Leistung einer Geldentschädigung als Folge rechtswidriger Medienberichterstattung setzt als Fortentwicklung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die gerichtliche Praxis die schwerwiegende Beeinträchtigung2 der in Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeit voraus. Zwar hat die Rechtsprechung im Hinblick auf Art. 19 Abs. 3 GG den durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleisteten Schutz auch auf juristische Personen und sonstige Personenvereinigungen ausgedehnt.3 Schon nach dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 3 GG kommt aber Personenvereinigungen der Schutz der Grundrechte nur insoweit zu, als sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Das Genugtuungsbedürfnis, dessen Befriedigung die Geldentschädigung auch nach neuerer Rechtsprechung immer dient,4 besteht aber nur bei natürlichen Personen. Juristische Personen und sonstige Personenverbände können es als solche nicht haben, können auch nicht in ihrer Persönlichkeit in einer Weise getroffen werden, die die Zuerkennung einer Geldentschädigung auch zu ihren Gunsten unabweislich machen könnte. Das gilt nicht nur für Handelsgesellschaften, sondern auch für eingetragene Vereine, selbst wenn sie als Glaubensgemeinschaft ideelle Zwecke verfolgen.5
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Ansprüche auf eine Geldentschädigung aufgrund rechtsverletzender Medienberichterstattung stehen damit ausschließlich natürlichen Personen zu.6 Sie können den Anspruch, sofern die von der Rechtsprechung dafür aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind, unbeschadet ihrer Nationalität, ihrer beruflichen oder sozialen Stellung und auch ihres Alters geltend machen. Grundsätzlich kann der Entschädigungsanspruch damit auch Minderjährigen zustehen,7 deren Persönlichkeitsrecht im Interesse einer unbelasteten Entwicklung sowie ungestörter Eltern-/Kind-Beziehungen in der Abwägung mit den Kommunikationsfreiheiten der Medien einen besonders hohen Stellenwert einnimmt.8 Ob das allerdings auch bei Kindern gilt, die aufgrund ihres Alters
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BVerfG NJW 2000, 2187 = ZUM 2000, 947. Dazu unten Tz. 21 ff. Oben § 13 Tz. 13 ff. Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 344; Steffen, NJW 1997, 10, 11; Gounalakis, AfP 1998, 10 ff. OLG München AfP 2003, 360. BGH NJW 1980, 2807 = GRUR 1980, 1090 – Medizinsyndikat I; OLG Stuttgart MDR 1979, 671; OLG Frankfurt/Main AfP 2000, 576; Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 137; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 344; Damm/Rehbock, Rz. 1007; a.A. Wasserburg, S. 259 f.; BGH NJW 1981, 675 – Scientology; diese Entscheidung betrifft jedoch keinen Fall der Medienberichterstattung und dürfte ein Einzelfall bleiben. BGH AfP 2005, 65 = NJW 2005, 215 = ZUM 2005, 157 = GRUR 2005, 179 – Geldentschädigung. BVerfG AfP 2003, 537 = NJW 2003, 3262 = ZUM 2004, 64; BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco I; BVerfG AfP 2000, 347 = NJW 2000, 2191; BGH AfP 1996, 138 = NJW 1996, 985 = ZUM 1996, 243 = GRUR 1996, 227 – Kumulationsgedanke; oben § 21 Tz. 7e.
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§ 32 Tz. 18
Zivilrechtliche Ansprüche
noch kein ausgeprägtes Ehr- oder Unrechtsbewusstsein haben können, wie das das Landgericht Berlin1 im Fall eines vierjährigen Kindes angenommen hat, dessen Bild auf einem Buch-Cover verbreitet wurde, erscheint zweifelhaft. Mit Recht hat das Bundesverfassungsgericht2 entschieden, dass auch ein Kind nicht nach jeder unrechtmäßigen Veröffentlichung seines Lichtbilds einen Anspruch auf Geldentschädigung hat. 18
Der Anspruch auf Geldentschädigung steht nach einhelliger Rechtsauffassung nur dem unmittelbar Betroffenen zu und insbesondere nicht seinen Angehörigen. Die Rechtsprechung3 hat dies etwa entschieden in den Fällen der Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs eines von den Nationalsozialisten Hingerichteten, dessen Erben zwar ein Berichtigungs-, aber kein Anspruch auf Geldentschädigung zuerkannt wurde. Auch in anderen Fällen, in denen die Medien im Zusammenhang mit Todesfällen insbesondere durch die Art der Darstellung den postmortalen Achtungsanspruch des Getöteten verletzen, resultiert daraus jedenfalls in der Regel kein Entschädigungsanspruch der Angehörigen des Verstorbenen.4 Unter besonderen Umständen kann allerdings die Veröffentlichung des Lichtbilds eines gerade Verstorbenen das Recht der Angehörigen, mit ihrer Trauer allein zu sein, so nachhaltig verletzen, dass daraus ein eigener Entschädigungsanspruch der Angehörigen resultieren kann.5
18a
Dem Ehegatten eines von Medienberichterstattung Verletzten steht demgegenüber ein Anspruch auf Geldentschädigung unter keinen Umständen zu.6 Die gegenteilige Auffassung, die einem Ehemann jedenfalls im Fall eines Angriffs auf die Sexualehre der Ehefrau einen eigenen Anspruch aus der Erwägung zuerkennen will, darin liege zugleich auch eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsbilds des Ehemanns,7 ist mit Art. 3 Abs. 2 GG, der daraus entwickelten Stellung der Frau in der Gesellschaft sowie mit den heutigen Sexual- und Moralvorstellungen nicht mehr vereinbar; mangels besonderer Umstände, die als konkreter Angriff auch gegen den Ehepartner gewertet werden können, kommt ein derartiger Anspruch des nur mittelbar Betroffenen nicht in Betracht. Gleiches gilt auch für die Verletzung der Rechte von Kindern, die jedenfalls dann nicht zu eigenen Ansprüchen der Eltern führen kann, wenn den Kindern selbst die Fähigkeit zuerkannt wird, Ansprüche auf Geldentschädigung geltend zu machen.8
18b
In den Fällen der Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs können aber nicht nur die Angehörigen keine eigenen Ansprüche auf Zahlung einer Geldentschädigung durchsetzen. Auch und gerade dem postmortal Verletzten _______________
1 LG Berlin GRUR 1974, 415 – Saat der Sünde; anders für den dort entschiedenen Fall LG München I AfP 2008, 419 = ZUM 2008, 619. 2 BVerfG ZUM 2007, 463. 3 BGH NJW 1974, 1371 = GRUR 1974, 797 – Fiete Schulze. 4 BGH AfP 2006, 67 = NJW 2006, 605 = ZUM 2006, 270 = GRUR 2006, 252 – Obduktionsfoto; OLG Jena NJW-RR 2005, 1566; LG Berlin AfP 2002, 540. 5 OLG Düsseldorf AfP 2000, 574. 6 Damm/Rehbock, Rz. 1009. 7 BGH GRUR 1969, 426 – Detektei. 8 A.A. BGH GRUR 1969, 426 – Detektei.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 20 § 32
selbst steht dieser Anspruch nicht zu,1 so dass seine Angehörigen einen solchen Anspruch auch nicht aus abgeleitetem Recht in ihrer Eigenschaft als Erben geltend machen können. Zwar schützt der von der Rechtsprechung entwickelte postmortale Achtungsanspruch den Verstorbenen über seinen Tod hinaus gegen schwerwiegende Entstellungen des Persönlichkeitsbilds.2 Die Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung kann aber nach dem Tod des Verletzten nicht mehr zum Tragen kommen.3 Der Geldentschädigungsanspruch war bis 1990 insoweit, als er in § 847 BGB gesetzlich geregelt war, kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 847 Abs. 2 BGB nicht übertragbar und vererblich nur dann, wenn er vor dem Tod des Verletzten rechtshängig gemacht oder anerkannt worden war.4 Dass dies auch für den Entschädigungsanspruch nach Persönlichkeitsrechtsverletzung galt, entsprach einhelliger Auffassung.5 Am Ausschluss der Übertragbarkeit sowie der eingeschränkten Vererblichkeit hat sich mit der Aufhebung von § 847 Abs. 2 BGB sowie der Befreiung des Anspruchs auf Geldentschädigung vom Normkorsett des § 847 BGB durch die neuere Rechtsprechung6 auch für den Bereich der Persönlichkeitsrechtsverletzung nichts geändert. Wegen seiner aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleiteten Rechtsnatur ist dieser Anspruch weiterhin unabtretbar.7 Eine Rechtfertigung des Ausschlusses der Vererblichkeit, von dem der Bundesgerichtshof in der Marlene Dietrich-Entscheidung8 noch ausgegangen ist, ist aber entsprechend dem früheren Recht dann nicht mehr ersichtlich, wenn der Anspruch noch vom Betroffenen geltend gemacht worden ist. Ist das nicht der Fall, so steht den Erben der Entschädigungsanspruch weiterhin nicht zu.9
19
bb) Voraussetzungen Keineswegs jede Persönlichkeits- oder sonstige Rechtsverletzung durch Medien rechtfertigt die Zuerkennung einer Geldentschädigung. Eine Verpflichtung zur Zahlung einer solchen Entschädigung für durch Veröffentlichungen zu_______________
1 BGH AfP 2006, 67 = NJW 2006, 605 = ZUM 2006, 270 = GRUR 2006, 252 – Obduktionsfoto; a.A., wenn auch mit fehlerhafter Begründung, OLG München ZUM 2002, 744; dazu Götting, GRUR 2004, 801 ff.; oben § 13 Tz. 12d. 2 Dazu oben § 13 Tz. 6 ff. 3 G. Müller, VersR 2008, 1141 ff. unter D I; wegen der Verletzung vermögenswerter Bestandteile des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts Verstorbener vgl. oben § 13 Tz. 12 ff. 4 § 847 Abs. 2 BGB; außer Kraft gesetzt durch Gesetz zur Änderung des BGB v. 14.3.1990 – BGBl. I 1990, 478. 5 BGH GRUR 1969, 426 – Detektei; Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 140; Damm/Rehbock, Rz. 1001. 6 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 373 – Caroline von Monaco II; BGH AfP 1996, 138 = NJW 1996, 985 = GRUR 1996, 227 – Kumulationsgedanke. 7 BGH AfP 2000, 356 = NJW 2000, 2195 = GRUR 2000, 715 = ZUM 2000, 582 – Marlene Dietrich; Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 140; mit eingehender Begründung Damm/ Rehbock, Rz. 1011 ff. 8 BGH AfP 2000, 356 = NJW 2000, 2195 = GRUR 2000, 715 = ZUM 2000, 582 – Marlene Dietrich; so auch Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 344. 9 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 344; Damm/Rehbock, Rz. 1031 ff; Prinz/Peters, Rz. 772.
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20
§ 32 Tz. 21
Zivilrechtliche Ansprüche
gefügte immaterielle Schäden setzt vielmehr einen schuldhaft begangenen schwerwiegenden Eingriff, das Fehlen anderweitiger befriedigender Ausgleichsmöglichkeiten sowie in der Gesamtwürdigung ein unabwendbares Bedürfnis voraus, das nach der neueren Rechtsprechung1 im Wesentlichen anhand der Kriterien des Genugtuungsbedürfnisses und des Präventionsgedankens zu ermitteln sein wird. Ob eine entschädigungswürdige Rechtsverletzung vorliegt, hängt mithin von Art und Intensität des Eingriffs, von der Nachhaltigkeit der Rufschädigung sowie von Anlass und Beweggrund des Handelns des Verletzers einschließlich des Maßes seines Verschuldens ab.2 In der Praxis erfordert dies eine Gesamtbeurteilung des jeweiligen konkreten Falls, in die insbesondere die Kriterien der Schwere der Rechtsverletzung, des Verschuldens sowie des Fehlens anderweitiger Genugtuungsmöglichkeiten einfließen. (1) Schwerwiegende Rechtsverletzung 21
Voraussetzung für eine Verpflichtung zur Zahlung einer Geldentschädigung ist damit zunächst die Feststellung einer schwerwiegenden Rechtsverletzung.3 Dabei wird es sich in der Regel um Verletzungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts handeln. Es kommen aber auch andere deliktsrechtliche Tatbestände wie etwa derjenige der üblen Nachrede in Betracht, wobei bei derartigen Rechtsverletzungen der Gesichtspunkt der Subsidiarität des Geldentschädigungsanspruchs4 besonders bedeutsam ist, weil bei der Verbreitung nachweislich falscher Tatsachenbehauptungen in der Regel Wiedergutmachung auf andere Weise möglich ist. Erforderlich ist stets, dass der Eingriff erhebliches Gewicht hat. Das wird bei einer Verletzung der Intimsphäre,5 und zwar trotz gewandelter Moralanschauungen auch bei der ungerechtfertigten Verbreitung von Aufnahmen des unbekleideten Körpers6 in der Regel der Fall sein, sofern es sich nicht um eine durch Einwilligung gedeckte Veröffentlichung von Aufnahmen handelt, die mit Zustimmung des Betroffenen anderweitig verbreitet wurden.7 Gleiches gilt bei Äußerungen, die als Schmähkritik angesehen werden müssen,8 während bei anderen Persönlichkeitsrechtsverletzungen die erforderliche Schwere der Beeinträchtigung nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls wird festgestellt werden können. Dabei muss auch die Reaktion des Betroffenen berücksichtigt werden. Wer etwa auf eine von ihm als rechtswidrig eingestufte Veröffentlichung erstmals drei Jahre danach reagiert, um dann die Zahlung einer Geld_______________
1 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 373 – Caroline von Monaco II; BGH AfP 1996, 138 = NJW 1996, 985 = GRUR 1996, 227 – Kumulationsgedanke. 2 BGH AfP 1988, 34 = NJW-RR 1988, 733 – intime Beziehungen; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. 3 Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 335; Prinz/Peters, Rz. 744. 4 Unten Tz. 28 ff. 5 BGH AfP 1985, 110 = NJW 1985, 1617 = GRUR 1985, 398 – Nacktfoto; BGH AfP 1988, 34 = NJW-RR 1988, 733 – intime Beziehungen. 6 OLG Oldenburg AfP 1989, 556 = NJW 1989, 400. 7 BVerfG AfP 2000, 76 = NJW 2000, 1021 = ZUM 2000, 149 – Caroline von Monaco; OLG Frankfurt/Main NJW 2000, 594; LG Berlin AfP 1998, 417. 8 BGH NJW 1963, 902 = GRUR 1963, 490 – Fernsehansagerin.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 22a § 32
entschädigung zu fordern, der zeigt, dass er die gegebenenfalls vorliegende Rechtsverletzung selbst nicht als besonders schwerwiegend eingestuft hat; der Entschädigungsanspruch kommt dann nicht in Betracht.1 Schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Verbreitung nicht erweislicher Tatsachen hat die Rechtsprechung etwa angenommen in den Fällen der bundesweiten Verbreitung der nicht bewiesenen Behauptung eines Fernsehmagazins, ein namentlich genannter Arzt habe eine nachhaltige Kette von Kunstfehlern begangen,2 der ebenfalls unbewiesenen Behauptung, ein leitender Polizeibeamter habe sich von Angehörigen des Rotlichtmilieus bestechen lassen,3 oder der zweifach in der überregionalen Presse verbreiteten unwahren Behauptung, ein namentlich genannter, vom entsprechenden Vorwurf bereits freigesprochener Betroffener sei ein Kinderschänder.4 Gleiches gilt für die Beschuldigung, ein Betroffener habe eine seiner Unternehmungen durch Drogengelder finanziert,5 ein Anderer habe sich wissentlich als Mediziner in den Dienst nationalsozialistischer Sterilisierungsvorhaben gestellt, während er tatsächlich zwar einschlägige Studien veröffentlicht hatte, ohne zu wissen, welchen Zwecken sie dienen sollten,6 oder im Fall der wahren Berichterstattung über einen Verdacht des Generalbundesanwalts, ein namentlich genannter Rechtsanwalt sei als Kurier an einem Informationssystem von RAF-Terroristen beteiligt, in dem zwischen der Bekanntgabe des Verdachts und der Veröffentlichung bereits einige Zeit verstrichen war und die Presse sich nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen nicht gesondert erkundigt hatte.7 Entschädigungswürdig war auch die dreimalige Veröffentlichung eines Berichts über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen einen Rechtsanwalt wegen Betrugsverdachts, das ausschließlich auf der Strafanzeige eines Dritten mit zweifelhafter Seriosität beruhte und später eingestellt wurde.8
22
Eine die Geldentschädigung rechtfertigende schwere Rechtsverletzung waren auch die in den Medien verbreiteten unwahren Behauptungen, der ehemalige Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung des Staatssicherheitsdienstes der DDR, Markus Wolff, habe zielgerichtet an der Ermordung namentlich genannter Stasi-Opfer mitgewirkt, obgleich an seiner politischen Mitverantwortung kein Zweifel bestand und besteht,9 ein Betroffener habe einen Verkehrsunfall, bei dem ein Ex-Sportler und Dissident zu Tode gekommen ist, im Auftrag der Stasi vorsätzlich herbeigeführt, während nach dem feststehenden Sachverhalt der Verstorbene den Unfall selbst schuldhaft verursacht hatte,10 sowie die Behauptung, ein namentlich genannter Rechtsanwalt sei in ein Mordkomplott der Scientology-Bewegung verwickelt.11 Eine schwerwiegende
22a
_______________
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
LG Berlin AfP 2003, 320. BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern TV. BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef. LG Ansbach NJW-RR 1997, 978. OLG Hamburg NJW-RR 1996, 90 – RTL aktuell. BGH NJW 1980, 2807 = GRUR 1980, 1090 – Medizin-Syndikat I. OLG Hamburg NJW-RR 1994, 1176. OLG Hamburg NJW-RR 2006, 1707. LG Hamburg AfP 1994, 163. OLG Hamm NJW-RR 1993, 735. OLG München NJW-RR 1996, 1365.
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§ 32 Tz. 23
Zivilrechtliche Ansprüche
Persönlichkeitsrechtsverletzung stellt auch die Veröffentlichung von frei erfundenen angeblichen Exklusiv-Interviews dar.1 23
Schwerwiegende Verletzungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts im dargestellten Sinn haben die Gerichte ferner etwa angenommen im Fall der unautorisierten Veröffentlichung des Lichtbilds einer nahezu unbekleideten Patientin, das aus Anlass der Vornahme einer Operation zur Brustvergrößerung von der Assistentin des Schönheitschirurgen gefertigt und anschließend der Presse zur Verfügung gestellt worden war,2 der in großer Aufmachung u.a. auf den Titelblättern einschlägiger Gazetten verbreiteten Behauptung, eine tatsächlich nicht erkrankte Angehörige des europäischen Hochadels kämpfe tapfer gegen den Brustkrebs,3 und bei der Abbildung eines angeblichen Wunderheilers, mit dessen Methoden sich die Presse zulässigerweise kritisch auseinandersetzte, in Handschellen aus Anlass eines zurückliegenden und abgeschlossenen Strafverfahrens.4 Krasse Persönlichkeitsrechtsverletzungen stellte auch das Postulat einer Pop-Gruppe „I wanna make love with Steffi Graf“ im Titel eines Pop-Songs dar, der obendrein die Behauptung enthielt, das habe schließlich der Vater der Betroffenen tausendfach zuvor getan,5 sowie die Verbreitung eines durch nichts erhärteten Gerüchts, ein Trainer der Fußballbundesliga habe sexuelle Verhältnisse mit den Ehefrauen mehrerer der von ihm trainierten Spieler unterhalten.6
23a
Auf derselben Linie liegt die Veröffentlichung des Fotos einer jungen Frau neben einem frei erfundenen angeblichen Bekenntnis über sexuelle Frühlingserlebnisse.7 Schließlich fallen auch glatte Schmähungen wie die Bezeichnung eines höheren Verwaltungsbeamten als allergrößte Pfeife,8 die mehrfache Bezeichnung des als Bundestagsabgeordneter prominenten Miteigentümers eines Mehrfamilienhauses, in dem drei Wohnungen für so genannte HostessenServices genutzt wurden, als Puff-Politiker9 oder die mehrfache Veröffentlichung intimer Details aus der Scheidungsakte eines Prominenten10 in diese Kategorie. Ob hingegen auch die Tatsache, dass ein an einem spektakulären Verkehrsunfall unbeteiligter Zeuge auf einem Szenenfoto des Unfallgeschehens deutlich sichtbar abgebildet wird, bereits die besondere Eingriffsintensität hat,11 die für die Zuerkennung einer Geldentschädigung mit Recht gefordert wird, erscheint fraglich. Fraglich erscheint auch die Auffassung des Landgerichts Berlin,12 die Veröffentlichung des gepixelten Fotos der Gesichtspartie _______________
1 BGH NJW 1965, 685; BVerfGE 34, 269 = AfP 1973, 435 = NJW 1973, 1221 = GRUR 1974, 44 – Soraya; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. 2 OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 95. 3 BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 373 – Caroline von Monaco II. 4 OLG Frankfurt/Main AfP 1993, 753. 5 OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 1963 – Steffi Graf. 6 LG München I ZUM 1998, 576. 7 OLG Hamburg AfP 1995, 508 = NJW-RR 1995, 220 – Heiße Quickies. 8 LG Oldenburg AfP 1995, 679 = NJW-RR 1995, 1427. 9 KG AfP 2008, 407 = ZUM-RD 2008, 466. 10 OLG Hamburg AfP 2008, 411 = ZUM 2009, 234. 11 OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, 1328. 12 LG Berlin MMR 2007, 398.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 24a § 32
und des Oberkörpers einer Frau im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung über ein Strafverfahren gegen einen Mann wegen der Veröffentlichung pornografischer Bilder im Internet sei entschädigungswürdig. Zwar kann sich das Gericht in diesem Fall darauf berufen, dass es für die Erkennbarkeit in der Regel ausreichen soll, dass die Betroffene begründeten Anlass zu der Annahme hat, sie könne erkannt werden,1 so dass ein Unterlassungsanspruch ohne Frage bestand. In einem Fall, in dem die Gesichtszüge nach der Feststellung des Gerichts nicht zu erkennen sind und die Betroffene keine weiteren Angabe darüber macht, dass und durch wen sie mit dem Bericht konfrontiert worden sei, liegt die Annahme einer schweren Rechtsverletzung aber eher fern. Keine in diesem Sinn besonders schwere Beeinträchtigung liegt regelmäßig in den Fällen bloßer Übertreibung oder Überzeichnung vor, in denen ein erhobener Vorwurf oder eine gegebene Darstellung im Kern zutreffend ist.2 So kommt ein Anspruch auf Geldentschädigung in einem Fall nicht in Betracht, in dem dem Betroffenen die Begehung von Unzucht mit zwei Kindern nachgesagt wird, der Vorwurf aber nur in einem Fall berechtigt ist. Gleiches ist angenommen worden im Fall des Berichts über eine Straftat unter Namensnennung des Betroffenen, in dem die Berichterstattung inhaltlich in allen Punkten zutreffend war und die Unzulässigkeit der Namensnennung sich nur aus dem Fehlen eines berechtigten Interesses auch an der Offenbarung der Identität des Täters ergab,3 oder in demjenigen eines wahrheitsgemäßen Berichts über eine strafrechtliche Verurteilung, in dem die Tatsache verschwiegen wurde, dass das Urteil nicht rechtskräftig war.4 Keine hinreichend schwerwiegende Rechtsverletzung war auch die Veröffentlichung eines Berichts über eine Durchsuchung des Büros eines Rechtsanwalts unter Verschweigen der Mitteilung, dass sich das ihr zugrunde liegende Ermittlungsverfahren nicht gegen den Rechtsanwalt richtete,5 oder ein reißerisch und übertrieben aufgemachter Bericht über ein spektakuläres Strafverfahren mit im Wesentlichen sachlich zutreffendem Inhalt.6
24
Eine schwerwiegende Rechtsverletzung fehlt auch dort, wo eine Darstellung oder Kennzeichnung des Betroffenen zwar unrichtig ist, sich dies aber auf das Bild, das sich die Öffentlichkeit von der Persönlichkeit des Betroffenen macht, nicht abträglich auswirkt, er insbesondere nicht der Lächerlichkeit oder öffentlichen Geringschätzung preisgegeben wird. In diese Kategorie fällt etwa die Bezeichnung eines im Bild gezeigten Betroffenen als doofer lederbehoster Bayer in einem satirischen Cartoon7 oder eine andere erkennbar satirische Beschreibung einer Person im Zusammenhang mit einem satirisch-kritischen
24a
_______________
1 Dazu oben § 13 Tz. 38 ff. 2 LG Bonn AfP 1976, 140; LG München AfP 1972, 276; OLG Brandenburg AfP 1995, 520 = NJW 1995, 886 – Täter-Opfer-Polizei. 3 OLG Düsseldorf AfP 1980, 108; OLG Nürnberg NJW 1996, 530. 4 LG Berlin AfP 1998, 418 = NJW-RR 1999, 1253. 5 OLG Karlsruhe AfP 2006, 262 = NJW-RR 2006, 987 = ZUM 2006, 571 = GRUR 2006, 959. 6 OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2007, 1115 = ZUM 2007, 390. 7 BVerfG AfP 2002, 417 = NJW 2002, 3767 = ZUM 2002, 920 – Bonnbons; anders in diesem Fall OLG München NJW-RR 1998, 1036.
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§ 32 Tz. 24b
Zivilrechtliche Ansprüche
Beitrag über eine Prominenten-Ball.1 Nicht entschädigungswürdig waren auch Berichte über die angeblich bevorstehende, tatsächlich aber zu diesem Zeitpunkt nicht geplante Hochzeit einer Angehörigen des europäischen Hochadels,2 über die vermeintlich entgeltliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts für einen Verein, dessen Verwaltungsrat er angehört,3 oder über eine Geburtstagsfeier mit deutlichem Öffentlichkeitsbezug, an der Vertreter der Öffentlichkeit und bestimmter, dem Jubilar nahestehender Medien teilgenommen haben und während deren alle drei Strophen des Deutschlandlieds gesungen wurden, unter Veröffentlichung bei dieser Gelegenheit gegen den Willen des Betroffenen gefertigter Fotos.4 Keinen Anspruch auf Geldentschädigung löste es auch aus, dass einer Prominenten aufgrund einschlägiger Gerüchte eine Krebserkrankung nachgesagt wurde,5 während dies bei der Herstellung einer Assoziation zwischen einem Strafgefangenen und einer Aids-Infizierung anders entschieden worden ist.6 24b
Nicht entschädigungswürdig war auch die Wiedergabe der Bezeichnung des später kriminell gewordenen früheren Innenministers und Stellvertreters des Ministerpräsidenten der damaligen DDR als „solche Bundesscheiße, da möchte man überhaupt nicht rein treten“ durch den Künstler Wolf Biermann im Rahmen eines Presseinterviews7 oder die sachlich nicht veranlasste plakative Frage, ob die ehemalige Ministerpräsidentin Heide Simonis jetzt ins Dschungel-TV gehen werde, nachdem die Betroffene mit breiter Medienbegleitung an einer im Fernsehen ausgestrahlten Tanz-Show mitgewirkt hatte,8 und die Veröffentlichung eines Hochzeitsfotos des bekannten Fernsehmoderators Günter Jauch, der seine Hochzeit mit großem Pomp und breiter publizistischer Begleitung, aber dennoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Anwesenheit von ca. 150 Gästen einschließlich des Regierenden Bürgermeisters von Berlin gefeiert hatte.9 Hingegen erscheint die Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt10 verfehlt, es stelle keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, wenn jemand, der die entsprechende sexuelle Neigung nicht teilt, durch die Verwendung seines Lichtbilds zur Illustration eines Artikels über homosexuelle Paare dem Leser als vermeintlich Angehöriger dieser Szene präsentiert wird. Hier ist zwar richtig, dass die Zugehörigkeit zu sexuellen Minderheiten nach heutigem Verständnis nicht mehr als Makel anzusehen ist; dennoch muss es dem Einzelnen zugestanden werden, sich insoweit selbst zu definieren, und seine öffentliche Vereinnahmung für eine _______________
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OLG Frankfurt/Main AfP 2008, 611. OLG Hamburg NJW-RR 1999, 1701. OLG Karlsruhe AfP 1998, 639 = NJW-RR 1999, 103. Landgericht München I AfP 1994, 162. OLG Hamburg UFITA 78 (1977), 252 – Gracia Patricia; vgl. aber den ähnlichen, wenngleich aufgrund der Umstände der Veröffentlichung krasseren Fall BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 373 – Caroline von Monaco II. OLG Hamburg AfP 1987, 703 – Aids-Risiko. KG AfP 2001, 65. KG AfP 2007, 569 = ZUM 2008, 60 = WRP 2007, 1496. OLG Hamburg AfP 2008, 631 = ZUM 2009, 297. OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2003, 553 = GRUR-RR 2003, 122.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 25a § 32
Gruppe, der er sich nicht zugehörig fühlt, ist eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts, deren Intensität eine Geldentschädigung rechtfertigt.1 Auch eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild ist nicht schlechthin, sondern nur dann entschädigungswürdig, wenn sie nach den Umständen des konkreten Falls besonderes Gewicht hat.2 Das gilt auch bei der rechtswidrigen Abbildung von Kindern, deren Lichtbild zwar durch Augenbalken anonymisiert wurde, die jedoch aus dem begleitenden Text ohne Weiteres identifizierbar waren.3 So stellt auch die Abbildung des etwa achtjährigen Sohns von Caroline von Monaco zwar per se eine Verletzung seines Rechts am eigenen Bild, mangels hinzutretender besonderer Umstände jedoch keine so gravierende Rechtsverletzung dar, dass die Zuerkennung einer Geldentschädigung geboten oder auch nur zulässig wäre.4 Erfolgt aber die Verletzung des Rechts am eigenen Bild eines Betroffenen planmäßig durch eine Serie von Veröffentlichungen in mehreren Blättern eines Verlags und geschieht das gegen den erklärten Widerspruch des Betroffenen, dann kann sich daraus auch dann ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung ergeben, wenn die jeweiligen Einzelveröffentlichungen nicht die Eingriffsintensität haben, die diese Sanktion rechtfertigen könnte.5
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Nicht gerechtfertigt ist die Auffassung,6 die Abbildung eines Unfallzeugen auf einem Szenenfoto habe per se die Eingriffsintensität, die für die Zuerkennung der Geldentschädigung erforderlich ist. Auch die Veröffentlichung des Lichtbilds einer Frau mit entblößter Brustwarze ist jedenfalls dann nicht entschädigungswürdig, wenn die Betroffene sich auch ansonsten freizügig in der Öffentlichkeit bewegt.7 Selbst die unbefugte und damit fast ausnahmslos rechtswidrige Verwendung des Lichtbilds einer Person zu Zwecken der Werbung rechtfertigt ohne Hinzutreten besonderer Umstände die Zuerkennung einer Geldentschädigung nicht,8 wie auch dem Künstler, dessen Urheberrecht durch ungerechtfertigte Veröffentlichung seiner Bilder verletzt wird, der Entschädigungsanspruch allein aus diesem Grund nicht zusteht.9 In den beiden zuletzt genannten Fällen kann dem Verletzten allerdings ein Anspruch auf Leistung materiellen Schadenersatzes nach der Methode der Lizenzanalogie zustehen.10
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Richtig insoweit LG Köln ZUM 2003, 325; AG Charlottenburg NJW-RR 1999, 1546. Schricker/Gerstenberg/Götting, §§ 60/33 ff. KUG Rz. 10 f. BVerfG 2007, 463. OLG Hamburg AfP 1995, 504 = NJW-RR 1994, 990; vgl. auch LG München I AfP 2008, 419 = ZUM 2008, 619. BGH AfP 1996, 138 = NJW 1996, 985 = GRUR 1996, 227 – Kumulationsgedanke. OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, 1328. LG Hamburg AfP 2006, 197. OLG Karlsruhe AfP 1989, 558 = NJW 1989, 401. OLG Hamburg GRUR 1990, 36 – Schmerzensgeld. BGH AfP 1979, 345 = NJW 1979, 2205 = GRUR 1979, 732 – Fußballtor; Schricker/ Gerstenberg/Götting, §§ 60/33 ff. KUG Rz. 9 ff.
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§ 32 Tz. 26
Zivilrechtliche Ansprüche
(2) Verschulden 26
Unabdingbare Voraussetzung für den Anspruch auf Geldentschädigung wie für jeden Schadenersatzanspruch ist ferner ein Verschulden auf Seiten des Verletzers. Aus der Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung1 ist überwiegend gefolgert worden, dass jedenfalls in der Regel eine Verpflichtung zur Zahlung einer Geldentschädigung nur in Fällen schweren Verschuldens in Betracht kommt,2 wenngleich die Rechtsprechung insoweit nicht ganz einheitlich ist und einige ältere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs3 dieses Kriterium als Voraussetzung der Geldentschädigung nicht ausdrücklich nennen. Selbst wo aber eine gesteigerte Verschuldensform für die Begründung eines Geldentschädigungsanspruchs nicht als unabdingbar angesehen wird,4 so wird doch die erforderliche Gesamtbeurteilung in der Regel nur zum Urteil der Entschädigungswürdigkeit gelangen, wenn einer Redaktion der Vorwurf einer besonders groben Missachtung der sie treffenden Sorgfaltspflicht zu machen ist.
26a
Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs5 räumt der Geldentschädigung ausdrücklich auch eine Präventionsfunktion ein. Diese Auffassung ist nur verständlich und sinnvoll, wenn sie unmittelbar an die Feststellung eines besonders groben Verstoßes gegen die für die Medien geltenden Sorgfaltspflichten anknüpft.6 Fehlt es an schwerem Verschulden, so ist für Präventionserwägungen kein Raum und lässt sich auch die Feststellung nicht treffen, dass für die Zuerkennung einer Geldentschädigung das unabwendbare Bedürfnis besteht, das die Rechtsprechung im Allgemeinen fordert.
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Allerdings bedeutet das Erfordernis schweren Verschuldens nicht, dass Geldentschädigungen nur nach vorsätzlicher Rechtsverletzung gefordert werden können.7 Ausreichend ist vielmehr, sofern die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt sind, die Feststellung, dass die betreffende Redaktion die ihr obliegende pressemäßige Sorgfalt in einer besonders groben Weise verletzt _______________
1 BGH NJW 1961, 2059 = GRUR 1962, 105 – Ginseng-Wurzel; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 373 – Caroline von Monaco II; BGH AfP 1996, 138 = NJW 1996, 985 = GRUR 1996, 227 – Kumulationsgedanke; BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef; BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern TV; BGH AfP 2005, 65 = NJW 2005, 215 = ZUM 2005, 157 = GRUR 2005, 179 – Geldentschädigung. 2 BGH NJW 1961, 2059 = GRUR 1962, 105 – Ginseng-Wurzel; BGH NJW 1965, 2395 – Mörder unter uns; BGH NJW 1970, 1077 = GRUR 1970, 370 – Nachtigall I; BGH AfP 1971, 76 = NJW 1971, 698 = GRUR 1972, 97 – Pariser Liebestropfen; Damm/Rehbock, Rz. 984; Löffler/Ricker, Kap. 44 Rz. 46. 3 BGH NJW 1965, 1374 = GRUR 1965, 495 – Satter Deutscher; BGH GRUR 1969, 301 – Spielgefährtin II. 4 Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 115; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 335. 5 BGH AfP 1985, 110 = NJW 1985, 1617 = GRUR 1985, 398 – Nacktfoto; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 373 – Caroline von Monaco II; BGH AfP 1996, 138 = NJW 1996, 985 = GRUR 1996, 227 – Kumulationsgedanke; kritisch dazu Gounalakis, AfP 1998, 10, 14 ff.; Seitz, NJW 1996, 2848. 6 A.A. Prinz/Peters, Rz. 755. 7 BGH NJW 1963, 902 = GRUR 1963, 490 – Fernsehansagerin; Damm/Rehbock, Rz. 985.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 28 § 32
hat. Entschuldbare, aber vermeidbare Irrtümer schließen den Geldentschädigungsanspruch aus. Aus diesem Grund hat etwa das Oberlandesgericht München1 die Entschädigungsklage der Betroffenen wegen der Verwendung ihres Lebensbilds im Roman „Esra“ mit Recht zurückgewiesen, weil Autor und Verlag in ihrer Fehleinschätzung der Frage der Erkennbarkeit2 zwar fahrlässig, aber nicht grob fahrlässig gehandelt hatten und es damit an der für die Zuerkennung der geforderten Geldentschädigung zwingenden Voraussetzung eines schweren Verschuldens fehlte. Nach dieser Regel werden Entschädigungsansprüche im Allgemeinen auch nicht in Betracht kommen, wenn einer Redaktion von freien Fotografen Lichtbilder ihr unbekannter Personen mit der ausdrücklichen, aber unzutreffenden Zusicherung des Einverständnisses des Abgebildeten zur Verfügung gestellt werden.3 Ausgeschlossen4 oder gemindert5 kann der Geldentschädigungsanspruch auch dann sein, wenn dem Verletzten der Vorwurf mitwirkenden Verschuldens zu machen ist.6 (3) Subsidiarität Schließlich kommt eine Verpflichtung zur Zahlung von Geldentschädigung nur in Betracht, wenn eine anderweitige zumutbare und angemessene Ausgleichsmöglichkeit nicht besteht. Der Anspruch auf Geldentschädigung ist damit im Prinzip subsidiär,7 ohne dass dagegen wegen der Fundierung des Anspruchs in den Grundrechten der Betroffenen aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.8 Er dient entgegen den Vorstellungen manches Betroffenen nicht in erster Linie dem Zweck, rechtswidrige Berichterstattung in eine Quelle zusätzlichen Gelderwerbs umzumünzen.9 Wer insbesondere in dafür geeigneten Fällen darauf verzichtet, gegen die Veröffentlichung ihn betreffender ehrenrühriger unwahrer Tatsachenbehauptungen mit Ansprüchen auf Veröffentlichung von Gegendarstellungen und Berichtigungen vorzugehen, wird später den Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung nicht mit Aussicht auf Erfolg geltend machen können.10 Die Durchsetzung und ordnungsgemäße Veröffentlichung eines Widerrufs beseitigt in der Regel das Bedürfnis nach Zuerkennung einer Geldentschädigung11 jedenfalls dann, wenn sie unverzüglich erfolgt; beseitigt sie den Entschädigungsanspruch im Einzelfall nicht dem Grunde nach, so wirkt sie sich _______________
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OLG München AfP 2009, 140 = ZUM 2008, 984. Dazu oben § 13 Tz. 37 f., § 19 Tz. 23a ff. Oben § 9 Tz. 29. OLG Stuttgart ArchPR 1971, 104 – Rosa Luxemburg. OLG Hamburg MDR 1964, 514; OLG Celle NJW 1965, 1338. Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 119; Damm/Rehbock, Rz. 987. BGH NJW 1970, 1077 = GRUR 1970, 370 – Nachtigall I; BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; OLG Köln AfP 1971, 720; KG AfP 1974, 720; OLG Karlsruhe AfP 2006, 262 = ZUM 2006, 571; OLG Karlsruhe AfP 2003, 440 = ZUM 2003, 504; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 338. BVerfG NJW 2004, 591. OLG Stuttgart AfP 1981, 362 = NJW 1981, 2817 – Rudi Carrell. LG Hamburg AfP 2003, 561; LG Berlin AfP 2008, 320. BGH NJW 1970, 1077 = GRUR 1970, 370 – Nachtigall I; OLG Köln AfP 1971, 720; KG AfP 1974, 720.
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§ 32 Tz. 28a
Zivilrechtliche Ansprüche
jedenfalls mindernd auf die Höhe des Entschädigungsbetrags aus.1 Ist eine Berichtigung hingegen erst in einem jahrelangen Rechtsstreit durchsetzbar, so ist das Genugtuungsbedürfnis des Betroffenen nicht befriedigt, kommt mithin eine Geldentschädigung als kumulativer Rechtsbehelf in Betracht.2 28a
Gleiches gilt, wenn eine geschuldete Berichtigung nicht veröffentlicht werden kann, weil die abdruckpflichtige Zeitschrift eingestellt worden ist,3 oder wenn die rechtswidrige Meldung einerseits und die Aufmachung und Platzierung einer redaktionellen Berichtigung unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Medien nicht annähernd gleichwertig ausfallen können.4 Die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg,5 die unverzügliche und obendrein mit einer förmlichen Entschuldigung versehene Veröffentlichung einer freiwilligen Richtigstellung durch eine Redaktion beseitige das Bedürfnis nach Zahlung einer Geldentschädigung nicht, sondern mindere es allenfalls, weil die Berichtigung nicht sicher dieselben Leserkreise erreiche wie die ursprüngliche rechtswidrige Darstellung, ist verfehlt. Das Genugtuungsbedürfnis, auf das die Rechtsprechung insoweit maßgeblich abstellt, kann nicht davon beeinflusst werden, ob alle Leser des Erstberichts auch die freiwillige Berichtigung zur Kenntnis nehmen. Maßgeblich ist demgegenüber in einem solchen Fall die Feststellung, dass die Redaktion, der ein Versehen unterlaufen ist, alles ihr Zumutbare und Mögliche zur sofortigen Schadensbegrenzung getan und dem Betroffenen obendrein durch eine förmliche Entschuldigung Genugtuung verschafft hat.
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Unter dem Aspekt der Subsidiarität haben daher die Betroffenen die Obliegenheit und die Medien die Möglichkeit, durch geeignete Maßnahmen nach erfolgter Rechtsverletzung deren Folgen zu begrenzen und das Entstehen einer Entschädigungsforderung zu vermeiden. Einigen sich die Beteiligten etwa über die Veröffentlichung einer Richtigstellung, so besteht ein Bedürfnis für die anschließende Zahlung einer Geldentschädigung nicht mehr.6 Scheitern hingegen Verhandlungen über eine angemessene Berichtigung und kommt wegen der Dauer der Verhandlungen die Durchsetzung einer Gegendarstellung nicht mehr in Betracht, so kann nach Auffassung des Oberlandesgerichts München7 dem Geldentschädigungsanspruch des Betroffenen die Tatsache nicht entgegengehalten werden, dass er auf den Abdruck einer Gegendarstellung verzichtet hat; das ist indessen nur zutreffend, wenn er seinem Kontrahenten eine Gegendarstellung zunächst fristgerecht zugeleitet hatte8 und deren Veröffentlichung dann aufgrund des Zeitablaufs infolge der Verhandlungen nicht mehr in Betracht kommt.
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Die Möglichkeit der Schadensbegrenzung zur Vermeidung von Entschädigungsforderungen besteht allerdings in der Regel nur im Fall der Verbreitung _______________
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LG Berlin NJW-RR 1998, 316. BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. KG NJW-RR 1995, 479. BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. OLG Hamburg AfP 1994, 42. OLG Köln AfP 1991, 427. OLG München AfP 1990, 45. Dazu oben § 29 Tz. 36c.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 31 § 32
unwahrer ehrenrühriger Tatsachenbehauptungen. Nur die durch sie bewirkte Beeinträchtigung kann durch eine Gegendarstellung, gegebenenfalls auch durch eine redaktionelle Berichtigung ausgeglichen werden. Die vereinzelt vertretene Kritik am Subsidiaritätsprinzip1 pauschaliert daher in unzulässiger Weise die in manchen Fällen in der Tat bestehenden Bedenken gegen die Eignung von Folgenbeseitigungsmaßnahmen der Medien zur Beseitigung des für den Entschädigungsanspruch unverzichtbaren Genugtuungsbedürfnisses des Verletzten. Diese Kritik muss in Wahrheit als Ausdruck eines nicht legitimen Interesses an einer Kommerzialisierung erlittener Verletzungen verstanden werden. Denn tatsächlich wird ein anderweitig begründeter Entschädigungsanspruch ja gerade nicht dadurch beseitigt, dass die Medien nach jahrelangem Rechtsstreit schließlich eine eingeklagte Berichtigung veröffentlichen oder dass sie eine Gegendarstellung des Verletzten mit einer redaktionellen Anmerkung versehen, in der sie auf ihrem Standpunkt beharren.2 Für freiwillig veröffentlichte Richtigstellungen und unkommentierte Gegendarstellungen oder solche mit einem bestätigenden Redaktionsschwanz gilt dies aber nicht.3 Macht daher der Verletzte von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch, und beschränkt er sich von vornherein darauf, die Leistung von Geldentschädigung zu fordern, so wird dieser Anspruch im Allgemeinen nicht entstehen.4 Für die Medien ergibt sich hieraus eine effektive Möglichkeit zur Schadensminderung. Förmliche Entschuldigungen, auf deren Erklärung kein Rechtsanspruch besteht, werden zwar nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen, den Medien in aller Regel hingegen nicht zumutbar und zur Vermeidung von Entschädigungsforderungen obendrein nur geeignet sein, wenn sie veröffentlicht werden. Durch die Einräumung etwa der Tatsache, dass eine bestimmte Meldung falsch oder nicht so gemeint war, wie sie der Leser verstanden hat, in der redaktionellen Anmerkung zu einer zügig veröffentlichten Gegendarstellung können aber die Folgen rechtswidriger Berichterstattung nennenswert gemildert und Geldentschädigungsansprüche in zumutbarer Weise vermieden werden.5
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Anderes gilt in den Fällen der Schmähkritik oder sonstiger rechtswidriger Meinungsäußerungen. Ihnen kann der Betroffene mit Gegendarstellungs- und Berichtigungsansprüchen nicht begegnen, so dass hier der Gesichtspunkt der Subsidiarität des Geldentschädigungsanspruchs nur eine geringe praktische Bedeutung hat.6 Gleiches gilt für die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen, die zwar zutreffend sind, deren Veröffentlichung aber eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen darstellt; hier kann vom Betroffenen nicht verlangt werden, dass er durch die dargestellten Schaden-
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Prinz/Peters, Rz. 761. So aber Prinz/Peters, Rz. 761. Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 338. BGH AfP 1976, 75 = NJW 1976, 1198 = GRUR 1976, 651 – Panorama; BGH AfP 1979, 307 = NJW 1979, 1041 = GRUR 1979, 421 – Exdirektor. 5 A.A. Prinz/Peters, Rz. 762. 6 BGH GRUR 1965, 256 – Gretna Green; BGH NJW 1965, 2395 – Mörder unter uns; Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 126.
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§ 32 Tz. 32
Zivilrechtliche Ansprüche
minderungsmaßnahmen im Ergebnis dafür sorgt, dass der Vorgang abermals vor die Öffentlichkeit getragen wird.1 (4) Unabwendbares Bedürfnis 32
Maßgeblich für die Beurteilung des Geldentschädigungsanspruchs nach Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Medien ist schließlich eine Gesamtbetrachtung aller konkreten Umstände des Einzelfalls, die ein unabwendbares Bedürfnis für diese Sanktion ergeben muss.2 Neben dem Genugtuungsaspekt wird hier vornehmlich der in der neueren Rechtsprechung betonte Präventionsgedanke zu berücksichtigen sein. Auf dieser Ebene findet eine Gesamtbetrachtung statt, in die die vorstehend behandelten Gesichtspunkte der Schwere des Eingriffs, des Verschuldens und etwaiger anderweitiger Ausgleichsmöglichkeiten und deren Versäumung einzubeziehen sind. Dabei liegt auf der Hand, dass die Schwere und Intensität des Eingriffs im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung auch unter dem Aspekt der Prävention besonderes Gewicht haben wird.
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Keine besondere Bedeutung hat der Präventionsgedanke allerdings in den Fällen, in denen eine anderweitige zumutbare Ausgleichsmöglichkeit nicht ersichtlich ist wie etwa bei Schmähkritik. In ihnen wird die Prüfung der Entschädigungswürdigkeit mit der Feststellung einer besonders schwerwiegenden Rechtsverletzung und der Vorwerfbarkeit eines groben Sorgfaltsverstoßes3 in der Regel abgeschlossen sein. Das Kriterium der Unabweisbarkeit der Genugtuung durch Zahlung einer Geldentschädigung kann aber auch in den Konstellationen vorliegen, in denen sich der Betroffene unter Berücksichtigung von Art und Ausmaß der Rechtsverletzung eine Verbesserung seiner beeinträchtigten Situation von der Veröffentlichung einer Gegendarstellung oder einer redaktionellen Richtigstellung realistischerweise nicht versprechen kann.4 Das kann etwa der Fall sein bei Ehrbeeinträchtigungen von einer Intensität, die es für den Betroffenen unzumutbar erscheinen lässt, die öffentliche Erörterung des infrage stehenden Vorwurfs durch die Forderung nach Veröffentlichung einer Gegendarstellung oder einer redaktionellen Berichtigung erneut in Gang zu setzen.5 In den Fällen schließlich, die sich für eine Berichtigung eignen, wird eine sachgerechte Entscheidung regelmäßig nur als Ergebnis einer Einzelfallbewertung zu erzielen sein.
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Das unabwendbare Bedürfnis wird fehlen, wenn es sich bei der Rechtsverletzung um Überzeichnungen handelt, die zwar für sich genommen schwer wiegen, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aber keine Beein_______________
1 OLG Karlsruhe AfP 2003, 440 = NJW-RR 2003, 410 = ZUM 2003, 504. 2 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 2005, 65 = NJW 2005, 215 = ZUM 2005, 157 = GRUR 2005, 179 – Geldentschädigung; OLG Karlsruhe AfP 2006, 262 = ZUM 2006, 571; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 338; Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 127. 3 Oben Tz. 26 ff. 4 BGH AfP 1979, 307 = NJW 1979, 1041 = GRUR 1979, 421 – Exdirektor; BGH NJW 1980, 2810 = GRUR 1980, 1099 – Medizin-Syndikat II. 5 OLG Karlsruhe AfP 2003, 440 = NJW-RR 2003, 410 = ZUM 2003, 504.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 34a § 32
trächtigung des Lebensbilds oder der Persönlichkeit des konkret Betroffenen darstellen.1 So ist die Bezeichnung einer unbescholtenen Person als Bordellspion2 ohne Frage eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung. Im Fall eines Bordellbesitzers, der der Spionage verdächtig ist und überführt wird, besteht das unabwendbare Bedürfnis nach Zuerkennung der Geldentschädigung jedoch selbst dann nicht, wenn zwischen seinem Gewerbe und der ihm nachgesagten Straftat kein sachlicher Zusammenhang besteht. Bei ShowGrößen, die die Aufmerksamkeit des Publikums suchen und brauchen, kann die Frage nach dem unabwendbaren Bedürfnis anders zu beurteilen sein als bei Personen, die nicht ständig ins Licht der Öffentlichkeit drängen, und selbst im Fall einer erfundenen Geschichte entfallen.3 cc) Anspruchshöhe Bei der Bemessung der Höhe von Geldentschädigungen4 in der Folge unrechtmäßiger Medienberichterstattung trägt die Rechtsprechung einerseits dem Grundsatz Rechnung, dass nur schwerwiegende Beeinträchtigungen den Anspruch überhaupt auslösen, so dass zu geringe Beträge der Genugtuungs- und Wiedergutmachungsfunktion dieser Sanktion nicht gerecht werden können. Daher liegen Beträge von 1.000 bis 1.500 Euro, die der Bundesgerichtshof5 vor drei Jahrzehnten noch als die Untergrenze des Erforderlichen bezeichnet hat, heute vermutlich unterhalb der Erforderlichkeitsschwelle. Niedrigere Beträge als 3.000 Euro werden, soweit ersichtlich, in der heutigen gerichtlichen Praxis mit Recht nicht mehr zugesprochen. Bei ihnen würde sich unweigerlich die Frage nach der Schwere der Beeinträchtigung und damit nach der prinzipiellen Erforderlichkeit der Geldentschädigung schlechthin stellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs6 sind im Rahmen der Bemessung der Höhe des Anspruchs insbesondere die Eingriffsintensität, die Verschuldensform und nunmehr auch im Einzelfall etwa relevante Präventionsaspekte zu berücksichtigen, obliegt die Bemessung der Entschädigung aber im Prinzip den Instanzgerichten.7
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Klare Maßstäbe oder gar Tabellen, denen man die Höhe der im Einzelfall gerechtfertigten Entschädigungsbeträge würde entnehmen können, gibt es nicht und kann es angesichts des Fehlens allgemeingültiger, auf eine Vielzahl unterschiedlicher Konstellationen gleichermaßen anwendbarer objektiver Kriterien trotz der dagegen vorgebrachten Kritik8 auch nicht geben. Die Gerichte
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Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 129. Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 121; KG NJW 1968, 1969. OLG Stuttgart AfP 1981, 362 = NJW 1981, 2817 – Rudi Carrell. Annähernd zehn Jahre nach Einführung des Euro verlieren die noch in der Vorauflage genannten DM-Beträge an Aussagekraft; in der folgenden Darstellung werden die vor 2002 zuerkannten Entschädigungen daher im gerundeten Verhältnis von 2:1 in Euro beziffert. BGH AfP 1979, 307 = NJW 1979, 1041 = GRUR 1979, 421 – Exdirektor. OLG München AfP 1990, 45. BGH AfP 2005, 65 = NJW 2005, 215 = ZUM 2005, 157 = GRUR 2005, 179 – Geldentschädigung. Prinz/Peters, Rz. 767.
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§ 32 Tz. 34b
Zivilrechtliche Ansprüche
werden vielmehr auch weiterhin – wie im Anwendungsbereich des § 253 Abs. 2 BGB auch – anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls, der oben dargestellten Parameter sowie des in der Vergangenheit entwickelten Entschädigungsgefüges versuchen müssen, gemäß § 287 ZPO im Wege richterlicher Schadenschätzung individuelle, sachgerechte Lösungen zu erarbeiten. Im Fall vorsätzlicher Ausbeutung von Persönlichkeitsrechten wie etwa in den Fällen der Veröffentlichung frei erfundener Interviews sollen sie auch dem Umstand Rechnung tragen, dass die Rechtsverletzung als Mittel der Auflagensteigerung eingesetzt wurde.1 34b
Von interessierter Seite2 unternommene Versuche, die Entschädigungen an den Kriterien einer wie auch immer zu berechnenden Gewinnabschöpfung3 oder an den Anzeigenerlösen der entschädigungspflichtigen Medien zu orientieren4 und sie dadurch zu erhöhen, haben der Bundesgerichtshof5 und ihm folgend das Oberlandesgericht Hamburg6 jedoch ausdrücklich und mit Recht eine Absage erteilt.7 In den seltenen Fällen vorsätzlichen Handelns soll allerdings von der Höhe der Geldentschädigung ein Hemmungseffekt für die bedenkenlose Vermarktung von Persönlichkeitsrechten ausgehen,8 womit die Rechtsprechung dem von ihr in den letzten Jahren in das Entschädigungsrecht eingeführten Präventionsgedanken zutreffend Rechnung trägt. Eine Differenzierung der Höhe der Entschädigungen nach der Prominenz der Betroffenen lehnt die Rechtsprechung9 jedenfalls theoretisch ab. In der Praxis kommen die Entschädigungen dennoch weit überwiegend Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zugute, weil sich die Medien in erster Linie mit ihnen befassen.10
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Auf der anderen Seite hat die gerichtliche Praxis11 aber auch die Erwägung berücksichtigt, dass extensive Entschädigungsverpflichtungen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Medien überfordern und zu einer Bestandsgefährdung führen könnten. Nach einer jüngeren Entscheidung des Bundesverfas-
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1 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 379 – Caroline von Monaco II; OLG Hamburg AfP 1997, 538 = NJW 1996, 2870 – Caroline von Monaco. 2 Prinz, NJW 1996, 953; vgl. auch Prinz/Peters, Rz. 766; zur Interessenlage der Autoren vgl. die Anm. in NJW 1996, 953 vor Fußn. 1. 3 Prinz, NJW 1996, 953 ff. 4 Prinz/Peters, Rz. 766. 5 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. 6 OLG Hamburg AfP 1997, 538 = NJW 1996, 2870 – Caroline von Monaco. 7 Dazu Steffen, NJW 1997, 10 ff.; Gounalakis, AfP 1998, 10 ff. 8 BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 379 – Caroline von Monaco II; OLG Hamburg AfP 1997, 538 = NJW 1996, 2870 – Caroline von Monaco. 9 OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 477; OLG Hamburg ZUM 1994, 35. 10 Kritisch dazu insbes. Gounalakis, AfP 1998, 10 ff. 11 BVerfG AfP 1973, 435 = NJW 1973, 1221 – Soraya; BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I; BGH AfP 1996, 137 = NJW 1996, 984 = GRUR 1996, 379 – Caroline von Monaco II; OLG Hamburg AfP 1997, 538 = NJW 1996, 2870 – Caroline von Monaco.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 35b § 32
sungsgerichts1 muss dies aber als das Gebot verstanden werden, die Existenzfähigkeit der Institution der Medien bei der Bemessung der Entschädigungen angemessen zu berücksichtigen; eine Bestandsgarantie zu Gunsten des im Einzelfall ersatzpflichtigen Mediums ist diesem Gedanken hingegen nicht zu entnehmen. Die Obergrenze bekannt gewordener Verurteilungen zur Zahlung von Geldentschädigungen lag daher über Jahrzehnte bei einem Betrag von jeweils 25.000 Euro, der den Betroffenen in den Fällen Helmut Horten2 und Prinz Bernhard der Niederlande3 zugesprochen wurde. Dem Erstgenannten wurde die Bereitstellung von 3 Millionen Euro zur Bestechung von Bundestagsabgeordneten nachgesagt, die unter Bruch ihrer Fraktionsdisziplin bereit sein würden, das konstruktive Misstrauensvotum gegen den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt zu unterstützen. Im zweiten der genannten Fälle ging es bereits Ende der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts um die wahrheitswidrige Behauptung, der Betroffene habe seine Tochter zum Abbruch einer nichtehelichen Schwangerschaft veranlasst.
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Zunächst unter dem Einfluss insbesondere des Präventionsgedankens in den Fällen der planmäßigen, vorsätzlichen Ausbeutung von Persönlichkeitsrechten ist dieser faktische Höchstbetrag im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts in einigen Fällen überschritten worden, ohne dass sich hieraus seither eine grundsätzliche Erhöhung des Entschädigungsgefüges ergeben hätte. So hat das Oberlandesgericht Hamburg4 im Fall Caroline von Monaco I nach Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof5 der Klägerin einen Betrag von 90.000 Euro zugesprochen. Diesen Betrag kann indessen nur derjenige richtig einordnen, der berücksichtigt, dass es in diesem Fall um drei unterschiedliche Verletzungshandlungen mit unterschiedlicher Thematik und in zum Teil unterschiedlichen Objekten des beklagten Burda-Verlags ging. Der Verurteilung des selben Verlags durch das Landgericht Hamburg6 zur Zahlung eines Betrags von 50.000 Euro lag eine Serie von nicht weniger als 22 Veröffentlichungen zu Grunde, in denen das Gericht fast ohne Ausnahme Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu Lasten des Betroffenen gesehen hat, der seinerseits eine Entschädigungsforderung von 500.000 Euro geltend gemacht hatte. Auch in einem weiteren Fall, in dem der Bundesgerichtshof7 die Zubilligung eines Betrags von 75.000 Euro durch das Berufungsgericht gebilligt hat, ging es um insgesamt neun persönlichkeitsrechtswidrige Fälle von Bildberichten über die minderjährige Tochter der Prinzessin Caroline von Monaco. Versuche, Beträge jenseits von 50.000 Euro als Entschädigung für den Einzelfall durch-
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BVerfG NJW 2004, 2371. BGH AfP 1977, 340 = NJW 1977, 1288 = GRUR 1977, 674 – Abgeordnetenbestechung. OLG Hamburg ArchPR 1970, 94 = UFITA 65 (1972), 271. OLG Hamburg AfP 1997, 538 = NJW 1996, 2870 – Caroline von Monaco. BGH AfP 1995, 411 = NJW 1995, 861 = GRUR 1995, 224 – Caroline von Monaco I. LG Hamburg ZUM 1998, 852. BGH AfP 2005, 65 = NJW 2005, 215 = ZUM 2005, 157 = GRUR 2005, 179 – Geldentschädigung.
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§ 32 Tz. 35c
Zivilrechtliche Ansprüche
zusetzen, waren demgegenüber, soweit ersichtlich, nur in wenigen Ausnahmefällen erfolgreich,1 in anderen hingegen erfolglos.2 35c
Die – soweit ersichtlich – absolut höchste Einzelfallentschädigung wurde mit 75.000 Euro einer Schriftstellerin, Sängerin und Fernsehmoderatorin für die Veröffentlichung einer Strecke von nicht weniger als fünfzehn Fotos in einem Magazin der Yellow Press zuerkannt, die die Betroffene im Urlaub teils unbekleidet und teils mit ihren Kindern und ihrem Lebensgefährten zeigten.3 70.000 Euro erhielt eine Minderjährige, der im Comedy- Format TV Total nicht weniger als dreimal nachgesagt wurde, sie sei als geeignet für das Pornogeschäft anzusehen.4 Ein Betrag von 45.000 Euro wurde im Fall der kurzzeitig mit dem ehemaligen Tennis-Star Boris Becker liierten Frau für angemessen angesehen, deren seinerzeit bundesweit bekannt gewordene Affäre zum Gegenstand eines anreißerischen Internet-Spiels gemacht worden war.5 40.000 Euro wurden dem Verletzten im Fall der Berichterstattung über eine Serie angeblicher ärztlicher Kunstfehler durch das Fernsehmagazin stern tv zugesprochen, die zur jedenfalls zeitweiligen Vernichtung der beruflichen Existenz des betroffenen Arztes führte,6 nachdem der Bundesgerichtshof7 eine zunächst zuerkannte Entschädigung von 25.000 Euro als nicht ausreichend angesehen hatte. 37.500 Euro erhielt ein Mann, der mehrfach öffentlich als Kinderschänder angeprangert wurde,8 obgleich er zum Zeitpunkt der Berichterstattung bereits von der entsprechenden Anklage freigesprochen worden war. Insgesamt 35.000 Euro wurden einer Frau zugesprochen, der im Rahmen eines Illustrierten-Berichts über „starke Männer – willige Groupies“ unter Veröffentlichung ihres Lichtbilds wahrheitswidrig ein sexuelles Verhältnis mit dem früheren Bundeskanzler Willy Brandt angedichtet wurde.9 Und 30.000 Euro erhielt Steffi Graf als Entschädigung für die Verunglimpfung durch den Liedtext „I wanna make love with Steffi Graf“.10
35d
25.000 Euro hielt das Oberlandesgericht Hamburg11 für angemessen im Fall eines niederländischen Spediteurs, dem in einer Nachrichtensendung eines großen privaten Fernsehsenders wahrheitswidrig und ohne ernsthaften Rechercheversuch nachgesagt wurde, er habe seinen Formel-1-Rennstall mit Geldern aus Drogengeschäften finanziert. Beträge von jeweils 20.000 Euro erhielten die Betroffenen bereits im Jahr 1970 im Fall des wahrheitswidrigen Berichts, die Ehefrau eines Prinzen von Preußen verlange für ihre Scheidung _______________
1 LG Hamburg ZUM 2001, 68; OLG Hamm AfP 2004, 543 = NJW-RR 2004, 919 = ZUM 2004, 388. 2 OLG Stuttgart AfP 1981, 362 – Rudi Carrell; BGH AfP 1978, 136 = NJW 1978, 1797 = GRUR 1978, 551 – Böll/Walden I; LG Hamburg ZUM 2001, 67 hinsichtlich einer Forderung von 125.000 Euro. 3 LG Hamburg ZUM 2001, 67. 4 OLG Hamm AfP 2004, 543 = NJW-RR 2004, 919 = ZUM 2004, 388 = GRUR 2004, 970 – TV Total. 5 LG München I AfP 2002, 340 = NJW-RR 2002, 689 = ZUM 2002, 318. 6 OLG Köln ZUM 1999, 948. 7 BGH AfP 1997, 700 = NJW 1997, 1148 = GRUR 1997, 233 – Stern-TV. 8 LG Ansbach AfP 1997, 823 = NJW-RR 1997, 978. 9 OLG Köln NJW-RR 2000, 470. 10 OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 1963 – Steffi Graf. 11 OLG Hamburg NJW-RR 1996, 90 – RTL Aktuell.
738
Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 35e § 32
nach nur einjähriger Ehe einen Betrag von 1 Millionen Euro,1 ein Jahrzehnt später im Fall des Schriftstellers Heinrich Böll, dem der Publizist Matthias Walden durch Fälschung eines Zitats zu Unrecht nachsagte, er habe den Terrorismus in Deutschland begünstigt und gebilligt,2 und annähernd weitere zwanzig Jahre später im Fall der Berichterstattung über eine durch den Betroffenen angeblich begangene schwere Beleidigung eines politischen Gegners.3 Jeweils 15.000 Euro sprachen die Gerichte den Betroffenen etwa zu in den Fällen der Behauptung der Verwicklung eines Rechtsanwalts in ein angebliches Mordkomplott der Scientology-Bewegung,4 der Veröffentlichung eines unter Überwindung der örtlichen Abgeschiedenheit entstandenen Fotos einer Prominenten unmittelbar vor ihrer Trauung5 oder der Verwicklung eines leitenden Polizeibeamten in das Rotlichtmilieu6 sowie der pflicht- und rechtswidrigen Bekanntmachung der Tatsache, dass ein bundesweit bekannter Manager eines Vereins der Fußballbundesliga vor Jahrzehnten als Student kurzfristig für den Verfassungsschutz tätig gewesen war.7 Jeweils 12.500 Euro erhielten die Betroffenen bereits vor Jahrzehnten im Fall der nicht erweislichen Behauptung, der damalige Bundesminister Franz Josef Strauß habe sich bestechen lassen und insbesondere Koffer voller neuer 100 DM-Scheine entgegengenommen8 sowie im Fall des katholischen Priesters, dem zu Unrecht eine sexuelle Beziehung mit einer verheirateten Frau nachgesagt wurde.9 Demgegenüber sprachen die Gerichte den Betroffenen in jüngerer Zeit Beträge von jeweils 10.000 Euro zu in den Fällen der von einer Boulevardzeitung verbreiteten wahrheitswidrigen Behauptung, ein Arzt habe einem Verstorbenen, der mit einem Messer in der Brust abgebildet wurde, im Totenschein einen natürlichen Tod durch Herzinfarkt bescheinigt,10 des Berichts einer anderen Boulevardzeitung über angebliche sexuelle Verhältnisse eines Trainers der Fußballbundesliga mit den Ehefrauen der ihm anvertrauten Spieler,11 der Abbildung eine katholischen Priesters im Rahmen eines Berichts über sexuelle Verfehlungen von Priestern an Minderjährigen, mit denen er nichts zu tun hatte,12 der Veröffentlichung eines Aktfotos, das aus anderem Anlass mit Einwilligung der Betroffenen aufgenommen worden war, im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Orgasmus-Tipps durch eine Illustrierte13 und schließlich der Veröffentlichung eingestandener Maßen schmutziger Details aus der Scheidungsakte eines Prominenten;14 in diesem Fall wäre die Ent_______________
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
OLG Hamburg AfP 1970, 968 – Prinzessin von Preußen. BGH AfP 1982, 32 = NJW 1982, 635 = GRUR 1982, 183 – Böll/Walden II. LG Berlin v. 11.6.1998 – 27 O 131/98, unveröffentlicht. OLG München NJW-RR 1996, 1365; vgl. auch LG Berlin NJW-RR 2000, 555. OLG Köln ZUM 2009, 486. BGH AfP 1997, 144 = NJW 1996, 1131 = GRUR 1997, 396 = ZUM 1996, 409 – Polizeichef. OLG Bremen NJW 1996, 1000 – Willi Lemke. BGH GRUR 1969, 147 – Korruptionsvorwurf. BGH AfP 1988, 34 = NJW-RR 1988, 733 – intime Beziehungen. LG München I ZUM 1998, 840. LG München I ZUM 1998, 576. OLG Koblenz NJW 1997, 1375. OLG Hamm AfP 1998, 304 = NJW-RR 1997, 1044. OLG Hamburg AfP 2008, 411.
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35e
§ 32 Tz. 35f
Zivilrechtliche Ansprüche
schädigung deutlich höher ausgefallen, hätten nicht der Betroffene und seine damalige Ehefrau ihre Privatsphäre im Rahmen einer Fülle von Homestories für ein breites Leserpublikum geöffnet. Jeweils 7.500 Euro erhielten ein arbeitsunfähiger Lehrer, dem in nicht erweislicher Weise vorgeworfen wurde, er spiegele seine dauerhafte Erkrankung nur vor,1 ein als allergrößte Pfeife diffamierter Verwaltungsbeamter,2 ein Betroffener, dem zu Unrecht nachgesagt worden war, er sei eines Doppelmords verdächtig, wegen dessen später ein Anderer rechtskräftig verurteilt wurde,3 sowie ein Anderer wegen der erfolgten Veröffentlichung von Details aus seinem Privat- und Intimleben, deren Veröffentlichung er von der nie erreichten Einigung über deren Konditionen abhängig gemacht hatte.4 35f
6.000 Euro erhielt eine junge Frau, die ein Fernsehmoderator während der von einem Millionenpublikum verfolgten Sendung Wetten Dass? als „ganz schön alt aussehend für dein Alter“ bezeichnet und der er bei dieser Gelegenheit empfohlen hatte, sich operieren zu lassen.5 Jeweils 5.000 Euro sprachen Gerichte den Betroffenen zu in den Fällen der ungerechtfertigten Bezeichnung eines namentlich genannten und im Bild gezeigten unbescholtenen Manns als Hochstapler,6 des Berichts über die Anklage gegen einen Mann wegen eines Betrugsverdachts zu einem Zeitpunkt, zu dem das Strafverfahren bereits seit sechs Jahren anhängig und immer noch nicht abgeschlossen war,7 sowie eines anderen, der in einem TV Total-Beitrag von der Redaktion zu Unrecht als homosexuell dargestellt und den ein Dritter in jener Sendung als schwule Sau bezeichnet hatte.8 Auch die Bezeichnung eines im Rahmen eines Cartoons abgebildeten Mannes als doofer lederbehoster Bayer war nach Auffassung des Oberlandesgerichts München mit 5.000 Euro zu entschädigen,9 bevor das Bundesverfassungsgericht10 diese Bezeichnung als noch durch die Satirefreiheit gerechtfertigt ansah. Gleiches galt für die hämische Berichterstattung über die von einem dort als Deutschlands ärmster Prinz bezeichneten Preußen-Prinzen abzugebende eidesstattliche Offenbarungsversicherung.11
35g
Weniger als 5.000 Euro erhielten schließlich u.a. ein in der Lokalpresse zu Unrecht als Rotlichtfürst bezeichneter Immobilienmakler,12 ein verurteilter Straftäter, der ohne Einwilligung während der Sitzung einer Therapiegruppe gefilmt und anschließend in einem Fernsehmagazin-Beitrag gezeigt wurde,13 und ein von der ungenehmigten Veröffentlichung seines Fotos im Rahmen eines Reiseführers für Homosexuelle Betroffener.14 _______________
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
LG Berlin NJW 1997, 1373 – gierigster Lehrer. LG Oldenburg AfP 1995, 679 = NJW-RR 1995, 1427. OLG Dresden NJW 2004, 1181. OLG München AfP 2001, 135 = NJW-R 2001, 629 = ZUM 2001, 252. Landgericht Hannover AfP 2006, 193 = ZUM 2006, 574. OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 477. LG Berlin AfP 2004, 150. LG Köln ZUM 2003, 325. OLG München NJW-RR 1998, 1036. BVerfG AfP 2002, 417 = NJW 2002, 3767 = ZUM 2002, 920 – Bonnbons. OLG Hamburg AfP 1992, 376 – Preußen-Prinz. OLG Saarbrücken NJW 1997, 1376 – Rotlichtfürst (3.500 Euro). OLG Karlsruhe AfP 2003, 440 = NJW-RR 2003, 410 = ZUM 2003, 504 (3.000 Euro). AG Charlottenburg NJW-RR 1999, 1546 (2.500 Euro).
740
Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 36a § 32
Nach den vorliegenden Erfahrungen werden sich damit die Geldentschädigungen nach Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am eigenen Bild auch unter dem Einfluss der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel weiterhin in einem vier- bis mittleren fünfstelligen Euro-Bereich für den einzelnen Verletzungsfall bewegen und allenfalls in Fällen der Kumulation mehrerer Rechtsverletzungen höher ausfallen.
35h
Wirken mehrere Beteiligte bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung zusammen wie etwa Verlag und Autor oder auch mehrere Autoren eines Beitrags, so verursachen sie einen einheitlichen Schaden, für den sie nach den Regeln der Gesamtschuld einheitlich haften. Die mehrfache Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs ist in solchen Fällen ausgeschlossen.1
36
Werden hingegen identische oder vergleichbare Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch mehrere Medien unabhängig von einander oder durch Übernahme einer rechtsverletzenden Meldung begangen, dann stellt sich die Frage, ob der Verletzte einen nach Lage der Dinge angemessenen Geldentschädigungsanspruch mehrfach realisieren kann. Schrifttum und Rechtsprechung2 gehen in diesen Fällen teilweise von einer Nebentäterschaft aus, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Verletzer und damit zu einer einheitlichen Forderung des Verletzten führt; eine mehrfache Geltendmachung des Geldentschädigungsanspruchs ist nach dieser Auffassung ausgeschlossen. Der Bundesgerichtshof3 hat diese Rechtsauffassung jedoch verworfen und die Ansicht vertreten, dass dem Betroffenen in diesen Fällen mehrere selbständige Schäden entstanden seien, die auch selbständig ausgeglichen werden müssten.4 Diese Auffassung erscheint jedoch unbefriedigend, weil sie der Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung nicht hinreichend Rechnung trägt. Wird etwa in dem vom Bundesgerichtshof5 entschiedenen Fall das für Schulbuchzwecke mit Einverständnis der Beteiligten hergestellte Bild einer unbekleideten Familie aus Anlass der Einführung des Verbots der Abbildung unbekleideter Menschen in bayerischen Schulbüchern in mehreren Medien den vom bayerischen Gesetzgeber nunmehr vorgeschriebenen Strichmännchen-Bildern ironisierend gegenübergestellt, dann erscheint die Annahme, dies führe auf der Erfolgsebene zu mehreren selbständigen Rechtsverletzungen, die mehrfach entschädigungswürdig seien, verfehlt. Die unbillige Folge der Zuerkennung mehrerer und in der Summe unangemessen hoher Geldentschädigungen kann zwar nach Auffassung des Bundesgerichtshofs dadurch vermieden werden, dass das mit mehrfacher Wiederholung der Rechtsverletzung abnehmende Genugtuungsbedürfnis bei der Bemessung der Höhe der einzelnen Geldentschädigung berücksichtigt wird.6 Die Gefahr, dass der zuerst in Anspruch Genommene zu einer unangemessen hohen Geldentschädi-
36a
_______________
1 2 3 4
OLG Hamburg GRUR 1994, 80. OLG Stuttgart AfP 1983, 291; Damm/Rehbock, Rz. 1015. BGH AfP 1985, 110 = NJW 1985, 1617 = GRUR 1985, 398 – Nacktfoto. Ebenso OLG Hamburg NJW-RR 1994, 1176; OLG Köln NJW-RR 1993, 31; Prinz/ Peters, Rz. 771; Löffler/Steffen, § 6 LPG Rz. 345. 5 BGH AfP 1985, 110 = NJW 1985, 1617 = GRUR 1985, 398 – Nacktfoto. 6 So LG Berlin AfP 1998, 223; Wenzel/Burkhardt, Kap. 14 Rz. 141.
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§ 32 Tz. 36b
Zivilrechtliche Ansprüche
gung verurteilt wird, während spätere Rechtsverletzer begünstigt werden, kann jedoch nur auf dem Wege der Annahme einer gesamtschuldnerischen Haftung aller Verletzer vermieden werden, die einen späteren internen Ausgleich ermöglicht.1 d) Lizenzgebühren 36b
Als Methode der Schadensliquidierung kennt die Praxis insbesondere des gewerblichen Rechtsschutzes schließlich die Methode der Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie.2 Sie hat mit dem generellen Schadenersatzanspruch gemeinsam, dass alle Voraussetzungen dieses Anspruchs einschließlich derjenigen des Verschuldens des Verletzers erfüllt sein müssen, dass der Verletzte aber nicht gehalten ist, den ihm entstandenen Schaden im Sinn etwa des entgangenen Gewinns der Höhe nach konkret zu substantiieren und zu beweisen; stattdessen kann er im Wege der Lizenzanalogie liquidieren, was er hätte verlangen können, hätte der Verletzer sich zuvor um die Erteilung einer Lizenz bemüht. Im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht kommt diese Art der Schadensberechnung freilich nur in den Fällen der Verletzung von dessen vermögenswerten Bestandteilen in Betracht.3 Anlass sind dann Fälle der kommerziellen Ausbeutung von vermögenswerten Aspekten des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, nicht jedoch dessen Verletzung durch den Inhalt von Medienäußerungen,4 so dass auf die Einzelheiten an dieser Stelle nicht weiter einzugehen ist. 2. Bereicherungsansprüche
37
Ohne die Feststellung eines konkreten Schadens und ohne Vorliegen der Voraussetzungen eines Geldentschädigungsanspruchs kommt schließlich auch bei der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter Umständen eine Ausgleichspflicht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 BGB in Betracht. Dieser Anspruch ist vom Verschulden des Verletzers unabhängig. Auch seine Voraussetzungen liegen allerdings nur bei der kommerziellen Ausbeutung von Persönlichkeitsrechten und insbesondere der Nutzung von Bildern zu Zwecken der Werbung oder bei Urheberrechtsverletzungen vor, nicht aber bei Persönlichkeitsverletzungen durch Medienberichterstattung.5
38
Für Medienberichterstattung gewinnt dieser Haftungstatbestand daher im Wesentlichen Bedeutung nur in den Fällen der Verletzung von Urheberrechten durch unerlaubte Bildveröffentlichungen.6 Im Fall der Verletzung von Ab_______________
1 § 426 BGB. 2 Vgl. dazu nur Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 9 UWG Rz. 1.41 ff.; dazu schon oben Tz. 9. 3 Dazu oben § 13 Tz. 12 ff. und oben Tz. 9. 4 Vgl. dazu den von OLG Hamburg AfP 2008, 631 = ZUM 2009, 297 entschiedenen Fall. 5 OLG Hamburg ZUM 2008, 63; LG Hamburg ZUM 2008, 798; LG Hamburg ZUM 2008, 801. 6 BGH AfP 2006, 51 = NJW 2006, 615 = ZUM 2006, 217 = GRUR 2006, 136 = WRP 2006, 274 – Pressefotos.
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Schadenersatz und Bereicherungshaftung
Tz. 39 § 32
gebildeten kommt er dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen einwilligungsfreier Bildberichterstattung gemäß § 23 KUG nicht vorliegen,1 ein Betroffener aber prinzipiell bereit ist, den Medien die Veröffentlichung seines Fotos gegen Entgelt zu gestatten. Ein solcher Fall lag etwa vor im Fall für den Playboy gefertigter Aktaufnahmen, deren Abdruck der Verlag des Playboy einem anderen Verlag binnen eines bestimmten kurzen Zeitraums gestattet hatte und die jener Verlag dann tatsächlich kurz vor Beginn dieses Zeitraums veröffentlichte.2 Beim widerrechtlichen Einsatz des Fotos oder des Namens Dritter zu Zwecken der Werbung hingegen handelt es sich um die Ausbeutung eines vermögenswerten Aspekts des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die üblicherweise nur gegen Entgelt gestattet zu werden pflegt und die nach denselben Kriterien des Bereicherungsrechts zu entschädigen ist, die für die Verletzung anderer Immaterialgüterrechte auch gelten.3 Hier werden den Geschädigten unter dem Aspekt der bereicherungsrechtlichen Lizenzgebühr beträchtliche Entschädigungsbeträge zugesprochen. So hielt in jüngerer Zeit das Oberlandesgericht Hamburg im Fall der Nutzung des Fotos des früheren Finanzministers Oskar Lafontaine im Zusammenhang mit dem Werbeslogan „Sixt vermietet auch Autos an Mitarbeiter in der Probezeit“ eine Entschädigung von 100.000 Euro für angemessen, die im Ergebnis nicht zu zahlen war, weil der Bundesgerichtshof diese Anzeige als rechtmäßig angesehen hat.4 80.000 Euro erhielt der frühere Tennisspieler Boris Becker für die unerlaubte Nutzung seines Lichtbilds im Rahmen der Werbung für ein Fernsehgerät.5 Für die Nutzung seines Lichtbilds im Rahmen einer Einführungskampagne für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung soll Becker nach Auffassung des Oberlandesgerichts München6 nicht weniger als 1.200.000 Euro erhalten; nach Auffassung des Landgerichts Hamburg7 beträgt die fiktive Lizenzgebühr im Parallelfall Joschka Fischer insoweit 200.000 Euro.8 70.000 Euro wurden der Erbin Marlene Dietrichs für die Verwendung eines Filmausschnitts für eine Computerwerbung zuerkannt,9 und 50.000 Euro erhielt der bekannte Schauspieler Manfred Krug für die Nutzung seines Namens im Rahmen der Werbung eines Internet-Providers.10
_______________
1 Dazu oben § 21 Tz. 1 ff. 2 Dazu LG Berlin AfP 2004, 455 = ZUM 2002, 929. 3 BGH NJW 1981, 2402 = GRUR 1981, 846 – Rennsportgemeinschaft; BGH AfP 1979, 345 = NJW 1979, 2205 = GRUR 1979, 732 – Fußballtor; BGH NJW-RR 1987, 231 = GRUR 1987, 128 – Nena; BGH AfP 1992, 149 = NJW 1992, 2084 = GRUR 1992, 557 – Joachim Fuchsberger; LG Hamburg AfP 1995, 526. 4 BGH AfP 2006, 559 = NJW 2007, 689 = ZUM 2007, 55 = GRUR 2007, 139 – Lafontaine; dazu oben § 21 Tz. 19c. 5 OLG München AfP 2003, 71 = ZUM 2003, 139; LG München ZUM 2002, 565. 6 OLG München AfP 2007, 237 = ZUM-RD 2007, 360; über die vom BGH zugelassene Revision gegen dieses Urteil wurde bei Drucklegung noch nicht entschieden. 7 LG Hamburg AfP 2006, 585 = ZUM 2007, 155. 8 Vgl. zu diesen Fällen Soehring/Link, S. 296. 9 OLG München AfP 2003, 272 = NJW-RR 2003, 767 = ZUM-RD 2003, 255. 10 LG Düsseldorf AfP 2003, 77.
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39
§ 33 Anrufung des Deutschen Presserats 1
Den von Presseberichterstattung Betroffenen steht neben der Einleitung ziviloder strafrechtlicher Maßnahmen gegen die Verantwortlichen auch die Möglichkeit offen, sich an den vom Deutschen Presserat eingerichteten Beschwerdeausschuss zu wenden. Nach § 1 der hierfür bestehenden Beschwerdeordnung1 hat jedermann das Recht, sich über Veröffentlichungen oder Vorgänge in der deutschen Presse bei diesem Gremium zu beschweren. Fragen der persönlichen Betroffenheit oder der Verletzung eigener Rechte des Beschwerdeführers spielen hier keine Rolle, so dass das Gremium auch von solchen Personen oder Institutionen mit Beschwerden befasst werden kann, die selbst von der beanstandeten Berichterstattung weder in ihren Rechten verletzt noch sonstwie direkt oder indirekt betroffen sind.2
2
Der Deutsche Presserat, eine von den Verbänden der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger einerseits und den Journalistengewerkschaften andererseits getragene Organisation in der Rechtsform des eingetragenen Vereins,3 und sein Beschwerdeausschuss üben jedoch keine staatliche oder sonstige öffentliche Gewalt aus.4 Sowohl die Anrufung des Beschwerdeausschusses als auch seine Tätigkeit beruhen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Hält der Beschwerdeausschuss Beanstandungen für begründet, so kann er nach § 10 der Beschwerdeordnung je nach dem Gewicht der von ihm festgestellten Beanstandungen einen Hinweis, eine Missbilligung oder eine Rüge aussprechen.
3
Nach § 4 Abs. 8 der Beschwerdeordnung sollen Beschwerden in der Regel nicht behandelt werden, wenn die Entscheidung den Ausgang eines anhängigen Ermittlungs- oder Gerichtsverfahrens beeinflussen könnte. Darin kommt die Tatsache zum Ausdruck, daß die Tätigkeit des Beschwerdeausschusses nicht staatlich autorisiert oder sanktioniert ist und daher hinter derjenigen der staatlichen Ermittlungsbehörden oder Gerichte zurücktreten muss. Der Presserat selbst sieht es als Standespflicht und Ausdruck fairer Berichterstattung an, Rügen des Beschwerdeausschusses insbesondere in derjenigen Zeitung oder Zeitschrift abzudrucken, deren Veröffentlichungspraxis im konkreten Fall beanstandet worden ist,5 sofern nicht der Beschwerdeausschuss in der Entscheidung auf den Abdruck verzichtet; dieser Verzicht soll ausgesprochen werden, wenn es der Schutz eines Betroffenen erfordert.
4
Diese Standespflicht ist jedoch gegenüber den betroffenen Medien nicht durchsetzbar, Verstöße gegen sie ziehen keine Rechtsfolgen nach sich. Dem entspricht auf der anderen Seite, dass gelegentliche Versuche von Verlagen, sich gegen eine Missbilligung oder Rüge des Beschwerdeausschusses vor den _______________
1 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2008, S. 148 ff. 2 Vgl. hierzu die zahlreichen Beispiele aus der Arbeit des Beschwerdeausschusses in: Deutscher Presserat, Jahrbuch 2007, S. 84 ff. 3 Deutscher Presserat, Jahrbuch 2000, S. 249 f.; Löffler/Ricker, Kap. 40 Rz. 15. 4 OLG Köln AfP 2006, 374. 5 Publizistische Grundsätze (Pressekodex) Nr. 16; Beschwerdeordnung § 15 Satz 1.
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Anrufung des Deutschen Presserats
Tz. 4 § 33
ordentlichen Gerichten zu wehren, scheitern mussten. Der Beschwerdeausschuss bewegt sich seinerseits bei der Bewertung ihm vorgelegter Veröffentlichungen im Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG; er übt mangels Sanktionsmöglichkeit keine Verbandsgerichtsbarkeit aus, so dass Klagen gegen die Verhängung von Maßregeln keinen Erfolg haben können.1 Eine etwaige gesetzliche Regelung, die die Presse dazu zwingen würde, Rügen zu veröffentlichen, sieht der Deutsche Presserat selbst mit Recht im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als verfassungswidrig und daher auch nicht wünschenswert an.2
_______________
1 OLG Köln AfP 2006, 374; LG Bonn AfP 2006, 198; OLG Frankfurt/Main AfP 2008, 413 = ZUM-RD 2008, 600; LG Frankfurt/Main AfP 2007, 390 = ZUM 2007, 663. 2 Deutscher Presserat, Pressemitteilung in AfP 1990, 292.
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Entscheidungsverzeichnis Angeführt werden ausschließlich unter Schlagwörtern veröffentlichte gerichtliche Entscheidungen. Die fetten Zahlen bezeichnen die Kapitel, die mageren die Textziffern. Abgeordnetenbestechung 2 14, 2 18, 12 11, 16 23a f., 16 28, 20 20, 31 11, 31 18, 32 35 Abgeordnetenprivileg 14 25, 30 25 Abgestuftes Schutzkonzept 19 15a ff., 21 2 ff., 21 3a ff., 21 15 ff., 21 18c f. Abkürzung ACC 17 4a Abtreibungs-Arzt 22 45 Adenauer 13 8b, 13 11, 21 22 AEG-Aktionär 19 9, 19 22 Agfa 24 48a, 24 50 Aids-Risiko 16 46, 21 26, 32 24a Alkoholtest 12 66, 22 30, 28 3, 32 12 ff. Alle reden vom Klima 20 6b, 20 20a Alles wird teurer 22 51 Altbaden 15 10, 15 19 Alte Herren 15 6a, 16 52 Altersfoto 3 13 ff. Ambiente.de 28 15 Amigo 16 23a ff., 16 24b ff., 16 25 Amtspflichtverletzung 17 9a, 19 38 Anachronistischer Zug 20 13 f., 20 19 Analog-Finanz-Test 22 18, 22 20, 22 25 Anbieterkennzeichnung 25 8 Andrea Casiraghi mit Fliege 30 29d f. Anne Frank 30 5 f., 30 20 Antiseptica 16 47a Anti-Strauß-Parole 20 5 Anwaltsbrief 14 13a, 15 22, 20 6b Anwaltsinterview 7 20, 22 6 Anwaltsschriftsatz 3 7, 4 66a, 12 81 Anzeigenplatzierung 24 11, 24 14, 24 22a f. Appartmentanlage 12 54a, 12 85, 30 13a Arbeitsrealitäten 12 63, 14 13, 30 23, 31 22 Archivfotos 9 32a, 9 34, 9 47 Ärzteliste 22 14a, 22 31 Arztschreiber 31 15 Asylbetrüger 20 14 Ausländischer Inserent 16 34 Aus nichtigem Anlass? 21 9 Baader-Meinhof-Komplex 19 14d, 19 23d Babycaust 14 11b, 14 12a, 14 23a, 16 44d, 18 6a, 20 3, 20 6c f., 20 14, 29 12a Backstage 25 8, 25 10 Badische Rundschau 16 34
746
Banklady 19 27b Baskaya u. a./Türkei 20 5 Bayer 2 7d, 2 20a, 11 11, 14 2, 14 8 f., 14 12 ff., 14 24 ff., 16 1, 16 4, 18 1 ff., 20 2 ff., 20 6a f., 29 12a, 29 19a, 30 26b Bayerische Spitzbuben 19 27 ff. Bayerische Zentrale für neue Medien 13 17 Beipackzettel 7 35, 24 9 Beispielhafter Produkthinweis 22 13 Begleiter 9 5 Begleiterin 21 7 Begleitperson II 21 7a, 30 29e Benetton-Werbung I und II 16 36, 17 16b Berliner Waldbühne 6 28, 6 35 Berti 17 16a, 32 9 Berufungsschrift 3 6 ff., 4 66a, 19 42 Bezeichnung als Jude 12 43, 12 45, 13 25 Bezirksleiter Straßenbauamt 12 54a, 13 31, 13 33, 13 36, 14 4, 16 48, 22 10, 29 12d Bilanzanalyse 13 14, 17 9a, 19 41a, 30 7 Bildagentur 9 42a, 9 45 ff. BILD Dir keine Meinung 20 20a Bio-Tabletten 22 9, 22 13 Birkel 22 2, 32 4a Blinkfüer 22 45 Blauer Engel (BVerfG) 13 4a, 13 8, 13 12c, 17 16a Blauer Engel (BGH) 21 19a BMW 20 17a, 22 51 Bob Dylan 21 19a Böll/Walden (BVerfG) 2 4, 2 14 f., 12 65, 13 2, 14 7, 16 52, 17 6, 19 2b, 20 9b, 20 10 f. Böll/Walden II (BVerfG) 20 10, 20 13, 20 15 Böll/Walden (BGH) 14 7, 16 52 Böll/Walden II (BGH) 32 35d Börseninformationsdienst 23 5, 23 8, 23 10, 23 12, 23 21 Börsenjournalist 14 6a, 30 20, 32 10a Bombenattentäter 21 23 Bonnbons 16 47a, 21 25, 32 24a, 32 35 f. Botho Strauß 3 10, 16 53 Breuer 7 26 f., 7 30, 32 5 Brüning-Memoiren I 12 61, 12 63, 13 31, 14 3, 14 15, 18 2, 30 7, 30 20, 30 23
Entscheidungsverzeichnis Brzank/Deutschland 7 18, 20 8 Bürgeranwalt 22 52a f. Bundesbahnplanungsvorhaben 13 17, 13 19 Bundesflagge 12 21a ff., 13 17, 20 14 Caféhausbesuch in Rom 21 7c, 21 18e Call Girl I 15 6, 15 11, 16 27 Carl Zeiss 17 4a Caroline von Monaco I (BVerfG) 7 54b, 7 57, 7 72, 13 4, 14 5, 14 39a, 15 11, 16 47, 16 49, 19 2 ff., 19 8, 19 13 ff., 19 40, 19 43, 19 47, 21 2 ff., 21 7 ff., 21 17b ff., 21 27b, 21 29a, 32 9a, 32 17, 32 21, 32 37 Caroline von Monaco II (BVerfG) 19 2e, 19 13, 19 15a, 21 2h ff., 21 3a ff., 21 18a ff., 21 27b Caroline von Monaco I (BGH) 14 5, 14 21a, 14 30, 16 42a, 16 52, 18 4, 21 2 ff., 21 7d, 21 18a ff., 29 55 f., 31 13, 31 23 ff., 32 15a ff., 32 19 ff., 32 22a, 32 26, 32 28 f., 32 32, 32 34 ff. Caroline von Monaco II (BGH) 19 15a, 31 13, 32 15a ff., 32 19 ff., 32 23, 32 26, 32 34a f. Caroline von Monaco III (BGH) 15 11a, 19 14b, 19 15a, 21 3c, 21 7e, 21 17b ff., 32 23 Caroline von Monaco (EGMR) 19 2, 19 2c ff., 19 13, 19 15a, 21 2g ff. Carter-Robbins-Test 23 5, 23 17 Caterina Valente 6 37, 21 3c CB-Infobank 3 22a, 3 27 Cellulitis 14 18, 15 10, 31 10 Charlotte Casiraghi 30 29e Chefarztbriefe 10 19 Chris Revue 17 17, 21 19b Cicero 7 12b f., 8 1, 8 3b, 8 5, 8 24b ff. Constanze I 12 54, 15 2, 22 33, 28 3, 28 9, 30 5 Constanze II 28 3, 30 6 Contergan 19 23d Copy Charge 22 46 Cosima Wagner 19 9 Das unmögliche Möbelhaus 30 29b Denkzettel (BVerfG) 22 43, 22 46 Denkzettel (BGH) 22 43, 22 46 Der Aufmacher 5 15, 7 24, 10 2, 10 5, 10 26, 11 6, 12 70 f., 12 75, 12 85 ff., 13 4, 13 36, 14 4a, 15 2, 15 11 ff., 19 41a, 20 2 ff., 30 5 Der blaue Engel 19 38a, 21 19a Detektei 13 26, 32 18a ff. Deutsche Miederwoche 31 10 Deutschlandlied 12 21a ff., 20 14
Deutschland muss sterben 12 21a ff., 20 14 Deutschlandstiftung (BVerfG) 20 5, 20 9a f., 22 11a, 22 36 Deutschlandstiftung (BGH) 12 13, 13 14, 14 9, 14 25 f., 15 13, 15 16, 15 20, 20 5, 20 9a f., 22 11a, 22 36 DGB 20 2 Die Besten I u. II 22 14a, 22 31, 24 5 Die Nächte der Birgit Malmström 12 54a Die sieben peinlichsten Persönlichkeiten 20 18 dpa-Interview 2 17, 12 11a, 18 6 Drahtzieher 2 20a Dreckschleuder 15 14, 20 9a ff., 22 11a Drogistenillustrierte 24 24 Dubioses Geschäftsgebaren 22 4, 22 9, 22 22, 22 33 ff. Durchgeknallter Staatsanwalt 20 9b Dummschwätzer 20 5 eBay 16 17m Echternach 14 2, 16 1, 18 1 ff., 20 3a Editorial 24 25a Editorial II 24 7 Ehebruch 19 5, 19 6a, 19 15c, 19 17, 21 2b, 21 6a, 21 17b Eheversprechen 14 2, 31 6, 31 22 Ehrensache 19 23c Einkaufsbummel auf Mallorca 21 18a ff. Elektronenorgeln 13 29, 22 39 Elektronischer Pressespiegel 3 19, 3 22 ff. Emil-Grünbär-Klub 24 25a Emil Nolde 13 8a, 13 11 f. Emissionsprospekt 14 11c, 22 4, 22 8 Engholm 20 17, 20 19 Enkel von Fürst Rainier 19 14c, 21 3a, 21 3d, 21 18c Eppler 16 51 f., 18 4 Ereignis-Sponsoring 24 41, 24 47 ff. Ernst August von Hannover 19 2c, 21 2f ff., 21 3a ff., 21 15 ff., 21 18a ff. Esra 13 37 f., 14 30a, 19 13, 19 23a ff., 20 15a, 30 11, 32 27 Esther Schweins 21 27a f. Exdirektor 2 4, 2 14, 2 16, 17 11, 18 4, 18 6, 28 8, 32 30a, 32 32a, 32 34 Express 20 17b Fälschung 22 34, 31 23 Fall Barthold 7 18 ff., 20 8, 22 6, 22 48 Fall Pätsch 7 13, 7 23 Fall Stambuk 7 18 ff. Faltenglätter 22 16 Familienname 4 65, 13 4b, 13 8c, 13 26, 15 19, 17 7 Familie Schölermann 21 3c, 21 19
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Entscheidungsverzeichnis Fanny Hill 12 38 Favorit II 22 16, 24 6 Feriendomizil I 19 20 Feriendomizil II 19 13, 19 20, 19 22a, 21 3a, 21 7d Ferienprospekt 21 25b Fernsehansagerin (BGH) 2 15 f., 15 11, 28 3, 32 21, 32 27 Fernsehaufnahmen in Gerichtsverhandlungen 1 4, 1 10 ff., 4 1, 6 9 ff., 19 24 Fernsehprogramm 24 24 ff. Feuer, Eis & Dynamit 24 32a, 24 36 Feuer in die Herzen 13 15, 20 5 Fidele Ignoranten 29 69 Fiete Schulze 13 8, 13 10, 14 22, 16 4a, 28 9, 31 5, 31 14, 32 18 Figaros Hochzeit 6 36 Filmbesprechung 12 54a, 12 64, 13 31, 22 10, 22 39, 32 7a Filmmusik 9 49 Finanztest 22 35 Fit for Fun 20 20a Fix und clever 22 5 Flugschrift 22 4 Focus 16 24b ff. Foto der Freundin 21 8 Fotoausschnitt 13 39 Foto-Entnahme 3 14b Fotomontage 14 30, 20 17a Fragen 14 19 f., 16 6, 22 40 Frank der Tat 22 4, 22 9, 22 33 Frankenberg 17 12 Fraport-Manila-Skandal 14 6a, 14 13, 14 15 Freiburger Holbein-Pferd 21 35 Freispruch 31 16 f. Friedrich Ebert 13 8a, 13 11 f. Friesenhaus 21 37 Frischzellenkosmetik 13 8 Füllanzeigen 3 33 Fußballkalender 21 3c Fußballtor 13 39, 21 3c, 32 9 ff., 32 25a, 32 39 Gäfgen 19 23c Galinski 13 8c Gastrokritiker 22 4, 22 9, 22 22, 22 33, 22 35 geb. Mörder 14 11a, 14 29, 20 5, 20 9b f., 20 14, 20 16 Gebührenerschleichung 14 15 Gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit 30 15c Geburtshoroskop 19 14c Gefangenenpost 12 5 Gegendarstellung I 29 2 ff., 29 7, 29 14 Gegendarstellung II 29 2 ff.
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Gegendarstellung auf der Titelseite 16 42a, 29 2 ff., 29 21a, 29 55 f., 31 8, 31 23 ff. Gegnerliste 7 18a Geist von Oberzell 13 15, 13 36, 14 29, 18 2, 30 23, 30 29, 30 29c Geisterreigen 29 14 Geldentschädigung 32 17, 32 26, 32 32, 32 34, 32 35b GEMA-Vermutung IV 9 49 Gen-Milch 14 5, 20 6b Geschäftsaufgabe 16 33, 16 35 f. Geschäftsführer 14 23 Geschwärzte Worte 17 16b, 20 7a, 21 19c Getarnte Link-Werbung 24 54 f. Getarnte Werbung I 24 5, 24 52 Gierigster Lehrer 32 35e Gies-Adler 3 6, 3 14, 20 20a Ginseng-Wurzel 6 37, 17 16a, 32 15, 32 26 Glanzlose Existenz 22 33 Globalvertrag 6 34 Görgülü 21 2g Gracia Patricia 19 16, 32 24 Graf 19 6a, 19 8, 19 14, 19 44a Graf Zeppelin 6 37, 21 3c Gretna Green 19 15d, 32 15, 32 31 Großbankenrestquoten 22 33, 22 36 Grundbucheinsicht durch Pressevertreter 1 7, 1 10 ff., 5 2a, 5 7 f. Grundstücksgeschäfte der Scientology Kirche 30 26b Grundstücksgesellschaft 12 63, 14 13, 18 2, 30 28 Günter-Grass-Briefe 3 10, 19 9 Guldenburg 24 51 Gysi I 14 16a, 16 24a Hackethal-Interview 7 19a, 22 6 Halsabschneider 12 13, 14 25, 15 13 f., 20 9a ff., 22 11a Hasso von Wedel 17 12 Heide Simonis 21 3b Heimliche Nacktfotos 21 17a Heinz Erhart 13 12c, 17 16 Heiße Quickies 21 25, 21 27a, 32 23a Helmut Kohl 4 70 ff., 12 82a Helnwein 14 30a, 17 8a, 18 1a, 19 2b, 30 25 ff. Hermann Kant 14 17, 19 21b Herrenreiter 32 9b, 32 15, 32 38 Herrensitze in Schleswig-Holstein 9 27 Herz-Kreislauf-Studie 16 35 ff. Hitler-Satiren 12 24, 20 14 H.I.V. POSITIVE I und II 16 36a, 17 16b, 20 7a
Entscheidungsverzeichnis Hochzeitsbild 2 21a, 13 39a, 19 44, 21 15, 21 24 Höllenfeuer 12 54a f., 14 3, 14 8, 15 10, 22 4, 22 33 f. Hörfunkrechte an Bundesligaspielen 6 44 Holzklotz-Fall 6 10c, 21 18g Honecker 6 10 ff., 6 15, 21 3b Hormoncreme 12 11, 12 60, 13 31, 16 8 f., 16 16a f., 16 21a, 22 8, 28 5 Hotel Maritime 30 18a Hundertwasser-Haus 21 35 Huschke von Busch 13 33, 17 16a Illegaler Fellhandel 13 29, 14 3, 14 23 IM Brandenburger 14 17, 19 21a, 20 12 IM Sekretär 14 4, 14 11a, 14 17 f., 14 24 f., 16 1a, 19 21a, 20 3, 20 13, 29 12a, 29 19a, 30 25, 31 6a Impressumspflicht 25 1, 25 4 ff., 25 10 Im Rhythmus der Jahrhunderte 9 38 Indizienkette 11 16a Informationsdienst 3 29 Insiderwissen 23 4a, 31 13 Internet-Versteigerung I–III 16 17a ff. Intime Beziehungen 2 16, 2 23, 16 27, 16 29, 19 6, 19 17, 32 15a, 32 20 f., 32 35 Intime Sprechstunde 21 25 ff. Isostar 24 41 Jägermeister 14 31, 20 17a Joachim Fuchsberger 17 16a, 21 19, 21 25b, 32 3, 32 37, 32 39 Joschka Fischer 21 19c Josefine Mutzenbecher 33 3 Juve-Handbuch 22 5 f., 22 8, 22 12, 22 14a, 22 24, 22 31, 24 12 Kabarett 16 33 Kaffeebohnen 22 4 Kampfanzug unter der Robe 31 3a Karsten Speck 21 8a Kassenarztrundschreiben 14 5 Katharina Witt 3 14, 21 27b Ketten-Mafia 15 10, 15 16 Kinderarbeit 16 34a Kinski-klaus.de 13 12a ff., 32 9a Klartext 14 7, 16 52, 30 7 ff. Kleiner Kreis 31 8, 31 13, 31 25 Kleiner Spaziergang in St. Rémy 21 18d ff. Klinikdirektoren 14 22, 19 34a f. Klinik-Geschäftsführer 19 41b Klinik-Monopoly 14 11a ff., 16 44b Kölner Volksblatt 4 35 Kohl/Biedenkopf 12 75, 12 85 f., 19 9, 19 11
Komplexe Gesamtäußerung 14 6a, 14 13 ff., 16 43 Konkret 28 12 Konkret-Karikatur 19 2b, 20 13, 20 15, 20 18 f. Konkursfalschmeldung 32 12 f. Korruptionsvorwuf 2 14, 31 25, 32 35d Kosmetikstudio 16 35, 24 14 Kostenerstattung Abschlussschreiben 30 15b Kredithaie (BVerfG) 2 17, 12 13, 13 30a, 14 25, 15 13, 18 4, 18 6, 20 3a, 20 11, 22 36, 22 40 Kredithaie (BGH) 14 24, 20 3a, 22 5, 22 8 Kumulationsgedanke 21 7e, 32 15a ff., 32 19 ff., 32 25 ff. La Chatte 12 65, 31 3a, 31 4a, 31 14 Lästiger Anlageberater 10 20 Lafontaine 17 16b, 20 7a, 21 19c, 32 39 Langemann 12 71 12 75, 12 85 f., 19 23, 19 41a Lebach I 4 60, 4 73, 11 8, 12 50 ff., 13 2, 15 19, 17 6, 17 11, 19 2b, 19 24, 19 26a ff., 19 32, 21 4, 30 17, 32 4 Lebach II 19 24b, 19 27 ff., 21 4, 30 1 Lehideux 26 16a Lengede 2 17, 7 55, 7 57, 18 6b Leserbrief 10 18, 12 50, 16 54, 18 4, 19 9 Leserreise 22 13, 22 16 Liedtextwiedergabe I 3 8 f. Ligaspieler 21 3c Lila Postkarte 22 51 f. Lockheed 16 31 López 7 35b, 14 22, 16 24a ff. Lottoskandal 4 55, 19 38 Lüth 1 8, 4 73, 10 2, 11 8, 12 50 ff., 13 2, 13 18, 17 6, 19 2b, 20 1, 22 44 Lusthansa 20 17a, 22 51 Luxemburger Wort 14 4 Lysol 17 4a Maifeier 3 13 Mannesmann 2 21c, 4 55 Marienfeld 30 9b Maris 22 27 Markenverunglimpfung 6 37, 20 17b, 22 51 ff. Marktstudien 3 6 Marlene Dietrich 13 4a ff., 13 12c ff., 17 16a, 32 9, 32 19 Marlene Dietrich II 13 12d, 21 19b Marlene Dietrich-Bildnis 13 12d Mars-Kondom 20 17b, 22 51 ff. Mattscheibe 3 14a Maus 19 20 Mc Laren 6 37, 17 16a
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Entscheidungsverzeichnis Medium-Magazin 3 33 Medizinjournalist 30 20 Medizin-Syndikat I 13 13a ff., 13 29, 14 15, 16 44a, 30 29b, 32 17, 32 22 Medizin-Syndikat II 28 3, 32 32a Medizin-Syndikat III 16 5, 16 44a f. Medizin-Syndikat IV 13 29, 32 10a Meere 13 37a, 19 23c MEGA SALE 30 15b Mehrfachveröffentlichung 9 27b Meinungsforum 16 17 l Meister Eder 13 8, 13 12c Mephisto (BVerfG) 4 73, 12 17, 12 21, 13 2 ff., 13 37a, 17 6, 19 2b, 30 13, 20 15 Mephisto (BGH) 13 5, 13 7, 13 37a, 30 29c Metallzeitung 22 50 Metzeler 11 8a, 11 19, 14 21, 22 41 Mietboykott (BVerfG) 13 16, 22 43, 22 45 Mietboykott (BGH) 12 54a, 22 43, 22 45 Mietvertrag 19 22 Mit Verlogenheit zum Geld 14 14 Mörder unter uns 32 26, 32 31 Mordoro 20 17a, 22 51 ff. Moritat 20 20 Münzen-Erna 19 2c, 20 16, 20 18 Museumskatalog 3 13 f. Nachtigall I 14 4a, 32 26, 32 28 Nachtigall II 30 28 Nacktaufnahme 19 6, 19 45, 21 17a, 21 27a Nacktfoto 9 29, 21 27a, 32 8a, 32 15a, 32 21, 32 26a, 32 36a Namenloser Gutachter 20 6, 22 36 Namensnennung 14 29, 16 23a, 16 24b ff., 17 3 ff., 17 7, 17 11, 19 24 f., 19 31, 19 34 ff., 20 9a, 20 14, 20 18, 31 3a, 31 4a, 31 16 f. Namensnennungsrecht des Architekten 9 38 f. Nena 21 27a, 32 19, 32 39 Neonrevier 21 35 NGG 20 9b NIVEA 20 17b Notfalldienst 17 9, 19 22 Nottestament 23 5, 23 9, 23 21 NPD von Europa 14 2, 14 8 f., 14 12 f., 14 18, 14 24 f., 15 10, 16 1, 18 1 ff., 20 3a ff., 20 11 Obduktionsfoto 13 10, 13 12e, 19 7a, 21 17a, 21 23, 32 18 ff. Ohne Gewähr 22 52a f. Oliver Kahn 19 2c, 21 18e Operneröffnung 21 34 Opus Dei 17 8, 19 19a
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Orangenhaut 7 35 ff., 22 6 Orient-Teppichmuster 24 55 Ostkontakte 16 14 f., 16 19 ff., 30 9, 30 20 Panorama 11 5, 14 3 f., 16 8 f., 16 16a, 16 21, 16 27, 28 5, 28 10, 29 2, 29 48, 30 17, 31 4a ff., 31 14, 31 22, 32 12 ff., 32 28, 32 30a Pariser Liebestropfen 2 21c, 13 37, 19 4 f., 19 38, 32 3, 32 26 Paul Breitner 21 16, 21 25 Paul Dahlke 6 37, 17 16a, 21 3c, 21 15, 21 19, 21 25b, 32 9, 32 37 Pelzversand 7 33a f., 22 8 Perna/Italien 20 2 f. Pestalozzis Erben 13 37a, 19 23d Petra Kelly 16 42a Photokina 12 53 Phylax 15 19 Plagiatsvorwurf I 14 23 Plagiatsvorwurf II 14 23, 31 2, 31 8, 31 10, 31 17a Podolski 21 18e Polizeichef 2 23, 14 6a, 14 13 f., 14 15, 16 4a, 16 11, 16 27, 16 30, 32 6, 32 15a, 32 22, 32 26, 32 35d Preisrätselgewinnauslobung 22 15 Preisvergleich 22 4, 22 24 Presseberichterstattung und Kunstwiedergabe I 21 33 f. Presseberichterstattung und Kunstwiedergabe II 21 33 Pressefotos 32 38 Pressehaftung I 16 34 ff., 16 38, 29 49, 30 15c, 32 13 Pressehaftung II 16 34a, 16 39 Pressemäßige Sorgfalt 2 9, 14 15, 15 2, 15 10, 18 1a, 30 10, 30 24 ff., 31 4 Presserechtlicher Auskunftsanspruch 4 19 f., 4 76a Preußen-Prinz 21 6a, 32 35 f. Prinzessin von Preußen 19 15d, 21 6a, 31 23, 32 35d Private Lebensvorgänge 21 18e Produktinformation I 7 35 ff. Produktinformation II 7 35 ff., 22 6 Produktinformation III 7 35 ff., 22 6 Profil 30 18 Pygmäen-Lokal 22 11a, 22 25 Radikalenerlass 7 13 Radio France/Frankreich 16 24e Rasterfahndung 14 7, 16 52 Rechercheservice 3 34a Rechtsanwalt 21 6 Rechtsberatungsanschein 22 52b Rechtsradikale Musikgruppe 22 48a
Entscheidungsverzeichnis Redaktionelle Anzeige 24 16 Reichstagsbrand 31 3a Remington 31 4a Rennsportgemeinschaft 6 37, 13 14, 17 16a, 22 51, 32 37, 32 39 Rentenberechnungsaktion 22 53 Rhein-Zeitung 30 18 Richtigstellungsanspruch des BKA 13 18, 29 9b, 31 6, 31 8a, 31 22 Rippenstreckmetall 22 23 Rivalin von Uschi Glas 21 2 f., 21 3a, 21 7d, 21 30a, 30 6 Römerberg-Gespräche 12 13, 15 2, 15 16, 15 20, 20 3a, 20 9a, 22 11a Rolex 16 16b Ron Sommer 14 30, 20 17a Rosa Luxemburg 2 14, 2 16, 32 27 Rothenburg 19 23c Rotlichtfürst 2 20b, 30 8, 32 35g RTL aktuell 30 9a, 32 22, 32 35d Rudi Carrell 32 28, 32 33, 32 35b Rückenakt 19 6, 21 17, 21 17 f., 21 27a Rundfunkurteil IV 29 2a Saat der Sünde 13 3, 32 17 Sabotage 13 15, 14 4a, 15 20, 22 4 Satirische Fotomontage 14 30a, 20 17a, 20 18 Satter Deutscher 32 26 Scalping 23 4a Schadstoff Zucker 13 29 f., 22 39 Schalck-Golodkowski 21 19c Schlank-Kapseln 16 37 Schlankheitswerbung 16 35, 16 37 Schleppjagd 13 39a Schloss Tegel 21 37 f. Schmerzensgeld 32 25a Schmid/Spiegel 1 7 f., 2 4, 4 73, 13 2, 13 18, 15 7, 15 20, 19 2, 20 3a Schmuddelsender 22 37a Schöner Wetten 16 17c, 16 17o Schönheitschirurgie 7 35, 22 4a, 22 6 Schreckliches Mädchen 13 8a, 13 11 Schriftsachverständiger 14 20 Schwarz Rot Senf 12 21a ff. Schwarze Sheriffs 20 2 ff., 20 6, 20 16 Schwarzer Filz 14 4, 31 8, 31 10 Schweigepflicht 7 24 Sciacca/Italien 21 2i Scientologen 21 2 Scientology 13 17, 32 17 Sex-Papst 16 16a, 16 23a ff., 16 25, 19 34b Sherlock Holmes 18 4 Siemens-Festschrift 13 14, 14 29, 20 17, 28 3 Sittenrichter 15 19, 19 5 Soldaten-Urteile 12 45, 13 22
Soldaten sind Mörder I 12 44 f., 13 22 f., 14 4a, 20 5 Soldaten sind Mörder II 13 17, 13 22, 14 4a, 20 5 Sonntagszeitung 21 19c Soraya (BVerfG) 15 11 f., 16 52, 32 15, 32 22a, 32 35 Soraya (BGH) 16 54, 18 4, 28 3, 32 15a ff., 32 22a Spätheimkehrer 2 15 f., 9 5, 15 11a, 21 15, 21 18c Spezialsalz 7 34 Spickmich.de 19 41, 20 6a Spiegel-CD ROM 9 27b Spiegel-Fotos 9 47 f. Spiegel-Urteil 4 43, 4 73, 7 6b, 7 12c, 8 1 ff., 8 26a, 11 8, 12 50 ff., 13 18, 17 6, 19 2b Spielgefährtin I 13 39a, 21 6 Spielgefährtin II 32 26 Springturnierfotos I und II 21 25 Staatskarosse 29 14 Stadt Geldern 16 34 f. Stasi-Liste 16 24b, 17 9b, 19 21 f. Steffi Graf 16 17h f., 20 19, 32 23, 32 35c Stern TV 2 14 f., 16 11, 16 16a, 32 4 ff., 32 8, 32 15, 32 22, 32 35 ff. Sternreporter 7 37, 11 8, 11 16 Stolpe/IM Sekretär 14 11a ff., 14 24 f., 16 1a, 16 20a, 16 44 ff., 17 12, 19 21a, 20 3 ff., 20 14, 22 8, 29 12a, 30 1, 31 6a Straßen gestern und morgen 9 38a Strauß-Karikatur 14 29 ff. Suchwort Bosch 16 36b Südkurier 16 33, 24 1, 24 22 Täter-Opfer-Polizei 19 35, 32 24 Tai Ginseng 16 46 Teilweises Auschwitz-Leugnen 12 46a Telefonwerbung I 10 20 Telefonwerbung II 10 20 Teppichkehrmaschine 12 68, 13 29, 15 10, 16 4 Teppichreinigung 22 4 Terroristentochter 20 9c Theaterkritiker 6 25a, 6 33 Theaterstück 19 23c Therapeutische Äquivalenz 20 7a Thoma/Luxemburg 16 24e Todesanzeige 16 33 Todesgift 19 7a Tonbandaufnahme 10 16, 12 75 Tonjäger 15 20, 20 3a Türkol 2 17, 12 62, 12 68, 14 4a, 15 3, 15 16, 15 21, 16 9, 16 16b, 18 6, 30 24 f. Türkol II 32 7a TV Total 32 35c
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Entscheidungsverzeichnis
Über 18.de 16 17p Uhren-Weiß 29 14 Unbestimmter Unterlassungsantrag 30 29b Unechte Frage 14 19, 16 6, 16 27, 31 8b Unfallfoto 21 4 Universelles Leben 21 2m, 21 37, 30 5 Urlaubsfoto von Caroline 21 3d Uschi Glas 17 17, 21 19b Verbrechensopfer 21 6 Verbrecherbraut 21 7c Verdacht am Bau 14 15, 16 44c Verdeckte Arzneimittelwerbung 22 13 Verdeckte Behauptungen I 16 44b Verdeckte Behauptungen II 14 15, 16 44b Verdeckte Bildmanipulation 14 30a Verfolgungsschicksal 13 25 Verhüllter Reichstag 21 35 Verlagsverschulden 16 39a Vermögensberater 24 24 Vermögensverwaltung 22 11a Veröffentlichung auf der Titelseite 29 2, 29 55 f. Veröffentlichungsbefugnis bei Ehrenschutz 31 7, 31 11 Versicherungsrundschreiben 14 5, 14 21 Versierter Ansprechpartner 22 14 Vetternwirtschaft 13 17, 13 32 Videoüberwachung 9 5, 10 23b Volkacher Madonna 14 22, 14 24, 20 4 Volkszählungsgesetz 4 29, 10 24, 19 3, 19 22 Vor unserer eigenen Tür 9 5 Waffenhandel 15 10, 19 10, 19 25b, 19 42 Wahlkampfillustrierte 19 46a, 21 24, 21 26 Warentest I 22 5, 22 20
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Warentest II 12 55, 14 20, 22 8, 22 18, 22 20 f., 22 25, 22 28 Warentest III 12 68, 22 20, 22 29, 32 12 ff. Warentest IV 22 20, 22 25 f., 22 29 Warentest V 22 29 Weizenkeimöl 7 35, 22 25 Wer erschoss Boro? 24 27, 24 32a, 24 48a, 24 52 f. Wie bitte?! 22 52a f. Wie uns die anderen sehen 21 24 Wilhelm Kaisen 13 6, 13 8a ff., 13 11 Willi Lemke 19 41a, 32 35d Willy Brandt 13 8c, 21 19a Wir Schuldenmacher 22 52a f. Wirtschaftsarchiv 12 54 Wirtschaftsregister 31 8b Wirtschaftswerbung-public relations 24 5 ff., 24 7, 24 52 WirtschaftsWoche 3 17 ff. WISO 22 52a f. Wo ist mein Kind? 30 7, 32 15 Wohnstättengemeinschaft 14 2, 31 6a, 31 8, 31 13 f., 31 25 Wünschelrute 14 9, 14 15, 14 23, 14 26, 15 2, 15 16, 30 26 Zärtliche Freundschaft 30 29e Zeitungsbericht als Tagesereignis 3 14 Zerknitterte Zigarettenschachtel 17 16b, 20 7a, 21 19c Zuschussverlag 22 11 Zwangsdemokrat (BVerfG) 13 8a, 14 3, 14 4a, 20 3 ff., 20 5, 20 9a, 22 11a Zwangsdemokrat I (OLG München) 13 11, 31 7, 31 11 Zwangsdemokrat II (OLG München) 13 9, 20 5 Zwangshaft 7 37, 11 8, 11 16 Zwerg 21 4
Stichwortverzeichnis Die fetten Zahlen bezeichnen die Kapitel, die mageren die Textziffern. Abbildung von Marken und anderen Kennzeichen 20 17a, 22 49 ff. Abgeschlossene Ausgaben – Gegendarstellung 29 50 ff. – Unterlassungsanspruch 30 30 ff. Abgestuftes Schutzkonzept 21 2e ff. Abhören 10 7 ff. Abhörprotokolle, Veröffentlichung 12 74 ff. Abkupfern von Anzeigen 3 35 Abmahnung 30 15 f. Abschreiben 3 2, 3 6 f. Absicht der Interessenwahrung 15 17 Absolute Person der Zeitgeschichte 21 2 ff. Access-Provider 16 17c ff. Achtungsanspruch, postmortaler 13 6 ff. – Gegendarstellung 13 9, 29 11 – Geldentschädigung 13 10, 32 18a – zeitliche Beschränkung – immaterielle Aspekte 13 12 ff. – vermögenswerte Aspekte 13 12c ff. Adelsangehörige als Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit 19 14, 21 3c, 21 6a Agenturprivileg 2 21 f. Akkreditierung 6 16 Aktaufnahmen 21 17 f., 21 27 Aktenbestandteile – Veröffentlichungsverbot 12 79 f. – Wiedergabe von 4 57 Akteneinsicht, Anspruch auf 4 62 ff., 5 1 ff. Aktive Recherche und Zeugnisverweigerungsrecht 8 17 ff. Aktualität und Sorgfaltsmaßstab 2 18 f. Aktualitätsgrenze, Gegendarstellung 29 36 Alkoholprobleme 19 18 Allgemein zugängliche Quellen 1 4, 4 1 Allgemeine Geschäftsbedingungen, Nutzungsrechte 9 33 ff. Allgemeine Gesetze – als Schranke des Auskunftsanspruchs 1 10 – als Schranke der Berichterstattung 12 1 ff. – als Schranke der Bildrecherche 9 16 ff. – als Schranke der Informationsbeschaffung 10 1 ff.
Allgemeines Persönlichkeitsrecht – als Schranke der Berichterstattung 12 50 ff., 19 1 ff. – als Schranke der Bildrecherche 9 3 ff. – als Schranke der Informationsbeschaffung 10 15 ff. – höchstpersönliches Recht 13 4 – vermögenswerte Bestandteile 13 4a f, 13 12c ff. Amtliche Mitteilungen 4 32 Amtspflicht zur Auskunftserteilung 4 4 Amtsverschwiegenheit, Verletzung der 7 7 ff. Andenken Verstorbener 12 16 f. Anderweitige Ausgleichsmöglichkeit, Geldentschädigung 32 28 ff. Angehörige als Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit 21 7 ff. Angemessenheit des Mittels – Boykottaufrufe 22 43 ff. – Wahrnehmung berechtigter Interessen 15 14 ff. Anhörung des Betroffenen 2 22 ff., 4 83 Anklageschrift 4 57, 12 79 Anlass der Berichterstattung 15 18 ff. Anmoderation 16 9, 16 41 f. Anonymität, gewählte 17 5 ff. Anspruchsberechtigte 13 1 ff. – bei Geldentschädigung 32 16 ff. Anspruchsverpflichtete 28 1 ff. Anstiftung zum Geheimnisverrat 7 12a Anvertraute Mitteilungen 8 16 ff. Anwaltskosten 29 47 f., 30 15b f Anwaltsschriftsätze 3 7a, 10 18 f., 12 79 ff. Anzeigen – Abkupfern 3 35 – Kennzeichnung 24 4 ff. – Koppelung mit redaktionellen Berichten 24 14 f. – Übernahme 3 32 ff. Anzeigenaktionen als schadensmindernde Maßnahme 32 11 ff. Anzeigenblätter 24 24a Anzeigenteil – Verbreiterhaftung 16 33 ff. – Zeugnisverweigerungsrecht 8 22 Anzeigenplatzierung 24 18 ff. Arbeitnehmer als Informanten 7 20 f., 7 33 ff.
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Stichwortverzeichnis – Bestechlichkeit 7 46 Archivfotos 9 32a Archivierte Beiträge 19 29 f. Archivierung von Recherchematerial 11 1 ff. Artikelüberschriften 16 41 ff. Arzneimittelwerbung 16 37 Ärzte als Informanten 7 9, 7 19 f. audiatur et altera pars 2 22 Aufbewahrung von Sendemanuskripten 29 65 f. Aufmacher 16 41 ff. Aufnahme des gesprochenen Worts 10 7, 10 16 f. Augenbalken 13 38 Ausbeutung, systematische 3 26 ff. Auschwitz-Lüge 12 18, 12 46 Ausgedruckte Exemplare 30 30 ff. Auskunftsanspruch der Medien 4 1 ff. – Abwägungskriterien 4 41 ff. – Auskunftsberechtigte 4 8 ff. – Beschränkung auf Tatsachen 4 41 – Durchsetzung 4 75 ff. – Ermittlungsverfahren 4 53 ff. – gegenüber Behörden 4 14 ff. – gegenüber Kirchen 4 21 – gegenüber Privaten 4 28 ff. – gegenüber Rundfunkanstalten 4 20 – gegenüber Unternehmen des Staates 4 19 – Geheimhaltungsinteresse 4 42 f. – Geheimhaltungsvorschriften 4 44 ff. – Insolvenzanträge 4 68 – Neutralität 4 31 ff. – schwebendes Verfahren 4 58 – schutzwürdige private Belange 4 64 f., 4 72 ff. – Stasi-Akten 4 69 ff. – Steuergeheimnis 4 50 ff. – Strafverfahren 4 53 ff. – Unschuldsvermutung 4 55 – Zivilrechtspflege 4 61 ff. – Zumutbarkeit 4 39 Auskunftsansprüche gegenüber den Medien – über gespeicherte Daten 7 39 – über Informanten 7 39, 8 4 – über Inserenten 8 22 Auskunftshaftung der Redaktion 23 12 ff. Auskunftspflichtige 4 14 ff. Auskunftsverweigerung – durch Private 4 83 – im steuerlichen Veranlagungsverfahren 7 47 Ausländer als Träger des Persönlichkeitsrechts 13 3
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Ausländische Medien und Auskunftsanspruch 4 13 Ausländische Staaten und Ehrenschutz 13 19a Ausschluss der Öffentlichkeit – Gerichtsverhandlungen 6 5 – Veröffentlichungsverbot 12 77 f. Ausschlussfrist, Gegendarstellung 29 39 Ausschmückungen 18 6 f. Außereheliche Beziehungen 19 17 Äußerungen Dritter – Gegendarstellung 29 13 – Haftung für 16 11 ff. Äußerungen zu Zwecken des Wettbewerbs – s. Geschäftliche Handlungen Ausspähen von Daten 10 11 f. Auswertung, systematische 3 26 ff. Auszugsweiser Nachdruck 3 9 Authentizität von Zitaten 16 51 ff. Bankgeheimnis 7 26a Banknoten 21 39 Bannerwerbung 24 57 Beamte – als Auskunftspflichtige 4 16 – als Informanten 7 4 ff. Bearbeitung eingereichter Texte 7 59 ff. Begehungsgefahr 30 12 ff. Behauptung 16 2 ff. – verdeckte 16 44 ff. Behörden – als Auskunftspflichtige 4 14 ff. – als Betroffene 13 16 ff., 29 9b, 31 8a Beihilfe zum Geheimnisverrat 7 12b f. Belagerung 10 23 f. Beleidigung 12 7 ff. – von Vertretern ausländischer Staaten 12 30 f. Berechtigtes Interesse (Gegendarstellung) 29 20 ff. Bereicherungsanspruch 32 37 ff. Berichtigungsansprüche 31 1 ff. – Arten 31 11 ff. – Beschränkung auf Tatsachenbehauptungen 31 5 ff. – Beweislast 31 22 – Durchsetzung 31 17 ff. – eingeschränkter Widerruf 31 14 – einstweiliger Rechtsschutz 31 19 ff. – Erforderlichkeit 31 8 ff. – Erfüllung 31 23 ff. – Folgeberichterstattung 31 16 f. – Gegenäußerungen 31 25 – rechtswidrige Berichterstattung 31 2 ff. – Richtigstellung 31 13 – Streitgegenstand 31 17a
Stichwortverzeichnis – Unterlassungsurteil, Veröffentlichung 31 15 – Verfahrensart 31 17 f. – Vollstreckbarkeit des Urteils 31 18 – vorläufiger Rechtsschutz 31 19 f. – Waffengleichheit 31 23 f. – Widerruf 31 12 Berufliche Tätigkeit, Berichte über 19 40 ff. Berufsordnungen und Äußerungsrechte 22 6 Berufsgruppen als Betroffene 13 22 Beschaffung von Informationen, unzulässige 12 74 ff., 12 84 ff. Beschimpfung religiöser Bekenntnisse 12 47 f. Beschlagnahme – von Beweismaterial 8 24 ff. – fotografischen Materials 9 8 ff. – von Presseerzeugnissen 27 1 ff. Beschwerde, Deutscher Presserat 33 1 ff. Besitz als Schranke der Bildberichterstattung 21 36 ff. Bestechung, Bestechlichkeit 7 41 ff. Betroffenheit 13 20 ff. – Behörden 13 16 ff. – Berufsgruppen 13 22 – Familie 13 26 – Gegendarstellung 29 9 ff. – individuelle 13 27 ff. – jüdische Bevölkerung 13 25 – bei Kreditgefährdung 12 64 f. Betrugsvorwurf 14 22 Beurteilung, rechtliche 14 22 f. Beweisführung 11 9 ff. Beweislast – Berichterstattung über Straftaten 12 12a – Berichtigungsanspruch 31 22 – Kreditgefährdung 12 63 – Schadenersatzanspruch 32 6 f. – Unterlassungsanspruch 30 22 ff. Bezahlte Berichterstattung 24 16 ff. Bezugspunkte für Meinungsäußerungen 14 9, 20 9 f. Bild, Recht am 9 3 ff., 21 1 ff. Bildberichterstattung 21 1 ff. Bildbeschaffung 9 1 ff. Bildlegende 16 45 ff. Bildrecherche 9 2 ff. Bildveröffentlichung 21 1 ff. Bildzitate 3 12 ff. BKA-Gesetz 8 3b Blockierungshonorare 9 40 ff. Boykottaufruf 22 43 ff. – ideelle Zwecke 22 44 ff. – wirtschaftliche Zwecke 22 46 ff.
Briefe, Nachdruck von 3 10 Briefgeheimnis 10 9 f. Bundespräsident, Verunglimpfung 12 20 Bundespressekonferenz 6 18 f. Chefredakteur – Haftung 26 6 f., 28 8 f. – Impressum 25 3 Chiffregeheimnis 8 6, 8 22 Content-Provider 16 17 ff., 26 11a Daten, gespeicherte und Auskunftsanspruch 7 39 Datenausspähung 10 11 f. Datenbanken 3 5 Datenspeicher als Schriften 12 6a Dementi 2 23 f., 16 23 ff., 29 63 Demonstranten als Personen der Zeitgeschichte 21 10 ff. Demonstrationen – und Bildnisschutz 9 9 f., 21 10 ff. – und Zeugnisverweigerungsrecht 8 17 Demütigung 31 7, 31 10 Deutscher Presserat, Beschwerdeausschuss 33 1 ff. Distanzierung 12 43a, 16 27 Distanzierungsanspruch 31 5 Disziplinarverfahren 4 57 Dokumente als Beweismittel 11 10 ff. Double 13 38a, 21 19a Dritte, Äußerungen von 16 11 ff., 16 16, 29 13, 31 5 Durchschnittsrezipient, Verständnis des 14 4a Durchsetzung – des Auskunftsanspruchs 4 75 ff. – des Berichtigungsanspruchs 31 17 ff. – des Gegendarstellungsanspruchs 29 41 ff. – des Unterlassungsanspruchs 30 15 ff. Durchsuchung zu Beweiszwecken 8 24 ff. Ehescheidung 19 14 f. Ehre 12 7 ff. Eidesstattliche Versicherung 11 12 Eigentum als Schranke der Bildberichterstattung 21 36 ff. Eindrücke 16 40 ff. Eingeschränkte Öffentlichkeit 6 5 Eingeschränkter Widerruf – s. Berichtigungsansprüche Einkaufstipps 24 16 Einschleichen 10 26 f. Einsender 7 61 f., 8 15 Einstweiliger Rechtsschutz – beim Auskunftsanspruch 4 77
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Stichwortverzeichnis – beim Berichtigungsanspruch 31 19 ff. – beim Unterlassungsanspruch 30 19 Einwilligung 19 43 ff. – Bildveröffentlichung 21 20 ff. – Erteilung 19 44 f. – durch Minderjährige 19 45 – Umfang 19 46 f., 21 24 ff. – Widerruf 19 48 f. Einziehung von Presseerzeugnissen 27 6 f. Elektronische Presse 1 1, 2 7a, 8 2, 29 71 ff. Elektronischer Pressespiegel 3 22a Empfehlungen, redaktionelle 23 1 ff. Englisches Königshaus 21 17b, 21 30 Entgangener Gewinn 32 8 ff. Entgeltliche Veröffentlichungen 24 16 f. Ereignis-Sponsoring 24 47 ff. Erfundener Name 17 13 Erkennbarkeit 13 34 ff. – auf Abbildungen 13 38 ff. – in Texten 13 35 ff. Erlaubtes Risiko 15 4 Ermittlungsakten – Zitate aus 12 79 ff. Ermittlungsbehörden als Auskunftspflichtige 4 18 Ermittlungsverfahren – und Auskunftsanspruch 4 53 ff. – Berichte über 19 30 ff. Erscheinungsort 29 5 Erstbegehungsgefahr 30 12 ff. Erwerb von Veröffentlichungsrechten 9 21 Europäische Menschenrechtskonvention 2 4, 21 2g f., 22 47 Exklusivverträge 7 48 ff. – zugunsten der Informanten 7 52 – zugunsten der Medien 7 50 f. Fahndungsaufrufe 19 38 Familienehre 13 26 Faschist 20 12 Fernsehen – Fensterprogramme 16 16b, 28 5, 29 70 – als Forum der Meinungen 16 8, 16 16 f. – bei Gerichtsverhandlungen 6 8 ff. – Kurzberichterstattung 6 39 ff. – sportliche Großereignisse 6 3 f. – Übertragung kultureller Ereignisse 16 44 Fiktionalität, Vermutung für 13 37a, 19 23a Filmaufnahmen, Gerichtsverhandlungen 6 8 ff. Filmzitat 3 14a Finanzgerichtliche Verfahren 4 50
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Finanzielle Interessen und Informationserteilung 4 37 Fliegender Gerichtsstand der Medien 30 18 ff. Flüchtiger Leser/Hörer 14 4a Folgeberichterstattung 31 16 f. Form – der Behauptung 16 5 – der Meinungsäußerung 20 3a Formalbeleidigung 12 13 Fotografieren – bei Gerichtsverhandlungen 6 13 – im geschützten Bereich 10 8 ff. – von Kunstwerken 21 32 ff. – von Personen 9 3 ff. – von Sachen 21 36 ff. Fotografierverbote 9 19 f. Fragen – als Behauptung 16 6 – Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung 14 19 f. Freie Berufe, Berichterstattung über 22 6 Freie Meinungsäußerung 14 24 ff., 20 2 ff. Freiheit der Nachricht 3 4 ff. Freistellungsanspruch des Redakteurs 28 6 Füllanzeigen 3 32 ff. Garantenpflicht des Verantwortlichen Redakteurs 26 8 ff. Gefahrgeneigte Tätigkeit 2 14, 11 3, 12 12b, 14 3 ff. Gegendarstellung 29 1 ff. – Abdruckmodalitäten 29 45 ff., 29 50 ff. – Aktualitätsgrenze 29 36 – Alles-oder-nichts-Prinzip 29 45b – Änderung im Prozess 29 45a ff. – Anspruchsvoraussetzungen 29 8 ff. – anwendbares Recht 29 5 – Ausschlussfrist 29 39 – berechtigtes Interesse 29 20 f. – Besonderheiten im Rundfunk 29 64 ff. – Betroffenheit 29 9 ff. – Durchsetzung 29 41 ff. – Erfüllung 29 50 ff. – fehlerhafte Veröffentlichung 29 63 – Formerfordernisse 29 27 ff. – Glossierungsverbot 29 59 ff. – Internet 29 72c – Rundfunk 29 59 ff. – Inhalt 29 17 ff. – Inhaltsverzeichnis 29 58 – Internet 29 71 ff. – Kosten 29 47 f. – Nachschieben neuer Fassungen 29 38 – nächstfolgende Ausgabe 29 50 ff.
Stichwortverzeichnis – offenbare Unrichtigkeit/Irreführung 29 20 f. – örtliche Zuständigkeit 29 44, 29 68 f. – Parlaments- und Gerichtsberichterstattung 29 15 f. – postmortale Geltendmachung 13 9b, 29 11 – Presse 29 3 ff. – Rechte Dritter 29 23 f. – Rechtsgrundlagen 29 2 ff. – Redaktionsschwanz 29 62 – Rundfunk 29 6 f., 29 64 ff. – Schadenersatzpflicht 29 46 – Schriftform 29 27 ff. – strafbarer Inhalt 29 22 f. – Streitgegenstand 29 45a ff. – Tatsachenbehauptungen 14 11 ff., 29 12 ff. – Umfang 29 25 f. – Unverzüglichkeit, Frist 29 35 ff. – Verfahrensart 29 41 f. – Verwirkung 29 40a – Waffengleichheit 29 53 ff. – Wahrheitsprüfung 29 14 – Zuleitung 29 33 f. – per PDF 29 31 – per Telekopie 29 30 ff. – Zweitfassung 29 38 ff., 29 45g f. Gegenschlag 15 20, 20 3a Geheimhaltungsbedürfnisse und Auskunftsanspruch 4 42 f. Geheimhaltungsvorschriften und Auskunftsanspruch 4 44 ff. Geheimsphäre 19 9 ff. Geistiger Meinungskampf 20 3 ff. Geldentschädigung 32 15 ff. – Anspruchsberechtigte 32 16 ff. – Genugtuungsfunktion 32 26, 32 32 ff. – Höhe 32 34 ff. – Präventionsgedanke 32 26a, 32 32 ff. – schwerwiegende Rechtsverletzung 32 21 ff. – Subsidiarität 32 28 ff. – unabwendbares Bedürfnis 32 32 f. – verfassungsrechtliche Verankerung 32 15a – Verschulden 32 26 f. – Verstorbener 13 10 – Voraussetzungen 32 20 ff. Geltungsanspruch, sozialer 12 9, 18 4 Gerichtsberichterstattung 29 15 f. Gerichtsentscheidungen, Veröffentlichung 4 35a Gerichtsverhandlungen 6 4 ff. – Ausschluss der Öffentlichkeit 6 5 f. – Film- und Fernsehaufnahmen 6 8 ff. – Lichtbildaufnahmen 6 13
Geringfügige Ungenauigkeiten 2 17, 12 11a, 12 62, 15 11b, 18 4 ff., 30 3, 31 12 Gerüchte 16 26 ff. Geschäftliche Handlungen 22 3 ff. – bei Boykottaufruf 22 46 f. – bei Pressefehde 22 32 ff. – bei Produktkritik 22 3 ff., 22 12 – beim Test 22 17 Geschäftsehre 12 58 ff. Geschäftsgeheimnisse, Verrat von 7 20 f. Geschriebenes Wort, Schutz des 10 18 ff. Gesellschaften als Betroffene 13 13 f. Gesprochenes Wort, Aufnahme 10 7 ff. Gesundheitsprobleme 19 16 f. Gewaltdarstellung 12 40 ff. Gewaltschutzgesetz 10 23a Gewerbebetrieb, eingerichteter und ausgeübter 12 53 ff. Gewerbliche Kennzeichen, Abbildung von 20 17 ff., 22 49 ff. Gewerkschaften als Betroffene 13 15 Gewinnauslobung 22 15 Glaubhaftmachung 11 12 Gleichbehandlungsgrundsatz 4 34 ff. Gleichnamigkeit 17 12 ff. Glossierungsverbot, Gegendarstellung 29 59 ff., 29 72c Graphologische Gutachten 10 24, 19 23 Großes Kleinzitat 3 13 f. Grundbuch – Auskunft 5 15 – Einsicht 5 7 ff. Grundrechtsmündigkeit 19 45 Güterabwägung – beim Allgemeinen Persönlichkeitsrecht 12 50 ff. – bei der Auskunftserteilung 4 24, 4 72 – beim Sponsoring 24 50 – bei Wahrnehmung berechtigter Interessen 15 8 ff. Gutachten 14 20 Haftung – des Chefredakteurs 26 6 f., 28 8 f. – des Herausgebers 26 6 f., 28 8 f. – des Informanten 7 27 ff. – des Medienunternehmers 28 1 ff. – des technischen Verbreiters 28 14 ff. – des Verantwortlichen Redakteurs 26 8 ff., 28 11 f. – des Verfassers 26 4 f., 28 10 – des Verlegers 26 8 ff., 28 1 ff. – für den Inhalt von Anzeigen 16 33 ff. Handelsgesellschaften als Betroffene 13 14 f. Handelsregister, Einsicht in 5 3 f.
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Stichwortverzeichnis Hausfriedensbruch 10 4 ff. Hausrecht 6 29 f., 10 4 f. Heilmittelwerbung 16 37 Herausgeber – Haftung 26 6 f., 28 8 f. – Impressum 25 3 Herausgeberprinzip im Fernsehen 16 16b, 28 5, 29 70 Herstellung von Lichtbildern 9 3 ff. Hintergrundgespräche 7 74 f. Höchstpersönlichkeit von Persönlichkeitsrechten 13 4b f. Host-Provider 16 17c ff. Identifizierung 17 1 ff. – Arten der 17 2 f. – Zulässigkeit 17 4 ff. Illegal als Werturteil 14 22 f. Illegale Staatsgeheimnisse 12 34 Illustration 16 45 ff. Imageplacement 24 31 Impressum 3 25, 25 1 ff. – im Internet 25 7 ff. Indemnität 16 13 Individuelle Betroffenheit 13 27 ff. Informanten 7 1 ff. – Auskunft über Identität 7 39, 8 4 – Wahrung der Anonymität 8 1 ff. Informantenhaftung 7 27 ff. – deliktische 7 32 ff. – Gefährdungshaftung 7 34a – vertragliche 7 30 Informantenschutz 7 37 f., 11 16 ff. Informationelle Selbstbestimmung – als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts 19 22 f. – als Schranke des Auskunftsanspruchs 4 29 Informationen, unzulässig beschaffte 12 72 ff., 12 84 ff. Informationsansprüche 4 1 ff. Informationsblätter 3 20 ff. Informationsermittlungsfreiheit 1 6 ff. Informationsfreiheitsgesetze 1 10b, 4 7a, 4 60, 5 1 Informationshonorare 7 41 ff. – an Amtsträger 7 42 ff. – an Private 7 45 f. – steuerliche Behandlung 7 47 – und Zeugnisverweigerungsrecht 8 21 Informationsinteresse der Öffentlichkeit – und Auskunftsanspruch 4 25 ff. – und Sorgfaltsmaßstab 2 14 ff. – und Wahrnehmung berechtigter Interessen 15 10 ff. Informationssperre 4 59 f.
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Informationswert und Sorgfaltsmaßstab 2 14 ff. Inhaltsangaben 16 41 ff. Inhaltsverzeichnis, Gegendarstellung 29 58 Initialen 17 13 Innere Tatsachen 14 5 ff. Insolvenzanträge und Auskunftsanspruch 4 68 f. Institutionelle Garantie der Pressefreiheit 1 8 ff. Intellektuelles Verbreiten 16 10 ff. Intensität des Informationsinteresses – und Sorgfaltsmaßstab 2 14 ff. – und Wahrnehmung berechtigter Interessen 15 10 f. Interne Verwaltungsvorschriften 4 45 Internet – Gegendarstellung 29 71 ff. – Haftung 16 17a ff., 26 11a – Impressum 25 7 ff. – örtliche Zuständigkeit 30 18a f. – Suchmaschinen 14 11c, 28 18b – Trennung von Inhalten und Werbung 24 54 ff. – Unterlassungsanspruch 16 17c, 30 21b, 30 29c – verdeckte Behauptungen durch Setzen von Links 16 44c Internetrecherchedienst 3 34a Interpretationsstandards – Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung 14 24 ff. – Ermittlung des Aussagegehalts von Tatsachenbehauptungen 16 1 – bei Kunst und Satire 20 14 Interviews 4 40, 16 21 ff. – Haftung für den Inhalt 16 21 ff., 16 54 – Wiederholungsgefahr 30 9a Interviewvertrag 7 71 ff. Intimsphäre 19 4 ff. – und Geldentschädigung 32 21 – und Sorgfaltsmaßstab 2 16 Jahresabschlüsse 5 3 Journalistische Sorgfaltspflicht 2 1 ff. Jüdische Bevölkerung als Betroffene 13 25 Jugendschutz 12 35 ff. Juristische Personen als Betroffene – des öffentlichen Rechts 13 16 ff. – des Privatrechts 13 13 ff. Kampagnen 12 71 Kapazität von Verhandlungsräumen 6 14 f. Karikatur 12 21 f., 14 28 f., 20 13 ff.
Stichwortverzeichnis – und Herkunftstäuschung 20 16 – und Menschenwürde 20 15 f. Kausalität beim Schadenersatzanspruch 32 4 f. Kinder – Bildnisschutz 21 7e – Einwilligung 19 45 – Persönlichkeitsschutz 13 3, 19 14 ff. Kindgemäße Entwicklung 19 14c Kioskleser 16 42 Kirchen und Auskunftsanspruch 4 21 Kleiner Kreis 15 22 Kleinzitat 3 8 f. Kollektivbeleidigung 13 21 ff. Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten 13 4a, 13 12c ff. Kommunist 14 16 Konkrete Verletzungsform 16 44e, 30 29 Kontext 14 15 ff. Kooperationen, medienübergreifende 24 51 ff. Koppelung von Anzeigen und Berichterstattung 24 14 f. Körperschaften als Betroffene 13 16 ff. Kosten – der Anspruchsdurchsetzung 29 47 f., 30 15b f. – der Schadensbeseitigung 32 11 ff. Kreditgefährdung 12 15, 12 58 ff. – beim Test 22 29 – bei Wirtschaftsberichterstattung 22 7, 22 10 Kundenzeitschrift 17 17, 21 19b, 24 24 ff. Kunstfreiheit und Meinungsfreiheit 20 13 ff. Kunstkritik 20 10 Kunstwerke an öffentlichen Plätzen 21 35 Kunstwiedergabe 21 32 ff. Kurzberichterstattung 6 39 ff. Landespressekonferenzen 6 18 f. Landesverrat – Auskunftsanspruch 4 49 – Verschwiegenheitspflicht 7 5 Lauschangriff 10 7a Lebensgefährte als Person im Blickpunkt der Öffentlichkeit 21 7 Leistungsschutzrechte als Zutrittsschranke 6 31 ff. Leserbriefe – Bearbeitung von 7 63 f. – Gegendarstellung 29 13 – Haftung für den Inhalt 16 19 ff. – Verfälschung 16 53 – Wiederholungsgefahr 30 9a
Lichtbilder, Aufnahme von 9 3 ff. Literarische Vorbilder 19 23a ff. Live-Interview im Rundfunk 7 69 Luftbilder 9 20 Mantelzeitung 28 5 Manuskriptbearbeitung 7 59 ff. Marken, Benennung oder Abbildung 17 4 f., 22 49 ff. Markenparodie 20 17 ff. Medienübergreifende Kooperation 24 51 ff. Medienunternehmen, Haftung 28 1 ff. Meinungsäußerung, freie 14 8 ff., 20 1 ff. – Begriff, Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen 14 8 ff. – kein Berichtigungsanspruch 31 5 – Kontext 14 15 ff. – Zulässigkeit und Schranken 20 1 ff. Meinungsfreiheit 20 1 ff. Melderegister, Auskunft aus 5 16 f. Menschenwürde 12 8 ff., 13 2 ff., 13 6 ff. – und Bildnisschutz 21 17 ff. – als Schranke der Kunstfreiheit 20 15 f. – Schutz über den Tod hinaus 13 6 ff. Militärische Anlage, Fotografierverbot 9 20 Minderjährige – s. Kinder Missstände im hoheitlichen Bereich 4 43 Mithören von Telefongesprächen 10 7 ff., 11 13 f. Mitschneiden von Telefongesprächen 10 7 ff., 10 16 f. Mittelbare Zeugenaussagen 11 16 Nachdruckfreiheit, Pressespiegel 3 16 ff. Nachricht, Freiheit der 3 2 ff. Nachrichtenagenturen 2 5, 2 21 f. Nachstellung 10 14a, 10 23 f. Nacktfoto 21 17 f., 21 27 ff. Namensgleichheit 17 12 ff. Namensnennung 17 1 ff. – Arten der 17 2 f. – und Werbung 17 16 ff. – Zulässigkeit 17 4 ff. Nazi 14 16, 20 5, 20 12 Nachrichtenagenturen – publizistische Sorgfalt 2 5 – als Quelle 2 21 Negative Bekenntnisfreiheit 17 8, 19 19 f. Neutralität – Auskunftsgewährung 4 31 ff. – Test 22 21 ff. – Wirtschaftsberichterstattung 22 16 Notwehr gegen Bildaufnahmen 9 8 ff.
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Stichwortverzeichnis Nutzungsrechtsverträge 9 31 ff. – Abschluss 9 32 ff. – Inhalt 9 35 ff. Objektivität beim Test 22 25 ff. Offenbarung von Staatsgeheimnissen 12 31 ff. Öffentliche Aufgabe der Presse 1 8 Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen 6 4 ff. Öffentlichkeitsarbeit des Staats 4 5 ff. Öffentlichkeitssphäre 19 39 ff. Offertenblätter 24 24a Online-Archive 19 29 f. Panoramafreiheit 21 35 f. Parlamentssitzungen – Berichterstattung 16 12, 29 15 f. – Zutrittsrecht 6 3 Parteivernehmung von Redakteuren 11 18 Periodische Druckschriften 8 10, 25 2, 29 3 Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit 17 11, 19 14 ff., 21 5 ff. Personen des öffentlichen Lebens 19 14 ff., 21 2 ff. Personen der Zeitgeschichte 21 2 ff. Personenbezogene Daten und Auskunftsanspruch 4 29 Personengemeinschaften als Betroffene 13 13 ff. Persönlichkeitsrecht – s. Allgemeines Persönlichkeitsrecht Pixeln 13 38 Plagiat 14 23 Planmäßige Leistungsausbeutung 3 26 Politische Berichterstattung und Auskunftsanspruch 4 25 Politische Parteien als Betroffene 13 15 Politische üble Nachrede 12 27 ff. Polizei – als Betroffene 13 22 – Bildnisschutz 9 9 ff., 21 10 ff. – als Volksgruppe 12 44a Polizeiaktionen 9 9 f., 21 10 ff. Polizeifunk 12 76a Polizisten als Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit 21 10 ff. Pool-Lösungen 6 10d, 6 13, 6 40 Pornografie 12 36 ff. Porträtaufnahmen 21 13a Postgeheimnis 10 9 Postmortaler – Achtungsanspruch 13 6 ff. – Bildnisschutz 21 22 f. – Gegendarstellungsanspruch 29 11
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– Geldentschädigungsanspruch – immaterielle Bestandteile 13 18a – vermögenswerte Bestandteile 13 4a, 13 12b ff. – zeitliche Beschränkung 13 12 ff. PR-Anzeige/PR-Mitteilung 24 7 Preisgabe von Staatsgeheimnissen 12 31 ff. Preisvergleiche 22 29 Presseausweis 4 11, 6 23 Pressefehde 22 32 ff. Pressefreiheit – als institutionelle Garantie 1 8 – Schutzbereich 1 12 ff. Pressefreundliches Verhalten 4 79 Presseinhaltsdelikte 26 3 ff. Pressekodex 2 4, 7 38, 24 17 Pressekonferenzen von Behörden 6 16 ff. Pressemäßige Sorgfaltspflicht 2 1 ff. Presseordnungsdelikte 25 5 Presseprivileg bei Anzeigenwerbung 16 33 ff., 16 38 Pressespiegel 3 15 ff. Pressestimmen 3 11 Pressevertreter, Auskunftsansprüche 4 8 ff. Private, Auskunftsanspruch 4 78 ff. Privater Lebensbereich 19 13 ff. Privatgeheimnisse, Verletzung von 7 16 ff., 10 13 f. Privatklage 26 15 ff. Privatsphäre 19 12 ff. – und Sorgfaltsmaßstab 2 16 Privilegierte Äußerungen 15 22 Privilegierte Quelle 2 21 ff., 19 38 Product Placement 24 31 ff. Produkthaftungsgesetz 23 20 Produktkritik 22 8 ff. – Unmittelbarkeit des Eingriffs 13 27 ff. Produzentenhaftung, redaktionelle Empfehlungen 23 16 ff. Prognosen 22 38 ff. Psychogramm 10 24, 19 23 Publizistischer Landesverrat 12 31 ff. Publizistische Sorgfaltspflicht 2 1 ff. – rechtliche Relevanz 2 26 ff. Quelle und Sorgfaltsmaßstab 2 20 f. Quellen, allgemein zugängliche 1 4 ff. RAF-Terroristen 19 20a, 21 8a Ratschläge 23 1 ff. Recherchedienste 3 34a Recherchemaßnahmen der Medien 30 12 ff. Recht am Bild der eigenen Sache 21 36 ff. Recht am eigenen Bild
Stichwortverzeichnis – und Geldentschädigung 32 25 f. – als Schranke der Bildberichterstattung 12 83b, 21 1 ff. – als Schranke der Fernsehberichterstattung 6 33 ff. – als Schranke der Herstellung von Lichtbildern 9 3 ff. Recht am Unternehmen 12 53 ff. – und Wirtschaftsberichterstattung 22 7 Recht der persönlichen Ehre 12 2 ff. Recht zur Lüge, Gegendarstellung 29 20a Rechtfertigung des Geheimnisbruchs 7 13 Rechtliche Qualifizierungen 14 22 f. Rechtsanwälte als Informanten 7 18 ff. Rechtsbegriffe 14 22 f. Rechtsberatung 22 52 ff. Rechtsdienstleistungsgesetz 22 52 Rechtspflege und Auskunftsanspruch 4 53 ff., 4 61 ff. Rechtsweg, öffentlichrechtlicher Rundfunk 30 17 Rechtswidrig erlangte Informationen 12 72 ff., 12 84 ff. Rechtswidrig hergestellte Fotografien 21 28 ff. Redaktionelle Empfehlungen 23 1 ff. – Produzentenhaftung 23 16 ff. Redaktionelle Werbung 24 1 ff. Redaktionsgeheimnis 7 12b f., 8 1, 11 6 Redaktionsschwanz, Gegendarstellung 29 59 ff. Registereinsicht 5 1 ff. Relative Person der Zeitgeschichte 21 2 ff. Religiöse Bekenntnisse, Beschimpfung 12 47 f. Religionsgemeinschaften, Zugehörigkeit zu 17 8 f., 19 19 f. Resozialisierung 19 27 ff. Restaurantkritik 22 11a Richtigkeitsgewähr 2 9 Richtigstellung – s. Berichtigungsansprüche Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren 26 15 ff. Risiko, erlaubtes 15 4 Rückfrage beim Betroffenen 2 22 ff. Rückrufanspruch 30 21a Rundfunk – Forum der Meinungen 16 16 f. – Gegendarstellung 29 74 ff. – Pressespiegel 3 23 – Übertragung kultureller Ereignisse 21 34 Rundfunkanstalten und Auskunftsanspruch 4 20
Rundfunkkommentare, Wiedergabe von 3 15 ff. Rundfunkveranstalter, Haftung 28 1 ff. Sachen, Fotografien von 21 36 ff. Sachkunde beim Test 22 30 f. Sachlichkeitsgebot – Produktberichterstattung 22 8 – Wahrnehmung berechtigter Interessen 15 12 f. Satire 12 21 f., 14 28 ff., 20 13 ff. – und Menschenwürde 20 15 f. – und Zweifelsregel 20 14 Scalping 12 48b f. Schadenersatz 32 1 ff. – Anspruchsvoraussetzungen 32 2 ff. – Beweislast 32 6 – entgangener Gewinn 32 8 ff. – immaterieller s. Geldentschädigung – Kausalität 32 4 f. – materieller 32 8 ff. – schadensmindernde Aufwendungen 32 11 ff. – schuldhafte Rechtsverletzung 32 2 f. Schadensfeststellung 32 10 Schadensminderung – Aufwendungen 32 11 ff. – Gegendarstellung 29 48 Schärfe der Meinungsäußerung 20 2 ff. Scheckbuchjournalismus 7 41 Schlagwortartige Zusammenfassung 16 41 ff. Schlagzeilen 16 41 ff. Schleichwerbung 24 31 ff. Schlussfolgerungen 14 20 f. Schmähkritik 12 7 ff., 20 9 ff., 32 21 ff. Schmerzensgeld – s. Geldentschädigung Schreibtischtäter 14 16a Schriften im Strafrecht 12 6a f. Schriftform, Gegendarstellung 29 27 ff. Schuldnerverzeichnis, Auskunft aus 5 5 f. Schutzgesetze, Verletzung von 12 56 f. Schutzwürdige private Belange, Auskunftsanspruch 4 64 f., 4 72 ff. Schwebendes Verfahren und Auskunftsanspruch 4 58 Scientologen 17 8a, 19 19a, 22 45 Selbst recherchiertes Material 8 2a, 8 16 ff. Sektenzugehörigkeit 17 8, 19 19 Sendemanuskript, Überlassung 29 65 f. Sendungssponsoring 24 40 ff. Sexualbereich 19 6 Sicherheitsüberprüfung vor Pressekonferenzen 6 16
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Stichwortverzeichnis Sinnzusammenhang von Äußerungen 14 15 ff., 14 23 f. Sittenwidrige Schädigung 12 69 ff. Soldaten – als Betroffene 13 22 a – als Volksgruppe 12 44a Sorgfaltsmaßstab 2 12 ff. – Aktualität 2 18 f. – Informationsinteresse 2 14 ff. – Quelle 2 20 f. Sorgfaltspflichten 2 1 ff. – und Wahrnehmung berechtigter Interessen 15 21 Sozialer Geltungsanspruch 12 9, 18 4 Sozialsphäre 19 39 ff. Sperrfristen – einseitig verhängte 3 43 ff. – vertragliche 3 37 ff., 9 36 ff. Split Screen 24 28a Sponsoring 24 38 ff. – produktspezifisch 24 46 – Sendungen 24 40 ff. – Veranstaltungen 24 47 ff. Sportliche Großereignisse 6 38 Sportveranstaltungen – im Fernsehen 6 26 ff. – im Hörfunk 6 43 f. Staat – als Betroffener 13 16 ff., 29 9b, 31 8a – Verunglimpfung 12 21 ff. Staatliche Archive, Auskunftsanspruch 4 30 Staatsgeheimnisse, Offenbarung von 12 31 ff. Stalking 10 14a Standesrecht der Presse – und einseitige Sperrfristen 3 43 f. – und Entscheidungen des Beschwerdeausschusses 33 3 f. – und Exklusivverträge 7 53 ff. – und redaktionelle Werbung 24 4 f. – und Sorgfaltspflicht 2 5 Stasi-Helfer 14 17 Stasi-Liste 17 9b Stasi-Mitarbeiter 14 17, 16 24a, 17 9b, 19 21 ff., 19 41b, 20 12 Stasi-Unterlagen – Auskunftsanspruch 4 69 ff. – Veröffentlichungsverbot 12 82 ff. Steuergeheimnis – und Auskunftsanspruch 4 50 ff. – Verschwiegenheitspflicht 7 11 Steuerstrafverfahren 4 51 f. Strafantrag 26 12 ff. – der Angehörigen Verstorbener 26 13 – der Dienstvorgesetzten bei Amtsträgern 26 13
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Strafrechtliche Folgen von Berichterstattung 26 1 ff. Strafrechtliche Verurteilungen 19 24 ff. – archivierte Artikel 19 29 f. – Beweislast 12 12a – Namensnennung 19 24 ff. – zeitliche Beschränkung 19 27 ff. Straftäter – Person des öffentlichen Lebens 21 4 – Person im Blickpunkt der Öffentlichkeit 21 6 Strafverfahren – und Auskunftsanspruch 4 53 ff. – Berichte über 17 9a, 19 30 ff. Streitgegenstand, Gegendarstellung 29 45b Subsidiarität der Geldentschädigung 32 28 ff. Substantiierungslast 30 23, 31 22 Suchmaschinen 14 11c, 16 17, 24 57 Sukzessive Beihilfe 7 12c f. Systematische Auswertung anderer Medien 3 27 ff. Tagesereignisse 3 13, 21 32 ff. Tatsachenbehauptungen 16 1 ff., 18 1 ff. – Aufstellen und Verbreiten 16 3 ff. – Begriff, Abgrenzung von Meinungsäußerungen 14 1 ff. – Einheitlichkeit des Begriffs 14 11 ff. – innere 14 5 f. Täuschung über die Attraktivität des Anzeigenteils 3 32 ff. Technische Verbreiter, Haftung – Internet 16 17c – Printmedien 28 14 ff. Telefonanrufe 10 20 ff. Telefongespräche, Mithören 10 7 ff., 11 13 f. Telekommunikationsdaten, Auskunft über 8 3b Telemedien 2 7a Testberichterstattung 14 20, 22 17 ff. – Neutralität 22 21 ff. – Objektivität 22 25 ff. – Sachkunde 22 30 f. Textübernahme 3 6 ff. Todesszene, Abbildung 21 23 Tonbandaufzeichnungen – des öffentlich gesprochenen Worts 10 16 f. – von Telefongesprächen 10 7 ff. Transparenzverordnung EU 1 10b Trennung von Textteil und Anzeigen 24 1 ff. – Hörfunk und Fernsehen 24 27
Stichwortverzeichnis – Internet 24 54 ff. – Presse 24 4 ff. Übernahme von Anzeigen 3 31 ff. Überschriften 16 41 ff. Übersetzungen 2 20c Überspitzungen in der Meinungsäußerung 20 3 Übertreibungen 2 17, 18 6, 32 24 Übertragbarkeit – Geldentschädigungsanspruch 32 19 – Persönlichkeitsrechte 13 4 ff. Üble Nachrede 12 10 ff. – politische 12 27 ff. Umfeldgestaltung bei der Anzeigenwerbung 24 18 ff. Ungenauigkeiten, geringfügige 2 17 18 6 Unmittelbarkeit des Eingriffs 12 64, 13 27 ff. Unschuldsvermutung – und Auskunftsanspruch 4 55 – und Berichterstattung über Ermittlungsverfahren 19 31 ff. Unterbrecherwerbung 24 29a Unterlassungsanspruch 30 1 ff. – abgeschlossene Ausgaben 30 30 ff. – Abmahnung 30 15 – Beweislast 30 22 ff. – Durchsetzung 30 15 ff. – Erstbegehungsgefahr 30 10 ff. – Internet 16 17 ff., 29 71 ff., 30 29c – konkrete Verletzungsform 30 29 ff. – örtliche Zuständigkeit 30 18 f. – Rechtsweg 30 17 – rechtswidrige Berichterstattung 30 3 ff. – Verschulden 30 4 – Wiederholungsgefahr 30 7 ff. Unterlassungsurteil, Veröffentlichungspflicht 31 15 Unternehmen, Recht am 12 53 ff. Unverzüglichkeit, Gegendarstellung 29 35 ff. Unwahre Tatsachenbehauptungen 18 1 ff. – fehlende Rechtswidrigkeit 18 3 ff., 30 3 ff., 31 2 ff. – Grundrechtsschutz 18 1 – Wahrnehmung berechtigter Interessen 15 3 ff. Urheberbenennung von Fotografen 9 38 ff. Urheberpersönlichkeitsrecht als Bearbeitungsschranke 7 60 Urheberrecht – Berichterstattungsschranke 6 31 f. – an Bildern 9 28 ff. – Fotografierverbot 21 32 ff.
– Schranke der Informationsverwertung 3 3 ff. Urheberstempel 9 38 Ursächlichkeit beim Schadenersatzanspruch 32 4 ff. Urteilsabschriften – finanzielle Interessen 4 37 – Herausgabeanspruch 4 35a, 4 60 – im Zivilprozess 4 62a Urteilsveröffentlichung 31 15 Variantenlehre 14 12 ff., 14 24 ff., 16 1, 16 44d, 17 12 f., 20 14, 29 12a f., 30 1 f. Verächtlichmachen 12 10 f. Veranstaltungen, Zutrittsrecht – öffentliche 6 2 ff. – private 6 21 ff. Verantwortlicher Redakteur, Haftung 26 8 ff., 28 11 f. Verbrechensopfer als Person im Blickpunkt der Öffentlichkeit 21 6 Verbrecherstories 7 45 Verbreiten 16 10 ff. – intellektuelles 16 10 – Internet 16 17 ff. – technisches 28 14 ff. Verbreiterhaftung 16 10 ff. Verdachtsberichterstattung 16 23 ff. Verdeckte Behauptungen 16 7, 16 44 ff. Vereine als Betroffene 13 15 Vererblichkeit von Persönlichkeitsrechten 13 5 Verfasser, Haftung 26 4 f., 28 10 Vergröberungen und Verzerrungen 2 17, 18 6 Verhaltensgrundsätze Medien und Polizei 6 20a, 21 11 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 8 26, 27 6, 20 29b, 30 32 Verhandlungsräume, Kapazität 6 14 f. Verjährung – Presseinhaltsdelikte 26 18 ff. – zivilrechtliche Haftung 26 19, 32 10 f. Verleger, Haftung 26 8 ff., 28 1 ff. Verleitung zum Vertragsbruch und Exklusivbindung 7 58a Verletzerzuschlag 9 49 Verletzung von Schutzgesetzen 12 56 f. Verleumdung 12 14 f. Verlusthonorare 9 40 Vermutung der Fiktionalität 19 23a f. Veröffentlichung – Abhörprotokolle 12 74 ff. – Aktenbestandteile 12 79 f. – rechtswidrig erlangter Informationen 12 72 ff., 12 84 ff. – Stasi-Unterlagen 12 82 ff.
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Stichwortverzeichnis – Unterlassungsurteil 31 15 Veröffentlichungsrechte, Erwerb von 9 21 ff. Versammlungen 6 23 f. Verschwiegenheitspflichten – Beamte und andere Hoheitsträger 7 4 ff. – gesetzliche Schweigepflichten 7 15 ff. – private Geheimnisse 7 9 ff. – standesrechtliche Schweigepflichten 7 18 ff. – vertragliche Schweigepflichten 7 22 ff. Verständnis des Durchschnittsrezipienten 14 4 Versteckte Kamera 9 6a Verstorbene – Bildnisschutz 21 22 f. – Persönlichkeitsschutz 13 6 ff. – Verunglimpfung 12 16 ff. Vertrauenshaftung von Informanten 7 28 ff. Vertrauliche Vorgespräche beim Interview 7 73 Vertraulichkeit des gesprochenen Worts 10 7 ff. Vertreter der Presse als Auskunftsberechtigte 4 8 ff. Verunglimpfung – des Bundespräsidenten 12 20 – des Staats 12 21 ff. – von Verfassungsorganen 12 26 – Verstorbener 12 16 ff. Verurteilungen, strafrechtliche 19 24 ff. Verwendung rechtswidrig erlangter Informationen 12 72 ff., 12 84 ff. Verwirkung des Gegendarstellungsanspruchs 29 40a Virtuelle Werbung 24 29b Volksgruppenangehörige als Betroffene 13 25 Volksverhetzung 12 43 ff. Vollständigkeit der Produktauswahl beim Test 22 27 Vorbehalt der Rechte 3 24 f. Vorbeugende Unterlassungsverfügungen 30 12 f. Vorteilsannahme, Vorteilsgewährung 7 44 Vorveröffentlichungen in anderen Medien – als Beweismittel 11 11 – als konkludente Einwilligung 19 44a – bei Landesverrat 12 33 – und Sorgfaltsmaßstab 2 20 f., 30 26b – und Wahrnehmung berechtigter Interessen 16 4 Vorverurteilung durch die Medien 19 30 ff.
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Waffengleichheit – Berichtigungsansprüche 31 23 f. – Gegendarstellung 29 53 ff. – im Prozess 11 8a, 11 19 Wahrheit – keine Gewährleistungspflicht 2 9 – als Rechtsgut 18 4 ff., 30 3 Wahrheitsbeweis durch Strafurteil 12 12a Wahrnehmung berechtigter Interessen 15 1 ff. – Angemessenheit des Mittels 15 14 ff. – Anlass der Berichterstattung 15 18 ff. – Auskunftsersuchen 4 83 – Beweislast 30 25 f. – Informationsinteresse 15 10 f. – bei Kreditgefährdung 12 67 f. – Sachlichkeitsgebot 15 12 f. – Sorgfaltspflichten 15 21 – Wiederholungsgefahr 30 10 Wahrnehmung der Rechte Verstorbener 13 11, 21 22, 30 5 Warenkritik 22 3 ff. Warentest – s. Testberichterstattung Werbeverbote – für Freie Berufe 22 6 Werbung – und Bildveröffentlichung 21 19c ff., 21 26 – und Meinungsfreiheit 20 7 ff. – und Namensnennung 17 16 ff. – redaktionelle 24 1 ff. Wertneutrale Falschmeldungen 2 17, 12 11a, 12 62 f., 15 11b, 18 4 ff., 30 3, 31 2 Werturteil 14 8 ff. Wettbewerbsabsicht – s. Geschäftliche Handlungen Wettbewerbsäußerungen und Meinungsfreiheit 20 7 ff. Wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz 3 27 ff. Wettbewerbswidrige Produktkritik 22 13 ff. – Informantenhaftung 7 32 ff. Widerruf – s. Berichtigungsansprüche Wiederholungsgefahr 30 7 ff. – Wahrnehmung berechtigter Interessen 30 10 Wirtschaftliche Prognosen 14 20 ff., 22 38 ff. Wirtschaftsberichterstattung 22 1 ff. Wissenschaftsfreiheit 18 1 Wort, geschriebenes 10 18 ff. Wort, gesprochenes 10 7 ff.
Stichwortverzeichnis Wörtliche Übernahme fremder Texte 3 6 ff. ZAW-Werberichtlinien 24 4 Zeitgeschichte, Person der 21 2 ff. Zeitungen und Zeitschriften, Abgrenzung 3 17 ff. Zeitungsartikel, Wiedergabe von 3 15 ff. – Vorbehalt der Rechte 3 24 f. Zeugenaussagen 11 15 ff. – mittelbare 11 16 f. Zeugnisverweigerungsrecht 8 1 ff. – anvertraute Mitteilungen 8 16 ff. – Anzeigenteil 8 22 f. – Ausübung 8 23 – berechtigte Personen 8 8 ff. – Inhalt 8 11 ff. Zitate – Haftung für den Inhalt 16 30 ff. – Verfälschen 14 7, 16 50 ff. Zivilrechtspflege und Auskunftsanspruch 4 61 ff.
Zueigenmachen 16 3, 16 17h Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften 17 8 f., 19 19 Zuleitung, Gegendarstellung 29 33 f. Zumutbarkeit der Auskunftserteilung 4 39 Zusammenfassende Umschreibungen 14 14 Zutrittsrechte der Medien 6 1 ff. – zu Gerichtsverhandlungen 6 4 ff. – zu privaten Veranstaltungen 6 21 ff. – Fernsehen 6 26 ff. – Hörfunk 6 43 f. – Printmedien 6 24 f. – zu staatlichen Veranstaltungen 6 2 ff. Zweckbestimmung bei der Einwilligung 19 46 f., 21 24 ff. Zweckübertragungslehre 9 26, 19 46a Zweifelsregel 14 12 ff., 14 24 ff., 16 1, 16 44d, 17 12 f., 20 14, 29 12b, 29 19a
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