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German Pages 328 [330] Year 2022
Bernd Juraschko Praxishandbuch Urheberrecht für Bibliotheken und Informationseinrichtungen
Bernd Juraschko
Praxishandbuch Urheberrecht für Bibliotheken und Informationseinrichtungen
2., überarbeitete Auflage
ISBN 978-3-11-070750-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-070758-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-070767-0 Library of Congress Control Number: 2022932190 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: pixelparticle / iStock / Getty Images Plus Satz: Michael Peschke, Berlin Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Vorwort Das Urheberrecht ist das Recht des geistig und kulturell Schaffenden. Damit handelt es sich um jene Thematik, die zum zentralen Wirkungsbereich von Bibliotheken und Informationseinrichtungen gehört. Aufgabe des Praxishandbuchs ist es, einen sicheren Pfad durch die aktuelle, wenngleich nicht selten anspruchsvolle Lage im Urheberrecht zu finden. Die Abhandlung fokussiert auf die für das Informationswesen relevanten Bereiche. Zum besseren Verständnis werden an einigen Stellen rechtliche Grundlagen näher erläutert. Für fortgeschrittene Interessenten sind rechtsgestaltende Hinweise eingefügt. Neben dem Grundverständnis zum selbstständigen Lösen einfacherer Aufgaben geht es ferner um die Zusammenarbeit von Bibliothekaren und Juristen. An den allgemeinen Teil der Abhandlung schließt sich eine Erörterung ausgesuchter informationswissenschaftlicher Themen an. In dieser spezifischen Darstellung werden das Urhebervertragsrecht und die Recherche nach dem Rechteinhaber besonders intensiv erörtert. Das Urhebervertragsrecht ist der Schlüsselbereich für den gestalterischen Umgang mit den urheberrechtlichen Aufgabenstellungen im Bibliothekswesen. Denn über das Urhebervertragsrecht erfolgt die Umsetzung der Regelungen über die Nutzungsrechte, wie sie später in der Bibliothek wirksam sind. Zusätzliche Befugnisse, wie sie über die Schrankenregelungen gegeben werden, ergänzen das Leistungsspektrum der Medienversorgung in Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Der weitere Überschneidungsbereich zwischen der Rechtsanwendung und dem Informationswesen ist die Recherche nach dem Rechteinhaber. Soweit Regelungen für die Arbeit in Bibliotheken ungünstig ausgestaltet sind, werden diese skizziert und damit ein Anknüpfungspunkt für rechtsgestaltende Tätigkeiten geboten. Wegen der Ausrichtung auf die Arbeit mit dem Urheberrecht im Alltag zählen konkrete Gesetzesinitiativen nicht zum Gegenstand eines Praxishandbuchs. Im Abschnitt rechtliche Auseinandersetzungen werden außergerichtliche und prozessvorbereitende Schritte besprochen. Das Führen eines Urheberrechtsprozesses gehört hingegen in die Hände eines einschlägig kundigen Juristen und geht damit über den Bibliotheksalltag hinaus. Zumindest im Wissenschaftsbereich agieren Bibliotheken und Informationseinrichtungen bei ihrer Erwerbungspolitik international. Dies bringt regelmäßig die Verwendung der englischen Sprache mit sich. Aus diesem Grunde werden an einigen Stellen Begrifflichkeiten und Klauselbeispiele von Verträgen in Englisch integriert. Ziel ist eine bessere Orientierung bei den ersten Kontakten mit englischsprachigen Vertragswerken. Eine gezielte Schulung der englischen Vertragssprache kann hierdurch aber nicht ersetzt werden. Das vorliegende Buch orientiert sich ganz überwiegend an der Rechtslage in Deutschland. Wegen vielen Übereinstimmungen bzw. der nahen rechtlichen Verwandtschaft im Urheberrecht wird im Überblick auch auf die Rechtslage in Österreich und in der Schweiz eingegangen. https://doi.org/10.1515/9783110707588-201
VI
Vorwort zur 2. Auflage
Vorwort zur 2. Auflage Durch den raschen technologischen Fortschritt mit seiner engen gesellschaftlichen Verbindung und den hierbei zu Tage tretenden unterschiedlichen Interessen hat sich für das Urheberrecht ein zunehmender Anpassungsdruck ergeben. Dies führte seit dem Erscheinen der ersten Auflage zu zahlreichen Änderungen im Urhebervertragsrecht, bei den Verwertungsgesellschaften und vor allem zu einer Neuordnung der Wissenschafts- und Bildungsschranken. Auch in der Schweiz wurde das Urheberrecht überarbeitet und auf freiwilliger Basis die Rechtsentwicklung in der EU mit berücksichtigt. Ferner hat der Gesetzgeber inzwischen die EU-Richtlinie 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt umgesetzt. Dabei wurden u.a. die Auskunftsrechte neu geregelt, sowie rechtliche Neuerungen z.B. eine Drittwirkung für Rechteinhaber, die Möglichkeit einer Widerspruchlösung (§ 61d Abs. 2 UrhG), kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung, eine Erweiterung der Selbsthilfe (§ 95a UrhG) und weitere Instrumente eingeführt. Selbst wenn diese Neuerungen teilweise ein begrenztes Anwendungsfeld haben, bedeuten sie in der jüngsten Gesetzesreform einen rechtlichen Paradigmenwechsel. Wie bei der ersten Auflage wurde die Schwerpunktsetzung fortgeführt.
Inhalt Vorwort
V
Vorwort zur 2. Auflage
VI XIII
Verwendete Abkürzungen
1 0 Einleitung 0.1 Ziele des Handbuchs 1 0.2 Arbeitsmittel und Sachverhaltszusammenstellung 0.2.1 Erfassung des Sachverhalts 3 0.2.2 Grafische Hilfsmittel 5 0.3 Begrifflichkeiten 5 0.4 Allgemeine und zivilrechtliche Grundlagen 11 Zusammenfassung 12
Teil 1: Grundlagen Urheberrecht 1
Intension, Ziele und Verortung des Urheberrechts
2
Schutzgegenstand des Urheberrechts
3
Verfassungsrechtliche Grundlagen
4 Urheberwerke
15
19 25
30
5 Leistungsschutzrechte
36
6 Urheberpersönlichkeitsrecht
41
44 7 Verwertungsrechte 7.1 Nutzungsrechte und Nutzungsarten 46 7.1.1 Grundlagen und Arten 47 7.1.2 Weiterübertragung von Nutzungsrechten 58 7.1.3 Schutz vor Veränderungen 61 7.1.4 Auslegung im Urheberrecht 64 7.1.5 Verwertungsrechte in körperlicher Form 67 7.1.6 Getrennte Vergabe von Verwertungsrechten 70 7.1.7 Verwertung in unkörperlicher Form 72
2
VIII
7.1.8 7.2
Inhalt
Bearbeitung und Umgestaltung 75 Gesetzliche Vergütungsansprüche 82
8 Beziehung des Urheberrechts zu anderen Rechtsgebieten Zusammenfassung und Checklisten 88
85
92 9 Urheberschaft 9.1 Einzelurheber 92 9.2 Mehrheit von Urhebern 92 9.2.1 Arbeitnehmerurheberrecht 96 9.2.2 Arbeitnehmerurheberrecht an Hochschulen und in der Forschung 99 9.3 Urheber durch Bearbeitung und freie Benutzung 101 9.4 Inhaber von Leistungsschutzrechten 102 9.5 Vermutung und Feststellung der Urheberschaft 103 9.6 Film als Gesamtwerk – Anwendungsbeispiel für komplexe Mehrheiten von Rechteinhabern 104 9.7 Rechtsnachfolge Urheberrecht 105 9.8 Internationales Urheberrecht 106 Zusammenfassung 107 108 10 Rechte des Urhebers 10.1 Veröffentlichungsrecht 108 10.2 Recht auf Anerkennung der Urheberschaft 10.3 Rückrufrecht 110
110
112 Schranken und Grenzen der Rechte Systematik der Einschränkungen der Urheberrechte 112 Definition des Anwendungsbereichs als Grenze des Urheberrechts 120 11.3 Zeitliche Begrenzung 121 11.4 Räumliche Beschränkung des Nutzungsrechts 125 11.5 Allgemeine Grundsätze der Schrankenregelungen 126 11.6 Einschränkung durch die Ausübung des Urheberpersönlichkeitsrechts 139 11.7 Urheberpersönlichkeitsrecht in der Fallbearbeitung 141 11.8 Recht am eigenen Bild 143 11.9 Rechtfertigungsgründe 144 11.10 Faktische und vertragliche Beeinträchtigungen des Schrankensystems 148 11.11 Ausgewählte Schranken in einzelnen Bereichen des wissenschaftlichen Arbeitens 149 Zusammenfassung und Checklisten 160 11 11.1 11.2
Inhalt
12
Überblick Rechtslage in der Schweiz
13
Überblick Rechtslage in Österreich
162 166
Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe 1
Webseitengestaltung und E-Learning
2
Dokumente mit persönlichem Inhalt
3
Datenbanken und Sammelwerke
4
Wissenschaftliches Arbeiten, Zitierung und Plagiate
5
Geräteabgabe und Bibliotheksgroschen
6 Kopienversanddienste
171 175
177 182
187
189 190
7
Leihe, Vermieten und Betreiberabgabe
8
Elektronische Lesearbeitsplätze und Semesterapparate
9
Open Access und Open Source
10
Zweitverwertungsrecht und anderweitige Verwertung
11
Verwaiste und vergriffene Werke
12
Raumgestaltung und Sonstiges
194
196 201
204 210
214 Recherche Rechteinhaber Recherche nach dem Rechteinhaber als notwendige Aufgabe Recherche nach dem Rechteinhaber als Rechtstatsachenermittlung 215 13.3 Ansatzpunkte für die Recherche 219 13.4 Berücksichtigung der Rechtsnachfolge 222 13.5 Darstellung der Sachverhalte in Skizzenform 224 13.6 Sorgfaltserfordernis 226
13 13.1 13.2
214
IX
X
Inhalt
13.7
Personenermittlung – Ermittlung der Kontaktmöglichkeit mit dem verfügungsbefugten Rechteinhaber 227 13.8 Alternativen 233 13.9 Rechtedokumentation 235 13.10 Vermutungsregelungen und Auslegungsregeln 237 Zusammenfassung 238 14
Der Bibliothekskatalog
239
245 15 Lizenzverträge und Gestaltung im Urhebervertragsrecht 15.1 Einführung in das Urhebervertragsrecht 245 15.1.1 Urhebervertragsrecht 246 15.1.2 Ziel eines guten Vertrags 249 15.2 Rationalisierte Vertragsformen und -elemente 251 15.2.1 Allgemeine Geschäftsbedingungen 251 15.2.2 Elektronischer Vertragsabschluss 251 15.2.3 EVB-IT 252 15.3 Grundzüge Vertragsrecht und Besonderheiten des Urhebervertragsrechts 253 15.3.1 Arten von Verträgen: Einzelverträge und Mantelverträge 253 15.3.2 Vertragliche Gestaltungsregelungen 255 15.3.3 Häufige Erscheinungsformen und Typen von Lizenzverträgen 258 15.3.4 Erläuterung der einzelnen Klauseln 260 15.3.5 Beispiel für einen umfassenden, typischen Vertragsaufbau 267 15.3.6 Besondere Punkte bei der Ausgestaltung von Nutzungsverträgen in Bibliotheken und Informationseinrichtungen 275 15.3.7 Urheberrecht und Nachweisschutz 280 Zusammenfassung 281 282 16 Rechtedurchsetzung, Prozessrecht und Sanktionen 16.1 Außergerichtliche Verfahren 282 16.1.1 Berechtigungsanfrage 282 16.1.2 Abmahnung 283 16.2 Prozessvorbereitende Schritte 287 16.3 Ansprüche des Rechteinhabers 289 16.4 Urheberstrafrecht 291 16.5 Bibliothekskunden juristische Sachverhalte erklären 292 Zusammenfassung 293 Ausblick 294
Inhalt
295 Quellenverzeichnis Literatur 295 Zeitschriftenaufsätze 296 Internetquellen 298 299 Verzeichnis Gerichtsentscheidungen Bundesverfassungsgericht 299 Bundesgerichtshof 299 Europäischer Gerichtshof 302 Arbeitsgerichte 303 Verschiedene Oberlandesgerichte 303 Verschiedene Landgerichte 304 Weitere Gerichtsentscheidungen 305 Bundestagsdrucksachen 305 Entscheidungen eidgenössischer Gerichte 305 Entscheidungen österreichischer Gerichte 306 Abbildungsverzeichnis Sachregister
308
307
XI
Verwendete Abkürzungen Abs. Absatz ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AfP Archiv für Presserecht Art. Artikel BauG Baugesetzbuch (Deutschland) BDSG Bundesdatenschutzgesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch (Deutschland) BGH Bundesgerichtshof BV Bundesverfassung (Schweiz) B-VG Bundes-Verfassungsgesetz (Österreich) BVerfG Bundesverfassungsgericht CA Copyright Act (USA) DSM Digital Single Market (Digitaler Binnenmarkt) EuGH Europäischer Gerichtshof G Gesetz hL Herrschende Lehre hM Herrschende Meinung L Land, kann vor der Abkürzung eines Landesgesetzes stehen LDSG Landesdatenschutzgesetz LG Landgericht (Deutschland); Landesgericht (Österreich) mM Mindermeinung NJW Neue juristische Wochenschrift OLG Oberlandesgericht OR Obligationenrecht (Schweiz) öUrhG Österreichisches Urheberrechtsgesetz RL Richtlinie (EU) Rspr. Rechtsprechung RVO Rechtsverordnung S. Satz SaaS Software as a Service StGB Strafgesetzbuch TDDSG Teledienstdatengesetz TMG Telemediengesetz UrhG Urheberrechtsgesetz (Deutschland) URG Urheberrechtsgesetz (Schweiz) VerwGesG Verwertungsgesellschaftsgesetz (Österreich) VGG Verwertungsgesellschaftsgesetz (Deutschland) VO Verordnung ZGB Zivilgesetzbuch (Schweiz) ZPO Zivilprozessordnung
https://doi.org/10.1515/9783110707588-001
0 Einleitung Das Urheberrecht ist ein zentrales Rechtsgebiet für Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Während früher die Rechte des Urhebers im Hinblick auf die Manifestation von Wissenschaft und Kultur Hauptgegenstand der urheberrechtlichen Erörterungen waren, führt die rasche Entwicklung des medientechnologischen Fortschritts sowohl zu einer inhaltlich vertieften wie auch zu einer um neue Aspekte erweiterten Diskussion. Neue technische Möglichkeiten ermöglichen schnellere Vervielfältigungen und Verbreitung für jedermann. Multimediaanwendungen erlauben eine deutlich stärkere Interaktion und eigene Gestaltungsmöglichkeiten. Das Handbuch richtet sich an alle, die mit urheberrechtlichen Fragestellungen in und im Umfeld von Bibliotheken und Informationseinrichtungen befasst sind. Zu diesen Fragestellungen gehören grundlegend die Rechte und Grenzen des Urheberrechts. Wegen ihrer besonderen Bedeutung für Bibliotheken und Informationseinrichtungen werden Lizenzverträge näher betrachtet. Ebenso dazu gehört der Bereich der Recherche nach dem Rechteinhaber.
0.1 Ziele des Handbuchs Das vorliegende Handbuch ist für den Umgang mit urheberrechtlichen Fragen für die Praxis in Bibliotheken und Informationseinrichtungen konzipiert. Damit verbunden ist eine inhaltliche Schwerpunktsetzung. Zu den Zielen gehört eine urheberrechtskonforme Ausrichtung der Bibliothek bzw. Informationseinrichtung. Bibliotheken und Informationseinrichtungen sind häufig in öffentlicher Hand. Damit tritt die besondere Bindung der öffentlichen Verwaltung an Recht und Gesetz neben die allgemeine Erwartung der Rechtskonformität. Weiterhin sollen Gestaltungsmöglichkeiten von urheberrechtlichen Sachverhalten einfacher erkannt und ermittelt werden. Um effektiv und zielorientiert arbeiten zu können, ist es von Interesse zu wissen, welche Parameter in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht variabel sind bzw. welcher Aufwand für eine Veränderung erforderlich ist. Durch das Optimieren von rechtlichen Gestaltungsparametern werden sich bei einem Projekt weitere Möglichkeiten eröffnen bzw. ist eine kostengünstigere Umsetzung möglich. Das Buch enthält Hinweise für ein selbstständiges Lösen einfacher urheberrechtlicher Fälle im Alltag. Dabei ist das erste Teilziel das Erkennen einer urheberrechtlichen Problematik. Im Anschluss daran geht es um die Einschätzung, in welchen Fällen ein selbstständiges Lösen durch Nichtjuristen eine gangbare Option und bei welchen Themen das Einschalten eines Juristen anzuraten ist. Ein weiteres Ziel ist ein vertieftes Verständnis beim Lesen und Beurteilen von Lizenzverträgen. Hier geht es um das Herausbilden einer Kompetenz, um die rechtlichen Folgen des vorliegenden Vertrags genauer einschätzen zu können. Ferner wird die Absicht verfolgt, ein effektives Zusammenwirken von Nichtjuristen und Juristen bei der Bearbeitung von urheberrechtlichen Aufgaben zu verbessern. Mittel zum https://doi.org/10.1515/9783110707588-002
2
Einleitung
Zweck ist die Übersetzung und Verdeutlichung der gegenseitigen Erwartungen, um zu einer ziel- und rechtskonformen Lösung zu kommen. Sowohl bei der Sachverhaltszusammenstellung, bei einer Recherche nach dem Rechteinhaber, vor allem aber bei der Bereitstellung von Medien kommt es zu notwendigen Kontakten zwischen dem Urheberrecht und dem Bibliotheks- und Informationswesen. Ein notwendiges Grundverständnis hilft, Missverständnisse, Irritationen und Fehleinschätzungen zu vermeiden. Schließlich widmet sich das Buch der systematischen Recherche der Inhaber von Urheberrechten. Angesprochen sind die Vorbereitung und Durchführung von Projekten mit urheberrechtlich geschützten Materialien. Häufig, jedoch nicht immer, sind die Inhaber der benötigten Nutzungsrechte bekannt. In diesem Buch werden Wege und Lösungsansätze beschrieben, wie die Inhaber zielgerichteter ermittelt werden können bzw. wie diese Schritte im Projektprozess zu berücksichtigen sind. Der Praxisbezug bedeutet eine Orientierung an der Rechtsprechung, soweit eine solche besteht1. Diese Vorgehensweise entspricht der anwaltlichen Vorsicht. Eine notwendige Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung im Vorfeld beugt einem vermeidbaren Aufwand und unnötigen Rechtsstreitigkeiten vor. Dabei ist anzumerken, dass dies bei Rechtsgebieten mit innovativen Inhalten, wie dem Urheberrecht, eine besondere Herausforderung darstellt. Der sehr schnelle Wandel und technische Fortschritt in der Informationstechnologie betrifft auch die Serviceleistungen der Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Hierdurch kommt es neben den klassischen Themen in einigen Bereichen zu fehlenden gesetzlichen Normen und einer fehlenden bzw. rudimentären Rechtsprechung. Diese Lücken werden unter Berücksichtigung der juristischen Literatur durch Auslegung geschlossen. Daher ist nicht jede denkbare Interpretation einer Vorschrift im gleichen Maße erfolgversprechend. Wobei hier als Erfolg eine der gesamten Interessenlage der Bibliothek entsprechende Umsetzung eines innovativen Projektes zur Verbesserung der Informationslage verstanden wird. Vorgehensweisen, die zunächst plakativ wirken, innerhalb kürzester Zeit jedoch durch einen langwierigen Rechtsstreit das gewünschte Projekt blockieren, gehören nicht dazu.
0.2 Arbeitsmittel und Sachverhaltszusammenstellung Für die Anwendung des Urheberrechts in Bibliotheken und Informationseinrichtungen ergeben sich Schwerpunktbereiche. Einmal besteht die Ausgangssituation darin, dass eine Partei der anderen einen Rechtsbruch in Form einer Urheberrechtsverletzung vorwirft. Dabei handelt es sich um die in vielen Lehrbüchern und Fallsammlungen vorgestellte Situation, in der die vorgebrachten Argumente rechtlich innerhalb eines Prüfungsaufbaus erörtert werden. Ein anderes klassisches Anwendungsfeld ist die Prüfung oder die Gestaltung von Lizenzverträgen. Hierbei gilt es zu erkennen, welche Leistungen 1 Zur Problematik Kontinuität und Normalität: Beger, Bibliothek Forschung und Praxis 2013, S. 32.
Arbeitsmittel und Sachverhaltszusammenstellung
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künftig aus rechtlicher Sicht erwartet bzw. erbracht werden können. Ebenfalls zu den gestaltenden Aufgaben gehören Untersuchungen, wie ein neues Medienprodukt oder eine neue Dienstleistung so gestaltet und platziert werden können, dass sie urheberrechtskonform sind. Damit sind die Art der Einführung des neuen Medienprodukts an sich wie auch rechtliche Hinweise an Bibliotheksbenutzer oder auch die Abänderung der Benutzungsordnung angesprochen. Schließlich gehört auch das Gebiet der Recherche nach den Rechteinhabern zu den urheberrechtlichen Überschneidungsbereichen von Recht und Informationswissenschaft. Nicht immer treten die Akteure von Anfang an offen zu Tage. Die Verpflichtung zur Recherche nach dem tatsächlichen Rechteinhaber besteht seit dem Beginn des Urheberrechts und ist in den §§ 61, 61a UrhG festgeschrieben worden. Dennoch ist die Recherche nach dem Rechteinhaber auch keine rein informationswissenschaftliche Aufgabe. Denn nur in Wechselwirkung mit einer rechtlichen Prüfung lässt sich die Frage beantworten, nach wem genau gesucht wird. Die Suche nach dem Werkschöpfer ist keinesfalls ausreichend, vielmehr ist der aktuelle Rechteinhaber zu ermitteln. Zwischen ihm und dem Werkschöpfer können aber mehrere Vorgänge einer Rechteübertragung oder eines Erbgangs liegen.
0.2.1 Erfassung des Sachverhalts Voraussetzung für die rechtliche Bewertung eines Falls ist, dass der zu Grunde liegende Sachverhalt zutreffend erfasst wurde. Sachverhalt werden jene konkreten Umstände in einer Bibliothek oder Informationseinrichtung genannt, aus denen sich die rechtlichen Fragen ergeben. Dazu gehören je nach Art der Aufgabenstellung objektive Gegebenheiten, wie vorliegende Verträge, anwaltliche Schriftsätze, geäußerte Benutzerwünsche, Etatsituation etc. Ebenfalls können innere Vorstellungen wie die künftige Ausrichtung der Bibliothek dazu gehören. Gerade bei gestalterischen Aufgaben oder beim Finden von Kompromissen ist relevant, wie groß der Spielraum für eine treffende Lösung bzw. Auswahl von Lösungen ist. Die zutreffende Erfassung des Sachverhalts gehört zu den grundlegenden Aufgaben für die juristische Arbeit in der Praxis. Wird der Sachverhalt nicht korrekt erfasst, so wird nicht die gewünschte Aufgabe, sondern eine fiktive andere gelöst. Änderungen im Sachverhalt ziehen regelmäßig auch Änderungen in der rechtlichen Prüfung nach sich. Daher können auch scheinbar ähnlich gelagerte Fälle rechtlich völlig anders bewertet werden. Dies mahnt nicht nur zur Sorgfalt, sondern bietet auch die Möglichkeit durch Änderung der Umstände, Serviceleistungen in Bibliotheken und Informationseinrichtungen rechtskonform zu gestalten. Daraus ergibt sich, dass die Ermittlung des Sachverhalts auf eine vollständige Darstellung ausgerichtet ist. Für die notwendige Übersicht sind aber gleichzeitig nur die relevanten Tatsachen zu berücksichtigen. Bestehen Unsicherheiten, ob eine gefundene Tatsache für den Fall von Relevanz sein könnte oder nicht, ist sie zunächst mit zu berücksichtigen. Aufzunehmen ist der Urheber und gegebenenfalls vorhandene weitere Rechteinhaber in die Sachverhaltsbetrachtung. Von Bedeutung sind grundsätzlich alle Per-
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Einleitung
sonen, die aktiv im Hinblick auf das Projekt handeln. Dazu gehören beispielsweise das Anfertigen einer Kopie oder die Erklärung, mit dem Vertrag einverstanden zu sein. Inwieweit Personen, die die Handlungen nur passiv erdulden, berücksichtigt werden, ist im Einzelfall durch eine rechtliche Wertung festzustellen. Relevant sind ferner die Beziehungen zwischen den Akteuren wie Arbeitsverhältnis, Vertretungsregelungen etc. Es ist darauf zu achten, dass die gegenständlichen Dokumente im originalen Wortlaut vorliegen. Gibt es nur mündliche Überlieferungen, so sollte eine möglichst genaue Niederschrift bzw. ein Memorandum erfolgen. Festzuhalten ist auch die zeitliche Reihenfolge der Ereignisse. Bei der Sachverhaltsermittlung ist die Vollständigkeit das vorrangige Ziel. Eine Auswahl kann auch noch in einem späteren Stadium durch eine Bewertung der Tatsachen erfolgen.2 Die rechtliche Prüfung beruht auf einer Bewertung der Tatsachen. Daher sind nur diese für die rechtliche Prüfung von Bedeutung. Deshalb werden bei der Ermittlung des Sachverhalts Tatsachen und geäußerte Rechtsmeinungen voneinander getrennt. Tatsachen sind objektiv nachprüfbar. Daher gehört auch die konkrete Vorstellung an sich, die jemand gehabt hat, zu den Tatsachen. Diese werden innere Tatsachen genannt. Meinungen hingegen sind als subjektive Auffassungen einem Beweis nicht zugänglich. Für die rechtliche Bewertung eines Falls sind die Rechtsmeinungen der Beteiligten hingegen nicht erheblich. Jedoch werden sie für die Art und Weise der effektiven Rechtsumsetzung und Rechtsdurchsetzung durchaus relevant. Die Rechtsmeinungen sowie die Art und Weise, wie diese vorgebracht werden, geben Hinweise, welche Maßnahmen bzw. begleitenden Maßnahmen bei der Umsetzung der rechtlich korrekten Lösung angebracht sein können. In diesem Zusammenhang sollten auch ähnliche Projekte oder bereits gefundene Lösungen in parallelen Fällen gesondert notiert werden. Letztere besitzen vor allem dann ein realisiertes und anschauliches Argument, wenn die Rechtslage umstritten ist. Im Gegensatz zu einer juristischen Klausur ist die rechtliche Lösung nicht das Endziel, sondern nur ein Zwischenstadium. Die gefundene Lösung bedarf noch einer wirksamen und möglichst dauerhaften Umsetzung. Je überzeugender die gefundene Lösung für das urheberrechtliche Thema ist, desto geringer ist das künftige Nachhaken. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass es sich bei Bibliotheken und Informationseinrichtungen um Serviceeinrichtungen handelt. Für diese ist es wesentlich, ihre Kunden mitzunehmen und Akzeptanz für ihr Handeln zu erreichen. Im Anschluss an die Auswahl der relevanten Tatsachen werden diese geordnet und dargestellt. Ziel ist, dass jemand anhand der Darstellung des Sachverhalts den Fall vollständig und ohne weitere Nachfragen erfassen kann. Daher ist es hilfreich, offene Teilaspekte entsprechend zu kennzeichnen. So kann beispielsweise ein noch unbekannter Rechteinhaber vorläufig mit N.N. gekennzeichnet werden. Für das Endergebnis ist eine Auflösung der vorläufig vergebenen Rollen durch eine Konkretisierung notwendig. Der Ausnahmefall ist auf die privilegierten Einrichtungen in den Fällen des § 61 UrhG beschränkt. Soweit es die Recher-
2 Siehe Rechercheprotokoll, Spalte Bewertung nach Relevanz, Teil 2, Kap. 13.9 Tabelle 17.
Begrifflichkeiten
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che des Rechteinhabers betrifft, ist der Thematik Sachverhaltsermittlung ein eigenes Kapitel gewidmet.
0.2.2 Grafische Hilfsmittel Außerhalb der Bindung an Formen im gerichtlichen Verfahren besteht Freiheit in der Darstellung des zu untersuchenden Falls. Zu den bekannten und bewährten Hilfsmitteln einer Fallbearbeitung gehören Skizzen. Diese können die Darstellung der Tatsachen und bzw. oder vorgenommene rechtliche Bewertungen veranschaulichen. Die grafische Umsetzung unterstützt die schnelle Erfassung des Sachverhalts und der relevanten Veränderungen. Sie erleichtert eine Ordnung und Priorisierung. Zudem werden fehlende Punkte bei einer Visualisierung häufig schneller bemerkt als in einem längeren Text. Gerade komplexe Rechtsbeziehungen zwischen mehreren Personen können auf die wesentlichen Punkte des Falls reduziert dargestellt werden. Als Hilfsmittel unterliegen Skizzen keinen besonderen Gestaltungskriterien, außer denen der Zweckmäßigkeit. Daher sind für die Erstellung einer Sachverhaltsskizze juristische Kenntnisse zwar hilfreich, aber keine Voraussetzung. In diesem Buch werden verschiedene Arten von Skizzen eingesetzt. Dazu gehören die klassischen Fallskizzen3 mit der Darstellung der Akteure und ihren meist vertraglichen Beziehungen zueinander. Typischerweise erfolgt die Umsetzung des Sachverhalts durch das Aufzeigen von Pfeilen und Verbindungslinien zwischen den Akteuren des Falls. Es erfolgt ferner eine Zuordnung von Rollen und Funktionsbezeichnungen zu den Akteuren. An diese Skizzenart angelehnt ist die Verbildlichung von Abspaltung von Rechten, Rechteketten und Nachfolgeregelungen.4 Eine andere Art ist die Darstellung der Ereignisse in einem Zeitstrahl.5 Diese Art der Skizze bietet sich insbesondere bei zeitlichen Abläufen an. Ein weiteres Hilfsmittel ist das Beifügen von Fotografien, Screenshots oder sonstigen Grafiken. Sie vermitteln nicht nur einen ersten Eindruck vom Urheberwerk, sondern dokumentieren ferner den Ist-Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt.
0.3 Begrifflichkeiten Wie jedes Fachgebiet hat auch das Urheberrecht eigene Begrifflichkeiten, die von der Alltagssprache abweichen. Den Begriff des Autors kennt das Urhebergesetz nicht. Vielmehr verwendet es den Begriff des Urhebers. Bei Sprachwerken werden beide Begriffe regelmäßig synonym verwendet. Unterschiede zwischen beiden Begrifflichkeiten können vorliegen, wenn der Autor die Anforde3 Juraschko: a.a.O., S. 6 ff. 4 Siehe hierzu Abbildung 23: Fallskizze Erbfall unter Miturhebern. 5 Siehe Abbildung 4: Skizze längere Schutzfristen eines Werkes durch wissenschaftliche Ausgaben.
6
Einleitung
rungen an das Werk nicht erfüllt, weil z.B. keine persönliche, geistige Schöpfung vorliegt.6 Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff Lizenz. Trotz seiner häufigen Verwendung im Zusammenhang mit einer Rechteübertragung ist die Lizenz ein Begriff, den das Urheberrechtsgesetz nicht kennt. Daneben gibt es auch begriffliche Überschneidungen zu anderen Fachsprachen. Ein Beispiel hierfür ist die angewandte Informatik. Hier kann mit der Vergabe von Rechten sowohl der IT-administrative Vorgang als auch im juristischen Sinne ein Rechtsgeschäft gemeint sein. Soweit im Urhebergesetz von der Nutzung die Rede ist, wird hier die mit dem Werk selbst verbundene Handlung gemeint. Dazu zählen z.B. die Veröffentlichung oder die Bearbeitung. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist die reine Benutzung des Werks i.S.e. Werkgenusses nicht urheberrechtlich relevant.7 Hierin unterscheidet sich das Urheberrecht von den technischen Nutzungsrechten. Zur reinen Benutzung eines Werks gehört beispielsweise das Lesen eines Buches, das Abspielen eines Computerprogramms oder das Betrachten eines Bildes. In der Alltagssprache wird dagegen regelmäßig nicht zwischen Nutzung und Benutzung unterschieden. Zu den sensiblen Bereichen des Urheberrechts gehört die „Öffentlichkeit“ und damit verbunden die Vorgänge, die mit dem Kontakt zwischen dem Urheber und der Öffentlichkeit zusammenhängen. Je nach Kontext kann der Begriff unterschiedlich verstanden werden. So kann unter einer Öffentlichen Bibliothek eine Bibliothek verstanden werden, zu der jedermann Zutritt haben kann. Diese Bedeutung wird regelmäßig verwendet, wenn von Ausgleichszahlungen für den Rechteinhaber oder dessen Vertreter die Rede ist. Eine Bibliothek kann auch dann als Öffentliche Bibliothek bezeichnet werden, wenn sie als staatliche Einrichtung i.S.e. einer Behörde oder als Teil einer Behörde organisiert ist. Weitere Gründe von einer Öffentlichen Bibliothek zu sprechen, können die Finanzierung mit öffentlichen Mitteln oder eine öffentliche Zweckbindung sein. Schließlich gibt es den Begriff der Öffentlichen Bibliothek in Abgrenzung zu den Wissenschaftlichen Bibliotheken. Begriffe wie „Öffentliche Bibliothek“ oder „Öffentlichkeit“ sind daher unbestimmt. Ihre konkrete Bedeutung erschließt sich nur im Kontext. Als Beispiel ist hier das Verständnis von „Öffentlichkeit“ gem. § 15 Abs. 3 UrhG zu nennen. Für den Begriff „Öffentlichkeit“ in § 15 Abs. 3 UrhG ist maßgeblich, ob der Nutzer, hier die Bibliothek, das Werk mit Zielrichtung Öffentlichkeit wiedergibt. Dagegen ist es unerheblich, ob die angesprochene Öffentlichkeit das Werk in einem frei zugänglichen Raum oder in einem privaten Bereich empfängt.8 Damit können Übertragungen von Rundfunksendungen in räumlich abgetrennte Arbeitsbereiche in der 6 Homann, Praxishandbuch Filmrecht, S. 16. 7 BGH, GRUR 1991, 449, 453 (Betriebssystem); BGH, GRUR 1994, 363, 364f. (Holzhandelprogramm). 8 Von Ungern-Sternberg, GRUR 2013, 252; EuGH, GRUR 2012, 597 Rn 33, 41ff. (Phonographic Permormance).
Begrifflichkeiten
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Gesamtbetrachtung im Ergebnis als „öffentliche Wiedergabe“ beurteilt werden. Die „Öffentlichkeit“ ist ein Personenkreis, der unbestimmt zusammengesetzt ist. Der Personenkreis darf sich nicht nur auf eine private Gruppe beschränken. Diese bildet keine Öffentlichkeit.9 Eine private Gruppe ist ein abgeschlossener Personenkreis. Ein zahlenmäßig unwesentlicher Zutritt weiterer Personen oder ein Personenwechsel ist m.E.n. nur dann unerheblich, wenn dieser klar reglementiert und damit vorhersehbar ist. Bei der Erfassung des Personenkreises kommt es nach Ansicht des EuGH nicht nur darauf an, wie viele Personen gleichzeitig Zugang zu demselben Werk haben, sondern auch wie vielen der Zugang zeitlich versetzt ermöglicht wird. Damit werden Wiedergabegeräte in Medienkabinen von Bibliotheken erfasst, auch wenn dort wegen der räumlichen Enge nur eine Person Platz nehmen kann. Kumulative Wirkungen sind daher ausdrücklich eingeschlossen. Der Öffentlichkeitsbegriff ist daher generell nicht zeitgebunden.10 Hinsichtlich der Frage, wann auf Grund der Mitgliederzahl eine Personenmenge nicht mehr als private Gruppe, sondern als Teil der Öffentlichkeit anzusehen ist, gibt es wegen der unscharfen Formulierung des EuGH, „recht viele“, keine eindeutige numerische Größe. Zu berücksichtigen sind vielmehr die gesamten Umstände. Daher kann ein Seminar an einer Universität auch mit 100 Teilnehmern noch eine private Gruppe bilden, wenn die übrigen Rahmenbedingungen für eine abgeschlossene, private Gruppe sprechen. In jedem Fall hat der Zweck der Bildung einer privaten Gruppe über die reine Nutzungsmöglichkeit des Werks hinauszugehen. Die Maßnahmen für die Zugangsregulierung haben technisch und organisatorisch zeitgemäß und aktiv zu sein. Einen absoluten Schutz vor einem unberechtigten Zugang oder Missbrauch gibt es nicht. Notwendig ist aber eine erkennbare und aktive Barriere, die geeignet ist, den Zugang zu kontrollieren. Daher ist die Gruppe auch dann abgegrenzt, wenn verbotswidrig heimliche Aufnahmen erstellt und diese Personen außerhalb der Gruppe zugänglich gemacht werden. Ebenso ist die Abgrenzung des Personenkreises auch dann erreicht, wenn die Musik aus dem Veranstaltungssaal durch die Mauer oder geschlossene Türe von nur zufällig anwesenden Passanten noch vernehmbar ist.11 Anders verhält es sich, wenn die Türe bewusst offengelassen wird bzw. in einer E-Learning-Umgebung die Zugangskontrolle sich in einem rechtlichen Hinweis erschöpft und ansonsten keine technischen und organisatorischen Maßnahmen getroffen wurden. Zur Klarstellung, dass es nicht auf die Organisationsform oder den Träger, sondern auf den tatsächlichen Kontakt ankommt, wird in neueren Vorschriften die Formulierung „öffentlich zugängliche Bibliotheken“ verwendet.
9 EuGH, GRUR 2012, 597 Rn 33, 41ff. (Phonographic Permormance). 10 EuGH, GRUR 2012, 597 Rn 35 (Phonographic Permormance). 11 Beispiel aus Beger, Gabriele: Urheberrecht für Bibliothekare, S. 9.
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Einleitung
Zwei weitere Leitbegriffe des Urheberrechts, die im Zuge der Erörterungen der Verwertungsrechte und des Urheberpersönlichkeitsrecht immer wieder Anwendung finden, sind die Veröffentlichung und das Erscheinen. Die umgangssprachlich austauschbarer scheinenden Begriffe haben unterschiedliche Folgen. Daher ist jedoch auf die richtige Anknüpfung bei einer Fallprüfung zu achten. Veröffentlichung bedeutet das Entlassen eines Werks durch den Urheber aus der Privatsphäre.12 Ein Werk ist nach der Definition gem. § 6 Abs. 1 UrhG nur dann veröffentlicht, „wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist“. So sind beispielsweise Bachelorarbeiten als reine Prüfungsarbeiten auch dann nicht veröffentlicht, wenn diese von den Prüfern gelesen werden. Sollten Bachelorarbeiten als Hochschulschriften in der Bibliothek ausgestellt oder auf einem Server der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, so ist vorher die Erlaubnis des Prüflings als Urheber zur Veröffentlichung erforderlich. Die Veröffentlichung hat Auswirkungen auf den Inhalt und den Umfang des Urheberrechtsschutzes. So führt die Veröffentlichung zum Verlust des Rechts der ersten Inhaltsmitteilung und Ausstellungsrechts gem. §§ 12 Abs. 2, 18 UrhG. Mit der Veröffentlichung sind Zitate in Sprachwerken gem. § 51 S. 2 Nr. 1, Nr. 2 UrhG und die öffentliche Wiedergabe im Rahmen des § 52 Abs. 1 S. 1 UrhG zulässig. Der Begriff des Erscheinens ist dagegen in § 6 Abs. 2 UrhG legaldefiniert. Danach ist ein Werk erschienen, wenn „mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Werks nach ihrer Herstellung in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind“. Hier wirkt sich der Unterschied zwischen Onlinemedien und gedruckten Exemplaren aus. Für eine Onlinepublikation genügt es, als erschienen zu gelten, wenn das Medium nach dem Einstellen öffentlich, dauerhaft oder zumindest von einer gewissen Dauer ist.13 Für das Erscheinen des Werkes ist es sowohl für physische Medien als auch Onlinepublikationen unerheblich, ob tatsächlich Kenntnis von dem Werk oder dessen Inhalt genommen worden ist. Entscheidend aber auch ausreichend ist die Möglichkeit der Öffentlichkeit, Kenntnis zu nehmen.14 Der unbestimmte Rechtsbegriff „in genügender Anzahl“ geht nach überzeugender Ansicht15 nicht von einer festen Mindestmenge aus. Welche Anzahl genügt, ist von der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit der Öffentlichkeit abhängig. Dabei spielt auch Frage, ob im Rahmen der Schrankenregelungen Vervielfältigungen vorgenommen werden können oder nicht.16 Die Einleihmöglichkeit eines Mediums über die Fernleihe trägt ebenfalls dazu bei, auch eine geringe
12 Schack: a.a.O., § 9 Rn 261. 13 Marquardt in: Wandtke; Bullinger: UrhG, § 6 Rn 29. 14 Marquardt in: Wandtke; Bullinger: UrhG, § 6 Rn 33. 15 Marquardt in: Wandtke; Bullinger; UrhG, § 6 Rn 33. 16 So lässt BGH GRUR 2009, 942 (Montezuma) ein Werkstück genügen. Anders hingegen für das einzige Exemplar mit Noten im Archiv einer Bibliothek, OLG München GRUR 1983, 295, 297 (Oper Tosca); s.a. BGH GRUR 1986, 69 (Puccini).
Begrifflichkeiten
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Anzahl von Exemplaren als ausreichende Menge anzusehen. Nach dem Erscheinen eines Werks sind gem. § 51 Abs. 3 UrhG Zitate in einem weiteren Umfang zulässig.
Öffentliche Wiedergabe
Keine öffentliche Wiedergabe
Sender als Nutzer der Wiedergabe (Informationseinrichtung)
Grundsätzlich nicht zeitabhängig
Empfänger der Wiedergabe (Bibliotheksbenutzer, die keine private Gruppe bilden)
Sender Abgeschlossene, private Gruppe
Abbildung 1: Öffentlichkeit i.S.v. § 15 Abs. 3 UrhG.
Auch im österreichischen Recht werden die beiden Begriffe Veröffentlichung und Erscheinen in § 8 und § 9 öUrhG getrennt. Dagegen kennt das Recht der Schweiz in Art. 9 Abs. 3 URG nur den Veröffentlichungsbegriff. Sowohl im österreichischen Recht als auch im Schweizer Recht gilt es, die oben angesprochene Sensibilität bei scheinbar gleichen Begriffen zu wahren. Vor allem wenn versucht wird, über gleiche Begrifflichkeiten Bedeutungen von einem Rechtssystem in ein anderes zu übertragen, ist dies kritisch zu hinterfragen. Auch bei gleichen rechtlichen Wurzeln ist ein anderes Verständnis bzw. eine andere Anknüpfung von Rechtsfolgen möglich, nicht aber notwendig. Ein Beispiel hierfür liegt vor, wenn eine bestimmte Regelung aus einem Staat zum Vorbild für andere Staaten wird. Ein Fall, in dem die gleiche Begrifflichkeit auf Grundlage einer Regelung zu einem gleichen Verständnis führt, ist für die Mitgliedsstaaten beim Vorliegen einer EU-Richtlinie gegeben. Beruht das Verständnis eines Begriffs auf einer EU-Richtlinie, so ist für Deutschland und Österreich die Umsetzung in nationales Recht zwingend. Das Verbreitungsrecht setzt die gemeinschaftsrechtliche Vorgabe aus Art. 4 Abs. 1 InfoSoc-RL um. Deswegen sind §§ 17 UrhG und § 8 öUrhG richtlinienkonform auszulegen.17 Um eine effektive Rechtswirkung zu erreichen, sind diese nach der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht im Zweifelsfall im Sinne der EU-Richtlinie und damit als einheitlich bzw. vergleichbar zu verstehen. Der Umfang des Interpretationsspielraums hängt vom Anwendungsbereich und von der Regelungsdichte der Richtlinie ab. Ziel der Richtlinie kann eine Mindestharmonisierung oder eine Vollharmonisierung sein.18 Wird eine Vollharmoni17 BGH GRUR 2017, 793 (Mart-Stam-Stuhl III); BGH GRUR 2009, 840,841 (Le Corbusier Möbel II). 18 Hertin, P.; Wagner, S.: Urheberrecht, 3. Aufl., C.H. Beck, München 2019, Rn 36.
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Einleitung
sierung bezweckt, so ist es den Mitgliedstaaten untersagt, abweichende Schutzvorschriften zu beschließen. Bereits bestehende abweichende Schutzvorschriften sind von den Mitgliedsstaaten zu beseitigen. Beispielsweise bezweckt die Regelung der Verwertungsrechte in Art. 2 – 4 InfoSoc-RL eine Vollharmonisierung.19 Da das geltende Urheberrecht in Deutschland und in Österreich bei vielen Regelungen auf EU-Richtlinien beruht, sind solche Fälle bei verschiedenen Einzelnormen des deutschen UrhG und des österreichischen UrhG gegeben. Auf freiwilliger Basis übernimmt das Schweizer Recht einen Teil der EU-Regelungen. Hier besteht jedoch keinerlei vorgegebene Bindungswirkung, auch die Bedeutung notwendig mit zu übernehmen. Vielmehr entscheidet der Schweizer Rechtsanwender, vor allem die Schweizer Gerichte, wie der jeweilige Begriff im Schweizer URG zu verstehen ist. Begriffe können inhaltlich nicht nur mehrdeutig sein, sondern unterliegen zudem einem Bedeutungswandel. Ein Beispiel hierfür ist der Begriff der „Vervielfältigung“. Früher war der Begriff eindeutig im Sinne des Herstellens einer Abschrift oder einer mechanischen Vervielfältigung gemeint. Bei IT-basierten Speicherungsvorgängen werden die traditionellen Vorstellungen in Frage gestellt. Hier stellen sich Fragen, ob bereits bei einem reinen Anzeigen am Bildschirm bzw. bei einer Zwischenspeicherung auf einem externen Server eine Vervielfältigung vorliegt. Dies ist beim reinen Anzeigen auf dem Bildschirm zu verneinen, hingegen bei der Zwischenspeicherung zu bejahen. Technische Neuerungen können daher zu einer Ausdehnung der Bedeutung von bestehenden Begriffen führen. Ein charakteristisches Merkmal der juristischen Fachsprache ist das Entlehnen von Begriffen aus der Umgangssprache oder aus anderen Fachsprachen. Nicht notwendigerweise wird mit der Übernahme des jeweiligen Wortes auch dessen Bedeutungsinhalt mit übernommen. Ein Beispiel für eine Übernahme ist der Begriff des Sammelwerks, bei dem sich die juristische und die bibliothekarische Lesart entsprechen. Nach § 4 Abs. 1 UrhG sind Sammelwerke als eine Zusammenfassung mehrerer oder anderer, nicht zwingend urheberrechtlich geschützter Einheiten zu einer geordneten Einheit schutzfähig. Dabei sind Sammelwerke mehr als nur die reine Summe der enthaltenen Teile. Der Mehrwert in Form einer eigenen schöpferischen Leistung liegt in der Auswahl und Anordnung der einzelnen Elemente zu einer individuell gestalteten Gesamtheit.20 Typische Beispiele für Sammelwerke sind Lexika, Festschriften, Bildbände, aber auch Gesetzes- und Entscheidungssammlungen. Für die Bezeichnung „Kleine Münze“ hingegen hat die juristische Lesart 19 Hertin; Wagner: a.a.O., Rn 37; BGH, GRUR 2017, 1027 (Reformistischer Aufbruch, Rn 18); BGH, GRUR 2017, 901 (Afghanistan-Papiere, Rn 15). 20 Schack: Urheber- und UrhebervertragsR, § 9 Rn 289; BGHZ 116, 136, 142 (Leitsätze); BGH, GRUR 1982, 37, 39 (WK-Dokumentation); dagegen verneint für Sammlung von Patientenmerkblätter OLG Nürnberg, GRUR 2002, 607f. (Stufenaufklärung nach Weissauer).
Allgemeine und zivilrechtliche Grundlagen
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eine andere Bedeutung gefunden. Die „Kleine Münze“ ist die in die Rechtswissenschaft übernommene umgangssprachliche Formulierung und bezieht sich auf persönliche, geistige Schöpfungen, die gerade das Mindesterfordernis an Individualität aufweisen, um noch als urheberrechtlich geschützt angesehen zu werden.21 Dies ist bereits dann gegeben, wenn der Gestaltungsspielraum nicht nur schematisch gefüllt wurde.22 Mitunter verwendet der Normengeber Formulierungen, die bewusst ungenau oder weitläufig gehalten worden sind. Hier wird von ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen gesprochen. Eine nähere Bestimmung erfolgt durch die Rechtsprechung oder durch eine niederrangigere Rechtsnorm. Die Gründe für die Verwendung von ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen sind ebenso vielseitig wie ihre Interpretationsmöglichkeiten und reichen von einer bewussten Flexibilität über den Wunsch nach einer umfassenden Regelung bis hin zum Formelkompromiss als kleinstmöglichen politischen Nenner. Wobei letzterer häufig nur eine Verschiebung der Diskussion bedeutet. Nicht näher definiert ist beispielsweise die „angemessene Vergütung“, die der Gesetzgeber dem Urheber als Kompensation in bestimmten Fällen für die erlaubnisfreie Nutzung gewährt. Solche Fälle sind: §§ 45a Abs. 2 S. 1, § 45c Abs. 4 S. 1, 46 Abs. 4, 47 Abs. 2 S. 2, 49 Abs. 1 S. 2, 52 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 UrhG. Eine Annäherung hinsichtlich der Höhe erhält man durch einen Vergleich mit ähnlichen Fällen. § 26 UrhG ist ein besonderer Vergütungsanspruch für den Urheber von Werken der bildenden Künste und von Lichtbildwerken. Das hier normierte Folgerecht gewährt dem Künstler eine Erhöhung des Entgelts durch eine Erlösbeteiligung, wenn sich erst später herausstellt, dass zuvor ein unbillig geringes Entgelt verlangt worden war. Gegenstand von § 26 UrhG sind nur die Originalwerke. Originalwerke in diesem Sinne sind auch die von vorherein in größerer Zahl hergestellten Originale von Druckgrafiken.23
0.4 Allgemeine und zivilrechtliche Grundlagen Das Urheberrecht existiert nicht isoliert, sondern ist in den bestehenden Rechtskreis eingebettet. Hierdurch sind die allgemeinen rechtlichen Regelungen und Vorgehensweisen Bestandteil des Urheberrechts. So gibt es einen allgemeinen Rechtsatz, dass spezielleres Recht dem allgemeinen Recht bei der Anwendung vorgeht. Daher besteht ein Anwendungsvorrang der einschlägigen Regelungen über Computerprogramme gegenüber den allgemeinen urheberrechtlichen Regelungen. Sind diese nicht einschlägig, so gelten die Normen über Sprachwerke gem. § 69a Abs. 4 UrhG. Ferner gelten gem. § 69g Abs. 1 UrhG die Schutzvorschriften umfassend. 21 Schack: a.a.O., § 9 Rn 293. 22 Schack: a.a.O., § 9 Rn 294. 23 Schack: a.a.O., § 14 Rn 500.
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Einleitung
Trotz einiger urheberstrafrechtlicher Rechtsnormen gehört das Urheberrecht dem Zivilrecht an. Daher unterliegt es auch den allgemeinen zivilrechtlichen Rechtssätzen und Anwendungsgewohnheiten.24 Als Leitfrage ergibt sich bei Ansprüchen die Formel: „Wer will was von wem woraus?“ Soll dagegen ein bestehendes Rechtsverhältnis festgestellt werden, so ergibt sich die Fragestellung „Wer steht auf welcher Grundlage mit wem oder was in welcher Beziehung?“.
Zusammenfassung Die Erfassung und Darstellung des Sachverhalts ist ein zentraler Schnittpunkt der Zusammenarbeit von Bibliothekaren und Juristen. Der Sachverhalt ist die Grundlage der darauffolgenden juristischen Bearbeitung. Ohne eine korrekte Darstellung des Sachverhalts ist eine sachgenaue juristische Lösung der Aufgabe von vornherein nicht möglich. Um die häufig umfangreichen Vorgänge für die Bearbeitung aufzubereiten, haben sich vor allem grafische Hilfsmittel bewährt. Gleiche Begriffe werden teilweise unterschiedlich verstanden. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die juristische Fachsprache an sich als auch bezüglich der jeweiligen Normanwendung. Daher ist es entscheidend, in welchem Zusammenhang der jeweilige Begriff gebraucht wird. Ein Beispiel hierfür ist die Weite des Begriffs Öffentlichkeit in § 15 Abs. 3 UrhG und § 6 Abs. 1 UrhG. An das unterschiedliche Verständnis werden unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft.
24 Ausführlicher hierzu: Juraschko: a.a.O., S. 70ff.
Teil 1: Grundlagen Urheberrecht Zu den charakteristischen und auffälligen Besonderheiten des Urheberrechts gehört die grundsätzliche Trennung zwischen dem Werkstück und der Nutzung. Wer das Eigentum an einem Original erwirbt, hat damit noch kein Recht, dieses auch im urheberrechtlichen Sinne zu nutzen, § 44 UrhG. Ebenso erhält im gegenseitigen Fall derjenige, der das Recht erwirbt, ein Urheberweck zu nutzen, damit noch nicht automatisch auch das Eigentum an den physischen Werkstücken. Wie diese Trennung von physischem und geistigem Recht vorgenommen wird, welche Möglichkeiten sich daraus ergeben und wie damit im Alltag einer Bibliothek oder Informationseinrichtung umzugehen ist, ist Gegenstand der folgenden Erörterungen.
1 Intension, Ziele und Verortung des Urheberrechts Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen ideellen und materiellen Interessen. Im Gegensatz zu den natürlichen Rechten, wie den Menschenrechten, gehört das Urheberrecht zu den von der Rechtsordnung geschaffenen Rechten. Es verleiht Herrschaftsmacht über die Ausdruckformen des geschaffenen Geisteswerks. Das Urheberrecht ist als absolutes Recht ausgestaltet. D.h. es gilt gegen jedermann und nicht nur innerhalb einer besonderen Beziehung wie dies bei relativen Rechten der Fall ist. Es ist grundsätzlich ein Schutzrecht gegen rechtswidrige Verletzungen. Der Inhaber eines solchen Verbotsrechts kann dem Verletzter die Nutzung des Rechts untersagen und dies auf dem Rechtswege durchsetzen. Dabei kommt es nicht auf den Grund des Verbots an. Auch die Möglichkeit, eine Nutzung zu verhindern, wird hiervon mit umfasst.1 Die entsprechenden spezialgesetzlichen Normen sind in §§ 97 ff. UrhG geregelt. Ferner ist das Urheberrecht ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 BGB.2 In einigen Randbereichen wird jedoch das Schutzrecht als Verbotsrecht durch reine Vergütungsansprüche ersetzt.3 Aufgabe des Urheberrechts ist es, zahlreiche und unterschiedliche Interessen zu sammeln, zu gewichten und zu einem Ausgleich zu bringen.4 Dies gilt sowohl bei einer normativen Betrachtung als auch bei einem Interessenvergleich der beteiligten Kreise. Hierzu werden verschiedene rechtliche Instrumente eingesetzt. Die für den deutschen Rechtskreis markanteste Komponente ist das Urheberpersönlichkeitsrecht. Es ist fester Bestandteil der Rechte des Urhebers. Mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht wird der Umstand der persönlichen Verbundenheit des Urhebers mit seinem Werk gewürdigt. Die mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht und den Verwertungsrechten bestehende Zweigleisigkeit des deutschen Urheberrechts zeigt, dass es sich nicht um ein reines Wirtschaftsrecht handelt. Beispielsweise ist das Urheberrecht als Ganzes wegen des Persönlichkeitsschutzes gem. § 29 Abs. 1 UrhG nicht übertragbar. Eine Übertragungsmöglichkeit besteht nur für Teile des Urheberrechts. Weiterhin zählt das Urheberrecht zu den Rechten des geistigen Eigentums und hat damit sowohl eine innnovationsschützende als auch –fördernde Funktion. Das Urheberrecht als Eigentumsrecht besagt, dass der Inhaber nach seinen Vorstellungen über das Recht verfügen kann. Dies kann, braucht aber keine kommerzielle Verwertung zu sein. Zum Eigentumsrecht gehört beispielsweise auch die Verwertungsmöglichkeit, Lizenzen mit sogenannten Copyleft-Kauseln übertragen zu können. Das Eigentums1 Hierzu gehörten auch die Bemühungen des Freistaates Bayern die Verbreitung des Buches „Mein Kampf“ von Adolf Hitler zu verhindern. (Schwed. OGH, GRUR Int. 1999, 625). Nach Ablauf der Schutzfrist von 70 Jahren nach Tod des Autors entfiel dieser Grund im Jahr 2015. 2 Schack: Urheber- und UrhebervertragsR, § 1 Rn 4. 3 Schack: a.a.O., § 1 Rn 4. 4 Schack: a.a.O., § 1 Rn 9. https://doi.org/10.1515/9783110707588-003
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
recht wirkt sich umfassend aus. So garantiert das Eigentumsrecht auch einen Schutz bei Nichtausübung der Verwertungsrechte. Denn es gibt keine Publikationspflicht für den Urheber. Je nach politischer Interessenlage wird die Position des Inhabers eines Urheberrechts mal als stärker, mal als schwächer gegenüber dem Inhaber eines materiellen Eigentums dargestellt. Gerade im Hinblick auf die Sozialbindung und auch die Beschränkungen des Eigentums bei Immobilien kann der These von der Schlechterstellung des geistigen Eigentums nicht gefolgt werden. Fremd vermietete Wohnraumimmobilien unterliegen in Deutschland einem Mietrecht, das gegenüber dem Eigentümer eine sehr starke Position des Mieters kennt. Das deutsche Baurecht, insbesondere das Bauordnungsrecht kann so starke Beschränkungen fordern, dass man gute Gründe hat, das tatsächliche Ausmaß des Selbstbestimmungsrechts des Eigentümers zu hinterfragen. Nicht selten werden die Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks gerade dann eingeschränkt, wenn es anfängt, besonders wirtschaftlich interessant zu werden. Hier besteht durchaus eine der gesetzlichen Lizenz oder der Zwangslizenz vergleichbare Lage. Auch das Mobiliareigentum kennt Möglichkeiten, die Verbringung von Gütern in Ausland ausnahmsweise zu beschränken. So kann der Export von kulturell wichtigen Gegenständen ins Ausland untersagt werden. Dagegen würde ein Verbot der Übertragung eines Nutzungsrechts ins Ausland an einem kulturell bedeutsamen Werk als nicht nachvollziehbarer Protektionismus gebrandmarkt werden. Daher sind die Behauptungen, das materielle oder das geistige Eigentum seien stärker geschützt, zurückhaltend aufzunehmen. Bedauerlicherweise zeichnen sich viele Erörterungen durch das Weglassen der Argumente der Gegenseite statt durch eine Auseinandersetzung aus. Beim Urheberrecht als Wirtschaftsrecht stehen die Verwertungsrechte im Vordergrund. Durch die Zuordnung der Verwertungsrechte erfolgt die Zuschreibung des wirtschaftlichen Wertes des Urheberrechts. Als Wirtschaftsrecht hat es starke inhaltliche Bezüge zum Eigentumsrecht, ist aber nicht in allen Belangen identisch. Schließlich handelt es sich beim Urheberrecht auch um ein Kulturrecht. Dahinter steht die Erwartung der Gesellschaft an kultureller Teilhabe und Fortschritt. Die Balance zwischen dem Kulturrecht und den Eigentumsinteressen des Urhebers begleiten das Urheberrecht seit seiner Entstehung. Sie finden ihren Ausfluss beispielsweise in der Befristung und anschließenden freien Nutzungsmöglichkeit, dem sogenannten Gemeinfreiwerden des zuvor urheberrechtlich geschützten Werks. Eine alternative Bezeichnung für ein Werk als Gemeingut ist der französische Ausdruck der ‚domaine public‘. Die Frage nach dem Warum einer zeitlichen Beschränkung des Schutzes des Urheberrechts nach dem Tode des Urhebers lässt sich mit dem allgemeinen Interesse am kulturellen und geistigen Fortschritt begründen. Der unbedarfte Erbe eines materiellen Gutes kann dieses verschleudern. Dieser Vorgang ist dem Erben jedoch wegen der Endlichkeit des materiellen Eigentums nur einmal möglich. Dagegen kann der unbegabte Erbe des Urhebers eines bedeutenden Werks andere durch Nichtlizensierung an einer Weiterentwicklung hindern, solange der Urheberrechtsschutz gilt. Daher gibt es inzwischen einen globalen Konsens, dass Urheberrechte nur einen befristeten Schutz genießen.
Intension, Ziele und Verortung des Urheberrechts
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Die gesetzliche Ausgestaltung, die bisherige Entwicklung und die Positionen der unterschiedlichen Interessengruppen zeigen, dass keine der vier hier aufgeführten Größen dauerhaft vernachlässigt werden kann, ohne dass es zu Gegenbewegungen oder in Folge technischer Entwicklungen zu nicht gewünschten faktischen Änderungen kommt. Als Beispiele der letzten Jahre seien die Veränderungen durch die elektronischen Medien, die Open-Access-Bewegung, Gesetzesbegründungen zur Stärkung der Position des Urhebers, gesetzliche Maßnahmen zum technischen Schutz von Werken etc. zu nennen. In freier Anlehnung an das volkswirtschaftliche Modell zur Setzung wirtschaftspolitischer Ziele kann hier von einem magischen Viereck gesprochen werden.
Urheberpersönlichkeitsrecht
Kulturrecht
Eigentumsrecht
Wirtschaftsrecht
Abbildung 2: Magisches Viereck des Urheberrechts.
Bezogen auf eine interessentenkreisbezogene Betrachtung sind die Vorstellungen des Urhebers, Kulturinteressierten und der Kulturvermittler zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich nur um eine grobe Einteilung. Denn Kulturinteressierte und Kulturverwerter sind keineswegs homogene Gruppen. Vielmehr ist die Einteilung als temporäre Rollenverteilung zu verstehen. So kann ein kulturell interessierter Bibliothekar als Urheber eines Buches allen drei interessenbezogenen Gruppen zugeordnet werden. Abzustellen ist daher auf den jeweiligen Einzelfall, der ein Überwiegen des Interesses in die eine oder andere Richtung zeigt. Oben wurde die generelle Zuschreibung des Urheberrechts zum Zivilrecht vorgenommen. Das Zivilrecht wiederum ist ein Oberbegriff für eine ganze Reihe von Rechtsgebieten. Das Urheberrecht ist gem. § 11 UrhG Teil des Immaterialgüterrechts. Denn diese Norm schützt den Werkschöpfer in seiner Beziehung zu dem Werk und darin,
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
den Nutzen aus seinem Werk zu ziehen. Es gibt unendlich viele geistige Produkte, sogenannte Immaterialgüter. Hierzu gehören Ideen, Pläne, Geheimnisse, Erfindungen, Entdeckungen, Forschungsergebnisse, Erkenntnisse etc. Sie alle zeichnet aus, dass sie sich durch Gebrauch nicht abnutzen und ohne Substanzverlust beliebig oft vervielfältigt werden können. Ihnen fehlt die materielle Endlichkeit. Sie können lediglich vergessen werden. Als Mittel gegen das kollektive Vergessen werden die Immaterialgüter dokumentiert und in Wissensspeichern wie Bibliotheken und Archiven zum erneuten Gebrauch aufbewahrt. Die Substanzfreiheit ist auch unabhängig davon, welchen Wert die geistige Sache für den Einzelnen oder die Allgemeinheit besitzt. Zum Immaterialgüterrecht wird die geistige Sache erst durch die Zuschreibung mittels der Rechtsordnung zu einer bestimmten Person.5 Auf diese Art und Weise wird das Immaterialgüterrecht als Rechtsobjekt verfügbar gemacht.6 Ohne die Zuordnung wäre es ein freies Gut. Mit der Zuschreibung tritt eine künstlich erzeugte Verknappung und die Eröffnung des Wettbewerbs um die Immaterialgüter ein.7 Diesen Weg ist die Rechtsordnung nur in einigen, ausgewählten Fällen gegangen. Zudem werden diese ausgewählten Fälle teilweise durch Formalien weiter eingeschränkt. Hierzu können Eintragungserfordernisse in Register wie im Patentrecht oder zeitliche Befristungen des Schutzes wie im Urheberrecht gehören. Die Frage, was Regel und was Ausnahme ist, lässt sich daher verschiedentlich je nach Umfang der Betrachtung beantworten. Soweit in diesem Buch von Regel-Ausnahme-Prinzipien die Rede ist, wird aus Gründen der anwaltlichen Sorgfalt die in Lehre und Rechtsprechung herrschende Meinung8 vertreten. Ziel dabei ist es, im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung eine erhöhte Chance auf eine obsiegende Entscheidung zu haben.
5 Schack: a.a.O., § 1 Rn 21. 6 Schack: a.a.O., § 1 Rn 21 m.w.N. 7 Schack: a.a.O., § 1 Rn 21. 8 Zu dem Begriff herrschende Ansicht bzw. herrschende Lehre siehe auch Juraschko: Praxishandbuch Recht für Bibliotheken und Informationseinrichtungen, S. 22f.
2 Schutzgegenstand des Urheberrechts Gemäß § 1 UrhG schützt das Urheberrecht „die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst“. Dabei steht der Werkbegriff im Mittelpunkt. Ausschließlich ein Werk besitzt urheberrechtlichen Schutz. Andere Leistungen können aus urheberrechtlicher Sicht nur im Rahmen der verwandten Schutzrechte geschützt werden. Nach der herkömmlichen Definition wird das Werk als Erzeugnis der Literatur, Wissenschaft und Kunst beschrieben. Wenngleich der Inhalt dieser Beschreibung weiterhin zutrifft, so ist inzwischen der Rahmen zu eng geworden.1 Vom Werkbegriff werden auch technische Konstruktionszeichnungen, Software und Datenbanken erfasst. Wie die Formulierung „insbesondere“ in § 2 Abs. 1 UrhG zeigt, ist die Aufzählung nicht abschließend. Damit werden auch neue Werkarten vom Urheberrechtsgesetz erfasst. Bei dem Werk muss es sich um eine persönliche, geistige Schöpfung handeln. Erstes Werkmerkmal ist das Erfordernis einer persönlichen Schöpfung. Schöpferische Leistungen können nur von Menschen erbracht werden.2 Daher scheiden natürliche Entstehungsweisen wie Mineralkristallisationen und tierische Erzeugnisse wie Vogelnester, Termitenhügel, Biberbauten sowie von Affen gemalte Bildnisse aus. Gegenstände, die bereits vorgefunden werden (sog. object trouvé) sind ebenfalls keine Schöpfungen. Denn hier wurde nichts zum Entstehen gebracht. Gleiches gilt für lediglich alltägliche Gegenstände. Dabei kann das Maß der menschlichen Einflussnahme auf die Werkschöpfung unterschiedlich und auch von geringem Umfang sein. Somit zählen auch Zufallsbilder zu den Urheberwerken, wenn ein menschliches Handeln vorhanden ist, ohne welches das Werk nicht entstanden wäre. Beispiel: Farbauftrag bei Zufallsbildern, Erstellung eines von einem Menschen geplanten Gegenstandes durch einen 3D-Drucker. Andererseits genügt das reine Aufstellen bzw. Auslösen eines Bildes in einer Überwachungskamera nicht, um als geistige Schöpfung zu gelten. Weiteres Merkmal ist das notwendige Darstellen der geistigen Schöpfung in einer Form. Die Verkörperung ist die Abgrenzung zur reinen Idee. Der Formbegriff ist weit zu verstehen. Daher bedeutet Form nicht notwendig eine Fixierung der Gestalt in einem körperlichen Gegenstand. Form bedeutet, dass die Idee so gestaltet ist, dass sie von einem Dritten wahrgenommen werden kann.3 Hierzu gehören nicht nur ein Bild, sondern auch nicht körperliche Formen wie eine Festrede, ein Tanz und eine Darstellung in einem Improvisationstheater. Die Form allein, als Möglichkeit der sinnlichen Wahrnehmbarkeit, genügt nicht. Vielmehr wird als weiteres Merkmal ein geistiger Gehalt gefordert. Mit dem geistigen Gehalt wird eine Ausstrahlung des Werks über seine objektive Eigenart hinaus verlangt.4 Die vom Urheber erzeugte Ausstrahlung wirkt auf die Gedanken- bzw. Gefühlswelt des Betrachters in irgendeiner wahrnehm1 Schack: a.a.O., § 9 Rn 180. 2 Schack: a.a.O., § 9 Rn 184. 3 Schack: a.a.O., § 9 Rn 188. 4 Schack: a.a.O., § 9 Rn 185. https://doi.org/10.1515/9783110707588-004
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
baren Art und Weise ein. Als letztes Merkmal ist ferner die notwendige Gestaltungshöhe zu erreichen. Das Kriterium der notwendigen Gestaltungshöhe legt die Untergrenze des Urheberrechtsschutzes fest. Das Maß für die notwendige Gestaltungshöhe wird von der Rechtsprechung traditionell niedrig angesetzt. So genügt bereits ein sehr geringer Grad an Individualität, um das Mindestmaß der Gestaltungshöhe zu erreichen. Schöpfungen, die dieses Mindestmaß eben nur gerade überschreiten, werden als „Kleine Münze des Urheberrechts“ bezeichnet.5 Trotz des allgemeinen eher niedrigen Ansatzes für die Gestaltungshöhe wird bei der Gestaltungshöhe nach Werkarten unterschieden und das Maß unterschiedlich angesetzt. So wird die Schutzuntergrenze bei Werken der angewandten Kunst gewöhnlich sehr viel höher angesetzt als bei Werken der bildenden Kunst. Design wird durch ein eigenständiges Gesetz, dem Designgesetz geschützt. Darüber hinaus kommt für Designstücke zusätzlich ein urheberrechtlicher Schutz in Betracht. Für Designleistungen als Gebiet der angewandten Kunst besteht damit erst dann ein Urheberrechtsschutz, wenn die eine, die durchschnittliche Designertätigkeit deutlich überragende Leistung vorliegt.6 Damit steigt gleichzeitig der Umgestaltungsspielraum des Verwenders der Designstücke. Design versteht sich im Grundverständnis als alltagstauglich. Einen Anspruch, den ein Werk der bildenden Kunst nicht erhebt. Es wirkt für sich. Ähnlich verhält es sich im Bereich der Sprachwerke. Grundsätzlich sind diese auch durch die „Kleine Münze“ geschützt. Als Ausnahme wird im Bereich der Werke, die einem Gebrauchszweck dienen, ein deutliches Überragen der Gestaltungsfähigkeit gegenüber dem Durchschnitt gefordert.7 So sind Werktitel sehr kurze Sprachwerke. Sie bestehen aus nur einem oder wenigen Worten. Ein Urheberrechtsschutz ist zwar möglich, wegen der häufig geringen Gestaltungshöhe aber selten. Hier kommt aber ein markenrechtlicher Schutz gem. §§ 5, 15 MarkenG in Betracht.8 Die Gestaltungshöhe für Werke der Baukunst ist erreicht, sofern das Ergebnis nicht nur auf rein handwerklichem oder routinemäßigem Schaffen beruht. Bei Bibliotheksbauten ist daher regelmäßig von einem Urheberwerk auszugehen. Denn selbst bei einer Gestaltung im Sinne eines vorgegeben Corporate Designs handelt es sich wegen der regelmäßig anderen Raumsituation um Einzelwerke. Dies gilt sowohl für Ergebnisse der Außen- wie der Innenarchitektur. Nichtelektronische Datenbanken genießen nur dann urheberrechtlichen Schutz, wenn die Ordnungsprinzipien über die Zweckmäßigkeit oder Üblichkeit hinausgehen. Gängige nicht schutzfähige Ordnungsprinzipien wie alphabetische, numerische oder chronologische Anordnungen genügen demnach nicht. Daher ist die rein alphabetische Anordnung in einem Telefonbuch nicht ausreichend. Einen Schutz genießt aber eine Bibliothek, die nach einer gängigen bibliothekarischen Systematik z.B. der 5 BGH, GRUR 1995, 581, 582 (Silberdistel); BGH, GRUR 1981, 267, 268 (Dirlada). 6 BGH, GRUR 1995, 581, 582 (Silberdistel). 7 BGH, GRUR 1986, 739, 740 (Anwaltsschriftsatz). A.A. OLG Nürnberg, GRUR-RR 2001, 225, 226f. (Dienstanweisung), das sich für eine Angleichung der Niveaugrenzen ausspricht. 8 Siehe Teil 2, Kap. 14 Der Bibliothekskatalog.
Schutzgegenstand des Urheberrechts
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Regensburger Verbundklassifikation aufgestellt wurde. Denn hier findet keine automatische Zuordnung z.B. nach Größe oder Gewicht der Medien, sondern eine individuelle Auswahl und Zuordnung auf Grund einer gewählten Struktur statt. Die regelmäßig erfolgende Vercutterung ist ein zusätzliches Argument. Jedoch ist die jeweils bewusste Auswahlentscheidung für eine bestimmte Standortsignatur ausreichend. Fall: Bibliothekarin B entdeckt eine Webseite, auf der Gesetze, weitere Vorschriften und maßgebliche gerichtliche Entscheidungen zum Bibliotheksrecht in Kurzform dargestellt sind. Um sich eigene Arbeit zu ersparen, kopiert sie kurzerhand die Zusammenstellung und präsentierte diese auf der eigenen Webseite. Sie ist der Auffassung, da es sich jeweils um amtliche Werke handle, brauche sie niemanden um Erlaubnis zu fragen. Lösungsskizze: Die Ansicht von B ist hinsichtlich der Erlaubnispflicht unzutreffend. Bei dem Inhalt handelt es sich um amtliche Werke, die gem. § 5 UrhG urheberrechtsfrei sind. Jedoch genießt die bewusste Auswahl mit den Kürzungen und die Zusammenstellung der Normen urheberrechtlichen Schutz. Daher hätte die durch sie vorgenommene Vervielfältigungshandlung einer Erlaubnis bedurft. Durch eine Verlinkung mit Quellenangabe und damit Offenlegung, wer sich tatsächlich die Mühe der Auswahl und der Zusammenstellung gemacht hat, hätte sie den urheberrechtlichen Fehlgriff vermieden.
Persönliche Schöpfung
Urheberrechtliches Geistiger Werk Form Gehalt Gestaltungshöhe
Abbildung 3: Urheberrechtliches Werk.
Die Gestaltungshöhe erfordert eine individuelle Gestaltung. Obwohl an die Individualität der Schöpfung keine hohen Anforderungen gestellt werden, muss ein Gestaltungsspielraum genutzt worden sein.9 Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs genügt hierfür schon ein reines Sammeln, Einteilen oder Anord-
9 Schack: a.a.O., § 9 Rn 192.
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
nen.10 Dieses Kriterium wird beispielsweise von einem Katalog erfüllt. Nicht zu den individuellen Gestaltungen gehören reine handwerkliche oder mechanische Leistungen, die sich nicht vom Üblichen abheben. Die Gestaltungshöhe ist als eine abstrakte Einstufung zu verstehen. Sie ist keine positive Bewertung des Werks wie nützlich, ästhetisch oder gar wünschenswert. Selbst politische Hetzschriften, die als verfassungswidrige Propagandamittel einzuordnen sind, können ein Urheberwerk sein. In solchen Fällen ergibt sich das Verbreitungsverbot dieser Schriften aus strafrechtlichen Gründen. Die Individualität i.S.d. Urheberrechts ist vom „original works of authorship“ zu trennen. Original bedeutet im US-amerikanischen die Eigenständigkeit der Leistung als Abgrenzung zur Kopie.11 Vom Schutz ausgeschlossen sind nicht als solches wahrnehmbare Konstrukte. Dazu gehören Ideen, Erkenntnisse, Informationen, Methoden und Konzepte. Ebenfalls sind Ideen, die einem Computerprogramm zu Grunde liegen, gem. § 69a Abs. 2 S. 2 UrhG nicht schutzfähig. Gegebenenfalls kann deren Übernahme aber unlauter im Sinne des Wettbewerbsrechts sein. Darüber hinaus kann ein Schutz durch ein berechtigtes Vertrauen auf einen Vertragsabschluss des Schöpfers der Idee mit einem Dritten bestehen, wenn dieser die Idee verwirklicht, ohne den Schöpfer daran zu beteiligen.12 Vor allem die Forscheridee, die wissenschaftliche Lehre und die Erkenntnis sind bewusst freigelassene Räume – auch dann, wenn der Weg zum Ergebnis sehr arbeitsintensiv und fortschrittlich ist.13 Ein urheberrechtlicher Schutz ist in diesen Fällen nur wegen der konkreten Darstellungsform möglich. Fachsprachen kennen typische Formulierungen und Formen. Dies wirkt sich als Erschwernis für eine individuelle Gestaltung aus. Beispiel: Der Vortrag von Dozent D inspiriert Schriftsteller S zu einem Roman. S übernimmt nur die Ideen aus dem Vortrag, verwendet aber einen völlig anderen Sprachstil. Da der Roman sehr erfolgreich vermarktet wird, meldet sich D und will an dem Erfolg des S partizipieren, da es im Grunde die Ideen des D gewesen seien. Lösungsskizze: Da die reinen Ideen nicht geschützt sind, hat D keinen urheberrechtlichen Anspruch auf Teilhabe.
Eine Leistung muss nicht vollendet sein, um Urheberrechtsschutz zu genießen. Notwendig ist lediglich, dass die oben genannten Kriterien der Schöpfung wahrgenommen werden können.14 Das gleiche gilt auch für Werkteile. Sie sind ebenfalls 10 BGH, GRUR 1980, 227, 230 (Monumenta Germaniae Historica); BGH, GRUR 1978, 704, 706 (WarenZeichen Lexika). 11 Schack: Urheber- und UrhebervertragsR, § 9 Rn 191. 12 Schack: a.a.O., § 9 Rn 194. 13 Schack: a.a.O., § 9 Rn 195; BGHZ 94, 276, 285 (Inkasso-Programm); OLG Hamburg, GRUR-RR, 2004, 285, 286f. (Markentechnik). 14 Wandtke: a.a.O., 2. Kap. Rn 2.
Schutzgegenstand des Urheberrechts
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geschützt, sofern sie für sich allein betrachtet eine persönliche, geistige Schöpfung darstellen. Nicht geschützt sind hingegen reine Ausschnitte, die nur im Zusammenhang mit anderen Elementen wirken. Unerheblich für den urheberrechtlichen Schutz ist der Zweck des Werks, der zeitliche bzw. der finanzielle Aufwand und welche Qualität dem Werk zukommt. Fall: Beim Stadtfest veranstaltet die Stadtbibliothek S eine Kinderbetreuung mit einem Malwettbewerb. Von allen eingereichten Bildern sollen 40 Stück ausgewählt und drei Monate lang in der Galerie der Stadtbibliothek ausgestellt werden. Da die Aktion sehr erfolgreich verläuft, nimmt die Leiterin der Stadtbibliothek L die Bilder und gibt einen Bildband über die Ausstellung heraus. In diesem ist auch großformatig die Zeichnung der sechsjährigen Tochter T des Ehepaars E abgebildet. Als das Ehepaar E davon erfährt, sind sie empört. Sie hätten zwar die Zustimmung zur Präsentation in der Galerie gegeben, nicht aber zur Verwendung in dem Bildband. Zudem sei ihre Tochter bei dem vom Verlag gezahlten Autorenhonorar übergangen worden. L ist der Ansicht, dass sie bei Kinderzeichnungen nicht um Erlaubnis fragen müsse. Da sie die eigentliche Arbeit gehabt habe, stehe ihr das gesamte Honorar zu, welches vom Verlag gezahlt wurde. Lösungsskizze: Urheberin an der Zeichnung ist die Tochter T. Ihre Minderjährigkeit ist hierfür unerheblich. Die Aufnahme der eigenen Zeichnung in einen Bildband bedarf der Zustimmung der Rechteinhaberin T. Soweit in die der T zustehenden Verwertungsrechte eingegriffen wird, entscheiden die Eltern als gesetzliche Vertreter über die erforderliche Zustimmung. Hier wurde die Zustimmung nur für das Ausstellungsrecht erteilt. Das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht ist davon unabhängig. Dieses hätte L vor der Verwertung der Bilder in einem Bildband einholen müssen. L hat das in voller Kenntnis und Bewusstseins der Umstände das Vervielfältigungsrecht der T vorsätzlich verletzt und ist daher schadensersatzpflichtig. Dass L als Verlegerin selbst Rechte an dem Sammelband erworben hat, steht den Schadensersatzansprüchen nicht entgegen.
Soweit ein Computerprogramm das Ergebnis einer eigenen geistigen Schöpfung und ein individuelles Werk ist, wird es gem. § 69a UrhG geschützt. Durch die Möglichkeiten des Mediums Internet sind eine ganze Reihe von neuen Nutzungsmöglichkeiten entstanden. Ob diesen ein urheberrechtlicher Schutz zukommt, ist im Einzelfall zu prüfen. Daher sind hier einige für das Bibliotheks- und Informationswesen relevante Beispiele herausgegriffen. Die Homepage bzw. die Webseite sind dann urheberrechtlich geschützt, wenn sie einen prägenden Gesamteindruck hinterlassen.15 Dies ist der Fall, wenn die einzelnen Elemente der Seite zu einer Gesamtheit verschmolzen sind und hierdurch eine losgelöste Betrachtung nicht mehr den Gesamteindruck erreicht.16 D.h. die Summe aller einzelnen Eindrücke ist kleiner als der Gesamteindruck. Gemäß § 2 Abs. 1 UrhG können darüber hinaus auch zusätzlich oder gesondert einzelne Teile der Webseite wie z.B. Bilder, Texte etc. geschützt sein. Liegt eine entsprechende Originalität und Individualität vor, so ist ein urheberrechtlicher Schutz bei einem Weblog/ Blog möglich. Dagegen genießen Webadressbücher wie z.B. Xing, Facebook, studiVZ etc. regelmäßig keinen urheberrechtlichen 15 Wandtke; Bullinger; Bullinger: a.a.O., § 2 Rn 136. 16 OLG Hamburg, ZUM-RD 2012, 664, 667.
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Schutz. Beim Einrichten und Ordnen von vorgefertigten Applikationen besteht kein nutzbarer Gestaltungsspielraum.17 Ein solcher ist aber urheberrechtlich erforderlich, damit ein Werkscharakter erreicht wird. Hingegen sind der nutzbare Gestaltungsspielraum sowie der sonstige urheberrechtliche Werkcharakter bei der Erstellung eines YouTube-Videos vorhanden. Wegen seiner Struktur als Konglomerat wirkt es zunächst überraschend, dennoch ist das Multimediawerk als eigenständige Werkart anerkannt. Es handelt sich um eine tatsächliche Gestaltungsart und nicht um einen Rechtsbegriff. Dabei liegt die eigentliche Gestaltung in der Verbindung und Kombination bestehender Werke.18 Zum besseren Verständnis sei darauf hingewiesen, dass das Urheberrecht als Immaterialgüterrecht nicht zwischen elektronischen und nichtelektronischen Formen des Werks unterscheidet, wie dies im Bibliotheks- und Verlagswesen geschieht. Vielmehr erfolgt eine Differenzierung zwischen „körperlichen“ und „nicht-körperlichen“ Formen sowie “erschienen“ und „nicht erschienen“. Diese Begriffspaare haben lediglich Schnittmengen, sind aber keinesfalls deckungsgleich. Beispielsweise können elektronische Medien als Onlinepublikation eine nicht-körperliche Form und als CD, DVD, Blue Ray etc. eine körperliche Form besitzen. Bei der Frage nach den Schrankenregelungen wird dagegen die Unterscheidung zwischen analoger also regelmäßig gedruckter Form und der digitalen Form vom Gesetzgeber getroffen. Viele hochschulund bibliotheksbezogene Anwendungsfällen der §§ 60a-f UrhG erfolgen nach wie vor gemäß dem Grundsatz der Gleichsetzung von analogen und digitalen Medien.
17 Wandtke: a.a.O., 2. Kap. Rn 20; BGH GRUR 2017, 266, 273 (World of Warcraft I). 18 Wandtke: a.a.O., 2. Kap. Rn 20.
3 Verfassungsrechtliche Grundlagen Sowohl um ihre Bedeutung zu überprüfen als auch als Unterstützung bei der Auslegung, d.h. bei der Bedeutungsfindung in Einzelfragen, wird bei Ansprüchen und Rechtspositionen die Frage nach der ranghöchsten Grundlage gestellt. Diese ist beim Urheberrecht das Grundgesetz. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Urheberrechts finden sich in den beiden Säulen Schutz der Urheberpersönlichkeit und der Eigentumsgarantie. Die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Bestandteile leiten sich von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ab. Das Urheberpersönlichkeitsrecht äußert sich beispielsweise im Recht als Urheber genannt zu werden. Trotz des umfassenden Schutzes der Persönlichkeit gilt die allgemeine Schranke des Art. 2 Abs. 1 GG. Ansonsten wäre das Recht kaum einschränkbar.1 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein Rahmenrecht. Das gleiche gilt für das Urheberpersönlichkeitsrecht. Dies besagt, dass die Reichweite nicht absolut festgelegt ist. Vielmehr wird sie in der Auseinandersetzung mit anderen grundrechtlich geschützten Positionen bestimmt.2 Der zweite grundrechtliche Pfeiler des Urheberrechts ist die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG. Hier liegt zahlenmäßig auch der Schwerpunkt der grundrechtlichen Judikatur des Urheberrechts. Zum Eigentum nach Art. 14 GG gehört nicht nur das Urheberrecht, sondern auch die Leistungsschutzrechte als dem Urheberrecht angenäherte Rechtspositionen. Art. 14 GG verankert eine Bestands- und eine Institutsgarantie. Die Bestandsgarantie besagt, dass die entsprechenden Rechte nach dem Tätigwerden des Gesetzgebers nur unter besonderen Voraussetzungen beschnitten werden können. Zu den besonderen Voraussetzungen gehören das Vorliegen von sachlichen Gründen und eine erfolgreiche Prüfung der Verhältnismäßigkeit.3 Da es sich beim Urheberrecht nicht um ein Naturrecht, sondern um den Willen des Gesetzgebers handelt, ist die Begründung der Institutsgarantie komplexer.4 Der grundrechtlichen Kernbereich des Urheberrechts ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts „die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber im Wege privatrechtlicher Normierung und seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können“.5 Damit wird dem Urheber eine dem § 903 BGB grundsätzlich vergleichbare Sachherrschaft zugebilligt.6 Hieraus ergibt sich für die Interessenabwägung und die Prüfung der Verhältnismäßigkeit, dass das Ausschließlichkeitsrecht der Regelfall und die Nutzungsfreiheit durch Dritte die Ausnahme sind.7 Daher fallen wissenschaftliche Arbeiten als
1 Schack: Urheber- und UrhebervertragsR, § 5 Rn 90; Jarass, NJW 1989, 857. 2 Wandtke: a.a.O. 1. Kap. Rn 68. 3 BVerfGE 31, 275, 289f., 294; Schack: a.a.O., § 5 Rn 91. 4 Schack: a.a.O., § 5 Rn 92. 5 BVerfGE 31, 229, 240 f. seitdem ständige Rechtsprechung. 6 Schack: a.a.O., § 5 Rn 93. 7 Schack: a.a.O., § 5 Rn 93. https://doi.org/10.1515/9783110707588-005
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solche nicht unter den Urheberrechtsschutz. In den Naturwissenschaften und der Technik führt die Wissenschaftssprache zudem dazu, dass eine individuelle Gestaltung nur in engen Grenzen möglich ist.8 Soweit es die wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten angeht, dient in diesem Teilbereich der gewerbliche Rechtsschutz mit Patent-, Gebrauchsmuster-, Topografien- und Sortenschutzrecht der Berücksichtigung der Interessen des Entwicklers. Auch Informationen und Fakten sind nicht urheberrechtsfähig. Daher können Regelwerke nicht wegen der Information an sich, sondern nur wegen der Zusammenstellung oder der Form urheberrechtlich schutzfähig sein.9 Um dennoch den Schutz zu Gunsten gelegentlich umfangreicher Entwicklungen auszudehnen, ist nicht nur das fertige Werk, sondern gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG auch der Entwurf unter Schutz gestellt. Solange die schöpferische Eigenart des Urheberwerks erkennbar bleibt, wirken sich vorherige Kapazitätsbeschränkungen wie Seitenanzahl, Raum, Zeit, Finanzmittel nicht auf die Frage aus, ob ein Urheberwerk entstanden ist. Entscheidend ist nicht der Wunsch des Schöpfers nach Ressourcen, sondern seine bewusst ausgeführte finale Handlung. Diese kann aus auch in einem künstlerisch gesehen halbfertigen Werk, einer Skizze oder einem Entwurf bestehen. Wie dieses zur zu Grunde liegenden Idee steht, ist eine Frage nach den Verwertungsrechten, insbesondere des Veröffentlichungsrechts. Erfolgen die Kapazitätsbeschränkungen nachträglich, z.B. Beschränkung der Zeilenzahl für einen Zeitschriftenartikel, Sprachgebrauch etc., so liegt eine Bearbeitung bzw. der Wunsch nach einer Bearbeitung des bereits entstandenen Werks vor. Eine Besonderheit des Geistigen Eigentums, wozu auch das Urheberrecht gehört, ist die Fähigkeit sich trotz Nutzung nicht substanziell zu verbrauchen. Diese Fähigkeit wird Ubiquität genannt. Damit ist eine gleichbleibende Nutzung unabhängig von Zeit und Raum möglich. Eine eventuelle Marktsättigung oder ein Bedürfniswechsel zählen nicht als Verbrauch. Denn hier sinkt nicht das Angebot wie beim Verbrauch üblich, sondern die Marktsättigung führt zu einem Sinken der entsprechenden Nachfrage. Das Recht an einem Geistesgut ist streng von seiner Verkörperung zu trennen.10 Das sichtbare Werkstück ist nur die körperliche Erscheinungsform. Daher ist das Urheberrecht auch unabhängig von der körperlichen Existenz des Werkstückes. Soweit es sich bei dem Werkstück um einen körperlichen Gegenstand handelt, unterliegt er dem Sachenrecht. Das Eigentum am Werkoriginal und das Urheberrecht sind voneinander unabhängig und stehen selbstständig nebeneinander.11 Erwirbt beispielsweise jemand ein Buch, so gewährt ihm das Sachenrecht die Freiheit, das Buch intensiv zu lesen, es in einen Tresor zu legen oder dem Altpapier zuzuführen. Hier ist nur das jeweilige Exemplar des Buches mit relativ alltäglichen Handlungen 8 Schack: a.a.O., § 9 Rn 195. 9 Schack: a.a.O., § 9 Rn 195; OLG Frankfurt/M, ZUM 1995, 795, 796 (Golfregeln). 10 Schack: a.a.O., § 2 Rn 34. 11 BGHZ 62, 331, 333 (Schulerweiterung).
Verfassungsrechtliche Grundlagen
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betroffen. Dagegen verwehrt ihm das Urheberrecht grundsätzlich, das Buch über die erhaltenen Benutzungsbefugnisse hinaus zu vervielfältigen oder zu verfilmen. Diese Rechte wurden nicht mit dem Kauf eines Werkexemplars mitübertragen. Gegenstand der Veränderung ist hier nicht nur ein Exemplar, sondern das Werk in seiner Gesamtheit. Ausnahmsweise kann eine Einwirkung auf ein Werkexemplar auch das Urheberrecht betreffen. In solchen Fällen wirkt ein und dieselbe Handlung auf das Exemplar und auf das Urheberwerk gleichzeitig ein. Wird beispielsweise die physische Vernichtung eines Buches öffentlich wirksam zelebriert, so ist nicht nur das physische Buch, sondern auch das Geisteswerk betroffen. Daher kann eine solche publikumswirksame Vernichtung von Werkexemplaren durch den Urheber wegen des ihm zustehenden Urheberpersönlichkeitsrechts untersagt werden. Beispiel: Die F-Vereinigung sieht sich in sehr progressiver Weise einem selbstdefinierten gesellschaftlichen Fortschritt verpflichtet. Daher ist ihr alles Traditionelle und Herkömmliche verhasst. Eine besondere Abneigung der F besteht gegenüber dem erfolgreichen Autor A, der in seinen Werken mit hoher Auflagenzahl traditionelle Ansichten vertritt. Um dem entgegenzutreten, führen die Anhänger der F an zehn Orten gleichzeitig ein öffentliches Bücherzerreißen unter dem Ausrufen der Autorennamen durch. Darunter sind auch die Werke des A. Die Bücher wurden zuvor von Mitgliedern der F in einer Buchhandlung erworben. Lösungsskizze: Als Eigentümer von zehn Werkexemplaren des A können die Mitglieder der F an sich frei über ihr Eigentum verfügen. Daher haben sie auch die Befugnis, die zehn Exemplare zu vernichten. Wegen der hohen Auflagenzahl besteht das Werk in seiner verkörperten Form auch nach Vernichtung der zehn Exemplare fort. Durch das öffentliche Zelebrieren der Vernichtung der Werkexemplare wurde A jedoch in seinem Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt. Denn die Art der Aktion richtet sich nicht nur gegen die zuvor erworbenen physischen Exemplare, sondern auch und vor allem gegen das Geisteswerk des A. Darüber hinaus wurde A ebenfalls in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
Die in Art. 14 GG normierte Sozialbindung des Eigentums führt zu einem sozialen Leitgedanken im Urheberrecht. Diese Komponente zu Gunsten der Allgemeinheit bedeutet die generelle Möglichkeit des Zugangs zu den Werken. Beispiele hierfür sind die freie Benutzung gem. § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG, die Vervielfältigungsmöglichkeiten zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch gem. § 53 UrhG etc. Nicht entnehmen lässt sich der Sozialbindung, dass der Zugang unentgeltlich sein muss.12 Vielmehr hat der Gesetzgeber dem Urheber, wenn die Nutzung der Werke über das wegen der sozialen Bindung zu tolerierende Maß hinausgeht, regelmäßig einen Vergütungsanspruch zu gewähren.13 Damit sich das Interesse der Öffentlichkeit auch auf einen kostenfreien Zugang erstreckt, müssen weitere wesentliche Gründe hinzutreten.14 Die häufig leichtere Zugriffsmöglichkeit gegenüber materiellen Gütern 12 Schack: Urheber- und UrhebervertragsR, § 5 Rn 94. 13 BVerfGE, GRUR 1980, 44, 46 (Kirchenmusik). 14 BVerfGE 31, 229, 243; 49, 382, 400; 79, 29, 41 (Vollzugsanstalten), BGHZ 141, 13, 36; Schack: a.a.O., § 5 Rn 94.
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ist ein charakteristisches Merkmal des geistigen Eigentums. Sie ist jedoch kein Grund für eine höhere Sozialbindung.15 Dies gilt auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur kostenfreien Literatur für Strafgefangene.16 Neben der Erörterung des Urheberrechts als Eigentumsrecht gem. Art. 14 GG mit Rechten und Pflichten sowie der Auseinandersetzung zwischen dem Eigentumsrecht des Urhebers und dem Eigentumsrecht am physischen Exemplar kommt es zu weiteren Berührungspunkten mit Grundrechten. Aus Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 GG leitet sich ein Anspruch für jedermann auf Teilhabe am kulturellen Leben in der Bundesrepublik Deutschland ab.17 Beim Aufeinandertreffen von Urheberrecht und Kunstfreiheit sind zwei Grundkonstellationen möglich. Ein Konfliktherd sind die Schrankenregelungen gem. §§ 44a ff. UrhG. Das Grundrecht auf Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG kann, muss aber nicht Vorrang vor dem geistigen Eigentum gem. Art. 14 GG haben. Die Kunstfreiheit wird als Werk- und Wirkbereich geschützt. Jedoch gilt, dass weder die Kunstfreiheit noch das Urheberrecht uneingeschränkt gewährleistet werden. Treffen grundrechtlich geschützte Positionen aufeinander, so gilt zum Schutz der Grundrechte eine enge Auslegung der Schrankenbestimmungen. Liegen besonders schützenswerte Interessen vor, so kann dies zur Annahme eines großzügigeren Maßstabs führen.18 Die besonderen Umstände führen jedoch auch dazu, dass das veröffentlichte Werk nicht mehr ausschließlich seinem Inhaber zur Verfügung steht. Es wird von einer Lösung aus der privatrechtlichen Verfügbarkeit hin zu einem geistigen und kulturellen Gemeingut gesprochen.19 Das Gemeingut kann wiederum von Bedeutung für die Kunst- und Literaturproduktion sein. Zugunsten der Kunstfreiheit kann ein Eingriff in das Urheberrecht dann gerechtfertigt sein, wenn dem Urheber „kein merklicher wirtschaftlicher Nachteil“ erwächst.20 Der zweite Fall einer möglichen Kollision betrifft Kunstformen. Hier geht es um das Stellen einer Auseinandersetzung des früheren Werks mit der Kunst. Beispiele hierfür sind Satire, Parodie und Pastiche. Durch Art. 5 Abs. 3 GG wird das Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers, selbst über das Werk und seine Verbreitung zu bestimmen, erfasst.21 Art. 5 Abs. 1 GG schützt nicht nur das Werk an sich, sondern
15 Schack: a.a.O., § 5 Rn 94. 16 BVerfGE, GRUR 1989, 137. (Vergütungsanspruch Vollzugsanstalt); Schack: a.a.O., § 5 Rn 94. 17 Schack: a.a.O., § 1 Rn 16; vgl. Maihofer in: Benda: Handbuch des Verfassungsrechts der BR Deutschland, 1994, § 25. 18 BVerfG, MMR 2012, 177 (Kunstausstellung im Onlinearchiv); BVerfG, GRUR 2001, 149, 151 (Germania 3); BGH, GRUR 2002, 605, 606 (Verhüllter Reichstag). 19 BVerfG, NJW 1992, 1307. 20 BVerfG, ZUM 2000, 316, 318. 21 Schack: a.a.O., § 5 Rn 96. Enger hingegen die Formulierung in BVerfGE 31, 229, 238.
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auch die Verbreitung der Kunst.22 Ein entsprechender Wirkungsbereich ist für die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Kunst essenziell. Daher hat sich der Gesetzgeber entschlossen, das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe eines Werkes zum Zwecke der Satire, Parodie und Pastiche klarstellend in § 51a S. 1 UrhG zu regeln. Hier erfährt das Verbreitungsrecht eine besondere grundrechtliche Stärkung. Beim Urheberrechtsgesetz handelt es sich um ein allgemeines Gesetz im Sinne der in Art. 5 GG normierten Meinungsfreiheit. Denn das Urheberrechtsgesetz ist nicht meinungsspezifisch. Daher ist ein erfolgreiches Berufen auf die Meinungsfreiheit bei der nicht autorisierten Weitergabe von Urheberwerken nicht möglich. In Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ist die Informationsfreiheit festgeschrieben. Sie ist das Recht sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Dies ist eine der Schnittstellen mit der Sozialgebundenheit des Urheberrechts als geistiges Eigentum nach Art. 14 GG.23
22 BVerfGE 30, 173, 189, 191 (Mephisto); 36, 321, 331 (Tonträgerhersteller). In Abgrenzung dazu BVerfG, GRUR 2005, 880, 881 (Xavier Naidoo). 23 EuGH, ZUM-RD 2006, 495, 500; Wandtke: a.a.O., 1. Kap. Rn 76.
4 Urheberwerke Klassischer Gegenstand des Urheberrechts sind Sprachwerke. Sie sind als Werkart in § 2 Abs. 1 UrhG aufgeführt. Dabei wird klargestellt, dass es nur auf das sprachliche Ausdrucksmittel und nicht auf dessen Fixierung auf ein Medium ankommt.1 Kennzeichen der Sprache ist der Transport von Inhalten. Hierzu dienen nicht nur Worte, sondern auch Zeichen, Symbole, Zahlen und alphanumerische Kombinationen.2 Geschützt wird das Werk in seiner konkreten Gestalt, nicht aber die investierte Arbeit oder die Idee an sich. Der Umfang des Schriftwerks ist nicht entscheidend. Das geht so weit, dass das Urheberrecht als sogenannte „Kleine Münze“ auch Sprachwerke wie Adressbücher, Formulare3 und ausschließlich wegen der Gestaltung auch Bedienungsanleitungen und Multiple-Choice-Klausuren als Sprachwerke betrachtet. Dagegen stellt die Rechtsprechung bei der Frage nach der Individualität von wissenschaftlichen Werken4 und Briefen relativ hohe Anforderungen. So sind nach Ansicht des Bundesgerichtshofes routinemäßige Arbeiten nicht urheberrechtlich geschützt. Es wird ein heraushebendes Element verlangt, das diese Schriftstücke von alltäglichen Vorgängen unterscheidet. Maßstab ist daher die jeweils artgleiche Umgebung. Dabei ist es unerheblich, ob der Verfasser berühmt ist oder der Inhalt von einem besonderen politischen oder geschichtlichen Interesse ist.5 Auch der finanzielle Wert der Information an sich führt zu keiner anderen rechtlichen Betrachtung. So sind Grafiken wie Tabellen und Diagramme regelmäßig nicht geschützt, wenn sie einem üblichen Aufbau folgen. Musik ist eine komponierte Folge von Tönen, die dem Hörer ein akustisches Erlebnis vermitteln soll.6 Neben dem vollständigen Musikwerk genießt auch ein Teilwerk urheberrechtlichen Schutz, sofern eine Individualität gegeben ist. Bei Werken der bildenden Künste ist das ästhetische Empfinden des Betrachters unerheblich. Es ist auch unabhängig vom Inhalt des Werks. Denn es entsteht auch dann, wenn die Ausübung einzelner oder aller Verwertungsrechte sitten- oder gesetzeswidrig ist.7 Beispielsweise kann ein Werk der bildenden Kunst Urheberrechtsschutz genießen und gleichzeitig dessen Herstellung wegen Beleidigung gem. § 185 StGB unter Strafe gestellt werden.8 Ebenso können Werke der Baukunst unter den Urheberrechtsschutz fallen. Auch hier ist eine individuelle Gestaltung erforderlich. 1 Schack: a.a.O., § 9 Rn 201. 2 Schack: a.a.O., § 9 Rn 201. 3 RGZ 116, 292, 295 (Adressbuch); BGH, GRUR 1961, 361 (Fernsprechbuch); BGH, GRUR 1987, 166 (AOKMerkblatt). 4 BGH, GRUR 1981, 352 (Staatsexamensarbeit); BGH, GRUR 1984, 659 (Ausschreibungsunterlagen). 5 RGZ 41, 43, 49 (Richard Wagner Briefe); RGZ 69, 401, 404f. (Nietzsche Briefe). 6 Schack: a.a.O., § 9 Rn 215. 7 Schack: a.a.O., § 9 Rn 252; Rehbinder in: FS Dittrich: UrhR an rechts- oder sittenwidrigen Werken?, S. 243–250, 248f. 8 BVerfGE 75, 369 (Franz Josef Strauss); BGH, NJW 1990, 3026f. (Opus Pistorum). https://doi.org/10.1515/9783110707588-006
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Bei Schriftzeichen hat die Rechtsprechung regelmäßig einen Urheberrechtsschutz verneint.9 Schriftzeichen werden über § 61 Designgesetz geschützt. Neben einem Ausstellungskatalog kann auch eine Ausstellung ein eigenständiges Werk darstellen und damit urheberrechtlich geschützt sein. Jedoch genügt eine bloße Auswahl und Anordnung von Elementen noch nicht, um als urheberrechtlich relevant angesehen zu werden. Es bedarf eines Konzepts, das in der Auswahl und Anordnung seine Form findet.10 Nicht alle Werke lassen sich einheitlich zuordnen. Filmwerke sind ein Beispiel für eine Sammlung von einzelnen Rechten, die einer gesonderten Betrachtung bedürfen. Hier sind mehrere Unterscheidungen vorzunehmen. So ist das dem Filmwerk zu Grunde liegende Drehbuch oder der zu Grunde liegende Roman als ein selbstständiges Werk zu betrachten. Das gleiche gilt für die Filmmusik. Selbst dann, wenn die Filmmusik eigens für den Film erstellt wurde. Trotz des funktionalen Zusammenhangs und einer partiellen Konzentrationswirkung durch § 89 Abs. 1 S. 1 UrhG findet eine getrennte rechtliche Bewertung gem. § 89 Abs. 3 UrhG statt. Diese Werke sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 UrhG rechtlich selbstständig. Dabei geht die Wirkung in beide Richtungen. Einerseits ist bei der Verwendung der Vorlage eigens das erforderliche Recht einzuholen. Andererseits wird der Autor der Filmvorlage nicht Miturheber des Films. Weiterhin ist das Urheberrecht für das Filmwerk zu berücksichtigen. Schließlich erfolgt der Schutz des Filmträgers als Leistungsschutzrecht des Filmherstellers gem. § 94 UrhG. Im Gegensatz zu Filmwerken sind Laufbilder nach § 95 UrhG reine Bildfolgen ohne Werkqualität. Ihnen fehlt die für Filmwerke notwendige persönliche geistige Schöpfung. Bei einer Verwertung einzelner Bilder aus einem Film heraus, z.B. als Poster, kann das Bild als Lichtwerk und bei hinreichender Gestaltung als Lichtbildwerk geschützt sein.11 Der urheberrechtliche Schutz richtet sich nicht nach der technischen Umsetzung mit dem das Lichtbildwerk oder das Lichtbild erstellt wurde. Ob es sich um einen gedrehten Film oder um eine Computeranimation handelt, ist unerheblich. Eine weitere Sammlung von Werken mit einem einheitlichen Auftritt ist das Multimediawerk. Dabei wird das Multimediawerk als neue Werkart angesehen.12 Charakteristisch für Multimediawerke ist das Verschmelzen von Sprache, laufenden Bildern, Ton und Computerprogrammen mit einer Verbreitungsmöglichkeit über globale Datennetze zu einer Einheit.13 Urheberrechtlich ist die neue Technologie als solche nicht relevant. Entscheidend ist die neue Art der Nutzung. Multimediawerke bieten die Möglichkeit einer interaktiven Mitgestaltung durch den Benutzer. Dies ist eine neue Nutzungsart im Sinne des Urheberrechts. 9 BGHZ 209, 216ff. (Europapost); OLG München, NJW-RR 1989, 1191, 1192 (Die Grünen). 10 LG München I, ZUM-RD 2003, 492, 499f. (Im Land der Königinnen von Saba). 11 BGHZ, 9, 262, 268 (Lied der Wildbahn I); BGHZ 90, 219, 222ff. (Filmregisseur); Schack: Urheberund UrhebervertragsR, § 9 Rn 244. 12 Schack: a.a.O., § 9 Rn 248. 13 Schack: a.a.O., § 9 Rn 248.
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Das Urheberrecht entsteht durch die Werkschöpfung, also einen Realakt, und setzt keinen spezifischen, planmäßigen Willen etwas zu schaffen voraus.14 Um aber nicht jedem Zufallsprodukt einen urheberrechtlichen Schutz zuzubilligen, ist zumindest das Mitbewusstsein, etwas zu gestalten, erforderlich. Das Urheberrecht entsteht ohne die Erfüllung von formalen Voraussetzungen. Damit unterscheidet es sich von den gewerblichen Schutzrechten, die regelmäßig eine Anmeldung als notwendige Voraussetzung kennen. Der Verzicht auf Registrierungsnotwendigkeiten ist Ausfluss der sozialen Funktion des Urheberrechts. Somit hat das Bestehen oder Fehlen des Copyrightzeichens keine rechtlichen Konsequenzen. Psychologisch kann dem Zeichen hingegen eine Warnfunktion zukommen, dass der Inhaber Willens ist, von seinen Rechten Gebrauch zu machen. Da das Urheberrecht automatisch durch die Werkschöpfung entsteht, fallen keine besonderen Kosten an. Auch dies ist ein Ausdruck der sozialen Funktion des Urheberrechts. Diese Art der Entstehung hat andererseits zur Folge, dass auch keine Verlängerung des Schutzrechts wie beim Patentrecht möglich ist. Das Urheberrecht wirkt vielmehr nur für die vorgesehene Zeit. Ebenso entsteht das Urheberwerk in der Schweiz gem. URG Art. 2 i.V.m Art. 29 Abs. 1 und in Österreich gem. § 1 Abs. 1 öUrhG mit der Schöpfung. Gemäß der für das deutsche Urheberrecht geltenden herrschenden monistischen Auffassung sind eine Übertragbarkeit oder ein Verzicht auf das Urheberrecht ausgeschlossen. Dagegen kann das dingliche Werkstück vernichtet werden, nicht aber das Urheberrecht. Ebenfalls entfällt die Aufgabemöglichkeit von Besitz und Eigentum wie gem. § 959 BGB im Sachenrecht. Daher gibt es auch kein herrenloses Urheberrecht. Die einzige Ausnahme ist der Verzicht des Miturhebers auf seinen Anteil an den Verwertungsrechten zu Gunsten eines anderen Miturhebers gem. § 8 Abs. 1 UrhG. Dabei bezieht sich der Verzicht nur auf die Verwertungsrechte, nicht aber auf das einmal entstandene Urheberpersönlichkeitsrecht. Auf Grund seiner dogmatischen Herkunft als von der Rechtsordnung geschaffenen Gebiets, können Abgrenzungen zwischen den als urheberrechtsfähig anerkannten Werken und sonstigen Schöpfungen vergleichsweise einfach durch Definition vorgenommen werden. Nach § 5 UrhG sind amtliche Werke vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen und somit gemeinfrei. Was unter amtlichen Werken zu verstehen ist, ist in § 5 Abs. 1 UrhG legaldefiniert. Die gesetzliche Einordnung und Feststellung als gemeinfrei geht in ihrer Wirkungsweise deutlich über die Schrankenregelungen hinaus. Denn in den §§ 44a ff. UrhG sind einzelne Verwertungsrechte lediglich in ihrem Wirkungskreis vermindert. Bei der Erklärung als gemeinfrei wird dem Informationsinteresse vollständigen Vorrang gegenüber den Rechten des Werkschöpfers eingeräumt. Grund dafür ist ein überragendes öffentliches Interesse an der ungehinderten Verbreitung und Nutzung der amtlichen Werke. Somit soll hier jedes Monopol mittels Urheberrecht ausgeschlossen werden. Im Hinblick 14 Schack: a.a.O., § 9 Rn 251.
Urheberwerke
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auf Piktogramme oder sonstige Zeichen gilt der Rechtsgedanke in den entsprechenden Fällen auch für das Design- und für das Markenrecht. Dahinter steht der Gedanke, dass sich niemand auf rechtliche oder finanzielle Gründe berufen können soll, eine für ihn einschlägige öffentlich-rechtliche Rechtsnorm nicht kennen zu können. Daher ist von einem weiten Verständnis der Amtlichkeit auszugehen. Es gilt der objektive öffentlich-rechtliche Amtsbegriff. Danach bedeutet amtlich, dass das Werk von einer Behörde oder einer beliehenen Institution mit Verwaltungskompetenz und Hoheitsbefugnissen stammt.15 In § 5 UrhG werden zwei verschiedene Arten von amtlichen Werken genannt. Gemeinfrei sind die in § 5 Abs. 1 UrhG Rechtsnormen, Bekanntmachungen und Entscheidungen mit amtlich verfassten Leitsätzen. Rechtsnormen setzen einen zu regelnden Inhalt voraus.16 Nach hM sind hier Gesetze im materiellen Sinne i.S.d. § 2 EGBGB einschließlich des normativen Inhalts von Tarifverträgen gemeint.17 Soweit amtliche Werke als Verlagserzeugnis oder in einer Datenbank erscheinen genießen sie auf Grund der Publikationsform Schutz. Daher kann der Inhalt zwar manuell übernommen werden, das Anfertigen einer identischen Kopie ist hingegen ohne ausdrückliche Zustimmung des Rechtsinhabers untersagt. Privatrechtliche Allgemeine Geschäftsbedingungen fallen nicht in den Anwendungsbereich von § 5 Abs. 1 UrhG. Das gilt auch dann, wenn die Allgemeinen Deutschen Speditionsbedingungen als Nachricht im Bundesanzeiger veröffentlicht wurden.18 AGBs in diesem Sinnen sind unter anderem: DIN-Normen,19 Verdingungsordnungen für Bauleistungen,20 Allgemeine Deutsche Speditionsbedingungen. DIN-Normen können zu amtlichen Werken werden. Notwendig ist hierfür eine wörtliche Wiedergabe. Seit der Einfügung durch § 5 Abs. 3 UrhG genügt hierfür eine einfache Bezugnahme nicht mehr.21 Wegen der überragenden Bedeutung der DIN-Normen ist gem. § 5 Abs. 3 S. 2 UrhG eine Zwangslizenz möglich. Nicht zu den amtlichen Werken gehören Prüfungsunterlagen bzw. die erstellten Arbeiten z.B. Bachelorarbeit, Klausuren aus einer Staatsexamensprüfung etc. Aus dem Einsatzgebiet bzw. der Hinführung zu einem staatlich anerkannten akademischen Grad oder einer Berufsbezeichnung kann keine Freiheit von einem urheberrechtlichen Schutz abgeleitet werden. Vielmehr steht dem jeweiligen Verfasser der Materialien urheberrechtlicher Schutz zu. Die Teilnahme an Prüfungsverfahren ist urheberrechtlich jedoch als Einwilligung zur Korrektur an 15 BGH GRUR, 1984, 117, 118 (VOB/C); BGH, GRUR 1982, 37, 40 (WK-Dokumentation). 16 BGH, GRUR 2007, 137, 138 (Bodenrichtwertsammlung) – Im betreffenden Falle verneint. 17 Schack: a.a.O., § 15 Rn 580; BAG, NJW 1969, 861f.; a.A. Leydecker, GRUR 2007, 1030-1034. 18 Schack: a.a.O., § 15 Rn 580; OLG Köln, NJW-RR 2001, 1199, 1200f. (Deutsche Rechnungslegungsstandards). 19 Schulze-Hagen; Fuchs: Die Gemeinfreiheit von DIN-Normen, BauR 2005, 1–8, (2). 20 BGH, GRUR 1984, 117; Luckes, NJW 1984, 1595–1598 (VOB/C). 21 RegE BT Drucks 15/38, S. 16.
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
den jeweiligen Klausurantworten zu werten. Sämtliche Entscheidungen eines staatlichen Gerichts sind gemeinfrei. Dies gilt gem. § 173 GVG unabhängig davon, ob diese öffentlich verkündet wurden oder nicht. Um ihrer Verpflichtung zur Rechtsfortbildung nachzukommen, haben Obergerichte bedeutsame Entscheidungen für die Veröffentlichung zu fällen.22 Zu den Entscheidungen gehören Urteile, Beschlüsse und Verfügungen. Leitsätze zu Gerichtsentscheidungen sind nur gem. § 5 Abs. 1 UrhG gemeinfrei, wenn sie amtlich verfasst sind.23 Einen Schutz genießen daher die anderen privaten Leitsätze aber auch nur dann, wenn sie ausnahmsweise das Niveau einer persönlichen, geistigen Schöpfung erreichen. Werden mehrere amtliche Werke zusammengestellt, kann ein Sammelwerk i.S.v. § 4 Abs. 1 UrhG vorliegen. Dieses ist urheberrechtlich geschützt. Beispielsweise ist ein urheberrechtlicher Schutz bei der Gesetzessammlung Schönfelder oder der Entscheidungssammlung Lindenmaier/Möring zu bejahen.24 Dagegen ist die (halb)amtliche Sammlung BGHZ nicht urheberrechtlich geschützt, denn hier hat es noch keine Bearbeitung i.S.v. § 3 UrhG gegeben.25 Anderslautende Hinweise z.B. auf Titelblättern gehen daher regelmäßig fehl.26 Entsprechende Hinweise sollten dennoch für den Nichtjuristen ein Grund sein, sich entsprechenden Rat einzuholen. Die zweite Gruppe von amtlichen Werken ist eine Sammelnorm. Sie umfasst „andere amtliche Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht werden“. Ein wichtiges Anwendungsfeld sind Gesetzesmaterialien wie Entwürfe und Begründungen. Der Begriff Amt wird vom BGH i.S.d. Begriffs Behörde verstanden.27 So spricht der BGH in seiner Entscheidung vom 09.10.198628 von einem Amt als jeder „mit Verwaltungskompetenz und Hoheitsbefugnissen ausgestatteten Behörde oder beliehenen Institution“. Wenngleich nicht ohne begründeten Widerspruch ist derzeit davon auszugehen, dass das Deutsche Institut für Normen e.V. (DIN) keine beliehene Person des Privatrechts ist.29 Anerkannt ist aber, dass private Urheber amtliche Werke schaffen können. Eine Veränderung der Organisation der jeweiligen Verwaltung führt daher nicht zum Verlust des Prädikats ‚amtlich‘.30 Abweichend von den sonstigen urheberrechtlichen Grundsätzen ist es hier unerheblich, wer 22 BVerwGE 104, 105. 23 BGHZ 116, 136, 145. 24 Schack: a.a.O., § 15 Rn 583. 25 BGHZ 116, 136, 143. 26 Schack: a.a.O., § 15 Rn 583. 27 Leuze: Urheberrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, § 5 Rn 2; Katzenberger in: Schricker: a.a.O., § 5 Rn 19. 28 BGH, GRUR 1987, 166f. (AOK Merkblatt). 29 Leuze: a.a.O., § 5 Rn 2. 30 Leuze: a.a.O., § 5 Rn 2.
Urheberwerke
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diese Werke geschaffen hat. Dies kann beispielsweise auch ein beliehener Unternehmer sein. Dabei handelt es sich um eine Person, die insgesamt dem Privatrecht zugeordnet wird, in ausgewählten Fällen aber Hoheitsaufgaben übertragen bekommen hat. Entscheidend ist hier die Zurechnung zum Amt. Hierbei hat das amtliche Interesse sich auf den Inhalt und nicht nur auf den Nachdruck und die Verbreitung zu ziehen.31 Das amtliche Interesse an der Veröffentlichung von verhaltensbedingten Informationen ist wegen der staatlichen Daseinsvorsorge weit ausgelegt.32 Gegen diese Tendenz wenden sich im Schrifttum Stimmen, die eine Aushöhlung des Urheberrechts durch eine Einstufung von Schriften Privater als amtliche Schriften sehen.33 M.E. nach mindestens so relevant ist das Verblassen der tatsächlichen Quelle der Information. Damit angesprochen ist die Tarnwirkung der tatsächlichen Schöpfer des Geisteswerks, wenn sich private Einrichtungen mit ihren speziellen Interessen als andere staatliche Stellen ausgeben können. Die Einstufung als nicht amtliches Werk führt zu einem urheberrechtlichen Schutz, befreit aber von einer sonst angenommenen allgemeinen Verbindlichkeit des Inhalts.
31 BGH, GRUR 1972, 713f. 32 Schack: a.a.O., § 15 Rn 586. 33 Schack: a.a.O., § 15 Rn 586.
5 Leistungsschutzrechte Bei der Frage, ob ein Werk uneingeschränkt verwendet werden darf, ist zu berücksichtigen, dass neben dem Urheberrecht noch weitere Rechte am Werk bestehen können. Diese können bewirken, dass der Schutz des Werks auch über die zeitliche Grenze von 70 Jahren hinweggeht. In Betracht kommt hier beispielsweise ein weitergehendes Recht wegen einer Bearbeitung. Ein anderer Grund sind Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler, die ein Werk des bereits seit längerem verstorbenen Künstlers interpretieren. Die Leistungsschutzrechte sind auch unter dem Namen ‚verwandte Schutzrechte‘ bekannt. Leistungsschutzrechte sind den Urheberrechten in ihren Auswirkungen ähnlich. Dagegen erfordern sie kein dem Leistungsschutzrecht zu Grunde liegendes eigenes Werk und sind auch nicht an Personen gebunden. Ein typisches Beispiel für Schöpfungen, die den verwandten Schutzrechten unterfallen können, sind Snippets. Bei Snippets handelt es sich um „kleine Teile“ von Presseerzeugnissen. Snippets können in den Schutzbereich des Leistungsschutzrechts fallen, sofern ihr Textumfang urheberrechtlich relevant ist. Dabei fallen einzelne Wörter oder kleine Textausschnitte wie die Schlagzeile „Bayern schlägt Schalke“1 wegen § 87g Abs. 2 Nr. 4 UrhG nicht unter das Leistungsschutzrecht der Presseverleger. Grundlage für die Bewertung, was in den Schutzbereich fällt, ist die in das Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts2 aufgenommene EuGH-Rechtsprechung. Hier ist auch ein Fall möglich, in dem bereits elf Wörter schutzfähig sein können.3 Tabelle 1: Ausgestaltung verwandter Schutzrechte. Bezeichnung
Norm
Ausgestaltung der Verwertungsrechte
Wissenschaftliche Ausgaben
§ 70 UrhG
Wie bei Werken gem. § 70 Abs. 1 UrhG.
Nachgelassene Werke
§ 71 UrhG
Entsprechende Anwendung der Vorschriften über amtliche Werke einschließlich der Verwertungsrechte und Schrankenbestimmungen gem. § 71 Abs. 1 S. 3 UrhG entsprechend anwendbar.
Lichtbilder
§ 72 UrhG
Entsprechende Anwendung der Normen für Lichtbildwerke gem. § 72 Abs. 1 UrhG.
1 Kleinste Textausschnitte sind nach Hossenfelder, ZUM 2013, 374, 379 ca. 10–15 Wörter; nach Schippan, ZUM 2013, 358, 372 dagegen 5–8 Wörter. 2 BT-Drucks. 17/114770, S. 8. 3 EuGH, GRUR 2009, 1041 (Infopaq/DDF). https://doi.org/10.1515/9783110707588-007
Leistungsschutzrechte
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Tabelle 1: (fortgesetzt). Bezeichnung
Norm
Ausgestaltung der Verwertungsrechte
Ausübende Künstler
§ 73 UrhG
Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, §§ 78 Abs. 1 Nr. 1, 19a UrhG. Der Umfang betrifft das Senderecht, § 78 Abs. 1 Nr. 2 UrhG und das Recht der öffentlichen Wahrnehmbarmachung durch Bildschirm, Lautsprecher und ähnliche technische Einrichtung, § 78 Abs. 1 Nr. 3 UrhG. Übertragbarkeit, § 79 Abs. 1 S. 1 UrhG. Einräumen von Nutzungsrechten, §§ 31–43 UrhG entsprechend, § 79 Abs. 2 UrhG.
Veranstalter
§ 81 UrhG
Ähnlich wie die verwandten Schutzrechte des ausübenden Künstlers. Jedoch besitzt er keine Persönlichkeitsrechte und keine gesetzlichen Vergütungsansprüche gem. §§ 77 Abs. 2 S. 2, 27, 78 Abs. 2 UrhG. Die Rechte sind übertragbar, § 79 UrhG. Aus dem Urhebervertragsrecht gelten nur die §§ 13 Abs. 1 bis 3 u. 5 und §§ 33, 38 UrhG entsprechend. Das Einräumen unbekannter Nutzungsarten ist möglich. §§ 32, 32a UrhG sind ebenfalls nicht anwendbar.
Tonträgerhersteller
§ 85 UrhG
Gem. § 85 Abs. 1 UrhG Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht für den Inhaber des Tonträger herstellenden Unternehmens. Gem. § 85 Abs. 2, 3 UrhG sind die Rechte übertragbar. Aus dem Urhebervertragsrecht gelten nur die §§ 13 Abs. 1 bis 3 u. 5 und §§ 33, 38 UrhG entspreentsprechend. Das Einräumen unbekannter Nutzungsarten ist möglich. §§ 32, 32a UrhG sind ebenfalls nicht anwendbar. Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 85 Abs. 1 UrhG.
Sendeunternehmen
§ 87 UrhG
Weitersendungsrecht, § 87 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Aufnahme auf Bild- oder Tonträger, Fotografien herzustellen, Bild- und Tonträgergrafien zu vervielfältigen und zu verbreiten, § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG. Recht auf Entgelt für öffentliche Wahrnehmbarmachung, § 87 Abs. 1 Nr. 3 UrhG. Das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht umfasst nicht das Vermietungsrecht, § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG. Die Rechte sind gem. § 87 Abs. 1 UrhG übertragbar.
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
Tabelle 1: (fortgesetzt). Bezeichnung
Norm
Ausgestaltung der Verwertungsrechte Aus dem Urhebervertragsrecht gelten nur die §§ 13 Abs. 1 bis 3 u. 5 und §§ 33, 38 UrhG entspreentsprechend. Das Einräumen unbekannter Nutzungsarten ist möglich. §§ 32, 32a UrhG sind ebenfalls nicht anwendbar. Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 85 Abs. 1 UrhG.
Datenbankhersteller
§ 87a UrhG
Recht der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung wesentlicher Teile der Datenbank sowie Umgehungsschutz durch additive Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlicher Zugänglichmachung von unwesentlichen Teilen von Datenbankwerken. Anwendung von § 10 Abs. 1, § 17 Abs. 2, § 27 Abs. 2 u. 3. UrhG.
Filmhersteller
§ 94 UrhG
Ausschließliches Recht, den Bildträger oder Bildtonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten, öffentlich wiederzugeben und zu senden, § 94 Abs. 1 S. 1 UrhG. Die Rechte sind gem. § 94 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 UrhG übertragbar. Aus dem Urhebervertragsrecht gelten nur die §§ 13 Abs. 1 bis 3 u. 5 und §§ 33, 38 UrhG entspreentsprechend. Das Einräumen unbekannter Nutzungsarten ist möglich. §§ 32, 32a UrhG sind ebenfalls nicht anwendbar. Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 94 Abs. 1 S. 1 UrhG.
Laufbilder
§ 95 UrhG
Entspricht dem Umfang des verwandten Schutzrecht des Filmherstellers, § 94 UrhG.
Wissenschaftliche Ausgaben werden ebenfalls als verwandte Schutzrechte gem. § 70 UrhG geschützt. Dabei soll § 70 UrhG die aufwendige Editionsarbeit honorieren, die erforderlich ist, um alte Texte oder nicht mehr geschützte Werke herauszubringen. Dabei ist es unerheblich, ob ein Schutz wie bei amtlichen Werken nie bestanden hat oder später weggefallen ist. Die Arbeit, die erforderlich ist, um den originalgetreuen Text der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, besteht im Sichten, Bewerten und Ordnen der Texte. Hinsichtlich des Inhalts steht das Leistungsschutzrecht des Verfassers wissenschaftlicher Ausgaben dem Urheberrecht gem. § 70 Abs. 1 UrhG gleich. Damit stehen dem Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben sowohl das Urheberpersön-
Leistungsschutzrechte
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lichkeitsrecht als auch die Verwertungsrechte zu. Dagegen unterscheidet sich in der Schutzfrist von 25 Jahren das Leistungsschutzrecht vom Urheberrecht. Ferner beginnt die Schutzfrist mit der Entstehung bzw. Veröffentlichung des geschützten Inhalts und nicht wie beim Urheberrecht mit dem Tode. Fall: 1917 erscheint eine zeitgenössische Chronik des Autors A. Diese wird von B 1927, drei Jahre vor dem Tod des A, ins Französische übersetzt. B stirbt 1980. Da es sich um ein besonderes Werk der Zeitgeschichte handelt, entschließt sich der V Verlag 2007 eine wissenschaftliche Ausgabe der von A verfassten Chronik herauszubringen. Lösungsskizze: Das Urheberrecht an dem Werk der zeitgenössischen Chronik endet 70 Jahre nach Tod des A und damit im Jahr 2000. An der Übersetzung entsteht ein eigenständiges Urheberrecht im Zeitraum von 1927–2050. Das Urheberrecht an der Übersetzung und das am Ursprungswerk sind voneinander unabhängig. Daher hat das Urheberrecht an der Übersetzung keine Auswirkungen auf die in Deutsch verfasste wissenschaftliche Ausgabe. Mit der wissenschaftlichen Ausgabe entsteht gem. § 70 Abs. 1 UrhG in der Zeit von 2007– 2032 ein 25 Jahre lang dauerndes Schutzrecht.
Freie Nutzung möglich
Wissenschaftliche Ausgabe
25 Jahre nach Erscheinen der wiss. Ausgabe
Übersetzung
Entstehung des Werkes (Ausgangswerk)
Tod des Urhebers
70 Jahre nach Tod d. Urhebers Zeit
Abbildung 4: Skizze längere Schutzfristen eines Werks durch wissenschaftliche Ausgaben.
Die Nähe zwischen den Urheberrechten und den Leistungsschutzrecht wurde erneut durch das Urheberrecht-Wissensgesellschaftsgesetz betont. So gelten die Vorschriften der §§ 60a ff. UrhG ebenfalls für alle verwandten Schutzrechte, die entweder auf Teil 1 des Urhebergesetzes insgesamt oder auf Absatz 6 des UrhG verweisen. Betroffen sind hier wissenschaftliche Ausgaben (§ 70 Abs. 1 UrhG), nachgelassene Werke (§ 71 Abs. 1 S. 3 UrhG), Rechte der ausübenden Künstler (§ 83 UrhG), Hersteller von Tonträgern (§ 85 Abs. 4 UrhG), Sendeunternehmen (§ 87 Abs. 4 UrhG), Presseverleger (§ 87g Abs. 4 S. 2 UrhG), Filmhersteller (§ 94 Abs. 4 UrhG), Laufbilder (§ 95 UrhG).
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
Nachgelassene Werke können ebenfalls durch ein Leistungsschutzrecht geschützt werden. Gem. § 71 Abs. 1 S. 1 UrhG erhält derjenige das ausschließliche Verwertungsrecht an einem bisher nicht erschienen Werk, der es nach dem Erlöschen des Urheberrechts in erlaubter Weise erstmals erscheinen lässt. Nichterschienene Werke finden sich vor allem in wissenschaftlichen Sammlungen und Nachlässen. Inhaber des Leistungsschutzrechts nach § 71 UrhG ist der Herausgeber, nicht aber der Verleger.4 Der Leistungsschutz bei nachgelassenen Werken dient als Ausgleich für den Aufwand des Herausgebers. Fotografien sind eine Untergruppe des urheberrechtlichen Begriffs der Lichtbilder und der Lichtbildwerke. Da die Rechtsprechung bei Fotografien keine großen Anforderungen an die Schöpfungshöhe stellt, ist es rechtlich sicherer hier generell von einem Urheberwerk mit einer Schutzfrist von 70 Jahren ab Tod des Fotografen auszugehen. Dies gilt auch bei älteren Fotografien. Entsprechend dem Freihaltebedürfnis bei der Frage, ob ein Urheberwerk vorliegt, gibt es ein solches Freihaltebedürfnis auch bei der Bewertung eines Leistungsschutzrechts. So wird in § 87g Abs. 2 UrhG die Grenzen des Schutzbereichs des Leistungsschutzrechts festgelegt. Demnach umfassen die Rechte des Presseverlegers nicht die Nutzung der in den Presseveröffentlichungen enthaltenen reinen Tatsachen. Nach der Begründung des Gesetzgebers dient das Leistungsschutzrecht nicht der dem Schutz der Information an sich, sondern der Art und Weise der Kommunikation an die Öffentlichkeit.5
4 Thum in: Wandtke/Bullinger: a.a.O., § 71 Rn 32; a.A. Schack: a.a.O., Rn 662. 5 RegE BT-Drucks. 19/27426, S. 112.
6 Urheberpersönlichkeitsrecht Das Urheberpersönlichkeitsrecht ist mit den §§ 12–14 UrhG den Verwertungsrechten vorangestellt und wird auch in § 11 UrhG besonders herausgehoben. Wie die Verwertungsrechte sind die Urheberpersönlichkeitsrechte nur beispielhaft und nicht abschließend aufgeführt. Die wichtigsten sind: ein allgemeines Änderungsverbot, das Veröffentlichungsrecht gem. § 12 UrhG, das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft, das Recht auf Bestimmung der Urheberbezeichnung, auch als Namensnennungsrecht bezeichnet, gem. § 13 UrhG und der Integritätsschutz. Das Urheberpersönlichkeitsrecht umfasst daher neben den positiven Forderungen und Gestaltungsmöglichkeiten für den Urheber sein Werk zur Geltung bringen zu können, auch Abwehrrechte gegen Einschränkungen des Wirkungskreises seines Werks. Grundlage hierfür ist das allgemeine Änderungsverbot. So ist es dem Inhaber eines Nutzungsrechts gem. § 39 Abs. 1 UrhG untersagt, ohne Erlaubnis des Urhebers den Titel oder die Urheberbezeichnung eines Werks zu ändern. Gem. § 62 Abs. 1 UrhG verbietet ferner die erlaubnisfreien Nutzungen urheberrechtlich geschützter Werke jegliche Änderung an den Werken. Eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz insoweit, als der Urheber Änderungen nicht verhindern kann, denen er vorher zugestimmt hat oder deren Einwilligung er nach dem Grundsatz von Treu und Glauben er nicht versagen kann, § 39 Abs. 2 UrhG. Der Interessenkonflikt mit dem Eigentumsrecht nach § 903 BGB ist grundsätzlich durch eine Interessenabwägung zu lösen. Dabei wird dem Urheberpersönlichkeitsrecht eine starke Position eingeräumt. Bereits das Aufstellen einer Skulptur in einem Treppenhaus wurde als unzulässige Beeinträchtigung des geschaffenen Raumeindrucks eines Treppenhauses gewertet.1 Auf Grund seiner Bedeutung handelt es sich bei den Vorschriften, die das Urheberpersönlichkeitsrecht schützen, um zwingende Vorschriften i.S.v. Art. 6 EGBGB. Damit lassen sich diese Normen nicht durch eine Rechtswahl abbedingen.2 Wie das in § 42 UrhG normierte Beispiel des Rückrufs wegen gewandelter Überzeugung zeigt, wirkt das Urheberpersönlichkeitsrecht mitunter stark auf die Verwertungsrechte ein. Um andererseits ein ständiges Mitverwertungs- und Mitbestimmungsrecht des Urhebers in allen Details trotz der Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte über das Urheberpersönlichkeitsrecht zu verhindern, ist eine praxisgerechte Einschränkung durch eine qualifizierte Gefährdung oder Verletzung des Urheberrechts erforderlich. Daher fordert § 14 UrhG auch diese massive Form des Entstellens oder eine gleichwertige Beeinträchtigung des Werks. Keine Entstellung liegt vor, wenn das Werk lediglich auf Grund der systematischen Ordnung im Buchregal neben dem Werk eines Intimfeindes des Urhebers steht. Das Namensnennungsrecht gem. § 13 UrhG gilt nicht nur für den alleinigen Urheber, sondern auch für den Miturheber, alle Urheber verbundener Werkstü1 BGH, NJW 1999, 790, 791 (Treppenhausgestaltung). 2 Ebenso sind in Frankreich urheberpersönlichkeitsschützende Vorschriften zwingende Normen. Vgl. Cass. Civ. 1, 28.05.1991 (Asphalt Jungel). https://doi.org/10.1515/9783110707588-008
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
cke und für den Bearbeiter. Bei mehreren Beteiligten ist jedoch klarzustellen, wer welchen Beitrag geleistet hat. Das Namensnennungsrecht gewährleistet eine eindeutige Zuordnung des Urhebers zu seinem Werk. Weiter geht das Namensnennungsrecht nicht. So hat der Urheber keinen Anspruch darauf, dass die Form der Nennung eine unmittelbare Form der Werbung für ihn annimmt. Fall: Architekt A hat ein ehemaliges Fabrikgebäude in einer gewagten Komposition aus historischen und modernen Elementen als künftige Bleibe der Stadtbibliothek umgestalten lassen. Der eher mäßig begeisterte Bibliotheksleiter L lässt im Treppenhausbereich eine einigermaßen sichtbare, schmucklose kleine Tafel anbringen, die auf die grundlegende Umgestaltung durch den Architekten A in den Jahren 2010–2014 hinweist. A ist darüber empört und verlangt unter Einschaltung seines Rechtsanwalts eine fünf Quadratmeter große, prunkvolle Steintafel, die außer seiner Werkszuschreibung der Bibliothek ein Bildnis von ihm sowie weiter von ihm errichtete bzw. umgestaltete Gebäude nebst seiner Architektenbüroadresse aufführt. Lösungsskizze: Zwar hat Architekt A einen Anspruch auf Namensnennung gem. § 13 UrhG für das von ihm gestaltete Urheberrechtswerk. Dem Anspruch ist mit der Anbringung der kleinen Tafel an einem vertretbaren Platz genüge getan. Die darüber hinausgehenden Werbemaßnahmen sind nicht mehr von § 13 UrhG gedeckt und können von L verweigert werden.
Eine Vereinbarung, den Namen nicht zu nennen, ist grundsätzlich möglich. Anstelle einer Vereinbarung kann dies sogar durch die Branchenübung geschehen. Im Zweifelsfalle ist jedoch von einem Anspruch auf die Namensnennung auszugehen. § 13 UrhG wirkt nur im Hinblick auf das Recht genannt zu werden. Im umgekehrten Fall hat der Urheber keinen Anspruch darauf, nicht genannt zu werden. Im deutschen Urheberrecht gibt es kein sogenanntes ‚droit de non-paternité‘. Unter besonderen Voraussetzungen kann er einen solchen Anspruch nur aus dem allgemeine Persönlichkeitsrecht3 geltend machen oder auf Grundlage von Art. 17 DSGVO. Hierdurch kann beispielsweise in Fällen der Kunstfälschung der Urheber vom Fälscher die Entfernung der gefälschten Signatur vom gefälschten Bild verlangen. Fall: Der Titel der Doktorarbeit des S lautet „Wege zur Beseitigung des Kapitalismus“. Einige Jahre nach der Veröffentlichung der Dissertation bewirbt sich S bei der D-Bank, da ihm das entsprechende Gehalt zusagt. Der Doktortitel wird bei der D-Bank gerne gesehen. S hat aber Bedenken wegen des Titels seiner Doktorarbeit. Daher möchte er dafür sorgen, dass seine Namensnennung aus dem Datensatz in den drei Bibliothekskatalogen entfernt wird, die seine Doktorarbeit im Bestand führen. Lösungsskizze: Ein Anspruch des S besteht nicht. Aus § 13 UrhG ergibt sich kein Recht nicht genannt zu werden. Auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nicht ersichtlich. Es sind lediglich bestehende finanzielle Interessen des S tangiert.
3 BGH, GRUR 1995, 668, 671 (Emil Nolde).
Urheberpersönlichkeitsrecht
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Das Urheberpersönlichkeitsrecht, auch als droit moral bekannt, ist im internationalen Vergleich sehr unterschiedlich ausgestaltet. Regelmäßig gilt, wie in Art. 6 bis Abs. 2 S. 1 RBÜ niedergelegt, dieselbe Schutzfrist von Urheberpersönlichkeitsrecht und Verwertungsrecht. So gilt das Urheberpersönlichkeitsrecht z.B. in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Art. 29 URG 1992) mit 70 Jahre post mortem auctoris. Nach dem Ablauf dieser Schutzfrist kann das Werk von jedermann kostenfrei verwertet, aber auch entstellt werden. Daher gibt es neben der Tendenz die Schutzfristen zu verkürzen auch die gegenteilige Bewegung. Einige Staaten wie Frankreich (Art. L. 121-1 CPI),4 Spanien (Art. 15 I, 14 I Nr. 3 und 4 URG 1996), Polen (Art. 16 URG 1994) und Italien (Art. 23 URG 1941)5 haben daher ein ewiges droit moral vorgesehen. Diese Staaten fürchten bei einer Befristung die Preisgabe der kulturellen Werte der Nation. Die Unterschiede sind nach wie vor so groß, dass in Art. 9 der EG-Schutzdauer-Richtlinie vom 29.10.1993 von einer Vereinheitlichung abgesehen wurde. Regelmäßig gibt es Tendenzen in beide Richtungen, die Schutzdauer abzuändern. Gegen eine Veränderung spricht, dass es sich um ein individuelles Recht und nicht um ein „Vehikel für kulturlenkende Maßnahmen“6 handelt. In Deutschland gibt es für Bauwerke über öffentlich-rechtliche Regelungen hinaus zudem einen ergänzenden Schutz nach dem Denkmalschutz. Bei einem Ghostwriter wird man nach deutschem Recht nur einen schuldrechtlichen, zeitlich befristeten Verzicht der Rechte aus § 13 UrhG annehmen können. Rechte des Urhebers
Urheberpersönlichkeitsrecht § 12 - § 14 UrhG
Verwertungsrechte § 15 - § 24 UrhG
Sonstige Rechte § 25 - § 27 UrhG
Abbildung 5: Struktur der Rechte des Urhebers.
4 https://www.legifrance.gouv.fr, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022.. 5 http://www.provinz.bz.it/politik-recht-aussenbeziehungen/recht/sprachangelegenheiten/uebersetzte-staatsgesetze.asp?someforms_page=2&someforms_action=0, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. 6 Schack: a.a.O., § 9 Rn 256.
7 Verwertungsrechte Die Verwertungsmöglichkeiten des Urhebers werden durch die Verwertungsrechte beschrieben. Dabei sind die Verwertungsrechte dem Urheber zugeschrieben und grundsätzlich nicht übertragbar. Soweit eine technikneutrale Beschreibung der Verwertungsrechte im Gesetz erfolgt, wird die Aufnahme von bislang unbekannten Umsetzungsmöglichkeiten ermöglicht, ohne dass deswegen eine Gesetzesänderung erforderlich wird. Technikneutral bedeutet, dass es unerheblich ist, mit welchem technischen Verfahren das Werk genutzt wird. Dem Grunde nach ist das Urheberrechtsgesetz ursprünglich technikneutral ausgestaltet worden. Mit dem Aufkommen der Digitalisierung wurde diese Technikneutralität eingeschränkt. Nutzungsrechte werden aus den Verwertungsrechten abgeleitet. Die Nutzungsrechte erhält der Erwerber über eine Lizenz. In § 15 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG sind die Verwertungsrechte beispielhaft genannt. Ihnen liegt der Gedanke zu Grunde, dass der Urheber für jede Erweiterung der Öffentlichkeit eine Entlohnung bekommen soll. Beispielhaft für die Erweiterung des Zustimmungserfordernisses und auch der Entlohnung ist die öffentliche Wiedergabe. Die öffentliche Wiedergabe ist in § 15 Abs. 2 UrhG geregelt und beschreibt die Nutzung aller nicht-körperlichen Verwertungsarten wie das Senderecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung etc. Die Aufzählung in § 15 Abs. 2 UrhG ist nicht abschließend. Bei der Beurteilung, ob ein Eingreifen in das Recht der öffentlichen Wiedergabe vorliegt, ist nach Ansicht des EuGH, eine Gesamtbetrachtung auf die zentrale Rolle des Nutzers auszurichten.1 Für das Recht der öffentlichen Wiedergabe ist nur derjenige Nutzer, der in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig ist, um einem Publikum die Möglichkeit des Zugangs zu den geschützten Werken oder Leistungen zu verschaffen.2 Bibliotheken und Informationseinrichtungen sind Nutzer i.S.d. öffentlichen Wiedergabe. Das Vortragsrecht ist gem. § 19 Abs. 1 UrhG nur für die Wiedergabe vor den Zuhörern im Saal bestimmt. Nicht automatisch vorgesehen ist die Übertragung in einen benachbarten Raum, in das Foyer oder auf den Vorplatz. Falls eine Übertragung in einen weiteren Raum gewünscht wird, bedarf es einer Vereinbarung gem. §§ 19 Abs. 3, 37 Abs. 3 UrhG. Wird der Vortrag zudem im Rundfunk übertragen, ist die Einräumung eines Senderechts gem. § 20 UrhG erforderlich. Bei den Verwertungsrechten wird nach den körperlichen und den unkörperlichen Verwertungsrechten unterschieden. Die unkörperliche Verwertung umfasst alle Darstellungsformen von Werken i.S.v. § 15 Abs. 2 UrhG. Es handelt sich hierbei um die in §§ 19, 19a, 20, 21 UrhG aufgeführten Rechte. Die Regelung in § 15 Abs. 2 UrhG benennt nur die öffentliche Wiedergabe. 1 EuGH, GRUR 2012, 597 Rn 48ff. (Phonographic Permormance). 2 EuGH, GRUR 2012, 597 Rn 31, 37, 40 (Phonographic Permormance); EuGH, GRUR 2012, 593 Rn 82, 91, 94 (SCF). https://doi.org/10.1515/9783110707588-009
Verwertungsrechte
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Damit kommt dem Recht der öffentlichen Wiedergabe eine Mantelfunktion für die zugeordneten Rechte zu. Für Bibliotheken und für Informationseinrichtungen ergibt sich die Bedeutung von § 15 Abs. 2 UrhG und auf die dort verwiesene Norm § 19a UrhG vor allem für Werke in digitaler Form. Aus dem Gegenschluss der Formulierung in § 15 Abs. 2 UrhG ergibt sich, dass die nichtöffentliche Wiedergabe gemeinfrei ist.3 Zu beachten ist, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe nicht einheitlich gebraucht wird.4 Daher ist hier auf den Kontext der Anwendung zu achten. Als Abgrenzungsmerkmal zwischen öffentlich und nicht öffentlich dient die persönliche Verbundenheit der betroffenen Personengruppe. Durch § 19 Abs. 3 UrhG wird klargestellt, dass auch eine Wahrnehmung der Rechte aus § 19 Abs. 1, Abs. 2 UrhG außerhalb des Raumes durch Übertragung mit Bildschirm und Lautsprecher mitumfasst ist. Maßgeblich für die Öffentlichkeit § 19a UrhG ist das Bereitstellen im Internet. Die Onlinepräsentation ist wegen § 19a UrhG eine eigene Nutzungsart. Diese bedarf einer eigenen urheberrechtlichen Erlaubnis zur Nutzung. Der juristische Ausdruck für die Onlinepräsentation ist das „Recht der öffentlichen Zugänglichmachung“. Auf das tatsächliche Abrufen kommt es nicht an.5 Ist der Zugang passwortgeschützt und auf einen dem Urheber bekannten Personenkreis beschränkt, so ist keine öffentliche Zugänglichmachung (mehr) gegeben. Öffentliche Zugänglichmachung bedeutet, dass ein Werk der Öffentlichkeit unabhängig von Zeit und Raum zugänglich ist.6 Hierzu bedarf es der vorherigen Zustimmung des Urhebers oder Rechteinhabers. Gelegentlich ist das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung auch unter dem Namen Online-Recht bekannt. Ein Deeplink auf eine andere Webseite, die nicht die Hauptseite ist, genügt in der Regel nicht.7 Eine Ausnahme ist aber dann gegeben, wenn dieser Deeplink unter Umgehung technischer Schutzvorrichtungen erfolgt.8 Die beiden Merkmale „zu Orten und Zeiten Ihrer Wahl“ müssen kumulativ erfüllt werden. Abgestellt wird hier vor allem auf das Internet, wo diese Voraussetzungen regelmäßig erfüllt werden. Vom Linking ist das Framing zu unterscheiden. Beim Framing geht es um das Einbetten fremder Botschaften in die eigene Darstellung, z.B. Blogs oder Webseite. § 19a UrhG ist daher nicht als Form eines quasimechanischen Vervielfältigungsrechts misszuverstehen.9
3 EuGH, GRUR Int. 2012, 150 (UCMR-ADA/Zirkus Globus); zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe in Art. 3 Abs. 1 der RiLi 2001/29/EG. 4 Handig, ZUM 2013, 273ff. 5 Dreier; Schulze; Dreier: a.a.O., § 19a Rn 3. 6 Beger, G.: Urheberrecht für Bibliothekare, S. 63 Stichwort: Öffentliche Zugänglichmachung. 7 BGH, GRUR 2003, 859, 861 (Paperboy). 8 BGH, GRUR 2013, 816 (Die Realität). 9 LG München I, ZUM 2009, 788, 792.
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
Verwertungsrecht, § 15 UrhG (Generalklausel)
Zweitverwertungsrechte Wiedergabe vonFunksendungen + öffentliche Zugänglichmachung, § 22 ff. UrhG
Senderecht, §§ 20 ff. UrhG
Öffentliche Zugänglichmachung, § 19a UrhG
Vortrags-, Aufführungs-, Vorführungsrecht, § 19 UrhG
Ausstellungsrecht, § 18 UrhG
Verbreitungsrecht, § 17 UrhG
Vervielfältigungsre cht, § 16 UrhG.
Erstverwertungsrechte
Nicht körperliche Form
Wiedergabe durch Ton- und Bildträger, § 21 UrhG
Bearbeitung, § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG
Körperliche Form
Abbildung 6: Verwertungsrechte.
Die einfachste Form der Nutzung der sog. Werkgenuss ist hingegen urheberrechtlich gestattet. Dies gilt für die Wahrnehmung mit sämtlichen Sinnen. Häufigstes Beispiel sind Lesen und Ansehen. Hierfür besteht auch ein Freihaltebedürfnis der Rechtsgemeinschaft, da diese Vorgänge bei einem Kontakt mit dem Werk biologisch bedingt bzw. beim Lesen kulturell konditioniert wurden. Hier ist eine Exklusivität nur möglich, wenn die Rahmenbedingungen wie der Ort des Werkgenusses z.B. durch Absperrmaßnahmen exklusiv gehalten werden.
7.1 Nutzungsrechte und Nutzungsarten Das Urheberrecht gilt unabhängig von der Absicht, einen Gewinn damit erzielen zu wollen. Es gewährleistet eine formlose, kostenfreie zeitlich lang andauernde Rechtsposition. Nutzungsrechte im juristischen Sinne werden benötigt, soweit die Nutzung durch eine urheberrechtlich relevante Handlung begehrt wird. Nutzungsrechte betreffen nur die wirtschaftliche Verwertung eines Werks. Dagegen gestatten sie gem.§ 39 Abs. 1 UrhG nicht die Änderung des Werks oder seines Titels. Hierfür ist eine zusätzliche Zustimmung des Urhebers erforderlich. Soweit in dieser Darstellung von Nutzungsrechten die Rede ist, sind sie im juristischen Sinne gemeint. Demgegenüber gibt es Nutzungshandlungen an einem Werk, die das Urheberrecht nicht tangieren, weil die Verwertungsrechte bzw. die Urheberpersönlichkeitsrechte nicht betroffen sind. So darf jeder ein Buch lesen oder ein Kunstwerk betrachten. Umgangssprachlich wird
Verwertungsrechte
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auch hier von Nutzungen gesprochen. Derartige Nutzungen sind jedoch nicht urheberrechtlich relevant. Vielmehr besteht hier ein Freihaltebedürfnis.
7.1.1 Grundlagen und Arten Nutzungsrechte können auf zweierlei Arten verwendet werden. Eine Möglichkeit ist es, Nutzungsrechte zur Verwertung einzuräumen. Dies ist die häufigste Form der Einräumung von Nutzungsrechten. Ein typisches Beispiel ist die Einräumung eines Nutzungsrechts der Vervielfältigung und Verbreitung einer Monografie für den Verleger. Weniger geläufig ist die Einräumung eines Nutzungsrechts zur Wahrnehmung. Hier erfolgt keine direkte Verwertung, sondern es wird einem Dritten die Nutzung gestattet. Beispiele hierfür sind die Verwertungsgesellschaften wie die VG Wort oder Bildagenturen. In Deutschland hat sich der Gesetzgeber für eine sogenannte „gebundene Rechteübertragung“ von Nutzungsrechten entscheiden.10 Das bedeutet, eine völlige Trennung von den gesetzlich festgelegten Rechten ist nach dem deutschen Urheberrecht nicht möglich. Bei einem Rechteerwerb setzt sich diese Besonderheit vom Urheber (Stammrecht oder Mutterrecht) auf den Erwerber (Tochterrecht) und gegebenenfalls auf einen weiteren Rechteerwerb in gerader Linie, den Sublizenznehmer (Enkelrecht), fort. Jede Stufe kann, wie sich verzweigendes Wasser, ohne weiteren Zufluss höchstens dem vorhergehenden Recht entsprechen. Hierdurch erhält der Urheber einen Schutz, der die gesamte Kette umfasst. Damit wird der Urheber ein eigenes Klagerecht erhalten, wenn die Verwertung zwar ausschließlich über den Erwerber erfolgt, er sich aber eine fortwirkende Teilhabe an dem wirtschaftlichen Ertrag gesichert hat.11 Für den Interessenten am Nutzungsrecht ergibt sich hieraus eine Pflicht, die Rechtekette zu erforschen.12 Nutzungsrechte können unterschiedliche Intentionen der Benutzung einräumen. Gewährt ein Nutzungsrecht das Recht damit produktiv zu werden, so wird von einem sogenannten positiven Nutzungsrecht gesprochen. Von einem negativen Verbotsrecht wird hingegen gesprochen, wenn die eingeräumte Befugnis darauf zielt, jemand anderem die Nutzung des Rechts zu untersagen. Das ausschließliche, positive Benutzungsrecht wird regelmäßig durch ein negatives Verbotsrecht gegenüber Dritten ergänzt bzw. ist diesem eigen.13 Dabei kann das Verbotsrecht weiter reichen als das Benutzungsrecht.14 10 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 16. 11 BGHZ 118, 394, 398 (ALF); Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 55ff. 12 OLG Hamm, Urteil vom 19.05.2009 – Az.: 4 U 220/08. 13 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 18; BGHZ 9, 262, 264 (Lied der Wildbahn). 14 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 18; OLG München, ZUM-RD 2013, 183, 185; BGHZ 9, 263 (Lied der Wildbahn).
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
Um sowohl dem Urheber als auch dem Verwerter Rechtssicherheit für die Vermarktung der entstandenen Werke zu gewähren, hat der Gesetzgeber grundlegende Regelungen für die Ausgestaltung der Verträge in den §§ 31 bis 44 UrhG aufgenommen. Die Rechteeinräumung stellt eine das Urheberrecht belastende Verfügung dar. Daher gelten neben den vorrangigen Normen des Urheberrechts die allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts als Ergänzung. Ferner finden die allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätze Anwendung.15 So ist bei der Auslegung nicht nur ein herausgegriffener Satz, sondern der gesamte Inhalt der Willenserklärung zu würdigen.16 Die Einräumung von Nutzungsrechten und die Abtretung von Vergütungsansprüchen erfolgen gem. §§ 389, 413 BGB analog. Grundsätzlich sind urheberrechtliche Verfügungen formfrei möglich. Eine Ausnahme bildet § 40 Abs. 1 S. 1 UrhG, der für die Verpflichtung die Schriftform verlangt. Die Willenserklärung für das Verfügungsgeschäft kann ausdrücklich, stillschweigend oder konkludent abgegeben werden. Eine stillschweigende Willenserklärung wird häufig bei Arbeitsverhältnissen angenommen.17 Eine Ausnahme von der Möglichkeit einer stillschweigenden Vereinbarung mit Wirkung auch für Arbeits- und Dienstverträge ist die Regelung des § 31a Abs. 1 S. 1 UrhG. Die Schriftform hat hier eine Warnfunktion, um vor unbedachten Erklärungen zu schützen. Open Contentverpflichtungen und -verfügungen unterfallen gem. §§ 31a Abs. 1 S. 2 UrhG als Ausnahme von der Ausnahme wieder dem Regelfall.18 Hier werden diese Verpflichtungen und Verfügungen auch ohne Schriftform wirksam. Damit soll die kostenfreie Verbreitung von Werken zu Gunsten der Allgemeinheit gefördert werden.113 Dagegen fordern zahlreiche ausländische Rechtsordnungen die konsequente Einhaltung der Schriftform für urheberrechtliche Verfügungen. Beispiele sind die USA mit § 204 CA 1976 und das Vereinigte Königreich mit §§ 90 (3) und 92 (1) CDPA 1988. Neben den Erfordernissen der Schriftform ist bei der Anwendung fremder Rechtsordnungen auch auf gegebenenfalls notwendige Registereintragungen zu achten. Zu den Staaten, die Registrierungen von Urheberrechten ermöglichen, gehören die USA, Frankreich und die VR China.19 Die Eintragung in ein entsprechendes Register kann wiederum nur zur Wahrung der äußere Form (deklaratorisch) oder andererseits rechtserzeugend (konstitutiv) wirken. Auch bei Vorliegen einer „nur“ deklaratorischen Wirkung ist eine Folgenbetrachtung z.B. bei der in dieser Rechtsordnung üblichen Beweiswürdigung zu beachten. 15 Juraschko: a.a.O., 70ff. 16 Wandtke: a.a.O. 4. Kap. Rn 14; BGH, ZUM 2010, 431, 434 (Der Name der Rose). 17 Schack: a.a.O., § 16 Rn 600; KG, GRUR 1976, 264f. (Gesicherte Spuren). 18 Wandtke in Wandtke/Bullinger: a.a.O., § 31a Rn 56. 19 Mels in Ostendorf; Kluth: Internationale Wirtschaftsverträge, § 21 Rn 9 mit Verweis auf Cohausz; Wupper: S. 359 Rn 1601.
Verwertungsrechte
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Nutzungsrechte können als einfache oder ausschließliche Befugnis gem. § 31 Abs. 1 S. 2 UrhG erteilt werden. Die Befugnis wird regelmäßig auch Lizenz genannt. Bei der Einteilung von Nutzungsrechten wird das einfache Nutzungsrecht vom ausschließlichen Nutzungsrecht gem. § 31 Abs. 1 UrhG unterschieden. Beim ausschließlichen Nutzungsrecht stehen dem Inhaber alle übertragbaren Rechte an dem Werk zu. Damit ist ihm ein Abwehrrecht gegen alle anderen gegeben. Soweit es sich um Verwertungsrechte handelt und deren Ausübung nicht dem Urheberpersönlichkeitsrecht widerspricht, gilt das ausschließliche Nutzungsrecht auch gegenüber dem Urheber. Das ausschließliche Nutzungsrecht erzeugt gem. § 31 Abs. 3 UrhG eine quasi-dingliche Wirkung. Kennzeichen des ausschließlichen Nutzungsrechts ist, dass der Erwerber dieses Recht exklusiv ausüben kann. So kann auch nur der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts, nicht aber der Inhaber eines nur einfachen Nutzungsrechts Unterlizenzen vergeben. Unterlizenzen sind erforderlich, um Dritten die Nutzung zu gestatten. Der Umfang der Übertragung der Nutzungsrechte ist auch bei der Höhe der Vergütung zu berücksichtigen. Klauselbeispiele für eine ausschließliche Lizenz: Beispiel 1: „Der Lizenzgeber räumt dem Lizenznehmer das ausschließliche Recht ein, die Rechte unter diesem Vertrag in dem Vertragsgebiet für die Vertragsprodukte zu nutzen. Der Lizenznehmer ist insbesondere berechtigt, …“ Beispiel 2: „Licensor shall grant and hereby grants to Licensee. Licensee hereby accepts from Licensor the executive right to use the Licensed Materials for producing, marketing, sale and other use in Austria until the end of 2025...“
Der Inhaber eines einfachen Nutzungsrechts, kann dieses für sich gebrauchen. Er hat aber nicht das Recht, ein gleiches Verhalten einem Dritten oder dem Urheber zu untersagen. Ihm steht damit nur die positive Nutzung des Werks auf die vereinbarte Art und Weise zu. Dem einfachen Nutzungsrecht kommt gem. § 31 Abs. 2 UrhG eine rein schuldrechtliche Wirkung zu. Aus diesem Grund ist das Entgelt für ein ausschließliches Nutzungsrecht regelmäßig höher als für ein entsprechendes einfaches Nutzungsrecht. Klauselbeispiel für eine einfache Lizenz: Beispiel 1: „Der Lizenznehmer erhält das einfache, nicht-ausschließliche Recht, Abbildungen für Zwecke der Forschung und der Lehre wie folgt zu nutzen: …“ Beispiel 2: „Licensor shall grant and hereby grants to Licensee. Licensee hereby accepts from Licensor a non-sublicensable, non-exclusive, and revocable license in Germany to exercise the Licensed Rights in Licensed Material to reproduce and share Licensed Material in whole or in part. ...“
§ 40a Abs. 1 UrhG bewirkt grundsätzlich eine gesetzlich vorgesehene Umwandlung eines ausschließlichen Nutzungsrechts zu einem einfachen Nutzungsrecht nach einem Zeitablauf von zehn Jahren. Von dieser Regel sind Ausnahmen nach § 40a Abs. 3 UrhG vorgesehen. Aus der Möglichkeit, ausschließliche Nutzungsrechte bzw. umfassend ausgestaltete einfache Nutzungsrechte vergeben zu können, ergibt sich
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
die Eigenart des Urheberrechts, die zu monopolartigen Situationen führt. Diese Eigenart äußert sich darin, dass der Zugriff auf und die Nutzung eines ganz bestimmten Werks erforderlich sind. Beispiel: Doktorand D schreibt seine Doktorarbeit über halbdurchlässige Membranen. Zu diesem Thema hat Prof. P ein international anerkanntes Grundlagenwerk über die Bewertung der neuesten technischen Lösungen auf diesem Gebiet verfasst. Hier ist D auf den Zugang und die Nutzung des Werks von P angewiesen, da aus Gründen der wissenschaftlichen Sorgfalt eine Berücksichtigung des Werks von P erwartet werden kann. Ein Verweis auf andere Werke ist daher nicht zielführend. Gegenbeispiel: Um im Büro der Mahngebührenabteilung der Landesbibliothek die häufig sehr hitzige Stimmung zu verbessern, will der Leiter der Benutzungsabteilung L künftig eine beruhigende Hintergrundmusik des Komponisten und Künstlers K abspielen lassen. Das geforderte Nutzungsentgelt übersteigt bei weitem den finanziellen Spielraum des L. Da es hier nicht notwendigerweise um ein Werk des K geht, sondern das Hauptziel eine beruhigende Musik ist, kann nach Alternativen in Form von günstigeren Rechteanbietern von Musikstücken gesucht werden.
Erforderlich ist ein Zugriff auf ein ganz bestimmtes Werk dann, wenn es um eine auf Vollständigkeit angelegte Analyse des Ist-Zustandes geht. Diese wird beispielsweise aus Gründen der wissenschaftlichen Sorgfalt gefordert. Sollen fremde Nutzungsrechte nicht analytisch, sondern gestaltend z.B. für ein Multimediaprojekt verwendet werden, so besteht hier eine größere Chance Substitutionsprodukte durch Abstrahierung des Projektziels zu finden.20 Wechselt der Inhaber des Rechts, der das Nutzungsrecht eingeräumt hat, so bleiben die ausschließlichen wie auch die einfachen Nutzungsrechte gem. § 33 UrhG weiterhin wirksam. Dieser Umstand wird Sukzessionsschutz genannt und findet seine Entsprechung im gewerblichen Rechtsschutz. Der Urheber wird daran gehindert etwas zu veräußern, was er schon gar nicht mehr hat.21 Geschützt wird der (Erst-) Erwerber eines Nutzungsrechts durch den Fortbestand desselben. Alternativ zu der Sukzessionswirkung des § 33 UrhG können zwischen den Parteien schuldrechtliche Vereinbarungen geschlossen werden. Diese wiederum wirken nur zwischen den Parteien. Möglich ist aber die Aufspaltung der Nutzungsart. Beispiel 1: Der Urheber räumt einem Erwerber ein Verlagsrecht für ein Taschenbuch und einem anderen Erwerber ein Verlagsrecht für ein Hörbuch ein. Beispiel 2: Der Urheber räumt zunächst ein einfaches Nutzungsrecht und später ein ausschließliches (gleiches) Nutzungsrecht ein.
Beide Beispiele sind zulässig. Dies gilt auch für Beispiel 2, in dem das ausschließliche Nutzungsrecht durch das frühere einfache Nutzungsrecht belastet wird. Es liegt aber kein Fall des Sukzessionsschutzes vor, wenn das frühere 20 Siehe hierzu Teil 2, Kap. 13.8 Alternativen. 21 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 56.
Verwertungsrechte
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einfache Nutzungsrecht gegenüber dem später eingeräumten ausschließlichen Nutzungsrecht gem. § 33 S. 1 UrhG wirksam bleibt. Dies ist bei der Einräumung des späteren ausschließlichen Nutzungsrechts im Vertrag mit zu berücksichtigen, da sonst ein Fall eines Rechtsmangels vorliegt. Demnach ist durch die frühere Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts, das später eingeräumte ausschließliche Nutzungsrecht nicht mehr so umfänglich, wie es erscheint. Ein solcher Fall kann einen Schadensersatz gem. § 311a Abs. 2 BGB wegen anfänglicher Unmöglichkeit auslösen. Der Urheber kann mehrere verschiedene sowie wie auch mehrere gleiche einfache Nutzungsrechte einräumen. Beispiel: Der Grafiker G erstellt für den V-Verlag eine Mappe. Zusätzlich werden die Grafiken als Illustrationen für ein Buch, für das M das Manuskript geschrieben hat, und für einen Kalender im V-Verlag verwendet. G räumt an seinen Bildwerken mehrere einfache Nutzungsrechte für verschiedene Personen ein. Die Verwendung für die Mappe, den Kalender und das Buch sind jeweils unterschiedliche Nutzungsarten.
Daneben kann der Urheber bei der Einräumung von einfachen Nutzungsrechen sein Urheberrecht im Umfang der Nutzungsrechtseinräumung auch weiterhin selbst nutzen. Bei den Nutzungsverträgen ist zwischen der schuldrechtlichen und der verfügungsrechtlichen Seite zu unterscheiden. Die schuldrechtliche Ebene betrifft nur die Beziehungen zwischen den Parteien. Soll eine weitere Partei in diese Zweierbeziehung mit eingebunden werden, so ist hierzu eine spezielle Vereinbarung erforderlich. Denn normalerweise wirkt die schuldrechtliche Vereinbarung nur zwischen den Parteien, die diese vereinbart haben, und bezieht nicht fremde Personen mit ein. Zum Zeitpunkt der Einräumung des ausschließlichen Nutzungsrechts besteht kein weiteres Recht.
Absolutes Nutzungsrecht
Älteres, einfaches Nutzungsrecht
Absolutes Nutz -ungsrecht
Abwehrrecht gegen jedermann
Abwehrrecht gegen jedermann mit Ausnahme des Inhabers des älteren Nutzungsrechts
Abbildung 7: Wirkungsweise des früheren einfachen Nutzungsrechts auf eine spätere Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts.
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
Unabhängig davon, ob es sich um ein einfaches oder ein ausschließliches Nutzungsrecht handelt, besitzt es als beschreibendes Merkmal eine zeitliche, örtliche und eine inhaltliche Komponente. Die örtliche Komponente gibt der Sache nach einen großen Gestaltungsspielraum. Dabei kann der Ort oder Raum positiv definiert werden z.B. München, Deutschland, EU etc. Ebenfalls möglich sind eher unscharfe oder missverständliche Festlegungen wie deutscher Sprachraum oder Europa. Eine weitere Möglichkeit ist eine Negativabgrenzung z.B. weltweit außer Deutschland. Beim Festlegen der örtlichen Komponente ist zu empfehlen, die tatsächlichen Durchsetzungsmöglichkeiten mit zu berücksichtigen. Denn Einschränkungen ohne tatsächliche Durchsetzungsmöglichkeit werden schnell obsolet. Ferner ist zu beachten, dass gem. § 17 Abs. 2 UrhG Erschöpfung eingetreten sein kann. Hier ist der Versuch einer Einschränkung ebenfalls überflüssig. Auch die zeitliche Komponente ist frei gestaltbar. In Betracht kommen kalendarisch bestimmbare Daten z.B. drei Jahre, Zeitdefinitionen nach Ereignissen z.B. bis zum nächsten Bibliothekartag oder Zeitbestimmungen durch Rechtsgestaltung. Bei letzterem ist zunächst von einem unbefristeten Vertrag auszugehen, der bestimmte Kündigungsmodalitäten enthält z.B. bis auf Widerruf. Möglich sind aber auch Befristungen mit Verlängerungsoptionen. Die inhaltliche Komponente kann sich nach bestimmten Produkten bzw. damit verbunden nach Stückzahlen richten. Beispiele hierfür sind: eine Auflage des Buches, Kalender für das Jahr 2022, eine Ausstellung, für Kleidungsstücke etc. Jedoch müssen die inhaltlichen Beschreibungen nach der Verkehrsauffassung hinreichend klar abgrenzbar sein und wirtschaftlich-technisch einheitlich und selbstständig erscheinen.22 Diese in Kategorien gefasste Beschreibung wie eine Nutzung inhaltlich ausgestaltet ist, wird Nutzungsart genannt. Nach den Legaldefinitionen in § 31 Abs. 1 S. 1 sowie §§ 31 Abs. 5, 31a UrhG kann das Nutzungsrecht „einzelne oder alle Nutzungsarten umfassen“. Ziel der Nutzungsart ist die Beschränkung des Nutzungsrechts gem. § 31 Abs. 1 UrhG. Die Beschränkung wiederum dient dazu, dem Werkschöpfer ein umfassendes Entgelt für seine Leistung zu sichern. Dabei gilt: Je stärker eine Aufsplitterung der Nutzungsbefugnisse vorgenommen wird, desto größer wird die Erwerbsmöglichkeiten. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Definition der Nutzungsrechte findet sich in § 31 Abs. 1 S. 1 UrhG. Demnach sind Nutzungsrechte die von den Verwertungsrechten abgespaltenen Rechtspositionen, die andere zur Nutzung berechtigen. Ziel ist eine Übersetzungsleistung der vorbewerteten Medienanwendung im Alltag (Nutzungsart) und der rechtlichen Bewertung. Dabei ist die Verbindung zwischen Nutzungsart und Nutzungsrecht nicht zwingend. Nutzungsarten und Nutzungsrechte
22 BGH, GRUR 2010, 62, 63 (Nutzung von Musik für Werbezwecke); BGHZ 163, 109, 115 (Zauberberg); BGHZ 133, 281, 287f. (Klimbim); BGHZ 95, 274, 283 (GEMA Vermutung I) BGHZ 128, 336, 341 (Videozweitauswertung III).
Verwertungsrechte
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können korrespondieren.23 Die Aufspaltbarkeit ist jedoch begrenzt. Anerkannt sind nur technisch und wirtschaftlich eigenständige Nutzungsarten. Sie bilden jeweils einen eigenen Markt. Somit gibt es keine eindeutige Zuweisung zwischen Nutzungsrecht und Nutzungsart. Die erlaubten Nutzungsarten beschreiben lediglich den Umfang des eingeräumten Nutzungsrechts.24 Beispiel für eine eigenständige Nutzungsart: Ein Schriftwerk kann als gebundenes Buch, als Taschenbuch, als E-Book oder als Text in einer Webseitengestaltung vervielfältigt und verbreitet werden.
Dabei kann im Beispiel jeder einzelnen Nutzungsart ein entsprechendes Nutzungsrecht oder mehrere Nutzungsrechte zugeordnet werden.25 Andererseits können mit einer Verwertungshandlung mehrere Nutzungsarten mit mehreren Nutzungsrechten verbunden sein. Ein Beispiel hierfür ist die Internetnutzung. Hier sind sowohl das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung gem. § 19a UrhG, das Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG und das Verbreitungsrecht gem. § 17 UrhG betroffen. Daher sind zur Abgrenzung zunächst die Nutzungsarten von den stattfindenden Verwertungsvorgängen zu trennen.26 Durch diese Gegenüberstellung erhält man die Zuordnung, welchem Teil des Alltagslebens, dem sogenannten Sachverhalt, welche rechtliche Bewertung zugeordnet werden kann. Die rechtliche Bewertung kann dann wiederum den Ausgangspunkt für die Frage nach dem Rechteinhaber bilden. Nutzungsart Gebundenes Buch Taschenbuch Roman
Verfilmung
Ausschließliche Lizenz Hörspiel
Kalender Abbildung 8: Nutzungsart und Nutzungsrecht am Beispiel der Verwertung eines Romans. 23 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 22; Ullrich, ZUM 2010, 311, 313; Schack: a.a.O., Rn 599; Fromm; Nordemann; J.B. Nordemann: a.a.O., § 31 Rn 13. 24 Schack: a.a.O., § 16 Rn 599. 25 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 22; Dreier; Schulze; Schulze: a.a.O, § 31 Rn 5. 26 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 22; Ullrich, ZUM 2010, 311, 315; LG Köln, GRUR-Prax 2010, 370.
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Möglich ist auch, dass mehrere Nutzungsarten von einem Nutzungsrecht erfasst werden. Typisches Beispiel ist der Vertrieb eines Romans als Taschenbuchausgabe und in gebundener Form. Hier bestehen zwei selbstständige Nutzungsarten, jedoch nur das eine Verbreitungsrecht. Dies ist der Nachweis, dass Nutzungsarten den „inhaltlichen Umfang des Nutzungsrechts bestimmen.“27 Die Nutzungsart kann wiederum enger als das Verwertungsrecht gefasst sein. Wegen der ausschließlichen Wirkung der Nutzungsrechte sind der Aufspaltbarkeit der Nutzungsarten und Nutzungsrechten Grenzen gesetzt.28 Das Ausmaß, in welchem Nutzungsrechte aufgespalten werden können, wird nicht durch die Vertragsparteien festgelegt, sondern durch die Verkehrsanschauung ermittelt.29 Nutzungsarten sind nach Ansicht des BGH dinglich abspaltbar, wenn es sich nach der Verkehrsanschauung um hinreichend klar abgrenzbare, wirtschaftlich-technisch als einheitlich und selbstständig erscheinende Nutzungsarten eines Werks handelt.30 Entscheidend ist hierfür das Erscheinungsbild der Nutzungsart für die beteiligten Verkehrskreise. Damit kommt es auf die äußeren, qualifizierenden Merkmale an.31 Folgerichtig hat eine unbekannte Nutzungsart eigenständig zu sein. Unbekannt ist eine neue Nutzungsart, wenn sie nach der Verkehrsauffassung eine hinreichend klar abgrenzbare, wirtschaftlich-technisch als einheitlich und selbstständig erscheinende Verwertungsform des Werks darstellt und zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (ex ante) noch nicht dem durchschnittlichen Urheber bekannt war. Sie muss wirtschaftlich bedeutsam und verwertbar sein.32 Nicht ausreichend ist es, wenn ein neues technisches Gerät in Fachzeitschrift lediglich angekündigt wird. Hier fehlt die wirtschaftliche Bedeutsamkeit und Verwertungsfähigkeit auf dem Markt.33 So ist beispielsweise die Verwendung von DNA als Speichermedium für Texte und Bilder zur Langzeitarchivierung möglich. Aktuell ist jedoch noch keine Marktreife gegeben.34 Die Verkehrsanschauung kann zeitlich bedingt einem Wandel unterliegen.
27 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 22; Schack: a.a.O., Rn 599. 28 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 23. 29 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 23; Riesenhuber, ZUM 2010, 137, 141; Schack: a.a.O., Rn 535; Schricker; Loewenheim: a.a.O., Vor §§ 28 ff Rn 85f. 30 BGH, GRUR Int. 2009, 616, 618 (Klingeltöne für Mobiltelefone); BGHZ 163, 109, 115 (Der Zauberberg); BGHZ 133, 281, 287f. (Klimbim); BGHZ 128, 336, 341 (Videozweitauswertung). 31 BGH, NJW 1992, 1320, 1321 (Taschenbuch-Lizenz). 32 BGHZ 128, 336, 341 (Videozweitauswertung). 33 Wandtke: a.a.O.,5. Aufl., 4. Kap. Rn 79. 34 https://www.int.fraunhofer.de/de/geschaeftsfelder/corporate-technology-foresight/DNA-Datenspeicher.html, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022.
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Tabelle 2: Überblick über die Zeitpunkte, ab denen die Nutzungsart als bekannt gilt (Auswahl). Nutzungsart
Markteinführung seit
Videozweitauswertung 197735 (bekannt seit 1968) 1982 (bekannt seit 1979) Musik-CD Musik-Sampling 1985 Downloading 1985 Uploading 1985 Elektronische Bildverarbeitung 1987 Multimedia Produktion 1987 Printausgaben auf CD-ROM 199436 Online-Nutzung 199537 Streaming-Dienste 199538 DVD-Nutzung 1997 E-Book 200039 App-Nutzung 2007 iPad 2010
Als eigenständige Nutzungsart ist auch das Onlinearchiv für tagespolitische Berichterstattung gegenüber dem traditionellen Archiv anerkannt. Dies wird mit der anderen Funktion eines Onlinearchivs gegenüber dem traditionellen Archiv begründet. Demnach berichtet ein Archiv nicht über tagespolitische Ereignisse. Vielmehr handelt es sich tatsächlich um ein Nachschlagewerk, wenn die Datenbank mit einer Suchfunktion ausgestattet ist.40 Mit dieser Begründung wirkt die Unterscheidung sehr künstlich und wenig überzeugend. Denn die Ausstattung mit einer Suchfunktion ist faktisch immer der Fall. Denn der Begriff der Suchfunktion ist das konsequente Abbild der Ordnung einer Datenbank und damit der Unterschied zwischen einer ungeordneten Datensammlung und einer geordneten Datenbank. Nach der Rechtsprechung sind eigenständige Nutzungsarten: die jeweilige Verbreitung von gebundenen und Papierbackausgaben41 und die Videozweitverwertung von Spielfilmen.42 Eigenständige Nutzungsarten sind die Printausgabe und das E-Paper43. Werden daher neue bibliothekarische Dienstleistungen entwickelt, die urheberrechtlich relevant 35 BGH, GRUR 1995, 212, 213 (Videozweitauswertung III). 36 BGH, GRUR 2002, 248, 251 (Spiegel-CD-ROM). 37 Wandtke: a.a.O., 5.. Aufl., 4. Kap. Rn 79. 38 Beginn von Info-Radio Berlin-Brandenburg als Streaming-Dienst Info-Radio on Demand. 39 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 72. Anm. Entgegen der späten Marktdurchsetzung erfolgte die Entwicklung der ersten E-Book ähnlichen Werke mit dem Projekt Gutenberg ab 1971 und den als „Discomanen“ bezeichneten Romanen von Wilfried A. Hary ab 1986. 40 OLG Brandenburg, ZUM 2012, 967, 970. 41 BGH, GRUR 1992, 310, 312 (Taschenbuchlizenz). 42 BGHZ 95, 274, 284; vgl. BGH, GRUR 1994, 41, 43 (Videozweitauswertung III). 43 LG Frankental, ZUM-RD 2013, 138, 140; OLG Düsseldorf, ZUM-RD 2010, 663ff.; KG Berlin, AfP 2001, 406ff.
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sind, so sind bei der Namensgebung neben dem Wunsch der Werbewirksamkeit auch die urheberrechtlichen Konsequenzen mit zu bedenken. Wie ermittelt wird, ob eine neue Nutzungsart vorliegt, ist umstritten. Der BGH wendet die Substitutionstheorie an. Danach liegt eine wirtschaftlich eigenständige Verwertung regelmäßig dann vor, wenn mit Hilfe der Technik ein neuer Absatzmarkt erschlossen wird. Erfolgt dann ein Ersatz der alten Verwertungsform durch die andere gebräuchliche, ist eine neue Verwendungsform meistens zu verneinen.44 Daher wurde die DVD gegenüber der Videokassette nicht als neue Nutzungsart angesehen.45 Aus den gleichen Gründen wurde in der Blue-Ray-Disc keine selbstständige Nutzungsart gegenüber der DVD gesehen.46 Somit ist die Nutzungsart einer DVD trotz des unterschiedlichen äußeren Erscheinungsbildes nicht von der Video-Kassette mit dinglicher Wirkung abspaltbar.47 Ebenfalls wurde im Verhältnis von Musik-CD zur Schallplatte von einem Ersatz und nicht von einer neuen Nutzungsart ausgegangen.48 Die Gesamtheit der Rechte von körperlichen Videogrammen wird in Nutzungsverträgen häufig „autovisuelle Verwertung“ oder „Videogrammrecht“ genannt. Umstritten ist, ob unter diesem Begriff auch die unkörperliche Nutzung des Video-on-Demand zu verstehen ist.49 Hier empfiehlt sich eine Definition oder sonstige ausdrückliche Regelung zur Klarstellung im jeweiligen Vertrag. Die Substitutionstheorie ist umstritten, da sie tendenziell Verwerterinteressen, wozu auch Bibliotheken gehören, besonders berücksichtigt. Auch wenn es bei den Nutzungsarten auf die Anschauung der Verkehrskreise ankommt, sind Indizien hilfreich, um überhaupt eine solche Untersuchung durchzuführen. Indizien sind keine Beweise. Sie sind vielmehr Hinweise, die sich jedoch so verdichten können, dass von einem Nachweis ausgegangen wird. Das Aufkommen neuer Nutzungsarten ist auch ein Hinweis an Bibliotheken, auf die neuen oder veränderten Informationspräsentationen zu reagieren, und hat damit unmittelbaren Einfluss auf die Erwerbungspolitik. Das Aufkommen neuer Nutzungsarten kann zur Folge haben, dass andere Nutzungsarten zumindest teilweise durch die Neuerungen ersetzt werden. Eine vorausschauende Erwerbungspolitik zeichnet sich durch ein gutes Timing des Erkennens der benötigten Nutzungsarten und deren Umfang aus. Als Indizien für neue Nutzungsarten kommen beispielsweise in Betracht:
44 BGH, GRUR 2005, 937-940 (Zauberberg). 45 BGH, ZUM-RD 2012, 192 (Das Boot); BGHZ 163, 109, 116 (Der Zauberberg). 46 OLG München, GRUR-RR 2011, 303, 304 (Blue-ray Disc). 47 Homann: Praxishandbuch Filmrecht, S. 102. 48 Homann: a.a.O., S. 102. 49 So OLG München, ZUM 1998, 413, 415 a.A. Homann: a.a.O., S. 102.
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–– Es handelt sich bei der neuen Anwendung nicht nur um eine zu erwartende Weiterentwicklung z.B. neue Version mit absehbaren Verbesserungen wie weiteren Funktionen, geändertem Layout oder einer verbesserten Grafik. –– Die Neuerung macht eine neue Hardware bzw. neue Kommunikationsmittel zur Werksnutzung erforderlich. Dabei hat die neue Hardware nicht nur eine Schutzfunktion, um unerlaubte Nutzungen zu verhindern, sondern dient der Nutzung des Werks selbst. –– Eine neue Nutzergruppe fühlt sich von der betrachteten Nutzungsart angesprochen. –– Die Einführung der betrachteten Nutzungsart führt zu einer spürbaren Zunahme einer bestehenden Nutzungsgruppe. –– Es bestehen ernsthafte Überlegungen, eine neue Nutzungskategorie für die Statistik einzuführen. –– Es ist erkennbar, dass die Nutzung mehr als nur die Ausführung oder Beschaffung des Mediums in der Medienbereitstellung verändert wird. Beispielsweise deshalb ist der benutzergesteuerte Erwerb keine neue Nutzungsart. Die oben beispielhaft aufgeführten Indizien können einzeln oder in Kombination auftreten. In letzterem Fall verstärken sich damit die Hinweise, eine neue Nutzungsart in Betracht zu ziehen. Ebenso ist die Intensität der Merkmale zu berücksichtigen. Dagegen sind Anpreisungen des Herstellers als neue Nutzungsart zumindest so lange irrelevant, solange diese sich auf dem Markt noch nicht durchgesetzt hat. Um Auslegungsschwierigkeiten zu entgehen, empfiehlt sich eine vertragliche Auflistung aller vorgesehenen Nutzungsarten im Vertrag. Bibliotheken und Informationseinrichtungen als Zusammenkunftsort eines nennenswerten Teils der maßgeblichen Verkehrskreise haben über ihre Breitenwirkung die Möglichkeit, durch die entsprechende Präsentation Einfluss auf die Wahrnehmbarkeit der Nutzungsart zu nehmen. Das gleiche gilt für Verlage und Buchhandlungen bzw. den sonstigen Vertrieb. Denn großflächige Präsentation und Werbung wirken neben eigendynamischen Elementen hier mit auf die Verkehrsanschauung ein. Gerade Bibliotheken sind ein Forum zur Meinungsbildung über Nutzungsarten und entscheiden daher mit. Denn Bibliotheken sind über ihren Benutzungsbereich mit der Präsentation der Medien zum Ausprobieren und Vergleichen prädestiniert. Versuche nach Exklusivität bestimmter Medienpräsentationen sollen daher auch unter diesem Winkel betrachtet werden. Dies gilt auch für Benutzerwünsche nach bestimmten Produkten. Wegen des Maßstabs der Verkehrsanschauung können bisher bestandene Unterteilungen der Nutzungsart wegfallen, wenn sich die Verkehrsanschauung entsprechend ändert. Hierdurch wird u.a. entschieden, ob die bisher erworbenen Rechte an der Nutzung eines Werks ohne Nachverhandlungen und zusätzliche Zahlungen möglich sind. Im Einzelfall gelten vorrangig die einzelvertraglichen Vereinbarungen. Sind solche nicht vorhanden, wird auf Auslegungskriterien wie die oben genannten zurückgegriffen. Versuche auf die Wahrnehmung der Nutzungsart Einfluss zu
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nehmen, ist allerdings ein längeres Projekt, das einer Koordinierung oder zumindest einer Absprache bedarf.
7.1.2 Weiterübertragung von Nutzungsrechten Nutzungsrechte können generell nur mit Zustimmung des Urhebers übertragen werden, § 34 Abs. 1 S. 1 UrhG. Das deutsche Urheberrecht ist in seiner Grundtendenz davongeprägt, dass der Urheber in seinen wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten und urheberpersönlichkeitsrechtlichen Belangen geschützt wird. So kann der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts seine Nutzungsrechte dieses gem. § 35 Abs. 1 S. 1 UrhG nur dann auf einen Dritten übertragen, wenn eine Zustimmung des Urhebers vorliegt. Eine Einschränkung der Zustimmung besteht bei Sammelwerken. Hier ist nicht die Zustimmung jedes Urhebers eines Beitrags erforderlich. Vielmehr genügt gem. § 34 Abs. 2 UrhG die Zustimmung des Urhebers des Sammelwerks. Ein Sonderfall liegt vor, wenn es sich bei dem Urheberwerk um gebrauchte Software handelt. Hier können die Nutzungsrechte nur mit Zustimmung des Rechteinhabers gem. § 34 Abs. 1 UrhG weiterübertragen werden. Nicht möglich ist daher eine Übertragung der Nutzungsrechte von den Kunden der Softwarehändlerin auf die Gebrauchtsoftwarehändlerin.50 Maßgeblich für diesen Sonderfall ist der in § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG niedergelegte Erschöpfungsgrundsatz. Auch wenn der Urheber ein ausschließliches Nutzungsrecht einräumt, so ist er bei Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses weiterhin zur Geltendmachung der Ansprüche berechtigt. Er steht hier auf einer Stufe mit dem Erwerber eines ausschließlichen Nutzungsrechts.51 Seit der Urheberrechtsreform von 2002 kann der Urheber das Nutzungsrecht zurückrufen, wenn ihm gem. § 34 Abs. 3 S. 3 UrhG die Ausübung des Nutzungsrechts durch den Erwerb nach Treu und Glauben nicht länger zuzumuten ist. Hat vor der Beendigung des Nutzungsvertrags mit dem Ersterwerber eine wirksame Rechtekette auf Grund gültiger Lizenzvereinbarungen bestanden, so werden die nachfolgenden Erwerber geschützt. Dabei sind verschiedene Beendigungsgründe wie Befristung, Kündigung, Rückruf, Aufhebungsvertrag, Insolvenz etc. möglich. Der Rechteumfang ist zwar vom Ersterwerber abhängig. Wegen § 33 S. 2 UrhG hat die Beendigung jedoch keine Auswirkung auf die Erwerbskette. So verliert der Unterlizenznehmer nach Auffassung des BGH52 nicht seine einfachen oder ausschließlichen Nutzungsrechte, wenn vom Ersterwerber wegen des Rückrufs nach § 41 UrhG oder wegen anderen Beendigungsgrün50 BGH, CR 2011, 223, 224 (UsedSoft) mit Anm. Wolff-Rojczk; Hansen, CR 2011, 228, 229. 51 LG Köln, ZUM 2013, 417, 420. 52 BGH, GRUR 2012, 916, 918 Rn 23 (M2Trade); BGH, GRUR 2012, 914, 915 Rn 19 (Take Five); BGH, GRUR 2009, 946 (Reifen Progressiv); a.A. OLG Köln, GRUR-RR 2010, 149, 151.
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den durch den Urheber seine ausschließlichen Nutzungsrechte an den Urheber heimfallen. Andernfalls wäre kein gesicherter Rechteerwerb mehr möglich. Entfällt das Verfügungsgeschäft nachträglich, so wandern die Nutzungsrechte automatisch wieder zum Stammrecht oder Mutterrecht. Es wird damit wieder vervollständigt. Dieser Vorgang wird Heimfall der Nutzungsrechte genannt.53 Beendigung des zunächst wirksamen Nutzungsvertrags
Die wirksamen Nutzungsverträge der folgenden Erwerber bleiben wirksam.
1
2
3
Heimfall der Nutzungsrechte von Lizenznehmer 1 Abbildung 9: Heimfall der Nutzungsrechte.
Wie § 33 UrhG zeigt, ist in Deutschland ein gutgläubiger Erwerb von Nutzungsrechten oder Vergütungsansprüchen ausgeschlossen. Weder finden §§ 932 ff. BGB Anwendung, noch gibt es an anderer Stelle entsprechende Normen. Daher kann der Erwerber nur auf die Zusage des Veräußerers vertrauen. Aus diesem Grunde ist eine saubere Dokumentation der Herkunft der zu erwerbenden Rechte zweckmäßig. Dazu gehört auch eine Erklärung des Veräußerers, Inhaber der Nutzungsrechte zu sein. Bei einem enttäuschten Vertrauen bleiben ihm nur Schadensersatzansprüche z.B. aus § 437 BGB. Hier hat der enttäuschte Käufer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, warum sein Vertrauen schutzwürdig war. Bei der Frage nach der Schutzwürdigkeit sind die konkreten Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Hierzu gehört z.B. auch die Berufserfahrung im Umgang mit Medien und Informationen. Grundregel: keine Übertragbarkeit des Urheberrechts, sondern Abspaltung und Übertragung von Nutzungsrechten
Ausnahme von der Grundregel: Beim Erbfall erfolgt eine Übertragung des Urheberrechts. E Abbildung 10: Übertragbarkeit und Urheberrecht. 53 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 63ff; Dreier; Schulze; Schulze: a.a.O., Vor § 31ff. Rn 115.
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Zu Lebzeiten ist das Urheberrecht gem. § 29 Abs. 1 UrhG nicht übertragbar. Eine Übertragung des Urheberrechts findet dagegen im Erbgang statt.54 Ebenso gilt die grundsätzliche Nichtübertragbarkeit zu Lebzeiten des Urhebers für die einzelnen Verwertungsrechte.55 Daher ist es dem Urheber nicht möglich, nur ein Vervielfältigungsrecht gem. § 16 UrhG auf eine andere Person zu übertragen. Die wirtschaftliche Verwertung durch andere Personen als den Urheber erfolgt vielmehr durch die Übertragung von Nutzungsrechten. Denn gem. § 29 Abs. 2 UrhG können am Urheberrecht grundsätzlich nur einfache oder ausschließliche bzw. beschränkte oder unbeschränkte Nutzungsrechte eingeräumt werden. Findet sich in Verträgen, die nach dem 01.01.1966 geschlossen worden sind, eine Formulierung, die von der Übertragung des Urheberrechts oder eines Verwertungsrechts spricht, liegt regelmäßig dennoch kein Gesetzesverstoß mit der Folge der Nichtigkeit gem. § 134 BGB vor. Denn hier kann die Vereinbarung regelmäßig gem. §§ 133, 157 BGB dahingehend ausgelegt werden, dass mit „Übertragung“ eine Einräumung von Nutzungsrechten gemeint war. In welchem Umfang dann die Nutzungsrechte eingeräumt wurden, bestimmt sich nach der Zweckübertragungsklausel gem. § 31 Abs. 5 UrhG. Hier besteht im Urheberrecht die Tendenz, möglichst viele Rechte beim Urheber zu belassen. In anderen Rechtsordnungen gibt es die Möglichkeit, das Urheberrecht oder einzelne Verwertungsrechte zu übertragen. Werden nun Vertragswerke oder Klauseln aus solchen Rechtsordnungen ins deutsche Recht übernommen, erfolgt regelmäßig eine Auslegung dahingehend, dass damit die entsprechenden ausschließlichen Nutzungsrechte vereinbart wurden.56 Die Nutzungsberechtigung kann aus verschiedenen Gründen enden. Diese Gründe und ihre Folgen sind hier nochmals zusammengefasst. Tabelle 3: Beendigung der Nutzungsrechte und ihre Folgen. Grund
Rechtliche Folge für die Nutzungsrechte
Ende der Schutzfrist des Urheberrechts Erreichen der Befristung der Nutzungsrechte Kündigung des Vertrags über die Nutzungsrechte Aufhebungsvertrag Verzicht des Nutzungsberechtigten Gewandelte Überzeugung Nichtausübung der Nutzungsrechte
Erlöschen Rückfall der Nutzungsrechte Rückfall der Nutzungsrechte Rückfall der Nutzungsrechte Heimfall der Nutzungsrechte Recht zum Rückruf der Nutzungsrechte Recht zum Rückruf der Nutzungsrechte
54 Siehe Teil 1, Kap. 9.7. 55 Begründung UrhG-Entwurf vom 23.03.1962, 5. Abschnitt, Rechtsverkehr im Urheberrecht; siehe auch Schricker; Schricker: a.a.O., vor §§ 28ff. Rn 18, § 29 Rn 7. 56 Schricker; Katzenberger: a.a.O., Vor §§ 120 Rn 151.
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Tabelle 4: Schutzfristen Werkart
Schutzfrist
Beginn der Zählung
Werke Wissenschaftliche Ausgaben u. nachgelassene Werke Datenbank
70 Jahre 25 Jahre
Tod des Urhebers Erscheinen bzw. Herstellung, bei nicht erschienen Werken Veröffentlichung/ Herstellung, falls nicht veröffentlicht. Neubeginn der Schutzfrist bei jeder wesentlichen Bearbeitung. Erscheinen und Veröffentlichung/ Herstellung, falls nicht erschienen/ veröffentlicht. Aufführung – Erscheinen und Veröffentlichung/ Herstellung, falls nicht erschienen/ veröffentlicht.
15 Jahre
Lichtbilder, Filmhersteller, Tonträ- 50 Jahre gerhersteller, Sendeunternehmen Ausübende Künstler
50 Jahre
Bei den Fristen handelt es sich um Jahresfristen. Sie beginnen mit dem 1. Januar, des Folgejahres, welches auf das Ereignis, z.B. Veröffentlichung, folgt. 7.1.3 Schutz vor Veränderungen Durch §§ 14, 97 UrhG kann der Urheber der Entstellung seines Werks entgegenwirken. Geschützt wird das geistige bzw. persönliche Interesse am Werk, nicht aber das Werk an sich. Fall: Im Eingangsbereich der Bibliothek B hängt seit ca. 50 Jahren ein großformatiges Ölbild eines zeitgenössischen Künstlers. Die neue Leiterin der Bibliothek empfindet dieses Bild als nicht politisch korrekt und lässt es im Sinne der aktuellen Political Correctness an den ihrer Meinung nach als kritisch anzusehenden Stellen übermalen. Lösungsskizze: Die Übermalungen widersprechen dem Änderungsverbot aus § 14 UrhG. Hiergegen steht dem Maler oder seinen Erben ein Beseitigungsanspruch zu. Hätte die Bibliotheksleiterin hingegen das Bild abgehängt, aus dem Bestand ausgesondert und verkauft, so wäre kein Anspruch aus § 14 UrhG wegen diesen Änderungen gegeben gewesen.
§ 14 UrhG enthält ein grundsätzliches Änderungsverbot. Das allgemeine Veränderungsverbot wird durch weitere Normen insbesondere § 39 UrhG (vertragliche Nutzungsrechte), § 62 UrhG (gesetzliche Nutzungsrechte), § 93 Abs. 1 UrhG (Filmwerke) und § 44 VerlG (Sammelwerke) konkretisiert. Der Urheber wird gem. § 14 UrhG vor Entstellung und Beeinträchtigung seines Werks geschützt. So sieht es auch Art. 6bis I RBÜ vor. Beeinträchtigung ist der Oberbegriff. Die Entstellung ist ein besonders
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schwerer Fall der Beeinträchtigung.57 Häufige Diskussionspunkte sind bei der Entstellung von Filmwerken die Themen Format- und Laufzeitanpassung, Werbeunterbrechung, Einblendungen.58 Für Filmarchive kann dieser Punkt bei der Langzeitarchivierung bei der Umsetzung der Art und Weise relevant werden. Daher ist die Form der Langzeitarchivierung auch unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten zu bewerten und es sind gegebenenfalls die erforderlichen Rechte einzuholen. Der Prüfungsaufbau für das Änderungsverbot ist wegen § 14 UrhG dreistufig.59 Bei Filmwerken kann sich eine Sondersituation anschließen. Empfohlen wird eine dreistufige Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen.60 1. Liegt eine Entstellung oder Beeinträchtigung des Werks vor? 2. Ist die Entstellung oder Beeinträchtigung geeignet, die ideellen Interessen des Urhebers zu gefährden? Die Beeinträchtigung muss geeignet sein, die geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers zu gefährden. Liegt eine objektive Werksbeeinträchtigung vor, so wird die Interessengefährdung indiziert. Der Indiz entfällt, wenn eine Nutzungsberechtigung gem. § 39 Abs. 1 UrhG oder ein Bearbeitungsrecht nach § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG besteht. 3. Erweisen sich diese Interessen nach Abwägung mit gegenläufigen Interessen als berechtigt? Hierbei handelt es sich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal mit der Funktion eines Korrektivs. § 39 Abs. 2 UrhG ist an die Auslegungsregel des § 157 BGB angelehnt. Danach darf der Urheber sein Urheberpersönlichkeitsrecht grundsätzlich nicht so ausüben, dass der von ihm geschlossene Vertrag verhindert wird. § 39 Abs. 2 UrhG gestattet dem Nutzungsberechtigten dem Vertragszweck gemäße, werkrealisierende Änderungen. Hierzu gehört auch das Kürzen eines Leserbriefes, sofern hierdurch der Sinn nicht entstellt wird.61 Gegebenenfalls liegt eine Sondersituation bei Filmwerken vor. Festzustellen ist, dass nicht jede Entstellung verboten ist. Erlaubte Ausnahmen sind z.B. das Kleinzitat gem. § 51 S. 2 Nr. 2 UrhG, der Sache nach bedingte Verkleinerungen im Rahmen der Katalogbildfreiheit, §§ 58, 62 Abs. 3 UrhG. Mit Einschränkungen zählt auch das Zitiergebot nach § 63 UrhG zu den Grundsätzen. Von dem Gebot, die Quelle deutlich anzugeben, sind von den Vervielfältigungsarten einige durch eine
57 Schack: Urheber- und UrhebervertragsR, § 12 Rn 383. 58 Schack: a.a.O., § 12 Rn 382. 59 LG München I, GRUR-RR, 2007, 226, 228, 229 (Eine Freundin für Pumuckl); a.A. BGH, GRUR 1999, 230 (Treppenhausgestaltung); BGH, GRUR 1989, 106, 107f. (Oberammergauer Passionsspiele II); BGH, GRUR 1982, 107, 109 (Kirchen-Innenraumgestaltung). 60 Schack: a.a.O., § 12 Rn 380. 61 RGZ 119, 401, 404f.; Bock, GRUR 2001, 397–400.
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ausdrückliche gesetzliche Bestimmung ausgenommen. Hierzu zählt beispielsweise die Vervielfältigung bei der Benutzung eines Datenbankwerks gem. § 55a UrhG. Im Rahmen der Bearbeitung eines anderen Werks kann es ebenfalls zu Beeinträchtigungen kommen. Dabei ist der Begriff der Beeinträchtigung neutral zu werten. Subjektiv kann sich die Beeinträchtigung positiv oder negativ auf das Werk und dessen Wahrnehmung auswirken. Den Ausgangspunkt bildet die vom Urheber verliehene Gestalt des Werks. Fall: Der Hobbyhistoriker und pensionierte Gymnasiallehrer hat Schautafeln erstellt, die die Geschichte des Dorfes von der Gründung bis zur Gegenwart in Bild und Schrift darstellen. Spezielle Vorgaben waren nicht vereinbart worden. Noch vor der offiziellen Eröffnung der neuen Ausstellung im Dorfmuseum passt die progressive Archivarin die Schautafeln ihrem Sprachgebrauch an. Dazu ersetzt sie die zahlreichen lateinischen Zitate und Einschübe des Altphilologen durch ihrer Ansicht nach modernen Sprachgebrauch aus dem Denglischen. Lösung: Die sogenannte Modernisierung ist als Bearbeitung einzuordnen. Als solche ist sie gem. § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG zustimmungspflichtig. Der Sprachgebrauch betrifft als charakteristisches Gestaltungsmittel unmittelbar das Urheberpersönlichkeitsrecht.
Eine Beeinträchtigung kann auch durch den Umgebungszusammenhang erfolgen. Eine solche liegt vor, wenn die Umgebung der Aussage des Werks entgegenläuft oder gar der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Dagegen liegt keine Beeinträchtigung nach § 14 UrhG vor, wenn das Werk abwertend kritisiert wird. Hier richtet sich die Kritik gegen den Urheber als Person. Ein Schutz davor kommt nur durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Betracht.62 Bei der Beurteilung des Umgebungszusammenhangs kommt es auf eine objektive Betrachtungsweise an.63 Daher wird die Frage gestellt, wie würde eine neutrale Person die Lage bewerten. Besondere Empfindlichkeiten und Charakterzüge der Person des Urhebers werden nicht geschützt, sondern die Beziehung zu seinem Werk. Beispiel: Der Autor mit Namen Schmidt, A. hat kein schützenswertes Interesse, dass sein Buch im Regal nicht neben dem seines größten Konkurrenten Schmidt, B. steht. Die auf Grund der Notation vorgenommene Aufstellung ist sachbezogen, ob und wie weit die Bücher zusammenstehen, geschieht in nichtdiskriminierender Art und Weise.
62 Schack: a.a.O., § 12 Rn 385. 63 Schack: a.a.O., § 12 Rn 387.
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7.1.4 Auslegung im Urheberrecht Nicht immer ist die Einräumung des Nutzungsrechts zwischen den Vertragsparteien klar und eindeutig bzw. unmissverständlich geregelt. Manche Unklarheiten zeigen sich erst Jahre später in besonders gelagerten Fällen, an die bei Vertragsschluss noch niemand gedacht hatte. Nach den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung ist nicht allein vom Wortlaut des Vertrags, sondern vom Sinn der Vereinbarung auszugehen. Zu den wichtigsten und für das Urheberrecht spezifischen Auslegungsregeln gehört die in § 31 Abs. 5 UrhG normierte Zweckübertragungsregel.64 Hauptfunktion von § 31 Nr. 5 UrhG ist die Unterstützung der Auslegung von unklaren Formulierungen in urheberrechtlichen Vereinbarungen. Danach bestimmt sich der Umfang der Einräumung des Nutzungsrechts nach dem mit dem Vertrag verfolgten Zweck. Kerngedanke der Zweckübertragungsregel ist die Aussage, dass in Zweifelsfällen der Urheber in Verträgen mit urheberrechtlichen Inhalten Nutzungsrechte nur in dem Umfang einräumt, die nach dem Vertragszweck erforderlich sind. Daraus leitet sich der Grundsatz des Urheberrechts ab: Die urheberrechtlichen Befugnisse haben die Tendenz, beim Urheber zu verbleiben. Für den Verwerter bedeutet die Zweckübertragungsklausel, dass er sich jedes Recht durch eine möglichst genaue Bezeichnung sichern muss. Dies wird als Spezifizierungslast bezeichnet. Die Norm ist Grundlage für die im gesamten Urheberrecht geltende Spezifizierungslast des Inhabers eines Nutzungsrechts.65 Liegen pauschale Rechteeinräumungen vor, so bestimmt der Vertragszweck sowohl, welche Rechte im Einzelnen eingeräumt wurden als auch wie dies inhaltlich, örtlich und zeitlich zu verstehen ist.66 Somit ist die Zweckübertragungstheorie auch auf die Frage anwendbar, ob ein einfaches oder ein ausschließliches Nutzungsrecht übertragen worden ist. Bei der Auslegung nach der Zweckübertragungstheorie kommt es nicht auf die alleinige Sicht einer Vertragspartei an. Vielmehr erfolgt eine Erforschung des gemeinsamen Willens durch eine objektive Gesamtwürdigung. Darlegungs- und beweispflichtig ist derjenige, der sich auf die pauschale Rechteeinräumung beruft und behauptet, sie entspreche dem Vertragszweck.67 Werden hingegen im Vertrag alle möglichen Nutzungsrechte einzeln aufgezählt, so kann sich der Urheber gegenüber dem Verwerter nicht auf § 31 Abs. 5 UrhG berufen.68 Nach Ansicht des BGHs findet in § 31 Abs. 5 UrhG keine Inhaltskontrolle des Vertragswerks i.S.v. § 307 Abs. 1 Nr. 2 BGB statt. Grund dafür ist die Vertragsautonomie.69 Die Auslegungs64 Goldbaum: Urheber- und Urhebervertragsrecht, S. 75ff.; erstmals aufgegriffen in RGZ 118, 282 (Verfilmung) mittlerweile in § 31 Abs. 5 UrhG normiert. 65 Wandtke/Bullinger: a.a.O., § 31 Rn 40. 66 BGHZ 131, 8, 13 (pauschale Rechteeinräumung). 67 BGHZ 131, 8, 14 (pauschale Rechteeinräumung). 68 BGH, GRUR 1982, 727, 730 (Altverträge); OLG Hamburg, ZUM 2011, 846, 856. 69 BGH, GRUR 2012, 1031, 1034 Rn 18 (Honorarbedingungen Freie Journalisten); Nordemann J.B., NJW 2012, 3121f.; a.a. Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 46.
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prinzipien der §§ 133, 157 BGB gelten im Urheberrecht ergänzend zur Zweckübertragungsklausel des § 31 Abs. 5 UrhG. Altverträge, die vor 1966 geschlossen wurden, werden von § 31 Abs. 5 UrhG nicht erfasst. Als sogenannte Altverträge gelten die Verträge vom 1.1.1966 bis zum 31.12.2007. Über § 137l UrhG soll der Rechteerwerb erleichtert werden. Möglich ist auch die Verfügung über die Nutzungsrechte an einem künftig zu schaffenden Werk. Als Besonderheit ist hier ausnahmsweise die Schriftform gem. § 40 Abs. 1 S. 1 UrhG zu wahren. Zudem besteht nach dem Ablauf von fünf Jahren ein zusätzliches, beiderseitiges, nicht im Voraus verzichtbares Kündigungsrecht. Inhalt
Eingeräumtes Nutzungsrecht Zeit
Raum
Abbildung 11: Trias der Rechteeinräumung: Inhalt, Zeit, Raum.
In § 33 UrhG wird der sogenannte Sukzessionsschutz geregelt. Dieser beschreibt die Wirksamkeit von älteren ausschließlichen und einfachen Nutzungsrechten gegenüber später eingeräumten Nutzungsrechten. Dabei wird der Grundsatz in § 33 S. 2 UrhG um einen Schutz bei Rechtsnachfolge ergänzt. Somit bleibt der Inhaber eines älteren Nutzungsrechts gegenüber dem wechselnden Inhaber des jüngeren Nutzungsrechts geschützt. Beispiel: An seinem Werk „X“ räumt der Erfolgsautor E zunächst dem Buchverlag B ein einfaches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung und Verbreitung eines Buches ein. Kurze Zeit später räumt E zudem der Filmgesellschaft F ein ausschließliches Nutzungsrecht an dem Werk ein, dieses zu verfilmen. Die Filmgesellschaft F wird einige Jahre später von dem Konkurrenten K aufgekauft und in die K-Gesellschaft umgewandelt. K möchte nun den Roman zum Film herausbringen und deswegen B als lästigen Konkurrenten den Vertrieb des Buches verbieten. Hier hat K das ältere, einfache Nutzungsrecht von B zu respektieren.
Grundsätzlich können Nutzungsrechte vom Erwerber der Nutzungsrechte auf eine weitere Person übertragen werden. Jedoch steht die Wirksamkeit der Übertragung gem. § 34 Abs. 1 S. 1 UrhG unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch den Urheber. Soweit der Urheber nicht gegen Treu und Glauben seiner frü-
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heren Einräumung des Nutzungsrechts handelt, ist er in der Entscheidung frei, der Übertragung zuzustimmen oder sie abzulehnen. Durch eine umfassende Wertung und Abwägung der Interessen wird bestimmt, ob ein solcher Verstoß bei einer Verweigerung der Übertragung vorliegt.70 Bei der Gestaltung der Vereinbarung zwischen dem Urheber und dem Erwerber des Nutzungsrechts ist daher zweckmäßigerweise darauf zu achten, dass das Thema Übertragbarkeit von Nutzungsrechten im Vertrag geregelt wird. Beispiele für das Auslegen von Nutzungsverträgen, soweit keine spezielle Vereinbarung getroffen wurde: Beispiel 1: Bibliotheksleiterin L erwirbt eine Skulptur eines zeitgenössischen Künstlers für den Eingangsbereich einer Bibliothek. Erlaubt ist das öffentliche Aufstellen der Skulptur. Verboten ist der Verkauf von Postkarten, die ausschließlich diese Skulptur abbilden. Abwandlung und Ergänzung: Würde es sich um eine historische Figur handeln, deren Künstler bereits 70 Jahre verstorben ist und hierdurch Gemeinfreiheit an dem Kunstwerk eingetreten ist, so wird nach § 68 UrhG auch die originalgetreue Abbildung der gemeinfreien Statue nicht mehr durch Leistungsschutzrechte geschützt. Beispiel 2: Die Werbeagentur W erwirbt eine Fotoerlaubnis des zeitgenössischen, repräsentativen Treppenhauses der Bibliothek B zu Werbezwecken. Erlaubt ist das Vervielfältigung und Verbreitung von Bildern auf Werbeflyern und sonstigen grafischen Gestaltungen. Verboten ist dagegen die Vergabe einer Lizenz an eine andere Werbeagentur, eine sogenannte Unterlizenz. Beispiel 3: Für das Stadtarchiv wird eine Anwendungssoftware zur Tabellenkalkulation als Einzelplatzlizenz erworben. Erlaubt ist die Benutzung auf einem Rechner des Stadtarchivs, das Erstellen einer Sicherungskopie, sowie die Programmierung einer Schnittstelle. Verboten ist dagegen die Verwendung der Software auf mehr als einem Arbeitsplatz sowie das Erstellen einer Kopie für die private Anwendung. Beispiel 4: Die Gemeindebücherei erwirbt ein Kinderhörbuch auf CD. Erlaubt ist die Aufnahme in den Medienbestand zur Leihe, ein privates Anhören oder ein Verschenken des Hörbuchs. Gesondert erlaubnispflichtig und ansonsten verboten ist ein Abspielen des Hörbuchs ohne Anmeldung bei der Verwertungsgesellschaft als Hintergrundberieselung im Publikumsbereich der Kinderbuchabteilung. Beispiel 5: Im Hinblick auf die unbekannten Nutzungsrechte besteht eine Nachfragepflicht um Erlaubnis, wenn im Jahr 1980 eine Grafik für Bibliothek erworben wurde, deren Digitalisat nun den Hintergrund der Bibliothekswebseite zieren soll.
70 Schricker; Schricker: a.a.O., § 34 Rn 16.
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7.1.5 Verwertungsrechte in körperlicher Form Die körperlichen Verwertungsrechte betreffen unmittelbar den Umgang mit dem Werk im Original oder einem seiner Vervielfältigungsstücke. Zu den Verwertungsrechten in körperlicher Form gehören das Vervielfältigungsrecht, das Verbreitungsrecht und das Ausstellungsrecht. Diese Aufzählung ist aber nicht abschließend. Bei den Verwertungsrechten in körperlicher Form nach § 15 Abs. 1 Nr. 1–3 UrhG ist das Vervielfältigungsrecht das bedeutendste. Die Vervielfältigung ist die direkteste Wiederholung eines Werks. Damit ist sie zunächst einmal dem Urheber vorbehalten. Abweichungen von diesem Grundsatz sind möglich. § 16 UrhG stellt klar, dass es hierbei weder auf die Anzahl noch auf das Verfahren der Vervielfältigung ankommt. Ferner ist es unerheblich, ob die Kopie beständig oder flüchtig ist, aus welchem Material sie besteht oder in welchem Größenverhältnis sie wiedergeben wird. Wesentlich ist für das Ergebnis der Vervielfältigung, dass es zu einer körperlichen Festlegung kommt, die mit den menschlichen Sinnen unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar ist. Dabei können die menschlichen Sinne mit technischen Einrichtungen unterstützt werden.71 Unerheblich ist die Bestandsdauer der Vervielfältigung. Auch die vorübergehende Speicherung im Arbeitsspeicher eines Computers ist eine Verwertungshandlung. Durch § 44a UrhG werden nur diejenigen „flüchtigen oder begleitenden“ Vervielfältigungen freigestellt, die technisch notwendig sind, „keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben“ und ferner im Zuge einer bloßen Durchleitung (Nr. 1) oder einer rechtmäßigen Nutzung (Nr. 2) geschehen.72 Die technisch notwendige Kopie ist zu löschen, wenn der Zweck erreicht wurde. Nicht zulässig ist es, den Zweck auszutauschen oder künstlich zu verlängern, um tatsächlich eine dauerhafte Kopie zu erhalten. Hierfür ist eine ausdrückliche Zustimmung des Rechteinhabers erforderlich. § 17 Abs. 1 UrhG sieht ein selbstständiges Verbreitungsrecht neben dem Vervielfältigungsrecht vor. In der Praxis werden beide Rechte meist gemeinsam behandelt. Zum Verbreitungsbegriff gehört neben dem Kauf und der Miete auch die Leihe in Bibliotheken, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Denn durch die Leihe werden die Vervielfältigungsstücke der Öffentlichkeit angeboten.73 Was unter Öffentlichkeit zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 3 UrhG legaldefniert. Demnach gehört jeder zur Öffentlichkeit, der nicht mit demjenigen, der das Recht zur Nutzung durch Kauf und Lizenz besitzt, persönlich verbunden ist. Bei dem Begriff Verbreitung handelt es sich um einen Überbegriff. Er umfasst sowohl die erstmalige Handlung als auch die Weiterverbreitung durch das
71 Schack: a.a.O., § 13 Rn 417. 72 EuGH, GRUR 2009, 1041 Rn 54ff (Infopaq/DDF). 73 Schricker; Loewenheim: a.a.O., § 17 Rn 12.
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Angebot an die Öffentlichkeit.74 So werden in § 17 Abs. 1 UrhG zwei Verbreitungshandlungen genannt: das Inverkehrbringen und das öffentliche Anbieten von Werkexemplaren. Damit werden auch Vorbereitungshandlungen vom Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 UrhG erfasst.75 Den Tatbestand erfüllen nur öffentlichkeitsbezogene Handlungen. Für § 17 Abs. 1 UrhG gilt der Öffentlichkeitsbegriff des § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG. Mit dem Begriff des Verbreitens ist sowohl das geistige Werk als auch seine physische Form gemeint.76 So umfasst der weite Begriff des Verbreitens bereits das Angebot zum Verkauf oder das Einstellen in ein Freihandregal bzw. in ein offenes Archiv einer öffentlichen Bibliothek. Auf die Frage einer tatsächlichen Nutzung kommt es nicht an. Diese Regel berücksichtigt die Interessen der Eigentümer der physischen Werkexemplare. Denn hätte der Urheber auch hier ein Ausschließlichkeitsrecht, könnte er den Handel mit den Vervielfältigungsstücken erheblich stören.77 Die hiermit angesprochene Sicherung der Verkehrsfähigkeit von Werkexemplaren wird durch den Erschöpfungsgrundsatz sichergestellt. Er ist in §§ 17 Abs. 2, 69c Nr. 3 S. 2 UrhG niedergelegt. Maßgeblich für die Erschöpfung ist die Veräußerung.78 Denn die Veräußerung beinhaltet die vollständige Übereignung, Eigentumsaufgabe und endgültige Aufgabe der Verfügungsmöglichkeit.79 Mit der Veräußerung verliert der Urheber somit seine Herrschaftsgewalt. Daher tritt die Erschöpfung ein. Der Erschöpfungsgrundsatz ist seinerseits wiederum begrenzt. So gilt der Erschöpfungsgrundsatz für das Verbreitungsrecht, nicht aber das Vervielfältigungsrecht. Beispiel: A kauft eine DVD für 5 Euro und verkauft sie für 20 Euro über eine Internetplattform weiter. – Dies ist wegen des Erschöpfungsgrundsatzes zulässig. Dagegen ist eine Vermietung der DVD nicht ohne eine noch einzuholende Erlaubnis gestattet.
Zu den Voraussetzungen für die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes gehört das erstmalige Inverkehrbringen. Für die Rechtmäßigkeit des Inverkehrbringens ist die Zustimmung des Berechtigten erforderlich. Das rechtmäßige Inverkehrbringen erfolgt auf dem Wege der Veräußerung. Dabei ist der Begriff der Veräußerung weit auszulegen. In Betracht kommen Kauf, Schenkung oder ein anderer schuldrechtlicher Vertrag als Grund. Nicht ausreichend ist eine vorübergehende Gebrauchsüberlassung wie Vermietung oder Leihe. Die Erschöpfung wirkt sich nur auf die Beschränkungen des Erstverbreitungs74 Schack: a.a.O., § 13 Rn 429. 75 Schack: a.a.O., § 13 Rn 426. 76 Wandtke: a.a.O., 3. Kap. Rn 28; OLG Frankfurt, ZUM-RD 2009, 541, 543; Dreier; Schulze; Schulze: a.a.O., § 17 Rn 15. 77 Schack: a.a.O., § 13 Rn 429. 78 Schricker; Loewenheim: a.a.O., § 17 Rn 39; Dreier; Schulze; Schulze: a.a.O., § 17 Rn 25. 79 BGH, ZUM 2005, 475, 476 (Atlanta); BGH, GRUR 1995, 673, 676 (Mauerbilder); BGH, GRUR 1986, 736, 737 (Schallplattenvermietung).
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rechts aus, die die Art und Weise des Inverkehrbringens und nicht die spätere Verwendung betreffen. Daher ist es nicht möglich, über das Verbreitungsrecht einen geordneten Vertrieb von Büchern durchzuführen. Dies gilt auch dann, wenn der Ladenpreis eingehalten wird und ein Vertrieb über den Antiquariatsbuchhandel unterbunden wird.80 Daher sind Aufschriften wie „nicht zur weiteren Verwendung“ unerheblich, wenn insoweit die Erschöpfung eingetreten ist. Möglich ist eine geografische Aufspaltung des Verbreitungsrechts. Diese ist von großer praktischer Bedeutung.81 Soweit der Urheber das Verbreitungsrecht mit einer räumlichen Beschränkung auf das Ausland einräumt, könnte er den Import der von dort in Verkehr gebrachten Exemplare untersagen. Daher hat der EuGH bereits 1971 den Grundsatz von der EG-weiten Erschöpfung des Verbreitungsrechts aufgestellt.82 Der Grundsatz ist inzwischen in §§ 17 Abs. 2, 69c Nr. 3 S. 2 UrhG kodifiziert.83 Er besagt, dass alle Exemplare eines Werks, die in einem der EU- oder einem der EWR-Staaten rechtmäßig in den Verkehr gebracht wurden, in allen anderen Vertragsstaaten zulässig verbreitet werden können. Dazu gehört auch der Import. Der Grundsatz ist inzwischen auf alle EWR-Verträge ausgedehnt worden. Diese Möglichkeiten sind vom Urheber von vornherein einzukalkulieren. Hierzu gehört auch, dass die Verwerter die unterschiedlichen Vergütungssätze der nationalen Verwertungsgesellschaften ausnützen. Letztere Möglichkeit wurde durch die vom Gesetzgeber in Deutschland durch das VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetz noch ausgebaut.84 In Österreich kam es im Zuge der Richtlinienumsetzung mit dem Verwertungsgesellschaftsgesetz 2016 zu einer Neukodifikation des Regelwerkes. Dabei wurden viele bestehende Regelungen übernommen. Ausgebaut wurden insbesondere die Pflichten gegenüber Rechteinhabern und Nutzern sowie die Rechte dieser, Transparenz- und Berichtspflichten gegenüber der Öffentlichkeit und der Aufsichtsbehörde. Ferner wurden ein elektronisches Beschwerdemanagement und alternative Streitbeilegungsmechanismen eingeführt. Hinsichtlich der Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung wurde vom ansonsten im österreichischen Recht geltenden Monopolgrundsatz abgewichen. Damit ist es auch Verwertungsgesellschaften und unabhängigen Verwertungseinrichtungen aus dem EU- oder EWR-Ausland möglich, Mehrgebietslizenzen für Österreich zu vergeben. 80 Schack: a.a.O., § 13 Rn 432. 81 Schack: a.a.O., § 13 Rn 433. 82 EuGHE 1971, 487 (Polydor). 83 Inzwischen aufgenommen in Art. 4 Abs. 2 Harmonierungs-RL; hierzu EuGH, GRUR Int 2007, 237 (Laserdisken). 84 BGBl. 2016 I Nr. 24 vom 24.05.2016: Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/26/EU über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt sowie zur Änderung des Verfahrens betreffend die Geräte- und Speichermedienvergütung.
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7.1.6 Getrennte Vergabe von Verwertungsrechten Die Erschöpfungswirkung ist auf Veräußerungshandlungen beschränkt. Erfolgt eine andere Art der Verwertungshandlung, erschöpft sich nur das Verbreitungsrecht.85 Nicht von der Erschöpfung erfasst sind die anderen Verwertungsrechte. Kam es zu einer Aufspaltung und getrennten Vergabe von Verwertungsrechten, so tritt die Erschöpfungswirkung auch nur für den Teil ein, für den die jeweiligen Befugnisse eingeräumt worden sind. Auf diese Art und Weise ist die Erschöpfungswirkung vertraglich beschränkbar, soweit ein Verbreitungsrecht dinglich beschränkt eingeräumt werden kann.86 Voraussetzung einer dinglichen Beschränkung sind Verwertungsformen, die gemäß der Verkehrsauffassung eine wirtschaftlich und technisch einheitliche und selbstständige Nutzungsart darstellen.87 Die Verkehrsauffassung ist die Ansicht der relevanten Nutzer. Beispiel: Produzent P erwirbt den von A geschriebenen Roman als Taschenbuch. Diesen Roman möchte P vertonen. Dabei vertritt er die Ansicht, nicht weiter um Erlaubnis fragen zu müssen. Schließlich habe er das Buch erworben und bezahlt. Zudem sei ein gedrucktes Buch etwas anderes als ein Hörbuch. Lösungsskizze: Hinsichtlich des Erwerbs des Buches als Werkexemplar ist Erschöpfung eingetreten. Das Recht, das Buch zu vertonen, ist hingegen nicht erschöpft. Hier hat P sich vor seinem Vorhaben noch um den Erwerb der Vertonungsrechte zu kümmern.
Die Erschöpfung ist gem. § 17 Abs. 2 UrhG geografisch auf das Gebiet der Europäischen Union und des europäischen Wirtschaftsraums beschränkt. Sofern es keine bilateralen Abkommen gibt, kann sich der Erwerber von Urheberwerken außerhalb des Gebiets der EU bzw. des EWR nicht auf die Erschöpfung im Inland berufen.88 Eine Sonderregelung der Erschöpfung findet sich in § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG. In der Praxis gibt es regelmäßige Vorstöße, den urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz mit technischen Mitteln zu umgehen. Hierzu gehört die Diskussion um das Digital Rights Management (DRM). Ein Beispiel ist das Konfigurieren von DVD-Spielern mit Regionalcodes.89 Gem. § 17 Abs. 2 UrhG tritt keine Erschöpfung ein, wenn das Original oder ein Vervielfältigungsstück vermietet ist. Die in § 17 Abs. 3 S. 1 UrhG enthaltene Begriffsdefinition der Vermietung gilt einheitlich für das gesamte Urheberrecht. Vermietung i.S.v. § 17 Abs. 3 S. 1 UrhG ist die zeitlich begrenzte, unmittelbar oder mittelbar Erwerbszwecken dienende Gebrauchsüber85 BGH, GRUR 1995, 673, 676 (Mauerbilder). 86 BGH, GRUR 1995, 673, 676 (Mauerbilder); BGH, GRUR 1988, 373, 374 (Schallplattenimport III). 87 BGH, GRUR 1992, 310, 311 (Taschenbuchlizenz); BGH, GRUR 1990, 669, 671 (Bibelreproduktion). 88 BGH, GRUR 1988, 373, 374 (Schallplattenimport III). 89 Schack: a.a.O., § 13 Rn 434.
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lassung. Es handelt sich um eine Definition des Gesetzgebers. Wichtig ist, dass der Begriff von dem allgemeinen Vermietungsbegriff in § 535 Abs. 2 UrhG abweicht. Zum einen ist der Begriff sachlich beschränkt. Er gilt weder für Bauwerke und Werke der angewandten Kunst noch für Werke, die im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses überlassen worden sind. Ein weiterer Unterschied ist der Umfang der Gegenleistung. Während § 535 Abs. 2 UrhG Entgeltlichkeit voraussetzt, genügt nach § 17 Abs. 3 S. 1 UrhG das mittelbare Ziel eines Erwerbszwecks. Damit ist § 17 Abs. 3 S. 1 UrhG eine Reaktion auf frühere Umgebungsversuche. Denn unter den mittelbaren Erwerbszweck fällt auch die Überlassung an Kunden, die „nur“ Mitgliedsbeiträge, nicht aber pro Medium bezahlen.90 Erfasst sind auch der Kauf mit Rückgaberecht und der Kauf auf Probe.91 Das Merkmal des Erwerbszwecks ist die Abgrenzung zur Leihe gem. § 27 Abs. 2 UrhG. Maßgeblich ist hierbei nicht das eigentliche Entgelt, sondern übergreifender vielmehr, dass die wirtschaftlichen Interessen einer Vermietung gewahrt werden.92 Das Ziel einer angemessenen Beteiligung des Urhebers durch einen gesetzlichen Vergütungsanspruch wird durch § 27 Abs. 1 UrhG klargestellt. Erfolgt wie in vielen Bibliotheken das Verleihen von Werkexemplaren ohne Erwerbszweck, so erfolgt gem. § 27 Abs. 2 UrhG nur ein Ausgleich wegen der eingetretenen Erschöpfung des Verbreitungsrechts.93 Keinem Erwerbszweck dient hingegen ein erhobenes Entgelt, das höchstens die Kosten der Bereitstellung des Mediums deckt und dem Ausgleich des Wettbewerbs dient. So treten Bibliotheken mit dem Angebot von Filmen, insbesondere von neu erschienenen Filmen in Konkurrenz zu kommerziellen Filmeverleihern. Daher kann ein mäßig erhobenes Entgelt innerhalb der Kosten der Bereitstellung des Medium nicht als Vermietung i.S.v. § 17 Abs. 3 S. 1 UrhG zu werten sein. Entscheidend ist hier jedoch der Einzelfall. Laut Rechtsprechung des EuGH94 findet der Erschöpfungsgrundsatz als Grundlage für den Weiterverkauf gebrauchter urheber- oder leistungsschutzrechtlich geschützter Güter nur bei einer Verbreitung i.S.v. Art. 4 Abs. 1 InfoSoc-RL Anwendung. Hierunter kann lt. EuGH und BGH unter Umständen der Weiterverkauf von ComputerSoftware fallen. Das Herunterladen eines E-Books zur dauerhaften Nutzung ist hingegen eine öffentlichen Wiedergabe gem. Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2001/29/EG (Info-SocRL). Damit ist der Weiterverkauf von gebrauchten E-Books nicht zulässig. Keine Erschöpfung tritt bei einem Anwartschaftsrecht ein.95 Ein Anwartschaftsrecht liegt vor, wenn das gewünschte Nutzungsrecht noch nicht entstanden ist, aber bereits so viel vom Erwerber geleistet wurde, dass es nur noch 90 Schack: a.a.O., § 13 Rn 437; RegE BT Drucks. 13/115, S. 12. 91 BGH, GRUR 1989, 417, 419 (Kauf mit Rückgaberecht); BGH, GRUR 2001, 1036, 1037. 92 Wandtke: a.a.O., 3. Kap., 5. Aufl. Rn 106. 93 Schack: a.a.O., § 13 Rn 438. 94 EuGH, NJW 2020, 827 (Urteil v. 19. Dez. 2019 – C 263/18). 95 Wöhrn in Wandtke: a.a.O., 5. Aufl., 3. Kap. 98.
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von ihm selbst abhängt, das Recht wie gewünscht zu erwerben. Der Erschöpfungsgrundsatz gilt ferner nicht, wenn Urheberwerke lediglich zum Zwecke einer Ausstellung96 überlassen wurden. Regelmäßig sind die Urheberwerke bereits veröffentlich. Anders hingegen bei Archivgut. Hier bestehen die Unterlagen häufig ganz oder zum großen Teil aus nicht veröffentlichten Materialien. Liegt ein Urheberwerk vor, so steht dem Urheber bzw. dem Rechtsnachfolger das Recht auf Erstveröffentlichung gem. § 12 Abs. 1 UrhG bzw. das Recht auf Mitteilung des Inhalts des Werks gem. § 12 Abs. 1 UrhG zu. Ausstellungen sind ein häufiger Bestandteil des Publikumsbereichs einer Bibliothek. Dennoch ist die auf den ersten Blick relevante Norm in ihrem tatsächlichen Wirkungskreis kleiner, als es die Benennung vermuten lässt. Eine Ausstellung i.S.v. § 18 UrhG ist die reine zur Schau Stellung und kein Angebot i.S.v. § 17 Abs. 1 UrhG an die Öffentlichkeit.97 Daher greift § 18 UrhG auch nur für unveröffentlichte Werke.98 Trotz des Wortlautes Ausstellung ist § 18 UrhG für Bibliotheken und Informationseinrichtungen daher weitestgehend irrelevant. Da das Ausstellungsrecht gem. § 18 UrhG mit der Veröffentlichung erlischt, wird es nicht als echtes Verwertungsrecht, sondern lediglich als zusätzliche Absicherung des Veröffentlichungsrechts in Art. 12 Abs. 1 UrhG gewertet.99 Somit hat § 18 UrhG nur eine sehr geringe praktische Bedeutung. § 18 und § 12 UrhG schließen sich nicht gegenseitig aus. Vielmehr hat § 18 UrhG die Funktion das Urheberpersönlichkeitsrecht aus § 12 UrhG zu ergänzen.100
7.1.7 Verwertung in unkörperlicher Form Die in § 15 Abs. 2 UrhG genannten unkörperlichen Verwertungsarten setzen eine Öffentlichkeit voraus. Was in diesem Zusammenhang unter Öffentlichkeit zu verstehen ist, wird in § 15 Abs. 3 S. 1 UrhG legaldefiniert. Für den Öffentlichkeitsbegriff kommt es vor allem auf die persönliche Beziehung zur Darbietung und nicht auf die Anzahl der Teilnehmer an. Wichtig ist, dass der Öffentlichkeitsbegriff in § 15 Abs. 3 UrhG regelmäßig weiter ist als der Öffentlichkeitsbegriff in § 6 Abs. 1 UrhG.101 Beispiel: Die Stadtbibliothek S organisiert einen Aktionstag. Bei diesem soll klassische Konzertmusik über einen CD-Spieler abgespielt werden.
96 EuGH EuZW 2008, 246, 248 (Peek & Cloppenburg KG/Cassina SpA); BGH, GRUR 1995, 673, 675 (Mauerbilder). 97 Schack: a.a.O., § 13 Rn 441. 98 Schack: a.a.O., § 13 Rn 441. 99 Schack: a.a.O., § 13 Rn 441. 100 Wandtke/ Bullinger: a.a.O., § 18 Rn 1; Erdmann, GRUR 2011, 1061ff. 101 Schack: a.a.O., § 13 Rn 444.
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Lösungsskizze: Die Stadtbibliothek hat die Musikvorführung auf der Veranstaltung bei der GEMA anzumelden und gegebenenfalls zuvor dem Gesamtvertrag beizutreten. Ohne die wirksame Anmeldung bleibt ihr die Musikvorführung versagt.
In Österreich hat die Rechtsprechung für Funksendungen einen engen Öffentlichkeitsbegriff entwickelt. Hiernach muss die Darbietung für eine „breite Öffentlichkeit“ bestimmt sein.102 § 19 UrhG gewährt dem Urheber ein Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht. Ein Beispiel für ein Vortragsrecht ist die Autorenlesung in einer Bücherei. Die in § 19 UrhG erwähnten Präsentationsmöglichkeiten stehen als selbstständige Rechte nebeneinander und sind nicht voneinander abhängig.103 Die Onlinenutzung erfolgt durch individuellen Abruf des Nutzers. Damit nützt er das Werk regelmäßig zeit- und ortsverschieden von anderen Personen. Seit 2003 besteht mit § 19a UrhG ein eigenes Onlineübermittlungsrecht. Bereits das Speichern eines Werks auf einem Internetserver greift in die Rechte des Urhebers ein. Zustimmungspflichtige Verwertungshandlung ist das Bereitstellen des Werks zum Abruf durch die Öffentlichkeit „zu Zeiten der Wahl“.104 D.h. es kommt nicht wie in §§ 19 Abs. 3, Abs. 4, 21, 22 UrhG auf den späteren Vorgang der öffentlichen Wahrnehmung an. Ob irgendjemand das Werk tatsächlich gesehen hat, ist daher unerheblich. Vielmehr reicht ein öffentliches Zugänglichmachen wie in § 20 UrhG aus. Ort der Wahl bedeutet, dass lediglich eine Wahlmöglichkeit bestehen muss. Auf eine tatsächliche Nutzung kommt es nicht an. Wird beispielsweise in einer Bibliothek ein Medium nur an einem Arbeitsplatz bereitgehalten, so greift § 19a UrhG nicht ein.105 Der Begriff des Ortes ist jedoch eng zu verstehen. Denn liegen mehrere mögliche Orte innerhalb eines Gebäudes vor, so ist § 19a UrhG bereits einschlägig. Daher ist bei verschiedenen Lesesälen von verschiedenen Orten auszugehen. Dagegen handelt es sich bei Arbeitsplätzen in einem Lesesaal, die sich alle in nächster Nähe befinden, nicht um verschiedene Orte. Hier besteht keine echte Auswahlmöglichkeit des Ortes. So sind von einer Schließung des entsprechenden Lesesaales, als der kleinsten einigermaßen selbstständigen Einheit, alle Nutzerarbeitsplätze im Saal zwingend betroffen. Die „Zeiten der Wahl“ beschreibt die individuelle Bestimmbarkeit des Nutzungszeitpunkts. Dabei ist eine Einschränkung der Nutzungszeit durch Öffnungszeiten möglich, ohne § 19a UrhG deshalb verneinen zu müssen.106 Behält der Anbieter selbst ein Wahlrecht in Form eines Entscheidungsspielraums, so ist das Merkmal „zu 102 Schack: a.a.O., § 13 Rn 444; OGH, GRUR Int 1986, 728, 730ff.; OGH GRUR, Int 1999, 279, 280 (Thermenhotel). 103 Wandtke/Bullinger: a.a.O., § 19 Rn 1. 104 Vgl. auch Art. 7 III lit. b Datenbank-RiLi. 105 Wöhrn in Wandtke: a.a.O., 5. Aufl., 3. Kap. Rn 130. 106 Wöhrn in Wandtke: a.a.O., 5. Aufl., 3. Kap. Rn 130.
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Zeiten der Wahl“ nicht erfüllt.107 Mangels Nutzungshandlung ist § 19a UrhG bei Pay-per-View-Angeboten ebenfalls nicht erfüllt.108 Tabelle 5 Recht der öffentlichen Zugänglichmachung i.S.v. § 19a UrhG. Von § 19a UrhG erfasst
Von § 19 UrhG nicht erfasst
Unterstützende Technik für die Einstellen von Werken oder Verviel- fältigungsstücken zum Abruf auf einen Server Bereitstellung der öffentlichen Zugänglichmachung Filesharing E-Mails109 Demand-Dienste, falls ein individueller Push-Dienste Abruf möglich ist
Ein Beispiel für das Recht auf Zugänglichmachung sind On-Demand-Dienste. Bei diesen entscheidet der Nutzer, ob, wo und wann er das Werk nutzen möchte. Dagegen ist das Senderecht an die Öffentlichkeit als eine unbestimmte Anzahl von Menschen bei gleichzeitigem Empfang gerichtet. Sofern eine Veranstaltung mit Zutrittsmöglichkeit für alle als öffentlich angekündigt worden ist, so ist sie auch dann öffentlich, wenn nur wenige Personen erschienen sind. Der urheberrechtsrelevante Vorgang nach § 19a UrhG ist bereits vollendet, wenn der Content Provider die auf seinem Computer oder einem Server gespeicherten Daten freischaltet. Auf ein tatsächliches späteres Abrufen kommt es nicht mehr an.110 Ereignen sich bei der Übermittlung von Daten unselbstständige Vervielfältigungsvorgänge, so erfolgt die rechtliche Bewertung des gesamten Vorgangs einheitlich über § 44a Nr. 1 UrhG.111 Alle anderen vor- und nachgelagerten Vervielfältigungen werden hingegen von § 16 UrhG erfasst.112 Davon sind Speicherungen auf dem Server ebenso wie Digitalisate betroffen. Daher sind Download, Uploading, Filesharing, Versenden von E-Mails ebenfalls Vervielfältigungshandlungen i.S.v. § 16 UrhG. Denn es werden Dateien notwendig zwischengespeichert. Selbst wenn die Vervielfältigungshandlung durch § 53 UrhG gedeckt ist, verbleibt das Erfordernis, für eine öffentliche Zugänglichmachung die Zustimmung des Urhebers bzw. des Leistungsschutzberechtigten einzuholen, sofern keine gesetzliche Erlaubnis vorliegt. Eine solche ausdrückliche gesetzliche Gestattung ist die vorübergehende Vervielfältigung zum Zwecke des Text- und Data-Minings gem. § 44b UrhG. Die Feingliedrigkeit 107 Wöhrn in Wandtke: a.a.O., 5. Aufl., 3. Kap. Rn 130. 108 Wöhrn in Wandtke: a.a.O., 5. Aufl., 3. Kap. Rn 132. 109 OLG München, ZUM-RD 2007, 347. 110 Schack: a.a.O., § 13 Rn 460; LG München I, MMR 2007, 260, 261 Anm. Ott. 111 Schack: a.a.O., § 13 Rn 460. 112 Schack: a.a.O., § 13 Rn 460; Jani, ZUM 2009, 722–729 (723).
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und Unterscheidung der einzelnen Anwendungen der Verwertungsrechte zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Sachverhaltsanalyse ist. Von Relevanz ist, welche Vorgänge in welcher Reihenfolge geschehen bzw. zusammenfallen. Dagegen werden Offline-Nutzungen relativ gleichförmig behandelt. Es wird davon ausgegangen, dass die Nutzung eines auf CD-ROM gespeicherten Inhalts in der gleichen Art und Weise genutzt wird, wie eine Videokassette. Daher ist der private Werkgenuss durch den käuflichen Erwerb der CD genauso abgegolten, wie beim Erwerb eines Buches, einer Schallplatte oder Videokassette. Deshalb entspricht es der hM, dass das Urheberrecht nicht vorschreiben kann, mit welchen technischen Mitteln der Verbraucher sein Werk wahrnimmt.113 Grundsätzlich sind alle Schranken auch bei § 19a UrhG anwendbar. Dies begründet sich in § 52 Abs. 3 UrhG. Danach ist die öffentliche Zugänglichmachung eines Werks immer nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig. Eine Ausnahme von der Regel findet sich lediglich in den Fällen des § 52 UrhG, dem Recht der öffentlichen Wiedergabe. Die Besonderheit von § 19a UrhG gegenüber den anderen Verwertungsrechten liegt in dem geringeren Handlungsumfang, der nur das Zugänglichmachen betrifft. Dagegen beziehen sich die übrigen Verwertungsrechte auf Vorgänge, für deren Wahrnehmung sich die betreffenden Personen an einem bestimmten Ort versammeln, §§ 19 Abs. 4, 21, 22 UrhG. Gegenüber dem Senderecht gem. §§ 20, 20a UrhG kann gem. § 19a UrhG der Nutzer die Zeit der Nutzung individuell bestimmen. Eine weitere Besonderheit ist, dass das Recht gem. § 19a UrhG auf öffentliche Zugänglichmachung nicht dem Erschöpfungsgrundsatz unterliegt.114 Der Öffentlichkeitsbegriff des § 18 UrhG ist eng wie in § 6 Abs. 1 UrhG und nicht weit wie in § 15 Abs. 3 UrhG zu verstehen. So führt nur eine rechtmäßige Veröffentlichung zum Erlöschen des Ausstellungsrechts.115 Als körperliches Verwertungsrecht werden „Ausstellungen“ im Internet nicht von § 18 UrhG erfasst. Hier zeigt sich die nach wie vor bestehende starke Trennung zwischen den körperlichen und den immateriellen (Verwertungs)Rechten. Es erfolgt damit keine Gleichsetzung im Sinne einer Ergebnis- bzw. Wirkungsgleichheit. Die Ablehnung einer finalen Betrachtungsweise durch die hM führt damit zu einer relativ häufigen Entdeckung neuer Nutzungsarten.
7.1.8 Bearbeitung und Umgestaltung Neben der direkten Verwertung des Werks in Form des Originals oder eines Vervielfältigungsstückes ist eine Verwertung durch Umgestaltung möglich. 113 Schack: a.a.O., § 13 Rn 462. 114 Wöhrn in Wandtke: a.a.O., 5. Aufl., 3. Kap. Rn 139. 115 Fromm; Nordemann; Dust: a.a.O., § 18 Rn 7.
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Durch Umgestaltungen ändert sich der geistig-ästhetische Gesamteindruck des Werks.116 Eine Umgestaltung bezweckt die Aneignung des fremden Werks. Im Gegensatz zur Bearbeitung hat die Umgestaltung keine dienende Funktion. Bearbeitungen i.S.v. § 23 UrhG sind ein Unterfall der Umgestaltung. Ziel einer Bearbeitung ist das Anpassen des Werks für weitere Nutzungs- und Verwertungsformen.117 Beispiele für Bearbeitungen sind Übersetzungen oder Verfilmungen. Kennzeichnend für die Bearbeitung ist eine dem Originalwerk dienende Funktion. Im Gegensatz zu Umgestaltungen stellt die Bearbeitung eine persönliche geistige Schöpfung dar. Dagegen enthalten andere Umgestaltungen nur Änderungen ohne individuelle Eigenart. Die Rechte auf Bearbeitungen und Umgestaltungen stehen dem Urheber gem. § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG zu. Hieraus ergibt sich ein Änderungsverbot für andere. Möchte eine andere Person als der Urheber das Werk bearbeiten oder umgestalten, so darf die Bearbeitung nur mit Zustimmung des Rechteinhabers des Originalwerks erfolgen.118 Andernfalls würde das Recht des Originalwerkurhebers ausgehebelt werden. Das Einwilligungsrecht119 des Originalurhebers in § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG umfasst nur die Frage der Veröffentlichung und die Verwertung der Bearbeitung. Nicht betroffen ist nach § 23 S. 1 UrhG bereits deren Herstellung. Hiervon machen §§ 23 Abs. 2, 69c Nr. 2 UrhG eine qualifizierte Ausnahme. Danach kann der Urheber eines Werks bereits die Herstellung verbieten, sofern es sich um eine Verfilmung, die Ausführung von Plänen eines Werks der bildenden oder der Baukunst oder um die Bearbeitung eines Datenbankwerks oder eines Computerprogramms handelt. Grund hierfür ist die faktisch stärkere Gefährdung der Rechte des Originalurhebers in den genannten Fällen. Das Zustimmungserfordernis in § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG kann sowohl im vornherein als auch im Nachhinein erfolgen und entspricht der Genehmigung i.S.v. § 184 BGB. Mit der Zustimmung ist auch die Übertragung des Nutzungsrechts verbunden. Ob eine Bearbeitung vorliegt, ist anhand objektiver Kriterien zu beurteilen.120 Regelmäßig erfolgt die Bearbeitung durch Änderung der äußeren Form. Jedoch ist die Bearbeitung nicht nur auf die genannte Änderung beschränkt. Wie für das Ursprungswerk, so wird auch für die Bearbeitung eine eigene Gestaltungshöhe gefordert. Maßgebend für die notwendige Gestaltungshöhe der Bearbeitung ist die vorgelegte Gestaltungshöhe des Ursprungswerks. D.h. eine relativ hohe Gestaltungshöhe des Ursprungswerks erfordert eine ebenfalls hohe Gestaltungshöhe der Bearbeitung. Gleiches gilt für eine niedrige Gestaltungshöhe des Ursprungswerks.121 Abzugren116 Lettl: Urheberrecht, § 4 Rn 86. 117 Lettl: a.a.O., § 4 Rn 86. 118 Schack: a.a.O., § 13 Rn 468. 119 Schack: a.a.O., § 13 Rn 469, LG Düsseldorf, ZUM 2009, 975, 978. 120 Schricker; Loewenheim; Loewenheim: a.a.O., § 3 Rn 12. 121 BGH, GRUR 1992, 382, 385 (Leitsätze); LG Stuttgart, GRUR 2004, 325, 326 (Lutherbibel 1984).
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zen ist die Bearbeitung von der Neugestaltung. Bei einer Neugestaltung entsteht ein komplett originäres und eigenständiges Urheberrecht. Zur Ermittlung, ob eine Neugestaltung vorliegt, dient die sogenannte Abstandslehre. Danach gibt es zwar auch bei der Neugestaltung ein ähnliches vorangegangenes Werk. Auf Grund der individuellen und prägenden Merkmale verblasst jedoch die Vorlage bei einer Gegenüberstellung mit der Neugestaltung. Auch nach der Neugestaltung des § 23 UrhG im Zuge der Umsetzung der DSM-Richtline kann Abgrenzungsmethodik beibehalten werden, da insoweit keine inhaltlichen Änderungen eingetreten sind.122 Eine Umformung kann hinsichtlich der Form z.B. Digitalisierung oder mit einfachen weiteren Funktionen wie z.B. einer Suche etc. oder im Hinblick auf den Inhalt erfolgen. Eine inhaltliche Bearbeitung ist gegeben, wenn die individuellen Züge des Ursprungswerks zwar bereits merklich verändert, aber noch nicht wie bei einer Neugestaltung verblasst sind.123 Keine Bearbeitung, sondern lediglich eine Transformation liegt vor, wenn es sich um einen rein mechanischen Vorgang oder routinemäßige Veränderung des Ursprungswerks handelt. Ob eine Bearbeitung oder eine Transformation vorliegt, ist nach vorzugswürdiger Ansicht ausschließlich objektiv zu beurteilen.124 So liegt bei einer Digitalisierung eines fremden Werks keine Bearbeitung, sondern eine Transformation und eine Vervielfältigung gem. § 16 UrhG vor. Digitalisieren bedeutet die Umformung des Abbildes des Werks in eine binäre, also aus Nullen und Einsen bestehende Folge. Dabei wird der geistige Wesensgehalt des Werks nicht berührt. Fall: An der Universitätsbibliothek U werden die privaten Aufzeichnungen des vor wenigen Jahren verstorbenen Forschungsreisenden F digitalisiert. Diese waren nach dem plötzlichen Tod des F in dessen Büro an der Universität gefunden worden. Als Erbe E davon erfährt, verlangt er vom Bibliotheksdirektor ein Entgelt in Höhe von 1000 Euro. Andernfalls seien die Arbeiten sofort zu stoppen und die Digitalisate zu vernichten. Lösungsskizze: Bei der Digitalisierung handelt es sich nicht um eine Bearbeitung, sondern um eine Vervielfältigung gem. § 16 UrhG. Dieses Recht steht dem Urheber zu. Als Erbe ist auch das Urheberrecht gem. § 1922 BGB auf E übergegangen. Damit hat er das Recht, einen Unterlassungsanspruch bzw. einen Schadensersatzanspruch bei einer Rechtsverletzung geltend zu machen.
Die freie Benutzung ist das Gegenstück zur Bearbeitung. Dabei wird ein selbstständiges Werk eines anderen geschaffen, das ohne Zustimmung des Urhebers des angelehnten Werks veröffentlicht und verwertet werden kann. Eine freie Benutzung kennzeichnen die selbstständige Leistung und ein hervorgehobenes Maß der Eigenart des neu geschaffenen Werks. Letzteres bedeutet, dass die schöpferische Eigentümlichkeit des benutzen Werks hinter die Eigenart des neu 122 RegE BT-Drucks 19/27426, S. 78. 123 BGH, ZUM 2000, 160 (Comic-Übersetzungen II). 124 Wandtke; Bullinger; Bullinger: a.a.O., § 2 Rn 10; a.A. für den Fall des Misslingens der Umarbeitung: Schricker in: Loewenheim: a.a.O., § 3 Rn 87.
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geschaffenen Werks zurücktritt. Bei dieser Bewertung ist ein zu geringer Maßstab zu vermeiden.125 Diese unscharfe Formulierung gibt die Schwierigkeiten beim Vergleich der Übereinstimmungen wieder. Es gilt hier der Grundsatz, je geringer die Eigentümlichkeit, desto geringer ist der Schutzbereich. Dagegen sind sehr individuelle Werke auch gegen relativ entfernte Bearbeitungen geschützt.126 Für die Prüfung einer erlaubnisfreien Benutzung oder zustimmungspflichtige Bearbeitung ist ein Vergleich der äußeren und der inneren Merkmale beider Werke in drei Prüfungsschritten127 erforderlich: Zu prüfen ist, ob und inwieweit es sich bei den entlehnten Teilen des benutzten Originalwerks um schutzfähige Teile eines Werks mit notwendigen eigenpersönlichen Merkmalen handelt. Schutzfähig sind prägende Teile des Originalwerks. Nicht schutzfähig ist hingegen die Übernahme der Idee. Zu prüfen ist weiterhin, in welchem Umfang schutzfähige Merkmale vom Originalwerk in das neue Werk übernommen worden sind. In Betracht kommt eine Prägung als auch ein „Verblassen“ dieser Merkmale im Hinblick auf die charakteristischen Merkmale des neuen Werks. Entscheidend sind die die Übereinstimmungen und nicht die Verschiedenheiten.128 Besitzen die Werke trotz erheblicher äußerlicher, formaler Übereinstimmungen noch derart unterschiedliche Charakteristika, dass wenigstens ein innerer Abstand vorhanden ist. Ein geringer Abstand führt zu der Bewertung einer zustimmungspflichtigen Bearbeitung. Dagegen liegen bei einem hohen Abstand ein selbstständiges Werk und damit eine freie Benutzung vor.
Vervielfältigung, §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG. Grundsatz: Dem Urheber vorbehalten. Ausnahme: Tatbestandsausschluss oder Schrankenregelung.
Bearbeitung oder sonstige Umgestaltung, § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG Grundsatz: Herstellung ist grundsätzlich erlaubt, erst die Verwertung ist dem Urheber vorbehalten. Es bestehen Ausnahmen.
Freie Benutzung, § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG. Immer urheberrechtlich zulässig.
Abbildung 12: Stufensystem des Schutzumfangs. 125 BGH, GRUR 2002, 799, 800f. (Straßenbahnfahrzeug); BGH, GRUR 1994, 191, 193 (Asterix-Persiflagen). 126 BGH, GRUR 1991, 531, 532 (Brown Girl I). 127 Homann: Praxishandbuch Filmrecht, S. 46. 128 BGH, GRUR 1971, 588, 589 (Disney-Parodie); BGH, GRUR 1981, 267, 269 (Dirlada); BGH, ZUM 1999, 644, 648 (Laras Tochter).
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Eine Bearbeitung von wissenschaftlichen Darstellungen und Abbildungen ist möglich, sofern individuelle Züge zum Vorschein treten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gestaltungsspielraum wegen der wissenschaftlichen Erkenntnis regelmäßig relativ eng ist. Daher sind die Anforderungen an einen urheberrechtlichen Schutz eher gering anzusetzen.129 Vom Bearbeitungsrecht werden die Nutzungsrechte der §§ 31ff. UrhG mitumfasst. Kommt es zu einer Abwägung der Interessen zwischen dem Urheber und dem Eigentümer am Werk ist zu beachten, ob es bei der Einräumung der Nutzungsrechte auch zu einer Änderungsbefugnis ausdrücklich oder stillschweigend gem. § 39 Abs. 1 UrhG gekommen ist. Die Änderungsbefugnis ist ein Grund, weshalb Nutzungsberechtigte Änderungen am Werk durchführen können, ohne dass sie eine Rechtsverletzung begehen. Auch wenn keine Änderungsbefugnis eingeräumt wurde, darf der Urheber Änderungen nicht verbieten, die er nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 39 Abs. 2 UrhG nicht verweigern darf. Hierzu gehören verkehrsübliche und unwesentliche Änderungen.130 In einigen Fällen hat der Gesetzgeber diese Wertung bereits normiert. Nicht verändert werden dürfen Sinn und Tendenz des Werks.131 Zu Recht wird in der Literatur darauf verwiesen, dass dieses Spannungsverhältnis am deutlichsten bei Änderungsvorhaben von Kunstund Bauwerken hervortritt.132 Daher empfiehlt es sich, besonders bei größeren und teuren Bauvorhaben, entsprechende Vereinbarungen zu schließen. Im Idealfall sollten Änderungsmöglichkeiten von vornherein in die Ausschreibung aufgenommen werden. Ansonsten kann selbst bei scheinbar profanen Angelegenheiten wie einer energetisch angebrachten Sanierung (Anbringung von Wärmedämmplatten) mit Schwierigkeiten zu rechnen sein. In der Abwägung kommt dem Gebrauchszweck eine besondere Bedeutung zu. Nach Ansicht der Rechtsprechung ist dem Urheber eines Bauwerks bekannt, dass der Eigentümer das Bauwerk für einen bestimmten Zweck verwenden möchte. Daher muss er damit rechnen, dass sich aus wechselnden Bedürfnissen des Eigentümers ein Bedarf nach Veränderungen des Bauwerks ergeben kann.133 Auf Grund der Individualität vieler Bauten, erfolgt die Abwägung im Einzelfall. Dabei können folgende Abwägungspunkte von Belang sein: –– Die Art des Bauwerks: Hier ist zwischen einem Repräsentationsbau oder Zweckbau zu unterscheiden. –– Der Grad der Individualität und Prägung: Hier geht es um die Frage, welchen Stellenwert das Gebäude gegenüber anderen Bauten hat. Gegebenenfalls kann ein Gebäude prägend für seine Umgebung sein. Ein Indiz ist hier die Auswahl als Postkarten- oder Bildermotiv. 129 Wandtke: a.a.O., 2. Kap. Rn 19. 130 Schricker; Loewenheim; Loewenheim: a.a.O., § 3 Rn 33; Dreier; Schulze; Schulze: a.a.O., § 3 Rn 47. 131 RGZ 119, 401, 404f. (Technische Mitteilungen). 132 BGH, GRUR 1971, 35 (Maske in Blau). 133 Wandtke: a.a.O., 1. Kap. Rn 61; BGH, ZUM 2012, 33, 34 (Stuttgart 21); BGH, GRUR 2008, 984, 988 (St. Gottfried); BGH, GRUR 1974, 675, 676f. (Schulerweiterung).
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–– Bei dem Gebäude kann es sich um einen Vertreter eines typischen Baustils handeln. –– Der Gesichtspunkt der Individualität des Gebäudes stellt die Frage, ob es prägende Merkmale, die auf einen bestimmten Architekten schließen lassen, gibt. –– Ferner kann ein charakteristisches Modernisierungsinteresse auf Grund des Gebäudezwecks bestehen. Dieses ist beispielsweise bei einem Bahnhof stärker als bei sonstigen öffentlichen Zweckbauten.134 Bei Informationszentren, deren Aufgabe es ist, auf den raschen medialen Wandel einzugehen, ist ein relativ hohes Modernisierungsinteresse anzuerkennen. –– Gegebenenfalls sind das öffentliche Interesse und das Allgemeinwohlinteresse, welche vom Eigentümer zu beachten sind, als eigene Interessen des Eigentümers in die Abwägung einzustellen.135 Dies gilt aber nicht für das städtebauliche Interesse.136 –– Ein weiterer Abwägungspunkt ist die schöpferische Eigenart137 des betreffenden Gebäudes. –– Der Gebrauchszweck138 an sich ist ebenfalls als Argument anerkannt. –– Von Belang ist ferner das Erhaltungsinteresse des Eigentümers an der Bausub stanz.139 –– Veränderungen in Vervielfältigungsstücken wiegen weniger schwer als Veränderungen im und am Original. –– Der Grad der Öffentlichkeit kann ebenfalls bedeutsam sein.140 –– Beachtenswert sind die Intensität und die Irreversibilität des Eingriffs. –– Schließlich sind finanzielle Gesichtspunkte in die Abwägung einzustellen.141 Nicht in die Abwägung einzustellen ist jedoch der künstlerischer Rang oder das künstlerische Ansehen des Urhebers. Da das Werk als Teil der Persönlichkeit des Urhebers geschützt ist, kann es nicht auf seinen Bekanntheitsoder Beliebtheitsgrad ankommen.142 Eine Umgestaltung aus rein ästhetischen Gründen zählt nicht zu den zulässigen Eingriffen in das Urheberrecht wegen des veränderten Bedarfs.143 Es gilt der Grundsatz, dass der Eigentümer versuchen muss, den betroffenen Urheber in seinen urheberrechtlichen Interessen möglichst wenig zu berühren. In der Abwägung der Interessen geht es jedoch 134 LG Stuttgart, GRUR-Prax 2010, 275 (zu Stuttgart 21). 135 LG Stuttgart, GRUR-Prax 2010, 275 (zu Stuttgart 21). 136 OLG Stuttgart, GRUR-RR 2011, 56, 59f. 137 BGH GRUR, 2008, 984, 986 (St. Gottfried). 138 BGH GRUR, 1974, 675, 677 (Schulerweiterung). 139 BGH GRUR, 1999, 230, 231f. (Treppenhausgestaltung). 140 BGH GRUR, 1971, 35, 38 (Maske in Blau). 141 OLG München, GRUR 1986, 460, 464 (Die unendliche Geschichte). 142 So zu Recht: Wandtke: a.a.O., 2. Kap. Rn 5. 143 BGH, GRUR 1999, 230 (Treppenhausgestaltung).
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nicht (mehr) um das Ausarbeiten bzw. Einstellen von Alternativen, sondern nur noch darum, ob die konkrete Änderung dem Urheber zuzumuten ist.144 Die Abwägung der Interessenlage erfolgt in § 39 Abs. 2 UrhG nach den gleichen Prinzipien wie in § 14 UrhG. Daher hat § 39 Abs. 2 UrhG gegenüber § 14 UrhG eine klarstellende Wirkung. Über § 62 Abs. 1 UrhG gilt § 39 UrhG auch für den gesetzlichen Nutzungsberechtigten gem. §§ 44a UrhG. Nach umstrittener Ansicht greift § 14 UrhG nicht im Falle einer Werkszerstörung ein.145 Nach Ansicht der Rechtsprechung kann aus § 14 UrhG kein urheberrechtliches Zerstörungsverbot abgeleitet werden. Denn es wird nur das Interesse des Urhebers am unverfälschten Bestand seines Werks geschützt.146 Anders hingegen in der Schweiz, in der der Fall einer Zerstörung des Werks und teilweise Rückgabepflichten des letzten Exemplars an den Urheber in URG Art. 15 geregelt ist. Graffiti und andere Werk der sogenannten aufgedrängten Kunst kann der Eigentümer grundsätzlich entfernen, da hier die Interessenabwägung grundsätzlich zu seinen Gunsten ausfällt.147 Diese Werke sind unter Verletzung seines Eigentumsrechts entstanden. Besonders weit geht das Bearbeitungsrecht des Urhebers von Computerprogrammen. Jedoch geht nach geltendem Recht kein Bearbeitungsrecht so weit, dass es als eine Art Generalermächtigung verwendet werden kann. Ansonsten würden zahlreiche Regelungen faktisch ihre Bedeutung oder sogar ihre Berechtigung verlieren. Neben den urheberrechtlichen Vorschriften helfen auch andere Vorschriften bei Wünschen nach Veränderungen am Urheberwerk weiter. Ein Beispiel hierfür sind die Fallkonstellationen um § 69c Nr. 2 UrhG. Danach ist grundsätzlich jede Umarbeitung untersagt, sofern sie nicht „für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms einschließlich der Fehlerberichtigung“ gem. § 69d UrhG notwendig ist. Zu Recht wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass über die Frage der Fehlerhaftigkeit nicht die Ansicht einer Partei bzw. des Programmierers entscheidet, sondern das, was die Parteien in ihrem Kauf- oder Nutzungsvertrag vereinbart haben.148 Wird der übliche Verwendungszweck durch den Kopierschutz verhindert und ist keine Aufklärung des Käufers durch den Verkäufer erfolgt, so stellt sich dieser Programmteil als Fehler der Software dar. Denn es wird der übliche Verwendungszweck gem. § 434 Abs. 1 S. 2 BGB behindert.149 Für rechtmäßige Handlungen darf der Vertragspartner den Fehler gem. § 69d UrhG 144 BGH, GRUR 2008, 984, 988 (St. Gottfried); BGH, GRUR 1974, 675, 678 (Schulerweiterung). 145 RGZ 79, 397, 401 (Felseneiland mit Sirenen); LG München I, NJW 1983, 1205 (Hajek/ADAC II); LG Hamburg, GRUR 2005, 672, 674f. (Astra Hochhaus); Fromm; Nordemann; Dustmann: a.a.O., § 14 Rn 32ff.; a.A. wegen Erst-Recht-Schluss: Schack: a.a.O., Rn 397. 146 RGZ 79, 397, 401 (Felseneiland mit Sirenen); LG München I, NJW 1983, 1205 (Hajek/ADAC II); LG Hamburg, GRUR 2005, 672, 674f. (Astra Hochhaus); Fromm; Nordemann; Dustmann: a.a.O., § 14 Rn 32ff.; a.A. wegen Erst-Recht-Schluss: Schack: a.a.O., Rn 397. 147 Dietz in Wandtke: a.a.O., 5.. Aufl., 8. Kap. Rn 115. 148 Schack: a.a.O., § 14 Rn 473. 149 Schack: a.a.O., § 14 Rn 473.
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korrigieren und das Programm bestimmungsgemäß nutzen. Weitergehende Handlungen sind jedoch untersagt. Insbesondere kann in diesen Fällen keine Einwilligung in weitergehende Nutzungen herausgelesen werden. Für Werke, die durch Bearbeitung, Veränderung oder Übersetzung und damit aufbauend auf einem anderen Werk entstehen, ist in der Schweiz der Begriff der ‚Werke zweiter Hand‘ gebräuchlich. Diese genießen gem. URG Art. 3 ebenfalls Urheberschutz. Hierdurch ergibt sich eine Aneinanderreihung von notwendigen Zustimmungen zur Nutzung. Fall: N ist Nachfolger von Prof. P an der Universität Basel. Um dessen Vorlesungsskripte überarbeiten und nutzen zu können, bedarf N. der Erlaubnis des P. Möchte nun die Universität die überarbeiteten Vorlesungsskripte frei zugänglich ins Internet einstellen, so bedarf sie sowohl der Zustimmung des N als auch des P, soweit kein schulischer Eigengebrauch gem. URG Art. 19 Abs. 1 Abs. b vorliegt.
Eine Ausnahme liegt gem. URG Art. 5 Abs. 2 dann vor, wenn es sich um eine Übersetzung oder Sammlung von nicht geschützten Werken i.S.v. URG Art. 5 Abs. 1 handelt.
7.2 Gesetzliche Vergütungsansprüche Die ursprüngliche Fassung des Urheberrechtsgesetzes von 1965 sah nur das Alternative Verwertungsrecht des Urhebers oder eine erlaubnisfreie Nutzung vor. Wegen der Berücksichtigung der Sozialbindung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 2 GG und damit auch der urheberrechtlichen Befugnisse hat sich der Gesetzgeber entschlossen, stärker zu differenzieren. Damit wurde anerkannt, dass es zwar zu Handlungen kommen kann, die der Urheber zu Gunsten der Allgemeinheit nicht verbieten darf, er die Einschränkung dieser Rechte aber nicht entschädigungslos hinnehmen muss.150 Entstanden ist hierdurch ein abgestufter Ausgleich zwischen den Interessen des Urhebers und der Allgemeinheit. Inzwischen erfolgt auch eine Abstufung hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit des einzelnen Urhebers nach der Art des Werks. So wird durch Änderung in § 69a Abs. 5 UrhG die Anwendbarkeit der urhebervertraglichen Vorschriften auf Urheber von Computerprogrammen in Bezug auf §§ 32–32c und § 41 UrhG beschränkt. Die gesetzliche Lizenz ist von der Zwangslizenz zu unterscheiden. Bei letzterer ist die Nutzung nicht erlaubnisfrei. Voraussetzung ist der Abschluss eines Nutzungsvertrags, auch wenn dieser einem Abschlusszwang unterliegt. Betroffen ist beim Lizenzvertrag nur die Abschlussfreiheit, nicht aber das Verbotsrecht an sich.151 Dagegen entsprechen sich die Ergebnisse. Denn an die Stelle des Verbotsrechts tritt 150 Schack: a.a.O., § 14 Rn 475. 151 Schack: a.a.O., § 14 Rn 481.
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ein bloßer Vergütungsanspruch. Zwangslizenzen gibt es im deutschen Urheberrecht in § 42a UrhG und in § 5 Abs. 3 S. 2 UrhG. Wegen der hohen Transaktionskosten durch die Erwerbung der Lizenz mit einer gegebenenfalls notwendigen Durchsetzung bestehen nennenswerte Nachteile. Zu Recht wird darauf hingewiesen152, dass der Gesetzgeber aus guten Gründen die Verwertungsrechte nicht einem Zwang zur kollektiven Wahrnehmung ausgesetzt hat. In einem solchen Fall wären die Dokumente einem Abschlusszwang gem. § 9 VGG unterfallen. Danach hätte jede der Verwertungsgesellschaften die Einräumung einfacher Nutzungsbedingungen zu „angemessenen Bedingungen“ verlangen können. Damit ist ein solcher Weg wirkungsgleich zu der Alternative gesetzliche Lizenz: Das Verbotsrecht wird durch einen reinen Vergütungsanspruch ersetzt.153 Hier bietet die Ermittlung bzw. die Unterstützung bei der Ermittlung des Rechteinhabers für Informationswissenschaftler ein Betätigungsfeld. Zur Kompensation der erlaubnisfreien Nutzungen eines Werks sind gesetzliche Lizenzen notwendig und gerechtfertigt.154 Nach der geltenden Rechtsauffassung kann das Verbotsrecht des Urhebers nur dann durch eine gesetzliche Lizenz ersetzt werden, wenn die Verwerter ein besonderes Interesse an einer erlaubnisfreien Nutzung haben. Eine Legalisierung der Umkehrung dieses Prinzips, indem der Verwerter zunächst das Werk nutzt, dann der Urheberrechtsinhaber seinen Vergütungsanspruch geltend machen muss und gegebenenfalls anschließend im einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Verfahren ferner über die Angemessenheit der Vergütung zeitintensiv gestritten wird, wäre verfassungswidrig.155 Das Selbstbestimmungsrecht des Urhebers würde in einem solchen Fall völlig missachtet werden. Zudem fände eine Risikoverlagerung zu Lasten des Rechteinhabers statt. Das hierdurch höhere Prozess(kosten)risiko würde den Urheberrechtsinhaber daher unangemessen benachteiligen. Inzwischen werden viele Rechte von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten durch Verwertungsgesellschaften wahrgenommen. Dabei können den Verwertungsgesellschaften die Rechte unmittelbar durch den Abschluss eines Wahrnehmungs- oder Berechtigungsvertrags übertragen werden. Ein anderer Weg erfolgt in pauschalierender Art und Weise durch die Gegenseitigkeitsverträge mit den ausländischen Schwestergesellschaften. Als Gegengewicht zu den durch die Summe der einzelnen Rechteübertragungen entstandenen Einflussmöglichkeiten unterliegen die Verwertungsgesellschaften einem doppelten Abschlusszwang. So sind sie verpflichtet, jene in ihren Tätigkeitsbereich fallenden Rechte und Ansprüche auf Verlangen jedes Urhebers zu angemessenen Bedingungen wahrzunehmen. Ferner sind die Verwer152 Schack: a.a.O., § 14 Rn 482. 153 Schack: a.a.O., § 14 Rn 483. 154 Schack: a.a.O., § 14 Rn 483. 155 Schack: a.a.O., § 14 Rn 483.
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tungsgesellschaften verpflichtet, angemessene Bedingungen für die durch sie wahrgenommene Rechtevertretung zu schaffen. Zu den weiteren Pflichten gehören die Auskunft über die Wahrnehmung von Nutzungsrechten an einem bestimmten Werk und die Veröffentlichung der Tarife im Bundesanzeiger. Entsprechen die Entgeltvorstellungen nicht denen der Verwerter, so sind Alternativen mit einem anderen, kostengünstigeren Angebot zu prüfen. Hier bedarf es einer Flexibilisierung der Projektplanung. Daher hat der Gesetzgeber bisherigen Wünschen nach einer gesetzlichen Lizenz eine Absage erteilt. Beispielsweise wurde der Gesetzentwurf von § 65 des Regierungsentwurfs BTDrucks. IV/270 kein Gesetz. In der Abwägung überwiegt das Interesse an der grundsätzlichen Selbstbestimmung des Urhebers gegenüber dem Aufwand in den Fällen, in denen sich einzelne Autoren nicht durch eine Verwertungsgesellschaft vertreten lassen und daher einzeln ermittelt werden müssen. Ohne dass diese bisherige Grundeinstellung verlassen wird, kann dennoch über Differenzierungen nachgedacht werden. Eine solche ist der sogenannte „grüne Weg“ des Open Access. Denn es besteht ein grundsätzliches Interesse daran, dass Ergebnisse, die vor allem durch öffentliche Gelder finanziert wurden, nicht noch einmal von der öffentlichen Hand erkauft werden müssen. Ausfluss dieser Überlegungen ist die Regelung des § 38 Abs. 4 UrhG. Open Access bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass dem Nutzer alle Nutzungsrechte zustehen. Ebenso wenig bedeutet Open Access Kostenfreiheit. Vielmehr sind diese Bedingungen ausdrücklich vom Rechteinhaber zu erklären.
8 Beziehung des Urheberrechts zu anderen Rechtsgebieten Das Urheberrecht sieht an zahlreichen Stellen eigenständige und charakteristische Aussagen und Lösungen vor. Dennoch ist es nicht isoliert von den anderen Rechtsgebieten zu betrachten. Beim ganz überwiegenden Teil der Vorschriften handelt es sich um Normen aus dem Zivilrecht. Daher finden sonstige zivilrechtliche Normen ergänzend zu den Vorschriften des Urheberrechts Anwendung. Dabei besteht ein Anwendungsvorrang der urheberrechtlichen Regelungen. Es bestehen zahlreiche Überschneidungen zwischen dem Urheberrecht und dem gewerblichen Rechtsschutz. Zu letzterem zählen neben dem Patentrecht unter anderem das Gebrauchsmusterrecht, das Designrecht, das Sortenschutzrecht und der Topografienschutz. Zusammen werden das Urheberrecht, der gewerbliche Rechtsschutz und das Markenrecht als Recht des geistigen Eigentums bezeichnet. Abgrenzungen bzw. Überschneidungen zum Patentrecht sind beispielsweise bei der Bewertung einer Konstruktionszeichnung gegeben. Diese kann gegebenenfalls nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG geschützt sein.1 Gleichzeitig kann die Idee die Lösung eines technischen Problems sein und ist daher patentrechtlich relevant. Ein weiteres Überschneidungsgebiet ist der Bereich der Software. So ist der Quellcode urheberrechtlich zu bewerten.2 Vom Patentrecht wird hingegen die „computerimplementierte Erfindung“ geschützt.3 Das Urheberrecht ist im Gegensatz zum Patentrecht auch persönlichkeitsbezogen. Daher ist das Recht an einem Patent im Gegensatz zum Urheberrecht gem. § 15 Abs. 1 S. 2 PatG frei und vollständig übertragbar. Der Designschutz schützt ein eingetragenes Design als Erscheinungsform von industriell oder handwerklich hergestellten Erzeugnissen. Trotz der Ähnlichkeit zum Urheberwerk dienen Designstücke häufig stärker dem Gebrauch und der Massenherstellung. Bereits beim Vorläufer des Designschutzes, dem Geschmacksmusterschutz, kam es inhaltlich zu Überschneidungsfällen mit dem Urheberwerk. Diese Tendenz hat sich nach Einführung des Designschutzgesetzes verstärkt. Eine inhaltliche Ergänzung des Urheberrechts erfolgt beim Markenrecht durch den Titelschutz. Titel sind kurze, prägnante Sprachwerke. Ihre Länge beschränkt sich auf wenige Begriffe, manchmal auch nur auf ein einziges Wort. Auf Grund ihres sehr geringen Umfangs erfüllen sie regelmäßig nicht die notwendige Gestaltungshöhe gem. § 2 UrhG. Auch ist wegen der Kürze von einem Fehlen der Individualität und damit regelmäßig von einem Fehlen des 1 BGHZ73, 288, 293 (Flughafenpläne); OLG Hamm, GRUR 1989, 501 (Sprengzeichnungen); LG München I, GRUR-RR 2004, 1 (Lagerhalle). 2 BGH, GRUR 2009, 479, 480 (Steuerungseinheit für Untersuchungsmodalitäten) BPatG, GRUR 2004, 934, 935 (Quellcode). 3 BGH, CR 2011, 493 (Dynamische Dokumentengenerierung); BGH, GRUR 2009, 479, 480 (Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten); BGHZ 143, 255, 264 (Logikverifikation). https://doi.org/10.1515/9783110707588-010
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Urheberrechtsschutzes auszugehen. Wegen der zentralen Funktion des Titels für ein Werk hat sich der Gesetzgeber jedoch für einen Schutz nach §§ 5, 15 MarkenG entschlossen. Der Begriff des Werktitels ist in § 5 Abs. 3 MarkenG legaldefiniert. Danach sind Werktitel Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken. Voraussetzung für den Schutz nach §§ 5, 15 MarkenG ist die Identifikation des Titels mit dem zusammenhängenden Werk als sogenannte Kennzeichnung und ein Mindestmaß an Individualität. Letzteres Kriterium ist sehr großzügig zu verstehen und schließt lediglich reine Gattungsbezeichnungen aus. Kennzeichnend ist ein Titel, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise in die Lage versetzt werden, das mit dem Titel gekennzeichnete Werk von anderen Werken zu unterscheiden. Besonders Fantasiebezeichnungen sind kennzeichnungskräftig. Möglich sind aber auch Begriffe aus dem Alltag, wenn sie in einem charakteristischen Sinne verwendet werden. Dagegen genügen lediglich beschreibende Angaben nicht. Beispiele: Die Bezeichnung „Focus“ ist zwar der Alltagssprache entnommen. Die Verwendung von „fokussieren“ in Bezug auf eine gesellschaftlich-politische Zeitschrift ist charakteristisch und damit kennzeichnend. Dagegen ist der Titel „Zivilrecht“ für einen Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch lediglich beschreibend und daher nicht geschützt.
Liegen Kennzeichnung und Individualität vor, dann erhält der Rechteinhaber gem. § 15 Abs. 1 MarkenG ein ausschließliches und alleiniges Recht zur Verwertung des Titels. Daraus folgt das Verbot nach § 15 Abs. 2 MarkenG für einen Dritten, den Titel im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit dem geschützten Titel zu ermöglichen. Im Hinblick auf die Erwähnung des Titels im Datensatz des Bibliothekskataloges greift das Verbot nicht. Denn Bestreben der Titelaufnahme als Katalogisat ist es, das Werk klar identifizieren zu können. Die Zuordnung von Werk zu Titel wird nicht nur gewahrt, sondern ist vielmehr Hauptzweck der Nennung. Daher liegt ein Zitat des Titels vor. Der Titelschutz entsteht automatisch mit dem Erscheinen des Werks. Damit ist der Titel später geschützt als das Werk selbst. Letzteres ist mit der Werksschöpfung automatisch unter Schutz gestellt. Andererseits ist beim Werktitel keine Eintragung in ein Register wie sonst regelmäßig im Markenrecht erforderlich, um einen Schutz zu erzeugen. Eine Eintragung als Marke gem. § 4 Nr. 1 MarkenG ist jedoch möglich, um einen höheren Schutzumfang als beim reinen Werktitelschutz zu erreichen. Weiterhin ist eine Vorverlagerung des Schutzes durch die Veröffentlichung einer Titelschutzanzeige möglich. Dabei ist eine Veröffentlichung in einem, dafür üblicherweise benutzten Medium und damit in branchenüblicher Weise erforderlich. Bei Buchtiteln ist eine Anzeige im Börsenblatt des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels üblich. Weitere Voraussetzung für die wirksame
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Vorverlagerung des Schutzes ist ein Erscheinen des Werks innerhalb einer angemessenen Frist nach Schaltung der Titelschutzanzeige. Angemessen ist regelmäßig eine Dauer von fünf bis sechs Monaten. Erfolgt das Erscheinen nicht innerhalb der Frist, erlischt der Titelschutz. Der Schutz des Titels endet regulär mit der Aufgabe des Gebrauchs. Im Gegensatz zum Immaterialgüterrecht, das eine Beziehung zu Rechtsobjekten darstellt, ist das Wettbewerbsrecht verhaltenbezogen.4 Einer der wichtigen Berührungspunkte ist die Frage, ob eine unerlaubte Übernahme von Leistungsergebnissen auch dann vorliegt, wenn kein urheberrechtlicher Schutz besteht. In einem solchen Fall spricht man von einem ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz.5 Die Gewährung von Ausschließlichkeitsrechten führt zu einem Monopol des Urhebers bzw. des Rechteinhabers. Jedoch kann auch bei einem Verdacht des Missbrauchs das klassische Kartellrecht nicht in der üblichen Art und Weise angewendet werden. Hierfür ist es zunächst notwendig, den relevanten Markt zu definieren. Im Bereich der Wissenschaften bildet jedoch jeder nicht ersetzbare Beitrag einen eigenen Markt.6 Das Ausnutzen der monopolartigen Stellung gerade im Bereich der wissenschaftlichen Zeitschriften hat durch die regelmäßigen, teilweise erheblichen Steigerungsraten bei gleichzeitig stagnierenden oder sinkenden Erwerbungsetats von Bibliotheken und Informationseinrichtungen mit zur sogenannten Zeitschriftenkrise geführt. Da die Monopolstellung jedoch gerade vom Gesetzgeber als originärer gesetzlicher Wille festgeschrieben wurde und der Ausgleich über eine zeitliche Befristung des Urheberrechts bzw. definierte Schrankenregelungen erfolgt, ist eine Lösung zunächst über das Urheberrecht und erst nachrangig über das Kartellrecht zu suchen. Als innovationsbezogenes Rechtsgebiet hat das Urheberrecht thematische Überschneidungen mit dem Hochschulrecht. Dabei geht es vor allem um das Thema Plagiarismus. Ein Plagiat kann, muss aber nicht eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Das gleiche gilt für den umgekehrten Fall. Regelungstechnische Schnittpunkte zwischen dem Urheberrecht und dem Hochschulrecht gibt es ferner bei der Zuordnung der urheberrechtlichen Verwertungsrechte. Besteht keine wirksame Vereinbarung zwischen der Hochschule und dem Urheber über die Verwertungsrechte eines Werks, so ist die Zuordnung vom Status des Hochschulangehörigen abhängig. Der Status des Hochschulangehörigen wird durch das Hochschulrecht festgelegt. Trotz der regelungstechnischen und inhaltlichen starken Verknüpfungen mit anderen Rechtsgebieten, zeigt sich das Urheberrecht als sehr eigenstän-
4 Schack: a.a.O., § 4 Rn 77. 5 Schack: a.a.O., § 4 Rn 79. 6 Reto M. Hilty; Kaya Köklü; Sylvie Nérisson; Thomas Hartmann; Felix Trumpke: Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht zur Anfrage des Bundesministeriums der Justiz vom 20. Februar 2013 zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Regelung zur Nutzung verwaister Werke und weiterer Änderungen des Urheberrechtsgesetzes sowie des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes.
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dig. Exemplarisch ist hier das Baurecht zu nennen. Wurde beispielsweise ein extravagantes Gebäude im Widerspruch zu den Bauvorschriften erstellt, so hat dies auf den Bestand des Urheberrechts keine Auswirkungen.7 Im zweiten Unterabschnitt des Urheberrechtsgesetzes sind in den §§ 106–111a UrhG urheberrechtlich spezifische Straf- und Bußgeldvorschriften erfasst. Hier finden die strafrechtlichen Grundsätze sowie die Regelungen des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs gleichrangig und nicht nur ergänzend Anwendung. Auf die Besonderheiten des Urheberstrafrechts als sogenanntes Nebenstrafrecht wird hier jedoch nicht eingegangen, da die Normen im Alltag von Bibliotheken und Informationseinrichtungen nur selten zur Anwendung kommen. In der Mehrzahl der Fälle erschöpft sich zudem die Anwendung auf den Hinweis, dass die unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke gem. § 106 UrhG eine Straftat ist. Für den Alltag genügt es zu wissen, welche Handlungen verboten sind. Wegen der Bezugnahme von § 106 UrhG auf die zivilrechtlichen Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes, der sogenannten Zivilrechtsakzessorität, sind daher die Kenntnisse des zivilrechtlichen Urheberrechts entscheidend. Die allgemeinen strafrechtlichen Normen bilden bei der Rechtsanwendung den Rahmen, um die allgemeinen, auch gemeinschaftsrechtlich anerkannten strafrechtlichen Grundsätze zu wahren. Bei den urheberrechtlichen strafprozessualen Vorschriften wie der Einziehung nach § 110 UrhG handelt es sich um spezielle Vorschriften, bei der ergänzend die sonstigen strafprozessualen Normen zur Anwendung kommen. Ebenfalls um spezielle Vorschriften, mit der Wirkung eines Anwendungsvorrangs, gegenüber den jeweiligen allgemeinen Regelungen handelt es sich beim dritten Unterabschnitt den Maßnahmen der Zollbehörden sowie den im dritten Abschnitt geregelten Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Diese Teilgebiete des Urheberrechts sind im Alltag von Bibliotheken und Informationseinrichtungen nicht präsent.
Zusammenfassung und Checklisten Ziel des Urheberrechts ist der Schutz der Leistungen von Kultur- und Medienschaffenden. Dabei wird versucht, die verschiedenen Interessen und Standpunkte der Urheber, der Nutzer und der Vermittler wie Bibliotheken und Informationseinrichtungen zum Ausgleich zu bringen. Thematisch setzen sich die Interessen aus vier großen Themengebieten, d.h. dem Eigentumsrecht, dem Urheberpersönlichkeitsrecht, dem Wirtschaftsrecht und dem Kulturrecht zusammen. Zentraler Anknüpfungspunkt des Urheberrechts ist das Werk. Es setzt eine persönliche Schöpfung mit einem geistigen Gehalt voraus, das eine Form und eine Gestaltungshöhe gefunden hat. Dabei sind die Maßstäbe an die Gestaltungshöhe eher gering anzulegen. Das Urheberrecht selbst 7 Schack: a.a.O., § 4 Rn 63; OLG Hamburg, NJW-RR 1987, 1533 (Fotografie eines Musikers).
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ist zu Lebzeiten des Urhebers nicht übertragbar. Stattdessen können vom Urheberrecht Nutzungsrechte abgetrennt und auf andere Personen übertragen werden. Eine Ausnahme davon ist das Urheberpersönlichkeitsrecht. Es steht zu Lebzeiten des Urhebers nur diesem zu. Das UrhG nennt drei urheberpersönlichkeitsrechtliche Befugnisse: das Veröffentlichungsrecht gem. § 12 UrhG, das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft nach § 13 UrhG und das Recht Entstellungen gem. § 14 UrhG verbieten zu können. Die §§ 31 bis 44 UrhG sind fundamentale Regelungen, die die Rechteeinräumung hinsichtlich Inhalt und Umfang bestimmen. Die Rechteeinräumung ist eine Verfügung. Sie belastet das Urheberrecht.8 Bei der Einräumung von Nutzungsrechten ist zwischen der Nutzungsart und dem Nutzungsrecht zu unterscheiden. Das Nutzungsrecht ist das Recht, ein Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen. Die Nutzungsart ist eine technisch oder wirtschaftliche eigenständige Verwendungsform des Werks. Das Verbreitungsrecht gem. § 17 Abs. 1 UrhG kann aufgespalten werden, soweit es sich um übliche, technisch oder wirtschaftlich eigenständige Nutzungsformen handelt. Maßstab ist eine klare Abgrenzbarkeit.9 Beispiele hierfür sind DVD, E-Book, Taschenbuch etc. Checkliste: Ausgestaltung der Rechteeinräumung –– In welchem Umfang soll die Übertragung der Rechte erfolgen? Erfolgt eine vollumfängliche Rechteübertragung oder eine Beschränkung auf bestimmte Nutzungsarten? –– Welche Art der Berechtigung soll vereinbart werden? Zur Auswahl stehen Möglichkeiten mit abgestufter Intensität: –– ausschließliche Nutzungsrechte, –– einfache Nutzungsreche, –– schuldrechtliche Nutzungsrechte, –– bloße Einwilligungen. –– Erfolgt eine pauschale Rechteeinräumung? Falls keine pauschale Rechteeinräumung vereinbart wird, wie erfolgt die Spezifizierung? –– Ist die Übertragung der Rechte auf derzeit bekannte Nutzungsarten beschränkt oder sollen auch Rechte an künftigen Nutzungsarten eingeräumt werden? –– Weitergabe von Rechten durch den Lizenznehmer an einen Dritten: –– Berechtigung zur vollständigen Übertragung aller Rechte und der vertraglichen Beziehung zum Lizenzgeber? –– Einräumung weiterer Sublizenzen?
8 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 26f. 9 BGHZ 152, 233, 239 (CPU-Klausel); BGHZ 145, 7, 11 (OEM-Version); BGH, GRUR 1986, 736, 737 (Schallplattenvermietung); BGH, GRUR 1992, 310, 311 (Taschenbuchlizenz).
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–– Werden neben der Übertragung der für die vertragsgegenständliche Nutzung erforderlichen Rechte noch weitere Rechte übertragen, die mit der vorgesehenen Nutzung in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen? –– Wer soll welches Haftungsrisiko tragen? Checkliste: Einräumung von Nutzungsrechten an unbekannten Nutzungsarten in Neuverträgen (d.h. nach 1. Januar 2008) –– Die vertragliche Vereinbarung der Einräumung von Nutzungsrechten an unbekannten Nutzungsarten erfolgte nach dem 01. Januar 2008. –– Wurde die erforderliche Form eingehalten? –– Grundsätzlich besteht ein Schriftformerfordernis. –– Ausnahme von Schriftformerfordernis: Die unentgeltliche Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts für jedermann (sog. Open Content oder Open Source) kann formfrei erfolgen. In der Zwischenzeit ist die neue Nutzungsart bekannt geworden. Mit dem Bekanntwerden der neuen Nutzungsart ist in der Person des Urhebers ein entsprechendes Nutzungsrecht an seinem Werk entstanden. Für eine wirksame Einräumung des Nutzungsrechts an unbekannten Nutzungsarten müsste das Widerrufrecht des Urhebers zumindest hinsichtlich des inzwischen neu entstandenen Nutzungsrechts erloschen sein. Dazu kommen folgende Möglichkeiten in Betracht: –– Ablauf der Dreimonatsfrist beginnend ab ordnungsgemäßer Mitteilung oder –– Vereinbarung einer gesonderten angemessenen Vergütung nach Bekanntwerden der neuen Nutzungsart oder –– Vereinbarung der Vergütung nach einer gemeinsamen Vergütungsregelung vor Bekanntwerden der neuen Nutzungsart oder –– Tod des Urhebers. Dabei ist zu beachten, dass es bei Filmen kein Widerrufsrecht gibt. Die Verwertungsrechte sind umfassend geregelt. Gem. § 15 UrhG sind sowohl die körperlichen als auch die nicht körperlichen Verwertungsrechte geschützt. Die Verwertungsrechte können in körperliche und nicht körperliche Verwertungsrechte unterteilt werden. Dabei sind acht Rechte ausdrücklich definiert. Drei davon sind körperliche und fünf nicht körperliche Rechte. Körperliche Verwertungsrechte sind: –– Das Vervielfältigungsrecht, § 16 UrhG. –– Das Verbreitungsrecht einschließlich des Rechts zur Vermietung, § 17 UrhG. –– Das Ausstellungsrecht, § 18 UrhG.
Beziehung des Urheberrechts zu anderen Rechtsgebieten
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Die Gruppe der unkörperlichen Verwertungsrechte besteht aus drei Erstverwertungsrechten und zwei Zweitverwertungsrechten. Erstverwertungsrechte sind: –– Das Vortrags-, Aufführungs- und das Vorführungsrecht, § 19 UrhG. –– Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, § 19a UrhG. –– Das Senderecht einschließlich der Europäischen Satellitensendung und der Kabelweitersendung, §§ 20ff. Die Auflistung der Verwertungsrechte in § 15 UrhG ist nicht abschließend. Es können durch die Rechtsprechung zusätzliche Verwertungsrechte entwickelt, aus bestehenden abgespalten oder neue entdeckt werden. Zu den sonstigen Rechten aus dem Urheberrecht gehören: –– Das Zugangsrecht, § 25 UrhG. –– Das Folgerecht, § 26 UrhG. –– Die Vergütung für Vermieten und Verleihen, § 27 UrhG.
9 Urheberschaft 9.1 Einzelurheber Da Urheberrecht mit der Schöpfung als Realakt entsteht, bedarf es keiner Geschäftsfähigkeit. Realakt wird das tatsächliche Handeln genannt. Beim Realakt gibt es keine erforderlichen vorbereitenden Handlungen, wie dies bei einem Vertrag mit den vorherigen einander entsprechenden Willenserklärungen der Fall ist. Daher sind auch Kinder Urheber ihrer Werke. Schöpfer kann nur eine natürliche Person, d.h. ein Mensch sein. Damit ist das Entstehen des Urheberrechts bei juristischen Personen ausgeschlossen. Das Schöpferprinzip führt dazu, dass jede Form der Stellvertretung bei der Anfertigung des Werks nicht möglich ist.1 Daher gibt es im deutschen Recht keinen Ghostwriter, sondern nur einen Urheber, der sich zu Gunsten des Lizenznehmers zahlreicher verfügbarer Rechte begibt. Handelt es sich bei dem Urheber um einen Minderjährigen, so haben die Eltern die Verfügungsgewalt über die Nutzungsrechte. Nicht verfügbar und damit immer dem Urheber zustehend sind die Urheberpersönlichkeitsrechte. Auf das Urheberpersönlichkeitsrecht kann nicht verzichtet werden. Lediglich die Ausübung kann in einem gewissen Rahmen ausgeschlossen werden. Jedoch verbleibt auch hier ein Kernbereich, bei dem ein vertraglicher Ausschluss unwirksam ist.
9.2 Mehrheit von Urhebern Eine Vielzahl von Werken entsteht durch das Zusammenwirken mehrerer Personen. Dadurch kann an dem betreffenden Werk eine Miturheberschaft der Mitwirkenden bestehen. Voraussetzung für eine Miturheberschaft gem. § 8 Abs. 1 UrhG sind die kumulativen Merkmale ‚gewolltes Zusammenwirken‘ und ‚Einheitlichkeit der Werkschöpfung‘. Kennzeichnend für eine Miturheberschaft ist, dass sich die einzelnen schöpferischen Beiträge einer Gemeinschaftsidee unterordnen.2 Unerheblich ist dagegen, ob die einzelnen schöpferischen Beiträge gleichzeitig oder zeitlich versetzt entstehen, solange der Charakter eines von einem gemeinsamen Willen getragenen gemeinsamen Werkes besteht. Nach § 8 Abs. 1 UrhG tritt Miturheberschaft nur dann ein, wenn sich die Anteile an dem Werk nicht gesondert verwerten lassen. Auf eine physische Trennbarkeit oder auch nur Unterscheidbarkeit kommt es hingegen nicht an. Da die Miturheberschaft gem. § 8 Abs. 1 UrhG kraft Gesetzes entsteht, bedarf es keiner Vereinbarung. Dabei ist weder der Umfang noch der 1 Schack: a.a.O., § 10 Rn 305. 2 RGZ 82, 333, 336 (Fassaden); BGH, GRUR 2009, 1046, 1049 (Kranhäuser). https://doi.org/10.1515/9783110707588-011
Urheberschaft
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Erstellungszeitpunkt oder das Niveau entscheidend, solange alle Beiträge als schöpferisches Wirken zu kennzeichnen sind.3 Die Gemeinschaft der Miturheber ist gesellschaftsrechtlich eine Gesamthandsgemeinschaft. Von der Gemeinschaft der Miturheber ist jedoch die Gesellschaft, die die Miturheber zur Verwertung des Werks bilden können, zu unterscheiden.4 Die Möglichkeit, zu Verwertungszwecken eine eigene Gesellschaft zu bilden, erlaubt eine differenzierte Gewinnteilung. Diese ist bei der Gesamthandsgemeinschaft nicht vorgesehen. Grund für den Wunsch nach einer unterschiedlichen Behandlung können die unterschiedlichen Beiträge der Miturheber zum gemeinsamen Werk sein. Zumindest zur Klarstellung sollte zwischen den Miturhebern eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden. Bei einem Sammelwerk bestehen im Unterschied zu Miturhebern keine urheberrechtlichen Bindungen. Abzugrenzen ist die Miturheberschaft ferner von der Bearbeitung eines bereits bestehenden Werks. Die Bearbeitung eines Werks setzt voraus, dass dieses schon abgeschlossen ist und gerade kein gemeinsamer Wille zu einem gemeinsamen Werk besteht. Die erfolgte rechtliche Bewertung ist daher die Grundlage für die Recherche nach dem Rechteinhaber. Auch bei einer größeren Anzahl von Miturhebern kennt das Gesetz über die gesamthänderische Bindung in § 8 Abs. 2 UrhG keine Bündelung von Interessen. Eine solche gibt es nur für § 80 Abs. 2 UrhG bei Gruppenleistungen von Interpreten von Leistungsschutzrechten. Vielmehr verbleibt jedem Miturheber das Selbstbestimmungsrecht. Für eine Suche bedeutet dies, dass jeder Miturheber, der nach einer sorgfältigen Recherche ermittelt wurde, um seine Zustimmung zu einer Rechteübertragung zu bitten ist. Voraussetzung für eine Miturheberschaft ist ein schöpferisches Zusammenwirken.5 Daran fehlt es, wenn der Mitwirkende lediglich Anreger, Auftraggeber oder Gehilfe ist. Diese reinen Hilfstätigkeiten6 begründen keine Miturheberschaft an einem gemeinschaftlichen Werk. Zu den Hilfstätigkeiten gehört das Beisteuern zum Werk durch Ideen, Tipps und Konzepte. Denn diese Geistesformen sind nicht urheberrechtlich geschützt. Der Begriff Hilfstätigkeit bezieht sich nur auf die Erstellung des besagten Werks und nicht auf die sonstigen Umstände. Daher kann auch ein Vorgesetzter in Bezug auf das Urheberwerk seiner Mitarbeiter lediglich Hilfstätigkeiten ausüben. Das Entstehen der Miturhebergemeinschaft erfolgt kraft Gesetzes und ist unabhängig vom Beitrag der einzelnen Miturheber. Dagegen kann die Verteilung der Erträge gem. § 8 Abs. 3 UrhG unterschiedlich ausfallen. Die Miturhebergemeinschaft kraft Gesetzes ist von der Miturhebergesellschaft auf vertraglicher Basis zu
3 BGHZ 123, 208, 212f. 4 BGH, GRUR 2012, 1022 Rn 19f., 25 (Kommunikationsdesigner). 5 Schack: a.a.O., § 10 Rn 318; BGH, GRUR 2003, 231, 234 (Staatsbibliothek). 6 BGH, GRUR 1985, 529 (Happening).
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unterscheiden.7 Im Innenverhältnis besteht zwischen den Miturhebern eine Verwertungsgemeinschaft in Form eines gesetzlichen Schuldverhältnisses.8 Durch § 8 Abs. 2 S. 1 UrhG wird nicht jeder mögliche Einzelfall geregelt. D.h. die Norm ist nicht abschließend. Eine Ergänzung findet durch die nachrangig anwendbaren Vorschriften über die BGB-Gesellschaft gem. §§ 705 ff. BGB statt, sofern hierdurch kein Widerspruch zu urheberrechtlichen Grundsätzen oder Normen erfolgt.9 Zu den vorrangigen Regelungen gehört beispielsweise, dass Veröffentlichungen gem. § 12 UrhG und Verwertungsrechte gem. § 15 UrhG nur gemeinschaftlich erfolgen können. Allen Miturhebern, aber auch nur diesen, steht ein Anspruch zu, als Urheber genannt zu werden. Ist ein Miturheber ausgeschieden, so gilt das Recht, solange spätere Auflagen noch durch ihn mitgeprägt wurden.10 Andererseits gibt es jedoch keine Pflicht, auf dem Werk genannt zu werden. Denn gem. § 13 S. 2 UrhG kann der Urheber frei entscheiden, ob und falls ja, mit welchem Namen er mit seinem Werk genannt werden will. Nach §§ 10 Abs. 2, 66 UrhG kann es der Urheber auch vorziehen, anonym zu bleiben. § 13 S. 2 UrhG enthält für den Nutzungsberechtigten z.B. den Verlag, ein Namensnennungsverbot, dass dieser wegen §§ 39 Abs. 1, 62 Abs. 1 UrhG zu beachten hat.11 Dagegen werden Dritte nicht gehindert, die wahre Urheberschaft offen zu legen.12 Wird daher mit den Rechteinhabern zwecks Übertragung eines Nutzungsrechts Kontakt aufgenommen, sollte nachweisbar die Frage gestellt werden, ob es noch weitere anonym gebliebene Rechteinhaber an dem Werk gibt. Die Rechtslage in Österreich ist entsprechend.13 Die Verwaltung von Werken, die in Miturheberschaft geschaffen wurden, erfolgt wegen §§ 709 Abs. 1, 714 BGB nur durch einstimmigen Beschluss.14 Hinsichtlich der Rechte zur Veröffentlichung und zur Verwertung stehen den Miturhebern diese gem. § 8 Abs. 2 S. 1 nur als Gesamthandsgemeinschaft zu. Dagegen kann jeder über die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse für sich allein entscheiden. In Betracht kommen hier die Anerkennung der Miturheberschaft gem. § 13 S. 1 UrhG oder das Zugangsrecht gem. § 25 UrhG. Gesamthänderisch eingebunden ist die persönlichkeitsrechtliche Befugnis des Miturhebers, verwertungsbedingten Änderungen seines Werks zuzustimmen. D.h. er muss zwar um sein Einverständnis gebeten werden, er darf diese Einwilligung aber nicht wider Treu und Glauben verweigern.15 Das Zugangsrecht gem. 7 BGH, NJW 2012, 2805, 2806 Rn 20 (Kommunikationsdesigner). 8 BGH, GRUR 2009, 1046, 1051. 9 Wandtke: a.a.O. 3. Kap Rn 6. 10 Schack: a.a.O., § 12 Rn 373. 11 Schack: a.a.O., § 12 Rn 374. 12 Rehbinder, ZUM 1991, 228. 13 Österreich OGH, GRUR Int. 2004, 159, 161 (Universum). 14 Schack: a.a.O., § 10 Rn 320. 15 Schack: a.a.O., § 10 Rn 320.
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§ 25 UrhG ist überwiegend persönlichkeitsrechtlich geprägt.16 Es verpflichtet den unmittelbaren oder mittelbaren Besitzer eines Originals oder eines Vervielfältigungsstücks, den Zugang zum Werk zu ermöglichen, um Vervielfältigungsstücke oder Bearbeitungen herstellen zu können. Die Nutzungserträge als sogenannte Rechtsfrüchte gem. § 100 BGB werden gem. § 8 Abs. 3 UrhG nach dem Umfang der Mitwirkung an der Schöpfung des Werks verteilt. Wie sich aus § 29 UrhG ergibt, kann ein Anteil an einem gemeinschaftlichen Werk nicht übertragen werden. Vielmehr kann ein Miturheber gem. § 8 Abs. 4 UrhG nur durch sein Ausscheiden auf seinen Anteil an den Verwertungsrechten verzichten. Diese Erklärung gilt nicht für die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse oder die Verwertungsbefugnisse hinsichtlich noch unbekannter Nutzungsarten. Die Miturheberschaft endet erst mit Ablauf der Schutzfrist. Also 70 Jahre nach dem Tod des am längsten lebenden Mitautors. Damit profitieren die Erben des früher verstorbenen Miturhebers von der längeren Dauer der Schutzfrist. Zuvor ist eine Beschränkung nur durch Verzicht der Geltendmachung zu Gunsten anderer Miturheber oder durch Einräumung sämtlicher Nutzungsrechte möglich.17 Abzugrenzen ist die Miturheberschaft von anderen Formen der Mehrurheberschaft. Hierunter fallen die Werkverbindung gem. § 9 UrhG, das Sammelwerk gem. § 4 UrhG oder der Bearbeitung nach § 3 UrhG. Eine Bearbeitung liegt vor, wenn ein bestehendes Werk neuschöpfend umgestaltet wird.18 Hier fehlt es am notwendigen Zusammenwirken. Daher laufen hier auch die Schutzfristen unabhängig voneinander. Werden Illustrationen für ein Buch gezeichnet, so entsteht kein eigenes, neues, abhängiges Werk mit eigener Schutzfrist, sondern es liegt eine reine Werkverbindung vor.19 Eine Werkverbindung besteht aus zwei oder mehreren selbstständig verwertbaren Werken. Dabei ist die Art der Werke unerheblich.20 Welche Voraussetzungen für eine Werkverbindung vorliegen müssen und deren Zustandekommen, ist in § 9 UrhG nicht ausdrücklich geregelt. Die Norm beschränkt sich auf die Rechtsfolge. Die Werkverbindung gem. § 9 UrhG setzt sinngemäß eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung voraus. Jeder Beteiligte Urheber an einer Werksverbindung ist Alleinurheber. § 9 UrhG ist dispositiv.21 D.h. es können andere vertragliche Regelungen vereinbart werden, die § 9 UrhG ersetzen. Die Werkverbindung kann jederzeit wieder gelöst werden. Urheberrechtlich ist damit jeder Urheber in der Lage 16 BGH, GRUR 1952, 257, 258 (Krankenhaus-Datei); Dreier; Schulze; Schulze: a.a.O., § 25 Rn 1; Fromm; Nordemann; Nordemann: a.a.O., § 25 Rn 1; Möring; Nicolini; Spautz: Urheberrechtsgesetz, § 25 Rn 1; Schricker; Loewenheim; Vogel: a.a.O., § 25 Rn 9; Wandtke; Bullinger; Bullinger: a.a.O., § 25 Rn 1. 17 Schack: a.a.O., § 10 Rn 322. 18 Schack: a.a.O., § 10 Rn 324. 19 Schack: a.a.O., § 10 Rn 327. 20 Wandtke: a.a.O., 3. Kap., Rn 7. 21 Wandtke: a.a.O., 3. Kap., Rn 8.
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sein Werk mehrfach zu verwerten. In den Fällen der Werkverbindung gem. § 9 UrhG kann jeder Urheber Einwilligungen zu Handlungen verlangen, wenn diese nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zuzumuten sind.22 Der Grundsatz von Treu und Glauben ist jedoch nur ein Korrektiv, das in seltenen Fällen anzuwenden ist, da ansonsten Gesetze und sonstige Vereinbarungen, inklusive die Vertragsfreiheit, obsolet würden. Bevor auf den Grundsatz von Treu und Glauben in der Argumentation zurückgegriffen wird, wird empfohlen, juristischen Rat hinzuzuziehen. Sollen die Werke der Urheber gemeinsam verwertet werden, entsteht regelmäßig eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
9.2.1 Arbeitnehmerurheberrecht Im Urheberrecht gibt es keinen Numerus Clausus inhaltlich vorgegebener subjektiver Rechte. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum Sachenrecht und damit zum materiellen Güterrecht. Zum Sachenrecht gehört beispielsweise das Buch als körperlicher Gegenstand. Das Sachenrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Werden materielle Produkte hergestellt, so wird der Arbeitgeber gem. § 950 BGB unmittelbarer und originär sachenrechtlicher Eigentümer derselben. Ein Umweg über eine Verfügung ist hier nicht notwendig. Denn nach der Rechtsprechung ist Hersteller grundsätzlich derjenige, in dessen Namen und wirtschaftlichem Interesse das Produkt hergestellt wird. Im Urheberrecht ist lediglich eine abgeleitete vertragliche Rechteeinräumung nach § 43 UrhG zu Gunsten des Arbeitgebers vorgesehen. Da das Urheberrecht durch einen Schöpfungsakt in der Person des Werkschaffenden originär geschaffen wird, kann es nicht beim Arbeitgeber entstehen. Dies gilt unabhängig von seinem beruflichen Status als Angestellter, freier Mitarbeiter, Beamter oder Auftragnehmer. Von der Ausnahme des § 69b UrhG abgesehen, erhält der Arbeitgeber oder Dienstherr die Nutzungsrechte nur durch ausdrückliche oder stillschweigende Übertragung. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass Arbeitsverträge in diesem Sinne ausgelegt werden. Bei Zweifelsfällen bezüglich Inhalt bzw. Umfang der übertragenen Nutzungsrechte gilt die Auslegung gem. § 31 Abs. 5 UrhG.23 Dennoch bleiben bei implizierten Vereinbarungen regelmäßig viele Fragen und damit Diskussionspunkte offen. Daher sind Vereinbarungen vor allem über den Umfang bei einer Rechteabtretung anzuraten. § 43 UrhG ist Ausgangsnorm bei der Anwendung urheberrechtlicher Vorschriften im Arbeitsverhältnis. Danach stehen dem Schöpfer eines urheberrechtlich geschützten Arbeitsergebnisses in einem Arbeits- oder Dienstverhältnisses die gleichen Rechte zu wie einem freien Urheber, soweit sich aus dem Inhalt oder dem Wesen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses nichts anderes ergibt. Im Bibliotheks- und Informationswesen gehört es bei vielen Berufen zum typischen Bild, dass Urheber22 Wandtke: a.a.O., 3. Kap., Rn 8. 23 BGH, GRUR 2011, 59, 60 (Lärmschutzwand).
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rechtswerke geschaffen werden. Dabei lässt § 43 UrhG eine Reihe von Fragen offen.24 Voraussetzung für § 43 UrhG ist das Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft. Arbeitnehmer ist nach hM, wer verpflichtet ist, fremdbestimmte und eine vom Arbeitgeber abhängige, weisungsgebundene Tätigkeit auszuüben.25 Daher können beispielsweise Journalisten, Architekten, Drehbuchautoren, Redakteure sowohl Arbeitnehmer als auch Urheber sein. Nur teilweise anwendbar sind die urheberrechtlichen Regelungen bei arbeitnehmerähnlichen Personen. § 43 UrhG ist bei arbeitnehmerähnlichen Personen nicht anwendbar. Dagegen werden arbeitnehmerähnliche Personen für den Anspruch auf eine Wiederholungsvergütung von § 32 UrhG erfasst.26 Freie Mitarbeiter sind hingegen diejenigen, die auf Grundlage von Honorarverträgen arbeiten und regelmäßig weder organisatorisch in das Unternehmen eingebunden noch einem Weisungsrecht namentlich einer Arbeitszeitregelung unterstellt sind.27 Daher findet § 43 UrhG bei freien Mitarbeitern auch keine Anwendung. Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst sind Arbeitnehmer i.S.v. § 43 UrhG. Voraussetzung für § 43 UrhG ist weiterhin, dass der Arbeitnehmer sein Werk in Erfüllung seiner Arbeitspflichten versieht. Denn außerhalb der arbeitsvertraglich vereinbarten Aufgabe findet § 43 UrhG keine Anwendung auf das Schaffen eines Werks. Es liegen dann freie Werke vor. Um ein Werk als Arbeitsergebnis anzunehmen, genügt es nicht, wenn nur die am Arbeitsplatz gewonnenen Erkenntnisse umgesetzt werden.28 Ist nicht klar ersichtlich, ob es sich bei der Erstellung des Urheberwerks um eine vereinbarte Aufgabe auf Grund eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses handelt, so werden Indizien, die sich aus der Berufsbezeichnung, Branchenübung und weiteren Umständen ergeben, hinzugezogen.29 Dagegen sind Zeit und Ort regelmäßig nicht als Abgrenzungskriterien geeignet.30 Eine Pflicht des Arbeitnehmers, seinem Arbeitgeber alle Nutzungsrechte seines Urheberrechtswerks anzubieten, besteht nur dann, wenn Pflichtwerke und damit Arbeitsergebnisse betroffen sind. In diesen Fällen gehen die ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Werk auf den Dienstherren bzw. Arbeitgeber über. Der sich hieraus ergebende Anspruch auf angemessene Vergütung ergibt sich aus dem Gehalt bzw. der Besoldung. Dem Mitarbeiter als Urheber verbleiben die Urheberpersönlichkeitsrechte. Keine Anbietungspflicht besteht für die freien Werke, die außerhalb der Aufgaben aus dem Dienst- und Arbeitsverhältnis entstehen.31 Auf die Verwertung dieser 24 Wandtke: a.a.O. 4. Kap. Rn 144. 25 BAG, NJW 2012, 2903, 2904 Rn 13; BAG, ZUM 2007, 507, 508; BAG, AfP 2007, 285, 287. 26 BAG, ZUM 2009, 883 (Wiederholungsvergütung); AG München, ZUM 2010, 545, 546. 27 BAG, NJW 2012, 2903, 2905 Rn 24. 28 Leuze: Urheberrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, § 5 Rn 18. 29 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 148. 30 BGH, GRUR 2005, 860, 862 (Fash 2000); BGH, GRUR 1985, 129, 130 (Elektrodenfabrik). 31 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 152.
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Werke hat der Arbeitgeber keinen Anspruch. Hinsichtlich einer uneingeschränkten Verwertung können dem Arbeitnehmer und Urheber eines freien Werks jedoch wettbewerbsrechtliche Gründe entgegenstehen. Beispiel: A ist als Webseitenprogrammierer beim Informationszentrum I angestellt. Der Arbeitsvertrag sieht eine Nutzungsmöglichkeit der Hard- und der Software auch außerhalb der Arbeitsaufgaben vor. Ebenso enthält der Arbeitsvertrag eine Wettbewerbsklausel, die dem A ein Tätigwerden gegen die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers verbietet. In seiner Freizeit erstellt der A nun ein Softwaretool, das einen erheblichen Fortschritt gegenüber bisherigen Lösungen darstellt. Als der Arbeitgeber davon erfährt, erwartet er umgehend die kostenfreie Aushändigung der Software und der Aufzeichnungen über die Entwicklung, auch wenn das Erstellen derartiger Softwaretools nicht zu den Arbeitsaufgaben des A gehört. A hingegen möchte sein Produkt hingegen völlig frei vermarkten. Lösungsskizze: A hat das Softwaretool in seiner Freizeit geschaffen. Zudem gehört das Designen derartiger Tools nicht zu seinen Arbeitsaufgaben. Daher verbleiben alle Rechte bei ihm. Auf Grund der Wettbewerbsklausel in seinem Arbeitsvertrag ist er jedoch verpflichtet, bei der Verwertung auf die Belange des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Nicht die Verwertungsrechte an sich, wohl aber deren Ausübung kann auch aus Gründen, die außerhalb des Urheberrechts liegen, beschränkt werden. Daher kann A sein Urheberwerk außer dem Arbeitgeber nur so auf dem Markt anbieten, dass er die arbeitsvertragliche Wettbewerbsklausel einhält.
In § 69b UrhG ist eine Sonderregelung für die Erstellung von Software durch Arbeitnehmer vorgesehen. Bei § 69b UrhG erwirbt der Arbeitgeber alle vermögensrechtlichen Befugnisse durch eine gesetzliche Lizenz. Zwar ist auch derjenige, der ein Computerprogramm auf Grundlage eines Dienstvertrags oder innerhalb eines Arbeitsverhältnisses programmiert hat, der Urheber; jedoch liegen alle vermögensrechtlichen Befugnisse nach dem Willen des Gesetzgebers beim Auftraggeber bzw. beim Arbeitgeber. Damit kann der Programmierer keine weitere Vergütung verlangen. Der Rechteerwerb ist durch das Gehalt bzw. Auftragsentgelt bereits abgegolten. Wie im Falle des § 43 UrhG verbleiben nach § 69b UrhG die Urheberpersönlichkeitsrechte beim Schöpfer. Dies bedeutet gem. § 13 S. 1 UrhG die Anerkennung seiner (Mit)Urheberschaft am Werk. Zwischen § 13 S. 2 UrhG und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers setzt sich bei einer bestehenden Verkehrsüblichkeit das Weisungsrecht durch.32 Dies kann eine gesammelte Auflistung als Miturheber am Werk als auch bei einer bestehenden Praxis die Nichtnennung des Urhebers bedeuten. Beispielsweise ist bei der Arbeit am OPAC eine Nennung nur mit Namenskürzeln oder eine Nichtnennung üblich. Dagegen kann eine Erwähnung in einem Arbeits- oder Dienstzeugnis sowohl arbeitsrechtlich als auch urheberrechtlich verlangt werden. Die Rechtslage in der Schweiz ist entsprechend. Mit Ausnahme von URG Art. 17 gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Gem. URG Art. 17 gehen die Rechte an einem Werk auf den Arbeitgeber über, wenn sich der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis bei Ausübung dienstlicher Tätigkeiten sowie in Erfüllung vertraglicher Pflichten ein Computerprogramm befindet. 32 Beger: a.a.O., Arbeitsergebnisse, S. 15f.
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Nach Auffassung der Rechtsprechung setzt sich die Ausübung der bereits erhaltenen Rechte durch den Arbeitnehmer auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort.33 Beispiel: Der Angestellte I hat den Auftrag, einen Jubiläumsband für die 300-Jahrfeier der Hochschulbibliothek zu erstellen. Kurz bevor der letzte Abschnitt fertiggestellt ist, erhält er von einem anderen Arbeitgeber ein besseres Stellenangebot, welches er auch annimmt. Hier kann der alte Arbeitgeber die Nutzungsrechte an dem Manuskript des Jubiläumsbandes weiterhin verwerten, auch wenn das Arbeitsverhältnis erloschen ist.
9.2.2 Arbeitnehmerurheberrecht an Hochschulen und in der Forschung Für das Arbeitnehmerurheberrecht an Hochschulen wird eine Sondersituation angenommen. Die Norm § 43 UrhG ist im Hochschulbereich im Lichte des Grundrechts auf freie Forschung und Lehre gem. Art. 5 Abs. 3 zu verstehen und wird daher entsprechend modifiziert. Bei Universitätsprofessoren ist das Arbeitsverhältnis von der Wissenschaftsfreiheit geprägt.34 Die Modifizierung des § 43 UrhG erfolgt bei Universitätsprofessoren aus Art. 5 Abs. 3 GG und führt nach der gängigen, vor allem in der Literatur betriebenen Auslegung zur Nichtanwendbarkeit von § 43 UrhG bei Universitätsprofessoren.35 Zulässig sind aber vertragliche Vereinbarungen zwischen der Hochschule und dem Hochschullehrer, die ein Zweitverwertungsrecht i.S.v. § 38 Abs. 4 UrhG zu Gunsten der Hochschule vorsehen, wenn die Publikationen mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Geldern finanziert wurden. Die Freiheit von Forschung und Lehre ist hier nicht berührt, da das Ob, Wo und Wann der Erstpublikation in der Entscheidung des Hochschullehrers verbleibt. Das gleiche gilt für die Nichtanwendbarkeit von § 69b UrhG bei Universitätsprofessoren. Die Verwertung von Software, die von Universitätsprofessoren geschaffen wurde, steht diesen allein zu. Unabhängig von der kontroversen Diskussion über die Abgrenzung des Universitätsprofessors vom Fachhochschulprofessor ist festzustellen, dass auch auf den Fachhochschulprofessor § 43 UrhG nicht anwendbar ist.36 Gleiches gilt auch für die Professoren an Dualen Hochschulen und Pädagogischen Hochschulen. Nicht die Verwertungsbefugnis der Ergebnisse, jedoch im Regelfall die Verpflichtung zur Publikation verlangt § 25 Abs. 2 Hochschulrahmengesetz.
33 Wandtke; Bullinger; Wandtke: a.a.O., § 43 Rn 148 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 34 Leuze: Urheberrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, § 6 Rn 2. 35 Leuze: a.a.O., § 6 Rn 6. 36 Leuze: a.a.O., § 6 Rn 9f.
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§ 53 Abs. 1 S. 1 Hochschulrahmengesetz bezeichnet wissenschaftliche Mitarbeiter als die Beamten und Angestellten, denen wissenschaftliche Dienstleistungen obliegen. Dabei sind wissenschaftliche Dienstleistungen mindestens zum Teil Zuarbeiten für die Tätigkeit der Professoren. Wird der wissenschaftliche Mitarbeiter entsprechend den Weisungen des Professors tätig, so kommt ihm nicht das Privileg des Art. 5 Abs. 3 GG zugute und § 43 UrhG findet Anwendung. Anders hingegen ist die Sachlage zu beurteilen, wenn es sich um eigenständige Forschungsarbeiten oder eigenverantwortliche wissenschaftliche Dienstleistungen handelt. Hier findet § 43 UrhG keine Anwendung. Dieser Dualismus des wissenschaftlichen Mitarbeiters hat bis in die jüngste Vergangenheit an einigen Orten zu einer Degradierung des wissenschaftlichen Mitarbeiters, faktisch zu einem Ghostwriter geführt.37 Von einer Fortsetzung dieser Missstände ist auszugehen. Wissenschaftlich unseriös und eben nicht Miturheber ist der Lehrende an einer Hochschule, der höchstens redigierte Werke unter seinem Namen als Urheber erscheinen lässt. Dies gilt auch dann, wenn er sich „nur“ als Miturheber trotz fehlendem eigenen schöpferischen Beitrag nennt. Liegt ein gemeinschaftliches Werk vor, so gebietet das Urheberrecht den Urheber beitragsgerecht zu nennen. Die teilweise vertretene Ausrede, es bedürfe bei angesehenen Publikationsorganen eines bekannten Namens, damit die eigenen Inhalte angenommen werden, ist fehlgehend. Urheberrechtlich ist das echte oder scheinbare Renommee nicht als Rechtfertigungsgrund für eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts anerkannt. Eine gegenteilige Schrankenbestimmung lässt sich dem Urheberrechtsgesetz nicht entnehmen. Im Übrigen beruht wissenschaftlicher Fortschritt auf der Qualität der Erkenntnisse und nicht auf der Frage nach dem Bekanntheitsgrad.38 Letzterer stellt sich bei der entsprechenden Qualität des Werks von selbst ein. Studenten an der Hochschule sind keine Arbeitnehmer, daher findet § 43 UrhG auf studentische Arbeiten keine Anwendung. Eine Ausnahme sind hier Studenten der Dualen Hochschule und der Fachhochschulen während der Praxisphase in dem entsprechenden Unternehmen bei weisungsgebundenen Arbeiten. Auf Grund des Arbeitsvertrags bzw. des Vertrags mit dem Dualen Partner ist hier § 43 UrhG anwendbar. Seminararbeiten, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten bzw. Dissertation sind eigenständige Forschungsarbeiten. Damit stehen die Urheberrechte an diesen ausschließlich den jeweiligen Studenten zu. Dies gilt auch dann, wenn die Aufgabe aus dem Bereich des Partnerunternehmens stammt. Eine Vereinbarung, dass die Nutzungsrechte des entstandenen Werks an das Partnerunternehmen übertragen werden, ist möglich. Wegen § 13 UrhG und den Umstand, dass es sich um eine Prüfungsarbeit handelt, verbleiben beim Studenten jedoch genügend Rechte, um sich unter Nennung des Titels seiner Arbeit und mindestens einem Abstract auf dem Arbeitsmarkt bewerben zu können, sofern das Partnerunternehmen nach 37 Beispiele siehe Leuze: a.a.O., § 6 Rn 13. 38 Schack: a.a.O., § 10 Rn 306; Leuze, GRUR 2006, 552, 555; Rehbinder in FS Pedrazzini, S. 651.
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Erhalt der ausschließlichen Nutzungsrechte durch Übertragung auf einem Innovationsschutz zu seinen Gunsten besteht. Abstracts sind Kurzfassungen von Publikationen. Hier kommt es darauf an, ob genügend Freiraum für eine individuelle sprachliche Schöpfung bleibt.39 Das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit ist nicht auf Professoren beschränkt, sondern gilt für alle, die eigenverantwortlich in wissenschaftlicher Art und Weise tätig werden oder tätig werden wollen. Daher gilt das Forschungsprivileg des Art. 5 Abs. 3 GG ebenso für Wissenschaftler, die an außeruniversitären Forschungseinrichtungen beschäftigt sind. Richtigerweise wird hier auch kein Unterschied zwischen Forschungseinrichtungen des öffentlichen und des Privatrechts getroffen.40 Anders sieht jedoch das Abwägungsergebnis bei der Beurteilung der Anwendung von §§ 43, 69f. UrhG aus. Hier ist der Gesellschaftszweck in einem besonderen Maße mitzuberücksichtigen.41
9.3 Urheber durch Bearbeitung und freie Benutzung An einem bearbeiteten Werk kann zu Gunsten des Bearbeiters ein eigenes Urheberrecht entstehen. Die Bearbeitung eines Werks ist dann gem. § 3 S. 1 UrhG geschützt, wenn und soweit sie persönliche geistige Schöpfungen i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG des Bearbeiters ist. Das Entstehen des Bearbeiterurheberrechts durch Schöpfung erfolgt somit durch einen Realakt. Dagegen verbleibt das Urheberrecht am Original ohne jegliche Änderung und im vollen Umfang beim ursprünglichen Urheber. Das Urheberrecht des Bearbeiters entsteht unabhängig davon, ob der Rechteinhaber des Originals seine Zustimmung zur Bearbeitung gem. § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG gegeben hat. Jedoch kann der Bearbeiter das mit der Bearbeitung neu entstandene Werk so lange nicht verwerten, bis er die Zustimmung des Urhebers am Originalstück hat. Durch die Erlaubnispflicht wird der Urheber des Originals in seinem Verwertungsrecht geschützt. Darüber hinaus kann er das Entstehen eines anderen Werks aber nicht verhindern. Aus § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG folgt, dass die Bearbeitung eine Art der Umgestaltung ist, bei der gleichermaßen die Originalität der Vorlage und eine eigene schöpferische Gestaltung zum Ausdruck kommen und miteinander kombiniert werden. Deshalb wird hier von einer doppelten Prägung gesprochen.42 Anders als beim materiellen Eigentum erwirbt der Bearbeiter keine Rechte am Originalstück. Seine Urheberrechte bleiben auf seine eigenen Schöpfungen beschränkt. 39 BGH, GRUR 2011, 134, 138 (Perlentaucher); OLG Frankfurt, ZUM 2008, 233 (Abstracts). 40 Leuze: Urheberrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, § 7 Rn 7. 41 Leuze: a.a.O., § 7 Rn 8. 42 Schack: a.a.O., § 9 Rn 268.
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Wurde ein Werk in freier Benutzung geschaffen, darf der Urheber dieses nach § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG benutzen, ohne sich die Zustimmung des Urhebers des Ausgangswerks einholen zu müssen. Bei einer freien Benutzung ist die Vorlage zwar noch erkennbar, sie tritt gegenüber der neuen Schöpfung aber klar in den Hintergrund. Problematisch ist es jedoch, eine sichere Grenze zwischen freier und unfreier Benutzung zu ziehen. Denn da ein Urheberwerk aus verschiedenen Elementen zu einer Schöpfung zusammengesetzt wurde, ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, diese prägenden Elemente und ihre Zusammenhänge zu übernehmen. Zur Ermittlung bleibt daher nur eine wertende Gesamtschau mit einer anschließenden Analyse der Gemeinsamkeiten von Originalwerk und neuem Werk. In unklaren Fällen sollte daher fachkundiger Rat zur Beurteilung des Einzelfalls hinzugezogen werden. In der Schweiz wird der Fall der Bearbeitung aus der Perspektive des Schöpfers des Ursprungswerks betrachtet und daher als Recht auf Werkintegrität benannt. Es ist ebenfalls als ausschließliches Recht zu Gunsten des Urhebers ausgestaltet und in URG Art. 11 geregelt.
9.4 Inhaber von Leistungsschutzrechten Inhaber von Leistungsschutzrechten können Personen sein, die durch eine eigene Tätigkeit tätig sind, jedoch kein urheberrechtlich geschütztes Werk erschaffen haben, z.B. ein Dirigent. Ebenfalls Inhaber von Leistungsschutzrechten sind Personen und Einrichtungen, z.B. Universitäten, Hochschulen, Unternehmen, Stiftungen in Betracht, die Investitionsrisiken im Zusammenhang mit urheberrechtlich geschützten Werken tragen. Die Leistungsschutzrechte sind auch unter der Bezeichnung verwandte Schutzrechte bekannt. Ursprünglicher Inhaber des Urheberrechts kann nur eine natürliche Person, also ein Mensch sein. Dagegen kann durch Erbgang auch eine juristische Person, z.B. eine Stiftung, Erbin und damit Inhaberin des Urheberrechts werden.43 Bei folgenden verwandten Schutzrechte kann ebenfalls eine juristische Person von Anfang an Inhaber sein: verwandte Schutzrechte an Ausgaben nachgelassener Werke gem. § 71 UrhG; des Veranstalters gem. § 82 UrhG; des Tonträgerherstellers gem. § 85 UrhG; des Sendeunternehmers gem. § 87 UrhG; an einfachen Datenbanken gem. § 87a UrhG; des Filmherstellers gem. § 94 UrhG; an Laufbildern gem. § 95 UrhG. Dies gilt sowohl für juristische Personen des privaten wie auch des öffentlichen Rechts. Die Verwertungsrechte sind bei den einzelnen verwandten Schutzrechten unterschiedlich ausgestaltet.
43 Loewenheim; A. Nordemann: a.a.O., § 22 Rn 12.
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9.5 Vermutung und Feststellung der Urheberschaft Wird die Urheberschaft des Klägers bestritten, so hat er diese darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Er hat alle Beweise und Indizien zu sammeln, aus denen auf eine Urheberschaft geschlossen werden kann. Anhaltspunkte sind Nachweise seiner Tätigkeit zum Zeitpunkt der Werkerstellung. Auch Probeaufnahmen können dazu gehören. Die Möglichkeiten sind hier weit gestreut. § 10 Abs. UrhG beschreibt eine Vermutungswirkung. Diese setzt voraus, dass sich die Urheberrechtsbezeichnung auf einem körperlichen Werkexemplar befindet. Dabei wird beispielsweise der Hinweis im beigefügten Text auf die Urheberschaft für die auf einer CD-R vorhandenen Fotodateien als ausreichend gesehen.44 Dagegen werden Darstellungen und Ausdrucke aus dem Internet nicht für ausreichend befunden.45 Durch § 10 UrhG wird die widerlegliche gesetzliche Vermutung i.S.v. § 292 ZPO der Urheberschaft zu Gunsten, dessen, der „auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienen Werks oder auf dem Original eines Werks der bildenden Künste in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist“, aufgestellt. Eine Widerlegung der Vermutung ist möglich. Erforderlich ist aber der Beweis des Gegenteils. Damit besteht hier eine echte Beweislastumkehr.46 Zu trennen ist die Frage nach der Urheberschaft von dem hier nicht in § 10 Abs. 1 UrhG angesprochenen Punkt, ob überhaupt ein Urheberrecht vorliegt. Nach § 10 UrhG wird die Rechtsinhaberschaft nur vermutet. Ob überhaupt ein Urheberwerk vorliegt, ist zuvor zu prüfen. Gem. § 10 Abs. 3 UrhG erstreckt sich die Vermutung auch auf die Inhaberschaft der ausschließlichen Nutzungsrechte. Aus der Frage, wer urheberrechtliche Ansprüche geltend machen darf, ergibt sich die folgende Reihenfolge, wobei der höhere Rang die übrigen ausschließt: Urheber ist: 1. Wer als Urheber benannt ist, wobei auch ein Deck- oder Künstlername genügt, nachfolgend, 2. wer als Herausgeber bezeichnet ist, nachfolgend, 3. wer als Verleger benannt ist. Weder der Herausgeber noch der Verleger werden zu Urhebern. Die Vermutung dient lediglich dem Schutz des Urhebers.
44 LG Kiel, NJOZ 2005, 126; Rachow in Limper; Musiol a.a.O., 21. Kap., Rn 38; vgl. auch Fromm; Nordemann; Nordemann: a.a.O., § 10 Rn 13. 45 Rachow in Limper; Musiol a.a.O., 21. Kap., Rn 38; Dreier; Schulz: a.a.O., § 10 Rn 6. 46 BGH, GRUR 2009, 1046, 1048 (Kranhäuser).
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9.6 Film als Gesamtwerk – Anwendungsbeispiel für komplexe Mehrheiten von Rechteinhabern Zu den typischen Gesamtkunstwerken gehört der Film. Er ist die Vereinigung zahlreicher schöpferischer Leistungen. Eine einheitliche, konzentrierende Regelung gibt es im deutschen Urheberrecht nicht. Vielmehr belässt das deutsche Urheberrecht die Rechte bei denjenigen, die das Werk schöpferisch geschaffen haben. Unterstützung für die besondere komplexe Lage hat der Gesetzgeber nur mit den Auslegungsregeln in § 88 Abs. 1 UrhG für die mit den Urhebern vorbestehenden Werken und in § 89 Abs. 1 UrhG für die mit den Filmurhebern geschlossenen Nutzungsverträgen bereitgestellt. Wer hingegen Filmurheber ist, ist im deutschen Recht nur allgemein und durch die Abgrenzung in § 89 Abs. 3 UrhG geregelt.47 Der Filmregisseur kann Alleinurheber oder Miturheber neben weiteren am Film schöpferisch Beteiligten sein.48 Diese weiteren am Filmprozess unmittelbar Beteiligten, von denen der Beitrag im Einzelfall eine schöpferische Qualität aufweisen kann, sind außer dem Regisseur, der Kameramann, der Beleuchter, der Tonmeister und der Cutter.49 Bei Schauspielern kann eine darstellende Leistung ausnahmsweise ebenfalls zu einem schöpferischen Beitrag und damit zu einer Miturheberschaft führen. Als Beispiel werden hier besonders prägende Einfälle genannt.50 Zu Recht wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass bei Hilfstätigkeiten, die dem Willen des Regisseurs untergeordnet sind, kein Urheberrecht entsteht.51 Nur dann, wenn der handelnden Person ein eigener Gestaltungsspielraum zugestanden wurde, der dann auch schöpferisch genutzt wurde, kann ein Urheberrecht entstehen. Da sie regelmäßig selbstständig verwertet werden können, können zwar an Werken der Filmarchitekten, Bühnenbildner, Masken- und Kostümbildner sowie der Schöpfer von Exposé, Drehbuch, Filmmusik Urheberrechte z.B. als Werk der bildenden Kunst gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG entstehen, da diese aber selbstständig verwertbar sind, handelt es sich um eigene Urheberrechte und nicht um eine Miturheberschaft am Filmwerk.52 Es gilt der Satz, dass eine schöpferische Leistung niemals zwei Urheberrechte an verschiedenen Werken begründen kann.53 Unabhängig davon muss der Filmhersteller bzw. der Verwerter sicherstellen, dass er die Zustimmung von allen Filmurhebern wie auch von den Urhebern vorbestehender Werke erworben hat. Es besteht keine Vermutung der genannten Personen der Miturheberschaft am Filmwerk. Daher ist bei jeder Person im Einzelfall zu prüfen, ob eine eigenschöpferische Leistung oder nur eine rein handwerkliche Tätigkeit vorliegt. Maßgebend ist daher 47 Schack: a.a.O., § 10 Rn 334; entsprechend § 38 Abs. 1 S. 3 öUrhG; OGH, GRUR Int 2004, 159, 160 (Universum). 48 Schack: a.a.O., § 10 Rn 336. 49 Schack: a.a.O., § 10 Rn 336. 50 Schack: a.a.O., § 10 Rn 336. 51 Schack: a.a.O., § 10 Rn 336. 52 Schack: a.a.O., § 10 Rn 337. 53 Schack: a.a.O., § 10 Rn 337.
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nach dem deutschen UrhG die sogenannte Einzelfallmethode und nicht die sogenannte Kategorienmethode.54 Hier gibt es Gegenstimmen aus der Lehre, die die Kategorienmethode bevorzugen. Eine einheitliche Rechtsprechung hat sich nach wie vor nicht herausgebildet.55 In der Praxis wird eine eigenschöpferische Leistung des Regisseurs oft unterstellt.56 Ausdrücklich geregelt ist hingegen gem. § 94 UrhG der Erwerb eines originären Leistungsschutzrechts am Filmwerk durch den Filmhersteller.
9.7 Rechtsnachfolge Urheberrecht Gem. § 28 Abs. 1 UrhG sind das Urheberrecht sowie die Leistungsschutzrechte vererbbar. Dies gilt für den Übergang der Verwertungsrechte wie auch für den Übergang des Urheberpersönlichkeitsrechts. Im Wege der gesetzlichen Erbfolge ergibt sich ein Übergang gem. §§ 1922 Abs. 1, 1942 Abs. 1 BGB. Möglich ist auch eine testamentarische Verfügung nach §§ 1937, 2229 ff. BGB oder ein Erbvertrag gem. §§ 1941, 2274ff. BGB. Nach den erbrechtlichen Grundsätzen erhält der Erbe die gleiche Stellung, wie sie zuletzt der Erblasser innehatte. So treten die Erben gem. § 30 UrhG in die Nutzungsverträge ein. Die Verwertungsrechte bzw. die Ansprüche aus den Nutzungsverträgen stehen den Erben 70 Jahre ab dem Tode des Urhebers zu. Gerechnet wird ab dem Ende des Jahres, in dem der Todesfall liegt. Im Falle einer Erbengemeinschaft gelten die §§ 2032 ff. BGB. Schließlich besteht die Möglichkeit des Urhebers die Ausübung seines Urheberrechts auf einen Testamentsvollstrecker gem. §§ 2197 ff. BGB, § 28 Abs. 2 S. 1 UrhG zu übertragen. Durch diese Möglichkeit des Fortwirkens der Persönlichkeitsrechte kann der Urheber verhindern, dass sein Werk in die seiner Ansicht nach falschen Hände fällt. Eine Übertragung des wissenschaftlichen oder künstlerischen Nachlasses auf eine Stiftung durch ein Stiftungsgeschäft von Todes wegen nach § 83 BGB ist eine weitere Möglichkeit. Lässt sich kein Erbe ermitteln, so erbt gem. § 1936 BGB der Fiskus. Bei einem Erbfall zu Gunsten des Fiskus ist das Urheberrecht an einem Werk wie jede andere Vermögensposition zu behandeln. Der Staat als Erbe bedeutet nicht, dass eine allgemeine Nutzungsmöglichkeit an dem Werk entstanden ist. Ist eine freie Verfügbarkeit des konkreten Werkes durch den Staat als Erben gewünscht, so ist eine entsprechende Kundgabe dieser Absicht erforderlich. Daher ist bei einem Erbfall zunächst die Erbfolge zu klären.
54 Homann: Praxishandbuch Filmrecht, S. 163; Götting, ZUM 1999, 3,7. 55 Homann: a.a.O., S. 163 Übersicht zu den zentralen Urteilen zu einzelnen Filmberufen Stand 2009. 56 BGH, GRUR 1991, 133, 135 (Videozweitauswertung).
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9.8 Internationales Urheberrecht Die urheberrechtrechtlichen Beziehungen erfolgen über nationale Grenzen hinweg. Jeder Staat hat auf Grund seiner hoheitlichen Befugnisse die Möglichkeit Regelungen zu treffen. Diese Recht gilt nach dem Territorialitätsprinzip jedoch nur für das jeweils eigene Staatsgebiet. Da es kein international einheitliches Urheberrecht gibt, stellt sich die Frage, welche Rechtsordnung auf grenzüberschreitende Fälle anzuwenden ist. Die Staaten ihrerseits können untereinander internationale Abkommen schließen, um solche Fragen zu klären. Auf dem Gebiet des Urheberrechts gibt es zahlreiche Abkommen mit unterschiedlichen Anwendungsbereichen. Beispiele hierfür sind die Berner Übereinkunft (BÜ) und die Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ). Dennoch decken die geschlossenen Abkommen nicht alle Fälle ab. So kann jeder Staat eigene Regelungen zum internationalen Privatrecht verabschieden, die Regelungen aus den Abkommen widersprechen. Ferner sind unterschiedliche Interpretationen und Auslegungen der geschlossenen Abkommen möglich. Ein weitreichendes Abkommen ist die Revidierte Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (1993). Zur Regelung von Kollisionsfällen nimmt die Mehrheit der Unterzeichnerstaaten u.a. Österreich, Schweiz, Deutschland das sogenannte Schutzlandprinzip an. Danach ist bei urheberrechtlichen Sachverhalten das Recht des Staates anzuwenden, für dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird. Somit handelt es sich beim Schutzlandprinzip um eine Präzisierung des Territorialitätsprinzips. Beispielsweise wird in Deutschland die Frage, wer Urheber und damit (erster) Inhaber des Urheberrechts ist57 und ob urheberrechtliche Befugnisse übertragbar sind58, nach dem Recht des Schutzlandes beurteilt. Der urheberrechtliche Schutz von Deutschen sowie den gleichgestellten Deutschen i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG und Staatsangehörigen eines anderen EU-Staates oder EWR-Vertragsstaates erfolgt grundsätzlich einschränkungslos nach dem Urheberrechtsgesetz. Zu den EWR-Vertragsstaaten gehört beispielsweise die Schweiz. Wurde an einem Werk eine Miturheberschaft begründet, so genügt gem. § 120 Abs. 1 UrhG ein Miturheber mit deutscher Staatsangehörigkeit, um das Werk als Ganzes unter den Schutz des deutschen Urheberrechts zu stellen. In Deutschland genießen ausländische Urheber gem. § 121 Abs. 1 S. 1 UrhG grundsätzlich den gleichen Schutz wie deutsche Urheber. Voraussetzung hierfür ist, dass ihre Werke in Deutschland erschienen und dieselben Werke im Ausland maximal 30 Tage zuvor erschienen sind. Erscheinen die Werke ausländischer Urheber mehr als 30 Tage vorher im Ausland, erfolgt der Schutz auf Grund von 57 Von Ungern-Sternberg, GRUR 2014, 209–224 (215); östOGH, Beschl. v. 17.12.2013 (4Ob184/13g unter 2.2.1); Katzenberger in Schricker; Loewenheim: a.a.O. Vorb. §§ 120 ff Rn 127, 129; Drexel in: MüKoBGB: Bd. 11 5., Intern. ImmaterialgüterR Rn 180. 58 Von Ungern-Sternberg, GRUR 2014, 209–224 (215); BGH, GRUR 2013, 509 Rn 22 (UniBasic-IDOS).
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multilateralen Abkommen. Dadurch gilt in den Unterzeichnerstaaten das Prinzip der sog. Inländergleichbehandlung. Dies besagt, dass ein ausländischer Urheber im Inland dem inländischen Urheber hinsichtlich seiner Rechte und Pflichten gleichgestellt ist. Somit ist gewährleistet, dass Werke ausländischer Urheber auf Grundlage des deutschen Urheberrechtsgesetzes z.B. bei Vervielfältigungen genutzt werden können. Die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen der EU sind für die Rechtslage in Deutschland und Österreich von zentraler Bedeutung. Auf freiwilliger Basis werden zahlreiche gemeinschaftsrechtliche Regelungen auch von der Schweiz übernommen. Durch die Medienangebote international aufgestellter Verlage sowie Softwarelizenzen kommt es zu häufigen Kontakten mit dem englischen und amerikanischen Copyright. Es handelt sich um eine teilweise andere Betrachtung und Einordnung der Rechte des Urhebers und Interessenten an der Nutzung des Werks. Im anglo-amerikanischen Copyright Law stehen wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. Geregelt wird hier vor allem der Schutz der Copies, als produzierte Waren.59 Im amerikanischen Copyright Law ist es daher auch möglich, dass das Copyright originär von einer juristischen Person, vor allem dem Arbeitgeber, erworben wird. Der Arbeitgeber sei viel besser als der Schöpfer geeignet, den größtmöglichen Nutzen aus dem Werk zu ziehen.60 Der Werkschöpfer wird auf sein Geschick auf dem vertraglichen Weg verwiesen. Dagegen stellt sich das deutsche Urheberrecht durch vielfältige Beschränkungen auf die Seite des Urhebers, um diesen vor einer Weggabe seiner Rechte aus Not oder Unerfahrenheit zu schützen.61 Das anglo-amerikanische Copyright Law hat für die Aspekte des Urheberrechtspersönlichkeitsrechts nur wenig Verständnis. Daher ist es nur rudimentär und als Beiwerk zu den Verwertungsmöglichkeiten entwickelt.
Zusammenfassung Urheber ist, wer durch einen eigenen schöpferischen Beitrag zum Entstehen eines Werks beiträgt. Dies kann eine einzelne Person, also ein Einzelurheber, oder eine Mehrzahl von Urhebern sein. Das Schöpferprinzip führt dazu, dass die Berechtigungen am Urheberwerk zunächst beim Werkschaffenden entstehen. Vielfach werden heute Urheberwerke im Arbeitsprozess geschaffen. Daher sind ausdrückliche oder zumindest stillschweigende Abtretungen der Verwertungsrechte an den geschaffenen Werken durch den Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber erforderlich. Sowohl das Urheberrecht als auch die Leistungsschutzrechte sind gem. § 28 UrhG vererblich. 59 Schack: a.a.O., § 1 Rn 26. 60 Schack: a.a.O., § 1 Rn 16; Hardy: An Economic Understanding of Copyright Law’s Work-Made-forHire Doctrine, Col.-VLA J. L. & Arts 12 (1988) 181–227. 61 Schack: a.a.O., § 1 Rn 26.
10 Rechte des Urhebers Das Urheberrecht dient gem. § 11 UrhG dem Schutz der Beziehung des Urhebers zu seinem Werk. Demnach geht es weder um den isolierten Schutz des Urhebers noch um den Schutz des Werks als solches. Daher schützt das Urheberrecht zwar vor Kopien, nicht aber vor Stilimitationen. Dies wird vom Gesetzgeber durch die Zulässigkeit der Pastiche in § 51a S. 1 UrhG betont. Im letzteren Fall kommt bei besonderen Konstellationen allenfalls ein Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts in Betracht. Zentrales Merkmal des Urheberpersönlichkeitsrechts ist sein Werkbezug.1 Aus der Vielzahl der Rechte und Rechtspositionen des Urhebers werden hier jene herausgegriffen, die das Bibliotheks- und Informationswesen in einem besonderen Maße berühren.
10.1 Veröffentlichungsrecht Veröffentlichung bedeutet das Entlassen des jeweiligen Werks durch den Urheber aus der Privatsphäre.2 Dabei kann die Veröffentlichung in einer beliebigen Form erfolgen. Das Veröffentlichungsrecht hat sowohl eine vermögensrechtliche als auch eine urheberpersönlichkeitsrechtliche Komponente.3 Es steht dem Urheber zu. Werden Nutzungsrechte eingeräumt, so umfasst das auch die Veröffentlichungsrechte.4 Ein Werk ist nach der Definition gem. § 6 Abs. 1 UrhG nur dann veröffentlicht, „wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist“. Die Veröffentlichung hat Auswirkungen auf den Inhalt und den Umfang des Urheberrechtsschutzes. So führt die Veröffentlichung zum Verlust des Rechts der ersten Inhaltsmitteilung und Ausstellungsrechts gem. §§ 12 Abs. 2, 18 UrhG. Mit der Veröffentlichung sind Zitate in Sprachwerken gem. § 51 S. 2 Nr. 1, Nr. 2 UrhG und die öffentliche Wiedergabe im Rahmen des § 52 Abs. 1 S. 1 UrhG zulässig. Der Begriff des Erscheinens ist in § 6 Abs. 2 UrhG legaldefiniert. Danach ist ein Werk erschienen, wenn „mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Werks nach ihrer Herstellung in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind“. Nach dem Erscheinen eines Werks sind gem. § 51 S. 2 Nr. 3 UrhG Zitate in einem weiteren Umfang zulässig. Das Zitationsrecht gem. § 51
UrhG betrifft nur veröffentlichte Werke. Somit sind Zitate aus nicht veröffentlichten Werken nicht vorgesehen. Unter Umständen kann ein Nutzer eines nicht veröffentlichten Werkes sich auf die freie Benutzung gem. § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG berufen. Dabei ist die Wahrnehmung des Mitteilungsrechts gem. § 12 Abs. 2 UrhG 1 Schack: a.a.O., § 3 Rn 43. 2 Schack: a.a.O., § 9 Rn 261. 3 BGHZ 15, 249, 258 (Cosima Wagner). 4 LG Köln, GRUR-Prax 2009, 17. https://doi.org/10.1515/9783110707588-012
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ausgeschlossen, da dieses als Ausfluss des Urheberpersönlichkeitsrechts nur dem Urheber zusteht.
Gleiches gilt für die öffentliche Wiedergabe im Rahmen von Gottesdiensten nach § 52 Abs. 2 UrhG. Nach umstrittener Ansicht ist das „Erscheinen“ im Sinne von § 6 Abs. 2 UrhG eine qualifizierte Veröffentlichung.5 Dies bedeutet, dass erschienene Werke auch immer veröffentlicht sind. Jedoch sind veröffentlichte Werke nicht notwendig immer erschienen. Auch im österreichischen Recht werden die beiden Begriffe Veröffentlichung und Erscheinen in § 8 und § 9 öUrhG getrennt. Dagegen kennt das Recht der Schweiz in Art. 9 Abs. 3 URG 1992 nur den Veröffentlichungsbegriff. Weder die Veröffentlichung noch die Zustimmung zu dieser kann wegen ihres Charakters als Realakt zurückgenommen werden.6 Im Gegensatz zum USamerikanischen Recht gibt es keine „depublication“ für Gerichtsentscheidungen.7 Ebenso wenig kann der Urheber die Veröffentlichungswirkung auf einzelne Wiedergabearten zeitlich oder räumlich rechtlich beschränken.8 Seminare an Hochschulen sind regelmäßig nicht öffentlich. Die Teilnahme ist bei nicht öffentlichen Seminaren an eine Anmeldung gebunden. Werden im Rahmen von Seminare daher Arbeitsmaterialien verteilt, so sind diese damit noch nicht veröffentlicht. Wird hingegen das Skript von der Webseite des Dozenten allgemein und ohne Zugangsschutz der Öffentlichkeit zum Download angeboten, so hat er sich der Möglichkeit des Rechteerhalts begeben. Die Abgrenzung des Kursraumes ist beispielsweise durch einen Passwort geschützten Zugang zumutbar möglich. Der Vermerk „als Manuskript gedruckt“ genügt regelmäßig nicht als wirksame Veröffentlichung, wenn dieses als einziges Exemplar in einer Universitätsbibliothek zugänglich ist.9 Bei Internetpublikationen genügt hingegen die reine Veröffentlichungshandlung. Auf den Veröffentlichungserfolg kommt es nicht an. Für das Erscheinen eines Werks bedarf es einer genügend hohen Anzahl von Vervielfältigungsstücken, die öffentlich angeboten oder in den Verkehr gebracht werden. Wie hoch die Mindestzahl der Exemplare zu sein hat, ist von der Verbreitungsmethode abhängig. Bei Schriftwerken genügen regelmäßig 50 Exemplare.10 Eine Ausnahme besteht bei Werken der bildenden Künste. Hier genügt ein Exemplar, sofern dieses der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich gemacht ist. Daher sind Bachelor-, Master- bzw. Diplomarbeiten, die in gedruckter Form häufig nur in sehr geringer Auflage vorliegen, erst dann erschienen, wenn eine elektronische Form öffentlich angeboten wird. Wegen der Pflicht zur Veröffentlichung von Dissertationen stapeln sich aus dem gleichen Grunde nach wie vor zahlreiche Mehrfachex5 Schack: a.a.O., § 9 Rn 264. 6 Schack: a.a.O., § 9 Rn 261. 7 Die Urteile der jeweiligen Gerichte verlieren damit ihre Präjudizienwirkung, vgl. Corpus Juris Secundum (C.J.S.) 21 Courts § 165 (St. Paul/Minn. 1990); Schack: a.a.O., § 9 Rn 261. 8 Schack: a.a.O., § 9 Rn 261. 9 Ulmer: Urheber- und Verlagsrecht, S. 180; anders hingegen für die Hinterlegung in einem Stadtarchiv OLG Zweibrücken, GRUR 1997, 363, 364 (Jüdische Friedhöfe). 10 Schack: a.a.O., § 9 Rn 264.
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emplare von gedruckten Doktorarbeiten in den Lagerräumen von Universitäten, da sie trotz Verbreitungsbemühungen auf dem Wissenschaftsmarkt keine interessierten Abnehmer finden. Eine wirksame Abhilfe des hierdurch bestehenden Raumproblems kann durch eine Prüfungsordnung erfolgen, die als zulässige und zeitgemäße Veröffentlichungsform auch elektronische Publikationen akzeptiert. Gegen spätere als die erste unberechtigte Veröffentlichung kann der Urheber nicht mit § 12 UrhG, sondern nur wegen der Verletzung seiner Verwertungsrechte gem. §§ 97, 15ff. UrhG vorgehen. Das Veröffentlichungsrecht ist ein Verbotsrecht. Durch § 12 UrhG werden keine positiven Ansprüche auf Veröffentlichung begründet.
10.2 Recht auf Anerkennung der Urheberschaft Auf das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft gem. § 13 S. 1 UrhG kann weder verzichtet werden, noch ist eine Übertragung möglich. Es entspringt unmittelbar dem Schöpferprinzip gem. § 7 UrhG. Damit kann es auch nicht auf den Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer übertragen werden. Daher hat ein Ghostwriter nicht auf das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft verzichtet, sondern lediglich ein schuldrechtliches Versprechen abgegeben, auf die Namensnennung gem. § 13 S. 2 UrhG zu verzichten. Liegt ein Abhängigkeitsverhältnis vor, so sind entsprechende Abreden regelmäßig ein Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis und damit sittenwidrig.11 Für den Medienbearbeiter, der das betreffende Werk in ein Verzeichnis aufnimmt besteht andererseits keine besondere Nachforschungspflicht, einen fehlenden Urheber ausfindig zu machen. Es genügt hier die berufsübliche Sorgfalt, mit der die Erfassung der Mediendaten vorgenommen wird. Dazu gehört die Datenaufnahme vom Titelblatt. Ist ein solches nicht vorhanden oder erkennbar nicht vollständig, so können sich weitere Hinweise aus dem Vorwort, dem Umschlag, dem Inhaltsverzeichnis oder bei Sammelwerken aus den einzelnen Werken ergeben. Weitere Nachforschungsarbeiten können sich aus Interesse am jeweiligen Medium ergeben, sind aber nicht rechtlich gefordert.
10.3 Rückrufrecht Dem Urheber steht das Recht zu, sein Werk zurückzurufen. Übt er dieses Recht aus, so werden das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft rückgängig gemacht. Die Nutzungsrechte fallen automatisch wieder an ihn zurück und er kann damit wieder über diese verfügen. Das Gestaltungsrecht wirkt unmittelbar ex nunc. D.h. die Wirkung gilt zwar unmittelbar, aber nur für die Zukunft. Würde der Rückruf auch für 11 Wandtke: a.a.O. 4. Kap. Rn 13.
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die Vergangenheit wirken, so wären bereits erfolgte Nutzungen als Urheberrechtsverletzungen zu qualifizieren. Da weder dieses Ergebnis noch die sich hieraus ergebende Rechtsunsicherheit wünschenswert sind, ist die Ex-nunc-Wirkung sachgerecht. Nach dem UrhG gibt es drei anerkannte Gründe für einen Rückruf: Es besteht ein Rückrufsrecht wegen Nichtausübung des Nutzungsrechts. Ein Rückrufsrecht gilt ferner, wenn sich die Überzeugung des Urhebers gewandelt hat. Schließlich gibt es ein Rückrufsrecht bei Veräußerung des Unternehmens, an das das Nutzungsrecht übertragen worden war. Im Gegensatz zu § 41 UrhG gilt § 42 UrhG auch für einfache Nutzungsrechte. Nicht von § 42 UrhG erfasst, ist das über § 51 UrhG gewährleistete Zitierrecht.12 Das Rückrufrecht gem. § 42 Abs. 1 UrhG wegen gewandelter Überzeugung betrifft nur den Erwerber der Nutzungsrechte, häufig den Verleger. Die Rückgabe und die Löschung der Spuren bei Dritten kann jedoch nicht erzwungen werden. Hier wirkt sich der Erschöpfungsgrundsatz aus. Zudem kann nur ein Nutzungsrecht heimfallen. Eine Information hingegen kann als Realakt ihrem Wesen nach nicht zurückgenommen werden, wenn sie einmal verbreitet wurde. Deshalb kann der Urheber eines Werks nach der Veröffentlichung und Erwerb eines Exemplars durch die Bibliothek nicht die Löschung des Datensatzes verlangen. Daher sind die Einträge in den Bibliothekskatalog auch nach Ausübung des Rückrufrechts rechtmäßig. Ebenfalls ist das Fortbestehen von Werkexemplaren im Bibliotheksbestand auch nach Ausübung des Widerrufsrechts rechtmäßig. Die Bibliotheken sind hier Dritte, soweit es um den Leihbestand geht. Zudem wirkt das Rückrufrecht nur für die Zukunft. Anders sieht es aus, wenn Bibliotheken verlegerisch tätig werden und eine Hochschulschriftenreihe, einen Hochschulverlag oder ein Open Depository betreiben. Hier hat der Urheber einen Rückrufsanspruch gem. § 42 Abs. 1 S. 1 UrhG, soweit es um die verlegerische Tätigkeit der Bibliothek geht. Zu Gunsten der Bibliothek besteht hier eine Entschädigungspflicht gem. § 42 Abs. 3 UrhG.
12 Loewenheim; Dietz; Schricker: Urheberrecht, § 42 Rn 15.
11 Schranken und Grenzen der Rechte 11.1 Systematik der Einschränkungen der Urheberrechte Beschränkungen bzw. Eingriffe in die Rechte des Urhebers können aus verschiedenen Beweggründen erfolgen. Dies ist einmal die Teilhabe an der unveränderten Form des Urheberwerks oder eines Teils desselben. Beispiel hierfür ist das Recht, Kopien in einem beschränkten Umfang für private Zwecke anfertigen zu dürfen. Eine weitere Intension ist der Wunsch, ein erworbenes Werkexemplar im eigenen Sinne umgestalten zu können. Hier sind die Bearbeitungsrechte an einem Werk wie Übersetzungen und Verfilmungen angesprochen. Schließlich kann auch die Negation des Werks ein Beweggrund sein. Zu dieser Kategorie zählen die Fälle der Vernichtung des einzigen Werkexemplars, aber auch die Indizierung des Werks als jugendgefährdende Schrift. Schließlich kann auch durch eine Reaktion auf das Werk die Wirkungsweise des Urheberwerks verändert werden. Hier erfolgt keine Nutzung des Werks an sich, sondern Ziel ist die Begrenzung der Wirkung. Beschränkungen bzw. zu duldende Eingriffe in ein Recht können in unterschiedlicher Art und Weise erfolgen. Eine Möglichkeit besteht darin, Ausnahmen ausdrücklich zu regeln. Diesen Weg hat der Gesetzgeber des Urheberrechts mit dem Abfassen der Schrankenregelungen der §§ 44a UrhG beschritten. Im geltenden Urheberrecht liegt hier der Schwerpunkt der Diskussion um Rechte und Gegenrechte. Rechtsgebietsübergreifend ist trotz einem Erfüllen der geforderten Merkmale eine Ausnahme vorzusehen, wenn anerkannte Rechtfertigungsgründe eingreifen. Auch im Urheberrecht kann es zu einer Rechtfertigung eines ansonsten nicht erlaubten Eingriffs kommen, wenn anerkennenswerte Gründe vorliegen. Im Urheberrecht ist die Gestattung eines Eingriffs auf Grund eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes jedoch sehr selten. Eine dritte Art und Weise der Regelung erfolgt durch Definition des Anwendungsbereichs des jeweiligen Rechts. Die Definition des Anwendungsbereiches kann bestimmte Konfliktfälle ausdrücklich ausschließen. Es handelt sich damit um eine wertende rechtliche Betrachtung. Sie hätte auch anders ausfallen können, hat sich aber durch eine stetige Rechtsprechung verfestigt. Ein Beispiel für den Ausschluss aus dem Anwendungsbereich des Urheberrechts sind behördlich Warnungen vor bestimmten Schriften bzw. Verbreitungsverbote von indizierten Medien auf Grund des Strafgesetzbuchs bzw. des Jugendschutzgesetzes. Bei den Ausnahmeregelungen und Beschränkungen des Urheberrechts ist darauf zu achten, auf welchen, häufig eng beschriebenen Lebenssacherhalt sie sich beziehen. Denn für unterschiedliche Lebenssachverhalte ergeben sich unterschiedliche Antworten. Wo beispielsweise die Aufnahme eines Drehbuchkapitels gegen § 46 UrhG verstößt, ist aber die bloße Verwendung des Buches als Anschauungsmaterial im Unterricht zulässig. Hier werden keine Verwertungsrechte berührt.
https://doi.org/10.1515/9783110707588-013
Schranken und Grenzen der Rechte
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In einer Rechtsgemeinschaft werden die Rechte des Einzelnen durch die Rechte der anderen begrenzt und zum Ausgleich gebracht. Ob die Beschränkungen bzw. Eingriffe gerechtfertigt und damit rechtskonform sind, ist durch eine entsprechende Prüfung festzustellen. Zu diesem Zweck sind für das Urheberrechtsgesetz durch den Gesetzgeber in den §§ 44a ff. UrhG sogenannte Schrankenregelungen vorgesehen. Die Gründe für die Einrichtung der Schranken als Interesse der Allgemeinheit hat verschiedene Intensionen. Ein Ziel ist die Sicherung wissenschaftlicher, geistiger und kultureller Werte zu Gunsten der Gemeinschaft als Ganze. Angesprochen sind hier die besonderen Rechte und Möglichkeiten für Gedächtnisinstitutionen wie Bibliotheken, Archive und Museen. Ferner geht es um die Teilhabe des Einzelnen an den Ergebnissen der Wissenschaft und Kultur, weswegen z.B. Regelungen für die Erstellung von Privatkopien gem. § 53 UrhG geschaffen wurden. Dabei steht der Einzelne hier für die Interessen der Gemeinschaft (quivis ex populo). Schließlich besteht ein Interesse der Gemeinschaft an einem freien, gleichwohl geordneten und nachvollziehbaren Informationsfluss. Hierfür steht u.a. das Zitatrecht mit gleichzeitiger Pflicht der Urheberbenennung gem. §§ 51, 63 UrhG. Auch wenn es sich bei den Schrankenregelungen normenhierarchisch um einfache Gesetze handelt, sind diese durch internationale Verpflichtungen fest eingebunden. So haben die Schrankenregelungen die Erfordernisse aus den internationalen Staatsverträgen zu erfüllen. Von besonderer Bedeutung sind hier die Art. 9 Abs. 2 Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ), Art. 10 Abs. 1 WCT und Art. 16 Abs. 2 WPPT. Ebenfalls zentral ist der kontinuierlich wachsende Einfluss des Europarechts auf das nationale Urheberrecht. Im Bereich des Primärrechts der Europäischen Union (EU) sind vor allem die Grundfreiheiten Gegenstand. Im Sekundärrecht der EU geht es schwerpunktmäßig um die Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien. Der Dreistufentest wurde zwar nicht als „Schranken-Schranke“ in das Urheberrechtsgesetz übernommen. Der Test findet jedoch bei der Frage nach der richtlinienkonformen Auslegung von Schranken Anwendung.1 Die in Art. 10 I, II RBÜ genannten Schranken „anständige Gepflogenheiten“ begrenzen sowohl das Urheberrecht als auch dessen Schranken.2 Die Schranken gelten nicht absolut, sondern haben sich in ihren Anwendungsbereichen an einer ganzen Reihe von Regelungen zu messen. Der nationale Gesetzgeber hat zwar einen Spielraum, ist daher nicht völlig frei in seinem Handeln. Zunächst sind die vorrangigen Staatsverträge3 und die Vorgaben von Art. 5 der Harmonisierungsrichtlinie EU zu berücksichtigen. Deren Kern ist der sogenannte Dreistufentest4 in Art. 5 Abs. 5 der Harmonisierungsrichtlinie. Er begrenzt sämtliche Schrankenbestimmungen. Demnach dürfen die Ausschließlichkeitsrechte des Urhe1 Schunke in Wandtke: a.a.O., 1. Kap. Rn 76. 2 Schack: a.a.O., § 15 Rn 535. 3 Vgl. insbesondere. Art 2bis II, 9 II, 10, 10bis, 11bis II, III, RBÜ, Art. 15 RA. 4 Grundlegend hierfür ist Art. 9 II RBÜ, Art. 13 TRIPS (aufgegriffen von BGHZ 141, 13, 34ff. Kopierversanddienste); Art. 10 WCT, Art. 16 II WPPT.
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
bers nur unter den drei kumulativ vorliegenden Voraussetzungen eingeschränkt werden: 1. Es handelt sich zwingend um bestimmte Sonderfälle. 2. Die normale Auswertung des Werks darf nicht beeinträchtigt werden. 3. Die berechtigten Interessen des Urhebers dürfen nicht unzumutbar verletzt werden. Der Dreistufentest erlangt in der Praxis seine besondere Bedeutung, da es sich um ein vom Europäischen Gerichtshof verwendetes Auslegungskonzept handelt. Daher zählt er zum geltenden Recht, auch wenn der Gesetzgeber es bisher abgelehnt hat, diesen Grundsatz direkt in den Gesetzestext aufzunehmen.5 In dieses bisher austarierte System kommt derzeit Bewegung. Ein Grund hierfür ist die zunehmende Kumulation von Schutzrechten mit unterschiedlichen, nicht aufeinander abgestimmten Schranken. Als Beispiel wird die engere Auffassung des Erschöpfungsprinzips im Urheberrecht gegenüber der weiteren markenrechtlichen Erschöpfung genannt.6 Zudem ist der Umgang mit den Schrankenregelungen seit einiger Zeit umstritten.7 Die Beschränkung der Verwertungsrechte erfolgt nicht nur durch die Schranken der §§ 44a ff. UrhG, sondern sie sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch gegen die Grundrechte Dritter abzuwägen.8 Dabei ergeben sich Beschränkungen der Verwertungsrechte insbesondere aus der Meinungsfreiheit,9 der Informationsfreiheit10 und der Kunstfreiheit.11 Soweit dies vom Wortlaut her vertretbar ist, ist der Ausgleich der unterschiedlichen Rechtspositionen bereits im Rahmen der Auslegung vorzunehmen. Sofern besondere grundrechtsrelevante Umstände des Einzelfalls nicht schon in dieser Weise berücksichtigt werden können, ist eine gesonderte Grundrechtsabwägung erforderlich.12 Regelmäßig ist es üblich, die genannten Grundrechte als Unterstützung bei dem Verständnis der urheber5 Schack, a.a.O., § 15 Rn 536; Vgl. BT-Drucks. 15/38, S. 35, 39 und den RegE BT Drucks. 16/1828, S. 21. a.A. Bayreuther, ZUM 2001, 828, 839. 6 Schack: a.a.O., § 15 Rn 536. 7 Ausführlich Schunke in FS Wandtke 2013, S. 341, 344f. 8 EuGH, GRUR 2012, 382 Rn 41 (SABAM/Netlog); GRUR 2012, 384; EuGH, GRUR 2012, 810 Rn 57 (DR und TV2 Danmark); BVerfG, GRUR 2012, 389 (Kunstausstellung im Online-Archiv); EGMR, GRUR 2013, 859 Rn 36 (Ashby Donald u.a./Frankreich). 9 EGMR, GRUR 2013, 859 Rn 36ff. (Ashby Donald u.a./Frankreich); EGMR, GRUR Int 2013, 476 (478f.) (The Pirate Bay); Schack: a.a.O., § 15 Rn 537; OLG Stuttgart, NJW-RR 2004, 619, 621f. (Sexfilmvorführung auf Pressekonferenz); OGH, GRUR Int 2002, 341, 342f. (Medienprofessor). 10 EuGH, GRUR Int 2013, 964 Rn 10, 20, 21 (UEFA/Europäische Kommission). 11 BGH, GRUR 2013, 614 Rn 22 (Metall auf Metall II); BVerfG, GRUR 2001, 149, 151 (Germania 3); restriktiver OLG Köln, ZUM 2009, 961, 962 (Theaterstück über Klaus Kinski). 12 Von Ungern-Sternberg, GRUR 2014, 209–224 (215); BVerfG, GRUR 2012, 904 (Kunstausstellung im Online-Archiv); Schmittmann; Fischer, AfP 2013, 224 (226f.).
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rechtlichen Norm einzusetzen, jedoch nicht unmittelbar. Aus diesem Grunde hat sich der BGH in zwei Revisionsverfahren für eine angemessen weite Auslegung des Begriffs Berichterstattung“ in § 50 UrhG entschieden.13 Das unmittelbare Heranziehen der Grundrechte ist nur gebräuchlich, wenn eine zentral einschlägige Grundrechtsposition sonst überhaupt nicht mehr berücksichtigt wird. Damit soll im Regelfall der Wille des Gesetzgebers im Hinblick auf die einfachen Gesetze wie das Urheberrecht geschützt werden. Würde in jedem Fall ein unmittelbarer Durchgriff auf die Grundrechte erfolgen, wären zum einen alle einfachen Gesetze überflüssig. Zum anderen würde um die Grundrechte eine nahezu unübersichtliche Menge an Urteilen entstehen sowie eine starke Veränderung der Gewaltenteilung zwischen Parlament und Rechtsprechung herbeigeführt werden. Um den Vergleich mit der Medizin zu bemühen: Schneidet sich jemand in den Finger, ist nicht in jedem Fall ein sofortiges Verständigen des Notarztes angezeigt. Dass letzteres im Einzelfall z.B. bei einer naheliegenden Blutvergiftung notwendig ist, soll nicht in Frage gestellt werden. Im gleichen Sinne ist der Anwendungsvorrang niederrangiger Regelungen gegenüber höherrangigen Normen zu sehen. Ein direkter Durchgriff auf die Grundrechte, statt den Weg der verfassungskonformen Auslegung niederrangiger Regelungen zu wählen, ist daher eher selten. Diese Ansicht weicht jedoch von der überwiegenden Rechtsprechung unterinstanzlicher Gerichte ab. Nach Ansicht des BGHs14 und eines Teils der Literatur15 ist bei der Auslegung der Schrankenregelung weder eine enge noch eine weite Auslegung absolut zu bevorzugen. Vorzugswürdig ist demnach eine Auslegung entsprechend der Zwecksetzung der jeweiligen Vorschrift im Sinne des Interessenausgleichs. Damit hat sich der BGH der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angeschlossen. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge erfolgt im Rahmen der Auslegung eine Güterabwägung zwischen den urheberrechtlichen Interessen und den verfassungsrechtlich geschützten Interessen derer, die sich auf die Schrankenregelungen berufen.364 Urheberrechtliche Kernaussage des Art. 14 Abs. 1 GG ist, dass dem Urheber grundsätzlich alle Rechte an den Erzeugnissen seines Schaffens gebühren, einschließlich des Rechts, andere von der Nutzung auszuschließen. Daher zählen die Urheberrechte zu den Ausschließlichkeitsrechten. Andererseits ergibt sich aus dem Grundsatz, dass nicht jede erdenkliche Verwertungsmöglichkeit dem Urheber zugewiesen werden muss.16
13 BGH Urt. v. 30.04.2020 (Az.: I ZR 228/15 – Reformistischer Aufbruch II) und (Az I ZR 139/15 – Afghanistan Papiere II) vorhergehendes Verfahren EuGH Urt. v. 29.09.2019 (C-469/17 – Funke Medien NRW GmbH/Bundesrepublik Deutschland) und C-516/17- Spiegel Online GmbH gegen Volker Beck). 14 BGH, GRUR 2017, 798, 800 (AIDA Kussmund). 15 Wandtke: a.a.O., 5. Kap., Rn 5. 16 BVerfG, NJW 2012, 754, 755.
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
Eingriffsintensität
Verbot bzw. Beschränkung durch sonstige Gesetze + per Definition nicht vom Anwendungsbereich des Urheberrechtsgesetzes erfasst
Erschöpfung des Verbreitung srechts (Freie Benutzung)
Gesetzliche Lizenz: Ausschluss des Verbietungsrecht ohne gesetzlichen Vergütungsanspruch
Gesetzliche Lizenz: Ausschluss des Verbietungsrechts mit gesetzlichem Vergütungsanspruch
Zwangslizenz
Kollektive Lizenz mit erweiterter Wirkung u. jederzeitigem Widerspruchsrecht
Abbildung 13: Abstufung der Beeinträchtigung des Urhebers durch die Schrankenregelungen und sonstige gesetzliche Eingriffe bzw. Freiheit der Nutzung.
Für den Praxisalltag in einer Bibliothek bzw. Informationseinrichtung empfiehlt es sich daher nach wie vor, die Grenzen der Schrankenregelungen als gesetzt anzusehen. Darüber hinausgehende rechtliche Vorstöße sollten Juristen vorbehalten bleiben. Zu beachten ist, dass vertragliche Vereinbarungen über die Begrenzung der gesetzlich niedergelegten Schrankenregelungen wegen der individuellen Vereinbarung wirksam sind. Daher sollten solche Klarstellungsklauseln nur mit dem Vorbehalt einer richterlichen Grundsatzentscheidung unterschrieben werden. Ansonsten bleibt nach einem Umschwung in der hM nur eine (Teil)Kündigung des Vertrags. Einhelliger Ausgangspunkt bei der Prüfung, ob ein Eingriff in die Rechte des Urhebers gerechtfertigt ist, ist das Ansetzen bei den Schrankenregelungen. Bei der Frage nach der Einschränkung der Position des Urhebers geht es ausschließlich um die Betrachtung der rechtlichen Intensität. Wirtschaftlich betrachtet kann im Einzelfall ein anderes Ergebnis einschneidender bzw. wirtschaftlich vorteilhafter sein. Hieraus ergeben sich bei Vorhaben und Initiativen Verhandlungsspielräume und Argumente.
Schranken und Grenzen der Rechte
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Tabelle 6: Übersicht Einschränkung der Rechte des Urhebers. Regelung der Nutzungsmöglichkeit
Beispiele
Freie Nutzung Gesetzliche Lizenz = Verweigerung des Verbotsanspruchs Zwangslizenz
Technisch erforderlicher Zwischenspeicher § 44a / Sicherheit und Rechtspflege § 45/ § 47, §§ 48, 50/ Zitatrecht § 51, § 57/Katalogbildfreiheit § 58, § 59, § 60 UrhG §§ 44b, 45a, 45b, 45c, 46, 47 Abs. 2, § 49 Abs. 1 S. 2, 3; § 52 UrhG § 42a UrhG
Zu den im Urheberrechtsgesetz normierten Einschränkungen gehören die Zwangslizenzen. Dabei handelt es sich um ein Instrument, welches vor allem im Patent- und Urheberrecht beheimatet ist. Beispiel für eine Zwangslizenz im Urheberrecht ist die Regelung zu Gunsten des Herstellers von Tonträgern in § 42a UrhG. In der Schweiz ist URG Art. 23 die einzige Zwangslizenz und ebenfalls zu Gunsten des Herstellers von Tonträgern. Zwangslizenzen gelten als der geringstmögliche normativ geregelte Eingriff. Dies wird damit begründet, dass das Ausschließlichkeitsrecht gewahrt bleibt. Die Grundlage für die Zwangslizenz bildet ein zwischen dem Rechteinhaber und dem künftigen Nutzer geschlossener Vertrag. Es besteht unter bestimmten Umständen „nur“ ein Kontrahierungszwang in Bezug auf einen Nutzungsvertrag.17 Unter Kontrahierungszwang wird die staatlich auferlegte Pflicht verstanden, einen Vertrag abschließen zu müssen, während ansonsten die Vertragsfreiheit gilt. Somit kommt der Vertrag nicht durch eine freiwillige Einigung, sondern durch staatlichen Druck auf den Rechteinhaber zu Stande. Wegen des vertraglichen Elements gilt die Zwangslizenz als der geringste Eingriff in das ausschließliche Verwertungsrecht. Das Merkmal des staatlichen Drucks bezieht sich auf jeden Fall auf das Zustandekommen des Vertrags. Darüber hinaus besteht ein Gestaltungsspielraum im Umfang. Mit dem Umfang sind insbesondere die Vertragsbedingungen erfasst. Damit es sich noch um eine Zwangslizenz und nicht schon um eine gesetzliche Lizenz handelt, ist ein verbleibender Gestaltungsspielraum des Rechteinhabers erforderlich. Rechtlich ungünstiger für den Urheber ist die gesetzliche Lizenz, die ein Werk zur entgeltlichen Nutzung freigibt. Hier verliert der Urheber seine Entscheidungsfreiheit und kann nur nachträglich versuchen, den gesetzlichen Vergütungsanspruch durchzusetzen.18 Die gesetzliche Lizenz bewirkt eine Verweigerung des Verbotsanspruchs durch den Rechteinhaber. Sie bezweckt, der Allgemeinheit den Zugang zum 17 Schack: a.a.O., § 5 Rn 93. 18 Schack: a.a.O., § 5 Rn 93.
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
Werk zu eröffnen und freizuhalten. Ein weiterer Zweck kann sein, dass das Monopol des Ausschließlichkeitsrechts zur Forderung überhöhter Vergütungen missbraucht wird.19 Wegen des Verlusts der Entscheidungsfreiheit vertragen sich gesetzliche Lizenzen nicht mit der Werkherrschaft des Urhebers und können nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein.20 Ein solcher Ausnahmegrund einer Rechtfertigung gesetzlicher Lizenzen liegt vor, wenn bei massenhaften Nutzungen ein unverhältnismäßig hoher Aufwand für das Einholen der Zustimmung erforderlich ist.21 Sofern Verwertungsgesellschaften einen effizienten Rechteerwerb gewährleisten, ist eine gesetzliche Lizenz der schwerwiegendere Eingriff.22 Eingriffe in die Verfügungsfreiheit, also die Ersetzung des Ausschließlichkeitsrechts durch einen bloßen Vergütungsanspruch, sind eher gerechtfertigt als die völlige Nutzungsfreiheit durch eine gesetzliche Beschränkung des Verwertungsrechts selbst.23 Der mit gesetzlichen Lizenzen verbundene Vergütungsanspruch wird in den meisten Fällen ausschließlich von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen. Eine Ausnahme hierzu sind die §§ 46, 47 Abs. 2, 52 UrhG.24 Hier wird der Anspruch nach dem Gesetzestext vom Urheber wahrgenommen. Über die Regelung mit dem Vergütungsanspruch gibt der Gesetzgeber Hinweise, wo bei einer Recherche nach dem Rechteinhaber zunächst begonnen werden sollte. Bei der gesetzlichen Lizenz wird zwischen den Fällen, in denen ein Ausgleich erfolgt und denen ohne Ausgleich unterschieden. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche wurden seit dem Bestehen des Urheberrechtsgesetzes kontinuierlich erweitert. Eine zentrale Beschränkung für den Urheber tritt gemäß dem Erschöpfungsgrundsatz ein. Dieser ist in § 17 Abs. 2 UrhG geregelt. Stimmt der Urheber der ersten Veräußerung seines Werkstückes zu, dann kann der dem Eigentümer des physischen Exemplars des Werks künftig nicht mehr die Weiterverbreitung verbieten. Denn sein Verbotsrecht ist mit seiner eigenen Veräußerungshandlung erschöpft. Gesetzlich anerkannte Ausnahme von der Erschöpfung ist die Vermietung. Diese kann der Urheber auch weiterhin verbieten. Dagegen ist ein Verleihen des Originals oder der Vervielfältigungsstücke ohne weitere Erlaubnis des Urhebers möglich. Hier kann es jedoch zu Vergütungsansprüchen gem. § 27 Abs. 2 UrhG kommen. Weitere Eingriffe in die Verwertungsmöglichkeiten können auf Grund spezifischer Regelungen aus anderen Gesetzen erfolgen. Zu diesen Gesetzen 19 BGH, ZUM 1999, 566, 570f. (Kopienversanddienst). 20 Schack: a.a.O., § 1 Rn 13. 21 Schack: a.a.O., § 5 Rn 93. 22 Schack: a.a.O., § 5 Rn 93. 23 BVerfGE 49, 382, 400; 79, 29, 41; BGHZ 141, 13, 35 (Kopienversanddienst), Papier in Maunz; Dürig; Herzog: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 GG Rn 195; Schack: a.a.O., § 5 Rn 93. 24 BVerfGE 49, 382, 400; 79, 29, 41; BGHZ 141, 13, 35 (Kopienversanddienst), Papier in Maunz; Dürig; Herzog: Grundgesetz Kommentar, Art. 14 GG Rn 195; Schack: a.a.O., § 5 Rn 93.
Schranken und Grenzen der Rechte
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gehören das Strafgesetzbuch und das Jugendschutzgesetz. Die Intensität der Eingriffe ist unterschiedlich und reicht von einem strikten Verbreitungsverbot bis zu einer Beschränkung im Hinblick auf den potenziellen Adressatenkreis des Werks. Das jeweilige Verbot bzw. die jeweilige Beschränkung gilt unmittelbar und ohne weitere Interessenabwägung bei der urheberrechtlichen Prüfung. Denn eine entsprechende Prüfung wurde bereits im Rahmen der nichturheberrechtlichen Verbotsnorm vorgenommen. Ansonsten könnten strafrechtliche Verbote bzw. Beschränkungen durch das Jugendschutzgesetz über das Urheberrecht ausgehebelt werden. Hier gilt der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Eine Besonderheit gegenüber den übrigen Einschränkungen des Urhebers ist außerhalb des Urheberrechtsgesetzes der Umstand, dass der Einschränkung des Urhebers in seinen Rechten keine Nutzungsbefugnis Dritter gegenübersteht. Vielmehr gilt die Beschränkung auf Grund sonstiger Verbotsgesetze auch für alle sonstigen Personen, da es sich hier um allgemeine Regelungen handelt. Für Bibliotheken ergibt sich hieraus die Aufgabe, sich auf die Nutzungsbeschränkung einzustellen und das Medienangebot entsprechend auszurichten. Hierzu können eine getrennte Aufstellung bzw. Beschränkungen beim Zugang oder der Ausleihe der Medien gehören. Die bei den verfassungsrechtlichen Grundlagen erörterten verschiedenen Interessen spiegeln sich nicht nur in den grundrechtlichen Positionen, sondern auch in den niederrangigen Ebenen wider. Das Urheberrechtssystem besteht aus Rechten und Gegenrechten bzw. Gegenpositionen. Je schwerer ein Eingriff, desto gewichtiger muss die Begründung sein. Dabei ist zu beachten, dass die rechtliche Bewertung nicht notwendig mit den finanziellen Auswirkungen des Vorhabens für alle Seiten übereinstimmen muss. So ist es möglich, dass ein rechtlich geringer Eingriff größere finanzielle Auswirkungen haben kann als ein rechtlich schwerwiegenderer Eingriff. Denn wirtschaftliche Gesichtspunkte sind bei rechtlichen Wertungen nur gelegentlich berücksichtigt. Für eine erfolgreiche Lobbyarbeit empfiehlt es sich, die urheberrechtliche Fragestellung sowohl in rechtlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht getrennt zu untersuchen. Es entspricht vielmehr sogar dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit, einen Eingriff in ein Recht so zu gestalten, dass dieser möglichst gering ist. Einen Sonderfall ist die Regelung über das Ausleihverbot von Computerprogrammen. Hier gilt die EG-Richtlinie zum Verleih- und Vermietrecht (2006/115/EG). Sie wendet sich an die Mitgliedsstaaten gestattet Regelungen über das Verbot von Leihe und Vermietung ohne ausdrückliche Zustimmung des Rechteinhabers. Um einem gesetzlichen Verbot zuvorzukommen haben Bibliotheksverbände beim Bundesministerium der Justiz eine Selbstverpflichtungserklärung hinterlegt, dass Standardsoftware nicht ausgeliehen, sondern nur ohne Kopiermöglichkeit in den Bibliotheken zur Anwendung angeboten werden kann. Zur Standardsoftware gehören: Systemsteuerprogramme, allgemeine Datenhaltungsprogramme, Kommunikationssoftware, Textverarbeitungsprogramme, Tabellenkalkulationsprogramme sowie CAD- und Grafik-
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
programme. Alle nicht von der Selbstverpflichtungserklärung erfassten Programme dürfen ausgeliehen werden. Neben den gesetzlichen Gründen kann eine Nutzung auch vertraglich ausgeschlossen werden. Dies betrifft in der Praxis häufig die Vervielfältigung und gelegentlich auch die Ausleihe von Medien. Trotz einiger Initiativen hat sich der Gesetzgeber bisher gegen eine ausdrückliche Regelung des E-Lendings entschieden. Dabei geht es um die Frage, in welcher Form und zu welchen Bedingungen Bibliotheken E-Books zur Verfügung stellen können. Nach Ansicht des EuGH ist ein digitales Verleihrecht unter bestimmten Bedingungen möglich. Sowohl die Einzelheiten als auch die Frage, ob eine digitale Erschöpfung des Urheberrechts nach der aktuellen Gesetzeslage eintreten kann, bleibt weiter offen.
11.2 Definition des Anwendungsbereichs als Grenze des Urheberrechts Die sprachliche Fassung eines Rechts ist seine größtmögliche Ausdehnung. Um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden und Kollisionsfälle von Rechten einzudämmen, wird regelmäßig durch Auslegung der Begriffe eine engere Fassung gewählt. Hierzu kann bei mehrdeutigen Begriffen eine engere Auffassung gehören.25 Für eine entsprechende Auslegung wird in jedem Fall der erforderlich Auslegungsspielraum benötigt. So ist dieser bei einem klaren Wortlaut nicht gegeben.26 Eine andere Möglichkeit ist die teleologische Auslegung, insbesondere die teleologische Reduktion. Teleologische Auslegung meint die Erforschung des Sinn und Zwecks der Regelung oder des Rechts und die Ausrichtung des Bedeutungsinhalts des jeweiligen Begriffs anhand dieser Maxime. Im Ergebnis erfolgt eine Verkleinerung des Bedeutungsinhalts. Denn durch die Betonung und Ausrichtung auf das Ziel erfolgt eine bewusste Ausgrenzung der übrigen Bereiche, die der Begriff sonst noch umfasst. Im Urheberrecht erfolgt diese Begrenzung auf eine weitere Art. Hier wird wegen der weiten Begrifflichkeiten der Anwendungsbereich des urheberrechtlichen Schutzes durch eine enge Fassung des Anwendungsbereichs des Urheberrechts beschränkt. So kann in Fällen einer behördlichen Warnung, Information oder Äußerung die Eröffnung des Schutzbereichs des Urheberrechts bzw. der zu Grunde liegenden Grundrechte Art. 14 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG zu verneinen sein. Eine öffentliche Warnung, Information, Äußerung ist eine Erklärung einer Behörde oder eines Regierungsorgans, die an die Bevölkerung gerichtet ist und diese vor bestimmten gewerbli25 Siehe Begrifflichkeiten, beispielsweise ‚Öffentlichkeit‘. 26 LG München I, Endurteil v. 16.11.2017 Az. 7 O 8946/17 (Keine Teilhabe von Sendeunternehmen an der urheberrechtlichen Geräteabgabe).
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chen oder landwirtschaftlichen Produkten oder vor bestimmten Institutionen warnt oder informiert.27 Das Urheberrecht enthält eingriffsbezogene Schutzbestimmungen. Damit werden nur diese Fälle vom Urheberrecht erfasst. Für das weitere Umfeld besteht grundsätzlich kein weiterer Schutz. Trotz seiner Fassung als absolutes Recht hat das Urheberrecht nicht die Aufgabe, vor allen tatsächlich sich zeigenden anderen Positionen und Tatsachen zu schützen. Ähnlich verhält es sich bei strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Verbreitungsverboten bzw. Einschränkungen bei der Verbreitung von Werken. Eine Regelung hierzu ist im Urheberrechtsgesetz nicht vorgesehen. Unter der Überschrift „Rechtspflege und öffentliche Sicherheit“ wird in § 45 UrhG ausschließlich das Vervielfältigungsrecht besprochen. Neben dem oben genannten teleologischen Verständnis des Anwendungsbereichs des Urheberrechts ist die Einheit der Rechtsordnung der Grund, warum gesetzliche oder administrativ begründete Verbreitungsverbote nicht gegen das urheberrechtliche Verbreitungsrecht aus § 17 Abs. 1 UrhG verstoßen. Denn auch Urheberwerke, die mit einem gesetzlichen bzw. administrativen Verbreitungsverbot oder einer -beschränkung belegt sind, steht ansonsten der gesamte urheberrechtliche Schutz zur Verfügung. Für die Frage, ob ein Urheberwerk vorliegt, kommt es auf den Umstand eines gesetzlichen oder administrativen Verbreitungsverbots nicht an. Die gesetzlichen bzw. administrativen Verbreitungsverbote oder -beschränkungen unterliegen stark dem gesellschaftlichen Wandel und spiegeln die aktuellen Anschauungen wider. Wegen der Langzeitwirkung des Urheberrechts wird mit einer Beschränkung des Anwendungsbereichs des Urheberrechtsgesetzes der Zielkonflikt wirksamer gelöst, als wenn Werken mit Verbreitungsverbot der Urheberrechtsschutz komplett abgesprochen würde. Der gleiche Gedanke einer vollständigen und damit wertneutralen Sammlung liegt der Archivfunktion der Landesbibliotheken bzw. der Deutschen Nationalbibliothek zu Grunde.
11.3 Zeitliche Begrenzung Die in der Praxis bedeutsamste Schranke ist die zeitliche Begrenzung des Urheberrechts. Die in den EU-Staaten geltende Schutzfrist beträgt 70 Jahre nach Tod des Urhebers (sog. post mortem auctoris). Sie ist in Deutschland in § 64 UrhG geregelt. Folge des Fristablaufs ist das Gemeinfreiwerden. Es kann dann jeder das Werk beliebig nutzen, ohne dass es einer Zustimmung oder einer Zahlung an die Erben des Urhebers bedarf. Das vollständige Erlöschen des Urheberrechts hat zur Folge, dass das bisher geschützte Werk beliebig verändert, zerstört oder sonst verunstaltet werden 27 BVerfGE 105, 252ff. (Glykolwein); BVerfGE 105, 279ff. (Jugendsekte); BVerfGE, NJW 2002, 3458ff. (Scientology-Mitgliedschaft).
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darf. Ebenfalls braucht der Name des Schöpfers aus urheberrechtlichen Gründen nicht mehr genannt zu werden. Im Hinblick auf die zeitlich unbefristet geltenden Erwartungen an die wissenschaftliche Sorgfalt ist dennoch eine ordnungsgemäße Zitierung beizubehalten. Das Einreichen einer gemeinfreien Prüfungsarbeit unter eigenem Namen, ist zwar urheberrechtlich nicht zu beanstanden, wohl aber prüfungsrechtlich ein Täuschungsversuch. Zudem kann es aber aus wettbewerbsrechtlichen Gründen unzulässig sein, das Werk mit einem falschen Namen zu belegen. Der Begriff ‚copy fraud‘ wird für den Fall einer unrechtmäßigen Anmaßung des Urheberrechts verwendet. Dies liegt vor, wenn gemeinfreies Werk unter eigenem Namen herausgegeben wird und der Eindruck vermittelt wird, das Werk sei aktuell urheberrechtlich geschützt. Die Herausgabe eines gemeinfreien Werkes ist zulässig, jedoch ist der Umfang des Verlegerrechts klar erkennbar zu gestalten. Befristungen sind im Immaterialgüterrecht mehrfach bekannt. Sie sind für dieses Rechtsgebiet auch eine charakteristische Regelung. Hingegen sind sie im Sachenrecht, dem Rechtsgebiet über die Zuordnung und Nutzung materieller Güter, selten. Im Sachenrecht findet sich gerade einmal mit dem Nießbrauch gem. § 1061 BGB, der mit dem Tode des Nießbrauchers erlischt, eine Entsprechung. Es gilt der Grundsatz, dass Sacheigentum ewig währen darf, weil es nur von wenigen Personen genutzt werden kann. Dagegen können Immaterialgüter weltweit mehrfach und gleichzeitig genutzt werden.28 Die Frist schützt auch das Interesse des Urhebers, seine Erben nach dem Tode versorgt zu wissen. Vielfach wird von Befürwortern einer langen Schutzfrist übersehen, dass zwischen dem Sacheigentum und dem Immaterialgut noch ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht. Das Immaterialgut kann nicht verbraucht werden. Bis zur Grenze des Vergessens durch jedermann bleibt es, auch bei einer sehr intensiven Nutzung des Rechts selbst, stets in seiner Form erhalten. Geht der Erbe eines Hauses oder eines Geldbetrags hingegen mit diesem ungeschickt um, steht es ihm nicht mehr zur Verfügung. Neben den Argumenten, es sei ein allgemeines Kulturund Wissenschaftserbe, stellt sich auch volkswirtschaftlich die Frage, welchen Wert es hat, ein Immaterialgut für ewig denen zu belassen, die nicht in der Lage sind, Neues zu schaffen. Nutzen hingegen die Erben ihren Investitionsvorsprung durch das vorhandene Urheberrecht, erhalten sie für ihre Neuschöpfung selbst einen eigenen Schutz und können ihren Bestand um einen weiteren Mantel erweitern. Zudem führt eine lange Schutzfrist zu wachsenden Problemen mit verwaisten Werken, den „orphan works“. Denn hier verhindert das Urheberrecht eine legale Nutzung, ohne dass jemand einen Nutzen hieraus zu ziehen vermag. International ist die Schutzdauer von 70 Jahren am häufigsten anzutreffen.
28 Schack: a.a.O., § 15 Rn 515.
Schranken und Grenzen der Rechte
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Tabelle 7: Schutzdauer von Urheberrechten im internationalen Vergleich. Gebiet /Land
Schutzrecht
Dauer in Jahren „post mortem auctoris“
EU-Staaten u.a. Deutschland, Österreich
Urheberrecht
70 Jahre
EU-Staaten u.a. Deutschland, Österreich
Verwandte Schutzrechte
25–50 Jahre
USA
Urheberrecht
70 Jahre
Japan
Urheberrecht
50 Jahre; bei Filmen 70 Jahre
China
Urheberrecht
50 Jahre
Mexiko
Urheberrecht
100 Jahre (weltweit längste Schutzfrist)
Schweiz
Urheberrecht Computerprogramme u. fotografische Wiedergaben
70 Jahre 50 Jahre
Großbritannien
Urheberrecht
70 Jahre
In den §§ 64, 69 UrhG ist die Berechnung der Schutzfrist geregelt. Anknüpfungspunkt ist der Tod des Urhebers und nicht etwa das Erscheinungsdatum des Werks. Mit umfasst von der 70-jährigen Schutzfrist sind alle Werkarten und auch nachgelassene Werke. Bei anonymen und pseudonymen Werken gilt die Regel des § 66 UrhG. Hier gilt die 70-jährige Schutzfrist ab der Veröffentlichung bzw. Vollendung des Werks. Bei Miturhebern wird wegen § 65 Abs. 1 UrhG die Schutzfrist vom Tode des längstlebenden Miturhebers berechnet. Ist der Urheber bekannt, jedoch sein Todesdatum nicht ermittelbar, so gilt die 70-jährige Schutzfrist bis zu dem Datum, an dem mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass das Versterben des Urhebers mindestens 70 Jahre zurückliegt. Liegen keine anderen Anhaltspunkte vor, so kann auf die durchschnittliche Lebenserwartung als Mindestwert zurückgegriffen werden. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung ist die teilweise zur einfacheren Bestimmung angenommene Pauschalierung von 100 Jahren nach Erscheinen des Werkes anzupassen. Mit der Umsetzung der DSM-Richtlinie hat der Gesetzgeber die entstandene Gemeinfreiheit für endgültig erklärt. Bisher galt die sogenannte editio princeps. Unter der editio princeps versteht man eine Norm des Urheberrechts aus der besondere Schutzrechte aus der Erstveröffentlichung nachgelassener Werke hergeleitet werden. Anwendung fand die editio princeps bisher vor allem bei Fotografien und bei Musikeditionen. Damit besteht an einfachen Reproduktionen gemeinfreier visueller Werke kein Leistungsschutzrecht mehr. Nur, wenn die
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
Reproduktion eine eigene geistige Schöpfung darstellt und damit ein eigenes geistiges Werk ist, kann Schutz beansprucht werden. Tabelle 8: Rechte und Fristenberechnung. Art
Rechtsverhältnis/ Gegen- Frist stand
Schutzdauer Allgemein
Verjährung
70 Jahre
Veröffentlichung nachgelassener Werke nach Ablauf von 60, aber vor Ablauf von 70 Jahren nach Tod des Urhebers Miturheberrechte
10 Jahre
Anonyme und pseudonyme Werke
70 Jahre
Ansprüche wegen Verletzung des Urheberrechts oder eines anderen geschützten Rechts (§ 852 BGB gilt entsprechend) Verjährungsregelung für Ansprüche
3 Jahre
70 Jahre
Ohne Rücksicht auf Kenntnis: 30 Jahre Anspruch auf Vernichtung Unverjährbar oder Überlassung rechtswidriger Vervielfältigungsstücke gegen angemessene Vergütung Schutzfrist wissenschaftli- 25 Jahre che Ausgaben Nachgelassene Werke 25 Jahre Lichtbilder, die keine Werksqualität i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG erreichen Leistungsschutzrecht Tonträgerhersteller Leistungsschutzrecht Sendeunternehmen
50 Jahre
70 Jahre/ 50 Jahre 50 Jahre
Fristbeginn
Rechtsgrundlage
Ablauf des Todesjahres des Urhebers Ablauf des Veröffentlichungsjahres
§§ 64, 69 UrhG
Ablauf des Todesjahres des Längstlebenden Ablauf des Veröffentlichungsjahres oder Schaffung, bei Nichtveröffentlichung, § 66 Abs. 1 UrhG.
§§ 65, 69 UrhG
§§ 64, 69 UrhG
§§ 66 Abs. 1, 69 UrhG
Zeitpunkt, zu dem der Berechtigte von der Verletzung und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt.
Fristen § 102 UrhG
Verletzung; § 199 BGB, Schluss des Jahres, in dem Kenntnis erlangt wurde. Verletzung
§§ 102, 102a UrhG
§ 102 UrhG
Ablauf des Erscheinungs- § 70 Abs. 3 UrhG jahres Ablauf des Erscheinungs- § 71 Abs. 3 UrhG jahres Ablauf des Erscheinungs- § 72 UrhG jahres Ablauf des Erscheinungs- § 85 UrhG jahres Ablauf des Erscheinungs- § 85 UrhG jahres
Schranken und Grenzen der Rechte
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Rechtslage für DDR-Altfälle: In den Fällen, in denen die Fristen nach dem Gesetz über das Urheberrecht der DDR bereits abgelaufen waren, ist eine nochmalige Überprüfung nach bundesdeutschem Recht erforderlich. Denn die Sonderbestimmungen des Einigungsvertrags sehen in Abschnitt II 2 Sachgebiet E für die vor dem 3. Oktober 1990 geschaffenen Werke und erbrachten Leistungen vor, dass „die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes auf die vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschaffenen Werke anzuwenden sind. Dies gilt auch, wenn zu diesem Zeitpunkt die Fristen über das Urheberrecht der Deutschen Demokratischen Republik schon abgelaufen waren.“
11.4 Räumliche Beschränkung des Nutzungsrechts Eine räumliche Beschränkung des Nutzungsrechts ist möglich. Jedoch wird eine Beschränkung des Verbreitungsrechts innerhalb des Staatsgebietes abgelehnt.29 Ausnahmen sind möglich, wenn es sich um Nutzungsformen handelt, die in typischer Weise ortsgebunden sind bzw. aus der Zeit vor dem 03.10.1990 stammen und sich auf die Berücksichtigung der ehemaligen DDR beziehen.30 Ebenfalls möglich ist eine zeitliche Beschränkung des Nutzungsrechts. Verboten wird hier die weitere Verbreitung des Werks.31 Es besteht jedoch kein Vernichtungsanspruch gem. § 98 Abs. 1 UrhG. Dieses Recht ist ausgeschlossen, da das Werk vor dem Zeitablauf rechtmäßig verwertet wurde. Daher ist beispielsweise beim Erwerb von E-Books darauf zu achten, wie die E-Books auch nach Abbruch einer dauerhaften Vertragsbeziehung verwertet werden können. Das Verbreitungsrecht ist für Bibliotheken essenziell. Fall: Bibliothekarin B erwirbt vom V-Verlag das Recht ein Paket E-Books mit dem Titel Wirtschaft I über eine spezielle multimedial gestaltete Webseite zu „Entleihzwecken“ zu verbreiten. Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen. Das jährlich zu zahlende Entgelt für den Zugang zur Webseite beträgt 1000 Euro. Die mit einem Aufgeld von 500 Euro angebotene Zusatzoption, im Falle einer Kündigung der Webseite die E-Books als PDF-Format zu erhalten, nimmt B ausdrücklich nicht an. Aus finanziellen Gründen kündigt die B nach drei Jahren die vertragliche Beziehung zum V-Verlag. Daraufhin wird der Zugang zur Webseite für die Bibliothek der B geschlossen. Ohne die Webseite können die E-Books im bisherigen Format jedoch nicht abgerufen werden. Lösungsskizze: Mangels vertraglicher Vereinbarung ist die künftige Verweigerung des Zugangs zur Webseite rechtmäßig. Die Vertragsbedingungen sind für die Bibliothek der B ungünstig, aber von Anfang an bekannt und gültig. Hier wäre zu vereinbaren gewesen, wie eine Nutzung auch bei Wegfall der Angebotsplattform noch möglich ist.
29 Wandtke: a.a.O., 9. Kap., Rn 3. 30 Wandtke: a.a.O., 9. Kap., Rn 4. 31 BGHZ 133, 281, 291 (Klimbim); BGH, GRUR 2003, 699, 702 (Eterna).
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Hier treten neben die verfügungsrechtlichen Beschränkungen die schuldrechtlichen inhaltlichen Beschränkungen. Inhaltliche Beschränkungen können auch die Art und Weise der Ausübung des Nutzungsrechts betreffen. Damit korrespondiert die Vereinbarung einer Vergütung. Auch sie gilt nur zwischen den Parteien. Verletzt ein Vertragspartner die schuldrechtliche Verpflichtung, kann die Vertragsverletzung einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB auslösen. Dagegen richtet sich ein Verstoß gegen die verfügungsrechtlichen Beschränkungen nach den §§ 97ff. UrhG.
11.5 Allgemeine Grundsätze der Schrankenregelungen Der Schutzumfang des Urheberrechts ergibt sich aus dem Zusammenspiel vom Inhalt der Ansprüche und der Schranken.32 Dabei gilt der Grundsatz, dass das Urheberrecht von vornherein nur beschränkt gewährt wird und nicht die Befugnisse erst nachträglich eingeschränkt werden.33 Die Schrankenregelungen sind in einer detaillierten Form im Gesetz aufgelistet. Viele der Formulierungen sind sehr spezifisch. Eine übergreifende Norm für ähnlich gelagerte Fälle gibt es nicht, da hier eine Aushöhlung der Rechte des Urhebers befürchtet wird. Gleichzeitig handelt es sich beim Urheberrecht als Innovationsrecht um ein Gebiet, das in einem besonderen Maße der Dynamik der technischen Entwicklung und der Veränderung von Nutzungsgewohnheiten unterworfen ist. Mit Regelungen, die sich sehr stark um Einzelfälle kümmern, entsteht ein ständiger Reaktionsbedarf. Der alternative Regelungsweg mit einer übergreifenden Norm wird beispielsweise in den USA angewendet. Dort wird die Problematik durch die in § 107 CA 1976 verankerte „fair use“-Doktrin gelöst.34 Mit der Verwendung einer Generalklausel werden sehr flexible Abwägungen zwischen den Urheber- und den Nutzerinteressen ermöglicht. Dieses Verständnis begegnet einem bei internationalen Sachverhalten mit US-Amerikanern. Die „fair use“-Doktrin beruht auf vier Fallfragen für die nähere Bestimmung der Umstände: 1. Art und Zweck der Verwendung, z.B. Gewinnerzielungsabsicht, 2. Art des urheberrechtlich geschützten Werks, 3. Umfang und Bedeutung des verwendeten Auszugs im Verhältnis zum gesamten Werk, 4. Auswirkung der Verwendung auf den Wert und die Verwertung des geschützten Werks.
32 Schack: a.a.O., § 15 Rn 512. 33 BVerfGE GRUR 1980, 44, 46 (Kirchenmusik). 34 Vgl. Patry: The Fair Use Privileg in Copyright Law, Washington D.C. 1995; Fisher, Reconstructing the Fair Use Doctrine, Harvard L.Rev. 101 (1988) 1659–1795.
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Damit wird gerade Bibliotheken und nicht-kommerziellen Einrichtung häufig eine weitergehende Nutzungsmöglichkeit gestattet, als dies nach der kontinentaleuropäischen Rechtslage möglich ist. Bei den Schrankenregelungen handelt es sich um Ausnahmeregelungen. Üblicherweise wird bei Ausnahmeregelungen ein Analogieverbot angenommen. Bei einer Analogie im rechtlichen Sinne wird die Wirkung einer Regelung auf einen vergleichbaren Fall übertragen, der selbst nicht ausdrücklich geregelt ist. Ausnahmen vom üblichen Analogieverbot bei Ausnahmeregelungen sind in einem begrenzten Maße jedoch möglich.35 Denn letzten Endes entscheidet immer der Normzweck der jeweiligen Schranke, ob eine Analogie möglich ist.36 Die Frage, wann eine solche Ausnahme vorzunehmen ist, gehört nicht in den Praxisalltag einer Bibliothek. Das gleiche gilt für die detaillierte Kenntnis darüber, wie die Schrankenregelungen funktionieren. Um dennoch die gegebenenfalls gewünschte Grundlage für eine Teilnahme an rechtspolitischen Diskussionen um das Urheberrecht zu ermöglichen, erfolgt hier eine als Vertiefung gekennzeichnete Erörterung der zentralen Schrankenproblematik. Die Schrankenregelungen sind in den §§ 44a ff. UrhG geregelt. Es handelt sich bei den Schrankenregelungen um zwingendes Recht. Damit können sie durch einen Vertrag weder direkt noch über eine Rechtswahlklausel ausgeschlossen werden.37 Rechtspositionen zu Gunsten der Allgemeinheit sind nicht disponibel. Kernbestandteil aller Schrankenregelungen ist die Verpflichtung der Nutzer die Urheberpersönlichkeitsrechte zu wahren. Können Werke auf Grund der Schrankenregelung benutzt werden, so dürfen sie wegen § 62 Abs. 1 UrhG grundsätzlich nicht geändert werden. Eine Ausnahme vom Änderungsverbot bilden nur jene Änderungen gem. § 39, § 62 Abs. 1 S. 2 UrhG, die der Urheber gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht verhindern kann. Dazu zählt das in § 62 Abs. 2 UrhG ausdrücklich gesetzlich genannte Beispiel der sprachlichen Änderungen bei Übersetzungen. Weitere Beispiele sind Größenänderungen bei Werken der bildenden Künste und der Fotografie nach § 62 Abs. 3 UrhG und Änderungen zu Gunsten des barrierefreien Gebrauchs gem. § 60 Abs. 4, zu Gunsten der Erstellung von Karikaturen, Parodien und Pastiches gem. § 60 Abs. 4a UrhG sowie zu Gunsten des Kirchen-, Unterrichts-, und Lehrgebrauchs gem. § 62 Abs. 5 UrhG. Wurde eine Schrankenregelung geprüft und nicht für einschlägig befunden, so ist die Versagung der Erlaubnis zunächst nur vorläufig. Ergibt sich auf Grund einer anderen Schrankenregelung eine Erlaubnis, so gilt der Sachverhalt als gestattet. Es besteht daher keine Sperrwirkung zwischen den einzelnen Schrankenregelungen. So können unbestimmte Vervielfältigungshandlungen, wenn sie nicht wegen § 60e UrhG gestattet werden konnten, noch wegen anderer Schrankenrege35 BGHZ 144, 232, 235 m.w.N. (Parfumflakon); Schricker; Melichar: a.a.O.: vor § 44a Rn 15ff. 16; Dreier; Schulze: a.a.O.: vor § 44a Rn 7; Schack in FS Schricker, 514f. 36 Hilty in FS Schricker: a.a.O., 325, 327f. 37 A.A. Schricker; Loewenheim; Götting: a.a.O., § 95b Rn 20.
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lungen, z.B. des Kopierrechts zum eigenen Gebrauch gem. § 53 UrhG oder des Zitatrechts nach § 51 UrhG, gerechtfertigt sein, wenn der Sachverhalt einen solchen weiteren Grund hergibt und die Voraussetzungen dieser weiteren Norm erfüllt werden. So besteht der Vorteil der Privatkopie gem. § 53 Abs. 1 UrhG darin, dass hier ein Recht auf Vervielfältigung gegeben wird, wenn keine Privilegierung gem. §§ 60a ff. UrhG gegeben ist oder kein eigenes Werkstück verwendet wird. Damit können im begrenzten Umfang Kopien von fremden Originalen angefertigt werden. Die Erlaubnis gem. § 53 Abs. 2 UrhG Vervielfältigungsstücke zum sonstigen eigenen Gebrauch herzustellen, erweitert den Umfang der Berechtigten gegenüber § 53 Abs. 1 UrhG. § 53 Abs. 2 UrhG enthält in den Nr. 2–4 einen Katalog zur Präzisierung des Umfangs einzelner Tatbestände. Mitumfasst sind hier auch berufliche Zwecke, sowie Anliegen von öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen. Die Regelungen gestatten nur die Herstellung von analogen Kopien. Seit der Neuregelung der Schranken in den §§ 60a UrhG hat die Bedeutung von § 53 Abs. 2 UrhG abgenommen. Dennoch schließt die Schrankenregelung nach § 60c (u. anderen) das Berufen auf andere Schrankenregelungen nicht aus, soweit auch dort die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Soweit die Thematiken nicht als spezifische Anwendung in diesem Werk erörtert werden, erfolgt hier eine Zusammenfassung der Schwerpunkte. Die für Gedächtniseinrichtungen bedeutsamsten Schranken sind die §§ 60e, 60f UrhG. Sie gewähren diese erweiterten Nutzungsmöglichkeiten von urheberrechtlich geschützten Werken. In den §§ 60e und 60f hat der Gesetzgeber die bisher in den §§ 52b, 53a, 58 Abs. 2 sowie teilweise § 53 verteilt gelegenen Regelungen für Bibliotheken, Archive sowie die in § 60f aufgeführten Informationseinrichtungen zusammengefasst. Eine Ausnahme hierzu ist das zentrale Verleihrecht, welches weiterhin in § 27 UrhG geregelt ist. Ebenso gilt § 60e nicht für Datenbanken. § 60e Abs. 1 UrhG erlaubt auch die Vervielfältigung zur Zugänglichmachung. Die Berechtigung war nach der alten Rechtslage des § 52b UrhG a.F. als Annexkompetenz umstritten.38 Kennzeichnend für die privilegierten Einrichtungen im Hinblick auf die Vervielfältigungsmöglichkeiten ist eine Gemeinwohlorientierung. Diese beschreibt sich durch die Aufgaben von Bibliotheken und Archiven an sich, durch den Nutzen für die Öffentlichkeit und den Grad der Kommerzialisierung. Dabei sind kommerzielle Bibliotheken wegen § 60e Abs. 6 UrhG von den Privilegierungen des § 60e UrhG teilweise erfasst. Abgestellt wird bei den kommerziellen Zwecken auf das Ziel der Einrichtung. Der Begriff „nicht kommerziell“ in den §§ 60aff. bedeutet, dass der Nutzung keine Gewinnerzielungsabsicht zu Grunde liegt. Beiträge oder Gebühren zur Kostendeckung sind daher noch nicht kommerziell. Anders ist es z.B. bei der Gewinnerzielungsabsicht von kommerziellen privaten Sprachschulen.39 38 Jani in: Wandtke; Bullinger: a.a.O., § 60e Rn 11. 39 Amtl.Begr. BT-Drucks. 18/12329, S. 39.
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Die Frage nach der Notwendigkeit eines Zugangs der Öffentlichkeit zur Einrichtung beantwortet der Gesetzgeber unterschiedlich. So gilt das Erfordernis für Bibliotheken, Museen und Bildungseinrichtungen. Anders hingegen ist dieses Kriterium für Archive und Einrichtungen im Bereich des Film- oder Tonergebnis keine notwendige Voraussetzung, um über § 60f Abs. 1 UrhG in die Vorteile des § 60e Abs. 1–4 UrhG zu kommen. Bei den Archiven wird nach dem Gemeinwohlgedanken zwischen rein privaten und zumindest auch im öffentlichen Interesse tätigen Archiven unterschieden. Für Bibliotheken als ein zahlenmäßig hoher, weitverbreiteter und hinsichtlich des Angebotsspektrums bedeutender Teil der Gedächtnis- und Kultureinrichtungen wurde in § 60e UrhG eine eigene Norm geschaffen. § 60e UrhG ist in fünf Absätze gegliedert. Dabei stellt jeder Absatz eine eigenständige Schrankenregelung dar. Bei den gestatteten Nutzungen handelt es sich um die Rechte des Vervielfältigens, der technisch erforderlichen Bearbeitung, des Verbreitens und des öffentlich Zugänglichmachens. Das Merkmal des bibliothekseigenen Bestandes in § 60e UrhG besagt, dass die Werksexemplare als zur Bibliothek gehörig angesehen werden. Dies ist dann der Fall, wenn Werksexemplare berechtigterweise in den Katalog aufgenommen wurden und als zur Bibliothek gehörig gekennzeichnet sind. Dies kann bei physischen Exemplaren durch einen Eigentumsstempel, bei digitalen Exemplaren z.B. durch eine feste Zuordnung zur digitalen Bibliothek oder durch ein digitales Wasserzeichen erfolgen. Ausgeschlossen sind daher Fernleihen und Leihgaben. Nicht entscheidend ist, wie dauerhaft die Sammlungen der öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Archive und Museen sind.40 Wie die Auflistung der Kulturerbe-Einrichtungen zeigt, genügt jedoch eine reine Ausstellung nicht. Es bedarf einer gewissen Verstetigung. Wegen DSM-RL Erwägungsgrund 13 umfasst der Bibliotheksbegriff auch Nationalbibliotheken und Bibliotheken, die von Bildungseinrichtungen betrieben werden. Das Recht der Vervielfältigung zum Zwecke der Langzeitarchivierung (und sonstige Rechte aus § 60e steht sowohl Bibliotheken als Archiven zu. Für Archive, die jedenfalls auch im öffentlichen Interesse tätig sind, geht der Gesetzgeber hier besonderes weit. Er gestattet Archiven auch die Vervielfältigung gem. § 60f Abs. 2 UrhG, wenn das Archiv das Werk bisher noch nicht im Besitz hat und die Vervielfältigung der erstmaligen Aufnahme in den Bestand dient. Im Gegenzug besteht für die abgebende Stelle die Verpflichtung nach § 60f Abs. 2 S. 2 UrhG die eventuell bei ihr noch vorhandene Kopie zu vernichten, um eine Bestandsvermehrung einzugrenzen. Mit § 60e Abs. 5 UrhG für die Bibliotheken und § 60f Abs. 2 UrhG werden den spezifischen Einrichtungen weitere Vervielfältigungsrechte zugebilligt. In vielen Fällen ist es nicht erforderlich, mit dem Originaldokument zu arbeiten, wenn entsprechende Digitalisate vorhanden sind. In Bibliotheken erfolgt die digitale Bereitstellung regelmäßig über sogenannte Terminals. Hierdurch werden Bereitstellungsprozesse vereinfacht und die Originale geschont. Die sogenannte 40 Vgl. Erwägungsgrund 13, S. 1 DSM-RL.
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Terminalschranke ist für öffentlich zugängliche Bibliotheken in § 60e Abs. 4 UrhG geregelt. Über die Verweisung gem. § 60f Abs. 1 i.V.m. § 60e Abs. 4 UrhG gilt sie auch in Archiven, soweit die übrigen Voraussetzungen gegeben sind. Es besteht weiterhin eine Bestandsakzessorität. Bestandsakzessorität bedeutet, dass nicht mehr Exemplare eines Werkes zugänglich gemacht werden dürfen, als sich tatsächlich im Bestand befinden. Die Zweckbegrenzung wurde sehr weit gefasst. Die Begrenzung in den Räumen ist in § 60e Abs. 4 UrhG als physische Umgrenzung auf die Bibliotheksräume zu verstehen. Ein Zugänglichmachen über eine Präsentation im World Wide Web ist beispielsweise unzulässig. Möglich ist hingegen eine Anschlusskopie gem. § 60e Abs. 4 S. 2 UrhG für nicht-kommerzielle Zwecke. Die sogenannte Anschlusskopie dient der Nachnutzung eines eingesehenen E-Mediums aus einer Bibliothek. So darf der Nutzer für nicht-kommerzielle Zwecke bis zu 10 Prozent eines Werkes durch eine Kopie auf einem Datenträger abspeichern oder sich zusenden lassen. Die Praxis für Umsetzung der Verpflichtung auf die Beschränkung zur nicht-kommerziellen Nutzung bzw. der Kopiermenge kennt einen Graubereich. Erwartet werden können eindeutige schriftliche Hinweise und ein Tätigwerden bei einem konkreten Verdacht. Dies kann beispielsweise durch regelmäßige Rundgänge einer Aufsicht im Lesebereich und bei den Vervielfältigungsstationen erfolgen. Eine intensivere Überwachung ist aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch. Das Privileg der Verbreitung gem. § 60e Abs. 3 UrhG verweist auf § 17 UrhG. Dies bedeutet, dass nur das Werk oder seine Vervielfältigungen in körperlicher Form nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 UrhG gemeint sind. Nicht umfasst sind die öffentliche Zugänglichmachung bzw. die hierfür erforderliche nicht-körperliche Form gem. § 15 Abs. 2 UrhG. Daher ermöglicht § 60e Abs. 3 UrhG nicht das Online-Stellen von urheberrechtlich geschützten Werken. Anwendung findet § 60e UrhG auch für verwaiste Werke.41 Voraussetzung für die Anwendung von §§ 61 ff. UrhG ist lt. amtlicher Begründung42 eine sorgfältige Recherche i.S.v. § 61a UrhG. Zutreffend wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass die Durchführung einer sorgfältigen Recherche i.S.v. § 61a UrhG nicht jedes Mal aufs Neue durchgeführt werden muss, sondern Vorarbeiten miteinbezogen werden können.43 Wurde von einer benannten Einrichtung bereits eine sorgfältige Suche durchgeführt und wurde das Werk in die europäische Datenbank verwaister Werke aufgenommen, so ist eine nochmalige Recherche nicht erforderlich, soweit sich nicht gegenteilige Indizien aufdrängen.44 Zweck der Regelung ist eine angemessene Berücksichtigung sorgfältig erstellter Ergebnisse im Sinne einer Arbeitsteilung und Arbeitserleichterung. 41 Jani in: Wandtke; Bullinger: UrhG, § 60e Rn 3. 42 Amtl. Begr. BT-Drucks. 18/12329, 40. 43 Jani in: Wandtke; Bullinger: UrhG, § 60e Rn 3. 44 https://euipo.europa.eu/ohimportal/de/web/observatory/orphan-works-db, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022.
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Eine der Hauptinteressentengruppen der Informations- und Gedächtniseinrichtungen sind die Angehörigen der verschiedenen Bildungseinrichtungen. Wie § 60a Abs. 4 UrhG klarstellt, ist der Begriff der Bildungseinrichtung umfassend zu verstehen. Die Begriffe Unterricht und Lehre in § 60a Abs. 1 UrhG werden weit ausgelegt. Gemeint sind damit nicht nur die Präsenzformen, sondern auch E-Learning und Fernunterricht. Konkrete Vor- und Nachbereitungen sind ebenfalls Bestandteile des Unterrichts. Ebenso gehört die Durchführung von Prüfungen zu Unterricht und Lehre.45 Möglich ist eine Aufgabenverteilung innerhalb der Hochschule. Nicht zulässig ist hingegen eine Delegation an Dienstleister außerhalb der Hochschule, denn im Gegensatz zu anderen Vorschriften fehlt es § 60a UrhG an einer ausdrücklich erwähnten Delegationsbefugnis. Zur Unterstützung des Bildungsziels werden in einem beschränkten Umfang auf gesetzlicher Basis Nutzungen in Form von der Vervielfältigung, Verbreitung und der öffentlichen Zugänglichmachung bzw. öffentlichen Wiedergabe (Internet u. Intranet) von veröffentlichten Werken gestattet. Hinsichtlich der Erlaubnis zur Vervielfältigung zu nicht-kommerziellen Zwecken des Unterrichts und der Lehre sind bis zu 15 Prozent eines Werkes gestattet. Eine Ausnahme bilden hier Werke geringen Umfangs. Dem Gesetzgeber46 zufolge soll auf Gesamtverträge zwischen Verwertungsgesellschaften und Nutzern bzw. auf die zur Vorgängernorm § 52a UrhG a.F. begründete Rechtsprechung des BGH zurückgegriffen werden:47 Gedruckte Werke: bis zu 25 Seiten. Noten: bis zu 6 Seiten Filme: bis zu 5 Minuten Musik: bis zu 5 Minuten48 Tageszeitungen sind hiervon nicht erfasst. Für Tageszeitungen gilt § 60a Abs. 1 UrhG. Eine Weitergabe der Materialien an nachfolgende Jahrgänge ist unzulässig.49 Neben den Erlaubnistatbeständen in den Abs. 1 und 2 sind in § 60a Abs. 3 die Bereichsausnahmen geregelt worden. So dürfen wegen § 60a Abs. 3 Nr. 1 UrhG keine Konzerte, Lesungen oder Filmvorführungen ohne Erlaubnis mitgeschnitten oder live gestreamt werden. Zum Schutze des Primärmarktes von Schulbüchern sind diese ebenfalls nach § 60a Abs. 3 Nr. 2 UrhG. Schulen sind alle öffentlich zugänglichen Schulen der Primar- und der Sekundarstufe sowie der Berufsschulen. Die dritte Bereichsausnahme betrifft grafische Aufzeichnungen und Werke der Musik. So dürfen Noten grundsätzlich nicht vervielfältigt werden. Eine Gegenausnahme besteht dann, wenn sie zur Veranschaulichung im Unterricht verwendet werden.
45 Begr.RegE zum UrhWissG (BT-Drucks. 18/12329), S. 39. 46 Amtl.Begr. BT-Drucks. 18/12329, S. 37 47 Regierungsentwurf BT-Drucks. 18/12329, S. 35. 48 Regierungsentwurf BT-Drucks. 18/12329, S. 35. 49 Lüft in Wandtke; Bullinger: UrhG, § 60a Rn 11.
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Fall: L möchte für seinen Kurs zum wissenschaftlichen Arbeiten an der Hochschule einen HardcopyReader erstellen. Er meint sich zu erinnern, dass ihm dies vor zehn Jahren einmal verboten worden war. Lösung: § 60a Abs. 1 Nr. 1 UrhG gestattet im Gegensatz zur Vorgängernorm § 52a UrhG a.F. bzw. § 53 Abs. 3 Nr. 1 UrhG a.F. diese Möglichkeit auch für Hochschulen.
Eine vollständige Nutzungsmöglichkeit gestattet § 60a UrhG für vergriffene Werke. Vergriffen sind Werke, wenn sie im regulären Buchhandel nicht mehr erhältlich sind. Referenzdatenbank hierfür ist das Verzeichnis der lieferbaren Bücher.50 Auf die Möglichkeit, ein Werk auch antiquarisch beziehen zu können, kommt es dabei nicht an. Im Gegensatz zu § 53 Abs. 2 Nr. 4 b) UrhG kommt es nicht auf einen Zeitablauf an. Nach Auffassung der Literatur ist die zeitliche Begrenzung nicht praktikabel.51 Ergänzend zu § 60a UrhG gestattet § 69d UrhG die Vervielfältigung, Übersetzung, Bearbeitung und Verbreitung von Software zu Zwecken von Unterricht und Lehre. Gem. § 69d Abs. 5 UrhG gelangen auch die übrigen Regelungen des § 60a UrhG für Software in modifizierter Form zur Anwendung.
Musik: max. 5 Minuten
Filme: max. 5 Minuten
Notenblätter: max. 6 Seiten
Druckwerke: max. 25 Seiten
Abbildungen
Fachzeitschrift: Einzelne Artikel
Wissenschaftliche Zeitschrift: Einzelne Artikel
Gemeinfreie Werke
Alle übrigen Werke außer Schulbüchern und Zeitungen/Magazine: pro Kurs und Werk max. 15 %
Werke geringen Umfangs: vollständig
Vollständig
Zugangsgeschützter Bereich für Kursteilnehmer als Mitglieder der Hochschule Abbildung 14: Anwendungsbeispiel zu § 60a UrhG.52
Ähnlich wie § 60a UrhG zu Gunsten von Unterricht und Lehre gewährt § 60c UrhG der wissenschaftlichen Forschung eine gesetzliche Nutzungserlaubnis hinsichtlich der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung eines Werks. 50 https://vlb.de/leistungen/referenzdatenbank-fuer-gebundene-ladenpreise-in-deutschland-undoesterreich, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. 51 Lüft in Wandtke; Bullinger: UrhG, § 60a Rn 15. 52 Abbildung aus Juraschko, B.: a.a.O., S. 134.
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Vergriffene Werke: 100% Sonstige Werke geringen Umfangs: 100%
Einzelne Abbildungen: 100%
Einzelne Artikel Fachzeitschrift: 100%
Einzelne Artikel Wiss. Zeitschrift: 100%
Beitrag zur eigenen wissenschaftlichen Forschung: max. 75%
Peer ReviwVerfahren: max. 15%
Wissenschaftlicher Austausch unter Forschern: max. 15%
Dabei wird von einem zugangsgeschützten Bereich mit Einzelauswahl der Zutrittsmöglichkeit zu Forschungszwecken ausgegangen.
Zugangsgeschützter Bereich mit Einzelauswahl der Zutrittsmöglichkeit für Forschungszwecke Abbildung 15: Vervielfältigen, verbreiten, öffentlich zugänglich machen zum Zwecke der nichtkommerziellen Forschung, § 60c UrhG.53
Der Forschungsbegriff ist generell weit zu verstehen. So brauchen der Forscher und der Adressat nicht der gleichen Einrichtung anzugehören. Erforderlich ist ein nachvollziehbarer und überprüfbarer Zusammenhang zwischen dem Forschungswerk und dem genannten Urheberwerk. Privilegiert ist nur nicht-kommerzielle Forschung. Dabei kommt es nicht auf die Rechtsform der Einrichtung, sondern nur auf die konkrete Forschungsarbeit an. Somit können auch Projekte, die mit Drittmitteln aus der Privatwirtschaft finanziert werden, den Schutzbereich der Wissenschaftsschranke beanspruchen.54 Jedoch gilt die gesetzliche Erlaubnis nur für nicht-kommerzielle Forschung. Damit sind beispielsweise Produktentwicklungen in Wirtschaftsunternehmen nicht erfasst. Trotz seiner späteren Entstehung ist § 44b UrhG die Grundnorm für das Text- und Data-Mining. Denn die allgemeine Vorschrift kennt keine Einschränkungen hinsichtlich des Kreises der Berechtigten und des Zwecks der Durchführung. Damit ist § 44b UrhG auch durch die Privatwirtschaft nutzbar. Gegenüber datenschutzrechtlichen Bestimmungen, vor allem der EU-DSGVO, ist § 44b UrhG wegen Art. 28 DSM-RL55 53 Abbildung aus Juraschko, B.: a.a.O., S. 135. 54 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/12329, S. 39. 55 Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG.
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nachrangig. D.h. ein Verfahren nach § 44b UrhG kann erst dann angewendet werden, wenn der Datenschutz sichergestellt ist. In Betracht kommt hier z.B. eine Anonymisierung durch Abtrennen vom Korpus bzw. Schwärzen der personenbezogenen Daten. Personenbezogene Daten sind alle Informationen, die sich auf eine identifizierte bzw. identifizierbare Person beziehen. Text- und Data-Mining ist nach der Legaldefinition des § 44b Abs. 1 UrhG „die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen“. Dabei werden bereits bestehende umfangreiche Sammlungen von digitalen Informationen jeglicher Art maschinell ausgewertet. Bei dem Verfahren nach § 44b bzw. § 60d UrhG werden große Text- und Datenmengen in digitaler Form gesammelt, aufbereitet, systematisch durchsucht und ausgewertet. Aufbereitung bedeutet, die Inhalte der Werke in ein maschinenlesbares Format zu bringen. Die automatisierte Auswertung ist selbst keine urheberrechtlich relevante Handlung.56 Ebenso liegen keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlungen vor, soweit die Ausgestaltung des Text- und Data-Mining ohne die Herstellung eines Korpus auskommen. Ziel solcher Projekte ist beispielsweise das Erforschen von statistischen Häufigkeiten. Zu diesem, jedoch nur zu diesem Zweck ist eine Speicherung der Inhalte gestattet. Ausgeschlossen ist daher erst der Aufbau einer Sammlung auf Grundlage von § 44b UrhG. Vervielfältigt werden dürfen zum Zweck des Text- und Data-Minings Werke (einschließlich Datenbankwerken und Software), Datenbanken sowie sonstige Schutzgüter des UrhG.57 Wird beim Text- und Data-Mining keine Vervielfältigung vorgenommen bzw. keine geschützten Inhalte genutzt, ist die Handlung ohnehin erlaubnisfrei. Die rechtmäßige Zugänglichkeit eines Werkes i.S.d. § 44b Abs. 2 UrhG richtet sich nach den allgemeinen urheberrechtlichen Bestimmungen im Urheberrecht. Er wird damit nicht durch § 44b UrhG selbst ermöglicht. Ein rechtmäßiger Zugang liegt bei gemeinfreien Werken oder eine Gestattung des Zugangs vor. Ein Beispiel hierfür ist sind Open-Access-Veröffentlichungen.58 Ein reines Besitz- bzw. Eigentumsrecht an einem physischen Exemplar des zu untersuchenden Werkes genügt hingegen nicht. Liegen die Voraussetzungen für die Verwendung zum Text- und Data-Mining vor, kann der Rechtsinhaber dennoch einen Vorbehalt erklären. Aus Gründen der Rechtssicherheit sieht § 44b Abs. 3 hierfür eine maschinell lesbare Form vor, damit der Vorbehalt auch angemessen gefunden werden kann. Nach Beendigung des Textund Data-Minings sind die Vervielfältigungen gem. § 44b Abs. 2 S. 2 UrhG zu löschen. Mit der Schrankenregelung zum Text- und Data-Mining gem. § 60d UrhG können zum Zwecke der nicht-gewinnorientierten wissenschaftlichen Forschung urheberrechtlich geschützte Werke automatisiert ausgewertet werden. Im Hinblick auf die nicht-gewinnorientierte wissenschaftliche Forschung werden die Beteiligten in § 60d 56 Amtl. Begr. BTDrucks 18/12329, 40. 57 RegE BT-Drucks. 19/27426. 58 RegE BT-Drucks. 19/27426.
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Abs. 2 UrhG genannt. Hieraus ergibt sich auch, wie ein Zusammenwirken von öffentlich-rechtlichen Interessen und der Privatwirtschaft möglich ist. § 60d UrhG ist eine Spezialnorm zu § 44b UrhG im Hinblick auf den Kreis der Anwender. Wie bei § 44b UrhG wird der Zugang zu den jeweiligen Werken wird nicht durch § 60d UrhG ermöglicht, sondern vorausgesetzt. Daher bildet § 60d UrhG keine Legitimation, technische Schutzmaßnahmen des Inhabers der Daten zu umgehen. § 60d Abs. 5 UrhG ermöglicht den Berechtigten u.a. Bibliotheken die Vervielfältigungen mit angemessenen Sicherheitsvorkehrungen gegen unbefugte Benutzung zu archivieren. Weitere Voraussetzung ist daher, dass diese für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder zur Überprüfung wissenschaftlicher Erkenntnisse erforderlich sind. Damit dehnt § 60d Abs. 5 UrhG die Möglichkeit einer Aufbewahrung gegenüber dem strikteren Löschungsgebot des § 44b Abs. 2 S. 2 UrhG aus. Gem. § 87c UrhG ist § 60d auch auf Datenbanken anwendbar. Dagegen gilt für Software wegen § 69d Abs. 6 UrhG keine Anwendbarkeit von § 60d UrhG. § 60g UrhG regelt das Verhältnis der §§ 60a–60f UrhG zu vertraglichen Nutzungsvereinbarungen. Der Wirkungsbereich von § 60g UrhG erstreckt sich nicht auf die sonstigen Schrankenbestimmungen der §§ 44a ff. UrhG. Wegen § 60g Abs. 1 UrhG kann sich der Lizenzgeber nicht auf vertragliche Vereinbarungen berufen, wenn diese die Rechte aus §§ 60a–60f UrhG beschränken. Eine solche Vereinbarung ist jedoch nur partiell für den gesetzlich bestimmten Bereich der Schrankenbestimmungen der §§ 60a–60f UrhG unwirksam. Wirksam sind sie für den die Erlaubnis überschießenden Teil. Ebenso ist die Ausnahme von § 60g Abs. 2 UrhG bei der Nutzungsregelung, welche ausschließlich die Terminalschranken betrifft, zu beachten. Der Anwendungsbereich von § 60g ist gem. § 137o UrhG auf die Verträge beschränkt, die seit dem 1. März 2018 geschlossen wurden. Die Anwendung einer Schrankenregelung ist gem. § 60h UrhG mit Ausnahmen vergütungspflichtig. 2019 wurde zwischen der VG Wort bzw.VG Bild-Kunst einerseits und Bund/Länder andererseits ein Rahmenvertrag über die Vergütung von Ansprüchen gem. § 60e Abs. 4 i.V.m. § 60h Abs. 1 UrhG geschlossen. In dem Rahmenvertrag sind Abgeltung der Ansprüche aus der öffentlichen Zugänglichmachung von veröffentlichen Schriftwerken inclusive enthaltener Abbildungen an Terminals und die sogenannte Betreibervergütung gem. § 54c UrhG geregelt. Der Rahmenvertrag regelt nicht alle Ansprüche aus den Nutzungen gem. §§ 60a–60e UrhG. So werden z.B. Nutzung auf Grund der Wissenschaftsschranke nach § 60c Abs. 1 UrhG nicht vom Rahmenvertrag erfasst. Zu den besonderen Neuerungen der letzten Gesetzesreform gehören die Vorschriften des fünften Unterabschnitts über die besonderen gesetzlich erlaubten Nutzungen gem. § 61d ff. UrhG. Die Regelungen werden vom Gesetzgeber als Auffangtatbestand und Ergänzung zu den sonstigen gesetzlichen Nutzungsbefugnissen der §§ 44a UrhG gesehen, die für Kulturerbe-Einrichtungen, vor allem Bibliotheken, geschaffen
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worden sind.59 Inhalt von § 61d UrhG ist eine gesetzliche Nutzungserlaubnis für nicht verfügbare Werke. Voraussetzung hierfür ist, dass wegen dem Fehlen einer repräsentativen Verwertungsgesellschaft keine kollektiven Lizenzen mit erweiterter Wirkung vergeben werden können. Weitere Voraussetzung ist das Gemeinwohlprinzip, welches hier eine kommerzielle Nutzung ausschließt. Ferner hat der Rechteinhaber ein jederzeitiges Widerspruchsrecht gegen die vorgenommene Nutzung. Die Widerspruchslösung ist eine deutliche Abweichung vom Grundsatz der Privatautonomie. Denn diese geht nicht von einer fiktiven Erlaubnis, sondern von der Notwendigkeit eines Angebots und der Annahme, und damit von einer Kontaktaufnahme durch den Interessenten aus. Der Versuch einer Kontaktaufnahme ist in den Fällen der nicht verfügbaren Werke u.U. sehr aufwendig bzw. nicht erfolgreich. Daher bestand vor allem von Seiten der Gedächtniseinrichtungen mit einem umfassenden Sammelauftrag das Interesse einer einfacheren Lösung. Wegen des Ausnahmefalls bedurfte es einer Entscheidung des Gesetzgebers. Ferner ist die Widerspruchslösung nicht verallgemeinerungsfähig bzw. § 61d UrhG nicht entsprechend anwendbar. Vielmehr handelt es sich um Spezialregelungen für Einrichtungen mit einem umfassenden Sammelauftrag und nicht für die überwiegende Mehrzahl von Gedächtniseinrichtungen. Hierauf weist auch die Formulierung der Kulturerbeeinrichtung hin, die sich von der sonst üblichen Aufzählung Bibliotheken, Archive etc. unterscheidet. Wird die gesetzliche Nutzungsbefugnis des § 61d Abs. 1 UrhG durch eine Kulturerbeinrichtung in Anspruch genommen, besteht wegen § 63 UrhG die Pflicht zur Quellenangabe. Damit kann die Nutzung nachvollzogen werden. Dagegen besteht keine Vergütungspflicht.60 § 60g UrhG regelt mit dem Vorrang der gesetzlichen Erlaubnis gegenüber privatrechtlichen Vereinbarungen die Position von §§ 61d, 61f UrhG zu Verträgen. Zur Durchsetzung der Befugnisse enthält § 95a UrhG ergänzende Regelungen zum Umfang mit technischen Schutzmaßnahmen. Gegenüber ausländischen Urhebern gelten besondere fremdenrechtliche Schranken. Diese betreffen im Wesentlichen nur die Verwertungsrechte und nicht die Urheberpersönlichkeitsrechte. Ein solches Fremdenrecht ist beispielsweise § 121 Abs. 6 UrhG. Ziel dieser Barriere ist kein Protektionismus, sondern das Behalten von Verhandlungsmasse, um im Sinne eines Gegenseitigkeitsprinzips auf beiden Seiten Hindernisse und Schlechterstellungen von Urhebern zu verhindern. Ohne diesen beiderseitigen Hindernisabbau in Abkommen stünde ein deutscher Urheber regelmäßig schlechter da, wenn ein ausländischer Staat seine inländischen Urheber begünstigt und ausländischen nicht den entsprechenden Schutzumfang einräumt. In der Rechtsprechung und der Literatur wird die Nutzungsfreiheit urheberrechtlich nur als Reflex der gesetzlichen Schranken des Urheberrechts
59 RegE BT-Drucks. 19/27426 S. 100. 60 RegE BT Drucks. 19/27426 S. 100.
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angesehen.61 Als Rechtsreflex werden rechtliche Auswirkungen bezeichnet, die nicht geleugnet werden, auf Grund einer wertenden Betrachtung aber nicht oder nur in einem geringen Umfang berücksichtigt werden sollen. Der Möglichkeit einer freien Nutzung wird damit kein eigener Stellenwert eingeräumt. Sie entsteht nach der derzeit geltenden Auffassung lediglich bei der Anwendung der Schrankenregelungen. Im Gegensatz dazu spielt die freie Nutzungsmöglichkeit von Medien, auch unter dem Namen Open Access bekannt, für Bibliotheken und Informationseinrichtungen eine zentrale Rolle. Im Hinblick auf die Meinungs-, Presse-, Kunst- und Informationsfreiheit gem. Art. 5 GG, die zum Teil massiven Versuche, das Schrankensystem durch technische Schutzmaßnahmen und vertragliche Regelungen zu negieren als auch die bewährte und flächendeckende Anwendung von Open-Access-Projekten wird in Abweichung von der derzeitigen herrschenden Meinung der Nutzungsfreiheit ein eigener Stellenwert zugeordnet. Die rechtliche und die tatsächliche Betrachtung machen eine Anerkennung der Nutzungsfreiheit als eigenständigen Wert erforderlich. Sie ist eine notwendige und im Alltag verwendete Grundlage der geistigen Auseinandersetzung und Schaffens. Tabelle 9: Gesetzliche Schrankenregelungen des Urheberrechts. Regelung
Norm
Bedeutung für
Erschöpfung des Verbreitungsrechts § 17 Abs. 2 UrhG Weiterveräußerung und Weitergabe Schranken auf Grund des Interesses der Öffentlichkeit an Information Rechtspflege und öffentliche Sicherheit § 45 UrhG Vervielfältigung von Fahndungsfotos Öffentliche Reden § 48 UrhG Wiedergabe auf einer Webseite Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare § 49 UrhG Pressemappe Berichterstattung über Tagesereignisse § 50 UrhG Blogs Werke in Ausstellungen § 58 UrhG Flyer, Postkarten Werke an öffentlichen Plätzen § 59 UrhG Postkarten Information über nicht verfügbare Werke § 61f UrhG Thumbnails Schranke zu Gunsten der Kommunikationsfreiheit Zitate § 51 UrhG Unwesentliches Beiwerk
§ 57 UrhG
Nachweismöglichkeit; Grundlage des wissenschaftlichen Arbeitens Verbreitungsmöglichkeit
61 Schack: a.a.O., § 15 Rn 539; vgl. BT Drucks. 16/1828, S. 20; OLG München, GRUR-RR 2009, 85, 88 (AnyDVD II).
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Tabelle 9: (fortgesetzt). Regelung
Norm
Bedeutung für
Schranken zu Gunsten von Schul-, Bildungs- und sozialen Zwecken Behinderte Menschen § 45a UrhG Einrichtung elektronischer behindertengerechter Nutzerarbeitsplätze Kirchen-, Schul-und Unterrichtsgebrauch § 46 UrhG Handapparate in Schulen und kirchlichen Einrichtungen Schulfunksendungen § 47 UrhG Archiv von Schulfunksendungen Öffentliche Wiedergabe ohne Erwerbs§ 52 UrhG Vorlesestunde in einer Stadtbüzweck cherei Öffentliche Zugänglichmachung für § 60a UrhG Arbeit in Seminargruppen an HochUnterricht schulen Unterrichtsmaterialien § 60b UrhG Reader für Semesterapparat Wissenschaftliche Forschung § 60c UrhG Austausch von medialen Arbeitsmaterialien Text- und Data-Mining zu Forschungszwe- § 60d UrhG Statistische Erhebungen bei Forcken schungsprojekten Wiedergabe von Werken an elektronischen § 60e Abs. 4 UrhG Bestandserhaltung, ZugänglichmaLeseplätzen chung in elektronischer Form Nicht zweckgebundenes Text- und Data§ 44b UrhG Statistische Erhebungen und NutzeMining ranalysen Schranken zu Gunsten privater und sonstiger Interessen Vervielfältigung zum privaten und § 53 UrhG Kopiermöglichkeit sonstigen eigenen Gebrauch Bildnisse § 60 UrhG Verwendung von Portaitfotos Datenbanken §§ 55a, 87c UrhG Weiterentwicklung eines Datenbankwerks Computerprogramme §§ 69d, 69e UrhG Sicherungskopie, Untersuchung des Programms Vervielfältigung durch Sende§ 55 UrhG Verbreitungs- und Archivierungsunternehmen privileg gilt nur für die klassischen Sendeunternehmen Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe § 56 UrhG Vorführgeräte in Geschäftsbetrieben Allgemeine und technisch bedinge Schrankenregelungen Vorübergehende Vervielfältigungs§ 44a UrhG Zwischenspeicherung bei digitalen handlungen Formaten Zeitliche Begrenzung § 64 UrhG Keine Genehmigung für Reproduktionen erforderlich
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11.6 Einschränkung durch die Ausübung des Urheberpersönlichkeitsrechts Eine Einschränkung erfahren die ausschließlichen Nutzungsrechte durch die urheberrechtliche Besonderheit des Urheberpersönlichkeitsrechts. Dieses kann dann bestimmte Nutzungen negieren, wenn hierdurch die Urheberpersönlichkeit des Urhebers verletzt wird. Angesprochen sind hier die Fälle, in denen der Urheber und der aktuelle Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts verschiedene Personen sind und unterschiedliche Interessen verfolgen. Beispiel: Autor A setzt sich in Freizeit und Beruf intensiv für eine Aufklärung über Psychosekten ein. Hierzu hat er ein Grundlagenwerk geschrieben. Die ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Werk hat die V-Verlag AG erworben. In der Folgezeit wird die V-Verlag AG vom F-Verlag aufgekauft. Der FVerlag steht der besonders aggressiven und intoleranten F-Sekte sehr nahe. Die Leiterin des F-Verlags plant das Werk des A im Sinne der F-Sekte zu bearbeiten und in veränderter Version herauszugeben. Schließlich habe der F-Verlag mit dem Unternehmenskauf die ausschließlichen Nutzungsrechte am Werk des A erworben. A ist empört und möchte die Herausgabe des veränderten Werks unbedingt verhindern. Lösungsskizze: Zu den übertragenen ausschließlichen Nutzungsrechten gehört auch das Recht auf eine Bearbeitung des Werks. Dennoch kann A die Bearbeitung seines Werks auf Grund seines Urheberpersönlichkeitsrechts verhindern. Dieses ist untrennbar mit dem Werk verbunden. Da sich die Absichten des F-Verlags grundlegend gegen die von A in seinem Werk und sonstigem Verhalten geäußerte Lebenseinstellung richten, wäre die angedachte Bearbeitung eine Entstellung des Ausgangswerks und damit eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts des A. Daher steht dem A ein Untersagungsrecht gem. § 14 UrhG zu, sein Werk im Sinne der F-Sekte zu bearbeiten.
Geht es um die Verletzung persönlichkeitsbezogener Aspekte sind das Urheberpersönlichkeitsrecht und das allgemeines Persönlichkeitsrecht trotz der dogmatischen Verwandtschaft voneinander getrennt zu betrachten. Zentrales Unterscheidungsmerkmal zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Urheberpersönlichkeitsrecht ist der Werkbezug. Nach Auffassung der Rechtsprechung ist das Urheberpersönlichkeitsrecht „ein Ausschnitt und eine besondere Erscheinungsform“ des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.62 Erfolgen Angriffe auf das Lebenswerk oder die Ehre des Urhebers, so kann sich der Urheber dann mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht wehren, wenn die Grenzen der zulässigen Kritik überschritten sind. Kritische inhaltliche Bewertungen des Werks sind vom Urheber im Hinblick auf die Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG generell hinzunehmen. Ausprägungen dieses Grundsatzes ist die Zulässigkeit von Karikatur, Parodie und Pastiche gem. § 51a UrhG. Die Grenze ist bei einer Schmähkritik überschritten. Sie ist vor allem auf die verächtliche Darstellung des Urhebers 62 BGH, GRUR 1971, 525, 526 (Petite Jacqueline); BGHZ 13, 334, 339 (Leserbriefe).
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gerichtet.63 Die geistige Auseinandersetzung mit einem Geisteswerk ist dagegen grundsätzlich erwünscht und stellt daher keine Beeinträchtigung gem. § 14 UrhG dar. Dem Urheber steht kein Anspruch auf einen ungehinderten Wirkungskreis seines Werks zu.64 Daher ist bei der Annahme eines Eingriffs durch informatorische Mittel eine hohe Hürde anzulegen. Voraussetzung für die Geltendmachung persönlichkeitsrechtlicher Ansprüche ist die individuelle Betroffenheit.65 Dies bedeutet, dass der Anspruchsinhaber erkennbar sein muss. Andernfalls fehlt es an der notwendigen Betroffenheit. Dennoch sind an die Erkennbarkeit nur relativ geringe Ansprüche zu stellen. Eine ausdrückliche Namensnennung ist nicht erforderlich. Vielmehr genügt es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, wenn ein mehr oder minder großer Bekanntenkreis die betroffene Person wiedererkennt.66 Nach dem Tod des Urhebers zeigt sich deutlich die Trennung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Urheberpersönlichkeitsrecht. Das Urheberpersönlichkeitsrecht geht gem. § 28 Abs. 1 UrhG auf den Erben über und ist einheitlich auf 70 Jahre nach Tod des Urhebers befristet. Dagegen gibt es beim postmortalen allgemeinen Persönlichkeitsrecht keine festen Zeitgrenzen. Vielmehr verringert sich dieses entsprechend der Erinnerung an den Verstorbenen. Das Urheberpersönlichkeitsrecht sichert in erster Linie die ideellen Interessen des Urhebers an seinem Werk. Dabei können auch vermögensrechtliche Interessen mitgeschützt sein.67 Der Schwerpunkt des betreffenden Falls liegt jedoch nicht im Bereich der Vermögensinteressen. Diese Schwerpunktsetzung begründet sich in der Herkunft der jeweiligen Positionen. Das Eigentum und damit die Verwertungsrechte werden durch Art. 14 Abs. 1 GG nur „gewährleistet“. Dahingegen wird das Persönlichkeitsrecht geschützt. Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber das Eigentum nicht mehr ausschließlich der Individualsphäre, sondern auch der Sozialsphäre zuordnen wollte.68 Dem Urheberpersönlichkeitsrecht und dem allgemeinem Persönlichkeitsrecht ist gemeinsam, dass sie keine fest umrissene Gestalt haben. Umstritten ist, ob bei einem Erbgang dem Erben das Recht zusteht, die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnisse seinen eigenen Interessen gemäß auszuüben.69 Dies ist abzulehnen. Anders als bei den Nutzungsrechten geht es bei den höchstpersönlichen Rechten rein 63 BVerfG, NJW 1993, 1462 (Böll). 64 Schack: a.a.O., § 3 Rn 45. 65 LG Wiesbaden, AfP 1979, 327, 328. 66 BVerfGE 119, 1ff. (Esra). 67 Wandtke: a.a.O., 1. Kap. Rn 56. 68 Ipsen: Staatsrecht II Grundrechte, Rn 151. 69 BGH, GRUR 1989, 106, 107 (Oberammergauer Passionsspiele II); BGH, GRUR 1955, 201, 205 (Cosima Wagner); v. Gamm: a.a.O., § 11 UrhG Rn 7, 30 Rn 3. A.A.: zum Teil mit Hinweis auf Beschränkungen: Dreier; Schulze; Schulze: a.a.O., vor § 12 Rn 11; Fromm; Nordemann; Nordemann: a.a.O., § 30 Rn 10; Wandtke; Bullinger; Bullinger: a.a.O., vor § 12 Rn 12.
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um deren Schutz und nicht darum, sich diese dienstbar zu machen. Daher können die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnisse nur im Interesse des Werkschöpfers ausgeübt werden.70
11.7 Urheberpersönlichkeitsrecht in der Fallbearbeitung Ein Standardthema ist die Frage, wann und inwieweit das Urheberpersönlichkeitsrecht, das untrennbarer Bestandteil des Urheberrechts ist, bei der Fallbearbeitung bzw. der Recherche zu berücksichtigen ist. Sind nur bestimmte Verwertungsrechte zwischen den Parteien in der Diskussion, so ist es in diesem Stadium nicht erforderlich, das Urheberpersönlichkeitsrecht zu erörtern. Hierbei erfolgt keine Aufspaltung, die gegen die urheberrechtlichen Prinzipien verstößt. Vielmehr werden, wie auch sonst in der juristischen Fallbearbeitung, nur die im konkreten Fall relevanten Punkte betrachtet. Die übrigen Aspekte bleiben im jeweiligen Fall ausgeblendet. Daher steht eine verdeutlichende Darstellung in den Skizzen nicht im Gegensatz zu der geltenden monistischer Theorie. Die Skizze ist nur ein Mittel der Reduktion und zeigt nur ausgewählte Aspekte. Im Laufe der Zeit kann es zu einer veränderten Fragestellung und damit zu einem anderen Fokus kommen. Wie die Darstellung des Urheberpersönlichkeitsrechts auf den Fall einwirkt, kann damit nur im Einzelfall ermittelt werden. Als sehr allgemeine Regel kann empfohlen werden: Ist ein emotionales Verhalten der Beteiligten in einer Diskussion um ein Urheberrecht zu erwarten, so ist eine nähere Prüfung bzw. eine Berücksichtigung des Urheberpersönlichkeitsrechts im jeweiligen Fall naheliegend. Dies kann häufig inhaltlich z.B. bei einer antithematischen Behandlung wie einer Parodie oder einer Satire oder bei einem „Feindbild“ etc. angenommen werden. Beispiel: Eine Übersetzung in eine gängige Sprache spricht auf den ersten Blick für die Berücksichtigung als reines Verwertungsrecht. Urheberpersönlichkeitsrechtliche Aspekte sind zunächst nicht ersichtlich. Die Ausübung des Urheberpersönlichkeitsrechts wird aber relevant, wenn eine persönliche Feindschaft zum Übersetzer, zum Verlag oder zur Sprache eines Kriegsgegners vorliegt.
Grundlage der Prüfung ist, ob eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei den vorliegenden Umständen zumindest noch nachzuvollziehen ist. Mittelpunkt der Umstände ist die Persönlichkeit des Urhebers und seine tatsächliche soziale Einbindung. Entsprechend ist beim Urheberpersönlichkeitsrechts zu prüfen, ob die Empörung über den Verstoß für einen außenstehenden, objektiven Dritten nachzuvollziehen ist. Damit soll eine Instrumentalisierung des Arguments mit dem Urheberpersönlichkeitsrechts verhindert werden. Ferner sind die Umstände der Werkentstehung seine 70 Sattler, H.: Das Urheberrecht nach dem Tode des Urhebers in Deutschland und in Frankreich, S. 58ff.
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Intension mit zu berücksichtigen. Wer in seinem Werk Kritik übt, hat sich auch selbst in angemessener Weise Kritik gefallen zu lassen. Auf Grund der dogmatischen Herkunft des Urheberpersönlichkeitsrechts als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind die dort ermittelten Rechtsgrundsätze auch beim Urheberpersönlichkeitsrecht anzuwenden. Ein gängiges Modell zur Veranschaulichung der Einwirkung auf Persönlichkeitsrechte ist das sogenannte Sphärenmodell. Dieses teilt den Wirkungskreis eines Menschen in drei Sphären ein: den Kern als Intimsphäre mit den elementaren und unverzichtbaren Bestandteilen des Urheberpersönlichkeitsrechts. Es folgen mit dem engen sozialen Bereich die Individualsphäre/ Privatsphäre und schließlich mit dem allgemeinen Kontakt zu anderen die Sozialsphäre.71 Betrachtet man die Schutzwürdigkeit, so nimmt diese ausgehend von der Intimsphäre über die Privatsphäre und schließlich die Sozialsphäre bei einer Kollision mit anderen Rechten ab. Daher wiegen Eingriffe in die Sozialsphäre des Urheberpersönlichkeitsrechts am wenigsten schwer.
Sozialsphäre
Privatsphäre Kernbereich
Abbildung 16: Sphärenmodell des Urheberpersönlichkeitsrechts.
Grundlage für die Ermittlung der konkreten Ausformungen des Urheberpersönlichkeitsrechts ist die Person des Urhebers. Dabei sind auch irrationale Befindlichkeiten zu berücksichtigen, die Ausfluss der jeweiligen Persönlichkeit sind. Jedoch ist es Sache des Klägers, diese substantiiert darzulegen. Damit soll eine faktische Rücknahme der zu einem früheren Zeitpunkt übertragenen Verwertungsrechte vermieden werden. Verwertungsrechtliche Positionen können zwar mitgeschützt sein, sie bilden aber nicht den eigentlichen Schwerpunkt. Hierzu gehört ebenfalls ein sonst nicht in seiner Umgebung abgebildeter plötzlicher Gesinnungswandel. Es darf nicht nur eine Momentaufnahme vorliegen, die nur die streitbefangene Sache umfasst. Denn ein echter Grund zeigt seine Auswirkungen auch auf die Umgebung. Dabei ist die ganze Person betroffen und nicht nur ein Teil. Um eine Betroffenheit annehmen zu können, 71 Ipsen: Staatsrecht II Grundrechte, Rn 150ff.
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muss der Vorgang beim Urheberpersönlichkeitsrecht für die Person tiefgreifend und charakteristisch sein. Eine reine Vermutung bzw. Behauptung, der Verblichene könne dies so nicht gewollt haben, genügt nicht. Daher kann das Verhältnis zur Umgebung in solchen Momenten als Indiz für die Einschätzung gelten.
11.8 Recht am eigenen Bild Nicht mit dem Urheberrecht in seiner dogmatischen Begründung, wohl aber mit diesem im sachlichen Zusammenhang stehend, ist das Recht einer Person am eigenen Bild. Der auf dem Bild verewigten Person steht kein Urheberrecht zu. Denn als Abbild hat diese Person keine für das Urheberrecht erforderliche schöpferische Gestaltung erbracht. Als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist jedoch gem. § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) ein Recht am eigenen Bild anerkannt. Das Recht am eigenen Bild ist ferner Gegenstand des Datenschutzes. Nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten solche, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Zur Identifikation bei Fotografien kommt es, wenn der Betrachter eine Person anhand von Merkmalen dem Namen des Abgebildeten zuordnen können. Liegt eine Identifizierbarkeit vor, so besteht ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Ein solcher Erlaubnistatbestand kann sich aus Art. 6 Abs. 1 a-f DSGVO ergeben. Daher dürfen Personenfotos nur mit erfolgter Zustimmung der abgebildeten Person veröffentlicht werden. Das Recht am eigenen Bild erfasst im Falle von Personenportraits das Vorfeld der Entstehung eines Werks. Es gibt jedoch anerkannte Ausnahmefälle, in denen die Bilder auch ohne Erlaubnis der Abgebildeten veröffentlicht werden dürfen. Dazu gehören Bilder, auf denen Personen nur als Beiwerk zu sehen sind. Ein weiteres Beispiel ist das sog. Hausprivileg gem. Art. 2 Abs. 2 lit. c. DSGVO. Weiterhin Bildnisse von Personen der Zeitgeschichte. Aus welchem Grund diese Person eine entsprechende Berühmtheit erlangt hat, ist unerheblich. Hier besteht überragendes Interesse der Bevölkerung an Informationen durch die Abbildung. Ferner gehören Bilder dazu, die gem. § 23 Abs. 1 KUG einem höheren Interesse der Kunst dienen. Um nicht aus der Ausnahme einen Regelfall werden zu lassen, ist das „höhere Interesse der Kunst“ an der Abbildung in engen Grenzen zu verstehen. Weiterhin gehören Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Veranstaltungen, an denen die abgebildeten Personen teilgenommen haben, zu den Ausnahmefällen. Inzwischen geht man davon aus, dass rechtlich nicht relevant sei, wenn die abgebildete Person als Einzelne in einer Menge untergehe oder nur verdeckt erkennbar sei.72 Technische Maßnahmen zur Anonymisierung wie das Verpixeln des Gesichts 72 Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.01.2021, Az. 11 LA 16/20.
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sind nur dann ausreichend, wenn eine Identifikation nicht durch andere Merkmale wie beispielweise die Silhouette möglich ist.73 Denn für die Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Angelegenheiten findet die DSGVO keine Anwendung. Hier richtet sich eine Bewertung der Zulässigkeit nach Art. 2 Abs. 2 i.V.m. 1 GG. Entsprechend dem Erwägungsgrund 18 kann auch die Nutzung sozialer Netze und Online-Tätigkeiten als persönliche und familiäre Tätigkeit gelten. Hier ist richtigerweise einmal die Frage nach der Geschlossenheit der persönlichen, familiären Tätigkeit zu stellen. Denn was willentlich offen verbreitet wird, kann nicht gleichzeitig als persönliche und damit abgeschlossene, private Angelegenheit gelten. Bei analogen Fotografien findet die DSGVO keine Anwendung. Hier gelten die §§ 22f. KUG. Eine Abbildung kann als Beweismittel für eine rechtliche Auseinandersetzung gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO gerechtfertigt sein. Wie die Ausgestaltung in den Ausnahmefällen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO zeigt, sind die berechtigten Interessen der abgebildeten Personen zu wahren. Fall: Zu Marketingzwecken wird vom repräsentativen Bibliotheksgebäude eine Postkarte hergestellt. Auf dem Bild sind teilweise verdeckt und im Hintergrund einige Personen sichtbar. Ohne technische Hilfsmittel und weiterer Informationen sind diese aber nicht zu identifizieren. Lösungsskizze: Die Anfertigung und Verbreitung der Postkarte ist ohne die Einholung der Erlaubnis durch die abgebildeten Personen zulässig. Die besagten Personen sind auf dem Bild nur Beiwerk und nicht für das Bild prägend.
Das deutsche Recht kennt kein Recht am Bild der eigenen Sache.74 Jedoch können Abbildungen z.B. einer privaten Wohnung oder von Geschäftsräumen aus anderen Gründen rechtswidrig sein.
11.9 Rechtfertigungsgründe Eine Verletzung des Urheberrechts ist widerrechtlich, wenn die Nutzung nicht vom Berechtigten gestattet ist oder keine Schrankenregelung eingreift oder kein besonderer Rechtfertigungsgrund gegeben ist. Das Vorliegen der Tat stellt die Vermutung auf, dass die Tat auch rechtswidrig war. Diese Vermutung kann widerlegt werden. Jedoch hat der Verletzer für das Fehlen der Widerrechtlichkeit die Darlegungs- und Beweislast. Bei den Rechtfertigungsgründen handelt es sich um anerkannte Sonderfälle in Form von höherrangigen Rechten, Pflichten oder Geboten, bei denen trotz der Erfüllung des Tatbestandes die vorgesehene Rechtsfolge dennoch nicht eintreten soll. In Betracht kommen nur solche Rechte, Pflichten oder Gebote, die nicht zuvor schon 73 OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.01.2021, Az. 11 LA 16/20. 74 Vgl. OLG München, Beschluss vom 25.06.2019, Az. 24 W 700/19.
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in einer anderen Art und Weise berücksichtigt worden sind. Für die Rechtfertigungsgründe gilt der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. D.h. ist der jeweilige Rechtfertigungsgrund dem Wesen nach in einem Rechtsgebiet anerkannt, gilt er auch in den anderen Rechtsgebieten. Liegt ein bestimmter Rechtfertigungsgrund nahe, so ist das Vorliegen seiner Voraussetzungen zu prüfen. Beispiel: In der historischen Stadtbücherei bricht ein Feuer aus. Der im oberen Stockwerk vom Feuer eingeschlossene Bibliotheksbenutzer B nimmt die Skulptur des Künstlers K, um das Fenster zu zertrümmern und rettet sich dadurch aufs Dach. Dabei geht die einmalige und preisgekrönte Skulptur des K zu Bruch. Lösungsskizze: K hat den Tatbestand der Sachbeschädigung gem. § 303 StGB sowohl am Fenster als auch an der Skulptur begangen. Hier ist K sowohl gegenüber dem Eigentümer des Fensters, gegenüber dem Eigentümer des physischen Exemplars der Skulptur als auch gegenüber dem Künstler K als Urheber gem. § 228 BGB wegen gerechtfertigt, da er das höherwertige Gut Leben und Gesundheit geschützt hat.
Eine Besonderheit ist der in § 95a Abs. 4 UrhG geregelte Fall der Selbsthilfe für öffentliche Stellen zum Zwecke des Schutzes der öffentlichen Sicherheit, der Strafrechtspflege sowie der Kulturerbe-Einrichtungen. Hier dürfen ausnahmsweise technische Schutzmaßnahmen umgangen werden. Es handelt sich um einen Rechtfertigungsgrund. Die Selbsthilfe besteht damit aus zwei Teilen. Einmal der Umgehung der technischen Schutzmaßnahmen und zweitens aus der sich hierdurch anschließenden legitimierten Nutzung. Die Selbsthilfe gem. § 95a Abs. 4 UrhG ist eine Spezialnorm zu allgemeinen zivilrechtlichen Selbsthilfe gem. § 229 BGB. Die Spezialität liegt in der vorläufigen Gewährung eines einfachen Nutzungsrechts auf gesetzlicher Grundlage. Dagegen ermöglicht § 229 BGB kein einfaches Nutzungsrecht. Voraussetzung ist das Vorliegen der Umstände des § 61d UrhG. Danach dürfte keine repräsentative Verwertungsgesellschaft bestehen, die eine Zugänglichmachung lizensieren könnte.75 Schema: Umgehung technischer Schutzmaßnahmen 1. Kulturerbeinrichtung i.S.v. § 60d UrhG oder Aufgabe der öffentlichen Sicherheit oder Strafrechtspflege 2. Nicht verfügbares Werk i.S.v. § 52b VGG a. Werk ist der Allgemeinheit über einen üblichen Vertriebsweg nicht in vollständiger Fassung zugänglich b. Fehlender Ermittlungserfolg der Kulturerbeeinrichtung bei vertretbarem Aufwand c. Bei Veröffentlichungen in Büchern, Fachzeitschriften, Zeitungen, Zeitschriften und anderen verlegten Schriften Mindestdauer von 30 Jahren seit der letzten Veröffentlichung. 75 RegE BT Drucks 19/27426, S. 115.
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3. 4. 5. 6.
Keine repräsentative Verwertungsgesellschaft Trägermedium des Werks ist im Bestand der Kultureinrichtung Kein geringeres Mittel: Weg gem. § 95b Abs. 2 UrhG ist nicht möglich Eintragung des Werks in das Onlineportal des Europäischen Amtes für geistiges Eigentum 7. Information über das Onlineportal des Europäischen Amtes für geistiges Eigentum über die Nutzung 8. Information über Widerspruchsrecht während der gesamten Nutzungszeit 9. Kein Widerspruch Folge: Rechtfertigung des Umgehens der technischen Schutzmaßnahmen und Gewährung eines vorläufigen Nutzungsrechts, soweit dieses zur Aufgabenerfüllung tatsächlich benötigt wird. Die in § 95b UrhG geregelte Durchsetzung der Schrankenbestimmungen richtet sich gegen den Rechteinhaber und verpflichtet diesen in den gesetzlich vorgesehenen Fällen, Mittel zur Nutzung der Schrankenregelungen bereitzustellen. § 95b UrhG begründet somit eine Mitwirkungspflicht des Rechteinhabers in Bezug auf die gesetzlich vorgesehenen urheberrechtlichen Nutzungsmöglichkeiten. Nur dann, wenn ein Vorgehen gem. § 95b UrhG nicht erfolgreich ist, kommt eine Selbsthilfe auf Basis von § 95a Abs. 4 UrhG in Betracht. Daher ist § 95b UrhG bei der Prüfung von § 95a Abs. 4 inzident als konkretisierte Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Wie auch bei der allgemeinen Selbsthilfe gem. § 229 BGB dürften die Fälle einer zulässigen Anwendung von § 95a Abs. 4 UrhG eher gering ausfallen. Daher sollte vor im Alltag einer Informationseinrichtung vor der Umgehung einer technischen Schutzeinrichtung juristischer Rat eingeholt werden, ob die Voraussetzungen des § 95a Abs. 4 UrhG tatsächlich vorliegen. Das Hineinprojizieren politischer Wünsche in allgemeine, anerkannte Rechtfertigungsgründe genügt nicht, um mit den Einzelfallregelungen faktisch das Urheberrecht als solches umzuschreiben. Beispiel: Der Angestellte A ist der Bibliothek B beschäftigt. Im August ist der knappe Erwerbungsetat für Literatur in der Bibliothek B nahezu ausgeschöpft. Unter Berufung auf den geistigen Bildungsnotstand sieht A es als gerechtfertigt an, digitale Kopien aller in der Bibliothek vorhandenen geisteswissenschaftlicher Werke anzufertigen und sie offen über das Internet zu verbreiten. Die um sich greifende Ignoranz und geistige Unmündigkeit bedürfe seiner Meinung nach eines solchen Schrittes. Lösungsskizze: Die Schrankenregelungen von § 60b bzw. § 60e UrhG sind nicht einschlägig. Ein erfolgreiches Berufen auf den Notstand gem. § 904 BGB kommt hier ebenfalls aus mehreren Gründen nicht in Betracht. Es fehlt an einer zeitlich nah bevorstehenden Notstandslage. Denn es ist nicht ersichtlich, warum die Zeit so knapp gewesen sein soll, dass das Einholen von Einwilligungen in die Verbreitung unmöglich gewesen wäre. Monetäre Schwierigkeiten oder Sendungsbewusstsein zählen zudem nicht zu den anerkannten Rechtfertigungsgründen, um sich über das Verbreitungsrecht des Urhebers hinwegzusetzen.
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Als anerkannte Rechtfertigungsgründe kommen in Betracht: das Schikaneverbot gem. § 226 BGB, die Notwehr gem. § 227 BGB, erlaubte Selbsthilfe gem. §§ 229 ff. BGB, gesetzlicher Notstand, § 228 BGB bzw. § 904 BGB, erlaubte Umgehung technischer Schutzeinrichtungen gem. § 95a Abs. 4 UrhG und der nicht geregelte übergesetzliche Notstand. Die Rechtswidrigkeit wird auch durch eine Zustimmung gem. § 182 BGB ausgeschlossen. Diese kann sowohl als vorherige Einwilligung gem. § 183 BGB als auch als nachträgliche Genehmigung nach § 184 BGB erfolgen. Die Zustimmung und nicht die Rechtfertigungsgründe sind denn auch der Regelfall, weshalb eine Rechtswidrigkeit einer Beeinträchtigung der Interessen des Urhebers zu verneinen ist. In den Rechtfertigungsgründen werden jene Fälle erörtert, die sich ganz spezifisch gegen die vollständige oder teilweise Ausübung eines Nutzungsrechts wenden und nicht bereits über einen Ausschluss im Tatbestand erfasst werden können. Da die Rechtsprechung z.B. bei der Auslegung des Abwehrrechts gegen Entstellungen des Werks gem. § 14 UrhG zu einem Korrektiv in Form einer Interessenabwägung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal neigt, sind mögliche Rechtfertigungsgründe seltene Ausnahmefälle. Beim Verbreitungsrecht ist zu berücksichtigen, dass es nur so weit anwendbar ist, als dem kein Verbot oder sonstige Einschränkung auf Grund eines anderen Gesetzes wie das Verbot des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86a Strafgesetzbuch entgegensteht. Das gleiche gilt auch für Einschränkungen bei der Verbreitung jugendgefährdender Schriften nach dem Jugendschutzgesetz. Denn der Staat gewährt mit dem Urheberrecht durch § 14 UrhG ein Verbreitungsrecht. Gleichzeitig macht er von seinem Recht Gebrauch das Verbreitungsrecht an Medien mit bestimmten Inhalten einzuschränken oder ganz zu verbieten. Dieser Widerspruch ist aufzulösen. Um effektiv handeln zu und Missverständnisse klar ausschließen zu können, ist ein frühzeitiger Ausschluss bzw. eine Beschränkung des Verbreitungsrechts geboten. In Bibliotheken wirkt sich diese ganze oder teilweise Verneinung des Verbreitungsrechts darin aus, dass indizierte Medien nicht oder nur eingeschränkt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen. Der Grund liegt in dem Zusammentreffen von Gründen von Verfassungsrang, dem gewichteten zeitlich notwendigen Moment des frühestmöglichen Handelns und der Notwendigkeit eines einheitlichen effektiven Handelns. Durch die Berücksichtigung der Verbotsgesetze als Tatbestandsausschluss wird die erforderliche Einheit der Rechtsordnung gewahrt. Eine sonst mögliche, divergierende Entscheidung, ob es sich um das Urheberrecht oder um die Verbotsgesetze aus anderen Rechtsgebieten handelt, ist damit ausgeschlossen. In anderen Fällen, die ebenfalls Gründe von Verfassungsrang geltend machen können, besteht nicht der gleiche zeitliche Druck, um einen irreparablen Schaden zu vermeiden. Daher finden andere wichtige Interessen ihren Interessenausgleich in den vorgesehenen Schrankenregelungen. Ein Beispiel dafür ist die Regelung von § 45 UrhG als Schranke. Hier geht es um das Interesse der
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Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit und damit um Güter von Verfassungsrang. Beispiele für § 45 UrhG sind das Herstellen, Vervielfältigen und Verbreiten von Fahndungsfotos. Denn Einschränkungen des Urheberrechts auf Grund öffentlichen Interesses sind möglich. Umstritten ist jedoch, wie weit diese Einschränkungen gehen sollen. Dabei wird zwischen sachlichen und fiskalischen Gründen unterschieden. Solche Diskussionen sind notwendig, jedoch nicht in einem hervorgehobenen Maße gleichermaßen eilbedürftig. Bei Tatbestandsausschlüssen von Nutzungsrechten durch andere Gesetze geht es ausschließlich um die Abwehrbefugnisse des Staates. Teilhaberechte an einem Werk können auch durch die öffentliche Hand nicht auf diesem Wege begründet werden. Hierzu bedarf es einer Änderung der Schrankenregelungen. Soll die Verbreitungshandlung nicht durch den Urheber selbst, sondern durch einen gewünschten Rechtenachfolger erfolgen, kommen die zivilrechtlichen Schutzklauseln zu Gunsten der Allgemeinheit zum Tragen. Nach § 134 BGB kann ein Urheberrechtsvertrag nichtig sein, soweit er gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Ist der Urheberrechtsvertrag sittenwidrig, so folgt hieraus zwingend die Nichtigkeit. Mit den §§ 134, 138 BGB und der Folge der Nichtigkeit werden dem Urheber über das Zivilrecht alle Fremdverwertungsmöglichkeiten genommen.
11.10 Faktische und vertragliche Beeinträchtigungen des Schrankensystems Eine weitere Störung des Schrankensystems erfolgt durch den übermäßigen Einsatz von technischen Schutzmaßnahmen wie Kopiersperren. So werden neben den erlaubten Abwehrmaßnahmen auch Nutzungen verhindert, die der Gesetzgeber durch die Schrankenregelung eigentlich hat freistellen wollen.76 Hierin ist eine systematisch angelegte Bedrohung der Informationsfreiheit aus Art. 5 GG zu sehen.77 Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber Maßnahmen zum Schutz der Schrankenbestimmungen in § 95b UrhG geschaffen. Das einschneidenste Mittel ist die Möglichkeit eines Selbsthilferechts gem. § 95a Abs. 4 UrhG.78 Auch das zum Teil bestehende massive Ungleichgewicht bei Vertragsverhandlungen und Lizenzabreden kann zu einer Aushöhlung des Schrankensystems führen. Dies ist der Fall, wenn Lizenznehmer regelmäßig verpflichtet werden, auf die Ausübung der ihnen gesetzlich zustehenden Nutzungsmöglichkeiten zu verzichten. Treffen solche Vereinbarungen die
76 Schack, ZUM 2002, 504f. 77 Schack: a.a.O., § 15 Rn 538. 78 Siehe hierzu: Rechtfertigungsgründe in Kap. 11.9.
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Erlaubnistatbestände nach §§ 60a–60f UrhG, so sind die Verbote gem. § 60g UrhG unwirksam.
11.11 Ausgewählte Schranken in einzelnen Bereichen des wissenschaftlichen Arbeitens Neue geistige Güter werden regelmäßig in Auseinandersetzung mit älteren Werken anderer geschaffen. Damit profitiert auch und gerade der Urheber von der Meinungs-, Presse-, Kunst und Wissenschaftsfreiheit.79 Zentrale Plätze für den Austausch der Erkenntnisse und Meinungen sind Bibliotheken und Informationseinrichtungen mit ihren Serviceleistungen. Dabei werden elektronische Netzwerke hier ebenfalls als Informationseinrichtung im weiten Sinne angesehen. Denn ihr Zweck ist es, Informationen auszutauschen bzw. den Austausch zu ermöglichen. Zu den Grundlagen des Urheberrechts in seiner Gesamtheit mit Rechten und Schranken gehört die Förderung, nicht die Verhinderung der geistigen Auseinandersetzung. Daher werden in der Literatur die Schranken der §§ 48–50 UrhG, die Zitierfreiheit gem. § 51 UrhG und die Erleichterung für behinderte Menschen nach §§ 45a–45c UrhG80 besonders hervorgehoben. Die wirkungsvolle Umsetzung bzw. Mitwirkung an der Umsetzung der genannten Schranken gehört damit zu den zentralen Aufgaben für Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 UrhG dürfen Reden über Tagesfragen, die auf öffentlichen Versammlungen oder im Rundfunk gehalten wurden, frei vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben werden. Dem gleichgestellt sind Reden, die während einer öffentlichen Verhandlung vor staatlichen, kommunalen oder kirchlichen Organen gehalten worden sind. Eine Einschränkung der Berichterstattung erfolgt durch das in § 169 S. 2 GVG normierte Verbot von Rundfunk-, Ton- und Filmaufnahmen während der mündlichen Verhandlung im Gerichtsverfahren und der Urteilsverkündung. Damit sollen medienwirksame Inszenierungen und Schauprozesse verhindert werden. Die Durchbrechung dieses Verbots wurde in den letzten Jahren mehrfach höchstrichterlich gebilligt, dennoch besteht es fort. Auf eine Fortsetzung der bisherigen Ausnahmen kann nicht vertraut werden. Auch die Vervielfältigung eines Redemanuskripts, bevor die Rede gehalten worden ist, ist ohne vorherige Zustimmung unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn die Manuskripte für Presseorgane zum Mitlesen vorab verteilt werden. Für eine Zitierung gilt für die Rede ausschließlich das gesprochene Wort bzw. die nach der Rede folgende Billigung des Textes. Ein Manuskript ist vor der eigentlichen Handlung lediglich eine naheliegende Absicht bzw. Vorbereitungshandlung, nicht aber die Handlung selbst. Es ist die Entscheidung des 79 Schack: a.a.O., § 15 Rn 540. 80 RegE BT Drucks. 15/38, S. 18.
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Redners, spontan vom Manuskript abzuweichen und frei zu sprechen. Sammlungen von Reden, die überwiegend vom selben Urheber gehalten wurden, bedürfen gem. § 48 Abs. 2 UrhG dessen Zustimmung.81 Nach § 49 Abs. 1 S. 1 UrhG ist die Vervielfältigung und Verbreitung einzelner Zeitungsartikel mit gegebenenfalls dazugehörigen Abbildungen sowie von Rundfunkkommentaren durch traditionelle Pressespiegel gestattet. Inhaltlich müssen die Artikel „politische, wirtschaftliche oder religiöse Tagesfragen“ betreffen. Dabei besteht eine Tendenz; die Tagesthemen relativ umfangreich zu sehen.82 Sinn der Norm ist die Förderung der Diskussion über aktuelle gesellschaftliche Fragen. Dabei stellt § 49 Abs. 2 UrhG klar, dass Neuigkeiten nicht urheberrechtlich geschützt sind. Andererseits wird klargestellt, dass lediglich Reden über Tagesfragen freigegeben sind. Nicht erfasst sind damit wissenschaftliche Referate, Dichterlesungen oder satirische Veranstaltungen. § 49 Abs. 1 UrhG gestattet die Erstellung von Vervielfältigungen und Verbreitungen zum Zwecke physischer Pressespiegel. Elektronische Pressespiegel sind nach Auffassung des BGHs nur dann von § 49 Abs. 1 UrhG erfasst, wenn sie in ihrer Funktion und Nutzungsmöglichkeit dem physischen Pressespiegel in den wesentlichen Punkten entsprechen.83 Hierzu sind laut BGH folgende Kriterien zu erfüllen: Zunächst darf die elektronische Version nur ein Ersatz einer physischen Ausgabe sein. Es findet daher ein Verzicht auf weitergehende Recherche- und Archivierungsmöglichkeiten statt. Ferner ist das Verbreitungsgebiet auf das jeweilige Unternehmen oder die jeweilige Behörde zu beschränken.84 Erfolgt die Berichterstattung über Tagesereignisse durch Bild und Ton, so ist § 50 UrhG85 einschlägig. Ein Tagesereignis ist jedes aktuelle Geschehen, das für die Öffentlichkeit von allgemeinem Interesse ist.86 Dabei ist die Aktualität gewahrt, solange ein Bericht darüber von der Öffentlichkeit noch als Gegenwartsberichterstattung empfunden wird.87 Bestehen Zweifel an der fortdauernden Aktualität der Ereignisse, so gehen diese zu Lasten des Verwerters. Er trägt die Beweislast für die ihm günstige Eingriffsregelung des § 50 UrhG.88 Eine Einschränkung des Urheberrechts durch § 50 UrhG erfolgt zweckgebunden und ist durch den Zweck begrenzt. Eine Kurzberichterstattung umfasst nicht die Übertragung des gesamten Programms oder umfassender Teile.89 Nach der Rechtspre81 Siehe auch Art. 2bis III RBÜ. 82 BGH, GRUR 2005, 670, 671f (Wirtschaftswoche). 83 BGH, ZUM 2002, 417, 419 (Elektronischer Pressespiegel). 84 BGH, ZUM 2002, 417, 419 (Elektronischer Pressespiegel). 85 Vgl. Art. 10bis II RBÜ. 86 BVerfG, MMR 2012, 177, 178 (Kunstausstellung im Onlinearchiv); BGH, NJW 2002, 3473, 3474 (Zeitungsbericht als Tagesereignis). 87 BGH, NJW 2002, 3473, 3474 (Zeitungsbericht als Tagesereignis); OLG Köln, GRUR-RR 2010, 151. 88 OLG Stuttgart, NJW-RR 1986, 220, 221 (Arbeitgeber-Lichtbild). 89 OLG Frankfurt/M, GRUR 1985, 380, 382 (Operneröffnung – 40minütige Übertragung).
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chung90 zulässig, wenn auch in der Literatur91 kritisiert, ist die Verwendung von Archivstatt aktuellen Bildern. Der Einwand der Literatur richtet sich gegen das Verwischen der Grenzen bei Bildzitaten. Zu den bekanntesten Schranken des Urheberrechts gehört die Zitierfreiheit, geregelt in § 51 UrhG. Bei der Zitierfreiheit handelt es sich mit Art. 10 I RBÜ um die einzige in der Revidierten Berner Übereinkunft zwingend vorgesehene Schranke. Wegen der internationalen Verpflichtung hat der deutsche Gesetzgeber auch bei einer Reform des Urheberrechts diese Schranke zu beachten oder seine internationale Zusammenarbeit grundlegend zu überdenken. Wie die Formulierung insbesondere zeigt, ist die Aufzählung in § 51 S. 1 UrhG beispielhaft und nicht abschließend. Mögliche andere Zitierweisen bedürfen aber gleichwertiger Standards. § 51 S. 1 Nr. 1 UrhG benennt das Großzitat. Dies ist die Übernahme einzelner Werke. § 51 S. 1 Nr. 2 UrhG erwähnt das Kleinzitat. Dabei geht es um die Übernahme von Stellen eines Werks. Das Musikzitat ist in § 51 S. 1 Nr. 3 UrhG geregelt. Gemeinsame Voraussetzung bei allen Varianten ist, dass sie ausschließlich dem Urheber eines neuen Werks zugutekommen. Das neue Werk muss demnach selbst urheberrechtlich schutzfähig sein.92 Wesensmerkmal eines Zitates ist die Belegfunktion. Diese ist eine innere Verbindung zwischen dem eigenem und fremdem Werk. Daher ist ein Zitat nur zur Unterstützung der eigenen Auffassung einzusetzen.93 Eine reine Wiedergabe des Ursprungswerks genügt nicht. Vielmehr ist das Ursprungswerk das Objekt der geistigen Auseinandersetzung.94 Ein Aussparen eigener Ausführungen durch den Ersatz des Ursprungswerks ist daher unzulässig.95 Ein Ersatz liegt dann vor, wenn das Ursprungswerk das neue Werk über weite Strecken selbstständig trägt.96 Dabei ist bei der Frage nach dem zulässigen Umfang des Zitats auch die Art der Verwendung zu berücksichtigen. Als Beispiel werden hier Zitate in Vorlesungsskripten genannt, die durchaus noch mit § 51 UrhG vereinbar sind, die bei einer allgemeinzugänglichen Publikation im Internet eben nicht mehr von § 51 UrhG gedeckt sind.97 Kernbestandteil eines Zitats ist, dass es als solches erkennbar ist. Dies ist nicht mehr gegeben, wenn es ununterscheidbar in einem fremden 90 BGHZ 85, 1, 7. 91 Schack: a.a.O., § 15 Rn 544; Schricker; Vogel: a.a.O., § 50 Rn 19. 92 Schricker: a.a.O., § 51 UrhG Rn 20; LG Hamburg, ZUM 2009, 315, 322 (Thumbnails); a.A. Dreier; Schulze: a.a.O., § 51 Rn 24; OLG Jena, MMR 2008, 408, 410. 93 BGHZ 50, 147, 155 (Kandinsky I); OLG Köln, GRUR 1994, 47, 48f (Filmausschnitt); KG NJW, 2003, 680, 682 (Das Leben, dieser Augenblick); Maaßen, ZUM 2003, 835f. 94 BGHZ 175, 135, 147; (TV Total – Realsatire); BGH, GRUR 1986, 59, 60 (Geistchristentum); OLG Brandenburg, NJW 1997, 1162, 1163 (Stimme Brecht); OLG Hamburg, NJW-RR 2003, 112, 115f (Foto des Maschinenmenschen); LG München I, ZUM 2009, 678, 679 (Typisch München). 95 OLG München, ZUM 1994, 362, 365 (Mit Bewusstsein zum Erfolg); KG, GRUR 1970, 616, 618 (Eintänzer); LG Berlin, GRUR 2000, 797 (Screenshots) – ebenso OLG München, ZUM 1998, 417, 419 (Stimme Brecht – aufgehoben durch BVerfGE) Schack: a.a.O. § 15 Rn 545. 96 BGH, GRUR 1982, 37, 40 (WK Dokumentation). 97 Schack: a.a.O., § 15 Rn 545; LG München I, ZUM 2005, 407, 409f. (Karl Valentin) mit Anm. Taubner.
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Werk integriert ist.98 Weitere Voraussetzung ist die Angabe der Quelle, soweit dies gem. § 63 UrhG möglich ist.99 Zu letzterem gehört neben dem Werktitel die Angabe des Namens des Urhebers und gegebenenfalls des Verlags. Verwendet der Urheber der Quelle ein Pseudonym oder einen Künstlernamen, so kann dieser als Namensersatz für die Nennung verwendet werden. Ob eine Quellenangabe möglich ist, ergibt sich aus § 63 UrhG. Wird eine mögliche Quellenangabe unterlassen, wird hierdurch das Zitat unzulässig.100 Dies wurde durch den EuGH ausdrücklich klargestellt, der im Fehlen einer möglichen Quellenangabe einen Verstoß gegen das Urheberrecht und keinen reinen Formfehler sieht.101 Die Pflicht zur Quellenangabe kennt auch Ausnahmen. Diese sind in § 63 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2 UrhG genannt. –– Wenn die Quellenangabe nicht auf dem benutzten Werkstück oder der benutzten Widergabe genannt wird. Hiermit wird der Rechercheaufwand begrenzt (und Abmahnungen mit versteckten Angaben der Boden entzogen. –– Wenn die Quelle dem nur Nutzung Berechtigten nicht anderweitig bekannt ist. Hiermit werden als Gegenausnahme wieder jene Fälle eingeschlossen, bei denen die Quelle sich aus anderen Umständen als der Markung auf dem Gegenstand bzw. in der Wiedergabe ergibt. –– Wenn in Fällen des § 60a oder des § 60b UrhG zu Prüfungszwecken ein Verzicht auf die Quellenangabe erforderlich sind. In den Gesetzesmaterialien wird als Beispiel der seltene Fall genannt, dass bei einer Prüfung eine Recherche nach dem Autor eines Textes durchgeführt werden soll.102 Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 Buchstabe a InfoSoc-RL 2001/29/EG, sowie dem Gebot eines fairen Prüfungsverfahrens ist hier zwischen der Durchführung der Prüfung und den nachgelagerten Verfahren wie dem Recht auf Einsicht in die Prüfungsunterlagen, der Besprechung der Prüfung etc. zu unterscheiden. Die weitere Nichtnennung der Quelle der Prüfungsaufgabe ist hier nicht mehr erforderlich. Der Wunsch des Prüfers, Arbeitsersparnis durch Übernahme fremder Werke zu kaschieren, ist nicht schützenswert. Ferner ist das in § 62 UrhG niedergelegte Änderungsverbot einzuhalten. Das Großzitat gem. § 51 S. 2 Nr. 1 UrhG greift besonders stark und besonders weit in die Rechte des Urhebers ein. Daher ist es an zusätzliche und damit qualifizierte Voraussetzungen geknüpft. So hat das zitierende Werk wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen und der „Erläuterung des Inhalts“ dienen.103 Der Wunsch mit fremden Federn das 98 Wandtke: a.a.O., 5. Kap. Rn 12. 99 Wandtke: a.a.O., 5. Kap. Rn 12. 100 Wandtke: a.a.O., 5. Kap. Rn 12; Schricker; Loewenheim; Schricker-Spindler: a.a.O., § 51 Rn 15. 101 EuGH, GRUR 2012, 166 (Painer). 102 BR-Drucks. 312/17 zu § 22 (§ 63) S. 49. (Bundesrat zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung). 103 BGHZ, 50, 147, 158ff. (Kandinsky I); OLG München, ZUM 1989, 529, 531.
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eigene Werk auszuschmücken genügt nicht.104 Bei diesen Formen der Anreicherung geht es in erster Linie um die Übernahme fremder Stellen und nicht um die eigenen Erläuterungen. Neben Textstellen können auch Bilder zitiert werden. Dies wird durch § 51 S. 3 UrhG klargestellt. Es ist ein innerer Zusammenhang zwischen den beiden Werken und eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Bild erforderlich. Dabei kommen zwei unterschiedliche Zitierarten in Betracht. So kann das Bild in einem Sprachwerk zitiert werden. Voraussetzung ist jedoch, dass das Bild nicht verändert wird. Es besteht ein strenges Änderungsverbot. Bereits Einfärbungen und Schnitt sind regelmäßig nicht zulässig.
Eigenes Werk Echtes Zitat: Der Schöpfer will nur den Weg zum wahren Schöpfer der entsprechenden Stelle verweisen.
Eigenes Werk Unzulässiges Zitat: Der fremde Schöpfer wird als Zulieferer missbraucht. Abbildung 17: Zitat und dahinterstehende Absicht.
Wird das geschützte Werk dagegen in einem grafischen Kunstwerk verwendet, so reicht das Zitatrecht gem. § 51 S. 2 Nr. 2 UrhG weiter als bei der Benutzung in einem nicht künstlerischen Sprachwerk. Dies begründet sich in der Berücksichtigung der Kunstfreiheit gem. Art. 3 Abs. 3, S. 1 GG.105 Dabei genügt es jedoch nicht, lediglich eine künstlerische Technik wie eine Collage oder Montage einzusetzen.106 Notwendig ist eine erkennbare Auseinandersetzung mit eigenem und fremdem Kunstwerk. Bei der Verwendung von mehreren Werken in einem Kunstwerk sind die Voraussetzungen des Zitatrechts jeweils gesondert zu prüfen. Bei Überschreitung des Zitatzwecks ist das gesamte Zitat unzulässig.107 In jedem Fall hat eine korrekte Quellenangabe zu erfolgen.
104 Schack: a.a.O., § 15 Rn 546. 105 Von Ungern-Sternberg: Die Rechtsprechung des EuGH und des BGH zum Urheberrecht, GRUR 2013, 255; BGH, GRUR 2012, 819 Rn 14 (Blühende Landschaften). 106 BGH, GRUR 2012, 819 Rn 16 (Blühende Landschaften). 107 BGH, GRUR 2012, 819 Rn 22 (Blühende Landschaften).
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Eine inhaltliche Auseinandersetzung findet statt, wenn der auch bei nur kurzen Betrachtung erkennbare Kerngehalt der Abbildung sich in der Auseinandersetzung wiederfindet. Folgerungen oder weitläufige Assoziationen genügen hierfür nicht. Beispiel: Zum Thema Fake-News wird auf das Thema Eisengehalt im Spinat eingegangen. Hier ist wäre unter Angabe der Quelle die Übernahme einer alten Abbildung, in der der Eisengehalt von Spinat mit 10 Prozent dargestellt wird, eine inhaltliche Auseinandersetzung. Wird zur Auflockerung der Präsentation eine Darstellung mit Popeye, dem spinatessenden Seemann verwendet, genügt dies nicht, da die Comicfigur nicht Gegenstand der wissenschaftlichen Falschmeldung ist. Im folgenden Schritt ist daher eine Rechtekontrolle durchzuführen. Die Comicfigur ist 2009 und damit 70 Jahre nach dem Tode ihres Schöpfers Elzie Crisler Seger in vielen Staaten gemeinfrei geworden. Nicht gemeinfrei sind hingegen spätere Werke wie Filme, die Popeye zum Gegenstand haben, für die jedoch noch ein Leistungsschutzrecht z.B. am Film besteht. Daher kann eine gemeinfrei gewordene Abbildung von Popeye in einer auflockernden Darstellung zum Thema Fake-News verwendet werden.
Das Erfordernis des Quellennachweises sowie das Veröffentlichungsrecht des Urhebers führen dazu, dass nur erschienene oder veröffentlichte Werke zitiert werden können. Daher können nicht veröffentlichte Manuskripte, Briefe oder Prüfungsarbeiten nicht zitiert werden. In Österreich besteht die Zitierfreiheit gem. § 42 Abs. 1 Z 1 und § 5 öUrhG auch für urheberrechtlich geschützte Bilder. Auch hier gelten mit dem erforderlichen Erscheinen gem. § 9 öUrhG und der notwendigen inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Abbildung die gleichen Kriterien wie in Deutschland. Beispiel: S schreibt seine Masterarbeit über Kommunikationsmodelle. Hierzu möchte er die Abbildung eines von ihm erörterten Modells aus einer Fachzeitschrift übernehmen. Wegen der inhaltlichen Auseinandersetzung ist dies auch ohne Einholung einer Erlaubnis möglich, sofern er sich an die Zitierregeln hält und vor allem den Urheber und die Quelle nachvollziehbar nennt.
Hinsichtlich der Verwendung von Thumbnails besteht ein mehrfach gerichtlich überprüftes Privileg der Suchmaschinenbetreiber und vergleichbarer Dienste.108 Diese sammeln Bilder, die auf anderen Servern gespeichert sind, ein (harvesten) und stellen sie als Vorschaubilder online. Dagegen gilt das Privileg nicht für Digitalisate, die erstmals online präsentiert werden. Hier richten sich die Möglichkeiten nach den allgemeinen Schrankenbestimmungen. Im Schweizer Recht sind Bildzitate ebenfalls nicht ausdrücklich geregelt. Die allgemeine Vorschrift für Zitate befindet sich in URG Art. 25. Ob Bildzitate daher zulässig sind, ist umstritten.109 Überzeugender ist die Ansicht wegen des allgemeinen Wort108 BGH, GRUR 2010, 628 (Thumbnail). 109 Gegen Bildzitat: Barrelet; Egloff: a.a.O.; für Bildzitat: Studer; Blum; Scheri: Urheberrecht für Medienschaffende in der Schweiz.
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lauts von URG Art. 25 Bildzitate auch in der Schweiz zuzulassen. Gem. URG Art. 25 Abs. 2 ist das Zitat als solches zu kennzeichnen und die Quelle anzugeben. Soweit der Urheber in der Quelle genannt wird, ist dieser ebenfalls aufzuführen. Nicht von URG Art. 25 umfasst ist das sog. Paraphrasieren. Hierbei handelt es sich um eine sinngemäße Wiedergabe oder Zusammenfassung der Quelle mit eigenen Worten. Wird das Zitiergebot gem. URG Art. 25 bzw. Art. 28 Abs. 2 missachtet, so kann auf Antrag ein Bußgeld verhängt werden. Werden Fälle der Zitierfreiheit überschritten, so kann nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in Sonderfällen ein unmittelbares Berufen auf die garantierte Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG erfolgreich sein. So kann die kunstspezifische Betrachtung eines neuen Werks ergeben, dass die Übernahme aus dem alten Werk trotz der Grenze des § 51 UrhG als künstlerisches Gestaltungsmittel oder zum Transport der eigenständigen künstlerischen Aussage durch die Kunstfreiheit gedeckt ist.110 Ein unmittelbarer Rückgriff auf die Grundrechte ist als Ultima Ratio nur in seltenen Ausnahmefällen bei besonders künstlerischen Werken gegeben.111 Soweit Bilder urheberrechtlich oder leistungsschutzrechtlich geschützt sind und die Zitierfreiheit nicht einschlägig ist, sind folgende Alternativen möglich. –– Da die Idee selbst nicht geschützt ist, kommt das Erstellen von eigenen Abbildungen in Betracht. Gegen eine eigene Fotografie desselben Motivs bestehen grundsätzlich keine Einwände, denn die Idee, gerade dieses Motiv zu verwenden, ist nicht geschützt. Soweit Personen fotografiert werden, sind die §§ 22ff. KUG zu beachten. Bei Zeichnungen ist das Aufgreifen der inhaltlichen Idee zulässig, nicht hingegen die Übernahme der konkreten grafischen Charakteristika. Daher ist auch das Abzeichnen einer bekannten Comicfigur mit leichten grafischen Nuancen lediglich eine erlaubnispflichtige Bearbeitung. Ob nur eine erlaubnispflichtige Bearbeitung oder ein eigenständiges Werk vorliegt, hängt vom gestalterischen Spielraum ab.112 Die beispielhafte Idee eines Osterhasen im Weihnachtsmannkostüm lässt sich höchst unterschiedlich darstellen. Anders hingegen, wenn ein wissenschaftliches Modell in Form einer Viererbeziehung dargestellt werden soll. Hier sind die grafischen Möglichkeiten eines Vierecks mit geraden Seitenlängen im Wortlautsinne mit Quadrat, Rechteck, Raute, Parallelogramm begrenzt. Solche Einschränkungen des Gestaltungsspielraums sind bei der Frage der Neuschöpfung unschädlich. –– Framing. –– Beschreibung des Bildes mit Worten. –– Hinweis auf nähere Erläuterung mit Quellenverweis/ Verlinkung mit Quellenhinweis.
110 BVerfG GRUR 2001, 149 (Germania 3). 111 Germania 3 – vgl. Wandtke: a.a.O., 5. Kap. Rn 12. 112 Siehe auch Kap. 7.1.8.
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Durch § 53 UrhG werden Vervielfältigungen für den privaten und sonst eigenen Gebrauch gestattet. Dem entspricht in der Schweiz URG Art. 19. Die Nutzungshandlung nennt sich dort „Eigengebrauch“ und ist mit URG Art. 19 Abs. 3, 20 Abs. 1 relativ weit gefasst. Ziel der Regelung ist die Teilnahme am kulturellen Leben auch für diejenigen, die nicht in der Lage sind, eigene Vervielfältigungsstücke käuflich zu erwerben.113 Als weiterer Grund wird angeführt, dass ein Verbot effektiv nicht durchgesetzt werden könnte. Bei einem wirkungslosen Verbot leide die Autorität des Gesetzgebers.114 Dagegen begründet § 53 UrhG keinen Anspruch des Nutzers, ein kopierfähiges Werk zu erhalten. Denn die Nutzungsmöglichkeit Kopien zu erstellen, wird nicht angeboten. Daher ist es fehlgehend, wenn im Alltag von der Verhinderung eines Kopierrechts gesprochen wird. Privater Gebrauch bezieht sich auf die Verwendung innerhalb des Familien- oder engeren Freundeskreis. Ausgeschlossen ist ein Gebrauch zu Erwerbszwecken. Ebenfalls ausgeschlossen sind von § 53 Abs. 1 UrhG berufliche, dienstliche und Ausbildungszwecke.115 Solche werden gegebenenfalls von § 53 Abs. 1 S. 2 UrhG erfasst. Nach Ansicht der Rechtsprechung liegt die Zahl der „einzelnen Vervielfältigungsstücke“ i.S.v. § 53 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG bei sieben Stück.116 Eine nähere Begründung der Zahl ist nicht in den folgenden Gesetzesreformen erfolgt. Zahlen wie diesen liegt ursprünglich ein konkreter Fall zu Grunde. Die Zahl wird über den Weg der Zitation der Gerichtsentscheidung allmählich abstrahiert und schließlich für anerkannt angenommen. Eine sachliche Begründung der so entstehenden Zahlen ist eher selten. Wegen der Tendenz, Grenzen durch gerichtliche und außergerichtliche Verfahren auszutesten, sind solche gerichtlichen willkürlichen Grenzen als konkreter Anhaltspunkt aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens gerechtfertigt. Unter der Voraussetzung des eigenen Gebrauchs ist unter engen Voraussetzungen gem. § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 2–4 UrhG die Herstellung von Vervielfältigungsstücken gestattet, wenn sie zur Aufnahme in ein eigenes Archiv oder zur eigenen Unterrichtung über Tagesfragen oder zum sonstigen eigenen Gebrauch bestimmt sind. Ein in § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG erwähntes Kriterium ist das Erfordernis der Gebotenheit. Eine Gebotenheit ist zu verneinen, wenn das benötigte Material ohne weiteres erworben oder über eine Bibliothek ausgeliehen werden kann. Grundsätzlich gehört auch die Beschaffung über eine Fernleihe oder den Dokumentlieferdienst noch zu den zumutbaren Handlungen. Eine Ausnahme kann gegeben sein, wenn die voraussichtliche Dauer einer Fernleihe oder Dokumentenlieferung das For113 Schack: a.a.O., § 15 Rn 553. 114 Schack: a.a.O., § 15 Rn 553. 115 BGH GRUR 1984, 54 (Kopierläden). 116 BGH, GRUR 1978, 474, 476 (Vervielfältigungsstücke). Flexibler OGH, GRUR Int. 1984, 857, 859 (Nullnummer – 19 Exemplare für eine Redaktionskonferenz).
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schungsprojekt verhindern oder zumindest ernsthaft gefährden würde. Steht der Kaufpreis für eine Vervielfältigung in keinem Verhältnis, so kann auch das geforderte Entgelt das Erfordernis der Gebotenheit in § 53 UrhG begründen.117 Der eigene Gebrauch schließt die Weitergabe an Außenstehende aus. Jedoch ist der eigene Gebrauch innerhalb einer Behörde oder eines Unternehmens gegeben.118 Gleiches gilt gem. § 60c UrhG für ein Forschungsteam oder für ein Peer-Review-Verfahren. Dagegen ist das Einstellen auf der Webseite eines wissenschaftlichen Verbands, deren Mitglieder sich lediglich über den Verband bekannt sind, weder von § 53 noch von § 60c UrhG gedeckt. Fall: Professor P hat in einer wissenschaftlichen Zeitschrift ein einschlägiges Foto entdeckt. Dieses scannt er ein und mailt es seinem Assistenten zu, damit dieser es für die in die laufenden Forschungsarbeiten verwendet. Anschließend versendet er das Foto zusätzlich über einen Verteiler an alle Mitglieder des deutschlandweiten Vereins Forschung Mikrobiologie e.V. Lösungsskizze: Während der Versand an den Assistenten von § 60c Abs. 1, 3 UrhG gedeckt war, ist die Verbreitung durch den Versand an die Mitglieder des Vereins Forschung Mikrobiologie e.V. nicht mehr von der Schranke des § 60c UrhG umfasst. Hier wäre eine Zustimmung des Rechteinhabers am Bild erforderlich gewesen.
Der Begriff der Wissenschaftlichkeit ist weit zu verstehen. Hierunter fallen nicht nur die Arbeiten von Personen, die einen wissenschaftlichen Beruf ausüben, sondern von jedermann, der sich wissenschaftlicher Methoden bedient. Fall: Hobbyforscher H findet im Onlinearchiv der Stadtbibliothek einen Artikel in der Fachzeitschrift ‚Geschichte in Franken‘, den er zunächst herunterlädt und anschließend ausdruckt. Den Artikel will er als Grundlage für seine eigene Veröffentlichung im Heimatteil der lokalen Zeitung nutzen. Lösungsskizze: Sowohl das Herunterladen als auch das Ausdrucken sind eigenständige Vervielfältigungshandlungen. An sich berühren beide Vervielfältigungshandlungen des Artikels das Urheberrecht des Autors und wären daher zustimmungspflichtig. Wegen des Forschungsprivilegs in § 60c Abs. 3 UrhG ist in beiden Fällen die Zustimmung als Ausnahme nicht erforderlich.
Bibliotheken in der Schweiz sind hingegen berechtigt, einzelne Aufsätze aus wissenschaftlichen Zeitschriften einzuscannen und per E-Mail an Benutzer zu versenden. Nach Ansicht des Schweizer Bundesgerichts ist es unerheblich, ob ein Benutzer für seinen Eigengebrauch gem. URG Art. 19 eine Kopie anfertigt oder ob die Bibliothek auf aktives Nachfragen für den Benutzer tätig wird. Unzulässig ist jedoch das Vorrätighalten und Anbieten von eingescannten Artikeln.119 117 Fromm; Nordemann: a.a.O., § 53 Rn 6. 118 Schack: a.a.O., § 15 Rn 559. 119 Bundesgericht Urteil vom 28.11.2014 Az.: 4A 295/2014 (Versand von Zeitschriftenartikeln).
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
Im deutschen Recht gewährt § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG ein Recht zur Erstellung einer Kopie, damit diese in ein eigenes Archiv aufgenommen wird. Für öffentliche Archive hingegen gilt § 60f UrhG, der auf § 60e Abs. 1–4 UrhG verweist. Die Erlaubnis, Kopien für den eigenen Gebrauch zu erstellen, steht ferner unter dem Vorbehalt, dass die Vorlage nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellt wurde. Ein offensichtlich rechtswidriges Angebot liegt vor, wenn auf einem Zweitmarkt außerhalb des regulären Einzelhandels vor dem offiziellen Angebot im regulären Handel ein Angebot erfolgt. Beispiel: Bei „Spiele der Wahnsinnigen“ handelt es sich um einen sehr erfolgreichen Fortsetzungsroman. Der weltweite Verkauf des dritten Bandes ist für den 15. Dez. 2021 angekündigt. Die OnlineBuchhandlung Anonymus bietet Verkauf und Versand des dritten Bandes bereits am dem 1. Nov. 2021 an. Ein Vertrieb vor dem offiziellen Erscheinungsdatum spricht für ein offensichtlich rechtswidriges Angebot. Damit sind auch Kopien von diesen Exemplaren unzulässig.
Dagegen kann ein kostenfreies Angebot eines Werkexemplars neben den sonst nur kostenpflichtigen Angeboten zwar Zweifel an der rechtmäßigen Erstellung begründen, eine Offensichtlichkeit wird hier noch nicht begründet. Denn es sind auch die Möglichkeiten und Spielräume einer regulären Zweitverwertung bzw. Marktsegmentierung zu berücksichtigen. Ansonsten besteht eine große Grauzone. Allein der Kauf von einer Privatperson genügt nicht, um die Rechtsverletzung für offensichtlich zu halten. Vielmehr kommt es auf weitere Indizien einer subjektiven Kenntnis an. § 53 Abs. 4 UrhG enthält ein absolutes Kopierverbot für Musiknoten120 und für die im Wesentlichen vollständigen Vervielfältigungen eines Buches oder einer Zeitschrift. Eine Ausnahme gilt für die Vervielfältigung eines Buches oder einer Zeitschrift nur dann, wenn das Werk seit mindestens zwei Jahren vergriffen ist. Ob ein Werk vergriffen ist, ist durch eine Abfrage im Verzeichnis der lieferbaren Bücher festzustellen. Ferner ist eine Anfrage beim Verlag bzw. Herausgeber erforderlich, ob eine Neuauflage erwartet werden kann. Ebenso ist die manuelle Vervielfältigung von grafischer Aufzeichnungen der Musik durch Abschreiben gestattet. Abschreiben ist die manuelle Wiedergabe eines Textes. Dazu können auch Hilfsmittel verwendet werden, soweit der manuelle Charakter erhalten bleibt. So kann ein Abschreiben sowohl handschriftlich als auch durch eine manuelle Eingabe in eine Computertastatur erfolgen. Ein Einscannen, Abfotografieren etc. ist jedoch ausgeschlossen.121
120 Schack: a.a.O., § 15 Rn 561; Stroh: Der Rechtsschutz von Musiknoten vor unerlaubter Vervielfältigung; OGH, GRUR Int 1995, 729, 730; die Herstellung von drei Kopien durch eine Musiklehrerin ist anders als durch § 42 I öUrhG, durch Art. 9 II RBÜ nicht mehr gedeckt. 121 Lüft in: Wandtke; Bulliger: a.a.O., § 53 Rn 35.
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Fall: Berufspianistin M findet in der Stadtbibliothek Musiknoten eines zeitgenössischen Komponisten. Da ihr nur ein Stück zusagt, möchte sie dieses kopieren, um es an einem Klavierabend in einem Café aufzuführen. Den Hinweis auf das Kopierverbot der Bibliothekarin hält sie für kleinkariert, kunstfeindlich und ungerecht. Insbesondere fordert sie eine Gleichbehandlung gegenüber dem Hobbyhistoriker, der kurz vorher aus einem Buch Kopien einzelner Seiten angefertigt habe. Lösungsskizze: Bei Musiknoten greift das Kopierverbot gem. § 53 Abs. 4 UrhG. Der Gesetzgeber hat diesen Fall bewusst als eigenständig erkannt und geregelt. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist das Kopieren von Musiknoten etwas „anderes“ und damit keine willkürliche Ungleichbehandlung gegenüber den Kopien aus einem Geschichtsbuch. Ihr ist jedoch ein Abschreiben der Musikstücke gestattet.
Neben den eher allgemein gehaltenen Vorschriften gibt es eine ganze Reihe von Normen, die teilweise sehr spezielle Verwertungsinteressen schützen. Dazu zählen § 56 UrhG in Bezug auf den Elektrohandel und § 57 UrhG für das „unwesentliche Beiwerk“. § 58 UrhG erfasst Vervielfältigungen und Verbreitung von Werken der bildenden Künste und Lichtbildwerken im Zusammenhang mit Ausstellungen, öffentlichem Verkauf und in öffentlichen Einrichtungen. Bei § 58 UrhG handelt es sich um eine inhaltliche Schranke ohne Vergütungsanspruch. Nach § 58 UrhG darf der Veranstalter öffentlich ausgestellte oder zum öffentlichen Verkauf bestimmte Werke der bildenden Kunst und Lichtbildwerke zu Werbezwecken vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen. Ziel ist die Steigerung des Erfolgs der Veranstaltung. Damit ist regelmäßig auch eine Erhöhung des Bekanntheitsgrades des Künstlers verbunden. Davon erfasst werden Abbildungen, wenn sie unmittelbar dem Zweck der Ausstellung oder dem Verkauf dienen.122 Dies gilt jedoch nur, wenn damit kein eigenständiger Erwerbszweck verfolgt wird. Daher werden Ausstellungskataloge in der Aufmachung von Kunstbildbänden nicht von § 58 UrhG erfasst.123 Die Katalogbildfreiheit ist in § 60e Abs. 3 UrhG geregelt. Für Museen gehört der Ausstellungskatalog zu den traditionellen und wichtigsten Medien zur Präsentation. Mit dem Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Wissensgesellschaft erfolgte eine Neuregelung in Bezug auf die Publikation von Abbildungen von Ausstellungsstücken. Diese sind nach wie vor zulässig. Erweiternd wurde auch die bisher enge Bindung an den Ausstellungszeitraum aufgehoben. Im Gegenzug wurde eine Vergütungspflicht für derartige Abbildungen gem. § 60h UrhG eingeführt. Zahlungsempfänger ist die VG Bild-Kunst. Die Tarife erfolgen auf Grundlage eines Rahmenvertrags, der zwischen der VG Bild-Kunst und dem Deutschen Museumsbund geschlossen wurde. Gemäß § 47 UrhG ist es Schulen und Einrichtungen der Lehrerbildung gestattet, Schulfunksendungen auf Bild- und Tonträger aufzunehmen. Auch wenn der Begriff der Schule sprachtechnisch die Hochschule als Unterart des Schulbegriffes mitumfasst, so sehen Rechtsprechung und hL hier einen Unterschied. Schule im Urheber122 Schack: a.a.O., § 15 Rn 569. 123 BGHZ 126, 313, 319 (Museumskatalog).
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gesetz umfasst daher nicht die Hochschulen. Nach § 60a Abs. 4 UrhG ist Bildungseinrichtung der urheberrechtliche Oberbegriff, welcher Schulen und Hochschulen erfasst. Ferner ist eine zentrale Herstellung von Vervielfältigungsstücken z.B. durch Landesbildstellen und Landesmedienanstalten nicht gestattet.124 Die Nutzung dieser Aufnahmen ist auf das laufende und das folgende Schuljahr zeitlich unentgeltlich beschränkt. Nur wenn eine längere Nutzung erfolgen soll, steht dem Urheber ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung zu. Nach § 49 UrhG ist es zulässig, einzelne Artikel aus Zeitungen und Informationsblättern sowie Rundfunkkommentare in anderen Zeitungen und Informationsblättern zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich wiederzugeben. Inhaltliche Voraussetzung ist die Auseinandersetzung mit politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Tagesfragen. Weitere Voraussetzung ist, dass die benannten Nachrichten nicht mit einem Rechtevorbehalt versehen sind. Dabei handelt es sich um eine inhaltliche Schranke mit einem gesetzlichen Vergütungsanspruch. Dieser kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. Dagegen besteht bei der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe von Nachrichten, die in den Inhalts- und Tagesneuigkeiten in Presse oder Funk erscheinen, gem. § 49 Abs. 2 UrhG kein Vergütungsanspruch. Bei elektronischen Pressespiegeln ist zu fragen, ob sie in ihrer Funktion und ihrem Nutzungspotential zumindest in den wesentlichen Teilen unter die herkömmlichen Pressespiegel fallen. Hinsichtlich der Funktion spricht der Einsatz einer behörden- oder betriebsinternen Verwendung für die traditionelle Form. Inhaltlich ist eine sehr einfache, einer Papierversion vergleichbare Form gefordert. Ist dies der Fall, so sind sie noch unter § 49 Abs. 1 UrhG zu fassen. Weist der Pressespiegel hingegen besondere Funktionen, insbesondere weitergehende Werkzeuge wie eine Volltextrecherche auf, so fällt ein solcher elektronischer Pressespiegel nicht mehr unter das Privileg des § 49 Abs. 1 UrhG.125 Dabei wird es derzeit als unerheblich angesehen, wie weit sich die entsprechenden Funktionen wie die Volltextrecherche bereits verbreitet haben. Es ist anzunehmen, dass sich mit fortschreitender Entwicklung und der entsprechenden Darstellung der Vergleichsmaßstab ändern wird und nicht mehr die Papierform ausschlaggebend ist. Derzeit ist dieser Maßstab noch allgemein anerkannt und wird in ständiger Rechtsprechung praktiziert.
Zusammenfassung und Checklisten Die Urheberrechte sind zeitlich, räumlich und inhaltlich beschränkt. Grund dafür ist das Schaffen eines Ausgleichs durch andere Rechte und Rechtspositionen. Dabei ist die inhaltliche Beschränkung der Urheberrechte am stärksten in der Diskussion. Üblicherweise dreht sich der Meinungsstreit um die Frage, ob die Schrankenregelung 124 BGH, GRUR 1985, 874, 876. 125 BGH, GRUR 2002, 963, 964ff. (Elektronischer Pressespiegel).
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der §§ 44aff. UrhG abschließend zu verstehen sind. Bezogen auf die in den §§ 44a UrhG ausdrücklich geregelten Thematiken wird hier aus Gründen der Orientierung an der Praxis nach wie vor empfohlen, davon auszugehen. Nicht zu vergessen sind aber auch die weiteren Einschränkungen der urheberrechtlichen Position durch den Erschöpfungsgrundsatz, mögliche Rechtfertigungsgründe und nicht zuletzt die Definition, ab wann das Urheberrecht überhaupt anwendbar ist. Ferner kann es nach der Übertragung von Nutzungsrechten auf eine andere Person zu einer späteren gegenseitigen Begrenzung der Rechte des Nutzungsrechteinhabers und des Urhebers wegen des Urheberpersönlichkeitsrechts kommen. Da es der Entstehung des Werks vorgelagert ist, ist das Recht am eigenen Bild keine Beschränkung des Urheberrechts. Es steht aber mit diesem in engem Zusammenhang. Checkliste zu möglichen Rechtsverletzungen im Urheberrecht Mögliche Verletzung von Urheberpersönlichkeitsrechten: –– Allgemeines Änderungsverbot –– Veröffentlichungsrecht, § 12 UrhG. –– Namensnennungsrecht, § 13 UrhG. –– Schutz vor Entstellungen, § 14 UrhG. –– Vereinzelt Persönlichkeitsrechte bei verwandten Schutzrechten, §§ 70ff. UrhG. Mögliche Verletzungen von Nutzungs- und Verwertungsrechten: –– Vervielfältigungsrecht, § 17 UrhG. –– Ausstellungsrecht, § 18 UrhG. –– Unkörperliche Verwertung, §§ 19 bis 22 UrhG. –– Bearbeitungsrecht, § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG. –– Sonstige Rechte, §§ 25ff. UrhG. –– Unterschiedliche Nutzungs- und Verwertungsrechte bei verwandten Schutzrechten, §§ 70ff. UrhG.
12 Überblick Rechtslage in der Schweiz Die Schweiz ist Vertragsstaat der Berner Übereinkunft sowie der Revidierten Berner Übereinkunft. Davon ist auch das Schweizer Urheberrechtsgesetz geprägt. Die Schweiz ist nicht Mitglied der Europäischen Union. Dennoch hat sich die Schweiz bisher entschlossen, partiell ihr Urheberrecht ebenfalls mit den EU-Vorgaben freiwillig zu harmonisieren. Die Motivationsgründe sind vor allem wirtschaftlicher Art. Häufig zu Gunsten einer Harmonisierung, wenigstens aber für den geistigen Austausch förderlich ist das vielfältige Zusammenwirken zwischen dem schweizerischen und dem deutschen Wissenschaftswesen. Wegen den zahlreichen gemeinsamen Rechtsquellen und dem regen Austausch gibt es zwischen dem schweizerischen und dem deutschen Urheberrecht viele Gemeinsamkeiten. Das schweizerische Urheberrecht gehört zur privatrechtlichen Eigentumsordnung. Somit wird es nach BV Art. 26 von der Schweizer Bundesverfassung geschützt.1 Zentraler Anknüpfungspunkt für das Urheberrecht ist der Werkbegriff. Dieser ist in URG Art. 2 Abs. 1 legaldefiniert. Der Werkbegriff im URG Art. 2 Abs. 1 entspricht in den wesentlichen Punkten, insbesondere in der Funktion dem des deutschen UrhG. Wie im deutschen Recht begründet sich der Urheberrechtsschutz gem. URG Art. 2, 6 durch den Realakt der Werkschöpfung. Die Nähe und Verwandtschaft von deutschem und Schweizer Urheberrecht darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Grenze des jeweiligen Rechts an der Staatsgrenze endet. Daher sind vergleichende Betrachtungen hilfreich. Dies gilt auch für das Verwenden von Gerichtsurteilen. Denn diese beantworten regelmäßig Auslegungsfragen. Hingegen sind nicht reflektierte Übernahmen rechtsfehlerhaft. Auf Grundlage von Art. 5 RBÜ folgt das Schweizer Urheberrecht gem. URG Art. 6 dem Schöpferprinzip. Miturheber ist jeder, der schöpferisch an dem Werk mitgewirkt hat. Eine Einschränkung, wie eine nicht mögliche Trennung der Werkbeiträge als Erfordernis einer Miturheberschaft, kennt das URG nicht. Eine Trennung ist nach URG Art. 7 Abs. 4 hingegen freiwillig möglich, sofern eine gemeinschaftlich (gewollte) Verwertung hierdurch nicht beeinträchtigt wird. Liegen internationale Bezüge vor, gilt das schweizerische Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG). Zu den Bestimmungen, die für das Urheberrecht besonders von Bedeutung sind gehören die IPRG Art. 110 und IPRG Art. 116ff. Gem. IPRG Art. 110 ist Schweizer Recht auf jene urheberrechtlich relevanten Nutzungen anwendbar, die in der Schweiz erfolgen. Keine Anwendung findet dagegen Schweizer Recht für Anwendungen im Ausland, auch wenn der Urheber Schweizer ist. Einschlägig sind die IPRG Art. 116 ff., wenn es um Verträge mit internationalen Bezügen geht. In solchen Fällen können die Parteien eine Rechtswahl treffen, welchem Recht der Vertrag unterstellt wird. Bei Urheberrechten ergibt sich dies aus IPRG Art. 122.
1 BGE 131 III, E. 3.1. https://doi.org/10.1515/9783110707588-014
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Fall: Student S hat in der Universitätsbibliothek von St. Gallen einen Artikel eines britischen Wissenschaftlers in einer US-amerikanischen Zeitschrift gefunden, den er kopieren möchte. Er stellt sich die Frage, nach welchem Rechtssystem eine entsprechende Erlaubnis erforderlich ist. Da die Nutzung in der Schweiz erfolgt, gilt hier wegen IPRG Art. 110 Schweizer Recht und damit unabhängig vom Sitz des Herausgebers bzw. der Nationalität des Urhebers.
Der Schutz des Urhebers ist als absolutes Recht ausgestaltet. Damit gilt die Schutzwirkung gegenüber jedermann. Auch das schweizerische Urheberrecht kennt das Urheberpersönlichkeitsrecht. Regelungen hierzu sind in URG Art. 11, Art. 9 enthalten. Wie URG Art. 6 klarstellt, kann Urheber nur ein Mensch sein, nicht aber eine juristische Person. Eine funktionale Zuordnung wie zu Gunsten des Arbeitgebers ist ebenfalls damit ausgeschlossen. Übt der Arbeitgeber sein Weisungsrecht gem. Art. 321d Abs. 1 OR von seinem Weisungsrecht in der Form Gebrauch, dass er die sehr konkreten Angaben zur Erstellung des Werks gibt, liegt regelmäßig eine eigenständige schöpferische Tätigkeit des Arbeitnehmers vor. In solchen Fällen liegt lediglich eine Ausführung einer arbeitsrechtlichen Weisung vor. Die Schweizer Rechtslehre nimmt üblicherweise eine Dreiteilung der Urheberrechte vor. Damit unterscheidet sich die Darstellung von den Darstellungen des deutschen Urheberrechts, die bei ähnlichen Regelungen eine Zweiteilung in Verwertungsrechte und Urheberpersönlichkeitsrecht bevorzugen:2 1. Verwertungsrechte: Die Verwertungsrechte sind als werkbezogene und absolute Rechte ausgestaltet. Sie dienen dem Schutz von Vermögensinteressen. Beispiele für die Verwertungsrechte sind das Vervielfältigungsrecht oder das Verbreitungsrecht. Dabei sind die vermögensrechtlichen Befugnisse in URG Art. 10 konzentriert. URG Art. 10 besteht aus einer Generalklausel und einer nicht abschließenden Aufzählung von einzelnen vermögensrechtlichen Befugnissen. 2. Urheberpersönlichkeitsrecht („droit moral“): Das Urheberpersönlichkeitsrecht wahrt als absolutes Schutzrecht die persönlichkeitsrechtlichen Interessen, z.B. das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft und das Recht auf Namensnennung. Erwähnenswert ist, dass es im URG kein Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung gibt. § 42 UrhG findet daher im Schweizer Urheberrecht keine Entsprechung. In Einzelfällen kann es sich aus dem in Art. 28 ZGB normierten allgemeinen Persönlichkeitsrecht ergeben. 3. Sonstige Rechte: Bei den sonstigen Rechten handelt es sich um relative Rechte. Sie können nur gegenüber dem Eigentümer oder Besitzer von Werkexemplaren geltend gemacht werden. Dazu zählen z.B. das Zutritts- und Ausstellungsrecht und die Vermietungstantieme. Nicht dazu gehört hingegen die Bibliothekstantieme.
2 Rehbinder; Viganò: URG, Art. 9 Rn 2.
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Teil 1: Grundlagen Urheberrecht
Verwandte Schutzrechte werden in der Schweiz gem. URG Art. 33ff. geschützt. Eine Besonderheit ist der Schutz fotografischer Wiedergaben bzw. der mit einem der Fotografie ähnlichen Verfahren hergestellten Wiedergaben dreidimensionaler Objekte. Sie gelten gem. URG Art. 2 Abs. 3bis als Werke, auch wenn sie keinen individuellen Charakter haben. Damit erfolgt eine im Alltag einfach zu handhabende Regelung, wonach bei Fotografien generell von einem Schutz als Urheberwerk auszugehen ist. Fall: Zur Überwachung des Innenhofs gibt es bei der Bibliothek B in Basel eine installierte Videokamera mit Aufnahmefunktion, die durch einen Bewegungsmelder ausgelöst wird. Eines Tages zeigen die Aufnahme spektakuläre Bilder einer seltenen Schildkröte, die in Lörrach entlaufen war. Der Bibliotheksleiter möchte wissen, ob ein Urheberrechtsschutz bereits erreicht wurde oder wie er die Aufnahmen schützen kann. Lösung: An dem Rohmaterial der Videoaufnahmen besteht auch nach Einführung des URG Art. 2 Abs. 3bis kein Urheberrechtsschutz. Denn nach wie vor ist eine schöpferische menschliche Leistung erforderlich. Hierzu genügt das reine Aufstellen der Kamera nicht, da hier das Motiv noch nicht entscheidend konkretisiert wurde. Dieser Moment wird ausschließlich durch den Bewegungsmelder als eine rein technische Apparatur bestimmt. Durch die Bearbeitung des filmischen Rohmaterials z.B. Schnitt kann ein Urheberwerk entstehen. Urheber ist hier der Bearbeiter gem. URG Art. 6. Jedoch hat der Bearbeiter aus sachenrechtlichen Gründen zuvor die Erlaubnis des Eigentümers der Kamera einzuholen, sofern es sich hier um eine für ihn fremde Sache handelt.
Im Schweizer Recht wird der Schutz von Software durch eine ausdrückliche Festlegung als Urheberrechtswerke in URG Art. 2 Abs. 3 gewährleistet. Ferner findet sich eine Sonderregelung durch Bestätigung des Erschöpfungsgrundsatzes hinsichtlich der Weiterveräußerung von gebrauchter Software in URG Art. 12 Abs. 2. In Österreich wird Software gem. § 2 Ziff. 1 öUrhG hingegen als Sprachwerk eingeordnet. Bisher haben sich aus der unterschiedlichen Berücksichtigung im Alltag keine wesentlichen Unterschiede ergeben. Dagegen ist die Freistellung vom urheberrechtlichen Schutz für eigens definierte Werke umfassender als in Deutschland. So geht der sprachliche Umfang von URG Art. 5 Abs. 1 über § 5 Abs. 1 UrhG hinaus. Beispiele sind hier völkerrechtliche Verträge oder Patentschriften bzw. veröffentlichte Patentgesuche. In Deutschland hat sich zu den im URG genannten zusätzlichen Punkten eine Rechtspraxis entwickelt, die auch diese Dokumente als urheberrechtsfrei erklärt. Das Schweizer Urheberrecht wird inhaltlich durch Schrankenregelungen und den in URG Art. 12 niedergelegten Erschöpfungsgrundsatz begrenzt. Die Begrenzung in zeitlicher Hinsicht beträgt für den Regelfall 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers. Abweichend davon ist die Schutzdauer bei Software auf 50 Jahre nach dem Tod des Urhebers beschränkt. Die Entsprechungen bei der Entstehung wie auch bei der Begrenzung der Rechte erleichtern die Durchführung von internationalen Projekten mit urheberrechtlichen Inhalten. Unterschiede zwischen dem deutschen und dem Schweizer Recht gibt es in der Begründung des Rechtsübergangs. Das Schweizer Recht folgt der dua-
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listischen Theorie. Nach der dualistischen Theorie ist das Urheberrecht als Nutzungsrecht übertragbar. Im Gegensatz dazu folgen sowohl das deutsche als auch das österreichische Recht der monistischen Theorie. Hiernach erfolgt der Rechtsübergang, indem Nutzungsrechte vom Stammrecht abgespalten werden. Im Alltag wirkt sich die unterschiedliche Begründung des Rechtsübergangs nur selten aus. Denn zum einen besteht eine vergleichsbare Verkehrsfähigkeit. Zum anderen besteht nach dem Schweizer Recht auch nach der Übertragung das Urheberpersönlichkeitsrecht fort. Daher ist URG Art. 16 Abs. 1 in seiner Kürze „das Urheberrecht ist übertragbar und vererblich“ leicht missverständlich. Denn nach Schweizer Recht besteht das Urheberrecht ebenfalls aus dem Vermögensrecht und dem Urheberpersönlichkeitsrecht – und nur das Vermögensrecht ist übertragbar. Schließlich bestimmt sich sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland der Umfang der Rechteübertragung nach der Zweckübertragungstheorie.3 Das Schweizer Recht hat keine Pflichtexemplarregelung, wie sie im deutschen Recht bekannt ist. Der Umgang mit Archivierungs- und Sicherungsexemplaren ist in URG Art. 24 Abs. 1 S. 1 geregelt. Mit URG Art. 24 Abs. 1 S. 1 ist die Aufbewahrungspflicht von Werkexemplaren im URG festgeschrieben. Ziel der Regelung ist das Management des nationalen Gedächtnisses. Damit entspricht die Zielsetzung dem deutschen Pflichtexemplarrecht. Die Lasten wie auch die spiegelbildlichen Befugnisse sind bei URG Art. 24 anders verteilt als im deutschen Pflichtexemplarrecht. Nach URG Art. 24 Abs. 1 bis dürfen öffentlich zugängliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen und Archive die zur Sicherung und Erhaltung ihrer Bestände notwendigen Werkexemplare herstellen, sofern mit diesen Kopien kein wirtschaftlicher oder kommerzieller Zweck verfolgt wird. Damit es zu keinem Missbrauch kommt, ist der Begriff der öffentlich zugänglichen Einrichtungen eng auszulegen.4 Dagegen entfällt die Möglichkeit für die begünstigten Pflichtexemplar-Bibliotheken, sich die Kosten für den Erwerb der Pflichtexemplare zu sparen. Im Gegensatz zum Vermieten fällt bei einem bloßen Verleih von Werkexemplaren kein Vergütungsanspruch an. Bei der Ausgestaltung der Schrankenregelung fällt auf, dass sie einerseits stärker Pauschalieren als ihre Entsprechungen im deutschen UrhG. Ein Beispiel hierfür ist URG Art. 28 Abs. 2. Danach wird bei einer Wiedergabe zum Zwecke der Berichterstattung von Tagesfragen nicht danach unterschieden, warum die Berichterstattung erfolgt. Aus veröffentlichten Werken kann gem. URG Art. 25 zitiert werden. Dabei entspricht URG Art. 25 der deutschen Regelung § 51 i.V.m. § 63 UrhG.
3 Rehbinder; Viganò: URG, Art. 16 Rn 14. 4 Rehbinder; Viganò: URG, Art. 24 Rn 6.
13 Überblick Rechtslage in Österreich Österreichisches und deutsches Urheberrecht sind einander ähnlich. Dies liegt zum Teil an den Vorgaben der europäischen Gemeinschaft zu den Richtlinien zum Urheberrecht. Österreich ist ebenfalls Vertragsstaat der Revidierten Berner Übereinkunft. Zudem gibt es einen regen wissenschaftlichen Austausch zwischen Österreich und Deutschland, durch den ebenfalls Rechtsgedanken vermittelt werden. Dies stellt eine zusätzliche Basis für eine Harmonisierung der Rechtsordnung da. Daher kommt man in vielen Fällen zu vergleichbaren Lösungen. Das Urheberrecht ist in der österreichischen Bundesverfassung in Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG verankert. Damit ist es eine Bundesangelegenheit. Obwohl es ein eigenständiges Urheberrechtsgesetz in Österreich gibt, umfasst dieses nicht alle urheberrechtlichen Normen. Weitere urheberrechtliche Regelungen finden sich vor allem im Verwertungsgesellschaftsgesetz. Daneben gibt es einige wenige urheberrechtliche Regelungen in anderen Gesetzen wie z.B. § 106 Abs. 1 UniversitätsG. In dieser Vorschrift ist die Verwertung von geistigem Eigentum an Universitäten geregelt. Eine andere Norm ist § 7 NormenG. Danach dürfen österreichische Normen grundsätzlich nur von einem bestimmten Verein in Verkehr gesetzt und vervielfältigt werden. Ausnahmen sind möglich. Das Werk ist Anknüpfungspunkt für den Urheberrechtsschutz. In den §§ 1–4 öUrhG sind die einzelnen Werkkategorien aufgeführt. Gleichwohl gilt der offene Kunstbegriff, der auch Formen, die zwischen den Werkkategorien stehen, zulässt. § 1 Abs. 1 UrhG setzt eine eigentümliche geistige Schöpfung voraus. Im Gegensatz zum früheren Recht, werden an die Schöpfungshöhe nur noch niedrige Anforderungen gestellt. Daher ist sie regelmäßig nicht mehr entscheidend, wenn es um die Frage der Anerkennung eines Werkcharakters geht. Daher wird auch bei Anlehnung an ein fremdes Werk die Eigentümlichkeit des eigenen Werks nicht unbedingt ausgeschlossen. Eine künstlerische Qualität ist nicht erforderlich. Daher kann auch die planvolle Auswahl und Zusammenstellung von vorhandenen Gütern ein Urheberwerk darstellen. Sie sind als Sammelwerke gem. § 6 öUrhG geschützt. Dazu können auch systematisch ausgewählte und angeordnete Medienbestände gehören. Für Computerprogramme gibt § 2 Z 1 UrhG eine Zuordnung. Sie sind Sprachwerke im Sinne des öUrhG. Mit § 40a öUrhG kennt auch das österreichische Urheberrecht eine Sonderbestimmung zum Werkcharakter von Computerprogrammen. Wie im deutschen Urheberrecht sind in Österreich Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse, öffentlich-rechtliche Bekanntmachungen und Entscheidungen vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen. Das Urheberrecht in Österreich gewährt vor allem ausschließliche Rechte. Nach §§ 61aff. öUrhG existiert in Österreich ein Urheberrechtsregister. Dennoch ist ein Formalakt wie etwa die Eintragung in dieses Register nicht für das Entstehen des Urheberrechtsschutzes erforderlich. Im österreichischen Urheberrecht gilt das Schöpferprinzip. Damit kommen gem. § 10 Abs. 1 öUrhG nur Menschen, nicht aber juristische Personen als Urheberrechtshttps://doi.org/10.1515/9783110707588-015
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träger in Frage. Wurde ein Werk gemeinschaftlich geschaffen, so liegt eine Miturheberschaft nach § 11 Abs. 1 öUrhG vor. Eine Abweichung davon gibt es durch die Ausnahmeregelung in § 40b öUrhG. Diese Norm benennt die von Dienstnehmern in Erfüllung ihrer dienstlichen Obliegenheiten geschaffenen Computerprogramme. Gibt es keine abweichende Vereinbarung, so stehen dem Dienstgeber die unbeschränkten Nutzungsrechte an den Computerprogrammen zu. Bei § 40b öUrhG handelt es sich trotz der Formulierung im Gesetz um eine Vermutungsregelung und nicht um eine Zuweisung der Befugnisse durch den Gesetzgeber. Nach § 40f Abs. 3 öUrhG gilt die Regelung von § 40b öUrhG auch in den Fällen von Datenbankenwerken, die durch Dienstnehmer geschaffen wurden. Wurde die Software nicht von Dienstnehmern, sondern im Rahmen eines Auftrags zwischen zwei selbstständigen Personen geschaffen, so findet § 40b öUrhG keine Anwendung. Seit 1972 beträgt die Regelschutzfrist für den Schutz des Urheberwerks 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Die Frist war seinerzeit dem deutschen Urheberrecht angeglichen worden. Das Urheberrecht in Österreich folgt der monistischen Auffassung. Dennoch besteht wie in Deutschland die Maßgabe, dass eine Übertragung des Urheberrechts zu Lebzeiten des Urhebers gem. § 23 Abs. 3 öUrhG nicht möglich ist. Stattdessen werden Nutzungsrechte abgespalten und übertragen. Im öUrhG sind die Verwertungsrechte abschließend aufgezählt. Somit sind neue Nutzungsarten einem der bestehenden Ausschlussrechten zuzuordnen. Diese Verwertungsrechte sind unter anderem: das Recht der Vervielfältigung, der Verbreitung in der Öffentlichkeit, der Sendung mit und ohne Leitungen und das Recht der interaktiven Wiedergabe das auch Zuverfügungstellungsrecht genannt wird. Ob die Verwertung eines Werks aus kommerziellen oder sonstigen Gründen erfolgt, hat auf das Urheberrecht grundsätzlich keinen Einfluss. Die Beschränkungen des Urheberrechts in Österreich sind denen in Deutschland ähnlich. So ist der Erschöpfungsgrundsatz in § 16 Abs. 3 öUrhG geregelt. Hier wird bestimmt, dass das Verbreitungsrecht erlischt, sobald ein Werkstück mit Erlaubnis des Rechteinhabers verbreitet worden ist. Ebenso ist eine räumliche Begrenzung des Urheberrechts zulässig. In § 16a öUrhG ist die Bibliothekstantieme geregelt. Ob auch Präsenzbibliotheken davon betroffen sind, ist umstritten. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht ist dies abzulehnen. Die Bibliothekstantieme ist ein durch eine Verwertungsgesellschaft erhobener Vergütungsanspruch für das Nutzungsrecht einer Entlehnung. Das reine Lesen oder Besehen eines Werks ist zwar nützlich, aber keine Nutzungshandlung im Sinne des Urheberrechts. Bibliotheken und sonstige öffentlich zugängliche Sammlungen dürfen von eigenen Werkstücken eine Sicherungskopie erstellen und diese an Stelle des Originals ausstellen, verleihen oder vorführen. Unterschiede zwischen dem österreichischen und dem deutschen Urheberrecht bestehen vor allem beim Urhebervertragsrecht. Mit § 40b öUrhG kennt das österreichische Urheberrecht nur eine Sonderregelung hinsichtlich des Erwerbs von Nutzungsrechten für den Arbeitgeber, die der Arbeitnehmer in Ausübung seines Dienstes geschaffen hat. Eine allgemeine Regelung fehlt. Die Zweckübertragungs-
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lehre ist in Österreich ebenfalls bekannt, jedoch nicht herrschend. Damit werden allgemeine Formulierungen wie „alle Rechte“ in Österreich als wirksam angesehen. Dennoch wird das Ausmaß der erworbenen Befugnisse „im Zweifel“ nicht weiter gesehen als für die vorgesehene Werknutzung erforderlich. Eine spezielle Auslegungsregel ist in § 33 öUrhG enthalten.
Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe in Bibliotheken und Informationseinrichtungen Während der erste Teil des Praxishandbuchs sich dem Grundverständnis urheberrechtlicher Fragestellungen widmete, fokussiert der zweite Teil auf einzelne Aufgabenstellungen in Bibliotheken und Informationseinrichtungen.
1 Webseitengestaltung und E-Learning Bibliotheken und Informationseinrichtungen sind mit eigenen Webseiten regelmäßig im Internet präsent. Häufig werden für die Bibliotheksnutzer weitere Angebote wie E-Learning-Kurse, eigene virtuelle Werkzeuge oder Arbeitsplätze bereitgehalten. Zu den Vorzügen digitaler Anwendungen gehört es, Inhalte und Teile der Inhalte verschiedener Werke arbeitstechnisch auf routinemäßige Art und Weise miteinander verknüpfen zu können. Das Nebeneinander von eigenen und fremden Inhalten stellt die Frage, welche Handlungen in Bezug auf fremde Materialien gestattet sind. Denn nicht alles was technisch möglich ist, ist auch rechtlich erlaubt. Daran schließt sich die Thematik an, wo die Grenze der Haftung beginnt. Eine Möglichkeit, eigene und fremde webbasierte Elemente miteinander zu verbinden, ist das Verlinken. Das reine Anlegen einer Verknüpfung (Link) ist urheberrechtlich nicht relevant. Erst die Aktivierung des Links ist die urheberrechtlich entscheidende Handlung. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Links auf fremde Inhalte zu setzen. Diese sind rechtlich entsprechend gesondert zu betrachten. Bei einem Surface Link erfolgt eine Verbindung zu einer fremden Homepage. Damit ist für einen Nutzer, der diesem Link folgt, erkennbar, dass er mit dem Link auf fremde Inhalte zugreift. Besteht keine ausdrückliche Aufforderung, dass auf diese Seite nicht verlinkt werden soll, so ist ein solcher Link zulässig. Bei einem Deep Link wird direkt auf die Webseite zugegriffen und die davorliegende Homepage übergangen. Dies ist zwar durch Merkmale wie das Sichtfenster der URL bei einem genaueren Hinsehen erkennbar, dennoch ist das Setzen von Deep Links ohne vorherige Erlaubnis umstritten1. Daher empfiehlt es sich nach entsprechenden Hinweisen Ausschau zu halten bzw. sich nach einer Erlaubnis zu erkundigen. Beim Hotlinking, auch Inline Linking genannt, ist für den Nutzer das Umleiten auf die Webseite eines Dritten nicht erkennbar. Vielmehr wird durch den automatischen Aufbau der Seite der Eindruck erweckt, es handle sich um den vom Linksetzer gewollten Inhalt der Seite. Es ist nicht von einer konkludenten Zustimmung auszugehen. Damit ist das Einholen einer ausdrücklichen Erlaubnis erforderlich. Durch Framing wird ein fremder Inhalt aus seinem ursprünglichen Zusammenhang herausgelöst und in ein neues Fenster der eigenen Homepage (Frame) eingefügt. Damit entsteht der Eindruck, dass es sich um ein Angebot der eigenen Homepage handelt. Nach Auffassung des BGHs und des EuGHs handelt es sich beim Framing regelmäßig um keine Urheberrechtsverletzung.2 Der Regelfall geht davon aus, dass der Urheber der Ursprungsseite keine technische Maßnahme gegen das Framing vorgenommen hat. Setzt der Urheber oder Verwerter hingegen auf seiner Ursprungsseite beschränkende 1 Köhler; Arndt; Fezer: Recht des Internet, Rn 724; LG Köln, MMR 2001, 551. 2 EuGH, GRUR 2014, 1196 (BestWater International). https://doi.org/10.1515/9783110707588-016
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Maßnahmen z.B. durch DRM ein, so stellt die Umgehung dieser Maßnahme einen Eingriff in das Recht der öffentlichen Wiedergabe gem. § 15 UrhG dar.3 Selbst wenn keine Urheberrechtsverletzung vorliegt, kann es beim Framing unter Umständen zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten kommen. Daher sollte beim Framing die vorherige Zustimmung eingeholt werden. Neben der Frage, welche Übernahme fremder Inhalte durch webbasierte Mittel ohne Zustimmung übernommen werden dürfen, stellt sich die Frage, nach der Verantwortung für diese übernommenen Inhalte. Die Verantwortlichkeit richtet sich vor allem nach den Normen des Telemediengesetzes (TMG)4. In den letzten Jahren hat sich hier eine detaillierte Rechtsprechung herausgebildet.5 Zudem wurde der Bereich der Interaktion zwischen Nutzern und Anbietern durch die Einführung des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) neu geregelt. Dennoch sind die Grundstrukturen der Verantwortlichkeit bestehen geblieben. Die Rechtswidrigkeit bemisst sich nicht nur nach dem Urheberrechtsgesetz, sondern im Hinblick auf die gesamte Rechtsordnung. Damit sind vor allem Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten erfasst. Wie sich die Haftung der Bibliothek bzw. der dahinterstehenden Einheit z.B. der Hochschule ausgestaltet, richtet sich danach, wie intensiv die Verbindung zwischen Bibliothek und rechtswidrigem Inhalt ausgestaltet ist. Daraus ergibt sich eine Dreiteilung. In vielen Fällen stellt die Bibliothek lediglich dem Anbieter von Inhalten den Zugang zum Internet zur Verfügung. Es handelt sich z.B. um die Benutzerarbeitsplätze mit Computer, aber ohne die Möglichkeit des Abspeicherns. Hier hat die Bibliothek die Funktion eines sogenannten AccessProviders. Gem. § 8 Abs. 1 TMG haftet der Access-Provider nicht für das Durchleiten fremder Informationen. Somit sind Access-Provider nicht verpflichtet, die durchgeleiteten Informationen auf rechtswidrige Inhalte zu untersuchen. Ist eine lediglich temporäre Zwischenspeicherung für die ansonsten reine Übermittlung erforderlich, führt dies nicht zu einer Haftung der Bibliothek. Im Hinblick auf offene WLAN-Netzwerke besteht keine Störerhaftung. Soweit Urheberrechtsverletzungen über offene WLANNetze begangen werden, kann die Sperrung von konkret benannten Webseiten von den Rechteinhabern gem. § 7 Abs. 4 S. 1 TMG von den Betreibern der offenen WLANNetzen verlangen, wenn diese zumutbar und verhältnismäßig ist. Im Hinblick auf Computerviren, Trojaner etc. besteht ein eigenes Interesse der Bibliothek einen technischen Mindestschutz vor schädigender und rechtswidriger Software einzusetzen, da diese die eigenen Angebote als auch den Ruf als seriöses Informationszentrum gefährden. Werden die Informationen nicht nur durchgeleitet, sondern dauerhaft gespeichert, wird von einem Service- und Host-Provider gesprochen. Die dauerhafte Spei3 BGH, WRP 2021, 1572-1576 (Deutsche Digitale Bibliothek II), vorhergehend EuGH, GRUR 2021, 706. 4 Telemediengesetz vom 26.02.2007, BGBl. I S. 179 Stand 01.12.2021auf Grund Gesetzes vom 23.06.2021 (BGBl. I S. 1982). 5 BGH, GRUR 2021, 714-721 (Saints Row), OLG München, MMR 2021, 731-733.
Webseitengestaltung und E-Learning
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cherung ist niederschwellig zu verstehen. Darunter fällt jede Speicherung, die nicht ausschließlich eine sehr kurze Zwischenspeicherung zum ausschließlichen Zwecke der Weiterleitung ist. Entscheidend für die Haftung der Bibliothek ist, ob sie Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten hatte, und wenn ja, ob sie gegen die Darstellungen eingeschritten ist. Hatte die Bibliothek keine Kenntnisse, ist gem. § 10 Nr. 1 TMG eine Haftung zu verneinen. Wegen § 7 Abs. 2 TMG ist die Bibliothek nicht verpflichtet, die Webseiten der Mitarbeiter bzw. Bibliotheksbenutzer nach rechtswidrigen Inhalten aktiv zu durchsuchen. Anders ist die Lage hingegen zu bewerten, wenn die Bibliothek Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten hat. Hier besteht eine Handlungspflicht der Bibliothek gegen die Präsentation der Inhalte, die über ihre Serviceeinrichtung gemittelt werden, unverzüglich vorzugehen. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Auf die Frage, ob ein außenstehender neutraler Dritter die rechtswidrigen Inhalte der Bibliothek zuordnen würde, kommt es nicht an. Unternimmt die Bibliothek hingegen auch bei einer Kenntnis nichts, so haftet sie neben Verursachern gem. § 10 Nr. 2 TMG. Beispielsweise wird in einem moderierten Forum von einer Kenntnis ausgegangen. Hier haben die Moderatoren notwendigerweise Kenntnisse von den einzelnen Beiträgen. Daher hat der Moderator die Aufgabe, Beiträge mit rechtwidrigen Inhalten zu löschen. Bietet die Bibliothek eigene Inhalte an, so wird sie als Content-Provider tätig. Eigene Inhalte sind solche, die von den Mitarbeitern der Bibliothek entweder selbst gestaltet oder ausgewählt wurden. Die Haftung als Content-Provider entspricht gem. § 7 Abs. 1 TMG denjenigen, die ein Werk mit einem rechtswidrigen Inhalt veröffentlichen oder urheberrechtsverletzende Links setzen.
Access-Provider:
Bibliothek Bibliotheks -benutzer
Empfänger
Keine Haftung der Bibliothek
Einzige Kontaktfläche für die versandte Nachricht zwischen Bibliothek und dem Bibliothekskunden ist die Nutzung der technischen Infrastruktur der Bibliothek. Service- und Host-Provider:
Bibliothek Bibliotheksbenutzer
Empfänger
Die Informationen werden nicht nur durchgeleitet, sondern ebenfalls dauerhaft auf dem Server der Bibliothek gespeichert. Bibliothek ContentProvider:
Mitarbeiter
Empfänger
Die Informationen werden durch die Mitarbeiter gestaltet oder übernommen. Abbildung 18: Verantwortlichkeit für die Inhalte von Webseiten.
Haftung der Bibliothek nur bei Kenntnis des rechtswidrigen Inhalts und Untätigbleibens neben dem Bibliotheksbenutzer.
Haftung der Bibliothek
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Fall: Fachreferentin R hat eine umfassende soziologische Informationsseite geschaffen. Hierzu hat sie auf viele Fachinformationsseiten und soziale Einrichtungen verlinkt. Unter anderem führt ein Link zur Homepage des F-Vereins. R hält die Arbeit für abgeschlossen und kümmert sich nicht mehr darum. Mit der Zeit radikalisiert sich der F-Verein. Entsprechend verändert sich auch der Inhalt der Webseite. In einem Workshop erhält R Kenntnis von den inzwischen radikalisierten Ansichten des F-Vereins. Lösungsskizze: R hat die Pflicht, jene Webseiten, die sie verlinkt hat, regelmäßig zu kontrollieren. Erhält sie zutreffende Hinweise, dass eine Seite inzwischen rechtswidrigen Inhalt wiedergibt, hat sie die Pflicht diesen Hinweisen nachzugehen und den Link zu entfernen. Andernfalls entsteht ihr und ihrem Arbeitgeber ein Haftungsrisiko.
Eine Entlastung im Sinn einer Haftungsfreistellung durch einen sogenannten Disclaimer ist nicht möglich.6 Ein Disclaimer weist ausdrücklich darauf hin, dass die Verlinkungen zu fremden Seiten führen, für deren Inhalt der Betreiber der Webseite keine Verantwortung übernehmen will. Der behauptete Wille wird obsolet, wenn der tatsächliche Wille in Form der Nichthandlung hierzu in Widerspruch tritt. Auch wenn die Wirkung einer Haftungsfreistellung juristisch verfehlt wird, kann ein Disclaimer eine Abgrenzung eigener und fremder Inhalte im Hinblick auf die Öffentlichkeitarbeit erleichtern.
6 Köhler; Arndt; Fetzer: Recht des Internets, Rn 798; LG Hamburg, MMR 1998, 547.
2 Dokumente mit persönlichem Inhalt Durch Nachlässe werden wissenschaftliche Bibliotheken und Archive neben den allgemeinen Informationsquellen mit Dokumenten mit persönlichem Inhalt konfrontiert. Hierzu gehören vor allem Tagebücher, Memoranden und Briefe. Soweit sie nicht ausdrücklich als offen bezeichnet werden, handelt es sich bei Tagbüchern und Briefen um eine an einen bestimmten Empfänger gerichtete schriftliche Nachricht. Diese soll vom Empfänger wegen des persönlichen Inhalts regelmäßig als vertraulich behandelt werden.1 Dabei kann die Nachricht in den Dokumenten mit persönlichem Inhalt an eine fremde Person oder an den Verfasser selbst gerichtet sein. Von Bedeutung ist, dass der Verfasser den Kreis der vorgesehenen Empfangsberechtigten beschränken kann. Die Beschränkung in der Ausrichtung auf einen Empfänger kann dauerhaft oder auch nur zeitweilig beabsichtigt worden sein. Im Gegensatz dazu sind Bücher bzw. die noch nicht veröffentlichen Manuskripte von vornherein auf ein breites Publikum ausgerichtet. Wegen dieser Intension ist der Eingriff durch eine Veröffentlichung eines urheberrechtlich geschützten Briefes an einen ausgewählten Adressaten rechtlich schwerwiegender als die nichtautorisierte Veröffentlichung eines Manuskripts für ein Buch. Neben den beiden klar ausgerichteten Standpunkten, Ausrichtung auf die Öffentlichkeit und Ausrichtung auf den engeren, privaten Bereich, kommt es zu Mischformen. Ein Beispiel hierfür ist der sogenannte offene Brief. Hier wird zwar ein konkreter Adressat genannt, was zunächst für den privaten Lebensbereich spricht. Jedoch erfolgt die Darstellung als Veröffentlichungsakt. Deshalb ist ein offener Brief als Publikationsform zu werten. Es gehört zum Wesen von Informationen, dass sie nach ihrer Verbreitung nicht mehr zurückgenommen werden können. Lediglich der Inhalt der Botschaft kann durch nachfolgende Informationen geändert werden. Dies ist allgemein bekannt. Somit gehen widersprüchliche Signale des Senders hinsichtlich des Empfangsbereichs zu seinen Lasten. Daher spricht bei Schriftstücken die private und an die Öffentlichkeit gerichtete Momente enthalten, eine tatsächliche Vermutung für die Veröffentlichung. Liegt ein privates Dokument vor, so ist hinsichtlich der Befugnis der Veröffentlichung von Tagebüchern bzw. Briefen danach zu unterscheiden, ob ihnen ein urheberrechtlicher Schutz zukommt oder nicht. Bei urheberrechtlich geschützten Schriftstücken gilt: Die tatsächliche Sachherrschaft hat der Empfänger des Schreibens. Damit sind aber noch keine Nutzungsrechte eingeräumt. Gem. § 12 UrhG entscheidet der Urheber über deren Veröffentlichung.2 Ein Vorbehalt ist jedoch dann angebracht, wenn der öffentlichen Mitteilung das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines anderen entgegensteht. Das klassische Beispiel hierfür sind herabwürdigende Aussagen, die gegen eine andere Person gerichtet sind und auf einer Meinung beruhen. Die Mitteilung von nachteiligen Tatsachen begründet grundsätzlich kein Veröffentlichungsverbot. Ein solches kann sich nur ausnahms1 Schack: a.a.O., § 4 Rn 60. 2 BGHZ 15, 249, 261f. (Cosima Wagners Tagebücher). https://doi.org/10.1515/9783110707588-017
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weise ergeben, wenn statt einem nachvollziehbaren Informationsinteresse eine zur Schaustellung betrieben werden soll. Bei den entsprechenden Fällen bedarf es einer Abwägung und Bewertung im Einzelfall. Bei den nicht urheberrechtlich geschützten Aufzeichnungen erfolgen Beschränkungen für die Nutzung ausschließlich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Es erfolgt eine Abwägung zwischen dem Interesse an der Veröffentlichung und den entgegenstehenden Rechten aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und gegebenenfalls dem Urheberpersönlichkeitsrecht. Werden das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt, hat eine Veröffentlichung zu unterbleiben. Durch Fortschreiten der Zeit oder Veränderung wesentlicher Umstände kann eine erneute Abwägung geboten sein.
3 Datenbanken und Sammelwerke Datenbanken und Sammelwerke werden in § 4 UrhG beschrieben. Wenngleich sie darüber hinaus nicht im Beispielskatalog des § 2 Abs. 1 UrhG ausdrücklich erwähnt sind, so werden sie als ungenanntes Beispiel der offenen Aufzählung des § 2 Abs. 1 UrhG mit umfasst. Datenbanken und Sammelwerke erfahren weiterhin eine leistungsschutzrechtliche Absicherung durch die §§ 87aff. UrhG. Während es sich bei § 4 Abs. 2 UrhG um den urheberrechtlichen Schutz des Datenbankwerks als Ergebnis einer geistigen Schöpfung mittels Auswahl und Anordnung von Elementen handelt, ist das unternehmensbezogene Datenbankherstellerrecht i.S.v. § 87a UrhG das Ergebnis einer Investitionsleistung.1 Daher sind Datenbankwerk und Datenbankherstellerrecht wegen der unterschiedlichen Schutzgegenstände nebeneinander anwendbar und werden unabhängig voneinander geprüft.2 Gemäß § 4 Abs. 1 UrhG sind Sammelwerke Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung darstellen. Die Formulierung unabhängige Elemente bildet den Oberbegriff für die möglichen Bestandteile. Der Begriff der Elemente ist weit zu verstehen. So ist für die Teilelemente selbst kein Werkcharakter erforderlich.3 Daher können auch reine Fakten, mathematische Modelle oder amtliche Werke etc. Bestandteile von Sammelwerken im rechtlichen Sinne sein. Nach Ansicht der Rechtsprechung können auch Zusammenstellungen realer Objekte z.B. Museumsgegenstände, Ausstellungen, Münz- oder Briefmarkensammlungen von § 4 Abs. 1 UrhG umfasst werden.4 Das Anerkennen der Schutzfähigkeit realer Objekte als unabhängige Elemente in § 4 Abs. 1 UrhG ist vom Wortlaut her konsequent und wegen der Gleichwertigkeit der Strukturierung als Ausstellung geboten. Der juristische Begriff von Sammelwerken ist daher weiter als der bibliothekarische. Hier wird unter einem Sammelwerk ein editiertes Medium mit mehreren Urhebern verstanden. Um als Urheberwerk anerkannt zu werden, hat ein Sammelwerk den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UrhG zu genügen. Dabei ist die Zusammenstellung an sich das geschützte Werk.5 Daher hat die Sammlung als Gesamtheit eine persönliche geistige Schöpfung zu sein. Als maßgebliche Punkte kommen hier die besondere Art der Anordnung oder die Auswahl der enthaltenen Elemente in
1 EuGH, GRUR 2012, 1245, 1246 (Football Dataco/Sportradar); EuGH, ZUM-RD 2012, 181 Rn 45 (Dataco/ Yahoo); BGH, ZUM-RD 2009, 497, 498 (Gedichttitelliste III); BGH, GRUR 2009, 852, 854 (elektronischer Zolltarif); BGHZ 172, 268, 277 (Gedichttitelliste I). 2 Wandtke: a.a.O., 7. Kap. Rn 50. 3 Wandtke: a.a.O., 2. Kap. Rn 21. 4 Für einen Schutz: LG München I, ZUM-RD 2003, 492; Dreier; Schulze; Dreier: a.a.O., § 4 Rn 10; dagegen Schricker; Loewenheim; Loewenheim: a.a.O., § 4 Rn 6. 5 Wandtke: a.a.O., 2. Kap. Rn 21. https://doi.org/10.1515/9783110707588-018
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Betracht.6 Eine besondere Genialität wird hier nicht gefordert, dennoch muss die besondere Eigenart des Sammelwerks zu Tage treten. Gefordert wird eine Unterscheidbarkeit von allgemein bekannten Sortierungskriterien.7 Daher genügt eine rein handwerkliche, schematische oder routinemäßige Anordnung bzw. Auswahl nicht.8 Klassifikationssysteme vermitteln auf Grund des dahinterliegenden spezifischen Zuordnungskonzepts die besondere Art der Anordnung. Auch bei Anwendung von umfassend ausgestalteten Klassifikationssystemen wie der Regensburger Verbundklassifikation sind auf Grund alternativer Möglichkeiten nach wie vor Entscheidungen über die Vergabe der Notation zu treffen. Damit wird auch bei einer Verwendung eines Klassifikationssystems in Reinform eine besondere Eigenart des Sammelwerks erreicht. Ein einfaches Verstellen von Büchern innerhalb einer als Sammelwerk anzuerkennenden Bibliothek genügt nicht, um eine urheberrechtliche Verletzung annehmen zu können. Eine unordentliche Benutzung ist ausdrücklich nicht als sozial üblich begründbar. Dennoch genügt die Intensität nicht, um einen urheberrechtlichen Eingriff annehmen zu können, sofern nur ein unwesentlicher Teil der Gesamtbibliothek betroffen ist. Beispiel: Aktionskünstler K ordnet auf eigene Initiative hin den halben Bibliotheksbestand neu. Dabei orientiert er sich an den Farben und Formaten der Einbände, um einen Regenbogen über die Regale hinweg darzustellen. Hier entstand zwar ein neues Urheberwerk, zuvor wurde aber in das Recht am Urheberwerk als Sammelwerk eingegriffen. Die Rechte der vom jeweiligen Bibliothekar geschaffenen Sammelwerke stehen durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung dem Arbeitgeber des Bibliothekars zu. Daher kann der Bibliotheksleiter als Vertreter des Arbeitgebers die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands bzw. gegebenenfalls Schadensersatz verlangen.
Datenbankwerke sind nach § 4 Abs. 2 UrhG ein Unterfall der Sammelwerke. Gem. § 4 Abs. 1 UrhG müssen die Voraussetzungen der systematischen oder methodischen Anordnung und die Möglichkeit des Einzelabrufs von Datenbankelementen gegeben sein. Dementsprechend ist Gegenstand des Schutzrechts die Auswahl oder die Anordnung der in den Datenbanken enthaltenen Elemente. Auch hier wird zwar eine erkennbare Individualität an die Auswahl bzw. Anordnung der Elemente gestellt. Eine besondere Qualität oder gar Ästhetik wird hingegen nicht gefordert. Durch sie soll klargestellt werden, dass es sich nicht nur um eine Datenansammlung handelt.9 Im Urheberrechtsgesetz gibt es an einigen Stellen besondere Normen hinsichtlich Datenbanken. Zu nennen sind hier die §§ 23 Abs. 2 Nr. 4, 53 Abs. 5, 55a UrhG. Auf Vollständigkeit angelegte Sammlungen einschließlich entsprechender Datenbanken
6 BGH, GRUR 1982, 37, 39 (WK-Dokumentation). 7 OLG Nürnberg, GRUR 2002, 607 (Stufenaufklärung nach Weissauer); LG Mannheim, ZUM-RD 2004, 547, 549. 8 OLG Nürnberg, GRUR 2002, 607 (Stufenaufklärung nach Weissauer). 9 Wandtke: a.a.O.,2. Kap. Rn 22.
Datenbanken und Sammelwerke
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können nur erschwert von § 4 Abs. 2 UrhG erfasst werden.10 Denn es fehlt hier jeglicher Spielraum für eine persönliche geistige Auswahlentscheidung.11 Damit kann sich bei den auf Vollständigkeit angelegten Sammlungen eine Schutzfähigkeit nur aus der Anordnung der Elemente ergeben. Eine Auswahl als subjektive Leistung eines aktiven Geistes findet hier nicht mehr statt. Wegen des Investitionsinteresses und der gleichen Verwendung des Werkbegriffs werden Datenbankwerke, die auf Vollständigkeit angelegt sind, mit einem Leistungsschutzrecht berücksichtigt. Folge hiervon ist, dass kleinere Datenbanken als Ausdruck schöpferischer Betätigung länger geschützt sind als große, die auf Vollständigkeit angelegt sind.12 Wird beim Aufbau bzw. Betrieb einer Datenbank Wert auf einen starken, insbesondere langen Schutz gelegt, so ist dies bei der Zieldefinition der Sammlung und später beim Marketing zu berücksichtigen. Ein Cloud-Angebot kann als solches ein Sammel- oder Datenbankwerk gem. § 4 UrhG sein.13 Cloud (Wolke) nennt man in der Informatik Teile von Netzwerken oder externe Netzwerke, deren genaue Struktur unbekannt oder irrelevant ist.14 Somit sind Cloud-Dienste Leistungen auf Rechnern, die an einem beliebigen Ort aufgebaut sind. Bei Cloud-Diensten wird die Software auf einem entfernten Internetserver installiert und nicht wie bei der traditionellen Softwareinstallation der Rechner des Nutzers verwendet.15 Deshalb wird die Installationssoftware nicht mehr erworben und installiert, sondern angemietet.16 Die Hauptnachteile von Cloud-Diensten liegen im Bereich der Datensicherheit und des Datenschutzes. Das Ablegen von urheberrechtlich geschützten Werken in eine Cloud ist generell möglich und unterliegt keinen Besonderheiten. Es ist jedoch darauf zu achten, dass nach dem vereinbarten Nutzungsvertrag zwischen der Bibliothek und dem Lizenzgeber des urheberrechtlich geschützten Werks ein Verbringen in eine Cloud generell oder in Clouds, die in bestimmten Ländern aufgebaut sind, ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Kommt es in Folge von Lecks bei der Datensicherheit in der Cloud zu Verletzungen von Urheberrechten an den eingestellten Werken, so liegt dies im Verantwortungsbereich des Nutzers der Cloud. Die Cloud ist dem Nutzer als Werkzeug und der Betreiber der Cloud als der im Lager des Nutzers stehende Gehilfe anzusehen. Daher kann der Nutzer die Verantwortung für den entstandenen Schaden durch die Urheberrechtsverletzung nicht von sich weisen. Der Nutzer der Cloud hat wegen der gegen ihn gerichteten urheberrechtlichen Ansprüche nur einen Freistellungsanspruch gegen den Schädiger. 10 Wandtke: a.a.O.,2. Kap. Rn 22. 11 Wandtke: a.a.O.,2. Kap. Rn 22. 12 Wandtke: a.a.O.,2. Kap. Rn 22. 13 Lehmann; Giedke, CR 2013, 681–688 (681). 14 Bisges, GRUR 2013, 146–149 (146). 15 Ausführliche Beschreibung des Cloud Computing: NIST, Special Publication 800-145, The NIST Definition of Cloud Computing, September 2011, S. 1 siehe http://csr.nist.gov/publications/nistpubs/ 800-145/SP800-145.pdf., zuletzt aufgerufen am 22.02.2022. 16 Zur rechtlichen Einordnung als Mietvertrag siehe Bisges, GRUR 2013, 146–149 (147); BGH, NJW 2007, 2394; Bettinger; Scheffelt, CR 2001, 729 (731); Röhrborn; Sinhart, CR 2001, 69 (70f.).
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Das Leistungsschutzrecht des Datenbankherstellers ergibt sich aus §§ 87aff. UrhG. Es handelt sich hier um den Schutz bestimmter technisch-organisatorischer Leistungen in Form von verwandten Schutzrechten. Der Leistungsschutz gilt 15 Jahre. Bei Leistungsschutzrechten gilt der Schutz nicht der persönlichen, geistigen, verkörperten Schöpfung, sondern den bedeutsamen Investitionen des Datenbankherstellers. Damit steht es dem Investitionsträger als Datenbankhersteller gem. § 87a Abs. 2 UrhG zu. Datenbankhersteller ist die Person, die Initiative ergreift und das Investitionsrisiko selbst trägt.17 Werden die Investitionen abgesichert, hat das keine Auswirkungen auf die Frage nach dem Datenbankhersteller.18 Mehrere Investoren können gemeinsam die Investitionsleistung erbringen, indem sie insbesondere die wesentlichen Entscheidungen gemeinsam treffen und das wirtschaftliche Risiko gemeinsamen tragen. In einem solchen Fall steht ihnen auch das Leistungsschutzrecht gemeinschaftlich zu. Dagegen genügt ein rein kausaler Beitrag nicht.19 Dabei ist der Investitionsbegriff weit zu fassen. Neben den finanziellen Mitteln, zählen auch die technischen und menschlichen Faktoren.20 Anerkannt ist, dass eine wesentliche Investition zumindest dann gegeben ist, wenn die aufgewendeten Kosten wirtschaftlich nicht nur unbedeutend sind. Berücksichtigungsfähige Kosten sind diejenigen, die für die Erschaffung der Datenbank selbst entstanden sind.21 § 87b Abs. 1 UrhG beschreibt den Schutzumfang und dient damit dem Ausgleich zwischen dem Investitionsinteresse des Datenbankherstellers und dem Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten Zugang zu Informationen. Die Nutzung, insbesondere die Entnahme,22 ist gestattet, wenn sie keinen nach der Art oder dem Umfang wesentlichen Teil der Datenbank betrifft oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers nicht unzumutbar beeinträchtigt.23 Wo die Grenze zur Wesentlichkeit zu ziehen ist, ist der Rechtsprechung überlassen worden. Einzelne Elemente sind nach einhelliger Meinung noch nicht wesentlich.24 Daher können einzelne Elemente entnommen werden, sofern sie nicht wieder selbst und unabhängig von der Datenbank geschützt sind.25 Hier liegt eine wesentliche Einschränkung vor. Denn viele Elemente sind wegen ihres Inhalts oder auch nur wegen ihrer Gestaltung als Werke urheberrechtlich geschützt. In Betracht kommen daher vor allem Fakten, nicht redaktionell bearbeitete gemeinfreie Werke bzw. nicht bearbeitete Werke, bei denen das Urheber17 BGH, GRUR 2010, 1004 Rn 22 (Autobahnmaut). 18 BGH, GRUR 2010, 1004 Rn 22 (Autobahnmaut). 19 BGH, GRUR 1999, 923 (Tele-Info-CD). 20 EuGH, GRUR 2009, 572 Rn 66 (Apis/Lakorda). 21 EuGH, GRUR 2005, 244 Rn 30 (BHB-Pferdewetten); EuGH, GRUR 2005, 252 Rn 39 (Fixtures – Fußballländerspielpläne II). 22 Begriff der Entnahme: BGH, GRUR 2010, 386 (Gedichttitelliste III); EuGH ZUM 2009, 54 (Gedichttitelliste). 23 EuGH, GRUR 2008, 1077; BGHZ 164, 37, 47 (HITBILANZ) m.w.N. 24 Kauert in Wandtke: a.a.O. 5. Aufl., 7 Kap. 129. 25 EuGH, GRUR 2008, 1077.
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recht durch Zeitablauf erloschen ist. Die Frage, ob ein quantitativ wesentlicher Teil des Inhalts der Datenbank entnommen wurde, ist durch das Verhältnis von entnommenen Datenbankinhalten zum gesamten Inhalt der Datenbank zu ermitteln.26 Nach der Rechtsprechung gilt er bei mehr als 75 Prozent des Datenbankinhaltes jedenfalls als entnommen.27 Dagegen genügen 10 Prozent noch nicht, um einen wesentlichen Anteil zu begründen.28 Es verbleibt eine restliche Unsicherheit von 10 bis 25 Prozent.29 Anders als für Datenbankwerke gelten die allgemeinen Schranken der §§ 44aff. UrhG für Datenbanken nicht. Vielmehr besteht gem. § 87c UrhG ein eigener und abschließend geregelter Schrankenkatalog in Abs. 2. Jedoch wurde dieser Schrankenkatalog durch viele Verweise auf ausdrücklich genannte allgemeine Schranken mit einem deutlichen Umfang ausgestattet. Durch den Verweis auf die entsprechende Anwendung des § 60g UrhG für § 87c UrhG Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5, Nr. 6, Abs. 4 UrhG erfolgt der Vorrang der gesetzlichen Erlaubnisse vor vertraglichen einschränkenden Bestimmungen. Die Nichtberücksichtigung von § 87c UrhG Abs. 1 Nr. 4 UrhG ist nachvollziehbar, da es sich hier um die allgemeine Regelung des Text und Data-Mining gem. § 44b UrhG handelt. Bei der in § 44b UrhG möglichen kommerziellen Nutzung ist keine besondere Schutzbedürftigkeit zu sehen. Daher verbleibt es beim Grundsatz der Vertragsfreiheit. Die Verweisung auf die allgemeinen Bestimmungen umfassen auch die Pflichten z.B. das der Quellenangabe gem. § 63 UrhG. Der Verweis auf § 63 UrhG erfolgt in Ganze, womit wiederum auch der Verzicht auf die Quellenangabe in den normierten Fällen erfasst ist.
26 EuGH, GRUR 2005, 244, 250f. (BHB-Pferdewetten). 27 BGH, GRUR 2010, 386 (Gedichttitelliste III). 28 BGH, GRUR 2011, 724 (Zweite Zahnarztmeinung II); OLG Köln, MMR 2009, 191 (Bewertungsdatenbank). 29 Kauert in Wandtke: a.a.O., 5. Aufl., 7. Kap. 129.
4 Wissenschaftliches Arbeiten, Zitierung und Plagiate Zu den regelmäßigen Berührungspunkten zwischen dem Urheberrecht und Bibliotheken gehört die Thematik des wissenschaftlichen Arbeitens. Dieses findet nicht nur an Forschungseinrichtungen im Kreis der Hochschullehrer, sondern auch durch den Schüler, der eine umfangreiche Hausarbeit erstellt, oder den Heimatforscher in der Stadtbibliothek statt. Wissenschaftliches Arbeiten ist die systematische Untersuchung eines Themas mit dem Ziel eines weiteren Erkenntnisgewinns. Zu dem herausgegriffenen Thema oder zumindest zu dessen näherem Umfeld oder Methodik gibt es bereits Vorkenntnisse. Somit erfolgt die Untersuchung des Themas regelmäßig durch ein begleitendes Studium der bereits vorhandenen Erkenntnisse, um sich eine eigene Meinung zu der vorliegenden Fragestellung zu bilden. Die Ergebnisse der eigenen und der übernommenen Arbeit werden abschließend dargestellt oder umgesetzt. Damit besteht ein Interesse zu erfahren, welche Ergebnisse selbst gewonnen und welche übernommen wurden. Mit dem Zitieren der übernommenen Erkenntnisse wird dokumentiert, welche Ergebnisse welchem Forscher oder welcher Quelle zuzuordnen sind. Regelmäßig erfolgt diese Darstellung in schriftlicher Form. Üblich und notwendig ist es, die Zuordnung, also das Zitat, mit bibliografischen Angaben zu versehen. Deren Aufgabe besteht darin, dem späteren Leser das Auffinden der übernommenen Erkenntnisse schnell und eindeutig zu ermöglichen.1 Die Voraussetzungen der Zitierschranke finden sich in den §§ 51, 62, 63 UrhG. Durch die Forderung nach einem Zitatzweck begrenzt § 51 S. 1 UrhG den Umfang des Zitats. Ferner muss es sich bei dem zitierten Werk um ein selbstständig geschütztes Werk handeln. Dem Zitat kommt eine Belegfunktion zu. Die Belegfunktion stützt sich auf drei Komponenten. Dazu gehört das generelle Änderungsverbot aus § 62 UrhG. Als Ausnahme zu dieser Regel sind zweitens benutzungsbedingte Änderungen gem. §§ 39 Abs. 2, 62 Abs. 1 S. 2 UrhG als immanente Ausnahme möglich. Drittens ist ein Zitat ohne die nach § 63 Abs. 1 UrhG geforderte Quellenangabe rechtswidrig. Durch die Belegfunktion besteht zwischen dem eigenen und dem zitierten Werk eine innere Verbindung. Sind diese Forderungen erfüllt, so bildet das Zitat eine rechtmäßige Verbindung zwischen dem neuen Werk und dem zitierten Werk.
1 Rost; Stary: Schriftliche Arbeiten „in Form“ bringen. Zitieren, Belegen. Ein Literaturverzeichnis anlegen. In: Franck; Stary (Hrsg.): Die Technik des wissenschaftlichen Arbeitens, S. 179ff. https://doi.org/10.1515/9783110707588-019
Wissenschaftliches Arbeiten, Zitierung und Plagiate
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Zitat Belegfunktion Fremdes Werk Zitierzweck
Grundsatz Änderungsverbot
Ausnahme Benutzungsbedingte Änderungen
Quellenangabe
Eigenes (selbstständig geschütztes) Werk
Abbildung 19: Die vier Brückenpfeiler eines Zitats.
Fall: A schreibt einen Aufsatz. Von einigen Füllwörtern abgesehen, reiht er ausschließlich Zitate aneinander. Die Zitate werden in ordnungsgemäßer Form belegt. Wie ist die Rechtslage? Lösungsskizze: A ist gem. § 4 Abs. 1 UrhG Urheber eines Sammelwerks geworden. Denn die Auswahl und Anordnung der Sammlung genießen urheberrechtlichen Schutz. Dieser Schutz kommt ihm jedoch nicht gegen die Urheber der verwendeten Textstellen zugute. Denn das Schaffen des A ist nicht vom Zitierrecht gedeckt. Denkt man sich die Zitate weg, so bliebe kein eigenständiges Werk, sondern nur vereinzelte Füllwörter zurück.
Damit aber nicht jedes Wort in der späteren Darstellung wenigstens sprachgeschichtlich belegt wird, ist eine sachgerechte Auswahl zu treffen. Zu zitieren sind jene übernommenen Erkenntnisse oder sonstigen Schöpfungen, die sich durch ihre Darstellung einer Person, Personengruppe oder sonstigen Quelle nachvollziehbar zuordnen lassen. Dabei kann es sowohl um die Art und Weise der Darstellung als auch um deren Inhalt gehen. Dies gilt sowohl für wissenschaftliche als auch nichtwissenschaftliche Darstellungen, denn Ansatzpunkt ist das fremde Werk, ohne weitere Differenzierung. Im Gegensatz dazu werden allgemein bekannte Aussagen oder sprachliche Formulierungen nicht mit einem Beleg versehen, sofern es nicht zentral um diese Aussage einer bestimmten Person geht. Diese weite Auffassung der sogenannten Zitiernotwendigkeit entspricht dem Verständnis von § 51 UrhG. Teilweise wird vor allem an Hochschulen unter dem Begriff Zitierfähigkeit weiter eingeschränkt, dass bestimmte, nicht als wissenschaftlich anerkannte Arbeiten wie Seminararbeiten oder Bachelorarbeiten nicht zitiert werden sollen. Eine solche Beschränkung ist prüfungsrechtlich möglich. Jedoch wird damit auch die inhaltliche Verwendung der nicht als genügend wissenschaftlich anerkannten Arbeiten ausgeschlossen. Denn die prüfungsrechtliche Maßgabe hebt die urheberrechtlich gebotene Trennung zwischen eigenen und fremden Erkenntnissen nicht auf. Das Urheberrecht unterscheidet lediglich zwischen Werk und Nichtwerken. Dagegen gibt es keine Differenzierung
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
zwischen genügend wissenschaftlich anerkannten Werken und nicht genügend wissenschaftlich anerkannten Werken. Eng mit dem Nichtzitieren fremder Leistungen ist die Bezeichnung Plagiat verbunden. Der Begriff Plagiat ist im Urheberrechtsgesetz unbekannt. Daher sind die Begriffe Plagiat und Urheberrechtsverletzung nicht deckungsgleich, sondern haben gemeinsame Schnittmengen. Ist das Original nicht oder nicht mehr geschützt, liegt keine Urheberrechtsverletzung vor. Ein Plagiat ist hingegen auch an einem nicht (mehr) urheberrechtlich geschützten Werk möglich.2 Das Gleiche gilt für das Verhältnis zwischen einem Plagiat und der Verletzung anderer Rechte zum Schutz des Geistigen Eigentums. Plagiat ist kein Rechtsbegriff. Vielmehr handelt es sich um eine gebräuchliche Bezeichnung für einen „geistigen Diebstahl.“3 Damit können verschiedene Formen gemeint sein. In Betracht kommen eine Kopie oder ein zulässiges, aber nicht genau gekennzeichnete Zitat genauso wie eine Bearbeitung, die nicht die notwendige Schöpfungshöhe bzw. Abstand zum Originalwerk erreicht. Ziele des Plagiators sind Geld und eine positive Öffentlichkeitswirkung. Erste und gemeinsame Voraussetzung eines Plagiats und einer Urheberrechtsverletzung ist, dass eine Identität oder wenigstens eine hohe Ähnlichkeit zwischen dem erstentstandenen und dem zeitlich folgenden Werk besteht. Sind zwei Werke einander ähnlich, so führt das zu einer Unsicherheit bei der Zuschreibung.4 D.h. ist die Entstehungszeit nicht bekannt, kann nur auf Grundlage der vorliegenden Werke nicht mehr ermittelt werden, wer der ursprüngliche Schöpfer des Werks ist. Die Ähnlichkeit kann jedoch aus zwei verschiedenen Gründen bestehen. Ein Grund für die Ähnlichkeit ist der objektiv bestehende nur sehr geringe Gestaltungsspielraum. Dabei gilt, je geringer der Gestaltungsspielraum, desto geringer ist auch der Schutzumfang des Werks. Wenn keine originelle Gestaltung, sondern nur eine nahezu wortgetreue Wiedergabe möglich ist, dann kann niemand ein deutlich unterschiedliches Werk mit gleichem Inhalt schaffen. Ein Beispiel für einen objektiv relativ gering bestehenden Gestaltungsspielraum ist die Verwendung einer wissenschaftlichen Fachsprache, insbesondere dann, wenn sie sich zu einem erheblichen Teil auf standardisierte Formeln bezieht. Daher ist der Gestaltungsspielraum in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern enger als beispielsweise in den Geisteswissenschaften. Der zweite Grund ist die nicht gestattete Übernahme eines fremden Werks unter Vorspiegelung eigener Schöpfungstätigkeit. Hier handelt es sich um ein Plagiat. Wegen den erheblichen Folgen einer Rufschädigung ist bei einer vorliegenden Ähnlichkeit eine genaue Prüfung des Sachverhalts vorzunehmen und kein voreiliges, plagiatives Urteil in den Raum zu stellen. Stellt sich die Frage, ob aus einem Werk unzulässige Übernahmen vorliegen, sind beide Werke einander gegenüberzustellen. Aus dem Vergleich muss sich ergeben, dass sich das plagiierte Werk (Verletzungsmuster) innerhalb des Schutzbereiches des Originals 2 Schack in Dreier: Wissenschaftsplagiat und Urheberrecht, S. 81–98, S. 81. 3 Schack: Urheber- und Urhebervertragsrecht, § 9 Rn 283. 4 Rieble in Dreier: Erscheinungsformen des Plagiats, S. 31–50, S. 32.
Wissenschaftliches Arbeiten, Zitierung und Plagiate
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(Klagemuster) befindet. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Unterschiede, sondern auf die Übereinstimmungen an.5 Software zum Erkennen von Plagiaten beruht auch einem differenzierten Suchalgorithmus, bei dem das Verletzungsmuster mit einem oder mehreren Originalwerken auf Übereinstimmungen verglichen wird.6 Auch wenn eine Urheberrechtsverletzung verneint wird, kann weiterhin eine Verletzung der Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis vorliegen.7 Paraphrasieren ist die sinngemäße Übernahme eines fremden Gedankens mit eigenen Worten. Da hier keine Vervielfältigung oder Verbreitung als Nutzungshandlung gegeben ist, ergibt sich aus § 63 UrhG kein urheberrechtliches Gebot den Namensnachweis zu führen. Jedoch können die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis, dass sein Nachweis des Namens des Ideengebers erfolgt. Soweit eine identische Leistungsübernahme vorliegt, ist der Nachweis einfach. Anders sieht es aus, wenn die Stellen nur ähnlich sind. Hier kann eine erlaubte freie Benutzung oder eine nicht erlaubte unfreie Bearbeitung gegeben sein. Dabei ist der Schutzumfang des Originals entscheidend. Dieser wiederum ergibt sich aus der Originalität der Schöpfung. Zur Prüfung des Vorwurfs wurden Schritte für die Ermittlung entwickelt:8 –– Welche Merkmale kennzeichnen den ästhetischen Gesamteindruck des behaupteten ursprünglichen Werks (sog. Klagemuster) in einer charakteristischen Art und Weise? Dabei ist der bekannte Bereich aller in Betracht kommenden Formen (sog. Formenschatz) einzubeziehen. Bei der Antwort ist der Schutzbereich zu berücksichtigen. Je origineller das Werk ist (= weiter Abstand zum bekannten Formenschatz), desto größer ist der Schutzbereich. –– Welche charakteristischen Merkmale finden sich im Verletzungsmuster wieder? –– Kommt den ermittelten Übereinstimmungen ein Werkscharakter zu?
5 Fromm; Nordemann; Nordemann: a.a.O., § 24 Rn 45 ff.; Rachow in Limper; Musiol a.a.O., 21. Kap., Rn 46. 6 https://plagiat.htw-berlin.de/, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. 7 https://www.dfg.de/foerderung/grundlagen_rahmenbedingungen/gwp/, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. 8 Rachow in Limper; Musiol: a.a.O., 21. Kap., Rn 46; Fromm; Nordemann; Nordemann: a.a.O., § 24 Rn 28.
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Tabelle 10: Beispiel für eine Gegenüberstellung von Original und vermutetem Plagiat. Beispiele für charakteristische Übereinstimmungen
Textbeispiele bzw. Textbeispiele bzw. BeschreiBeschreibung des bung des vermuteten Plagiat Originals (Klagemuster) (Verletzungsmuster)
Identische Rechtschreib- und Grammatikfehler
Die Fehler treten bei denselben Worten in einer auffälligen Art und Weise auf. Z.B. „Bycher“ statt „Bücher“ in beiden Texten.
Erhebliche Unterschiede im Schreibstil Z.B. Ausschließlich innerhalb des Textes beim Verletzungslange Sätze mit vielen muster. Dabei entsprechen Teile des einen Nebensätzen. Schreibstils dem des Klagemusters. Charakteristischer Satzbau Charakteristische Länge der Sätze Verwendung eigentümlicher charakteristischer Begriffe, die in einem anderen Teil mehrfach unerwartet fehlen.
Z.B. Viele Teile des Textes bestehen aus einfachen und kurzen Sätzen. Dazwischen finden sich aber längere Abschnitte mit langen, nebensatzreichen Sätzen.
Nahezu identisches Quellenverzeichnis
Bzw. nur rudimentäre Quellenangaben
Ähnliche Textlänge zu den gleichen Punkten Die Stellungnahmen und der Ausdruck der eigenen begründeten Meinung sind entweder nahezu identisch oder im Verletzungsmuster (fast) nicht vorhanden. Die Übergänge zwischen den einzelnen Sinnabschnitten sind abrupt und wirken isoliert. Es fehlt der innere Zusammenhang, um einen einheitlichen Text erkennen zu können.
Es finden sich keine eigenen Stellungnahmen, wo sie zu erwarten wären.
Nicht vorsätzlich ist dagegen die sogenannte „unbewusste Entlehnung“. Hier wird die schöpferische Inspiration unbewusst von Erinnerungen an eine andere Quelle gespeist. Durch das Erstellen einer identischen oder leicht abgewandelten Kopie wird der wahre Urheber in seinem Recht auf Anerkennung der Urheberschaft nach § 13 UrhG verletzt. Die oben genannten Punkte bei der Prüfung von ähnlichen Texten lassen sich bis auf die Frage nach dem Werkscharakter auch entsprechend für die Überprüfung nach einem Plagiat anwenden. Denn ein Plagiat kann auch dann vorliegen, wenn das Ursprungswerk nicht oder nicht mehr urheberrechtlich geschützt ist.
5 Geräteabgabe und Bibliotheksgroschen Die gesetzliche Erlaubnis zur Vervielfältigungen von Werken auf Grundlage der §§ 53 Abs. 1, 2; 60a–60f UrhG ist finanziell auszugleichen. Dafür entsteht ein verwertungsgesellschaftspflichtiger Vergütungsanspruch gegen die Hersteller, Importeure, Händler und vor allem Betreiber von Speichermedien und Geräten, die zur Vervielfältigung bestimmt sind. Der gegen die Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie öffentliche Bibliothek gerichtete Anspruch ergibt sich aus § 54c UrhG. Es handelt sich um eine sogenannte Betreibervergütung durch Zahlung einer pauschalen, jährlichen Vergütung. Anknüpfungspunkt ist die Eigenschaft der öffentlich zugänglichen Bibliothek als Betreiber des Vervielfältigungsgeräts. Ist nicht die Bibliothek, sondern ein externer Dienstleister Betreiber der Vervielfältigungsgeräte, so ist ein Anspruch aus § 54c UrhG zu verneinen. Einzelheiten für das Kopieren in Hochschulen und Bibliotheken mit bibliothekseigenen Geräten sind seit 2016 im „Rahmenvertrag zur Vergütung von Ansprüchen nach § 54c UrhG – Betreiberabgabe für Kopiergeräte und Drucker“ geregelt.1 Über die Verwertungsgesellschaft kann der Urheber an den eingesammelten Geldern partizipieren. Inzwischen wird nicht mehr auf die reine Eignung, sondern auf die typische Zweckbestimmung der Speichermedien und Geräte abgestellt.2 Einwände, dass die besagten Geräte auch urheberrechtsneutral verwendet werden können, hat das Bundesverfassungsgericht bereits zur alten Rechtslage abgelehnt.3 Daher ist hier von einem gesetzten Rechtsstand auszugehen. Rein fiskalische Interessen der öffentlichen Hand sind jedoch kein Grund auf Vergütungsansprüche verzichten zu müssen.4 Das Verleihen von Medien durch öffentlich zugängliche Bibliotheken stellt gem. § 27 Abs. 2 UrhG eine abgeltungspflichtige Nutzung dar. Das Entgelt wird als Bibliothekstantieme bezeichnet und pauschal von Bund und Ländern nach dem „Königssteiner Schlüssel“ an die VG Wort bezahlt. Grundlage für die Berechnung der Pauschale ist die Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS) sowie einer alle zwei Jahre vom Deutschen Bibliotheksverband und der VG Wort gemeinsam durchgeführten repräsentativen Erfassung an ausgewählter Bibliotheken. Dagegen ist das private Verleihen von urheberrechtlich geschützten Werken nicht vergütungspflichtig, sofern der Erschöpfungsgrundsatz greift. Bei den Verwertungsgesellschaften handelt es sich um Einrichtungen, die treuhänderisch die Rechte von Urhebern oder Inhabern verwandter Schutzrechte mit dem Ziel der gemeinsamen Verwertung wahrnehmen. Grundlage ist das Urheberrechts1 https://www.vgwort.de/fileadmin/pdf/allgemeine_pdf/54c_Rahmenvertrag_BundL, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. 2 BGBl. 1985 I 1137 siehe hierzu auch BT Drucks. 10/837, S. 17ff. 3 BVerfGE 31, 255 (Tonbandvervielfältigungen). 4 Schack: a.a.O., § 5 Rn 94; Krüger-Nieland in FS Oppenhoff 1985, S. 173, 181, 191. https://doi.org/10.1515/9783110707588-020
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
wahrnehmungsgesetz. Im Folgenden sind die für das Bibliotheks- und Informationswesen relevantesten Verwertungsgesellschaften aufgeführt: Tabelle 11: Verwertungsgesellschaften. Abkürzung: GEMA Name: Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Adressanten: Komponisten, Texter, Musikverleger Rechteverwaltung: Rechte der Aufnahmen auf Ton-, Bildton-, Multimedia- und anderen Datenträgern sowie Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte an diesen Trägern. Abkürzung: VG Wort Name: Verwertungsgesellschaft Wort Adressanten: Urheber von Sprachwerken Rechteverwaltung: Digitale Rechte für Offline-Produktionen; Onlinerechte sind beim Urheber bzw. den Verlagen; vgl. aber auch die Google-Books Vereinbarung. Abkürzung: VG Bild-Kunst Name: Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst Rechteverwaltung: Bildende Künstler für Erst- und Zweitverwertungsrechte einschließlich der digitalen Rechte. Zudem einige Rechte von Grafikern, Fotografen, Fotojournalisten, freien Produzenten im Bereich Bild, Fernsehen, Audio. Hinweis: Die Auflistung ist nicht abschließend.
6 Kopienversanddienste Der Versand von Kopien ist in § 60e Abs. 5 UrhG geregelt. Als Rechtsfolge ist die gesetzliche Erlaubnis zum Versand gegeben, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Die Bibliothek oder Informationseinrichtung verfolgt keinen kommerziellen Zweck. 2. Mit der Kopie darf der Besteller keinen kommerziellen Zweck verfolgen. 3. Der maximale Umfang einer Kopie eines erschienen Werkes darf 10 Prozent nicht überschreiten. Abweichend davon dürfen Beiträge aus Fachzeitschriften oder wissenschaftlichen Zeitschriften vollständig kopiert und versendet werden. Ausgeschlossen sind damit Beiträge aus Tageszeitungen und allgemeine Zeitschriften. 4. Es gibt keine anderslautende Vereinbarung über den Kopienversand mit einem Verlag. Diese haben gem. § 60g Abs. 2 UrhG Vorrang vor der Anwendung der gesetzlichen Schranke. Der Kopienversand ist vergütungspflichtig und wird durch eine Verwertungsgesellschaft (VG Wort) geltend gemacht. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so kann der Versand in jeder Form, d.h. analog postalisch oder elektronisch erfolgen. Bibliothek verbleibenden Kopien sind von der Bibliothek nach Erfüllung des Bestellwunsches zu löschen. Da Kopienversanddienste auf kommerzieller Basis arbeiten, sind für diese § 60e Abs. 5 UrhG nicht anwendbar. Daher schließen Kopienversanddienste mit Verlagen bzw. die VG Wort mit den Verlagen Rahmenlizenzverträge ab.
https://doi.org/10.1515/9783110707588-021
7 Leihe, Vermieten und Betreiberabgabe Das deutsche Recht unterscheidet in § 27 UrhG zwei verschiedene Arten von Vergütungsansprüchen des Urhebers.1 In § 27 Abs. 1 UrhG ist der unverzichtbare Vergütungsanspruch des Urhebers gegen den Vermieter von Bildund Tonträgern normiert. Dagegen richtet sich der Anspruch aus § 27 Abs. 2 UrhG gegen öffentlich zugängliche Bibliotheken und sonstige Einrichtungen, die Werke oder Kopien von Werken verleihen. Erwirbt eine Bibliothek ein Medium zum Zwecke der Entleihe, so ist die Weiterverbreitung, d.h. das Verleihen, zulässig, ohne dass jedes Mal der Urheber um seine Erlaubnis zu fragen wäre. Jedoch steht dem Urheber für die weitere Entleihe ein Anspruch auf Vergütung zu. Dieser Anspruch wird Bibliothekstantieme, Bibliotheksgroschen oder „public lending right“ genannt. Die Regelung in § 27 Abs. 2 UrhG ist ein Vergütungsanspruch des Urhebers gegen öffentliche Einrichtungen, die Originale oder Vervielfältigungsstücke von Werken verleihen. Insoweit weicht § 27 Abs. 2 UrhG vom Normalfall des Erschöpfungsgrundsatzes gem. § 17 Abs. 1 UrhG ab, der eine Weiterverwertung sonst einschränkungslos für zulässig erklärt. Leitgedanke der Regelungen ist der Umstand, dass durch die Leihe der Nutzerkreis erweitert wird und der Rechteinhaber sonst nicht partizipieren würde. Dabei wird die Situation der Leihe mit dem eines Vortrags verglichen. Beim Vortrag hat der Redner die Möglichkeit für sein Vortragsrecht gem. § 19 Abs. 1 UrhG eine Vergütung zu verlangen. Es sei unbillig ihm dieses bei einer Leihe zu versagen.2 Durch § 27 Abs. 2 UrhG ist klargestellt, dass der Anspruch nur gegen eine der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtung, z.B. Bibliothek, Artothek oder Videothek, gerichtet ist. Zugänglich meint hier, dass zumindest die Präsenznutzung möglich ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass alle von der Bibliothek angebotenen Möglichkeiten der Mediennutzung jedermann zur Verfügung gestellt werden. Beispiel: Die Stadtbibliothek SB verleiht Medien an Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt S. Andere Personen können sich zwar ebenfalls im Gebäude der Stadtbibliothek aufhalten und die Medien vor Ort nutzen, von der Leihe sind sie hingegen ausgeschlossen. Die Bindung der Medienleihe an die Eigenschaft Einwohnerin oder Einwohner der Stadt S zu sein, lässt den Vergütungsanspruch aus § 27 Abs. 2 UrhG nicht entfallen.
Ebenso ist die öffentliche Zugänglichkeit bei der Voraussetzung eines Mindestalters gegeben. Nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind hingegen Bibliotheken, zu denen nur ein kleiner ausgewählter Kreis von Personen Zugang erhält. Dieser Fall ist häufig bei Spezialbibliotheken von Forschungsinstitu1 Seit der Umsetzung der RiLi 92/100/EWG zum Vermiet- und Verleihrecht. 2 Schack: a.a.O., § 14 Rn 505. https://doi.org/10.1515/9783110707588-022
Leihe, Vermieten und Betreiberabgabe
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ten gegeben. Sind generelle Regelungen vorhanden, nach denen auch sonstige Personen Zutritt erhalten können, z.B. bei Nachweis eines wissenschaftlichen Vorhabens, ist regelmäßig von einem öffentlichen Zutritt auszugehen. Dagegen führen bei einer ansonsten nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen Bibliothek vereinzelte Gäste des Hauses nicht zu einer Begründung des Merkmals des öffentlichen Zugangs, wenn sie während ihrer Anwesenheit auch die Bibliothek benutzen. Weitere Bedingung ist, dass die dort praktizierte Gebrauchsüberlassung weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen darf.3 Damit erfolgt eine Abgrenzung von der Auslegung von Medien in den Wartezimmern von Arztpraxen. Erheben Bibliotheken Benutzungsentgelte, so steht das Verleihen i.S.v. § 27 Abs. 2 UrhG dann nicht entgegen, wenn sie nicht über eine Kostendeckung hinausgehen.4 Der Unterschied zwischen dem Verleihen gem. § 27 Abs. 2 UrhG und dem Vermieten gem. § 27 Abs. 1 UrhG besteht darin, dass dem Urheber im Falle des Vermietens ein höheres Entgelt zusteht. Im Gegensatz zum Vermietrecht erschöpft sich das Verleihrecht. Dies hat zur Folge, dass der Urheber das Verleihen nach der ersten erlaubten Verleihung nicht mehr verbieten darf.5 In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass das die Grenze zwischen dem Verleihen gem. § 27 Abs. 2 UrhG und dem Vermieten gem. § 27 Abs. 1 UrhG durch das Erheben eines besonderen Nutzungsentgelts i.H.v. zwei Euro für 14 Tage für die Leihe von Bestsellern überschritten ist.6 Diese Ansicht ist klar abzulehnen. Entsprechend den Definitionen in Art. 1 II und III der Vermietrichtlinie 2006/115/EG erfolgt die Abgrenzung zwischen Vermietung und Verleihe über den Erwerbszweck. Dagegen erfolgt die gleiche Abgrenzung in §§ 535, 598 BGB über das Merkmal der Entgeltlichkeit. Der notwendige, wenn auch für Nichtbibliothekare nicht immer verständliche Aufwand bei der Medienbearbeitung sowie sonstigen Kosten, um Medien auf Abruf vorrätig zu halten, lassen ein Nutzungsentgelt i.H.v. zwei 2 Euro für 14 Tage nicht als Erwerbszweck und damit als ein Vermieten erscheinen. Hinsichtlich der Kostendeckungsgrenze kann dies nur im Einzelfall beantwortet werden. In der Schweiz werden ebenfalls übliche Nutzerbeiträge für Bibliotheken, Verwaltungsgebühren und Einschreibgebühren nicht als Miete gesehen. Weshalb der Anwendungsbereich von URG Art. 13 Abs. 1 regelmäßig nicht eröffnet ist. Näheres findet sich in den Gemeinsamen Tarifen (GT).7 Bei Werkbüchereien gilt § 27 Abs. 1 UrhG. Denn hier verfolgt der
3 Schack: a.a.O., § 14 Rn 506. 4 Schack: a.a.O., § 14 Rn 506. Ursprünglich wurde dies RL 92/100/EWG festgelegt. Diese inzwischen aufgehobene Regelung wurde durch Richtlinie 2006/115/EG ersetzt. 5 Wandtke: a.a.O., 3. Kap. Rn 32. 6 Schulze, G., ZUM 2006, 543–546. 7 https://prolitteris.ch/dokumente/, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022.
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Arbeitgeber einen Erwerbszweck.8 Damit handelt es sich bei der Gebrauchsüberlassung nicht mehr um ein Verleihen, sondern ein Vermieten i.S.v. Art. 1 II RiLi 2006/115/EG. Nicht einheitlich, sondern wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung einzelfallbezogen ist die Einordnung der Gebrauchsüberlassung von Medien durch Bibliotheken privater Hochschulen zu bewerten. Hier kann sowohl ein Verleihen i.S.v. § 27 Abs. 1 UrhG als auch ein Vermieten i.S.v. § 27 Abs. 2 UrhG vorliegen. In die Betrachtung des Einzelfalls sind Punkte wie die Rechtsform der privaten Hochschule, die Zielsetzung der privaten Hochschule im Hinblick auf eine Erwerbstätigkeit, die Zugangsmöglichkeit der Öffentlichkeit zu den Beständen etc. zu berücksichtigen. Generell nicht erfasst sind die Fälle der Präsenznutzung, beispielsweise in Wartezimmern.9 Dies gilt auch, wenn einmal eine Werküberlassung stattgefunden hat und ein Werkgenuss erfolgt.10 Nach einer umstrittenen Meinung unterfällt auch die Gebrauchsüberlassung in einer Präsenzbibliothek dem Verleihen i.S.v. § 27 Abs. 2 UrhG. Diese in der Rechtsprechung vertretene Ansicht stellt faktisch auf den gleich intensiven Gebrauch bei einer Präsenznutzung ab. Auf die Voraussetzungen der Leihe gem. § 598 BGB komme es daher nicht weiter an.11 Die Gegenansicht verneint zutreffend eine Anwendung von § 27 Abs. 2 UrhG, da nur eine Nutzung vor Ort vorliege.12 Im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Norm erscheint die Aufteilung zwischen einer Präsenznutzung in einem Wartezimmer und einer Präsenzbibliothek und stattdessen Gleichstellung von Leihe und Präsenznutzung nicht nachvollziehbar. Die Gleichstellung von Leihe und Präsenznutzung in der Rechtsprechung erstaunt umso mehr, als bisher noch kein überzeugender allgemeiner Maßstab für die Messung der Nutzungsintensität eines Präsenzbestandes gefunden wurde. Daher erfolgt hier fälschlicherweise eine Gleichstellung der Leihe mit der reinen Möglichkeit einer Präsenznutzung. Auf Grund der hier empfohlenen Bindung der täglichen Praxis an die Rechtsprechung ist derzeit bei Präsenzbibliotheken von einer Anwendung von § 27 Abs. 2 UrhG auszugehen. Hier bietet sich jedoch ein rechtspolitisches Gebiet, in dieser Frage durch den Gesetzgeber eine klarstellende Ausnahme anzustreben. Gem. § 27 Abs. 3 UrhG können nur Verwertungsgesellschaften alle in § 27 UrhG normierten Vergütungsansprüche geltend machen. Die Zentralstelle Bibliothekstantieme hat für die Urheber das Inkasso übernommen. Die aktuellen Zahlen zu diesem Punkt finden sich im Geschäftsbericht der VG Wort.13 8 Schack: a.a.O., § 14 Rn 507; BGHZ 58, 270, 273 (Werkbücherei; zum alten § 27 UrhG i.d.F. von 1965). 9 Erwägungsgründe 13 der Vermiet-RL. 10 Schack: a.a.O., § 14 Rn 508. 11 OLG München, GRUR 1979, 546, 547 (Zeitschriftenauslage II); LG München 2003-RR 2003, 300, 303 (Bibliothekstantiemen); Dreier; Schulze; Schulze: a.a.O., § 27 Rn 17. 12 Wandtke; Bullinger; Heerma: a.a.O., § 27 Rn 11; Rehbinder; a.a.O., Rn 429; Schricker; Loewenheim; Loewenheim: a.a.O., § 27 Rn 16. 13 Siehe www.vgwort.de, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022.
Leihe, Vermieten und Betreiberabgabe
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Im sachlichen Zusammenhang mit der Bibliothekstantieme steht die Betreiberabgabe für Kopiergeräte. Hier gibt es eine spezielle vertragliche Vereinbarung zwischen der VG Wort und den Hochschulen und Bibliotheken in öffentlicher Trägerschaft des Bundes, der Länder, der Kommunen oder der Kirchen.14 Die Mitgliedschaft bzw. der Beitritt zu dieser Vereinbarung ist für die betroffenen Bibliotheken verpflichtend. Entscheidend ist neben der Rechtsform für diese Zwangsmitgliedschaft, dass die Bibliothek auf eigene Rechnung die genannten Rechner selbst betreibt. Hierzu gehören auch geleaste Geräte. Nicht dazu gehören aber Geräte, die von Fremdunternehmen in den Räumen der Bibliothek betrieben werden. Die Erörterung um das Entstehen eines Werks sowie die durch Bibliotheken geleistete Unterstützung werfen die Frage auch, ob diese auf Grund ihres unterstützenden Beitrags auch in irgendeiner Form am Erfolg des geschaffenen Werks partizipieren sollten. Hier ist jedoch festzustellen, dass sich der deutsche Gesetzgeber gegen eine Kulturabgabe entschieden hat.15
14 https://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/vereinbarungen/20171213_Gesamtvertrag___27_Bibliothekstantieme.pdf, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. Vgl. Auch Gesamtliste der Vereinbarungen: https://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/vereinbarungen/20171213_Gesamtvertrag___27_Bibliothekstantieme.pdf, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. 15 Schack: a.a.O., § 15 Rn 526
8 Elektronische Lesearbeitsplätze und Semesterapparate Rechtlich sind das Digitalisieren analoger Werke, das Abspeichern auf einem Server zum Zwecke der Archivierung und das spätere Abrufen der Digitalisate auf einem Endgerät unterschiedliche Vervielfältigungshandlungen i.S.v. § 16 Abs. 1 UrhG und damit gesondert zu betrachten. Regelmäßig ist davon auszugehen, dass die Vervielfältigungshandlungen über die vorübergehenden Vervielfältigungshandlungen des §§ 44a UrhG hinausgehen. Hiernach sind lediglich flüchtige oder begleitende Vervielfältigungen möglich, die als rein technisch bedingte Handlungen keinen darüber hinausgehenden Zweck haben. Die digitale Zugänglichkeit von Dokumenten bietet Bibliotheksnutzern und Bibliothekaren eine Reihe von Vorteilen. Dazu gehören die schnellere Verfügbarkeit, Platzersparnis usw. Daher gibt es das Bestreben, Inhalte bisher gedruckter Bücher und Zeitschriften auch elektronisch vorhalten zu können. Ein Weg hierzu ist das Angebot vieler Verlage, Literatur als E-Medien anzubieten bzw. nachträglich zu digitalisieren. Zum Diskussionspunkt werden Digitalisierungsbestrebungen zwischen Urhebern und Verlagen sowie Bibliotheken und Lesern, wenn die Digitalisierungen nicht von den Inhabern der Nutzungsrechte, sondern von Bibliotheken und Lesern selbst vorgenommen werden. Das Erstellen eines Digitalisats ist eine Vervielfältigung i.S.v. § 16 Abs. 1 UrhG. Unter Berücksichtigung der erweiterten Möglichkeiten digitaler Dokumente hat der Gesetzgeber mit § 60aUrhG und § 60e Abs. 4 UrhG versucht, einen Ausgleich zwischen den Interessen herzustellen. § 60e Abs. 4 UrhG regelt die Wiedergabe elektronischer Dokumente an Lesearbeitsplätzen in öffentlich zugänglichen Bibliotheken, welche keine kommerziellen Zwecke verfolgen. Über den Verweis in § 60f Abs. 1 UrhG gilt die Vorschrift auch für Archive, Einrichtungen im Bereich des Film- und Tonerbes, öffentlich zugängliche Museen und Bildungseinrichtungen. Aufgabe von § 60a Abs. 1 UrhG ist es, den Einsatz moderner Kommunikationsformen im Unterricht zu ermöglichen. Daher ist die Norm Grundlage für elektronische Semesterapparate und E-Learning an Hochschulen. Unterricht in diesem Sinne ist eng auszulegen und bedeutet die Vermittlung von Kenntnissen innerhalb der Lehre. Zulässig für § 60a UrhG ist die Benutzung im Rahmen von Lernplattformen wie Moodle oder Ilias. Hier ist die Teilnehmerzahl auf die Kursmitglieder in der Regel beschränkt.1 Nicht umfasst sind damit administrative Zwecke.2
1 LG Stuttgart, GRUR-RR 2011, 419, 421. 2 So zur Vorgängernorm § 52a UrhG: Nordemann in Fromm; Nordemann: a.a.O., § 52a Rn 9; Lüft in Wandtke; Bullinger: a.a.O., § 52a Rn 9. https://doi.org/10.1515/9783110707588-023
Elektronische Lesearbeitsplätze und Semesterapparate
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§ 60a Abs. 3a UrhG dient der EU-grenzüberschreitenden Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte für Unterricht und Lehre, soweit die Nutzung selbst rechtskonform ist. Damit soll vor allem der Fernunterricht gefördert werden. Hinsichtlich des Handlungs- und Erfolgsort enthält die Vorschrift eine Fiktion. Im Ergebnis ist bei grenzüberschreitender Nutzung nur das Recht des Staates der Bildungseinrichtung anwendbar. Beispiel: Student S ist an der DHBW Lörrach eingeschrieben. Er greift von seinem Wohnsitz in Mulhouse auf den im E-Learning-Portal der DHBW Lörrach befindlichen Reader zu. Zugang zu diesem Kurs hat außer dem Dozenten nur die bekannten Teilnehmer des Kurses. Hier richtet sich die Bewertung der Zulässigkeit urheberrechtlich relevanter Nutzungshandlungen ausschließlich nach deutschem Recht.
§ 60a Abs. 3a UrhG findet zwischen den EU-Mitgliedsstaaten Anwendung: Sobald die DSM-RL durch Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses übernommen wurde, gilt sie auch für Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums. Keine Anwendung findet die DSM-RL dagegen in Bezug auf Drittstaaten wie z.B. der Schweiz. Hier wurden in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen regelmäßig bilaterale Abkommen zwischen der EU und der Schweiz geschlossen. Die Einschränkung von Versuchen, Kopierregelungen zu extensiv zu verstehen, sollte auch im bibliothekarischen Interesse liegen. Beim Verständnis der Bibliotheken als Wissensmittler braucht zwar nicht jeder Weg unmittelbar nur über den Bibliothekar zu gehen, eine starke Einbindung der Bibliothek sollte durch Serviceleistungen jedoch gegeben sein. Rückmeldungen über einen erhöhten Bedarf eines Werks geben Anlass, über Fragen des Mehrfacherwerbs, Regelungen der Leihfrist bzw. Präsenzbestand, benutzergesteuerten Erwerb, Vermittlung von Alternativen nachzudenken. Ein Bibliotheksbesucher, der nur zum extensiven Kopieren eine Bibliothek betritt, hat ohnehin den Wunsch, künftig für sich oder andere die Nutzung der Bibliothek für dieses Werk zu minimieren. Ansonsten würde eine Leihe oder Präsenznutzung genügen. Bibliotheken, die sich wie im Beispiel eines extensiven Kopierens überflüssig machen, werden durch insgesamt geringere Nutzungszahlen häufig auch als teil- oder ganz überflüssig betrachtet.
9 Open Access und Open Source Neben herkömmlichen Wegen der kommerziellen Verwertung von Software haben sich mit der Open-Source-Software und der Shareware zwei weitere Verwertungsmodelle etabliert. Shareware wird unentgeltlich oder gegen ein relativ geringes Entgelt überlassen. Im Gegenzug erfolgt hinsichtlich der Nutzung, z.B. was Dauer, Häufigkeit oder Umfang betrifft, eine Einschränkung gegenüber der Vollversion. Open-Source-Software oder Freie Software sind einzelne Anwendungsprogramme oder ganze Betriebssysteme, deren Quellcode veröffentlicht ist und die frei genutzt, vervielfältigt und verändert werden können. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Nutzungsmöglichkeiten sind in Lizenzvereinbarungen festgehalten. Entgegen dem gelegentlichen Missverständnis besteht demnach kein rechtsfreier Zustand. Öffentliche Lizenzen ermöglichen die Nutzung von Urheberwerken, ohne dass eine individuelle Nutzungsvereinbarung geschlossen werden braucht. Das Angebot auf Abschluss des Lizenzvertrags ist an jedermann gerichtet. Auf diese Art und Weise wird das Rechtemanagement stark vereinfacht. Unentgeltliche Verfügungen sind für einfache Nutzungsrechte nach deutschem Recht generell möglich.1 Dagegen können nach deutschem Recht ausschließliche Nutzungsrechte nicht unentgeltlich eingeräumt werden. Zu den bekanntesten öffentlichen Lizenzvereinbarungen für Open-Source-Software gehört die von Richard Stallman entworfene GNU General Public License (GPL).2 Die rechtliche Wirksamkeit der GPL ist anerkannt.3 Ziel der „free software“ ist es, eine möglichst konsequente Trennung von wirtschaftlicher Verwertung und zu Grunde liegender Software zu erreichen. Trotz des weiten Nutzungsspielraums untersteht die „free software“ nicht einer Public Domain, sondern ist an eigene Anliegen und Bedingungen geknüpft.4 Zur Überprüfung, ob sich die Aussage Open-Source-Software halten lässt, sind in der „Debian Free Software Guidelines“ Kriterien aufgestellt worden.5 Der Grundgedanke des Open Source wurde unter der Bezeichnung Open Content für alle urheberrechtlich relevanten Inhalte weiterentwickelt.6 Motivationsgründe für die Schöpfer an Open Content teilzunehmen sind häufig der Wunsch an Zugewinn von Reputation und Selbstvermarktung. Ein bekanntes Beispiel für Open-Content-Regelungen sind die Creative-Commons-Lizenzen
1 Dreier; Schulze; Schulze: a.a.O., § 32 Rn 80. 2 Ensthaler in Ensthaler; Weidert: Handbuch Urheberrecht und Internet, A Rn 92. 3 LG München I, Urt. v. 24.07.2007 Az.: 7 O 5245/07. 4 Ensthaler in Ensthaler; Weidert: Handbuch Urheberrecht und Internet, A Rn 93. 5 http://debiananwenderhandbuch.de/dfsg.html, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. 6 Ensthaler in Ensthaler; Weidert: Handbuch Urheberrecht und Internet, A Rn 96. https://doi.org/10.1515/9783110707588-024
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(CC-Lizenzen).7 Die Gültigkeit von CC-Lizenzen wurde erstmals durch ein Urteil des LG Amsterdam vom 09.09.2006 gerichtlich bestätigt.8 Liegt ein Verstoß gegen die CC-Lizenzen vor, kann der Rechteinhaber sowohl aus der geschlossenen Lizenzvereinbarung als auch aus den gesetzlichen Regelungen gegen den Verletzter vorgehen. So sind bei Unterlassung der Nennung der Urheberschaft Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche möglich. Bei den CC-Lizenzen handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen. Damit gehen Unklarheiten des privaten Regelwerkes zu Lasten des Verwenders. Da die CC-Lizenzen mehrfach überarbeitet wurden, stehen aktuell vier Versionen mit Stand 2013 zur Verfügung. Die Creative Commons Lizenzen sind modular aufgebaut und beruhen auf sechs verschiedenen Basis-Lizenzverträgen: BY: Nutzungen sind gestattet, solange der ursprüngliche Urheber genannt wird. SA (share alike): Share alike symbolisiert das sogenannte Copyleft-Prinzip. Danach sollen abgeleitete Werke unter denselben Nutzungsbedingungen wie das lizensierte Werk weitergegeben werden. Auf diesem Wege soll verhindert werden, dass das mit der Bearbeitung entstehende Urheberrecht des Bearbeiters eine weitere Nutzung ganz oder zu schlechteren Bedingungen verhindert. NC (Non-commercial): Hier wird die Nutzung erlaubt, solange der Urheber des Originals genannt wird und die Nutzung nicht kommerziell erfolgt. Was alles unter kommerziell bzw. nicht kommerziell zu verstehen ist, ist umstritten. Von einer kommerziellen Nutzung ist jedenfalls auszugehen, wenn diese auf eine Vergütung oder geldwerten Vorteil gerichtet ist. ND (No Derivates): Eine Nutzung des Werks ist unter Nennung des Urhebers nur als Ganzes möglich. Veränderungen oder eine Teilnutzung sind daher ausgeschlossen. Ziel dieser Klausel ist der Schutz des Werks vor Verfälschungen. Wird gegen die Bedingungen einer CC-Lizenz verstoßen, so wird die CC-Lizenz automatisch beendet. Damit verlieren alle Nutzer ihre Nutzungsrechte. Erfolgt dennoch eine Weiternutzung, so ist dies eine Urheberrechtsverletzung. Welche Anforderungen an die Namensnennung eines Werkes, das unter einer CCLizenz steht, hängt von der verwendeten Version ab. Zu nennen sind: –– Namen oder Pseudonyme in der vom jeweiligen Urheber verwendeten Form. –– Verwendete CC-Lizenz sowie die Verlinkung auf den Text der Lizenz. Ebenso sind eventuelle Registrierungsnummern fortzuführen. –– Werktitel. –– Fundstelle bzw. Hinweise zum Auffinden des Werkes. –– Die Bearbeitung eines Werks ist zu kennzeichnen. Soweit Änderungsvermerke bereits vorhanden sind, sind diese fortzuführen. –– Haftungs- und Gewährleistungsausschlüsse sind, soweit diese gültig sind, ebenfalls zu übernehmen. In Zweifelsfällen sollten diese weitergeführt werden. 7 Näher hierzu: http://de.creativecommons.org/was-ist-cc/, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. 8 LG Amsterdam vom 9.3.2006, Az.: MR-Int 1/06, S. 40.
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–– Ob von einem Bearbeiter das Unterlassen der Urheberwerksbenennung an dem eigenen Bearbeitungsteil verlangt werden kann, ist umstritten. Nach der hier vertretenen Ansicht, ist ein solches Verlangen wegen dem Urheberpersönlichkeitsrecht unzulässig und nicht Schadensersatz begründend. PDM (Public Domain Mark): Mit der Public Domain Mark können Darstellungen versehen werden, an denen keine urheberrechtlichen Beschränkungen bestehen. Damit wird die Nachnutzbarkeit von gemeinfreien Darstellungen erleichtert. Gründe hierfür können beispielsweise in einer originären Gemeinfreiheit bestimmter Werke oder im Ablauf eines früheren Schutzrechtes liegen. Zu beachten ist dabei, dass Schutzrechte in verschiedenen Staaten unterschiedliche Ausprägungen z.B. hinsichtlich der Laufzeit haben. Daher kann eine Kennzeichnung mit PDM nur einen Anhaltspunkt darstellen, der zu hinterfragen ist. Fall: Dozent D findet auf einer Webseite Konstruktionszeichnungen, die er gerne in seine Kursmaterialien aufnehmen möchte. Die Abbildung ist mit der Kennung „by-sa“ versehen. Seine Kurse bietet D gegen Entgelt an. Zudem verkauft D seine Kursmaterialien zusätzlich in einer gebunden Fassung. Lösungsskizze: Die Verwendung der Konstruktionszeichnungen ist dem D für die beabsichtigten Zwecke gestattet. Dies gilt sowohl für den Gebrauch im Kurs als auch für die Herstellung der entgeltlichen Unterrichtsmaterialien. Der Urheber der Konstruktionszeichnungen hat durch die Kennzeichnung seines Werks mit dem Zeichen der Creative Commons „by-sa“9 das sehr weitgehende Nutzungsrecht einer freien Verwendung auch zu kommerziellen Zwecken gestattet. Dem D obliegt jedoch die Pflicht, das fremde Werk durch eine ordentliche Zitierung als solches zu kennzeichnen.
Die dem Englischen entnommene Bezeichnung Copyleft bezeichnet in zweifacher Weise eine gebräuchliche Überlassung von Open-Source-Produkten. Dabei wird die Wortschöpfung einmal als Gegenbegriff zum Copyright bzw. zum Urheberrecht verstanden. Weiterhin wird Copyleft auch im Sinne des Zurückbleibens oder Zurücklassens (left) verstanden. Copyleft-Klauseln sind eine aus dem Open-SourceBereich stammende Entwicklung. Dabei legt der Lizenzgeber dem Lizenznehmer die Verpflichtung auf, im Falle des Vertriebs der Software den vollständigen Quellcode der Software offenzulegen. Damit sind auch die Bearbeitungen, d.h. die Eigenentwicklungen des Lizenznehmers an der Software umfasst. Im Hinblick auf die Regelungsintensität können Lizenzbestimmungen in Open-Source-Vereinbarungen in drei Kategorien eingeteilt werden: strenger Copyleft, moderater bzw. beschränkter Copyleft sowie kein Copyleft. Bei strengen Copyleft-Klauseln fällt jede Bearbeitung unter die spätere Offenlegung. Im Falle des moderaten oder beschränkten Copyleft ist nicht jede Weiterentwicklung ebenfalls mit dem Quellcode im Falle einer Weiterverbreitung offenzulegen, sondern nur in eigens definierten Fällen. Besteht hingegen keine Copyleft-Klausel ist der Entwickler frei zu entscheiden, ob er die eigene 9 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022.
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Weiterentwicklung oder Kombination der Open-Source-Produkte ebenfalls als OpenSource-Produkt anbietet oder nicht. Neben den drei vorgestellten Kategorien gibt es auch sogenannte Lizenzen mit Wahlmöglichkeiten. Hier erfolgt die Unterscheidung, welche Veränderungen an dem Open-Source-Produkt vorgenommen werden. Abhängig von der Veränderung können verschiedene Rechtsfolgen oder Wahlmöglichkeiten vorgesehen werden. Beispiel für die Lizenz mit Wahlmöglichkeit ist die Perl Artistic License. Zum Paradoxon des Copylefts gehört es, dass gerade die Verwender strenger Copyleft-Bestimmungen nach einer effektiven Durchsetzung und damit nach einem Regelungssystem rufen, dass sie ansonsten ablehnen. Verschoben hat sich jedoch die Art der Gegenleistung. Während bei kommerziellen Produkten die Gegenleistung bei Überlassung von Nutzungsrechten in Geld zu entrichten ist, findet die Wertschöpfung bei Copyleft-Klauseln in der Verpflichtung eigene Weiterentwicklungsleistungen zur Verfügung stellen zu müssen statt. In diesem Sinne handelt es sich bei Copyleft-Klauseln um spezielle, mit dem geltenden Urheberrecht konforme Lizenzklauseln. Die Besonderheit der Klauseln liegt vielmehr darin, dass es sich um privatrechtliche Antimonopolisierungsklauseln handelt. Denn wettbewerbsrechtliche Regelungen werden ansonsten durch staatliche Einrichtungen als zentrale, hoheitlich agierende Einheit und nicht durch gleichgeordnete Marktteilnehmer wahrgenommen. Im Bereich der Lehr- und Lernbuchmaterialien werden Unterrichtshilfen, welche unter öffentlichen Lizenzen gestellt sind, unter dem Begriff Open Educational Resources (OER) zusammengefasst. Im Übrigen geht das Verständnis über die Grundregeln von OER stark auseinander. Dies gilt beispielsweise für die Frage nach dem Umfang sowie der Frage nach der Kostenfreiheit.10 Grundlegend ist davon auszugehen, dass „open“ im Sinne von „frei zugänglich“ und nicht im Sinne von Kostenfreiheit zu verstehen ist. OER ist kein Modell, welches bei den gesetzlichen Schrankenregelungen berücksichtigt ist. Daher ist eine Umsetzung von OER ausschließlich unter einer öffentlichen Lizenz möglich. Offenen Lizenzen ist gemeinsam, dass eine inhaltliche Einschränkung, ein Widerruf oder eine Rückabwicklung faktisch nicht möglich sind. Eine bereits verbreitete Information kann nicht mehr zurückgeholt werden. Daher schließen Regelwerke über offene Lizenzen regelmäßig nachträgliche Beschränkungen aus. Im Falle einer gewandelten Überzeugung verbleibt hier lediglich eine Überarbeitung mit einer inhaltlichen Distanzierung zur vorherigen Fassung. Seit 2018 können an den Ausschüttungen der VG Wort in den Bereichen Online und Wissenschaft nur noch Wahrnehmungsberechtigte teilnehmen. Der aktuelle Wahrnehmungsvertrag in der Fassung vom 20.03.202111 in § 2 vor, dass bestimmte Nutzungsrechte ausschließlich an die VG Wort übertragen werden. Vorbehaltlich einer 10 Vgl. hierzu: https://hewlett.org/open-educational-resources-breaking-the-lockbox-on-education/, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. 11 https://www.vgwort.de/fileadmin/wahrnehmungsvertrag/WV_Muster_Autor.pdf, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022.
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Überprüfung im Einzelfall sind Verträge mit Verlagen regelmäßig auf den Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort abgestimmt. Anders sieht es hingegen bei einem Zusammentreffen des Wunsches einerseits Open Access publizieren zu wollen und andererseits Ansprüche aus dem Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort gelten machen zu wollen. Voraussetzung für die Vergabe von CC-Lizenzen ist das Innehaben von allen ausschließlichen Nutzungsrechten, die den Nutzern der offenen Lizenz eingeräumt werden sollen. Der Versuch einer zweiten Übertragung eines ausschließlichen Nutzungsrechts ist mangels Verfügungsgegenstandes objektiv unmöglich. Ebenso ist Vertrauenserwerb mangels Rechtsschein nicht gegeben.12 Möchte der Urheber dennoch beide Ziele miteinander vereinbaren, so bleiben ihm zwei Möglichkeiten. Zum einen kann der das Werk, für welches er eine Creative-Commons-Lizenz vergeben möchte, nicht in den Wahrnehmungsvertrag aufnehmen. Beim Wahrnehmungsvertrag handelt es sich um einen Rahmenvertrag. Dieser erfordert für die Anwendung die Einbeziehung des jeweiligen Werks. Zum anderen bleibt es dem Urheber unbenommen seine Open-Access-Lizenz so zu formulieren, dass die Abtretung der ausschließlichen Nutzungsrechte an die VG Wort davon nicht berührt werden. In der aktuellen Form kann er hierzu jedoch die CC-Lizenzen nur eingeschränkt verwenden, da sein Spezial fall hiervon nicht berücksichtigt wird. Das Unternehmen Google hat eine Buchsuche im Internet mit dem Ziel eingerichtet, dass Interessenten auf digitalisierte Bücher bzw. Ausschnitte aus digitalisierten Büchern mit Hilfe der Suchmaschine zugreifen können. Dieses Projekt äußert sich in zwei Umsetzungsarten. So beruht das Google-„Buch-Partner-Programm“ (Publisher Programm) auf der Kooperation mit Verlagen. Google erhält von den Verlagen das Recht, Buchseiten auf seinen eigenen Server zu und zum Herunterladen bereit zu stellen. Wegen des Vorwurfs von Urheberrechtsverletzungen war in den USA eine Sammelklage eingereicht worden. In dessen Folge wurden Vergleichsvereinbarungen geschlossen.
12 Zum Thema Weiterübertragung von Nutzungsrechten siehe Kap. 7.1.2.
10 Zweitverwertungsrecht und anderweitige Verwertung Ziel der Zweitverwertung ist Verbreiterung der bereits bestehenden Veröffentlichungswirkung. Zweitverwertungsrechte setzen voraus, dass eine andere Nutzung vorangegangen ist.1 Denn dem Zweitverwertungsrecht wird große Bedeutung bei der Entwicklung und Ausgestaltung einer umfassenden und barrierefreien digitalen Verfügbarkeit wissenschaftlicher Arbeiten, dem „Open Access“, beigemessen. Das Zweitverwertungsrecht kann auf zwei Wegen entstehen. Zum einen durch vertragliche Vereinbarung zwischen dem Urheber und dem Erwerber des Erstverwertungsrechts, häufig einem Verlag. Hier wird bei oder nach der Übertragung des Erstverwertungsrechts, der Zulässigkeit einer Zweitverwertung durch den Urheber oder einem Dritten zugestimmt. Das ansonsten für den Urheber im Falle der umfassenden Übertragung seiner Verwertungsrechte geltende Gebot der Enthaltsamkeit Rechte anderweitig zu vergeben, wird hierdurch eingeschränkt. Zum anderen kann das Zweitverwertungsrecht auch durch die Entscheidung des Gesetzgebers erfolgen. Hier wird bei Vorliegen von rechtfertigenden Voraussetzungen nach Übertragung des Erstverwertungsrechts das Zweitverwertungsrecht abgespalten und dem Urheber zur weiteren Verwertung zurückübertragen. Beispiel hierfür ist § 38 Abs. 4 UrhG. Die Publikationsform des gesetzlichen Zweitveröffentlichungsrechts ist auf die öffentliche Zugänglichmachung beschränkt. Das Verwenden einer gedruckten Fassung oder der Versand per E-Mail ist ohne Vereinbarung mit dem Verlag unzulässig. In Betracht kommen danach ein Einstellen in den Publikationsserver der Hochschule oder eine Veröffentlichung über die Homepage des Hochschullehrers. Zudem erschwert das Erfordernis der Manuskriptfassung die Zitation. Die mit der Regelung von § 38 UrhG gefundene Lösung hat die Diskussion nicht beendet.2 Gem. § 32b gehört § 38 Abs. 4 UrhG zu den international-privatrechtlich zwingenden Vorschriften. Daher kann auch durch Rechtswahl nicht mehr das Zweitveröffentlichungsrecht umgangen werden. Wegen dem ordre public gem. Art. 6 S. 1 EGBGB findet bei einer Rechtswahl die entsprechende Norm keine Anwendung. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für den sogenannten grünen Weg des Open Access ist § 38 Abs. 1 S. 2 UrhG. Im Gegensatz zur Erstveröffentlichung sind keine urheberpersönlichen Aspekte betroffen. Denn die Frage nach dem Publikationsschritt in die Öffentlichkeit hat der Urheber bereits bejaht. Durch den zeitlichen Abstand zwischen der Erstveröffentlichung und der Zweitverwertung wird sichergestellt, dass auch die Wertschöpfungskette regelmäßig nicht beeinträchtigt wird. Das Urheberrechtsgesetz kennt mit den §§ 21, 22 UrhG bereits seit längerem Regelungen 1 Begr. RegE UrhG – BT Drucks IV/270, S. 46. 2 Aktuell liegt die Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 44 Abs. 6 LHG B-W hinsichtlich der Regelung des Rechts der Zweitveröffentlichung dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Siehe auch vorangegangenes Verfahrens VGH Baden-Württemberg, ZUM 2018, 211–224. https://doi.org/10.1515/9783110707588-025
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zur Zweitverwertung. In § 21 UrhG ist das Recht der Wiedergabe durch Bild- und Tonträger geregelt. Voraussetzung hierfür ist die Aufnahme auf einen Tonträger und damit eine Vervielfältigung. Das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlichen Zugänglichmachungen ist in § 22 UrhG festgelegt. Voraussetzung hier ist die Ausübung des Senderechts oder der öffentlichen Zugänglichmachung. Überträgt hingegen der Urheber sein ausschließliches Nutzungsrecht an einem wissenschaftlichen Beitrag, der in einer mindestens zweimal jährlich periodisch erscheinenden Sammlung (Sammelband, Zeitschrift usw.) erscheinen soll, auf den Verlag, so ermöglicht nunmehr § 38 UrhG ihm inzwischen, nach dem Ablauf von zwölf Monaten die akzeptierte Manuskriptversion öffentlich zugänglich zu machen. Ein kommerzieller Zweck für die Zweitveröffentlichung wird hier jedoch vom Gesetzgeber ausgeschlossen. Ebenfalls sind vertraglichen Vereinbarungen unwirksam, die dieses Recht des Urhebers auf eine Zweitpublikation auszuschließen versuchen. In der Schweiz gilt im Falle eines Verlagsvertrags OR Art. 382 Abs. 1. Danach darf der Verlaggeber, welcher regelmäßig der Urheber ist, sein Werk nicht anderweitig veröffentlichen und verbreiten, solange die Auflagen des Werks noch nicht vergriffen sind. Zuvor ist eine Zweitverwertung nur durch eine Zustimmung des Verlags möglich. Dem Zweitverwertungsrecht verwandt ist die seit 1. März 2017 in Kraft getretene Regelung des Rechts auf anderweitige Verwertung nach zehn Jahren gem. § 40a UrhG. Nach § 40a UrhG besteht die Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts grundsätzlich zehn Jahre. Im Anschluss daran wandelt sich das ausschließliche Nutzungsrecht in ein einfaches Nutzungsrecht um. Damit betrifft § 40a UrhG unmittelbar das Nutzungsrecht und gewährt dem Urheber nicht nur einen geltend zu machenden Anspruch auf der schuldrechtlichen Ebene wie z.B. in §§ 32f. UrhG. Auf diesem Weg erhält der Urheber die Möglichkeit, nach zehn Jahren sein Recht anderweitig zu verwerten oder sich einen anderen/weiteren Verwerter zu suchen. Auf Grund der materiellrechtlichen Regelungstechnik bedarf es keiner zusätzlichen Erwähnung von § 40a UrhG im Lizenzvertrag, um Gültigkeit zu Erlangen.3 Ziel der Regelung ist die Verbesserung der Stellung des Urhebers bei sog. „Total Buy-OutVerträgen“.4 Der Anwendungsbereich der Vorschrift § 40a Abs. 1 UrhG ist durch den ausdrücklichen Ausschluss in § 40a Abs. 3 UrhG, sowie § 69a Abs. 5 UrhG (Computerprogramme) und § 90 Abs. 2 UrhG beschränkt. Obwohl hier eine ausdrückliche Erwähnung in der Ausnahme fehlt, geht die hM davon aus, dass ebenso Wahrnehmungsverträge und Dienst- und Arbeitsverhältnisse vom sachlichen Anwendungsbereich des § 40a Abs. 1 UrhG ausgenommen sind. Hier ist die Gewährung eines zeitlich unbeschränkten, ausschließlichen Nutzungsrechts weiterhin möglich. Auf das Recht aus § 40a Abs. 1 UrhG kann im Vorhinein nicht individuell verzichtet werden. Ein Verzicht zum Nachteil des Urhebers ist im Vorhinein nur durch eine gemeinsame Ver3 Wandtke; Hegemann; Zurth in Wandtke; Bullinger: a.a.O., § 40a Rn 9. 4 Wandtke; Hegemann; Zurth in Wandtke; Bullinger: a.a.O., § 40a Rn 1.
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gütungsregelung oder durch einen Tarifvertrag gem. § 40a UrhG möglich. Eine individuelle Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts ist nach § 40a Abs. 2 UrhG frühestens fünf Jahre nach der Einräumung des Nutzungsrechts bzw. Ablieferung des Werks. Beispiel: Der Angestellte A programmiert als Teammitglied in einem Informationszentrum kleine Anwendungen für eine Systemsoftware. An dem Projekt arbeiten acht Mitarbeiter etwa zu gleichen Anteilen an den Neuerungen mit. Wegen § 43 i.V.m. § 69 Abs. 1 UrhG erwirbt der Arbeitgeber ein ausschließliches Nutzungsrecht an der Systemsoftware, auch wenn A Miturheber ist. Dieses ist wegen dem Ausschluss von § 40a Abs. 1 UrhG gem. § 69a Abs. 5 UrhG auch unbefristet.
11 Verwaiste und vergriffene Werke Verwaiste Werke werden Werke genannt, die urheberrechtlichen oder urheberrechtsähnlichen Schutz genießen, deren Rechtsinhaber nicht ermittelt werden können oder zumindest nicht auffindbar sind.1 Verwaiste Werke können aus verschiedenen Gründen entstehen. So können die das Werk beschreibenden Metadaten nicht verfügbar oder veraltet sein. Ferner können keine ausreichenden Aufzeichnungen über die Urheberschaft2 bestehen. Ein weiterer Grund ist eine Rechteübertragung, eine Teilrechteübertragung oder Einräumung von Nutzungsrechten an Personen, die nicht mehr auffindbar sind, bzw. Erben eines Rechteinhabers, die nicht mehr aufzufinden sind. Die §§ 61 und 61a UrhG sind die Umsetzung der Richtlinie 2012/27/EU vom 25. Oktober 2012 über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke. Gem. § 61 Abs. 2 UrhG setzt die Feststellung ein Werk oder ein Tonträger sei verwaist voraus, dass die privilegierte Einrichtung nach Treu und Glauben eine sorgfältige Suche nach geeigneten Quellen erfolglos durchgeführt hat. Zu den privilegierten Einrichtungen gehören öffentlich zugängliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen, Archive sowie Einrichtungen im Bereich des Film- und Tonerbes. Aus dem Gegenschluss ergibt sich, dass die Vorschrift für nicht privilegierte Einrichtungen nicht anwendbar ist. Die sorgfältige Suche ist nach § 61a Abs. 4 UrhG durch die Einrichtungen nachprüfbar zu dokumentieren und die Informationen dem Deutschen Patent- und Markenamt zuzuleiten. Dabei sind bestimmte Quellen zu erforschen. Hierzu gehören u.a. die Datenbanken der Verwertungsgesellschaften. Näheres ergibt sich aus der Anlage zum Änderungsgesetz.3 Diese Anlage lautet wie folgt: Anhang zu Artikel 1 Nummer 7 Anlage (zu § 61a) Quellen einer sorgfältigen Suche4 1. für veröffentlichte Bücher: a) der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek sowie die von Bibliotheken und anderen Institutionen geführten Bibliothekskataloge und Schlagwortlisten; b) Informationen der Verleger- und Autorenverbände, insbesondere das Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB); c) bestehende Datenbanken und Verzeichnisse, WATCH (Writers, Artists and their Copyright Holders), die ISBN (International Standard Book Number); 1 Klass; Rupp, ZUM 2013, 760–769 (764); vgl. Art. 2 RL 2012/28/EU über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke. 2 Lüder, GRUR Int. 2010, 677, 678. 3 BT Drucks. 17/13423, S. 8. 4 Vorschrift eingefügt durch das Gesetz zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 01.10.2013 (BGBl. I S. 3728) mit Wirkung zum 01.01.2014. https://doi.org/10.1515/9783110707588-026
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d) die Datenbanken der entsprechenden Verwertungsgesellschaften, insbesondere der mit der Wahrnehmung von Vervielfältigungsrechten betrauten Verwertungsgesellschaften wie die Datenbank der VG Wort; e) Quellen, die mehrere Datenbanken und Verzeichnisse zusammenfassen, einschließlich der Gemeinsamen Normdatei (GND), VIAF (Virtual International Authority Files) und ARROW (Accessible Registries of Rights Information and Orphan Works); 2. für Zeitungen, Zeitschriften, Fachzeitschriften und Periodika: a) das deutsche ISSN (International Standard Serial Number) – Zentrum für regelmäßige Veröffentlichungen; b) Indexe und Kataloge von Bibliotheksbeständen und -sammlungen, insbesondere der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek sowie die Zeitschriftendatenbank (ZDB); c) Depots amtlich hinterlegter Pflichtexemplare; d) Verlegerverbände und Autoren- und Journalistenverbände, insbesondere das Verzeichnis lieferbarer Zeitschriften (VLZ), das Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB), Banger Online, STAMM und pressekatalog.de; e) die Datenbanken der entsprechenden Verwertungsgesellschaften, einschließlich der mit der Wahrnehmung von Vervielfältigungsrechten betrauten Verwertungsgesellschaften, insbesondere die Datenbank der VG Wort; 3. für visuelle Werke, einschließlich Werke der bildenden Künste, Fotografien, Illustrationen, Design- und Architekturwerken, sowie für deren Entwürfe und für sonstige derartige Werke, die in Büchern, Zeitschriften, Zeitungen und Magazinen oder anderen Werken enthalten sind: a) die in den Nummern 1 und 2 genannten Quellen; b) die Datenbanken der entsprechenden Verwertungsgesellschaften, insbesondere der Verwertungsgesellschaften für bildende Künste, einschließlich der mit der Wahrnehmung von Vervielfältigungsrechten betrauten Verwertungsgesellschaften wie die Datenbank der VG Bild Kunst; c) die Datenbanken von Bildagenturen; 4. für Filmwerke sowie für Bildträger und Bild- und Tonträger, auf denen Filmwerke aufgenommen sind, und für Tonträger: a) die Depots amtlich hinterlegter Pflichtexemplare, insbesondere der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek; b) Informationen der Produzentenverbände; c) die Informationen der Filmförderungseinrichtungen des Bundes und der Länder; d) die Datenbanken von im Bereich des Film- oder Tonerbes tätigen Einrichtungen und nationalen Bibliotheken, insbesondere des Kinematheksverbunds, des Bundesarchivs, der Stiftung Deutsche Kinemathek, des Deutschen Filminstituts (Datenbank und Katalog www.filmportal.de), der
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DEFA- und Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, sowie die Kataloge der Staatsbibliotheken zu Berlin und München; e) Datenbanken mit einschlägigen Standards und Kennungen wie ISAN (International Standard Audiovisual Number) für audiovisuelles Material, ISWC (International Standard Music Work Code) für Musikwerke und ISRC (International Standard Recording Code) für Tonträger; f) die Datenbanken der entsprechenden Verwertungsgesellschaften, insbesondere für Autoren, ausübende Künstler sowie Hersteller von Tonträgern und Filmwerken; g) die Aufführung der Mitwirkenden und andere Informationen auf der Verpackung des Werks oder in seinem Vor- oder Abspann; h) die Datenbanken anderer maßgeblicher Verbände, die eine bestimmte Kategorie von Rechtsinhabern vertreten, wie die Verbände der Regisseure, Drehbuchautoren, Filmkomponisten, Komponisten, Theaterverlage, Theater und Opernvereinigungen; 5. für unveröffentlichte Bestandsinhalte: a) aktuelle und ursprüngliche Eigentümer des Werkstücks; b) nationale Nachlassverzeichnisse (Zentrale Datenbank Nachlässe und Kalliope); c) Findbücher der nationalen Archive; d) Bestandsverzeichnisse von Museen; e) Auskunftsdateien und Telefonbücher. Die Auflistung möglicher Quellen einer sorgfältigen Suche in Anlage zu § 61a UrhG ist ausführlich. Damit verneint der Gesetzgeber den Wunsch nach Arbeitsersparnis als Argument, ein verwaistes Werk annehmen zu können. Entsprechend der wissenschaftlichen Sorgfalt beim Auffinden von Literaturquellen sind die Maßstäbe auch beim Auffinden von Rechteinhabern zu wahren. „Searching for the owners of orphan works is a time consuming endeavour. According to the ‚In from the Cold‘ study (JISC, 2009) half a day is needed on average to trace the rightholder of a single orphan work.“5 Ebenso wird anerkannt, dass es trotz aller aufgewandten Sorgfalt auch Fälle gibt, bei denen die Rechteinhaber nicht oder nur teilweise ausfindig zu machen sind. Unter engen Voraussetzungen sind eine Vervielfältigung und eine öffentliche Zugänglichmachung verwaister Werke dennoch möglich. In diesem Sinne regelt § 61 Abs. 3 UrhG für das Urheberrecht eine spezielle Form der subjektiven Unmöglichkeit den Rechteinhaber zu finden. Es wird daher auch von einem subjektiven Waisenstatus gesprochen. 6 Das Kriterium der „Nichtfeststellung bzw. des nicht Nichtfindens“ ist näher zu definieren. Entsprechend 5 Lüder, GRUR Int. 2010, 677–685 (677). 6 Staats in Wandtke; Bullinger: UrhG, § 61 Rn 23.
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anderen Berufsbereichen, z.B. der Rechtsberatung, sind gegebenenfalls fachkundige und in der Recherche spezialisierte Personen wie Bibliothekare hinzuzuziehen. Eine feste Größe, ab wann der Aufwand unzumutbar hoch wird und die gebotene Sorgfalt als erfüllt angesehen werden kann, ist nicht festgelegt. Dies entspricht auch nicht dem Wesen der Regelung in § 61a UrhG, der die gängigen Standards, Beispiele und Mindesterfordernissen nennt. Aus der Auflistung ergeben sich auch Hinweise auf den Charakter der sonstigen Recherchemittel. Dass beispielsweise für eine thematisch naheliegende Datenbank in einer Bibliothek vor Ort kein Nutzungsvertrag abgeschlossen wurde, gehört zu den regelmäßig zu erwartenden Vorkommnissen. Diese können eine Nichterreichbarkeit der Informationen allein nicht begründen. Vielmehr kommt es auf den Einzelfall an. Dabei sind vor allem die Geeignetheit der Recherchemittel und die Intensität des Eingriffs in die Urheberrechte bei einer nicht erteilten Einwilligung zu berücksichtigen. Grundlage ist das Erreichen der in § 61a UrhG genannten Mindeststandards. Die Recherche wird darüber hinaus mit den jeweils spezifisch geeigneten Recherchemitteln fortgesetzt. Bei der Intensität des Eingriffs ist zu berücksichtigen, dass urheberpersönlichkeitsrechtliche Beeinträchtigungen besonders schwer wiegen. Dagegen können vermögensrechtliche Beeinträchtigungen adäquat mit Geld ausgeglichen werden. Ein Eingriff in die vermögensrechtlichen Belange ist daher reversibel. Zu berücksichtigen ist die praktikable Anwendung von §§ 61, 61a UrhG. Die Normen wurden geschaffen, um einen Rechtsfrieden herzustellen und die Ungewissheit zu beenden. In diesem Sinne sind auf Grund des sehr hohen Angebots an Informationen Wege zu berücksichtigen, um die Recherche bei Standardfällen und relativ geringem Schadenspotenzial automatisieren zu können. Die Zusammenstellung in der Anlage zu § 61a UrhG zeigt einen deutlichen Schwerpunkt bei der Recherche in Katalogen und abgeschlossenen Verzeichnissen. Der Hinweis auf Informationsquellen in anderen Ländern verweist ebenfalls auf abgeschlossene Verzeichnisse und Kataloge. Die ausdrückliche Erwähnung von Katalogen und geschlossenen Verzeichnissen in der Anlage zu § 61a UrhG hat Konsequenzen für den Umfang der Recherche. Es werden mögliche Quellen als Pflichtprogramm aufgenommen, die zumindest teilweise dem Deep Web angehören und damit nicht über Suchmaschinen gefunden werden können. Suchmaschinen für das World Wide Web sind grundsätzlich nicht im Mindestbestand als Arbeitsmittel enthalten. Denn wegen der generellen weltweiten Erreichbarkeit wäre ein Hinweis auf Informationsquellen im Ausland unzweckmäßig. Eine Ausnahme, die eine zusätzliche Recherche im World Wide Web als notwendige Sorgfaltspflicht fordert, besteht dann, wenn es Hinweise gibt, denen ein sorgfältiger Rechercheur nachgehen würde. Welcher Maßstab an den sorgfältigen Rechercheur anzulegen ist, ergibt sich aus der zu erwartenden Kenntnis der in der Anlage zu § 61a UrhG genannten Quellen. Er entspricht in etwa dem Kenntnisstand,
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
welcher vom Berufsbild eines Auskunftsbibliothekars, Archivars oder Informationswissenschaftlers erwartet werden kann. Dazu gehört ein Umgang mit den verschiedenen gängigen Suchinstrumenten von Datenbanken, Katalogen und Suchmaschinen. So kann das Navigieren mit der Auswahl allgemeiner Kriterien, z.B. Optionen oder Suchoptionen, erwartet werden. Fall: Gesucht werden Hinweise zu einem kartonierten Bildband bestehend aus 200 gedruckten Zeichnungen, die eine Geschichte bilden. Bekannt ist ferner ein Hinweis auf die Auflagenhöhe von 1000 Stück. Dagegen fehlen Angaben zu dem Urheber und dem Verlag. Lösungsskizze: Eine erste Eingrenzung des Suchfeldes kann hier durch eine Stilanalyse der Bilder erfolgen. Handelt es sich jedoch nicht um einen für den Künstler sehr prägnanten Stil im Sinne seiner Handschrift, so kann häufig nur eine stilistische Einordnung erfolgen. Der Hinweis auf die Auflagenzahl führt zu der naheliegenden Idee eines digitalen Bildervergleichs. Eine bildbasierte Ähnlichkeitssuche wurde durch das Gemeinschaftsprojekt der Bayerischen Staatsbibliothek und des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts Berlin entwickelt. Hier ist eine Suche auf Grund von äußerlichen Merkmalen (Farben, Texturen, markanten Formen und Kontrasten) möglich.7 Eine zusätzliche Möglichkeit ist der Einsatz der Bildersuchmaschine von Google.8 Beispiel: Google-Suche mit Bilder – Suchoptionen – Nutzungsrechte/Farbe/Stichzeichnungen etc.
Konnte trotz einer sorgfältigen Suche das gewünschte Werk nicht ermittelt werden und kann das Werk daher als verwaist gelten, so ist dieses beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) in Alicante zu registrieren.9 Dabei sind das Werk sowie die nutzende Institution als auch die Art der Nutzung anzugeben. Durch die Begrenzung der Inhalte in § 61 Abs. 2 UrhG sind Fotografien als besonders häufig verwaiste Werke ausgeschlossen. Demgegenüber sind seit 2014 vergriffene Werke in § 51 Abs. 1 Verwertungsgesellschaftsgesetz legaldefiniert. Vergriffene Werke sind demnach solche Werke, die vor 1966 in Büchern, Fachzeitschriften, Zeitungen, Zeitschriften oder anderen Schriften veröffentlicht wurden. Damit wird an das Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes angeknüpft. Anders als bei den verwaisten Werken ist der Urheber bei den vergriffenen Werken bekannt. Weitere Voraussetzung ist das Vorhandensein des Werkes im Bestand von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen, Archiven. Wegen der abschließenden Definition sind Filmwerke bzw. Musikwerke nicht erfasst. Vergriffene Werke sind solche, die nicht mehr lieferbar sind.10 Dabei wird auf das Verzeichnis der lieferbaren Bücher (VBL) Bezug genommen. 7 https://bildsuche.digitale-sammlungen.de/, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. 8 Um Suchstrategien zur besseren Nutzung der Suchmaschine Google zu finden, sei hier auf die englischsprachige Webseite „Google Search Education Online“ verwiesen. 9 https://euipo.europa.eu/ohimportal/de/web/observatory/orphan-works-db, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. 10 Wandtke: a.a.O., 7. Kap., Rn 51f.
Verwaiste und vergriffene Werke
209
Erfolgt eine Lizenzierung auf Grundlage von §§ 51f. Verwertungsgesellschaftsgesetz (VGG), so ist eine öffentliche Zugänglichmachung von vergriffenen Werken möglich. Zu dem Verfahren nach § 51 VGG gehört ein Widerspruchsrecht des Rechteinhabers. Dabei geht der EuGH11 davon aus, dass die digitale Vervielfältigung vergriffener Bücher nur gestattet ist, wenn der Urheber in der Lage ist, zu der geplanten Nutzung Stellung zu nehmen. Dazu gehört zunächst einmal die Kenntnis von der geplanten Nutzung. Das Widerspruchsrecht des Urhebers gliedert sich in ein Widerspruchsrecht innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntgabe der Eintragung in das Register des DPMA. Weiterhin besteht ein Widerspruchsrecht des Rechteinhabers gegenüber der Verwertungsgesellschaft. Dies setzt ein entsprechendes Eintragungsverfahren voraus. Ein solches wurde durch die Deutsche Nationalbibliothek aufgebaut. Die entsprechenden Institutionen können sich bei der DNB registrieren lassen und dem Rahmenvertrag beitreten, den die DNB mit den Verwertungsgesellschaften abgeschlossen hat. Darauf aufbauend können die registrierten Institutionen die jeweiligen Lizenzierungsanträge stellen.12 Eine Verpflichtung, entsprechende Rechercheaufträge zu übernehmen, lässt sich für Bibliotheken und Informationseinrichtung zumindest nicht aus den §§ 61, 61a UrhG ableiten. Zur Umsetzung der gesetzlich vorgegebenen Rechercheverpflichtung besteht zwar die Pflicht des Staates einen Zugang zu gewähren. Jedoch hat sich der Gesetzgeber offengelassen, in welcher Form der Zugang letzten Endes erfolgen soll. Da von der Möglichkeit einer Unterstützung die Rede ist, verweist dies sowohl auf die Möglichkeit der selbstständigen Recherche als auch durch Informationsspezialisten unterstützten oder im Auftrag ausgeführten Recherche. Die Ausgestaltung im Einzelnen ist nicht weiter vorgegeben und gestaltbar. Unabhängig davon, wie zielführend die in §§ 61, 61a UrhG aufgeführten Recherchemittel für den jeweiligen Einzelfall tatsächlich sind, geht der Gesetzgeber von einer Verfügbarkeit der erwähnten Datenbanken und Suchinstrumente aus. Der effektive Zugang zu diesen Recherchewerkzeugen ist daher gesetzgeberischer Wille. Daraus folgt auch das notwendige Bestehen von Einrichtungen, die eine entsprechende Infrastruktur als Mindeststandard vorhalten. Dazu gehören Bibliotheken, Informationseinrichtungen und mit dem Verzeichnis der lieferbaren Bücher Projekte des Buchhandels. Die faktische Hervorhebung der Bedeutung ist jedoch keine Bestandsgarantie für einzelne Einrichtungen.
11 EuGH WRP 2017, 39,41 (Marc Soulier). 12 Näheres zum Verfahren unter: https://www.dnb.de/DE/Professionell/Services/VW-LiS/vwlis. html, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. Sowie: https://www.dpma.de/dpma/wir_ueber_uns/weitere_aufgaben/verwertungsges_urheberrecht/vergriffene_werke/index.html, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022.
12 Raumgestaltung und Sonstiges Neben den Regelungen im Umgang mit Medien findet das Urheberrecht in Bibliotheken und Informationseinrichtungen bei Fragen der Raumgestaltung ein weiteres zentrales Anwendungsgebiet. Sowohl der Bau an sich, die Fassade oder aber auch die innenarchitektonische Gestaltung der Räumlichkeiten kommen als urheberrechtlich geschützte Werke in Betracht. Auch Werke der Baukunst unterliegen den gleichen, allgemein relativ niedrigen Anforderungen, die das Urheberrecht an die Schutzwürdigkeit stellt. Die Feststellung des bestehenden Urheberrechtsschutzes ist nicht mit denkmalschutzrechtlichen Belangen zu verwechseln. Das Denkmalschutzrecht gehört zum Öffentlichen Recht und unterliegt eigenen, vom Urheberrecht unabhängigen Verfahren. Aspekte des Denkmalschutzes werden andererseits innerhalb der baurechtlichen Prüfung mitberücksichtigt.1 Besteht für einen Gebäudeteil einer Bibliothek Denkmalschutz und ist der Architekt nicht bereits länger als 70 Jahre verstorben, sprechen jedoch starke Indizien dafür, dass dieser Gebäudeteil neben dem Denkmalschutz auch durch das Urheberrecht geschützt ist. Wurde ein Gebäude ausdrücklich als Bibliotheksbau entworfen, so spricht der zweckdienende, individualisierende Charakter ebenfalls regelmäßig für das Erreichen der urheberschutzrechtlichen Mindeststandards. Denn die Planung von Bibliotheksbauten gehört nicht zu den Routineaufgaben eines Architekten. Zusätzlich sind die jeweiligen Besonderheiten wie Größe, Ausrichtung und Konzept der Bibliothek in die Bauplanung aufzunehmen. Dies führt zur Individualisierung und Einmaligkeit des Bauwerks. Auch wenn die vom Architekten angestrebten Ziele nicht mit seiner baulichen Umsetzung übereinstimmen oder die bibliothekarische, zweckorientierte Stellung zum Bau eine andere ist, ändert dies nichts am urheberrechtlichen Schutz, sofern der Architektenvertrag eingehalten wurde. Es ist damit zu rechnen, dass der Architekt bestrebt ist, Änderungen insbesondere sichtbare Veränderungen an ihren Werken zu verbieten. Jedoch hat der Eigentümer und nicht der Architekt unter Baumängeln zu leiden, weil beispielsweise das künstlerisch gestaltete Dach auf Grund der vom Urheber vorgegebenen Materialien undicht ist.2 Bei nachweisbaren Baumängeln hat der Eigentümer einen Anspruch darauf, diese physischen Beeinträchtigungen abstellen zu können.3 Das gleiche gilt bei einem Abweichungen vom Architektenvertrag, wenn z.B. der Einbau eines Fensters statt einer Türe erfolgt. Hier regelt sich die bauliche Korrektur nach den vertraglichen Vorschriften. Eine weitere Korrekturmöglichkeit, gegen die sich der Architekt als Urheber nicht erfolgreich wehren kann, ist ein Verstoß gegen wesentliche baurechtliche Vorschriften. Solche sind vor allem jene Vorschriften, die einen Schutz für die menschliche Gesundheit zum Ziel haben. Dazu gehören bei1 Näher zum Baurecht in Bibliotheken: Juraschko: Praxishandbuch Recht für Bibliotheken und Informationseinrichtungen, S. 203f. 2 Schack: a.a.O., § 12 Rn 395. 3 Schack: a.a.O., § 12 Rn 395; OLG Frankfurt/M, GRUR, 1986, 244; OLG Hamm, BB 1984, 562. https://doi.org/10.1515/9783110707588-027
Raumgestaltung und Sonstiges
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spielsweise Fragen der angemessenen Raumtemperierung. Das Urheberrecht hat hier keine Sperrwirkung. Schwieriger und besser zu begründen sind hingegen Umbauten wegen Nutzungsänderungen. Auch hier gilt der Satz, dass sich der Eigentümer nicht wegen den ideellen Interessen des Architekten fremde Planungsvorstellungen aufzwingen lassen muss. Jedoch prüfen die Gerichte, ob es noch andere, die ideellen Interessen des Architekten weniger beeinträchtigende Ersatzmaßnahmen gibt.4 Ein hier entstehender Rechtsstreit kann aber sehr langwierig werden. Daher empfiehlt es sich von vornherein in den Architektenvertrag bzw. bereits in die Ausschreibung die Möglichkeit von Nutzungsänderungen und Umbauten mit aufzunehmen. Bestehen keine Vereinbarungen, so hat der Architekt bei rein optischen oder nur geringen Funktionsänderungen gute Chancen, seine Ansichten in einem Rechtsstreit vor Gericht durchzusetzen. Wird es nicht zuvor geregelt, lässt sich der Geschmack des Architekten nicht durch den des Eigentümers ersetzen.5 Fall: Architekt und Bauleiter A hat die Außenfassade des neuen Bibliotheksgebäudes sehr expressiv gestaltet. Die als Auflage an der Südseite vorgesehene Feuerleiter hält er für unnötig und störend. Daher lässt er diese kurzerhand weg. Wegen der fehlenden Feuerleiter erlässt die untere Baurechtsbehörde eine bedingte Nutzungsuntersagung. Da sich der Architekt dennoch ausdrücklich weigert, die Feuertreppe anbringen zu lassen, entschließt sich der Bibliotheksleiter B, selbst ein Handwerkerunternehmen mit dem Anbringen der Feuerleiter zu beauftragen. A ist empört und verweist auf seinen urheberrechtlichen Schutz als Künstler. Lösungsskizze: Das Fehlen der bauordnungsrechtlich geforderten Feuerleiter stellt einen Baumangel dar. Da sich der A weigert, diesen Mangel zu beheben, steht dem B ein Schadensersatzanspruch durch Vergütung der Ersatzvornahme zu. Hierbei handelt es sich um einen rein werkvertraglichen Rechtsstreit und nicht um urheberschutzrechtliche Belange. Die künstlerische Motivationslage ist im vorliegenden Fall nicht erheblich.
Die Interessen des Urhebers des Werks und die des Eigentümers am Gebäude können jedoch auch dann einander widersprechen, wenn das architektonische Werk ordnungsgemäß errichtet wurde. Denn Vorstellungen, wie herausragende Attraktion der Stadt, Publikumsmagnet etc., sind Erwartungen und Wunschvorstellungen und können in den Vertrag als Ziel eingeflossen sein. Sie sind jedoch nicht einforderbar. Als ungewisse Ereignisse liegen sie in der Zukunft. Kommt es zu einer Abwägung mit anderen Rechtspositionen, ist bei einem erkennbar verfehlten Zweck den urheberrechtlichen Belangen jedoch ein geringeres Gewicht einzuräumen. Denn die Zweckbindung wird dem Architekten nicht von außen auferlegt, sondern sie ist ihm bekannte Grundlage seines künstlerischen Schaffens und damit integraler Bestandteil des Kunstwerks. Dabei ist der Eigentümer nicht ohne weiteres zu einer Veränderung in seinem Sinne befugt. Hiergegen kann sich der Urheber mit einem Beseiti4 Schack: a.a.O., § 12 Rn 396; BGHZ 62, 331, 338f.; BGE 117 II 466, 478 zu Aufhebung des Kantonsgericht St. Gallen, ZUM 1992, 297, 300 (Schulerweiterung). 5 Schack: a.a.O., § 12 Rn 396; BGH, GRUR 1999, 230, 231f. (Treppenhausgestaltung); LG Berlin, GRUR 2007, 964, 967f. (Berliner Hauptbahnhof).
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
gungsanspruch der Veränderung gem. § 97 Abs. 1 UrhG wenden. Vielmehr sind die Interessen des Eigentümers und des Urhebers zum Ausgleich zu bringen. Denn trotz seiner Ausgestaltung als absolutes Recht, ist die Position des Urhebers nicht isoliert zu betrachten. Es findet eine Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers statt. Der Urheber hat dann Veränderungen an seinem Werk hinzunehmen, wenn die Interessen des Eigentümers gleichzeitig den Interessen der Öffentlichkeit entsprechen.6 Dem Urheberrecht kommt eine der Allgemeinheit dienende Funktion zu. Daraus wird gefolgert, dass der Eigentümer dann Beschränkungen seines Eigentums durch urheberrechtliche Ansprüche hinzunehmen hat, wenn dies im Interesse der Allgemeinheit liegt.7 Dies kann zu einem Überwiegen des Bestandsinteresses des Architekten gegenüber dem Veränderungsinteresse der Stadt führen.8 Fall: In dem zuvor völlig entkernten Gebäude einer alten Spinnerei hat Architekt A im Auftrag der Stadt die Räumlichkeiten für die Stadtbibliothek nach seinen Vorstellungen herstellen lassen. Wegen der Versinnbildlichung des Reflektierens von Gedanken und zum Anregen derselben wurden der Fußboden der Eingangshalle als spiegelglatte Stahlfläche und die Wände in einem „aktiven“ orangerot gestaltet. Kurz nach der Eröffnung kommt es im Eingangsbereich zu mehreren Stürzen mit Knochenbrüchen. Ferner häufen sich Klagen von Mitarbeitern und Bibliotheksbenutzern über die „nervend roten“ Wände. Um Abhilfe zu schaffen, lässt die Bibliotheksleiterin B einige Teppichbahnen als sichere Übergänge über den Stahlboden legen. Ein Teil des Stahlbodens bleibt damit sichtbar. Außerdem beauftragt sie einen Maler, die Wände in einem neutralen Beige zu streichen. A ist empört und sieht die Krone seines Schaffens durch Ignoranten und Barbaren verletzt. Lösungsskizze: Das Verlegen der Teppichbahnen war geboten, um die körperliche Unversehrtheit der Bibliotheksbenutzer zu schützen. Zudem ist durch die Gestaltung des Fußbodens das Kernziel des Auftrags, eine funktionsfähige Bibliothek räumlich herzustellen, beeinträchtigt. Außerhalb der sicherheitsrelevanten Bereiche bleibt der Originalboden zudem sichtbar. Daher ist hier der Beseitigungsanspruch des A zu verneinen. Anders sieht es jedoch bei der Gestaltung der Wandfarbe aus. Ein lediglich anderes ästhetisches Empfinden genügt nicht, um bei der Abwägung der Positionen zu obsiegen. Hier ist der Schutz des Urhebers vorrangig. Damit besteht zu Gunsten des A ein Beseitigungsanspruch in Form eines Wiederherstellungsanspruchs. A kann verlangen, dass die Wand wieder in orangerot gestrichen wird. Durch eine rechtzeitige Einflussnahme auf die Ausschreibungskriterien hätte B im Vorfeld den Konflikt verhindern können.
Ein Architekt hat von Anfang an mit bestimmten Veränderungen eines Gebäudes auf Grund von Modernisierungs- und Instandhaltungsarbeiten zu rechnen.9 Sicherheitsrelevante Aspekte sind ein häufiger Grund, das Interesse des Eigentümers gegenüber dem des Urhebers an der Unversehrtheit des Bauwerks höher zu gewichten. Um den Schutz des Urhebers jedoch nicht völlig lehrlaufen zu lassen, genügt eine reine Behauptung, das Werk sei ein Sicherheitsrisiko, nicht. Anstelle von bloßem 6 BGH, ZUM 2012, 33, 34 (Stuttgart 21); vorhergehend OLG Stuttgart GRUR-RR 2011, 56, 62 (Stuttgart 21). 7 Wandtke: a.a.O., 1. Kap. Rn 64. 8 Wandtke: a.a.O., 1. Kap. Rn 64; A.A. OLG Dresden, WRP, 2013, 668, 670 (Kulturpalast); LG Leipzig, ZUM 2012, 821, 823 (Kulturpalast). 9 Wandtke: a.a.O., 1. Kap. Rn 64ff.
Raumgestaltung und Sonstiges
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Sicherheitsempfinden ist eine nachvollziehbare Begründung erforderlich, wieso ein Schaden durch das Urheberwerk naheliegend ist. Einfacher und zielorientierter ist es, die Möglichkeit von späteren Veränderungen ausdrücklich zu vereinbaren. Beispiele: „Die Stadt S ist berechtigt, die Kinderbibliothek im eigenen Ermessen umzubauen und dabei auch architektonische Veränderungen vorzunehmen.“ „Liegt die jährliche Besucherzahl unter 1000 oder liegt die Besucherzahl in drei Jahren hintereinander jeweils unter 2000 Besuchern, so kann die Stadt S eine architektonische Veränderung vornehmen.“
In der Schweiz ist das Recht des Eigentümers an Bauwerken zu Änderungen in URG Art. 12 Abs. 3 ausdrücklich festgeschrieben. Hier gilt die Einschränkung, dass hierdurch keine Entstellung erfolgen dürfe, gem. dem Verweis auf URG Art. 11 Abs. 2. Außer dem Recht des Eigentümers können dem Inhaber des Gebäudes noch weitere Rechte zustehen. So ist beispielsweise eine Kirchengemeinde auf Grund des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts berechtigt, den Innenraum einer Kirche ändern zu lassen.10 Soll hingegen die Bibliothek in kirchlicher Trägerschaft räumlich geändert werden, ist die Interessenlage anders zu bewerten. Da es bei der Nutzung der Bibliothek nicht um religiöse Handlungen geht, ist das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nur tangiert, nicht aber verletzt. Zahlreiche Bibliotheken befinden sich in repräsentativen Bauten mit urheberrechtlich geschützten Fassaden und Innenarchitektur. Zur Bewerbung des Hauses sowie zur Verbesserung der Finanzen erfolgt gelegentlich ein Verkauf von Postkarten und anderen Abbildungen bzw. gibt es eine Fotoerlaubnis. § 59 UrhG stellt klar, dass ein generelles Fotografierverbot verbunden mit einer entgeltlichen, individuellen Fotoerlaubnis nur für den Innenbereich rechtswirksam durchgesetzt werden kann. Denn nach § 59 UrhG gilt für den öffentlich zugänglichen Außenbereich das Recht, das Gebäude von den öffentlich zugänglichen Wegen fotografieren oder sonst ablichten zu können. Öffentlich bedeutet, dass die Straße oder der Platz dem öffentlichen Zugang durch einen Rechtsakt der Gemeinde oder durch gewohnheitsrechtliche Nutzung gewidmet wurde. Die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück sind hierfür nicht entscheidend, können jedoch als Indiz herangezogen werden.
10 BGH, GRUR 2008, 984, 987 (St. Gottfried).
13 Recherche Rechteinhaber 13.1 Recherche nach dem Rechteinhaber als notwendige Aufgabe Zu den Folgen der Formfreiheit, vor allem der Registerfreiheit des Urheberrechts gehören die Schwierigkeiten, selbst den Nachweis der Urheberschaft zu führen oder später zielsicher den Urheber zu benennen. Denn es gibt in Deutschland keine Registerstelle, die einheitlich und verbindlich eine solche Aufgabe übernimmt. Dies gilt auch für die Urheberrolle. Dabei handelt es sich um ein vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführten Katalog. Diejenigen, die als Urheber ihre Werke anonym oder unter einem Pseudonym veröffentlichen wollen, können in der Urheberrolle ihre wahre Identität eintragen lassen. Damit handelt es sich bei der Urheberrechtsrolle um eine einem Synonymlexikon verwandte Funktion. Sie zeigt ferner, wer den Anspruch erhebt, Urheber des dort benannten Werks zu sein. Damit ist aber nicht festgestellt, ob die in der Urheberrolle eingetragene Person auch tatsächlich Schöpfer des Werks ist. Die Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register anonymer und pseudonymer Werke ist gem. § 138 UrhG fakultativ. Sie führt dazu, dass die 70-jährige Schutzfrist nicht mehr mit der Veröffentlichung des Werks, sondern gem. § 66 Abs. 2 S. 2 UrhG vom Tode des namentlich offenbarten Urheber an gerechnet wird.1 Gleichfalls sind auch die Verwertungsgesellschaften nicht für den Nachweis der Urheberschaft zuständig. Die Anmeldung bei einer Verwertungsgesellschaft kann jedoch als Indiz für das Vorliegen eines abgeschlossenen Werks dienen. Es bleibt aber in der Verantwortung des am jeweiligen Nutzungsrecht interessierten, für die notwendigen Rechte durch die Erforschung der Rechteketten und den Abschluss der gegebenenfalls notwendigen Vereinbarungen selbst zu sorgen. Denn selbst großangelegte Projekte und damit aufgebauten Kompetenzen können nur Teilaspekte erfassen. Eine Unterstützung bei der Frage nach dem Rechteinhaber kann die Datenbank SHERPA/RoMEO2 sein. Hier sind die Richtlinien der Verlage recherchierbar, nach denen den vertraglich gebundenen Urhebern das Recht zusteht, ihre Werke durch eine Zweitveröffentlichung zugänglich zu machen. Ebenso wird die entsprechende Karenzzeit zwischen Erst- und Zweitveröffentlichung aufgeführt. Ferner wird zwischen der Zweitveröffentlichung vor dem Review als Preprint und nach dem Review (final draft) als Postprint unterschieden. Die erforderliche Recherche nach den Rechteinhabern kann zweckmäßigerweise häufig mit einer Umfeldanalyse für das Marketing und die Platzierung des eigenen Produkts verbunden werden. Denn auch 1 Schack: a.a.O., § 9 Rn 255. 2 https://v2.sherpa.ac.uk/romeo/, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. https://doi.org/10.1515/9783110707588-028
Recherche Rechteinhaber
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wenn die Intension des Marketings eine andere ist, so ist der Ausgangspunkt für eine Marktbetrachtung nirgends näher an den Nutzungsrechten, die in das eigene Produkt integriert werden sollen. Die gemeinsame Frage für eine Rechterecherche und das Marketing lautet: Wer verwendet bereits dieses/ein solches Nutzungsrecht oder hat Interesse an einer solchen Nutzung. Bei größeren Projekten können zudem über das Vehikel der Ermittlung der Rechteketten Kooperationspartner für bisher noch nicht auch nicht auf dem Markt bekannte Innovationsschritte der Inhaber der gewünschten Nutzungsrechte ermittelt werden. Absicht Marktbetrachtung nach potenziellen Abnehmern für das eigene Produkt
Nutzungsvereinbarung, um eine Verletzung fremder Urheberrechte zu vermeiden + Vermeidung der Folgen einer Urheberrechtsverletzung
Recherche nach Rechteinhabern
Mögliche Kooperationen
Marktbetrachtung für Marketing Ausgangspunkt
Zusammenfassende Fragestellung: Wer verwendet bereits ein solches Nutzungsrecht oder hat Interesse an einer solchen Nutzung? Abbildung 20: Rechterecherche und Marketing.
13.2 Recherche nach dem Rechteinhaber als Rechtstatsachenermittlung Bei der Planung von Projekten, bei denen urheberrechtlich geschützte Materialien verwendet werden sollen, sind zuvor die Berechtigungen zu klären.33 Dieser Bereich gehört zur sogenannten Rechtstatsachenermittlung. Die Rechtstatsachenermittlung ist einer der originären Überschneidungsbereiche von angewandter Rechtswissenschaft und Informationswissenschaft. Die Verbindung lässt sich wie folgt skizzieren: Auf die Frage nach dem aktuellen Rechteinhaber (Tatsache) wird durch die Rechtsanwendung eine Vorstrukturierung der vom Gesetzgeber gewollten Zuschreibung vorgenommen. Hier erfolgt eine abstrakte Zuschreibung des Urhebers, Miturhebers, Rechtenach3 OLG Hamm, Urteil vom 19.05.2009 – Az.: 4 U 220/08.
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folgers etc. Abstrakte Zuschreibung bedeutet, dass hier der Name des jeweiligen Rechteinhabers noch nicht unbedingt bekannt ist. Ein Beispiel hierfür ist die Benennung von Positionen wie „Miturheber, N.N.“ oder „Einfacher Nutzungsrechtsinhaber mit der Befugnis, die Datenbank innerhalb des Campus C zu nicht kommerziellen Zwecken zu nützen, N.N“. Dieser Vorgang entspricht der Entwicklung eines Organigramms, bei dem zunächst nur die Funktionen und nicht konkrete Personennamen berücksichtigt werden. Was den eben beschriebenen Schritt erschwert, sind die indifferenten bzw. undurchsichtigen, manchmal auch falsch dargestellten Miturheberpositionen. Diese sind daher innerhalb der rechtlichen Prüfung vor der Recherche zu klären. Denn nicht jeder, der sich ein Mitspracherecht wünscht, ist auch Berechtigter. Andererseits gibt es keine Verpflichtung für einen Rechtsinhaber aktiv in der Öffentlichkeit und damit gut erreichbar zu sein. Die Umsetzung und Durchführung der Recherche ist hingegen angewandte Informationswissenschaft.4 Die Recherche kann zu Ergebnissen führen, die eine erneute rechtliche Prüfung der Positionen erforderlich werden lassen. Daher kann es zu mehrschichtigen Prüfungsverfahren kommen. Aufgabenstellung z.B.: Wer ist aktueller Inhaber des Nutzungsrechts? Wer kann das benötigte Nutzungsrecht erteilen?
Informationswissenschaft / Bibliothek
ermittelt
Zusammenstellung aller Informationen Aufarbeitung der Informationen Tatsache
Anforderung weiterer Informationen
Rechtliche Wertung / Meinung
Rechtliche Prüfung Ergebnis
Berücksichtigung für die Darstellung, ev. Grundlage für Aufklärung / Richtigstellung
Abbildung 21: Rechtstatsachenermittlung.
Dabei orientieren sich der hier vorgestellte Aufbau und die Checklisten an dem im ehemaligen Kooperationsprojekt LOTSE vorgestellten allgemeingültigen 5-Schritte-Modell.5 Die Recherche besteht im Idealfall aus fünf aufeinanderfolgenden Hauptschritten: 4 Vgl. Juraschko, Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare, S. 35. 5 https://www.ulb.uni-muenster.de/lotse/literatursuche/suchstrategien/thematisch_suchen/index. html, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022.
Recherche Rechteinhaber
217
Was ist das Ziel des Projekts? – Herausarbeiten der konkreten Fragestellung. In welchem Umfang werden fremde Nutzungsrechte benötigt? Ermittlung des Urhebers. Ermittlung des aktuellen Rechteinhabers, der über das gewünschte Recht verfügungsbefugt ist. 5. Ermittlung der Kontaktmöglichkeit des aktuellen Rechteinhabers.
1. 2. 3. 4.
Je nach Fallkonstellation können die Schritte auch zusammenfallen. Denn nicht jede Recherche ist gleich aufwendig. Ein Beispiel hierfür liegt vor, wenn der Werkschöpfer noch Inhaber aller Verwertungsrechte ist. Die oben genannten Schritte werden nun näher betrachtet. Bevor die Recherche des Rechteinhabers erfolgt, ist zu klären, welche und in welchem Umfang die Nutzungsrechte benötigt werden. Dies beginnt mit der Frage, ob ein Erwerb der Rechte überhaupt erforderlich ist. Hierbei handelt es sich um eine rechtliche Prüfung. Zunächst wird geprüft, ob Urheberrechte bestehen. Bestehen keine Urheberrechte, so wird die Prüfung nach möglichen verwandten Schutzrechten fortgesetzt. Ein Beispiel hierfür ist die Feststellung, dass das Werk wegen des Ablaufs der Schutzfrist urheberrechtsfrei geworden ist. Es kann jedoch noch ein Leistungsschutzrecht z.B. wegen einer wissenschaftlichen Ausgabe gem. § 70 UrhG vorliegen. Auch wenn das Zwischenergebnis erreicht wird, dass ein urheberrechtlicher Schutz vorliegt, können Gründe gegeben sein, weswegen die Einholung einer Erlaubnis entbehrlich ist. Eine Nutzung ohne eine Einräumung von Nutzungsrechten ist im Falle einer freien Benutzung zulässig. Ein weiterer Grund für die erlaubnislose Nutzungsmöglichkeit ist das Eingreifen einer Schrankenregelung zu Gunsten des Nutzungsinteressenten. Für Leistungsschutzrechte gilt die Prüfung entsprechend. Das Ergebnis wird dokumentiert und die Umsetzung des Projekts kann beginnen. Andernfalls folgen die weiteren Prüfungsschritte. Übersicht: Prüfung des Umfangs der benötigten Nutzungsrechte (Punkt 2): Ist ein Erwerb von Rechten überhaupt erforderlich? 1. Besteht ein urheberrechtlicher Schutz? –– Liegt ein Werk i.S.e. persönlichen, geistigen Schöpfung vor? –– Handelt es sich um kein amtliches Werk? –– Besteht die Schutzfrist? Zwischenergebnis zu 1: Ja, es besteht ein urheberrechtlicher Schutz./Nein, es besteht kein urheberrechtlicher Schutz. 2. Besteht ein Schutz durch ein verwandtes Schutzrecht? 3. Ist eine Nutzung ohne Lizenz möglich? –– Liegt ein Fall einer freien Benutzung vor? –– Wird die Nutzung auf Grund von Schrankenwirkung ermöglicht? Zwischenergebnis zu 2:
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Ja, eine Nutzung ohne Lizenz ist möglich./Nein, es sind die notwendigen Nutzungsrechte einzuholen. Teilergebnis Ja, ein Erwerb von Schutzrechten ist erforderlich./Nein, ein Erwerb von Schutzrechten ist nicht erforderlich. Wurde die Teilfrage der Erforderlichkeit des Erwerbs der Nutzungsrechte bejaht, wird die Hauptfrage nach Art und Umfang der benötigten Nutzungsrechte fortgesetzt. Art und Umfang der benötigten Rechte hängen vom Verwertungsziel ab. Als Beispiele für die nähere Bestimmung der Verwertungsziele kommen in Betracht: –– Art der Medien, z.B. Taschenbuchausgabe, CD, DVD etc.? –– Analoge bzw. digitale Verwertung? –– Offenes bzw. geschlossenes Netz? –– Kommerzielle Nutzung bzw. nicht kommerzielle Nutzung? –– Zeitraum der Nutzung? –– Geografisches Gebiet der Nutzung? –– Weitergabe von Nutzungsrechten? –– Sind Bearbeitungen, Übersetzungen etc. vorgesehen oder naheliegend? Nach der Erfassung der Verwertungsziele ist zu ermitteln, welche Nutzungsrechte diesen zuzuordnen sind. Dabei können einzelne Verwertungsziele bereits einem Nutzungsrecht entsprechen. In anderen Fällen ist aus dem jeweiligen Verwertungsziel ein entsprechendes Nutzungsrecht abzuleiten. Je umfassender die gewünschte Rechteeinräumung ist, desto höher sind die zu erwartenden Kosten hinsichtlich des Nutzungsentgelts. Gleichzeitig mahnt das Vorsichtsprinzip eine im Zweifelsfall eher zu weite als zu enge Einholung der Rechte an. Daher ist das Projekt des tatsächlichen Bedarfs an Nutzungsrechten so weit wie möglich zu konkretisieren. Nicht nur für eventuelle Preisverhandlungen, sondern auch als inhaltliche Alternative empfiehlt es sich, sich nach Ersatzprodukten umzusehen. Um bei umfangreicheren Fällen wie Multimediaanwendungen den Überblick zu bewahren, erweist sich eine Verdeutlichung durch eine grafische Entwicklung als hilfreich. Die hier verwendeten Schritte und Grafiken sind vorgeschlagene Hilfsmittel, um bei komplexen Rechteermittlungen den Überblick zu bewahren. Als Hilfsmittel orientieren sich diese an der Komplexität des jeweiligen Falls und können daher bedarfsgerecht verändert werden. Bei der Erstellung der Grafik erfolgt eine Vorstrukturierung in die einzelnen urheberrechtlich relevanten Teilgebiete. Das oben aufgeführte Beispiel geht von vier verschiedenen Miturhebern (Urheber Text 1, Urheber Text 2, Gestaltung Buchcover, Gestaltung Illustrationen zum Text) und weiteren zwei Berechtigten (Übersetzung Text 1, Übersetzung Text 2) auf Grund der Bearbeitung aus. Bestehen auf dieser Ebene Zweifel, ob hier ein oder zwei verschiedene Teilrechte bestehen, ist aus Vorsichtsgründen von einer höheren Anzahl von Teilberechtigten auszugehen. Eine solche Frage kann beispielsweise aufkommen, wenn der Illustrator sowohl Zeichnungen als auch Fotos als Beitrag zum Sammelwerk
Recherche Rechteinhaber
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abgeliefert hat. Das Vergessen eines Berechtigten zieht in der Folge umfangreiche Nachermittlungen mit sich. Daher ist diese Stufe besonders sorgfältig abzuschließen. In einem weiteren Schritt ist zu überprüfen, ob diese sechs Personen jeweils die ihnen aus den Verwertungsrechten abgeleiteten Nutzungsrechte auf eine andere Person übertragen haben. In Betracht kommt hier der Verlag, in dem das Sammelwerk erschienen ist. Liegt eine solche Übertragung nicht vor, weil es sich beispielsweise um ein zur damaligen Zeit unbekanntes Nutzungsrecht handelte, so sind jeweils die einzelnen aktuell Berechtigen zu ermitteln. Die aktuell Berechtigten können von den ursprünglichen Urhebern verschieden sein. Zum einen, weil es zu einer späteren Übertragung des inzwischen bekannten Nutzungsrechts gekommen ist. Ein weiterer Grund ist die Erbfolge. Damit zeigt sich, dass sich mitunter umfangreiche Darstellungen entwickeln können. Illustriertes Sammelwerk
Gestaltung des Buchcovers
Originaltext
Gestaltung der Illustrationen zum Text
Texturheber 1
Texturheber 2
Übersetzung Text 1
Übersetzung Text 2
Abbildung 22: Beispiel der Aufgliederung der einzelnen Rechte an einem illustrierten Buch.
13.3 Ansatzpunkte für die Recherche Aufgabe einer sorgfältigen Dokumentation ist es, den Fall nicht nur insgesamt zu erfassen, sondern ihn durch eine zielgerichtete inhaltliche Erschließung effizient, arbeitsfähig und übersichtlich zu halten.6 Die Rechtsprechung verlangt für die Darlegung und den Beweis der Aktivlegitimation eine geschlossene und lückenlose Rechtekette vom originären Rechtsinhaber bis zum jetzigen Anspruchsteller.7 Wegen dieser prozessualen Erfordernisse genügt es nicht immer, sich nur auf die Vermutungsregelung des § 10 UrhG zu berufen bzw. nur den aktuellen Rechteinhaber aufzufinden. 6 Vertiefend: Gaus: Dokumentations- und Organisationslehre. Theorie und Praxis des Information Retrieval. 7 OLG Hamburg, GRUR-RR 2001, 73 (Frank Sinatra); OLG Hamburg, ZUM 2001, 325 (Cat Stevens); OLG Hamburg, GRUR 1999, 714, 715 (Bauhaus-Glasleute); LG Mannheim, ZUM-RD 2007, 205, 206.
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Vielmehr kommt der Recherche und dem Nachweis eine besondere Aufmerksamkeit zu.8 Das Auffinden des Urhebers, genauer des Werkschöpfers ist der zentrale Ankerpunkt jeder weiteren Aktion. Das Ursprungsprinzip dient dem effektiven Schutz des Urhebers und des Interessenten an einem Rechteerwerb. Ist mit dem ursprünglichen Rechteinhaber die Basis gefunden, so erfolgt in weiteren Schritten die Ermittlung des jetzigen Rechteinhabers. Dieser kann zwischenzeitlich z.B. durch Übertragung von Nutzungsrechten oder Erbfolge gewechselt haben. Diese Empfehlung folgt dem Grundsatz, dass aktuelle Informationen häufig dort am besten zu finden sind, wo man die Primärquelle vermutet. Beispiel: A möchte umfassende Teile eines Buches in seiner Sammlung der Öffentlichkeit anbieten. Auf dem Cover findet er nur Hinweise auf den L-Verlag. Obwohl der L-Verlag nur ein einfaches Nutzungsrecht hinsichtlich der Verbreitung als Taschenbuch hat, behauptet der Vertreter des L-Verlags alle notwendigen Rechte an dem Werk innezuhaben. A und der L-Verlag schließen einen Vertrag über die Nutzung als E-Book. Da es keinen gutgläubigen Erwerb von Nutzungsrechten gibt, hat A nichts erworben. Hilfreich wären hier nur eine konsequente Anwendung des Ursprungsprinzips und eine entsprechende Recherche gewesen.
Für Sachverhalte, die § 61a UrhG unterfallen, verweist § 61a Abs. 1 S. 2 UrhG auf eine notwendige geografische Suche in dem Mitgliedsstaat der Europäischen Union, in dem das Werk zuerst veröffentlich worden ist. Sofern weitere Hinweise vorliegen, hat gem. § 61 Abs. 1 S. 3 UrhG eine Ausweitung auf die entsprechenden weiteren Mitgliedsstaaten der EU zu erfolgen. Da sich Hinweise bereits aus der verwendeten Sprache der Erstveröffentlichung und dem Verbreitungsgebiet bei der Publikation ergeben können, bleibt der gesetzgeberische Hinweis sehr allgemein. Von einer groben geografischen Eingrenzung abgesehen, entscheidet sich nach Praktikabilitätsgründen im Einzelfall, wo bei der Ermittlung des Urhebers zu beginnen ist. Daher sind die hier erwähnten Suchschritte nicht als notwendige Rangfolge, sondern als beispielhafte Reihung zu verstehen. Wurde beispielsweise das Werk in einem Verlag publiziert, so liegt es nahe, sich in einem der ersten Schritte an den Verlag zu wenden. Liegen hingegen keine weiteren Hinweise vor, so empfiehlt es sich festzustellen, ob die benötigten Rechte von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden. In Deutschland und in Österreich besteht eine Erlaubnispflicht, wenn die inländische Verwertungsgesellschaft Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte wahrnehmen möchte. Dagegen benötigt eine Verwertungsgesellschaft mit Sitz im EU-Ausland oder EWR-Staates eine Erlaubnis, 8 Schlüter in Raue; Hegemann: Münchner Anwaltshandbuch Urheber- und Medienrecht, § 34 Rn 40. Vgl. auch Richtlinie (Eu) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG Rn 66, die von branchenüblichen Standards für die berufliche Sorgfalt spricht.
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wenn sie in die in § 77 Abs. 2 VerwGesG genannten Rechte wahrzunehmen beabsichtigt. Zentrale Leitidee der dem VVG zu Grunde liegenden Richtlinie 2014/26/EU ist ein starker Urheber und Rechteinhaber. Diesem wird die Möglichkeit gegeben, bei der Verwertung seiner Nutzungsrechte auf mehrere mögliche Anbieter im In- und Ausland zugreifen zu können. Ein Beispiel für die Recherche nach den Rechteinhabern mit den Möglichkeiten einer Verwertungsgesellschaft ist die Onlinerecherchemöglichkeit der VG Bild-Kunst.9 Hier ist auch eine Recherche nach den Folgerechtinhabern möglich. Hinsichtlich der Anwendungsfreundlichkeit ergeben sich derzeit Unterschiede zwischen den einzelnen Verwertungsgesellschaften. Bereits heute gibt es mit dem Self-Publishing eine mengenmäßig beachtenswerte Publikationsgruppe, die eine Recherche im nachfolgend beschriebenen Stil erforderlich macht. SelfPublishing ist eine Produktions- und Vertriebsart, bei der in aller Regel der Rechteinhaber seine Rechte selbst und nicht über einen Verlag oder eine Verwertungsgesellschaft wahrnimmt. Beim Self-Publishing ist regelmäßig die Personenidentität von Urheber, Lektor, Verleger und Vermarkter gegeben. Im Falle des Self-Publishings werden Anfragen bei Verwertungsgesellschaften nach dem bestimmten Rechteinhaber regelmäßig negativ verlaufen. Erfolgreicher ist hier die Einbeziehung diverser Onlineplattformen. Diese können nicht kommerzieller Art wie die Open Depositories von Hochschulen oder kommerzieller Art sein. Ein Suchinstrument zum Auffinden von Dokumenten in Open Depositories ist das Projekt Bielefeld Academic Search Engine (BASE)10. Ein Beispiel für eine kommerzielle Plattform ist Amazon-Kindle. Zu den Präsentationsplätzen und Präsentationsarten des Self-Publishings gehören neben den Onlineplattformen auch die Archive von Prüfungsämtern in Hochschulen. Zu den Prüfungsarbeiten gehören u.a. Bachelor-, Master, Magister-, staatliche Zulassungs-, Diplom- und Doktorarbeiten. Abhängig vom Hochschulrecht beträgt die Aufbewahrungsfrist häufig zehn Jahre. Die Zugangsmöglichkeiten zu Archiven der Prüfungsämter können eingeschränkt sein. Eine Einsichtnahme in Prüfungsarbeiten durch Dritte ist sowohl durch den Urheber (Prüfling) als auch durch das Prüfungsamt zu gestatten. Im Anschluss an die hochschulinterne Aufbewahrungsfrist können sich Ablieferungspflichten an das Landesarchiv ergeben. Ein Beispiel hierfür ist § 3 Landesarchivgesetz Baden-Württemberg, welches die Ablieferungspflichten bzw. die Übernahme von Archivgut regelt. Bereits vor der Übergabe sind datenschutzrechtliche Belange und ev. auch Geheimhaltungsverpflichtungen zu regeln.
9 https://www.bildkunst.de/service/kuenstler-suche, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022. 10 https://www.base-search.net/, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022.
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Tabelle 12: Erkennungsmöglichkeiten und Orte zum Auffinden von Rechteinhabern bzw. dem Urheber. Datenträger und Hinweise
Nähere Lokalisierung
Auf der Hülle, Innenseite der Beschreibung, Datenträger (Bücher, DVD, CD usw.) Innenseite Buchumschlag, letzte Seite, im Vorwort Quelltext, Dialogfenster, Bedienungsoberfläche Software Datenbanken und Verzeichnisse Einträge, Index, Ermittelbarkeit durch die Suchfunktion Vertonung Anfang oder Ende der Vertonung, Beilage Plastik Bodenplatte, Unterseite der Plastik Film Anfang oder Ende des Films, Beilage Bild Unten links oder rechts im Bild, Rückseite, üblicherweise auf dem Originaldokument, eher selten auf dem Passepartout oder Rahmen; ggf. können sich auch Hinweise (Örtlichkeit, Personen, Zeit) aus der Abbildung ergeben. Urheberrechtsvermerk Form © + Name + Jahreszahl der ersten Veröffentlichung z.B. Art. III Abs. 1 S. 1 WUA Sonstige Dokumente wie Rechnungen, Begleitumstände, die zur näheren Erläuterung Geschäftskorrespondenz etc. der Sachlage beitragen Markenhinweis ®, ™
13.4 Berücksichtigung der Rechtsnachfolge Wenn hier zur Verdeutlichung vom Werkschöpfer gesprochen wird, so wird der Umstand berücksichtigt, dass der oder die Erben zwar auch Inhaber der Urheberrechte werden, aber eben nicht als Werkschöpfer bekannt sind. Der Urheber kann durch Testament gem. §§ 2064 ff. BGB oder durch einen Erbvertrag nach §§ 2274 ff. BGB einen Erben bestimmen. Erfolgt keine ausdrückliche Regelung, so gilt die gesetzliche Erbfolge nach §§ 1922 ff. UrhG. Inhaltlich hat der Urheber die Möglichkeit, die Erben mit einer Auflage gem. §§ 2192 ff. BGB oder einem Vermächtnis gem. § 2147 UrhG zu beschweren. Werden daher von einem Erben Nutzungsrechte übertragen, so ist zu prüfen, ob Beschwerungen in Folge des Erbgangs zu berücksichtigen sind. Somit kann eine Feststellung von Urheberrechten bzw. verwandten Schutzrechten zu Nachlasspflegschaft gem. § 1960 BGB gehören. Durch das weite Spektrum der Urheberwerke bzw. verwandter Schutzrechte und der Zunahme von digitalen Formen, ist hier künftig eine Ausweitung der Tätigkeit bei Pflege und Auseinandersetzung von Nachlässen zu erwarten.
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Beispiel: Der bekannte Schriftsteller S verfügt in seinem Testament, dass von jeder neuen Ausgabe eines seiner Werke nach seinem Tode ein Exemplar der Stadtbibliothek seiner Heimatstadt kostenfrei angeboten wird. Hier ist der Erbe daran gebunden, bei der Vereinbarung einer Neuauflage eines Buches diese Auflage zu erfüllen. Beispiel: Auf dem Wege des Vermächtnisses hat der Urheber das Urheberrecht an seinem Roman seinem Schriftstellerkollegen S zugewendet. Daher ist seine Tochter als alleinige Erbin gehalten, das komplette Urheberrecht an dem Roman an S zu übertragen.
Zu beachten sind bei der Recherche ferner stattgefundene Erbauseinandersetzungen unter Miterben gem. § 2204 BGB. So kann die Erbengemeinschaft im Wege der Erbauseinandersetzungen Urheberrechte nach § 29 S. 1 UrhG an einzelnen Werken auf Miterben übertragen. An dieser Stelle zeigt sich erneut, dass die Recherche als Ergebnis nur eine Momentaufnahme darstellen kann. Sind Überlegungen zu Veränderungen bei der Rechteverteilung bekannt, empfiehlt sich neben einer Datierung im Protokoll eine mit Datum versehene kurze Bemerkung hinsichtlich der Überlegung einer weiteren Rechteübertragung. Auch für die Weitervererbung gelten die von der Unübertragbarkeit des Urheberrechts für den Erbfall gemachten Ausnahmen.11 Nicht nur Menschen, im juristischen Sprachgebrauch als natürliche Personen bezeichnet, können erben. Begünstigt sein können auch juristische Personen. Ein Beispiel für die Einsetzung einer juristischen Person in Form einer Stiftung, die den künstlerischen Nachlass nach den vom Erblasser gesetzten Vorgaben verwaltet, ist der Nachlass des Malers Emil Nolde. Für die Erbeinsetzung einer juristischen Person kommt insbesondere eine Stiftung gem. §§ 80 ff. BGB in Betracht. Bei den sonstigen juristischen Personen eignet sich daneben noch ein eingetragener Verein. Da hier im Falle einer Liquidation (Auflösung) der Stiftung bzw. des eingetragenen Vereins ein Vermögensanfall bei den in der Satzung des Vereins bzw. der Verfassung der Stiftung genannten Personen stattfindet. Dieser Vorgang ist einem Erbgang vergleichbar, § 28 Abs. 1 UrhG analog. Dagegen erfolgt bei der Liquidation (Auflösung) einer AG oder GmbH eine rechtsgeschäftliche Vermögensverteilung. Diese entspricht in ihrem Wesen nicht mehr einem Erbfall und ist diesem daher auch nicht mehr gleichzustellen. Teilweise wird für diesen Fall erwogen, dass der sich in Liquidation befindlichen AG oder GmbH dann ein Auflösungshindernis entgegensteht, solange die Schutzfrist des Urheberrechts läuft. Vorzugswürdig ist es, den Staat als letzten Erben für den Fall anzusehen, dass sich keine dem Erben vergleichbare Person findet. Denn es ist nicht Aufgabe des Urheberrechts, die Auflösung einer juristischen Person mit den sehr umfassenden Begleiterscheinungen zu verhindern. Sind vom Urheber keine Erben bestimmt worden und gibt es ferner keine gesetzlichen Erben, so fällt das Urheberrecht gem. § 1936 BGB dem Fiskus zu. Nach § 2072 BGB gilt dies auch, wenn der Urheber 11 Fromm; Nordemann; Hertin: a.a.O., § 29 Rn 2.
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
„die Armen“ als Erbe eingesetzt hat. Findet sich hingegen eine Erbeinsetzung an die „Allgemeinheit“ oder eine ähnliche Klausel, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob hier wirklich der Fiskus als Erbe gemeint sein kann oder ob hier vielmehr der Wunsch nach einem Verzicht auf die Schutzfrist und der Wille der Gemeinfreiwerdung kundgetan wurde. Eine rechtsgestaltende Handlung durch Verzicht auf das Fortbestehen der Schutzfrist ist möglich. Sie entspricht dem Grundsatz der Privatautonomie. Soweit die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Elemente betroffen sind, gilt die gleiche Lage, wie nach dem regulären Ablauf der Schutzfrist. Diese Frage ist durch Auslegung zu klären. Als nicht alltägliche Fragestellung sollte diese Aufgabe von Bibliothekaren und Archivaren an Juristen übertragen werden. Bei der Ausübung der Urheberrechte durch den Fiskus besitzt dieser grundsätzlich den gleichen Spielraum wie andere Erben von Urheberrechten auch. Denn bei der Ausübung des Urheberrechts handelt der Staat auf dem Gebiet des Privatrechts. Einschränkungen können sich aus verwaltungsprivatrechtlichen oder wettbewerbsrechtlichen Gründen ergeben. Gem. § 30 UrhG stehen dem Erben grundsätzlich die gleichen Befugnisse wie dem Urheber zu. Damit wird er Inhaber der Verwertungsrechte und des Urheberpersönlichkeitsrechts.12 Hinsichtlich des Urheberpersönlichkeitsrechts bestehen die Schranken eines Rechtsmissbrauchs13 und ferner die Schranke des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Angehörigen des Urhebers.14
13.5 Darstellung der Sachverhalte in Skizzenform Die hier verwendeten Zeichen bzw. Abkürzungen sind in Anlehnung an die Vorgehensweise genealogischer Arbeitstechniken, juristischer Falllösungsskizzen und unter Berücksichtigung der bereits verwendeten Symbole entstanden. Eine Skizze stellt nur eine Momentaufnahme dar, bei der die für die konkrete Fallbearbeitung relevanten Punkte berücksichtigt wurden. Bei einer Veränderung der Situation ist die Skizze zu überarbeiten. D.h. das Schaubild ist dann auch in dieser Hinsicht von Anfang an zu überarbeiten. Im Hinblick auf die gesonderte Verwertungsfähigkeit ist zu ermitteln, ob es sich um eine Miturheberschaft oder um eine Werkverbindung handelt. Werkverbindungen sind gesondert verkehrsfähig. Dagegen können Miturheber ihre Anteile nicht gesondert verwerten. Kommt es im Miturheberverhältnis zu einem Erbfall, so entsteht zwischen den Urhebern eine Gesamthandsgemeinschaft, die sich nach § 8 UrhG richtet. Demnach steht das Recht 12 Schricker; Schricker: a.a.O., § 30 Rn 3; Fromm; Nordemann; Hertin: a.a.O., § 30 Rn 1. 13 Schack: a.a.O., Rn 577. 14 Schricker; Schricker: a.a.O., § 30 Rn 7.
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zur Veröffentlichung und Verwertung des Werks den Urhebern zur gesamten Hand zu. Änderungen sind nur mit der Einwilligung aller Urheber zulässig. Tabelle 13: Abkürzungen für Skizzen.
Ein verheirateter Miturheber ist verstorben und hinterlässt drei Kinder. Es besteht gesetzliche Erbfolge. Die Witwe und die drei Kinder bilden eine Erbengemeinschaft. Sowohl die Witwe als auch die drei Kinder sind durch Erbgang Urheber geworden. Zusammen mit dem noch lebenden Schöpfer (1) des Werkes bilden sie eine Miturhebergemeinschaft.
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Gemeinschaftliches Werk
1
20.08.2013
E
2
E
E
E
Abbildung 23: Erbfall unter Miturhebern.
13.6 Sorgfaltserfordernis In § 61a Abs. 1 S. 1 UrhG wird ausdrücklich die sorgfältige Suche nach dem Rechtsinhaber für jeden Bestandsinhalt und für in diesem enthaltene sonstige Schutzgegenstände angemahnt. Ziel von § 61a UrhG ist es, festzustellen, ob es noch einen aktuellen Rechteinhaber gibt oder ob es sich um ein verwaistes Werk handelt. Die Frage nach dem Vorliegen eines verwaisten Werks schließt notwendigerweise die Frage nach dem aktuellen Rechteinhaber mit ein. Damit ist mit § 61a UrhG nicht nur ein Spezialfall geregelt, sondern ein allgemeiner Maßstab gesetzt. Als Mindestvoraussetzung fordert § 61a UrhG die in der Anlage zu § 61a UrhG aufgeführten Quellen. Eine geografische oder sprachliche Grenze gibt es ausdrücklich nicht. Vielmehr ist die Recherche bei entsprechenden Hinweisen auch auf das Ausland auszudehnen. Die in § 61a Abs. 1 UrhG erlaubte Delegation an einen Dritten ist als Auftragsverhältnis gem. §§ 662 ff. BGB zu qualifizieren. Regelmäßig dürfte dem Auftragsverhältnis ein Dienstvertrag zu Grunde liegen. Für den Beauftragten gilt die Verpflichtung zur Ausführung der sorgfältigen Recherche jedoch erst nach seiner Zustimmung. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur Ausübung der notwendigen Recherche gibt es nicht. Beispiel: In der Universitätsbibliothek U gibt es zwei Kategorien von Auskünften. Die kurzen Auskünfte nehmen maximal fünfzehn Minuten in Anspruch und sind kostenfrei. Auskünfte, die erkennbar länger als fünfzehn Minuten dauern, werden nur nach Verfügbarkeit erfüllt und nach ausdrücklichem Hinweis mit 50 Euro pro angefangene Stunde berechnet. Mediendesigner M möchte ein Multimediawerk erstellen und privat vermarkten. Hierzu benötigt er eine ganze Reihe von Nutzungsrechten. Als er von dem Auskunftsbibliothekar A freundlich auf die Kostenregelung hingewiesen wird, ist er empört. Schließlich bezahle auch er gelegentlich Steuern. Vor allem aber gebe ihm § 61a UrhG das ausdrücklich das Recht, einen Dritten beauftragen zu können. Lösungsskizze: Zutreffend ist, dass M mit einem Dritten z.B. einen Auskunftsbibliothekar für ein Auftragsverhältnis mit dem Inhalt der Durchführung der Recherche beauftragen kann. Im Beispiel ist aber kein Grund gegeben, nach dem der A den Auftrag anzunehmen verpflichtet ist. Ebenso wenig wird die Kostenregelung durch § 61a Abs. 1 UrhG ausgeschlossen.
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Für den Fall, dass für ein bestimmtes Werk ein Status als verwaistes Werk angestrebt wird, ist die bereits arbeitstechnisch für eine notwendig sorgfältige Recherche betriebene Dokumentation gem. § 61a Abs. 4 UrhG ausdrückliche Pflicht. Eine Ausnahme von der sorgfältigen Suche und Dokumentation ist in § 61a Abs. 5 UrhG geregelt. Befinden sich in der Datenbank des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt Inhalte, die als verwaist erfasst sind, bedarf es keiner sorgfältigen Suche mehr. Die Datenbank beinhaltet Marken, Muster und Modelle. Die Befreiung beruht auf dem von der als zuverlässig geltenden Datenbank gesetzten Rechtsschein. Dieser kann durch einen Gegenbeweis widerlegt werden. In jedem Fall lässt der Vertrauenstatbestand des Rechtsscheins das Verschulden entfallen. Daher sind gegebenenfalls Unterlassungsklagen, nicht aber Schadensersatzklagen möglich. Die Vertrauenswirkung gilt jedoch nicht im Hinblick auf eine Unabänderlichkeit der Datenbank. Findet sich zu einem späteren Zeitpunkt ein Rechteinhaber und wird die Datenbank des Harmonisierungsamtes korrigiert, entfällt die Vertrauenswirkung. Das Privileg wurde für bestimmte Einrichtungen geschaffen. Daher können die Anforderungen in nicht privilegierten Fällen nicht unterhalb oder gleich der Schwelle des § 61a UrhG liegen, da es sich sonst nicht um die vom Gesetzgeber gewünschte Privilegierung handelt.
13.7 Personenermittlung – Ermittlung der Kontaktmöglichkeit mit dem verfügungsbefugten Rechteinhaber Damit schließt sich die Ermittlung der Kontaktmöglichkeit zu dem aktuellen Rechteinhaber des gesuchten Verwertungsrechts bzw. demjenigen, der über dieses Recht verfügungsbefugt ist, an. Hinsichtlich der Preisfindung und späteren Gestaltung der Verbreitung ist zudem von Interesse, inwieweit die bisherigen Rechteinhaber von ihren Möglichkeiten bereits Gebrauch gemacht haben. Zu empfehlen ist eine ordentliche Dokumentation des Vorgangs. Diese Dokumentation ist nicht nur Arbeitsinstrument, sondern auch der Nachweis für eine sorgfältige und rechtsbewusste Vorgehensweise. Hierdurch besteht im Einzelfall die Möglichkeit, dass in einem späteren Prozess ein Verschulden negiert werden kann. In einigen Fällen ist es nicht nur möglich, sondern auch angebracht aus zeitlichen bzw. sonstigen Gründen wegen des Aufwands über Alternativen nachzudenken. Dazu gehört die Verwendung von Werken anderer, bekannter bzw. ermittelbarer Rechteinhaber oder Eigenentwicklungen. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, die das Auffinden einer Person erschweren. Ebenso ist bei den Ermittlungen der Kontaktmöglichkeiten mit dem Rechteinhaber die Privatsphäre anderer Personen zu wahren. Daher sind bei der Recherche ausschließlich sozial übliche Feststellungswege zu wählen und bei einer Dokumentation der Rechercheschritte die Belange des Datenschutzes zu berücksichtigen. Personenbezogene Daten dürfen gem. Art. 6 DSGVO nur zur Erbringung der vorgesehenen Dienstleistungen und nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens gespeichert werden. Zu den ersten Schritten einer Personenidentifikation gehören die Feststellung des vollstän-
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digen Familiennamens und des oder der Vornamen. Hier sind Verwechslungsfehler wie die Verwendung eines typischen Vornamens als Familiennamen, die Reihenfolge von Vor- und Nachnamen, das Weglassen oder Hinzufügen eines Bestandteils eines Doppelnamens etc. zu vermeiden. Ein und derselben Person können gegebenenfalls mehrere Namen zugeordnet werden. Hierzu gehört die Namensänderung in Folge einer Heirat oder einer sonstigen behördlichen Namensänderung. Bei Unternehmen kann es entsprechend zu einer Umfirmierung gekommen sein. Ebenso sind mögliche Schreibfehler, Fehler bei der Zitierung oder unterschiedliche Namensansetzungen zu berücksichtigen. Beispiele hierfür sind das Auflösen von Umlauten oder fehlerhafte Ergänzung bzw. das Weglassen von Buchstaben im Namen. Beispiele: Meier, Meyer, Maier, Mayer, Mayr
Die übliche Reaktion bei einer Unsicherheit über einen Namen ist die Ausweitung der Suchoption. Auf Grund der verbreiteten Häufigkeit bestimmter Namen, teilweise mit einer leicht differierenden Schreibweise, empfiehlt es sich, bei der Recherche des Namens konsequent, wenigstens mit einem zweiten, eng mit der Person des Gesuchten verbundenen Merkmal zu suchen. Beispiele hierfür sind das Geburtsdatum oder der Werktitel. Zu berücksichtigen sind auch die Auflösung von Künstlernamen oder Pseudonyme. Künstlernamen oder Pseudonyme erfordern regelmäßig eine Umfeldrecherche. Durch eine Umfeldanalyse können auch Inhaber einfacher Nutzungsrechte gefunden werden, die ihrerseits helfen können, den Kontakt zum Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts herzustellen oder zu vermitteln. Ansatzpunkte können hier das Impressum einer Webseite oder der Kontakt über einen Verlag sein. Bleibt der Rechercheansatz über das Impressum einer Webseite erfolglos, so kommt eine Suche in der Umgebung der jeweiligen Webseite in Betracht. Gegenüber der bestehenden alternativen Suche durch eine allgemeine Suchmaschinenanfrage wird hier eine inhaltliche Verwandtschaft der Webseiten bereits zu Grunde gelegt. Damit können Missverständnisse durch parallel verwendete Pseudonyme vermieden werden. Gerade wenn Suchmaschinen eingesetzt werden sollen, ist ein strukturiertes Vorgehen geboten. Denn Suchmaschinen geben keine Fehlermeldungen. Diese Eigenschaft ist Suchmaschinen immanent. Vielmehr überlassen es Suchmaschinen dem aufmerksamen Benutzer anhand der Trefferlisten eigene Recherchefehler durch ungünstige Eingaben zu erkennen. Bei Begriffs- und Namensgleichheiten empfiehlt sich die Einsetzung von Ausschlussverfahren. Bei Datenbanken entspricht dies dem Boolesche Operator „NOT“. Suchmaschinen wie Google ist der Boolesche Operator „NOT“ nicht bekannt. Gegebenenfalls gibt es Alternativen, um die gleichen Vorgehensweisen zu erreichen. Dazu gehört z.B. bei Google das Minuszeichen unmittelbar vor dem Begriff. Dabei ist eine Reihung möglich. Beispiel: Adler: Personenname – Vogel – Eishockey – Schreibmaschine – Sternbild - Fluss
Recherche Rechteinhaber
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Tabelle 14: Checkliste Instrumente Personensuche. Instrument Hinweis Verlag eines der Werke der gesuchten Person
Regelmäßig eine erfolgreiche Quelle, sofern aktive Vertragsbeziehungen zwischen der gesuchten Person und dem Verlag bestehen.
Die Anmeldung bei einer Verwertungsgesellschaft Verwertungsgesellschaft ist keine Pflicht, aber weit verbreitet. Adressbücher und Adressverzeichnisse
Seit Aufkommen des Mobilfunks und mangelnder Registrierungspflicht nur bedingt zuverlässig.
Melderegister z.B. Einwohnermeldeamt
Regelmäßig Nennung bzw. Nachweis eines berechtigten Interesses erforderlich. Hiermit soll Missbrauch vermieden werden.
Eintragungen in sozialen Netzwerken
Hinweise sind möglich. Ein Rückschluss bei
z.B. Facebook oder LinkedIn.
einem Fehlen ist aber nicht möglich.
Personensuche z.B. yasni Metasuchmaschine mit dem Schwerpunkt Personensuche Sonstige Spuren im World Wide Web, die über Suchmaschinen gefunden werden können.
Hinweise sind möglich. Ein Rückschluss bei einem Fehlen ist aber nicht möglich.
Begleitdokumente wie Rechnungen, Protokolle Hinweise sind möglich. Auskünfte über bekannte Miturheber
Die Qualität der Auskünfte von Miturhebern ist sehr unterschiedlich. Für die Entstehung eines gemeinsamen Urheberwerks ist ein Kontakt der Miturheber untereinander nicht immer erforderlich. Dieser kann auch über eine Kontaktperson wie einen Herausgeber erfolgen. Letzteres kann ebenfalls ein wichtiger Hinweis sein.
Hinweis: Die Tabelle ist weder vollständig noch abschließend.
Soweit zu Ermittlungszwecken personenbezogenen Daten ermittelt und zusammengestellt werden, unterliegt die Tätigkeit den Datenschutzgesetzen.15 Daher ist bei den Ermittlungen mit dem Erfordernis einer Darlegung bzw. der Nachweis der Beweggründe für die Recherche zu rechnen.
15 Juraschko, B.: Datenschutz in der Bibliothek 2.0. in: Bergmann; Danowski (Hrsg.): Handbuch Bibliothek 2.0, S. 185–205.
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Tabelle 15: Checkliste Instrumente Unternehmenssuche. Instrument Hinweis Im Impressum wird die für die Webseite Webseite des Unternehmens, insbeson verantwortliche Person genannt. dere Kontaktmöglichkeiten und Impressum Seit Aufkommen des Mobilfunks und mangelnder Telefonbücher und Adressenregister Registrierungspflicht nur bedingt zuverlässig. Von einer Vollständigkeit kann nur bei Handelsregister registerpflichtigen Unternehmen ausgegangen werden. Marken des Unternehmens Bei eingetragenen Marken finden sich im Markenregister Hinweise auf die Person, die die Eintragungen vorgenommen hat bzw. für wen die Eintragung vorgenommen wurde. Patente bzw. Gebrauchsmuster des Im Patentregister befinden sich weitere Hinweise. Unternehmens Da Patente bzw. Gebrauchsmuster für ihr Fortbestehen regelmäßig verlängert werden müssen, ist die Aktualität der hinterlegten Kontaktdaten relativ hoch. Auskünfte der jeweiligen Kammer z.B. Entsprechend dem Auftrag der jeweiligen Kammer Industrie- und Handelskammer ist regelmäßig darzulegen, welchen Vorteil das eventuelle Kammermitglied von einer Kontaktaufnahme hat. Auskünfte Gewerbeamt Liegt ein Gewerbe vor oder ist dies zu vermuten, so kommen Auskünfte des Gewerbeamtes in Betracht. Außenhandelskammer bei Unternehmen Häufig eine der ersten Auskunftsquellen im im Ausland Ausland, sofern das gesuchte Unternehmen im Ausland über einen Webauftritt verfügt. Hinweis: Die Tabelle ist weder vollständig noch abschließend. Tabelle 16: Checkliste für eine Recherche mit Auslandsbezug. Instrument Hinweis Die Eingabe der Suchbegriffe in der jeweiligen Internetquellen ggf. unter Einsatz einer Landessprache erzielt regelmäßig die höchsten Suchmaschine Trefferquoten. Häufig eine der ersten Auskunftsquellen Außenhandelskammer bei Unternehmen im Ausland im Ausland. Je nach Recht des betreffenden Staates gibt Beispiel: Urheberrechtsregister es spezielle Register. US Copyright Office: http://www.copyright.gov/; Register anonymer und pseudonymer Werke des DPMA: https://www.dpma.de/dpma/wir_ueber_uns/ weitere_aufgaben/verwertungsges_urheberrecht/ anonyme_werke/index.html Hinweis: Die Tabelle ist weder vollständig noch abschließend.
Recherche Rechteinhaber
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Für das Auffinden von Werken, die sich über geschriebene Sprache definieren, lassen sich Recherchetechniken bzw. Plagiatssoftware einsetzen. Festgestellt werden können auf diese Art und Weise erkennbare inhaltliche Besonderheiten wie Abweichungen im Schreibstil sowie technische Besonderheiten wie Veränderungen eines Dokuments durch Copy- und Paste-Verfahren. Ein Abgleich mit anderen Dokumenten ist nur insoweit möglich, als die Vergleichsdokumente für das eingesetzte Instrument auch erreichbar sind. Möglich ist dies bei Dokumenten, die online frei verfügbar sind und sich im sogenannten visible Net befinden. Sind die Vergleichsdokumente hingegen durch eine technische Maßnahme geschützt oder gar offline und damit im sogenannten Deep Web oder invisible Web, so kann dieser relevante Bereich nicht durch eine automatisierte Abfrage erreicht werden. Ein weiterer zentraler Faktor ist das Ranking. Dieses wird nach den Kriterien des Suchmaschinenbetreibers vorgenommen. Checkliste Recherche Rechteinhaber: –– Durchsicht des Werks auf Hinweise nach Rechteinhabern sowie eine erste Ordnung der in Betracht kommenden Personen. –– An folgenden Orten sind häufig Urheberrechtsvermerke zu finden: –– Datenträger (Bücher, DVD, CD usw.): Titelseite, Klappentext, Cover, letzte Seite, im Vorwort. –– Software: Quelltext, Dialogfenster, Bedienungsoberfläche, Impressum, spezielle Seite wie „Wir über uns“. –– Copyrightzeichen: ©, ein Fehlen des Copyrightzeichens bedeutet andererseits keine Rechtefreiheit. –– Hinweise durch sonstige Schutzzeichen: –– ® Eingetragene Marke (Registered Trademark). –– ™ Nicht registrierte Handelsmarke (Unregistered Trade Mark). –– Anfrage bzw. Beachtung von Rechteverwertungsgesellschaften oder involvierten Verlagen. –– Anfrage bei genannten Urhebern oder Rechteinhabern jeweils mit der Bitte versehen auf Hinweise nach weiteren Urhebern, sofern sie nicht ausdrücklich genannt wurden. –– Unabhängig von der Anfrage bei bekannten Rechteinhabern sollte eine weitere Recherche nach weiteren Anhaltspunkten stattfinden. –– Prüfung, ob Schritte ausgelagert oder abgegeben werden können. –– Professionelle Unterstützung durch eine geübte Recherchekraft. Hinsichtlich der Zuordnung von Bildern und Abbildungen bieten sich eine Umgebungssuche über Spezialsuchmaschinen an. Hier ist zu unterscheiden, ob es sich bei der Suchmaschine um eine textbasierte oder eine grafikbasierte Suchmaschine handelt. Hier können z.B. durch einen Download oder durch eine Drag-and-Drop-
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Funktion grafische Elemente in das Suchfeld eingebracht werden. Zur Unterstützung stellen einige grafische Suchmaschinen Filter für eine gezielte Suche nach z.B. Farben, Konturen (Strichzeichnung) etc. zur Verfügung. Eine solche ist beispielsweise images. google.com. Im letzteren Fall wird auch eine verfeinerte Suche nach Nutzungsrechten angeboten. Diese Funktion kann wichtige Hinweise liefern, eine rechtsverbindliche Auskunft ist die Filterfunktion jedoch nicht. Eine Filterfunktion kann jedoch bei der Ermittlung der Rechteinhaber helfen, einfache zu klärende von aufwendigen Fällen zu trennen. Dabei werden Kriterien definiert, die bei einer Bejahung zu einem Ausschluss des jeweiligen Mediums als in Frage kommendes Objekt für eine urheberrechtlich relevante Weiterentwicklung führen. Die Kriterien sollen gewährleisten, dass eine Überprüfung der Rechte ein definiertes Höchstmaß an Zeit nicht überschreitet. Beispiele für solche Kriterien sind: unbekannte Adresse des Rechteinhabers; mehr als drei Rechteinhaber; bestimmte Jahrgänge etc. Diese Vorgehensweise eignet sich beispielsweise für großangelegte Digitalisierungsprojekte, bei denen es nicht auf die Verwendung eines ganz bestimmten Werkes ankommt. Es stellt sich die Frage, was den Aufwand einer Recherche begründet. Als vermeintliche Alternative zur Recherche sind gelegentlich auf Webseiten Hinweise bzw. sogenannte Disclaimer zu finden. Diese haben sinngemäß zum Inhalt, dass derjenige, der Rechte an dem abgebildeten Werk geltend macht, sich melden solle. Ein solcher Hinweis oder Aufruf hat keine rechtliche Bindungswirkung. In keinem Fall kann hier von einer mutmaßlichen Einwilligung ausgegangen werden. Für den Rechteinhaber gibt es keinerlei Verpflichtung, bestimmte Webseiten aufzurufen. Daher kann schon mangels Kenntnis auf eine mutmaßliche Einwilligung geschlossen werden. Somit hat der Interessent dies nach allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen als Ablehnung seines Begehrens zu verstehen. Inserate und Aufrufe können die Recherche unterstützen. An sie kann aber keine Rechtsfolge geknüpft werden. Privatpersonen fehlt die Autorität rechtswirksam gewünschte Nutzungsrechte durch öffentliche Aufrufe zu erlangen. Staatliche Einrichtungen, die Behördeneigenschaften haben, können unter bestimmten Voraussetzungen durch Verkündigungen verbindliche Folgen setzen. Dies gilt aber nur innerhalb ihres öffentlich-rechtlichen Kompetenzbereiches. Da sich auch eine Behörde bei der Suche nach dem Urheber bzw. den aktuellen Rechteinhabern auf dem Gebiet des Privatrechts befindet, entfällt die Möglichkeit der öffentlichen Hand durch öffentliche Bekanntgabe eine Kenntnisnahme herbeizuführen und daran Rechtsakte anzuknüpfen. Beispiel: Anlässlich der 800-Jahrfeier der Gemeinde G soll ein Musikstück von einem alten Tonband einer lokalen Musikgruppe M vom Anfang der 1960er Jahre im Rahmen eines musikalischen Rückblicks abgespielt werden. Die Verwaltungsmanagerin der Gemeinde G überträgt alle Aufgaben, die „irgendwas mit Medien zu tun haben“ der Leiterin L der Gemeindebibliothek. Als Antwort auf die Anfrage bei der GEMA erhält L die Nachricht, die Musikgruppe M sei dort nicht als darstellende Künstler bekannt. Ebenfalls unbekannt seien bisher auch Text und Komposition des Stückes. Die Rechte an dem Stück sowie an der Aufnahme liegen vermutlich noch bei den Mitgliedern der Musikgruppe bzw. deren Erben. L überlegt, ob eine öffentliche Bekanntmachung mit folgendem Inhalt erfolgreich wäre: „Anlässlich der
Recherche Rechteinhaber
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800-Jahr-Feier benötigt die Gemeinde G die Rechte an dem Musikstück und Tonband … Die Rechteinhaber werden aufgefordert, bis zum 30. April diesen Jahres sich zu melden, wenn sie der Verwendung widersprechen wollten. Andernfalls gehe die Gemeinde G von einer Erlaubnis aus.“ Die Bekanntmachung solle wie alle offiziellen Bekanntmachung der Gemeinde G auf der schwarzen Seite der Bekanntmachungstafel im Rathaus und im Gemeindeanzeiger veröffentlicht werden. Lösungsskizze: Als reine Recherchemethode hat ein öffentlicher Aushang bzw. eine Suchanzeige im Gemeindeanzeiger gute Aussichten, zumindest weitere Hinweise zu erhalten. Fehlerhaft ist es hingegen, an das Schweigen der Rechteinhaber Folgen in Form einer fingierten Erlaubnis knüpfen zu wollen. Eine solche kann nicht auf diesem Wege erzeugt werden. Daran ändert auch die Form der ortsüblichen Bekanntmachung amtlicher Nachrichten nichts. Es handelt sich nach wie vor um ein privatrechtliches Anliegen, da es um das Begehren der Ausübung eines urheberrechtlichen Verwertungsrechts geht. Weder die Form der geplanten Bekanntmachung noch die handelnden Personen ändern den Inhalt des Anliegens. Ohne die ausdrückliche Zustimmung der Rechteinhaber darf das Musikstück auf dem Tonband nicht aufgeführt werden.
13.8 Alternativen Die Gründe, weshalb ein Projekt nicht mit der Verwendung eines bestimmten Urheberwerks umgesetzt werden kann, sind vielfältig. Dazu gehört eine intensive, jedoch erfolglose Recherche innerhalb der gegebenen Zeit, um den Rechteinhaber ausfindig zu machen. Die befreiende Folge, die an den subjektiven Waisenstatus geknüpft wird, gilt nur für die privilegierten Einrichtungen i.S.v. § 61 Abs. 2 UrhG. Für andere Interessenten gelten diese Ausnahmeregelungen für eine Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung nicht. Ein weiterer Grund ist die Ablehnung des Rechteinhabers, die benötigten Nutzungsrechte zu übertragen, oder wenn die Bedingungen des Rechteinhabers für das eigene Projekt nicht akzeptabel sind. In diesen Fällen ist nach einem möglichen Ersatz Ausschau zu halten. Die Suche nach einer Alternative erfolgt durch eine Prüfung, ob eine Abstrahierung bzw. eine Verallgemeinerung des Projektziels möglich ist. Beispiel: Aufgabe ist die Integration eines digitalen Werks der angewandten Kunst eines Künstlers mit Namen A. Müller in den Onlinekatalog einer Bibliothek. Für dieses Werk möchte A. Müller nicht die Nutzungsrechte übertragen, da er diese exklusiv einem größeren Softwareunternehmen überlassen will. Daher ist zu prüfen, welche Künstler digitaler Werke sonst noch in Betracht kommen bzw. ob es unbedingt ein digitales Kunstwerk sollte oder auch ein sonstiges Kunstwerk sein kann.
Herauszuarbeiten ist daher der genaue Grund oder die genauen Gründe, weswegen das nicht einsetzbare Urheberwerk zuvor ausgewählt worden war. Drei häufig relevante Gründe sind das hinter dem Werk steckende Konzept bzw. die Idee, ferner der Inhalt des Urheberwerks und drittens das Ansehen des Urhebers. Je präziser der Grund der Wahl gefasst werden kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Substitut passgenau dem ursprünglichen Wunsch entspricht. Dabei kann die
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
neue Lösung aus mehr oder weniger Elementen als das ursprünglich vorgesehene Werk bestehen. Die wahrnehmbare Form des Ersatzes ist dabei so zu wählen, dass für einen objektiven Betrachter ein Abstand zwischen dem ursprünglich vorgesehenen Urheberwerk und dem Substitut erkennbar ist. Das ursprünglich vorgesehene Werk kann nicht verwendet werden.
Was ist das zentrale Anliegen, weswegen das nicht einsetzbare Werk ausgewählt worden war?
Konzept, Idee
Solange kein wettbewerbsrechtlicher Verstoß vorliegt, kann eine Übernahme erfolgen. Da die reine Idee bzw. das Konzept nicht urheberrechtlich geschützt ist.
Inhalt des Urheberwerks
Mögliche Alternativen: - Gleiche Thematik, Genre etc. - Konkurrenzanalyse
Das Ansehen und das Wirken des Urhebers
Mögliche Alternativen: - andere Werke des Urhebers - Schüler des Urhebers, die den Stil übernommen haben - Gleichgesinnte , produktive Freunde des Urhebers
Abbildung 24: Suchen und Erörtern von Alternativen.
Eine Bereitschaft zu einer Substitution kann bereits im Verlaufe der Verhandlungen mit dem Inhaber der ursprünglich favorisierten Nutzungsrechte zu einem günstigeren Verhandlungsergebnis führen, da man nicht zwingend auf dieses angewiesen ist. Was wird gesucht?
Was ist das Ziel des Projekts? Herausarbeiten der konkreten Fragestellung In welchem Umfang werden fremde Nutzungsrechte benötigt?
Ermittlung des jeweiligen Urhebers
Ermittlung des verfügungsbefugten aktuellen Rechteinhabers Ermittlung der Kontaktmöglichkeit zum aktuellen Rechteinhaber
Abbildung 25: Verlauf Recherche Rechteinhaber.
Bei endgültigem Misserfolg der Recherche oder Ablehnung durch den Rechteinhaber: Ist eine Substitution möglich?
Recherche Rechteinhaber
235
Ein Erzwingenwollen der Nutzungsmöglichkeit ohne das Eingreifen einer Schrankenregelung oder einer sonstigen Erlaubnis über den Klageweg ist nur in sehr engen Ausnahmefällen möglich. Beim Urheberrecht wie auch den übrigen Rechtsgebieten, die sich mit der Schöpfung und Gestaltung geistiger Leistungen beschäftigen, handelt es sich wegen den Ausschließlichkeitsrechten um Monopolrechte. Jedoch geht der Gesetzgeber davon aus, dass er diese bereits in ihrem rechtsspezifischen Gebiet zum Ausgleich mit den Interessen der Allgemeinheit gebracht hat. Im Urheberrecht zeigt sich dies beispielsweise in den Schrankenregelungen. Darüber hinaus kann ein Kontrahierungszwang nur bei einem evidenten Rechtsmissbrauch in Betracht kommen. Solche Fälle sind nach dem Kartellrecht zu bewerten. Diese sind nicht mehr Bestandteil des Alltags in Bibliotheken und Informationseinrichtungen und sollten einschlägig fachlich kundigen Juristen übertragen werden.
13.9 Rechtedokumentation Als Arbeitsmittel bei der Ermittlung der einzelnen Rechte und später als Nachweis für den Streitfall empfiehlt sich eine Gesamtdokumentation. Diese Dokumentation enthält alle bedeutsamen Dokumente sowie zum Zwecke der Übersichtlichkeit eine Darstellung der Beziehungen bei Rechtsnachfolgen und Teilrechten. Grundlegend ist eine Aufteilung in einen Eigenanteil und eine Fremdanteil an den gehaltenen Rechten. Bei größeren Projekten können die Dokumente wie folgt aufgeteilt werden: –– Vereinbarungen mit den Mitarbeitern bzw. Hinweise auf die bestehenden Rechtsverhältnisse bei einer Dauerbeschäftigung. Zu erwähnen ist beispielsweise der besondere Status bei Hochschullehrern. –– Individuelle Nutzungsrechtsverträge mit externen Personen bzw. Einrichtungen. –– Standardverträge. –– Frei verfügbare Nutzungsmöglichkeiten. Bei Projekten, welche die oben genannten Punkte zum Gegenstand haben, empfiehlt sich eine regelmäßige Kontrolle und Erfassung. Bei der Durchführung von Projekten, bei denen Urheberwerke entstehen und an denen mehrere Personen beteiligt sind, die auf Grund ihres Status Urheber oder Miturheber werden können, sollten die einzelnen Abschnitte dokumentiert werden. Dabei werden den Ergebnissen die einzelnen Akteure sachgerecht zugeordnet. Hierdurch kann die Entstehung des Werks besser nachvollzogen werden. Zudem können eventuelle Unstimmigkeiten über Beiträge zum Erschaffen des Werks zeitnah erörtert und ausgeräumt werden. Da die am Urheberwerk Berechtigten nicht immer bekannt sind, erfordert dies sorgfältige Recherchen. Hierzu gehört auch die entsprechende Protokollierung. Ein Rechercheprotokoll besteht üblicherweise aus der Dokumentation der Suche sowie einem Verwaltungsteil, der die Arbeit bei mehreren Recherchen und arbeitsteiligen Suchen erleichtern soll. Die jeweiligen Inhalte und Darstellungen sind nicht zwin-
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
gend vorgegeben, sondern unterliegen Zweckmäßigkeitsüberlegungen. Für den Verwaltungsteil haben sich die Nennung des Projekts bzw. des Aktenzeichens, des Datum und gegebenenfalls der Uhrzeit bewährt. Die Nennung des Protokollführers ermöglicht eventuelle Rückfragen. Nützlich ist bei umfangreicheren Recherchen auch ein einfaches Auswertungssystem. Denn nicht alle Treffer besitzen für die Fragestellung die gleiche Relevanz. In der hier gezeigten Abbildung wird ein einfaches Bewertungssystem nach Relevanz durch die Vergabe von Punkten verwendet. Andere Systeme sind möglich. Die Dokumentation des Inhalts der Suche beginnt mit der Fragestellung der Recherche und dem verwendeten Informationsmittel. Die Benennung der Suchstrategie erfolgt z.B. bei der Verwendung von Datenbanken durch Benennung der eingesetzten Schlagwörter. Hiermit sollen ungewollte doppelte Suchanfragen vermieden werden. Tabelle 17: Beispiel für ein Standardformular eines Rechercheprotokolls. Relevanz/Ordnungs-
Projekt/Aktenzeichen:
kriterium zur späteren Bewertung z.B. Zahlen von 0–9
Protokollführer:
Datum/ggf. Uhrzeit
Thema/Fragestellung: Informationsmittel: z.B. Datenbank (Name) Suchstrategie
Treffer/Ergebnisse mit Bemerkungen
z.B. verwendete Schlagworte z.B. verwendete Schlagworte
Nachträgliche Lizenzverhandlungen gestalten sich regelmäßig teurer, als wenn vor Beginn Folgeinvestitionen verhandelt werden und die gebende Seite das Nutzerinteresse weniger genau abschätzen kann. Daher ist auch aus Kostengründen zu einer Recherche des tatsächlichen Rechteinhabers zu raten. Dass sich ein (Mit)Urheber erst später zu seinem Werk bekennt und dann die Unterlassung einer weiteren Beeinträchtigung verlangt, ist grundsätzlich nicht missbräuchlich. Eine solche Verweigerung kann nur dann angenommen werden, wenn der Rechteinhaber in qualifizierter Form versucht hat, Recherchen ins Leere laufen zu lassen. Einfache Anonymität genügt nicht, um ein missbräuchliches Verhalten zu begründen. Ebenso wenig genügt hierfür ein Pseudonym. Denn bei einem Pseudonym gibt der Urheber zu erkennen, dass er die Rechte durchaus wahrnehmen will, jedoch nicht mit seinem eigentlichen Namen in Verbindung gebracht werden möchte.
Recherche Rechteinhaber
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13.10 Vermutungsregelungen und Auslegungsregeln Bei einer Vermutung wird ein Umstand als wahrscheinlich angenommen. Auch im Rechtswesen sind Vermutungsregelungen bekannt. Hierunter werden gesetzliche Bestimmungen verstanden, die bei Vorliegen eines bestimmten Umstandes auf einen anderen schließen lassen. Der Gesetzgeber hat die Fälle, in denen er Rechtswirkungen an Vermutung zulässt, ausdrücklich geregelt. Dabei werden die Tatsachenvermutung und die Rechtsvermutung unterschieden. Die Tatsachenvermutung betrifft auch ein tatsächliches Ereignis oder einen Umstand wie z.B. den Todeszeitpunkt. Bei der Rechtsvermutung wird durch die Vermutung auf ein Recht geschlossen. Nach § 10 Abs. 1 UrhG gilt derjenige, der der auf einem Vervielfältigungsstück geführt wird, als Urheber. Damit ist § 10 Abs. 1 UrhG eine Rechtsvermutung und führt zu einer Umkehr der Beweislast. Die Vermutung gilt nur für die Frage, wer Urheber ist. Dagegen wird nicht beantwortet, ob ein Werk urheberrechtlich geschützt ist. § 10 Abs. 2 S. 1 UrhG ist eine weitere Vermutungsregelung. Sie besagt, dass im Zweifel der Herausgeber des Werks als zur Geltendmachung der Urheberrechte befugt anzusehen ist. Ist auch dieser nicht erkennbar, so gilt dieses Recht zu Gunsten des Verlegers gem. § 10 Abs. 2 S. 1 UrhG. Die durch die Vermutungsregelungen aufgebaute Kette liefert auch einen Hinweis, wie regelmäßig zweckmäßig die Recherche nach dem oder den Rechtsinhabern zu beginnen ist. Als weitere Voraussetzung für § 10 UrhG muss das Werk willentlich in den Rechtsverkehr gelangt sein. Dagegen genügt das Stadium eines Prototyps oder Entwurfs nicht. Die Vermutung des § 10 UrhG kann widerlegt werden. Um die Vermutungswirkung zu zerstören, ist der Beweis des Gegenteils erforderlich. Das Sähen von Zweifeln genügt nicht. Voraussetzung für die Urheberrechtsbezeichnung ist, dass sich die Urheberrechtsbezeichnung auf einem körperlichen Werkexemplar befindet. Je weniger die Vermutungsgrundlage erfüllt ist, desto schwächer ist die Vermutungswirkung. Und desto leichter lässt sich die Vermutung erschüttern. Beispiele für Urheberrechtsbezeichnungen mit schwacher Vermutungsgrundlage: – Verwendung eines Pseudonyms, das von mehreren verwendet wird. – Es gibt zwar einen Namenshinweis. Dieser ähnelt aber einem Exlibris und damit nur dem Hinweis auf das Eigentum an dem konkreten Werk. – Die Namensnennung erfolgt an einem sehr ungewöhnlichen Ort.
Auslegungsregeln dienen dem Verständnis von unklaren Sachverhalten oder Regelungen. Im Urheberrechtsgesetz gibt es die gesetzliche Auslegungsregeln § 69b und § 88 UrhG. Danach ist der Arbeitgeber im Zweifel Inhaber aller vermögensrechtlichen Positionen an einem Computerprogramm. Ebenso erhält der Filmhersteller im Zweifel die ausschließlichen Nutzungsrechte zur Auswertung des Films. Zweifel können nur über die zu Grunde liegenden Tatsachen bestehen, nicht aber über die rechtlichen Bewertungen. Die Vermutung kann gem. § 292 ZPO widerlegt werden, indem der Gegner das Gegenteil beweist. Bevor aber auf § 292 ZPO zugegriffen wird, muss die
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Vermutung zunächst einmal bestehen. Für die Beweisermittlung ist ein Rechercheprotokoll ein wichtiges Instrument.
Zusammenfassung Der hier bei der Recherche und Dokumentation skizzierte Aufwand wirft die Frage auf, ob nicht eine Erweiterung der Bibliothekskataloge im Hinblick auf die urheberrechtlich relevanten Daten in Betracht kommt. Ein solches Projekt würde jedoch sehr schnell an seine datenschutzrechtlichen Grenzen stoßen bzw. ließe inhaltlich Lücken erwarten. So entspricht zwar die Sammlung der Urheberbenennungen in den Bibliothekskatalogen dem Datenschutz gem. Art. 6 Abs. 1 lit. e EU-DSGVO, nicht aber eine Anreicherung um deren aktuelle Kontaktdaten. Ferner gilt in Deutschland, Österreich und Schweiz gerade keine Registerpflicht. Somit ist die Vollständigkeit der benötigten Daten regelmäßig in Frage gestellt. Kommt es zur Übertragung von Nutzungsrechten, müssten auch diese einschließlich der Kontaktdaten erfasst werden. Damit sind der Erschließung der Dokumente Grenzen gesetzt. Aus diesen Gründen sind die individuelle Rechtedokumentation und Recherche nach wie vor die alleinig gangbare Möglichkeit, um dem bestehenden Informationsbedarf Rechnung zu tragen. Nicht ausgeschlossen sind hingegen Schnittstellen der Kataloge von Bibliotheks- und Medieninformationszentren mit individuellen Rechtedokumentationen. Hier ist die Zulässigkeit im Einzelfall zu prüfen.
14 Der Bibliothekskatalog Der Katalog gehört für Bibliotheken zu den traditionellen und zentralen Werkzeugen. Hier fließen zahlreiche und verschiedene Arbeitsergebnisse zusammen. Die juristischen Rechte und die Rechteverwaltung im datentechnischen Sinne sind nicht deckungsgleich. Sie können zufällig übereinstimmen, müssen es jedoch nicht. Daher ist eine sprachliche Klarstellung erforderlich. Der Bibliothekskatalog ist als Sammelwerk gem. § 4 Abs. 1 UrhG urheberrechtlich geschützt. Denn die Datensätze als Bestandteile des Bibliothekskatalogs sind einzeln gesondert verwertbar. Dies zeigt sich beispielsweise beim Einspielen von einzelnen Datensätzen aus einem Fremddatenbestand. Soweit der Bibliothekskatalog in elektronischer Form vorliegt, handelt es sich ferner um ein Datenbankwerk gem. § 4 Abs. 2 UrhG. Der Katalog ist aus zahlreichen Katalogdatensätzen zusammengesetzt. Die Katalogdatensätze sind ihrerseits ebenfalls als Sammelwerke i.S.v. § 4 Abs.1 UrhG geschützt. Trotz eines hohen Mechanisierungsgrades und der Formung der Arbeitsabläufe durch Regelwerke sind nicht diese, sondern die bewussten Auswahlentscheidungen und das Entscheiden im Einzelfall über das Bilden von Verknüpfungen kennzeichnend für das Entstehen von Katalogdatensätzen. Eine redaktionelle Bearbeitung ist nicht für den Bibliothekskatalog an sich, sondern auch für den einzelnen Datensatz erforderlich. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die einzelnen Bestandteile selbst auch Urheberrechtsschutz genießen oder nicht. Vielmehr ist Art der Verbindung der Elemente vom Gesetzgeber als schutzwürdig angesehen. Für die Ermittlung der Rechtebeziehungen wird jeder Datensatz in die rechtlich kleinste Einheit zerteilt. Dazu ist zunächst eine Unterteilung des jeweiligen Datensatzes in eine tatsächliche Einheit erforderlich. Anhaltspunkt ist dabei jede tatsächliche Einheit i.S.e einzelnen, aber vollständigen Sinnzusammenhangs. Dieser ergibt sich aus der Verkehrsanschauung. Beispiel: Eine Illustration auf einem Buchumschlag ist nach dem Sinnzusammenhang die kleinste tatsächliche Einheit. Zusammen mit dem übrigen Umschlag ist die Abbildung der Coverillustration ein Bestandteil des Datensatzes. Die Illustration auf dem Umschlag kann von einem Grafiker geschaffen worden sein. Dann liegt die Urheberschaft durch eine Person vor und rechtliche und tatsächliche kleinste Einheit sind identisch. Ebenso kann aber eine Miturheberschaft von mehreren Personen an der Grafik des Buchumschlags bestehen. Hier geht die rechtliche Unterscheidung um eine Ebene weiter.
Neben den hier als rechtliche Einheiten bezeichneten Elementen bestehen solche, die keine urheberrechtlichen Auswirkungen auf den Datensatz haben, z.B. Fakten. Diese können zumindest unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten außer Acht bleiben. Die Katalogdatensätze werden über eine Systemsoftware verfügbar gehalten. Jedoch stellt § 4 Abs. 2 S. 2 UrhG klar, dass bei einer Frage nach den Rechten am Datenbankwerk elektronischer Bibliothekskataloge die Systemsoftware nicht berücksichtigt wird. Denn hierbei handelt es sich um eine Software, die der Schaffung des https://doi.org/10.1515/9783110707588-029
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Datenbankwerks bzw. dem Zugang zu seinen Elementen dient. Die Katalogdatensätze bestehen ihrerseits aus zahlreichen Elementen. Die folgende Prüfung der urheberrechtlichen Einordnung eines Katalogdatensatzes erfolgt in der Darstellung eines Musters. Die Prüfung als Muster ist als Checkliste für konkretisierende Anwendungen zu verstehen. Denn durch ihre Pauschalierungen bildet das Muster eine allgemeinere Grundlage für verschiedene Bibliotheken. Ziel des Musters ist es, innerhalb der Lösungsskizze neuralgische Punkte und abweichende Lösungsansätze aufzuzeigen. Damit werden die in der Praxis vorkommenden Unterschiede bei der Verwaltung von Mediendaten in Bibliotheken und Informationseinrichtungen berücksichtigt. Solche Unterschiede sind beispielsweise die Thematik, ob die Bibliothek mit ihrem Bestand an einem Verbund mit gemeinsamer Katalogisierung teilnimmt oder nicht. Punkte wie die Kataloganreicherung brauchen ebenfalls nur beachtet werden, wenn sie in der jeweiligen Bibliothek zum Einsatz kommen. Als Bestandteile für den Musterkatalogdatensatz werden folgende Elemente angenommen: Urheberbezeichnung, Werktitel, Signatur bzw. Notation, Umschlagbild des Mediums, Schlagwörter, sonstige Kataloganreicherung. Das Recht auf Nennung seines Namens im Zusammenhang mit seinem Werk steht dem Urheber gem. § 13 UrhG zu. Der Schutz des Namens selbst ergibt sich aus § 12 BGB. Dem entspricht die Pflicht für den Medienbearbeiter, diesen bei der Aufnahme des Mediums in den Katalog im Zusammenhang mit dem Werk zu nennen. Bei der Nennung des Autors bzw. des Herausgebers sowie des Medientitels handelt es sich um eine Zitierung des Werks. Eine Pflicht, eine bestimmte Ansetzungsform für den Namen zu wählen, ergibt sich aus dem Urheberrecht nicht. Verlangt wird lediglich die Zuordnung. Bei der Namensansetzung im Katalog handelt es sich um die Schaffung von Metadaten und nicht um die Ersetzung der vom Urheber gewählten Urheberbezeichnung. Für die Ansetzung ist daher ausschlaggebend, wie das Werk nach außen auftritt. Maßstab ist das Verständnis eines objektiven Dritten. Abkürzungen in nichtdiskriminierender Weise können bei der Zitierung vorgenommen werden. Dies gilt sowohl für die Bezeichnung des Werks als auch für die am Medium Mitwirkenden wie Urheber und gegebenenfalls Herausgeber. Objektiv und daher nicht diskriminierend sind Abkürzungen, die systematisch und nicht einzelfallbezogen angewandt werden. Die Zitierung gem. § 13 UrhG ist ein gesetzlicher Grund i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. c EU-DSGVO. Gegenüber einer Aufforderung zu einer Anonymisierung kann sich die Bibliothek zudem auf Art. 6 Abs. 1 lit. e EU-DSGVO berufen. Denn die Zuordnung der Urheberbezeichnung zu dem entsprechenden veröffentlichten Werk liegt im Interesse der Öffentlichkeit.
Der Bibliothekskatalog
Beispiel 3333
Beschreibung
Einordnung
Zeilennummer
Bibliothekssoftware
Umschlagbild des Buches
Regelmäßig eigenständiges grafisches Urheberwerk
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Muster, Andreas
Urheberbezeichnung
Mainstream – der Weg mit Werktitel den Wölfen zu heulen.
Ev. markenrechtlicher Schutz
Pol 34.12 Sch 56
Signatur / Notation
Ordnungssystem
Politik, Gesellschaftskritik
Verschlagwortung
Nicht geschützter Sprachgebrauch
Sonstige Anreicherung des Kataloges
Abbildung 26: Vereinfachte Darstellung eines Datensatzes eines Bibliothekskataloges.
Beispiel: Nichtdiskriminierend ist das Beschränken auf die Benennung der ersten drei Werkverantwortlichen eines Buches, auch wenn es sich um einen Sammelband von 20 Miturhebern und einem Herausgeber handelt. Das Kriterium der Nennung der „ersten drei“ ist objektiv, allgemein und von vornherein erkennbar.
Bei Medientiteln handelt es sich um ein sehr kurzes Sprachwerk. Wegen der Kürze kommt regelmäßig kein urheberrechtlicher Schutz in Betracht. Ausnahmen sind bei einer besonders individuellen Form gegeben, wenn der Titel über den üblichen Sprachgebrauch hinaus eine besondere Individualität aufweist. Denn für den üblichen Sprachgebrauch besteht ein Freihaltebedürfnis der Allgemeinheit. Der Titel des Werks kann jedoch gem. §§ 5, 15 MarkenG geschützt sein. Die Bibliothek hat das Recht, den Titel zu zitieren und damit im Katalogdatensatz aufzuführen. In den Fällen, in denen der Titel keine Unterscheidungskraft hat, handelt es sich bei der Verwendung des Titels um den allgemeinen Sprachgebrauch und ist daher unproblematisch. Die Signatur bzw. Notation ist ein Ordnungssystem. Die jeweilige Notation ist daher noch kein eigenständiges Werk. Die Notation vermittelt vielmehr durch die Ordnung und die dadurch bedingte Auswahl den Werkcharakter. Dazu werden mehrere Elemente und die Anwendung der Notation benötigt. Schlagwörter sind Suchbegriffe, die einem größeren Nutzerkreis bekannt sind. Daher kommen Schlagwörter sowohl wegen der Kürze als auch wegen ihrer Funktion kein Werkscharakter zu. Die Gestaltung des Umschlags des Mediums ist wegen der besonderen grafischen Gestaltung regelmäßig ein abgeschlossenes und damit ein eigenständiges Werk. Dies gilt auch für Umschläge, bei denen mit geringen Mitteln eine individuelle Gestaltung erreicht wurde. Die bewusst eingesetzte Reduktion grafischer Mittel kann ebenfalls ein künstlerisches Gestaltungsmittel sein. Entscheidend ist die Wirkung. Je nach Ausgestal-
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
tung können Elemente, die eine Kataloganreicherung darstellen, einen Beitrag zu einem Sammelwerk begründen. Ein Inhaltsverzeichnis alleine genießt keinen urheberrechtlichen Schutz, da hier lediglich der vorgegebene Inhalt durch Nennung der bereits ausgewählten Überschriften wiedergegeben wird. Elemente wie die Zeilenordnungsnummer sind der Systemsoftware zuzuordnen und werden wegen § 4 Abs. 2 S. 2 UrhG nicht berücksichtigt. Soweit es sich bei den Bestandteilen des Datensatzes um rechtlich geschützte Einheiten wie eigenständige Urheberwerke handelt, bedarf es eines vertraglichen oder gesetzlichen Grundes für die Nutzung. Beim Katalogdatensatz handelt es sich um keine eigenständige Verwertung des Werks. Vielmehr handelt es sich um Zitierungen, soweit es um die Textelemente der Urheberwerke geht. Bei den kleinformatigen Abbildungen der Umschlagseite handelt es sich um Vorschaubilder. Hier ist in Anwendung der Rechtsprechung des BGHs von einer mutmaßlichen Einwilligung des Rechteinhabers auszugehen, sofern der Rechteinhaber keine technischen Schutzmaßnahmen ergriffen hat.1 Die Interessenlagen eines Suchmaschinenbetreibers und des Betreibers eines umfassenden Medienkatalogs sind vergleichbar. Bei der Erstellung eines Katalogdatensatzes handelt es sich nicht um die Schaffung eines Computerprogramms i.S.v. § 69b UrhG, sondern um das Ausgestalten des Inhalts einer Datenbank. Damit kann gegebenenfalls ein sonstiges Urheberrechtswerk vorliegen. Gegenüber der Schaffung eines Computerprogramms i.S.v. § 69b UrhG fehlt es bei der Erstellung eines Katalogdatensatzes an der Gestaltung eines neuen maschinenlesbaren Funktionsablauf. Auch sind bei der Erstellung eines Katalogdatensatzes keine wesentlichen Neuerungen zu erwarten, die den Arbeitgeber besonders schutzwürdig erscheinen lassen. Entsprechendes gilt für die oben aufgeführten Elemente des Datensatzes, sofern sie selbst ein Urheberrechtswerk sind. Eine Ausnahme bildet die für die weitere Betrachtung nicht relevante Datenbanksoftware. Denn der Beitrag der Bibliothekssoftware erschöpft sich in der technischen Dienstleistung. Die Arbeitsergebnisse, d.h. die Erstellung der einzelnen Datensätze und der Bibliothekskatalog, stehen dem Arbeitgeber bzw. dem Dienstherrn auf Grund des Arbeits- bzw. Dienstvertrags gem. § 43 UrhG zu. Daher erfolgt eine entsprechende Übertragung der ausschließlichen Nutzungsrechte an den erstellten Katalogdatensätzen auf den Arbeitgeber. Fallen Arbeitgeber bzw. Dienstherr und Träger der Bibliothek auseinander, so ist davon auszugehen, dass mit der Bereitstellung des Personals auch jene Rechte an den Träger2 der Bibliothek übertragen werden, die durch das Personal erworben wurden. Dies kann durch eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung erfolgen. Denn wer Personal für einen bestimmten Zweck zur Verfügung stellt, kann nicht deren zweckgerichtete Arbeitsergebnisse für sich selbst beanspruchen. Mit der Überlassung des Personals wird erklärt, dass die zweckgerichteten Arbeitsergebnisse der Trägerin der Bibliothek zugutekommen sollen. Ansonsten wären bei rechtlich eigenständigen 1 BGH, GRUR 2010, 628 (Vorschaubilder I); BGH, NJW 2012, 1886–1888 (Vorschaubilder II). 2 Näher hierzu: Juraschko: Praxishandbuch Recht für Bibliotheken und Informationseinrichtungen, S. 24ff.
Der Bibliothekskatalog
243
juristischen Personen die Selbstverwaltungsreche obsolet. Zu den Arbeitsergebnissen gehören auch die Rechte an den Datensätzen. Beispiel: Die Universität U ist Träger der Universitätsbibliothek UB. Bei der Universität U handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. An der UB arbeitet die Landesangestellte A als Medienbearbeiterin. In der Person der A entstehen die Rechte am jeweiligen Katalogdatensatz als urheberrechtlich geschütztes Sammelwerk. Auf Grund des Arbeitsvertrags erfolgt eine Abtretung aller Nutzungsrechte am Katalogdatensatz auf den Arbeitgeber. Arbeitgeberin ist das Bundesland L. Das Bundesland L steht gegenüber der Universität U als Trägerin der Universitätsbibliothek in der Pflicht, für eine personelle Ausstattung der U zu sorgen. Damit verbunden ist die Zuschreibung der zweckgerichteten Arbeitsergebnisse an die Universität U. Es erfolgt daher eine Übertragung aller Nutzungsrechte am Datensatz an die Universität U. Die Universität U kann im weiteren Verlauf Bearbeitungsrechte auf Grund einer Vereinbarung mit einem Bibliotheksverbund deren Mitglieder erteilen.
Regelmäßig Zitierrecht
Nutzungsvereinbarung
Einzelne Rechte und sonstige Bestandteile
Entstehung des Urheberrechts am Sammelwerk Katalogdatensatz bei Medienbearbeiterin L
Bundesland L, Arbeitgeberin der A
Universität U mit der Universitätsbibliothek als unselbstständige Untergliederung
Bibliotheksverbund
Abbildung 27: Rechtekette Katalogdatensatz.
Durch den Beitritt zu einem Katalogverbund akzeptiert der Träger der Bibliothek die allgemeinen Regelungen im Verbund. Dazu gehört auch das Einräumen von Nutzungsrechten, die jeweils eine Vervielfältigung und weitgehende Bearbeitung des Datensatzes erlauben. Die Ausgestaltung dieser Regelungen kann je nach Verbund im Rahmen einer Satzung oder eines Rahmenvertrags erfolgen. Die Regelungen sind so zusammengefasst, dass ihre Anwendung eine automatisierte Vorgehensweise ermöglicht. Einzelne Anfragen und Gestattungen wären zu aufwendig. Grundlagen für das Funktionieren des Managements an urheberrechtlichen Nutzungsrechten bei der kooperativen Katalogisierung im Verbund sind die Bereitschaft weitgehende Nutzungsrechte zu gewähren sowie der geschlossene Kreis von bekannten Mitgliedern. Die Ausgewogenheit der Regelungen im Verbund erfolgt dadurch, dass jede Bibliothek in der Regel sowohl gebend als auch nehmend ist. Gelegentlich erfolgt im Kooperationsmodell ein anderer bzw. weiterer Ausgleich über Ausgleichszahlungen.
244
Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
1. Welche Rechte bestehen? 2. Woraus ergibt sich die Befugnis zur Verwendung im Katalogdatensatz?
Schutz als Sammelwerk bzw. Datenbankwerk
Schlagwörter (nicht geschützt)
Werktitel Signatur (Schutz nach (als Ordnungssystem nicht geschützt) Markenrecht) Miturheber am Medium
Sonstige Punkte: - Urheberbezeichnung (Zitierrecht + Recht auf Urheberbenennung) Kataloganreicherung (unterschiedlich geschützt) - Nicht zu berücksichtigen: Bibliothekssoftware
(Sprachwerk – nicht Gegenstand des Katalogs)
Umschlag (Urheberwerk)
Abbildung 28: Skizzierte Übersicht über die rechtliche Bewertung eines Katalogdatensatzes.
15 Lizenzverträge und Gestaltung im Urhebervertragsrecht 15.1 Einführung in das Urhebervertragsrecht Bis zur Mitte der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts war der Urheber allein regelmäßig nicht in der Lage, sein Werk erfolgreich einem größeren Publikum anzubieten. Diese Aufgabe wurde von Verlegern übernommen. Durch das Hinzutreten von webbasierten Publikationsformen ist die Möglichkeit von eigenen webbasierten Veröffentlichungen in technischer und finanzieller Hinsicht erheblich erleichtert worden. Trotz aller Änderungen im Publikationswesen besteht wegen der nunmehr entstandenen Informationsflut ein Bedürfnis nach Unterstützung bei der Positionierung eines Werks auf dem wissenschaftlichen, künstlerischen oder kulturellen Markt fort. Geblieben ist mit dem Marketing damit eine der zentralen Funktionen, um eine Publikation auch tatsächlich auf dem Markt durchzusetzen. Auf der anderen Seite des Marktes befindet sich der Verwerter. Im deutschsprachigen Raum ist dies bei literarischen Werken regelmäßig ein Verleger. Zwischenhändler sind zumindest im deutschsprachigen Raum bisher eher selten. Das Urhebervertragsrecht, welches ein Handlungsinstrument für den Umgang mit urheberrechtlichen Nutzungsrechten ist, kommt im Bibliotheks- und Informationswesen vor allem beim bestehenden oder beabsichtigten Bezug von elektronischen Medien zum Einsatz. Während es beim Bezug von gedruckten Medien um den Erwerb des Eigentums geht, mit welchem dieser innerhalb der Grenzen der Rechtsordnung gem. § 903 BGB nach Belieben verfahren darf, ist die Rechtslage beim Erwerb von Nutzungsrechten komplexer. Vor allem werden viele Regelungen über die Nutzungsrechte und deren Umfang stärker den Vertragsparteien überlassen, als dass es gesetzliche Festlegungen gibt. Dies bedeutet eine erhöhte Aufmerksamkeit, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Der Zielsetzung dieses Buches gemäß wird hier der Rechteerwerb aus Sicht einer Bibliothek oder Informationseinrichtung besonders berücksichtigt. Dies bedeutet, dass der Lizenzgeber regelmäßig die Rechte am Werk nicht durch eigene Schöpfung erworben hat, sondern dass sie ihm zuvor selbst übertragen worden sind. Der Fall, dass der Lizenzgeber selbst Urheber ist, ist häufig nur dann gegeben, wenn die Bibliothek gleichzeitig verlegerisch tätig wird und beispielsweise einen Hochschulverlag betreibt. Vor allem aber wird der Lizenzgeber stärker auf eine Standardisierung der Vereinbarungen achten, da er an mehr als einem Vertragsabschluss interessiert ist. In den häufigen Fällen, in denen der Bibliothek bereits ein fertiger Vertragsentwurf vorgelegt wird, geht es um die Lücken in den Regelungen bzw. darum ungünstige Regelungen erkennen und entsprechend bewerten zu können oder um rechtzeitig um juristische Unterstützung bei der Bewertung der einzelnen Punkte bitten zu können. Weitere Ziele sind das selbstständige Anfertigen einfacher Vertragsentwürfe bzw. in Kooperation mit Juristen das Entwerfen von umfassenderen https://doi.org/10.1515/9783110707588-030
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Verträgen. Bei letzterem geht es um die möglichst zielgenaue Umsetzung der bibliothekarischen Vorstellungen durch den Vertragspartner und die Rechtsordnung. Dementsprechend werden die essenziellen vertraglichen Bestandteile bzw. Begebenheiten innerhalb der Darstellung der einzelnen Klauseln bzw. des Workflows miterörtert.
15.1.1 Urhebervertragsrecht Der Abschluss von Nutzungsverträgen, auch Lizenzverträge genannt, über elektronische Medien und Datenbanken gehört in Bibliotheken zu den regelmäßig wiederkehrenden Ereignissen. In Bibliotheken und Informationseinrichtungen werden üblicherweise zwei Arten von Lizenzverträgen abgeschlossen. Die eine Art ist der klassische Vertrag, bei der der Erwerber auch gleichzeitig Nutzer der Lizenz ist. Zu nennen sind hier Nutzungsverträge für die Bibliothekssoftware, Bürosoftware für die Bibliotheksverwaltung etc. Bei der anderen Art geht es um das Dreiecksverhältnis Lizenzgeber – Bibliothek (Lizenznehmer) – Kunde. Angesprochen sind hier die Nutzungsmöglichkeiten von E-Journals, E-Books und Datenbanken mit endnutzerorientierten Inhalten. Dabei ist die durch den Lizenzvertrag angestrebte Nutzung auf einen Masseneinsatz ausgerichtet. Die Bibliothek ist der Vertragspartner des jeweiligen Verlags. Die Bibliothekskunden werden der Rechtssphäre der Bibliothek zugeordnet. Denn zwischen dem Verlag und den Bibliothekskunden bestehen regelmäßig keine eigenen vertraglichen Bindungen. Zu Gunsten der Bibliothekskunden schließt die Bibliothek Verträge im eigenen Namen ab. Inhaltlich hingegen ist die Bibliothek Informationsmittler. Damit entspricht das tatsächliche Verhältnis zwischen den Parteien weniger dem klassischen zwei Parteien-Vertragsverhältnis. In diesem sind die beiden Vertragsparteien jeweils Nutznießer der Leistung des Partners. Näher liegt vielmehr das Vermittlungsmodell Unternehmen (Lizenzgeber) – Endkunde (Bibliotheksbenutzer). Ein Indiz für die Wahrnehmung als Vermittlungsmodell äußert sich in der Frage, warum man im Zeitalter der elektronischen Medien auch weiterhin einer Bibliothek bedarf. In diesen Fällen ist die Bibliothek als Informationsmittler so stark in den Hintergrund getreten, dass sie bei einer oberflächlichen Wahrnehmung nur noch rudimentär in ihren Leistungen erkannt wird. Eine dieser oberflächlichen Wahrnehmung entgegentretende Antwort gibt das Lizenzvertragsrecht. Im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen, z.B. in den USA, kennt das deutsche Recht keinen eigenständigen Vertragstypus Lizenzvertrag.1 Die einschlägigen Regelungen werden vielmehr unter dem Begriff Urhebervertragsrecht zusammengefasst. Daher erfolgt hier eine Einführung in das Urhebervertragsrecht. Das Urhebervertragsrecht ist in den §§ 31 ff. UrhG niedergelegt. Ergänzt werden die Regelungen des Urheberrechtsgesetzes durch die allgemeinen zivilrechtlichen Normen.
1 Mels; Blask: in Ostendorf; Kluth: Internationale Wirtschaftsverträge, § 21 Rn 2.
Lizenzverträge und Gestaltung im Urhebervertragsrecht
Lizenzgeber
Bibliothek (Lizenznehmerin)
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Rechtliche Sichtweise
Benutzer
Bibliothek (Lizenznehmer)
Lizenzgeber
Benutzer
Wahrnehmung aus Sicht der Bibliothek
Abbildung 29: Vertrags- und Wahrnehmungskonstellation.
D.h. ergeben sich durch die zivilrechtlichen Gesetze keine Einschränkungen, so gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. So wird in Fällen, die nicht im Urheberrechtsgesetz und den weiteren Spezialgesetzen geregelt sind, auf das allgemeine Zivilrecht, geregelt im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) bzw. dem Österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) und dem Schweizerischen Obligationenrecht (OR), zurückgegriffen. Dabei wird nach dem allgemeinen Grundsatz verfahren, dass zunächst die speziellen Gesetze und Normen zu prüfen sind. Hat die Prüfung zu keinem inhaltlich verwertbaren Ergebnis geführt, werden in einem zweiten Schritt die allgemeinen Regelungen geprüft. Kein inhaltlich verwertbares Ergebnis bedeutet, dass sich in dem Spezialgesetz keine ausdrückliche Norm findet, wie in diesem Fall zu verfahren ist. Damit spezielle Regelungen überhaupt beachtet werden, ist bei der Prüfung mit diesen zu beginnen. Dieses Prinzip wird Anwendungsvorrang der spezialgesetzlichen Regelungen genannt. Checkliste Anwendungsvorrang 1. Urheberrechtsgesetz bzw. urheberechtliche Gesetze wie das Verlagswesen 2. Sonstige Spezialgesetze 3. Bürgerliches Gesetzbuch Besonderer Teil 4. Bürgerliches Gesetzbuch Allgemeiner Teil Der Verwerter benötigt die Nutzungsrechte, um durch ihre Verwendung seinem Geschäftszweck als Unternehmer, z.B. als Verleger, nachzugehen. Der zwischen dem Urheber und dem Verwerter geschlossene Nutzungsvertrag ist das Mittel, um die Interessen zum Ausgleich zu bringen. Im deutschen Recht sind
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
hierbei zweierlei Rechtsgeschäfte zu beachten. So schließt der Urheber einen Verpflichtungsvertrag ab. In diesem Verpflichtungsvertrag übernimmt der Urheber gegenüber dem Verwerter die Verpflichtung zu der Leistung, ihm sein Werk zu Verwertung zu überlassen. Das Verpflichtungsgeschäft beantwortet die Frage nach dem Warum der jeweiligen Leistungspflicht. Dem Verpflichtungsgeschäft liegt immer ein Verfügungsgeschäft in Form einer Rechteeinräumung zu Grunde. In dem Verfügungsgeschäft werden der Umfang der Nutzung sowie weitere Leistungen zwischen den Vertragsparteien vereinbart.2 In Betracht kommen hier die besonderen Vorschriften der §§ 31ff. UrhG. Ferner sind die allgemeinen Normen des BGBs vor allem der §§ 145ff. und §§ 311ff. BGB anzuwenden. Nach den zivilrechtlichen Regeln wird zwischen dem Verpflichtungsgeschäft und dem Verfügungsgeschäft stets getrennt. Daher wird es auch Trennungsprinzip genannt. Bei den Lizenzverträgen handelt es sich um schuldrechtliche Verträge eigener Art. Je nach Vertragszweck können diese Elemente des Kauf-, Miet-, Pachtvertrags oder weiterer schuldrechtlicher Verträge beinhalten. Dies ist durch Bestimmung des Vertragszwecks zu ermitteln. Regelungen zu Kauf-, Mietund Pachtverträgen finden sich im BGB. Eine Ausnahme von der dogmatischen Einordnung der sonstigen Lizenzverträge ist der Verlagsvertrag. Er ist der einzige typisierte Urheberrechtsvertrag.3 Geregelt ist er in Deutschland im Verlagsgesetz. Auch die Schweiz kennt mit den OR Art. 380ff. und Österreich mit §§ 1172 öUrhG ausdrückliche Regelungen des Verlagsvertrags. Auch wenn die Übertragung des ausschließlichen Nutzungsrechts das Leitbild des Verlagsvertrags ist, so ist das Verlagsgesetz ebenfalls bei Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts das Verlagsgesetz.4 Häufige Beispiele für Nutzungsverträge sind der Ausstellungsvertrag5, der Architektenvertrag, der Internetvertrag6 sowie der Softwareüberlassungsvertrag7. Die Einräumung der Nutzungsrechte ist der entscheidende Bestandteil des Urhebervertrags. Ohne die Einräumung der Überlassung von Nutzungsrechten ist der Urheberrechtsvertrag gleichsam eine leere Hülle.8 Es sind die allgemeinen Regelungen der Rechteübertragung gem. §§ 398ff. BGB anzuwenden. In Abgrenzung zum Urheberrechtsvertrag steht der Werkvertrag gem. §§ 631ff. BGB. Ein Beispiel hierfür sind die Internet-System-Verträge9. Hierfür wird in einem definierten Zeitraum für einen Kunden eine Webseite erstellt und betreut.10 2 Ausführlicher hierzu Juraschko, B.: Praxishandbuch Recht für Bibliotheken und Informationseinrichtungen. 3 Rehbinder: a.a.O., Rn 601. 4 BGH, GRUR 2010, 1093, 1095 (Concierto de Aranjuez). 5 BGH, GRUR 1994, 800 (Museumskatalog). 6 Loewenhein; Koch: a.a.O., § 78 Rn 1ff. 7 BGHZ 112, 264, 278 (Betriebssystem); BGH, NJW 1990, 3011, 3012. 8 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 6. 9 BGH, GRUR 2010, 835 (Power Ball). 10 Wandtke: a.a.O., 4. Kap. Rn 6.
Lizenzverträge und Gestaltung im Urhebervertragsrecht
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Hinsichtlich der Ausgestaltung der Lizenzverträge besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit. D.h. der Gesetzgeber überlässt die Ausgestaltung des Lizenzvertrags den jeweiligen Vertragsparteien. Hiervon nimmt der Gesetzgeber, bedingt durch EU-Vorgaben, zunehmend Abstand. Dies gilt beispielsweise für die Ausdehnung des Verhältnisses von vertraglichen Regelungen und der gesetzlichen Erlaubnis wie in § 69g UrhG. Die Behandlung von Software nimmt hinsichtlich der urhebervertraglichen Vorschriften eine Sonderrolle ein, welche ausgebaut wird. So finden wegen Art. 23 Abs. 2 DSM-RL auch die Vergütungsvorschriften der § 32–32c UrhG, der Unterlassungsanspruch bei Nichterteilung von Auskünften gem. § 36d UrhG, das Rückrufsrecht nach § 41 UrhG sowie die neuen Vorschriften zur außergerichtlichen Streitbeilegung und Vertretung der Urheber in §§ 32f, 32g UrhG für Software keine Anwendung. Ferner gibt es gesonderte Übergangsregelung gem. § 137d Abs. 2 UrhG. Die Nichtübertragbarkeit des Urheberrechts, sondern nur die Verwertungsrechte führen dazu, dass die Kette der Verwertungsrechte bei literarischen Erzeugnissen in deutschsprachigen Gebieten relativ kurz ist. Bei den nicht literarischen Werken wie z.B. Multimediawerken im kann es durch die enge Verbindung von Urheberwerken zu regelrechten Ballungen von rechtlichen Interessenkonflikten kommen, wenn es sich um Verbindungsformen oder Bearbeitung von Werken geht. Im Gegensatz zu den vertikalen Übertragungsketten einer Rechtsnachfolge geht es bei Multimediawerken um die Verbindung von Werken und Werkteilen. Damit liegt die Hauptausdehnungsrichtung stärker auf der horizontalen Ebene. Übertragungsketten der Verwertungsrechte sind bei Geschäften zwischen dem bisherigen Rechteinhaber und einem folgenden Rechteinhaber möglich. Eine weitere Kettenbildung von Übertragungsrechten erfolgt im Erbfall durch den Tod des Urhebers gem. § 28 Abs. 1 UrhG. Hier ergibt sich die Besonderheit, dass die verbliebenen Verwertungsrechte gem. §§ 1922ff. BGB auf die Erben übergehen. Das Urheberpersönlichkeitsrecht hingegen besteht in der Form des Gedenkens an den Urheber zunächst fort und wird von den Angehörigen des Urhebers wahrgenommen. Dabei können Erben und Angehörige unterschiedliche Personen sein.
15.1.2 Ziel eines guten Vertrags Ein Vertrag ist das wenigstens für eine bestimmte Zeit Verbindlicherkennen zweier übereinstimmender Willenserklärungen. Zu den elementaren Hauptzielen eines guten Vertragswerks gehört ein geeigneter Regelungscharakter. Hierzu werden alle naheliegenden Situationen auf einer abstrakten Ebene erfasst.
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Beispiel: Gegeben ist folgende Situation im Alltag: Zahlreiche Benutzer der Hochschulbibliothek B wünschen sich die Möglichkeit, einige Dokumente aus der Datenbank D herunterladen zu können. Es erfolgt eine Abstrahierung in der vertraglichen Regelung: „Angehörige der Hochschule H, die sich im System registriert haben, erhalten die Möglichkeit, sich unter Beachtung der Grenze des §§ 60a, 60c UrhG Dokumente aus der Datenbank D zum Zwecke der Forschung und Lehre herunterladen zu können.“
Verweise auf andere Normwerke widersprechen einem geeigneten Regelungscharakter nicht, sofern die Verweise zielführend sind. Geeignet bedeutet eine Abstufung nach der Bedeutung der einzelnen Themen. Häufig vorkommende Ereignisse bzw. die zentralen Themen bzw. Punkte mit einem hohen Schadenspotenzial sind ausführlicher zu regeln. Wohingegen nebensächliche Themen weniger detailliert vom Vertragswerk erfasst werden können. Ein hoher Konfliktvermeidungscharakter ist gegeben, wenn die Regelungen konfliktträchtige Themen in der Lebenswirklichkeit zur Zufriedenheit der Vertragsparteien lösen und im Idealfall gar nicht aufkommen lassen. Ein hoher Konfliktvermeidungscharakter zeichnet sich zudem durch eine Eindeutigkeit der Regelungen, insbesondere durch eine Widerspruchsfreiheit aus. Widersprüche können zum einen innerhalb eines Vertrags durch zwei entgegengesetzte und nicht zum Ausgleich gebrachte Ziele bestehen. Zum anderen können Widersprüche auch in sonstigen nicht in diesem Vertrag erfassten Themen bestehen. Notwendig für einen guten Vertrag ist die Verständlichkeit des Vertrags in allen Punkten für beide Vertragsparteien. Zur Verständlichkeit gehört eine klare, präzise Sprache. Bei Begriffen sind solche mit Doppelbelegungen zu vermeiden. Andernfalls sollte eine Klarstellung durch eine Definition erfolgen. Die Verständlichkeit zeigt sich ebenfalls in einer klaren Struktur des Vertrags. Angestrebt werden sollte das Finden gemeinsamer Formulierungen durch die Vertragsparteien. Dieser Weg ist dem reinen Hinzufügen von Standpunkten der Parteien in der Art eines Thesenpapieres entschieden vorzuziehen. Denn die Summe solcher Thesen ist häufig in sich widersprüchlich. Geeignete Regelung
Konfliktvermeidungscharakter
Abbildung 30: Drei Hauptziele eines Vertrags.
Verständlichkeit
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15.2 Rationalisierte Vertragsformen und -elemente 15.2.1 Allgemeine Geschäftsbedingungen Verträge über Nutzungsrechte an elektronischen Medien und Datenbanken werden regelmäßig nicht komplett neu verfasst. Vielmehr erfolgt häufig ein Angebot von Seiten des Verlags oder des Datenbankbetreibers unter Vorlage seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen. Ziel ist es, sie bei häufig wiederkehrenden oder ähnlichen Aufgabenstellungen wieder zu verwenden. Da die allgemeinen Vertragsbedingungen häufig von einer Seite gestellt werden, sind sie ebenso regelmäßig tendenziös zu Gunsten des Verwenders formuliert. Um Fragen bei der Verwendung von AGBs zu beantworten und um eine Übervorteilung des Vertragspartners nur auf Grund der Verwendung von AGBs zu verhindern, hat der Gesetzgeber ein abgestuftes Regulierungssystem geschaffen. Es ist im Bürgerlichen Gesetzbuch in den §§ 305 ff. BGB verortet. Erste Voraussetzung ist, dass für das Vertragsverhältnis deutsches Recht Anwendung findet. Vor allem bei Verträgen mit international agierenden Partnern ist dies zu prüfen. Ferner müssen AGBs in den Vertrag gem. § 305 BGB einbezogen sein. Eine weitere zentrale Regelung ist § 305c Abs. 1 BGB. Hier geht es um die Folgen, wenn nach Abschluss des Vertrags eine überraschende Klausel bemerkt wird. Dabei geht es um die Frage, ob der Vertragspartner eine solche Regelung im Vertrag erwarten durfte. Erfolgen bei den Vertragsverhandlungen Vereinbarungen, die inhaltlich von den AGBs abweichen, so gilt gem. § 305 BGB der Vorrang der Individualabrede, § 305 BGB. Schließlich befindet sich in § 307 BGB eine Generalklausel. Bei den Fragen, was üblich ist, bildet § 31 Abs. 5 UrhG eine wichtige Leitlinie für die Auslegung der AGBs. Es finden sich noch zahlreiche detailliertere Regelungen in den §§ 305ff. BGB. Einige Normen zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dienen dem Verbraucherschutz. Bibliotheken und Informationseinrichtungen sind keine speziell schutzbedürftigen Verbraucher i.S.d. Gesetzes. Daher sind die speziell verbraucherschützenden Normen nicht zu Gunsten der Bibliotheken und Informationseinrichtungen anwendbar.
15.2.2 Elektronischer Vertragsabschluss Eine andere Art Geschäftsabschlüsse zu beschleunigen, erfolgt über die Verkürzung der Transportzeiten für die abzugebende Willenserklärung. Lizenzen können auch webbasiert über das Internet angeboten werden. Dabei kann der rechtlich einheitlich mit Annahme beschriebene Vorgang zum Nutzungsvertrag umsetzungstechnisch auf eine unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Gebräuchlich sind folgende
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drei Möglichkeiten: Mit dem Öffnen der Anwendung werden Nutzungsbedingungen anerkannt. Bei einer anderen Möglichkeit erfolgt die Lizenzvereinbarung durch das Anklicken bei der Installation der Software (EULA = End User License Agreement). Nach deutschem Recht sind EULA jedoch nur dann Vertragsbestandteil, wenn sie vor oder beim Kauf zwischen dem Käufer und dem Verkäufer vereinbart wurden. Ferner kann die Lizenzvereinbarung durch eine Bestätigung auf einer Webseite zu Stande kommen. Erfolgt ein Vertragsschluss webbasiert, sollte auf eine ausreichende Dokumentation geachtet werden. Insbesondere sollten die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verwendeten AGBs fixiert werden. Regelmäßig wird auch ein Authentifizierungsverfahren vereinbart.
15.2.3 EVB-IT Bei der Beschaffung von IT-Dienstleistungen verwendet die öffentliche Hand regelmäßig die Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen (EVB-IT).11 Es handelt sich um eine Sammlung standardisierter Vertragsformulierungen für verschiedene Bereiche der Beschaffung von IT-Leistungen.12 Rechtliche Grundlage sind die zivilrechtlichen Bestimmungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Damit ist auch die Inhaltskontrolle anwendbar. Sie wurden vom Kooperationsausschuss ADV Bund/Länder/Kommunaler Bereich in Abstimmung mit dem Bundesverband Informationswissenschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) formuliert. Die im BGB vorgesehenen Vertragstypen wie Kaufvertrag, Werkvertrag, Dienstvertrag entsprechen nicht immer den Bedürfnissen bei der Beschaffung von IT-Leistungen. Daher wurde bei der Erstellung der EVB-IT von den klassischen Vertragstypen abgewichen und ein auf IT-Leistungen abgestimmtes eigenständiges Regelungswerk mit modifizierten Bestimmungen geschaffen. Als Vertragswerk gelten die Vertragstypen der EVB-IT nur dann, wenn sie zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden sind. Bibliotheken und Informationseinrichtungen, die dem öffentlichen Recht unterstehen, sind jedoch gehalten, die EVB-IT anzuwenden. Der Grund findet sich in den Verwaltungsvorschriften zu den Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder. Ihrem Zweck als Vertragsergänzung gemäß sind die EVB-IT modular aufgebaut. Sie lassen ferner Auswahlmöglichkeiten und Spielraum für einzelvertragliche Ergänzungen. Durch die Auswahlmöglichkeiten der verschiedenen Konditionen erfolgt eine Kanalisierung und Detailregelung der Bedingungen zur Leistungserbringung. Dem Wortlaut gemäß gelten die EVB-IT nur für die Beschaf11 http://www.cio.bund.de/SharedDocs/Publikationen/DE/IT-Beschaffung/entscheidungshilfe_ pdf?_blob=publicationFile, zuletzt aufgerufen am 22.01.2011 mit Stand vom 18.09.2018. Vertiefend: Bischof, CR 2013, 551–557. 12 Aktuelle Vertragstexte: http://www.cio.bund.de/Web/DE/IT-Beschaffung/EVB-IT-und-BVB/Aktuelle_EVB-IT/aktuelle_evb_it_node.html, zuletzt aufgerufen am 22.01.2022.
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fung, nicht hingegen, wenn eine Einrichtung der öffentlichen Hand urheberrechtlich geschützte Leistungen verwertet. Anwendung finden die EVB-IT in Bibliotheken und Informationseinrichtungen beispielsweise bei der Erwerbung von Lizenzen für die Systemsoftware der Bibliothek. Soweit Software Gegenstand der EVB-IT Verträge ist, sind die Verträge jedoch nicht auf den Erwerb von elektronischen Medien ausgerichtet. Daher finden die EVB-IT beim Erwerb von elektronischen Medien wie E-Books oder elektronischen Zeitschriften nach dem jetzigen Stand keine Anwendung. Die EVB-IT zeigen jedoch ein funktionierendes und verbreitetes Systems von Regelungen zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft, um die unterschiedlichen Interessen der Vertragspartner effizient auszugleichen. Regelmäßig relevante Fragen werden von vornherein geregelt. Zudem handelt es sich bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen um ein niederschwelligeres Instrument als der Weg auch für Detailfragen über Gesetzeseingaben. Der Vorbehalt des Gesetzes besagt, dass alle zentralen Fragen gesetzlich zu regeln sind. Somit hat auch eine Abstufung der Begehren zu erfolgen. Daher ist die künftige Schaffung von entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den kommerziellen Erwerb von Medien eine Alternative zur bisherigen Vorgehensweise. Im Bereich der Open-Source-Produkte hat sich mit den Creative Commons ein standardisiertes, internationales Regelwerk etabliert. Die Creative Commons sind auch auf elektronische Medien anwendbar. Durch Ergänzungen lassen sich individuelle Besonderheiten berücksichtigen.
15.3 Grundzüge Vertragsrecht und Besonderheiten des Urhebervertragsrechts 15.3.1 Arten von Verträgen: Einzelverträge und Mantelverträge Bestehen dauerhafte Geschäftsbeziehungen zwischen zwei Vertragsparteien, so können immer wiederkehrende Themen vorab und mit Wirkung für die Zukunft in einem sogenannten Mantelvertrag oder Rahmenvertrag geregelt werden. Wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind Mantel- oder Rahmenverträge Rationalisierungsmaßnahmen. Als Beispiele sind hier Zahlungsmodalitäten, Lieferbedingungen etc. zu nennen. Im Gegensatz zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden Mantel- bzw. Rahmenverträge nicht einseitig gestellt, sondern zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt. Zusätzlich zu den Mantel- oder Rahmenvereinbarungen gibt es Punkte wie die Benennung des Vertragsgegenstandes z.B. einer bestimmten Datenbank, die jeweils nur einzeln festgelegt werden können. Die Aufteilung in einen Rahmen bzw. Mantelvertrag und zusätzliche Einzelverträge hat den Vorteil, dass das jeweilige Einigungserfordernis bei einer Bestellung über weniger Punkte stattfindet, somit Zeit gewonnen wird und die einzelnen Verträge wegen ihrer geringeren Länge übersichtlicher bleiben.
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
Beispiel: Buchhändler H beliefert seit Jahren die Stadtbibliothek S. Um den Bestellaufwand für beide Seiten möglichst gering zu halten, einigen sich der Buchhändler und die Leiterin L der Stadtbibliothek über die generelle Ausgestaltung der Rechnungen, Liefermodalitäten und zusätzliche Ausstattung der Medien. Die eigentliche Bestellung der einzelnen Medien erfolgt durch das Absenden des elektronischen Bestellformulars von L und H. Dort sind lediglich der Autorenname, der Titel des Werks, ISBN und der Preis genannt. Hier bewirkt die Mantelvereinbarung, dass trotz der in der einzelnen Bestellung fehlenden Angaben z.B. die gewünschte Ausgestaltung der Rechnung und der Ausstattung der Medien erfolgt. Entsprechende Mantelverträge sind auch bei Vereinbarungen über Nutzungsrechte möglich.
Eine Besonderheit sind die kollektiven Lizenzen mit erweiterter Wirkung. Ausgangspunkt ist der Zusammenschluss von verschiedenen Urhebern zu einer Verwertungsgesellschaft. Größere Zusammenschlüsse dieser Art erleichtern auch den Interessenten und Nutzern das Auffinden und wegen der notwendigerweise pauschalisierten Nutzungsbedingungen das Abschließen von Nutzungsvereinbarungen. Wegen der Arbeitsersparnis finden kollektive Lizenzen dort Anwendung, wo sehr viele Werke verwendet werden sollen oder Werke mit sehr vielen Rechteinhabern bestehen. Die erweiterte Wirkung gem. § 51 VGG besteht darin, dass auch die Werke von Außenstehenden i.S.v. § 7a VGG einbezogen werden können. Gem. § 51 Abs. 3 VGG entsprechen die Folgen der einer vertraglichen Vereinbarung. Die Einbeziehung eines Nichtvertragspartners in eine Regelung, die ihn nicht ausschließlich begünstigt, ist eine Ausnahme zu den geltenden Prinzipien der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit. Als Korrektiv hat der Außenstehende ein jederzeitiges Widerspruchsrecht gem. § 51 Abs. 2 VGG. Damit dieses Widerspruchsrecht wahrgenommen werden kann, ist dauerhaft auf der Webseite der Verwertungsgesellschaft gem. § 51a Abs. 2 VGG über die Inanspruchnahme der Nutzungsrechte zu informieren. Als Alternative zu Verträgen über Softwarelizenzen haben sich Vereinbarungen über „Software as a Service“-Modelle etabliert. Bei Software as a Service (SaaS) gibt es keine abschließende Definition, sondern es handelt sich um einen Sammelbegriff. Dem Kerngedanken nach geht es um die zeitweilige Nutzung einer zur Verfügung gestellten Software gegen Entgelt und damit um ein Recht zur Nutzung statt einem Eigentumserwerb. Dabei stellt der Servicegeber betriebswirtschaftliche oder redaktionelle Software über ein von ihm betriebenes Rechenzentrum bereit und leistet Beratung sowie technische Unterstützung. Vorteile SaaS
Nachteile SaaS
Konzentration auf die eigenen Stärken Relativ kleines Investitionsrisiko Kürzere Einführungsphase Geringerer eigener Raumbedarf
Abhängigkeit vom Servicegeber Geringere Daten- und Transaktionssicherheit Weniger individuelle Lösungen
Die Rechtsprechung ordnet SaaS-Verträge als typenkumulierte Verträge ein. Dabei sind Elemente von verschiedenen Vertragstypen, die gesetzlich geregelt sind, zu
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einem neuen Vertrag zusammengefügt. Demzufolge werden die einzelnen vertraglichen Regelungen nach den für sie sachnächsten Vorschriften eingeordnet, sofern sie nicht im Widerspruch zu dem Gesamtvertrag stehen.13
15.3.2 Vertragliche Gestaltungsregelungen Aufgabe eines guten Lizenzvertrags ist es, den beschriebenen Spagat zwischen idealer Zielerreichung und rationellem Vorgehen zu schließen. Hierzu ist es Aufgabe der Bibliothek auf eine entsprechende Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen zu achten. Dazu stellt sich die Frage, ob durch Verweis auf Gesetze oder das bewusste Nichtregeln im Vertrag und der damit eintretenden Folge das dispositive Gesetzesrecht zur Anwendung kommt. Als dispositive oder nachgiebige Gesetze werden solche Regelungen bezeichnet, die vorrangige abweichende Vereinbarungen zulassen. Das Gegenstück zu dispositiven Normen sind zwingende Bestimmungen. Hier hat der Gesetzgeber festgelegt, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Folgen eintreten bzw. ein bestimmter Sachverhalt zu verstehen ist. Bezüge auf gesetzliche Normen, unabhängig davon, ob sie ausdrücklich erwähnt oder durch vertragliche Lücken erfolgen, vermitteln den Eindruck neutraler und unabhängiger Regelungen. Die häufig vermutete Neutralität ist möglich, es besteht aber kein zwingender Schluss. Ob gesetzliche Regelungen vertragsparteipolitisch neutral sind, hängt vielmehr von den Interessen und der Ausgangslage der Vertragsparteien ab. Das Urhebervertragsrecht kennt eine ganze Reihe von gesetzlichen Auslegungsregeln. Sie kommen immer dann zur Anwendung, wenn die Vertragspartner bewusst oder unbewusst nichts anderes vereinbart haben. Dieses nachrangige Wirksamwerden ist die andere Seite der oben beschriebenen Wirkung dispositiven Rechts.
13 vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2006, Az. XII ZR 120/04.
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Tabelle 18: Vertragliche Vereinbarungen und Wirksamkeit. Beschreibung
Bezeichnung
Folge
Die vertragliche Vereinbarung geht über Dispositives die vorgesehene gesetzliche Möglichkeit Recht hinaus. Es handelt sich um eine dispositive gesetzliche Regelung.
Die vertragliche Regelung ist gültig.
Die vertragliche Vereinbarung geht über eine nicht im Gesetz vorgesehene Möglichkeit hinaus. Es handelt sich um eine dispositive gesetzliche Regelung.
Die vertragliche Regelung ist gültig.
Dispositives Recht
Die vertragliche Vereinbarung regelt Fälle, Vertragsfreiheit die das Gesetz nicht kennt. Es besteht auch kein Widerspruch zu anderen Normen.
Die vertragliche Regelung ist gültig.
Die vertragliche Vereinbarung regelt Fäl- Eingeschränkte le, die das Gesetz nicht kennt. Es besteht Vertragsfreiheit jedoch ein Widerspruch zu anderen Normen.
Es ist zu prüfen, wie sich der Widerspruch auswirkt. Erst dann kann über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der vertraglichen Regelung entschieden werden. Bestehen Auswirkungen, so ist die vertragliche Regelung ungültig.
Die vertragliche Regelung steht im Widerspruch zu einschlägigen gesetzlichen Regelungen.
Die vertragliche Regelung ist ungültig.
Gesetzliches Verbot
Der Vertragstext wiederholt wörtlich oder Statische inhaltlich den Gesetzestext. Bezugnahme, Verweisung
Die vertragliche Regelung ist gültig.
Anmerkung: Welche Folgen eine in der Tabelle als ungültige Norm bezeichnete Vorschrift nach sich zieht, hängt von der Schwere des einschlägigen Verbots ab. In Betracht kommt eine Vernichtbarkeit der Regelung, sofern noch weitere Voraussetzungen oder Handlungen erfüllt sind, bis hin zur sofortigen Nichtigkeit der vertraglichen Regelung und in der Folge des gesamten Vertrags. Zu näheren Ausführungen wird auf das allgemeine Vertragsrecht verwiesen.
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Tabelle 19: Zentrale Auslegungsregeln im Urheberrecht. Regelung Norm Die Nutzungsrechtseinräumung umfasst im Zweifel nicht das Bearbeitungsrecht.
§ 37 Abs. 1 UrhG
Die Nutzungsrechtseinräumung umfasst im Zweifel nicht das Recht auf Übertragung auf Bild- und Tonträger.
§ 37 Abs. 2 UrhG
Der Erwerber des Rechts zur öffentlichen Wiedergabe ist im Zweifel nicht berechtigt, das Werk außerhalb der Veranstaltungen durch technische Einrichtungen wahrnehmbar zu machen.
§ 37 Abs. 3 UrhG
Bei Beiträgen zu Sammlungen besteht im Zweifel ein ausschließliches Nutzungsrecht.
§ 38 Abs. 1 UrhG
Bei Beiträgen zu Zeitungen besteht im Zweifel ein einfaches Nutzungsrecht.
§ 38 Abs. 3 UrhG
Es besteht keine Befugnis des Nutzungsrechtsinhabers, Werk, Titel oder Urheberbezeichnung zu ändern.
§ 39 Abs. 1 UrhG
Der Erwerber des Originals erwirbt im Zweifel keine Nutzungsrechte. Ausnahme sind die Werke der bildenden Künste oder Fotografien mit dem Recht zur öffentlichen Ausstellung.
§ 44 UrhG
Der Arbeitgeber des Softwareunternehmers erhält alle vermögensrechtlichen Befugnisse.
§ 69b UrhG
Der Filmhersteller wird im Zweifel Inhaber umfassender, in § 88 UrhG ausdrücklich genannter ausschließlicher Nutzungsrechte.
§ 88 UrhG
Verschiedene Regelungen im Verlagsgesetz
z.B. § 5 VerlG
Neben den Auslegungsregeln des Urheberrechts finden die Auslegungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) z.B. §§ 133, 157 BGB Anwendung. Eine weitere Möglichkeit ist das Vereinbaren von Gestaltungsmöglichkeiten z.B. einer Option. Eine Option ist das Gestaltungsrecht einer Person, ein Recht ausüben zu können, hierzu aber nicht verpflichtet zu sein. Daher ist ein Optionsvertrag eine Vereinbarung, bei der einer Person dieses Gestaltungsrecht zur Wahl gegeben wird. Es besteht die Bestimmungsmöglichkeit ohne jede rechtliche Mitwirkungsmöglichkeit der anderen Seite an der Entscheidung und gibt nicht nur einen klagbaren Anspruch. Geregelt ist das Optionsrecht in § 158 Abs. 1 BGB. Wird Bibliotheken von Verlagshäusern eine Option angeboten, so erfolgt der Ausgleich häufig durch ein höheres Entgelt für die Verlage. Es wird zwischen der einfachen und der qualifizierten Form der Option unterschieden. Bei einfachen Optionsverträgen werden lediglich die Kernpunkte des Vertrags vereinbart. Diese Flexibilität hat den Nachteil, dass für die konkrete Ausgestaltung der Option regelmäßig Nachverhandlungen über nicht geregelte Teile erfolgen. Damit kann trotz des häufig höheren Entgelts und des Abschlusses der „grundsätzlichen“ Vereinbarung das Vorhaben durch unterschiedliche Vorstellungen im Detail erheblich erschwert oder faktisch sogar verhindert werden. Bei der
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qualifizierten Option ist ein bereits vollständig in allen Einzelheiten ausformulierter Hauptvertrag vorhanden. Hier ist der Optionsverpflichtete vorbehaltlos an den Hauptvertrag gebunden. Beim einfachen Optionsvertrag bedarf das Wirksamwerden der Umsetzung der Option noch der Annahme durch den Verpflichteten. Im Gegensatz dazu führt die Ausübung der Option beim qualifizierten Optionsvertrag diesen unmittelbar selbst herbei. Beim Vorliegen eines Optionsangebots ist daher kritisch zu hinterfragen, welche Schritte für den gewünschten Erfolg rechtlich noch notwendig sind – und in welchem Verhältnis dies zu dem Entgelt steht. Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit ist die Bedingung. Im Gegensatz dazu wird bei einer Bedingung an den Eintritt oder Nichteintritt eines noch ungewissen Ereignisses angeknüpft. Dabei wird die aufschiebende Bedingung von der auflösenden Bedingung unterschieden. Bei der aufschiebenden Bedingung gem. § 158 Abs. 1 BGB tritt die Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein. Dagegen endet bei der auflösenden Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB die bisherige Wirkung des Rechtsgeschäfts. Beispiel aufschiebende Bedingung: „… der Vertrag wird wirksam, sobald …“ Beispiel auflösende Bedingung: „… der Vertrag endet, sobald ...“
15.3.3 Häufige Erscheinungsformen und Typen von Lizenzverträgen Bei den Erscheinungsformen handelt es sich um eine Sammlung von den in der Praxis vorkommenden Verträgen. Eine Verbindlichkeit ergibt sich aus der reinen Erscheinungsform jedoch nicht. Vielmehr sind sie als Modell zur Verwendung und Weiterentwicklung zu verstehen. So sind in den genannten Erscheinungsformen bestimmte Regelungselemente zu erwarten. Das Vorhandensein der erwarteten Elemente ist aber nicht zwingend. (Reine) Lizenzverträge: Gegenstand von „reinen“ Lizenzverträgen ist das ausdrückliche und ausschließliche Einräumen von Rechten durch den Lizenzgeber zu Gunsten des Lizenznehmers. Andere Regelungen sind nicht enthalten.14 Gemischte Verträge: In gemischten Verträgen können neben der Gewährung von Nutzungsrechten auch andere von der Lizenzierung unabhängige Vereinbarungen getroffen werden. Austauschvertrag/Cross-Licensing: Kennzeichen des Austauschvertrags/ Cross-Licensing ist, dass die Einräumung von Rechten und die Verpflichtungen beide Vertragsparteien betreffen. Damit ist jede Partei sowohl Lizenzneh-
14 Mels; Bask in Ostendorf; Kluth: Internationale Wirtschaftsverträge, § 21 Rn 17.
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mer als auch Lizenzgeber. Diese Erscheinungsform ist bei Kooperationen wie Konsortien besonders häufig anzutreffen.15 Intragroup-Lizenzverträge: Bei Intragroup-Lizenzverträgen gehören beide Parteien einer gemeinsamen Einheit z.B. einem Konzern, einer Landesverwaltung etc. an. Zu Recht wird auf die teilweise eher lockeren und wenig interessengerechten Vereinbarungen hingewiesen, die mit der Zugehörigkeit zur selben Einheit begründet werden.16 Kommt es dann zu einer Trennung der Einheit, so sind Konfliktfelder vorprogrammiert. Versteckte und implizierte Lizenzverträge: Mit der versteckten Lizenz sind solche Vereinbarungen gemeint, die zwar die Einräumung einer Lizenz inhaltlich zum Gegenstand haben, dies aber nicht klar, sondern nur in einer versteckten Art und Weise kommunizieren. Erst mittelbar wird der Zweck Einräumung einer Lizenz erkennbar.17 Hierzu gehören auch Verträge, bei denen der Inhalt eine Lizenzvereinbarung ist, diese aber mit stark abweichenden Formulierungen deklariert ist. Negative Lizenz: Kennzeichen einer negativen Lizenz ist der Verzicht des Lizenzgebers gegenüber dem Lizenznehmer auf die Ausübung des Rechts und bei verzichtbaren Positionen auf seine gesetzlichen Verbotsrechte und Abwehrrechte. Ein Verzicht auf ein Recht selbst ist grundsätzlich möglich. Eine Ausnahme bilden jene Rechte, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers unverzichtbar sind. Im Urheberrecht gehören hierzu Positionen, die Ausdruck der Urheberpersönlichkeit sind. Die von der Rechtsgemeinschaft als unverzichtbar angesehenen Positionen können durch einen Vertrag zwischen zwei Parteien nicht aufgehoben oder nahezu vollständig ausgehöhlt werden. Generell möglich ist jedoch eine Vereinbarung ein bestimmtes Abwehrrecht, welches sich stark mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht begründet, nicht gegenüber dem Vertragspartner auszuüben. Weitere Beschränkungen der negativen Lizenz erfolgen durch die allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts. So darf die negative Lizenzklausel nicht gegen die guten Sitten oder gegen die Normen zur Regelung der allgemeinen Geschäftsbeziehungen verstoßen. Ein positives Benutzungsrecht wird hingegen nicht gewährt. Der Verzicht kann sich sowohl auf die Ausübung einzelner Verbots- und Abwehrrechte als auch in pauschaler Art und Weise erfolgen. Eine negative Lizenz kann auch durch eine Erklärung an die Öffentlichkeit erfolgen. Ein Beispiel hierfür sind bestimmte Kennzeichnungsarten bei Open-Source- bzw. Open-Access-Produkten.
15 Mels; Bask in Ostendorf; Kluth: a.a.O., § 21 Rn 20. 16 Mels; Bask in Ostendorf; Kluth: a.a.O., § 21 Rn 21. 17 Mels; Bask in Ostendorf; Kluth: a.a.O., § 21 Rn 22.
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Klauselbeispiel für eine negative Lizenz: Beispiel 1: „Der Lizenznehmer hat nicht das Recht, Schadensersatzansprüche bei einer unberechtigten Nutzung durch Dritte innerhalb seines Lizenzgebiets geltend zu machen. Ansprüche dieser Art stehen ausschließlich dem Lizenzgeber zu.“ Beispiel 2: „Licensor waives the right to claim damages for the unauthorized use of the Licensed Database“
Recht, das nicht zur Ausübung kommen soll.
Nicht verzichtbare Rechte
Verzicht auf die Ausübung ist nicht möglich.
Verzichtbare Rechte
Verzicht auf die Ausübung ist möglich.
Abbildung 31: Negative Lizenz – Verzicht auf Rechte bzw. deren Ausübung.
Vertikale und horizontale Lizenzverträge: Mit der Einteilung in vertikale und horizontale Lizenzverträge ist die Positionierung von Lizenzgeber und Lizenznehmer auf einer nachgeordneten bzw. auf der gleichen Wirtschaftsstufe gemeint. Es handelt sich bei dieser Einteilung um eine reine Beschreibung der Verortung und nicht des Inhalts der Lizenzverträge.
15.3.4 Erläuterung der einzelnen Klauseln Zum Schutze vor einer Übervorteilung hat der Gesetzgeber Schutznormen geschaffen. Davon gelten im deutschen Recht zahlreiche Schutznormen nur für Privatpersonen. Diese Schutznormen sehen z.B. vereinfachte Widerrufsmöglichkeiten vor. Besondere Schutznormen zu Gunsten von Einrichtungen ohne eigenen juristischen Beistand bestehen nicht. Hier werden die ehrenamtlich betriebene Dorfbücherei einer kleinen Gemeinde und eine große Landesbibliothek mit einem Juristen im Haus grundsätzlich rechtlich gleich behandelt. Relativ kleine Korrekturmöglichkeiten gibt es nur an einzelnen Punkten. Zu nennen ist beispielsweis die Frage nach dem Sorgfaltsmaßstab. Schutzmöglichkeiten zu Gunsten von Bibliotheken und Informationseinrichtungen ohne hausinternen Rechtsrat bestehen hier in der eigenverantwortlichen Ausgestaltung der Organisation z.B. durch Genehmigungserfordernisse bzw. dem Zugestehen von Handlungsspielräumen. Rechtlicher Schutz und vorbeugende Maßnahmen
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durch Organisation sollten nicht nebeneinanderstehend betrachtet werden, sondern sind vielmehr auf das gemeinsame Ziel Rechtssicherheit auszurichten. Generell gilt, dass Verträge, die nicht oder nur teilweise verstanden werden, nicht unterschrieben werden sollten. Gegebenenfalls ist der Rat einer kundigen Vertrauensperson hinzuzuziehen. Dies gilt auch für schwer durchsichtige Kombinationsverträge. Mit dem Herausgreifen einzelner typischer Klauseln und Regelungstechniken geht es um die Erhöhung der Lesbarkeit und Verständlichkeit vorgelegter Verträge gegebenenfalls um eine Erwiderung bzw. eine Gegenvorstellung, hingegen nicht um die Erstellung eines kompletten Vertragswerks. Ferner geht es nicht nur darum, besondere Negativerlebnisse beim Abschluss von Nutzungsverträgen zu vermeiden. Zu den Zielen gehört es auch, dass unter den verschiedenen vom Anbieter zur Verfügung gestellten Optionen die bedarfsgerechteste, wirtschaftlichste und rechtlich geeignetste Wahl getroffen wird. Hierzu sind verständliche und vergleichbare Konditionen erforderlich. Gegebenenfalls ist durch eine entsprechende Nachfrage oder einen Gegenvorschlag diese Möglichkeit noch zu schaffen. Im Folgenden werden einige zentrale Punkte erörtert, die Ursache für regelmäßig Missverständnisse bzw. unterschiedliche Vertragsauslegungen sind. Begriffsbestimmungen: Manche Worte und Formulierungen können mehrdeutig sein oder die Grenzen ihrer Bedeutung können unterschiedlich verstanden werden. Vertragliche Begriffsbestimmungen dienen dazu, unterschiedliche Auslegungen (teilweise) zu verhindern und Missverständnisse zu vermeiden oder zumindest zu minimieren. Daher sollte dieses Feld, welches auch als Anhang hinzugefügt werden kann, zur Konfliktvermeidung genutzt werden. Vertiefend zum Gebrauch der englischen Rechtsprache sei auf das Werk von Ostendorf/Kluth18 verwiesen. Beispiel: Die im Burgenland gelegene Bibliothek B schließt einen Nutzungsvertrag mit dem australischen Bibliotheksupplier A über die Nutzung einer Software. Vereinbart wird ein jährliches Nutzungsentgelt von 10 000 Dollar. Eine nähere Spezifikation findet nicht statt. Wegen des Bezugs zu Australien können hier Australische Dollar oder wie im internationalen Geschäftsverkehr üblich auch US-Dollar gemeint sein.
Eindeutige Zeitangaben: Um Missverständnisse hinsichtlich Umgangssprache, regionaler Auffassungen und sprachlicher Rechts- und Kulturkreise zu minieren, bietet es sich an, Zeiten möglichst eindeutig zu formulieren. Vorzugswürdig sind daher klare Kalenderdaten gegenüber Zeiträumen (vier Wochen sind umgangssprachlich = ein Monat). Kommt es wie bei regelmäßigen Wartungen von Datenbanken auf die genaue Tageszeit an, so sind besonders bei internationalen Verträgen die Zeitzone und ein Hinweis auf Vor- oder Nachmittag hilfreich. 18 Ostendorf in Ostendorf; Kluth: Internationale Wirtschaftsverträge, § 2 Rn 29ff.
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Verweisungen: Um das Vertragswerk oder sonstige Regelungswerke lesbar zu halten, werden häufig Verweisungen auf andere Normen, Anlagen etc. vorgenommen. Diese vertraglich einbezogenen Bestandteile können sich im Laufe der Zeit ändern. Daher ist bei Verweisungen klarzustellen, ob es sich um statische oder dynamische Verweisungen handelt. Bei statischen Verweisungen erfolgen die Bezugnahmen nur auf den Stand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Sollen auch die späteren Änderungen Gültigkeit erlangen, bedarf es einer ausdrücklichen Änderung des Vertrags. Hingegen erfolgt bei dynamischen Verweisungen die vertragliche Anpassung des Vertrags automatisch. Durch den Automatismus können damit ursprünglich nicht beabsichtigte Regelungen oder Punkte in den Vertrag aufgenommen werden. Gelegentlich erfolgen solche Änderungen wegen des Automatismus auch unbemerkt. Deshalb sind dynamische Verweisungen kritisch zu bewerten und nur bei einer regelmäßigen Vertragskontrolle eine geeignete Vorgehensweise. Beispiel für eine statische Verweisung: „Hinsichtlich der Ansprüche der Bibliothek beim Ausfall der Datenbank wird auf den zwischen dem Bundesland L und dem Datenbankbetreiber geschlossenen Grundlagenvertrag in der Fassung vom 22.03.2021 verwiesen.“ Beispiel für eine dynamische Verweisung: „Es gelten die Umrechnungskurse wie sie jeweils am Monatsersten an der Frankfurter Börse um 14 Uhr veröffentlicht werden.“
Beendigung des Vertrags: Im Hinblick auf eine ordentliche Finanzführung der Bibliothek ist vor allem auf die Ausgestaltung der Kündigungsmöglichkeiten zu achten. Gestaltungselemente sind hier vor allem die Kündigungsfrist, der Aufwand für eine Kündigung oder gegebenenfalls auf die Ausgestaltung von automatischen Verlängerungen und automatischen Preiserhöhungsklauseln. Weitere Punkte können Sonderkündigungsrechte und deren Ausgestaltung sein. Sonderkündigungsrechte werden häufig mit einem zusätzlichen Entgelt erkauft. Nicht selten findet sich auch die optisch ansprechendere Form, dass für den Verzicht auf ein Sonderkündigungsrecht ein besonderer Rabatt gewährt wird. Die Grundidee ist in beiden Fällen die gleiche. Beispiel: „Innerhalb der Vertragslaufzeit von drei Jahren erhält der Vertragspartner ein Sonderkündigungsrecht für die benannte Datenbank. Als Ausgleich für die Ausübung des Sonderkündigungsrechtes erhält der Lizenzgeber zusätzlich 15 Prozent des vereinbarten Jahresentgeltes.“ Beispiel: „Bei einer dreijährigen Vertragslaufzeit wird dem Lizenznehmer ein Rabatt von 10 Prozent des jährlichen Entgelts gegenüber den Jahresverträgen gewährt.“
Im Gegensatz zu vertraglichen Regelungen, die durch nicht eindeutige Formulierung sich zu unnötigen Diskussionspunkten entwickeln können, gibt es auch Regelungen bzw. Nichtregelungen, die von vornherein für eine Vertragspartei ungünstig sind bzw. sich aus der Situation heraus als einseitig ungünstig darstellen.
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Verzicht auf Zugang einer Willenserklärung gem. § 151 BGB: Durch eine Einbeziehung von § 151 BGB gibt der Vertragspartner zu erkennen, dass er für die Annahme einer Erklärung auf deren Zugang verzichtet. § 151 BGB ist eine Ausnahmevorschrift, auf die bei einer Verwendung ausdrücklich hinzuweisen ist. Wird sie vom Vertragspartner eingesetzt, ist Vorsicht geboten. Der Verzicht auf den Zugang einer Willenserklärung kann einmal dem reinen Zweck einer Beschleunigung des Vorgangs dienen. Gelegentlich wird damit aber auch der Wunsch des Vertragspartners verbunden, eine bestimmte vertragliche Regelung, ohne das Erregen eines größeren Aufsehens oder Verhandlungen durchzusetzen. Vertragsstrafen: Bei einer Vertragsstrafe handelt es sich um die von einer Vertragspartei fest zugesagte Geldsumme für den Fall, dass sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt. Eine Regelung hierzu findet sich in den §§ 339ff. BGB. Vertragsstrafen heben die Bedeutung der unterstützen Handlung hervor. Über die Sanktionierung bestimmter Verhaltensweisen bzw. das Nichterreichen von Zielen kann je nach Verteilung der Leistungspflichten ein Ausgleich oder aber auch ein Ungleichgewicht hergestellt werden. Gerichtsstand: Der Gerichtsstand beschreibt den Ort des zuständigen Gerichts. Soweit der Gerichtsstand nicht zwingend vorgegeben ist, kann er vertraglich vereinbart werden. Welche Gerichtsstände zwingend und welche vereinbar sind, sollte durch einen Juristen ermittelt werden. Ziel einer Gerichtsstandsvereinbarung ist es, für den Fall einer rechtlichen Auseinandersetzung das einem vorzugswürdig erscheinende Gericht im vornherein festlegen zu können. Kompromisse sind häufig dahingehend möglich, dass die Vereinbarung eine Rollenzuweisung statt einer festen Zuweisung eines Vertragspartners z.B. als Kläger und Beklagter berücksichtigt. Ein Beispiel hierfür ist eine Vereinbarung, dass bei einer möglichen Gerichtsstandsvereinbarung der Sitz des Beklagten ausschlaggebend sein soll. In der Schweiz und in Österreich gibt es wie in Deutschland neben den zwingend vorgegebenen Gerichtsständen auch solche, bei denen eine Vereinbarung zulässig ist. Rechtswahl: Bei internationalen Verträgen stellt sich die Frage, welches Rechtssystem Anwendung finden soll. Hierzu gibt das Internationale Privatrecht Antworten. Wie auch bei der Frage nach dem Gerichtsstand gibt es hier zwingende Regelungen und solche, die vereinbart werden können. Bei den disponiblen Regelungen wird jede Vertragspartei versuchen, die für sie günstige Rechtswahl durchzusetzen. § 32b UrhG beinhaltet einen Katalog von international-privatrechtlich zwingenden Vorschriften. Gem. dem odre public in § 6 S. 1 EGBGB finden solche widersprechende Vorschriften aus einem anderen Rechtssystem keine Anwendung, auch wenn eine entsprechende Rechtswahl vorgenommen wurde. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass bei einigen Ländern wie dem Vereinigten Königreich die Staatengrenze nicht mit der Grenze des Rechtssystems identisch zu sein braucht.
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Vertragssprache: Vor allem dann, wenn es um eine sehr ausdifferenzierte Vereinbarung geht, kommt auch der Wahl der Vertragssprache eine entscheidende Bedeutung zu. Die Rechtswahl und Sprachenwahl sind wesentliche Gestaltungselemente. Über Definitionen und einfache Bezugnahmen können erhebliche Festlegungen getroffen werden, ohne dass dies in der „Optik des Vertrags“ ohne weiteres auffällt. Internationale Verträge sind häufig in Englisch abgefasst. Damit kommt neben der besonderen Fachsprache des Rechts möglicherweise zu weiteren Missverständnissen durch den anderen Rechtskreis und die Fremdsprache überhaupt. Umfassende Kenntnisse der englischen Rechtssprache sind daher unabdingbar. Dabei trägt jede Partei regelmäßig das eigene Sprachrisiko, die Bedeutung des Inhalts richtig zu verstehen. Werden mehrere Sprachen verwendet, so empfiehlt sich entweder der vertraglich vereinbarte Vorrang einer Sprache oder das Definieren von Begriffen, bei denen es zu verschiedenen Übersetzungen mit unterschiedlicher Bedeutung kommen kann. Ein Beispiel für das inhaltliche Abweichen durch die Verwendung verschiedener sprachlicher Fassungen ist die Richtlinie 2001/29/EG (Urheberrecht und verwandte Schutzrechte).19 Weichen in derselben Sprache zwei Dialekte oder Sprachrichtungen in einzelnen Fällen wesentlich voneinander ab, so empfiehlt sich eine detaillierte Sprachenfestlegung z.B. British English und American English. Soll beispielsweise eine Einzelplatzlizenz für einen bestimmten Bereich der Bibliothek definiert werden, macht es einen Unterschied, ob sich der ‚first floor‘ im Erdgeschoss (BE) oder im ersten Stock (AE) befindet. Die ausdrückliche Festlegung der Vertragsstrafe ist nicht erforderlich. Sie ist ein Vertragsbestandteil, der sich zumindest aber faktisch ergibt. Kontaktmöglichkeit und Ansprechpartner: Zu den in der Praxis wichtigen Punkten gehört bei der Nutzung von Datenbanken etc. auch die Festlegung eines kompetenten und schnell erreichbaren Ansprechpartners bei Störungen und Ausfällen der Datenbank. Hierbei handelt es sich um einen Punkt, der aktiv von Seiten der Bibliotheken als Wunsch einzubringen ist. Denn angeboten wird regelmäßig nur der allgemeine Kontakt. Kaufmännisches Bestätigungsschreiben: Zwar keine kritische Klausel, aber eine für Nichtgeschäftsleute ungewohnte Anknüpfung von Rechtsfolgen ist das kaufmännische Bestätigungsschreiben. Danach gilt der Inhalt eines von einem Kaufmann an einen anderen Kaufmann versandten Geschäftsbriefs oder ein zugesandtes Gesprächsprotokoll über ein Geschäft als angenommen, sofern dieser nicht innerhalb der 19 Die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten von Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtline 2001/ 29 je nach sprachlicher Fassung bewog den BGH mit Entscheidung vom 20.09.2012 zu einem Vorabent- scheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV. Vgl. EuGH Rs. C-117/13 (TU Darmstadt ./. Eugen Ulmer KG).
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geschäftsüblichen Zeit widerspricht. Es handelt sich um einen nicht normierten, rechtlich aber anerkannten Geschäftsbrauch. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben gilt nicht nur für Kaufleute im handelsrechtlichen Sinne, sondern auch für Behörden. Anwendung findet das kaufmännische Bestätigungsschreiben auf alle, die wie ein Kaufmann selbstständig und in einem größeren Umfang am Rechtsverkehr teilnehmen. Im Hinblick auf die relativ geringen Anforderungen an den Umfang der wirtschaftlichen Betätigung eines Kaufmanns zählen auch bereits Büchereien mit einem nur mäßigen Bestellvolumen, aber mit eigenem Personal als Adressaten eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens. Auszunehmen sind Bibliotheken, die den Umfang eines größeren Handapparates haben oder nur auf Schenkungen beruhen und kein speziell angestelltes Personal haben. Beispielhaft zu nennen ist hier eine kleine, aus Spenden aufgebaute Bücherei eines kirchlichen Gemeindezentrums, die ehrenamtlich nur für wenige Stunden in der Woche betrieben wird. Ersetzungsbefugnis: Besonderer Grund zur Aufmerksamkeit ist ebenfalls dann geboten, wenn sich die Gegenseite ein Leistungsbestimmungsrecht oder eine Ersetzungsbefugnis ausbedingen möchte. In diesem Fall sollte der Vertrag eine Genehmigungspflicht für die Ersetzung und gegebenenfalls eine Gegenleistung enthalten. Eine Einschränkung der Ersetzungsbefugnis kann auch durch eine Festlegung des Umfangs erfolgen. Fremdsteuerung: Werden Bestimmungsrechte an den Vertragspartner oder sonstige Dritte abgegeben, sollte der Umfang von vornherein in den wesentlichen Punkten lückenlos festgelegt werden. Da beispielsweise beim Beschaffungsmodell des benutzergesteuerten Medienerwerbs (pda) die endgültige Entgeltsumme nicht von Anfang an feststeht, empfiehlt sich hier die Begrenzung durch eine Höchstsumme beim Betreiber des benutzergesteuerten Medienerwerbs. Elektronische Verträge/Elektronische Vertragsabschlüsse: Bei elektronischen Vertragsabschlüssen sind die Authentifizierungsverfahren sicherzustellen. Vorgeschrieben ist dies bei gesetzlich vorgegebener Schriftform gem. § 126a BGB. Ein besonderes Augenmerk gilt ferner der Datensicherheit. Schwellenwerte: Ein anderer neuralgischer Punkt sind Entgeltsprünge bei Schwellenwerten der Nutzung. Regelmäßig besteht keine kontinuierliche Steigerung des zu zahlenden Leistungsentgelts bei steigender Nutzungsklasse. Vielmehr wird nach zahlreichen aktuellen Entgeltmodellen die Einrichtung bzw. die Anzahl der Nutzer in Größenklassen mit stufenförmigen Tarifen eingeteilt. Daher genügt hier ein leichtes Übersteigen des Schwellenwertes, um in einer anderen Entgeltklasse zu sein. Nutzungszeiträume: Bei Bezugszeiträumen von Leistungen ist die Zuordnung zum Haushaltsjahr zu berücksichtigen. Übersteigt die Bezugszeit eines entgeltlichen Nutzungsvertrags den Haushaltszeitraum, so empfiehlt sich eine Rückversicherung bei
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den Entscheidern über den Haushalt, dass der Bezug des Mediums zumindest bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin finanziell gedeckt ist. Haftungsverschiebungen/Haftungsregelungen: Ein besonderes Augenmerk ist auf die Regelung der Haftung zu richten. Ausgangspunkt ist, dass jeder für den von ihm zu verantwortenden Bereich einzustehen hat. Zu den Haftungsverschiebungen gehört auch eine Heraufsetzung der Verantwortlichkeit z.B. dem Ausschluss von einfacher Fahrlässigkeit mit der Folge, dass eine Haftung erst beim Vorliegen von grober Fahrlässigkeit gegeben ist. Ferner kann in gewissen Grenzen ein vertraglicher Rahmen für Verantwortungsbereiche gezogen werden. Soweit es sich bei dem Schädiger um eine Einrichtung in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft handelt, kommen hinsichtlich der Verantwortlichkeit Ansprüche nach den Regeln des Staatshaftungsrechts in Betracht. Darüber hinausgehende Haftungsverschiebungen oder ausdehnungen bedürfen regelmäßig einer zusätzlichen Genehmigung. Beispiel für den vom Lizenzgeber regelmäßig zu verantwortenden Bereich: Der Lizenzgeber versichert, Inhaber aller für die Übertragung der vertragsgegenständlichen Nutzungsreche zu sein. Andernfalls erfolgt eine Freistellung des Lizenznehmers bei geltend gemachten Ansprüchen durch Dritte. Beispiel für den vom Lizenznehmer regelmäßig zu verantwortenden Bereich: Ist nichts Gegenteiliges vereinbart, so fällt die Kompatibilität in den Verantwortungsbereich des Lizenznehmers.
Fall: Bibliothekarin B bestellt eine neue Software. Dabei übersieht sie den Hinweis auf dem Produktinformationsblatt, dass die Software nicht mit Produkten des Herstellers A kompatibel ist. Sie stellt sich auf den Standpunkt, eine A-Kompatibilität sei heutzutage ein üblicher Standard. Als sie gerade einmal etwas Zeit findet, wendet sie sich an den Lizenzgeber der Software. Lösungsskizze: Trotz der Bekanntheit der Produkte des Unternehmens A kann auf Grund des Marktanteils nach wie vor bei einer A-Kompatibilität nicht von einer zu erwartenden Eigenschaft gesprochen werden. Zudem erfolgte ein ausdrücklicher Hinweis. Die B befand sich daher in einem vermeidbaren Irrtum. Da jedoch keine unverzügliche Anfechtung wegen des Inhaltsirrtums gem. § 119 Abs. 1 Fall 1 BGB erfolgte, stehen ihr keine weiteren Rechtsmittel mehr zu Verfügung.
Die oben aufgeführten Punkte sind Hinweise. Entscheidend ist der Vertrag in seiner Gesamtheit. So können kritische Punkte durch Gegenrechte ausgeglichen werden. Beispiel: Die Bibliothek B erhält schreibende Rechte für die Datenbank D. Es bleibt der B überlassen, welche Mitarbeiter und welche Nutzer die schreibenden Zugriffe erhalten. Zwischen dem Datenbankbetreiber D und der Bibliothek B wird jedoch ferner vereinbart, dass die B für alle Einträge voll verantwortlich ist. Dies soll nach dem Vertrag unabhängig davon gelten, ob die Einträge als Dienstaufgabe oder privat erstellt wurden. Ferner soll die volle Verantwortlichkeit der Bibliothek außer für die Handlungen der eigenen Mitarbeitern auch für Einträge von Bibliotheksnutzern gelten, soweit diese von der B die Zugangsdaten für ein Schreibrecht erhalten haben.
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Unterlizenzen: Eine Weiterlizensierung, auch Unterlizensierung genannt, ist das Recht eines Lizenznehmers, selbst Nutzungsrechte an andere Personen weitergeben zu können. Dabei gilt der Grundsatz, dass jeder nur die Rechte an andere vergeben kann, die er entweder selbst besitzt oder wenn ihm eine zusätzliche Befugnis eingeräumt wurde. Klauselbeispiele für den Ausschluss von Unterlizenzen: Beispiel 1: „Die Vergabe von Unterlizenzen an sonstige Personen ist dem Lizenznehmer nicht gestattet.“ Beispiel 2: „Licensee has not the right to grant sublicenses to third parties.“
Die Frage, ob ein Lizenznehmer auch ohne entsprechende vertragliche Regelung berechtigt ist, die ihm eingeräumten Lizenzrechte auf einen Dritten zu übertragen, ist in Deutschland nach wie vor umstritten.20 Aus diesem Grund wird hier eine Berücksichtigung im Vertrag, gegebenenfalls eine Berechtigungsanfrage21 empfohlen.
15.3.5 Beispiel für einen umfassenden, typischen Vertragsaufbau Die folgenden Punkte können, müssen aber nicht zwingend alle Bestandteil eines Vertrags sein. Vorvertrag (Letter of intent/Deal Memo): Durch einen Vorvertrag wird zunächst die Grundlage für die weitere Zusammenarbeit der Vertragsparteien vorbereitet. Er hat das Ziel, einen vollständigen Vertrag herbeizuführen.22 Ein regelmäßiges Thema für den Vorvertrag ist die Festlegung der Vertragssprache. Für den Vertrag kann der Vorvertrag zudem als Auslegungshilfe in Zweifelsfragen dienen. Dennoch handelt es sich beim Vorvertrag um einen eigenständigen Vertrag. Der Abschluss eines Vorvertrags ist nicht zwingend erforderlich. Vertragsbezeichnung (Title): Eine geeignete Vertragsbezeichnung erleichtert die schnelle Einordnung des Vertrags. Zudem eignet sich die Vertragsbezeichnung häufig als Auslegungshilfe. Vertragsrubrum (Names and Addresses): Aufgabe des Vertragsrubrums ist es, die Vertragsparteien identifizieren zu können. Die Nennung der Vertragsparteien gehört zu den notwendigen Vertragsbestandteilen. Dies gilt zumindest für die Verpflichteten. Aus Gründen der Klarheit empfiehlt es sich, lediglich berechtigte Personen oder Personengruppen zu nennen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Bibliotheksleiter Nutzungsverträge über Datenbanken abschließt, die dann den Bibliothekskunden zur Nutzung 20 Mels; Bask in Ostendorf; Kluth: Internationale Wirtschaftsverträge, § 21 Rn 86; Groß: Der Lizenzvertrag, S. 116 Rn 228 m.w.N. 21 Siehe hierzu Teil 2 Kap. 16.1.1. 22 Heinrichs in Palandt: BGB, Einf. Vor § 145 Rn 19.
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angeboten werden. Gleiches gilt für den Umgang mit verzweigten Organisationseinheiten. Hier kann eine Klarstellung erfolgen, wer alles innerhalb der Organisationeinheit berechtigt sein soll. Ein Verzicht auf eine solche Klarstellung ist möglich, birgt aber regelmäßig nachträglichen Diskussionsbedarf in sich. Bei juristischen Personen des Zivilrechts, z.B. einer GmbH, wird die Rechtsform im Rubrum mit aufgeführt. Präambel (Preamble/„Whereas“-clauses/Recitals): Die Präambel enthält üblicher weise Punkte wie Zielvorstellungen oder Hintergründe. Daher dient die Präambel bei Rechtsstreitigkeiten als Auslegungshilfe. Gelegentlich werden auch kurz die Tätigkeitsbereiche der Vertragsparteien und deren vertragsrelevanten Produktentwicklungen dargestellt. Die Präambel gehört zu den sinnvollen, nicht aber notwendigen Bestandteilen eines Vertrags. Wenn sie vorhanden ist, ist zu prüfen, ob sie im Einklang mit den Zielsetzungen der Bibliothek steht. Geltungsbereich (Location): Der Geltungsbereich des Lizenzvertrags ist anzugeben. Denn der Lizenzgeber hat häufig ein Interesse daran, den für ihn relevanten Markt aufzuteilen. In Betracht kommt z.B. der Standort (Campus, Site, Arbeitsplatz), aber auch die Rechtsform oder Zugehörigkeit, z.B. alle zum K-Konzern gehörenden selbstständigen und unselbstständigen Gesellschaften, kann ein Kriterium sein. Ist kein Geltungsbereich vereinbart oder zumindest durch eine Vertragsauslegung ermittelbar, so gilt die Lizenz räumlich unbegrenzt. Daher handelt es sich bei der Vereinbarung eines Geltungsbereichs der Lizenz nicht um einen notwendigen Bestandteil, sondern um eine Klausel im Interesse des Lizenzgebers. Definitionen (Definitions): Die Aufnahme von Definitionen in einen Vertrag ist eine aus dem anglo-amerikanischen Bereich stammende Praxis und hat sich inzwischen international verbreitet. Um gleichzeitig nicht den Vertrag mit unnötigem Ballast zu überfrachten und ihn damit unleserlich zu machen, sollten nur Begriffe gewählt werden, für die es keine klare Übereinkunft oder kein klares Verständnis gibt. Ein Beispiel dafür ist regelmäßig die Frage, ob ein Arbeitsplatz mit VPN-Anschluss noch zum Begriff Campus einer Hochschule gerechnet wird oder nicht. Ein Verweis auf eine externe Sprachregelung z.B. eines bestimmten Wörterbuchs etc. ist möglich. Die Definitionen sollten ferner zu einer sachorientierten Lösung führen und nicht inhaltsleer sein. Auch die Aufnahme von Definitionen ist nicht vertragsnotwendig, häufig aber hilfreich. Klauselbeispiele für Definitionen: Beispiel 1: „Licensed Material means the scientific work, database, or other material to which the Licensor applied this Public License.”23 Beispiel 2: „Der Begriff Campus umfasst sämtliche zur Hochschule H gehörenden Gebäude in der S-Straße sowie alle sonst angemieteten Räumlichkeiten. Ebenso gehören Heimarbeitsplätze sowie Einzelarbeitsplätze von Hochschulangehörigen mit VPN-Verbindung zum Campus.“ 23 Beispiel aus Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 International Public License, Section 1 let. h.
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Vertragsgegenstand und Hauptleistungspflichten (Subject Matter/Main Contractual Duties): Die Beschreibung der Vertragspflichten bzw. des Vertragsgegenstandes gehört zu den Kernbestandteilen eines jeden Vertrags. Ohne eine präzise Darstellung der Vertragspflichten kann der Vertragszweck nicht erreicht werden. Im Falle von Verträgen über Nutzungsrechte sind die Befugnisse bei der Nutzung eindeutig zu beschreiben. Hierauf ist besonders dann zu achten, wenn nicht alle, sondern nur ein Teil der Nutzungsrechte übertragen werden sollen. Der Beschreibung der Nutzungsrechte folgt eine exakte Darstellung zu welchem Zweck die Nutzungsrechte übertragen werden. Dies kann auch in einem gesonderten Lastenheft geschehen.24 Fehler oder Unstimmigkeiten bei der Beschreibung der Leistungspflichten wirken sich massiv auf das Ergebnis aus. So gehen nach dem Zweckübertragungsgedanken alle Nutzungsrechte auf den Erwerber über, die vom Vertragszweck umfasst werden, obwohl sie nicht ausdrücklich hierzu benannt worden sind. Bei Lizenzverträgen erfolgt die Übertragung der Form als einfaches oder als ausschließliches Nutzungsrecht. In der englischen Vertragssprache sind bei der Vereinbarung von Vertragspflichten grundsätzlich mehrere Hilfsverben, insbesondere ‚shall‘, ‚will‘ und ‚must‘ gebräuchlich. Hinter der Verwendung der übrigen Hilfsverben kann aber dieselbe Rechtsbedeutung stehen. ‚Must‘ wird gelegentlich für die Vereinbarung von echten Rechtsbedingungen (condition precedents) verwendet. Für Gestaltungsrechte wird teilweise ‚may‘ empfohlen, für Unterlassungspflichten ‚may not‘ dagegen als ungeeignet abgelehnt.25 Die spezifische Anwendung ist aber nicht einheitlich.26 Die Rechte (rights) der einen Partei sind die Pflichten der anderen. Vertragliche Rechte einer Partei werden teilweise durch die Wendung ‚is entitled to‘ eingeleitet. Zu den besonders vielseitig verwendeten Begriffen gehört ‚conditions‘. Neben der wörtlichen Übersetzung mit Rechtsbedingung wird im englischen Kaufrecht unter condition auch eine besonders wichtige Vertragspflicht verstanden, deren Verletzung zu einer Vertragsbeendigung führen kann.27 Aus Sicht einer Bibliothek ist die Vergütung das regelmäßige Gegenstück zur Übertragung der Nutzungsrechte. Die spezielle Klausel der angemessenen Vergütung findet nur im Hinblick auf den Urheber Anwendung. Ansonsten gelten hier die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen und damit die Vertragsfreiheit. Wer Nutzungsrechte nicht direkt vom Urheber erwirbt, sollte sich die vorherige angemessene Entgeltung des Urhebers schriftlich zusichern zu lassen, um sich ‚gegen eventuelle Nachforderungen abzusichern. Beispiel: „‚Licensed Media Rights‘ shall mean all media, media applications, divisions, continuations, that are owned by Licensor and which are necessary or at least useful to develop, manufacture, market and sell the Licensed Products and which are described in detail in Exhibit ...“
24 Siehe hierzu: Juraschko: Praxishandbuch Recht für Bibliotheken und Informationseinrichtungen, S. 184. 25 Ostendorf in Ostendorf; Kluth: Internationale Wirtschaftsverträge, § 2 Rn 43. 26 Ostendorf in Ostendorf; Kluth: a.a.O., § 2 Rn 29ff. 27 Ostendorf in Ostendorf; Kluth: a.a.O., § 2 Rn 53.
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Pflichten und Gewährleistungen bzw. Garantien (Liability/Warranty/Guaranty): Die Pflichten und Garantien sollten bei der entsprechenden Vertragspartei aufgeführt und ausgewogen zwischen den Parteien verteilt sein. Die Haftung lässt sich in der Regel für beide Parteien nur beschränken, nicht ausschließen. In Bezug auf bestimmte Verpflichtungen findet sich häufig die Formulierung, dass „reasonable efforts“ unternommen werden sollen. Diese Formulierung ist akzeptabel, wenn sie für beide Vertragspartner gilt. Ansonsten kann sie ein vertragliches Ungleichgewicht darstellen. In den Gewährleistungsklauseln legt der Veräußerer eines Nutzungsrechts mögliche Kollisionen entweder bewusst offen oder erklärt, dass das Werk frei von Rechten Dritter ist. Garantien können inhaltlich Gewährleistungen entsprechen oder über diese hinausgehen. Vertragsverletzungen und Rechtsfolgen (Remedies): Nicht immer wird das Ziel „Verträge sind einzuhalten“ gewahrt. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung haben ein ausdifferenziertes System für die Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen entwickelt. Auf dieses System wird zurückgegriffen, sofern die Vertragsparteien keine eigenständigen Regelungen getroffen haben. In eigenständigen Vereinbarungen können beispielsweise bestimmte Fälle der Vertragsverletzung ausdrücklich definiert und ihnen gegebenenfalls bestimmte Rechtsfolgen zugeordnet werden. So können Vertragsstrafen zu den vereinbarten Rechtsfolgen gehören. Haftungsbeschränkungen, Verjährungsregelungen (Limitation of Liability and Limitation of Actions): Regelmäßig versuchen die Vertragsparteien ihr Risiko zu begrenzen. Dies kann dadurch erfolgen, dass bestimmte Arten der Nichtleistung nicht als Vertragsverstoß von den Vertragsparteien anerkannt werden. Dazu gehört für den Lizenzgeber regelmäßig der Ausschluss der höheren Gewalt. Dabei handelt es sich um Einflüsse von außen, die keine der Vertragsparteien zu vertreten hat. Dies können Naturkatastrophen, Krieg oder staatliche Eingriffe sein. Ob Streiks ebenfalls dazugehören, ist strittig und sollte daher geregelt werden. Gelegentlich wird von Seiten des Lizenzgebers zudem versucht, technische Mängel bzw. Wartungszeiten ebenfalls auszuschließen. Inwieweit solche Ausschlüsse der Nicht- bzw. Schlechtleistung akzeptabel sind, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Die Verjährung hat zur Folge, dass der betroffene Anspruch nicht mehr gerichtlich durchsetzbar ist. Zweck der Verjährungsregelungen ist es, Rechtsfrieden herzustellen. Dabei wird unterstellt, dass der Inhaber eines Anspruchs nach einer gewissen Wartezeit kein schützenswertes Interesse mehr hat, wenn er seine Ansprüche nicht verfolgt. Verjährungsfristen von einem Jahr oder kürzer gelten allgemein als sehr kurz und setzen den Anspruchsinhaber unter merklichen Zugzwang. Auch wenn eine Verjährung eingetreten ist, ist die Erfüllung der Forderung durch den Schuldner weiterhin möglich.
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Sonstige Vertragsbestimmungen (Miscellaneous): In den sonstigen Vertragsbestimmungen befinden sich jene Posten, die als nicht so relevant angesehen werden, dass sie eine eigenständige Erwähnung im Hauptteil eingeräumt bekommen bzw. sich in die Einteilung im Hauptteil einfügen. Diese Einordnung ist aber vorläufiger Art. Denn die Verortung im Vertrag besagt nichts über die rechtliche Wertigkeit. Handelt es sich beim Vertragsentwurf um allgemeine Geschäftsbedingungen findet sich unter der Position „sonstige Vertragsbestimmungen“ häufig ein Feld für individuelle Ergänzungen zu den bestehenden vorformulierten Bedingungen. Es ist darauf zu achten, dass die eigens genannten Vertragsbestimmungen und die sonstigen Vertragsbestimmungen sich einander nicht widersprechen. Besteht ein solcher Widerspruch ist zunächst zu fragen, wie dieser durch eine Rangfolge der Vertragsbestimmungen aufgelöst werden kann. Im deutschen Recht gilt beispielsweise der Vorrang der Individualabrede vor den allgemeinen Geschäftsbedingungen. Liegt dem Vertrag eine andere Rechtsordnung zu Grunde, so sind die dortigen Vorrangsregelungen zu beachten. Kann auf diese Weise keine Rangfolge ausgemacht werden, so erfolgt eine Auslegung des Vertrags dahingehend, welche Bestimmung vorrangig ist. Eine genaue Prüfung vor Vertragsschluss kann diese aufwendige Nacharbeit ersparen. Schriftformklausel (Written Form Requirement/NOM-Clause (=No-Oral Modification Clause)): Ein typisches Beispiel für eine Schriftformklausel lautet: „Änderungen des Vertrags bedürfen der Schriftform.“ Da Schriftformklauseln nach deutschem Recht mündlich und sogar durch ein schlüssiges Handeln abbedungen werden können, kommt ihnen eine eher hinweisende und psychologische Bedeutung zu. In anderen Rechtssystemen hat die Klausel hingegen eine echte Wirksamkeit. Die Klausel ist in allen Fällen, in denen nicht schon gesetzlich eine Schriftform verlangt wird, freiwillig. Es ist möglich, einen Lizenzvertag formfrei abzuschließen. Jedoch stellt der BGH an den Nachweis des Abschlusses „keine geringeren Anforderungen“.28 Dies führt dazu, dass der Abschluss eines Lizenzvertrags im kaufmännischen Verkehr regelmäßig nur durch die Schriftform des Vertragsabschlusses nachgewiesen werden kann.29 Bei Fehlen eines schriftlichen Dokuments, ist daher davon auszugehen, dass kein über die konkludente Gestattung hinausgehender Abschluss eines Lizenzvertrags besteht.30 Für öffentlich-rechtlich organisierte Informationseinrichtungen ist dies wegen hohen Interesses an ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechend anzunehmen. Vollständigkeitsklausel (Merger/Entire Agreement Clause): Die Vollständigkeitsklausel ist eine Rückversicherung und Offenlegung, dass alle wesentlichen Punkte im Vertrag bedacht wurden. Sie dient dazu, eine ergänzende Vertragsauslegung zu ver-
28 BGH, Urteil vom 27.03.2013, Az. I ZR 93/12 – Baumann). 29 Vgl. BGH, Urteil vom 21.10.2015, Az. I ZR 173/14 – Ecosoil). 30 BGH, Urteil vom 27.03.2013, Az. I ZR 93/12 – Baumann).
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hindern. Sie gehört zu den freiwilligen Vereinbarungen und wird zudem eher selten verwendet. Geheimhaltungskausel (Secrecy Clause): Geheimhaltungsklauseln können sich auf verschiedene Themen, wie den Inhalt des Werks, Sicherheitsfragen oder aber auch Bestandteile des Vertrags beziehen. Gelegentlich wird in den Vertragsklauseln ein Verbot der Weitergabe von Informationen über die Vertragskonditionen verlangt. Regelmäßig sind Preisstrukturen hiervon betroffen. Damit wird es dem Anbieter erleichtert, den Markt nach seinen Vorstellungen in Preissegmente aufzuteilen. Ziel vieler Anbieter ist es, je nach finanzieller Leistungsfähigkeit das Maximale an Gewinn zu erzielen. Für Bibliotheken sind solche Geheimhaltungsklauseln regelmäßig nachteilig und daher abzulehnen. Voraussetzung jeder Geheimhaltungsklausel ist es, dass tatsächlich ein kontrollierbares Geheimnis vorliegt. Werden von demjenigen, der die Geheimhaltung wünscht, seinerseits selbst hinsichtlich der als geheim bezeichneten Tatsachen Veröffentlichungen vorgenommen oder ein öffentlicher Zugang gewährt, z.B. offizielle Webseiten, Messeauftritte etc., liegt insoweit kein Geheimnis mehr vor und die Klausel ist in diesem Umfang obsolet geworden. Laufzeit und Kündigung (Term and Termination): Die Laufzeit ist eindeutig anzugeben. Hierdurch wird ersichtlich, ob es sich um einen befristeten oder unbefristeten Vertrag handelt. Gerade bei wiederkehrenden oder dauerhaften Leistungen ist von Bedeutung, wie der Vertrag beendet werden kann. In Betracht kommt zum einen eine von vornherein festgelegte Laufzeit. Hier endet der Vertrag, ohne dass es einer besonderen Handlung bedarf. Eine andere Möglichkeit ist eine Kündigung. Es kann vereinbart werden, dass eine Kündigung ohne einen speziellen Grund oder nur nach vorgegebenen Gründen möglich sein soll. Ist ein Vertrag befristet, so kann nach deutschem Recht eine reguläre Kündigung ausgeschlossen sein. Im Falle eines unzumutbaren Zustands, insbesondere bei vertragsfeindlichem Verhalten des Vertragspartners, ist eine außerordentliche Kündigung möglich. Termination meint im angloamerikanischen Recht grundsätzlich die Vertragsbeendigung mit Wirkung in die Zukunft.31 Beispiele: „This agreement is concluded for an indefinite period of time.“ „Either party may terminate this agreement for convince subject to months‘ prior written notice (optional) effective to the end of a calendar year.“
Streitbeilegungsklausel (Dispute Resolution Clause): Nicht immer können alle Unstimmigkeiten von vornherein benannt und in den Vertragsverhandlungen beigelegt werden. Daher gehört zur Konfliktvermeidung auch eine Regelung wie diese 31 Ostendorf in Ostendorf; Kluth: Internationale Wirtschaftsverträge, § 2 Rn 52.
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Unstimmigkeiten effektiv und deeskalierend gelöst werden können. Der Lizenzvertrag sollte eine Klausel enthalten, dass bei Problemen und Unstimmigkeiten eine einvernehmliche Lösung innerhalb einer festgelegten Frist gesucht werden muss. Streitbeilegungsklauseln gehören zu den freiwilligen Vertragsbestandteilen. Zu den standardisierten Fällen gehören die Regelungen der Folgen eines Zahlungsverzugs. Klauselbeispiel für Zahlungsverzug: Beispiel 1: „Kommt der Lizenznehmer mit einer Zahlung in Verzug, so ist der Lizenzgeber zur Berechnung von Verzugszinsen berechtigt ...“ Beispiel 2: „If Buyer is in delay with payment, Seller is entitled to the payment of interest at a rate of seven percentage points above the base interest rate...“
Neben den häufig auftretenden Konfliktfällen wie Zahlungsverzug kann es auch zu nicht oder schwer vorhersehbaren Differenzen zwischen den Vertragsparteien kommen. In abstrahierter Form kann ein Vertrag auch eine Vorgehensweise in diesen Fällen regeln. So kann anstelle des gegebenen Gerichtsweges ein Schiedsgericht eingesetzt werden, um in erster Instanz Meinungsverschiedenheiten zu klären. Eine andere Möglichkeit der Streitbeilegung außerhalb eines ordentlichen Gerichtsverfahrens ist die sogenannte ‚Third Party Legal Opinion‘. Dabei werden Rechtsanwälte eingeschaltet. Sie gehört bei internationalen Verträgen zu den standardisierten Formen der Klärung. Üblicherweise ist die Third Party nur mit Rechtsfragen befasst. Die Auslegung der Vereinbarung gehört klassischer Weise nicht dazu. Dies bedeutet aber keinen Hinderungsgrund dies doch vorzunehmen. Das Vereinbaren einer Konfliktregelung außerhalb des ordentlichen Gerichtswegs hat den Vorteil, dass eine schnellere, weniger Aufmerksamkeit erzeugende und kostengünstigere Einigung möglich ist. Im Falle eines Fortbestehens des Dissenses bleibt der Weg zu den Gerichten auch weiterhin erhalten. Rechtswahlvereinbarung (Choice of Law): Innerhalb bestimmter Grenzen ist eine Wahl der anzuwendenden Rechtsordnung möglich. Bei Verträgen, bei denen die Vertragsparteien unterschiedlichen Rechtsordnungen entstammen, ist dies auch erforderlich. Häufig erfolgt die Rechtswahl durch den Lizenzgeber und ist nur schwer verhandelbar. Rechtswahlklauseln können immer nur das materielle Vertragsrecht betreffen. Zwingende Vorschriften wie das Steuerrecht oder kartellrechtliche Regelungen sind nicht verhandelbar. Zu diesen zwingenden Vorschriften gehören u.a. die EU-DSGVO, sowie die in den EU-Richtlinien zum Urheberrecht als zwingend angesehenen Vorschriften. Andernfalls wird die Einigung zwischen den Vertragsparteien nicht vom jeweiligen Staat anerkannt. Haben die Parteien eines internationalen Lizenzvertrages keine Rechtswahl vorgenommen, so bestimmt sich dann das anwendbare Recht innerhalb der EU nach Art. 4 Rom I-VO.32 Ist die Rechtswahl strittig, sollte der Fall 32 Mels; Bask in Ostendorf; Kluth: Internationale Wirtschaftsverträge, § 21 Rn 35.
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an einen fachlich einschlägig bewanderten Juristen abgegeben werden. Wegen der Komplexität der damit zusammenhängenden Rechtsfragen handelt es sich hier nicht mehr um einen einfach gelagerten Fall. Auffangregelungen (default rules): Auffangregelungen dienen dem Erhalt der vertraglichen Vereinbarung, wenn sich ein Teil des Vertrags als ungültig oder als nicht durchführbar erweist. Die Salvatorische Klausel ist eine standardisierte Form einer Auffangregelung. Salvatorische Klausel (Severability Clause): Die sogenannte Salvatorische Klausel hat zum Inhalt, dass bei einer Teilnichtigkeit einzelner Bestimmungen die Wirksamkeit der übrigen Vertragsinhalte nicht berührt wird. Sie wird regelmäßig in Verträgen eingesetzt, ist aber nicht zwingend. Funktional ist sie eine Auslegungshilfe, die den Parteiwillen wiedergibt. Eine Gesamtnichtigkeit des Vertrags kann aber auch sie nicht verhindern, wenn die Nichtigkeit einer Klausel die Hauptleistungspflichten als den zentralen Inhalt des Vertrags betrifft. Denn dieser Teil kann weder durch ergänzende Vertragsauslegung noch durch eine Ergänzung mittels dispositiver Gesetzesnormen erfolgen. Unterschriften (Signature): Regelmäßig erfolgt eine Vertragsunterzeichnung durch Lizenzgeber und -nehmer. Damit wird der Wille jeder Vertragspartei bekundet, dass sie die vorhergehenden Regelungen anerkennt. Die Unterschrift schließt die im Dokument getroffenen Vereinbarungen ab. Der Begriff Unterschrift ist daher auch als notwendige Ortsangabe auf dem Dokument wörtlich i.S.v. „unter dem Vertragstext“ zu verstehen. Vor allem für elektronische Dokumente sind Alternativen zu einer händischen Unterschrift möglich. Vertragsanlagen (Attachments, Appendices, Annexes, Exhibits, Schedules): Um einen Vertrag übersichtlich zu gestalten und nicht zu überfrachten, werden Detailregelungen in die Vertragsanlagen verschoben. Häufig finden sich hier vor allem die technischen Details z.B.: –– Adressen der Standorte ggf. Konsortialteilnehmer; –– Art der Lieferung bzw. Bereitstellung des lizenzierten Materials; –– Authentifizierungsmethode (User-Id und Passwort und/oder IP-Check); –– Nennung von Kontaktmöglichkeiten für die Leistungsabwicklung und bei Störungen; –– Erläuterungen zu Preisen, Kosten und Berechnungsmodellen; –– Spezifikation des lizenzierten Materials z.B. Zeitschriftentitel, E-Book-Titel; –– Zusatzvereinbarung z.B. Lieferung von Metadaten, zusätzliche Nutzergruppen.
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15.3.6 Besondere Punkte bei der Ausgestaltung von Nutzungsverträgen in Bibliotheken und Informationseinrichtungen Zu den wichtigen Punkten einer vertraglichen Ausgestaltung von Nutzungsverträgen in Bibliotheken und Informationseinrichtungen gehört die Ausübung der Nutzung durch die Bibliothekskunden. Die Ausgestaltung in den Lizenzverträgen muss nicht notwendig mit der Ausgestaltung der Nutzungsberechtigungen identisch sein, erforderlich ist aber eine so große Übereinstimmung, dass eine Kompatibilität gegeben ist. Beispiel: Der Lizenzvertrag für die Datenbank D sieht in der ersten Preisstufe eine Berücksichtigung nur von Angehörigen der Hochschule H vor. Der Leiter der Hochschulbibliothek ist nur an Produkten der ersten Preisstufe interessiert. Um die Vertragsbedingungen einzuhalten, hat er daher sicherzustellen, dass nur Angehörige der Hochschule H Zugriff auf die Datenbank erhalten, nicht aber sonstige Gäste der Hochschulbibliothek. Dass an der Hochschulbibliothek H hinsichtlich der Nutzungsberechtigungen auf Grund der Nutzungsordnung der Bibliothek weiterhin zwischen Studierenden, Lehrenden und Verwaltungsmitarbeitern unterschieden wird, ist unerheblich. Entscheidend ist im Beispiel nur die vertraglich geforderte Trennung zwischen internen und externen Bibliotheksbenutzern.
Tabelle 18: Checkliste Regelung Nutzungsberechtigung im Lizenzvertrag. Benutzer
Findet eine Aufteilung der Berechtigungen in einzelne Nutzergruppen statt? Falls ja, wie erfolgt diese Aufteilung? Z.B. Hochschulangehörige – Gäste. Wie und wann erfolgen Änderungen des Vertrags oder des Entgelts, wenn sich die einzelnen Nutzergruppen zahlenmäßig ändern? Müssen Nachweise geführt werden? Falls ja, wie sind diese ausgestaltet? Wie und wann erfolgen Änderungen des Vertrags oder des Entgelts, wenn sich die einzelnen Nutzergruppen inhaltlich ändern?
Technischer Einsatz
Ist die Software mit den sonstigen Softwareangeboten der Bibliothek kompatibel? Falls nein, welche Besonderheiten gibt es? Entspricht die Software den im eigenen Hause vorgegebenen Nutzungsstandards? Ein Beispiel hierfür ist ein vorgegebener Verzicht auf Pop-upAnwendungen.
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Gegenleistung/Entgelt: Zu den Hauptleistungspflichten des Lizenznehmers gehört regelmäßig das Entrichten des Lizenzentgelts als Gegenleistung für die überlassenen Rechte. Die Art wie die Modalitäten des Entgelts ausgestaltet werden, sind durch die Vertragsparteien gestaltbar. Je nach Ausgestaltung des Vertrags kann eine Gegenleistung für die gesamte Leistung oder aber in bestimmte Leistungen aufgeteilt erfolgen. Beispiele hierfür sind die Pauschalierung des Entgelts, das zu Grunde legen von Maßzahlen oder die Ermittlung durch eine Kombination aus mehreren Berechnungsarten. Daher ist neben dem Punkt Nutzungsentgelt auf einen zusätzlichen Posten für Gebühren zu achten. Bei der Gestaltung der Entgeltmodalitäten sind das Steuerrecht und das Haushaltsrecht zu beachten. Diese enthalten gegebenenfalls Regelungen über die Art der Abrechnung, Abrechnungszeitraum und die Zahlung von Lizenzentgelten. Klauselbeispiel für eine Pauschallizenzgebühr: „§... License Fee In consideration for the investments already done by Licensor in connection with the development of Licensed database know-how and licensed copyrights, Licensee shall pay to Licensor, a non-refundable and non-creditable lump sum fee in the amount of Euro 20000.“
Die Vereinbarung von ansteigenden Lizenzgebühren ist innerhalb der EU kartellrechtlich unzulässig, wenn mit der Steigerung des Absatzes durch den Lizenznehmer die an den Lizenzgeber zu zahlende Lizenzgebühr unverhältnismäßig ansteigt. Besitzt der Lizenzgeber eine große Marktmacht auf dem für die Lizenz relevanten Markt, so kann dies zu einer Beschränkung des Absatzes führen. Beispielklausel für eine Anpassung der Lizenzgebühr: „§ ... Reduction of License Fee Licensee shall pay the complete license fees set forth in this Agreement as long as the ...“
Finanziell relevante Punkte können ferner Mindestabnahmen, Mindestlaufzeiten, besonderen Kündigungszeiten etc. sein. Die Zahlungsmodalitäten sind im Vertrag eindeutig zu regeln. Hierzu gehören das Zahlungsziel, die Währung und die Art der Rechnungsstellung. Sind die Kosten nicht transparent genug dargestellt, sollte ausdrücklich auf eine Erläuterung gedrungen werden, bis letzte Zweifel beseitigt sind. Datenschutz: Verlangt der Lizenzgeber bestimmte Daten, so hat der Lizenznehmer auf die effektive Gewährleistung eines Datenschutzes achten, der mindestens den für ihn selbst geltenden Standards entspricht. Der Lizenznehmer kann sich nicht über einen Nutzungsvertrag der für ihn geltenden datenschutzrechtlichen Standards entledigen. Dieser Grundsatz wurde durch die EU-DSGVO nochmals bekräftigt. Gewährleistung: Ein regelmäßig aktueller Punkt bei Lizenzverträgen ist die Frage, wie Ausfälle bei der Nutzung der Datenbank geregelt werden. Dies gilt zum einen für die Wiederherstellung eines nutzungsfähigen Zustandes. Zum anderen aber auch ab
Lizenzverträge und Gestaltung im Urhebervertragsrecht
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welcher Ausfallzeit eine Minderungsmöglichkeit des zu zahlenden Entgelts bzw. ein weitergehender Schadensersatz erfolgen kann. Eine Abhängigkeit kann dabei sowohl in der Anzahl der Fälle pro Zeiteinheit, in der jeweiligen Dauer und in der Kombination der beiden zuerst genannten Punkte bestehen. Beispiel: „...Kann die Datenbank nicht genutzt werden und liegt die Ursache beim Lizenzgeber, so sind bis zu drei Ausfälle pro Jahr und Dauer eines Ausfalls von bis zu zwei Stunden vom Lizenznehmer als akzeptabel hinzunehmen. Für weitergehende Ausfälle bzw. Ausfallzeiten kann der Lizenznehmer eine anteilige Minderung verlangen. So wird jede weitere angefangene Stunde während des Systemausfalls mit einem Tag Nutzungsentgelt verrechnet...“
Freistellungsklausel: Freistellungsklauseln dienen dem Schutz vor Rechten anderer. Sie werden zwischen den Vertragsparteien für den Fall vereinbart, dass ein Dritter versucht, sich an dem geschützten Vertragspartner mit einer Forderung schadlos zu halten. In einem solchen Fall verspricht der andere Vertragspartner, sich dieser Forderung anzunehmen und den geschützten Vertragspartner „freizustellen“. Somit sind Freistellungsklauseln rein schuldrechtlicher Natur. Damit wirken sie als sogenannte relative Rechte nur zwischen den Personen, zwischen denen sie vereinbart worden sind. Auf das Verhältnis zwischen dem Urheber und dem Nutzer haben sie ohne besondere Vereinbarung keinen Einfluss.33 Erhebt Anspruch gegen A
B
Freistellungsanspruch wegen Verlangen des A
C
Erfüllung des Anspruchs Abbildung 32: Wirkung einer Freistellungsklausel.
Archivierung: Die Archivierung der Daten, d.h. die dauerhafte Speicherung der lizenzierten Daten und ihre Nutzung sind gegebenenfalls vertraglich zu regeln. In der Regel ist für die Lizenznehmer der dauerhafte Zugriff auf das lizenzierte Material entscheidend. Hauptleistungspflicht Nutzungsbefugnis: Zu den Begriffen, die regelmäßig einer näheren Ausgestaltung bedürfen, gehört auch der Begriff der Nutzung wie er im technischen Sinne und dem alltäglichen Anwendungsverständnis aufgefasst wird. Regel33 Kraul in Raue; Hegemann: Münchner Anwaltshandbuch Urheber- und Medienrecht, § 2 Rn 155; LG München, ZUM-RD 2007, 302, 311.
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Teil 2: Typische urheberrechtliche Anwendungsfelder und Themenkomplexe
mäßig handelt es sich bei der Nutzung des Mediums um die von Seiten der Bibliothek gewünschte Hauptleistungspflicht. Entsprechend ist diesem Punkt bei der Vertragsgestaltung bzw. Vertragsverhandlung besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Dies gilt zum einen in der näheren Definition der Nutzungsbefugnis als auch der Einteilung nach Hauptleistungs- und Nebenpflichten bzw. Zusatzvereinbarungen. Der Begriff der Nutzung kann an verschiedene Handlungen bzw. Zustände anknüpfen. Wie bei vielen Begriffen kann zwischen abstrakten und konkreten Anknüpfungen unterschieden werden. Eine abstrakte Anknüpfung erfolgt z.B. beim Typ der Bibliothek wie Universitätsbibliothek, Fachhochschulbibliothek, Stadtbibliothek. Eine weite abstrakte Anknüpfung ist auch das Heranziehen von Zahlen der angemeldeten Nutzer oder der immatrikulierten Studenten. Dabei wird bereits die reine Nutzungsmöglichkeit gewertet. Dagegen erfolgt beim konkreten Anknüpfen das Auswerten von verhaltensabhängigen Handlungen. Eine Möglichkeit besteht darin, bereits das erste Aufrufen der auf die Eingangsseite folgenden Webseite als Nutzung zu werten. Ein anderes Verständnis der Nutzung setzt eine Aufnahmebereitschaft voraus. Daher kommt eine Nutzungshandlung nur in Betracht, wenn eine gewisse Verweildauer im jeweiligen Angebot gegeben ist. Diese Auffassung folgt der neueren Rechtsprechung des EuGH, der für den Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe ein „aufnahmebereites“ Publikum fordert.34 Wird hingegen die Webseite nur sehr kurz besucht, so liegt in diesem Sinne keine Nutzung vor. Denn beim flüchtigen Durchgehen von Listen ist der Bibliothekkunde in aller Regel nur an den gesuchten Informationen interessiert. Die hier dargestellten Möglichkeiten, Nutzungshandlungen unterschiedlich zu verstehen, sind nicht abschließend. Autorisierter Nutzerkreis: Ein weiteres Thema der Nutzungsberechtigung ist die Frage, welche Personengruppen zu den autorisierten Benutzern des Werks z.B. einer Datenbank gehören sollen. Häufig werden hier eher weitläufige Begriffe wie ‚Studierende‘ oder ‚Lehrende‘ verwendet. Um es nicht zu unnötigen Ausschlüssen kommen zu lassen, empfiehlt sich eine sorgfältige Prüfung dieses Punktes. Gegebenenfalls sollten Klarstellungen in den Definitionen des Vertrags oder durch nachträgliche Vereinbarungen erfolgen. Beispiel: Enthält der Vertrag die Formulierung „Angehörige der Hochschule“, so sind Gäste nicht involviert. Offen ist aber die Frage, ob z.B. freiberufliche Lehrbeauftragte noch zu den Angehörigen gezählt werden können. Eine enge Auslegung knüpft hier an den formalen Status der jeweiligen Person an. Danach spricht ein freiberuflicher Status gerade gegen eine Angehörigeneigenschaft. Stellt man hingegen durch eine weite Auslegung auf den Wirkungskreis des Hauses ab, so sind freiberufliche Dozenten gleichfalls Angehörige der Hochschule. Eindeutiger ist hingegen eine Feststellung wie: „Freiberufliche Lehrbeauftragte sind keine Angehörigen des Hauses.“/„Freiberufliche Lehrbeauftragte zählen im Sinne dieses Vertrags dann zu den Angehörigen des Hauses, wenn sie in der betreffenden Hochschule in den letzten drei Jahren mindestens 30 Unterrichtsstunden pro Jahr abgehalten haben und dies auch für das laufende Jahr so vorgesehen ist.“ 34 Von Ungern-Sternberg, GRUR 2013, 253; EuGH, GRUR 2012, 593 Rn 91, 98 (SCF).
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Die Lizenz sollte ferner die zeitlichen und geografischen Bereiche beschreiben. Dazu können z.B. die Möglichkeit von Simultannutzungen (concorrent user) oder der Fernzugriff (remote access) gehören. Langzeitverfügbarkeit (Long-Term Availability): Bei der Langzeitverfügbarkeit geht es um die Sicherstellung des dauerhaften Zugriffs auf Veröffentlichungen. Wird hingegen die Nutzungsdauer zeitlich begrenzt, so ergeben sich hieraus Fragen für Werke, die durch Bearbeitung aus den zeitlich begrenzten entstehen. So ist zu beachten, dass Archivierungsrechte bzw. Langzeitverfügbarkeit nicht notwendigerweise für das gesamte lizenzierte Material gelten. Dauerhafte Zugriffsrechte sollten sich nicht nur auf den Server des Lizenzgebers, sondern auch auf einen Server einer archivierenden Institution erstrecken können. Soll ein Cloud-Computing ermöglicht werden, so soll das näher erläutert bzw. klargestellt werden. Checkliste von Nutzungsvereinbarungen, die typischerweise bei elektronischen Medien in Betracht kommen: –– Räumlicher Umfang einschließlich der besonderen elektronischen Möglichkeiten wie VPN; –– Umfang des Kreises der Berechtigten; –– Zeitlicher Umfang; –– Zugriffsmöglichkeit auf den bisherigen Informationsbestand im Falle einer Beendigung des Hauptvertrags; –– Speichermöglichkeiten; –– Umfang der Recherchemöglichkeiten; –– Möglichkeiten der Bearbeitung; –– Integration in Möglichkeiten zur weiteren Nutzung, z.B. Literaturverarbeitungsprogramme; –– Kombinationsmöglichkeiten; –– Versandmöglichkeiten elektronischer Dokumente; –– Absicherung der Verfügbarkeit der Dokumente; –– Möglichkeiten der Unterlizensierung; –– Änderungsmöglichkeiten bzw. Möglichkeit von Teilkündigungen; –– Einbindung in lokale Produkte; –– Ausschluss der Verpflichtung, z.B. wegen höherer Gewalt, und wenigstens einer exemplarischen Aufzählung, was dazu zählt. Checkliste Nutzungsbeschränkungen: Nutzungsbeschränkungen können sich unter anderem beziehen auf: –– Vervielfältigungen: –– Vervielfältigungen jeglicher Art –– Vervielfältigungen wesentlicher Teile des Werks
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–– Systematische und wiederholte Vervielfältigungen; –– Weiterverbreitung; –– Unterlizensierung; –– Nutzung nur zu bestimmten privilegierten Zwecken wie Forschung und Lehre; –– Kommerzielle Nutzung; –– Ausschluss der Nutzung für bestimmte Zielsetzungen, z.B. Konkurrenzverbot, als nicht ethisch bewertete Vorhaben; –– Zeitraum – zeitliche Begrenzung; –– Räumlich – geografische Begrenzung.
15.3.7 Urheberrecht und Nachweisschutz Der Verzicht auf eine Registrierungspflicht oder zumindest einer Registrierungsmöglichkeit führt zwar zu einem Verzicht auf administrativen Aufwand, jedoch werden gleichzeitig die Nachweismöglichkeiten des Urhebers, dass gerade er ein bestimmtes Werk geschaffen hat, erschwert. Vor allem im Bereich von Softwareentwicklungen besteht ein Interesse an einem Nachweisschutz. Hier bemüht sich der Urheber den Bekanntheitsgrad seines geschaffenen Werks bewusst zu begrenzen. Denn das Urheberrecht schützt das Werk, nicht aber die dahinterstehenden Ideen und Konzepte. Beispiel: A möchte seine Webanwendungen einem kleinen Unternehmen zur Ansicht übersenden und gegebenenfalls verkaufen. Er hat jedoch Bedenken übervorteilt zu werden und möchte sich seine Rechte sichern.
Um eine Verbesserung der Nachweismöglichkeiten zu erreichen, obwohl keine Registrierung möglich ist, werden in der Praxis regelmäßig drei Wege beschritten: –– Eine Möglichkeit ist die sogenannte „amerikanische Methode“ Dabei wird ein Werkexemplar in einem versiegelten Umschlag an sich selbst geschickt. Hier hat er in einem Prozess regelmäßig mit dem Vorwurf der Fälschung zu rechnen.35 –– Ein traditionelles Mittel ist das Herbeiführen eines Zeugenbeweises. Dabei wird einem vertrauenswürdigen Dritten der Sachverhalt vorgeführt. Der Zeugenbeweis führt regelmäßig zu einer Verbesserung der Beweislage. Der Nachteil besteht in der Notwendigkeit eines weiteren Mitwissers. –– Weiterhin besteht die Möglichkeit der Vornahme einer Prioritätsverhandlung vor dem Notar. Dabei wird der Zeitpunkt der Hinterlegung eines Werkexemplars beurkundet. Alternativ besteht die Möglichkeit, ein Werkexemplar bei einem Anwalt hinterlegen zu lassen und sich den Hinterlegungszeitpunkt bestätigen zu lassen.36 35 Homann: Praxishandbuch Filmrecht, S. 15. 36 Homann: a.a.O., S. 15.
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Diese Vorgänge sind als sog. ‚poor man’s patent‘ bekannt. Sie führen zwar zu besseren Nachweismöglichkeiten hinsichtlich des Schutzrechts, nicht hingegen der dahinterstehenden Idee.
Zusammenfassung Verträge über Nutzungsrechte, über die Bibliotheken und Informationseinrichtungen den Zugang zu elektronischen Medien erhalten, sind in der Regel Verfahren, die sich für Standardisierungen eignen. Bisher bilden fast ausschließlich die jeweils verschiedenen allgemeinen Geschäftsbedingungen der einzelnen Anbieter die Vertragsgrundlage. Auf die Entwicklung und Anwendung von eigenen Standardisierungsverfahren wurde bislang im kommerziellen Beschaffungsbereich verzichtet. Auch wenn diese mit den EVB-IT für sonstige Beschaffungen aus dem IT-Bereich sehr naheliegen. Im Bereich der Open-Source-Produkte liegt mit den Creative Commons ein vergleichbares Standardisierungswerk vor. Da die Vertragsentwürfe fast ausschließlich von der Anbieterseite in Form von allgemeinen Vertragsbedingungen gestellt werden, fokussiert sich der Umgang mit Nutzungsverträgen in Bibliotheken vor allem auf das Verstehen der gestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter. Zu eigenen Vertragsgestaltungen kommt es in den Fällen, in denen die Bibliothek oder Informationseinrichtung verlegerisch tätig wird. Dazu können Hochschulschriftenverlage oder das Betreiben eines Open Depositories gehören. Verträge sind nicht notwendig starre Gebilde. Die Rechtsordnung bietet den Anwendern eine ganze Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten an, um auch nach Abschluss des Vertrags flexibel auf Änderungen zu reagieren.
16 Rechtedurchsetzung, Prozessrecht und Sanktionen Der Schwerpunkt im Kapitel Rechtedurchsetzung, Prozessrecht und Sanktionen liegt auf den Anwendungsfeldern im Bibliotheks- und Informationswesen. Dabei geht es um Verfahren, die regelmäßig vor einer Klage beschritten werden und diese gegebenenfalls verhindern können. Das Gerichtsverfahren für einen Urheberrechtsprozess wurde hingegen ausgespart. Es gehört nicht zum Alltag in Bibliotheks- und Informationseinrichtungen. Hier gelten die gemachen Ausführungen zur Zusammenarbeit zwischen Bibliothekaren und Juristen. Ein weiterer Punkt für die Schwerpunktsetzung in diesem Kapitel ist die Beschreibung von Anknüpfungspunkten für die Recherche von Inhabern von Nutzungsrechten.
16.1 Außergerichtliche Verfahren 16.1.1 Berechtigungsanfrage Besteht Unsicherheit über die Rechtsposition bzw. deren Qualität eines anderen Immaterialgüterrechts, so bietet sich die sogenannte Berechtigungsanfrage an. In dieser weist man auf die eigene Rechtsposition hin und bittet das Gegenüber, sich zu erklären, warum es sich berechtigt fühlt, eine bestimmte Handlung vorzunehmen. Kennzeichen der Berechtigungsanfrage ist, dass sie ohne Drohung dem anderen gegenüber erfolgt. Eine Berechtigungsanfrage ist vielmehr eine höfliche Aufforderung zu einer Stellungnahme. Die Berechtigungsanfrage kann daher auch als Mittel verwendet werden, neue oder politisch umstrittene Positionen vorsichtig auszutesten, ohne ein gerichtliches Verfahren durch das Schaffen von Fakten zu riskieren. Ein Beispiel hierfür ist das Austesten des Verständnisses einer Schrankenregelung in einem konkreten Fall. Auf diese Weise schont eine Berechtigungsanfrage auch die eigenen Finanzen. Damit eine Berechtigungsanfrage nicht unnötig bereits als Abmahnung aufgefasst wird, ist bei der Darstellung der eigenen Position auf ein sprachliches Feingefühl zu achten.1 Empfehlenswert ist es, bei einer Berechtigungsanfrage um eine Bestätigung zu bitten. Bei der Bitte um eine Bestätigung ist darauf zu achten, dass diese nicht den eigenen Handlungsspielraum einschränkt. Letzteres wäre ein Angebot zu einem Feststellungsvertrag, welches für ein Wirksamwerden angenommen werden muss und kein Bestätigungsschreiben im hier gemeinten Sinne. Eine Möglichkeit, sich diesen Freiraum zu erhalten, ist, den geplanten Beginn der Handlung mit einem konkreten Datum zu verknüpfen. Handelt es sich um einen ersten Kontakt, ist der Verzicht auf den Zugang der Zustimmung auf den Rechtsverkehr 1 OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2012 Az.: I-2 U 1/12. https://doi.org/10.1515/9783110707588-031
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mit geschäftserfahrenen Einrichtungen, Personen und Unternehmen beschränkt. Bestehen zu einer Privatperson bisher keine geschäftlichen Verbindungen kann auf diesem Wege keine Zustimmung erlangt werden. Hier ist ein Vertragsangebot erforderlich. Damit es zu einem Vertrag kommt, bedarf das Angebot der Annahme.2 Dies ist auch der Grund, warum ein Einholen von Nutzungsrechten durch einen Aufruf, „der Berechtigte möge sich melden, sonst gehe man von einer Zustimmung aus“ nicht wirksam ist. Das Schweigen einer Privatperson kann regelmäßig nicht als Zustimmung zum eigenen Begehren gewertet werden. Das Ergebnis einer Berechtigungsanfrage kann neben einer Vereinbarung auch die Regelung eines streitigen Verfahrens außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit sein. In Betracht kommen hier Schiedsgerichtsverfahren und eine Mediation. Wird ein Ergebnis vereinbart, so empfiehlt es sich, dieses schriftlich zu fixieren. Ein Übergehen in ein gerichtliches Verfahren ist jederzeit möglich. Beispiel: „…Unsere Einrichtung bezieht Ihre Datenbank XY seit dem 01.01.2020. Unsere Kundennummer ist 12345. Entsprechend der Formulierung § 12 Abs. 1 des Vertrags vom 10.11.2019 gehen wir davon aus, dass auch unsere Gastleser zur Nutzung der Datenbank XY berechtigt sind, soweit sich die Gastleser in unseren Räumlichkeiten aufhalten (walk-in-user). Eine andere Auslegung sehen wir als nicht mehr mit dem Wortlaut des Vertrags gedeckt an. Wegen des erklärungsbedingten Mehraufwands würden wir andernfalls den weiteren Bezug der Datenbank XY überdenken. Wir bitten Sie um eine kurze Bestätigung, um künftigen Nachfragen zuvorzukommen …“
16.1.2 Abmahnung Wie die Berechtigungsanfrage ist die Abmahnung ein vorprozessuales Mittel. Ziel des vorprozessualen Verhaltens ist es, den Konflikt außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens zu lösen. Solche Verhaltensformen bieten sich zum einen wegen der Chance auf eine schnellere Lösung als auch wegen einer geschäftlichen Rücksichtnahme an. Unter einer Abmahnung versteht man die Aufforderung, eine tatsächliche oder auch nur behauptete Rechtsverletzung zu unterlassen. Zweck der Abmahnung ist es, ein gesetzlich vorgesehenes Instrument zu sein, um einen (behaupteten) Rechtsverstoß rechtsverbindlich abschließend und ohne gerichtlichen Beistand zu regeln. Als Rechtsinstrument ist die Abmahnung auch über das Urheberrecht hinaus verbreitet. Eine Abmahnung wird bei Schutzrechtsverletzungen herkömmlich auch Verwarnung genannt.3 Ihr Charakter wird überwiegend als geschäftsähnliche Handlung eingestuft.4 Dem entsprechend sind die Normen über die Willenserklärungen anwendbar. Die Abmahnung hat sowohl eine Warnfunktion als auch eine Kostenvermeidungs2 Siehe auch Juraschko: Praxishandbuch Recht für Bibliotheken und Informationseinrichtungen, S. 70ff. 3 Rachow in Limper; Musiol: a.a.O., 21. Kap., Rn 208. 4 Köhler; Bronkamm: a.a.O., § 12 Rn 1.10; Rachow in Limper; Musiol: a.a.O., 21. Kap., Rn 208.
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funktion. Denn die Gerichtsverfahren sind regelmäßig sehr teuer und aufwendig. Liegt eine Abmahnung vor, stellt sich die Frage, wie darauf reagiert werden sollte. Vor einer Antwort ist intern zu klären, ob der Vorwurf zutrifft, und weiterhin, ob der behauptete Sachverhalt nachgewiesen werden kann. Bei der Abmahnung kommt es hingegen nicht darauf an, ob absichtlich oder versehentlich gehandelt wurde. Ebenso wenig ist es für die Abmahnung erheblich, ob dem Handelnden die Rechtslage bekannt war.5 Aus diesem Grunde wurde das Instrument der Abmahnung in der Vergangenheit auch oft missbraucht, um bestimmte Positionen durchzusetzen. Von den echten Abmahnschreiben sind die regelmäßig als Phishing-Mails versandten, abmahnähnlichen Schreiben zu unterscheiden. Selbst wenn ein echtes Abmahnschreiben vorab per E-Mail versandt wird, ist die folgende Zusendung per Brief oder Fax geschäftsüblich. Eine weitere Gruppe bilden die Fälle von Rechteanmaßung. Denn neben den tatsächlichen Urhebern, gibt es regelmäßig auch Fälle, in denen das Innehaben eines urheberrechtlichen Nutzungsrechts fälschlich behauptet wird. Dies kann auf Grund einer Fehleinschätzung oder auch absichtlich z.B. zum Zwecke von kostenpflichtigen Abmahnungen erfolgen. Beispiel: Fotograf F geht mit einer Abmahnung gegen A vor, weil er auf dessen Homepage angeblich sein Bild „Barockes Betongebäude Bibliothek im Abendrot“ eingestellt hat. Tatsächlich handelt es sich zwar um das gleiche Motiv, jedoch wurde die Aufnahme von A selbst erstellt. Soweit hier keine Klärung des Fehleinschätzung des F außergerichtlich möglich ist, liegt es nahe, der Klageerhebung entgegenzutreten. Selbst wenn F seine Fotografie früher als A erstellt hat, kann er allein aus der Motivauswahl keine exklusiven Rechte herleiten. Soweit es hier auf die Beweisbarkeit ankommt, ist nach schwer verfälschbaren bzw. erkennbaren Unterschieden in der Abbildung, z.B. Lichtverhältnisse, Tiefenschärfe, Personen (Zeugen), Entwicklungsstand von Gewächsen etc., zu suchen.
Ist eine unberechtigte Abmahnung mit einem ernsthaften und endgültigen Unterlassungsverlangen verbunden, so stellt sie einen Eingriff am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. an der Funktionsfähigkeit einer Behörde des Abgemahnten dar. Bei zusätzlichem Verschulden ist auch ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB wegen der Verletzung eines „sonstigen Rechtes“ möglich.6 Eine Abmahnung enthält charakteristische Elemente, die in dem eingegangenen Schreiben kritisch hinterfragt werden sollten. Notwendig ist eine Abmahnberechtigung des Rechteinhabers oder dessen Vertreter. Selbsternannte Ordnungshüter oder Trittbrettfahrer sind nicht abmahnberechtigt. Sind der Rechteinhaber oder dessen Vertreter weder bekannt noch offenkundig, so können Nachweise der Berechtigung erwartet werden. Liegen diese nicht vor, empfiehlt es sich, die Berechtigung anzuzweifeln und diesen Zweifel dem Gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Weiterhin hat eine konkrete 5 Die Frage nach einer Erkennbarkeit bzw. nach dem Verschulden ist hingegen eine arbeits- bzw. dienstrechtlich relevante Frage. 6 Wandtke: a.a.O., Kap. Rn 8.
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Beschreibung des Vorwurfs zu erfolgen, der zur Abmahnung führen soll. Konkret heißt, dass der beschriebene Rechtsverstoß nachvollzogen werden kann. Dabei kommt es auf die Sichtweise an, ob eine objektive dritte Person der Beschreibung folgen könnte. Erforderlich ist ferner eine unmissverständliche Aufforderung, die beschriebene Rechtsverletzung zu unterlassen. Hierzu kann auch das Löschen einer Datei gehören. Ebenfalls unmissverständlich hat ferner die Aufforderung zu erfolgen, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Regelmäßig gilt das Dringen auf eine Unterlassungserklärung dann als ernsthaft genug, wenn bei einem Verstoß gegen die angestrebte Vereinbarung eine Vertragsstrafe fällig wird. Hier wird von einer sogenannten strafbewährten Unterlassungserklärung gesprochen. Das Dringen auf eine Unterlassungserklärung ist regelmäßig mit einer Fristsetzung verbunden. Diese verlangt vom Abgemahnten, die geforderten Handlungen innerhalb der gewährten Zeit vorzunehmen. Rechtlich nicht erforderlich, in der Praxis teilweise aber häufig schon ein Selbstzweck, ist die Aufforderung in der Abmahnung zur Zahlung eines Schadensersatzes. Dieser setzt ein Verschulden voraus. Hat der Rechtsverletzer sich erkennbar und ernsthaft um Aufklärung bemüht, kann ihm kein Schuldvorwurf gemacht werden. Mangels wenigstens fahrlässigen Verhaltens kommt ein Schadensersatzanspruch dann nicht in Betracht. Ob ein ernsthaftes Bemühen um Aufklärung vorliegt, ist aus Sicht eines objektiven Dritten zu beurteilen. Lediglich ein Cover zu lesen und die Namen mit Hoffnung auf eine Telefonnummer in eine Internetsuchmaschine einzugeben, ist in keiner Weise ausreichend. Erwartet werden kann ein fachgerechtes Vorgehen. Ein angefertigtes und nachvollziehbares Rechercheprotokoll kann hier ein wichtiges Indiz darstellen. Zum Schadensersatz gehören z.B. die entgangenen Lizenzentgelte. Zulässig ist es, innerhalb bestimmter Grenzen die Kosten für die Erstellung der Abmahnung geltend zu machen. Im Gegensatz zu der von der regelmäßig vom Abmahnenden suggerierten Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten ist das tatsächliche Handlungsspektrum der Reaktionsmöglichkeiten erheblich weiter. Daher sollte jeder in der Abmahnung geforderte Punkt hinsichtlich der generellen Entscheidung und hinsichtlich des Umfangs geprüft werden. Jedoch ist der Abmahnende keineswegs zu einer Verhandlung gezwungen und kann auch weiterhin in vollem Umfang auf seine ursprüngliche Forderung bestehen und Klage bei Gericht erheben. Aber auch im laufenden Prozess hat der Inanspruchgenommene noch die Möglichkeit, die strafbewehrte Unterlassungserklärung erst jetzt abzugeben. Damit kann der Schuldner einer als wahrscheinlich bevorstehenden Verurteilung entgehen. Die vom Abmahnenden gewünschte Handlungsweise ist die Abgabe der Unterlassungserklärung und Zahlung des vollen Schadensersatzes. Ist die Rechtsverletzung tatsächlich und nachweisbar erfolgt, so kann ein Gerichtsverfahren nur durch das Ausräumen der Wiederholungsgefahr erfolgen. Regelmäßig erfolgt dies nur durch Unterzeichnen und Rücksendung der strafbewährten Unterlassungserklärung. Die gegenteilige Option ist die ausdrückliche Ablehnung und Zurückweisung der Forde-
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rung. In den Folgen gleich ist, keine Reaktion auf eine Abmahnung zu zeigen. Jedoch sollte auch die Reaktion „nicht antworten“ gründlich durchdacht und geprüft werden. In diesem Fall und bei der reinen Ablehnung ist ein folgendes Gerichtsverfahren wahrscheinlich. Dies ist hinsichtlich der Finanzplanung entsprechend zu berücksichtigen. Auf die Abmahnung kann aber auch modifiziert geantwortet werden. Zu den einfachsten Formen gehört hier die Bitte bzw. Mitteilung an die Gegenseite um eine Fristverlängerung, um den Vorhalt entsprechend prüfen zu können. Eine andere Antwortmöglichkeit ist die Abgabe der Unterlassungserklärung, aber keine Zahlung des geforderten Schadensersatzes. Ein Grund hierfür kann sein, dass der Abmahnende trotz des Rechtsverstoßes Schwierigkeiten hat, einen konkreten Schaden oder die Schadenshöhe beziffern zu können. Eine andere Variante ist die Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung, die durch Streichen bestimmter Passagen im vorliegenden Text oder durch komplette Neuformulierung erstellt wird. Ferner erfolgt keine Zahlung von Schadensersatz. Schließlich kann die Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung, die durch Streichen bestimmter Passagen im vorliegenden Text oder durch komplette Neuformulierung erstellt wird, in Betracht kommen. Gleichzeitig erfolgt die Zahlung von Schadensersatz in einer anderen, nach eigener Rechnung bestimmten Höhe. Eine solche Option bietet sich an, wenn der Rechtsverstoß an sich und ein Teil des Schadens der Höhe nach bezeichnet werden können, ein weiterer Teil des Schadens hingegen nicht näher bestimmt oder nachgewiesen wird. Ebenso wird hierdurch einer überhöhten Forderung wegen einer zu großzügigen Berechnung begegnet. Ferner wird durch die Modifikation der Unterlassungserklärung das künftige Risiko minimiert, gegen diese zu verstoßen. Mit der Akzeptanz der Unterlassungserklärung wird ein Unterlassungsvertrag geschlossen. Ein Unterlassungsvertrag kann wie jedes Dauerschuldverhältnis aus einem wichtigen Grund gem. § 314 BGB gekündigt werden. In diesem Fall müssen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände unzumutbar sein und die Gründe beim Kündigungsgegner liegen.7
7 BGH, NJW 2010, 1874, 1875.
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Abmahnung mit strafbewährter Unterlassungserklärung und Schadensersatzforderung / Aufwendungsersatz
Akzeptanz der Unterlassungserklärung und Zahlung des vollen Schadensersatzes bzw. Aufwendungsersatzes
Ausdrückliche Ablehnung der Unterlassungserklärung
Nichtreaktion
Zahlung von Schadensersatz in voller Höhe
Keine Zahlung von Schadensersatz
Modifizierte Form der Unterlassungserklärung
Zahlung von weniger Schadensersatz als gefordert
Abbildung 33: Handlungsmöglichkeiten bei einer Abmahnung.
16.2 Prozessvorbereitende Schritte Zu der oben erwähnten effektiven Zusammenarbeit von Bibliothekaren und Juristen gehört das Abstimmen organisatorischer Schritte innerhalb der Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Aus der Vielzahl der Möglichkeiten sind an dieser Stelle der Hinweis auf die einstweilige Verfügung und die Vorbereitung der Beweisführung durch Dokumente herausgegriffen. Nach § 101 Abs. 7 UrhG kann in Fällen einer offensichtlichen Rechtsverletzung die benötigte Auskunft auch auf dem Wege der einstweiligen Verfügung verlangt werden. Das Eilverfahren der einstweiligen Verfügung gem. §§ 935, 940 ZPO dient dazu, eine unmittelbar bevorstehende Veröffentlichung oder Vervielfältigung zu verhindern, ohne zuvor ein langwieriges Hauptsacheverfahren durchzuführen. Wegen der kurzfristigen Wirkung wird die einstweilige Verfügung im Urheberrecht häufig eingesetzt. Die einstweilige Verfügung ist als effektiver Rechtsschutz in Art. 19 Abs. 4 GG garantiert. Dementsprechend ist eine organisatorische Berücksichtigung von Eilverfahren vorzunehmen. Neben der schlüssigen Darlegung der eigenen Position kommt es bei den beweisbedürftigen Fragen zusätzlich auf die Beweisbarkeit an. Festzustellen, wann eine Frage beweisbedürftig ist, gehört zum Aufgabengebiet eines Juristen. Jedoch erfolgt zu diesem Zeitpunkt der Rückgriff auf eine in der Vergangenheit angelegten Dokumentation bzw. die Aufforderung, Zeugen für den jeweiligen Vorgang zu nennen. In einigen Fällen ergibt sich die Dokumentation aus haushaltsrechtlichen Gründen. Dies gilt für Vorgänge, bei denen mit einer Kontrolle des Rechnungshofes oder eines Wirtschaftsprüfers zu rechnen ist. Ob neben der eigenen Rechtsvertretung und gerichtlichen Anfrage bzw. Weisung darüber hinaus auch der Prozessgegner Zugang zu bisher internen Informationen erhält, hängt davon ab, ob dem Prozessgegner im jeweiligen Fall ein Auskunftsanspruch zusteht. Zu der Frage, ob ein solcher Auskunftsanspruch dem Prozessgegner zusteht und wenn ja, in welchem Umfang sollte
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ein Jurist konsultiert werden. Besteht ein solcher Auskunftsanspruch zu Recht, so ist dieser unverfälscht zu erfüllen. Daher dürfen zu diesem Zeitpunkt keine unbenannten Änderungen an den Dokumenten mehr durchgeführt werden. Ferner haben benannte Änderungen in einer solchen Form zu erfolgen, dass die Originalversion ohne Schwierigkeiten erkannt werden kann. Der Auskunftsanspruch ist auch dann nicht erfüllt, wenn die beklagte Bibliothek zwar zutreffende Informationen zu der konkreten Frage geliefert hat, diese aber so unvollständig sind, dass die jeweilige Frage aus Sicht eines objektiven Dritten anders als tatsächlich zutreffend zu beantworten wäre. Daher sind bei einem bestehenden Auskunftsanspruch die Informationen zutreffend und vollständig zu liefern. Dieser Umstand ist bereits beim Anlegen einer Dokumentation zu beachten. Somit sind arbeitstechnische Hinweise, die sich aus oder zur Bearbeitung der Akte im Innendienst der Bibliothek ergeben, sinnvollerweise gesondert zu führen. Daher sollte beispielsweise von Randbemerkungen auf Originaldokumenten abgesehen werden. Im gleichen Sinne empfiehlt es sich, E-Mails, die Bestandteil des Sachverhalts sind, von den rein arbeitstechnischen bereits während ihres Einsatzes sauber zu trennen. Ansonsten ergibt sich entweder der Eindruck der Unvollständigkeit oder es werden an die Gegenseite deren Argumente gleich mitgeliefert. Bereits durch die beschriebenen einfachen Schritte bei der Dokumentation bzw. Aktenführung im Vorfeld können spätere Schwierigkeiten in einer rechtlichen Auseinandersetzung vermieden werden. Der bisher vorgesehene gesetzliche Auskunftsanspruch wird bei einer entgeltlichen Übertragung eines Nutzungsrechts in § 32d UrhG zu einer mindestens jährlichen Berichtsverpflichtung aufgewertet. § 32d Abs. 2 UrhG unterscheidet Werkbeiträge, die hinsichtlich des Auskunftsanspruchs zu berücksichtigen sind bzw. bei denen Auskunft freiwillig ist. Kriterium nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG ist der Grad der Prägung, welcher von der Individualität des Werksbeitrags bestimmt wird. Gem. § 32 Abs. 2 Nr. 2 UrhG ist ein Auffangtatbestand für weitere Gründe, weswegen von einem Auskunftsanspruch bzw. eine Berichtspflicht abgesehen werden kann. Als Regelbeispiel ist hier ein unverhältnismäßiger Aufwand zwischen Einnahmen aus dem Werk und der Informationsverpflichtung genannt. Zudem ermöglicht der Gesetzgeber branchenspezifische kollektive Vereinbarungen zwischen den Urhebern und Verwertern. Als Auslegungshilfen ist hier eine Orientierung auch über die jeweiligen Vertragspartner hinaus zu erwarten. Eine weitere Beschränkung der Auskunftspflicht erfolgt hinsichtlich des Archivmaterials gem. § 133 Abs. 3 S. 1 UrhG durch Anwendung der neuen Bestimmungen auf Bestandsverträge. Auskunftsstellen können generell ausgelagert werden und durch eine beauftragte Stelle erfüllt werden. Dabei sind bei den personenbezogenen Daten die entsprechenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu wahren. Da die Auskunftsstelle unabhängig von ihrer Rechtsform immer Erfüllungsgehilfe des Auskunftspflichtigen ist,
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sind dem Auskunftspflichtigen sämtliche Handlungen und auch Fehler des Erfüllungsgehilfen zuzurechnen.
16.3 Ansprüche des Rechteinhabers Den urheberrechtlichen Positionen sind Ansprüche als Forderungen zugeordnet, um die entsprechenden Rechte durchsetzen zu können. Die bedeutendsten Arten von Ansprüchen sind der Auskunftsanspruch, der Anspruch auf Vorlage und Besichtigung, der Schadensersatzanspruch sowie der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch. Auskunftsansprüche wie in § 101 UrhG erleichtern die Ermittlung von möglichen Urheberrechtsverletzungen bzw. der Bestimmung des Ausmaßes. In § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG ist der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch geregelt. Der Beseitigungsanspruch setzt eine bereits begangene Verletzungshandlung voraus. Ziel des Unterlassungsanspruchs ist es, neue Verstöße gleicher Art zu verhindern. Dabei kann die Erwartungshaltung hinsichtlich des vermuteten baldigen künftigen Verstoßes auf zwei verschiedenen Arten erfolgen. Die eine begründet sich durch die Gefahr einer Wiederholung des Verstoßes, die sogenannten Wiederholungsgefahr. Eine Wiederholungsgefahr wird regelmäßig indiziert, wenn bereits eine Verletzungshandlung begangen worden ist.8 Die andere folgt aus dem erstmaligen, aber nachvollziehbar eindeutigem Verhalten. Hier wird von der Begehungsgefahr gesprochen. Im Gegensatz zu einem Schadensersatzanspruch ist bei der Begründung eines Unterlassungsanspruchs kein Verschulden erforderlich. Damit lässt sich ein Unterlassungsanspruch leichter begründen. Geht es um einen Unterlassungsanspruch, so kann auch die Haftung eines Störers bestehen. Störer ist, wer, ohne Täter zu sein, einen adäquat kausalen Beitrag zu der Urheberrechtsverletzung beigetragen hat. Die Verantwortlichkeit einer Person, obwohl sie die eigentliche Rechtsverletzung nicht begangen hat, existiert auch in anderen Rechtsgebieten. Um die Störerhaftung nicht ausufern zu lassen, besteht sie nur in definierten Anwendungsfällen. Nach § 97 Abs. 2 UrhG kann der Rechteinhaber bei einer Urheberrechtsverletzung zudem Schadensatz verlangen. Neben dem Verletzungstatbestand sind ein Verschulden und ein entstandener Schaden erforderlich. Dabei werden drei Arten der Schadensberechnung anerkannt: Die Berechnung des konkreten Schadens, die Lizenzanalogie und die Herausgabe des Verletzergewinns. Dabei bestehen nicht drei selbstständige Ansprüche nebeneinander, sondern es finden drei unterschiedliche Bestimmungen ein und desselben Schadens statt. Bei der konkreten Schadensberechnung handelt es sich um die herkömmliche Schadensberechnung der §§ 249 ff. BGB. Regelmäßig ist hier der entgangene Gewinn die zentrale Position. Die Schadensberechnung kann auch auf dem Wege der Lizenzanalogie erfolgen. Rechtsgrundlage für 8 BGH, GRUR 2011, 1038, 1042 (Stiftparfüm); BGHZ 14, 163, 167 (Constanze II).
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die Lizenzanalogie ist § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG. Nach dieser Norm hat der Verletzer das Entgelt für eine fiktive Lizenz zu erstatten. Dabei kann der Verletzte das erwarten, was ihm der Markt zum Verletzungszeitpunkt gegeben hätte, wenn er diese einem Interessierten angeboten hätte.9 Gemäß geltenden Rechts gibt es keinen Verletzerzuschlag.10 Bei dem Verletzerzuschlag handelt es sich um einen Strafzuschlag, der dennoch hartnäckig geltend gemacht wird.11 Die Entscheidung des LG Düsseldorf12 von 1993 ist ein Einzelfall geblieben, der nicht als Leitentscheidung dienen kann. Einen Aufschlag auf die Lizenz als Schadensersatz hat der BGH bisher nur der GEMA zugestanden und dabei den Ausnahmecharakter der GEMA-Entscheidung betont.13 Von dem Verletzeraufschlag zu unterscheiden ist der ebenfalls praktizierte Aufschlag wegen unterlassener Urheberbenennung. Der Sache nach liegt ein eigener Fall der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts vor. Diese kann gem. § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG zum Schadensersatz führen. Problematisch sind hingegen die Darlegung und der Nachweis eines kausalen Schadens.14 Der Anspruch ist ab dem Zeitpunkt der Rechtsverletzung zu bezahlen.15 Gem. § 97 Abs. 2 S. 2 UrhG besteht ein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns. Der Anspruch dient neben der Schadensregulierung auch den Gedanken der Sanktionierung und der Prävention.16 Durch die Abschöpfung soll der Verletzer wieder das verlieren, was er durch seine Tat erlangt hat. Wird nur ein Teil eines Werks unerlaubt übernommen, so ist auch nur der durch diesen Teil erzielte Gewinn herauszugeben.17 Ein weiterer Anspruch ist der gem. §§ 809, 810 BGB auf Vorlage und Besichtigung. Er dient dem Ausgleich des Informationsgefälles zwischen Verletzer und Verletztem. Dieser Anspruch hat eine hohe Brisanz im Urheberrecht.18 Voraussetzung ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Rechtsverletzung.19 Im Vortrag des Anspruchsstellers müssen Indizien genannt werden, die für die Möglichkeit einer Rechtsverletzung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
9 BGH, GRUR 1990, 1008, 1009 (Lizenzanalogie). 10 Rachow in Limper; Musiol: a.a.O., 21. Kap., Rn 92. 11 Rachow in Limper; Musiol: a.a.O., 21. Kap., Rn 92. 12 LG Düsseldorf, GRUR 1993, 664 (Urheberbenennung bei Foto). 13 BGH, GRUR 1973, 379 (Doppelte Tarifgebühr); Rachow in: Limper; Musiol: a.a.O., 21. Kap., Rn 92. 14 Rachow in Limper; Musiol: a.a.O., 21. Kap., Rn 99. 15 BGH, GRUR 1982, 301, 304 (Kunststoffhohlprofil II); BGH, GRUR 1982, 286, 289 (Fersenabstützvorrichtung); Rachow in Limper; Musiol: a.a.O., 21. Kap., Rn 100. 16 BGH, GRUR 2001, 329, 330 (Gemeinkostenanteil); Rachow in Limper; Musiol: a.a.O., 21. Kap., Rn 101. 17 BGH, GRUR 1959, 379, 382 (Gaspatrone); Rachow in Limper; Musiol: a.a.O., 21. Kap., Rn 101. 18 Rachow in Limper; Musiol: a.a.O., 21. Kap., Rn 152. 19 Ständige Rspr. zu § 809 BGB: BGH, GRUR 2002, 1046 (Faxkarte); Rachow in Limper; Musiol: a.a.O., 21. Kap., Rn 156.
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sprechen. Einen definierten Prozentsatz als Schwellenwert gibt es nicht. Es ist auf den Einzelfall abzustellen und eine Interessenabwägung vorzunehmen. Entsprechend zu den Regelungen des Rechteerwerbs des Arbeitgebers, kennt das Urheberrecht auch die Ausdehnung der Haftung auf den Arbeitgeber bzw. Auftraggeber. § 99 UrhG nennt als Haftungsadressaten zwar den Unternehmer. Es ist jedoch anerkannt, dass Unternehmer i.S.v. 99 UrhG auch Körperschaften des öffentlichen Rechts betrifft.20 Hinsichtlich von Urheberrechtsverletzungen, die der öffentlichen Hand zuzurechnen sein können, kommen Staatshaftungsansprüche aus § 839 Abs. 1 i.V.m. Art. 34 Abs. 1 GG in Betracht. Dabei ist zu beachten, dass eine übergeleitete Haftung sich nicht verstärkt, sondern allenfalls in derselben Intensität transferiert wird.
16.4 Urheberstrafrecht Bei Verstößen gegen das Urheberrecht bestehen für bestimmte Fälle neben den zivilrechtlichen Folgen auch strafrechtliche Folgen. Diese sind vor allem: Die unerlaubte Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken gem. § 106 UrhG, das unzulässige Anbringen einer Urheberbezeichnung durch einen Dritten nach § 107 UrhG und unerlaubte Eingriffe in technische Schutzmaßnahmen und zur Rechtewahrnehmung erforderlicher Informationen gem. § 108b UrhG. Von § 108b UrhG werden beispielsweise Fälle des verbotenen Entfernens des Kopierschutzes erfasst. Wie § 108 UrhG zeigt, sind auch die verwandten Schutzrechte strafrechtlich geschützt. Das Strafrecht spielt bei urheberrechtlichen Fällen in Bibliotheken und Informationseinrichtungen eine eher randständige Rolle. Dies liegt daran, dass viele Rechteinhaber trotz der Wahrung eigener Interessen durch ein zivilrechtliches Vorgehen Bibliotheken und Informationseinrichtung wegen des Medienerwerbs als Kunden oder potenzielle Kunden sehen und daher von einer stärkeren Eskalation durch ein strafrechtliches Verfahren absehen. Daher wird der in den meisten Fällen nach § 109 UrhG erforderliche Strafantrag nicht gestellt. Die Verfolgung von Straftaten wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht auf Grund einer Bejahung des öffentlichen Verfolgungsinteresses durch die Staatsanwaltschaft ist bisher sehr selten. In zahlreichen Fällen, in denen es bisher zu Strafanträgen gem. § 109 UrhG gekommen war, war der Wunsch nach Informationsgewinnung ein zentrales Element. Denn während sich im Zivilverfahren der Kläger um die Aufklärung des Sachverhalts bzw. um die Erbringung der klagestützenden, beweisbedürftigen Tatsachen selbst zu kümmern hat, ermittelt im Strafverfahren die Staatsanwaltschaft mit weiterreichenden Befugnissen. Über die Einsicht in die Strafakte hat die anwaltliche Vertretung der Nebenklage die Möglichkeit wichtige Informationen für den späteren Zivilprozess zu gewinnen. 20 BGH, GRUR 2019, 813–825 (Corduba II).
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16.5 Bibliothekskunden juristische Sachverhalte erklären Zu den wesentlichen Teilen der Rechtsanwendung in Bibliotheken gehört die Vermittlung der sich aus dem Urheberrecht ergebenden Folgen. Beispiele hierfür sind die Gestaltung von urheberrechtlich zulässigen kundenorientierten Serviceleistungen, Gespräche mit Nutzern, die innerhalb der Bibliotheksräume gegen das Urheberrecht verstoßen haben, etc. Ziel ist die Durchsetzung von notwendigen rechtlichen Standards, indem ein möglichst hoher Grad an Verständnis und Akzeptanz beim Benutzer und Kunden erreicht wird. Dabei wird im Einzelfall nicht immer das optimale Ziel eines hohen Grades an Verständnis und Akzeptanz erreicht. Entscheidend ist aber die generelle Linie. Dies gilt auch dann, wenn man selbst mit dem einen oder anderen derzeitigen Ergebnis der Rechtslage inhaltliche Schwierigkeiten hat. Aktionen, die eine Änderung der derzeitigen Rechtslage bewirken sollen, werden damit keineswegs ausgeschlossen. An dieser Stelle wird jedoch für eine klare Trennung zwischen Rechtspolitik und bibliothekarischem Alltag plädiert. Die Trennung entspricht bei öffentlich-rechtlich organisierten Bibliotheken der Dienstpflicht zur Bindung an Recht und Gesetz der Verwaltung. Bei privatrechtlich organisierten Bibliotheken entspricht sie den arbeitsrechtlichen Verpflichtungen. Auch wenn ein Projekt nach einer rechtlichen Prüfung derzeit nicht den rechtlichen Vorgaben entspricht, bedeutet dies nicht automatisch das endgültige Scheitern. Vielmehr ist zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen das Projekt rechtskonform durchgeführt werden kann. Ein Beispiel hierfür ist, dass ein entsprechendes Datenbankangebot nur In-house-Kunden angeboten werden kann. Hier bestehen die Möglichkeiten, das Angebot nur für In-houseKunden weiterzugeben, das Angebot des Verlags abzulehnen oder erfolgreich weiter zu verhandeln. Zu den zentralen Elementen der Vermittlung von urheberrechtlich bedingten Folgen der bibliothekarischen Dienstleistungen gehört eine übersichtliche und verständliche Kommunikation. Grundvoraussetzung für jede Regelbefolgung ist, dass die erwünschte Verhaltensweise vom Gegenüber verstanden wird. Eine inhaltliche Zustimmung des Benutzers ist im Hinblick auf die Normbefolgung sehr hilfreich, nicht aber zwingende Voraussetzung. Ziel ist es, einen möglichst hohen Anteil der Benutzer, vor allem aber der wichtigen Hauptbenutzergruppen inhaltlich mitzunehmen. Dabei können neben der Schriftsprache auch andere Formen der Verdeutlichung der rechtlichen Regeln verwendet werden. Bei diesem Transfer zwischen Rechtsgrundlage bzw. offizieller Version der Rechtsgrundlage und Transfernormen, z.B. Darstellung einer Nutzungsordnung in Piktogrammen, ist streng darauf zu achten, dass keine unerwünschten Abweichungen oder fehlerhaften Interpretationsspielräume entstehen. Ferner sollen die Ge- und Verbote klar erkennbar sein. Letzteres ist der Grund, weshalb die Abfassung der Regelungen in der Schriftsprache die häufigste Darstellungsform ist. Trotz des verständlichen Bedürfnisses, die Klarheit durch Einfachheit und Kürze gestalten zu wollen, sollten reine Verbotskataloge vermieden werden. Zum einen beantwortet eine reine Negativabgrenzung nicht immer alle
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Fragen. Zum anderen wirkt eine reine Verbotskultur kundenfeindlich. Ein Lösungsbeispiel ist hier die Gegenüberstellung von sachlich bedingten Verboten mit Geboten oder Möglichkeiten und Alternativen. Negativbeispiel: Auf dem Aushang neben dem Kopierer steht: „Das Kopieren von ganzen Büchern ist gesetzlich verboten!“ Positivbeispiel: Auf dem Aushang neben dem Kopierer steht: „Nach dem geltenden Urheberrecht ist das vollständige Kopieren von Büchern über 25 Seiten untersagt. Sie haben die Möglichkeit einer Leihe. Kopieren ist innerhalb des gesetzlichen Rahmens (Urheberrechtsgesetz) zulässig.
Eine weitere Ebene sind urheberrechtliche Fragen, die in persönlichen Gesprächen mit Bibliothekskunden gestellt werden. Bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der Antwort, sollte die Frage schriftlich fixiert werden. Es folgt das Angebot, Erkundigungen einzuziehen und die Antwort dem Bibliothekskunden später zukommen zu lassen. Das Versprechen der Beantwortung ist selbstredend einzuhalten. Mit einer gewissen Häufigkeit erfolgen Nachfragen nach Leistungen durch Bibliothekskunden, die über die urheberrechtlich gestatteten Befugnisse hinausgehen. Neben der Ablehnung der zu weit gehenden Anfrage wird den Kunden das entsprechende Leistungsspektrum der Bibliothek, gegebenenfalls auch die Weiterempfehlung an eine im konkreten Fall geeignetere Informationseinrichtung, angeboten. Mit Ausnahme des Hinweises auf Alternativangebote im Falle der Ablehnung eines Begehrens, lassen sich hier keine allgemeingültigen Vorgehensweisen empfehlen. Hier beginnt das Gebiet der Kommunikationspsychologie und Beratungskompetenz.
Zusammenfassung Sind Bibliotheken und Informationseinrichtungen in einen urheberrechtlichen Streit verwickelt, so geschieht dies regelmäßig in einem außergerichtlichen Verfahren. Zu häufig verwendeten Mitteln in einem außergerichtlichen Verfahren gehört die Abmahnung. Ein weiteres Mittel ist die Berechtigungsanfrage. Diese ist als Instrument besonders geeignet, Positionen auszutauschen und auf einem einvernehmlichen Wege zu einer Lösung zu kommen. Der Anspruchinhaber kann andererseits sein Begehren auch auf gerichtlichem Wege geltend machen. Neben einem Unterlassen ist bei einem vorliegenden Verschulden Schadensersatz einer der häufigsten Klagegründe. Der Schadensersatz kann nach geltendem Recht in dreierlei Weise berechnet werden. Auf welche Art der Schadensersatz berechnet werden soll, bestimmt der Anspruchinhaber. Das Urheberrecht ist fast ausschließlich zivilrechtlich ausgestaltet. Es gibt jedoch auch strafrechtliche Normen. Das Urheberrecht einzuhalten, gehört zu den Pflichtaufgaben von Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Ferner kann erwartet werden, dass die Bibliothekskunden fachlich korrekt und inhaltlich ver-
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ständlich über urheberrechtlich bedingte Folgen des bibliothekarischen Leistungsangebots informiert werden.
Ausblick Urheberrechtliche Sachverhalte nehmen im Alltag von Bibliotheken und Informationseinrichtungen ein breites Spektrum ein. Dabei ist die Rechtslage in sehr vielen Fällen in Deutschland, der Schweiz und in Österreich ähnlich. Eine besondere Bedeutung nimmt hier das Unionsrecht ein, welches das Urheberrecht vor allem in den letzten Jahren maßgeblich beeinflusst hat. Ebenfalls vielfältig und breit gefächert sind die Handlungsspielräume und Gestaltungsmöglichkeiten. Dies begründet sich vor allem im zügigen technischen Fortschritt, der regelmäßig neue Herausforderungen an den Rechtsanwender stellt. Dabei sind rechtliche und organisatorische Gestaltungsmöglichkeiten nicht isoliert, sondern in einer geordneten Kombination miteinander zu sehen. Das Urheberrecht wirkt sich nicht nur regulierend auf das Serviceangebot von Bibliotheken und Informationseinrichtungen aus, sondern unterstreicht durch die Rechercheverpflichtungen auch die Bedeutung dieser Einrichtungen.
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Verzeichnis Gerichtsentscheidungen Bundesverfassungsgericht BVerfG, GRUR 1989, 137 (Vergütungsanspruch Vollzugsanstalt). BVerfG, GRUR 2001, 149 (Germania 3). BVerfG, GRUR 2005, 880 (Xavier Naidoo). BVerfG, GRUR 2012, 389 (Onlinearchiv). BVerfG, GRUR 2012, 904 (gebrauchte Softwarelizenzen). BVerfG, NJW 1993, 1462 (Heinrich Böll). BVerfG, NJW 2002, 3458ff. (Scientology-Mitgliedschaft). BVerfG, ZUM 2000, 316. BVerfGE 30, 173 (Mephisto). BVerfGE 31, 229 (Schulbuchprivileg). BVerfGE 31, 255 (Private Tonbandvervielfältigungen). BVerfGE 31, 275, 287 (Bearbeiterurheberrechte). BVerfGE 36, 321 (Schallplatten). BVerfGE 49, 382 (Kirchenmusik). BVerfGE 75, 369 (Strauß-Karikatur). BVerfGE 105, 252 (Glykolwein). BVerfGE 105, 279 (Jugendsekte). BVerfGE 119, 1 (Roman Esra).
Bundesgerichtshof BGH, CR 2011, 223 (UsedSoft). BGH, GRUR 1952, 257. BGH, GRUR 1955, 201 (Cosima Wagner). BGH, GRUR 1959, 379. BGH, GRUR 1961, 361. BGH, GRUR 1971, 35. BGH, GRUR 1971, 525 (Petite Jaqueline). BGH, GRUR 1971, 588. BGH, GRUR 1972, 713. BGH, GRUR 1973, 379. BGH, GRUR 1974, 675. BGH, GRUR 1978, 474. BGH, GRUR 1980, 227 (Monumenta Germaniae Historica). BGH, GRUR 1981, 267. BGH, GRUR 1981, 352 (Staatexamensarbeit). BGH, GRUR 1982, 37 (WK-Dokumentation). BGH, GRUR 1982, 107 (Kircheninnenraum-Gestaltung). BGH, GRUR 1982, 286. BGH, GRUR 1982, 301. BGH, GRUR 1982, 727 (gefunkter Film). BGH GRUR 1984, 54 (Kopierläden). BGH, GRUR 1984, 117 (VOB/C). https://doi.org/10.1515/9783110707588-033
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Verzeichnis Gerichtsentscheidungen
BGH, GRUR 1984, 659 (Ausschreibungsunterlagen). BGH, GRUR 1985, 129 (Elektrodenfabrik). BGH, GRUR 1985, 529 (Happening). BGH, GRUR 1985, 874. BGH, GRUR 1986, 59 (Geistchristentum). BGH, GRUR 1986, 736. BGH, GRUR 1986, 739 (Anwaltschriftsatz). BGH, GRUR 1987, 166 (AOK Merkblatt). BGH, GRUR 1988, 373. BGH, GRUR 1989, 106 (Oberammergauer Passionsspiele). BGH, GRUR 1989, 417. BGH, GRUR 1990, 669 (Bibelreproduktion). BGH, GRUR 1990, 1008 (Lizenzanalogie). BGH, GRUR 1991, 133 (Videozweitauswertung). BGH, GRUR 1991, 449 (Betriebssystem). BGH, GRUR 1991, 531 (Brown Girl I). BGH, GRUR 1992, 310 (Taschenbuchausgabe). BGH, GRUR 1992, 382 (Gerichtliche Leitsätze). BGH, GRUR 1994, 191 (Comic-Serie). BGH, GRUR 1994, 363. BGH, GRUR 1994, 800 (Katalogbild). BGH, GRUR 1995, 212 (Videozweitauswertung III). BGH, GRUR 1995, 581 (Schmuck). BGH, GRUR 1995, 668 (Bildfälschung). BGH, GRUR 1995, 673 (Berliner Mauerbilder). BGH, GRUR 1999, 230 (Treppenhausgestaltung). BGH, GRUR 1999, 923 (Telefonbücher). BGH, GRUR 2001, 329. BGH, GRUR 2001, 1036. BGH, GRUR 2002, 248 (Spiegel CD-ROM). BGH, GRUR 2002, 605 (Panoramafreiheit). BGH, GRUR 2002, 799. BGH, GRUR 2002, 963 (Elektronischer Pressespiegel). BGH, GRUR 2002, 1046. BGH, GRUR 2003, 231 (Staatsbibliothek). BGH, GRUR 2003, 699. BGH, GRUR 2003, 859 (Paperboy). BGH, GRUR 2005, 670 (Wirtschaftswoche). BGH, GRUR 2005, 860 (Flash 2000). BGH, GRUR 2005, 937 (Zauberberg). BGH, GRUR 2007, 137 (Bodenrichtwertsammlung). BGH, GRUR 2008, 984 (St. Gottfried). BGH, GRUR 2009, 479. BGH, GRUR 2009, 852 (Elektronischer Zolltarif). BGH, GRUR 2009, 946 (Reifen Progressiv). BGH, GRUR 2009, 1046 (Kranhäuser). BGH, GRUR 2009, 1085 (Wer wird Millionär?). BGH, GRUR 2009, 1089 (Politiker-Wohnhaus). BGH, GRUR 2010, 62 (Musik für Werbezwecke).
Bundesgerichtshof
BGH, GRUR 2010, 628 (Vorschaubilder I). BGH, GRUR 2010, 835 (Power Ball). BGH, GRUR 2010, 1004 (Autobahnmaut). BGH, GRUR 2010, 1093 (Concierto de Aranjuez). BGH, GRUR 2011, 59. BGH, GRUR 2011, 134 (Perlentaucher). BGH, GRUR 2011, 724 (Zweite Zahnarztmeinung II). BGH, GRUR 2012, 819 (Blühende Landschaften). BGH, GRUR 2012, 914 (Take Five). BGH, GRUR 2012, 916 (M2Trade). BGH, GRUR 2011, 995 (Besonderer Mechanismus). BGH, GRUR 2011, 1038 (Stiftparfüm). BGH, GRUR 2012, 1017 (Digitales Druckzentrum). BGH, GRUR 2012, 1022 (Kommunikationsdesigner). BGH, GRUR 2012, 1031 (Honorarbedingungen Freie Journalisten). BGH, GRUR 2013, 509 (Quellcode). BGH, GRUR 2013, 614 (Metall auf Metall II). BGH, GRUR 2013, 818 (Die Realität). BGH, GRUR 2014, 549 (Meilenstein der Psychologie II). BGH, GRUR 2017, 901 (Afghanistan-Papiere). BGH, GRUR 2017, 1027 (Reformistischer Aufbruch). BGH, GRUR 2021, 714-721 (Saints Row). BGH, GRUR Int. 2009, 616. BGH, GRUR-RR 1999, 707 (Kopienversanddienst). BGH, NJW 1990, 3011. BGH, NJW 1990, 3026 (Pornografie und Kunst). BGH, NJW 1992, 1320 (Taschenbuchausgabe). BGH, NJW 1999, 790 (Treppenhausgestaltung). BGH, NJW 2002, 3473 (Feldbusch-Foto). BGH, NJW 2003, 3633 (Gies-Adler). BGH, NJW 2007, 2394 (ASP-Vertrag). BGH, NJW 2008, 2346 (TV Total). BGH, NJW 2010, 1874. BGH, NJW 2010, 2661 (Half-Life 2). BGH, NJW 2012, 2805 (Kommunikationsdesigner). BGH, WRP 2021, 1572-1576 (Deutsche Digitale Bibliothek II). BGH, ZUM 1999, 566 (Kopienversanddienst). BGH, ZUM 1999, 644 (Laras Tochter). BGH, ZUM 2000, 160 (Comic-Übersetzungen II). BGH, ZUM 2002, 417 (Elektronischer Pressespiegel). BGH, ZUM 2002, 636 (Panoramafreiheit). BGH, ZUM 2005, 475 (Atlanta). BGH, ZUM 2009, 219 (Metall auf Metall). BGH, ZUM 2010, 431 (Der Name der Rose). BGH, ZUM 2011, 397 (UsedSoft). BGH, ZUM 2012, 33 (Stuttgart 21). BGH, ZUM-RD 2009, 497 (Gedichttitelliste III). BGH, ZUM-RD 2012, 192. BGHZ 9, 262 (Flugbild).
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Verzeichnis Gerichtsentscheidungen
BGHZ 13, 334 (Schacht-Brief). BGHZ 14, 163. BGHZ 15, 249 (Cosima Wagner). BGHZ 50, 147 (Wassily Kandinsky). BGHZ 58, 270. BGHZ 62, 331. BGHZ 73, 288 (Flughafenpläne). BGHZ 85, 1 (Zeitungsberichterstattung). BGHZ 90, 219 (Film-Features). BGHZ 94, 276 (Inkasso-Programm). BGHZ 95, 274 (GEMA-Vermutung I). BGHZ 112, 264 (Zaunlasur). BGHZ 116, 136 (Gerichtliche Leitsätze). BGHZ 118, 394, 398 (ALF). BGHZ 123, 142 (Videozweitauswertung). BGHZ 123, 208 (Buchhaltungssoftware). BGHZ 126, 313 (Katalogbildfreiheit). BGHZ 128, 336 (Videozweiauswertung III). BGHZ 131, 8 (Pauschale Rechteeinräumung). BGHZ 133, 281 (Klimbim). BGHZ 141, 13 (Kopienversanddienst). BGHZ 143, 255 (Logikverifikation). BGHZ 144, 232 (Parfumflakon). BGHZ 145, 7 (OEM-Vertrieb). BGHZ 151, 300 (Elektronischer Pressespiegel). BGHZ 152, 233 (CPU-Klausel). BGHZ 163, 109 (Der Zauberberg). BGHZ 164, 37 (HIT BILANZ). BGHZ 172, 268 (Gedichttitelliste II). BGHZ 175, 135 (TV-Total). BGHZ 209, 216 (Europapost).
Europäischer Gerichtshof EuGH, EuZW 2008, 246. EuGH, GRUR 2005, 244. EuGH, GRUR 2005, 252. EuGH, GRUR 2008, 1077. EuGH, GRUR 2009, 572. EuGH, GRUR 2009, 1041. EuGH, GRUR 2012, 166 (Painer). EuGH, GRUR 2012, 382. EuGH, GRUR 2012, 384. EuGH, GRUR 2012, 593. EuGH, GRUR 2012, 810. EuGH, GRUR 2012, 1245. EuGH, GRUR 2014, 1196 (BestWater International).
Verschiedene Oberlandesgerichte
EuGH, GRUR Int. 2013, 964. EuGH, GRUR Int. 2012, 150. EuGH, GRUR Int. 2014, 279. EuGH, GRUR 2014, 1078 (TU Darmstadt ./. Eugen Ulmer KG). EuGH, GRUR 2021, 706. EuGH, CR 2011, 491. EuGH, ZUM 2009, 54. EuGH, ZUM-RD 2006, 495. EuGH, ZUM-RD 2012, 181. EuGH WRP 2017, 39,41 (Marc Soulier). EuGHE 1971, 487. EuGHE 2006, 752. EuGHE 2006, 8089.
Arbeitsgerichte AG München, ZUM 2010, 545. BAG, AfP 2007, 285. BAG, NJW 1969, 861. BAG, NJW 2012, 2903. BAG, ZUM 2007, 507. BAG, ZUM 2009, 883.
Verschiedene Oberlandesgerichte KG, AfP 2001, 406. KG, GRUR 1970, 616. KG, GRUR 1976, 264. KG, NJW 2003, 680. OLG Brandenburg, NJW 1997, 1162. OLG Brandenburg, ZUM 2012, 967. OLG Dresden, WRP, 2013, 668. OLG Düsseldorf, OLGZ 246. OLG Düsseldorf, ZUM-RD 2010, 663. OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2012 Az.: I-2 U 1/12. OLG Frankfurt, ZUM 2008, 233. OLG Frankfurt, ZUM 2010, 265. OLG Frankfurt, ZUM-RD 2009, 541. OLG Frankfurt/M., GRUR 1985, 380. OLG Frankfurt/M., GRUR, 1986, 244. OLG Frankfurt/M., GRUR-RR 2010, 1. OLG Frankfurt/M., ZUM 1995, 795. OLG Hamburg, GRUR 1999, 714. OLG Hamburg, GRUR-RR 2001, 73. OLG Hamburg, GRUR-RR, 2004, 285. OLG Hamburg, NJW-RR 1987, 1533.
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Verzeichnis Gerichtsentscheidungen
OLG Hamburg, NJW-RR 2003, 112. OLG Hamburg, ZUM 2001, 325. OLG Hamburg, ZUM 2011, 846. OLG Hamburg, ZUM-RD 2012, 664. OLG Hamm, BB 1984, 562. OLG Hamm, GRUR 1989, 501. OLG Hamm, ZUM 2010, 453. OLG Hamm, Urteil vom 19.05.2009 – Az.: 4 U 220/08. OLG Jena, MMR 2008, 408. OLG Köln, GRUR 1994, 47. OLG Köln, GRUR-RR 2010, 149. OLG Köln, MMR 2009, 191. OLG Köln, NJW-RR 2001, 1199. OLG Köln, ZUM 2009, 961. OLG München, GRUR 1979, 546. OLG München, GRUR 1986, 460. OLG München, GRUR-RR 2009, 85. OLG München, GRUR-RR 2011, 303. OLG München, NJW-RR 1989, 1191. OLG München, ZUM 1989, 529. OLG München, ZUM 1994, 362. OLG München, ZUM 1998, 413. OLG München, ZUM 1998, 417. OLG München, ZUM-RD 2007, 347. OLG München, ZUM-RD 2013, 183. OLG München, MMR 2021, 731-733. OLG Nürnberg, GRUR-RR 2001, 225. OLG Nürnberg, GRUR 2002, 607. OLG Stuttgart, GRUR-RR 2011, 56. OLG Stuttgart, NJW-RR 1986, 220. OLG Stuttgart, NJW-RR 2004, 619. OLG Stuttgart, ZUM 2012, 811. OLG Zweibrücken, GRUR 1997, 363.
Verschiedene Landgerichte LG Berlin, GRUR 2000, 797. LG Berlin, GRUR 2007, 964. LG Berlin, GRUR-RR 2009, 229. LG Bielefeld, ZUM 2013, 688. LG Düsseldorf, GRUR 1993, 664. LG Düsseldorf, ZUM 2009, 975. LG Frankental, ZUM-RD 2013, 138. LG Hamburg, GRUR 2005, 672. LG Hamburg, MMR 1998, 547. LG Hamburg, ZUM 2009, 315. LG Kiel, NJOZ 2005, 126.
Bundestagsdrucksachen
LG Köln, GRUR-Prax 2009, 17. LG Köln, GRUR-Prax 2010, 370. LG Köln, MMR 2001, 551. LG Köln, ZUM 2013, 417. LG Leipzig, ZUM 2012, 821. LG Magdeburg, Urteil v. 19.04.2005, Az.: 5W 32/05. LG Mannheim, ZUM-RD 2004, 547. LG Mannheim, ZUM-RD 2007, 205. LG München, 2003-RR 2003, 300. LG München I, GRUR-RR 2004, 1. LG München I, GRUR-RR, 2007, 226. LG München I, MMR 2007, 260. LG München I, NJW 1983, 1205. LG München I, Urt. v. 24.07.2007 Az.: 7 O 5245/07. LG München I, Endurteil v. 16.11.2017 Az. 7 O 8946/17. LG München I, ZUM 2005, 407. LG München I, ZUM 2009, 678. LG München I, ZUM 2009, 788. LG München I, ZUM-RD 2003, 492. LG München, ZUM-RD 2007, 302. LG Stuttgart, GRUR 2004, 325. LG Stuttgart, GRUR-Prax 2010, 275. LG Stuttgart, GRUR-RR 2011, 419. LG Wiesbaden, AfP 1979, 327.
Weitere Gerichtsentscheidungen BPatG, GRUR 1978, 702. BPatG, GRUR 2004, 934. BVerwGE 104, 105. EGMR, GRUR 2013, 859. EGMR, GRUR Int. 2013, 476. LG Amsterdam vom 9.3.2006, Az.: MR-Int. 1/06, S. 40. RGZ 41, 43. RGZ 69, 401. RGZ 79, 397. RGZ 82, 333. RGZ 116, 292. RGZ 119, 401.
Bundestagsdrucksachen Bundestagsdrucksache 10/837, S. 17ff. Bundestagsdrucksache 13/115, S. 12. Bundestagsdrucksache 15/38, S. 16. Bundestagsdrucksache 15/38, S. 18.
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Verzeichnis Gerichtsentscheidungen
Bundestagsdrucksache 15/38, S. 35, 39. Bundestagsdrucksache 16/1828, 43, 50. Bundestagsdrucksache 17/114770, S. 8. Bundestagsdrucksache 17/13423, S. 8. Bundestagsdrucksache IV/270, S. 46. BGBl. 2016 I Nr. 24 vom 24.05.2016:
Entscheidungen eidgenössischer Gerichte BGE 117 II 466, 478 zu Aufhebung des Kantonsgericht St. Gallen ZUM 1992, 297, 300. BGE 127 III 26, 28 (2000). Bundesgericht Urteil vom 28.11.2014 Az.: 4A 295/2014 (Versand von Zeitschriftenartikeln).
Entscheidungen österreichischer Gerichte OGH, GRUR Int 1984, 857. OGH, GRUR Int 1986, 728. OGH, GRUR Int 1995, 729. OGH, GRUR Int 1999, 279 Anm. Briem. OGH, GRUR Int 2002, 342. OGH, GRUR Int 2004, 159. OGH, GRUR Int 2004, 15.
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4:
Öffentlichkeit i.S.v. § 15 Abs. 3 UrhG Magisches Viereck des Urheberrechts Urheberrechtliches Werk Skizze längere Schutzfristen eines Werkes durch wissenschaftliche Ausgaben Abbildung 5: Struktur der Rechte des Urhebers Abbildung 6: Verwertungsrechte Abbildung 7: Wirkungsweise des früheren einfachen Nutzungsrechts auf eine später vereinbarte Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts Abbildung 8: Nutzungsart und Nutzungsrecht am Beispiel der Verwertung eines Romans Abbildung 9: Heimfall der Nutzungsrechte Abbildung 10: Übertragbarkeit und Urheberrecht Abbildung 11: Trias der Rechteeinräumung: Inhalt, Zeit, Raum Abbildung 12: Stufensystem des Schutzumfangs Abbildung 13: Abstufung der Beeinträchtigung des Urhebers durch die Schrankenregelungen und sonstige gesetzliche Eingriffe bzw. Freiheit der Nutzung Abbildung 14: Anwendungsbeispiel zu § 60a UrhG Abbildung 15: Vervielfältigen, verbreiten, öffentlich zugänglich machen zum Zwecke der nichtkommerziellen Forschung, § 60c UrhG Abbildung 16: Sphärenmodell des Urheberpersönlichkeitsrechts Abbildung 17: Zitat und dahinterstehende Absicht Abbildung 18: Verantwortlichkeit für Inhalte von Webseiten Abbildung 19: Die vier Brückenpfeiler eines Zitats Abbildung 20: Rechterecherche und Marketing Abbildung 21: Rechtstatsachenermittlung Abbildung 22: Beispiel der Aufgliederung der einzelnen Rechte an einem illustrierten Buch Abbildung 23: Erbfall unter Miturhebern Abbildung 24: Suchen und Erörtern von Alternativen Abbildung 25: Verlauf Recherche Rechteinhaber Abbildung 26: Vereinfachte Darstellung eines Datensatzes eines Bibliothekskataloges Abbildung 27: Rechtekette Katalogdatensatz Abbildung 28: Skizzierte Übersicht über die rechtliche Bewertung eines Datensatzes Abbildung 29: Vertrags- und Wahrnehmungskonstellation Abbildung 30: Drei Hauptziele eines Vertrags Abbildung 31: Negation eines Rechts und negative Lizenz Abbildung 32: Wirkung einer Freistellungsklausel Abbildung 33: Handlungsmöglichkeiten bei einer Abmahnung
https://doi.org/10.1515/9783110707588-034
Sachregister Abbildung 79, 231 Abkürzung 224, 240 Abmahnung 283 Abrufen 74 Abschlussfreiheit 82 Abschlusszwang 83 Abschöpfung 290 Abstand 78 Abstandslehre 77 Abstracts 101 Abtretung 48 Abwehrrecht 41 Access-Provider 172 Ähnlichkeit 184 Allgemeine Geschäftsbedingungen 251, 271 allgemeines Interesse 16 allgemeines Persönlichkeitsrecht 63, 139 Allgemeinheit 18 Altverträge 65 amtliche Werke 32 Analogieverbot 127 Änderungsverbot 41, 61, 152, 182 anderweitige Verwertung 202 Anerkennung der Urheberschaft 110 Angebot 158 Angebot an die Öffentlichkeit 68 Anmeldung 109 Annahme 251, 263 anonym 214 Anonymität 236 Anordnung 178 Anreger 93 Anreicherung 153 Antimonopolisierungsklausel 199 anwaltliche Sorgfalt 18 Anwendungsvorrang 11, 247 Arbeitgeber 96 arbeitnehmerähnliche Personen 97 Arbeitsergebnisse 96 Arbeitsersparnis 206 Arbeitsplatz 73 Architektenvertrag 211 Archive 129 Archivfunktion 121 Archivierung 277 Auffangregelung 274 auflösende Bedingung 258 https://doi.org/10.1515/9783110707588-035
aufschiebende Bedingung 258 Aufspaltung 70 Auftraggeber 93 Auseinandersetzung 154 Ausgleich 247 Auskunft 84, 287 Auskunftsanspruch 288, 289 Auslegung 60, 64, 96, 114, 120, 251 Auslegungsprinzip 64 Auslegungsregel 62, 237, 255, 257 Ausnahmen 112 ausschließliches Nutzungsrecht 49, 202 Ausschließlichkeitsrecht 25, 166 Ausschreibung 211 Ausstellungsrecht 75, 108, 159 Ausübung 92 Bachelorarbeiten 8 Baukunst 20, 210 Baurecht 88 Bearbeitung 63, 76, 101 Bearbeitungsrechte 112 Bedeutungswandel 10 Bedingung 258 Beeinträchtigung 61 Befristung 122 Begriff 5, 10 Begründung 119 Beitrag 128 Beiwerk 143 Belegfunktion 151, 182 Berechnung 289 Berechtigungsanfrage 282 Berichtsverpflichtung 288 Berner Übereinkunft 106 Beschwerdemanagement 69 Beseitigungsanspruch 289 Besichtigung 289 Bestandsakzessorität 130 Bestandsgarantie 25 Bestimmbarkeit 73 Betreiberabgabe 193 Betroffenheit 140 Beweggrund 229 Beweis 4 Beweislast 150 Beweislastumkehr 103
Sachregister
Beweismittel 144 Beweiswürdigung 48 Bewertung 4, 31 bewusste Nichtregelung 255 bibliothekarische Systematik 20 Bibliotheksbau 210 bibliothekseigener Bestand 129 Bibliotheksgroschen 190 Bibliothekskatalog 86, 111, 239 Bibliothekstantieme 167, 190 Bild 143 bildende Künste 30, 159 Bilder 153, 231 Bildzitat 154 Bindungswirkung 10 Blog 45 Briefe 175 Cloud 179 Collage 153 Computeranimation 31 Computerprogramm 23, 166, 167 Content-Provider 173 copy fraud 122 Copyleft 198 Copyright Law 107 Copyrightzeichen 32 Creative-Commons-Lizenzen 196 Cross-Licensing 258 Datenbank 177 Datenbankenwerke 167 Datenbankwerk 63, 239 Datensatz 239, 242 Datenschutz 179, 227 Datensicherheit 179 DDR-Altfälle 125 Deeplink 45 Deep Link 171 Deep Web 207, 231 Definition 268 Denkmalschutz 210 Design 20 Designschutz 85 Digitalisate 129 digitalisieren 194 Digitalisierung 77 Digital Rights Management 70 Disclaimer 174, 232
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dispositives Gesetzesrecht 255 dispositives Recht 255 Dokumentation 219, 235, 252 Download 109 Dreistufentest 113 droit de non-paternité 42 droit moral 43 dualistische Theorie 164 dynamische Verweisung 262 E-Book 71 eigenes Archiv 158 Eigengebrauch 156, 157 Eigentum 245 Eigentümlichkeit 77 Eigentumsgarantie 25 Eilverfahren 287 einfaches Nutzungsrecht 49 Einwilligung 41, 94, 147 Einzelfallmethode 105 E-Learning 194 Entlohnung 44 Entschädigung 82 Entstellen 41, 61, 147 Erbe 121, 140, 222 Erbfall 249 Erbfolge 105 Erfassung der Mediendaten 110 Erlaubnis 217 erlaubnisfreie Nutzung 83 Erlaubnispflicht 101 Erlaubnistatbestand 149 Erscheinen 8 Erscheinungsbild 54 Erschöpfung 52 Erschöpfungsgrundsatz 68, 75, 114, 118, 167, 190 Erschöpfungswirkung 70 Ersetzungsbefugnis 265 Ersterwerber 58 Erstveröffentlichung 201 EU-Richtlinie 9 EVB-IT 252 Exemplar 109 Fachsprache 10 Fahrlässigkeit 266 „fair use“-Doktrin 126 Film 104
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Sachregister
Filmvorführung 131 Filmwerk 31 Filterfunktion 232 Form 19, 24, 76 Format- und Laufzeitanpassung 62 formfrei 48 Formfreiheit 214 Formulierung 261 Forschungswerk 133 Fotografien 40 Framing 45, 171 freie Benutzung 27, 77, 102, 108 freie Werke 97 Freistellungsklausel 277 Garantien 270 Gebotenheit 156 Gebrauchsüberlassung 192 gebrauchtes E-Book 71 gebrauchte Software 58 Gebühren 128 gebundene Rechteübertragung 47 Gedächtnisinstitution 113 Geeignetheit 207 Gegenseitigkeitsprinzip 136 Geheimhaltungsklausel 272 Gehilfe 93 geistiger Gehalt 19 geistiges Eigentum 15 Geltungsbereich 268 Gemeinfreiheit 123 Gemeinfreiwerden 16, 121 Gemeingut 28 Gemeinwohlorientierung 128 Genehmigung 147 Gerichtsstand 263 Gesamtbetrachtung 44 Gesamthandsgemeinschaft 93 Gesamtkunstwerke 104 gesetzliche Lizenz 82, 117 Gesinnungswandel 142 Gestaltungshöhe 20, 21, 76 Gestaltungsmöglichkeit 41, 257 Gestaltungsspielraum 79, 184 getrennte Vergabe 70 Gewährleistung 276 gewerblicher Rechtsschutz 85 Gewinnerzielungsabsicht 128 Ghostwriter 110
grafische Aufzeichnung 131 grenzüberschreitende Nutzung 195 Großzitat 151 Grundgesetz 25 Grundrechte 115 grüner Weg 84 gutgläubiger Erwerb 59 Haftungsbeschränkung 270 Haftungsfreistellung 174 Haftungsverschiebung 266 Hauptleistungspflicht 278 heimfallen 59 Herausgabe 289 Herstellung 76 Hilfsmittel 5, 218 Hilfstätigkeit 93 Hochschule 99 Hochschulverlag 111 hoher Aufwand 118 höhere Gewalt 270 Homepage 171 Hotlinking 171 Idee 22 Immaterialgut 122 Immaterialgüterrecht 17 Import 69 Individualität 20 Individualsphäre 140 Indizien 56 Information 120 Informationsfreiheit 29, 114, 148 Informationsgewinnung 291 Informationsmittler 246 inhaltliche Komponente 52 Inhaltskontrolle 64 Inhaltsmitteilung 108 Inline Linking 171 Instrumentalisierung 141 Integritätsschutz 41 Interessen 15 Internetnutzung 53 Internetpublikation 109 Interpretationsspielraum 9 Intimsphäre 142 Intragroup-Lizenzvertrag 259 Inverkehrbringen 68 Investitionsleistung 177
Sachregister
Jugendschutzgesetz 119, 147 juristische Person 223 Karenzzeit 214 Katalog 239 Kataloganreicherung 242 Katalogverbund 243 Kauf 67 kaufmännisches Bestätigungsschreiben 264 kirchliches Selbstbestimmungsrecht 213 Klagemuster 185 Klarstellungsklausel 116 Klassifikationssystem 178 Kleine Münze 11, 30 Kleinzitat 62, 151 kollektive Lizenz mit erweiterter Wirkung 254 kommerziell 128 Kompensation 11 konkludent 48 Kontrahierungszwang 117 Konzept 22, 93 Konzerte 131 Kopie 112, 128 Kopienversand 189 Kopienversanddienst 189 Kosten 71 Kostendeckung 128 Kostenfreiheit 84 Kritik 142 Kulturerbeeinrichtung 136 Kulturrecht 16 Kündigung 272 Kündigungsmodalität 52 Kündigungsmöglichkeit 262 Kunstfreiheit 28, 114, 153, 155 Künstlername 228 Langzeitarchivierung 62, 129 Langzeitverfügbarkeit 279 Lastenheft 269 Laufbild 31 Laufzeit 272 Leihe 67, 191 Leistungsbestimmungsrecht 265 Leistungsschutzrecht 36, 102, 179, 180 Leitfrage 12 Lesbarkeit 261 Lesesaal 73 Lesung 131
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Lichtbild 40 Lichtbildwerk 31 Lichtwerk 31 Link 171 Linking 45 Lizenz 6, 44, 49 Lizenzanalogie 289 Lizenzgeber 246 Lizenznehmer 246 Lizenzvertrag 246, 255 Lobbyarbeit 119 magisches Viereck 17 Mantelvertrag 253 Manuskript 149, 175 Markenrecht 85 Mediendaten 240 Medientitel 241 mehrdeutig 10 Mehrgebietslizenz 69 Meinung 4 Meinungsfreiheit 29, 114 Memoranden 175 Metadaten 204 Methode 22 Miete 67 Mindestharmonisierung 9 Miturheber 92, 94, 224 Modernisierungs- und Instandhaltungsarbeiten 212 monistische Theorie 165, 167 Monopol 118 Monopolgrundsatz 69 Montage 153 Multimediaanwendung 218 Multimediawerk 24, 31 Museen 129 Musik 30, 131 Musikzitat 151 Nachgelassene Werke 40 Nachlass 175 Nachlasspflegschaft 222 Nachweis 103, 229 Namen 240 Namensänderung 228 Namensgebung 56 Namensnennung 41, 110 Nebenstrafrecht 88
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Sachregister
negative Lizenz 259 neue Nutzungsart 54 neue Werkarten 19 Neugestaltung 77 Nichtausübung 111 Nichtigkeit 60 Nichtübertragbarkeit 60 Normen 166 Normzweck 127 Notation 178, 241 Noten 131 Notwehr 147 Nutzerkreis 278 Nutzungsart 31, 50, 52 Nutzungsentgelt 276 Nutzungsfreiheit 136 Nutzungsintensität 192 Nutzungsrecht 46, 52, 125, 217, 243 Nutzungszeitpunkt 73 object trouvé 19 objektive Eigenart 19 objektiver Dritter 240 offener Kunstbegriff 166 Offenlegung 198 öffentliche Archive 158 öffentliche Bekanntgabe 232 öffentliche Bibliothek 6 öffentliche Hand 252 öffentliche Warnung 120 öffentliche Wiedergabe 44, 45, 75 öffentliche Zugänglichmachung 202 öffentliche Zugänglichkeit 190 Öffentlichkeit 7, 72, 75, 129 Offline-Nutzung 75 Onlinearchiv 55 Onlinepräsentation 45 Onlinepublikation 8 Open Access 137, 259 Open Content 196 Open Contentverpflichtung 48 Open Depository 111 Option 257 örtliche Komponente 52 Parodie 28, 141 Patentrecht 85 Pay-per-View-Angebot 74 Personen der Zeitgeschichte 143
Personenfoto 143 Persönlichkeitsschutz 15 Pflichten 270 Pflichtexemplarregelung 165 Piktogramm 33 Plagiat 87, 184 Plagiatssoftware 231 Präambel 268 Prägung 79 Präsenznutzung 190 Pressespiegel 150 Privatautonomie 254 private Hochschule 192 privater Gebrauch 156 Privatkopie 128 Privatsphäre 142 privilegierte Einrichtung 204 Professor 99 Programmierer 98 Projekt 235 Prüfungsarbeit 8 Pseudonym 214, 236 pseudonyme Werke 123 Publikationsform 245 quantitativ wesentlicher Teil 181 quasi-dingliche Wirkung 49 Quellcode 85, 198 Quelle 62, 204 Quellenangabe 182 Rahmenrecht 25 Rahmenvertrag 253 Rationalisierung 253 Raumgestaltung 210 Realakt 32, 92, 101, 109, 111 Recherche 130 Rechercheauftrag 209 Rechercheprotokoll 235 Rechteerwerb 245 Rechteinhaber 227 Rechtekette 47, 58 Rechteverteilung 223 Rechtfertigungsgrund 112, 144 Rechtsfolge 232 Rechtsfrieden 207 Rechtsschein 227 Rechtssicherheit 261 Rechtstatsachenermittlung 215
Sachregister
Rechtsvermutung 237 Rechtswahl 263 Rede 149 Referenzdatenbank 132 Reflex 136 Regelschutzfrist 167 Regelungscharakter 250 Regelungsdichte 9 Registerfreiheit 214 Registrierung 48 Revidierte Berner Übereinkunft 106, 151 Review 214 Richtlinie 113 richtlinienkonform 9 Rückruf 41, 110 Sachverhalt 3, 237 Sachverhaltsskizze 5 Salvatorische Klausel 274 Sammelwerk 93, 166, 177 Satire 28, 141 Schadensersatzanspruch 289 Schaubild 224 Schikaneverbot 147 Schlagwort 241 Schmähkritik 139 Schöpferprinzip 166 Schöpfung 19, 92 Schöpfungshöhe 166 Schranken 75 Schrankenregelung 28, 112, 113, 116, 127 Schranken-Schranke 113 Schriftform 48 Schriftformklausel 271 Schutzfrist 43, 121, 217 Schutzland 106 Schutznorm 260 Schutzrecht 15 Schwellenwert 265 Selbsthilfe 145, 147 Semesterapparat 194 Seminar 109 Senderecht 44 Server 74 Serviceeinrichtung 4 Serviceleistung 292 Sicherheitsrisiko 212 Snippets 36 Software 85, 98
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Software as a Service 254 Softwarelizenz 107 Sonderkündigungsrecht 262 sorgfältige Suche 206 Sorgfaltsmaßstab 260 Sorgfaltspflicht 207 Sozialbindung 27, 82 Sozialsphäre 140, 142 Speicherungen 74 Sprache 250 Sprachgebrauch 241 Sprachwerk 20, 30, 241 standardisierte Vertragsformulierungen 252 statische Verweisung 262 Störerhaftung 172 Strafgesetzbuch 119, 147 Strafrecht 291 Streitbeilegungsklausel 272 Streitbeilegungsmechanismus 69 Studenten 100 subjektive Unmöglichkeit 206 Substanzfreiheit 18 Substitut 234 Substitutionstheorie 56 Sukzessionsschutz 50, 65 Surface Link 171 Symbole 224 Tagebuch 175 Tagesereigniss 150 Tagesfrage 149 Tatsache 4 Tatsachenvermutung 237 technische Mängel 270 technische Schutzmaßnahme 145, 291 Teilberechtigte 218 teleologische Auslegung 120 Terminalschranke 130 Territorialitätsprinzip 106 Text- und Data-Mining 134 Titel 241 Titelschutz 85, 86 Transaktionskosten 83 Transformation 77 Trennungsprinzip 248 Treu und Glauben 41, 127, 204 überhöhte Forderung 286 Übersetzung 112
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Sachregister
Übervorteilung 260 Ubiquität 26 Üblichkeit 20 Umfang 248 Umfeldanalyse 214, 228 Umformung 77 Umgebungszusammenhang 63 Umgestaltung 76 Umsetzung 4 unkörperliche Verwertung 44 unkörperliche Verwertungsarten 72 Unsicherheit 282 Unterlassungsanspruch 289 Unterlizensierung 267 Unterlizenz 49 Unterlizenznehmer 58 Unterschrift 274 Unübertragbarkeit 223 Urheberbezeichnung 41 Urheberpersönlichkeit 25 Urheberpersönlichkeitsrecht 15, 25, 41, 92, 98, 109, 127, 139, 141, 165 Urheberrechtsregister 166 Urheberrolle 214 Urheberschaft 41, 186, 204 Urhebervertragsrecht 167, 246 Veranstaltung 74 Verantwortung 172 Veräußerung 68 Verblassen 78 Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 143 Verbotsrecht 47, 82 Verbreitung 130 Verbreitungsrecht 67, 125, 147 verfassungskonforme Auslegung 115 Verfügungsgeschäft 48, 248 Verfügungsmöglichkeit 68 Vergessen 18 vergriffene Werke 132, 208 Vergütung 97 Vergütungsanspruch 11, 117, 118, 190 Verhältnismäßigkeit 119 Verjährung 270 Verkehrsauffassung 52, 57, 70, 239 Verkehrsfähigkeit 68, 165 Verkörperung 26 Verlag 214 Verlagsvertrag 248
Verlängerungsoption 52 Verleihen 71 Verletzerzuschlag 290 Verletzungsmuster 184 Vermietung 70 Vermutung 143, 144, 237 Vermutungsregelung 167 Vermutungswirkung 103 Vernichtung 112 veröffentlichte Werke 108 Veröffentlichung 8, 76, 108, 175 Veröffentlichungswirkung 109 Verpflichtungsgeschäft 248 Verschulden 289 versteckte Lizenz 259 Vertragsfreiheit 117, 247, 254 Vertragspartei 246 Vertragspflichten 269 Vertragssprache 264 Vertragsstrafe 263, 270 Vertragstyp 252 Vervielfältigung 129, 156 Vervielfältigungsrecht 67 verwaiste Werke 122, 130, 204, 208 verwandte Schutzrechte 102 Verweisung 262 Verwertung 47 Verwertungsgesellschaft 83, 187 Verwertungsgesellschaftsgesetz 166 Verwertungsrecht 44, 67, 167, 249 Verzeichnis 110 Verzicht 32, 152 Vollharmonisierung 9 Vollständigkeitsklausel 271 Vorschaubild 242 Vortragsrecht 44, 73, 190 Wahrnehmung 47 Wahrnehmungsvertrag 200 Warnung 112 Webadressbuch 23 Webseite 23, 171 Weiterentwicklung 57 Werbezweck 159 Werbung 42 Werk 166 Werkart 20 Werkbegriff 19 Werkintegrität 102
Sachregister
Werkscharakter 241 Werkschöpfer 220 Werkszerstörung 81 Werktitel 86 Werkverbindung 95 Wertschöpfung 199 Wettbewerbsrecht 87 Widerspruchslösung 136 Wiederholungsgefahr 285, 289 Willenserklärung 48 Wirtschaftsrecht 15 wissenschaftliche Arbeit 182 wissenschaftliche Ausgabe 38 wissenschaftliche Mitarbeiter 100 wissenschaftliche Sorgfalt 122 Wissenschaftsfreiheit 99 zeitliche Beschränkung 125 zeitliche Komponente 52 Zitat 9, 182, 240
Zitatrecht 108, 111, 153 Zitatzweck 153 Zitierart 153 Zitierfähigkeit 183 Zitierfreiheit 149, 151, 155 Zitierschranke 182 Zivilrecht 17 Zivilrechtsakzessorität 88 Zugang 263 Zugänglichmachen 130 Zusammenstellung 177 Zustimmung 147 Zutrittsmöglichkeit 74 Zwangslizenz 82, 117 Zweckbegrenzung 130 Zweckmäßigkeit 20 Zweckübertragungsklausel 64 Zweckübertragungslehre 167 Zweitverwertungsrecht 99 zwingende Bestimmungen 255
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