317 50 7MB
German Pages 307 [312] Year 2018
Praxishandbuch Prozessmanagement in Bibliotheken und Informationseinrichtungen
Deutsche Literatur Studien und Quellen
Herausgegeben von Beate Kellner und Claudia Stockinger
Band 25
Cornelia Vonhof Eva Haas-Betzwieser
Praxishandbuch Prozessmanagement in Bibliotheken und Informationseinrichtungen Redaktion: Cornelius Bauknecht
ISBN 978-3-11-050002-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-049959-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-049725-0 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Names: Vonhof, Cornelia, author. Title: Praxishandbuch Prozessmanagement in Bibliotheken und Informationseinrichtungen / Cornelia Vonhof, Eva Haas-Betzwieser, Cornelius Bauknecht. Description: Boston : Walter de Gruyter, 2018. | Series: De Gruyter reference Identifiers: LCCN 2018017266| ISBN 9783110500028 (print) | ISBN 9783110499599 (e-book (pdf) | ISBN 9783110497250 (e-book (epub) Subjects: LCSH: Library administration. | Library administration–Germany. | Information technology–Management. | Industrial management. Classification: LCC Z678 .V65 2018 | DDC 025.1–dc23 LC record available at https://lccn.loc.gov/2018017266 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Bildnachweis: Room_76_Photography / iStock / Getty Images Plus Satz: bsix information exchange GmbH, Braunschweig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhalt 1 2 2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
Prozessmanagement – Einstieg 1 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements 7 Motive, Ziele und Erwartungen 7 2.1.1 Wissensmanagement 8 2.1.2 Organisationsentwicklung 8 2.1.3 Qualitätsmanagement 10 Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Deutschen Nationalbibliothek 13 Grundlagen des Prozessmanagements 16 2.2.1 Blick in die Geschichte 16 2.2.2 Grundbegriffe des Prozessmanagements 18 Systematisierung von Prozessen 28 2.3.1 Systematisierung nach Leistungsempfängern 28 2.3.2 Prozesslandkarten und Prozesslandschaften 32 2.3.3 Prozessebenen als Tiefengliederung 39 2.3.4 Strukturierungsgrad von Prozessen 41 Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Stadtbibliothek Nürnberg 45 Prozessorganisation als Rahmen für Prozesse 47 2.4.1 Entwicklung der Prozessorganisation 47 2.4.2 Schnittstellen – Problemfelder und Bruchstellen 48 2.4.3 Schnittstellen-Effizienz in stark strukturierten Prozessen 49 2.4.4 Schnittstellen-Effizienz in teilstrukturierten und unstrukturierten Prozessen 50 2.4.5 Structure follows Processes 52 Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der ETH-Bibliothek, ETH Zürich 57 Prozessmanagement als Veränderungstreiber 59 2.5.1 Prozessmanagement löst Veränderungen aus 59 2.5.2 Veränderungsmanagement – oder Change Management – was ist das eigentlich? 61 2.5.3 Veränderungsphasen und Veränderungskurven 63 2.5.4 Umgang mit Widerständen 66 2.5.5 Kommunikation als Erfolgsfaktor für Veränderung 67 Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Stadtbücherei Geislingen 73 Darstellung von Prozessen 76 2.6.1 Gründe für die Modellierung 76
VI Inhalt 2.6.2 2.6.3
3 3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
3.6
Methoden der Modellierung 77 Modellieren mit Softwaretools 85 Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Bibliothek Wirtschaft & Management der Technischen Universität Berlin (DBWM) 87
Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt 91 Prozessmanagement als Kreislauf 91 3.1.1 Anstöße für die Prozessarbeit 91 3.1.2 Vorgehen in vier Phasen 92 3.1.3 Einführungsprojekt als Pilot 93 3.1.4 Anlassbezogene Betrachtung einzelner Prozesse 95 Prozessarbeit vorbereiten 96 3.2.1 Projektorganisation etablieren 97 3.2.2 Rahmenbedingungen definieren 102 3.2.3 Prozesse festlegen 105 3.2.4 Rollen bestimmen 111 3.2.5 Ablauf planen 116 Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz 122 Prozesse erheben und analysieren 125 3.3.1 Ist-Prozess erheben 125 3.3.2 Ist-Prozess darstellen 143 3.3.3 Ist-Prozess analysieren 149 Blick in die Praxis: Modellierung von Prozessen mit Holzbausteinen 155 Prozesse gestalten 157 3.4.1 Analyse bewerten 157 3.4.2 Schwachstellen beseitigen 161 3.4.3 Soll-Prozess entwickeln 166 Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Hochschulbibliothek Heilbronn 177 Prozesse umsetzen und überprüfen 179 3.5.1 Implementierung der Soll-Prozesse planen und begleiten 179 3.5.2 Ergebnisse evaluieren 186 3.5.3 Nachhaltigkeit sichern 187 Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Stadtbücherei Weilheim a.d.Teck 190 Prozessmanagement bewerten 192 3.6.1 Das Reifegradmodell EDEN 193 3.6.2 Reifegrad in öffentlichen Einrichtungen 198
Inhalt VII
Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder 209 Prozessorientiertes Informations- und Dokumentenmanagement 209 4.1.1 Prozessmanagement als Initialzündung 209 4.1.2 Prozessmanagement als Strukturlieferant 213 4.2 Personalbedarfsermittlung 224 4.2.1 Anlässe für Personalbedarfsbestimmung 224 4.2.2 Kontext einer Personalbedarfsermittlung 225 4.2.3 Grundkonzept der Personalbedarfsermittlung 226 4.2.4 Prozessdokumentationen als Basis zur Ermittlung der Fallzeit 229 Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin 232 4.3 Prozesscontrolling – Benchmarking – Kennzahlen 234 4.3.1 Aufbau eines Prozesscontrollings 234 4.3.2 Einsatz von Prozesskennzahlen 235 4.3.3 Entwicklung von Prozesskennzahlen 236 4.3.4 Prozess-Benchmarking 238 4.3.5 Prozessziele und Prozessleistungen definieren 238 4.3.6 Weitere Schritte im Prozesscontrolling 243 4 4.1
Prozessmanagement – Innovative Ansätze 247 Service Blueprint 247 5.1.1 Ohne Kunden keine Prozesse 247 5.1.2 Die nahtlose Organisation – die Kunden in die Prozesse holen 251 5.2 Adaptive Case Management 264 5.2.1 Wissensarbeit dominiert 264 5.2.2 Adaptive Case Management als Lösungsansatz 266 5.3 Agiles Prozessmanagement 271 5.3.1 Agiles Arbeiten – Grundzüge agiler Prinzipien und Konzepte 271 5.3.2 Agiles Arbeiten als Allheilmittel? 275 5.3.3 Agiles Prozessmanagement 277 5 5.1
6 6.1 6.2 6.3 6.4
Prozessmanagement – Prozesskultur 283 Prozesskultur ist prägend 285 Prozesskultur in Teilbereichen 286 Prozesskultur als sporadische Einsprengsel in der Organisationskultur 286 Nutzen der Entwicklung einer Prozesskultur 287
VIII Inhalt Literaturverzeichnis 291 Abbildungsverzeichnis 297 Tabellenverzeichnis 299 Register 301
1 Prozessmanagement – Einstieg Was ist der Antrieb, ein Buch über Prozessmanagement in Bibliotheken und Informationseinrichtungen zu schreiben? Man kann auf diese Frage sehr weit ausholen und die derzeit schwierige Situation von Bibliotheken und Informationseinrichtungen ins Spiel bringen: die nach wie vor zu knappe Ressourcenausstattung, die zunehmende Engpasssituation bei der Rekrutierung von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Medienwandel, der Bibliotheken vor immer neue Herausforderungen stellt, oder die digitale Transformation. Diese Liste ließe sich bekanntermaßen fortsetzen. Auf diese Umfeldbedingungen müssen Bibliotheken Antworten finden. Die Antwort heißt nun ganz sicher nicht schlicht: „Machen Sie ein bisschen Prozessmanagement und alles wird gut!“ Prozessmanagement hat aber das Potenzial, einen spürbaren Beitrag zur Entwicklung einer Organisation zu leisten und sie damit stark zu machen, um den Herausforderungen zu begegnen und Antworten auf diese zu entwickeln. Positiv gewendet: Mit Prozessmanagement kann ein ganzes Bündel an Zielen verfolgt werden. Die Ziele, die Kundezufriedenheit und die Zufriedenheit von Mitarbeitenden zu steigern, sind aber sicher die wichtigsten. Träumen wir uns also eine Bibliothek – in der die Kundenanforderungen nicht nur erfüllt werden, sondern die Kunden begeistert sind, – in der engagierte, mitdenkende, innovative, verlässliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das große Ganze im Blick haben, – in der kein Handgriff zu viel, aber alle notwendigen Handgriffe qualitätsvoll, zügig, pünktlich und effizient ausgeführt werden, – in der immer die richtigen Ressourcen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereitstehen. Auch wenn das angesichts der oben angedeuteten realen Lage ziemlich unrealistisch klingt, und es der Quadratur des Kreises nahekommt, so sind wir doch überzeugt, dass Prozessmanagement ein zentrales Instrument im Werkzeugkasten des Bibliotheksmanagements ist, um den Zielen – und den Träumen – näherzukommen. Prozessmanagement kann aber mehr sein als ein einzelnes Managementinstrument: Es kann ein Führungs- und Steuerungskonzept für die gesamte Bibliothek sein. Als wir an die Konzeption des Buches gingen, haben wir uns gefragt, welche Annahmen wir über den Bedarf der Leserinnen und Leser in unserer Branche haben? Was erwarten Sie, wenn Sie ein Buch über Prozessmanagement in Bibliotheken und Informationseinrichtungen lesen (und kaufen)? Was brauchen Sie?
https://doi.org/10.1515/9783110499599-001
2 Prozessmanagement – Einstieg
Wir haben uns vorgestellt, – dass Sie in Ihren Beständen bereits eine Vielzahl von Titeln zum Prozessmanagement haben, dass sich unseres also davon abheben muss, indem es die bereits verfügbaren Grundlagenwerke, Informationen, Leitfäden, Handreichungen etc. auf den Bibliotheks- und Informationssektor zuschneidet. Denn eins ist ja klar: Wir sind schon eine ganz besondere Branche! – dass Sie bereits eine erste Vorstellung davon haben, was Prozesse sind, dass Sie sich aber noch nicht als Prozessmanagement-Profi oder ProzessmanagementExpertin bezeichnen würden. – dass Sie entweder einen konkreten Anlass (manchmal ist das sicher auch eine konkrete Krisensituation) haben, um sich mit dem Thema zu beschäftigen, oder, dass Sie bei Kolleginnen und Kollegen davon gehört haben und Sie einfach neugierig sind. Im ersten Fall brauchen Sie strukturiertes Handlungswissen, um möglichst schnell ins praktische Arbeiten und Umsetzen zu kommen. Im zweiten Fall interessiert Sie vielleicht auch ein etwas erweiterter Kontext. – dass Sie (mit Ihrem Team) möglicherweise schon begonnen haben, Prozesse zu dokumentieren und zu optimieren, damit aber nicht so recht und vor allem nicht nachhaltig weitergekommen sind. Obwohl es sicher noch weitere Motive gibt, wegen derer Sie das Buch in den Händen halten, waren es die genannten, die uns beim Konzipieren und Schreiben des Buches geleitet haben. Wir wollen Ihnen also ein praxis- und handlungsorientiertes Buch als Leitfaden, Handreichung und Arbeitsbuch für die Prozessarbeit in Ihrer Bibliothek oder Informationseinrichtung bieten. Daher – finden Sie Checklisten, Vorlagen, Anleitungen, die Sie direkt oder mit individuellen Anpassungen in Ihre Praxis übernehmen können, – können Sie sich anhand praktischer Beispiele und kleiner Fallstudien einen Einblick verschaffen, wie andere vorgehen, – haben wir Praktikerinnen und Praktiker aus ganz unterschiedlichen Bibliotheken gebeten, von Ihren Erfahrungen mit Prozessarbeit zu berichten und uns Einblicke in ihre Prozessmanagementpraxis zu gewähren, – laden wir Sie zu kleinen Übungen oder Reflexionen ein, um sich die Inhalte beim Lesen und Durcharbeiten praktisch zu erschließen, – sind alle Überlegungen und Empfehlungen immer vor dem Hintergrund von Bibliotheken und Informationseinrichtungen zu sehen. Wir konzentrieren uns auf die organisationale Sicht von Prozessmanagement. Selbstverständlich ist es sinnvoll, Prozessmanagement mit IT zu unterstützen. Was wir aber nicht in den Mittelpunkt dieses Buches stellen, ist die Automatisierung von Prozessen und eine weitgehend IT-gestützte Umsetzung von Prozessen.
Prozessmanagement – Einstieg
3
Wir beleuchten hingegen vor allem das Wort Management in „ProzessManagement“ und fragen danach, was passieren muss, damit Prozessmanagement zu einem zentralen Führungs- und Steuerungsinstrument wird? Wir wollen zeigen, dass Prozessmanagement in der Lage ist, eine Organisationskultur zu verändern. Und wir wollen zeigen, dass Prozessmanagement ein Ansatz ist, der die gesamte Bibliothek erfassen muss, um seine Schlagkraft zu entfalten. Dazu ist die aktive Einbindung von möglichst vielen (am besten auf die ein oder andere Weise von allen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erforderlich. Wir sind überzeugt, dass Prozessmanagement nur beteiligungsorientiert funktioniert. Das Buch besteht aus sechs Kapiteln, die jeweils weiter untergliedert sind. – In Kapitel 2 ordnen wir Prozessmanagement in das Portfolio von Managementinstrumenten ein, zeigen Motive auf, die Bibliotheken dazu veranlassen, sich mit Prozessmanagement zu befassen und stellen Ihnen die grundlegenden Begriffe und Konzepte vor. Sie lernen damit das wichtigste Handwerkszeug kennen, um dann in Kapitel 3 in die praktische Prozessarbeit einsteigen zu können. – Kapitel 3 stellt Ihnen Prozessmanagement als Kreislauf vor. Dieser Kreislauf dient als pragmatisches und erprobtes Konzept für ein Vorgehen in vier Schritten: 1. Prozessarbeit vorbereiten, 2. Prozesse erheben und analysieren, 3. Prozesse gestalten und 4. Prozesse umsetzen und überprüfen. Mit diesen Informationen in Form von detaillierten Anleitungen und unterstützt durch Checklisten, können Sie sich den Prozessen in Ihrer Bibliothek widmen. – Prozesse sind aber nicht nur ein Thema der Ablauforganisation. Sie sind zugleich die Basis für weitere Handlungsfelder. In Kapitel 4 stellen wir Ihnen vor, dass Prozessmanagement sich eignet, zu einem Dreh- und Angelpunkt zu werden für Wissens,- Informations- und Dokumentenmanagement, für die Personalbedarfsermittlung und letztlich als Treiber für Organisationsentwicklung. – Kapitel 5 blickt über die operative Prozessarbeit hinaus in die Zukunft und fragt nach innovativen Ansätzen im Prozessmanagement. Wir stellen Ihnen „Service Blueprint“, „Adaptive Case Management“ und „Agiles Prozessmanagement“ als neue Ansätze im Prozessmanagement vor. – Kapitel 6 schlägt dann den Bogen zurück zu den Aussagen in dieser Einführung: Prozessmanagement ist ein Führungs- und Steuerungsinstrument und ein entscheidender Faktor für die Organisationskultur: Prozessmanagement wirkt sich auf die Organisationskultur aus und die Organisationskultur wirkt sich auf das Prozessmanagement aus. Das Ziel muss die Entwicklung einer Prozesskultur sein. Es gibt ein in Praxis und Forschung gut abgesichertes Grundverständnis für Prozessmanagement, seine grundlegenden Techniken, Tools und Vorgehensweisen. Prozessmanagement ist aber kein Dogma und kein Glaubensbekenntnis, sondern
4 Prozessmanagement – Einstieg
ein Managementansatz, der wie alle Managementansätze und Management Tools vor allem daran zu messen ist, wie hilfreich er für die Praxis ist. Tools sind Hilfsmittel, mit denen ein bestimmtes Ziel schneller und besser erreicht werden kann als ohne sie. Die konkrete Ausgestaltung eines Instruments muss an der Wirksamkeit gemessen werden, nicht an Theorien. Wir hoffen, dass Ihnen dieses Buch alles Nötige an die Hand gibt, um Prozessmanagement zu einem wirksamen Instrument in Ihrer Praxis werden zu lassen und eine Prozesskultur in Ihrer Bibliothek zu entwickeln.
Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
2 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements 2.1 Motive, Ziele und Erwartungen Was treibt Bibliotheken, sich mit dem Thema Prozessmanagement auseinander zu setzen? Das folgende Kapitel skizziert, welche Erwartungen mit diesem Managementinstrument verbunden werden und stellt Prozessmanagement in den Kontext anderer im Bibliothekssektor häufig eingesetzter Managementinstrumente. Die zentrale These, die diesem Buch zugrunde liegt, ist: Alle Aktivitäten und Tätigkeiten, die in einer Organisation (und damit auch in einer Bibliothek oder Informationseinrichtung) stattfinden, finden in Prozessen statt und sind Teil von Prozessen. Jede Änderung, Anpassung, jede Optimierung von Aktivitäten oder Tätigkeiten verändert die Prozesse. Ob diese Veränderungen zielgerichtet oder ad hoc erfolgen, ist dabei unerheblich. Ausgehend von dieser These lassen sich auch die Motive verstehen, die Bibliotheken haben, wenn sie sich dem Thema Prozessmanagement zuwenden. Man kann drei große Bereiche unterscheiden: – Wissensmanagement, Informations- und Dokumentenmanagement – Organisationsentwicklung – Qualitätsmanagement
Abb. 2.1: Motive für Prozessmanagement.
Diese drei Bereiche sollen im Folgenden erläutert werden. https://doi.org/10.1515/9783110499599-002
8 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
2.1.1 Wissensmanagement Wenn es zutrifft, dass alle Aktivitäten und Tätigkeiten, die in einer Bibliothek stattfinden, in Prozessen erfolgen, dann lässt sich daraus folgern, dass auch das Wissen, das zur Ausführung und Weiterentwicklung dieser Aktivitäten nötig ist, mit den Prozessen verknüpft sein muss. Das heißt, vorhandenes Wissen wird in Prozessen eingesetzt. Durch das Ausführen von Tätigkeiten in einem Prozess entsteht aber auch neues Wissen, das im Team weitergegeben und geteilt wird. Ganz augenfällig wird dies, wenn man sich eine langjährige Mitarbeiterin vorstellt, die Expertin in einem Prozess ist. Sie verfügt über tiefes und breites Prozesswissen. Teilweise mag dieses Wissen in irgendeiner Form dokumentiert und damit zu „explizitem Wissen“ geworden sein. In großen Teilen trägt sie ihr Erfahrungswissen, ihre erlernten Verhaltensweisen, ihre Intuition, wie sie im Prozess handelt, aber in sich als „implizites Wissen“1. Das ist so lange kein Problem, solange die Mitarbeiterin im Betrieb ist und in diesem Prozess arbeitet. Wenn Sie jedoch ausfällt oder den Betrieb verlässt, dann steht auch ihr implizites Wissen nicht mehr zur Verfügung. Nun ist absehbar, dass in den nächsten Jahren in großem Umfang personelle Veränderungen in Bibliotheken anstehen. Als Stichwort sei hier „demografischer Wandel“ genannt. Eine Antwort auf die Frage zu finden, wie das Wissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Organisation verlassen, bewahrt werden kann, wird immer drängender. Wie kann also implizites Wissen in explizites Wissen überführt und damit speicherbar gemacht werden? Die Dokumentation von Prozessen bietet dafür einen pragmatischen Ansatz, denn sie macht das im Prozess eingesetzte Wissen bewusst und damit erfassbar und dokumentierbar. Die Prozessdokumentation – vor allem, wenn sie, so wie wir es in diesem Buch vorschlagen, sehr stark beteiligungsorientiert erfolgt – ist ein guter Weg, um das Wissen aus den Köpfen und aufs Papier zu bringen. Erfolgt sie im Team, dann ergibt sich über die reine Dokumentation hinaus auch ein unmittelbarer Wissenstransfer von Person zu Person. Hinzu kommt, dass Prozesse beziehungsweise die Übersicht über alle Prozesse einer Bibliothek, die sogenannte „Prozesslandkarte“ (vgl. Kapitel 2.3.2) sehr gut geeignet ist, um zugehörige Dokumente zu strukturieren und damit ein „prozessorientiertes Informations- und Dokumentenmanagement“ aufzubauen (vgl. Kapitel 4.1).
2.1.2 Organisationsentwicklung Das Motivbündel „Organisationsentwicklung“ fasst unterschiedliche Ansätze zusammen. Der für Bibliotheken wohl wichtigste Aspekt ist der der Erhöhung der Wirt-
1 Vgl. Nonaka ; Takeuchi ; (2012) S. 23f ; Düren (2015) S. 5.
2.1 Motive, Ziele und Erwartungen
9
schaftlichkeit, oder um es direkter zu formulieren, der Rationalisierung und der Effizienzsteigerung. Einsparvorgaben gehören seit Jahren zum Alltag in Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Hier gilt das gleiche Argumentationsmuster wie beim Wissensmanagement: Wenn alle Aktivitäten und Tätigkeiten in Prozessen verortet werden können, dann sind grundsätzlich auch alle Ressourcen einer Bibliothek ihren Prozessen zuweisbar. Sollen nun Ressourcen kritisch überprüft werden, so bieten sich die Prozesse als Ansatzpunkt an. Prozessmanagement ermöglicht zwei unterschiedlich weitgehende Ansätze: Zum einen eröffnet ein ganzheitlicher Überblick über alle Prozesse die Option, über das Streichen oder Outsourcen eines gesamten Prozesses nachzudenken. So kann man die Frage stellen: Sollen beziehungsweise können angesichts von Einsparvorgaben künftig noch Veranstaltungen vom Typ XY angeboten werden? Will man Leistungseinschränkungen jedoch vermeiden und daher Teilprozesse oder ganze Prozesse nicht einfach streichen, dann bleibt als zweiter Ansatz, Prozesse auf ihr Optimierungspotenzial hin zu untersuchen. Hierzu sind eine Reihe von Fragen zu beantworten, um letztlich zu einem schlankeren Prozess zu kommen: Gibt es Prozessschritte, die effizienter erledigt werden können – indem sie automatisiert oder IT-gestützt werden, zum Beispiel durch die Nutzung weiterer Module eines Bibliothekssystems – indem zuvor interne Aufgaben an Kunden übergeben werden, zum Beispiel die Medienverbuchung durch RFID – indem zuvor interne Aufgaben an externe Dienstleister übergeben werden, zum Beispiel durch den Einsatz von Approval-Plans oder Standing Orders – indem Prozessschritte zeitlich und räumlich anders angeordnet werden, so dass Transport- und Liegezeiten reduziert werden können – indem Schnittstellen abgebaut werden, so dass Abstimmungs- und Übergabezeiten entfallen Häufig ist mit Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen, denen sich Bibliotheken gegenübersehen, die Vorgabe verbunden, eine Personalbedarfsermittlung und Personalbedarfsbemessung durchzuführen. Die gängigen Methoden der Arbeitszeiterhebung orientieren sich an der Ermittlung der Bearbeitungszeiten für einzelne Tätigkeiten. Prozessbeschreibungen liefern eine vollständige Übersicht über die relevanten Tätigkeiten, die zur Erreichung eines Outputs notwendig sind, und eignen sich damit auch als Basis für Personalbedarfsbemessungen (vgl. Kapitel 4.2). Unter Organisationsentwicklung ist aber auch das positive Ziel zu fassen, ganzheitliche Bearbeitungs- und Verantwortungsbereiche zu schaffen und damit selbstorganisierte Teamarbeit zu fördern sowie die Motivation zu erhöhen. Die unabdingbare aktive Mitwirkung der Mitarbeitenden an der Gestaltung der Arbeitsprozesse ist ein zentraler Erfolgsfaktor für gelingendes Prozessmanagement. Diese Mitwir-
10 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
kung stellt sicher, dass ihre Ideen, das Wissen und die Vorstellung davon, wie ihre Arbeit und ihre Arbeitsplätze gestaltet sein sollten, gehört werden und in die Prozessgestaltung einfließen. In einem noch weiteren Sinn kann unter Organisationsentwicklung auch das grundsätzliche Nachdenken nicht nur über die Verbesserung einzelner Prozesse, sondern auch über eine neue, prozessorientierte Organisationsstruktur gefasst werden. Organisationsentwicklung kann aber auch bedeuten, den Blick konsequent nach außen zu richten und die Zielsetzung umfassen, mit dem Schlagwort „Kundenorientierung“ Ernst zu machen. Prozesse werden dann strikt aus Kundensicht entwickelt, indem die Kundenbedürfnisse erhoben und die Prozesse entsprechend ausgerichtet werden. Ist den Kunden eine kurze Durchlaufzeit wichtiger oder ein fehlerloses, absolut verlässliches Ergebnis? Bereits die Ermittlung und Diskussion über Kundenpräferenzen und die bisherigen, meist nicht aus- und angesprochenen internen Annahmen über Kundenpräferenzen, tragen zur kundenorientierten Entwicklung der Organisation bei.
2.1.3 Qualitätsmanagement Die weitreichendste Motivation, sich mit Prozessmanagement zu beschäftigen, entsteht in Bibliotheken im Kontext von Qualitätsmanagement. Egal ob eine Bibliothek Qualitätsmanagement nach DIN ISO, nach EFQM oder einem der bibliotheksbezogenen Branchen-QM-Modellen betreibt2: Das Thema „Prozesse“ spielt eine zentrale Rolle und ohne den Nachweis, dass sich die Bibliothek intensiv mit ihren Prozessen auseinandergesetzt, diese dokumentiert und verbessert hat, ist eine Qualitätszertifizierung nicht denkbar. Bibliotheken, die als „Ausgezeichnete Bibliothek“3 zertifiziert werden wollen, müssen nachweisen, dass sie die Anforderungen des QM-Modells auch in Bezug auf ihre Prozesse erfüllen. Die Bedeutung dieses Handlungsfelds wird in der grafischen Darstellung des Modells deutlich.
2 Zum Überblick über QM-Modelle im Bibliothekssektor vgl. Vonhof (2012). 3 Vgl. dazu: Vonhof (2018b).
2.1 Motive, Ziele und Erwartungen
11
Abb. 2.2: Prozesse als ein Handlungsfeld im EFQM-Modell.
Prozessmanagement wird in einem Themenfeld kombiniert mit „Produkt- und Dienstleistungsentwicklung“ und „Kundenkommunikation gestalten“. Die Bezüge zwischen diesen Themen sind offensichtlich und werfen ein Schlaglicht auf das Verständnis von Prozessmanagement als einem Handlungsfeld, das als kundenorientierter Entwicklungstreiber fungiert. Das Kriterium „Prozesse“ fordert, dass Bibliotheken „Prozesse laufend identifizieren, gestalten, steuern und verbessern“. Hintergrund der Forderungen ist einmal mehr, dass Dienstleistungen und Produkte in Prozessen entstehen und damit die Qualität der Dienstleistungen und Produkte von der Qualität der Prozesse abhängig ist. Systematisch geplante und regelmäßig überprüfte und verbesserte Prozesse sind somit ein entscheidender Hebel für Qualität. Das Kriterium untersucht, wie dies erfolgt. Die Bibliothek ist aufgefordert, in ihrer Selbstbewertung zu erläutern, wie sie die folgenden Anforderungen erfüllt: – Die Prozesse der Bibliothek werden unter Beteiligung der Mitarbeitenden identifiziert und dokumentiert. – Prozesse werden unter Beteiligung der Mitarbeitenden regelmäßig überprüft, optimiert und an veränderte Rahmenbedingungen angepasst. – Die Bibliothek benennt Prozessverantwortliche und klärt deren Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten. – Den Prozessen werden Ressourcen (personell, finanziell) zugeordnet. Dies erfolgt unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Ziele der Bibliothek. – Die Bibliothek entwickelt aussagekräftige Prozessindikatoren, um die Effektivität und Effizienz der Prozesse messen zu können (zum Beispiel Durchlaufzeiten, Mengen, Fehlerquoten).
12 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Diese im QM-Modell sogenannten Indikatoren bilden alle wesentlichen Aspekte ab, die Prozessmanagement ausmachen und die in diesem Buch vorgestellt werden. Welche Motive auch immer hinter Ihrer Beschäftigung mit Prozessmanagement stehen mögen, Prozessmanagement übernimmt als Managementansatz im Konzert mit anderen Instrumenten und Ansätzen, die im Bibliothekssektor zu finden sind, eine wichtige Scharnierfunktion. Sie können Prozessmanagement einerseits als handlungsorientiertes Werkzeug einsetzen, um Wissensmanagement, Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement ganz handfest in Ihrer Organisation voranzubringen. Prozessmanagement kann aber andererseits auch als strategischer Ansatz dienen, um die Bibliothek konsequent auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden auszurichten. In diesem Fall nutzen Sie Wissensmanagement, Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement als Instrumente, um dies zu unterstützen. Reflexion Dass Prozessmanagement ein mächtiges Instrument ist, haben wir dargestellt. Um die Lektüre des Buches für Sie möglichst wirkungsvoll zu gestalten, laden wir Sie ein, sich über Ihr Erkenntnisinteresse ein paar Gedanken zu machen. Welche Motive bewegen Sie, sich mit Prozessmanagement auseinander zu setzen? Welche Erwartungen an Prozessmanagement haben Sie? Wobei soll es helfen? Was soll durch Prozessmanagement verhindert oder ermöglicht werden?
2.1 Motive, Ziele und Erwartungen 13
Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Deutschen Nationalbibliothek Kerndaten zur Deutschen Nationalbibliothek Bibliothekstyp: Wissenschaftliche Bibliothek Aktive Kundinnen und Kunden: 21.043 (DBS 2016) Personalstellen in VZÄ: 572 (DBS 2016)
Ein Interview mit Cornelia Diebel, Leiterin des Sachgebiets Dataworkflow und Geschäftsprozesse, und Jürgen Bley, Leiter des Organisationsreferats der Deutschen Nationalbibliothek. Welche Motive haben Sie bewogen, Prozessmanagement in Ihrer Bibliothek einzusetzen? Jürgen Bley: Die strategischen Herausforderungen der Deutschen Nationalbibliothek erfordern nicht nur Veränderungsbereitschaft bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern auch eine flexiblere Organisation, die es ermöglicht, rasch zu agieren und zu reagieren. Dazu gehören effiziente Geschäftsprozesse ebenso wie die Unterstützung und die Vereinfachung von Abläufen durch elektronische Workflows. Innovative Ansätze werden getestet und evaluiert. In diesem Sinne entwickelt die Deutsche Nationalbibliothek eine „positive Fehlerkultur“.4 Diese Implikationen spiegeln sich konkret in dem Ziel „Ein kontinuierliches Monitoring unserer Geschäftsprozesse für die Qualitätssicherung und Optimierung von Abläufen ist aufgebaut.“ wider, welches sich die Deutsche Nationalbibliothek im Rahmen der Strategischen Prioritäten 2017–2020 gesetzt hat. Mindestens seit dem Jahr 2009 baut die Deutsche Nationalbibliothek sowohl im IT-Bereich als auch im Organisationsreferat Know-how im Geschäftsprozessmanagement auf. Im Jahr 2016 sind mehr als 30 Beschäftige aus fast allen Organisationseinheiten – als Multiplikatoren und Prozessmodellierer – geschult worden. Eine vertiefende Modellierungsschulung ist für das Jahr 2017 vorgesehen. Die Anwendung und Verbreitung der Ansätze aus dem Geschäftsprozessmanagement ist als eine Methode auch in das Teilprojekt „Instrumente der Steuerung“ des Organisationsentwicklungsprojektes „Auftakt“ eingeflossen. (Siehe auch: Gelungener Auftakt – zwei Jahre Organisationsentwicklung in der Deutschen Nationalbibliothek; http://d-nb.info/1088458572/34). Cornelia Diebel: Ein wichtiger Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit dem Prozessmanagement in der Deutschen Nationalbibliothek im Fachbereich IT war es, auf dem Gebiet des Anforderungsmanagements zwischen den Fachbereichen des Hauses und der IT zu einem vertieften
4 Strategische Ziele und Konzepte 2017–2020, Themenfeld: 5.2 Organisation (Die Organisation flexibilisieren und kontinuierliche Innovation befördern)
14 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Verständnis zu kommen. Hierbei stand zunächst die Einführung einer standardisierten Prozessnotation, Business Process Model and Notation (BPMN), im Vordergrund. Konkrete Ziele für die Einführung waren Festlegung und Beschreibung von Anforderungen und eine verbindliche, einheitliche Darstellung und Dokumentation von Prozessen im Kontext konkreter IT-technischer Umsetzungen. (Siehe auch: „Einführung von Geschäftsprozessmethoden bei der Deutschen Nationalbibliothek: Entwicklung einer Arbeitshilfe und eines Style-Guides für den Einsatz von BPMN“; https://publiscologne.th-koeln.de/frontdoor/index/index/docId/397 )
Sind die Hoffnungen und Erwartungen, die Sie in das Instrument Prozessmanagement gesetzt haben, erfüllt worden? Cornelia Diebel und Jürgen Bley: Die Hoffnungen wurden insofern erfüllt, als dass sich gezeigt hat, dass sich die Erwartung in die Stärke von BPMN, nämlich die Verständlichkeit sowohl für die Organisation, die Fachbereiche als auch für den IT-Bereich, als richtig erwiesen hat. BPMN ist geeignet im Rahmen von IT-Entwicklungen als Bindeglied für die Verständigung der verschiedenen Bereiche zu sorgen. Die Ablösung einer rein sprachlichen Prozessbeschreibung dient in den allermeisten Fällen einer größeren Transparenz und fördert den Austausch untereinander. Das Organisationsreferat hatte nicht erwartet, dass Prozessmanagement „von heute auf morgen“ wirkt oder es lediglich dessen Einführung bedarf. Es erfordert Beharrlichkeit, ein „Dranbleiben“, vieler kleiner Schritte und Erfolgen. Ja, grafisch visualisierte Prozesse sind nützlich, wenn die Deutsche Nationalbibliothek als Einrichtung an zwei großen Standorten über eigentlich gleiche Arbeitsabläufe spricht und nach Ansätzen sucht, um bessere, schnellere und standardisierte Arbeitsprozesse zu gestalten.
Wie haben Sie die Prozessarbeit in Ihrer Bibliothek organisiert? Cornelia Diebel und Jürgen Bley: Die Prozessarbeit ist arbeitsteilig organisiert. Im Fachbereich IT wird inzwischen die Einführung einer Workflow-Engine vorbereitet, mit der die steigenden Anforderungen an die verschiedenen IT-Prozesse, zunächst mit dem Schwerpunkt Ausbau der Sammlung von Netzpublikationen, effizienter und skalierbarer umgesetzt werden können. Der Fachbereich IT verwendet dabei Prozessmodelle auf verschiedenen Ebenen (IT-Spezifikation und Implementierung). Diese werden ergänzt durch eher operative Modelle, die auch außerhalb der reinen Entwicklung noch verständlich sind. Der Zentralbereich Verwaltung, hier das Organisationsreferat, ist für alle bibliothekarischen Aufgabenbereiche auf Anfrage hausinterner Berater und Moderator bei der Aufnahme, Bewertung und Modellierung von Arbeitsprozessen/Geschäftsgängen. Anlässe bisher waren unter anderem, eine Betrachtung von Geschäftsgängen, um die Auswirkungen von unterschiedlichen Erschließungstiefen zu ermitteln oder vor der Einführung von elektronischen BeschaffungsWorkflows deren zugrundeliegenden Prozesse aufzuzeigen.
Gab es Voraussetzungen, die geschaffen werden mussten, bevor Sie loslegen konnten? Cornelia Diebel und Jürgen Bley: Ohne gewisse Grundkenntnisse im Prozessmanagement und Menschen, die sich dem Thema annehmen, wird es nicht gehen.
2.1 Motive, Ziele und Erwartungen
15
Rahmenbedingungen müssen festgelegt werden, genauso müssen regelmäßig Schulungen stattfinden und viele, viele kleine – oder auch große – Erfolge oder Erkenntnisse sichtbar gemacht werden, damit das Thema in der Bibliothek oder jeder anderen Organisation stattfinden kann.
Was sind vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen Ihre drei wichtigsten Tipps für Bibliotheken, die ins Prozessmanagement einsteigen? Was sollten diese tun oder lassen? Cornelia Diebel und Jürgen Bley: 1.
Ohne vorherige konzeptionelle und organisatorische Überlegungen, inkl. der Festlegung auf eine konkrete Modellierungssprache und die zu nutzende Software, sollte nicht in das Prozessmanagement eingestiegen werden.
2.
Die Anwendungsfälle sollten klar sein. Es wird keine Einführung von 0 auf 100 möglich sein, sondern von kleineren Bereichen ausgehend wird sich das Thema in der Bibliothek verbreiten. Sanfte Lösungen unter ernsthafter Einbeziehung der Beschäftigten sind erfolgreicher. Manchmal dauert dies länger, ist aber durch größere Akzeptanz auch nachhaltiger.
3.
Alle, die das Prozessmanagementfördern – in der Deutschen Nationalbibliothek der Fachbereich IT und das Organisationreferat – sollten ein gemeinsames Verständnis für die Einführung haben.
16 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
2.2 Grundlagen des Prozessmanagements Nach einem sehr knappen und kursorischen historischen Abriss zur Entwicklung des Prozessmanagements stellt Kapitel 2.2 die Begriffe zusammen, denen Sie bei der Beschäftigung mit Prozessmanagement begegnen werden. Wir schaffen mit diesen Begriffsklärungen eine gemeinsame sprachliche Grundlage für die weitere Arbeit.
2.2.1 Blick in die Geschichte Die wesentlichen Gründe, aus denen sich Bibliotheken in den letzten Jahren mit Prozessmanagement beschäftigen, wurden in Kapitel 2.1 skizziert. Sie folgten damit, mit einem gewissen zeitlichen Abstand, Entwicklungen in Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung. Ein kurzer Exkurs in die Geschichte zeigt, wie sich das heutige Prozess-Denken entwickelt hat. Bereits seit den 1930er Jahren wurde in der Literatur immer wieder auf die Notwendigkeit einer prozessorientierten Unternehmensgestaltung hingewiesen. In den 1970er Jahren formuliert Nordsieck dann ein sehr umfassendes Prozessverständnis: „[…]Der Betrieb [ist] in Wirklichkeit ein fortwährender Prozeß, eine ununterbrochene Leistungskette […]. Die wirkliche Struktur des Betriebes ist die eines Stromes. Immerfort schafft und verteilt er im Durchlauf neue Produkte und Dienstleistungen auf Grund der gleichen oder nur wenig sich wandelnder Aufgaben. […].“5
In dieser Aussage klingt die Kernbotschaft des Prozessdenkens deutlich an: Es geht um den Blick auf den gesamten Betrieb und nicht um Prozesse und Abläufe in einzelnen Funktionsbereichen (Abteilungen, Fachbereichen etc.). Seit Anfang der 1990er Jahre hat sich Prozessmanagement im Sinne einer Analyse und Neugestaltung von Prozessen in Unternehmen fest etabliert. Der Gedanke einer prozessorientierten Unternehmensgestaltung ist vor allem mit dem Begriff Business Process Reengineering verbunden. Dieser von Hammer und Champy6 geprägte Begriff beschreibt einen radikalen „Grüne-Wiese“-Ansatz, der fordert, bestehende Arbeitsabläufe und Tätigkeiten grundsätzlich in Frage zu stellen, um möglichst hohe Reorganisationspotenziale zu erschließen. Nicht der einzelne Prozess und seine Optimierung solle im Fokus stehen, sondern eine radikale Veränderung der Organisationsstrukturen: von einer vertikalen Silo-Organisation hin zu einer horizontalen Prozessorganisation. Sie formulieren:
5 Nordsieck (1972), S. 9. 6 Hammer ; Champy (1993).
2.2 Grundlagen des Prozessmanagements
17
„Reengineering is the fundamental rethinking and radical redesign of business processes to achieve dramatic improvements in critical contemporary measures of performance such as cost, quality, service and speed.“ 7
Die Öffentliche Verwaltung hat das Thema Prozessmanagement viel später entdeckt8, und Bibliotheken gehen das Thema erst in den letzten Jahren verstärkt an9. Gleichwohl lässt sich auch hier eine historische Entwicklung nachzeichnen, denn Prozessmanagement ist weder für die öffentliche Verwaltung noch für Bibliotheken etwas völlig Neues. Verwaltungs- und Bibliotheksprozesse wurden immer schon durch Verwaltungsvorschriften, Geschäftsverteilungspläne oder formularbasierte Abläufe festgelegt. Der in Bibliotheken eingeführte Begriff „Geschäftsgang“ belegt dies. Nun hat sich einerseits der radikale Ansatz von Hammer und Champy in der öffentlichen Verwaltung und in Bibliotheken nie durchgesetzt, die Begrenzung auf eine lediglich punktuelle Optimierung einzelner Prozesse führt aber andererseits häufig auch nicht zu spürbaren und notwendigen Effekten. Daher schlägt dieses Handbuch einen Mittelweg vor, indem es vor dem Hintergrund einer ganzheitlichen Betrachtung der gesamten Organisation eine schrittweise, kontinuierliche und vor allem beteiligungsorientierte Vorgehensweise der Prozessanalyse und Prozessoptimierung beschreibt, die gerade durch die Beteiligungsorientierung das Prozessdenken in der Breite der Belegschaft verankert. Auch ohne den radikalen Ansatz des Business Reengineerings zu verfolgen, erfordert prozessorientiertes Arbeiten und Handeln ein deutliches Umdenken. Ausgangs- und Zielpunkte einer Prozessgestaltung sind die Anliegen und Bedürfnisse der Abnehmer der Dienstleistungen und Produkte, die in einem Prozess erzeugt werden. Dies gilt für jeden einzelnen Prozess, natürlich aber auch für den prozessorientierten Blick auf die gesamte Organisation. Die herkömmliche, nach innen gerichtete, funktionsbezogene Sicht, die hierarchie- und aufgabenorientiert ist, reicht für die Bewältigung zukünftiger immer komplexer werdender Aufgaben und Kundenansprüche nicht mehr aus. Damit prozessorientiertes Denken und Handeln gelingt, ist die Kenntnis der wesentlichen Prozesse der Bibliothek sowie ein gemeinsames Verständnis von deren gegenseitigen Abhängigkeiten und Priorisierung unabdingbar.
7 Hammer ; Champy (1993), S. 32. 8 Vgl. Hill (2012), S. 249–257. 9 Vgl. dazu: Mundt ; Vonhof (2008); Bauknecht (2011).
18 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
2.2.2 Grundbegriffe des Prozessmanagements Was genau ist nun ein Prozess? Der Begriff Prozess kommt aus dem Lateinischen und beschreibt das Voranschreiten, das Fortschreiten, den Fortgang oder den Verlauf. Im betriebswirtschaftlichen Kontext wird unter Prozess eine Abfolge von Arbeitsschritten verstanden, die zur Erstellung einer definierten materiellen oder immateriellen Leistung (eines Produktes oder einer Dienstleistung) in einer Organisation notwendig sind. Der Prozess beschreibt damit Dynamik in Abgrenzung zu Struktur. Prozesse werden von einem Ereignis ausgelöst und enden auch mit einem Ereignis, das für den Adressaten oder Kunden dieses Prozesses ein „wert-volles“ Ergebnis bereitstellt. Drei wesentliche Begriff aus diesem knappen Definitionsversuch werden uns im Buch begleiten und prägen die Arbeit mit Prozessmanagement: Kunde, Tätigkeiten (auch Aktivität, Arbeitsschritt, Prozessschritt, Verrichtung) und Wert: – Prozesse erheben den Anspruch, eine kundenorientierte Rundumbearbeitung zu gestalten, indem mit jedem Prozess ein „Fenster zum Kunden“10 geschaffen wird. – Prozesse beschreiben die Tätigkeiten, die dazu führen, dass diese Kundenorientierung auch zu einem für die Kunden „wert-vollen“ Ergebnis führt. Sie bieten „A structure for action“11 – Prozesse werden aus der Kundenperspektive gedacht und designt. Ziel ist es, einen Wert für Kunden zu schaffen, das heißt, ein Ergebnis, das mit Blick auf Qualität, Zeit und Kosten die Kunden zufriedenstellt und wegen dem die Kunden bereit sind, das Produkt oder die Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.
Abb. 2.3: Definitionsbestandteile eines Prozesses.
10 Osterloh ; Frost (2006), S. 31. 11 Davenport, Process Innovation, 1993, S. 5 (zitiert nach Osterloh, S. 33).
2.2 Grundlagen des Prozessmanagements
19
Anhand von Abbildung 2.3 lassen sich die wesentlichen Definitionselemente eines Prozesses erläutern: Input Für jeden Prozess gibt es einen Auslöser, der als Startereignis für den Prozess fungiert. Dieser Auslöser ist ein Input12, der zum Beispiel darin besteht, dass eine vorgelagerte Aufgabe abgeschlossen wurde, eine Lieferung erfolgt, eine Entscheidung getroffen wird, eine Anforderung eines Kunden erfolgt, ein definierter Termin eintritt. Der Input kann damit materiell oder immateriell sein. Tab. 2.1: Beispiele für Prozess-Inputs. Beispiel Eine vorgelagerte Aufgabe wurde abgeschlossen
Die Lieferkontrolle neuer Medien ist abgeschlossen, der Prozess „Technische Medienbearbeitung“ wird dadurch gestartet
Eine Lieferung erfolgt
Neue Medien sind angeliefert, der Prozess Lieferkontrolle und Inventarisierung wird gestartet
Eine Entscheidung wurde getroffen
Eine Erwerbungsentscheidung durch die Fachreferentin/Lektorin wurde getroffen, der Prozess der Erwerbung wird gestartet
Eine Anforderung eines Kunden erfolgt
Eine neue Kundin will sich einen Ausweis ausstellen lassen, der Anmeldeprozess startet
Ein definierter Termin tritt ein
Der 15. des aktuellen Monats ist erreicht, der Prozess der Budgetberichterstellung startet
Die Klärung des Startereignisses und die eindeutige Formulierung, was das Startereignis ist, ist eine erste, entscheidende Herausforderung bei der Erhebung und Dokumentation von Prozessen (vgl. Kapitel 3.1.2). Hier wird sichergestellt, dass die folgenden Schritte auf einem gemeinsamen Verständnis des Startereignisses des Prozesses aufsetzen. Tipp Benennen Sie die Inputs möglichst genau, indem sie das materielle oder immaterielle Objekt eindeutig benennen, ihm ein beschreibendes Adjektiv beifügen und die erfolgte Aktion benennen. Zum Beispiel: Die Lieferkontrolle neuer Medien ist abgeschlossen. Neue Medien sind angeliefert.
12 Synonym verwendet wird auch der Begriffe Eingabe.
20 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Startereignisse können in hohem Maße standardisiert, teilweise auch automatisiert sein. Dies trifft vor allem für Prozesse zu, die sehr häufig und in stark vorstrukturierter Form ablaufen. Startereignisse können aber auch ad hoc eintreten und dann einen weniger stark vorstrukturierten Prozess auslösen. So kann zum Beispiel das Angebot eines neuen Kooperationspartners, eine gemeinsame Kulturveranstaltung anzubieten, ad hoc den Prozess der Veranstaltungsplanung auslösen. Das Startereignis stößt eine logische Folge von Tätigkeiten an. Diese stellen den eigentlichen Kern des Prozesses dar. Die Tätigkeiten werden von Personen (Prozessmitarbeitende) oder auch von sächlichen Ressourcen (Software, Maschinen) erledigt. Zur Ausführung der Tätigkeiten werden Informationen benötigt und gegebenenfalls Material verarbeitet. Abfolge von Tätigkeiten Die sinnvolle und effiziente Abfolge der Tätigkeiten steht im Mittelpunkt der Prozessanalyse und der Prozessoptimierung. Dabei ist grundsätzlich ein sequenzielles Vorgehen (eine Tätigkeit nach der anderen), ein gleichzeitiges Vorgehen (eine oder mehrere Tätigkeiten zeitlich parallel) oder ein alternatives Vorgehen (mindestens zwei alternative Wege bestehen, eine Entscheidung muss getroffen werden) denkbar. Bei der Prozessanalyse und Prozessoptimierung wird unter anderem strukturiert hinterfragt, ob durch eine Veränderung der Tätigkeitsfolge die Durchlaufgeschwindigkeit oder die Qualität des Prozesses erhöht werden können. Für die Zugehörigkeit einer Tätigkeit zu einem Prozess spielt es keine Rolle, wer (welche Person aus welcher Organisationseinheit) diese Teilleistung erbringt. Kundenorientierung Ziel und zugleich die einzige Existenzberechtigung für einen Prozess ist es, durch die Abfolge der Tätigkeiten, Aktivitäten und Verrichtungen ein Produkt oder eine Dienstleistung für einen internen oder externen Kunden zu schaffen. Dabei wird ein weiter Kundenbegriff zugrunde gelegt: Kunden sind alle Personen oder Organisationseinheiten, die Leistungen (Produkte oder Dienstleistungen) vom betrachteten Prozess empfangen, unabhängig davon, ob sie diese im monetären Sinn „bezahlen“ oder nicht. Kunde kann also der externe Kunde (Bibliotheksnutzer) sein oder die Mitarbeiterin in der Nachbarabteilung, die mit den Ergebnissen des Prozesses weiterarbeitet (interne Kundin). Jeder Mitarbeiter hat damit in der Regel zwei Rollen: Er ist sowohl interner Kunde als auch Lieferant für andere interne Kunden (nämlich seine Kolleginnen und Kollegen) und externe Kunden. Die Forderung lautet: Jeder Lieferant muss einen Beitrag zum Wertschöpfungsprozess leisten. Unter wertschöpfenden Tätigkeiten versteht man solche, bei denen Materialien oder Informationen im Prozessverlauf so verändert werden, dass ihnen – aus Sicht der Kunden – Wert zugefügt wird. Nur in dieser Gesamtschau und im Zusammenspiel aller Prozessbeteiligten entsteht ein Produkt oder eine Dienstleistung,
2.2 Grundlagen des Prozessmanagements
21
die den Kunden zufriedenstellt. Alle Beiträge, die aus Kundensicht als nicht wertschöpfend klassifiziert werden können, sind Kandidatinnen dafür, ihre Notwendigkeit und Existenzberechtigung sehr kritisch zu hinterfragen. Output Das Ergebnis dieses wertschöpfenden Prozesses bildet den Output13. Dieser kann ein materielles Produkt sein (zum Beispiel ein ausleihfertig bearbeitetes Buch), ein immaterielles Produkt (zum Beispiel die Bereitstellung des Zugangs zu einer Datenbank) oder eine Dienstleistung (zum Beispiel eine Informationskompetenzschulung). Dieser Output kann nun entweder direkt an einen externen Kunden gehen (den Bibliotheksnutzer), oder er kann der Input für einen internen Folgeprozess sein. Ähnlich wie beim Input empfiehlt es sich auch beim Output, die folgende sprachliche Regel zu nutzen: Tipp Benennen Sie die Outputs möglichst genau, indem sie das materielle oder immaterielle Objekt eindeutig benennen, ihm ein beschreibendes Adjektiv beifügen und die erfolgte Aktion benennen. Zum Beispiel: Die Lieferkontrolle neuer Medien ist abgeschlossen. Eine neue Kundin ist angemeldet. Neue Medien sind ausleihfertig. Datenbankzugang ist freigeschaltet.
Letztlich bleibt die Kernaussage: Im Zentrum der Betrachtung steht das Ergebnis für den Kunden und die Bedingungen (Zeit, Kosten, Qualität), zu denen er das Produkt bzw. die Dienstleistung erhält. Kunden- und Lieferantenbeziehungen Prozesse leben davon, dass die Kunden-Lieferanten-Beziehungen möglichst reibungslos funktionieren. Dieser Ansatz ist weit mehr als ein mechanistisches Ineinandergreifen von Rädchen. Hier geht es vielmehr um das Verständnis jedes Prozessbeteiligten, dass sein Beitrag für das Gelingen und die Qualität des gesamten Prozesses von Bedeutung ist. Der Blick muss also über den eigenen Tellerrand hinaus auf das Gesamtergebnis gerichtet werden. Um dieses zentrale Grundprinzip deutlich zu machen, stellen wir uns vor, dass jeder Prozess mindestens einen
13 Synonym verwendet werden die Begriffe Ergebnis oder Endereignis.
22 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Kunden und einen Lieferanten sowie einen messbaren Input und einen Output aufweist. Jedem Prozess kommen also verschiedene „Rollen“ zu. 1. Der betrachtete Prozess ist Kunde von Materialien und Informationen eines vorangegangenen Prozesses. Er erhält also Leistungen (Input), an die er bestimmte Anforderungen stellt, um damit möglichst gut weiterarbeiten zu können. 2. Der Prozess ist Verarbeiter der erhaltenen Leistungen. Er verarbeitet diese weiter und fügt ihnen dadurch Wert zu – Wertschöpfung erfolgt. 3. Letztlich übernimmt der Prozess die Rolle eines Lieferanten und gibt – gemäß den Anforderungen seines Kunden – die erstellten Leistungen an diesen (den nachfolgenden Prozess) weiter.
Abb. 2.4: Kunden-Lieferanten-Beziehung in einem Prozess.
Mit dieser Prozessdefinition lassen sich alle Arten von Prozessen erfassen. Das lässt sich leicht nachvollziehen, denn Prozesse begegnen uns nicht nur in der Berufswelt, sondern auch im privaten Leben. So kann der Tagesablauf beginnend mit dem Aufstehen, Frühstück, Weg zur Arbeit und so weiter durchaus als Prozess verstanden werden. Ebenso enthält die Planung eines Kinobesuchs mit Freunden alle Elemente einer Prozessdefinition.
2.2 Grundlagen des Prozessmanagements
23
Abb. 2.5: Planung eines Kinobesuchs als Beispiel für einen Prozess.
Sehr deutlich wird bei diesem Beispiel, dass Prozesse als Ketten von Ereignissen oder Aktivitäten beschrieben werden können, die miteinander verknüpft und zeitlich strukturiert sind. Zugleich können Prozesse aber auch als Serie von sozialen Interaktionen der Prozessbeteiligten verstanden werden, die auf ein bestimmtes Ergebnis hin gesteuert werden und kein bloßes Zufallsergebnis sind. Die Steuerung ist dabei aber in vielen Fällen abhängig vom Kontext und von den Erfahrungen der Prozessbeteiligten. Bei Dienstleistungsprozessen ist sie insbesondere von der Interaktion mit dem Kunden abhängig. Werden die beiden Aspekte des Prozessverständnisses in den Blick genommen, nämlich der eines Prozesses als Ereigniskette und der eines Prozesses als soziale Interaktion, dann wird deutlich, dass eine ausschließlich technisch-mechanistische Betrachtung eines Prozesses zu kurz greifen würde. Die gelingende soziale Interaktion stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die Arbeit mit und in einem Prozess dar. Bestimmt wird die soziale Interaktion vom Vorhandensein gemeinsamer Regeln und dem Umgang mit ihnen, vor allem aber von den Zielen und damit der Sinnkonstruktion des Prozesses. Wertschöpfung Wir haben weiter oben Prozesse definiert als Tätigkeiten, die zu einem für die Kunden „wert-vollen“ Ergebnis führt. Ein Prozess muss also wertschöpfend sein, das heißt, er muss einen Nutzen für den Kunden bringen. Betriebswirtschaftlich be-
24 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
trachtet versteht man unter prozessorganisatorischer Wertschöpfung das Entstehen einer Leistung, für die ein Kunde bereit ist, Geld zu zahlen.14 Der Blick auf Wertschöpfung bedient also ein wichtiges Motiv für Prozessmanagement, nämlich das, Prozesse auf Effizienzpotenziale hin zu untersuchen. Will man Effizienz steigern, muss man „Verschwendungen“ beseitigen. Mit „Verschwendung“ werden dabei Aktivitäten bezeichnet, die keinen Beitrag zur Wertschöpfung leisten und die reduziert oder eliminiert werden sollten. Idealtypisch umfasst ein optimierter Prozess nur noch wertschöpfende Aktivitäten. Dass dies tatsächlich eine Idealvorstellung ist, zeigen eine Reihe von Untersuchungen.15 Nach Tomys16 können die Leistungsarten, die in Prozessen zu finden sind, nach dem Grad ihres Wertschöpfungsbeitrags unterteilt werden in Nutzleistung, Stützleistung, Blindleistung und Fehlleistung.
Abb. 2.6: Prozessleistungen. Eigene Darstellung in Anlehnung an Tomys, 1995.
Obwohl die genannten Prozentwerte nur als Anhaltspunkte dienen können, ist es erhellend, sich die kritische Frage zu stellen, welche Aktivitäten in den eigenen Prozessen welcher Kategorie zuzuordnen sind, und sie gründlich auf Optimierungsansätze zu überprüfen. Folgende Beispiele für die Leistungsarten und entsprechende Handlungsoptionen zur Vermeidung sind in Bibliotheken anzutreffen:
14 Vgl. Fischermanns (2013), S. 32. 15 Da für den Bibliotheks-/Informationssektor keine vergleichbaren Studien vorliegen, greifen wir zur Illustration der Dimension der Verschwendungsarten auf Tomys Untersuchungen aus der Industrie zurück. 16 Vgl. Tomys (1995), S. 72.
2.2 Grundlagen des Prozessmanagements
25
Abb. 2.7: Leistungsarten in Prozessen in Bibliotheken.
Geschäftsgang und Workflow Beschäftigt man sich mit dem Thema Prozess und Prozessmanagement, so stößt man unweigerlich auf weitere Begriffe. Auch wenn – oder gerade weil – die Definitionsvarianten in der Literatur unübersichtlich sind, wollen wir in diesem Handbuch die Begriffe klären. Oben wurde beschrieben, was einen Prozess kennzeichnet, und es wurde dargestellt, dass seine Merkmale grundsätzlich für Prozesse aller Art gelten. Überall wo wir als Menschen aktiv sind – im Privatleben, der Freizeit, bei sozialem oder kulturellem Engagement – erzeugen wir Ergebnisse, und diese kommen durch Prozesse zustande. Häufig sind diese Prozesse durch Arbeitsteiligkeit gekennzeichnet. In Abgrenzung zum übergeordneten weiten Begriff des „Prozesses“ wird mit „Geschäftsprozess“ eine spezielle Art von Prozessen benannt, nämlich nur solche, in denen das eigentliche „Geschäft“ im betriebswirtschaftlichen Sinn von Unternehmen, Organisation oder auch von Bibliotheken abgewickelt wird. Damit richtet sich ein Geschäftsprozess immer unmittelbar an den Kunden. Diese besondere Art der Prozesse, nämlich solche, die das Kerngeschäft einer Organisation erfassen, werden wir noch genauer betrachten (vgl. Kapitel 2.3.1).
26 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Ein Workflow bezeichnet einen detailliert beschriebenen Prozess, der IT-gestützt und automatisiert durchgeführt wird. Hier geht es also um die technische Sicht auf die Prozesse. Damit diese Automatisierung von Prozessen effizient erfolgen kann, bezeichnet „Workflow“ zugleich einen stark strukturierten Prozess. Betrachtet man Prozesse in Bibliotheken, dann gibt es eine Gruppe von Prozessen, die unabhängig von Sparte und Größe von höchster Relevanz ist, nämlich alle Prozesse, die zur Bereitstellung von Medien für die Kunden nötig sind. Diese Prozessgruppe wird traditionell vor allem in den Wissenschaftlichen Bibliotheken mit „Geschäftsgang“ benannt. Der Geschäftsgang umfasst also Erwerbung, Katalogisierung und technische Medienbearbeitung17. Der Begriff „Geschäftsgang“ ist demnach nach der obigen Definition ein „Geschäftsprozess“. Er betrifft unstrittig das „eigentliche Geschäft“ einer Bibliothek und er ist – jedenfalls in der Gesamtsicht – auf externe Kunden ausgerichtet. Prozessmanagement – Management von Prozessen Der nächste zu klärende Begriff, ist „Prozessmanagement“. Auch hier finden sich in der Literatur Begriffe, die synonym verwendet werden, wie Geschäftsprozessmanagement oder Business Process Management. Wenn wir der Definition von Allweyer folgen, begeben wir uns nun auf eine höhere Ebene der Betrachtung, denn beim Prozessmanagement geht es um die systematische Gestaltung, Steuerung, Überwachung und Weiterentwicklung der Prozesse einer Organisation.18 Es geht darum, durch Führung, Organisation und Controlling eine zielgerichtete Steuerung der Prozesse zu ermöglichen. Letztlich zielt auch dies wiederum darauf, die Bedürfnisse von Kunden und anderen Interessengruppen zu erfüllen und damit dazu beizutragen, die strategischen und operativen Ziele der Organisation zu erreichen. Prozessmanagement hat also zwei Bezugspunkte: Der erste Bezugspunkt ist die Strategie. Aus ihr ergibt sich, welche Prozesse erforderlich sind (was also getan werden muss), um welche strategischen Ziele durch Prozesse (also durch Handeln) zu erreichen. In den Prozessen selbst wird definiert, wie (also durch welche Prozessschritte) die strategischen Ziele erreicht werden sollen. Die logische Konsequenz daraus ist, dass eine Änderung der Strategie auch Änderungen der Prozesse nach sich zieht. Der zweite Bezugspunkt ist die Verbindung zu Kunden. Hier bildet das Prozessmanagement ab, welche Objekte (also welche Produkte oder Dienstleistungen) den
17 Vgl. Strauch ; Rehm (2007); Umlauf ; Gradmann (2011). 18 Vgl. Allweyer (2005), S. 12.
2.2 Grundlagen des Prozessmanagements
27
Output eines Prozesses darstellen und welchen Anforderungen dieser Output aus Kundensicht genügen muss. Tipp Der Kundenbezug liegt für Bibliotheken, die sich als Dienstleisterinnen verstehen, sehr nahe. Achten Sie dennoch darauf, dass auch der Strategiebezug bewusst in den Blick genommen wird.
Operatives und strategisches Prozessmanagement Blickt man auf die Praxis, dann lässt sich oft feststellen, dass ein im Alltag wahrgenommenes „Knirschen“ den Anstoß gibt: In einzelnen Prozessen wird Optimierungsbedarf erkannt, und an dieser Stelle beginnt man mit der Untersuchung und Verbesserung genau dieser Problembereiche. Dies bezeichnen wir als „operatives Prozessmanagement“. Im besten Fall wird die Wirksamkeit und Nützlichkeit der Methode Prozessmanagement dabei für die Beteiligten unmittelbar spürbar und das motiviert, weitere Prozesse unter die Lupe zu nehmen. Die zweite Ebene der Betrachtung ist die des „strategischen Prozessmanagements“. Sie geht über die Betrachtung einzelner Prozesse oder Prozessgruppen hinaus. Strategisches Prozessmanagement versteht das Denken in Prozessen als Beitrag zur Führung der gesamten Organisation, also als Führungsinstrument. Wenn alles, was eine Organisation tut und an Leistungen erbringt, in Prozessen erfolgt, dann muss die Gestaltung jedes einzelnen Prozesses und das Zusammenspiel aller Prozesse bewusst gesteuert und geführt werden, um die Ziele der Organisation zu erreichen. Das punktuelle Optimieren einzelner Problemstellen genügt dann nicht. „Ein systematisches Prozessmanagement trägt zum Erfolg aller Bereiche in Unternehmen bei, da Prozesse den ‚Klebstoff‘ zwischen Produkten, Organisationen und Rollen sowie unterstützenden Systemen darstellen.“19
Der zu erwartende Nutzen aus dem Zusammenspiel von operativem und strategischem Prozessmanagement lässt sich daraus ableiten: – Die Identifikation und Dokumentation von Prozessen schafft Klarheit, indem ein Überblick über die wesentlichen Arbeitsabläufe, die beteiligten Personen, die eingesetzten Ressourcen, die angestrebten Ziele und notwendige Verbesserungen geschaffen wird. Diese Klarheit wirkt nach außen, weil Zuständigkeiten geklärt, dokumentiert und damit kommunizierbar sind. Sie wirkt nach innen, weil Transparenz über Zuständigkeiten die Konzentration auf wertschöpfende Tätigkeiten und Prozessziele die Versachlichung der Zusammenarbeit unterstützen.
19 Jochem ; Jäkel ; Knothe (2014), S. 22.
28 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
–
–
–
Dokumentierte Prozesse bieten unmittelbare Andockpunkte für Verbesserungshinweise von Kundinnen und Kunden und von Mitarbeitern. Statt „man-könnte-sollte-müsste-Ideen“ ohne Zuständigkeit und Verantwortlichkeit im Sande verlaufen zu lassen, ist im Rahmen einer kontinuierlichen Prozessverbesserung eine gezielte Reaktion möglich. Dokumentierte Prozesse sind der Einstieg in ein Wissensmanagement, das durch die Prozessbeteiligten – also die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – entwickelt und getragen wird. Wissen und Erfahrung wird in Prozessdokumentationen sichtbar, nutzbar und damit alltagstauglich. Die konsequente Ausrichtung der Prozesse auf die Kundinnen und Kunden und der kritische Blick auf wertschöpfende Tätigkeiten unterstützen einen transparenten Umgang mit Ressourcen, seien diese personeller, sachlicher oder finanzieller Art.
Damit Prozessmanagement als Führungsinstrument diesen Nutzen erreicht, genügt es jedoch nicht, dass nur ein kleiner Kreis von Führungspersonen prozessorientiert denkt. Prozessmanagement als Führungsinstrument funktioniert nur, wenn es gelingt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf allen Hierarchieebenen aktiv einzubeziehen.
2.3 Systematisierung von Prozessen Unternimmt man den Versuch, Prozesse einer Bibliothek zu erfassen, so stellt man fest, dass in jeder Bibliothek eine erstaunliche hohe Anzahl von Prozessen identifiziert werden kann. Selbst bei einer sehr groben Betrachtung lassen sich leicht 50 Prozesse benennen. Große Bibliotheken mit einem differenzierten Dienstleistungsund Produktportfolio kommen auf mehrere 100 Prozesse. Eine Systematisierung tut daher Not. Im Folgenden werden einige Kriterien zur Systematisierung und Kategorisierung von Prozessen vorgestellt, die für die Praxis relevant sind.
2.3.1 Systematisierung nach Leistungsempfängern Die am weitest verbreitete Systematisierung von Prozessen ist die nach Leistungsempfängern. Mit ihr lassen sich Prozesse in Kernprozesse, Managementprozesse und Serviceprozesse clustern. Kernprozesse Kernprozesse sind Leistungserstellungsprozesse, und Leistungen, die in diesen Prozessen entstehen, sind unmittelbar an die externen Kunden gerichtet. Sie beschrei-
2.3 Systematisierung von Prozessen
29
ben damit das „eigentliche Geschäft“ der Bibliothek, sie dienen der Erfüllung der strategischen Zielsetzungen bzw. dem Zweck der Bibliothek, und – das sollte man ebenfalls im Blick behalten – in ihnen werden die Kernkompetenzen sichtbar. Letztlich sind sie der entscheidende Stellhebel für die Frage, ob die Kunden mit den Produkten und Dienstleistungen der Bibliothek zufrieden sind. Oder anders formuliert: Der Output der Kernprozesse ist der Grund, warum Kunden die Bibliothek nutzen. Kernprozesse sind solche, die sich regelmäßig wiederholen und in denen ein wesentlicher Teil der Ressourcen eingesetzt wird (Personal, Wissen, Sachmittel, Räume). Idealtypisch erfüllen sie die folgenden Kriterien: – Sie erzeugen einen wahrnehmbaren Kundennutzen. – Sie stellen den direkten Bezug zur Strategie her. – Sie sind spezifisch und damit nicht oder nur schwer imitierbar und substituierbar. Beispiele für Kernprozesse in Bibliotheken sind: – Medien bereitstellen – Veranstaltungen durchführen – Beratung und Auskunft geben – Publikationsdienste anbieten – Forschungsdaten managen Als Synonyme für den Begriff „Kernprozess“ tauchen in der Literatur unter anderem die Begriffe Leistungsprozess, Geschäftsprozess, Primärer Prozess oder Schlüsselprozess auf. Managementprozesse Von Managementprozessen sprechen wir, wenn sie der Planung, Steuerung und dem Controlling der gesamten Organisation dienen. Ihre Leitfrage ist, welche Vorgänge, übergeordnet und langfristig gestaltet werden müssen, um die Bibliothek zukunfts- und überlebensfähig zu machen. Managementprozesse erbringen damit keine unmittelbare Leistung für externe Kunden, sondern richten sich nach innen in die Bibliothek. Sie tragen aber natürlich indirekt zum Kundennutzen bei, indem sie strategische Zielsetzungen vorgeben und Rahmenbedingungen setzen, die sich auf die übrigen Prozessarten auswirken. Die Verantwortung für Managementprozesse liegt bei der Leitungsebene. Beispiele für Managementprozesse sind auch in einer Bibliothek zu finden: – Strategie und Zielsystem entwickeln und überwachen – Budget planen und bereitstellen – Partnerschaften managen
30 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
– –
Unternehmenskommunikation gestalten Qualitätsmanagement betreiben
Auch für „Managementprozess“ finden sich in der Literatur unterschiedliche Bezeichnungen. Synonym werden die Begriffe Führungsprozess und Steuerungsprozess verwendet. Serviceprozesse Serviceprozesse fokussieren auf interne Kunden und erfüllen unterstützende Aufgaben, damit die Kernprozesse reibungslos ablaufen können. Ihre Leitfrage ist: Welchen Input bzw. welche Leistungen benötigen die Kern- und Managementprozesse, damit diese gut funktionieren können? Serviceprozesse leisten zwar keinen unmittelbaren Beitrag zum externen Kundennutzen, der externe Kunde ist allerdings dann sehr wohl betroffen, wenn diese Prozesse nicht funktionieren. Sie sorgen nämlich dafür, dass sämtliche benötigten Ressourcen zur Verfügung stehen. So sind die folgenden Prozesse Beispiele für Serviceprozesse in Bibliotheken: – IT-Infrastruktur pflegen und entwickeln – Rechnungswesen durchführen – Dienstplanung vornehmen – Gebäudemanagement betreiben Im Unterschied zu Management- und vor allem zu Kernprozessen haben Serviceprozesse eine geringere strategische Relevanz. Sie sind daher zum einen Kandidaten für ein Outsourcing, und zum anderen eignen sich Serviceprozesse gut für ein Benchmarking, das auch über Branchengrenzen hinweggehen kann. De facto findet beides in Bibliotheken auch bereits in erheblichem Umfang statt: so wird das Gebäude- und Reinigungsmanagement in der Regel nicht von eigenen Kräften erbracht, sondern zentral vom Träger oder gar von externen Reinigungsunternehmen. Ähnliches gilt für die operativen Personalservices, das Rechnungswesen, Druckereioder Buchbindedienstleistungen. Kritisch zu betrachten sind IT-Service-Prozesse, die durchaus auch als Kernprozess verstanden werden können. Hier ist es sinnvoll, die Begriffe „Kernprozess“ und „Kernkompetenz“ in einen Zusammenhang zu stellen, um die Grenzziehung zwischen IT-Serviceprozessen und IT-Kernprozessen auszuloten. „Serviceprozesse“ werden auch als Supportprozesse oder Unterstützungsprozesse bezeichnet. Grenzen der Systematisierung Am Beispiel der IT-Prozesse wird sichtbar, dass auch die schlichte Systematik, mit der Prozesse nach Leistungsempfängern eingeteilt werden können, das Problem je-
2.3 Systematisierung von Prozessen
31
der Systematik aufweist. Es gibt Grenzfälle, und es gibt das weite Feld der Einschätzungen und der damit verbundenen impliziten Bewertung. Die Bewertung kann im Hinblick darauf geschehen, inwiefern ein Prozess als strategischer Prozess (und damit als Managementprozess) oder als operativer Umsetzungsprozess (und damit als Serviceprozess) verstanden und gelebt wird. Tipp Machen Sie sich die Ausrichtung und Zielsetzung Ihrer Prozesse klar, wenn Sie die Zuordnung vornehmen. Schauen wir uns das Beispiel „Partnerschaften managen“ an: Wird dieser Prozess als Ansatz verstanden, mit Hilfe dessen Partnerschaften strategisch und systematisch ausgewählt, evaluiert und gepflegt werden, um die eigenen Ressourcen zu verstärken, dann wird man „Partnerschaften managen“ als „Managementprozess“ klassifizieren. Konzentriert sich die Arbeit hingegen auf die tagtägliche Umsetzung vorhandener und eingespielter Partnerschaften (zum Beispiel mit Schulen) und werden diese vor allem als Unterstützung für einen Kernprozess (zum Beispiel für „Medienkompetenz vermitteln“) verstanden, dann ist eine Klassifizierung als Serviceprozess angemessen.
In einer Reihe von Prozessmanagementprojekten in Bibliotheken gab es bei der Zuordnung von Prozessen zu den drei Kategorien vor allem von Seiten von Mitarbeitenden, die in Serviceprozessen arbeiten, teils heftige und emotional vorgebrachte Argumente, warum „ihr“ Prozess kein Serviceprozess sei und warum er einen wesentlichen Beitrag zum Funktionieren des gesamten Betriebs leisten würde. Hier werden zwei Dinge deutlich: 1. Menschen identifizieren sich (erfreulicherweise) mit den Prozessen, in denen sie arbeiten, wertschätzen diese und erwarten diese Wertschätzung auch von anderen. 2. Eine Kategorisierung, die zur Klarheit beitragen soll, birgt immer das Risiko, zu vereinfachen und zugleich als Wertung verstanden zu werden (hier die Annahme, ein Serviceprozess sei weniger „wert“ als ein Kernprozess). Tipp Beachten Sie diesen möglicherweise sehr unerwarteten emotionalen Aspekt und achten Sie beim Einführen oder Vorstellen dieser sinnvollen Prozesskategorien bewusst darauf, dass aus einer Kategorisierung von Prozessen nach Leistungsempfängern nicht eine nach Prozessen erster und zweiter Klasse wird.
32 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
2.3.2 Prozesslandkarten und Prozesslandschaften Eine Prozesslandkarte (manchmal wird auch der Begriff Prozesslandschaft verwendet) bildet in hoch aggregierter und grafischer Form die Prozesse einer Organisation ab. Dabei gilt „weniger ist mehr“, und so wird die aggregierte Form gewählt, weil das typische Ziel der Landkarte ist, eine schnelle Orientierung und einen Überblick zu ermöglichen.
Abb. 2.8: Grundform einer Prozesslandkarte.
Wenn man sich Prozesslandkarten unterschiedlicher Bibliotheken oder auch anderer Organisationen ansieht, dann folgen deren grafische und gedankliche Struktur immer wieder dem gleichen, recht einfachen Muster: – Im Zentrum stehen die Führungs-, Kern- und Serviceprozesse, die jeweils getrennt dargestellt werden. – Als Rahmung auf beiden Seiten ist das Umfeld der Organisation dargestellt, links die Auftrag- oder Inputgeber, rechts die Kunden der erbrachten Leistungen. – Organisationseinheiten oder Funktionsbereiche (Abteilungen, Referate) werden nicht darstellt. Eine Prozesslandkarte ist aber mehr als die grafische Darstellung der Prozesscluster, denn
2.3 Systematisierung von Prozessen
–
–
–
33
eine Prozesslandkarte macht transparent, was die Kernaufgaben einer Organisation sind und welche Management- und Serviceprozesse hierbei Hilfestellung leisten, sie ermöglicht jedem Mitarbeiter, einen abteilungsübergreifenden, prozessorientierten Blick zu entwickeln und die eigenen Tätigkeiten in den Gesamtkontext einzuordnen, sie macht deutlich, dass auch Serviceprozesse, die intern und hinter den Kulissen ablaufen, einen Beitrag zum Gelingen eines Kernprozesses und damit einen Beitrag zur Kundenzufriedenheit leisten können und müssen.
Die Prozesslandkarte rückt ganz automatisch den ganzheitlichen Blick auf Prozesse statt auf Organisationseinheiten (Abteilungen, Referate) in den Vordergrund. Sie kann damit als Ausgangspunkt für ein Umdenken in Richtung Prozessorganisation genutzt und hierfür als Rahmenwerk und Bezugspunkt verstanden werden. Natürlich kann man auch ohne Prozesslandkarte beginnen, einzelne Prozesse zu dokumentieren, zu analysieren und zu optimieren. Allerdings können dann unter anderem folgende Risiken auftreten: – Die Bedeutung der einzelnen Prozesse im Gesamtkontext ist nicht klar, so dass ein Auswahlkriterium fehlt, um zu entscheiden, welche Prozesse vorrangig analysiert und optimiert werden sollten. – Querbezüge, Wirkungen und Abhängigkeiten einer Prozessveränderung auf andere Prozesse werden nicht berücksichtigt. – Ein übergreifendes Prozessverständnis und eine Verantwortlichkeit für den gesamten Prozess kann bei den Prozessbeteiligten nur schwer entstehen. Wie kommt man zu einer Prozesslandkarte? Hierzu müssen wir uns nochmals vergegenwärtigen, dass die Prozesslandkarte ein Hilfsmittel ist, um die Prozesse einer Bibliothek, die den drei Clustern Kern-, Management- und Serviceprozess zugeordnet sind, grafisch darzustellen. Nun wäre es ja schön, wenn man dazu auf eine offizielle Referenzprozesslandkarte aus der Bibliotheksbranche zurückgreifen könnte. Allerdings gibt es eine solche – anders als in anderen Branchen20 – bislang nicht. Daher bleibt nur, sich eine Vorstellung davon zu verschaffen, welche Prozesse in der eigenen Bibliothek ablaufen.
20 Branchen, in denen Referenzmodelle zu finden sind, sind die klassischen Industriezweige wie Maschinen- und Anlagenbau, der Handel sowie in letzter Zeit auch das Gesundheitswesen (vgl. Gadatsch (2012), S. 325.)
34 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Dazu gibt es zwei Wege: 1. Man lässt sich von den publizierten Good Practices anderer Bibliotheken inspirieren, wie zum Beispiel von Prozesslandkarten, die im Rahmen von Qualitätsmanagementprojekten erstellt wurden.21 2. Man identifiziert die Prozesse der eigenen Bibliothek. In der Praxis wird in der Regel der Mix aus den beiden Optionen das Mittel der Wahl sein. Das heißt aber, dass kein Weg an der Identifikation der eigenen Prozesse vorbeiführt. Dazu bieten sich verschiedene Vorgehensweisen und Ansätze an: Zielbasierter Ansatz Ausgehend von den strategischen Zielen, die die Bibliothek verfolgt, wird abgeleitet, was getan wird (oder getan werden muss), um die Ziele zu erreichen. Damit können Prozesse ermittelt werden, die diejenigen Aktivitäten umfassen, die zur Zielerreichung erforderlich sind. Zugleich findet ein Abgleich statt, ob alle strategischen Ziele auch explizit mit Prozessen (zur Zielerreichung) verknüpft und hinterlegt sind. Aktivitätsbasierter Ansatz Hier werden die Prozesse aus den tatsächlich in der Bibliothek stattfindenden Aktivitäten zusammengesetzt. Durch dieses Bottom-up-Vorgehen werden die Prozesse unmittelbar mit den operativen Abläufen verknüpft. Da dieses Vorgehen am besten zusammen mit den im Prozess Arbeitenden umgesetzt wird, werden Prozesse als etwas Vertrautes und real Existierendes wahrgenommen. Wichtig ist es jedoch gerade wegen dieser Praxisorientierung, den erforderlichen Abstraktionsgrad im Auge zu behalten, nicht zu kleinteilig zu werden und den Prozess als Aktivitätenfolge zu erfassen, die sich von der Kundenanforderung bis zur Erfüllung der Kundenanforderung aufspannt. Outputorientierter Ansatz Hier betrachtet man, welche Ergebnisse, also welchen Output die Bibliothek erstellt (ausleihfertig bearbeitete Medien, Zugänge zu Datenbanken, Informationskompetenzschulungen für eine bestimmte Zielgruppe, bezahlte Rechnungen etc.). Um diesen Output zu erzeugen, müssen logischerweise Prozesse abgelaufen sein, die dann
21 Zu nennen ist hier das Projekt der bayerischen FH-Bibliotheken, die im Projekt „Kooperatives Qualitätsmanagement“ Geschäftsprozesse modelliert, analysiert und optimiert sowie ein kooperatives Benchmarking durchgeführt haben (https://www.bib-bvb.de/web/bhb/qualitaetsmanagement). Des Weiteren wurde im Projekt Ausgezeichnete Bibliothek eine Prozesslandkarte entwickelt (https://www.hdm-stuttgart.de/bi/forschung/iqo/prozessmanagement).
2.3 Systematisierung von Prozessen
35
einem der drei Cluster (Management-, Kern-, Serviceprozess) zugeordnet werden können. Referenzmodellbasierter Ansatz Als Basis fungiert entweder ein konkretes Praxisbeispiel einer anderen Bibliothek oder das Modell eines QM-Projekts als Referenzpunkt, das für die Belange der eigenen Organisation angepasst wird. Funktionsbasierter Ansatz Dieser Ansatz blickt auf die betrieblichen Funktionen (zum Beispiel Erwerbung, Erschließung, Öffentlichkeitsarbeit). Diese Funktionen werden als Anstoß zur Ableitung von Prozessen genutzt, indem man fragt, welche Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsbündel der jeweiligen Funktion zuzuordnen sind. Dieser Ansatz setzt einerseits auf der vertrauten Organisationsstruktur der Bibliothek auf, so dass die Arbeit damit oft leichtfällt. Allerdings besteht – ähnlich wie beim aktivitätsbasierten Ansatz – die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass sich die abgeleiteten Prozesse nur in den Grenzen der bisherigen Organisationsstrukturen (zum Beispiel Abteilungsstrukturen) bewegen. Damit würden abteilungsübergreifende Prozesse ausgeblendet, und damit würde der end-to-end-Gedanke von Prozessen verloren gehen. Tipp Nutzen Sie eine Mischung dieser Ansätze, um zu einem möglichst vollständigen Bild Ihrer Prozesse zu kommen. Bedenken Sie dabei, dass Sie nicht zu kleinteilig vorgehen sollten, um sich nicht zu verzetteln. 5 – 10 Kernprozesse sollten der Rahmen sein, in dem Sie sich bewegen.
Mit Hilfe der vorgestellten fünf Ansätze erstellen Sie ein Prozessinventar22. Dieses enthält die identifizierten Prozesse, geclustert nach den drei Kategorien Kern-, Management- und Serviceprozesse. Dieses können Sie dann grafisch in einer Prozesslandkarte darstellen. Tipp Sie werden feststellen, dass die Identifikation von Prozessen trivialer klingt, als sie ist. Das Denken in Prozessen und nicht in Organisationsstrukturen ist ungewohnt. Oft sind den für das Prozess-Screening verantwortlichen Personen auch gar nicht alle Prozesse bekannt, die in der Bibliothek ausgeführt werden.
22 Andere Begriffe, die dafür verwendet werden sind „Prozesskatalog“ oder „Prozessregister“.
36 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements Insofern ist Teamarbeit gefragt, und es sind mehrere Verbesserungszyklen erforderlich, um zu einem vollständigen und stimmigen Bild zu kommen. Bereits das Erstellen der Prozesslandkarte ist ein wichtiger Beitrag zum Wissensmanagement einer Bibliothek. Beachten Sie die 80:20-Regel und gehen Sie adaptiv vor. Die erste Version einer Prozesslandkarte muss noch nicht perfekt sein (sie wird ohnehin nie perfekt und fertig sein können!). An einigen Stellen werden Sie einfach Entscheidungen treffen müssen, wie Sie Prozesse abgrenzen und welchem Cluster Sie einen Prozess zuordnen. Es gibt oft kein richtig oder falsch.
Hilfreich, um den ersten Entwurf eines Prozessinventars zu erstellen und diesen dann im Team zu verbessern und weiterzuentwickeln, ist es, auf Moderationsmaterialien zurückzugreifen. Die identifizierten Prozesse werden dazu auf Moderationskarten oder Post-its geschrieben. So kann die Clusterung immer wieder überprüft und die Stimmigkeit der Zuordnung einzelner Prozesse ausprobiert werden.
Abb. 2.9: Teamorientierte Entwicklung eines Prozessinventars.
Ein weiterer Schritt an dieser Stelle kann sein, dass jeder Prozess, der in der Prozesslandkarte auftaucht, einen Prozesssteckbrief erhält, der die wichtigsten Informationen zu diesem Prozess dokumentiert.
2.3 Systematisierung von Prozessen
– – – – –
37
Neben dem Prozessnamen enthält ein solcher Steckbrief23 idealtypisch Kunden und Auftraggeber des Prozesses Prozessverantwortliche Anfangs- und Endereignis Benötigte Inputs Fallzahlen, Prozessziele und Prozesskennzahlen zu den Outputs Tipp Benennen Sie die Prozesse nach einem einheitlichen Schema, indem Sie den Prozessnamen aus dem Output und der Verrichtung bzw. Funktion, die vorgenommen wird, zusammensetzen, also zum Beispiel: Medien bereitstellen, Schulung für Erstsemester anbieten. Die Prozessbenennung sollte also nicht nur aus einem Substantiv (Medienbereitstellung), sondern ein aktives Verb enthalten (Medien bereitstellen). Diese Aktivierung löst unmittelbar eine bildliche Vorstellung eines Ablaufs bzw. eines Prozesses aus.
Beispielhafte Prozesslandkarten und Qualitätskriterien
Abb. 2.10: Prozesslandkarte der ETH-Bibliothek Zürich, 2016.
23 In Kapitel 3.3.1 werden die Arbeit mit einem Prozesssteckbrief sowie eine Vorlage vorgestellt.
Abb. 2.11: Prozesslandschaft der Stadtbibliothek Nürnberg, 2016.
Erwartungen Anforderungen Bedarfe/Wünsche
Erwartungsmanagement
U3 IT-Management IT-Infrastruktur
Managementprozesse
M5
Ressourcen- und Finanzmanagement und Controlling
Auftraggeber/Partner/Lieferanten
Anforderungen Bedarfe
Unterstützungsprozesse
Qualitäts- und Projektmanagment
U5
• K5.1 Veranstaltungen für Erwachsene • K5.2 Veranstaltungen für Kinder • K5.3 Veranstaltungen für Jugendliche • K5.4 Ausstellungen • K5.5 Bereitstellen von Medienkisten
K4 Ausstellungs- und Veranstaltungsmanagement
Marketing Öffentlichkeitsarbeit
U4
• K2.1 Anmeldung • K2.2 Bereitstellungen • K2.3 Einstellen und Regalordnung • K2.4 Ausleihe (Freihand, Magazin, Fernleihe) • K2.5 Rückgabe (Freihand, Magazin, Fernleihe) • K2.6 Mahnwesen
K3 Benutzungsservice
Kernprozesse
M4
Personalmanagement: Personalführung und -entwicklung, Ausbildung
Produkte Services Dienstleistungen Feedback- management
Projektagentur (Akquise undUmsetzung von Drittmitteln)
U7
M7
internes und externes Kooperationsmanagement
Beschwerde-und
Wissens- und Innovationsmanagement Mitarbeiterfortbildung
U6
• K4.1 Allg. Führungen • K4.2 Führungen für Klassen • K4.3 Führungen für andere Zielgruppen • K4.4 Schulungen für Klassen • K4.5 Schulungen für andere Zielgruppen
K5 Vermittlung von Informationsund Medienkompetenz
M6
internes und externes Kommunikationsmanagement
Managementprozesse: Definition, Umsetzung und Überwachung strategischer und operativer Ziele; i.d.R. zukunftsgerichtete Prozesse, die die gesamte Organisation, Verwaltung, Bibliothek betreffen Kernprozesse: Leistungen, die für „externe“ Kunden (Nutzer) erbracht werden - das „eigentliche“ Geschäft der Bibliothek Unterstützungsprozesse: Leistungen, die für "interne" Kunden (Kollegen) erbracht werden und die Kernprozesse unterstützen, die Infrastruktur bereitstellen und eine optimale Ausführung ermöglichen
Bedarfs- und
U2 Gebäude- und Raummanagement
U1
• K 3.1 Auskunftsinterviewprozess • K3.2 Persönliche Auskunft • K3.3 Schriftliche Auskunft • K3.4 Telefonische Auskunft u. Hotline • K3.5 Fernleihe (Auskunft, Bestellung, Lieferung)
• K1.1 Bestandsaufbau • K1.2 Erwerbung • K1.3 Inventarisierung und Katalogisierung • K1.4 Sacherschließung • K1.5 Medientechnische Bearbeitung • K1.6 Periodika, Standing Orders, Fortsetzungen • K1.7 Bestandspräsentation • K1.8 Bestandsrevision und -arbeit • K1. 9 Bestandserhaltung • K1.10 Altbestandskatalogisierung, Retrokatalog. • K1.11 Digitalisierung • K1.12 Pflichtablieferung städt. Dienststellen
Allg. Verwaltung: Personal Haushalt/ Beschaffung Rechnungswesen
K2 Auskunftsservice
M3
M2
M1
K1 Medienbestandsmanagement
Organisationsentwicklung, Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation
Entwicklung, Umsetzung und Steuerung von Strategie und Zielen ("Ewiger Kalender")
Gestaltung der Strategie (inkl. Vision, Leitbild)
Prozesslandschaft der Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg
38 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements Kunde
Kunde
2.3 Systematisierung von Prozessen
39
Bei aller Unterschiedlichkeit der beiden ausgewählten Beispiele für Prozesslandkarten lassen sich die verbindenden Elemente und vorgestellten Grundbausteine gut erkennen. Tipp Wenn Sie einen stabilen und im Team abgestimmten Entwurf einer Prozesslandkarte erarbeitet haben, dann nutzen Sie diesen, um ihn als erstes sichtbares Ergebnis Ihrer Prozessarbeit zu präsentieren. Gestalten Sie die Prozesslandkarte unter Berücksichtigung Ihres Corporate Designs und erstellen Sie davon ein Plakat (A1 oder größer), das Sie für alle Mitarbeiter sichtbar aufhängen. Damit können die skizzierten positiven Effekte (Kernaufgaben sichtbar machen, Einordnung der eigenen Prozesse ermöglichen, Zusammenspiel von Management-, Kern- und Serviceprozesse dokumentieren, Prozessmanagement-Sprache verankern) sehr viel besser erreicht werden, als wenn das Ergebnis dieser Arbeitsphase nur als Datei verfügbar wäre.
Die fertige Prozesslandkarte sollte die folgenden Qualitätskriterien erfüllen: – Die Prozesse sind in drei systematische Cluster aufgeteilt: Management-, Kern-, Serviceprozesse. – Die Prozesslandkarte steht im Einklang mit der Strategie und bildet diese ab. – Die Prozesse haben zumindest im Bereich der Kernprozesse mehrfach abteilungsübergreifenden Charakter. – Die Prozesse werden einheitlich mit Substantiv und Verb bezeichnet. – Die Prozesslandkarte ist betriebsöffentlich zugänglich. Sind die Prozesse identifiziert, erfasst, geclustert und in einer Prozesslandkarte dokumentiert, dann folgt mit der Prozessdokumentation und -analyse die detaillierte Erfassung und Untersuchung der Prozesse. Das Ziel ist, ausgehend von der Aufnahme der Ist-Prozesse, Verbesserungspotenziale zu heben und Soll-Prozesse zu designen (vgl. Kapitel 3).
2.3.3 Prozessebenen als Tiefengliederung Die Prozesslandkarte gleicht der Spitze eines Eisbergs. Um das Ziel der Übersichtlichkeit zu erfüllen, umfasst sie in der Regel nur die Hauptprozesse, also die oberste Ebene der Prozesse. Darunter lassen sich die Prozesse aber durch weitere Ebenen untergliedern und in unterschiedlichen Detaillierungsgraden darstellen. Ein Hauptprozess wird also in seine Teilprozesse zerlegt. So entstandene Teilprozesse können weiter untergliedert werden. Diese Verfeinerung kann man über mehrere Ebenen fortführen – letztlich bis auf die Ebene einzelner Handgriffe. Am konkreten Beispiel kann dies wie in der folgenden Abbildung dargestellt, aussehen:
40 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Abb. 2.12: Gliederungsebene von Prozessen.
Die Folgen einer solchen Tiefengliederung sind klar: Einerseits ist eine Detailierung notwendig, um zu einem genaueren Verständnis des Prozesses zu kommen. Das ist für die Analyse und Optimierung unabdingbar. Andererseits steigt der Erhebungsund Dokumentationsaufwand und damit der Zeitbedarf mit jeder Detaillierungsebene. Hier muss mit Sinn und Verstand eine Abwägung von Aufwand und Nutzen vorgenommen werden. Zu fragen ist, welcher Informationsbedarf für wen durch die jeweilige Detaillierung befriedigt werden soll. – Die Prozesslandkarte, die die Hauptprozessebene umfasst, gibt einen groben Überblick und vermittelt das Grundverständnis einer prozessorientierten Organisation. – Die Teilprozessebene ist die Basis, auf der Prozessbeschreibungen erstellt werden, in dem die Aktivitäten der Tätigkeitsebene 1 analysiert, dokumentiert und kritisch hinterfragt werden. – Sollten sich dabei bei einer Tätigkeit Probleme zeigen, die weitere Analysen erfordern, dann wird genau an dieser Stelle eine „Tiefenbohrung“ vorgenommen. Diese kann dann bis auf die Ebene von Handgriffen gehen, um tatsächlich die Ursache von Störungen und Fehlern zu identifizieren, denn nur bei einer vollständigen Fehleranalyse können auch die richtigen Gegenmaßnahmen getroffen werden.
2.3 Systematisierung von Prozessen
41
Tipp Prüfen Sie jeweils sehr genau, ob die Betrachtung einer weiteren, tieferen Prozessebene tatsächlich notwendig ist. Gerade am Anfang der Arbeit mit Prozessen neigen Mitarbeitende und Führungskräfte dazu, die Prozessanalyse sehr genau und vollständig vornehmen zu wollen. Hier ist Mut zur Lücke und Vertrauen in die Selbstorganisation von Mitarbeitenden gefragt. Auch hier gilt: Es ist meist zielführender, mit 80% zufrieden zu sein und dafür die investierte Arbeitszeit im Blick zu behalten. Die Frage danach, wie häufig ein möglicherweise heftig diskutierter Spezialfall vorkommt, sollte zum Standardfragenrepertoire von Prozessverantwortlichen gehören. Wird erkennbar, dass über seltene Ausnahme- oder Spezialfälle geredet wird, dann sollte dieser Fall in irgendeiner Form notiert, aber bei der weiteren Arbeit beiseitegelassen werden. Sollte sich eine Tiefenbohrung doch als unabdingbar erweisen, kann sie auch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.
2.3.4 Strukturierungsgrad von Prozessen Der Strukturierungsgrad bestimmt, wie stark die Abfolge der Prozessschritte (Aktivitäten) vorab festgelegt sind. Üblicherweise wird eine dreistufige Skala von stark strukturierten über teilstrukturierte bis zu unstrukturierten Prozessen herangezogen. Auch hier ist die Unterscheidung nach Strukturiertheit nicht mit einer Wertung verbunden. „Unstrukturierte Prozesse“ sind also keinesfalls solche, die „schlecht“, „chaotisch“ oder „ineffizient“ wären. Stark strukturierte Prozesse oder Routineprozesse Ist ein Prozess stark strukturiert, dann ist die Abfolge der einzelnen Bearbeitungsschritte, die jeweiligen Bearbeiter, die Zeitdauer und das Ergebnis klar definiert und geregelt. Auch alle alternativen Wege sind durch Verzweigungen und Verknüpfungen im Vorhinein bekannt und definiert. In Bibliotheken kommen solche stark strukturierten Prozesse vor allem dann vor, wenn es um den operativen Vollzug geht. Als Beispiele können wir den Prozess „Mahnungen abwickeln“, „Neukundendaten anlegen“ oder „Bestellungen ausführen“ heranziehen. Viele stark strukturierte Prozesse finden sich auch bei den Supportprozessen wie zum Beispiel der Prozess „Rechnungen bearbeiten“. Ziel ist es, durch ein hohes Maß an Standardisierung die Komplexität für die im Prozess Arbeitenden zu begrenzen und das Ergebnis und seine Qualität möglichst immer auf dem gleichen Niveau zu halten: Die definierten Grunddaten eines neuen Kunden müssen zwingend in einer definierten Weise erfasst werden, sonst entste-
42 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
hen bei der ersten Ausleihe Probleme. Oder: die Bearbeitung einer Rechnung erfordert exakt vorbestimmte Arbeitsschritte, um die Abwicklung erfolgreich und fehlerlos ausführen zu können. Stark strukturierte Prozesse werden häufig ganz oder teilweise IT-gestützt abgewickelt. Hier trifft der Begriff Workflow zu. Unstrukturierte Prozesse oder ad-hoc-Prozesse Am anderen Ende der Skala sind unstrukturierte Prozesse zu verorten. Diese Prozesse zeichnen sich durch nicht vorab und generell strukturierbare Arbeitsabläufe aus und haben kaum repetitive Elemente. Ad-hoc-Prozesse sind personalintensiv, komplex und fast nicht automatisierbar. Ihre Unstrukturiertheit erfordert eine hohe Kompetenz und Erfahrung der Prozessbeteiligten. Diese brauchen hohe Freiheitsgrade bei der Ablaufsteuerung, um ihr Wissen flexibel und situativ einsetzen zu können und zu entscheiden, welche Aufgaben sie wie und in welcher Reihenfolge bearbeiten. Dies entspricht der klassischen Beschreibung von „Knowledgeworkern“. Beispiele in Bibliotheken sind vor allem in den Managementprozessen zu finden, wenn es um die Planung von Budgets, die Entwicklung einer Strategie oder eines Zielsystems geht. Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch solche Prozesse nicht ausschließlich durch unbekannte Aufgaben, überraschende Wendungen und Zufälle gekennzeichnet sind. Es lässt sich durchaus ein wiederkehrender grober Ablauf erkennen. Bestimmte Meilensteine müssen angesteuert werden, auch wenn der Weg zu diesen Meilensteinen (zum Beispiel zur Einreichung einer fertigen Budgetanmeldung beim Träger) nicht eindeutig vorgezeichnet ist. Mengen- und Zeitgerüste für unstrukturierte Prozesse sind nur grob abschätzbar. Unstrukturierte Prozesse entziehen sich der klassischen Prozessmodellierung. Hier müssen andere Formate gewählt werden. Das Konzept Adaptive Case Management versucht, hier eine Antwort zu geben (vgl. Kapitel 5.2). Teilstrukturierte Prozesse oder Regelprozesse Zwischen den Extremformen „strukturiert“ und „unstrukturiert“ gibt es natürlich Grauzonen und Mischformen. Hier sind die teilstrukturierten oder Regelprozesse anzusiedeln. Teilstrukturierte Prozesse lassen sich dadurch beschreiben, dass die Reihenfolge der Prozessschritte nicht abschließend definiert ist, denn zusätzliche Schritte sind manchmal erforderlich und müssen dann eingefügt werden. Am Beispiel des Rekrutierungsprozesses kann das deutlich gemacht werden: Der Rekrutierungsprozess zählt üblicherweise zu den stark strukturierten Prozessen, die nach Schema F immer gleich ablaufen und ablaufen müssen. Stellen wir uns nun aber vor, dass eine Führungskraft gesucht wird und dass nach Durchlaufen der ersten routinemäßigen Prozessschritte (Festlegen des Stellenprofils, Ausschreibung erst intern, dann extern) keine zufriedenstellende Bewerberlage zu verzeichnen ist.
2.3 Systematisierung von Prozessen
43
Nun müssen – abweichend vom Routineprozess – weitere Prozessschritte (ad hoc) eingefügt werden. Diese könnten zum Beispiel darin bestehen, dass eine Personalvermittlungsagentur oder ein Headhunter eingeschaltet wird, oder dass persönliche Beziehungen aktiv genutzt werden, um Personen gezielt zur Bewerbung aufzufordern. Obwohl man hier vom Regelprozess abweicht, können Fristen und Termine mit gewissen Toleranzwerten aufgrund langjähriger Erfahrung prognostiziert werden. Teilstrukturierte Prozesse sind somit solche, die auf einem Set von Regeln basieren, es aber ermöglichen, flexibel genug zu sein, um neue Prozessschritte nach Bedarf einzufügen. Die neu eingefügten Prozessschritte werden idealerweise aus einem vordefinierten Repertoire möglicher Handlungsalternativen ausgewählt und ermöglichen es damit, den Zeitverlust und das Risiko im Griff zu behalten. Um das auf unser Beispiel anzuwenden: Wenn bei Rekrutierungsprozessen ab der Eingruppierungsstufe EG 13 die Bewerberlage nicht zufriedenstellend ist, dann werden parallel Personalvermittlungsagentur x und Headhunter y beauftragt. Dafür steht ein Budget von x Euro zur Verfügung. Das heißt, es ist vordefiniert, dass und welche externen Dienstleister zu Lasten welchen Budgets eingeschaltet werden dürfen. Damit werden langwierige Diskussionen, Genehmigungsprozesse und Zeitverluste vermieden. Zudem kann durch eine solche Vorbereitung das Risiko bei Auswahl des externen Dienstleisters minimiert werden. Wie bei der Systematisierung der Prozesse nach Leistungsempfängern, ist auch die nach Strukturierungsgrad nicht immer eindeutig und zweifelsfrei möglich, sondern dient als Leitlinie zur Klärung des Prozesstyps. Hilfreich ist sie, weil die Wahl des Modellierungsansatzes und dessen Nutzen unmittelbar davon abhängt. Je stärker ein Prozess strukturiert ist, desto besser lässt er sich mit den klassischen Methoden der Prozessanalyse bearbeiten. Je schwächer ein Prozess strukturiert ist, desto schwieriger und zugleich desto weniger relevant wird die klassische Prozessbeschreibung. Für schwach strukturierte Prozesse liefern Ansätze wie Adaptive Case Management oder Agiles Prozessmanagement die passenderen Instrumente (vgl. Kapitel 5).
44 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Abb. 2.13: Überblick über Systematisierungsmerkmale von Prozessen.
2.3 Systematisierung von Prozessen
45
Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Stadtbibliothek Nürnberg Kerndaten zur Stadtbibliothek Nürnberg Bibliothekstyp: Öffentliche Bibliothek Aktive Kundinnen und Kunden: 71.656 (DBS 2016) Personalstellen in VZÄ: 94,67 (DBS 2016)
Ein Beitrag von Elisabeth Sträter, Direktorin der Stadtbibliothek Nürnberg Mit Eröffnung der neuen Nürnberger Zentralbibliothek24 Ende Oktober 2012 wurden die drei ehemaligen zentralen kommunalen Bibliotheken Nürnbergs räumlich unter einem Dach vereinigt. Zudem wurden zum 1.1.2011 Stadtbibliothek und Volkshochschule organisatorisch zum „Bildungscampus Nürnberg“ zusammengeschlossen. Aufgrund der hiermit verbundenen zahlreichen Veränderungen spielt das Thema Organisationsentwicklung seit vielen Jahren eine wichtige Rolle bei der Stadtbibliothek. Das Ergebnis eines umfangreichen Organisationsentwicklungsprozesses war eine völlig neue Organisationsstruktur, die zur Aufgabenerledigung sogenannte Fachteams25 statt der ehemals zentralen Organisationseinheiten vorsieht. Als Folge der neuen Organisationsstruktur und des Zusammenschlusses mit der VHS mussten sehr viele Prozesse neu aufgesetzt werden. Erfreulich war, dass als Ergebnis des Organisationsentwicklungsprozesses auch eine kleine Abteilung „Qualitätsmanagement“ (QM) – mit einer halben Stelle – im Organisationsmodell verankert wurde. Wie sich inzwischen zeigt, trägt diese maßgeblich zum Gelingen eines erfolgreichen Prozessmanagements bei. Prozessmanagement wird in der Stadtbibliothek Nürnberg vor allem im Rahmen des QM eingesetzt. Die neue Zentralbibliothek hatte zwar von Anfang an ein ausgesprochen gutes Image in der Bevölkerung und Politik, aber die Prozesse (insbesondere die internen) liefen seit Neueröffnung des Hauses nicht rund. Zudem lagen einige Projekte, die im Rahmen des Organisationsentwicklungsprozesses begonnen wurden, brach, z.B. die Entwicklung von Standards für den Auskunftsdienst. Die Mitarbeiterzufriedenheit war im Gegensatz zu früher deutlich gesunken. Es stand außerfrage, dass die Bibliotheksleitung auf diese Situation reagieren musste. Sie entschied sich, auch unter dem Aspekt der Ganzheitlichkeit, für die Einführung eines QM, und damit eines übergreifenden Führungs- und Steuerungskonzeptes. 26 Hierdurch sollte nach und nach auch ein Prozessmanagement für die Stadtbibliothek Nürnberg etabliert werden. Zunächst führte die Einführung dieses neuen Managementinstrumentes bei den Mitarbeitenden zu Unverständnis – nach dem Motto: „Und jetzt auch das noch…“.
24 Offizielle Bezeichnung der Zentralbibliothek ist „Stadtbibliothek Zentrum“, ausführlichere Infos zur Stadtbibliothek im Bildungscampus unter: www.stadtbibliothek.nuernberg.de 25 Fachteams „Musik“, „Jugend Kind“, „Literatur und Sprache“, „Sach1“ und „Sach2“ und „Ortsund Landeskunde“ 26 Ein weiterer Gesichtspunkt war, dass die Volkshochschule seit mehr als 10 Jahren mit QM arbeitet und bereits erfolgreich nach EFQM zertifiziert ist.
46 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Wie beim QM üblich, wurde auch in der Stadtbibliothek Nürnberg eine Projektgruppe gebildet. Auf die Auswahl der Projektgruppenmitglieder wurde seitens der Leitung besondere Sorgfalt verwendet. Die Besetzung erfolgte hierarchie- und abteilungsübergreifend; die Mitglieder sollten eine konstruktiv-kritische Sicht auf die Prozesse und ein gutes Standing in der Mitarbeiterschaft haben. Bei der im Rahmen von QM durchgeführten Selbstbewertung spielten hinsichtlich der Identifizierung von Verbesserungsprojekten die nicht zufriedenstellend funktionierenden Prozesse eine große Rolle. Als erstes Verbesserungsprojekt wurde durch die Projektgruppe der Kernprozess Benutzungsdienst, Teilprozess „Einstellen und Regalordnung“ ausgewählt. Gerade der Einstell- und Regalordnungsprozess im neuen Haus führte zu großer Frustration. Die Kolleginnen und Kollegen hatten ständig das Gefühl, dass die laut Arbeitsplatzbeschreibung vorgesehene Personalkapazität bei weitem nicht ausreichend sei. Zudem gab es mit Neueröffnung des Hauses eine Mediensortieranlage – mit gefühlter hoher Lärmbelästigung und Fließbandarbeit. Mit dem Prozess „Einstellen und Regalordnung“ wurde ein Projekt ausgewählt, das zur Konsolidierung beitragen und spürbar für möglichst viele Mitarbeitende sein sollte. Es sollte aber auch den Kundennutzen im Blick behalten. Der Medienrücksortierprozess wurde unter Begleitung der Projektgruppenmitglieder zunächst quantitativ und qualitativ, z.B. das Raumklima (Lüftung) betreffend, analysiert. Anschließend wurde er mittels eines Prozess-Steckbriefes detailliert und verbindlich für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit der Medienrücksortierung befasst sind, beschrieben. Die Auswahl gerade dieses täglichen Routine-Prozesses erwies sich als richtig, die o.g. Ziele wurden erfüllt. Am wichtigsten für die Mitarbeitenden war die Erkenntnis, dass die Personalkapazität für das Einstellen der Medien insgesamt zwar ausreichend war, dass aber die Verteilung auf die Teams nicht passte. Hier wurde nachjustiert. Die Klagen der Mitarbeitenden über den Rücksortierprozesses sind seitdem nahezu verschwunden. Wichtig ist uns, dass der verbesserte Prozess auch nachgehalten wird, was zweimal jährlich im Rahmen der Fachteamleitersitzungen geschieht. Aufgrund des großen Erfolges wird zurzeit das Thema Auskunfts- und Beratungsstandards ebenfalls als Verbesserungsprojekt und einer damit hoffentlich verbundenen Optimierung des Prozesses aufgesetzt. Neben dem QM wird Prozessmanagement in der Stadtbibliothek Nürnberg auch als Instrument des Wissensmanagements eingesetzt. Hier dient eine detaillierte Prozessbeschreibung insbesondere der Wissenssicherung ausscheidender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über Spezialwissen verfügen. Die Stadtbibliothek Nürnberg arbeitet im Hinblick auf ihr Prozessmanagement mit einer umfänglichen Grafik, in der die Prozesslandschaft systematisch dargestellt wird. Dies erleichtert Übersicht und Zuordnung der zahlreichen in einer Bibliothek vorhandenen Prozesse ungemein. Prozessmanagement ist in der Einführungsphase zwar oftmals mit einem sehr hohen Aufwand verbunden, aber dieser zahlt sich aus. Dies galt und gilt in jedem Fall für die Stadtbibliothek Nürnberg.
2.4 Prozessorganisation als Rahmen für Prozesse
47
2.4 Prozessorganisation als Rahmen für Prozesse Kapitel 2.4 wirft einen Blick über den einzelnen Prozess hinaus und stellt Möglichkeiten vor, Schnittstellen zwischen einzelnen (Teil-)Prozessen produktiv zu gestalten. Darüber hinaus werden unterschiedliche Organisationsformen daraufhin untersucht, wie geeignet sie sind, um Prozesse gut zu unterstützen.
2.4.1 Entwicklung der Prozessorganisation Blenden wir nochmals weit zurück in der betriebswirtschaftlichen Geschichte: Bereits 1934 hat Fritz Nordsieck eine Vorstellung von Organisation entworfen, die heute noch sehr modern und zukunftsweisend klingt: „[Für die Gliederung der Unternehmensaufgaben] anzustreben ist in jedem Fall eine klare Prozeßgliederung. Dies ist die dem Ziele, der Entwicklung des [Prozeß-] Objektes und insbesondere dem Rhythmus der Aufgaben gemäße Gliederung.“27
1972 führt er dann weiter aus: „[…]Der Betrieb [ist] in Wirklichkeit ein fortwährender Prozeß, eine ununterbrochene Leistungskette […]. Die wirkliche Struktur des Betriebes ist die eines Stromes. Immerfort schafft und verteilt er im Durchlauf neue Produkte und Dienstleistungen auf Grund der gleichen oder nur wenig sich wandelnder Aufgaben. […] Wie kann man angesichts solcher durchgängiger Vorstellungen, die Aufgaben eines Betriebes anders gliedern als nach den natürlich-technischen Prozeßabschnitten?“28
Die Frage ist berechtigt. Dennoch können wir feststellen, dass die meisten Organisationen auch heute noch nicht entlang ihrer Prozesse organisiert sind, sondern entlang von Funktionen. So sind auch Bibliotheken überwiegend funktional organisiert. Das heißt, sie sind vertikal nach betrieblichen Funktionen wie Benutzungsdienst, Erwerbung und Erschließung gegliedert. Jede Abteilung bearbeitet spezialisiert einen definierten Bestandteil der Leistung für die Kunden. Der Vorteil liegt auf der Hand: Spezialistinnen und Spezialisten führen die Aufgaben mit hoher Effizienz, Kompetenz und Erfahrung aus. Allerdings: Prozesse und damit die Kunden geraten dabei leicht aus dem Blick, denn der Prozess, der nach der vorgestellten Idee des Prozessmanagements „end-to-end-Leistungen“ für Kunden erzeugen soll, wird bei einer funktionalen Organisation de facto durch Abteilungsgrenzen unterbrochen. Je mehr Abteilungsgrenzen eine Prozesskette überwinden muss, des-
27 Nordsieck (1934), S. 77. 28 Nordsieck (1972), S. 9.
48 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
to häufiger finden Übergaben zwischen Mitarbeitern oder Organisationseinheiten statt. Verantwortungsbrüche und Schnittstellen sind die Folge.
2.4.2 Schnittstellen – Problemfelder und Bruchstellen Schnittstellen bergen eine Vielzahl von Risiken und können negative Effekte haben, denn „jede Schnittstelle ist – eine Liegestelle, weil zeitliche Abstimmungsprobleme bei der Übergabe entstehen, – eine Irrtumsquelle, weil Informationsverluste über den gesamten Aufgabenzusammenhang entstehen, – eine Quelle der organisatorischen Unverantwortlichkeit, weil Fehler und Unzulänglichkeiten nur noch schwer zurechenbar sind, – eine Barriere für die Übertragung von Wissen, weil implizite Erfahrungen, Wissen und Kenntnisse an den Schnittstellen offengelegt werden müssen, um eindeutig und ohne Kontextverlust kommuniziert werden zu können. Das heißt, Schnittstellen erzeugen immer organisatorische Probleme, weil ein Koordinationsbedarf zeitlicher, sachlicher und personeller Art erwächst.“29 Wie geht man nun mit diesen Bruchstellen um? Um zu Lösungsansätzen zu kommen, ist es hilfreich, sich nochmals zu vergegenwärtigen, was einen guten und effizient ablaufenden Prozess ausmacht und welch bedeutsame Rolle das interne Kunden-Lieferanten-Verhältnis spielt. (vgl. Kapitel 2.2.2) Drei Aspekte sind hier besonders wichtig: 1. Jeder Prozessbeteiligte weiß, welches Ergebnis er in seinem Teilprozess erbringen soll, welchen Qualitätskriterien dieses Ergebnis genügen soll, welche Ressourcen dafür verwendet werden dürfen und welche Zeitvorgaben zu erfüllen sind. 2. Der Prozessbeteiligte im nachfolgenden Prozessschritt kann sicher sein, dass das ankommende Produkt den vereinbarten Standards entspricht und unmittelbar weiterbearbeitet werden kann. Er muss keine Zeit dafür aufwenden, die vorangegangenen Tätigkeiten nochmals zu prüfen, sondern kann sofort beginnen, seinen Teilprozess zu erledigen. 3. Damit diese Folge von arbeitsteiligen Einzeltätigkeiten funktioniert, ist ein gemeinsames Verständnis davon nötig, wie der Gesamtprozess aussieht, welche Teilprozesse aufeinander folgen und welche Ergebnisse jeder Teilprozess als Beitrag zum Gesamtergebnis bringen soll.
29 Osterloh ; Frost (2006), S. 2.
2.4 Prozessorganisation als Rahmen für Prozesse
49
Von dieser idealtypischen Beschreibung ausgehend, kann man ableiten, wie eine „ideale Schnittstelle“ aussieht: 1. Schnittstellen sind klar abgegrenzte Übergabestellen zwischen Mitarbeitern oder Organisationseinheiten in einem durchstrukturierten Prozess. 2. Jeder Teilprozess übernimmt ein Vor-Ergebnis in einem klar definierten Zustand – im Idealfall so, dass keine Prüfung des übergebenen Vor-Ergebnisses erforderlich ist, sondern nahtlos weitergearbeitet werden kann. 3. Jeder Teilprozess wird mit einem klar definierten Ergebnis abgeschlossen, das so an den nächstfolgenden Teilprozess übergeben wird, sodass dort wiederum nahtlos und ohne Prüfaufwand weitergearbeitet werden kann. Reflexion Überprüfen Sie gedanklich einen Ihrer Kernprozesse (zum Beispiel den Prozess „Medien bereitstellen“) daraufhin, welche Schnittstellen Sie spontan identifizieren können. Wie schätzen Sie es ein: Erfüllen diese die Kriterien einer „idealen Schnittstelle“? Was wären geeignete Maßnahmen, um die Schnittstellen zu optimieren?
2.4.3 Schnittstellen-Effizienz in stark strukturierten Prozessen Die obige Anregung zur Reflexion hat sicher dazu geführt, dass Sie Folgendes festgestellt haben: Über Schnittstellen-Effizienz nachzudenken, setzt voraus, dass man den Prozess bereits detailliert analysiert und die Prozessschnitte identifiziert sowie dokumentiert hat. Sie werden auch festgestellt haben, dass diese Form der Schnittstellenbeschreibung voraussetzt, dass sich alle Prozessbeteiligten exakt an die festgelegten Prozessschritte halten. Kreative, aber nicht abgestimmte Prozessverbesserungen, persönliche Noten, spontanes Übernehmen von Arbeitsschritten, die eigentlich zum Teilprozess der Kollegin gehören (weil man ihr helfen und Arbeit abnehmen wollte) oder auch das Weglassen eigener Prozessschritte (weil man gerade keine Zeit hatte) führen dazu, dass Schnittstellen nicht mehr reibungslos funktionieren und die oben benannten negativen Effekte erzeugen. Nur wenn sich alle strikt an den definierten Standard halten, erreicht man, dass Schnittstellen praktisch verlustfrei arbeiten. Bei Prozessen, die stark strukturiert sind, lässt sich ein solcher Umgang mit Schnittstellen gut verwirklichen.
50 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
2.4.4 Schnittstellen-Effizienz in teilstrukturierten und unstrukturierten Prozessen Wie sieht das aber in teilstrukturierten oder unstrukturierten Prozessen aus? Auch für diese lassen sich ein paar Hinweise geben, wie mit Schnittstellen effizient umgegangen werden kann. Übergabe abgeschlossener Teilprozesse oder Aktivitäten Aus den strukturierten Prozessen können wir die Erkenntnis übernehmen, dass es hilfreich ist, wo immer möglich abgeschlossene Arbeitspakte zu übergeben, also ein Teilergebnis, das sich ohne lange Erklärungen übermitteln und vermitteln lässt. Stellen wir uns den teilstrukturierten Prozess „Eine kulturelle Veranstaltung organisieren“ vor. Dort kann ein übergabefähiges Teilergebnis sein „Das Catering ist beauftragt“, was den Teilprozess „Catering organisieren“ abschließt. Ist das Teilergebnis oder auch der erreichte Übergabezustand nicht eindeutig zu verstehen oder nicht selbsterklärend, so muss derjenige, der das Ergebnis des Vorprozesses abgibt, für eine transparente und leicht nachvollziehbare Aufbereitung des erreichten Ergebnisses sorgen. Dies ist in erster Linie eine „Bringschuld“ und keine „Holschuld“, denn wer mit einem Vorgang noch nicht vertraut ist, kann erfahrungsgemäß dazu kaum gezielte Fragen stellen. Hilfreich für eine effiziente Übergabe sind (teil)standardisierte Formulare, Tabellen oder Checklisten. Das hilft beiden Schnittstellenpartnern: Es entlastet den Übernehmenden, denn teil- oder unstrukturierte Prozesse sind ja qua Definition keine Routinefälle, und es zwingt den Übergebenden, an alles Wichtige zu denken. Tipp Entwickeln Sie für kritische Schnittstellen eine Schnittstellenvereinbarung Ein Instrument, um die Übergabe an einer Schnittstelle zu strukturieren und reibungslos zu gestalten, ist die Schnittstellenvereinbarung oder der Schnittstellenkontrakt. Man könnte dieses Instrument auch als „horizontale Zielvereinbarung“ bezeichnen. In einem solchen Dokument wird festgehalten: – Was wird an der Schnittstelle in welcher Form übergeben? – Wie häufig und zu welchen Zeitpunkten erfolgt die Übergabe? – Wo genau erfolgt die Übergabe? Wird das fertige Teilergebnis aus dem Vorprozess geliefert oder nur bereitgestellt? Auf welchem Weg erfolgt die Übergabe? – Welche Anforderungen hat der interne Prozesskunde an den vorgelagerten Prozessschritt (an den internen Lieferanten)? – Gibt es K.-o.-Kriterien, bei deren Nichterfüllung eine Weiterarbeit nicht möglich wäre? – Wer sind die beiden (Teil-)Prozessverantwortlichen bzw. Schnittstellenpartner, die bei Problemen eine Lösung erarbeiten müssen? – Zu welchen Zeitpunkten wird zwischen den Schnittstellenpartner das Funktionieren und Einhalten der Vereinbarung überprüft?
2.4 Prozessorganisation als Rahmen für Prozesse 51
Minimierung der Schnittstellen Am einfachsten wäre es zweifelsohne, die Anzahl der Schnittstellen zu minimieren, denn ohne Schnittstellen würden die Überlegungen zur Übergabe und Aufbereitung von Informationen und Teilergebnissen einfach entfallen können. Ein wichtiges Ziel des Prozessmanagements ist es daher tatsächlich, Schnittstellen so weit wie möglich zu reduzieren, um zu einer funktionsübergreifenden, kundenorientierten Rundumbearbeitung zu kommen. Diese Reduktion der Schnittstellen ist eine der zentralen Aufgaben der Prozessanalyse und des Prozessdesigns. Hier wird untersucht, welche Schnittstellen überhaupt bestehen und welche sich durch eine Optimierung des Prozesses vermeiden lassen. Aber eines ist klar: Die Vorstellung, eine Reduktion von Schnittstellen dadurch zu erreichen, dass Teilprozesse, die bisher von mehreren Personen arbeitsteilig erledigt wurden, nun einer Person übertragen werden, wäre zu kurz gesprungen. Denn dies würde übersehen, dass Arbeitsteilung häufig entstanden ist, gerade weil der Arbeitsumfang eines Prozesses oder eines Teilprozesses nicht von einer Person bewältigt werden konnte. Eine kundenorientierte Rundumbearbeitung ohne Schnittstellen ist also in solchen Fällen nur durch Teams, sogenannte „Prozessteams“ (vgl. Kapitel 3.2.4) realisierbar. Prozessteams managen Schnittstellen Das Prozessteam ist eine Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zusammen einen Prozess oder einen Teilprozess vollständig und eigenverantwortlich bearbeiten. Durch die gemeinsame Verantwortung des Prozessteams löst sich die Schnittstellenproblematik im besten Fall auf. Am Beispiel des Prozessteams wird exemplarisch sichtbar, dass Prozessmanagement weit mehr ist als das Darstellen von Arbeitsabläufen in Flowcharts. Es hat das Potenzial – zum Beispiel durch die Installation von Prozessteams – Anstöße zur Entwicklung der Mitarbeitenden und der Organisation zu geben. Die Verantwortung für eine funktionsübergreifende und kundenorientierte Erarbeitung von Ergebnissen erweitert die Menge der Aufgaben, für die das Prozessteam verantwortlich ist. Dieses „Job Enlargement“ erweitert den Tätigkeitsbereich und umfasst alle zur Erreichung des (Teil-)Prozessziels notwendigen Aufgaben. Zugleich müssen die Entscheidungsspielräume von Prozessteams erweitert werden. Das „Job Enrichment“ übergibt die Entscheidungsbefugnisse, um die für die Zielerreichung nötigen Entscheidungen treffen zu können. In der Regel werden Teamentwicklungsprozesse nötig sein, um funktionsfähige Prozessteams zu bilden. Diese Prozessteams können dann aber die Basis für ein neues Organisationsverständnis sein. Zudem kann man festhalten: Ein rein technisches Verständnis von Prozessoptimierung führt nicht weit. Je weniger Abläufe standardisiert und standardisierbar sind, desto wichtiger wird die gemeinsame Ver-
52 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
antwortung für die Aufgabe und den Prozess und desto erfolgskritischer wird das Prozessteam für die Prozessqualität und das Prozessergebnis.
2.4.5 Structure follows Processes Im Kompendium „Die moderne Bibliothek“30 beschreibt Roswitha Poll verschiedene Ansätze der Gliederung von Aufgabenbereichen, an denen sich die Organisationsstruktur31 einer Bibliothek ausrichten kann: – Gliederung nach Funktionen wie Erwerbung, Katalogisierung, Ausleihe – Gliederung nach Nutzergruppen wie Kinderbibliotheken oder Lehrbuchsammlung – Gliederung nach Fächern wie Belletristik, Naturwissenschaften oder Humanities – Gliederung nach Materialien wie Handschriften, Artotheken oder Musikalien – Gliederung nach Standorten wie Zweigestellen oder Institutsbibliotheken Die Betriebswirtschaft kategorisiert diese Gliederungsoptionen als Funktionalorganisation (bei einer Gliederung nach betrieblichen Funktionen) oder als Divisionalorganisation (bei einer Gliederung nach Objekten). Die Objekte können dabei Kundengruppen, Medienobjekte oder Standorte sein. Kennzeichen beider Aufbauorganisationsmodelle ist der vertikale Blick auf die Organisation. Jede Funktion und jede Division arbeitet hochspezialisiert, indem sie sich ganz auf die jeweilige Funktion oder das Objekt konzentriert. Diese Spezialisierung hat zweifelsohne Vorteile: Erreicht werden ein hohes Maß an Effizienz in der Ausführung der Aufgaben durch ausgeprägte Routinen, große Erfahrung, laufendes Trainieren der speziellen Aufgaben der Abteilung und eine effiziente Nutzung der spezifischen Ressourcen. So können zum Beispiel Arbeitsplätze entsprechend eingerichtet sein, indem der Zugriff auf Maschinen, Material oder schlicht Platz optimal auf die spezifisch auszuführende Funktion ausgerichtet wird. Die Kehrseite der Medaille ist vor allem bei einer Funktionalorganisation der tendenziell schwach ausgeprägte Kundenbezug. Dies gilt vor allem bei den Mitarbeitenden, die Vorleistungen ohne direkten Bezug zu externen Kunden erbringen. Den spezialisierten Teilprozessen geht der Blick auf den Gesamtzusammenhang und ihren eigentlichen Zweck, nämlich einen Beitrag zum Gesamtergebnis des Prozesses für den Kunden zu erzeugen, verloren. Die Tatsache, dass die Teilprozesse innerhalb von Abteilungen ablaufen und die Abteilungsgrenze eine Schnittstelle – mit den beschriebenen Effekten – darstellt, verschärft die Tendenz zur nach innen
30 Vgl. Frankenberger (2004), S. 112. 31 Gemeint ist hier die Aufbauorganisation.
2.4 Prozessorganisation als Rahmen für Prozesse
53
gerichteten Selbstoptimierung der Abteilungen und ihrer Prozesse. Diese Gefahr der Silobildung, der Machtkonzentration und Abgrenzung von anderen Abteilungen und damit von anderen Teilprozessen ist beiden traditionellen Organisationsformen gemein. Prozesse, die in der Regel abteilungsübergreifend sind, müssen daher aufwändig durch die Struktur der Aufbauorganisation hindurch navigiert werden. 90-Grad-Shift der Organisation Die Prozessorganisation stellt dieses Modell nun mehr oder weniger radikal auf den Kopf, oder besser: Sie kippt die hierarchischen Silos der Aufbauorganisation gedanklich um 90 Grad auf die Seite, so dass die Prozesse nicht mehr an die vertikal verlaufenden Abteilungsgrenzen stoßen. Durch den 90-Grad-Shift verschwinden die vertikalen Abteilungsgrenzen als Trennlinien und werden zu horizontal verlaufenden „Schienen“, auf denen die Prozesse ungehindert end-to-end laufen können.
Abb. 2.14: 90-Grad-Shift der Organisation.
Je nachdem, welches Gewicht die Prozesse gegenüber der funktionalen oder divisionalen Organisationsstruktur erhalten und wie weit sie als bestimmendes Element die gesamte Organisation prägen, entstehen unterschiedlich stark prozessorientierte Organisationsformen. Die reine Prozessorganisation Soll die Prozessorganisation konsequent und radikal zur primären Organisationsform werden, so bedeutet dies, dass die gesamte Organisation um die zentralen Prozesse herumgebaut werden muss. Das Organisationsmodell folgt der Prozesslandkarte, so dass die Prozesse zum bestimmenden organisatorischen Element der Aufbauorganisation werden und sich über bisherige Abteilungen und Funktionen hinweg erstrecken. Der Kunde steht, wie in der Prozesslandkarte dargestellt, am
54 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Anfang und am Ende jeden Prozesses. Der Blick verändert sich damit von der effizienten Ausführung einer funktionalen Aufgabe hin auf den Gesamtprozess. Entlang dieser Kernprozesskette entstehen interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen, die jeweils von einem Prozessverantwortlichen gesteuert werden. Die horizontale Integration von Aufgaben in einem Prozess baut Schnittstellen und Hierarchiestufen ab. Damit diese horizontale Struktur funktioniert, muss jedoch sowohl die fachliche wie die disziplinarische Verantwortung auf Prozessebene verortet sein. Dies bedeutet einen radikalen Bruch mit den bisherigen Formen der Organisation und eine deutliche Verschiebung von Macht- und Entscheidungsstrukturen. Die bisherigen Funktionen (zum Beispiel Erwerbung, Erschließung) finden sich in der Folge in beratenden Stabsstellen und in Teilprozessen wieder. Aufgrund der Radikalität dieses Ansatzes ist er in der Praxis (weder im Bibliothekssektor noch in anderen Branchen) kaum anzutreffen. Dennoch bleibt die Feststellung richtig, dass traditionelle Organisationsformen die oben beschriebenen Nachteile haben. Prozessorientierung tut also durchaus Not. Daher sollen weitere Organisationsformen vorgestellt werden, mit denen die Prozessphilosophie in die Aufbauorganisation eingebunden werden können.32 Einfluss-Prozessorganisation Man könnte diese Organisationsform als ersten, vorsichtigen Schritt auf dem Weg zu Prozessorientierung bezeichnen. Die Funktionsorganisation wird zwar um die prozessorientierte Sichtweise erweitert, dennoch bleiben die Prozesse der bestehenden funktionalen Organisationsstruktur untergeordnet. Die Prozesse werden ausschließlich abteilungsbezogen analysiert, dokumentiert, optimiert und verantwortet. Prozessverbesserungen sind nur innerhalb des Zuständigkeitsbereichs – der Abteilung – möglich und enden an den Schnittstellen zu den vor- und nachgelagerten Prozessschritten. Ihnen fehlen damit wesentliche Elemente wie eine abteilungsübergreifende Ausrichtung auf die kundenorientierte Rundumbearbeitung und die organisatorische Eigenständigkeit. Eine Koordination an den Schnittstellen und über Schnittstellen hinweg, fällt den Prozessverantwortlichen zu. Da die fachlichen und disziplinarischen Weisungsrechte jedoch bei den funktionalen Linienverantwortlichen liegen, sind die Handlungsspielräume begrenzt. Die Prozessverantwortlichen agieren als interne Berater, Koordinatoren und Moderatoren. Trotz dieser Nachteile findet man diese Form des Prozessorganisationsverständnisses in der Praxis häufig. Sie bedeutet einerseits keinen wesentlichen Eingriff in
32 Die Darstellung orientiert sich an Schmelzer ; Sesselmann (2013), S. 201 ff.
2.4 Prozessorganisation als Rahmen für Prozesse
55
bestehende Strukturen, kann aber andererseits die positiven Effekte von Prozessmanagement nur in Ansätzen ausspielen. Matrix-Prozessorganisation Der nächste Schritt in Richtung Prozessorganisation ist die Matrix-Prozessorganisation. Auch hier bleibt die bestehende funktionale Organisationsstruktur erhalten, wird aber von den Prozessen überlagert. Diese sind eigenständige, funktions- und abteilungsübergreifende Organisationseinheiten. Damit ist eine ganzheitliche Betrachtung und Steuerung der Prozesse möglich. Bei der Organisationsstruktur kommen jedoch die von der Matrix bekannten Herausforderungen zum Tragen: Die duale Organisationform erfordert ein hohes Maß an kommunikativer Kompetenz und Konfliktfähigkeit, wenn der in einer Matrix angelegte Konflikt zwischen Prozessverantwortlichem und Funktionsverantwortlichem produktiv und nicht als fauler Kompromiss gelöst werden soll. Ähnlich wie bei der klassischen Matrix-Organisation nimmt auch die Prozess-Matrix den Konflikt, der durch die unterschiedlichen Rollen und Sichtweisen von Prozessverantwortung und Funktionsverantwortung entsteht, bewusst in Kauf. Die damit verbundene Hoffnung richtet sich auf eine konstruktive Auseinandersetzung, die letztlich dazu führt, dass durch das Zusammenbringen unterschiedlicher Perspektiven kreative und tragfähige Lösungen entwickelt werden. Reflexion Welche Form der organisatorischen Verankerung von Prozessen stellen Sie sich für Ihre Bibliothek vor? Welche halten Sie für erstrebenswert? Welche für realistisch?
Umsetzung der Prozessorganisation Die vorangegangenen Überlegungen zeigen, dass Prozessmanagement nicht nur auf die Veränderung von Abläufen zielt, sondern in der Folge auch tiefgreifende Auswirkungen für die Organisationsstruktur, für Formen der Zusammenarbeit, für Verantwortlichkeiten, für Führungsstrukturen und letztlich die Organisationskultur hat. Bei der Entscheidung für eine der Formen organisatorischer Verankerung von Prozessen sollten Sie unterschiedliche Bewertungskriterien einbeziehen. Die folgende Tabelle können Sie nutzen, um sich selbst mit einer einfachen Bewertung (++, +, 0, -, - -) Klarheit zu verschaffen oder zum Beispiel auch mit einer Punkteabfrage in einer Teamsitzung eine Entscheidung zu treffen.
56 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Abb. 2.15: Bewertungsmatrix zur Entscheidung für eine Organisationsform.
Dabei sollten Sie immer im Auge behalten: Wenn Prozesse ihre Wirksamkeit entfalten sollen, müssen sie entsprechend organisatorisch verankert werden. Es wird sich dann nicht verhindern lassen, dass dies einen tiefgreifenden Veränderungsprozess in der Bibliothek auslöst.
2.4 Prozessorganisation als Rahmen für Prozesse 57
Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der ETH-Bibliothek, ETH Zürich Kerndaten zur ETH-Bibliothek Bibliothekstyp: Wissenschaftliche Bibliothek Aktive Kundinnen und Kunden: 28.554 (2016) Personalstellen in VZÄ: 207 (2016)
Ein Interview mit Andreas Kirstein, Stellvertretender Direktor und Franziska Moser, Leiterin des Prozessbüros der ETH-Bibliothek Welche Motive haben Sie bewogen, Prozessmanagement in Ihrer Bibliotheken einzusetzen? Andreas Kirstein und Franziska Moser: Die ETH-Bibliothek hat Prozessmanagement im Rahmen einer großen Reorganisation 2010 eingeführt. Prozessmanagement ist das Instrument, um in den neu gebildeten großen Organisationseinheiten die übergreifende Zusammenarbeit zu klären und abzubilden. Es wird auch im Rahmen des Wissensmanagements eingesetzt: als Hilfe bei der Einführung von neuen Mitarbeitenden, als Instrument zum Verbessern der Arbeiten, etc. Das Prozessmanagement (PzM) wurde gleichzeitig mit dem Produktmanagement als dessen logische Ergänzung eingeführt. Die Basis für die Erstellung der Prozesslandkarte bildeten die definierten Produkte und ihre Herstellungsprozesse.
Sind die Hoffnungen und Erwartungen, die Sie in das Instrument Prozessmanagement gesetzt haben, erfüllt worden? Andreas Kirstein und Franziska Moser: Nach rund sieben Jahren im Einsatz lässt sich heute festhalten, dass das PzM eine breite Akzeptanz aufweist. Insbesondere im Sinne eines Bottomup-Ansatzes wird das Instrument genutzt zur Verbesserung der täglichen Arbeit und zu Dokumentationszwecken. Im Gegensatz dazu wird PzM heute noch nicht eingesetzt als Instrument für die Strategieentwicklung oder für strategische Initiativen. Infolgedessen findet noch kein übergeordnetes inhaltliches Controlling über den Umfang und die Qualität der Prozesse statt im Sinne von gesamtstrategischen Überlegungen der Bibliothek.
Wie haben Sie die Prozessarbeit in Ihrer Bibliothek organisiert? Andreas Kirstein und Franziska Moser: Das Prozessbüro, bei dem alle Themen zum Prozessmanagement zusammenlaufen, ist als Stabsstelle der Sektion Medien- und IT-Services angegliedert. In derselben Sektion sind auch die Bereiche Logistik und IT angesiedelt, wobei die Erfahrung der IT mit ITIL (IT Infrastructure Library, ein Prozessframework für das IT-Service-Management) auch zu dieser organisatorischen Zuordnung beigetragen hat. Die organisatorische Angliederung hat sich über die Jahre bewährt. Das Prozessbüro wird von der gesamten Bibliothek als Unterstützung wahrgenom-
58 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
men, was eine ausgeprägte Serviceorientierung voraussetzt. Dass die Unterstützung durch das Prozessbüro größtenteils dort eingesetzt wird, wo dies auch nachgefragt wird (Bottom-up-Ansatz), trägt ebenfalls zur Akzeptanz bei, auch für die selteneren Top-down-Aufträge.
Wie bewerten Sie in der Gesamtsicht Aufwand und Nutzen für Ihre Organisation? Andreas Kirstein und Franziska Moser: Für das Prozessmanagement wird aktuell kein zentrales Managementtool verwendet. Die ETHBibliothek hat zu Beginn auf bestehende Instrumente gesetzt – Visio und SharePoint – wobei sich diese bis heute bewährt haben. Folglich ist auch in Bezug auf die Systemumgebung der Nutzen des Prozessmanagements groß im Verhältnis zum überschaubaren Investment. Das Prozessmanagement an der ETH-Bibliothek hat aber insbesondere im Einsatz als Steuerungsinstrument für wichtige und kritische Prozesse noch Raum für mehr Entwicklung und stärkeren Einsatz. Künftig sollen wo gewünscht und sinnvoll Kennzahlen für Prozesse erhoben werden, um das Instrument auch als Führungsinstrument im Controlling-Zyklus einsetzen zu können.
Was sind vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen Ihre drei wichtigsten Tipps für Bibliotheken, die ins Prozessmanagement einsteigen? Andreas Kirstein und Franziska Moser: Für die Neueinführung von Prozessmanagement empfehlen wir die folgenden drei Punkte: –
Die Prozesse und Prozesslandkarte werden im Idealfall von den definierten Produkten abgeleitet. Prozesse, die zu keinem Produkt führen, haben keinen Nutzen. Davon ausgenommen sind natürlich Management- und Supportprozesse zur Steuerung und Unterstützung der Kernprozesse.
–
Für das Prozessmanagement soll eine eigene Stelle und ein dezidierter organisatorischer Ort geschaffen werden; jemand muss sich aktiv um das Prozessmanagement kümmern und dieses weitertreiben.
–
Klein anfangen: der Einsatz von Manpower und die eingesetzten Tools skalieren mit dem Wachsen des Prozessmanagements.
2.5 Prozessmanagement als Veränderungstreiber
59
2.5 Prozessmanagement als Veränderungstreiber Um Prozessmanagement erfolgreich zu gestalten, ist es hilfreich, es nicht nur als Management Tool zu verstehen und die fachliche Dimension in den Blick zu nehmen, sondern es auch als Auslöser eines tiefgreifenden Veränderungsprozesses zu erkennen. Die Gesetzmäßigkeit, die Veränderungsprozesse generell – und damit auch Prozessmanagement-Projekte – prägen, werden in diesem Kapitel vorgestellt. Die skizzierten Handlungsansätze sollen Sie dabei unterstützen, bei der Durchführung Ihres Veränderungsprozesses vor Ort, die Wahrscheinlichkeit dafür zu erhöhen, dass die Veränderungen in Ihrer Bibliothek gelingen.
2.5.1 Prozessmanagement löst Veränderungen aus „Durch Prozessmanagement entstehen umfangreiche Veränderungen für die Bibliothek und vor allem für deren Mitarbeiter.“33 Die Änderung von Arbeitsabläufen, die Arbeit mit neuen Instrumenten und Methoden, der Umgang mit neuen Begrifflichkeiten: All das passiert unweigerlich, wenn Prozessmanagement eingeführt wird. Es gibt kaum eine andere Veränderung, die den einzelnen Mitarbeitenden so nahe kommt und deshalb direkt Einfluss auf ihr tagtägliches Tun nimmt wie die Veränderung von Arbeitsprozessen. Gewohnte Arbeitsabläufe wandeln sich, werden womöglich abgeschafft oder komplett neu gestaltet. Die betroffenen Beschäftigten haben, so ist es anzunehmen, seit Jahren erfolgreich die Geschäftsgänge umgesetzt, sind damit vertraut und bauen darauf ihre Erfolgserlebnisse und ihr Selbstbewusstsein auf. Nun sollen diese Arbeitsabläufe kritisch hinterfragt werden. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist völlig klar, dass das kritische Hinterfragen zu Veränderungen führen wird. Was sie aber nicht wissen, ist, ob sie die neuen Abläufe ebenso gut bewältigen wie ihr bisheriges Aufgabenspektrum. Beispielsweise kann die Einführung eines neuen Ausleihverfahrens den Prozessschritt „Verbuchen eines Mediums“ erleichtern. Bis die notwendige Routine bei der Anwendung des Verfahrens erlangt ist, müssen die Beschäftigten das ungewohnte System und seine Anforderungen an ihr Handeln erfassen, neue Arbeitsschritte lernen und durch Einüben wieder die Sicherheit im Handeln unter alltäglichen Arbeitsbedingungen gewinnen. Ebenso kann es notwendig werden, gewohnte Arbeitsstrukturen aufzulösen und durch neue zu ersetzen. Der Einzelne muss sein bekanntes soziales Gefüge verlassen und sich auf eine für ihn noch fremde Arbeitsgruppe einstellen. Oft kann
33 Bauknecht (2011), S. 31.
60 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
schon die Aussicht, nicht mehr mit vertrauten Kolleginnen und Kollegen zusammen arbeiten zu können, zu großen Ressentiments führen. Hinzu kommt, dass viele Mitarbeitende die Begrifflichkeiten, die in Zusammenhang mit Prozessmanagement genannt werden – wie beispielsweise Geschäftsprozessoptimierung oder Aufgabenkritik – mit negativ geprägten Wahrnehmungen wie Arbeitsverdichtung oder Sparvorgaben assoziieren. Auch dies kann bei den Betroffenen Ängste hervorrufen und zu Widerständen gegen Aktivitäten im Rahmen von Prozessmanagement führen. Zugleich ist die Etablierung von Prozessmanagement auf diejenigen angewiesen, die die Prozesse ausführen. Ohne ihr Wissen, wie die Prozesse aktuell funktionieren, ohne ihre Bereitschaft, sie kritisch zu hinterfragen und mit kreativen Ideen weiterzuentwickeln und ohne den Willen, die entwickelten Änderungen dann umzusetzen, wird Prozessmanagement nicht funktionieren. Daher ist es unabdingbar, einen beteiligungsorientierten Ansatz zu wählen. Damit wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Prozessmanagement nicht nur als beängstigend, als lästig, als aufoktroyiert oder als neueste Managementmode, die sich die Führungsebene ausgedacht hat, wahrgenommen wird. Durch einen solchen Ansatz steigt die Chance, dass Mitarbeitende und Führungskräfte gemeinsam den Nutzen von Prozessmanagement erfahren und gestalten. Nur wenn dieser Nutzen sichtbar und erfahrbar wird, gelingt es, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Thema zu eigen machen und für sich selbst – trotz der damit verbundenen Arbeit und den Ängsten – einen Mehrwert entdecken. Selbstverständlich ist jedes Veränderungsprojekt einmalig und erfolgt vor dem Hintergrund der jeweiligen betroffenen Organisation und zusammen mit den betroffenen Mitarbeitenden. Auch Ihr Prozessmanagementprojekt ist daher einmalig und ein besonderes Projekt. Dennoch zeigen sich in allen tiefgreifenden Veränderungsprojekten gewisse Gesetzmäßigkeiten, und es gibt Erkenntnisse und gute Praktiken, auf die man zurückgreifen kann, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, einen Veränderungsprozess erfolgreich zu gestalten. Gute und vor allem einfache Ratschläge, wie Veränderungsprozesse erfolgreich und mit möglichst wenig Widerstand durchgeführt werden können, lassen sich kaum geben. Daher stützen wir uns auf Gesetzmäßigkeiten, die Veränderungsprozesse prägen und leiten daraus einige Handlungsansätze ab. Zusammen mit der Kenntnis Ihrer Situation vor Ort können Sie diese nutzen, um Ihren Veränderungsprozess zu gestalten.
2.5 Prozessmanagement als Veränderungstreiber
61
2.5.2 Veränderungsmanagement – oder Change Management – was ist das eigentlich? Die Literatur bietet eine unüberschaubare Zahl an Definitionen. Wichtig erscheint uns das Verständnis von Change Management34 anhand der folgenden drei Dimensionen: Change Management hat eine Handlungsdimension Es ist ein geplanter, gesteuerter und kontrollierter Prozess, der nicht „irgendwie und einfach so“ abläuft. Er ist vielmehr geprägt von einzelnen Phasen, die die betroffenen Mitarbeitenden und das Team als Ganzes durchlaufen und durchleben und die von unterschiedlichen Emotionen begleitet sind. Change Management hat eine Steuerungsdimension Den Prozess zu gestalten, ist eine Management- beziehungsweise Führungsaufgabe. Damit ist in erster Linie gemeint, dass Führungskräfte dafür verantwortlich sind, den Veränderungsprozess nachdrücklich und vor allem sichtbar zu unterstützen. Ohne ihre Vorbildrolle wird Veränderung nicht gelingen. Change Management hat eine Wirkungsdimension Veränderungen wirken immer auf unterschiedliche Ebenen ein, die miteinander verwoben sind. Zugleich machen diese Ebenen sichtbar, dass Veränderungen umzusetzen nie nur ein sachliches oder fachliches Problem ist, für das eine Lösung gefunden werden muss. Zu nennen sind: – Prozesse und Strukturen: Diese zu verändern ist das Ziel des Prozessmanagements, – Verhalten der Mitarbeitenden und gegebenenfalls auch das weiterer Stakeholder: Dieses zu verändern ist unabdingbar, um ein neues Handeln in neuen Prozessen und Strukturen zu realisieren, – Werte, Normen und Einstellungen: Diese prägen das Verhalten und damit letztlich die Fähigkeit und Bereitschaft, Prozesse und Strukturen zu verändern. Individuelle Wahrnehmung einer Veränderung Um einen Veränderungsprozess gut vorbereiten und steuern zu können, die richtige Rahmensetzung vorzunehmen und die Instrumente zur Gestaltung des Change Prozesses auszuwählen, ist es unabdingbar, für sich selbst und die Betroffenen zu klären, welches Ausmaß der geplante Veränderungsprozess umfassen wird.
34 Wir verwenden Veränderungsmanagement und Change Management synonym.
62 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Die folgende Change-Matrix spannt ein Portfolio auf zwischen den Achsen „Ausmaß der durch die Veränderung wahrgenommene Bedrohung / Umweltdruck“ und „Ausmaß der erforderlichen persönlichen Verhaltens- und Einstellungsänderung“.
Abb. 2.16: Change-Matrix zur Typisierung von Veränderungsprojekten.
Tipp Wir empfehlen Ihnen, diese Matrix zu nutzen und zwar in dreifacher Weise: 1. Klären Sie für sich selbst, wo Sie für sich selbst das anstehende Prozessmanagement-Projekt verorten. 2. Gehen Sie im Geist die Mitglieder Ihres Teams durch und überlegen Sie für jede Person individuell, wo Sie nach Ihrer Einschätzung zu positionieren ist. 3. Nutzen Sie das Portfolio zum Beispiel in einem Auftaktworkshop, um mit den Mitarbeitenden gemeinsam zu klären, wo sie sich jeweils positionieren würden.
Der Einsatz des Portfolios zusammen mit Mitarbeiterinnen kann unterschiedlichen Nutzen stiften: – Für Mitarbeiter wird durch die Aufforderung zur eigenen Positionierung sichtbar, dass es die beiden Dimensionen des Prozessmanagement-Projektes gibt, und sie reflektieren ihre Haltung auch im Abgleich zu der anderer Teammitglieder. – Sie als Teamleitung oder Führungskraft haben die Gelegenheit, Ihr Fremdbild der einzelnen Teammitglieder mit deren Selbstbild zu spiegeln und damit Ihre Einschätzung zu reflektieren.
2.5 Prozessmanagement als Veränderungstreiber
63
Insgesamt zeigt Ihnen die Matrix, wie kritisch oder unkritisch und entspannt das Veränderungsprojekt zu sehen ist und wie intensiv Sie in die Gestaltung des Veränderungsprozesses einsteigen müssen. Es kann sinnvoll sein, im Projektverlauf diese Change-Matrix immer wieder einzusetzen, um Veränderungen in der Wahrnehmung der Betroffenen zu erfassen und darauf reagieren zu können.
2.5.3 Veränderungsphasen und Veränderungskurven Veränderungsprozesse werden oft in Phasen oder Kurven dargestellt, die zeigen, durch welche emotionalen Höhen und Tiefen einzelne Menschen und Gruppen in Veränderungsprozessen gehen. Auch wenn diese Modelle das Vorgehen als ein lineares Vorgehen abbilden – was es in der Praxis nie ist – sind sie doch hilfreich, um eine Strukturierung zu bieten und die einzelnen Schritte für die Verantwortlichen planbarer zu machen. Drei sehr bekannte Veränderungskurven35 sollen im Folgenden in Bezug zueinander gesetzt werden. Obwohl sie jeweils andere Schwerpunkte setzen, bestätigen sie sich in ihrer Grundaussage.
35 Vgl. Kotter ; Seidenschwarz (2011) ; Lewin (1963) ; Streich (1997).
64 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Verlassen der Komfortzone
Neue Standards Integration
Wut
Höherer Reifegrad als zu Beginn
Schock Erkenntnis
Streich
Organisation: Produktivität und Motivation Individuum: empfundene Kompetenz
Zu Beginn
Verneinung
Tal der Tränen
Ausprobieren
Akzeptanz Information
Kommunikation/Dialog
Training
Coaching
Mentoring Zeit
Unfreeze Auftauen
Move Verändern ∙ Sollzustand definieren ∙ Strategie von lst nach Soll ∙ Maβnahmen zur Veränderung einleiten ∙ Widerstände überwinden
∙ Optimierung der neuen Konzepte, Strukturen, Abläufe ∙ Rückfall in alte Muster vermeiden ∙ Wirksamkeit der Veränderung laufend überprüfen ∙ Anreize, Neues zu schaffen
Lewin
∙ Anforderungen aufzeigen ∙ Bewusstsein lstzustand wecken ∙ Notwendigkeit von Veränderungen deutlich machen ∙ Motivation für den Veränderungsprozess schaffen
Refreeze Stabilisieren
8 Neue Verhaltensweisen 7 Erfolge konsolidieren 6 Kurzfristig sichtbare Erfolge planen
4 Vision und Strategie kommunizieren
Kotter
5 Betroffene dazu befähigen, nach der Vision zu handeln
3 Vision und messbare Strategie entwickeln 2 Machtvolle Führungskoalition formen 1 Bewusstsein für einen dringenden Veränderungsbedarf schaffen
Abb. 2.17: Veränderungskurven nach Kotter, Lewin und Streich36.
Wenn Sie einen Veränderungsprozess steuern und gestalten möchten, dann können Ihnen die Modelle dabei helfen, die Phasen, durch die die Mitarbeitenden gehen, zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu begleiten. Lassen Sie uns im Folgenden das wohl bekannteste Change-Modell, das von Kurt Lewin, auf ein Prozessmanagement-Projekt übertragen: In der Phase 1 „Auftauen“ gilt es, bestehende Strukturen, Denkweisen, Gewohnheiten und Normen der Organisation gezielt in Frage zu stellen. In dieser Phase müssen die Betroffenen den Veränderungsbedarf erkennen, am besten durch eigenes Reflektieren oder im besten Fall angestoßen durch einen eigenen Leidensdruck.
36 Messbacher (o.J.), S. 7.
2.5 Prozessmanagement als Veränderungstreiber
65
Daran, ob es gelingt, die Notwendigkeit, sich mit Prozessmanagement auseinander zu setzen, zu vermitteln, entscheidet sich, ob der Wandel (also die Entwicklung hin zu einer prozessorientierten Organisation) gelingen wird. Kotter nennt das in seinem Modell „Bewusstsein für einen dringenden Veränderungsbedarf schaffen“. Gelingt es nicht, dies zu vermitteln, wird die Umsetzungsbereitschaft der Mitarbeitenden sehr gering sein. Das bedeutet für die Verantwortlichen, dass dieser Punkt äußerst gut vorbereitet und untermauert sein muss. Beziehen Sie bei der Entwicklung Ihrer Argumentationsstrategie auch die Anforderungen von Kunden und der sonstigen Stakeholder mit ein. In der Veränderungsphase selbst gerät vieles in Bewegung. Prozesse werden erhoben, dargestellt, hinterfragt und analysiert. Neue Arbeitsabläufe werden entwickelt, getestet und eingeführt. In möglichst überschaubarem Zeitrahmen sind Prozessverantwortliche, Prozessteam und betroffene Mitarbeiter gefordert, oft über das normale Arbeitspensum hinaus. Durch größtmögliche Transparenz und Beteiligung ist zu vermitteln, dass die Prozessanpassung allen eine Arbeitserleichterung für die Zukunft bringen soll. Das Einfrieren als dritte Phase dient dazu, die erreichten Änderungen zu stabilisieren, den Mitarbeitern Routine zu geben und erforderliche kleinere Korrekturen vorzunehmen. Diese Phase sollte durch Foren begleitet werden, in denen die Mitarbeiter eigene Erfahrungen mit dem Neuen an andere weitergeben können. Probleme sind zu benennen und gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen. Tipp Die folgende „Formel“37 macht sehr plakativ deutlich, welche Faktoren zusammenwirken müssen, damit Veränderung gelingt: U x V x eS > W Aufgelöst liest sich die Formel so: Unzufriedenheit mit dem Bestehenden, multipliziert mit einer lockenden Vision für das Neue, multipliziert mit möglichst eingängigen, einfachen und konkreten ersten Schritten für den Weg in Richtung dahin, müssen zusammen deutlich größer sein als Beharrungsvermögen und Widerstände. Ist eines der multiplizierten Elemente gleich Null, ist nach Adam Riese der Widerstand grösser als alles andere und es passiert – nichts.
37 Vgl. Cady ; Jacobs ; Koller ; Spalding (2014).
66 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
2.5.4 Umgang mit Widerständen Widerstände in Veränderungsprozessen sind unvermeidlich und völlig normal. Sorgen sollten Sie sich daher nicht machen, wenn sich Widerstände zeigen, sondern dann, wenn Sie keine Widerstände wahrnehmen. Die Aufgabe von Führungskräften und Prozessverantwortlichen38 ist es, die Widerstände zu erkennen, die Gründe zu identifizieren und sie vor allem konstruktiv zu bearbeiten. Ziel muss es sein, Widerstände wo immer möglich abzubauen, anstatt den Versuch zu unternehmen, sie brechen zu wollen. Gleichwohl zeigt die Erfahrung, dass es nie gelingt, alle Mitarbeitenden zu überzeugen und alle Widerstände abzubauen. Die Herausforderung für Verantwortliche ist es, in jedem Einzelfall zu erkennen, wo sich Widerstände bearbeiten lassen und wo hingegen auch mit disziplinarischen Maßnahmen das Projekt und die anderen Mitarbeitenden geschützt werden müssen. Die Pyramide des Widerstands illustriert, dass Gründe für Widerstände gegenüber Veränderungen sehr unterschiedliche Ursachen haben können und demzufolge auch unterschiedliche Maßnahmen zu ihrer Bearbeitung ergriffen werden müssen. Nur wenn mit der „richtigen“ Maßnahme auf das individuelle Widerstandsverhalten reagiert wird, lässt sich eine Veränderung erreichen.
Abb. 2.18: Pyramide des Widerstands und Handlungsansätze.
38 Zu den Rollen im Prozessmanagement vgl. Kapitel 3.2.4
2.5 Prozessmanagement als Veränderungstreiber
67
Die Pyramide fasst die wesentlichen Widerstandsgründe pointiert zusammen: – Nicht Dürfen – Nicht Wissen – Nicht Können – Nicht Wollen Es wird deutlich, dass unterschiedliche Handlungsansätze und Maßnahmen gewählt werden müssen, je nachdem, ob eine Mitarbeiterin Widerstände zeigt, weil sie befürchtet, einen neu einzuführenden Prozess nicht bewältigen zu können, oder ob ein Mitarbeiter Widerstand zeigt, weil er nicht weiß oder versteht, was überhaupt geplant ist und er sich übergangen fühlt. Im ersten Fall können Maßnahmen wie Schulungen, Training, Coaching und so weiter Ängste abbauen und die erforderliche Sicherheit geben. Im zweiten Fall kommt eines der zentralen Handlungsfelder in Veränderungsprojekten zum Tragen, nämlich die Kommunikation.
2.5.5 Kommunikation als Erfolgsfaktor für Veränderung Es ist völlig unstrittig, dass Kommunikation Wandelprojekte sehr stark beeinflusst – positiv wie negativ. Das Bewusstsein, wie Kommunikation im Wandel, wann, durch wen, mit welcher Absicht und über welche Kanäle optimal funktioniert, ist jedoch oft nicht im erforderlichem Maß präsent. Wir müssen für gelingende Kommunikation eine Reihe von Fragen stellen und beantworten: – Wie viel Kommunikation ist notwendig? – Zu welchem Zeitpunkt und über welche Dauer? – Über welche Kanäle, also mithilfe welcher Medien und Instrumente? – Wer sagt was zu wem zu welchem Zeitpunkt? Betrachtet man die vielen Studien, die es zum Thema „Erfolgsfaktoren“ in Veränderungsprojekten gibt, dann zeigt sich eines immer wieder: Mit Kommunikation steht und fällt der Erfolg. Change Managerinnen haben dabei keine leichte Aufgabe: Sie können nicht nur die positiven Visionen eines Projektes auf Hochglanzfolien vorstellen, sondern sie müssen auch die negativen Begleiterscheinungen kommunizieren, und sie können nicht nur mit den Begeisterten kommunizieren, sondern auch und gerade mit denen, die zweifeln, Angst haben oder die Veränderung vehement ablehnen. Um damit gut umgehen zu können, empfehlen wir Ihnen eine Informationsund Kommunikationsplanung zu erstellen. Auch wenn es auf den ersten Blick nach noch mehr zusätzlicher Arbeit aussieht: Diese Investition lohnt sich. Alle Erfahrungen zeigen, dass es nicht erfolgreich ist, sich darauf zu verlassen, dass man ja ohnehin genügend miteinander reden würde und alles oft genug gesagt und geschrieben worden wäre.
68 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Erstellen Sie also einen Kommunikationsplan! Er trägt zum Abbau und zur Bearbeitung von Unsicherheiten und Widerständen der Betroffenen bei, und er fördert die Akzeptanz und Umsetzung der Veränderungen. Seine Inhalte sollten sein: – Identifizierung relevanter Zielgruppen: Wer sind die Personen beziehungsweise Gruppen, die informiert werden sollen? – Analyse der Bedarfe der Zielgruppen im Hinblick auf die Informationsbedarfe im Veränderungsprozess: Was wollen oder sollen die einzelnen Personen und Personengruppen wissen? Dabei sollte bewusst unterschieden werden zwischen einem sach- und faktenorientierten Informationsbedarf und einem emotionalen Informations- und Beteiligungsbedarf. – Planung und Bereitstellung geeigneter Kommunikationswege: Über welche Kommunikationswege (persönlich, schriftlich, elektronisch) können die jeweiligen Zielgruppen am besten angesprochen werden? Welche Kommunikationswege sind für welche Form der Informationsbedarfe (sachorientiert/emotionsorientiert) geeignet? – Erstellen des eigentlichen Kommunikationsplans: Wer wird worüber wann in welcher Weise von wem informiert beziehungsweise mit wem wird kommuniziert? – Festlegung der zielgruppenadäquaten, kontinuierlichen, jeweils zeitnahen und umfassenden Kommunikation mit allen Betroffenen im Verlauf der Veränderungen: Welche Zeitpunkte, welche Form, welche Menge der Information ist angemessen? – Regelmäßige Überprüfung der Effektivität der gewählten Kommunikationswege und -medien: Kommen die Informationen so, wie sie gedacht sind, bei den Zielgruppen an? Haben sie den erwünschten Effekt? Denken Sie daran: Um die Kommunikation zu gestalten, stehen Ihnen eine Vielzahl von Kanälen und Instrumenten zur Verfügung. Es muss nicht immer die Mitarbeiterversammlung oder die E-Mail sein. Achten Sie auf einen Mix, der zu Ihrer Bibliothek passt.
2.5 Prozessmanagement als Veränderungstreiber
69
Abb. 2.19: Medien und Methoden der Change-Kommunikation39.
Kommunikationspläne können sehr unterschiedlich gestaltet werden. Oft werden sie ausgehend von den Ziel- beziehungsweise Adressatengruppen entwickelt. Geplant wird dann, welche Adressatengruppe in welcher Frequenz über welche Kanäle mit welchen Botschaften angesprochen wird. Tab. 2.2: Schema eines Kommunikationskonzepts. Zielgruppe
Inhalte
Form / Maßnahme / VerantKanal wortlich
Frequenz Erledigt
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
Startinfo über Veränderungsprozess
Mitarbeiter-InfoVeranstaltung
Start
Startinfo über neue Projekte
E-Mail
Bei Bedarf
Info-Veranstaltung
Bei Bedarf
Intranet
Bei Bedarf
MA-Zeitung, Neue Rubrik Marktplatz
1/4 Jährlich 1/2 Jährlich
Personalversammlung
Bei jeder PV
Status im Veränderungsprozess
39 Deutinger (2017), S. 42.
70 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Zielgruppe
Inhalte
Form / Maßnahme / VerantKanal wortlich
Frequenz Erledigt
Status der Projekte
MA-Zeitung, Neue Rubrik
1/4 Jährlich
Infosäule
Bei Bedarf
Intranet
14tägig
Regelkommunikation
kontinuierlich
Marktplatz
1/2 Jährlich
Chatroom
kontinuierlich
Briefkasten
kontinuierlich
Kamingespräche
jährlich
Soundingboard
kontinuierlich
MA-Zeitung, Neue Rubrik
1/4 Jährlich
Flyer
Bei Bedarf
Personalversammlung
Bei jeder PV
Projekt-Laufwerk Protokolle
Bei Bedarf
Infosäule
kontinuierlich
Regelkommunikation
kontinuierlich
Intranet
kontinuierlich
Führungskräf- Status im Veränderungste prozess
Großveranstaltung
1 Jahr
Kamingespräche
Bei Bedarf
Kunden und Kundinnen
Startinfo über Veränderungsprozess
Newsletter, soziale Medien, Website
einmalig
Erfolgsmeldungen/ Ergebnisse der Projekte
Newsletter, soziale Medien, Website, bestehende Kundenkanäle
Bei Bedarf
Startinfo über Veränderungsprozess
Schriftliche Berichte
kontinuierlich
Startinfo über neue Projekte
Schriftliche Berichte
kontinuierlich
Status im Veränderungsprozess
Schriftliche Berichte
kontinuierlich
Feedback zum Veränderungsprozess
Erfolgsmeldungen/ Ergebnisse der Projekte
Info über Beschlüsse
(Politisches) Entscheidungsgremium z.B. Gemeinderat,
2.5 Prozessmanagement als Veränderungstreiber
Zielgruppe
Inhalte
Form / Maßnahme / VerantKanal wortlich
Frequenz Erledigt
Hochschulgremium
Erfolgsmeldungen/ Ergebnisse der Projekte
Schriftliche Berichte, Newsletter, persönliche Berichte
kontinuierlich
Personalvertretung / Personalrat
Status im Veränderungsprozess
Gespräch
kontinuierlich
Soundingboard
kontinuierlich
Gespräch
kontinuierlich
Soundingboard
kontinuierlich
Gespräch
kontinuierlich kontinuierlich
Feedback zum Projekt
Feedback zum Veränderungsprozess
Soundingboard Info über Beschlüsse
Gespräch
71
kontinuierlich
Ein Kommunikationskonzept kann sich jedoch auch inhaltlich auf den Veränderungsprozess ausrichten. Entlang der Phasen von Lewin zeigen wir beispielhaft auf, wie ein solcher begleitender Kommunikationsplan aufgebaut werden kann. Tab. 2.3: Kommunikationsplan entlang der Veränderungsphasen. Auftauen
Verändern
Einfrieren
Ziel
Durch Vermitteln des Veränderungsbedarfs und Kennenlernen der Wahrnehmung der Betroffenen, diese aktivieren.
Durch Transparenz und Beteiligung möglichst hohe Akzeptanz sichern. Gerüchten vorbeugen.
Durch das Ermöglichen von Korrekturen an den neuen Prozessen, Offenheit und Sicherheit bei den Betroffenen erzeugen.
Zielgruppe
– Betroffene Mitarbeiter und Führungskräfte, – Personalrat, – Gleichstellungsbeauftragte, – Schwerbehindertenvertretung
– Betroffene Mitarbeiter und Führungskräfte, – Personalrat, – Gleichstellungsbeauftragte, – Schwerbehindertenvertretung
– Betroffene Mitarbeiter und Führungskräfte, – Personalrat, – Gleichstellungsbeauftragte, – Schwerbehindertenvertretung
72 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements Auftauen
Verändern
Einfrieren
Aktivitätsbeispiele
Information mündlich und Projektschritte, schriftlich, Workshop zum Methoden, Zeitpläne und Aktivieren. evtl. Projektanpassungen erläutern durch Information mündlich und schriftlich. Eigentliches Vorgehen durch ein Begleitgremium reflektieren lassen. Ausführliche Information mündlich und schriftlich zu den Veränderungen.
Regelmäßig in Dienstbesprechungen thematisieren. Gesonderte Feedbackrunden mit den Betroffenen und Vertretern der Gruppen, die auf gute Ergebnisse angewiesen sind. Gezielte Evaluation des neuen Verfahrens nach etwa einem Jahr.
Zuständig
Bibliotheksleitung, Projektkoordinator (falls vorhanden), Prozessverantwortliche, Prozessteam
Prozessverantwortliche, Prozessteam
Projektkoordinator (falls vorhanden), Prozessverantwortliche, Prozessteam
Zeitpunkt/ Dauer
4 Wochen vor geplantem Start der Erhebung Information (1,5 Stunden), bei Workshopcharakter 3-4 Stunden
Abhängig von Anzahl der zu erhebenden Prozesse sowie der zu beteiligenden Einheiten. Sollte nicht länger als ein Jahr dauern (Erhebung, Modellierung und Ist bestätigen lassen 3 Monate, Analyse 1 Monat, Neugestaltung mit Reflektion durch Begleitgremium 3 Monate, Vorbereiten der Umsetzung 5 Monate)
Kontinuierliche Feedbackrunden für das Jahr nach Einführung einplanen. In der Anfangszeit Feedbackrunden alle 1 bis 2 Wochen, später monatlich, ggf. vierteljährlich.
Reflexion Wie informieren Sie in Ihrer Bibliothek über wichtige Ereignisse in einem Veränderungsprojekt? Welche Formate der Information und Kommunikation wären im Rahmen des Prozessmanagements in Ihrer Bibliothek denkbar?
2.5 Prozessmanagement als Veränderungstreiber 73
Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Stadtbücherei Geislingen Kerndaten zur Stadtbücherei Geislingen in der MAG Bibliothekstyp: Öffentliche Bibliothek Aktive Kundinnen und Kunden: 3.100 Personalstellen in VZÄ: 5,23 (DBS 2016)
Ein Beitrag von Benjamin Decker, Bibliotheksleiter der Stadtbücherei Geislingen Wie kann die Bibliotheksleitung sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden der Einrichtung stets motiviert, aber auch verpflichtet sind, ihr Wissen auf einem aktuellen Stand zu halten, Innovationen zu identifizieren und umzusetzen und die Einrichtung dabei durch gemeinsam definierte Ziele auf einem guten, möglichst ausgezeichneten Niveau zu betreiben? Wie kann das gelingen, obwohl uns nicht die Personalressourcen zur Verfügung stehen, die geboten wären, um die vielen Aufgaben in unterschiedlichen Arbeitsgebieten möglichst effizient und mit guten Ergebnissen zu erledigen? Wie schaffen wir es, erfolgreich in einem Umfeld tätig zu sein, das sich durch die Digitalisierung in besonderem Maße wandelt und in dem laufend neue Aufgabebereiche entstehen?
Wie können wir hilfreiche Arbeitsinstrumente entwickeln? Die Antwort auf diese Fragen war und ist für uns Qualitätsmanagement (QM). In einem gemeinsamen Projekt verschiedener Bibliotheken im Regierungsbezirk Stuttgart mit der Fachstelle für das öffentliche Bibliothekswesen am Regierungspräsidium und der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM) haben wir unterschiedliche QM-Systeme verglichen und uns dann entschieden, an einem Pilotprojekt zur Einführung des EFQM-basierten Systems „Ausgezeichnete Bibliothek“ teilzunehmen. Das Verfahren bietet mit seiner Werkzeugkiste einen ganzheitlichen Blick auf die Einrichtung Bibliothek. Prozessmanagement hat dabei einen großen Anteil am Gelingen des QM und wirkt, oft in Zusammenarbeit mit anderen Werkzeugen, an der Erreichung verschiedenster Ansprüche, die wir an ein QM-System gestellt haben, mit: –
Selbstkontrolle: Selbstbewertung & Prozessmanagement
–
Selbsterkenntnis: Selbstbewertung & Profil & Prozessmanagement
–
Arbeitsplanung: Prozessmanagement
–
Aufmerksamkeit: Zertifizierung & Re-Zertifizierungen
–
Transparenz nach innen und außen: Prozessmanagement & Profil
–
Die Bibliothek als lernendes System: Prozessmanagement & Projektmanagement
–
Kunden und Kundinnen wahrnehmen: Beschwerdemanagement & Prozessmanagement
Prozessmanagement hat also eine zentrale Funktion innerhalb des QM der Stadtbücherei Geislingen. So haben alle Mitarbeitenden unserer Einrichtung die Möglichkeit, ihre Arbeitswelt gemeinsam zu gestalten sowie mit- und voneinander zu lernen. Nach einem Workshop (im
74 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Rahmen des QM-Projektes) an der HdM zum Thema haben wir gemeinsam Prozesse identifiziert und beschrieben. Bei einem Team von seinerzeit sieben Mitarbeitenden konnten wir für viele Prozesse diese Arbeit gemeinsam angehen. Beginnend mit einer alltäglichen Situation, dem Eintreffen neuer Medien als erstem Prozessereignis, haben wir am Flipchart die ersten Prozessschritte festgehalten. Einer rein grafischen Beschreibung der Prozesse, die über die einzelnen Arbeitsschritte, Entscheidungen und Schnittstelle zu anderen Tätigkeiten informiert, wurden verbale Beschreibungen beiseitegestellt. Diese haben unterschiedliche, wichtige Funktionen z.B. benötigte Arbeitsmittel aufzulisten, Veränderungen am Prozess zu dokumentieren, das Prozessteam zu benennen und Kennzahlen für eine erfolgreiche Prozessbearbeitung festzulegen. Auch diese verbalen Beschreibungen wurden zunächst gemeinsam im Gesamtteam erarbeitet. Für den Kernprozess „Benutzungsdienst“ erstanden so in gemeinsamer Arbeit Dokumentationen für einen Kern- und elf Teilprozesse. Durch die gemeinsame Entwicklung der Prozesse wurde folgendes erreicht: –
Das Wissen der Mitarbeitenden wurde in die Gestaltung der Prozesse einbezogen.
–
Die Prozesse wurden vereinheitlicht, das heißt verschiedene Bearbeitungswege aufgelöst.
–
Fehlleistungen wurden gemeinsam erkannt und aus den Prozessen entfernt.
–
Mitarbeitende wurden als Prozessverantwortliche eingesetzt und erhielten damit die Möglichkeit eigenverantwortlich Prozessteams zu leiten.
–
Die Bibliotheksleitung findet sich nun, je nach Prozess, sowohl als Prozessverantwortlicher also auch als Teil eines Prozessteams wieder.
–
Mitarbeitende wurden in die Lage versetzt, Prozesse im Auftrag, aber ohne Mitarbeit der Bibliotheksleitung zu erarbeiten und Prozessteams zusammenzustellen.
Voraussetzung für die Einführung von Prozessmanagement bei uns war eine umfassende Einführung in das Thema durch das „Institut für Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung“ an der HdM. Für diesen sehr praxisorientierten Teil des QM war es jedoch nicht notwendig, vorab andere Werkzeuge der „Ausgezeichneten Bibliothek“ zu erarbeiten. Prozessmanagement empfiehlt sich daher als ein mögliches Eintrittstor ins QM. Um mit Prozessmanagement zu beginnen ist es also sinnvoll, Mitarbeitende so fortzubilden, dass diese gemeinsame PMWorkshops in der Bibliothek leiten können. Der Wissenstransfer ins Gesamtteam findet dann bei der gemeinsamen Erarbeitung der Prozesse statt. Aus unserer Erfahrung würden wir anderen Einrichtungen also dazu raten, Prozessmanagement im Gesamtteam zu beginnen. Bei sehr großen Teams könnten nach einer Einführung in die Thematik einzelne Gruppen erste Prozesse erarbeiten und ihre Ergebnisse dann im Plenum vorstellen. Wir würden, da dies eine Beteiligung aller ermöglicht, immer mit der grafischen Beschreibung von Prozessen beginnen. Hier ist der Praxisbezug am größten und die Sinnhaftigkeit des Prozessmanagements wird schnell deutlich, sobald die Mitarbeitenden sich über ihre manchmal unterschiedlichen Herangehensweisen an einen Prozess austauschen und voneinander lernen. Die Bibliotheksleitung bzw. die Führungskräfte sollten die Erstellung der Prozesse in dem Bewusstsein begleiten, dass es Bereiche gibt, in denen Mitarbeitende mehr Kompetenz besitzen als sie. Dieses Wissen auch zu honorieren wirkt motivierend. Die verbale Beschreibung von Prozessen ist notwendig, setzt aus unserer Sicht aber Erfahrung mit Prozessmanagement voraus und sollte als zweiter Schritt im Anschluss an die grafische Beschreibung erfolgen. Nachdem alle Mitarbeitenden gemeinsame Erfahrungen bei der Beschreibung von Prozessen gemacht haben, kann die weitere Bearbeitung von Prozessen in den jeweiligen Prozessteams erfolgen. Voraussetzung ist, dass den Mitarbeitenden Zeit zur Verfügung gestellt wird, diese Aufgaben wahrzunehmen. Daher kann es gerade zum Einstieg ins Prozessmanagement not-
2.5 Prozessmanagement als Veränderungstreiber
75
wendig sein, die Einrichtung für ein paar Tage zu schließen und das gesamte Team einzuberufen. In unserer Einrichtung haben die Prozessteams insgesamt fünf Kernprozesse, 31 Teilprozesse und vier Serviceprozesse beschrieben. Die meisten Prozesse wurden grafisch und verbal dokumentiert. Ganz pragmatisch wurden manche kleinen Teilprozesse auch nur grafisch, oder nur solche, die nur wenige Tätigkeiten aufweisen, auch nur verbal dokumentiert. Nach der Einführung des Prozessmanagements im Jahr 2009 sind heute zwar alle Kernprozesse, jedoch noch nicht alle identifizierten Service- und Managementprozesse beschrieben. Warum nicht? Zunächst hatten wir vereinbart, dass die Prozessteams jedes Jahr gemeinsam jeden Prozess überprüfen. Das hat sich in der Praxis als zu zeitaufwändig erwiesen. Dennoch unterliegen die Prozesse einer ständigen Überprüfung. Sobald im Rahmen einer Dienstbesprechung etwas entschieden wurde, das einen Prozess berührt, passen die jeweilige Prozessverantwortlichen die Prozessbeschreibung an. Zudem überprüfen die Prozessverantwortlichen jedes Jahr einmal die Prozesse und rufen gegebenenfalls das Prozessteam zusammen, um eine Überarbeitung vorzunehmen. Diese Überprüfungen und Überarbeitungen werden dokumentiert. Inzwischen sind auch die Arbeitsplatzbeschreibungen der Mitarbeitenden mit dem Prozessmanagement in Einklang gebracht. Das bedeutet zum einen, dass die in den Arbeitsplatzbeschreibungen genannten Tätigkeitsfelder der Zugehörigkeit zu den Prozessteams entsprechen. Zum anderen sind die Prozessverantwortung in der Arbeitsplatzbeschreibung verankert. Alle Mitarbeitenden haben in mindestens einem Teilprozess Prozessverantwortung. Teamarbeit, Eigenverantwortlichkeit und Kompetenz der Mitarbeitenden wurde gestärkt. Die Arbeitsabläufe wurden und werden verbessert und unsere Kunden können von allen Mitarbeitenden die gleichen Leistungen erwarten. Verbessert werden muss die Überprüfung von Ist- und Zielwerten im Kennzahlensystem des Prozessmanagements. Die hier formulierten Kennzahlen wurden jedoch inzwischen, dort, wo dies Sinn macht, in das Zielkennzahlenraster der Bücherei integriert.
76 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
2.6 Darstellung von Prozessen Ein wesentliches Element des Prozessmanagements ist die grafische Darstellung von Prozessen als Modell. Prozessmodelle sind eine bildhafte, strukturiert aufgebaute Darstellung von Prozessen und deren Teilprozessen. Sie unterstützen sowohl die realitätsnahe Abbildung von Prozessen im Ist als auch die Vorstellung von Prozessen im Soll. Erreicht wird das, indem die Tätigkeiten grafisch so dargestellt werden, dass sie in ihrer logischen Folge auch für Außenstehende nachvollziehbar sind. Zum besseren Verständnis werden dabei Symbole mit textlichen Erläuterungen verwendet.40
2.6.1 Gründe für die Modellierung In ihrem Buch „Einführung in das Management von Geschäftsprozessen“41 nennt Susanne Koch die wesentlichen Gründe für den Einsatz von Prozessmodellen: – Die durch die Modellierung gewonnene Transparenz erleichtert es den Beteiligten, den Tätigkeitsablauf in seinen Zusammenhängen zu verstehen. Sie erkennen, welche Rolle sie dabei spielen und welchen Anteil ihre Leistung am Gesamtergebnis hat. Das fördert das Denken in Prozessen sowie die Motivation der Beschäftigten. – Gleichzeitig wird mit der Dokumentation der Prozesse eine fundierte Wissensbasis und Informationsquelle geschaffen, die für alle jederzeit erreichbar ist. – Diese Wissensbasis kann genutzt werden, um speziell neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzuarbeiten. Die Modellierungen dienen zunächst als Schulungsmaterial und später als Nachschlagewerk. – Die grafische Darstellung objektiviert die Abläufe und fördert das Verständnis für die einzelnen Prozesse bei Beteiligten und Nicht-Beteiligten. Der so gewonnene Überblick über die einzelnen Schritte erleichtert die Prozessanalyse. Fehlerquellen und Schwachstellen werden einfacher erkannt. Gleichzeitig ist die Modellierung Basis für weiterführende Aktivitäten, wie die Optimierung organisatorischer Abläufe oder die Entwicklung von Fachverfahren.
40 Vgl. Becker ; Algermissen ; Falk (2007), S. 45–48. 41 Vgl. Koch (2011), S. 47–48.
2.6 Darstellung von Prozessen
77
2.6.2 Methoden der Modellierung Die Literatur verweist auf zahlreiche Modellierungsmethoden, mit denen die grafische Darstellung von Prozessen unterstützt werden kann. Diese umfassen zwei wesentliche Komponenten: 1. Die Notation: Sie gibt alle Symbole vor, die zur grafischen Darstellung eines Prozesses vom auslösenden Ereignis bis zum Ergebnis eingesetzt werden können. 2. Die Handlungsanweisung zur Modellerstellung: Sie umfasst die Regeln, die bei der Erstellung eines Prozessmodells zu berücksichtigen sind.42 Es gibt objektorientierte und prozessorientierte Ansätze der Modellierung. Prozessorientierte Ansätze stellen die Prozesse als Ablauf einzelner Schritte dar, beispielsweise als Flussdiagramme.
Abb. 2.20: Beispiel Flussdiagramm.
Objektorientierte Ansätze konzentrieren sich auf die handelnden Personen, Organisationen oder Systeme sowie die zwischen diesen bestehenden Beziehungen.43
Abb. 2.21: Beispiel objektorientierter Ansatz.
42 Vgl. Bundesverwaltungsamt, IT-Beratung, Kompetenzzentrum Vorgangsbearbeitung, Prozesse und Organisation (2010), S. 26. 43 Vgl. Bundesverwaltungsamt, IT-Beratung, Kompetenzzentrum Vorgangsbearbeitung, Prozesse und Organisation (2010), S. 26.
78 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Welcher Ansatz geeignet ist, hängt von der Zielstellung der Modellierung ab: – Liegt der Schwerpunkt darauf, Tätigkeitsfolgen abzubilden? Dann ist der prozessorientierte Ansatz geeignet. Er hilft dabei, ein Verständnis für den organisatorischen Ablauf von Vorgängen zu gewinnen. Geht es darum diesen Ablauf zu beeinflussen, sollte dieser gewählt werden. Als Modellierungssprache unterstützt hierbei beispielsweise die Business Process Model and Notation (BPMN) oder auch PICTURE mit Prozesstabelle. Auf beide Methoden geht dieses Kapitel nachfolgend ausführlicher ein. – Ist beabsichtigt, die Aktionen einzelner Objekte zu betonen, eignet sich eher der objektorientierte Ansatz. Meistens kommt dies bei der Prüfung vor, ob eine Aktion automatisiert ablaufen kann. Daher wird dieser Ansatz bevorzugt in der ITEntwicklung genutzt. Die gängigste Modellierungssprache für diese Anwendung ist die Unified Modeling Language (UML), die aufgrund ihrer speziellen Anwendung im IT-Bereich in diesem Buch nicht weiter beschrieben wird. Business Process Model and Notation (BPMN) BPMN ist eine der gängigsten Symbolsprachen für die Darstellung von Geschäftsprozessen. Entwickelt 2002 von einem IBM Mitarbeiter legt sie Standards zur grafischen Darstellung von Arbeitsabläufen fest. Die grundlegende Idee von BPMN ist, einen Prozess mit seinen einzelnen Prozessschritten in einem Diagramm darzustellen. Dabei wird jeder Prozessschritt direkt einem am Prozess beteiligten Bereich zugeordnet, die Folge und Abhängigkeiten der Prozessschritte voneinander dargestellt und alternative Bearbeitungen verdeutlicht. BPMN liefert die dazu erforderlichen Darstellungs- und Interaktionsregeln.44 Die Modellierung mit BPMN startet mit der Identifizierung und Veranschaulichung der beteiligten Bereiche. Unter Bereichen sind einzelne Organisationseinheiten wie Abteilungen, Referate oder Sachgebiete zu verstehen. Die Prozesse werden innerhalb eines „Pools“ dargestellt, der alle Bereiche umfasst, die etwas zu dem Prozess beizutragen haben. Die „Pools“ wiederum werden in mehrere „Lanes“ oder Schwimmbahnen unterteilt, die den eigentlichen Handlungsrahmen einzelner Bereiche bilden. Das bedeutet, in den „Lanes“ werden alle Prozessschritte dargestellt, die von einem verantwortlichen Bereich bearbeitet werden. Übernimmt ein anderer Bereich den Prozess, dann werden dessen Aktivitäten in seiner eigenen Schwimmbahn dargestellt.45
44 Vgl. Harder (2011), S. 4. 45 Vgl. Harder (2011), S. 4.
2.6 Darstellung von Prozessen
79
Abb. 2.22: Pool und Lanes.
Die eigentlichen Symbole (Kreis, abgerundetes Rechteck, Raute etc.) kennzeichnen Ereignisse, Prozessschritte und Übergabestellen, wie beispielsweise logische Verzweigungen. Sequenzflüsse, auch als Pfeile bezeichnet, zeigen die Folge der Prozessschritte. Mittels Artefakten (Datenobjekten, Text-Anmerkungen) können den Prozessschritten oder Ereignissen weitere Informationen hinzugefügt werden. Ein Beispiel für eine Text-Anmerkung ist der Hinweis auf eine vorhandene Geschäftsgangsregel. Ein Datenobjekt stellt ein elektronisches Objekt (z.B. Datensatz) oder ein physisches Dokument (z.B. Bestellschein) dar und wird durch ein Rechteck mit abgeknickter Ecke abgebildet. Das auslösende Ereignis für den Prozess wird mittels eines Start-Symbols dargestellt, das Ergebnis mittels eines Ende-Symbols. Beide werden als Kreise abgebildet. Ein Startereignis (Kreis mit normaler Umrandung) kann mehrere Auslöser haben. Diese können durch ein Artefakt, in diesem Fall ein Anmerkungs-Symbol, beschrieben werden. Die eigentlichen Aufgaben oder Prozessschritte werden mittels abgerundeter Rechtecke dargestellt. Das Ende des Prozesses wird durch einen Kreis mit fetter Umrandung symbolisiert. Sind bei einem Prozess alternative Endergebnisse möglich, können diese durch ein Anmerkungs-Symbol erläutert werden. Kaum ein Prozess verläuft geradlinig vom Start bis zu seinem Ende. Wie bei jeder Wegeführung gibt es Kreuzungen oder Verzweigungen, an denen eine Entscheidung über die weitere Richtung zu treffen ist. Diese bezeichnet man als „Gateways“ eines Prozessflusses. Im weiteren Prozessverlauf können sie wieder zusammengeführt werden, aber auch dauerhaft unterschiedliche Richtungen einnehmen. Im letzteren Fall kommt es nicht zu einem einzigen Ergebnis, sondern mehrere Ende-Ereignisse sind möglich. Gateways werden durch eine Raute symbolisiert, die den weiteren Prozessverlauf aufzeigen, der sich aufgrund getroffener Entscheidungen oder bestehender Tatsachen ergibt. Ihre gängigsten Arten sind exklusive und parallele Gateways. Exklusive Gateways sind klassische „oder“-Verzweigungen, die alternative Bearbeitungswege nach Beantwortung der Bedingung durch „ja“ oder „nein“ aufzeigen. Ein paralleles Gateway entspricht einer logischen „Und“-Bedingung und teilt den Prozessfluss in zwei oder mehrere Flüsse auf. Alle Gateways können jeweils durch Anmerkungs-Artefakte konkretisiert werden.
80 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Um die Übersichtlichkeit des Diagramms für einen umfangreichen Prozess mit möglicherweise zahlreichen Gateways zu erhöhen, kann dieser in mehrere Teilprozesse, die wiederum aus einer Reihe von Prozessschritten bestehen, aufgeteilt werden. Eine Möglichkeit auf einen Teilprozess hinzuweisen ist die Darstellung durch ein abgerundetes Rechteck mit einem eingefügten „+“-Zeichen. Beim Einsatz eines IT-Tools lassen sich durch Hinterlegen von Hyperlinks die einzelnen Teilprozesse in einem neuen Fenster anzeigen.46
Abb. 2.23: BPMN-Symbole.
Auf der offiziellen Homepage http://www.bpmn.org/47 der Object Management Group (OMG), die BPMN (derzeit in der Version 2.0) weiterentwickelt, sind alle Symbole zu finden. Für den schnellen Einstieg eignet sich der Menüpunkt „Quick Guide“. Entsprechend der Wertung des Bundesverwaltungsamts48 geben wir nachfolgende Entscheidungshilfen:
46 Vgl. Harder (2011), S. 6–14. 47 Vgl. http://www.bpmn.org/ (5.3.2018). 48 Vgl. Bundesverwaltungsamt, IT-Beratung, Kompetenzzentrum Vorgangsbearbeitung, Prozesse und Organisation (2010), S. 42.
2.6 Darstellung von Prozessen
–
– – –
81
Wann ist der Einsatz von BPMN für Sie geeignet? Wenn mehrere Bereiche in Ihrer Bibliothek an dem Prozess beteiligt sind: Dann veranschaulicht BPMN durch die Modellierung in Schwimmbahnen („Lanes“) übersichtlich die Prozessflüsse sowie die Prozessbeteiligten und zwingt zu stringenter, und damit weniger fehleranfälliger, Modellierung. Dies gilt auch für komplexe Prozessstrukturen Wenn Sie leicht verständliche und erstellbare Diagramme für eine möglicherweise größere und wenig erfahrene Zielgruppe benötigen Wenn Sie auf eine gute Akzeptanz der Notation Wert legen. Dies kann BPMN bieten, da seine Grundelemente den bekannten Flussdiagrammen ähneln Wenn Sie daran interessiert sind, eine von vielen IT-Tools unterstützte Notation zu nutzen
Wann ist BPMN für Sie weniger geeignet? – Wenn Sie weitere Elemente Ihrer Bibliothek wie Organigramme, Datenstrukturen oder Strategien mit aufnehmen möchten. BPMN modelliert lediglich die Prozesse als Arbeitsabläufe. PICTURE mit Prozesstabelle Speziell für die öffentliche Verwaltung wurde die PICTURE-Methode entwickelt. Mit ihr können Verwaltungsprozesse auf einfache Weise nachvollziehbar und praxisorientiert beschrieben werden. Das Prinzip von PICTURE ist die Bildung von Prozessbausteinen, die sich inhaltlich an Verwaltungsaufgaben orientieren. In diesem Zusammenhang ist unter einem Prozessbaustein eine in vielen Verwaltungsprozessen wiederkehrende Aufgabe und Tätigkeit zu verstehen, zum Beispiel „Dokument entgegennehmen“, „Formell prüfen“ oder „Dokumente sichten“. Bei der Anwendung von PICTURE wird ein hoher Abstraktionsgrad gewählt, so dass sich mit den Prozessbausteinen fast jeder Verwaltungsprozess fachlich einheitlich beschreiben lässt. Konkretisiert werden die Prozessbeschreibungen durch Attribute, wie beispielsweise die Bearbeitungszeit.49 Was für die Verwaltungsarbeit gilt, lässt sich durchaus auf die bibliothekarische Arbeit übertragen. Auch unter den Bibliotheksaufgaben gibt es wiederkehrende Aufgaben und Tätigkeiten. Sind diese eindeutig definiert und erläutert, können daraus Prozessbausteine gebildet werden. Beispiele dafür sind Tätigkeiten wie „Bestellvorgang bearbeiten“, „Benutzeranmeldung ausführen“ oder „Auskunft erteilen“.
49 Vgl. Becker ; Algermissen ; Falk (2007), S. 85–86.
82 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Bei der Bildung der Prozessbausteine nach PICTURE sind vier Sichten prägend: 1. Die Organisationssicht, die danach fragt, wer etwas ausführt. 2. Die Ressourcensicht, die beantwortet, womit etwas ausgeführt wird. 3. Die Objektsicht, die feststellt, was verarbeitet wird. 4. Die Prozesssicht, die darstellt, wie etwas ausgeführt wird. Werden bei BPMN die Bereiche als Schwimmbahnen bzw. Lanes gekennzeichnet, so werden bei PICTURE die Sichten in Spalten eingeteilt.50 Als leicht umzusetzendes Verfahren bietet sich für Bibliotheken die Darstellung einzelner Prozessbausteine in einer Prozesstabelle an. Mithilfe einer Prozesstabelle werden, zusätzlich zu der Darstellung einzelner Prozessschritte, weitere relevante Informationen in unterschiedlicher Detailtiefe wiedergegeben. Sie erleichtert durch ergänzende Beschreibungen das Verständnis für den Prozess an sich. Voraussetzung für die Nachvollziehbarkeit der Angaben in einer Prozesstabelle sind laufende Nummerierungen, mit deren Hilfe Varianten und parallele Prozesse aufgezeigt werden können.51 Durch Kombination der Prozessbausteine von PICTURE und Darstellung als Prozesstabelle kann eine leicht zugängliche Modellierung mit einfachsten Mitteln gelingen. Als Grundlage für die Bildung einer Prozesstabelle ist die in Kapitel 3.3.1 beschriebene Prozesserhebung durch die Bildkartenmethode bestens geeignet. Wie dort beschrieben, verwendet die Bildkartenmethode beschriftete Papierkarten, die so arrangiert werden, dass sie die wesentlichen Prozessschritte sowie ihre Zuordnung zu einzelnen Komponenten systematisch darstellen. An nachfolgend allgemeinem Modell für die Bearbeitung eines Bestell- und Erschließungsvorgangs soll das Prinzip der PICTURE Prozesstabelle erklärt werden. Diese Grundstruktur lässt sich in Einzelfällen beliebig kombinieren.
50 Vgl. Becker ; Algermissen ; Falk (2007), S. 86–87. 51 Vgl. Bundesverwaltungsamt, IT-Beratung, Kompetenzzentrum Vorgangsbearbeitung, Prozesse und Organisation (2010), S 34.
2.6 Darstellung von Prozessen
83
Tab. 2.4: Beispiel Prozessbausteine „Bestell- und Erschließungsvorgang“. Nr.
Organisation
Ressource
Objekt
Prozess
1
Erwerbung
95% über Bestellzettel der Fachreferate, 5% über Anschaffungsvorschlag von Benutzenden
Bestellzettel Online-Vorschlag
Auswahlentscheidung entgegennehmen
2
Erwerbung
OPAC Erwerbungssystem RDA-Toolkit
Bestellzettel Online-Vorschlag
Bestellvorgang bearbeiten
3
Eingangsbearbeitung
Erwerbungssystem
Buch, Rechnung
Buchzugang bearbeiten
4
Erschließung
RDA-Toolkit Schlagwortkatalog Basisklassifikation
Buch
Buch formal und sachlich erschließen
Die obige Tabelle bildet die Prozessbausteine eines Prozesses im Bestandsaufbau ab. Im Regelfall entsprechen die einzelnen Tätigkeitsschritte eines Prozessbausteins immer dem gleichen Muster. Am Beispiel der Eingangsbearbeitung wird aufgezeigt, welche Prozessschritte sich hinter dem Prozessbaustein „Buchzugang bearbeiten“ verbergen: Tab. 2.5: Beispiel Prozessschritte „Buchzugang bearbeiten“. Nr.
Organisation
Ressource
Objekt
Prozess
3
Eingangsbearbeitung Eingangsbearbeitung
Erwerbungssystem
Buch, Rechnung
Erwerbungssystem
Buch, Rechnung
Buchzugang bearbeiten Lieferung prüfen
3.1 3.2
Eingangsbearbeitung
Erwerbungssystem
Buch
Buch inventarisieren
3.3
Eingangsbearbeitung
Erwerbungssystem
Buch, Rechnung
Rechnung sachlich richtig zeichnen
3.4
Eingangsbearbeitung
Erwerbungssystem
Rechnung
Rechnung zur Anweisung weiterleiten
Die Darstellung von Bearbeitungsalternativen sowie von parallelen Bearbeitungen ist möglich, indem zur Darstellung von Prozessvarianten Teilprozesse angelegt werden. Das soll nachfolgend weiterhin am Beispiel „Buchzugang bearbeiten“ demonstriert werden.
84 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Tab. 2.6: Beispiel Varianten „Buchzugang bearbeiten“. Nr.
Organisation
Ressource
Objekt
Prozess
3
Eingangsbearbeitung
Erwerbungssystem
Buch, Rechnung
Buchzugang bearbeiten
3.1
Eingangsbearbeitung
10% der Lieferungen Buch, Rechnung falsch (weiter mit 3.1. a), 90% der Lieferungen richtig (weiter mit 3.2)
Lieferung prüfen
3.1. a.1
Eingangsbearbeitung
Formular Reklamation Buch, Rechnung
Reklamation bearbeiten
3.1. a.2
Eingangsbearbeitung
Verpackung
Buch, Rechnung
Lieferung zurückschicken
3.2
Eingangsbearbeitung Eingangsbearbeitung
Erwerbungssystem
Buch
Buch inventarisieren
Erwerbungssystem
Buch, Rechnung
Rechnung sachlich richtig zeichnen
Erwerbungssystem
Rechnung
Rechnung zur Anweisung weiterleiten
3.3 3.4
Eingangsbearbeitung
Auch hier soll die Wertung des Bundesverwaltungsamtes52 für unsere Empfehlung an Sie herangezogen werden: Wann ist der Einsatz von PICTURE in Kombination mit der Prozesstabelle für Sie geeignet? – Wenn in Ihrer Bibliothek zahlreiche inhaltlich standardisierbare Aufgaben vorliegen. Dann können diese als Prozessbausteine in Prozesstabellen beschrieben und im Einzelfall gemäß der Beschreibungsebenen („Organisation“, „Ressource“, „Objekt“, „Prozess“) zusammengesetzt werden – Wenn Sie beabsichtigen, Referenzprozesse als Modelle für weitere Prozessdarstellungen für die Bibliothek zu bilden – Wenn Sie eine verständliche Methode suchen, die die Wiedererkennbarkeit von Prozessteilen fördert – Wenn für Sie eine Modellierung in Frage kommt, die sich durch ihre anschauliche Struktur für viele Beteiligte eignet – Wenn Sie eine schnell erlernbare Methode einsetzen möchten – Wenn Sie lediglich über Textverarbeitungssoftware verfügen
52 Vgl. Bundesverwaltungsamt, IT-Beratung, Kompetenzzentrum Vorgangsbearbeitung, Prozesse und Organisation (2010), S. 36 und S. 47.
2.6 Darstellung von Prozessen
85
Wann ist PICTURE und Prozesstabelle für Sie nicht geeignet? – Wenn Sie eine präzise Prozessabbildung benötigen. Dann eignet sich PICTURE aufgrund seines hohen Abstraktionsgrads der Prozessbausteine nicht – Wenn Sie zahlreiche Entscheidungswege haben. Diese sind in der Prozesstabelle schwer kenntlich zu machen Reflexion Wählen Sie einen Prozess aus Ihrer Bibliothek oder Informationseinrichtung und stellen Sie diesen sowohl mit der Notation BPMN als auch mit der PICTURE Prozesstabelle dar. Welche Methode eignet sich besser für den von Ihnen gewählten Prozess?
2.6.3 Modellieren mit Softwaretools Zum Anfertigen einer Modellierung mit PICTURE und Prozesstabelle reicht eine Standard-Software des Office-Paketes aus. Die Modellierung mit der Notation BPMN hingegen ist etwas diffiziler. Hierzu bieten sich zahlreiche auf dem Markt angebotene spezifische Softwaretools an. Da die Einführung einer Modellierungs-Software aufwendig ist und in die Zukunft reichende Weichenstellungen mit sich bringt, sollte eine sorgfältige Auswahl getroffen werden. Von der Zielstellung und dem Umfang der zu erwartenden Prozessmodellierungen und -dokumentationen hängt ab, ob es sich für Ihre Bibliothek überhaupt lohnt, ein spezifisches Softwaretool für Prozessmanagement einzuführen. Nachfolgende Fragestellungen sind, angelehnt an das Bundesverwaltungsamt53, dafür leitend: – Planen Sie ein kontinuierliches Prozessmanagement einzuführen? – Sind komplexe Prozesse aufzunehmen und darzustellen sowie einzelne Prozesse oder Prozessbestandteile miteinander zu verknüpfen? – Erwarten Sie umfangreiche Prozessanalysen? – Beabsichtigen Sie, auch Dokumente oder Kennzahlen in die Darstellungen mit einzubinden? – Sind Sie bereit und in der Lage die zu erwartenden Einführungs-, Lizenzierungsund Supportkosten für eine Modellierungssoftware zu tragen? Wenn Sie die obigen Fragestellungen überwiegend bejahen, ist zu überlegen, welche Software die passende für Ihren Bedarf ist. Dazu bietet es sich an, einen Krite-
53 Vgl. Bundesverwaltungsamt, IT-Beratung, Kompetenzzentrum Vorgangsbearbeitung, Prozesse und Organisation (2010), S. 55–56.
86 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
rienkatalog als Entscheidungshilfe aufzustellen. Die Masterarbeit von Deckert, Füllgraf, Quoos54 bietet eine kleine Auswahl hierfür: – Welches Lizenzmodell wird angeboten? Handelt es sich um eine Open-SourceSoftware oder fallen Lizenzkosten an? – Wie steht es um die Usability? Welchen Komfort bietet das jeweilige Tool? – Ist beispielsweise eine Prozessmodellierung mittels Drag und Drop möglich und eine automatische Ausrichtung der Objekte vorhanden? – Wie umfangreich sind die Modellierungs-Funktionalitäten? Kann mit der ausgewählten Notation modelliert werden? – Wie kleinteilig lassen sich die Prozesse darstellen und wie auf Teilprozesse verlinken? Lassen sich mit der Software Prozesslandkarten und Organisationsstrukturen abbilden? – Beinhaltet die Software Import- und Export-Formate für den Datenaustausch von Prozessmodellen? Der Markt für Modellierungstools ist groß und eine Auswahl zu treffen, entsprechend schwierig. Daher sei zum Schluss des Kapitels auf zwei Quellen verwiesen, die eine Auswahl an Tools vorstellen: 1. Hartmut Binner und Sven Schnägelberger stellen in „zfo – Zeitschrift Führung und Organisation“ zahlreiche Tools und deren Funktionalitäten vor.55 2. Die Website https://bpm-expo.com56 der BPM&O GmbH bietet regelmäßige Toolmarktmonitore, mit deren Hilfe Sie sich ebenfalls einen Überblick über die zahlreichen Anbieter verschaffen können.
54 Vgl. Deckert ; Füllgraf ; Quoos ; Wikarski (2012), S. 16–18. 55 Binner ; Schnägelberger (2015), S. 137–141. 56 BPM&O GmbH (o. J.).
2.6 Darstellung von Prozessen
87
Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Bibliothek Wirtschaft & Management der Technischen Universität Berlin (DBWM) Kerndaten zur Bibliothek Wirtschaft und Management Bibliothekstyp: Wissenschaftliche Bibliothek Aktive Kundinnen und Kunden: 3.850 (2016) Personalstellen (VZÄ): 10,5 (2016)
Ein Interview mit Beate Guba, Direktorin (bis 2016) und Petra Niklas, Leiterin Medienbearbeitung und Prozessmanagement Welche Motive haben Sie bewogen, Prozessmanagement in Ihrer Bibliotheken einzusetzen? Beate Guba und Petra Niklas: Prozessmanagement führten wir in der Bibliothek Wirtschaft & Management aus mehreren Gründen ein: Wir wollten einerseits die Arbeitsprozesse besser gestalten und kontinuierlich weiterentwickeln und andererseits das Wissen innerhalb unserer Organisationseinheit sicherstellen. Beide Ziele wurden erreicht. Für das Stammpersonal – insbesondere für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für Vertretungen – erweisen sich die Prozessdokumentationen als äußerst hilfreiches Nachschlagewerk, das sämtliche Informationen über die Verantwortlichkeiten, Prozessschritte und zugehörigen Dokumente bereitstellt.
Was sind vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen Ihre drei wichtigsten Tipps für Bibliotheken, die ins Prozessmanagement einsteigen? Was sollten diese tun oder lassen? Beate Guba und Petra Niklas: 1.
Tipp: Text + Grafik zur Dokumentation verwenden Aus unseren Erfahrungen heraus empfehlen wir, über die textbasierte Dokumentation von Arbeitsschritten hinauszugehen. Eine grafische Modellierung der Prozesse zeigt deren Komplexität auf und erleichtert die Analyse. Man erkennt sehr rasch, ob es zu viele oder problematische Schnittstellen gibt, und kann an den Stellen ansetzen, die für den Kunden besonders wichtig sind. Auch der Ressourceneinsatz lässt sich auf dieser Grundlage besser steuern.
2.
Tipp: Eine klare Rollenverteilung vornehmen Für die Modellierung der Prozesse haben wir die Software Bizagi verwendet. Es hat sich bewährt, dass die jeweils zuständigen Mitarbeitenden „ihre“ Prozesse auf Papier gezeichnet haben und diese Zeichnungen anschließend von einer kleinen Anzahl von „Modellierern“ in Bizagi übertragen wurden. Somit wurde sowohl die Einarbeitungszeit in die Software als auch der Aufwand für eine einheitliche Modellierung reduziert. Des Weiteren hatten wir durch diese Vorgehensweise in vielen Fällen den Blick quasi von außen, also von Mitarbeitenden aus anderen Abteilungen, auf die Prozesse einbezogen.
88 Prozessmanagement – Baustein des Bibliotheksmanagements
Bedenken sollte man dabei jedoch, dass je größer das Team der „Modellierer“ ist, es umso wichtiger wird, vorab Standards zu definieren. Wir empfehlen in jedem Fall, mit der Einführung des Prozessmanagements ein Glossar zu etablieren, damit einheitliche Begriffe oder Formulierungen fixiert sind. 3.
Tipp: Eine Prozesslandkarte entwickeln Auf eine Prozesslandkarte sollte keinesfalls verzichtet werden! Sie gibt einen sehr guten Überblick über alle Prozesse der Bibliothek und hilft dabei, deren regelmäßige Evaluierung im Auge zu behalten. Die Prozesslandkarte wird bei Bedarf um neue Prozesse erweitert. Wir in der DBWM nehmen die Evaluierung einmal jährlich vor.
Wie bewerten Sie in der Gesamtsicht Aufwand und Nutzen für Ihre Organisation? Beate Guba und Petra Niklas: Ja, der Aufwand ist erheblich, das ist richtig. Die nachhaltige Wirkung des Prozessmanagements rechtfertigt aus unserer Sicht aber den großen Arbeitsaufwand.
Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
3 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt 3.1 Prozessmanagement als Kreislauf In diesem Kapitel erfahren Sie, warum Prozessmanagement kein einmaliger Vorgang ist, sondern ein Instrument, dessen Phasen sich in einem dauerhaften Zyklus wiederholen. Sie lernen Schritt für Schritt die Punkte kennen, die bei einer Einführung von Prozessmanagement in Ihrer Bibliothek zu beachten sind. Schließlich erhalten Sie einen Überblick, wie eine konkrete Prozessbetrachtung abläuft.
3.1.1 Anstöße für die Prozessarbeit Mit dynamischen Rahmenbedingungen, einer evolutionären Umsetzung von Reorganisationsmaßnahmen sowie wechselnden Zielsetzungen in der Prozessgestaltung begründen Jörg Becker, Lars Algermissen und Thorsten Falk1 die Notwendigkeit, sich in öffentlichen Verwaltungen kontinuierlich mit bereits erfassten Prozessen auseinanderzusetzen. Dynamische Rahmenbedingungen sind in den vergangenen Jahren auch für die bibliothekarische Arbeit festzustellen. Die Automatisierung bibliothekarischer Kernprozesse schreitet rasch voran, zu denken ist dabei beispielsweise an Stapel- und Selbstverbuchungssysteme mittels RFID-Technik, die es erlauben, Medien kontaktlos zu identifizieren. Aber auch die Zunahme an digitalen Angeboten, seien es die E-Book-Ausleihe oder die Verfügbarmachung von Digitalisaten im Netz haben in den vergangenen Jahren die bibliothekarische Welt radikal verändert. Die digitale Transformation wird für die Bibliotheken in den kommenden Jahren ein Treiber für die kontinuierliche Anpassung von Abläufen und Prozessen sein. Prozessmanagement hilft dabei, das Vorgehen von der zukunftsorientierten innovativen Gedankenwelt ausgehend zu operationalisieren und in machbare Verfahrenswege zu überführen. Dem raschen Wandel von Prozessen folgen regelmäßig strukturelle Veränderungen. Aus IT-Abteilungen werden Abteilungen für Informations- und Datenmanagement (Staatsbibliothek zu Berlin) oder Digitale Bibliothek (Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen). Aus Erwerbungsabteilungen entstehen Abteilungen für Bestandsentwicklung und Metadaten (Technische Informationsbibliothek Hannover), Bestandsentwicklung und Erschließung (Bayerische Staatsbibliothek München) oder Informations- und Literaturversorgung (Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen).
1 Vgl. Becker ; Algermissen ; Falk (2007), S. 238–239. https://doi.org/10.1515/9783110499599-003
92 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Der Katalogisierungsbereich befindet sich im Umbruch. Die Ablösung des Regelwerks RAK (Regeln für die alphabetische Katalogisierung) durch RDA (Resource Description and Access) fördert alternative Erschließungsformen und stellt die herkömmliche Trennung von Formal- und Sacherschließung in Frage. Viele kleinere öffentliche Bibliotheken lagern Erschließungsleistungen aus und lassen diese durch externe Dienstleister erbringen. Zu denken ist dabei an die ekz. bibliotheksservice GmbH zu deren Kerngeschäft der Vertrieb von Medien an Öffentliche Bibliotheken einschließlich Formal- und Sacherschließung zählt. Diese Umbrüche sind nicht durch einmalige Restrukturierungsprojekte zu bewältigen. Gefordert sind evolutionäre, nicht revolutionäre Maßnahmen. Um eine größtmögliche Akzeptanz bei den Beschäftigten zu erreichen, wird die Bibliothek idealerweise behutsam weiterentwickelt. Wechselnde strategische Herausforderungen, neue Anforderungen und Fragestellungen an die bibliothekarische Arbeit bedingen, dass sich auch die Zielsetzungen von Prozesserhebungen und -gestaltungen ändern. Es ist ein Unterschied, ob Prozesse betrachtet werden, um eine einheitliche Bearbeitung zu erreichen und neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Grundlage für deren Einarbeitung zu geben oder ob die Bibliothek ihre Prozesse neugestalten muss, um bei Einführung eines elektronischen Bezahlsystems alle Effizienzgewinne auch tatsächlich mitnehmen zu können. Somit wird deutlich, dass die Anwendung von Elementen eines Prozessmanagements kein einmaliger Prozess ist, sondern langfristig zu denken ist und eine kontinuierliche Verbesserung darstellt.
3.1.2 Vorgehen in vier Phasen Prozessmanagement als Steuerungselement der Bibliotheksleitung stellt sich als ein permanenter Kreislauf dar, der im Wesentlichen aus den folgenden vier Phasen besteht: I. Prozessarbeit vorbereiten II. Prozesse erheben und analysieren III. Prozesse gestalten sowie IV. Prozesse umsetzen und überprüfen.
3.1 Prozessmanagement als Kreislauf
93
Abb. 3.1: Prozessmanagement als Kreislauf.
Nachfolgend wird geschildert, wie Sie diese Phasen einerseits bei einem Einführungsprojekt Prozessmanagement nutzen können und wie sich andererseits Ihre Betrachtung einzelner Prozesse in das Phasenmodell einfügt.
3.1.3 Einführungsprojekt als Pilot Zumindest für die erste Anwendung von Elementen des Prozessmanagements hat sich bewährt, mit dem sogenannten Einführungsprojekt zu starten. Ein Projekt in diesem Sinne ist als einmaliger Prozess zu beschreiben, mit dem innerhalb eines bestimmten Zeitraums definierte Ziele zu erreichen sind. Das Einführungsprojekt ist gemäß dem Methodenhandbuch Prozessmanagement des Ministeriums für Inneres und Sport, Mecklenburg-Vorpommern, wie folgt begründet2: – Wird die Einführung von Prozessmanagement als Projekt aufgesetzt, ist von Anfang an mitzudenken, wie Prozessmanagement in die Linie zu überführen ist und wie aus der einmaligen Projektsituation eine dauerhaft verankerte Aufgabe werden kann.
2 Vgl. Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern (2012), S. 14.
94 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
–
Die im Einführungsprojekt gewonnenen Erkenntnisse stellen sicher, dass die positiven Effekte des Prozessmanagements, beispielweise effizientere, an den Bedürfnissen der Nutzerinnen orientierte Arbeitsabläufe für die Bibliothek, nicht nur Einzelfälle bleiben, sondern fest im Bibliotheksbetrieb verankert werden.
Grundsätzlich können Sie beim Einführungsprojekt die Instrumente des Projektmanagements einsetzen. Die Projektstrukturplanung orientiert sich an den vier oben dargestellten Phasen. Phase I: Prozessarbeit vorbereiten In der Vorbereitungsphase werden die Weichen für die Implementierung des Prozessmanagements als Teil eines Qualitätsmanagementsystems in der Bibliothek gestellt. Die Rollen, einerseits in Projekten zur Prozessoptimierung (Projektorganisation) als auch für das kontinuierliche Überprüfen einzelner Projekte sind zu definieren (vgl. Kapitel 3.2.4). Es sind Methoden zu bestimmen, die am besten zur Bibliothek als Organisation und dem darin handelnden Personal passen. Softwaretools, die die Prozessbetrachtungen unterstützen sollen, sind einzuführen. Eine weitere zentrale Aufgabe dieser Phase ist die Auswahl der zu untersuchenden Prozesse (vgl. Kapitel 3.2.3). Denn es ist weder sinnvoll noch notwendig, alle Prozesse der Organisation vollständig zu erfassen. Welcher Prozess zu untersuchen ist, hängt vom angestrebten Ziel ab. Um überhaupt eine Auswahl treffen zu können, ist mit Hilfe einer Prozesslandkarte (vgl. Kapitel 2.3.2) zunächst ein Überblick über alle Prozesse der Bibliothek zu schaffen. Phase II: Prozesse erheben und analysieren Ist in der Vorbereitungsphase die Auswahl für eine Methode getroffen worden, wird diese im Einführungsprojekt exemplarisch eingesetzt und deren praktische Anwendbarkeit getestet. Dies bezieht sich sowohl auf die – meist erstmalige – Erhebung der Prozesse im Ist-Zustand (vgl. Kapitel 3.3.1) wie auch auf deren grafische Darstellung. Mit der Analyse der so aufgenommenen und abgebildeten Prozesse folgt der fließende Übergang zur Neugestaltung (vgl. Kapitel 3.3.3). Phase III: Prozesse gestalten Die Analyse weist auf zu beseitigende Schwachstellen und zu optimierende Schnittstellen hin. Als Schlussfolgerung daraus lassen sich die Prozesse im Soll-Zustand beschreiben (vgl. Kapitel 3.4.3). Mit Abschluss dieser Phase des Einführungsprojekts liegen erstmals Prozessbeschreibungen der Bibliothek vor, die für diesen konkreten Zeitpunkt ideale Abläufe und Geschäftsgänge darstellen. Sie bilden die Grundlage für die Implementierung der neuen Verfahrensweisen. Wichtige abschließende Ar-
3.1 Prozessmanagement als Kreislauf
95
beitsschritte dieses Teils des Einführungsprojekts sind, den gesamten Prozess zu dokumentieren, aus den im bisherigen Projektverlauf gewonnenen Erkenntnissen ein ideales Vorgehen für Projekte im Rahmen des Prozessmanagements zu beschreiben und dieses Wissen in der Bibliothek zu vermitteln. Phase IV: Prozesse umsetzen und überprüfen Die Implementierung des Soll-Prozesses zu planen und zu begleiten ist ebenso Teil des Einführungsprojekts wie auch die Überprüfung, ob die bestehende Aufbauorganisation zu den neu beschriebenen Prozessen passt oder ob auch sie anzupassen ist. Wie bei jedem Projekt ist auch für das Einführungsprojekt Prozessmanagement eine Erfolgskontrolle vorzusehen. Hinterfragt werden sollte dabei, ob die Rollen wie definiert gelebt wurden, die Erhebungsmethode sich bewährt hat und Schwachstellen tatsächlich behoben werden konnten. Die kritische Betrachtung des Einführungsprojekts bietet eine distanzierte Sicht auf die Wirkung der im Einführungsprojekt skizzierten Instrumente. Bei ihnen ist zu werten, ob diese sich bewährt haben und nachhaltig sind oder ob Nachbesserungsbedarf besteht.
3.1.4 Anlassbezogene Betrachtung einzelner Prozesse Sich im Prozessmanagement zu bewegen bedeutet nicht unbedingt, immer geradlinig den einmal eingeschlagenen Weg zu verfolgen. Prozessmanagement als Teil des Qualitätsmanagements unterliegt wie dieses einer ständigen Evaluierung. Das Ergebnis einer Evaluierung kann wiederum der Anlass sein, einzelne Prozesse erneut kritisch zu betrachten. Grundsätzlich orientiert sich auch eine anlassbezogene Prozessbetrachtung an den bereits für das Einführungsprojekt beschriebenen vier Phasen. Während sich jedoch die Zielstellung für das Einführungsprojekt daraus ergibt, dass ein Prozessmanagement in der Einrichtung implementiert und etabliert werden soll, können die Ziele anlassbezogener Prozessbetrachtungen sehr unterschiedlich sein. Daher steht am Anfang jeder Prozessbetrachtung eine konkrete Zielstellung. Nur mit einer eindeutigen Aussage darüber, was Anlass für und Erwartung an die Untersuchung ist, lässt sich ein Vorgehen mit logisch aufeinander aufbauenden Schritten erreichen. Aus der Zielstellung heraus ergeben sich die von Jörg Becker, Lars Algermissen und Thorsten Falk formulierten Grundaussagen für den Start der Betrachtung und zwar:
96 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
1. 2. 3.
„Den Gegenstand der Modellierung („Was“ modelliert wird). Den Ablauf der Modellierung („Wie“ modelliert wird). Die Rollen der Modellierung („Wer“ modelliert).“3
Jede Prozessdarstellung startet mit einer Erhebung und Darstellung der beschriebenen Prozessschritte. Die so sichtbar vorliegenden Informationen zum Prozess werden kritisch betrachtet und der Prozess analysiert. Ausgehend von festgestellten Schwachstellen wird der Prozess neu modelliert. Auch bei der anlassbezogenen Prozessbetrachtung schließt eine Umrundung innerhalb eines Kreislaufs mit einer Evaluation ab.
3.2 Prozessarbeit vorbereiten Der im vorigen Kapitel veranschaulichte Prozesskreislauf stellt sich als einfaches und pragmatisches Vorgehen zur kontinuierlichen Verbesserung ausgewählter Prozesse dar. Seine fortgesetzte Anwendung erfordert, dass sich alle Beteiligten ihrer Rollen bewusst sind, eine gewisse Routine bei den angewandten Methoden entsteht und geeignete Tools zur Unterstützung der Erhebung, Analyse und Neugestaltung vorhanden sind. Dieser „Dreiklang“ bildet nach Aussage von Freund und Rücker die prozessübergreifende Klammer um alle Projekte im Rahmen des Prozessmanagements.4 Die nun folgenden Abschnitte führen Sie detailliert durch die vier Phasen des Prozessmanagements und sollen Ihnen ermöglichen, auf den Bedarf der eigenen Bibliothek individuell zugeschnittene Werkzeuge zusammenzustellen. Die Phase I – Prozessarbeit vorbereiten – ist das zentrale Element, in der die wesentlichen Weichen für ein kontinuierliches Prozessmanagement einer Bibliothek gestellt werden. Sie besteht aus den Bestandteilen: – Projektorganisation etablieren – Rahmenbedingungen definieren – Prozesse festlegen – Rollen bestimmen – Ablauf planen
3 Becker ; Algermissen ; Falk (2007), S. 215. 4 Vgl. Freund ; Rücker (2012), S. 4–6.
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
97
3.2.1 Projektorganisation etablieren Die Einführung von Prozessmanagement mit dem Ziel, die Prozesse einer Bibliothek und deren Zusammenwirken auf den Prüfstand zu stellen, stellt einen erheblichen Wandel dar: Orientiert sich die klassische bibliothekarische Organisationsarbeit überwiegend darauf, einzelne Abläufe im Bibliotheksbetrieb zu regeln, so verlangt Prozessmanagement eine ganzheitliche Betrachtung, in deren Mittelpunkt die Leistung der Bibliothek sowie die Nutzerinnen und Nutzer dieser Leistung stehen. Dabei ist das Gewohnte zu hinterfragen. Nur ein gut vorbereitetes Prozessmanagement ist erfolgversprechend. Hierbei ist eine konkrete Planung, wie sie im Projektmanagement üblich ist, hilfreich. Projektskizze Eine auf den individuellen Bedarf Ihrer Bibliothek ausgerichtete Projektskizze steckt den Handlungsrahmen für die Einführung von Prozessmanagement sowie für die Betrachtung von Einzelprozessen ab. Das Sächsische Staatsministerium des Innern zählt hierfür in seinem Handbuch Prozessmanagement5 Mindestanforderungen auf, die in nachfolgenden Abschnitten beschrieben werden. Ziel und Zielgruppe Wie in Kapitel 2.1 geschildert, gibt es unterschiedliche Anlässe, Prozessmanagement einzuführen oder einzelne Prozesse zu betrachten. Planen Sie zum Beispiel einen neuen Online-Dienst für Vormerkungen einzuführen, könnte das Ziel heißen: Vormerkungen orts- und zeitunabhängig ermöglichen. Als Zielgruppen kämen einerseits die Personen in Frage, denen das Online-Angebot erleichtert, Vormerkungen auszulösen, andererseits die Beschäftigten des Benutzungsbereichs und der IT-Abteilung, die aus ihrer Erfahrung heraus Vorschläge machen können, um ein effizientes und in der Anwendung einfaches Verfahren zu entwickeln. Begründung des Vorhabens Auslöser für den neuen Online-Dienst können Anregungen aus dem Benutzerkreis sein, die jederzeit bei Bedarf eine Vormerkung auslösen möchten. Begründet wäre dies, wenn durch den Online-Dienst Abläufe in Ihrer Bibliothek vereinfacht werden könnten.
5 Vgl. Sächsisches Staatsministerium des Innern (2015), S. 21–22.
98 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Projektstruktur Eine Projektleitung, die die Methodik vorgibt, die Projektarbeit koordiniert und das Projekt verantwortet sowie Projektmitglieder, die fachlich zuarbeiten, sind von der Bibliotheksleitung zu bestimmen. Ressourcenplanung Sie müssen überlegen, wie aufwendig sich das Projekt gestaltet. Wie viele Personentage sind für einzelne Arbeitspakete des Projekts zu kalkulieren? Was für ein Zeitraum ist für das Projekt zu veranschlagen? Gibt es zeitliche Abhängigkeiten für die jeweiligen Arbeitspakete innerhalb des Projekts? Müssen Sie für die Entwicklung des Online-Dienstes eine Firma beauftragen und benötigen hierfür Haushaltsmittel? Beteiligung An dieser Stelle müssen Sie sich fragen: Welche Arbeitsabläufe ändern sich durch den Online-Dienst? Wie können die von der Veränderung Betroffenen mit Ihrem Erfahrungswissen in die Projektarbeit einbezogen werden? Oder in welcher Form werden sie am besten regelmäßig über den Projektstand informiert? Gleichzeitig sollten Sie prüfen, welche Beteiligungsrechte Interessenvertretungen, wie der Personalrat, haben und wie deren Mitwirkung sichergestellt werden kann. Risikoeinschätzung Projekte sind einmalige Vorgänge, die sich mit ungewohnten Themenstellungen auseinandersetzen. Insofern müssen Sie durchaus damit rechnen, dass Unvorhersehbares im Verlaufe des Projekts eintritt, auf das Sie reagieren müssen. Hier ist zu empfehlen, dass Sie bereits frühzeitig Risikoszenarien durchspielen, damit Sie im Bedarfsfall zügige Entscheidungen treffen können. Dabei ist auch eine durchgängige Projektdokumentation hilfreich. Um einen Überblick zu den oben beschriebenen Anforderungen zu gewinnen, ist ein Formular als Vorlage für die Projektskizze hilfreich. Es kann wie eine Checkliste für das Aufsetzen des Projekts eingesetzt werden.
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
99
Abb. 3.2: Vorlage für eine Projektskizze.
Reflexion Füllen Sie das obige Datenblatt für ein geplantes Projekt zur Einführung von Prozessmanagement Ihrer Bibliothek aus.
Projektinhalte Die Einführung von Prozessmanagement kann und soll die Voraussetzungen dafür schaffen, zukünftig Prozesse kontinuierlich bewerten und verbessern zu können. In Anlehnung an das Methodenhandbuch Prozessmanagement Mecklenburg-Vorpommern6 sind dabei nachfolgende Bedingungen zu erfüllen, die den Inhalt eines Projekts zur Einführung von Prozessmanagement bestimmen.
6 Vgl. Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern (2012), S. 14.
100 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Überblick Mit Hilfe einer Prozesslandkarte sind alle Prozesse der Bibliothek in Management-, Kern- und Serviceprozesse einzuordnen und damit ein Überblick über das Leistungsspektrum der Bibliothek zu schaffen (vgl. Kapitel 2.3.2). Zuständigkeiten Ein Rollenkonzept stellt sicher, dass die Verantwortlichkeiten für das Erheben, Analysieren und Neumodellieren von Prozessen sowie das Entscheiden darüber eindeutig geregelt sind (vgl. Kapitel 3.2.4). Beispielsweise ist festzulegen, ob es einen zentralen Verantwortlichen für alle Prozesse der Bibliothek gibt oder Prozessverantwortliche in den Abteilungen. Ressourcen Es ist zu klären, wie viele Ressourcen für das Prozessmanagement benötigt werden und ob die Bibliotheksleitung bereit ist, für das Prozessmanagement ausreichend Personalkapazitäten und Mittel zur Verfügung zu stellen. Ein systematisch angelegtes Prozessmanagement ist ein umfassendes Vorhaben, bei dem in der Regel mehrere Organisationseinheiten und zahlreiche Beschäftigte einzubeziehen sind. Damit ist sein Umfang nur schwer zu beziffern. In einem Einführungsprojekt (vgl. Kapitel 3.1.3) können Sie erste Erkenntnisse darüber gewinnen, wie viele Kapazitäten für einzelne Prozessbetrachtungen einzusetzen sind. Als Auslöser für Prozessbetrachtungen gilt häufig die Ressourcenverknappung. Dennoch ist zu bedenken, dass auch die Einführung von Prozessmanagement zusätzliche Ressourcen beansprucht, beispielsweise für den Einsatz von Personal sowie für das Beschaffen eines IT-Tools oder Schulungen. Standardablauf Ein standardisiertes Vorgehensmodell für einzelne Prozessbetrachtungen ist zu skizzieren. Da jede Bibliothek besondere Anforderungen hat, wird empfohlen, zumindest in mittelgroßen und größeren Bibliotheken den Ablauf als Pilot auszuprobieren. Ein solcher Test kann wertvolle Hinweise geben, wie im Regelfall eine Prozesserhebung und -analyse idealerweise abläuft. Allerdings sollten Sie sich bewusst sein, dass der Standardablauf nicht davon befreit, sich vor jeder individuellen Betrachtung Gedanken über deren Charakter zu machen. Er bietet aber Orientierung und erleichtert den Einstieg sowie die Durchführung. Zum Standardablauf gehören die Elemente Vorbereitung, Erhebung und Analyse, (Neu)gestaltung, Umsetzung sowie Erfolgskontrolle.
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
101
Prozessdarstellung Eine Modellierungsnotation und geeignete IT-gestützte Tools sind auszuwählen. Welche Prozessdarstellungen sind für meine Bibliothek am besten geeignet? Ist dazu ein eigenes IT-Tool notwendig oder reichen die Standardanwendungen? (vgl. Kapitel 2.6) Auswahl Mit Einführung von Prozessmanagement in Ihrer Bibliothek gilt es, komplexe Problemstellungen, sowohl in fachlicher als auch in organisatorischer Hinsicht, zu beachten. Welche Auswirkungen hat es beispielsweise, wenn ein Erwerbungsgeschäftsgang, der über mehrere Organisationseinheiten hinweg verläuft, an einer Stelle verändert wird? Dies kann unter Umständen zu einer unendlichen Veränderungsspirale führen. Nötig ist, dass Sie sich den Auftrag der Bibliothek bewusstmachen: Welche Prozesse und Teilprozesse sind essentiell, um den Auftrag zu erfüllen? Nur die Konzentration auf das Wesentliche sichert Ihnen ein zielgerichtetes Vorgehen. Es ist zu bestimmen, nach welcher Gewichtung Prozesse und in welchem Zyklus Prozesse zu betrachten sind. Schließlich ist es in den seltensten Fällen nötig, alle Bibliotheksprozesse auf einmal zu betrachten. Kommunikation Möglicherweise bedeuten prozessuale Anpassungen auch Eingriffe in Ihre Organisationsstruktur. Veränderungshemmnisse, beispielsweise Skepsis und Widerstände der zu beteiligenden Führungskräfte und Mitarbeiter können jederzeit auftreten. Daher ist Ihnen zu raten, frühzeitig alle betroffenen Stellen zu informieren und auch Interessensvertretungen, beispielsweise die Personalvertretung, zu berücksichtigen. Als Erkenntnis aus dem Einführungsprojekt können für Folgeprojekte generelle Hinweise zur Beteiligung der betroffenen Gruppen gegeben werden. Ein Konzept zur Wissensvermittlung für die Beschäftigten ist zu erarbeiten. Denn nur wenn das Wissen zu Prozessmanagement auf breiter Basis in der Bibliothek vorhanden ist, kann das Instrument eine ausreichende Akzeptanz finden. Es gibt kaum einen Bereich, der so intensiv auf die Mitarbeit aller angewiesen ist, wie Prozessmanagement. Schließlich sind es die im operativen Bibliotheksbetrieb Handelnden, die sich am besten mit den Prozessen auskennen. Eine Erklärung der Bibliotheksleitung darüber, wie tiefgreifend mit der Optimierung von Prozessen auch die bisherigen Hierarchie- und Verantwortungsbereiche angepasst werden können oder sollen, schafft die nötige Transparenz und Vertrauen in das Instrument. Erfolgskriterien Die erstmalige Beschäftigung mit Prozessmanagement führt Ihre Bibliothek auf unbekanntes Gelände. Das birgt einerseits einen hohen Neuigkeitsgrad, andererseits
102 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
aber auch Risiken, da für die Handelnden nicht alle Ereignisse, die beim ersten Einsatz vorkommen können, vorhersehbar sind. Ein Projekt zur Einführung von Prozessmanagement bewegt sich schließlich nicht auf ausgetretenen Pfaden, sondern soll Innovatives mitdenken, wenn nicht sogar fördern. Ein wesentliches Erfolgskriterium für die Einführung von Prozessmanagement ist, dass die hierfür verantwortlichen Akteure durch die Bibliotheksleitung unterstützt werden. Prozessmanagement muss nicht zwingend einer Standardmethode folgen, sondern bietet Ihnen die Freiheit, je nach Bedarf in Ihrer Bibliothek, individuell zu agieren. Die Einführung von Prozessmanagement ist dann chancenreich, wenn sie sich zielorientiert nach der institutionell ausgerichteten Anforderung und dem eigenen Anspruch richtet. Wann lohnt es sich, das Prozessmanagement in Ihrer Bibliothek in Form eines Projektes einzuführen? – Wenn es der Bibliotheksleitung wichtig ist, sich deutlich zu dem Vorhaben zu positionieren, indem sie die Mitglieder der Projektgruppe beruft und die Zielstellung vorgibt – Wenn sich eine Projektgruppe unvoreingenommen und außerhalb der Linienorganisation mit der Einführung von Prozessmanagement beschäftigten soll – Wenn das Projekt genutzt werden kann, um im Sinne eines internen Wissensmanagements in Ihre Bibliothek hinein zu kommunizieren und aufzuklären und somit die Akzeptanz bei den Beteiligten zu erhöhen – Wenn durch das Aufstellen von Zeit- und Maßnahmenplänen im Rahmen des Projektmanagements die Zielstellung und Vorgehensweise einzugrenzen und damit zu verhindern ist, dass die Auftragserfüllung ausgedehnt wird – Wenn Sie auch als kleine Bibliothek den Methodenkasten von Projektmanagement nutzen möchten, gibt er doch im Sinne eines Handlungsrahmens die Richtung vor
3.2.2 Rahmenbedingungen definieren Ein von sämtlichen externen wie internen Faktoren und Rahmenbedingungen der Bibliothek isoliertes Prozessmanagement wäre wie eine Insel ohne Schiffsverkehr zum Festland. Schließlich sind Prozesse in ein System verschiedener äußerer und innerer Einflüsse eingebettet, die zu berücksichtigen sind. Sie zu kennen ist entscheidend für ein erfolgreiches Prozessmanagement. Denn: Konzentrieren Sie sich in der Einführung des Prozessmanagements zu sehr auf die inhaltliche Arbeit, besteht die Gefahr, dass Sie eventuelle Probleme und Risiken übersehen, die nicht unmittelbar mit dem Prozessmanagement zu tun haben, aber dennoch Ihr Handeln beeinflussen
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
103
können. Auch verbauen Sie sich möglicherweise den Blick auf alternative Lösungen. Daher ist vor dem Start nützlich, dass Sie die Umfeldbedingungen Ihres Vorhabens betrachten. Ein Beispiel: Sie wollen einen neuen Prozess „Planen und umsetzen von Maßnahmen der Leseförderung für Grundschulkinder“ beschreiben. In diesem Zusammenhang sollten Sie sich folgenden wichtigen Fragestellungen widmen: 1. Wie lautet der gesetzliche oder durch Entscheidungsträger vorgegebene Auftrag für Ihre bibliothekarische Arbeit? Ist darin verankert, die Leseförderung von Kindern im Grundschulalter in den Vordergrund zu stellen? 2. Hat Ihre Bibliotheksleitung eine strategische Zielrichtung vorgegeben? Sagt diese beispielsweise aus, dass die Bibliothek den direkten Kontakt zu den Schulen sucht und Grundschulklassen in den Räumen der Bibliothek an das Medium Buch heranführt? 3. Wie sieht die finanzielle Ausstattung der Bibliothek durch die oder den Unterhaltsträger aus? Stellt die Kommune Sondermittel zur Verfügung, um mit pädagogisch geschultem Personal die Aufgabe der Leseförderung fachgerecht bewältigen zu können? 4. Kennen Sie die Erwartungen der Nutzerinnen und Nutzer an den Service der Bibliothek, aber auch mögliche Erwartungen der Gruppe, die die Bibliothek nicht nutzt? Um weiter beim Beispiel zu bleiben: Finden Eltern, die ihre Kinder begleiten, Ihre Bibliothek attraktiver, wenn das dortige Angebot auch ihren Bedürfnissen entspricht? 5. Was kann mit dem in Ihrer Bibliothek vorhandenen technischen Standard (IT-Standard, E-Services) geleistet werden? Ist Ihre Bibliothek in der Lage, ein speziell auf die Interessen der örtlichen Grundschulen ausgerichtetes Internetportal zu erstellen und zu pflegen? 6. Verfügt Ihre Bibliothek über Partnerschaften und Kooperationen? Besteht die Möglichkeit, Programme zur Leseförderung mit anderen kommunalen Bibliotheken auszutauschen? 7. Wie sieht die Mitarbeiterstruktur in Ihrer Bibliothek aus? Verfügen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Kompetenzen, ein Programm zur Leseförderung aufzulegen und umzusetzen oder sind Weiterqualifizierungen nötig? 8. Wie schätzen Sie die Führungskultur und die Kultur des Miteinanders in Ihrer Bibliothek ein? Ist Ihre Bibliotheksleitung offen auch für ausgefallene Ideen und sind die Kolleginnen und Kollegen gerne bereit, Aktivitäten außerhalb ihres eigenen Aufgabenkreises zu unterstützen?
Oben genannte Umfeldbedingungen sind in umfassenden Qualitätsmanagementsystemen zu finden. Denn die Ansprüche einer Bibliothek an Faktoren wie „strategische Zielrichtung“, „Nutzererwartung“ aber auch „Mitarbeiterorientierung“ bilden den Maßstab für die Qualität ihrer Dienstleistungen, also dafür, was die Bibliothek ausmacht, um von sich sagen zu können, dass sie eine gute Arbeit leistet. Ein grundlegendes Element des Qualitätsmanagements ist der Qualitätsmanagementkreislauf des Planens, Durchführens, Überprüfens und Anpassens. Dieser basiert auf dem PDCA-Zyklus, der für Plan, Do, Check, Act steht.
104 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Abb. 3.3: PDCA-Zyklus.
Um zum Prozessmanagement zurückzukommen: Auch im Prozessmanagement ist die Qualität der Prozesse im Sinne des Qualitätskreislaufs stetig zu überprüfen. Bevor dies in Ihrer Bibliothek möglich ist, sind die Prozesse zu identifizieren, die den Kern bibliothekarischer Dienstleistungen bilden. Deren Ergebnisse und Wirkungen sind zu messen. Dabei sind die Erwartungen Ihrer Nutzenden, Nicht-Nutzenden als auch anderer Interessengruppen Ihrer Bibliothek in Einklang mit der von Ihnen definierten Bibliotheksstrategie zu bringen. Um beim Beispiel „Leseförderung für Grundschulkinder“ zu bleiben: Ein positives Ergebnis wäre, gelänge es den Verantwortlichen der Bibliothek, Grundschulklassen vor Ort in der Bibliothek an das Medium Buch heranzuführen. Damit wäre ein strategisches Ziel erreicht. Wenn darüber hinaus die Zahl von Neuanmeldungen Erwachsener steigen würde, könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass die Bibliothek nicht nur für die Grundschulkinder, sondern durchaus auch für ihre sie begleitenden Eltern attraktiv wäre. Das fördert die Motivation, Bibliotheksprozesse so zu gestalten, dass sie einen Mehrwert für die oben genannten Zielgruppen erzeugen. Ein zusätzlicher Effekt entstünde, wenn die Bibliothek durch den Erfahrungsaustausch mit anderen Bibliotheken vorhandene Programme der Leseförderung nutzen und somit effizienter agieren könnte. In jeglichem Handeln sollten Sie wiederum die vielfältigen Veränderungen in Technik und Gesellschaft berücksichtigen.7 Reflexion Welche Qualitätsanforderungen haben Sie an Ihre bibliothekarischen Dienstleistungen? Welche Ihrer Prozesse können zum Erreichen der Qualitätsziele beitragen?
7 Vgl. Bundesverwaltungsamt (2013), S. 38.
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
105
3.2.3 Prozesse festlegen Die Beschreibung, Analyse und Optimierung eines Prozesses kann sich als anstrengende Etappe herausstellen, die dem Wanderer viele Schritte abverlangt und ihn an etlichen Weggabelungen innehalten lässt, an denen er Entscheidungen über die richtige Richtung zu treffen hat. Je nach Komplexität, die sich aus der Anzahl der Prozessschritte, der Vielfalt der Prozessbeteiligten oder der Menge an Entscheidungsnotwendigkeiten ergeben kann, sind zahlreiche Aspekte zu beachten. Im Regelfall sind nicht alle Prozesse mit der gleichen Dringlichkeit anzufassen. Es dennoch zu tun, kann Kraft binden, die an anderer Stelle benötigt wird. Wichtiger ist, diejenigen Prozesse sowie Teilprozesse zu identifizieren und abzugrenzen, die tatsächlichen Optimierungsbedarf aufzeigen oder Optimierungspotenzial versprechen. Grundsätzlich ist der Gegenstand der Modellierung von der Bibliotheksleitung zu bestimmen. Dies soll an nachfolgendem Beispiel erläutert werden: Beim Erwerbungsgeschäftsgang handelt es sich um einen Prozess, der in den meisten Bibliotheken viele Schnittstellen zu weiteren Prozessen beinhaltet. Der Prozess durchläuft, beginnend mit der Auswahlentscheidung bis zum Erreichen des Ausleihstatus durch Einstellen im Regal, mehrere Stationen. Dabei kann nicht immer erwartet werden, dass die Betroffenen in ihrer Alltagsarbeit Veränderungsbedarf artikulieren oder diesem gegenüber aufgeschlossen sind. Es bedarf einer Instanz, die die Initiative ergreift und einen Geschäftsgang zur Optimierung vorschlägt. In Bibliotheken wird dies nicht der einzige Prozess mit diesen Merkmalen sein. Um zu entscheiden, welcher Prozess vorrangig zu betrachten ist, wird sich die Bibliotheksleitung Priorisierungsmodellen bedienen. Anhaltspunkte für zu betrachtende Prozesse können sich ergeben aus: – der Prozesslandkarte, die auf Kernprozesse hinweist (vgl. Kapitel 2.3.2) – und/oder der Zielformulierung einer Prozessuntersuchung. Weitere Indikatoren sind beispielsweise: – Strategische Relevanz für die Bibliothek – Häufigkeit des Vorkommens – Höhe der Ressourcenbindung – bibliotheksfachliche Bedeutung – Optimierungspotenziale – Anzahl der Schnittstellen Anhand dieser Kriterien kann eine Priorisierung der zu optimierenden Prozesse erfolgen. Für die Bewertung und Auswahl eignen sich mehrere Methoden. In diesem Praxishandbuch werden die ABC-Methode sowie die Portfolio-Analyse vorgestellt.
106 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Beiden Methoden innewohnend ist, dass zunächst die Gesamtheit aller zu betrachtenden Prozesse zu ermitteln ist. Die Information dazu können dem Geschäftsverteilungsplan oder dem Produktkatalog der Kosten -und Leistungsrechnung entnommen werden. Nach einer Vorauswahl sind für die zu priorisierenden Prozesse zunächst Prozesssteckbriefe (vgl. Kapitel 3.3.1) auszufüllen. In Prozesssteckbriefen werden die wichtigsten Merkmale eines Prozesses aufgenommen. Sie dienen im gesamten Lebenszyklus eines Prozesses als Leitdokumente und werden je nach Bedarf ergänzt oder angepasst.8 Priorisierung nach der ABC-Analyse Die ABC-Analyse ist ein Verfahren zur Priorisierung, bei dem die zuvor ermittelten Prozesse zunächst in die Kategorien A = sehr wichtig oder dringlich, B = wichtig oder dringlich, C = weniger wichtig oder dringlich eingeteilt werden. Das Organisationshandbuch des Bundes9 empfiehlt dazu: Damit die Anzahl der zu betrachtenden Prozesse überschaubar bleibt, wird zusätzlich festgelegt wie viel Prozent der auf diese Weise bewerteten Prozesse mit „A“ oder „B“ klassifiziert werden dürfen. Die Priorisierung mit Hilfe der ABC-Analyse soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Für die Betrachtung von Prozessen einer öffentlichen Bibliothek sind die Prozesse zu ermitteln, die am meisten zur Kundenzufriedenheit beitragen. Ausgehend von einer Gesamtzahl von 10 Prozessen werden diese auf einer Skala von 1 (sehr geringer Anteil an Kundenzufriedenheit) bis 5 (sehr hoher Anteil an Kundenzufriedenheit) bewertet. Festgelegt ist, dass Prozesse, die bis zu 50 Prozent der aufsummierten Prozentanteile der Bewertungen erreichen, zur Kategorie A gerechnet werden und die folgenden 45 Prozent der kumulierten Bewertungsanteile noch unter die Kategorie B fallen. Die restlichen 5 Prozent bilden die Kategorie C. Im Idealfall bewertet eine Gruppe und gewährleitet damit so viel Objektivität wie möglich. Anschließend werden die aufsummierten Prozentanteile wie nachfolgend beschrieben berechnet: Die von der Gruppe vorgenommenen Bewertungen werden in absteigender Rangfolge sortiert. Anschließend sind alle Bewertungspunkte zu addieren. Die Gesamtsumme aller Bewertungspunkte stellt, in Anteile umgerechnet, 100 Prozent
8 Vgl. Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern (2012), S. 30. 9 Bundesministerium des Innern ; Bundesverwaltungsamt (2015), S. 273–276.
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
107
dar. Daraus können die Prozentanteile der jeweiligen Bewertungspunkte ermittelt werden. Diese Prozentanteile sind von oben nach unten zu kumulieren, das heißt, nacheinander aufzusummieren. So lässt sich ermitteln, welche Prozesse zur Kategorie A zählen und welche zu den Kategorien B und C. In diesem Beispiel erhalten die beiden ersten am höchsten bewerteten Prozesse die Klassifizierung A, da ihr kumulierter Prozentanteil bis 37,04 Prozent reicht und der darauffolgende aufsummierte Prozentanteil bereits über 50 Prozent liegt. Als B klassifiziert werden die nachfolgenden 6 Prozesse. Bis dahin erreicht der kumulierte Prozentanteil 92,59 Prozent. Die verbleibenden 2 Prozesse werden als C klassifiziert. Sie übersteigen mit dem kumulierten Prozentanteil von über 96,3 Prozent den Grenzwert von 95 Prozent.
Abb. 3.4: Berechnung ABC-Analyse.
Grafisch lässt sich diese Berechnung durch ein Kurvendiagramm darstellen. Das Diagramm können Sie mit einem Tabellenkalkulationsprogramm einfach erstellen. Die y-Achse bildet die kumulierten Prozentsätze der Bewertungen ab, die x-Achse die kumulierten Prozesse.
108 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Abb. 3.5: Grafische Darstellung ABC-Analyse.
Wann eignet sich die ABC-Analyse für Sie? – Wenn Sie zu betrachtende Prozesse durch die Konzentration auf die wesentlichen Faktoren mit einem vertretbaren Aufwand priorisieren wollen – Wenn Sie eine einfache Anwendung wünschen – Wenn für Sie die Bewertung eines einzigen Kriteriums ausreicht – Wenn Sie Außenstehende durch eine übersichtliche grafische Darstellung der Ergebnisse überzeugen möchten Wann ist die ABC-Analyse eher nicht für Sie geeignet? – Wenn Sie die Prozesse gleichzeitig nach mehreren Kriterien bewerten möchten – Wenn Sie über keine oder nur wenige konsistente Daten zur Beurteilung des zu bewertenden Kriteriums verfügen Reflexion Zählen Sie die Prozesse auf, die einen direkten Nutzen für Ihren Nutzerkreis erbringen. Welche dieser Prozesse sollen bevorzugt betrachtet werden, wenn es darum geht, die Kundenzufriedenheit zu steigern?
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
109
Priorisierung mit der Portfolio-Analyse Die Portfolio-Analyse stammt ursprünglich aus dem Bereich der Finanzwirtschaft und wird überwiegend im Bereich der strategischen Planung verwendet. Gemäß dem Organisationshandbuch des Bundes10 ermöglicht sie, mehrere Kriterien für die Priorisierung heranzuziehen und ist dann besonders geeignet, wenn die Relevanz verschiedener Handlungsalternativen bewertet werden soll. Bei der Anwendung im Rahmen der Prozesspriorisierung wird untersucht, inwieweit sich die Aufgabenerfüllung auf zu betrachtende Kriterien auswirkt. Die Darstellung erfolgt in einem Koordinatensystem, woraus sich vier typisierte Handlungsempfehlungen ableiten lassen: – Sofort anpacken: Aufgrund hoher Relevanz und Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit sind Prozesse in diesem Quadranten schnellstmöglich zu untersuchen. – Zurückstellen: In diesem Feld sind Prozesse positioniert, bei denen ein hohes Wirtschaftlichkeitspotenzial vermutet wird, die aber in ihrer Relevanz weniger bedeutend sind. Sie werden nachrangig betrachtet. – Überwachen: Prozesse in diesem Quadranten, weisen eine hohe Relevanz auf. Es wird aber von ihnen nur eine geringe Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit vermutet. Sie sollten in regelmäßigen Abständen neu priorisiert werden. – Papierkorb: In diesem Feld stehen Prozesse, die eine geringe Relevanz besitzen und von deren Veränderung kaum wirtschaftliche Effekte zu erwarten sind. Sie werden nicht betrachtet. Auch die Portfolio-Analyse soll mit Hilfe eines Beispiels verdeutlicht werden: In einer wissenschaftlichen Bibliothek sind aus einer Menge von 10 Prozessen diejenigen Prozesse zu identifizieren, welche am dringlichsten zu betrachten sind. Die 10 Prozesse werden nach den Kriterien Strategische Relevanz („Der Prozess ist besonders typisch und/oder wichtig für die Bibliothek.“), Wirtschaftlichkeit („Der Prozess ist mit hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden.“) und Umsetzbarkeit („Eine Prozessoptimierung ist in Bezug auf Akzeptanz und Rahmenbedingungen realistisch.“) bewertet. Die Bewertungsskala geht von 1 (sehr geringe Bedeutung) bis 5 (sehr große Bedeutung). Auch in diesem Fall ist eine Gruppenbewertung sinnvoll.
10 Vgl. Bundesministerium des Innern ; Bundesverwaltungsamt (2015), S. 318–320.
110 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Tab. 3.1: Beispiel Bewertungsskala Portfolio-Analyse. Relevanz
Wirtschaftlichkeit
Umsetzbarkeit
[1;5] – [unbedeutend; wichtig]
[1;5] – [gering; hoch]
[1;5] – [schwierig; einfach]
A
1
5
2
B C
4 5
5 4
2 3
D
1
2
2
E
1
3
1
F
1
3
1
G
3
3
4
H
4
3
3
I
2
3
2
K
5
3
2
Prozess
Am besten erstellen Sie die Portfolio-Darstellung mit einem Tabellenkalkulationsprogramm, beispielsweise Microsoft Excel. Anhand der mit den Bewertungen ausgefüllten Tabelle erstellen Sie ein „Blasendiagramm“, das eine dreidimensionale Portfoliodarstellung mit vier Quadranten ermöglicht. Jeder Quadrant bildet eine der oben beschriebenen Handlungsempfehlungen ab. Die Prozesse sind entsprechend ihrer Bewertung einer der vier Quadranten zugeordnet. Zwei Kriterien lassen sich anhand der X-Achse sowie der Y-Achse darstellen. Die Größe der Kreise bestimmt die dritte Dimension, im Beispiel die Umsetzbarkeit. Je größer der Kreis, desto höher wurde in diesem Fall das Kriterium der Umsetzbarkeit gewertet.
Abb. 3.6: Visualisierung Portfolio-Analyse.
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
111
Im Diagramm ist erkennbar, dass die Prozesse B und C sofortigen Optimierungsbedarf haben, H und K ebenfalls, allerdings verfügen diese nicht über die entsprechende strategische Relevanz. G erscheint leicht umsetzbar und kann damit einen schnellen Erfolg erreichen. Bei Prozess D sollte geprüft werden, ob die Aufgabe komplett entfallen kann. Falls dies nicht der Fall ist, wird der Prozess nicht weiter betrachtet. Für Prozess A wurde eine hohe strategische Relevanz festgestellt. Er scheint aber weniger für die Wirtschaftlichkeit von Bedeutung zu sein. Es reicht, ihn im Rahmen des Prozessmanagements der Bibliothek zu überwachen. Möglicherweise kann der Prozess auch ausgelagert und durch einen privaten Dienstleister wirtschaftlicher erledigt werden. Wann eignet sich die Portfolio-Analyse für Sie? – Wenn die Bewertung nur eines Kriteriums nicht ausreichend ist und Sie in mehreren Dimensionen bewerten möchten – Wenn Sie eine Darstellung benötigen, die so gut nachvollziehbar ist, dass sie auch Außenstehende leicht verstehen können Wann ist die Portfolio-Analyse für Sie nicht geeignet? – Wenn Sie die Priorisierung über eine grobe Standortbestimmung hinaus genauer erklären müssen Reflexion Zählen Sie die Prozesse auf, die sie untersuchen möchten. Bewerten Sie diese Prozesse wie oben beschrieben nach strategischer Relevanz, Wirtschaftlichkeit und Umsetzbarkeit und ermitteln Sie, welche der Prozesse sofort anzupacken sind.
3.2.4 Rollen bestimmen Zur kontinuierlichen Prozessoptimierung in einer Bibliothek gehört die eindeutige Zuordnung verschiedener Rollen im Prozessmanagement. Im Regelfall sind die Rollen mehreren Personen zugeordnet. In sehr kleinen Bibliotheken, beispielweise One-Person-Libraries, können die Rollen von einer Person wahrgenommen werden. Schlüsselrollen übernehmen dabei die Prozessverantwortlichen sowie die Mitglieder eines Prozessteams. Mittelgroße bis große Bibliotheken bestimmen im Idealfall zusätzlich einen Prozesskoordinator und/oder eine Geschäftsstelle Prozesskoordination.
112 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
In Anlehnung an das sächsische Handbuch Prozessmanagement11 werden die Rollen im Einzelnen nachfolgend beschrieben. Prozessverantwortliche Prozessverantwortliche steuern Prozesse durchgängig. Das heißt, sie übernehmen Verantwortung sowohl für Prozesse, die einem konkreten Bereich zugeordnet sind als auch für bereichsübergreifende Prozesse und können damit über Grenzen von Organisationseinheiten hinweg wirken. Dabei nehmen sie konkret folgende Aufgaben wahr: – Prozessverantwortliche stellen sicher, dass Beschreibungen ihrer Prozesse vorliegen und immer aktuell sind. – Sie koordinieren die Abläufe ihrer Prozesse mit denen anderer Prozesse. – Dabei beobachten sie kontinuierlich die Schnittstellen und achten darauf, dass keine Doppelarbeiten entstehen. – Optimierungsbedarf erkennen Sie, indem sie in regelmäßigen Abständen den Prozessverlauf auf Schwachstellen überprüfen. – Anlässe dafür gibt es unter anderem, wenn Hinweise auf Störungen sowohl aus der Mitarbeiterschaft als auch von Benutzenden gegeben werden. – Prozessverantwortliche sorgen dafür, dass die Prozessergebnisse erreicht werden, die von der Bibliotheksleitung, möglicherweise durch Kennzahlen, vorgegeben wurden. – Erkennen sie dabei Abweichungen, ermitteln sie die Ursachen dafür und suchen nach Lösungen, um diese zu beheben. – Verändern sich die Anforderungen an den Prozess, beispielsweise weil eine Benutzerbefragung neue Erwartungen an die Dienstleistung im Bibliotheksbetrieb aufzeigt, sind sie diejenigen, die erforderliche Anpassungen anstoßen. – Bei Prozessanpassungen oder -optimierungen, übernehmen sie eine aktive Rolle, indem sie den Vorgang steuern. – In Bezug auf die ihnen zugeordneten Prozesse sind sie die zentralen Ansprechpersonen. Das bedeutet, sie sind der Leitung gegenüber berichtspflichtig, weisen neue Mitarbeitende ein und beraten sich mit anderen Prozessverantwortlichen oder Mitgliedern von Prozessteams. – Ist ihnen ein Prozessteam zugeordnet, so haben sie den Teammitgliedern gegenüber die fachliche Weisungsbefugnis in Bezug auf die ihnen zugeordneten Prozesse.
11 Vgl. Sächsisches Staatsministerium des Innern (2015), S.74.
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
113
Um das oben beschriebene Aufgabenspektrum zu erfüllen, sind Prozessverantwortliche idealerweise Veränderungen gegenüber aufgeschlossen. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass sie gleichzeitig die Funktion einer Führungskraft wahrnehmen. An weiteren Kompetenzen sollten Prozessverantwortliche mitbringen: – Kenntnisse in Prozessmanagement als Ganzes und insbesondere in der Erhebung, Beschreibung, Modellierung, Analyse und Gestaltung von Prozessen – Moderationskenntnisse und damit verbundene kommunikative Kompetenzen – Kenntnisse in Projektmanagement – Kenntnisse von Aufbau- und Ablauforganisation der gesamten Bibliothek – Fachkenntnisse zu den zugeordneten Prozessen Prozessteam Das Prozessteam besteht aus dem Prozessverantwortlichen sowie weiteren 3–5 Mitgliedern, die im jeweiligen Prozess arbeiten. Ihre Aufgaben sind: – Sie nehmen Ist-Prozesse auf und analysieren diese. – Sie entwickeln Vorschläge zum Soll-Prozess. – Sie begleiten die Implementierung der Soll-Prozesse. – In der täglichen Arbeit in Ihrem Prozess nehmen sie Veränderungsbedarf auf und entwickeln den Prozess weiter. Geeignet sind hierfür Teammitglieder, die genaue Fachkenntnisse über die zugeordneten Prozesse haben und Kenntnisse in Prozessmanagement (insbesondere Erhebungs-, Beschreibungs- und Modellierungstechniken) besitzen. Als wichtige Kompetenz kommt eine Aufgeschlossenheit gegenüber Veränderungen hinzu. Prozesskoordination Sind in einer Bibliothek eine Vielzahl an Prozessen zu verwalten und die Aktivitäten mehrerer Prozessverantwortlichen abzustimmen, dann ist es ratsam, eine zentrale Prozesskoordination zu etablieren, die für die Optimierung des gesamten Prozessmanagementsystems einer Bibliothek verantwortlich ist. Die Prozesskoordination kann je nach Größe der Bibliothek von einer Person wahrgenommen werden oder als eigene Organisationseinheit agieren. Typische Aufgaben sind unter anderem: – Die Prozesskoordination steuert alle Prozesse einer Bibliothek und bei Kooperationen mit anderen Bibliotheken über die eigene Bibliothek hinaus. – Dabei unterstützt sie die Bibliotheksleitung bei der Wahrnehmung strategischer Aufgaben im Prozessmanagement. Konkret bedeutet dies, dass sie die Ver-
114 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
–
–
– – –
–
bindung einzelner Prozesse zu den strategischen Zielen der Bibliothek herstellt und die Prozesslandkarte dahin weiterentwickelt. Sie fördert das Prozessmanagement für die Gesamtbibliothek. Das bedeutet, sie berät und unterstützt einzelne Prozessbetrachtungen, vermittelt Methoden und stellt Werkzeuge für das operative Prozessmanagement bereit. Ihr obliegt die zentrale Pflege aller Prozessbeschreibungen. In diesem Zusammenhang kann sie auch einzelne Prozessverantwortliche auf Handlungsbedarf hinweisen. Die zentrale Prozesskoordination ist zuständig für die gesamte Prozessstruktur der Bibliothek und schreibt das bibliotheksspezifische Prozessmodell fort. Sie legt Standards für das operative Prozessmanagement fest, beispielsweise Richtlinien für die Gestaltung und Dokumentation von Prozessen. Gemeinsam mit der Bibliotheksleitung gibt sie Standards für das Prozesscontrolling (Zielplanung, Kennzahlen, Leistungsmessung, Berichtswesen) vor und überwacht diese. Sie pflegt eine kontinuierliche Kommunikation, Information und Abstimmung mit den Prozessverantwortlichen ihrer Bibliothek und bei Bedarf darüber hinaus.
Um die oben genannten Aufgaben gut ausfüllen zu können, sollten diejenigen, die die Prozesskoordination einer Bibliothek übernehmen, nachfolgende Kompetenzen mitbringen: – Kenntnisse in strategischem und operativem Prozessmanagement – Kenntnisse in der Beschreibung und Modellierung von Prozessen – Moderationskenntnisse und damit verbundene kommunikative Kompetenzen – Kenntnisse in Projektmanagement – Kenntnisse von Aufbau- und Ablauforganisation der gesamten Bibliothek – Führungskompetenz Prozesseigner Die Funktion eines Prozesseigners nimmt die Bibliotheksleitung mit ihren obersten Führungskräften wahr. Sie sind damit für das strategische Prozessmanagement zuständig. Ihre Aufgaben sind dabei: – Sie bestimmen mit der Veröffentlichung einer Prozesslandkarte, das gesamte Leistungsspektrum der Bibliothek sowie die Gliederung in Haupt- und Teilprozesse. – Sie geben von der Prozesskoordination vorgelegte Entwürfe zu Normierungen, Methoden und Standards zur Anwendung in der gesamten Bibliothek frei.
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
– –
115
Sie sorgen mit Unterstützung der Prozesskoordination für die Einhaltung der vorgegebenen Regeln und Standards. Sie beauftragen Projekte zur Erhebung und Gestaltung von Einzelprozessen.
Rollen in Projekten zur Prozessoptimierung Sind größere Anpassungen an Prozessen vorzunehmen, dann ist es ratsam, diese im Rahmen eines Projekts zu bearbeiten. Häufig fällt dann den Prozessverantwortlichen die Rolle der Projektleitung zu. Die Leitungsaufgaben in einem Optimierungsprojekt sind: – Erstellen eine Projektplanung mit Zeit- und Maßnahmenplan – Die Projektkommunikation vorbereiten und für deren Durchführung sorgen – Die Projektarbeit kontinuierlich steuern und falls nötig erforderliche Gegenmaßnahmen ergreifen – Standards für die spezifische Prozesserhebung, Modellierung und Analyse vorgeben – Die Projektgruppe/-arbeit anleiten und gemeinsame Besprechungen moderieren Das Prozessteam bildet gleichzeitig die Projektgruppe zur Prozessoptimierung. Seine Mitglieder sind zuständig für die operative Projektarbeit: – Sie erheben, beschreiben, modellieren, analysieren bestehende Prozesse und gestalten neue Prozesse. Die Mitglieder des Lenkungsausschusses für ein Projekt zur Prozessoptimierung sind in der Regel Entscheidungsträger der Bibliothek. – Sie konkretisieren die Zielstellung für ein Optimierungsprojekt, überwachen dessen Einhaltung und passen die Zielstellung falls erforderlich an. – Sie entscheiden über wichtige Weichenstellungen innerhalb des Projektverlaufs und nehmen das Endergebnis ab. Nicht jede Bibliothek muss alle der oben beschriebenen Rollen ausfüllen. In kleineren Bibliotheken reicht es oft aus, Prozessverantwortliche zu bestimmen. Zusammenfassend zeigen die nachfolgenden beiden Abbildungen die Aufgabenbereiche der einzelnen Rollen auf, einmal wie sie für eine mittelgroße bis große Bibliothek zu empfehlen sind und einmal, wie sie sich für kleinere Bibliotheken anbieten.
116 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Tab. 3.2: Struktur und Rollen im Prozessmanagement einer mittelgroßen bis großen Bibliothek. Aufgabe im Prozessmanagement / Entscheidungstyp Strategische Ebene
Strategisch aufstellen
Prozesse optimieren
Bibliotheksleitung, Führungskräfte
Projekt-Lenkungsausschuss
Operative Ebene
Prozesse steuern
ProzessverantProzessverantwortliche (Projekt- wortliche, leitung), Prozess- Prozessteams team
Zentral koordinieren
Prozesskoordination
Tab. 3.3: Struktur und Rollen im Prozessmanagement einer kleineren Bibliothek. Aufgabe im Strategisch Prozessaufstellen management / Entscheidungstyp Strategische Ebene
Prozesse optimieren
Prozesse steuern
Zentral koordinieren
Prozessverantwortliche, Prozessteam
Prozessverantwortliche, Prozessteam
Prozessverantwortliche, Prozessteam
Bibliotheksleitung
Operative Ebene
Reflexion Beschreiben Sie die Rollen für das Prozessmanagement Ihrer Bibliothek.
3.2.5 Ablauf planen Der Ablauf der Prozessbetrachtung ist in eine Planung einzubinden, die aus nachfolgenden Mindestkomponenten besteht. Sie werden nachfolgend in Anlehnung an das Methodenhandbuch Prozessmanagement von Mecklenburg-Vorpommern12 beschrieben. Zeit- und Maßnahmenplan Er ist hilfreich, das Vorhaben in planbare und überprüfbare Teilaufgaben (Arbeitspakete) zu gliedern. Die wichtigsten Arbeitspakete wie das Erheben, Analysieren,
12 Vgl. Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern (2012), S. 63–73.
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
117
Neugestalten und Umsetzen sind dabei vorgegeben. Die Arbeitspakete sind durch einzelne Arbeitsschritte zu konkretisieren. Die Arbeitsphasen der jeweiligen Pakete enden mit sogenannten Meilensteinen. Immer ist das Arbeitspaket, dessen Ausführung als nächstes ansteht, am detailliertesten zu beschreiben. Die zeitlich weiter entfernten Arbeitspakete können zunächst weniger ausführlich beschrieben werden, also abstrakter in ihrer Planung gefasst werden. Rollenzuteilung Jede Prozessbetrachtung sollte von einer Person verantwortlich geleitet werden. Für die operativen Arbeiten erhält sie Unterstützung von Beschäftigten, die die Prozesse praktisch anwenden. Sind in mittelgroßen bis großen Bibliotheken die Funktionen der Prozesskoordination besetzt, können diese durchaus übergreifende Aufgaben wahrnehmen. Einen Lenkungsausschuss als Entscheidungsgremium einzusetzen, kann bei der Betrachtung von Prozessen, die über mehrere Organisationseinheiten hinweg bearbeitet werden, nützlich sein. Ressourcenplanung Nicht zu unterschätzen ist die Kalkulation der benötigen Ressourcen für die Prozessbetrachtung. Einerseits ist zu berechnen, welchen Zeitanteil die direkt Aktiven voraussichtlich einzusetzen haben, aber auch wie aufwendig die Mitarbeit für die von der Prozessbetrachtung betroffenen Bereiche ist. Schließlich werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Erhebung und Gestaltung mit eingebunden, die Angaben zu den Prozessen machen können. Es können weitere Ressourcenanforderungen hinzukommen, wenn beispielsweise ein Lenkungsausschuss als Entscheidungsgremium eingesetzt wird. Die Personalressourcen werden in Personentagen angegeben, wobei ein Personentag dem Umfang von 8 Stunden entspricht. Risikoeinschätzung Wichtig ist, sich der Risiken einer Prozessbetrachtung bewusst zu werden. Es sollten einzelne Risiken identifiziert und benannt werden. Die Eintrittswahrscheinlichkeit der möglichen Risiken ist zu bestimmen. Im Anschluss daran ist für jeden Risikofall festzulegen, wie zu handeln ist, sollte dieser eintreffen. Beispiele für Risiken können sein, dass die Mitarbeiterinnen aus der Praxis nur unzureichende Informationen liefern können. Ebenso ist möglich, dass die Neugestaltung in der Theorie logisch erscheint, aber in der Praxis nicht umsetzbar ist, zum Beispiel weil für ein neues ITVerfahren keine Mittel vorhanden sind. Kommunikation Als Auftakt der Prozessbetrachtung wird eine Informationsveranstaltung mit den betroffenen Mitarbeitern empfohlen. Hierzu sollten auch die Beschäftigtenvertretun-
118 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
gen wie Personalrat sowie Gleichstellungs- oder Frauenbeauftragte eingeladen werden. Auf jeden Fall muss die Leitung der betroffenen Organisationseinheit dabei sein, um zu signalisieren, dass sie hinter der Betrachtung steht. Die Information selber hat die Prozessverantwortliche, eventuell unterstützt durch das zentrale Koordinationsteam Prozessmanagement der Bibliothek, vorbereitet und trägt sie auch vor. Wichtig ist, in einen Dialog zu kommen und Hinweise sowie mögliche Bedenken der Beteiligten aufzugreifen und ernst zu nehmen. Das kann unter Umständen dazu führen, dass der Zeit- und Maßnahmenplan nochmals anzupassen ist. Detailplanung Im Anschluss an die Information werden die betroffenen Bereiche aufgefordert, Kontaktpersonen zu benennen, die für die Prozesserhebung zur Verfügung stehen. Mit ihnen sind sogleich Termine zu vereinbaren. Schulung In Fällen, in denen die zu untersuchenden Organisationseinheiten aktiv in die Erhebung einbezogen werden, beispielsweise, indem sie die Prozesserhebung selbstständig durchführen, reicht eine reine Informationsveranstaltung nicht aus. In diesem Fall ist eine intensive Schulung der beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter notwendig. Schulungsinhalte sind dabei eine allgemeine Einführung in Prozessmanagement sowie der konkrete Ablauf der Erhebung. Gleichzeitig ist in die Methodik der Erhebung, Analyse und Gestaltung von Prozessen einzuführen. Ist-Erhebung Bei der eigentlichen Betrachtung der Prozesse werden schrittweise die Aufgaben, Abläufe und organisatorischen Zuordnungen erhoben, kritisch hinterfragt und geprüft. Der zu betrachtende Prozess ist dabei von vor- und nachgelagerten Prozessen abzugrenzen. Zielstellung der Erhebung ist, den Ist-Zustand kennenzulernen sowie seine Stärken, Schwächen und Potenziale herauszufinden. Für die eigentliche Durchführung stehen verschiedene einzelne Erhebungs- und Modellierungsarten zur Auswahl, auf die in Kapitel 3.3.1 und 3.3.2 näher eingegangen wird. Vorteil einer gründlichen Ist-Prozessmodellierung ist, dass der Prozessablauf für alle Beteiligten transparent wird. Jedes Ergebnis ist den Beteiligten zur Verifizierung vorzulegen, bevor es als verbindliches Dokument deklariert wird. Bei komplexen Prozessen bedeutet dies allerdings einen hohen Aufwand. Ist-Analyse Anhand der Beschreibung und Modellierung des Ist-Prozesses kann dieser Schritt für Schritt auf Schwachstellen untersucht werden. Die Analyse, auf die in Kapitel 3.3.3 näher eingegangen wird, führen diejenigen durch, die im Arbeitsalltag am Pro-
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
119
zess beteiligt sind. Idealerweise werfen auch Außenstehende einen kritischen Blick auf den Prozess. Erfahrungswerte zeigen, dass Außenstehende, die mit dem Prozess nicht so vertraut sind, oft die für eine Analyse wichtigen Fragen stellen. Abnahmeverfahren Am Ende der Analysephase steht ein Schwachstellendokument, das wichtige Hinweise für die Konzeptionsphase gibt. Auch dieses Dokument ist vor seinem weiteren Einsatz von den Verantwortlichen, das kann die Abteilungsleitung sein oder – falls gebildet – der Lenkungsausschuss, abzunehmen. Erst im Anschluss daran kann mit der Konzeption eines Soll-Prozesses, bei dem die aufgezeigten Schwachstellen beseitigt oder minimiert werden, gestartet werden. Soll-Prozess Mit der Konzeption des Soll-Prozesses werden unter Beachtung der Schwachstellenanalyse Optimierungspotenziale identifiziert sowie neue Abläufe entwickelt und modelliert. Beispielsweise werden überflüssige Arbeitsschritte entfernt oder veraltete Verfahren und Strukturen an die aktuellen Anforderungen angepasst. Verbesserungspotenziale Nicht immer ist es notwendig, komplette Abläufe zu verändern. Häufig werden rein organisatorische Verbesserungspotenziale erkannt, die in einen Maßnahmenplan einfließen, der nach und nach abzuarbeiten ist. Beispiele für Maßnahmen wären Anpassungen in der IT-Unterstützung, die Beschaffung von Hilfsmitteln oder das Erstellen von Checklisten, die dazu verhelfen, dass die Abläufe einheitlich geregelt werden. Das Soll-Konzept ist wiederum von Abteilungsleitung oder Lenkungsausschuss abzunehmen und kann dann in die Umsetzungsphase überführt werden. Mitbestimmungsverfahren Das Soll-Konzept ist auf Mitbestimmungstatbestände nach den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder zu überprüfen. Sind diese vorhanden, ist vor der eigentlichen Umsetzung der Personalrat zu beteiligen (vgl. Kapitel 3.5.1). Ähnliches gilt für die Beteiligung von Gleichstellungsbeauftragten oder Frauenbeauftragten. Umsetzungsplanung Für die Umsetzungsphase ist ein gesonderter Zeit- und Maßnahmenplan zu erstellen, der die Grundlage für das Controlling bildet. Denn nur eine konsequente Überwachung der vereinbarten Änderungsziele kann zu einem nachhaltigen Ergebnis der Prozessbetrachtung führen.
120 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Mitarbeiterbeteiligung Um eine ausreichende Akzeptanz für das Neue zu erreichen, sind vor der eigentlichen Umsetzung wieder die von den Veränderungen betroffenen Mitarbeiterinnen einzubeziehen. Dazu wird eine erneute Informationsveranstaltung empfohlen, in der auf den Verlauf der Erhebung und Analyse sowie das Ergebnis eingegangen und der Umsetzungsplan vorgestellt wird. Es ist zu erläutern, was sich für den Einzelnen verändert und wie er auf den neuen Prozess vorbereitet wird. Nur eine offene Kommunikation und der Austausch darüber erzeugt das Vertrauen, das notwendig ist, um in der Umsetzungsphase gut voranzukommen. Umsetzungsverantwortung Die Umsetzung des Soll-Prozesses und der Optimierungspotenziale liegt im Verantwortungsbereich des Prozessverantwortlichen. Dabei kann er von der Prozesskoordination unterstützt werden, die gleichzeitig ein begleitendes Controlling für die Umsetzungsphase übernimmt. Sie bringt die erforderliche Neutralität für die Wertung der Umsetzungsfortschritte mit. Oft ist die Umsetzung der schwierigste Part eines Prozessoptimierungsprojekts, gilt es nun, die Betroffenen von Veränderungen zu überzeugen und die erforderliche Ausdauer zu behalten, damit die Veränderungen, deren Einführung zunächst zusätzliche Ressourcen neben den Daueraufgaben benötigen, auch tatsächlich angegangen werden. Das kann nur gelingen, wenn die Umsetzungsphase bei allen Beteiligten den gleichen Stellenwert wie die Konzeptund Analysephase hat, die Strukturen für die Umsetzungsphase eindeutig geregelt sind und es damit eine klare Verantwortung für die Prozesseinführung gibt. Organisationsanpassung Maßnahmen zur Umsetzung der Soll-Konzeption beinhalten in vielen Fällen organisatorische Prozessoptimierungen (vgl. Kapitel 2.4) und IT-technische Verbesserungen zur Unterstützung von Prozessen. Hier ist darauf zu achten, dass beide Faktoren Hand in Hand gehen. Denn IT-Einführung oder Anpassung ohne organisatorische Veränderungen ist meist nicht zielführend. Prozesscontrolling Zwar gehören Betrieb und Controlling nicht unbedingt zum Kernbereich des Prozessmanagement-Projekts, sind aber trotzdem wichtige Bestandteile des Prozesslebenszyklus (vgl. Kapitel 4.3). Der Erfolg eines Optimierungsprojektes kann nur gemessen werden, wenn das Ist mit dem im Projekt beschriebenen Soll verglichen wird. Wichtige Aufgaben des Controllings sind dabei die kontinuierliche Überwachung von Prozessen. Dies gelingt am ehesten, wenn Kennzahlen vorgegeben werden mit denen gemessen werden kann. Erst so sind im Prozesskreislauf frühzeitig Schwachstellen zu erkennen. Dabei steht im Vordergrund, kleinere Prozessproble-
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
121
me möglichst unmittelbar zu beheben. Schließlich kommen Ideen für Verbesserungen von den Prozessanwendern häufig aus dem laufenden Tagesgeschäft heraus und können sogleich umgesetzt werden. Treten größere strukturelle Prozessprobleme auf, können diese ebenfalls direkt behoben werden, falls die dafür notwendigen Ressourcen verfügbar sind. Zu beachten ist dabei, dass das Ist-Prozessmodell nachträglich geändert werden muss. Für Änderungsbedarf größeren Ausmaßes (beispielsweise Veränderungen im Bibliotheksprofil, Einführung neuer Services) gilt: Ist der Änderungsumfang unklar oder die Inhalte der Veränderung komplex, ist ein neues Prozessmanagement-Projekt zu initiieren. Reflexion Überlegen Sie, wie ein Standardablauf für eine Prozessbetrachtung in Ihrer Bibliothek aussehen könnte. Erstellen Sie eine Checkliste dafür.
122 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz Kerndaten zur Staatsbibliothek zu Berlin Bibliothekstyp: Wissenschaftliche Bibliothek Aktive Kundinnen und Kunden: 34.515 (DBS 2016) Personalstellen in VZÄ: 652 (DBS 2016)
Interview mit Renate Müller, Leiterin des Referats Buchbearbeitung in der Abteilung Bestandsaufbau Welche Motive haben Sie bewogen, Prozessmanagement in Ihrer Bibliothek einzusetzen? Renate Müller: Die Entscheidung, Prozessmanagement in der Staatsbibliothek zu Berlin einzuführen, kann man selber als Prozess bezeichnen. Die zunehmende Automatisierung der bibliothekarischen Arbeit hat dazu geführt, dass die bibliothekarischen Geschäftsgänge in immer kürzeren Abständen angepasst werden mussten. Dabei entstand die Erkenntnis, dass das Schauen auf vereinzelte Prozesse nicht weiterführend ist, sondern nur eine Betrachtung aller bibliothekarischen Prozesse und der sie verbindenden Schritte zu tiefgreifenden Verbesserungen führen kann. Aktuell wird die Auswahl eines modernen Bibliotheksmanagementsystems vorbereitet, das auch die Erwartungen der Nutzerschaft berücksichtigt. Dazu werden alle bibliothekarischen Kernprozesse beschrieben und bewertet. Wir erwarten, dass die Anwendung von Methoden des Prozessmanagements der Bibliothek hilft, sich dieser und weiteren Veränderungen anzupassen.
Sind die Hoffnungen und Erwartungen, die Sie in das Instrument Prozessmanagement gesetzt haben, erfüllt worden? Wenn ja inwiefern? Wenn nein, was hat nicht funktioniert? Renate Müller: Wir sind noch mittendrin, das Prozessmanagement als dauerhaftes Verfahren in der Staatsbibliothek zu etablieren. Zunächst haben wir die Methoden der Prozesserhebung, -modellierung und -analyse in einer kleineren Abteilung getestet und uns dabei das Wissen zum Prozessmanagement angeeignet. Dabei haben wir viele Erfahrungen sammeln können, die wir nun bei der Betrachtung aller bibliothekarischen Kernprozesse sehr gut anwenden können. So werden Ablaufstrukturen einem größeren Kreis deutlich und eine verbesserte Prozesskompetenz entsteht sowohl bei denjenigen, die die Prozesse ausführen, wie bei denjenigen, die sie analysieren. Derzeit sind wir dabei, Standards für das Prozessmanagement in der Bibliothek zu setzen. Insofern haben wir bisher von der Beschäftigung mit dem Prozessmanagement als Methode profitiert.
3.2 Prozessarbeit vorbereiten
123
Wie haben Sie die Prozessarbeit in Ihrer Bibliothek organisiert? Wer war und ist beteiligt? Wie beurteilen Sie das rückblickend? Würden Sie heute etwas anders machen? Was und Warum? Renate Müller: Die Initiative, Prozessmanagement einzuführen, ging von einer Arbeitsgruppe aus, die sich bereits seit Jahren mit der Überarbeitung bestehender und Beschreibung neuer bibliothekarischer Geschäftsgänge beschäftigt. Diese Arbeitsgruppe ist es auch, die zu Prozesserhebungen und -darstellungen in den Abteilungen berät. Zudem unterstützt sie deren Prozessanalysen. Die Arbeitsgruppe erarbeitete eine Prozesslandkarte, die von der Generaldirektion bestätigt wurde; sie definierte, wer im Prozessmanagement für was zuständig ist und eine Geschäftsstelle soll sich künftig gemeinsam mit der Arbeitsgruppe um die dauerhafte Dokumentation der Prozesse sowie die Weiterentwicklung des Prozessmanagements kümmern. Rückblickend könnte alles etwas schneller gehen, aber wir halten dies für den richtigen Weg.
Wie bewerten Sie in der Gesamtsicht Aufwand und Nutzen für Ihre Organisation? Renate Müller: Der Aufwand für die Erhebungen, Darstellungen und Analysen ist erheblich, insbesondere bei der erstmaligen Aufnahme. Aber wir versprechen uns davon etliche Effekte. Legt man beispielsweise die Prozessdarstellungen der einzelnen Abteilungen nebeneinander, müsste erkennbar werden, wo ähnliche Prozesse ablaufen, wo Unterschiede weiterhin nötig sind und wo man von Synergieeffekten profitieren kann.
Gab es Voraussetzungen, die geschaffen werden mussten, bevor Sie loslegen konnten? Mussten Sie z.B. andere Managementinstrumente oder -techniken einführen bzw. sich erarbeiten, um mit Prozessmanagement erfolgreich arbeiten zu können? Renate Müller: Als Auslöser kann die Einführung von Qualitätsmanagement in der Staatsbibliothek gesehen werden. In einer im Jahr 2011 durchgeführten Selbstbewertung wurde auch danach gefragt, inwiefern Prozesse in der Bibliothek identifiziert und regelmäßig überprüft werden. Dies hat den Impuls gegeben, sich systematisch mit der Methode zu beschäftigen. Dazu wurden mehrere Workshops durchgeführt, in denen die Mitglieder der Arbeitsgruppe zunächst die Methoden kennenlernten und schließlich die Anwendung der Arbeitstechniken erlernten.
Was sind vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen Ihre drei wichtigsten Tipps für Bibliotheken, die ins Prozessmanagement einsteigen? Was sollten diese tun oder lassen? Renate Müller: 1.
Bei der Einführung von Prozessmanagement sollte die Bibliothek in einem Pilotprojekt erst einmal Erfahrungen sammeln.
2.
Die Bibliothek sollte sich bereits in einer frühen Phase einen Überblick über sämtliche Prozesse verschaffen. Dazu ist das Erarbeiten einer Prozesslandkarte nützlich.
124 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
3.
Vor der flächendeckenden Erhebung von Prozessen ist sicherzustellen, dass die Beschreibungen dauerhaft dokumentiert werden und sichergestellt wird, die Prozesse in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.
3.3 Prozesse erheben und analysieren
125
3.3 Prozesse erheben und analysieren In Kapitel 3.2 haben Sie erfahren, in welcher Form Sie Prozessmanagement in Ihrer Bibliothek einführen können, was Sie benötigen, um das Prozessmanagement in Ihrer Bibliothek dauerhaft zu etablieren und wie der Ablauf einer Prozessbetrachtung aussehen kann. Nachdem die mühsam erscheinende Wegstrecke der Vorbereitungsarbeiten für die Prozessbetrachtung durchschritten wurde, sind die Beteiligten für die nun beginnenden konkreten Arbeitsphasen gut gerüstet. Die Phase II – Prozesse erheben und analysieren – kann starten. Diese Phase besteht aus den Bestandteilen: – Ist-Prozess erheben – Ist-Prozess darstellen – Ist-Prozess analysieren
3.3.1 Ist-Prozess erheben Um den Weg zum Ziel zu weisen, benötigt ein Navigationsgerät zuerst eine genaue Standortbestimmung. So ist auch bei einer Prozessbetrachtung der Standort durch Erhebung des Ist-Prozesses zu bestimmen. Dazu sind zunächst alle Informationen zum Prozess zu ermitteln und zusammen zu stellen. Informationssammlung Eine erste Informationsquelle zum Sichten von Prozessen sind schriftliche Dokumente: – Auf welcher rechtlichen Grundlage wird der Prozess überhaupt durchgeführt? Handelt es sich um einen Prozess, der zwingend als Aufgabe der Bibliothek festgeschrieben wurde, beispielsweise, weil der Gemeinderat dies so bestimmt oder die Hochschule auf Grundlage ihres Profils die Leistung beschlossen hat? – Sind die Aufgaben im Geschäftsverteilungsplan oder Produktkatalog beschrieben? Wenn ja, wie detailliert sind die Angaben darin? Aus dem Geschäftsverteilungsplan lässt sich entnehmen, ob der Prozess als Aufgabe der Bibliothek festgelegt und welchem Bereich er zugeordnet ist. Der Produktkatalog der Kostenund Leistungsrechnung (KLR) beinhaltet alle Leistungen, die die Bibliothek für ihre Zielgruppen erbringt und beantwortet die Frage, welcher bibliothekarischen Leistung der Prozess entspricht.13
13 Vgl. Online-Verwaltungslexikon (o. J.), Produkt.
126 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
–
–
–
Kann auf Arbeitsplatzbeschreibungen zugegriffen werden? Eine Arbeitsplatzbeschreibung präzisiert die Informationen aus dem Geschäftsverteilungsplan, indem sie die an einem konkreten Arbeitsplatz wahrgenommenen Tätigkeiten beschreibt.14 Wie intensiv der Prozess nachgefragt ist, kann meist der Bibliotheksstatistik entnommen werden. Ist der Prozess identisch mit einem Produkt der Kostenund Leistungsrechnung (KLR), können die Kosten des Prozesses den Daten aus der KLR entnommen werden. Arbeitsanweisungen oder Beschreibungen von Geschäftsgängen geben eine Vorstellung über die Anzahl der Prozessschritte und die Komplexität des Prozesses.
Die Sichtung der schriftlichen Dokumente verhilft zu einem Überblick über die zu betrachtenden Prozesse, ersetzt aber nicht die gründliche Ist-Erhebung einzelner Prozessschritte. Erst die detaillierte Kenntnis der einzelnen Prozesse ermöglicht, etwas zu deren Qualität auszusagen. Fragenraster Wie in Kapitel 2.1 beschrieben, gibt es vielfältige Gründe für Prozessbetrachtungen. Dem jeweiligen Ziel entsprechend ist die Erhebung aufzubauen. Bewährt hat sich als Einstieg folgendes Fragenraster: – Was ist das auslösende Ereignis für den Prozess? – Welche Prozessschritte folgen in welcher Reihenfolge dem auslösenden Ereignis? – Welches Ergebnis steht am Ende des Prozesses? Neben der reinen Ablaufbeschreibung ist ein Prozess von weiteren Faktoren abhängig: – Wie viele Personen sind an dem Prozess beteiligt? – Spielen sich alle Prozessschritte in einer Organisationseinheit, beispielsweise in einer Abteilung, ab oder sind mehrere Organisationseinheiten beteiligt? – Wie häufig kommt der Prozess vor? – Wie aufwendig sind die einzelnen Prozessschritte? – Welche Hilfsmittel werden benötigt, um den Prozess voranzubringen? – Gibt es Arbeitsanweisungen oder Vorgaben für die Dokumentation des Prozesses?
14 Vgl. Bundesministerium des Innern ; Bundesverwaltungsamt (2015), S. 272.
3.3 Prozesse erheben und analysieren
127
Nachfolgendes Beispiel „Bereitstellung eines Bandes“ soll das zuvor Beschriebene verdeutlichen: Tab. 3.4: Beispiel Fragenraster. Frage nach …
Beispiel
1
… dem auslösenden Ereignis
Benutzerin bestellt online ein Buch.
2
… der Reihenfolge der Prozessschritte → Magazinkraft druckt die Bestellung aus. → Magazinkraft sortiert die Bestellung nach Signaturengruppen. → Magazinkraft hebt den Band anhand der vorsortierten Bestellung aus, stellt Vertreter ein und legt den Band auf einen Bücherwagen. → Magazinkraft schiebt den Bücherwagen zum Ausleihbereich.
3
… dem Prozessergebnis
Mitarbeiterin im Ausleihbereich entnimmt den Band vom Bücherwagen, verbucht ihn und übergibt ihn der Benutzerin.
Einflussfaktoren
Fragenbeispiele dazu:
Beteiligte Personen
Wie viele Personen bearbeiten die Bereitstellung eines Buches?
Beteiligte Organisationseinheiten
Wie viele Organisationseinheiten sind beteiligt und gesondert auszuweisen?
Häufigkeit
Wie viele Bestellungen gehen täglich ein und wie oft hebt die Magazinkraft die Bände aus?
Komplexität
In wie viele Signaturengruppen muss die Magazinkraft vorsortieren?
Hilfsmittel
Werden beispielsweise Scanner eingesetzt, um im Ausleihbereich das Buch zu verbuchen?
Arbeitsanweisungen
Gibt es Geschäftsgangspapiere, die den Ablauf beschreiben und auf Sonderfälle eingehen, beispielsweise was zu tun ist, wenn ein Band nicht am vorgesehenen Standort aufzufinden ist?
Eine wichtige Voraussetzung für die Darstellung von Prozessen sind geeignete Erhebungsmethoden wie Interviews oder Workshops, die in den nächsten Abschnitten beschrieben werden. Interview Am besten können die Personen einzelne Prozessschritte erklären, die unmittelbar damit zu tun haben. Als eine Variante bietet sich dabei ein Interview in Form einer mündlichen Befragung mit einem oder mehreren Betroffenen an (Einzel- oder Grup-
128 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
peninterview). Es kann streng strukturiert entlang vorgegebener Fragen durchgeführt werden oder halb-strukturiert entlang eines Leitfadens. Vorsicht ist bei freien Interviews geboten, in denen die Interviewenden sich situationsabhängig einer Prozessbeschreibung annähern. Zu groß ist in diesen Fällen die Neigung, das eigentliche Ziel aus dem Auge zu verlieren und zu viele Nebensächlichkeiten zu thematisieren.15 Die Prozesserhebung dient immer einem konkreten Zweck. Zielgerichtet ist auf Grundlage dessen zu fragen, wofür die Prozessbetrachtung gedacht ist. Auf eine Genauigkeit bis zum letzten Detail kommt es nicht immer an. Meist reicht ein relativ hoher Abstraktionsgrad. Dies ist am besten zu erreichen, indem die Fragestellenden als Vorbereitung ein Fragenraster für ein halb-strukturiertes Interview (Interviewleitfaden) erstellen und sich konsequent an dieses halten. Wichtig ist, dass der Interviewleitfaden auch offene Fragen ermöglicht, die den Betrachtungsrahmen nicht zu sehr eingrenzen. Der Aufbau Nachfolgendes Beispiel zeigt einen Interviewleitfaden, der nach dem oben erläuterten Fragenraster aufgebaut ist. Einstieg ist das auslösende Ereignis für den Prozess. Die Prozessschritte werden einschließlich möglicher Varianten hinterfragt. Am Ende steht das Ergebnis oder wie im Beispiel dargestellt, die Übergabe an die nächste bearbeitende Stelle. Gleichzeitig bietet es sich an, nach Schwachstellen zu fragen oder danach, was die Interviewten schon immer verbessern wollten. Die Systematik der Prozesslandkarte dient der Einordnung des Prozesses. Das Beispiel zeigt eine Erhebung aus dem Bereich eines bibliothekarischen Kernprozesses, nämlich der Benutzung. Hilfreich ist, von Beginn an mit Nummerierungen zu arbeiten und damit die Prozessfolgen in ein Ordnungssystem zu überführen. Insbesondere bei alternativen Handlungsoptionen lässt sich damit die Orientierung erleichtern. Tab. 3.5: Beispiel Interviewleitfaden. Prozessanalyse für Hauptprozess: Benutzung Abt. Gesprächspartner/in Teilprozess: Bereitstellung Auslöser: Online-Bestellung für ein Buch geht ein. Bearbeitende Stellen: Magazin, Ausleihe
Datum
Nr. Wer?
Was für Tätigkeiten folgen?
An wen?
1
Druckt die Bestellung aus.
2
Magazinkraft
Sortiert Bestellung nach Signaturengruppen.
15 Vgl. Sächsisches Staatsministerium des Innern (2015), S. 87.
3.3 Prozesse erheben und analysieren
129
Nr. Wer? 3.a
Was für Tätigkeiten folgen? Findet Band am Standort, hebt ihn aus und stellt Vertreter ein.
An wen?
4.a
Legt Band auf Bücherwagen und schiebt diesen in Ausleihbereich.
Ausleihe
5.a Ausleihe
Entnimmt Band vom Bücherwagen, verbucht ihn und übergibt ihn der bestellenden Person.
Bestellende Person
3.b Magazinkraft
Vermisst Band am Standort und informiert Ausleihe.
Ausleihe
4.b Ausleihe
Benachrichtigt bestellende Person.
Bestellende Person
Regelwerke? Arbeitsanweisungen?
Arbeitsmittel? (Vordrucke, ITSystem etc.)
Besonderheiten?
Signaturenpapier
Ausleihsystem
keine
Stärken des Prozesses?
Schwachstellen?
Verbesserungen möglich?
Die Durchführung Ein Prozess wird nicht nur durch seine Tätigkeitsfolge beeinflusst, sondern auch durch Faktoren wie Arbeitsumgebung, Hilfsmittel oder die Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Dies ist bei der Erhebung zu berücksichtigen. Es ist ratsam, das Interview direkt am Arbeitsplatz und damit in gewohnter Umgebung der Befragten durchzuführen. Dies ermöglicht, eine vertrauensvolle Atmosphäre herzustellen und zusätzliche Einflussfaktoren, beispielsweise den Geräuschpegel am Arbeitsplatz, wahrzunehmen. Die Interviewten haben die Möglichkeit, zur besseren Veranschaulichung auf Arbeitsunterlagen oder Fachanwendungen zuzugreifen. Zu bedenken ist, dass dies nur in relativ störungsfreien Arbeitszusammenhängen möglich ist. Wird das Interview ständig durch Telefonate, Benutzerkontakte oder Anfragen von Kolleginnen und Kollegen gestört, kann die Befragung am Arbeitsplatz eher hinderlich für das Erreichen des Ergebnisses sein. Auch Uhrzeit und Zeitdauer sollten bedacht werden. Interviews im „Mittagstief“ sind sicherlich nicht so gut geeignet wie Interviews am Vormittag. Eine allgemeine Erkenntnis ist, dass die Konzentrationsfähigkeit nach anderthalb bis zwei Stunden nachlässt. Länger als zwei Stunden sollte daher kein Interview dauern. Mit Fragen zu dem, was am einzelnen Arbeitsplatz getan wird, treffen Sie auf den persönlichen Arbeitsbereich der Befragten. Vor der eigentlichen Durchführung sollten Sie sich daher sorgfältig vorbereiten und am besten mit Interviewtechniken,
130 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
wie sie zum Beispiel im Organisationshandbuch des Bundes beschrieben sind, vertraut machen.16 Obgleich aufwendig in der Durchführung, hat sich bewährt, Interviews zu zweit zu führen. Eine Person interviewt, die andere dokumentiert das Gesagte. Mit einer kontinuierlichen Bestätigung des Aufgenommenen schon während des Interviews lassen sich die Notizen, die aus der spontanen Situation heraus entstanden sind, bei der späteren Modellierung leichter interpretieren. Sämtliche Varianten eines jeden einzelnen Prozesses festzuhalten, führt dazu, dass die Gesamtbetrachtung des Prozesses zu unübersichtlich wird, kann den für ein Interview zur Verfügung stehenden Zeitrahmen sprengen und ist in der Regel für die Analyse nicht notwendig. Als Faustregel empfehlen Jörg Becker, Lars Algermissen, Thorsten Falk etwa 80% aller Vorfälle eines Prozesses zu erfassen.17 Das bedeutet, Varianten, die äußerst selten vorkommen, kaum Aufwand verursachen oder von geringer Bedeutung sind, müssen nicht zwingend dargestellt werden. Wann ist ein Interview für Sie geeignet? – Wenn das Interview in erster Linie der reinen Erhebung Ihrer Ist-Prozesse dient und Verbesserungsvorschläge aufgenommen werden sollen – Wenn Sie vorhaben, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen und auch Mitarbeiter sowie Mitarbeiterinnen, die sich in einer Gruppe still oder schüchtern verhalten, ermutigen möchten, über ihr Arbeitsgebiet zu berichten – Wenn Sie durch das Interview vor Ort Nähe und Interesse am Arbeitsplatz erzeugen wollen und sich die Betroffenen in ihrem Arbeitsgebiet wahrgenommen fühlen sollen – Wenn Sie sich als interviewende Person neben dem Gesagten, auch ein Bild über die praktische Anwendung machen möchten – Wenn Sie mit Hilfe des Interviews der Situation angemessene Fragen stellen möchten und direkte sowie offene Antworten fördern wollen Wann eignet sich ein Interview für Sie nicht? – Wenn Sie über zu wenig Ressourcen für aufwendige Interviews verfügen – Wenn sie keine subjektiven Sichtweisen von Einzelpersonen wünschen, sondern lediglich einen allgemeinen Überblick über das Ganze – Wenn Sie kein geschultes Personal haben, das die Interviews den Anforderungen entsprechend durchführen kann
16 Vgl. Bundesministerium des Innern ; Bundesverwaltungsamt (2015), S. 202–205. 17 Becker ; Algermissen ; Falk (2007), S. 230.
3.3 Prozesse erheben und analysieren
131
Workshop und Workshopmethoden An vielen Prozessen sind, zumindest in größeren Bibliotheken, mehrere Personen und möglicherweise unterschiedliche Organisationseinheiten beteiligt. Das führt zu vielfältigen Sichten auf den Prozess. Um diese aufzunehmen, bietet es sich an, die Erhebung in Form eines Workshops durchzuführen. Vorbereitung In einem Workshop arbeitet eine kleine Gruppe in einem festgelegten Zeitrahmen zielgerichtet und intensiv an einem Thema. Ein wesentliches Element ist die Moderation der Gruppenarbeit. Während die Gruppenmitglieder für die Inhalte des Workshops zuständig sind, ist Aufgabe des Moderators beziehungsweise der Moderatorin, die Gruppe zu einem gemeinsam entwickelten, nachvollziehbaren Ergebnis zu führen. Dies wird durch die Moderation erreicht, indem sie die Gruppenarbeit steuert, die Teilnehmenden motiviert und deren aktive Mitarbeit fordert und fördert. Gemäß dem Organisationshandbuch des Bundes18 ist eine Teilnehmerzahl von 3 bis 15 Personen eine annehmbare Größe für Workshops. Ideal für eine Ideenfindung aus unterschiedlichen Perspektiven sind 7 bis 10 Teilnehmende. Sind es mehr, gestaltet es sich schwieriger, konsensfähige Lösungen zu finden. Sind es weniger, bleiben möglicherweise wichtige Aspekte unberücksichtigt. Geeignet für einen Workshop zur Prozesserhebung sind Teilnehmende, die aus praktischer Erfahrung etwas zu der Prozessbeschreibung beitragen können. In einer Organisation, die das Prozessmanagement strukturell eingebunden hat (vgl. Kapitel 3.2.4), sind Prozessverantwortliche oder das Prozessteam für die Prozesserhebung zuständig. Wichtig für die ganzheitliche Betrachtung des Prozesses ist, dass die am Workshop Beteiligten alle Bereiche repräsentieren, die etwas zu dem Prozess beisteuern können, sei es durch die Schilderung einzelner Prozessschritte oder aufgrund ihrer Verantwortung für Teilprozesse. Um die Akzeptanz der Ergebnisse zu fördern, sollten die Teilnehmenden an dem Workshop in der Bibliothek anerkannt sein. Obwohl die Einbindung von Führungskräften in die Workshoparbeit wünschenswert ist, da sie diese durch ihre vermittelnde Rolle unterstützen können, wird von einem Top-down-Vorgehen, also der Erhebung nur mit Abteilungsleitenden, abgeraten. Schon Klaus Ceynowa und André Coners stellten in dem Projekt „Kostenmanagement für Hochschulbibliotheken“ fest: „Die Erfahrung in den Projektbibliotheken zeigt nämlich, dass die Verantwortlichen in der Regel nicht die erforderliche Detailkenntnis der Arbeitsabläufe ihrer Ressorts besitzen.“19 Zeitlich sollte der Workshop so liegen, dass möglichst viele der zu Beteiligenden teilnehmen können. Bei laufendem Bibliotheksbetrieb sind Dienstpläne zu berücksichtigen und falls nötig auf Randzeiten auszuweichen. Der Ort für den Workshop
18 Vgl. Bundesministerium des Innern ; Bundesverwaltungsamt (2015), S. 247. 19 Ceynowa ; Coners (1999), S. 74.
132 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
ist so zu wählen, dass er eine ruhige und ungestörte Arbeitsweise garantiert und er dennoch nicht zu weit weg vom Bibliotheksbetrieb entfernt liegt. Um die maximale Konzentrationsfähigkeit zu nutzen, ist ratsam, den Workshop auf anderthalb bis zwei Stunden zu begrenzen oder bei längeren Workshops eine Pause einzuplanen. Um sich nicht in Nebensächlichkeiten zu verfangen, ist es zwingend notwendig, sich mit dem Auftraggeber der Prozessbetrachtung auf eine konkrete Zielstellung zu verständigen. Geht es beispielsweise darum, ein effizienteres Zahlungsverfahren für Benutzungsdienstleistungen einzuführen, dann konzentriert sich die Prozessbetrachtung auf die Zahlungsvorgänge. Weitere Prozessschritte, wie die bibliothekarischen Dienstleistungen, die den Zahlungsvorgang auslösen, können vernachlässigt werden. Ein Workshop bietet die Chance, die bereichsübergreifende Zusammensetzung und Dynamik einer Gruppe zu nutzen, um unterschiedliche Vorgehensweisen aufzunehmen. Dazu eignen sich Methoden, die die aktive Mitarbeit der Gruppenmitglieder fördern. Eine kleine Auswahl wird nachfolgend vorgestellt. Brown-Paper-Methode Der Vorteil eines Workshops mit mehreren prozesserfahrenen Beteiligten ist, dass die einzelnen Prozessschritte während der Sitzung visualisiert und unmittelbar von allen bestätigt werden können. Als eine der hierfür geeigneten Methoden lässt sich die Brown-Paper-Methode beschreiben. Sie wird so genannt, weil die einzelnen Prozesselemente auf einem braunen Packpapier an Moderationswänden entwickelt werden. Die Anwendung der Brown-Paper-Methode für eine Prozessbeschreibung schildert Thorsten Petry in einem Artikel für „zfo – Zeitschrift für Führung und Organisation“20. Nach Petry beginnt die Aufnahme des Prozesses, indem auf dem Packpapier zunächst die beteiligten Organisationseinheiten festgehalten werden. Hierzu werden mit Hilfe von horizontalen oder vertikalen Linien Bahnen aufgezeichnet. Jede Bahn stellt eine beteiligte Organisationseinheit dar. Anschließend verständigt sich die Gruppe auf eindeutige Start- und Ende-Ereignisse. Stehen diese fest, beschreibt die Gruppe die zum Prozess zählenden Aktivitäten in chronologischer Folge. Die Prozessschritte sind nur so genau zu beschreiben, wie es für das Verständnis der Beteiligten notwendig ist. Jede Aktivität wird der Organisationseinheit zugeordnet, die dafür zuständig ist. Konkret wird der Prozessschritt auf einer Moderationskarte notiert und in die passende Bahn gepinnt.
20 Vgl. Petry (2017), S. 190–193.
3.3 Prozesse erheben und analysieren
133
Abb. 3.7: Beispiel Brown-Paper-Methode.
Sind alle Aktivitäten aufgenommen, führt die Moderation nochmals durch den gesamten Prozess und lässt sich die Darstellung bestätigen. Korrekturen kann sie durch Umhängen der Moderationskarten vornehmen. Erst wenn die Teilnehmenden die Abbildung bestätigt haben, werden die Karten durch Linien verbunden und festgeklebt. Es ist empfehlenswert das Brown-Paper als Dokumentation aufzuheben, um in späteren Veranstaltungen den Prozess anschaulich zu präsentieren. Wann ist die Brown-Paper-Methode für Sie geeignet? – Wenn Sie einen Prozess mit allen daran Beteiligten entwickeln möchten – Wenn Sie den Beteiligten eine Gesamtsicht auf den Prozess ermöglichen möchten
134 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
–
Wenn Sie eine Methode suchen, die mit einfachen Mitteln umgesetzt werden kann und leicht zu erklären ist
Wann ist die Brown-Paper-Methode für Sie eher nicht geeignet? – Wenn Sie den zeitlichen Aufwand für die Vorbereitung und Durchführung des Workshops mit zahlreichen Beteiligten nicht leisten können Bildkartenmethode Eine Verfeinerung der Brown-Paper-Methode ist die Bildkartenmethode. Auch sie hat sich für die Prozesserhebung und -darstellung in Gruppen bewährt. Bei der Bildkartenmethode werden farbige Papierkarten eingesetzt. Diese beinhalten Prozesskomponenten als Überschriften, wie beispielsweise Bearbeiter/Bearbeiterin, Aktivität oder Hilfsmittel. Die Gruppenmitglieder füllen die Papierkarten dem Prozess entsprechend aus und arrangieren sie in passender Reihenfolge. Sie können so in relativ kurzen Modellierungssitzungen einzelne Prozesse oder Teilprozesse abbilden.21 Die Bildkarten können auf einem Tisch, wie in nachfolgender Abbildung dargestellt, ausgelegt werden oder an eine Moderationstafel angebracht werden. Um die Auseinandersetzung mit dem Prozess zu fördern, ist es wichtig, kein starres Gebilde zu schaffen. Die Papierkarten werden bewusst ohne Fixierung auf einem Tisch angeordnet oder an die Tafel gepinnt. So können die auf den Karten festgehaltenen Gedanken im Verlauf der Diskussion leicht wieder verworfen oder anders gruppiert werden.
21 Vgl. Gappmaier (o. J.).
3.3 Prozesse erheben und analysieren
135
Abb. 3.8: Beispiel Bildkartenmethode.
Häufig werden folgende Komponenten verwendet: – Extern: Hierbei handelt es sich um außenstehende Personen, Bereiche, Handlungen, die den Prozess beeinflussen. – Dokument: Darunter sind gedruckte oder elektronische Schriftstücke zu verstehen, die den auslösenden Vorgang unterstützen. – Bearbeiter/Bearbeiterin: Das ist die verantwortlich handelnde Person. – Aktivität: Sie beschreibt den eigentlichen Prozessschritt. – Hilfsmittel: Mit ihrem Einsatz kann der Prozessschritt unterstützt werden.
136 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Am Beispiel des Prozesses „Benutzeranmeldung“ soll das Prinzip erläutert werden: Tab. 3.6: Beispiel Bildkartenmethode. Extern
Dokument
Bearbeiter/in
Aktivität
Hilfsmittel
Benutzer beantragt Bibliotheksausweis
Anmeldeformular
Bibliotheksangestellte/r
Erläutert Benutzungsbedingungen
Benutzungsordnung
Bibliotheksangestellte/r
Nimmt Anmeldedaten auf
Fachverfahren Benutzerverwaltung
Bibliotheksangestellte/r Bibliotheksangestellte/r
Erstellt BiblioAusweisdrucker theksausweis Händigt Bibliotheksausweis und Benutzungsordnung an Benutzer aus
Wann ist die Bildkartenmethode für Sie geeignet? – Wenn Sie eine Möglichkeit suchen, um den Prozess in einer Gruppe ergebnisoffen darzustellen – Wenn Sie schnell und flexibel ein Prozessmodell durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst erstellen lassen möchten – Wenn Sie nicht nur den Prozess, sondern auch seine Hauptmerkmale (Aktivitäten, Bearbeiter, Hilfsmittel, Dokumente, Entscheidungen, etc.) visualisieren wollen Wann ist die Bildkartenmethode für Sie nicht geeignet? – Wenn Sie sehr umfangreiche Prozesse darzustellen haben. Dann kann die Darstellung leicht unübersichtlich werden Bausteinmethode Durch das Auslegen der Prozessschritte mit Bausteinen kann die Abbildung von Prozessen um eine dritte Dimension erweitert werden. Eingesetzt werden dabei Bausteine, die wie die Bildkarten unterschiedliche Komponenten darstellen. So können Bausteine für auslösende Ereignisse oder Ergebnisse, Prozessschritte aber auch Verzweigungen verwendet werden. Die Bausteine werden entweder auf einem Tisch arrangiert oder auf dem Boden ausgelegt. In dem nachfolgend abgebildeten Beispiel sehen Sie eigens für das Verfahren angefertigte Holzbausteine, die allein schon durch ihr Gewicht, die Bedeutung einzelner Bestandteile hervorheben. Sie können aber auch Legosteine oder Pappmodelle verwenden, um das Haptische dieser Methode zu nutzen.
3.3 Prozesse erheben und analysieren
137
Abb. 3.9: Beispiel Bausteinmethode.
Die Bausteinmethode wird im Interview mit Hartmut Gardlo näher erläutert (vgl. am Ende des Kapitels 3.3). Wann ist die Bausteinmethode für Sie geeignet? – Wenn Sie durch haptische Elemente den Prozess greifbarer erleben lassen möchten – Wenn Sie flexiblere Denkmuster fördern möchten – Wenn Sie durch die Bewegung, die das Aufstellen der Prozessbausteine mit sich bringt, den Blick auf ungewohnte Bahnen lenken möchten Wann ist die Bausteinmethode für Sie nicht geeignet? – Wenn Sie keine Möglichkeit haben, die Bausteine auszulegen und für eine gewisse Zeit stehen lassen können Story Mapping-Methode Wem die zuvor genannten Methoden zu aufwendig erscheinen, beispielsweise, weil es um die Beschreibung einer einfachen Prozessfolge geht, dem sei als weiteres Verfahren die Methode des Story Mapping empfohlen. Wolf Steinbrecher schildert die
138 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
zur Prozessbeschreibung in Gruppen ebenfalls geeignete Methode im Blog „Agile Verwaltung“22. Wichtig zu wissen ist, dass sich die Methode an Personen richtet, die mit den einzelnen Bearbeitungsschritten eines Prozesses vertraut sind und damit als sachkundig gelten. Für diesen Personenkreis reicht die grobe Beschreibung einzelner Prozessschritte aus. Zunächst werden Spalten auf eine Moderationstafel gezeichnet, deren Überschriften die jeweilige Funktion innerhalb des Prozesses abbilden. Anschließend sind die Prozessschritte oder Tätigkeiten auf Moderationskarten zu beschreiben und innerhalb der Spalten von oben nach unten anzubringen. Das Ende einer Spalte deutet den Übergang zur nächsten Tätigkeitsreihe an, indem der letzte Prozessschritt dem nächsten Bearbeiter signalisiert, dass er nun den Vorgang übernehmen kann. Charakteristisch für das Story Mapping ist, dass es auf die Darstellung von Verzweigungen als Beschreibung alternativer Bearbeitungsmöglichkeiten verzichtet. Um die Komplexität zu verringern, gilt dabei die Regel, auf Selbstverständliches zu verzichten und nur das zu beschreiben, was für das Verständnis des Vorgehens notwendig ist. Am Prozess „Bearbeitung Buchzugang“ soll nun diese Methode verdeutlicht werden: Tab. 3.7: Beispiel Story Mapping. Bucheingang
Titelaufnahme
Sacherschließung Technische Bearbeitung
Bereitstellung
Buchlieferung prüfen
Buch formal erschließen
Buch sachlich erschließen
Buch am Standort einstellen
Buch inventarisieren
Bucheinband bearbeiten Signatur bearbeiten
Buchrechnung bearbeiten
Wann ist Story Mapping für Sie geeignet? – Wenn Sie Prozesse für sachkundige Personen im Sinne einer Checkliste darstellen möchten – Wenn Sie zügig eine überblicksartige Prozessdarstellung benötigen – Wenn Sie vollständig auf die Darstellung von Verzweigungen verzichten können
22 Vgl. dazu: Steinbrecher (2017).
3.3 Prozesse erheben und analysieren
139
Wann eignet sich Story Mapping für Sie nicht? – Wenn Sie einen Prozess detailliert untersuchen wollen – Wenn Sie den Prozess neuen Beschäftigten vorstellen möchten, die bisher nicht mit den Abläufen vertraut sind Ablauf des Workshops Zur Durchführung eines Workshops gibt das Organisationshandbuch des Bundes wichtige Hinweise.23 Konkret auf die Prozessbeschreibung bezogen, kann ein beispielhafter Ablauf für Workshops wie folgt aussehen: 1. Zu Beginn des Workshops stellen sich die Teilnehmenden kurz vor und nennen ihre Erwartungen an die Prozesserhebung im Allgemeinen und speziell an den Workshop. Wichtig ist, dass die moderierende Person bereits in dieser Phase, den Ablauf des Workshops sowie ihre Methode vorstellt und Gelegenheit zum Nachfragen gibt. 2. Kern des Workshops ist die eigentliche Arbeitsphase, in der eine der zuvor vorgestellten Methoden angewandt werden kann. Größere Gruppen, die umfangreiche Prozesse zu beschreiben haben, werden am besten in Kleingruppen aufgeteilt, die auf diese Art einzelne Teilprozesse beschreiben und im Anschluss im Plenum präsentieren. Aufgabe der moderierenden Person ist es in diesen Fällen, die Verbindung der Teilprozesse zu einem Gesamtprozess zu unterstützen. Themen, die nur entfernt etwas mit der Prozessbeschreibung zu tun haben, aber nicht in Vergessenheit geraten sollten, können einem Themenspeicher zugeordnet werden, dessen Inhalte zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen werden. 3. Als Abschluss eines jeden Workshops ist ein einheitliches Verständnis über das Ergebnis zu erreichen. Hierbei hilft es, die an die Moderationstafel gepinnten Visualisierungen oder die auf dem Tisch ausgelegten Darstellungen zusammenzufassen. Im Idealfall wird Einigkeit erzielt. Aber auch gegensätzliche Meinungen sind abzubilden und zu begründen. Hilfreich ist in jedem Fall ein Ablaufplan für die Moderation wie in nachfolgender Tabelle am Beispiel der Modellierung eines einfachen Teilprozesses dargestellt.
23 Vgl. Bundesministerium des Innern ; Bundesverwaltungsamt (2015), S. 249–252.
140 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Tab. 3.8: Ablauf eines moderierten Workshops. Tagesordnungspunkt/Ziel
Inhalt/Verantwortlich
Dauer
Begrüßung und Einführung Ziel: Aufwärmphase und Transparenz zur Veranstaltung
Vorstellung, Erwartungsabfrage, Ablauf der Moderation
15–30 Min.
Arbeitsphase Ziel: Teilnehmende in die Arbeit einbinden und gemeinsam zu einem Ergebnis führen. Raum für Anmerkungen auch kritischer Art geben.
Prozessschritte, Arbeitsmittel, Methoden, Arbeitsgrundlagen, Verbesserungsbereiche visualisieren.
60–90 Min.
Abschluss Ziel: Transparenz über weitere Aktivitäten schaffen
Zusammenfassung, offene Fragen klä15 Min. ren, darstellen, wie es weitergeht, Feedback zu Workshop einholen.
Nach der Veranstaltung dokumentiert die moderierende Person die Ergebnisse der Gruppe, beispielsweise durch Abfotografieren, und versendet diese an die Beteiligten. Bewährt hat sich, zusätzlich zu der Fotodokumentation ein schriftliches Protokoll zu verfassen, in dem die Teilnehmenden, Datum, Uhrzeit und Ort des Workshops sowie die wichtigsten Diskussionsbeiträge aufgelistet werden können. Unterstützend für die Weiterarbeit ist, am Schluss des Protokolls, Aufträge, die sich aus der Workshoparbeit ergeben haben, wie nachfolgend dargestellt, tabellarisch zusammenzufassen. Tab. 3.9: Zeit- und Maßnahmenplan. Beschlüsse: Wer
Macht was
Bis wann
Herr Beispiel
Besorgt Moderatorenkarten für den nächsten Workshop Holt Angebot für die Moderation ein.
Bis spätestens ei- Nicht angefangen ne Woche vor Workshop unverzüglich Gestartet
Frau Muster
,,,
Status
Bemerkungen
Prüfen, wie viel Haushaltsmittel zur Verfügung stehen.
…
Wann ist ein Workshop für Sie geeignet? – Wenn Sie durch die Beteiligung einer Gruppe von Personen die Akzeptanz für gewonnene Lösungsvorschläge erhöhen möchten
3.3 Prozesse erheben und analysieren
–
– – –
141
Wenn möglichst alle Teilaspekte der Problemstellung angesprochen werden sollen und mittels der Moderationstechniken dafür gesorgt werden kann, dass Diskussionen und Gruppenarbeit systematisch und effizient zu einem verwertbaren Ergebnis führen Wenn erste Optimierungspotenziale gleichzeitig identifiziert und die Prozessbeteiligten direkt in die Konzeption der Soll-Prozesse eingebunden werden sollen Wenn Sie innerhalb kurzer Zeit möglichst viel erreichen wollen Wenn Sie mit Hilfe der Gruppenmitglieder sowie deren vielfältigen Sichten die Beantwortung offener Fragestellungen fördern möchten
Wann eignet sich ein Workshop für Sie eher nicht? – Wenn es Ihnen nicht gelingt, einen Moderator oder eine Moderatorin zu gewinnen, der oder die Erfahrung, Schlagfertigkeit und flexibles Denken mitbringt – Wenn die Chance in Ihrer Bibliothek gering ist, die Dominanz Einzelner zugunsten der Beteiligung aller zu beschränken Reflexion Vergleichen Sie die Vor- und Nachteile von Interview und Workshop. Stellen Sie fest, welche der beiden Methoden für Ihre Bibliothek geeignet ist.
Prozesssteckbrief Unabhängig davon, ob die Prozesserhebung mittels Interview oder Workshop erfolgt, ist die Dokumentation der beschriebenen Prozesse zwingende Voraussetzung sowohl für die nachfolgenden Schritte der Modellierung und Analyse als auch für eine nachhaltige Ergebnissicherung. Als Zwischenstufe zwischen der verbalen Prozessbeschreibung und der visualisierten Prozessmodellierung eignet sich ein Prozesssteckbrief. In einem Prozesssteckbrief können wichtige qualitative und quantitative Daten einzelner Prozesse hinterlegt werden, ohne den Prozess schon im Detail zu modellieren.24 Die wichtigsten in einem Prozesssteckbrief notierten Angaben sind: – Die Prozessbezeichnung in knapper Kurz- und in ausführlicher Langfassung – Die Einordnung des Prozesses als Management-, Service- oder Kernprozess in der Prozesslandkarte der Bibliothek (vgl. Kapitel 2.3.2) – Die Prozessverantwortlichen – entweder als Einzelperson oder Team – Wesentliche auslösende Ereignisse für den Beginn des Prozesses – Die Auftraggebenden oder Kunden
24 Vgl. Sächsisches Staatsministerium des Innern (o. J.).
142 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
– – –
Das Start- und Ende-Ereignis des Prozesses Störfaktoren, die den Prozessverlauf möglicherweise beeinflussen Das Datum des Prozesssteckbriefes
Weitere Angaben, die in einem Prozesssteckbrief nützlich sind, können nachfolgendem Beispiel eines Prozesssteckbriefes der Hochschule der Medien Stuttgart entnommen werden. Tab. 3.10: Beispiel Prozesssteckbrief. Prozessname Prozessart Hauptprozess
Kernprozess
Teilprozess
Übergeordneter
Managementprozess Serviceprozess Hauptprozess:
Zeitdauer des gesamten Prozesses
Ist-Wert
Ziel-Wert
Prozessziele / Prozesskennzahlen Wesentliche Störfaktoren, schwierige Schnittstellen
Ist-Wert
Ziel-Wert
Prozessverantwortliche(r) Prozessteam Anfangsereignis des Prozesses Endereignis Wer sind die Kunden? Welche Ergebnisse sollen mit diesem Prozess (je nach Kunde) erreicht werden? Wer ist Auftraggeber / Auslöser? Welche Eingaben benötigt der Prozess? Häufigkeit des Prozesses (1 x jährl., mehrmals, etc.)
Besonderheiten des Prozesses Wesentliche Prozessänderungen ggü. Vorversion Versionierung
Version
Letzte Prüfung
Nächster Prüftermin
3.3 Prozesse erheben und analysieren
143
3.3.2 Ist-Prozess darstellen Die Aufnahme und verbale Beschreibung von Prozessen, beispielsweise mit Hilfe von Befragungen, sind wichtige Voraussetzungen für die Betrachtung und kritische Auseinandersetzung mit den Prozessen einer Bibliothek. Gleiches gilt für die gemeinschaftliche Darstellung von Prozessen in Workshops unter Anwendung bildhafter oder gegenständlicher Elemente. Die Beschreibungen stellen, jede auf ihre Art, eine Informationssammlung über die wichtigsten Merkmale eines Prozesses dar. Nun kommt es in einem weiteren Schritt darauf an, eine auswertbare Übersicht über den Verlauf des Prozesses, seine wichtigsten Akteure sowie seinen Anlass und Nutzen zu gewinnen. Versetzen Sie sich in die Situation zu Beginn einer Wanderung: Vielleicht haben Sie schon etwas über einen attraktiven Wanderweg gelesen. Aber erst anhand einer Wanderkarte können Sie sich die notwendige Orientierung verschaffen. Im Prozessmanagement übernimmt die Modellierung als bildhafte Darstellung von Prozessen die Funktion einer Wanderkarte (vgl. Kapitel 2.6). Grundsätze der Modellierung Bei der Modellierung müssen Sie wie bei der Erhebung darauf achten, dass die Darstellung systematisch die Prozessfolge abbildet. Das heißt, Sie beschreiben zunächst ein Ereignis, das den Prozess auslöst sowie ein Ereignis, das als Ergebnis des Prozesses eindeutig festgestellt werden kann. Dazwischen sind die einzelnen Tätigkeiten aufzuzeigen, die zu durchlaufen sind, um das Ergebnis zu erreichen. Dazu ein einfaches Beispiel:
Abb. 3.10: Prozessdarstellung.
Diese formalen Regeln sind stets einzuhalten, reichen aber für eine Modellierung, die eine Mindestqualität erreichen soll, nicht aus. Als Empfehlung für die Gestal-
144 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
tung einer „guten“ Modellierung verweist Susanne Koch auf die „Grundsätze ordnungsgemäßer Modellierung“25: Grundsatz der Richtigkeit Er fordert, dass die Darstellung des Ist-Zustands diesem in seinen wesentlichen Teilen entspricht. Dies bewirken Sie dadurch, dass Sie praxiserfahrene Beschäftigte die Modellierung prüfen und notwendige Anmerkungen machen lassen. Sie müssen die modellhafte Darstellung nachvollziehen können und die Richtigkeit bestätigen, erst dann ist davon auszugehen, dass die Modellierung der Realität entspricht. Grundsatz der Relevanz Nach diesem Grundsatz sind alle für den Modellierungszweck relevanten Aspekte in der Darstellung zu berücksichtigen. Dies kann nur gelingen, wenn bekannt ist, wofür der Prozess modelliert wird. Erstellen Sie beispielsweise das Modell für die Beschreibung von Anforderungen an ein neues Ausleihverfahren? Dann müssen Sie die Sicht der Informationstechnik berücksichtigen, die beispielsweise Aussagen über Schnittstellen zu anderen Fachverfahren benötigt. Oder dient Ihnen die Prozessdarstellung als Modell zur Erhöhung der Auskunftsqualität? In diesem Fall sollten Sie die Aktionen zwischen Auskunft suchenden und Auskunft gebenden Personen in den Mittelpunkt stellen. Grundsatz der Wirtschaftlichkeit Er sagt aus, dass der Prozess mit seinen Teilprozessen nur bis zu der Tiefe darzustellen ist, die ausreicht, um den Modellierungszweck zu erfüllen. Können Sie im weiteren Detaillierungsgrad nur noch Selbstverständlichkeiten des Prozessschritts beschreiben, sind die Grenzen der Darstellung erreicht. Ist beispielsweise das Aufklären über die Benutzungsbedingungen eng mit dem eigentlichen Anmeldevorgang verbunden, dann müssen Sie diese Tätigkeit nicht gesondert darstellen. Der Grundsatz beinhaltet weiterhin, dass Sie nicht jedes Modell neu erzeugen müssen, sondern auch auf sogenannte Referenzmodelle verweisen können. Grundsatz der Klarheit Dieser Grundsatz besagt, dass die Modellierung lesbar, verständlich sowie so anschaulich wie möglich zu sein hat. Klarheit erreichen Sie in der praktischen Anwendung dadurch, indem Sie das Startereignis auf der linken Seite bei horizontaler Darstellung oder oben bei vertika-
25 Koch (2011), S. 48–51.
3.3 Prozesse erheben und analysieren
145
ler Darstellung verorten. Die Prozessfolge ist nach rechts beziehungsweise nach unten zu lesen. Verbindungslinien sollten sich so wenig wie möglich kreuzen. Falls es für das Verständnis notwendig ist, fügen Sie weitere Symbole ein. Ein Prozessmodell sollte zudem aus Gründen der Übersichtlichkeit immer auf einer DIN A4 Seite, aber noch gut lesbar, ausgedruckt werden können. Ist dies nicht möglich, bilden Sie Teilprozesse. Grundsatz der Vergleichbarkeit Modelle, die von mehreren Personen oder mit unterschiedlichen Modellierungsverfahren erstellt wurden, sollten miteinander vergleichbar sein. Grundsätzlich ist ratsam, dass Sie sich in Ihrer Bibliothek auf ein Modellierungstool und einheitliche Modellierungsregeln einigen (vgl. Kapitel 2.6). Grundsatz des systematischen Aufbaus Auch wenn zu verschiedenen Zwecken und aus unterschiedlichen Perspektiven heraus modelliert wird, ist darauf zu achten, dass eine übergreifende Sicht sichergestellt wird. Achten Sie darauf, dass immer die handelnde Organisationseinheit zu erkennen ist und der Prozess sich in die Systematik der Prozesslandkarte Ihrer Bibliothek einfügt. Die oben beschriebenen Grundsätze der Richtigkeit, Relevanz und Wirtschaftlichkeit gelten als verpflichtende Grundsätze. Hingegen stellen die Grundsätze der Klarheit, Vergleichbarkeit und des systematischen Aufbaus die Kür dar. Modellierung vorbereiten Bevor Sie mit der eigentlichen Modellierung beginnen, sollten Sie klären, wie Sie die Prozesse ihrem Bedarf entsprechend aufbereiten. Modellierung ohne technische Unterstützung Benötigen Sie keine dauerhafte Dokumentation und wollen nur für einen kleinen Personenkreis einen Prozess darstellen? Dann reicht es aus, wenn Sie ohne technische Unterstützung auf Papier modellieren. Diese Art der Modellierung können Sie auch mit einer Gruppe im Rahmen eines Workshops am Flipchart, an einer Moderationstafel oder auch mit Hilfe von Bildkarten beziehungsweise Bausteinen vornehmen. Wenn Sie sich dazu entschließen, die Modellierung doch noch zu dokumentieren, können Sie die Ergebnisse abfotografieren. Oder Sie übertragen die auf Papier oder andere Art vorgenommene Modellierung in ein Softwaresystem.
146 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Modellierung mit Standardsoftware Haben Sie nur wenige Prozesse in einem geringen Detaillierungsgrad zu modellieren? Diese können Sie mit einer Standardsoftware wie Microsoft PowerPoint abbilden. Eine Standardsoftware ist zudem ausreichend, wenn Sie die Modelle nur für ein begrenztes Projekt einsetzen. Modellierung mit speziellen Tools Ist der zu untersuchende Prozess komplex und sind die erhobenen Daten umfangreich? Oder sind in Ihrer Bibliothek viele Geschäftsgänge und Prozesse zu betrachten, die zahlreiche Abhängigkeiten zueinander aufweisen? In diesen Fällen sollten Sie prüfen, ob sich die Anschaffung eines speziellen Modellierungstools lohnt. Susanne Koch26 beschreibt dazu etliche Vorteile: – Modellierungstools sind meist datenbankgestützt und ermöglichen, bestimmte Elemente oder Referenzprozesse mehrfach einzusetzen. – Die Objekte lassen sich logisch verknüpfen und die Prozesse können anhand verschiedener Kriterien ausgewertet werden. – Die Modellierung kann in zahlreichen Detaillierungsgraden angezeigt werden. Die Übersichtlichkeit bleibt auch bei hohem Detaillierungsgrad vorhanden. – Tools verfügen im Regelfall über eine Versions- und Zugriffskontrolle. So können mehrere Personen gleichzeitig an einem Modell arbeiten. – Das standardisierte Vorgehen vereinfacht die Zusammenführung einzelner Teile. Zu bedenken ist allerdings, dass der Einsatz von Modellierungstools kostenintensiv ist. Kostentreiber sind sowohl der Kauf oder die Lizenzierung als auch die Schulungen für die modellierenden Beschäftigten. Hinzu kommt, dass die Software die Methodik vorgibt. Die Freiheit, je nach Bedarf eine besondere Methodik anzuwenden, entfällt damit (vgl. Kapitel 2.6.3). Modellierung umsetzen Zum Schluss dieses Abschnittes wird beschrieben, was bei der eigentlichen Modellierung zu beachten ist. Zwei Grundsätze vorab: 1. In jedem Fall orientiert sich die Systematik der Modellierung an der Prozesslandkarte. 2. Die visuelle Modellierung folgt möglichst der verbalen Beschreibung.
26 Koch (2011), S. 51–54.
3.3 Prozesse erheben und analysieren
147
Entwurf skizzieren Verwenden Sie die Ergebnisse aus Workshops und Befragungen als erste Entwurfsskizze und orientieren Sie sich an der verbalen Beschreibung, die Sie im Prozesssteckbrief vorfinden. Symbole auswählen Die Modellierungssprachen bedienen sich verschiedener Symbole (vgl. Kapitel 2.6.2). Nach der Devise „weniger ist mehr“ sollten Sie nur die Symbole einsetzen, die unbedingt notwendig sind, um die Einheitlichkeit der Modellierung und das Verständnis für den Prozess zu fördern. Unbedingt benötigen Sie folgende Symbole: – Start- und Ende-Ereignis meist dargestellt als Kreis oder Oval. – Prozesse oder Prozessschritte symbolisiert als Rechteck oder abgerundetes Rechteck. – Verzweigungen in Form von Rauten. – Verbindungen, die als Pfeile dargestellt werden.
Abb. 3.11: Symbole für die Modellierung.
Sollen neben dem reinen Verlauf auch die Zuständigkeiten dargestellt werden, ist es sinnvoll, den oben genannten Symbolen noch einen Rahmen zu geben. Innerhalb des Rahmens können die Funktionen abgebildet werden, die für einzelne Prozessschritte zuständig sind. Die Zeilen mit den Funktionen, in der Fachsprache auch „Bahnen“ oder „Lanes“ genannt, beinhalten die zur Funktion passenden Prozessschritte.
148 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Abb. 3.12: Prozessmodell mit Bahnen.
Detaillierungsgrad festlegen Ebenfalls vor dem Start der Modellierung, müssen Sie überlegen, in welchem Detaillierungsgrad Sie den Prozess beschreiben möchten. Hier gilt die Devise „vom Groben zum Feinen“. – Von der Anzahl der Beteiligten hängt ab, wie viele Funktionen Sie in einzelne Bahnen abtrennen. Nicht immer ist sinnvoll, für jede einzelne Stelle, die möglicherweise nur einen winzigen Beitrag zum Prozess leistet, eine Bahn vorzuhalten. Dies kann auch im Prozesssymbol selber oder in einer Anmerkung notiert werden. – Nicht jeder Handgriff ist zu beschreiben. Nur wenn die Detailkenntnis für die Analyse erforderlich ist, sind auch Einzelheiten der Prozessschritte abzubilden. – Beachten Sie, dass jede Beschreibungsebene beim Ausdruck auf eine DIN A4 Seite passen sollte! Ist das für Ihren Beschreibungszweck nicht ausreichend, dann teilen Sie einen Prozess in Teilprozesse auf. – Für zusätzliche Erläuterungen fügen Sie Anmerkungen ein. – Kennzeichnen Sie die Übergänge von einem Teilprozess zum nächsten. – Handelt es sich um umfangreiche Prozesse, so erleichtert die Nummerierung der einzelnen Prozessschritte den Überblick. Modellierung abschließen Die modellierten Prozesse sind vor ihrer Finalisierung nochmals mit denjenigen abzustimmen, die die Tätigkeiten praktisch ausüben. Notwendige Korrekturen sind zu berücksichtigen. Sind die oben geschilderten Schritte durchlaufen, liegt eine aussagekräftige Darstellung vor, die gemeinsam mit der verbalen Beschreibung eine wichtige Grundlage für die nun nachfolgende Analyse bildet.
3.3 Prozesse erheben und analysieren
149
Reflexion Modellieren Sie mit Hilfe von Standardsoftware einen von Ihnen ausgewählten Prozess. Setzen Sie dabei die beschriebenen Symbole ein.
3.3.3 Ist-Prozess analysieren Es gibt Wanderkarten, auf denen bewusst eine Vielzahl von Schleifen und Wiederholungen dargestellt werden. Der Wanderer kann daraus nach eigener Einschätzung seiner Konstitution und Präferenz die Strecke wählen, die er für gangbar hält. Hingegen geht es bei der Gestaltung optimaler Prozesse darum, ein Arbeitsergebnis mit möglichst wenig Umwegen und Wiederholungen für eine Mehrzahl von Beteiligten zu erreichen. Die bei der Ist-Aufnahme erstellten Prozessmodelle lassen häufig schon erkennen, dass ein Prozess Schwächen hat. Offensichtlich ist das, wenn der Prozessverlauf wiederholt mehrere Alternativen aufzeigt, von einer Organisationseinheit zur anderen springt oder sogar diverse Schleifen bildet. Eine solche erste Betrachtungsweise als Einstieg für eine Prozessanalyse ist geeignet, bei den Beteiligten ein Verständnis dafür zu erzeugen, dass der Prozess Optimierungsbedarf hat und genauer zu betrachten ist. Hierfür wird im Prozessmanagement typischerweise die Methode der Aufgabenkritik verwendet. Aufgabenkritik Die Aufgabenkritik dient dazu, so das Organisationshandbuch des Bundes27, Optimierungspotenzial für den Ressourceneinsatz zu erkennen. Vorrangig werden dabei die Aufgaben einer Organisation nach folgenden Aspekten untersucht: 1. Können Aufgaben oder Teile davon künftig wegfallen? Beispiel: Mit der Inventarisierung eingehender Bände im Erwerbungssystem ist die Frage zu stellen, ob es noch erforderlich ist, ein manuelles Akzessionsjournal zu führen. 2. Können Aufgaben oder Teile davon von einer anderen Organisationseinheit erbracht werden? Beispiel: Kann die Reservierung von Selbstbedienungsgeräten in Lesesälen von einer zentralen Telefonauskunft übernommen und damit die Lesesaalauskunft entlastet werden?
27 Bundesministerium des Innern ; Bundesverwaltungsamt (2015), S. 96–97.
150 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
3.
Können Aufgaben an sich effizienter gestaltet werden? Beispiel: Können Fernleihanträge durch Einführung von Webformularen medienbruchfrei und damit schneller bearbeitet werden?
Mit den ersten beiden Fragen wird eine Zweckkritik durchgeführt. Anhand der dritten Frage wird nicht mehr die Notwendigkeit des Prozesses an sich bewertet, sondern dessen Ablauf. Sie dient damit der Vollzugskritik. Eine Aufgabenkritik startet immer mit der Zweckkritik. In der anschließenden Vollzugskritik werden nur noch die Aufgaben untersucht, die übrig bleiben.
Abb. 3.13: Prüfschema Aufgabenkritik (Quelle: Organisationshandbuch des Bundes28).
Die Vollzugskritik prüft, ob der Prozess an sich effizient abläuft. Mit ihr sind sämtliche Schwachstellen aufzudecken, die den Verlauf des Prozesses negativ beeinflussen.
28 Bundesministerium des Innern ; Bundesverwaltungsamt (2015), S. 98.
3.3 Prozesse erheben und analysieren
151
Beispiele für Schwachstellen bibliothekarischer Art sind: – Beträgt die Laufzeit für die Einarbeitung eines Buches, beispielsweise in einer öffentlichen Bibliothek, von der Akzession bis zur Freischaltung im OnlineKatalog ein halbes Jahr, könnte dies ein Hinweis auf Transport- und Liegezeiten an zu vielen Geschäftsgangsstationen sein. – Eine regelmäßige Wartezeit von 3-4 Tagen, vom Zeitpunkt der Online-Bestellung bis zur Bereitstellung im Abholbereich einer wissenschaftlichen Bibliothek, kann sich ergeben, wenn stark genutzte Bestände in schlecht erreichbaren Außenmagazinen untergebracht sind. – Sind wiederholt aufwendige Abstimmungen zu einzelnen Geschäftsgängen notwendig, deutet dies auf komplexe Regeln oder unklare Zuständigkeiten hin. – Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter äußern sich unzufrieden über ihre Arbeit. Dies lässt mangelnde Standards oder unzureichende Qualifikation vermuten. Für die systematische Ermittlung von Schwachstellen ist ein festes Fragenraster empfehlenswert. Die konsequente Anwendung, auch scheinbar zu vernachlässigender Aspekte, macht die Analyse im Anschluss erst nachvollziehbar und für Außenstehende erklärbar. Nachfolgendes Fragenraster nach dem Methodenhandbuch Prozessmanagement Mecklenburg-Vorpommern29 soll einen ersten Eindruck davon vermitteln: – Sind die Durchlaufzeiten bibliothekarischer Geschäftsgänge zügig und ist die Fehlerquote gering? – Werden Schnittstellen mit anderen bibliothekarischen Bereichen auf das Notwendigste reduziert, also Vorgänge an nur wenigen Geschäftsgangsstationen bearbeitet und somit Transport- und Liegezeiten vermieden? – Sind die Regelungen für Geschäftsgänge transparent und an zentraler Stelle einsehbar? – Werden mittels durchgehender elektronischer Bearbeitung Medienbrüche vermieden? – Können die Beschäftigten auf geeignete Arbeitsmittel zugreifen? Sind diese zuverlässig verfügbar und entsprechen dem aktuellen Standard? – Sind die Arbeitsbedingungen, beispielsweise durch passende Teamstrukturen und variable Arbeitsformen, zufriedenstellend? – Wurden Prozessvarianten entwickelt und verglichen? – Sind die vielfältigen Bearbeitungsmöglichkeiten auf ein notwendiges Maß verringert und überflüssige Tätigkeiten beseitigt worden? – Verfügen auch die Führungskräfte über Prozesskenntnisse?
29 Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern (2012), S. 81.
152 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Wie schon bei der Erhebung der Ist-Prozesse ist auch bei der Aufgabenkritik eine nachvollziehbare Dokumentation zwingend erforderlich. Sie ist eine wichtige Grundlage, um in einem weiteren Schritt den Veränderungsbedarf gegenüber Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Beschäftigtenvertretungen plausibel erklären zu können. Nachfolgende Tabelle zeigt ein Schema für einen Fragebogen zur Aufgabenkritik wie er in ähnlicher Form in der Staatsbibliothek zu Berlin verwendet wird. Tab. 3.11: Fragenbogen Aufgabenkritik. Fragenkatalog Aufgabenkritik
Hauptprozess: Teilprozess: Bewertung am: Bewertung durch: Bewertung / Begründung / Kommentare
Zweckkritik 1. Kann die Aufgabe bzw. eine Teilaufgabe komplett wegfallen? Wenn ja, warum? 2. Kann der Leistungsumfang der Aufgabe bzw. einer Teilaufgabe reduziert werden? 3. Kann die Aufgabe bzw. eine Teilaufgabe von einer anderen Organisationseinheit übernommen werden? Wenn ja, von welcher? Vollzugskritik 4. Wird die Aufgabe an mehreren Stellen bearbeitet? Wenn ja, lassen sich die beteiligten Stellen reduzieren? 5. Ist berücksichtigt, dass Kompetenz und Verantwortung für den Vorgang in einer Hand liegt? Wenn nein, was spricht dagegen? 6. Stehen den Beschäftigten alle Informationen zur Verfügung, die sie für die Vorgangsbearbeitung benötigen? Wenn nein, wie können ausreichende Informationen sichergestellt werden? 7. Gibt es Medienbrüche im Verlaufe des Prozesses? Wenn ja, wie lassen sich diese vermeiden? 8. Sind viele Sonderregeln vorhanden? Wenn ja, lassen sich Arbeitsschritte standardisieren? 9. Erscheinen die Durchlaufzeiten (Bearbeitungsund Liegezeiten, Transporte) zu lang? Wenn ja, wie können sie verkürzt werden? 10. …
3.3 Prozesse erheben und analysieren
153
Ideen- und Störungspool Eine Variante der Aufgabenkritik ist, anhand eines Ideen- und Störungspools die Schwachstellen eines Prozesses deutlich zu machen. Der Ideen- und Störungspool wurde an der Hochschule der Medien Stuttgart entwickelt und basiert darauf, Nutzen, Qualitätsstandards, Störfaktoren und Verbesserungspotenziale mithilfe von Leitfragen zu ermitteln: 1. Zum Nutzen des Prozessschritts – Welchen Nutzen hat der einzelne Prozessschritt? – Für wen wird die Leistung erbracht? Wem nützt sie? – Ist der Prozessschritt unbedingt notwendig? Kann darauf verzichtet werden? – Wer würde sich beschweren, wenn der Prozessschritt künftig entfiele? 2. Zur Qualität des Prozessschritts – Kann die Qualität / die Ausführung der Leistungserbringung verändert werden? – Ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Prozessschritts ausgewogen? – Kann der Prozessschritt statt auf alle Fälle auf Ausnahmen beschränkt werden? – Sind die vorhandenen Hilfsmittel für die Leistungserbringung geeignet? 3. Zu den Störfaktoren/Verbesserungspotenzialen – Welche Störfaktoren treten in der Prozesskette auf? – Kann der Umfang (Menge, Turnus) des Prozesses verringert werden? – Sind die momentanen Beteiligungen/Mitwirkungen bei der Leistungserstellung zweckmäßig bzw. erforderlich? – Wie könnte der gesamte Teilprozess optimiert, vereinfacht, verbessert werden? – Kann der ganze Teilprozess evtl. in eine andere Organisationseinheit verlagert werden? Die Fragestellung des letzten Prüfpunktes „Störfaktoren/Verbesserungspotenziale“ deutet bereits den Übergang an, der von der Phase der Aufgabenkritik hin zur Weiterentwicklung und Verbesserung des Prozesses zu beschreiten ist. Die Abgrenzung der Phasen des Analysierens und Verbesserns ist nicht immer deutlich zu erkennen und sie muss es auch nicht. Die Praxiserfahrung zeigt, dass im Regelfall bereits beim Analysieren zahlreiche Ideen für Optimierungspotenziale entstehen. Dies ist durchaus gewollt. Dennoch sollte auch die nächste Phase der Bewertung und Verbesserung systematisch durchlaufen werden. Darauf wird im nächsten Kapitel eingegangen.
154 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Reflexion Testen Sie anhand eines Prozesses Ihrer Bibliothek den Fragebogen Aufgabenkritik sowie die Fragen des Ideen- und Störungspools. Welches Verfahren ist für Ihre Bibliothek besser geeignet?
3.3 Prozesse erheben und analysieren
155
Blick in die Praxis: Modellierung von Prozessen mit Holzbausteinen Interview mit Hartmut Gardlo zur Modellierung von Prozessen mit Holzbausteinen Hartmut Gardlo ist Diplom-Verwaltungswirt und Lehrtrainer für verhaltensorientierte Fortbildung, Supervision/Coaching sowie Universitärer Projektmanager.
Wie kamen Sie auf die Idee, Prozesse mit Holzbausteinen darzustellen? Hartmut Gardlo: Die Idee, Holzbausteine zur Modellierung von Prozessen einzusetzen, entstand bei der Suche nach einer Methode, eine Projektplanung im Rahmen eines Workshops zu veranschaulichen. Dabei stellte ich fest, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der praktischen Anwendung stark engagierten und innerhalb kurzer Zeit zu guten Ergebnissen kamen. Seither nutze ich die Methode wiederholt, um auch klassische Arbeitsprozesse darstellen zu lassen.
Wie muss ich mir das Modellieren mit den Holzbausteinen vorstellen? Hartmut Gardlo: Es gibt verschiedene Formen von Holzbausteinen, die jeweils Elemente der Prozessmodellierung symbolisieren. Beispielsweise werden Prozessschritte durch schmale Holzständer dargestellt. Würfel bilden Verzweigungen ab und als Treppen gestaltete Bausteine sind die Risiken oder Eingangshürden eines Prozesses. Als Kurzbeschreibung werden die Ereignisse auf nummerierten Karten notiert und auf die zugehörigen Bausteine gesteckt. Alle Elemente werden auf einem großen Tisch oder auf dem Boden aufgestellt und so der Verlauf eines Prozesses nachgebildet.
Was unterscheidet das Modell von anderen Modellierungsmöglichkeiten, beispielsweise der Bildkartenmethode? Hartmut Gardlo: Die Bildkartenmethode unterstützt durch bildhafte Symbole und das Auslegen der Prozesse die Kreativität der Beteiligten. Sie setzt aber weiterhin auf das Verschriftlichen der Prozessdarstellungen. Hingegen unterstützt die Dreidimensionalität der Bausteinmethode das haptische Herangehen an einen Prozess und bietet so eine alternative Betrachtungsweise. In die Holzwürfel wird deren Bedeutung zunächst hineininterpretiert, das heißt die Kontextualisierung entsteht beim Aufbau und der Anordnung mit den Holzwürfeln.
156 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Wie reagieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Workshops auf den Einsatz der Holzbausteine? Hartmut Gardlo: Nach anfänglicher Skepsis tauen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schnell auf. Das gelingt, indem ich als Moderator gezielte Fragen zum Prozessverlauf stelle und dazu animiere, diesen durch das Legen der Holzbausteine nachzubilden. Die Methode wird schnell verstanden. Der Zurückhaltung zu Beginn folgt rasch eine Dynamik, die die Rolle der Moderation immer mehr in den Hintergrund treten lässt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass selbst bei Teilnehmenden aus oberen Hierarchieebenen schnell die Neugier geweckt wird. Die spielerische Anwendung fördert das Mitmachen.
Sind die Erwartungen, die Sie an diese Art von Modellierung hatten, erfüllt worden? Hartmut Gardlo: Ja, denn die Methode kann auch ohne Vorkenntnisse und Übung angewandt werden. Es ist kein technisches Know-how nötig. Die Abstraktheit einer Prozessbildung auf dem Papier wird durch das Haptische aufgelöst. Die ungewohnte Aufstellung führt dazu, dass überraschende Fragen gestellt werden und auch originelle Prozesse ausprobiert werden. Insbesondere Beteiligte, die nicht direkt mit den Prozessen zu tun haben, bereichern die Modellierung, indem sie den Prozess gezielt hinterfragen. Die Anwendung im Rahmen eines Workshops ermöglicht eine gegenseitige Kontrolle und ein Korrektiv. Da die Prozesse selber gestaltet wurden, steigt die Bindungswirkung der erstellten Prozesse. Die nachhaltige Wirkung ist damit deutlich höher als bei normalen Prozessbeschreibungen. Eine Schwierigkeit gilt es aber zu überwinden: Die Größe der mit den Holzklötzen ausgelegten Prozesse erlaubt es nicht, diese über einen längeren Zeitraum liegen zu lassen. Es ist damit nötig, die Aufstellung durch Fotografieren zu dokumentieren. Alternativ können die Prozessschritte nach dem Workshop aufgeschrieben werden. Am wirksamsten ist es, wenn ein bestehender Ist-Prozess noch während des Workshops als Soll-Prozess gestaltet und dokumentiert wird. Das wird aber nur bei kleineren Prozessen möglich sein.
Ist der Effekt der Modellierung nachhaltig? Hartmut Gardlo: Um einen nachhaltigen Effekt zu erreichen, müssen die Ziele für die Modellierung feststehen und im Anschluss, die Vorschläge ernsthaft aufgegriffen werden.
3.4 Prozesse gestalten
157
3.4 Prozesse gestalten Wie im vorigen Kapitel beschrieben, stellt die Aufgabenkritik bereits den Übergang zur Neugestaltung von Prozessen dar. Der gesamte Ablauf der Ist-Erhebung und Analyse mag aufwendig erscheinen, trägt aber wesentlich zu der Erkenntnis bei, dass sich etwas ändern muss und wo sich etwas ändern muss. Dies ist eine wichtige Ausgangsbasis für die folgenden Gestaltungs- und Umsetzungsschritte. Schließlich bezweckt Prozessmanagement nicht nur ein rein mechanisches Verändern von Arbeitsabläufen, sondern auch das Überzeugen von Menschen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie Sie die Veränderungsbereitschaft aufgreifen können, um zu einer optimalen Prozessgestaltung zu kommen. Sie lernen kleine Verbesserungen umzusetzen und mittels Kreativitätstechniken ganz neue Lösungen zu entwickeln. Die Phase III – Prozessgestaltung – besteht aus den Bestandteilen: – Analyse bewerten – Schwachstellen beseitigen – Soll-Prozess entwickeln
3.4.1 Analyse bewerten Das Verfahren der Aufgabenkritik bietet Anhaltspunkte, wo die Schwachstellen eines Prozesses liegen. Es sagt noch nichts darüber aus, wie diese Schwachstellen entstanden und ob sie behebbar sind. Das bedeutet, es ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, an welcher Stelle Veränderungen möglich sind. Um den Übergang zu Lösungsansätzen zu finden, ist daher der Umweg über eine Schwachstellen-UrsachenAnalyse zu nehmen. Vorgestellt werden in diesem Zusammenhang das Ishikawa-Diagramm30 sowie eine Schwachstellen-Ursachen-Tabelle. Ishikawa-Diagramm Das Ishikawa-Diagramm dient dazu, mit Hilfe einer leicht zugänglichen Visualisierung aufzuzeigen, welche Faktoren auf den Prozess einwirken und von welchen Schwachstellen der Prozess geprägt ist. Dies gelingt, indem Sie zunächst die wichtigsten Einflussfaktoren identifizieren, wie menschliches Verhalten, ange-
30 Der Name der Ishikawa- oder wegen ihres Aussehens auch als Fischgrätendiagramm bezeichneten Darstellung leitet sich von einem japanischen Professor her, der sie für die Arbeit in Qualitätszirkeln kreierte.
158 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
wandte Methoden oder eingesetzte Technik. Anschließend benennen Sie alle Schwachstellen, die Ihnen zu dem Prozess einfallen.
Abb. 3.14: Beispiel Ishikawa-Diagramm.
Das Ishikawa-Diagramm bauen Sie am besten mit einer Gruppe von praxiserfahrenen Beschäftigten auf, beispielsweise im Rahmen eines Workshops. Gemäß dem Organisationshandbuch des Bundes31 ist dabei in fünf aufeinander folgenden Schritten vorzugehen: 1. Prozessergebnis formulieren Zunächst bilden Sie einen horizontalen Pfeil nach rechts ab, an dessen Spitze das möglichst präzise formulierte und bewertete Ergebnis des Prozesses steht, hier im Beispiel „Lange Bearbeitungsdauer für ein von einem Benutzer bestelltes Digitalisat“. 2. Haupteinflussfaktoren identifizieren Auf den horizontalen Pfeil lassen Sie Nebenpfeile hinführen, die für einzelne Einflussfaktoren stehen. In diesem Schritt sammeln Sie alles, was auf den Prozess einwirkt. Wichtig ist dabei, dass Sie sich auf die Haupteinflussfaktoren konzentrieren. Diese können beispielsweise die handelnden Menschen, die Methode des Vorgehens, Umweltbedingungen, die eingesetzten Hilfsmittel oder Technik sein. Im
31 Vgl. Bundesministerium des Innern ; Bundesverwaltungsamt (2015), S. 277–279.
3.4 Prozesse gestalten
159
Beispiel wird unter dem Faktor Mensch benannt, dass Bestellende unvollständige Angaben machen. 3. Probleme sammeln Unter Einsatz von Kreativitätstechniken wie Brainstorming (vgl. Kapitel 3.4.3) erfassen Sie Schwachstellen als kritische Prozessbestandteile, beispielsweise eine zu geringe Anzahl an Scannern. 4. Bewerten und einordnen Die gesammelten kritischen Prozessbestandteile ordnen Sie den Haupteinflussfaktoren zu. Anschließend forschen Sie nach den Ursachen für die Schwachstellen. Bewährt hat es sich, wenn die moderierende Leitung der Gruppe die Rolle einer unwissenden Person übernimmt und zum Aufspüren der Feinheiten wiederholt nach dem „Warum“ fragt: „Warum wird der Band immer vollständig erschlossen statt nur teilweise?“, „Warum lässt die Entgeltliste keine pauschalen Beträge zu?“ Um den Kern eines kritischen Prozessschrittes zu treffen, zerlegen Sie das Problem in immer kleinere Bestandteile. 5. Auswerten Die so ermittelten Ursachen für die kritischen Prozessbestandteile gewichten Sie nach ihrer Bedeutung und Auswirkung auf das Prozessergebnis. Hierbei können Sie Analysemethoden wie die ABC-Analyse (vgl. Kapitel 3.2.3) heranziehen. Schließlich leiten Sie Optionen für Verbesserungen ab. Wann ist ein Ishikawa-Diagramm für Sie geeignet? – Wenn Sie die Möglichkeit haben, die Ursachen in Gruppenarbeit zu ermitteln – Wenn Sie eine Methode suchen, die durch die Visualisierung das Verständnis für die Ursachen und deren Wirkung fördert Wann eignet sich ein Ishikawa-Diagramm für Sie nicht? – Wenn die kritischen Prozessbestandteile sehr komplex sind. Dann wird das Diagramm durch zu viele Verästelungen unübersichtlich – Wenn Sie auch Vernetzungen oder Wechselwirkungen aufzeigen möchten. Dies wird durch die separate Betrachtung einzelner Einflussfaktoren erschwert Schwachstellen-Ursachen-Tabelle Schwachstellen können auch mit Hilfe einer einfachen Tabelle analysiert werden. Dabei sind die Schwachstellen zunächst zu beschreiben, die Ursachen für die Schwachstellen zu identifizieren und in diesem Zusammenhang herauszufinden, ob
160 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
mit gezielten Maßnahmen das Problem gelöst werden kann. Um möglichst viele Aspekte und Akteure einzubinden, ist wiederum Gruppenarbeit nützlich. Nachfolgendes Beispiel soll diese Art der Ursachensuche verdeutlichen: Tab. 3.12: Schwachstellen-Ursachen-Tabelle. Schwachstelle
Ursachen dafür
Maßnahmen
– Beratung wird regelmäßig – Telefon auf einen Arbeitsdurch eingehende Anrufe unplatz im Hintergrund umleiterbrochen. ten. – Wartende Auskunftssuchen- – Automatische Anrufansage de versuchen sich mit ihren schalten. Fragen in das Beratungsge– Zu besucherstarken Zeiten spräch hineinzudrängen. einen weiteren Auskunftsplatz besetzen. – „Springer“ für Besetzung eines weiteren Auskunftsplatzes bei Bedarf einsetzen. – Gesonderte Theke für Kurzauskünfte einrichten. Unklare Verfahrenswege im Er- – Schriftliche Geschäftsgangs- – Prozessübersichten erstelwerbungsgeschäftsgang. Das papiere fehlen. len. führt zu Unsicherheit im Ab– Einarbeitung neuer Mitarbei- – Arbeitsanweisungen fertilauf. terinnen und Mitarbeiter ergen. folgt aufgrund mündlicher – Geschäftsgangspapiere für Überlieferung. alle erreichbar im Intranet – Die Wissensweitergabe gebereitstellen. staltet sich sehr heterogen. – Regelmäßiger Austausch zu Verfahren. Konzentrierte Beratung am Auskunftsplatz nicht möglich. Dadurch verzögern sich Auskünfte.
Wann ist eine Schwachstellen-Ursachen-Tabelle für Sie geeignet? – Wenn Sie eine einfach anzuwendende Methode einsetzen möchten. – Wenn Sie mit der Ursachenforschung zur Soll-Modellierung und Maßnahmenbeschreibung übergehen wollen. Wann eignet sich eine Schwachstellen-Ursachen-Tabelle für Sie nicht? – Wenn es Ihnen wichtig ist, die Problemursache analytisch bis ins letzte Detail herunterzubrechen. Reflexion Zerlegen Sie einen ausgewählten Prozess nach der Methode „Ishikawa-Diagramm“ und ermitteln Sie so seine wesentlichen Schwachstellen.
3.4 Prozesse gestalten
161
3.4.2 Schwachstellen beseitigen Sind die Schwachstellen eines Prozesses bekannt, dann scheint der Übergang zur Optimierung des Prozesses eine leichte Strecke zu werden. Um hierbei nicht zu stolpern, sollten Sie systematisch vorgehen: Wie lassen sich Schwachstellen auf einfache Weise beseitigen? Welche Schnittstellen sind vermeidbar? Wirkt sich die Veränderung auf die Organisationsstruktur der Bibliothek aus? Prozesse verändern Abhängig von der jeweiligen Schwachstelle, können Prozessveränderungen in mehreren Varianten erfolgen. Dazu hat Cornelius Bauknecht in seiner Masterarbeit32 etliche Beispiele genannt: – Wurden nicht-wertschöpfende Prozessschritte identifiziert, sind diese zu eliminieren. Nicht-wertschöpfend kann das Erheben und Zusammenstellen von identischen Kontaktdaten an mehreren Stellen und zu unterschiedlichen Zwecken sein. – Lohnenswert ist zu prüfen, ob einzelne Prozessschritte auch parallel laufen können. Beispielsweise kann die Formalkatalogisierung anhand Kopien der Titelblätter vorgenommen werden, während das Buch parallel dazu sachlich erschlossen wird. – Mehrere Prozessschritte lassen sich häufig in einer oder wenigen Organisationseinheiten zusammenfassen. So können Inventarisierung, Rechnungsbearbeitung und Erfassen statistischer Daten an einer Stelle bearbeitet werden anstatt in unterschiedlichen Organisationseinheiten. – Ein Prozess ist möglicherweise durch einen anderen Prozess zu ersetzen. Scanner in Außenstellen müssen nicht unbedingt vor Ort reserviert werden. Der Buchungswunsch kann auch durch eine zentrale Auskunft aufgenommen und weitergeleitet werden. – Bei manuellen Prozessschritten sind Automatisierungsmöglichkeiten zu prüfen. Zum Beispiel kann eine Kartei elektronisch, statt mit Zetteln geführt werden. – Häufig vorkommende Prozesse lassen sich standardisieren, indem sie nach einem vorgegebenen Regelwerk ablaufen. Der Anmeldevorgang ist so ein Beispiel. Er kann in Außenstellen wie in der Hauptbibliothek einheitlich durchgeführt werden. Formulare unterstützen die Standardisierung. – Prozessschritte können an Dienstleister oder Benutzende outgesourct werden. Bände bereits gebunden und mit Signaturen versehen beim Lieferanten zu bestellen, wäre eine solche Option. Durch den Einsatz von RFID verbuchen Benutzerinnen und Benutzer die Medien selber, die sie entleihen möchten.
32 Vgl. Bauknecht (2011), S. 78.
162 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
–
Unter Umständen sind outgesourcte Prozessschritte wieder einzugliedern (Insourcing). Stellt sich heraus, dass die Kosten für wiederholte Lieferantenausschreibungen höher sind, als die Bearbeitung der ausgelagerten Dienstleistung in der Bibliothek selber, dann sollten diese Leistungen wieder durch die Bibliothek selber erbracht werden.
Verbesserungen umsetzen Schwachstellen müssen nicht zwingend durch eine umfassende Neumodellierung des Prozesses beseitigt werden. Oft sind es einzelne Ursachen, die den Prozess schwerfällig machen. Diese lassen sich möglicherweise durch gezielte Verbesserungsmaßnahmen beheben. Als Hilfsmittel kann für diese Art der Schwachstellenbeseitigung die „Schwachstellen-Ursachen- Tabelle“ (vgl. Kapitel 3.4.1) weiterentwickelt werden. Tab. 3.13: Maßnahmenplan zur Beseitigung von Schwachstellen. Ziel
Maßnahme
Zuständigkeit/Termin
Die Unterbrechungsquote von – Für die telefonische Auskunft – Benutzungsabteilung / im Beratungen am Auskunftsplatz wird während der Öffnungsnächsten Quartal liegt bei unter 5 Prozent aller zeiten ein Arbeitsplatz im Beratungsfälle. Backoffice besetzt. – Es wird ein Bildschirmarbeitsplatz eingerichtet, ein Dienstplan erstellt und die Personalratsbeteiligung vorbereitet. Jede Geschäftsgangsstation für – In einer Tabelle sind alle Ge- – Erwerbungsabteilung / innerErwerbungen ist beschrieben schäftsgangsstationen für Erhalb des nächsten Monats und für alle im Intranet abrufwerbungen aufzulisten und bar. eine Kurzbeschreibung der jeweiligen Tätigkeiten zu fertigen. – Die Tabelle ist für alle frei zugänglich im Intranet einzustellen.
Lösungsansätze, die zur Verbesserung von Prozessen beitragen können, sind für alle Beteiligten sichtbar zu machen. Die Erledigung der Maßnahmen ist zu verfolgen und als Erfolg zu feiern.
3.4 Prozesse gestalten
163
Schnittstellen optimieren Auf die generelle Schnittstellenproblematik wird in Kapitel 2.4 ausführlich eingegangen. In diesem Abschnitt erfahren Sie, wie Sie diese Erkenntnisse in der praktischen Anwendung einsetzen können. Liegen die Ursachen für prozessuale Schwachstellen im Ablauf selber, zum Beispiel weil es zu viele Beteiligte gibt, dann ist zu prüfen, ob wirklich jede Stelle, die etwas zum Prozess beiträgt, tatsächlich beteiligt werden muss. Dazu ist die Ist-Modellierung zu betrachten und bei jeder Station des Prozesses zu fragen: – Wird an dieser Stelle ein wertschöpfender Beitrag für den Prozess geleistet? – Kann der Prozessschritt entfallen? – Kann der Prozessschritt mit anderen zusammengelegt werden? Jede zusätzliche Station des Prozesses verlängert die Bearbeitungszeit eines Vorgangs. Auch wenn immer weniger durch physische Transporte weitergereicht wird, verhindern, verzögern und unterbrechen allein die Weiterleitungen von einer bearbeitenden Stelle zur nächsten einen kontinuierlichen Ablauf. Hinzu kommt: Desto kleinteiliger die Prozessschritte sind, desto weniger kann die Person an einer einzelnen Stelle den Gesamtzusammenhang erkennen und sich dafür verantwortlich fühlen. Bei jedem Übergang von einer bearbeitenden Stelle zur nächsten, der Schnittstelle, ist zu prüfen, ob er überhaupt notwendig ist. Ist er unvermeidbar, muss hinterfragt werden, ob er reibungslos verläuft. – Ist die Schnittkante „glatt“ oder entstehen aufgrund der Weiterleitung Doppelarbeiten, die vermeidbar wären, beispielsweise, weil Prüfkriterien greifen, die eigentlich entfallen können? – Gibt es an der Schnittstelle Medienbrüche? So kommt es immer noch vor, Bestellunterlagen in Papierform an die erwerbende Stelle weiterzureichen. Dort werden diese auf elektronischem Wege weiterbearbeitet. – Kann der Prozessschritt bei abteilungsübergreifender Bearbeitung horizontal, das heißt direkt an die bearbeitende Stelle der nächsten Abteilung, weitergeleitet werden oder muss der Vorgang jedes Mal über vorgesetzte Stellen gehen? Typische Beispiele für Schnittstellen in Bibliotheken sind in Serviceprozessen zu finden, da diese häufig in der Bibliothek vorbereitet und von zentralen Verwaltungen ihrer Träger weiterbearbeitet werden. Exemplarisch kann dies am Prozess eines Stellenbesetzungsverfahrens gezeigt werden.
164 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Abb. 3.15: Beispiel Prozess Stellenbesetzungsverfahren.
An diesem sehr vereinfachten Modell zeigt sich, dass alleine der Vorgang einer Stellenausschreibung mehrere Stationen durchläuft. Hier stellt sich die Frage, ob die Prozessschritte, die sich mit der administrativen Bearbeitung des Ausschreibungsvorgangs befassen, vereinfacht werden können. Warum ist beispielsweise das Sekretariat der Personalabteilung im Teilprozess „Stellenausschreibung bearbeiten“ als weitere Station beteiligt? Was spricht dagegen, den Ausschreibungsvorgang von der Sachbearbeitung registrieren zu lassen? Ist in der Personalabteilung ein einheitliches Registrierungssystem vorgegeben und notieren alle sachbearbeitenden Stellen die Nummern in einer Datei, sollte das machbar sein. Schnittstellen müssen sich nicht zwingend darauf beziehen, dass der Prozess von einer Hand zur anderen weitergegeben wird, sie können auch entstehen, wenn Informationen weiterzuleiten sind, um Aktionen in anderen Bereichen auszulösen. Ein Beispiel: Weil ein Benutzer noch offene Gebühren zu begleichen hat, wurde sein Benutzerausweis durch eine Mitarbeiterin des Benutzungsbereichs gesperrt. Dieser Vorgang ist der Rechnungsstelle der Verwaltung anzuzeigen. Sobald die Rechnungsstelle den Zahlungseingang registriert, informiert sie die Kollegin des Benutzungsbereichs, die wiederum die Sperre aufheben kann. Läuft dieser Informationsfluss nicht reibungslos, bleibt der Benutzer möglicherweise weiter
3.4 Prozesse gestalten
165
von den Dienstleistungen der Bibliothek ausgeschlossen und beschwert sich. Bis die Sperre aufgehoben werden kann, sind Recherchen und Erklärungen nötig und erhöhen den Aufwand für die Bearbeitung dieses Falls erheblich.
Aufbauorganisation überprüfen Beim Betrachten von Schnittstellen stehen die Abläufe im Vordergrund. Unter Umständen ist durch die Veränderung im Ablauf auch die Aufbauorganisation betroffen. Ein Beispiel: Die Schnittstellenbetrachtung ergibt, dass die Bucheingangsbearbeitung mit dem Überprüfen der Lieferung sowie der Inventarisierung und die Rechnungsbearbeitung in separaten Organisationseinheiten stattfindet. Es kommt zu Doppelarbeiten, die dadurch entsteht, dass bei der Rechnungsbearbeitung erneut der Lieferschein kontrolliert wird.
Gemäß dem Organisationshandbuch des Bundes ist die prozessorientierte Aufbauorganisation von nachfolgenden Merkmalen geprägt:33 – Sie orientiert sich am Ergebnis des Prozesses, das effizient zu erreichen ist und Mindestqualitätsstandards erfüllt. – Organisations- und Medienbrüche werden möglichst vermieden. – Wahrgenommen werden ausschließlich notwendige Tätigkeiten. Um auf das Beispiel zurückzukommen: Es bietet sich an, zu prüfen, ob die Vorgänge der Lieferkontrolle, Inventarisierung und Rechnungsbearbeitung ganzheitlich im Verantwortungsbereich einzelner Bearbeiterinnen und Bearbeiter wahrgenommen werden können. Wird dies befürwortet, könnten alle Bearbeitenden für die Erweiterung ihrer Aufgaben qualifiziert und die Organisationseinheit der Rechnungsbearbeitung aufgelöst werden. Durch die ganzheitliche Bearbeitung werden Organisationsbrüche vermieden, Doppelarbeiten reduziert und ein einheitlicher Qualitätsstandard gewährleistet. Erkennen Sie bei einer Prozessuntersuchung, dass eine geringfügige Anpassung organisatorischer Strukturen nicht weiterführend ist, sollten Sie überlegen, Ihre Aufbauorganisation grundlegend zu ändern. Welche Möglichkeiten es dabei gibt, wird in Kapitel 2.4.5 beschrieben.
33 Vgl. Bundesministerium des Innern ; Bundesverwaltungsamt (2015), S. 32.
166 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
3.4.3 Soll-Prozess entwickeln Frei nach Laotse „Nur wer sein Ziel kennt findet den Weg“ ist wie bei jedem Wandel auch die Neumodellierung oder Veränderung von Prozessen ohne die Vorstellung eines Zieles nicht weiterführend. Ein konkretes Ziel soll Orientierung geben und vermeiden, dass die Modellierer vom Weg abweichen und sich womöglich auf Irrwege begeben. Ziele definieren Erfahrungen zeigen, dass es vielen schwerfällt, ein präzises Ziel zu formulieren. Häufig werden operative Maßnahmen mit Zielen verwechselt, es fehlt an Eindeutigkeit oder an einer realistischen Einschätzung. Bei der Zielfindung kommt es auf das „Was“ an, nicht auf das „Wie“. Es ist festzulegen, was zu erreichen ist, nicht wie es zu erreichen ist. Hingegen stellt die Maßnahme bereits das Handeln dar, um das Ziel zu erreichen und setzt das „Wie“ in den Vordergrund. Um zu überprüfen, ob eine Anforderung tatsächlich einem Ziel entspricht, bietet es sich an, die SMARTFormel, wie sie in Kapitel 4.3.5 erläutert wird, anzuwenden. Wurde das Ziel definiert und bei den Beteiligten ein einheitliches Verständnis dafür geschaffen, ist in einem kreativen Prozess aus dem gründlich analysierten IstProzess ein Soll-Prozess als Idealvorstellung zu schaffen. Gestaltungsgrundsätze Vor dem Einstieg in die Gestaltung von Soll-Prozessen sollten Sie sich mit den wesentlichen Grundsätzen dazu vertraut machten. Eine Auswahl wird nachfolgend skizziert. Prozessorientierung mitdenken Hartmut F. Binner hat als einen Ansatz die integrierten Gestaltungsgrundsätze des Prozessmanagements entworfen34. Voraussetzungen für die Prozessorientierung sind danach: – Die Bedürfnisse der Beschäftigten als interne Kunden sowie die, der externen Bibliotheksnutzerinnen und -nutzer müssen bekannt sein. – Um Verbesserungen zu erreichen, sind bisherige Organisationsstrukturen prozessorientiert anzupassen und zu harmonisieren. – Durch Reduzierung von Schnittstellen sind Durchlaufzeiten zu beschleunigen und Reaktionszeiten zu verringern.
34 Vgl. Binner (2010), S. 44.
3.4 Prozesse gestalten
– –
167
Prozesse werden gemeinsam mit den Beteiligten analysiert, modelliert und dokumentiert. Indem die so beschriebenen Prozesse für alle Beschäftigten einfach zugänglich hinterlegt und anwendbar werden, entsteht ein bis zur „Lernenden Organisation“ ausbaubarer Wissensspeicher.
Referenzprozesse bilden Optimierungspotenzial ergibt sich aus dem Bilden von Referenzprozessen oder Teilen davon. Ein Referenzprozess ist ein Modell, das nicht nur für einen spezifischen Fall gültig ist, sondern für eine Reihe von Fällen. Beispielsweise läuft der eigentliche Inventarisierungsvorgang unabhängig von der Materialart immer nach einem einheitlichen Muster ab. Durch wiederkehrendes Einfügen in Prozessdarstellungen können Referenzprozesse einen verbindlichen Charakter für die Gestaltung von Prozessen in einer Bibliothek erlangen. Um dies zu erreichen, ist zu beachten, dass ein Referenzprozess einen höheren Abstraktionsgrad aufweist als konkrete Ist- oder Soll-Modelle. Schließlich soll er organisationsübergreifend einsetzbar sein und von „örtlichen“ Spezifika abstrahieren. Referenzprozesse weisen durch ihre allgemeine Gültigkeit ein hohes Wiedererkennungspotenzial auf.35 Sich an Prozessen anderer Bibliotheken zu orientieren und diese im Sinne von Referenzprozessen zu nutzen, ist insbesondere für kleine Bibliotheken eine gute Möglichkeit des Vergleichens und Lernens von anderen. Achtsamkeit berücksichtigen Zusätzlich soll auf den häufig unterschätzten Aspekt der Achtsamkeit eingegangen werden. Im Sinne einer achtsamen Prozessmodellierung ist bei der Gestaltung dafür Sorge zu tragen, dass nicht nur „harte“ Faktoren, wie die größtmögliche Effizienz für die Organisation, erreicht werden. Auch die Arbeitszufriedenheit der beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist durch die Veränderung sicherzustellen. Nur wenn bei der Prozessoptimierung auch Motivationsfaktoren berücksichtigt werden, ist garantiert, dass die Akteure das neue Modell ernst nehmen, zuverlässig danach handeln und so dafür sorgen, dass der erwartete Effekt der Prozessveränderung auch tatsächlich eintritt.36 Achtsames Prozessmanagement können Sie, so der Verfasser Ronald Schnetzer37, durch nachfolgendes Vorgehen fördern:
35 Vgl. Becker ; Algermissen ; Falk (2007), S. 153. 36 Vgl. Schnetzer (2013), S. 361. 37 Vgl. Schnetzer (2013), S. 362.
168 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
– – – – – – –
Fördern Sie die Selbsterkenntnis: Warum machen wir das? Stellen Sie die Verbindung zur Strategie her: Wohin gehen wir als Bibliothek? Klären Sie Ihr Dienstleistungsspektrum: Was für Leistungen bieten wir an? Setzen Sie Standards für Ihre Abläufe: Wie werden unsere Leistungen erbracht? Sorgen Sie für eindeutige Zuständigkeiten: Wer führt die Prozesse aus? Unterstützen Sie Ihre Veränderungskultur: Warum verändern wir etwas? Ermöglichen Sie Work-Life-Balance: Wie erreiche ich Ausgeglichenheit als Person?
Kreativ gestalten Nicht immer ist es einfach, spontan Lösungsansätze zu finden. Viele halten an dem Altbekannten fest und sind blockiert für neue Wege. Hier können Kreativitätstechniken zum Einsatz kommen und nützlich für die Neugestaltung oder Fortentwicklung von Prozessen sein. In „Originelle Kreativitätstechniken“ definiert Jens Harmeier sieben Phasen eines kreativen Prozesses.38 In den Phasen 1 „Briefing“ oder „Problem erkennen“ und 2 „Informationen beschaffen und auswerten“ wird analysiert. Phase 3 „Distanz schaffen“ hilft Abstand zum Problem zu gewinnen, um sich für Neues zu öffnen. Mit Phase 4 „Ideen und Lösungsansätze entwickeln“ startet die eigentliche Kreativitätsphase, in der verschiedene Techniken der Ideenfindung zum Einsatz kommen. Phase 5 „Lösungsansätze evaluieren“ dient der Bewertung der gewonnenen Ideen und dem Priorisieren geeigneter Vorschläge. Im Anschluss sind in Phase 6 „Lösungsansätze präsentieren“, die Vorschläge vor einem Leitungsgremium zu präsentieren und eine Entscheidung herbeizuführen. Phase 7 „Lösungsansätze durchsetzen“ schließt den Kreislauf, um ihn durch eine erneute Evaluation des Erreichten erneut anzustoßen. Allen Kreativitätstechniken liegen gemäß Birgit Inken Fingerle und Rudolf Mumenthaler39 elementare Regeln zugrunde: – Bei der Ideenfindung geht Quantität vor Qualität. – Auch außergewöhnliche Ideen sind erwünscht. Der Phantasie werden keine Grenzen gesetzt. – Einfälle werden in der Phase des Ideensammelns nicht bewertet oder gar kritisiert. Insbesondere sind Bedenken zur Realisierbarkeit zurückzustellen. – Alle Ideen, auch vermeintliche Doppelungen, sind zu notieren und zu dokumentieren. Nachfolgend werden, unter Fokussierung auf die oben beschriebenen Phasen 4 und 5, einige Kreativitätstechniken vorgestellt.
38 Harmeier (2009), S. 15. 39 Fingerle ; Mumenthaler (2016), S. 137.
3.4 Prozesse gestalten
169
Brainstorming Es gilt als die bekannteste Kreativitätsmethode. Beim Brainstorming sammelt eine Gruppe, bestehend aus idealerweise fünf bis zehn Teilnehmenden und einer moderierenden Person alles was ihr zu einer vorgegebenen Fragestellung einfällt.40 Geht es um eine Prozesserneuerung kann die Fragestellung lauten: „Versetzen Sie sich in die Rolle des Endkunden. Wie stellen Sie sich den Prozess der Bestelldigitalisierung idealerweise vor?“ Jeder auf Papierkarten oder mündlich geäußerte Beitrag wird von der moderierenden Person gesammelt und sichtbar ausgelegt oder an eine Wand gehängt. Durch Clustern werden die Beiträge thematisch geordnet.
Abb. 3.16: Beispiel für ein Brainstorming als Kartenabfrage.
40 Vgl. Bundesministerium des Innern ; Bundesverwaltungsamt (2015), S. 285–287.
170 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Wann ist Brainstorming für Sie geeignet? – Wenn Sie zügig viele Ideen und Lösungsvorschläge sammeln möchten – Wenn Sie eine Methode mit hohem Bekanntheitsgrad und einfach in ihrer Anwendung suchen – Wenn Ihr Aufwand für Vorbereitung und Durchführung gering sein soll Wann eignet sich Brainstorming für Sie nicht? – Wenn es Ihnen nicht gelingt, die als Stichworte notierten Ideen zeitnah zu protokollieren und mit den Anwesenden abzustimmen. Bei Verzögerungen steigt erfahrungsgemäß der Anteil an Missverständnissen und falschen Interpretationen. Bildkartenmethode Auch die bereits im Kapitel 3.3.1 vorgestellte Bildkartenmethode dient der Ideenfindung. In der Phase des Gestaltens können auf diese Weise verschiedene Lösungsansätze gelegt, gewertet, verworfen oder angenommen werden.
Abb. 3.17: Bildkartenmethode.
3.4 Prozesse gestalten
171
Wann ist die Bildkartenmethode für Sie geeignet? – Wenn Sie beabsichtigen, aus der Ist-Beschreibung heraus, Ideen für einen SollProzess zu entwickeln – Wenn Sie Verbesserungsvorschläge, die beim Betrachten der Ist-Beschreibung geäußert werden, unmittelbar nutzen wollen – Wenn Sie durch das Legen alternativer Prozesse oder Prozessschritte die Modellierung von Soll-Prozessen anschaulicher gestalten möchten Wann eignet sich die Bildkartenmethode für Sie nicht? – Wenn die umfangreichen Ist-Beschreibungen nicht für einen längeren Zeitraum liegenbleiben können und für die Soll-Modellierung erneut auszulegen sind. Ideen bewerten Während in der Phase der Ideenfindung der Blick der Teilnehmenden möglichst weit ausgerichtet ist, gilt es in der Phase der Ideenwertung den Blick wieder einzuengen und auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dem dient das Bewerten und Priorisieren der Ideen. Bewertungspunkte Eine Bewertungsoption für die Ideen ist eine einfache Priorisierung durch punkten. Die Teilnehmenden erhalten 3 bis 5 Klebepunkte, die sie dort platzieren, wo sie den höchsten Gewinn für den Soll-Prozess sehen. Die moderierende Person kann zulassen, mehrere Punkte auf einen Aspekt zu setzen. Die „6-Hüte-Methode“ Intensiver ist eine Bewertung mit der „6-Hüte Methode“. Gemäß der Beschreibung von Fingerle und Mumenthaler41 werden dabei sechs Hüte verteilt. Jeder Hut steht für eine besondere Rolle. Sie ist durch eine spezifische Sichtweise auf die Idee gekennzeichnet. In einem „Rollenspiel“ betrachten die „Hüte-Besitzer“ die Ideen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Die Rollen der Hüte werden wie folgt vergeben: 1. Der weiße Hut steht für Objektivität und Neutralität. Die Hut-Besitzerin äußert lediglich Fakten und Informationen, keine Meinungen. 2. Mit dem roten Hut kommen Emotionen ins Spiel. Diese können von dem HutBesitzer geäußert werden. 3. Der Besitzer des schwarzen Hutes befindet sich in der Rolle des Pessimisten und trägt alle ihm präsenten negativen Aspekte vor.
41 Vgl. Fingerle ; Mumenthaler (2016), S. 139–143.
172 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
4. 5. 6.
Alle positiven Punkte hingegen kann die Besitzerin des gelben Hutes darstellen. Die Kreativität ist Rolle des grünen Hutes. Seine Besitzerin darf durchaus neue Ideen formulieren oder bekannte Ideen weiterführen. Der blaue Hut gehört der moderierenden Person, die die Ergebnisse zusammenfasst.
Nachdem alle Hut-Besitzenden zu Wort gekommen sind, ist es Aufgabe der moderierenden Person, gemeinsam mit der Gruppe ein Gesamtergebnis zu identifizieren. Sollte dies nicht auf Anhieb gelingen, kann das Rollenspiel mit den verteilten HutRollen beliebig lange wiederholt werden. Reflexion Testen Sie bei der nächstmöglichen Problemstellung in Ihrem Bereich die 6-Hüte-Methode. Nutzen Sie die verschiedenen Sichten, um eine systematische Bewertung einer möglichen Lösung zu erhalten.
Gestaltungshilfen Nicht immer ist eine Bibliothek in der Lage, die vorgestellten Gestaltungsansätze zu nutzen. Ist sie zu klein, kann sie nicht auf den Ideenpool von Gruppen zugreifen. Ist der Problemkreis zu groß und zu komplex, ist es nicht möglich, sofort eine Antwort auf jede Frage zu finden. Zum Schluss dieses Kapitels sollen Ihnen daher zwei Methoden vorgestellt werden, die helfen, auch in besonderen Situationen die Voraussetzung für kreatives Gestalten zu schaffen. Kollegiale Beratung nutzen Für kleine Bibliotheken gilt: Um das Kreativitätspotenzial der eigenen Einrichtung zu erweitern, kann mit der Methode der „Kollegialen Beratung“ gearbeitet werden. Kollegiale Beratung zeichnet sich dadurch aus, dass in einem strukturierten Beratungsgespräch unter Kolleginnen und Kollegen Fälle aus einem ähnlichen beruflichen Kontext erörtert und Lösungen gemeinsam erarbeitet werden. Nach Kim-Oliver Tietze treffen sich dazu idealerweise 4 bis 9 Personen und gehen in sechs Phasen vor:42
42 Tietze (2016), S. 60–61.
3.4 Prozesse gestalten
173
Phase 1:
In der Phase 1 des Castings einigen sich die Teilnehmenden auf die jeweils zu verteilenden Rollen und zwar die einer moderierenden Person, eines Fallgebers sowie der kollegialen Beraterinnen.
Phase 2:
In Phase 2, Spontanerzählung genannt, berichtet der Fallgeber über sein Anliegen. Geht es um eine Prozessoptimierung, schildert der Fallgeber, was ihm an dem Prozess auffällt oder was er durch die Reaktion von Nutzerinnen und Nutzern wahrgenommen hat. Diese Phase wird von der moderierenden Person durch klärende Fragen unterstützt und sollte 10 Minuten nicht überschreiten. Ein Beispiel: Die Zielgruppe einer kleinen Spezialbibliothek äußert den Wunsch, bereits vor Anmeldung in der Bibliothek Bücher online bestellen zu können. Bisher mussten sich Interessenten zunächst vor Ort anmelden und konnten dann erst Bücher online bestellen. Der Fallgeber sucht nun den Rat der Gruppe, wie er seine Prozesse so umstellen kann, dass es ihm gelingt, den Wunsch seiner Zielgruppe zu erfüllen.
Phase 3:
Phase 4: Phase 5:
In Phase 3 fordert die moderierende Person den Fallgeber auf, seine Schilderung in einer präzisen Frage, der sogenannten Schlüsselfrage, zusammenzufassen. Im konkreten Beispiel kann die Schlüsselfrage lauten: Wie kann ich erreichen, dass meine Zielgruppe sich online anmelden und bereits von zuhause aus Bücher bestellen kann? In der Phase 4, der Methodenwahl, stellt die moderierende Person verschiedene Kreativitätsmethoden vor, von denen die Gruppe eine auswählt, die sie für geeignet hält. In der Phase 5, der eigentlichen Beratung, äußern die kollegialen Beraterinnen, unterstützt durch die ausgewählte Kreativitätsmethode, alles, was ihnen zur Problemlösung einfällt. Die moderierende Person steuert in dieser wiederum 10minütigen Phase die Aktivitäten der Gruppe und sammelt deren Ideen ein. Der Fallgeber verhält sich in dieser Phase passiv. Um beim Beispiel zu bleiben: Die Ideen können ein Spektrum aufweisen von „Nutzung einer elektronischen Signatur zur Authentifizierung bei der Anmeldung“ bis hin zu „Erst einmal ohne großen Registrierungsaufwand bestellen und die Anmeldung vor Ort nachholen“.
Phase 6:
In der Abschlussphase 6 kommentiert der Fallgeber die Ideen der kollegialen Beraterinnen und priorisiert sie nach dem, was ihm hilfreich erscheint. Erscheint dem Fallgeber beispielsweise die Variante mit der Online-Bestellung und anschließenden Anmeldung vor Ort am einfachsten realisierbar, dann wird er sich dies vornehmen.
Führt ein Durchlauf noch nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis, können die Phasen beliebig oft, am besten mit verteilten Rollen, durchlaufen werden. Design Thinking einsetzen Wie die kollegiale Beratung ist das Design Thinking als Methode vom Engagement mehrerer Personen geprägt. Die in den USA entstandene und seit etwa 10 Jahren auch in Deutschland verbreitete Problemlösungsart des Design Thinking basiert auf
174 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
der Annahme, dass eine Gruppe von Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen am besten überzeugende Ideen entwickeln kann. Zum Einsatz im Rahmen des Prozessmanagements eignet sich diese Methode besonders gut, wenn ein neuer Gestaltungsansatz nicht im ersten Anlauf erfolgversprechend zu sein scheint, sondern in mehreren iterativen Schleifen nach einer Lösung zu suchen ist. Drei wesentliche Aspekte sind dabei vorherrschend: – Die Problemlösung und Ideenfindung orientiert sich stark an den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer. Dies kommt der Gestaltung bibliothekarischer Prozesse entgegen. Schließlich haben auch Bibliotheken das Anliegen, ihr Dienstleistungsangebot am Nutzerinteresse auszurichten. – Nicht der lineare Lösungsansatz des stetigen Voranschreitens ist gefragt, sondern ein iteratives Vorgehen, das wiederholt das bereits Erreichte hinterfragt und überprüft. Wenn das Nutzerinteresse einer Bibliothek im Vordergrund steht, ist bei der Prozessgestaltung kontinuierlich zu hinterfragen, ob das, was die Bibliothek als gute Lösung empfindet auch bei der Zielgruppe ankommt. – Um zu einem optimalen Ergebnis zu kommen, werden kreative mit rationalen Methoden kombiniert. Bibliotheken sind in den meisten Fällen ihren Trägereinrichtungen zu Rechenschaft verpflichtet. Daher sollten sie stets darauf bedacht sein, kreative Ideen zu nutzen und gleichzeitig deren Umsetzbarkeit zu bedenken. Nach dem Ansatz des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts sind sechs Phasen für Design Thinking prägend43. Anhand des praktischen Beispiels „Überprüfung des Bereitstellungsprozesses in einer Universitätsbibliothek“ wird nachfolgend aufgezeigt, wie diese Phasen in Bibliotheken eingesetzt werden können: Phase 1:
In der Phase des Verstehens ist herauszufinden, was die Nutzenden benötigen und wie sich die derzeitige Situation darstellt. Anlass für die Überprüfung des Prozesses ist eine Beschwerde von Studierenden. Sie sind unzufrieden, weil ihnen die aktuelle Fachliteratur nicht zeitnah bereitgestellt wird. Um im Studium mitzukommen, müssen sie früher als bisher auf Neuerscheinungen zugreifen können.
43 Vgl. Hofmann ; Vetter (2014), S. 35–47.
3.4 Prozesse gestalten
Phase 2:
175
Im Sinne einer Feldstudie verläuft die Phase des Beobachtens. Mittels empirischer Methoden, hier einer Untersuchung des Verhaltens bei der Ausleihe der betreffenden Medien, wird ermittelt, wie Studierende augenblicklich an die von ihnen benötigte Literatur kommen. Dabei wird erkannt, dass einige Studierende die Möglichkeit nutzen, einen Anschaffungsvorschlag zu machen. Sie profitieren dann von der kurzfristigen Bereitstellung. Andere Studierende lassen die gewünschte Literatur vormerken, um so an den Band zu kommen, sobald er zurückgebucht wurde. Und da viele Studierende den Band möglichst lange ausleihen, sind die begehrten Exemplare stets im Umlauf.
Phase 3:
Das in der Phase des Beobachtens gesammelte Material wird in der Phase „Standpunkt definieren“ ausgewertet. Neben der rein statistischen und qualitativen Auswertung, interpretiert die untersuchende Gruppe gemeinsam die gewonnenen Erkenntnisse und erörtert diese. Die Gruppe zieht die Schlussfolgerung, dass die Dauer der Ausleihe möglichst zu verkürzen ist. Damit könnten alle Studierenden die gleiche Chance auf aktuelle Literatur erhalten.
Phase 4:
Auf Basis des in der vorangegangenen Phase gewonnenen Standpunkts wird in der Phase der Ideenfindung der Blickwinkel neu ausgerichtet und Ideen produziert. Dabei geht es um eine möglichst große Vielfalt an Ideen. Eine kritische Wertung ist in dieser Phase ausdrücklich untersagt. Bei der Ideenfindung entsteht zusätzlich der Gedanke, Sonderstandorte im Lesesaal auszuweisen, an denen sich immer eine Mindestzahl aktueller Literatur befindet. Hierzu kann ein Regal mit der gefragten Literatur am Sonderstandort aufgebaut und diese so den Studierenden bereitgestellt werden.
Phase 5:
In der Phase des Prototyping werden die Ideen, die am vielversprechendsten erscheinen, zu einem Modell ausgebaut. So soll in einem möglichst frühen Stadium sichtbar werden, ob die Umsetzung der Idee funktioniert. Der Begriff Prototyp ist dabei durchaus wörtlich zu nehmen. Den gefundenen Lösungsansatz als Modell zu bauen, kann das Erleben der Lösung viel eindringlicher ermöglichen und so die Vorstellung für das tatsächlich Umzusetzende stärken. In diesem Fall, stellte sich beim Prototyping heraus, dass es nicht ausreicht, ein Regal mit der nachgefragten Literatur aufzubauen. Kritisch zu hinterfragen waren zusätzlich die Prozesse im Hintergrund. Mit dem Regal sollte nämlich auch sichergestellt werden, dass nachgefragte Neuerscheinungen möglichst zügig und in ausreichender Zahl erworben und in den Bestand eingearbeitet werden. Daher wurde als weiterer Verbesserungsansatz ein Eilt-Geschäftsgang für nachgefragte Literatur entwickelt. Mit diesem sollte erreicht werden, dass die Studierenden an die Literatur kommen, wenn sie sie benötigen.
Phase 6:
In dieser Phase des Testens wird über einen repräsentativen Zeitraum hinweg ausprobiert, ob diese Art der Literaturbereitstellung bei den Studierenden ankommt und deren Bedürfnis nach aktueller Literatur befriedigt werden kann.
176 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Am Ende jeder Phase ist es möglich auf die davorliegende Phase zurückzuspringen, um einen weiteren Ansatz zu testen. Dies wird solange praktiziert bis die Lösung gefunden ist, die der Gruppe als die bestmögliche erscheint.
Abb. 3.18: Design Thinking – Iteratives Vorgehen44.
44 Abbildung nach Hofmann ; Vetter (2014), S. 36.
3.4 Prozesse gestalten
177
Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Hochschulbibliothek Heilbronn Kerndaten zur Hochschulbibliothek Heilbronn Bibliothekstyp: Wissenschaftliche Bibliothek Aktive Kundinnen und Kunden: 7.437 (DBS 2016) Personalstellen in VZÄ: 7,5 (DBS 2016)
Beitrag von Rahel Zoller, Stellvertretende Bibliotheksleiterin und Dagmar Dolch, Qualitätsmanagementbeauftragte der Hochschulbibliothek Heilbronn „Prozess-Management? –Wir haben hier doch gar keine Jura-Studierende“ lautete die, mit Augenzwinkern versehene Aussage einer Bibliotheksmitarbeiterin, als im Rahmen eines ganztägigen Workshops ein Einstieg in die Prozessdokumentation gemacht wurde. Prozessmanagement wurde im Rahmen des Qualitätsmanagement-Projektes „Ausgezeichnete Bibliothek“ eingeführt. Zum Einstieg lag der Fokus auf der Visualisierung der Prozesse. In einem Workshop wurden in Kleingruppen täglich auftretende, überschaubare Teilprozesse mithilfe von Moderationskärtchen schrittweise dargestellt. Dabei zeigte sich, dass immer wieder an Schritt- für- Schritt-Vorgehen und Sorgfalt erinnert werden muss. Erste große Erkenntnis: Das Ziel eines Prozesses kann auf sehr unterschiedlichen Wegen erreicht werden, wobei erst einmal sicherzustellen ist, dass ein gemeinsames Verständnis des Zieles besteht. Anschließend waren alle daran beteiligt, die grafischen Darstellungen in eine schriftliche Beschreibung umzusetzen. Wie immer bei der Implementierung eines neuen Ansatzes mussten auch in diesem Fall einige Hürden bewältigt werden. Am einfachsten war es, Verständnis für die neuen Begrifflichkeiten und die ungewohnte, (betriebs-)wirtschaftlich geprägte Sicht zu wecken. Bei einigen musste Überzeugungsarbeit für den zuerst als sinnlos eingestuften Zusatzaufwand der Dokumentation geleistet werden. Besonders sensibel musste mit der persönlichen Betroffenheit umgegangen werden; emotionale Reaktionen auf die Infragestellung persönlicher Gewohnheiten blieben hier nicht aus. Es galt innerhalb der Hochschule Reizworte wie „messen“ zu relativieren, kritische Aspekte aus den Dokumentationen herauszuhalten und dennoch eine gewisse Mess- und Vergleichbarkeit, die Orientierung für eine Optimierung bietet, zu erhalten. Dennoch glänzt das Prozessmanagement mit Effekten, die sofort und direkt erkennbar sind, aber auch solchen, die erst im Lauf der Zeit spürbar werden: So hilft die Prozessdokumentation, durch die Definition der sachlich richtigen Reihenfolge im Vorgehen und das Identifizieren problematischer Aspekte, Fehler zu vermeiden. Durch den schrittweisen Abgleich und das Ausprobieren der beschriebenen Prozesse durch bislang Unbeteiligte werden ungünstige Vorgehensweisen aufgedeckt und neue Ansätze eingebracht. Besondere Bedeutung hat für die an vier Standorten vertretene Hochschulbibliothek Heilbronn die Verbesserung der Einheitlichkeit: Je angeglichener Standardprozesse überall ablaufen, umso einheitlicher ist das Auftreten und Verhalten gegenüber den Kunden. Mit Transparenz wird bei ihnen Verständnis erzeugt und mühseligen Diskussionen vorgebeugt.
178 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Ebenfalls arbeitserleichternd sind Prozessbeschreibungen für die Einarbeitung. Mit ihnen finden sich neue Mitarbeiter oder Vertretungen schnell und unkompliziert ein, Folgekomplikationen werden deutlich reduziert. Zudem hat sich eine Reihe von Zusatzeffekten eingestellt. So gelingt es, Schnittstellen mit anderen Abteilungen und Partnern zu identifizieren und in der Folge deren bzw. die eigenen Anforderungen genauer zu spezifizieren. Zudem wurden sich die Mitarbeiter beim Erarbeiten der hauseigenen Prozesslandkarte in einer MindMap bewusst, was und wie viel eigentlich getan und den Nutzern angeboten wird. Zudem entstand durch die Landkarte und das Erarbeiten der Prozesse ein übergeordnetes Verständnis für Vorgänge und Zusammenhänge im Organisationskomplex Bibliothek. Ebenfalls interessant zu beobachten war die Beschäftigung der einzelnen Beteiligten sowie anschließend des gesamten Teams, mit dem Begriff des internen und externen Kunden. Der damit verbundene Perspektivwechsel führte bei manchen zur Veränderung von Einstellungen und Verhaltensweisen. Prozesse zu managen umfasst nicht nur Prozessdokumentation, sondern auch das Befolgen der dokumentierten Vorgehensweisen sowie die regelmäßige Kontrolle, Anpassung und Optimierung der Prozesse. Abgesehen davon, dass eine Erstdokumentation nie vollständig ist, stehen immer wieder Anpassungen an. Hierzu gehören bspw. Änderungen in einer verwendeten Software, veränderte räumliche Bedingungen oder geänderte rechtliche Rahmenbedingungen. Sofern diese auffallen, werden die Anpassungen sofort dokumentiert. Zudem empfiehlt sich eine regelmäßige Kontrolle zu festgesetzten Terminen. Prozessoptimierungen werden im Prozessteam diskutiert, wobei Vorschläge von jedem kommen dürfen. Als Herausforderung erweist sich in diesem Zusammenhang die Dokumentation diskutierter Vorschläge. Nach anfänglicher Zurückhaltung wird das Prozessmanagement in der HSB HN gut angenommen. Alle Mitarbeitenden sind beteiligt und sehen sich in der Verantwortung, die Prozesse zu ihrem eigenen Vorteil, ihrer eigenen Motivation sowie zu Gunsten der Kunden, weiterzuentwickeln. Auch wenn es nach einem großen Zusatzaufwand aussieht, ziehen die Bibliotheksleitung und die QM-Verantwortliche das Fazit, dass sich dieser absolut lohnt und zahlreiche Verbesserungen sowie qualitativ hochwertigere Ergebnisse mit sich bringt.
3.5 Prozesse umsetzen und überprüfen
179
3.5 Prozesse umsetzen und überprüfen Im vorhergehenden Kapitel haben Sie erfahren, wie Sie Ihre bestehenden Prozesse bewerten und Schwachstellen aufdecken können und so zu einer Neugestaltung gelangen. Ein wesentliches Erfolgskriterium ist dabei, die Dynamik der Prozessanalyse zu nutzen, um sogleich die Phantasie für Neues zu wecken. Die Phase der Prozessgestaltung fordert das kreative Potenzial heraus und bietet Freiraum auch für außergewöhnliche Lösungsansätze. Sie hat damit noch etwas Unverbindliches, Spielerisches an sich und ist von Leichtigkeit sowie Aufbruchstimmung geprägt. Hingegen stellt sich die Phase der Umsetzung neugestalteter Prozesse als Bewährungsprobe dar. Es wird konkret. Die Ideen müssen sich in der Praxis bewähren und für die Einzelnen wird spürbar, was sich ändert. Leicht kann die Stimmung kippen und die eigentliche Akzeptanz für das Neue in Verunsicherung und Skepsis verwandeln. Aus diesem Grund ist allen von der Veränderung Betroffenen der bisherige Weg nachvollziehbar zu vermitteln. Sie sind sorgfältig auf das Kommende vorzubereiten. Es gilt, die neuen Abläufe, Strukturen sowie Verhalten zu festigen. Eine Rückkehr in die Zeit vor der Veränderung ist zu verhindern, ohne dabei notwendige Korrekturen, die sich aus der praktischen Umsetzung ergeben können, zu blockieren. Wie Sie diese Herausforderungen durch ein systematisches Vorgehen bewältigen können, erfahren Sie in diesem Kapitel. Diese Phase IV der Umsetzung und Überprüfung besteht aus – Implementierung der Soll-Prozesse planen und begleiten – Ergebnisse evaluieren – Nachhaltigkeit sichern
3.5.1 Implementierung der Soll-Prozesse planen und begleiten Sind die durch die Prozessoptimierung ausgelösten Veränderungen umfangreich oder wurden Prozesse sogar komplett neu modelliert, ist bei der Umsetzung Schritt für Schritt vorzugehen. Um alle wesentlichen Aspekte im Auge zu behalten, wird empfohlen die Implementierung neuer Prozesse mit Hilfe einer Checkliste vorzubereiten. Deren wichtigste Merkposten werden in den nachfolgenden Abschnitten beschrieben.
180 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Identifizierte Lösungsansätze konkretisieren Die in der Schwachstellenanalyse erkannten Ursachen sind nochmals zu betrachten und die identifizierten Lösungsansätze mit Bezug auf die praktische Umsetzung auszubauen. Wie bei der Ist-Aufnahme arbeiten am besten wieder die Anwenderinnen und Anwender bei der konkreten Gestaltung der künftigen Abläufe mit. Diese Art der Einbeziehung erzeugt einen Lerneffekt bei den Betroffenen. Sie setzen sich durch das Mitgestalten der neuen Prozesse unmittelbar mit dem Neuen auseinander, erarbeiten einzelne Bestandteile und lernen durch praktisches Erfahren. Zudem haben sie die Möglichkeit, ihre eigenen Vorstellungen und gewonnene Erkenntnisse einzubringen. Das erzeugt mehr Akzeptanz als wenn von vorgesetzter Stelle ein neuer Prozess bestimmt wird. Als Ergebnis dieser Vorbereitungen liegen Beschreibungen der Soll-Prozesse in verbaler und modellierter Form vor. Lösungsansätze testen Die gefundene Lösungsidee ist zunächst auf Realisierbarkeit zu überprüfen. Dabei geht es darum, „…Ideen möglichst früh sichtbar und kommunizierbar zu machen, damit Anwender sie testen können oder zumindest in der Lage sind, ein Feedback zu geben.“ 45 So beschreiben es Hasso Plattner, Christoph Meinel und Ulrich Weinberg, die Promotoren der Innovationsmethode Design Thinking in Deutschland. Hierbei bietet es sich an, den Soll-Prozess mit der Gruppe modellhaft durchzuspielen. Gerade bei großen Veränderungen sind dabei mehrere Versuchsphasen einzukalkulieren und zu akzeptieren, wenn Vorstellungen, die in der Theorie als machbar galten, nach einem praktischen Einsatz verworfen werden. Die Idee wird erfahrbar gemacht. Für den Praxistest der Prozessgestaltung eignen sich insbesondere Methoden, die das Neue abbilden. Modellbildung Beim Bilden von Modellen mittels Bildkarten oder Bausteinen46 geht es darum, Prozesse als praktische Anwendungsbeispiele so nach der Lösungsskizze aufzubauen, dass sie durch die eingesetzten Materialien erlebbar werden. Das Vorstellungsvermögen für den neuen Ablauf wird durch das visuelle und haptische Erlebnis erhöht und die Folgewirkung von Entscheidungen kann besser durchdacht werden. Simulation Die Simulation hilft, die Auswirkung einer Prozessveränderung abzuschätzen und verschiedene Optionen zu vergleichen.47 Dabei werden Testdaten genutzt, um an
45 Zitiert nach Hofmann ; Vetter (2014), S. 44. 46 Vergleiche hierzu auch das Interview von Hartmut Gardlo zur Modellierung mit Holzbausteinen. 47 Vgl. DIN Fachbericht 158:2009-09 (2009), S. 31.
3.5 Prozesse umsetzen und überprüfen
181
Prozessmodellen experimentell einen Ablauf abzubilden und zu erkennen, welche Ergebnis jeweils erreicht wird. In den meisten Fällen reicht es, hierfür eine Standardsoftware, zum Beispiel Microsoft Excel, einzusetzen. Es gibt aber auch Prozessmanagement-Tools, die Simulations-Komponenten aufweisen. Hier sei auf den Software-Vergleich von Hartmut Binner und Sven Schnägelberger in einem Artikel für die Zeitschrift „zfo – Zeitschrift Führung und Organisation“ hingewiesen.48 Ein Beispiel: Sie untersuchen den Prozess „Einarbeitung von Medien“ mit dem Ziel, die Durchlaufzeiten zu verkürzen. Als Prozessmodelle haben Sie zwei Varianten entwickelt und möchten wissen, welche besser geeignet ist, die Durchlaufzeit zu reduzieren. Das eine Modell sieht vor, einzelne Prozessschritte automatisiert zu unterstützen. Nach dem anderen Modell werden mehrere Prozessschritte an einer Bearbeitungsstation zusammengelegt. Nun geben Sie zunächst die IstBearbeitungszeiten einzelner Stationen ein. Als nächstes fügen Sie die entsprechenden Daten der Varianten ein. Die Summe der jeweiligen Bearbeitungszeiten stellt das Testergebnis dar.
Abb. 3.19: Beispiel Simulation.
Die obige Darstellung zeigt, dass mit der Automatisierung einzelner Prozessschritte die kürzeste Durchlaufzeit zu erreichen ist. Rollenspiel Gerade in einem Dienstleistungsbereich wie einer Bibliothek kann der neue Ablauf exemplarisch auch als Rollenspiel getestet werden. Verteilt werden können Rollen
48 Vgl. dazu: Binner ; Schnägelberger (2015), S. 137–141.
182 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
der Bibliotheksbenutzenden als Kundinnen und Kunden der Bibliothek, Rollen von Beschäftigten, die unmittelbar im Kundenkontakt an dem Prozess arbeiten, sowie Rollen der Beschäftigten, die im Hintergrund an dem Prozess arbeiten. Auch Rollen von Führungskräften, die bestimmte Entscheidungen im Verlaufe eines Prozesses zu treffen haben, lassen sich einbeziehen. Als weitere Möglichkeit, den entwickelten Prozess zu überprüfen, kann die in Kapitel 3.4 beschriebene 6-Hüte-Methode eingesetzt werden, wobei beim modellhaften Durchspielen unterschiedliche Wahrnehmungen thematisiert werden und so der neue Prozess aus mehreren Sichten betrachtet wird. Lösungen im Feinkonzept beschreiben Sind die Praxistests erfolgreich durchlaufen, werden die umzusetzenden Veränderungen in einem Feinkonzept ausführlich beschrieben. Bei dessen Formulierung ist zu berücksichtigen, dass nicht alle von der Veränderung Betroffenen, an die sich das Feinkonzept richtet, das Verfahren von Anfang an begleiten konnten. Insbesondere mit Blick auf diese Gruppe ist die Ausgangslage und die Entwicklung des Verfahrens bis zu dem einzuführenden Modell ausführlich zu erläutern. Zusätzlich ist allen Interessierten die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern. Dazu können die Veränderungen in Form von Workshops vermittelt und die Eindrücke dazu ausgetauscht werden. Dies bietet die Chance, die Sichtweise der im bisherigen Verfahren Außenstehenden aufzunehmen und eventuell nötige Korrekturen vorzunehmen. Werden diejenigen, die die Prozesse umsetzen müssen, ernst genommen und fühlen sie sich auf diese Art und Weise mitgenommen, dann kann ein Verständnis für die Maßnahmen auch bei dieser Gruppe erzeugt werden. Neben dem Überzeugen der Beteiligten gilt es, auch die Entscheidungsträger mit einzubeziehen. Spätestens nach der Feinplanung ist deren Zustimmung für das neue Verfahren einzuholen. Dabei gilt: Je größer sich die Prozessgestaltung auswirkt und umso bedeutender die Veränderung für die Bibliothek ist, desto häufiger hat die Bibliotheksleitung über weitere Schritte zu entscheiden. Umsetzung planen Als weiterer Bestandteil ist ein Zeit- und Maßnahmenplan für die Umsetzung aufzustellen. Er sollte so realistisch wie möglich sein. Das bedeutet, Abwesenheitszeiten von Verantwortlichen sind zu berücksichtigen. Es sind Zeitpuffer für notwendige Entscheidungen sowie Beteiligungen einzubauen und es sind Zeiten zu berücksichtigen, in denen aufgrund starker Beanspruchung durch Daueraufgaben, beispielsweise wegen Rechnungsschlussfristen am Ende eines Haushaltsjahres, wenig Zeit für Projektarbeit bleibt.
3.5 Prozesse umsetzen und überprüfen
183
Hilfsmittel beschaffen Zu beschreiben sind auch vermeintlich zu vernachlässigende Aktionen, wie die Neufassung von Formularen und Arbeitsanweisungen sowie deren Verlinkung im Intranet. Eine Auflistung aller Stellen, die über die Veränderungen zu informieren sind, stellt sicher, dass auch sie sich in ihrem Bereich darauf einstellen und vorbereiten können. Beschäftigtenvertretungen beteiligen In jedem Fall ist die Art der Einbeziehung von Beschäftigtenvertretungen wie Personalrat, Gleichstellungs- oder Frauenbeauftragten und Schwerbehindertenvertretungen zu prüfen. Grundsätzlich ist der Personalrat sowohl nach der Bundesgesetzgebung als auch nach den rechtlichen Regelungen der Länder so früh wie möglich zu beteiligen. Im optimalen Fall sind Vertretungen des Personalrats von Beginn an aktiv beteiligt. Das bedeutet, sie werden regelmäßig über das Vorgehen informiert oder wirken sogar in den Arbeitsgruppen mit. So können Sie besser den Änderungsbedarf nachvollziehen. Allerdings entbindet dies die Bibliotheksleitung nicht davon, doch noch ein formales Verfahren einzuleiten, wenn durch die Prozessgestaltung Mitbestimmungstatbestände betroffen sind. Mitbestimmungstatbestände können sich bei Prozessoptimierungen nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) aus den Tatbeständen „Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und Erleichterung des Arbeitsablaufs“ (§ 76 Abs. 2 Nr. 5 BPersVG), „Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden“ (§ 76 Abs. 2 Nr. 7 BPersVG) oder „Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen.“ (§ 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG) ergeben. Die Hebung der Arbeitsleistung Eine „Hebung der Arbeitsleistung“ ist anzunehmen, wenn mittels neuer Prozesse, die Menge und/oder Qualität der Arbeit gesteigert und die betroffenen Beschäftigten möglicherweise dadurch stärker belastet werden. Dies wäre der Fall, wenn ein Lektorat um zusätzliche Fächer erweitert wird, ohne dass die betroffene Person an anderer Stelle entlastet würde.49 Die Erleichterung des Arbeitsablaufs Bei der „Erleichterung des Arbeitsablaufs“ ist der Personalrat zu beteiligen, wenn beabsichtigt ist, die Beanspruchung von Beschäftigten zu reduzieren, aber gleichzeitig die gewonnene Arbeitskapazität für die Wahrnehmung zusätzlicher Aufgaben
49 Vgl. Altvater (2016), S. 1412.
184 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
genutzt werden soll. Dies kann der Fall sein, wenn an der Ausleihtheke das Einziehen von Gebühren entfällt, dafür aber geplant ist, die dort Tätigen verstärkt zum Rücksortieren einzuteilen.50 Die grundlegend neue Arbeitsmethode Um eine „grundlegend neue Arbeitsmethode“ handelt es sich, wenn sich die bisherige Arbeitsweise sowie der Ablauf so stark ändert, dass sich auch die Anforderungen an die Beschäftigten ändern. Kommen beispielsweise an einem Arbeitsplatz durch erstmalige Einführung einer automatisierten Bestellkomponente Arbeitsschritte hinzu, die bisher nicht Bestandteil der Tätigkeit waren, ist der Personalrat zu beteiligen.51 Er hat dann insbesondere darauf zu achten, dass die Mitarbeiter geschult werden und möglicherweise ihre Tätigkeitsdarstellungen neu erstellt und bewertet werden. Die Einführung technischer Einrichtungen Mit zunehmender Automatisierung wird der mitbestimmungsrelevante Tatbestand der „Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen.“ (§75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG) immer wichtiger. Hierbei ist es unerheblich, ob die technischen Einrichtungen zur Kontrolle eingesetzt werden sollen oder nur die Möglichkeit dafür bieten, eine Kontrolle aber nicht beabsichtigt ist. Sobald das Instrument objektiv geeignet ist, das Verhalten und die Leistung der Beschäftigten zu überwachen, auch wenn die Dienststellenleitung dies nicht beabsichtigt, ist ein Mitbestimmungsverfahren einzuleiten.52 Schulungen organisieren Müssen die Beschäftigten aufgrund der Prozessoptimierung Aufgaben übernehmen, die sie vorher nicht oder nur in anderer Art und Weise wahrnahmen, ist ein Schulungs- und Trainingsplan festzulegen. Als Schulungen kommen reine Unterrichtsformen des theoretisch zu Erlernenden in Frage. Durch Übungen ist das neu Erlernte zu festigen. Als weitere Methode bietet sich an, Tandem-Teams zu bilden. Jedes Teammitglied sollte dabei zumindest Teile der neuen Abläufe beherrschen und dieses Wissen weitergeben können. Beide zusammen besitzen sie sämtliche Kenntnisse, die zur Wahrnehmung der Aufgabe nötig sind. Zur Vertiefung der neuen Materie wird zudem empfohlen, für einen begrenzten Zeitraum regelmäßige Workshops anzubieten.
50 Vgl. Altvater (2016), S. 1417. 51 Vgl. Altvater (2016), S. 1423. 52 Vgl. Altvater (2016), S. 1308–1309.
3.5 Prozesse umsetzen und überprüfen
185
Veränderung kommunizieren Um sicherzustellen, dass alle von der Veränderung Betroffenen ausreichend informiert werden und Gelegenheit erhalten, sich zu äußern, ist ein Kommunikationsplan aufzustellen (vgl. Kapitel 2.5). Der Kommunikationsplan umfasst alle Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, die Prozessoptimierung transparent zu machen und somit die Akzeptanz zu erhöhen. Dazu ist für jede Zielgruppe eine gesonderte Informationsstrategie und -maßnahme zu beschreiben und umzusetzen. Denn die Betroffenen müssen in angemessenem Maß kontinuierlich, zielgerichtet und auf den konkreten Bedarf bezogen angesprochen werden. Es ist durchaus gewollt, auch schon kleine Erfolge zu artikulieren und zu feiern. Der Kommunikationsplan orientiert sich am besten an den bekannten „W-Fragen“: – Was ist die Botschaft? (Welche Inhalte sind zu überbringen?) – An wen richtet sich die Botschaft? (Wer ist die Zielgruppe?) – Wer vermittelt die Botschaft? (Wer ist zuständig für die Kommunikation?) – Wie kann die Botschaft am besten überbracht werden? (Wichtig ist ein guter Mix der eingesetzten Mittel zwischen visueller, persönlicher und dialogischer Kommunikation.) – Wann ist der richtige Zeitpunkt, um die Botschaft zu verbreiten? (Es gilt: Nicht zu früh Unfertiges verbreiten, nicht zu spät auf Flurfunk reagieren.) Erfolgskontrolle planen Bereits vor Start einer Maßnahme ist zu überlegen, wie deren Erfolg gemessen werden kann (vgl. Kapitel 4.3). Dessen muss man sich schon zu Beginn einer Veränderung im Klaren sein und eine Evaluation im Sinne eines Soll-Ist-Vergleichs einplanen. Bereits bei der Zieldefinition ist darauf zu achten, dass Kennzahlengrößen bestimmt werden, deren Erreichen im Rahmen der Evaluation überprüft werden können. Gleichzeitig bietet es sich an, die Umsetzungsphase durch ein Gremium begleiten zu lassen, dessen Aufgabe es ist, jeden unstimmigen Einführungsschritt zu dokumentieren und zu überlegen, wie dem abgeholfen werden kann. Tab. 3.14: Checkliste Umsetzung. Checkliste Umsetzung Soll-Prozess Nr.
Umsetzungsschritt
1
Liegen die Prozessbeschreibungen im Soll vor? Als verbale Beschreibung? In gängiger Modellierung?
2
War der Praxistest erfolgreich?
3
Ist das Veränderungskonzept mit der Bibliotheksleitung abgestimmt?
4
Wurde ein Umsetzungsplan erstellt?
5
Sind die Arbeitsmittel vorbereitet?
Umsetzungsstand
186 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Checkliste Umsetzung Soll-Prozess Nr.
Umsetzungsschritt
6
Sind der Personalrat und weitere Beschäftigtenvertretungen beteiligt worden?
7 8
Wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult? Ist die kontinuierliche Information und Kommunikation zum Umsetzungsstand sichergestellt?
9
Wurden Evaluationskriterien festgelegt?
Umsetzungsstand
Reflexion Füllen Sie die Checkliste „Umsetzung“ für ein Umsetzungsprojekt in Ihrem Bereich aus. Gibt es weitere Punkte, die in Ihrer Bibliothek zu berücksichtigen sind?
3.5.2 Ergebnisse evaluieren Wie in Kapitel 4.3.5 dargestellt, folgt die Prozessoptimierung einer bestimmten Zielstellung. Das Erreichen dieses Ziels oder möglicherweise mehrerer Ziele ist nach einem angemessenen Zeitabstand zu prüfen. Angemessen ist der Zeitabstand, wenn bei der Anwendung des neuen Prozesses eine gewisse Routine erreicht ist und genügend Daten sowie Erfahrungen für eine Erfolgskontrolle vorhanden sind. Die Evaluierung konzentriert sich dabei im Wesentlichen auf folgende Fragestellungen: – Wurden die Zielvorgaben erreicht? Falls nicht, was sind die Gründe dafür? – Wurden die erkannten Schwachstellen beseitigt? Falls nicht, was sind die Gründe dafür? – Sind neue Schwachstellen aufgetaucht? – Haben die Beschäftigten sowie die Zielgruppen des Prozesses die gefundenen Lösungen akzeptiert und sind zufrieden? – Ist erkennbar, dass die Prozesse effizienter geworden sind? Befragung Methodisch kann die Erfolgskontrolle in Form eines moderierten Workshops mit den am Prozess beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt werden. Alternativ sind auch Befragungen der wichtigsten Stakeholder möglich. Wichtige Stakeholder sind einerseits diejenigen, die an der Prozessdurchführung beteiligt sind, andererseits diejenigen, die auf ein gutes Prozessergebnis angewiesen sind, also im Regelfall die Nutzerinnen und Nutzer einer Bibliothek. Die Befragungen, die sich auf die oben genannten Fragestellungen stützen, können auf schriftlichem Weg, dazu zählen auch elektronische Umfragen, oder mit Hilfe mündlicher Interviews durchgeführt werden. Wurden Messgrößen für die Prozessoptimierung bestimmt, dann wird das Ergebnis durch Auswertung von Messzahlen kontrolliert.
3.5 Prozesse umsetzen und überprüfen
187
Auch die Beobachtung der neuen Abläufe durch neutrale Personen kann Aufschluss über deren Wirksamkeit geben. Drei-Ebenen-Modell Eine besondere Art Erfolgsindikatoren zu messen, schildern Rainer Erne und Carmen Knippenberg in einem Beitrag der Zeitschrift „Führung + Organisation“.53 Sie skizzieren ein Drei-Ebenen-Modell, das neben Messgrößen und Messverfahren auch einen Leitfaden bietet, nach dem ermittelt werden kann, ob neue Prozesse in der Institution verankert werden konnten: – Die erste Ebene misst den Erfolg daran, ob die Prozessvorgaben durch die Beteiligten akzeptiert werden. – Die zweite Ebene prüft, ob die Prozessvorgaben durch die Beschäftigten tatsächlich in ihrer täglichen Arbeit angewandt werden. – Stimmt beides, also die Akzeptanz und die tatsächliche Anwendung der neuen Prozesse, dann ist auf einer dritten Ebene davon auszugehen, dass die Arbeitsergebnisse termin- und kostengerecht sowie in der erwarteten Qualität erreicht werden. Messen lässt sich die Akzeptanz durch Befragungen, die Anwendung durch stichprobenartige Beobachtungen. Um Leistungsindikatoren, wie Zeit, Kosten und Qualität zu messen, sind zunächst Soll-Vorgaben aufzustellen, beispielsweise für gewünschte Durchlaufzeiten vom Eintreffen eines Buches in der Bibliothek bis zu seiner Bereitstellung für die Ausleihe.
3.5.3 Nachhaltigkeit sichern Nur die stetige Beobachtung des optimierten Prozesses sichert die Nachhaltigkeit. Abläufe verändern sich mit der Zeit auch ohne gezieltes Eingreifen. Nachlässigkeiten schleifen sich ein. Einzelne Beteiligte reagieren spontan auf veränderte Rahmenbedingungen und passen den Prozess individuell an. Nicht bedachte Lerneffekte treten ein. Die genannten Vorkommnisse führen zu Abweichungen vom Soll-Prozess, häufig ohne dass dies dokumentiert wird. All dies sind Gründe, ein kontinuierliches Prozess-Controlling zu etablieren. Schließlich soll Prozessmanagement nachhaltig wirken. Gute Prozesse in einer Bibliothek sind in Form einer kontinuierlichen Verbesserung zu sichern.54
53 Vgl. Erne ; Knippenberg (2008), S. 249–254. 54 Vgl. Sächsisches Staatsministerium des Innern (2015), S.68–72.
188 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Abb. 3.20: Prozessmanagement Kreislauf55.
Prozesse beobachten Die kontinuierliche Prozessoptimierung ist eine der Hauptaufgaben der Prozessverantwortlichen (vgl. Kapitel 3.2.4). Die Prozessverantwortlichen sorgen im Rahmen des Projektcontrollings dafür, dass die von der Bibliotheksleitung vorgegebenen Standards eingehalten werden. Gleichzeitig greifen Sie Anregungen aus der Mitarbeiterschaft als auch von Benutzenden auf. Bemerken sie Veränderungsbedarf, dann ist es ihre Aufgabe, darauf hinzuwirken, Prozesse an neue Anforderungen anzupassen. Aus diesem Grund ist darauf zu achten, dass die Prozessverantwortlichen in der Bibliothek anerkannt sind und gehört werden.56 Ein Beispiel: Aufgrund einer Benutzerbeschwerde stellt eine Referatsleiterin als Prozessverantwortliche fest, dass der Umgang mit Auskünften im Lesesaal unterschiedlich gehandhabt wird. Eine Benutzerin fühlte sich bei einer Suchanfrage gut durch eine Beschäftigte an der Lesesaalauskunft beraten. Ein anderes Mal traf sie auf einen Mitarbeiter an der Auskunft, der ihr nicht weiterhelfen konnte. Um herauszufinden, in welcher Art und Weise Auskünfte im Lesesaal erteilt werden, ließ sich die Prozessverantwortliche von mehreren Auskunftgebenden deren Vorge-
55 Abbildung nach Freund ; Rücker (2012), S. 4. 56 Vgl. Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern (2012), S. 51–52.
3.5 Prozesse umsetzen und überprüfen
189
hensweise erläutern. Dabei stellte sie fest, dass die Reihenfolge des Auskunftsinterviews sowie die eingesetzten Hilfsmittel erheblich voneinander abwichen. Als Konsequenz entwickelte sie zusammen mit den Auskunft gebenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Checkliste „Auskunft“, in der Standards für ein gezieltes Auskunftsinterview aufgenommen wurden. Die Checkliste wurde als verbindliches Arbeitsmittel für allen Auskunftgebenden eingeführt und stellt damit ein einheitliches Vorgehen sicher.
Prozesse messen Neben der Wahrnehmung der direkt am Prozess Beteiligten, kann die Wirkung von Prozessgestaltungen auch daran gemessen werden, inwieweit die Ist-Werte vorgegebener Messgrößen von deren Soll-Werten abweichen. Um belastbare Aussagen dazu gewinnen zu können, sollten die Prozesse möglichst einen Jahreszyklus durchlaufen haben. Beispielsweise kann die Stichprobenerhebung der Durchlaufzeiten von einzuarbeitenden Büchern zu Jahresbeginn, wenn die Haushaltmittel noch nicht freigegeben sind, zu anderen Ergebnissen führen als am Jahresende, wenn alle für das laufende Haushaltsjahr noch auszugebenden Mittel in Bestellungen und damit Bucheingänge fließen. Zeigen sich große Abweichungen sind die Schritte einer Prozessoptimierung wie Schwachstellenanalyse, Soll-Prozessmodellierung und Prozesseinführung erneut zu durchlaufen. Dabei ist neben der operativen Ebene immer auch die strategische Ebene zu berücksichtigen. Denn aus der Neugestaltung heraus können sich Auswirkungen auf über- und nebengeordnete Prozesse ergeben, die möglicherweise auch eine Fortschreibung der Prozesslandkarte erfordern.57 Fehler als Chance nutzen Wichtig ist in allen Fällen des Nachsteuerns oder des Reorganisierens, dass die Bibliothek eine offene Fehlerkultur entwickelt und Fehler oder Fehlentwicklungen als Chance für Verbesserungen sieht. Gelingt es einer Bibliothek, die in diesen und den vorhergehenden Kapiteln ausführlich geschilderten Bausteine eines kontinuierlichen Prüfens und Anpassens von Prozessen regelmäßig zu durchlaufen, kann ihr die Prozessreife bescheinigt werden, die es ihr ermöglicht, stets im Interesse ihrer Benutzerinnen und Benutzer zu handeln und die gesetzten strategischen Ziele zu erreichen. Prozessmanagement hilft den Bibliotheken, die immerwährenden Fragen des „wer macht was, wie, womit und wann?“ zu beantworten und damit den Mitarbeitern eine Absicherung ihres Tuns zu gewährleisten. Es steigert dadurch die Zufriedenheit bei allen Beteiligten.
57 Vgl. Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern (2012), S. 51–52.
190 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Stadtbücherei Weilheim a.d.Teck Kerndaten zur Stadtbücherei Weilheim a.d.Teck Bibliothekstyp: Öffentliche Bibliothek Aktive Kundinnen und Kunden: 2.000 Personalstellen in VZÄ: 3,15 (DBS 2016)
Ein Interview mit Ellen Keller-Bitzer, Leiterin der Stadtbücherei Weilheim a.d. Teck Welche Motive haben Sie als kleine Bibliothek bewogen, Prozessmanagement in Ihrer Bibliothek einzusetzen? Ellen Keller-Bitzer: Seit Februar 2016 nimmt die Stadtbücherei Weilheim a.d. Teck an dem Projekt „Ausgezeichnete Bibliothek für kleine Bibliotheken“ des Instituts für Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung an der HdM Stuttgart teil. Ziel unserer Teilnahme ist es, einen umfassenden Blick auf die eigene Institution zu bekommen, Verbesserungspotentiale zu erkennen und ganz allgemein eine dauerhaft hohe Qualität der eigenen Arbeit zu ermöglichen. Im Zuge dieses Projektes richtete sich der Fokus im Besonderen auf die Prozesse und Abläufe in der Bibliothek, mit dem Ziel, Schwachstellen und Brüche zu erkennen und letztendlich zu minimieren. Wie alle Bibliotheken kämpfen auch wir mit Zeitnot und eine Optimierung von Arbeitsabläufen, bei der Unnötiges entdeckt und eliminiert wird, war eines unserer Ziele.
Was waren denn für Sie die größten Herausforderungen als Sie mit Prozessmanagement begonnen haben? Ist in einer kleinen Bibliothek nicht ohnehin allen bekannt, wie es läuft? Ellen Keller-Bitzer: Zunächst einmal sahen wir uns einer Menge an Fragen gegenüber: Was sind denn überhaupt die wichtigsten Hauptprozesse in unserer Bibliothek? Wie viele Teilprozesse ergeben sich daraus? Wo gibt es das größte Verbesserungspotenzial, was läuft gut und was läuft nicht so gut? Wo geht etwas regelmäßig schief? Was brauchen wir überhaupt an Zahlen, Daten und Fakten, um genauer hinzusehen? Wir haben gelernt, dass es sich lohnt, das eigene Bauchgefühl und „instinktives Wissen und Meinen“ zu hinterfragen und auf die Basis gesicherter Zahlen und Fakten zu stellen. Viele Zahlen haben wir neu erhoben und für einige Arbeitsschritte auch Zeiten gestoppt und hochgerechnet. Gerade in einer kleinen Bibliothek lohnt es sich, das gesamte Team einzubinden. Wir haben uns einen Teamtag gegönnt, der sich inhaltlich nur mit den wichtigsten Prozessen in unserem Haus beschäftigt und allen Mitarbeitern sehr gutgetan hat.
Und Ihr Fazit? Hat sich er Aufwand gelohnt? Ellen Keller-Bitzer: In jedem Fall. Prozessarbeit ist eine Gemeinschaftsleistung, bei der alle am Prozess Beteiligten miteinbezogen werden sollten. Außerdem schadet ein Blick von außen
3.5 Prozesse umsetzen und überprüfen
191
nicht, bei dem ein am Prozess nicht direkt Beteiligter die Dinge kritisch hinterfragt. Oft erscheinen Abläufe auf den ersten Blick und durch die Brille der Betriebsblindheit logisch, sind es aber im Endeffekt nicht. Wir haben die eine oder andere „Haben wir doch immer schon so gemacht“-Falle entdeckt und ausgemerzt. Ein weiterer positiver Nebeneffekt war, dass alle wichtigen Vorgänge in der Bibliothek nun genau dokumentiert sind. Das schafft Sicherheit für die vorhandenen Mitarbeiter und ist eine wichtige Hilfe für neues Personal. Insgesamt haben wir im ganzen Team eine bessere Gesamtübersicht darüber bekommen, was wir eigentlich tun, und wie wir es tun, und ein umfassendes Gespür dafür, ob es auch gut ist, so wie wir es tun. Es kommen automatisch sehr viele Dinge positiv in Bewegung. Aus unserer Sicht lohnt sich ein an die Größe der Einrichtung angepasstes Prozessmanagement unbedingt, auch oder gerade in kleineren Bibliotheken. Unsere nächste Herausforderung wird sein, sich Wege auszudenken, um die Prozesse und ihre Dokumentation aktuell zu halten. Und zwar so, dass alle Beteiligten die Übersicht bewahren. Wir werden uns dafür wohl einen Prozess ausdenken müssen …
192 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
3.6 Prozessmanagement bewerten „Ist der aktuelle Standort unbekannt, so nützt auch die vorhandene Landkarte nichts!“58 Im vorangegangenen Kapitel wurde festgestellt, dass die Bibliothek durch kontinuierliches Prüfen und Anpassen von Geschäftsgängen eine Prozessreife erreichen kann, in deren Fokus die Interessen der Benutzenden und der Beschäftigten sowie die strategische Ausrichtung der Bibliothek stehen. In der Tat spricht die Fachliteratur davon, dass Organisationen anhand von Reifegradmodellen eine Standortbestimmung ihres Prozessmanagements vornehmen können. Reifegradmodelle bewerten die Qualität des Prozessmanagements einer Einrichtung. Basis hierfür sind qualitative Kriterien, beispielsweise wie verbreitet das Wissen zu Prozessmanagement in der Mitarbeiterschaft ist. Für jedes Kriterium wird der Grad der Umsetzung bestimmt. Er stellt eine Messgröße für die Effektivität und Effizienz des Prozessmanagements dar. Ein Beispiel: Die Strategie einer Bibliothek besagt, dass die Prozesse regelmäßig zu überprüfen sind. Damit kann der Umsetzungsgrad des Kriteriums „Verankerung des Prozessmanagements in der Strategie“ mit 80 Prozent als überdurchschnittlich bewertet werden. Zusätzlich wird das Kriterium „Vermittlung der Ziele von Prozessmanagement“ betrachtet. Haben bisher nur Führungskräfte und vereinzelte Beschäftigte Informationsveranstaltungen besucht, bei denen es um Prozessmanagement ging, kann hierfür ein Umsetzungsgrad von 20 Prozent angenommen werden. Er ist unterdurchschnittlich. Der Mittelwert aller prozentualen Bewertungen der Kriterien bestimmt den Reifegrad der Bibliothek. In diesem Fall wäre das mit 50 Prozent ein durchschnittlicher Wert.
Haben Sie mit der Einführung eines Prozessmanagements in Ihrer Einrichtung die Grundlage für Verbesserungen geschaffen, ist davon auszugehen, dass die Bibliothek auch ihre einzelnen Prozesse gut gestaltet hat. Aber selbst wenn Ihre Bibliothek einen hohen Reifegrad erreicht hat, bedeutet das noch nicht, dass sie innehalten kann. Denn im Sinne eines Qualitätsmanagements, gilt es diesen Standard weiter auszubauen oder zumindest zu halten. Wird Ihrer Bibliothek durch das Reifegradmodell nur ein unterdurchschnittlicher Reifegrad bescheinigt, ist das ein Signal, nach Verbesserungspotenzialen zu schauen und Maßnahmen zu identifizieren, die die Bibliothek in ihrem Prozessmanagement weiterbringen. Es gibt eine Vielzahl von Reifegradmodellen, von denen das Reifegradmodell EDEN sowie ein Modell für öffentliche Einrichtungen hier näher betrachtet werden sollen.
58 Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern (2012), S. 56.
3.6 Prozessmanagement bewerten
193
3.6.1 Das Reifegradmodell EDEN Die Grundlagen von EDEN als Reifegradmodell für das Prozessmanagement wurden von Praktikerinnen und Praktikern des BPM-Clubs für die praktische Anwendung konzipiert und seit 2009 vom Verein BPM Maturity Model eden weiterentwickelt.59 Es gilt als branchenunabhängiges Modell und kann somit auch auf das Prozessmanagement in Bibliotheken angewandt werden. Dimensionen nach EDEN Das Reifegradmodell EDEN besteht nach dem BPM Maturity Model eden aus mehr als 150 Einzelkriterien, die den folgenden neun Dimensionen zugeordnet werden60: 1. Ziele Die Dimension „Ziele“ befasst sich damit, ob und wie Ziele für die einzelnen Prozesse festgelegt und überwacht werden. Zudem misst sie, inwieweit die prozessualen Ziele die Kundenanforderungen erfüllen und zur Leistungserbringung beitragen. Ein kundenorientiertes Ziel für den bibliothekarischen Prozess „Sacherschließung“ wäre beispielsweise die leichte Auffindbarkeit eines Titels. 2. Strategie Innerhalb dieser Dimension ist festzustellen, wie das Prozessmanagement in die Strategie der Organisation eingebettet ist. Zählt es zu den Organisationszielen und wird durch die Leitung unterstützt? 3. Methoden Der Einsatz geeigneter Methoden und Vorgehensweisen, wie beispielsweise der Einsatz eines standardisierten Fragebogens zur Prozessanalyse, ermöglicht ein erfolgreiches Prozessmanagement. Dies wird in dieser Dimension bewertet. 4. Organisation Innerhalb dieser Dimension wird der Blick auf die Prozessorganisation geworfen. Sind geeignete Rollen etabliert, wie zum Beispiel die der Prozessverantwortlichen?
59 Vgl. BPM Maturity Model eden e.V. (o. J.). 60 Vgl. BPM Maturity Model eden e.V. (2009), S. 5.
194 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
5. Messen Hier wird hinterfragt, ob die Prozessergebnisse beobachtet, bewertet und gesteuert werden. Gibt es in Ihrer Bibliothek Erkenntnisse zu Durchlaufzeiten der Bucheinarbeitung oder zu den Kosten für den Prozess der Ausleihe von Medien? 6. Kompetenzen Innerhalb dieser Dimension wird überprüft, ob die Beschäftigten befähigt sind, gemäß den Prozessanforderungen zu arbeiten. Werden Vorgaben eingehalten? Ist die Fehlerquote gering? 7. Kommunikation Die Fragestellung dieser Dimension ist: Werden Zielsetzung, Prozessmodelle und Prozessergebnisse den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nahegebracht, beispielsweise durch Informationsveranstaltungen, Fortbildungsangebote, Schulungen? 8. Dokumentation Ermittelt wird, ob alle prozessrelevanten Aspekte systematisch beschrieben und veröffentlicht werden. Hat sich die Organisation auf ein einheitliches Beschreibungsmodell geeinigt? Werden die Prozessdarstellungen in einem für alle Beschäftigten erreichbaren Medium, zum Beispiel dem Intranet, sichtbar? 9. Informationstechnik (IT) Diese Dimension zielt darauf, dass die IT-Strategie auf das Prozessmanagement abgestimmt ist und IT-Systeme die Prozesse effektiv unterstützen. Reifegradstufen nach EDEN Jede der oben genannten Dimensionen wird einer der folgenden sechs Reifegradstufen zugeordnet61: – Stufe 0: Chaotisch Das Prozessmanagement wird nur unvollständig und eher nach dem Zufallsprinzip durchgeführt. Sind Prozessmanagement-Ansätze zu erkennen, so erfolgen die betreffenden Maßnahmen isoliert und ohne eine gezielte Planung. – Stufe 1: Ansatzweise Erste Aktivitäten wurden zum Aufbau eines Prozessmanagements durchgeführt und die Notwendigkeit eines Prozessmanagements stellenweise erkannt. Erste gezielte Maßnahmen wurden ergriffen.
61 Vgl. BPM Maturity Model eden e.V. (2009), S. 7–8.
3.6 Prozessmanagement bewerten
–
–
–
–
195
Stufe 2: Fortgeschritten Es gab bereits umfangreiche Aktivitäten zum Aufbau eines Prozessmanagements in der gesamten Organisation. Die Prozessmanagement-Aktivitäten werden zentral koordiniert. Stufe 3: Durchgängig Prozessmanagement ist in der ganzen Organisation etabliert. In allen EDEN-Dimensionen gibt es Bewegungen. Stufe 4: Gesteuert Das Prozessmanagement wird zielorientiert und effizient in der Organisation angewandt. Alle Hierarchieebenen und Beschäftigten der Organisation sind einbezogen, die Prozesse werden gesteuert und das Prozessmanagement selbst wird auf Basis von Messungen weiterentwickelt. Stufe 5: Nachhaltig Die Prozesskultur ist ein durchgängiges Prinzip der Organisation. Die Führungskräfte und Beschäftigten denken in Prozessen und wissen um die Bedeutung von Prozessmanagement.
Die Bewertung nach den vorgestellten Dimensionen und Reifegradstufen ist sowohl auf der Ebene des gesamten Prozessmanagements der Bibliothek möglich als auch auf Ebene einzelner Prozesse. Eine qualitative Bewertung, wie das Feststellen eines Reifegrades, unterliegt stets subjektiven Einschätzungen und sollte daher von einer repräsentativ zusammengesetzten Gruppe vorgenommen werden. Im Idealfall besteht die Gruppe aus Mitarbeitenden unterschiedlicher Organisationseinheiten und Hierarchieebenen. Dann wird als zusätzlicher Effekt erreicht, dass die Beteiligten durch die Beschäftigung mit dem Modell EDEN dazu angeregt werden, sich mit den Aussagen innerhalb der Dimensionen auseinander zu setzen. Gleichzeitig haben sie die Chance, das Prozessmanagement ihrer Organisation weiterzuentwickeln.62 Auswertung nach EDEN Eine Reifegradbewertung dient nicht allein der Feststellung des Ist-Zustands. Daneben ist zu bestimmen, welchen Soll-Zustand die Organisation erreichen möchte. Diese von der Einrichtungsleitung vorzugebenden Werte werden am besten durch bildhafte Darstellungen veranschaulicht. Beispielsweise eignen sich die nachfolgend vorgestellten Diagramme dazu.
62 Vgl. Sächsisches Staatsministerium des Innern (2015), S. 80.
196 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Abb. 3.21: Beispiel einer EDEN Reifegradanalyse.
Die obige Abbildung zeigt, wie das Ergebnis einer Reifegradanalyse im Ist dargestellt werden kann. Gleichzeitig ist die Soll-Vorstellung eingebunden, das heißt: Welchen Reifegrad möchte die Einrichtung in jeder einzelnen Dimension in den nächsten Jahren erreichen? Mit dem Reifegradmodell EDEN können Sie über eine reine Standortbestimmung hinaus, Handlungsstrategien herausarbeiten, mit denen Sie das Prozessmanagement Ihrer Einrichtung voranbringen möchten. Das gelingt nach dem Reifegradmodell EDEN, indem Sie den Zustand ihres Prozessmanagements in die zwei Dimensionen „Fortschritt“ und „Vorgehen“ einordnen: 1. Den erreichten Fortschritt positionieren Sie zwischen „neu“ (Prozessmanagement steckt in den Anfängen) und „eingeführt“ (Prozessmanagement ist flächendeckend in der Organisation verbreitet). 2. Bei der Dimension Vorgehen reicht die Skala von „Bottom-up“ (Prozessmanagement läuft dezentral in einzelnen Projekten) bis „Top-down“ (Prozessmanagement wird mit strategischer Ausrichtung durch die Leitung unterstützt). Haben Sie sich auf den jeweiligen Skalen der oben genannten Dimensionen positioniert, können Sie in einem Portfolio-Diagramm zeigen, wo Sie stehen und wohin Sie Ihre Einrichtung führen möchten. Gemäß ihrem Leitsatz „Das Paradies zum Greifen nah: eden“ haben die Mitglieder des BPM Maturity Model EDEN – Vereins die vier Quadranten des Portfolios bildhaft beschrieben:
3.6 Prozessmanagement bewerten
– –
–
–
197
Quadrant 1, der „Sumpf“, bedeutet, das Prozessmanagement steckt in den Anfängen und seine Entwicklung erfolgt überwiegend dezentral (Bottom-up). Quadrant 2, die „Wiese“: Hier erfolgt die Entwicklung des erst initiierten Prozessmanagements mit aktiver Unterstützung und Steuerung durch die Leitung (Top-down). Quadrant 3, das „Feld“, besagt, dass das Prozessmanagement dezentral an der Basis eingeführt wurde, es aber mangels Bekenntnis der Leitung dazu nicht weiterkommt. Quadrant 4, der „Garten“, zeigt das Paradies als Idealzustand. Das Prozessmanagement ist in der Organisation etabliert und seine Weiterentwicklung wird aktiv durch die Leitung gefördert.63
Abb. 3.22: Reifegrad nach EDEN64.
Die obige Abbildung zeigt unterschiedliche Zuordnungen: Die Positionierung des Kreises 1 im Quadrant des „Sumpfes“ bedeutet, dass Sie seitens der Bibliotheksleitung das Prozessmanagement stärker unterstützen müssen. Nur so können Sie erreichen, dass die Aktivitäten zu Prozessmanagement in der Mitarbeiterschaft ambitionierter verlaufen.
63 Vgl. BPM Maturity Model eden e.V. (2009), S. 10. 64 Abbildung nach BPM Maturity Model eden e.V. (2009), S. 10.
198 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Mit Kreis 2 befinden Sie sich auf gutem Wege. Als Leitung haben Sie einiges dazu beigetragen, um das Prozessmanagement Ihrer Bibliothek voranzubringen. Auch gibt es zahlreiche Aktivitäten, um die Prozesse zu verbessern. Haben Sie Kreis 3 erreicht, dann befinden Sie sich fast im Idealzustand, den es mindestens zu halten gilt. Ihre Prozesse werden, unterstützt durch die Bibliotheksleitung, flächendeckend betrachtet und kontinuierlich optimiert. Reflexion Ordnen Sie das Prozessmanagement Ihrer Bibliothek ein. In welchem Quadrant stehen Sie?
3.6.2 Reifegrad in öffentlichen Einrichtungen Im Auftrag des Bundesinnenministeriums untersuchte das Kompetenzzentrum EGovernment der Universität Münster gemeinsam mit der PICTURE GmbH im Jahr 2011 den aktuellen Stand des Prozessmanagements in der Bundesverwaltung sowie Veränderungsaktivitäten und Trends bei der Gestaltung von Verwaltungsprozessen. Schwerpunkte der empirischen Studie waren: – Mit welchen Aktivitäten im Rahmen des Prozessmanagements beschäftigen sich die öffentlichen Verwaltungen derzeit? – Was planen sie in der näheren Zukunft? – Welche technischen, organisatorischen oder verwaltungskulturellen Randbedingungen hindern sie daran, ihre Prozesse effizient zu gestalten? – Welches Potenzial ist bei den öffentlichen Verwaltungen vorhanden, um Geschäftsprozesse weiterhin zu verbessern?65 Dimensionen im Modell für öffentliche Einrichtungen Das in der Studie entwickelte Reifegradmodell orientiert sich zwar an dem von EDEN, die neun Dimensionen sind allerdings leicht modifiziert. Sie lauten: 1. Strategie und Ziele In dieser Dimension wird gemessen, ob die öffentliche Einrichtung ihre Ziele klar beschrieben hat und das Prozessmanagement Teil ihrer Strategie ist.
65 Vgl. Bundesministerium des Innern (2011), S. 9.
3.6 Prozessmanagement bewerten
199
2. Organisation und Personalwesen Gefragt wird nach Verantwortlichkeinen und Kompetenzen: Wurden die Rollen im Prozessmanagement der Einrichtung vergeben? Sind die beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fähig, Prozesse zu beschreiben und zu analysieren? 3. Prozessoptimierung Hier wird ermittelt, ob Prozesse mit Verbesserungspotenzial ausgewählt und priorisiert werden. 4. Verwaltungskultur In dieser Dimension wird darauf geschaut, ob die Führungskräfte offen für Prozessoptimierungen sind. Zudem stellt sich die Frage, ob es Richtlinien für die Zusammenarbeit gibt. 5. Informations- und Kommunikationstechnologie Geprüft wird in diesem Zusammenhang: Ist die vorhandene Informations- und Kommunikationstechnologie in der Lage, das Prozessmanagement in der Einrichtung zu unterstützen? 6. Methoden und Werkzeuge Zu beantworten ist: Wurden standardisierte Methoden und Werkzeuge bereitgestellt, um Maßnahmen im Rahmen des Prozessmanagements einfacher zu machen? 7. Dokumentation und Standardisierung Diese Dimension hinterfragt, ob organisationsweit gültige Prozesse definiert und Standardisierungen gefördert werden. 8. Controlling und Leistungsmessung Hier wird ein Blick darauf geworfen, ob die Leistungen der Einrichtung gemessen, bewertet und gesteuert werden. 9. Kundenorientierung Gemessen wird in dieser Dimension: Stimmen die Aktivitäten der Einrichtungen mit den Erwartungen der Kundinnen und Kunden überein? Reifegradstufen im Modell für öffentliche Einrichtungen Die Studie der Universität Münster und PICTURE GmbH ordnet jede der Dimensionen mittels fünf Reifegradstufen auf einer Skala von 1 bis 5 ein:
200 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
–
–
–
–
–
Reifegradstufe 1: Ad hoc Die Prozesse sind gering organisiert. Ihre Ziele sind unklar und die Zielerfüllung wird nicht gemessen. Individuelle Anstrengung bestimmt den Erfolg. Reifegradstufe 2: Wiederholbar Die Organisation befindet sich in der Anfangsphase eines Prozessmanagements, aber die Vorgänge werden uneinheitlich bearbeitet. Prozesse sind mit vorhersehbaren Ergebnissen wiederholbar. Reifegradstufe 3: Definiert Die Arbeitsabläufe sind definiert, standardisiert und teilweise dokumentiert. Ein Prozessmanagement ist etabliert. Reifegradstufe 4: Gesteuert Die Prozesse der Organisation sind fast vollständig definiert und dokumentiert. Sie werden einheitlich bearbeitet. Auf Basis von Messungen werden sie fortlaufend optimiert. Reifegradstufe 5: Optimierend Diese Stufe ist erreicht, wenn die Prozesse der Organisation vollständig definiert, dokumentiert und optimiert sind. Zugleich werden Prozesse kontinuierlich weiterentwickelt.
Die Studie geht davon aus, dass nur dann die notwendigen Effekte eintreten, wenn die Gesamtheit aller Dimensionen in einer Verwaltung erreicht sind. Eine Organisation muss alle Kriterien jeder einzelnen Dimension erfüllen, um die jeweilige Stufe zu erreichen. So kann die Dimension „Strategie und Ziele“ anhand folgender Kriterien bewertet werden: a) „Die Organisation hat in ihrer Strategie das Prozessmanagement als Ziel verankert.“ b) „Die Leitung hat die Ressourcen für ein effektives Prozessmanagement bereitgestellt.“ Nur wenn beide Kriterien dieser Dimension mindestens nach der Reifegradstufe 2 bewertet werden, hat diese Dimension tatsächlich die Reifegradstufe 2 erreicht. Gemäß der Studie bestimmt die Reifegradnote, wo öffentliche Einrichtungen in Bezug auf das Prozessmanagement stehen. An einem Beispiel aus dem Bibliotheksbereich soll die Berechnung der Reifegradnote vorgestellt werden: Eine Bibliothek hat in ihrer Strategie die Einführung eines Prozessmanagements aufgenommen und angefangen, die Organisation darauf vorzubereiten, indem sie Informationen und Schulungen zur Prozessgestaltung anbietet. Einige Prozesse sind bereits erhoben und modelliert. Damit erreicht sie einen Reifegrad von 2,3. Die Vorkommastelle gibt an, dass 100 Prozent aller Kriterien die Reifegradstufe 2 (Anfangsphase des Prozessmanagements) erreicht haben. Die Zahl nach dem Komma
3.6 Prozessmanagement bewerten
201
gibt den Prozentsatz von erfüllten Kriterien der darauffolgenden Stufe an – in diesem Beispiel 30 Prozent der Stufe 3 (Prozessmanagement wird etabliert).66 Für dieses Buch wurde ein speziell auf die Branche Bibliotheken und Informationseinrichtungen ausgerichteter Selbstbewertungsbogen entwickelt, den Sie am Schluss dieses Kapitels finden. Reifegrad in Behörden und Bibliotheken Um den Reifegrad in den Bundesbehörden zu ermitteln, versandten die mit der Studie befassten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler per E-Mail Fragebogen an etwa 126 Bundesbehörden. Bei einer Rücklaufquote von 30 Prozent werteten sie allerdings nur vollständig ausgefüllte Fragebogen aus. Als Ergebnis der Studie stellten sie fest, dass sich die meisten Bundesverwaltungen zwischen den Stufen 2 und 3 befinden. Sie haben Prozesse dokumentiert und standardisiert. Allerdings verfügen nur wenige Verwaltungen über ein organisationsweites Verständnis darüber, wie die Prozesse zusammenhängen und haben ihre Strategie danach ausgerichtet.67 Die Aussagen der für dieses Handbuch befragten Praktikerinnen und Praktiker aus verschiedenen Bibliotheken (vgl. „Blick in die Praxis“) sind naturgemäß nur ein kleiner Ausschnitt der Bibliothekslandschaft im deutschsprachigen Raum und eine Darstellung vorhandener praktischer Beispiele. Sie lassen aber darauf schließen, dass die Bibliotheken, die Prozessmanagement eingeführt haben, bereits eine Prozessreife erreicht haben, die in Stufe 3 eingeordnet werden kann. Die vorgestellten Bibliotheken sind aktiv. Sie haben schon Prozesse beschrieben und analysiert. In vielen Fällen ist allerdings noch die Verknüpfung mit den strategischen Zielen der Bibliothek zu erreichen. In diesem Sinne dürften die nachfolgenden Handlungsempfehlungen, die sich aus der Studie des Bundesinnenministeriums ergeben, auch richtungsweisend für die Bibliotheken sein: – Verankere das Prozessdenken in den Köpfen der Führungskräfte. – Beziehe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ein. – Integriere das Prozessmanagement in die Strategie (der Bibliothek). – Identifiziere, analysiere und optimiere die Prozesse mithilfe von Informationstechnik. – Dokumentiere die Prozesse und miss deren Leistung. – Setze kooperative Prozessvergleiche für Prozesse ein. – Biete geeignete Schulungen zum Prozessmanagement an. – Erkenne die Anforderungen der Benutzerinnen und Benutzer.
66 Vgl. Bundesministerium des Innern (2011), S. 10–11. 67 Vgl. Bundesministerium des Innern (2011), S. 6–9.
202 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
–
Sichere ein ganzheitliches, kontinuierliches und nachhaltiges Prozessmanagement.68 Reflexion Bewerten Sie den Reifegrad Ihres Prozessmanagements unter Anwendung des nachfolgenden Selbstbewertungsbogens.
Selbstbewertungsbogen zur Bewertung der Prozessreife einer Bibliothek/Informationseinrichtung: Tab. 3.15: Bewertungsbogen für Bibliotheken und Informationseinrichtungen Bewertung der Prozessreife Bibliothek/Einrichtung Datum der Bewertung Bewertungsteam Dimension
Reifegrad 1
1
Strategie und Ziele
a
Die Bibliothek verfügt über eine Strategie, in der Prozessmanagement als ein Ziel verankert ist.
b
Die Bibliotheksleitung gibt die strategische Ausrichtung des Prozessmanagements vor.
c
Es existiert eine Prozesslandkarte, in der die Kern-, Management- und Serviceprozesse festgehalten sind.
d
Die Leitung hat ein Rollenmodell für das Prozessmanagement beschlossen.
e
Die Leitung hat die Ressourcen (finanziell, personell, organisatorisch, technisch) für ein effektives Prozessmanagement bereitgestellt.
2
Organisation und Personalwesen
a
Alle Rollen für eine funktionierende Prozessorganisation wurden beschrieben und vergeben.
b
Prozessverantwortliche für sämtliche in der Bibliothek wahrgenommenen Prozesse wurden bestimmt.
c
Die Arbeit der Prozessverantwortlichen und möglicher Prozessteams ist mit den jeweiligen Linienverantwortlichen abgestimmt.
68 Vgl. Bundesministerium des Innern (2011), S. 36–38.
2
Kommentar 3
4
5
3.6 Prozessmanagement bewerten
Bewertung der Prozessreife Bibliothek/Einrichtung Datum der Bewertung Bewertungsteam Dimension
Reifegrad 1
d
Die Beschäftigten wurden qualifiziert und sind in der Lage, Prozesse zu beschreiben und zu analysieren.
3
Prozessoptimierung
a
Regelmäßig wird eine Priorisierung zu betrachtender Prozesse vorgenommen. Für alle priorisierten Prozesse wurden Prozesssteckbriefe erstellt.
b c
Prozessschritte sind beschrieben und visualisiert.
d
Aktuelle Beschreibungen von Störungen im Prozess, deren Ursachen sowie von Verbesserungspotenzialen liegen vor.
e
Die internen und externen Anforderungen an die Prozesse sind ermittelt. Optimierungsmaßnahmen sind erarbeitet und umgesetzt.
f 4
Prozesskultur
a
Die Leitung der Bibliothek ist über den Stand der Prozessleistungen informiert.
b
Die Führungskräfte sind offen für Verbesserungsvorschläge und Prozessanpassungen.
c
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen die Zielstellungen der Prozesse in ihrem Zuständigkeitsbereich.
5
Informations- und Kommunikationstechnologie
a
Es stehen geeignete Programme für die Erhebung, Visualisierung und Analyse der Prozesse zur Verfügung.
b
Die Wissensweitergabe zu Prozessmanagement erfolgt IT-unterstützt.
c
Prozessverbesserungen sind IT-unterstützt möglich.
6
Methoden und Werkzeuge
a
Die Bibliothek wendet bewährte Methoden des Prozessmanagements an.
b
Die Bibliothek setzt standardisierte Beschreibungssprachen und -modellierungen ein.
c
Ein Leitfaden und passende Software unterstützen die einheitliche Anwendung der Prozessmethoden.
2
Kommentar 3
4
5
203
204 Prozessmanagement – Praktisch umgesetzt
Bewertung der Prozessreife Bibliothek/Einrichtung Datum der Bewertung Bewertungsteam Dimension
Reifegrad 1
d
Prozessmanagementmethoden werden kontinuierlich weiterentwickelt.
7
Dokumentation und Standardisierung
a
Alle Prozessbeschreibungen liegen in einer zentralen und allgemein zugänglichen Dokumentation vor. Prozessbeschreibungen und Dokumentationen liegen in einheitlicher Form vor.
b c
Es wurden einzelne Prozessschritte im Sinne von Referenzmodellen standardisiert eingeführt.
8
Controlling und Leistungsmessung
a
Ein Soll-Ist-Vergleich von Prozesszielen und Ergebnissen wird durchgeführt.
b
Es liegen für die wichtigsten Prozesse Durchschnittswerte der Leistungsergebnisse vor.
c
Es ist festgelegt, ab welcher Abweichung bzw. in welchen zeitlichen Abständen Prozesse erneut überprüft werden.
9
Kundenorientierung
a
Mittels regelmäßiger Befragung der Benutzerinnen und Benutzer werden deren Erwartungen an die Prozesse der Bibliothek ermittelt und mit der Realität verglichen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können kontinuierlich Ideen für Prozessverbesserungen einbringen.
b
c
– –
–
2
Kommentar 3
4
5
Es wurden Tools eingeführt, die die Ermittlung von Erwartungen der externen und internen Kundschaft und deren Erfüllung unterstützen.
Reifegradstufe 1: Ad hoc Gering organisierte Prozesse. Ziele unklar. Zielerfüllung wird nicht gemessen. Reifegradstufe 2: Wiederholbar Prozessmanagement befindet sich am Anfang. Uneinheitliche Bearbeitung der Vorgänge. Prozesse mit vorhersehbaren Ergebnissen wiederholbar. Reifegradstufe 3: Definiert Arbeitsabläufe sind definiert, standardisiert und teilweise dokumentiert. Eine Prozessorganisation ist etabliert.
3.6 Prozessmanagement bewerten
–
–
205
Reifegradstufe 4: Gesteuert Fast vollständig definierte und dokumentierte Prozesse der Bibliothek liegen vor. Prozesse werden einheitlich bearbeitet und auf Basis von Messungen optimiert. Reifegradstufe 5: Optimierend Prozesse der Organisation sind vollständig definiert, dokumentiert und optimiert. Prozesse werden kontinuierlich weiterentwickelt.
Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
4 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder 4.1 Prozessorientiertes Informations- und Dokumentenmanagement In diesem Kapitel stellen wir Ihnen vor, wie Informations- und Dokumentenmanagement, aber auch Wissensmanagement, prozessorientiert gestaltet werden kann. Als Basis dafür wird einerseits die von Ihnen erarbeitete Prozesslandkarte genutzt, zum anderen aber auch das durch die Arbeit mit Prozessen eingeübte Denken in Prozessen und Vorgängen.
4.1.1 Prozessmanagement als Initialzündung Spätestens, wenn die ersten Prozesse beschrieben sind, stellt sich die Frage, wo und wie diese so dokumentiert und abgelegt werden, dass sie wieder auffindbar sind. Weitere Fragen, die sich unmittelbar daraus ergeben, sind: – Werden Prozessdokumente nur elektronisch, nur in Printform oder in beiden Formaten abgelegt? – Wer soll welchen Zugriff (nur lesend oder auch schreibend) auf die Dokumente haben? – Wie werden Änderungshistorien verwaltet und nachgehalten? – Wo und wie werden Dokumente, die zu den Prozessbeschreibungen gehören (zum Beispiel Checklisten, Arbeitsanweisungen etc.), abgelegt? – Wer ist für die Pflege der Dokumente und die Pflege der Ablagestruktur verantwortlich? Der zeitliche und intellektuelle Aufwand, mit dem Prozesse erfasst, beschrieben und verbessert werden, ist hoch. Daher ist der Anspruch, dieses Potenzial möglichst gut im Zugriff haben zu wollen, eine verständliche und notwendige Konsequenz. In diesen Prozessdokumenten steckt exklusives Wissen der Organisation. Wenn sich die Investition in die Dokumentation von Prozessen lohnen soll, dann muss dafür gesorgt werden, dass ihre Ergebnisse jederzeit in der gültigen Version zugänglich sind, dass Änderungen und Weiterentwicklungen einfließen und diese wiederum – eindeutig identifizierbar – gefunden werden können. Und dies von allen Mitarbeitenden, die es für ihre Arbeit benötigen. Zwei weitere Gedanken seien angefügt: Alle Dokumente, die in einer Organisation entstehen, entstehen in Prozessen, und alle Dokumente, die in einer Organisation benötigt werden, werden in irgendeiner Form für die Durchführung von Prozessen benötigt. Prozesse und Dokumente sind also untrennbar verbunden.
https://doi.org/10.1515/9783110499599-004
210 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
Weil das so ist, soll im Folgenden das Konzept des „Prozessorientierten Informations- und Dokumentenmanagements“1 vorgestellt werden. Zwar mag die Frage, wo und wie Prozessbeschreibungen abgelegt werden, die Initialfrage sein, letztlich greift sie aber zu kurz. Erst das Denken in Prozessen schafft nämlich die Voraussetzung dafür, alle Dokumente und verschriftlichten Informationen prozessorientiert zu organisieren und damit einen Beitrag zu einem leistungsfähigen Wissensmanagement zu leisten. Daher soll im Folgenden der Blick nicht nur auf die Ablage von Prozessbeschreibungen gerichtet werden, sondern zugleich auf ein umfassendes Informations- und Dokumentenmanagement. Ein Hinweis sei hier aber gegeben: Bibliotheken sind – auch und gerade, was das Dokumentenmanagement angeht – keine Inseln, sondern sie sind eingebunden in die Regularien ihres Trägers. Deshalb sollten Sie sich, bevor Sie Überlegungen zur Umsetzung des prozessorientierten Informations- und Dokumentenmanagements anstellen, mit Ihrem Träger abstimmen. Zu klären ist, inwieweit Sie autonom und nach Ihren bibliotheksinternen Informationsbedürfnissen handeln können oder sich an den Regeln der Schriftgutverwaltung beziehungsweise des Dokumentenmanagements Ihres Trägers orientieren müssen. Umgang mit Informationen und Dokumenten Es ist das Kerngeschäft von Bibliotheken, Information und Wissen systematisch zu erschließen und wieder auffindbar zu machen. Bibliothekarinnen und Bibliothekare tun dies auch tagtäglich erfolgreich mit Medien und Dokumenten für ihre Kunden. Dagegen zeigt sich immer wieder, dass der Umgang mit internen Dokumenten Unsicherheit auslöst, und dass oft mit der aktuellen Form, in der Dokumente abgelegt und organisiert sind, große Unzufriedenheit herrscht.2 Vielen gilt internes Informations- und Dokumentenmanagement als „staubige“ und bürokratische Angelegenheit. Dabei hat Informations- und Dokumentenmanagement keine anderen Aufgaben, als sie auch auf traditionelle Kernaufgaben von Bibliotheken zutreffen:
1 Vgl. Vonhof ; Steinbrecher (2016), Abschnitt 9.3.12. 2 Vgl. Steinbrecher ; Vonhof (2011).
4.1 Prozessorientiertes Informations- und Dokumentenmanagement
211
Abb. 4.1: Aufgaben des Informations- und Dokumentenmanagements.
Anders als beim Umgang mit Bibliotheksmaterialien, bei denen man zur Erschließung und Bereitstellung sowie für viele andere Prozessschritte auf gemeinsam vereinbarte und oft strikt einzuhaltende Regeln zurückgreifen kann, fehlen diese beim Umgang mit internen Dokumenten sehr oft. Regeln über die Ordnerstrukturen, Dokumentennamen oder den Umgang mit E-Mails existieren meist nicht, beziehungsweise sie existieren nur auf einer individuellen Ebene: Jeder legt in „seinem“ Bereich kreativ Strukturen an und in diesen Strukturen nach seinen eigenen Regeln „seine“ Dokumente ab. Dass dies für Bibliotheksmaterialien nicht funktionieren würde, ist offensichtlich. Dass es für interne Dokumente genauso wenig funktioniert, zeigt die oft formulierte Unzufriedenheit insbesondere in Situationen, in denen es auf einen schnellen und verlässlichen Zugriff auf Dokumente ankommt: zum Beispiel im Vertretungsfall oder wenn Aufgaben anstehen, die bislang ein Mitarbeiter erledigt hat, der nun ausgeschieden ist. Will man diese Situation überwinden, dann sind wissensbasierte Organisationen darauf angewiesen, dass vor allem explizites Wissen3 nicht als exklusives Eigentum Einzelner verstanden wird, sondern dass es geteilt wird in dem Sinne, dass alle Teammitglieder auf das gemeinsame Wissen zugreifen können. Dazu sind gemeinsame Vereinbarungen und Regeln erforderlich, die sich in einer teamorientierten Ablagestruktur manifestieren. Gemeinsame Regeln funktionieren dauerhaft aber nur, wenn Informations- und Dokumentenmanagement als wesentlicher Bestandteil des Wissensmanagements und der Organisationskultur verstanden wird:
3 Der Begriff „explizites Wissen“ wird im Gegensatz zum Begriff „implizites Wissen“ als eindeutig kodiertes und mittels Zeichen (Sprache, Schrift) eindeutig kommunizierbares Wissen verstanden. Dieses Wissen kann – im Gegensatz zu implizitem Wissen – gespeichert und damit anderen zugänglich gemacht werden. Vgl. dazu: Nonaka ; Takeuchi ; Nonaka (2012).; Polanyi (1985).
212 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
Die Art, wie mit Wissen in einer Organisation umgegangen wird, beeinflusst die Organisationskultur und wird zugleich von ihr beeinflusst. Auf dem Weg zur teamorientierten Ablage Die Parallele, die zum Prozessmanagement besteht, ist offensichtlich: Kennzeichen funktionierender Prozesse ist das Denken über Abteilungsgrenzen hinweg und die arbeitsteilige Bearbeitung der Prozessaufgaben in „cross-funktionalen“ Teams. Das Denken in abgegrenzten funktionalen Organisationsstrukturen muss demzufolge ersetzt werden durch die Arbeit in (Prozess-)Teamstrukturen, die sich an übergreifenden Prozessen orientieren. Die Prozesse geben damit den Rahmen für die Logik der Zusammenarbeit und der Dokumentenstruktur vor. Klassische Dokumentenablagen sind in der Regel abteilungsweise und personenbezogen organisiert. Eine prozessorientierte Ablage orientiert sich jedoch an Prozessen.
Abb. 4.2: Die Prozesse verlaufen oft quer zur Ablage nach funktionalen Abteilungen.
Zu den grundlegenden Regeln einer team- und prozessorientierten Ablage zählen: – Alle Mitglieder des (Prozess-)Teams haben jederzeit Zugriff auf alle Informationen und Dokumente der Vorgänge, die sie bearbeiten. Eventuell gibt es bei einzelnen Themen Einschränkungen in der Vertraulichkeit. – Ein Dokument – ein Ort: Das gleiche Dokument wird in der gesamten Organisation nur einmal abgelegt. – In einer teamorientierten Ablage sind die Dokumente und Informationen aktuell. Alte Dokumente werden regelmäßig archiviert. Das (Prozess-)Team hat auch Zugriff auf das Archiv.
4.1 Prozessorientiertes Informations- und Dokumentenmanagement
213
Der letzte Punkt ist vor allem relevant, wenn es darum geht, die Ablage schlank und überschaubar zu halten. Im Gegensatz zu Papierdokumenten, bei denen allein durch ihre physische Existenz bewusste Entscheidungen darüber getroffen werden, ob sie überhaupt aufbewahrt und wo sie abgelegt werden, besteht bei elektronischen Dokumenten ein deutlich geringerer Druck, ähnlich überlegt vorzugehen. In der Praxis werden Entscheidungen darüber oft auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Dies führt dazu, dass elektronische Dokumentenbestände stark anwachsen und veralten. In der Folge weiß man nicht mehr, ob das einzelne Dokument noch gebraucht wird und ob es noch aktuell ist. Für eine effiziente Arbeit ist die daraus folgende Sucharbeit ein massives Hindernis. Unabhängigkeit von IT-Systemen Wenn Lösungen für Dokumentenablage oder die Organisation von Informationen gesucht werden, dann ist die häufig bemühte Antwort: „Wir brauchen ein Dokumentenmanagementsystem!“ Sei es eines der vielen auf dem Markt verfügbaren Softwarepakete oder sei es die in Bibliotheken so beliebte Lösung: „Wiki“. Die Lösungsansätze, die prozessorientiertes Informations- und Dokumentenmanagement bietet, sind jedoch unabhängig von technischen Systemen zu verstehen. Ob prozessorientierte Strukturen im Dateisystem eines Servers oder in der Datenbank eines Dokumentenmanagement-Systems abgebildet werden, spielt keine Rolle. Auch die Größe der Organisation ist unerheblich. Die vorgestellten Methoden sind skalierbar. Sie können in kleinen Spezialbibliotheken mit drei Beschäftigten ebenso eingesetzt werden wie in sehr großen Bibliotheken oder Informationseinrichtungen.4
4.1.2 Prozessmanagement als Strukturlieferant Prozesslandkarte als Basis Ein wesentlicher Arbeitsschritt zur Beginn der Prozessarbeit war, eine Prozesslandkarte zu entwickeln, die alle wesentlichen Prozesse der Bibliothek aufführt (vgl. Kapitel 2.3). Die Prozesse wurden dabei in Managementprozesse, Kernprozesse und Serviceprozesse strukturiert.
4 Wenn im Folgenden Beispiele anhand des Windows-Filesystems illustriert werden, so ist damit keine Exklusivität dieses Systems gemeint. Sie soll jedoch an die praktischen Erfahrungen einer möglichst großen Zahl von Lesern anknüpfen.
214 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
Abb. 4.3: Beispielhafte Prozesslandkarte einer Bibliothek.
Die These, dass sich alle Aktivitäten, die in einer Organisation stattfinden, einem Prozess zuordnen lassen und dass sich damit auch alle Dokumente, die daraus entstehen oder dafür eingesetzt werden, einem Prozess zuordnen lassen, legt nahe, die Prozesse zum Ausgangspunkt der Dokumentenablage zu machen. Die Prozesse wiederum sind in einer Prozesslandkarte systematisch geordnet. Damit liegt eine Struktur vor, die sich sehr gut für die Organisation von Dokumenten und Informationen eignet. Mit anderen Worten: Die Prozesslandkarte stellt einen ersten Entwurf für einen Ordnerplan dar. Die unmittelbare Übersetzung einer Prozesslandkarte in einen Ordnerplan ist jedoch noch unvollständig. So ist die systematische Sammlung der Haupt- und Teilprozesse noch zu grob, um damit zielgerichtet arbeiten zu können. Zudem fehlen noch Ablageorte für übergreifende Dokumente, die nicht nur für einen Prozess relevant sind, nämlich sogenannte „Wissensdokumente“
4.1 Prozessorientiertes Informations- und Dokumentenmanagement
215
Abb. 4.4: Aus der Prozesslandkarte ergibt sich ein erster Ordnerplan.
Gleichwohl macht bereits die direkte Übersetzung der Prozesslandkarte in einen Ordnerplan sichtbar, dass eine hierarchische und klar gegliederte Struktur entsteht. Durch die Verknüpfung der Benennung mit einer Nummer (quasi einem Aktenzeichen) kann eine solche Struktur in einem Filesystem einer Windows- oder macOSStruktur abgebildet werden. Von der Prozesslandkarte zum Ordnerplan Um nun tatsächlich von der Prozesslandkarte zu einem Ordnerplan zu kommen, muss die Struktur der Prozesslandkarte verfeinert und ergänzt werden. Dazu sind die folgenden Begriffsklärungen erforderlich. Vorgang Ein Prozess beschreibt – zumindest als Soll-Prozess – den idealen oder wenigstens optimierten grundsätzlichen Ablauf einer Kette von Aktivitäten. Er beschreibt zum
216 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
Beispiel, wie der Kernprozess „Schulungen durchführen“ abläuft. Würde man „Ordnerplan“ nun ganz schlicht als synonymen Begriff für „Prozesslandkarte“ verstehen, dann würden in der Folge alle Dokumente, die in diesem Kernprozess entstehen und für ihn benötigt werden, im Ordner „Schulungen durchführen“ abgelegt. Es ist leicht vorstellbar, dass das innerhalb kürzester Zeit zu einem völlig unübersichtlichen Dokumentensumpf führen würde. Eine weitere Untergliederung ist also erforderlich. Diese wird geschaffen durch den sogenannten „Vorgang“. Der Vorgang5 ist ein einzelner, spezieller Realisierungsfall eines Prozesses, also zum Beispiel die „Rechercheschulung für einen bestimmten VHS-Kurs am 20.05.2018“. Diese Schulung läuft – was den Prozessablauf angeht – grundsätzlich genau nach der Prozessbeschreibung ab. Allerdings fallen vorgangsspezifische Dokumente an: zum Beispiel E-Mails zur Terminvereinbarung mit den Organisatoren in der Volkshochschule, die Teilnehmerliste, die Teilnahmebestätigungen, gegebenenfalls spezifische Schulungsunterlagen, die für diese Zielgruppe entwickelt oder vorliegende Unterlagen, die angepasst wurden. All diese Dokumente, die genau zu diesem spezifischen Vorgang gehören, werden in dem sogenannten „Vorgangsordner“ abgelegt. Damit ergibt sich eine dreistufige Gliederung: 1. Prozess 2. Vorgang 3. Dokument In einem Filesystem stellt sich das dann so dar:
Abb. 4.5: Gliederungsstufen eines Ordnerplans.
5 Andere Bezeichnungen für Vorgang sind „Geschäftsvorfall“, speziell im Kundenverkehr werden sie auch als „Auftrag“ bezeichnet. Auch Projekte sind Vorgänge. Im Englischen wird der Begriff „case“ verwendet.
4.1 Prozessorientiertes Informations- und Dokumentenmanagement
217
Der Inhalt des Vorgangsordners könnte zum Beispiel so aussehen:
Abb. 4.6: Im Vorgangsordner befinden sich alle zum Vorgang gehörigen Dokumente.
Vorteile von Vorgangsordnern Die Vorteile der Bildung von Vorgangsordnern sind vielfältig: 1. Sie haben unter anderem etwas mit dem menschlichen Gedächtnis zu tun. Menschen erinnern am besten Geschichten. Und ein Vorgang ist nichts anderes als eine „Geschichte“ mit einem Anfang und einem Ende. 2. Der innere, sachlogische Zusammenhang eines Vorgangs bleibt erhalten. Gründe, die zu bestimmten Entscheidungen geführt haben, werden leichter transparent. 3. Der jeweilige Stand eines noch nicht abgeschlossenen Vorgangs ist sofort ersichtlich. Man kann damit auch nach „nicht vorhandenen Dokumenten“ suchen. Wenn man zum Beispiel in einen Vorgangsordner schaut und die Terminbestätigung zum Kurs xy ist dort noch nicht abgelegt, dann kann das nur heißen: Das Dokument ist noch nicht rausgegangen. Also muss man es schnell erledigen. Bei nicht-vorgangsbezogenen Ablagen ist es viel aufwändiger zu entscheiden, ob ein Dokument wirklich nicht existiert. Suchmaschinen sind hier prinzipiell überfordert, weil sie nicht vorhandene Dokumente nicht finden können. 4. Das „Abschreiben“ wird gefördert: Wenn ein Prozess selten vorkommt (z. B. „Ausstellung organisieren“), kann man im letzten Vorgang – also in der Ablage des letzten durchgeführten Falls des Prozesses – nachschauen, wie man es damals gemacht hat. Damit können nicht nur die grundsätzlichen Schritte des Prozesses aus der Prozessdokumentation entnommen werden, sondern man kann sich auch an den damals entstandenen Dokumenten orientieren. 5. Das Aussondern von Dokumenten in eine elektronische Registratur funktioniert bei der Ablage nach Vorgängen sehr einfach und schnell. Einem einzelnen Dokument sieht man es nicht oder nur mit viel Aufwand an, ob es noch ge-
218 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
braucht wird oder ob es archiviert werden kann. Wenn hingegen ein Vorgang abschlossen ist (die spezielle Schulung für die VHS am 20.05.2018 ist vollständig abgeschlossen), dann sind damit auch die Dokumente in diesem speziellen Vorgang „veraltet“ und können „im Paket“, nämlich als gesamter Vorgangsordner, archiviert werden. Reflexion Sie haben bereits eine Prozesslandkarte im Kapitel 2 entwickelt. Nehmen Sie diese nun nochmals zur Hand und überlegen Sie sich, wie Sie diese auf Ebene der Teilprozesse um die Ebene „Vorgänge“ erweitern könnten, um so einen ersten Entwurf für einen Ordnerplan zu entwickeln.
Wissens- und Vorlagendokumente Eine berechtigte Frage, die sich aus dem vorgestellten Konzept der Vorgangsdokumente und Vorgangsordner ergibt, ist die folgende: Was passiert nun aber mit Dokumenten, die zu mehr als einem Vorgang gehören und mit solchen, die sogar zu mehr als einem Prozess gehören? Wissensdokumente Wissensdokumente sind Dokumente, die man keinem einzelnen Prozess und schon gar nicht einem einzelnen Vorgang zuordnen kann. Solche Dokumente werden in einem eigenen Ordner zusammengefasst und im Ordnerplan so nahe wie möglich den passenden Prozessen zugeordnet. Ein Beispiel: Eine Bibliothek hat zwei Mitarbeiter, die sich auch um die IT-Ausstattung kümmern. Diese legen zwei Ordner im Ordnerplan an namens 06.00.01 HW-Dokumentation (W) 06.00.02 SW-Dokumentation (W) In diese Ordner legen sie für jede Hardwarekomponente (z. B. „PC Ausleihtheke“) beziehungsweise für jede installierte Software (z. B. „Excel“) einen eigenen Unterordner an. Darin liegen jeweils Dokumente, die Installationsparameter einer Hardware oder Software dokumentieren. Geht zum Beispiel ein PC kaputt und muss ersetzt werden, kann man das neue Gerät problemlos genauso einrichten wie sein Vorgängergerät.
Vorlagendokumente Ausgangspunkt der Überlegungen in diesem Kapitel war die Frage: Wo werden die grafischen und verbalen Prozessbeschreibungen abgelegt? Nun haben wir eine Ordnerstruktur vorgeschlagen, die sich zwar an der Prozesslandkarte orientiert, diese
4.1 Prozessorientiertes Informations- und Dokumentenmanagement
219
aber durch den Gedanken des „Vorgangs“ verfeinert und erweitert. Die entstandenen Prozessbeschreibungen dienen der Steuerung des jeweiligen Prozesses und aller seiner Vorgänge. Sie sind damit zugleich die „Vorlage“ dafür, wie ein Prozess idealtypisch ablaufen soll. Zusammen mit Checklisten und Sammlungen von Standards und Templates aller Art werden die Prozessbeschreibungen daher als „Vorlagendokumente“ bezeichnet. Sie stehen logisch-hierarchisch über den Vorgangsdokumenten – weil sie nicht nur für einen Vorgang Gültigkeit haben, sondern für alle Vorgänge eines Prozesses – und werden daher in einer Ordnerstruktur beim jeweiligen Prozess ganz oben eingefügt, vor die einzelnen Vorgänge. Damit dies in einem Filesystem automatisch erfolgt, nutzt man die Funktion der Klammer6. Prozessorientierter Ordnerplan als Ergebnis Führt man die Überlegungen zur prozessorientierten Ablage zusammen, dann entsteht ein an der Prozesslandkarte orientierter Ordnerplan, der das prozessorientierte Denken aufnimmt, verstärkt und damit dazu beiträgt, Prozessmanagement zu einem zentralen Baustein der Organisationsentwicklung und des Wissensmanagements werden zu lassen. Rollenkonzept für die praktische Arbeit Wie bei allen Instrumenten funktioniert auch ein noch so intuitiv nutzbarer Ordnerplan nicht von allein, sondern muss durch aktive Information und Kommunikation sowie klare Vereinbarungen im Team flankiert werden. Dies gilt vor allem, weil die Einführung einer prozessorientierten Dokumentenablage nicht nur das Annehmen einer neuen Ablagestruktur von allen Teammitgliedern erfordert, sondern, weil sie eine radikale Abkehr von der individuellen, „persönlichen“ Ablage bedeutet. Das heißt, dienstliche Dokumente sind jederzeit allen zugänglich, persönliche Ordner7 gibt es nicht mehr. Dies bedeutet erfahrungsgemäß in vielen Organisationen einen Bruch mit gewohnten Praktiken und löst häufig Widerstände aus. Damit das Dokumentenmanagement dauerhaft gut funktioniert, müssen Rollen und Verantwortlichkeiten geklärt werden. Für die Prozesse wurden bereits Prozessverantwortlichkeiten festgelegt. Diese Verantwortlichkeit erstreckt sich bei der prozessorientierten Ablage konsequenterweise auch darauf, Prozessänderungen in der Ordnerstruktur nachzuvollziehen und das Prozessteam bei der operativen Ablagearbeit zu unterstützen.
6 Wird der Ordnername in Klammer gesetzt, so erfolgt die Sortierung automatisch vor Buchstaben und Zahlen. Wie dies in einem Ordnerplan praktisch aussieht ist Abb. 4.4 zu entnehmen. 7 „Persönlich Ordner“ kann es allenfalls in sehr begrenztem Umfange für tatsächlich strikt persönliche Dokumente geben (Entwurf eines Urlaubsantrags, Fotos einer Betriebsfeier).
220 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
Das Prozessteam bearbeitet gemeinsam die Vorgänge eines Prozesses und tauscht dabei die zugehörigen Dokumente aus, legt sie ab oder erzeugt sie. Je nach Größe des Betriebs und der Anzahl der Vorgänge, die innerhalb eines Prozesses gleichzeitig ablaufen, kann es sinnvoll sein, Vorgangsteams zu bilden, die jeweils für einen Vorgang verantwortlich sind. Bezogen auf das Dokumentenmanagement haben diese Vorgangs- beziehungsweise Prozessteams die folgenden Aufgaben: – Ablage der Dokumente – Archivieren von Dokumenten – Festhalten von Wissen, zum Beispiel durch die Entwicklung von Vorlagendokumenten – Festlegen von Ablageregeln und Ablagestandards – Ändern der Ablagestruktur (zum Beispiel Umziehen von Dokumenten in neue Ordner) Nimmt man Dokumentenmanagement als wesentlichen Baustein des Wissensmanagements einer Organisation ernst, dann ist es zusätzlich zielführend, eine Position zu installieren, die als „Informations- und Dokumentenmanager“ bezeichnet werden kann. Diese Person fördert den sorgfältigen Umgang mit der Ablage. Sie sorgt dafür, dass die Organisation und die Prozess- beziehungsweise Vorgangsteams verstehen, was ein ordentlicher Zustand der Ablage ist und wie dieser Zustand verbessert werden kann. Sie hilft dabei, die Zusammenarbeit so zu optimieren, dass die Vorgangsteams möglichst wenig Zeit mit Suchen und Ablegen verlieren, und sie zeigt auf, welche Ablagepraktiken die Ordnung der Ablage verbessern und welche dies nicht tun. Dazu gehören folgende Aufgaben: – Vermitteln von guten Informationsmanagement-Praktiken – Coaching des Prozess- beziehungsweise Vorgangsteams hin zur Selbstorganisation und zur besseren Zusammenarbeit – Koordination aller Fragen zur Ablage – Verwaltung der Steuerungsdokumente für das Dokumentenmanagement (zum Beispiel Ordnerplan, Zugriffsberechtigungen, vereinbarte Regelwerke) – Kontakt zu Datenschutzbeauftragten, Mitarbeitervertretung etc. halten. Praktisches Informations- und Dokumentenmanagement Im Folgenden sollen abschließend einige Punkte angerissen werden, die bei der Umsetzung des prozessorientierten Dokumentenmanagements bedacht werden müssen. Zugangsbeschränkungen Grundsätzlich gilt, dass durch die gemeinsame Ablage allen Prozess- beziehungsweise Vorgangsteams alle jeweils benötigten Informationen zur Verfügung stehen. So können sich die Teams und die einzelnen Mitglieder untereinander unterstützen
4.1 Prozessorientiertes Informations- und Dokumentenmanagement
221
und gegebenenfalls vertreten. Ein Mitglied eines Vorgangsteams kann sich über den aktuellen Status eines Vorgangs informieren, ohne Kollegen durch Anruf oder EMail stören zu müssen. Es kann in einem Vorgang weiterarbeiten, ohne darauf warten zu müssen, dass ihm ein anderes Mitglied ein wichtiges Dokument schickt. Gleichwohl können und müssen für Teile der Ablage Zugangsbeschränkungen vereinbart werden. Aus Gründen des Datenschutzes werden zum Beispiel Personalvorgänge in der Regel nur ausgewählten Personen zugänglich gemacht. Namensregeln für Ordner und Dokumente Da die Prozesse bereits in der Prozesslandkarte eindeutig benannt sind, ist es sinnvoll, im Team gemeinsame Regeln zu vereinbaren, wie Vorgangsordner, aber auch Dokumente benannt werden. Die Namen der Vorgangsordner beziehen sich meist auf Objekte, die in dem Vorgang eine Rolle spielen. Dies kann der Name des Kunden, des Lieferanten, der Dienstleistung oder des Projektes sein. Die Ergänzung mit einer Datumskomponente (Jahr, Monat, Tag) erleichtert es, die Aktualität des Vorgangs zu erkennen und zu entscheiden, ob ein Vorgang abgeschlossen und archiviert werden kann. Zur Benennung von Dokumenten haben sich für häufig vorkommende Dokumentenarten einfache Regeln bewährt, die aus den Bestandteilen Dokumentenart_Bezugsperson(en)_Stichwort_zum_Inhalt sowie einer Datumskomponente bestehen. Die Dokumentenart kennzeichnet vor allem, wie der Verfasser des Dokuments mit den Adressaten des Dokuments in Kontakt getreten ist (also weniger den Inhalt). Dabei wird unterschieden nach: – EEMail = empfangene E-Mail – AEMail = versendete (ausgegangene) E-Mail – EBrief = empfangener und dann eingescannter Brief – ABrief = in Papierform versendeter Brief – EFax = analog – AFax = analog So könnte eine eingegangene Mail von Frau Fröhlich mit der Bitte um einen Termin für die Rechercheschulung für einen VHS-Kurs so benannt werden: EEmail Fröhlich_VHS_Bitte_Termin_Rechercheschulung.msg. Ergänzend kann das Datum in die Dateibenennung aufgenommen werden. Auch hierfür sollte eine Konvention vereinbart werden, wie zum Beispiel: JJ-MM-TT.
222 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
Reflexion Auch bei Ihnen gibt es Dokumente, die immer wieder vorkommen und für die es sich anbieten würde, Namensregeln festzulegen. Welche sind das und wie könnten solche Namensregeln aussehen?
Umgang mit E-Mails Ein wesentlicher Baustein für den Erfolg einer gemeinsamen Dokumentenablage ist das Speichern der E-Mails in der Ablage und zwar im entsprechenden Prozess- beziehungsweise Vorgangsordner. Solange nämlich wichtige E-Mails in den Postfächern der einzelnen Teammitglieder schlummern, ist der Vorgang nicht vollständig, und die Vorteile der vorgangsbezogenen Ablage kommen nicht umfassend zum Tragen. Bewährt haben sich Regeln wie zum Beispiel die folgenden: – Alle E-Mails – versendete wie empfangene – werden nach Wertigkeit klassifiziert – Unwichtige E-Mails werden gelöscht – Aufbewahrenswerte E-Mails kommen in den Vorgangsordner mit den anderen elektronischen Dokumenten – Die Abspeicherung erfolgt im Format des Mail-Clients, mit dem gearbeitet wird, Anlagen werden zusätzlich extrahiert Informationsmanagement-Knigge Regeln dieser Art sollten organisationsweit vom Informationsmanager formuliert werden. Hilfreich kann es sein, sie in einem „Informationsmanagement-Knigge“ zusammenzufassen und transparent zu machen. Dieser kann auch die Form einer Arbeitsanweisung, einer Dienstanweisung oder Dienstvereinbarung mit dem Betriebsbeziehungsweise Personalrat annehmen. Reflexion Welche Punkte gehören aus Ihrer Sicht in Ihrer Bibliothek in einen InformationsmanagementKnigge? Skizzieren Sie einige Punkte des Inhaltsverzeichnisses.
4.1 Prozessorientiertes Informations- und Dokumentenmanagement
223
Schrittweise Einführung und aus Erfahrungen lernen Die gesamte Dokumentenordnung eines Teams oder einer Bibliothek umzustellen, ist ein anspruchsvolles Projekt. Es baut auf dem anspruchsvollen Projekt des Prozessmanagements auf. Daher ist die Gefahr groß, sich zu viel vorzunehmen. Außerdem muss das Team am Anfang viel ausprobieren. Für viele Ablageorte und Ablageregeln gibt es mehrere Varianten, die alle richtig beziehungsweise nicht falsch sind. Wichtig ist, dass das neue System die Zusammenarbeit im Team und die Arbeit mit den Prozessen unterstützt. Ein schrittweises Vorgehen ist daher empfehlenswert: – Für den Start werden ein bis drei Prozesse ausgewählt, bei denen der Umstellungsnutzen am größten ist. Also zum Beispiel Prozesse, die quer zu den organisatorischen „Silos“ verlaufen. – Für diesen Neuanfang wird ein neues Laufwerk eingerichtet. Hier werden die in diesen Prozessen und Vorgängen neu entstehenden Dokumente abgelegt. – Parallel wird ein zweites, identisch strukturiertes Laufwerk als elektronische Registratur (Archiv) eingerichtet. Damit entstehen Laufwerke für die aktiven und für die abgeschlossenen Vorgänge. – Die alten Dokumente bleiben dort, wo sie sind. Die Erfahrung zeigt, dass ein sehr hoher Anteil abgelegter Dokumente veraltet ist und nicht mehr benötigt wird8. Der Aufwand eines Überführens in die neue Struktur ist jedoch nur für Vorgänge und Dokumente sinnvoll, die aktiv genutzt werden. – Diese Überführung der aktiven Vorgänge und Dokumente erfolgt parallel zur Routinearbeit, genau dann, wenn sie benötigt werden. – Auf Basis der Erfahrungen mit den Pilotprozessen werden die nächsten Prozesse umgestellt. Da die Arbeit an der Ablagestruktur – ebenso wie die an den Prozessen – nie fertig ist, ist es wichtig, eine Kultur des Experimentierens zu entwickeln. Auch hier gilt für die Weiterentwicklung von Prozessen wie für die Weiterentwicklung der prozessorientierten Ablage das Gleiche: – Bei mehreren Varianten wird mit der einfachsten begonnen. – Jeder Vorschlag ist vorläufig. Das Prozess- beziehungsweise Vorgangsteam beobachtet, wie gut er funktioniert und passt ihn später an („inspect and adapt“). – Bei mehreren Varianten überlegt das Prozess- beziehungsweise Vorgangsteam, nach welchen Kriterien der Erfolg einzuschätzen ist und wie sich dieser messen lässt. – Entscheidungen werden auf Basis von Daten getroffen. Dazu überlegt sich das Team Messgrößen, die eine Bewertung der Vorgehensweisen zulässt. Dies kön-
8 Messungen haben gezeigt, dass das bis zu 90% der abgelegten Dokumente sein können.
224 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
nen Kennzahlen wie beispielsweise Suchzeit, Ablagezeit, Klicktiefe, Ablagefehler und Störungen sein. Werden Prozessmanagement und Dokumentenmanagement miteinander verknüpft, so befruchten und unterstützen sich die beiden Instrumente gegenseitig bei der Entwicklung einer wissensbasierten Organisationskultur.
4.2 Personalbedarfsermittlung „Die Personalbedarfsermittlung ist die Basis für eine langfristige Personalplanung und damit ein wesentliches Instrument der Personaleinsatzsteuerung.“9 Diese Aussage gilt auch für Bibliotheken und Informationsrichtungen. Sehr häufig besteht auf Seiten der Bibliotheken der Eindruck, mit einer unzureichenden Personalausstattung zurechtkommen zu müssen. Von Seiten des Trägers wird hingegen darauf gedrungen, Personalkapazitäten abzubauen oder zumindest nicht weiter zu erhöhen. Angesichts der Tatsache, dass die Personalkosten in Bibliotheken 60 bis 70 % der Gesamtkosten ausmachen, ist der kritische Blick nicht verwunderlich. Personalbedarfsermittlung ist vor diesem Hintergrund ein Instrument, um zu einer möglichst belastbaren, nachvollziehbaren und faktenbasierten Einschätzung des Personalbedarfs zu kommen. In diesem Kapitel stellen wir vor, welche Vorgehensweisen zur Personalbedarfsermittlung im Bibliothekssektor eingesetzt werden können und wie diese mit Prozessmanagement zusammenwirken.
4.2.1 Anlässe für Personalbedarfsbestimmung Für eine Personalbedarfsermittlung gibt es viele Anlässe. Sie kann von Ihnen selbst initiiert sein, zum Beispiel, um eine drohende Kürzung abzuwenden. Sie kann aber auch als Auflage vom Träger erteilt werden, wenn eine Organisationsuntersuchung durchgeführt werden soll oder eine Sparrunde ansteht. Folgende Anlässe finden sich in der Praxis immer wieder: – Überprüfung der aktuellen Personalausstattungen auf Angemessenheit – Rechtfertigung einer gegebenen Personalausstattung bei drohender Personalkürzung – Begründung der Anforderung zusätzlichen Personals – Grundlage und Voraussetzung für die Budgetierung der jährlichen Personalkosten
9 Bundesministerium des Inneren (2017), S. 133.
4.2 Personalbedarfsermittlung
–
225
Gewinnung von Zukunftsvorstellungen zu Umfang und Struktur des Personalbedarfs, um rechtzeitig Maßnahmen zur Anpassung der Personalausstattung und des Personaleinsatzes an veränderte Bedarfsverhältnisse einleiten zu können
Wenn Sie eine Personalbedarfsermittlung angehen wollen, empfehlen wir Ihnen, die Personalvertretung aktiv und frühzeitig zu informieren und einzubinden. Die in diesem Kontext relevanten Mitbestimmungstatbestände sind in Kapitel 3.5.1 erläutert.
4.2.2 Kontext einer Personalbedarfsermittlung Um die im Folgenden beschriebenen Vorgehensoptionen bei der Personalbedarfsermittlung einzuordnen, soll der Gesamtkontext, der dabei Berücksichtigung finden muss, grafisch darstellt werden:
Abb. 4.7: Kontext einer Personalbedarfsbestimmung.
Ausgangspunkt sind einerseits die Aufgaben, die zu erledigen sind, um Produkte und Dienstleistungen zu erstellen. Im besten Fall wurden diese vom Träger als expliziter Auftrag übertragen.10 Andererseits sind die Rahmenbedingungen durch den Finanz- oder Stellenplan vorgegeben. Ausgehend von den zu erledigenden Auf-
10 Soweit dies nicht durch gesetzliche Vorgaben erfolgt, ist auch die Einbringung und Verabschiedung einer Bibliothekskonzeption oder einer Strategie in politischen Gremien (oder zumindest verwaltungsintern) ein probates Mittel, um einen verbindlichen Auftrag vom Träger zu erhalten.
226 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
gaben wird der Personalbedarf ermittelt (Brutto-Personalbedarf). Dieser wird in Bezug gesetzt zum aktuellen Personalbestand. Aus dem Abgleich dieser Größen ergibt sich der Netto-Personalbedarf, der nun drei Aussagen treffen kann: 1. Der aktuelle Personalbestand ist quantitativ zu groß – Personal müsste also abgebaut werden. 2. Der aktuelle Personalbestand ist quantitativ zu klein – Personal müsste also aufgebaut, sprich eingestellt werden. 3. Der aktuelle Personalbestand entspricht qualitativ, das heißt mit Blick auf die Kompetenzen der Mitarbeitenden, nicht dem Bedarf. Hier müsste mit Personalentwicklungsmaßnahmen reagiert werden.
4.2.3 Grundkonzept der Personalbedarfsermittlung Vor diesem Hintergrund konzentrieren wir uns nun auf die Frage, wie der BruttoPersonalbedarf ermittelt werden kann. Auch hier ist ein grafisches Schema hilfreich, um die Zusammenhänge sichtbar zu machen.
Abb. 4.8: Grundkonzept der Personalbedarfsermittlung.
Für die Personalbedarfsermittlung liefern folgende Faktoren die Basisdaten: 1. die zu erledigenden Aufgaben 2. die für jede Aufgabe (Fall) benötigte durchschnittliche Bearbeitungszeit (Fallzeit) 3. die anfallende Arbeitsmenge (Fallzahl, Vorkommenshäufigkeit einer Aufgabe) 4. der gesamte Arbeitszeitbedarf, der sich rechnerisch aus Fallzeit mal Fallzahl ergibt 5. die Jahresarbeitszeit einer Normalarbeitskraft
4.2 Personalbedarfsermittlung
227
Die Grundformel für die Berechnung des Personalbedarfs ist simpel und lautet: Fallzeit x Fallzahl Jahresarbeitszeit einer Normalarbeitskraft Weniger einfach ist es hingegen, die Werte für die einzelnen Faktoren zu ermitteln. Ermittlung der Fallzahl Beginnen wir mit der Fallzahl: Diese muss entweder im Rahmen einer Erhebung erfasst, also gezählt und dokumentiert werden, oder es müssen Stichprobenerhebungen durchgeführt werden. Alternativ – und das ist natürlich die bequemste und genaueste Erhebungsmethode – wird auf Daten aus dem Bibliotheksinformationssystem zurückgegriffen. Letzteres dürfte zum Beispiel bei den Fallzahlen für Medienzugänge, Medienabgänge, Erwerbungen, Fernleihen und ähnlichen Aufgaben problemlos möglich sein. Ermittlung der Jahresarbeitszeit einer Normalarbeitskraft Die Jahresarbeitszeit einer Normalarbeitskraft ist die Arbeitszeit, „die einem Mitarbeiter durchschnittlich in einem Jahr unter Berücksichtigung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zur Leistungserbringung zur Verfügung steht.“11 Diese Nettoarbeitszeit wird ermittelt, indem von den 365 Kalendertagen die Samstage und Sonntage, die Feiertage und die durchschnittliche Ausfallzeit durch Krankheit und Urlaub abgezogen werden. Diese Zahl kann nun für den eigenen Betrieb anhand der vor Ort tatsächlich angefallenen Zahlen berechnet werden. Teilweise wird sie auch von den Personalabteilungen ermittelt und kann dort abgefragt werden. Die einfachere, allerdings auch weniger betriebsspezifische Variante ist, die Daten der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) zu nutzen. Für den kommunalen Bereich ermittelt die KGSt regelmäßig die Arbeitszeiten einer Normalarbeitskraft auf Basis einer Vielzahl deutscher Kommunen. Für den Bereich des Bundes veröffentlicht das Bundesfinanzministerium jährlich für Wirtschaftlichkeitsberechnungen das Rundschreiben zu „Personal- und Sachkosten in der Bundesverwaltung“. Das Rundschreiben vom 21.8.2017 geht von 130 Arbeitsstunden pro Monat für Tarifbeschäftigte aus und 137 Arbeitsstunden pro Monat für beamtete Mitarbeitende. Umge-
11 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (2015), S. 7.
228 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
rechnet in Minuten ergeben sich 93.600 Jahresarbeitsminuten (JAM) für Tarifbeschäftigte und 98.640 JAM für beamtete Mitarbeitende.12 Die zum Zeitpunkt der Drucklegung aktuellste Veröffentlichung der KGSt stammt von 2015. Folgende Daten können für eigene Berechnungen für Mitarbeitende der allgemeinen Verwaltung (hierzu werden explizit auch Bibliotheken gerechnet) zugrunde gelegt werden: Netto-Arbeitstage: 203,83 Tage Netto-Arbeitsstunden: 1.590 Stunden (bei einer tariflichen Arbeitszeit von 39 Stunden pro Woche) Netto-Arbeitsminuten: 95.400 Minuten In der Regel wird in der oben vorgestellten Formel mit Minuten gerechnet, da auch die Fallzeit üblicherweise in Minuten erhoben wird. Ermittlung der Fallzeit Was nun noch fehlt, um die Formel zur Berechnung des Personalbedarfs füllen zu können, ist die Fallzeit. Hier stellen wir nun die Verbindung zum Prozessmanagement her. Die Fallzeit, die es nun zu ermitteln gilt, wird immer verstanden als „durchschnittliche Bearbeitungszeit“. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass sich der Schwierigkeitsgrad einer Fallbearbeitung (leicht, normal, schwer) von Fall zu Fall unterscheiden kann (komplizierte versus einfache Erschließungsfälle, komplizierte versus einfache Beratungsgespräche). Zum anderen wird durch die Bildung des Durchschnittswerts berücksichtigt, dass das Leistungsvermögen der Beschäftigten (überdurchschnittlich, durchschnittlich, unterdurchschnittlich) die Fallzeit ebenfalls beeinflusst. Daher wird die Summe der in einem repräsentativen Zeitraum erhobenen Bearbeitungszeiten durch die Anzahl der in dieser Zeit bearbeiteten Fälle, also die Arbeitsmengen dividiert und so ein Durchschnittswert je Fall gebildet. Zur Ermittlung der Fallzeiten stehen eine Reihe von mehr oder weniger aufwändigen und damit mehr oder weniger genauen Verfahren zur Verfügung. Die folgende Grafik gibt einen Überblick.
12 Gleichwohl stützt sich das Bundesministerium des Inneren in seinen Empfehlungen zur Personalbedarfsermittlung auf die Zahlen der KGSt. Vgl. Bundesministerium des Inneren (2017).
4.2 Personalbedarfsermittlung
229
Abb. 4.9: Verfahren zur Personalbedarfsermittlung13.
Im Rahmen dieses Beitrags soll nicht auf die einzelnen Verfahren und ihre Durchführung eingegangen werden.14 Vielmehr soll der Blick darauf gerichtet werden, wie Sie Informationen, die Sie durch die Prozessdokumentation und Prozessanalyse gewonnen haben, für die Personalbedarfsermittlung nutzen können.
4.2.4 Prozessdokumentationen als Basis zur Ermittlung der Fallzeit Die Ermittlung der Fallzeit – ganz egal durch welches Verfahren dies erfolgt – stützt sich darauf, dass die einzelnen Aufgaben beziehungsweise Tätigkeiten bekannt sind. Diese Voraussetzung wird durch die Prozessanalyse geschaffen. Hier ermitteln Sie systematisch die Tätigkeiten und Aktivitäten, die zur Erstellung einer Dienstleistung oder eines Produktes erfolgen müssen. Der Grad der Strukturiertheit von Prozessen kommt nun auch hier wieder zum Tragen. Stark strukturierte Prozesse bestehen aus Tätigkeiten, die klar abgrenzbar sind und sich in der Regel häufig wiederholen. Diese lassen sich, was den Zeitbedarf der einzelnen Tätigkeiten angeht, gut messen. Messergebnisse sind daher verlässlich und genau. Für diese Art der Tätigkeiten und Prozesse eignen sich besonders die Erhebungstechniken aus der Gruppe der analytischen Berechnungsverfahren wie
13 Bundesministerium des Inneren (2017), S. 139. 14 Ausführliche und praxisnahe Informationen bieten die folgenden Publikationen: Bundesministerium des Inneren (2017); Umlauf ; Naumann (2012).
230 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
Selbstaufschreibung (Arbeitstagebuch), Laufzettelverfahren, Zeitaufnahme oder Multimomentaufnahmen. Wichtig ist, dass die Datenerhebungen in einem repräsentativen Zeitraum durchgeführt werden.15 Falls Sie keine eigene Erhebung durchführen möchten oder können, so bleibt der Rückgriff auf Ergebnisse von Messungen, die in den Jahren 1996–2001 in Öffentlichen Bibliotheken im Rahmen von Betriebsvergleichen erhoben wurden.16 Diese Zeit-pro-Stück-Messungen können als Anhaltspunkt genutzt werden. Allerdings ist bei der Nutzung zu bedenken, dass seit der Erhebung der Daten umfangreiche Entwicklungen in den Bibliotheken stattgefunden haben (zum Beispiel IT-Unterstützung oder Automatisierung von Prozessschritten, Nutzung von Fremdleistungen). Die Daten müssen also kritisch betrachtet und gegebenenfalls mit Abschlägen an die heutige Situation angepasst werden. Tipp Um zu einer realistischen Einschätzung zu kommen, wie groß die Anpassungen sein müssen, könnten Sie mithilfe der analytischen Verfahren eine Stichprobenerhebung durchführen.
Für den Bereich der Wissenschaftlichen Bibliotheken liegen keine aus einer vergleichbar großen Stichprobe gewonnenen Daten vor. Hier ist zur Orientierung das einzige veröffentlichte Beispiel der Bibliothek der Freien Universität Berlin von 2012 zu nennen.17 Schwach strukturierte Prozesse umfassen sogenannte dispositiv-kreative Aufgaben, die überwiegend in geistig-schöpferischen und planend-konzeptionellen Bereichen zu finden sind, also vor allem in den Managementprozessen. Wie wir gesehen haben, ist das Kennzeichen solcher Prozesse, dass sie sich in der Regel in exakt der gleichen Form nicht wiederholen und dass die „Cases“ zwar gleiche Ziele verfolgen, der Weg dorthin aber immer wieder neu und fallbezogen gestaltet wird. Hier müssen andere Verfahren zur Personalbedarfsermittlung eingesetzt werden als in strukturierten Prozessen. In der Praxis wird hier mit Schätzungen gearbeitet, oder es werden Setzungen vorgenommen. Dennoch: Auch hier sollten Sie als Basis für die Schätzungen und Setzungen die, wenn auch groben, Prozessschritte zugrunde legen. Gerade weil analytische Verfahren hier nicht greifen, ist eine nachvollziehbare Dokumentation und eine möglichst transparente Begründung der im Prozess eingesetzten Arbeitszeiten erforderlich. Damit lässt sich auch dem Vorwurf, den „Was-
15 Wie die Fallzeiten (mittlere Bearbeitungszeiten) je Prozessschritt dokumentiert werden können, lässt sich der Abbildung 3.19 in Kapitel 3.5.1 (Simulation) entnehmen. 16 Zu nennen sind hier: Betriebsvergleiche der Bertelsmann-Stiftung, der Staatlichen Fachstellen im Regierungsbezirk Düsseldorf und in Bayern sowie der Büchereizentrale Lüneburg. Vgl. dazu Umlauf ; Naumann (2012). 17 Vgl. Umlauf ; Naumann (2012).
4.2 Personalbedarfsermittlung
231
serkopf“ unangetastet und ungeprüft zu lassen, begegnen. In Adaptive-CaseManagement-Systemen (vgl. Kapitel 5.2) besteht daher zudem die Möglichkeit, auch komplexe Aufgabenschritte zeitlich zu erfassen und zu dokumentieren. Bei völlig neuen Prozessen stoßen die analytischen Verfahren ebenfalls an ihre Grenzen. Aber auch hier gilt: Die Einführung eines neuen Service erfordert unabdingbar, sich über die Schritte und Aktivitäten im Prozess klar zu werden. Schließlich sind es die Prozessschritte, die den neuen Output generieren. Selbst wenn sich diese Aktivitäten im Entwicklungsprozess noch verändern (vgl. Kapitel 5.3), können sie bereits genutzt werden. Mit jedem Entwicklungsschritt oder jedem Entwicklungssprint, mit dem die Aktivitäten weiterentwickelt, adaptiert und klarer werden, wird auch die Schätzung des Zeitbedarfs immer genauer. Denn selbstverständlich ist es letztlich unerlässlich, eine klare und möglichst fundierte Abschätzung der erforderlichen Personalkapazitäten für einen neuen Serviceprozess zu entwickeln. Eine Personalbedarfsermittlung setzt also methodisch auf dokumentierten Prozessen auf und setzt voraus, dass Klarheit über die Aufgaben und Tätigkeiten in einem Prozess besteht. Als weitere Verknüpfung von Prozessmanagement und Personalbedarfsermittlung ist die nicht von der Hand zu weisende Forderung der Träger zu sehen, eine Personalbedarfsermittlung erst durchzuführen, nachdem Prozesse nicht nur als Ist-Prozesse beschrieben wurden, sondern erst nachdem sie einer Aufgabenkritik und einer Prozessoptimierung unterzogen wurden. Denn würde eine Personalbedarfsermittlung ohne vorhergehende oder mindestens begleitende Geschäftsprozessoptimierung durchgeführt werden, würden Mängel und Schwachstellen festgeschrieben, weitergeführt und einkalkuliert.
232 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
Blick in die Praxis: Prozessmanagement in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin Kerndaten zur Zentral- und Landesbibliothek Berlin Bibliothekstyp: Öffentliche Bibliothek (mit landesbibliothekarischen Aufgaben) Besuchszahlen pro Jahr: ca. 1,377 Mio. Personalstellen in VZÄ: 287,88 VZÄ (DBS 2016)
Ein Beitrag von Dr. Manuel Seitenbecher, Abteilungsleiter Bestandsentwicklung (i. V.) der ZLB Prozessmanagement im Rahmen des Bestandsmanagements an der ZLB Im Rahmen von wesentlichen Umstellungen im Bestandsbezug von Medien wurden an der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) eine Vielzahl damit zusammenhängender Prozessabläufe betrachtet, überarbeitet oder entwickelt. Dies betraf sowohl interne Geschäftsgänge als auch Regelungen zur Medienbearbeitung oder die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern. Ziel war es, einerseits die Servicedienstleistungen für die Nutzer zu verbessern, und andererseits durch die Optimierung der internen Abläufe Arbeitszeitanteile für andere bibliothekarische Tätigkeiten freizusetzen und so ebenfalls Service wie Angebote zu verbessern bzw. neu einzuführen. Dass dies gelungen ist, lässt sich exemplarisch bspw. an den Durchlauf- und Liegezeiten der Medien von Liefereingang bis zur Bereitstellung für den Nutzer erkennen. Diese konnten wir seit Start der Optimierungen 2015 um mehr als 35 % reduzieren, von zuvor 26 Arbeitstagen auf derzeit 17 – in 2018 erwarten wir durch zusätzlich dann greifende Maßnahmen eine weitere Reduzierung. Ein anderer Prozess, der die Ziele verdeutlicht, ist der eigens eingeführte Staffelgeschäftsgang für stark nachgefragte Medien. Diese nutzergesteuerte Staffelung wird zentral von einer Kollegin für eine Vielzahl von Fachgebieten betreut und basiert auf Vormerkungen und Absenzquoten. Regelmäßig werden anhand von Listen und hinterlegten Formeln nachgefragte Medien mit dem Ziel nachgekauft, Nutzerinnen und Nutzer nicht länger als 30 Tage auf reservierte Medien warten zu lassen. Die Medien selbst werden bei Liefereingang in der zentralen Einarbeitung final und bevorzugt bearbeitet und gehen unverzüglich in die Bereitstellung. Die eigentlichen Fachlektoren haben mit dieser nutzergesteuerten Staffelung aus Effizienzgründen an keiner Stelle etwas zu tun. Als Nebeneffekt des Prozessmanagements stellte sich eine umfassende Kenntnis und künftige Dokumentation verschiedenster Abläufe heraus. Einzellösungen und parallele oder überkommene Arbeitsschritte wurden teils überhaupt erst registriert und konnten in generelle Regelungen überführt werden. Durch die Dokumentationen ergeben sich dadurch auch positive Effekte im Rahmen des Wissenstransfers beim Ausscheiden von Kolleginnen und Kollegen sowie deutlich einfachere Vertretungsregelungen.
4.2 Personalbedarfsermittlung
233
Die Überarbeitung und Etablierung der Prozesse war an der ZLB in einem großen ChangeManagement-Prozess integriert. Dies hat für besondere Herausforderungen in der Umsetzung gesorgt. Mittels Arbeitsgruppen und Workshops wurden betroffene Mitarbeiter involviert, Projektkernteams haben daraus die finalen Abläufe zusammengestellt. Rückblickend lässt sich sagen, dass bei Veränderungen von gewohnten Abläufen generell ein langer Atem seitens der Verantwortlichen notwendig ist, um diese erfolgreich umzusetzen – welcher sich jedoch lohnt. Transparenz der Gründe und erwarteten Ziele für diese Veränderungen sowie eine umfangreiche und zugängliche Dokumentation der Arbeitsstände und Ergebnisse sollten wesentlicher Teil des Prozessmanagements sein.
234 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
4.3 Prozesscontrolling – Benchmarking – Kennzahlen Prozesscontrolling unterstützt Sie dabei, Ihre Prozesse zielorientiert zu steuern und sie ständig zu verbessern. Das folgende Kapitel stellt Schritte zu einem wirksamen Prozesscontrolling vor. Wir führen Sie dazu durch die wichtigsten Themenfelder: von der Entwicklung von Prozesszielen, der Festlegung von Zielwerten und deren Überführung in Kennzahlen bis hin zum Prozess-Benchmarking.
4.3.1 Aufbau eines Prozesscontrollings In Kapitel 3.1 haben Sie erfahren, dass es nicht genügt, Prozesse einmalig zu erheben, zu analysieren und zu gestalten, sondern, dass diese auch gesteuert und laufend verbessert werden müssen. Um das langfristig sowohl qualitativ wie quantitativ zu tun, empfehlen wir den Aufbau eines kennzahlengestützten Prozesscontrollings. Prozesscontrolling kann in fünf Schritte gegliedert werden:
Abb. 4.10: Ablauf des Prozesscontrollings.
Bevor wir jedoch auf die einzelnen Schritte des Prozesscontrollings eingehen, werfen wir einen Blick auf grundlegende Begriffe und Zusammenhänge:
4.3 Prozesscontrolling – Benchmarking – Kennzahlen
235
4.3.2 Einsatz von Prozesskennzahlen Kennzahlen – also auch Prozesskennzahlen – geben steuerungsrelevante Zusammenhänge in verdichteter, quantitativ messbarer Form wieder, im sogenannten „Kennzahlenwert“. Sie präzisieren Ziele und erlauben die Beurteilung der Zielerreichung. Sie ersetzen intuitive Einschätzungen und Urteile durch nachprüfbare Daten und schaffen damit eine Vergleichsbasis 1. über die Zeit: „Gibt es auffällige Veränderungen zu den Vorjahren? Sind wir besser geworden? Wie ist der Trend?“ 2. mit anderen (Benchmarking): „Wie stehen wir im Vergleich zu anderen da? Wie entwickeln wir uns im Vergleich zu anderen? (Fallen wir zurück, holen wir auf?)“ 3. mit Soll-Werten (Plan-Werten): "Haben wir unsere Ziele erreicht? Wie ist die voraussichtliche Entwicklung?" Prozesskennzahlen übernehmen damit eine Reihe von Funktionen: Tab. 4.1: Funktionen von Kennzahlen. Wahrnehmungsfunktion
Kommunikationsfunktion
– Transparenz schaffen – Komplexität reduzieren – Nachprüfbarkeit statt Intuition – Schnelle Erfassung von Abweichungen durch laufende Kontrolle ermöglichen „If you can't see success, you can't learn from it.“18 – Diskussion ermöglichen und versachlichen – Zur Operationalisierung und Konkretisierung von Zielen und zu Zielfindungsdiskussionen zwingen – Perspektivische Überlegungen anregen „If you don't measure results, you can't tell success from failure.“19
Anreizfunktion
– Ständige Verbesserungen sowie präzise und herausfordernde Zielsetzungen herausfordern „If you can't see success, you can't reward it.“20
18 Osborne ; Gaebler (1994), S. 150. 19 Osborne ; Gaebler (1994), S. 147. 20 Osborne ; Gaebler (1994), S. 148.
236 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
Marketingfunktion
– Erfolge sichtbar- und kommunizierbar machen Unterstützung gewinnen „If you can demonstrate results, you can win public support“21
Controllingfunktion
– Zielerreichung überprüfen und kontrollieren – Grundlage der Gegensteuerung bereitstellen – Grundlage für interne und externe Vergleiche (Benchmarking) bieten "What gets measured gets done"22
4.3.3 Entwicklung von Prozesskennzahlen Auch wenn wir Ihnen empfehlen, die Anzahl der auszuwertenden Kennzahlen, mit der Sie Ihre Prozesse steuern, sehr überschaubar zu halten (1-3 Kennzahlen pro Prozess sind ausreichend), sollen im Folgenden die unterschiedlichen Ansatzpunkte vorgestellt werden, um zu Kennzahlen zu kommen. Üblich ist es, vor allem mit Ergebniskennzahlen zu arbeiten, also solchen, die den Output oder auch den Outcome eines Prozesses messen. In der Praxis greift man dabei auf die drei schon bekannten Dimensionen zurück: Qualität, Kosten und Zeit. Tab. 4.2: Beispiele für Prozesskennzahlen. Kennzahlendimension
Beispiel für eine Kennzahl
Qualitätsbezogene Kennzahlen
– Fehlerquote – Reklamationsquote – Quote der eingehaltenen Terminzusagen – Erstlösungsquote (bei telefonischen Anfragen, Auskunftsgesprächen) – Kundenzufriedenheit Mitarbeitendenzufriedenheit
Kostenbezogene Kennzahlen
– Prüfkosten – Budgeteinhaltung – Prozesskosten
Zeitbezogene Kennzahlen
– Durchlaufzeit des gesamten Prozesses inkl. Liegezeiten – Bearbeitungszeit (reine Bearbeitungszeit) – Transportzeiten – Reaktionszeit bei Kundenanfragen
21 Osborne ; Gaebler (1994), S. 154. 22 Osborne ; Gaebler (1994), S. 146.
4.3 Prozesscontrolling – Benchmarking – Kennzahlen
237
Neben Ergebniskennzahlen können jedoch auch sogenannte „Einflusskennzahlen“ für das Prozesscontrolling relevant sein.
Abb. 4.11: Ergebnis- und Einflusskennzahlen im Prozessmanagement.
Einflusskennzahlen erheben und messen Faktoren, die den Prozessverlauf beeinflussen. Zu ihnen gehören: – Input-Kennzahlen – Steuerungskennzahlen – Störungskennzahlen Mit Input-Kennzahlen wird bewertet, ob der Input, also die Vorleistungen, die der Prozess von einem externen oder internen Lieferanten erhält, die Anforderungen des Prozesses erfüllt. Beispielsweise kann das bedeuten: Sind die erforderlichen Informationen, um den Prozess „Informationskompetenzschulung vom Typ XY für die Klassenstufe X“ zu starten, ausreichend und termingerecht eingegangen? Mit Steuerungskennzahlen überwachen Sie den Einfluss (zum Beispiel durch Prozesseingriffe), den die Prozessverantwortlichen auf einen Prozess ausüben oder ausüben müssen. Eine hohe Fallzahl könnte darauf hinweisen, dass die Abläufe nicht ausreichend geklärt oder geschult wurden, dass Prozessziele unklar sind oder dass es keine Vertrauensbasis zwischen Prozessverantwortlicher und Prozessteam gibt und deshalb häufig (Kontroll-)Eingriffe stattfinden. Störungskennzahlen weisen auf ungeplante äußere Einflüsse hin, die den Prozessverlauf stören, unterbrechen oder unmöglich machen. Diese Störungen können zum Beispiel in technischen Problemen bestehen oder in Lieferausfällen.
238 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
4.3.4 Prozess-Benchmarking Eine weitere Quelle für Zielwerte kann Benchmarking sein, zumal dies ein im Bibliothekssektor vertrautes Managementinstrument ist. Benchmarking ist der systematische Vergleich der eigenen Prozesse und Produkte mit denen von Vergleichspartnern, die als besser oder vorbildlich identifiziert wurden. Die Vergleichspartner werden anhand von Ähnlichkeiten mit der eigenen Organisation oder auch mit den eigenen Prozessen ausgewählt. Ziel des Benchmarkings ist es, die eigenen Prozesse und Produkte durch das Vorbild entscheidend zu verbessern. Beim Prozess-Benchmarking werden vor allem die Hintergründe untersucht, durch die die messbare Leistung (also die Prozesskennzahlen) eines Benchmarking-Partners zustande kommt. Benchmarking generell – insbesondere aber Prozess-Benchmarking – hat eine Reihe von Vorteilen: – Benchmarking eröffnet den Blick dafür, dass andere Bibliotheken vergleichbare, aber nicht identische Prozesse haben und dass in einem kollegialen Vergleich dieser Prozesse eine Lernchance liegt. – Durch den Vergleich findet eine dezidierte Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen statt und dies eröffnet die Chance, aus dem eigenen möglicherweise eingefahrenen Denken auszubrechen und neue Ideen zu entwickeln. – In der eigenen Bibliothek angestrebte oder diskutierte Veränderungen, die beim Benchmarking-Partner bereits umgesetzt sind oder mit denen Erfahrungen vorliegen, werden dadurch für die eigene Bibliothek greifbarer und einschätzbarer. Benchmarking birgt aber durchaus auch Risiken und Nachteile: – Benchmarking ist je nach Ausprägung aufwändig und ressourcenintensiv. – Die Datenerhebung und -auswertung ist anfällig für handwerkliche Fehler. Vergleicht man tatsächlich die gleichen Aspekte? Lassen die Rahmenbedingungen, unter denen gearbeitet wird, einen Vergleich von Prozessen und Prozesskennzahlen zu? – Ein falsches Verständnis von Benchmarking führt zum Kopieren von vermeintlichen Erfolgsfaktoren, anstatt zum Lernen und zur Adaption für die eigene Organisation.
4.3.5 Prozessziele und Prozessleistungen definieren Im besten Fall haben Sie bereits bei der Analyse und der Gestaltung Ihrer Prozesse geklärt, welche Ziele Sie mit dem jeweiligen Prozess verfolgen und dabei darauf geachtet, dass diese aus Ihrer Strategie abgeleitet und mit ihr rückgekoppelt sind.
4.3 Prozesscontrolling – Benchmarking – Kennzahlen
239
Prozessziele werden definiert als angestrebte Zustände oder erwünschte Wirkungen eines Prozesses. Das heißt, Prozessziele unterscheiden sich grundsätzlich nicht von Zielen, Zielformulierungen oder Zielvereinbarungen wie sie in anderen Bereichen des Bibliotheksmanagements üblich sind. Daher lässt sich auch die SMART-Formel23 für eine vollständige Zielformulierung auf das Prozessmanagement übertragen: Tab. 4.3: SMART-Formel zur vollständigen Zielbeschreibung. S
Spezifisch: Ziele müssen unmissverständlich und eindeutig formuliert sein.
M
Messbar: Ziele müssen messbar formuliert werden, so dass die Zielerreichung festgestellt werden kann. Hierfür werden Kennzahlen eingesetzt.
A
Akzeptiert, attraktiv, ambitioniert: Ziele müssen von denjenigen, die zu ihrer Erreichung beitragen oder diese verantworten sollen, akzeptiert werden, für sie aber auch attraktiv und ambitioniert im Sinne von „anspornend“ sein. Realistisch und relevant: Ziele müssen erreichbar sein und von erkennbarer Bedeutung für die, die an ihnen arbeiten sollen.
R
T
Terminiert: Ziele müssen immer mit einer möglichst klaren Terminvorgabe versehen sein.
Trotz der grundsätzlichen Vertrautheit mit dem Instrument der Zielformulierung und der Zielvereinbarung, ist in der Praxis oft festzustellen, dass Ziele im Zusammenhang mit Prozessen kaum diskutiert werden. Sie sind jedoch unabdingbar für die Steuerung und Weiterentwicklung der Prozesse, aber auch, um ein gemeinsames Verständnis im Prozessteam zu schaffen. Ein Beispiel: Obwohl der Prozess „Medien erschließen“ beschrieben und dokumentiert ist, gibt es im Prozessteam immer wieder Konflikte und Diskussionen. Anlass ist entweder die Kollegin die – nach der Einschätzung einer anderen – viel zu langsam arbeitet und mit der Einarbeitung nicht fertig wird. Die Kunden warten schon! Oder Anlass ist eine andere Kollegin, die alles daransetzt, die Medien schnell für die Kunden bereitzustellen und dafür bereit ist, auch einige Fehler in Kauf zu nehmen („Wo gehobelt wird, fallen eben Späne“).
Klar ist, was in diesem plakativen aber nicht ganz wirklichkeitsfernen Beispiel passiert: Die eine Mitarbeiterin verfolgt das Ziel „Null-Fehler“, bei dem nur völlig kor-
23 Der Ursprung der SMART-Formel ist nicht abschließend geklärt. Einige Quellen führt Morrison (2010) auf: https://rapidbi.com/history-of-smart-objectives/
240 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
rekte und mehrfach geprüfte Arbeitsergebnisse aus der Hand gegeben werden. Die andere Mitarbeiterin verfolgt das Ziel „Schnelligkeit“. Beide nehmen berechtigt für sich in Anspruch, einen hohen Qualitätsanspruch zu verfolgen und beide handeln aus ihrer jeweiligen Perspektive völlig korrekt und im Sinne des Prozesses und der Kunden. Was fehlt, ist die Klarheit, welches Ziel dieser Prozess verfolgt oder verfolgen soll. Diese Klärung können die beiden Kolleginnen nicht alleine herstellen, dafür ist eine Diskussion im Prozessteam und gegebenenfalls darüber hinaus mit den für das Prozessmanagement zuständigen Entscheidungsgremien erforderlich (vgl. Kapitel 3.2.4): Es geht hier um die strategische Ausrichtung des Prozesses und die Frage: Welchen Beitrag soll er zur Erreichung der Ziele der Bibliothek leisten? Das Beispiel zeigt auch, dass das „S“ in der SMART-Formel, nämlich die Forderung, Ziele müssten „spezifisch“ sein, hier zum Tragen kommt. Damit Sie Ziele spezifisch formulieren können, ist es empfehlenswert, Zielwerte auf Ebene der Teilprozesse festzulegen (im Beispiel müssen Ziele für den Teilprozess „Medien erschließen“ formuliert werden). Zielwerte für den Hauptprozess „Medien bereitstellen“ wären zu unspezifisch, um ein Konfliktfeld, wie das im Beispiel geschilderte, wahrzunehmen und aufzudecken. Um es an dieser Stelle auch gleich zu benennen: Wie in allen anderen Bereichen, in denen mit Zielen gearbeitet wird, sind Widerstände gegen die Festlegung von Zielen zu erwarten. Diese können sich ergeben aus: – der Vermutung, es sollten personenbezogene Kontrollmechanismen eingeführt werden (wer arbeitet wie gut und sorgfältig oder wie schnell?), – der Befürchtung, einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt zu sein, – der Ungewissheit, welche Konsequenzen das Erreichen oder Nicht-Erreichen der Zielwerte nach sich zieht, – einer fehlenden Kultur der Offenheit und des Vertrauens im Umgang mit Fehlern oder mit nicht erreichten Zielen. Tipp Nehmen Sie die Etablierung eines Prozesscontrollings als Anlass, um aktiv an diesen Hürden zu arbeiten und mit den Prozessteams gemeinsam die Ziele ihrer Prozesse zu entwickeln, zu diskutieren und zu definieren. Dass die Klärung der Prozessziele unmittelbar zu einer Verbesserung und Erleichterung der Zusammenarbeit im Prozessteam führt, ist leicht vermittelbar. Im Rahmen des beteiligungsorientierten Ansatzes des Prozessmanagements, den wir vorschlagen, wurden zudem bereits gute Voraussetzungen geschaffen, diesen Teamgedanken zu entwickeln. Die sich an die Zielklärung logisch anschließende Frage ist: „Und wie merken und erkennen wir nun, ob wir unserem Ziel näherkommen?“ Damit ist der nächste Schritt zur Festlegung von Prozesskennzahlen vorgezeichnet.
4.3 Prozesscontrolling – Benchmarking – Kennzahlen
241
Zielwerte für Prozesskennzahlen festlegen Sind die für Ihr Haus relevanten Kennzahlen ausgewählt und definiert, müssen die zu erreichenden Zielwerte festgelegt werden. Als Ausgangspunkt eignet sich dafür in einem ersten Schritt, den Ist-Wert zu erheben. Damit erhalten Sie zum einen eine realistische Einschätzung des aktuell erreichten Leistungsgrads und zum anderen wird sichtbar, ob und wie die Leistungsmessung (also auf Basis welcher Daten und Datenquellen) praktisch erfolgt. Die Orientierung an den Ist-Werten sollte jedoch eine ambitionierte Zielsetzung nicht verhindern. Versteht man Prozessmanagement als Instrument der Organisationsentwicklung, dann ist die Festlegung der Zielwerte für einen Prozess der fassbare und komprimierte Ausdruck dafür, wohin sich die Organisation entwickeln soll oder will. Ideen und Anregungen aus einem Benchmarking können hier wertvolle Impulse geben. Gleichzeitig bedeutet Messbarmachen von Zielen durch Zielwerte jedoch nicht, dass nur exakte Zielwerte (also beispielweise „17 Tage“ als Zielwert für die Durchlaufzeit zur Bereitstellung neuer Medien) sinnvoll sind. Oft ist es angemessener, einen „Zielwerte-Korridor“ beziehungsweise „Schwellenwerte“ zu vereinbaren, bei deren Unterschreitung oder Überschreitung gehandelt werden muss. Dies könnte im obigen Beispiel heißen: die durchschnittliche Durchlaufzeit soll 16 bis 18 Tage betragen. Dieses Vorgehen nimmt erfahrungsgemäß Druck aus der durchaus berechtigten Diskussion, dass das Treffen eines exakt festgelegten Zielwertes (17 Tage) Zufall oder „schön gerechnet“ ist. Dokumentation von Prozesskennzahlen Sind die Prozesskennzahlen festlegt und die Zielwerte bestimmt, müssen diese im Prozesssteckbrief dokumentiert werden. Dafür sind im Prozesssteckbrief entsprechende Felder vorgesehen (vgl. Kapitel 3.3.1).
Abb. 4.12: Ausriss aus einem Prozesssteckbrief.
242 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, einen separaten Kennzahlensteckbrief anzulegen, der alle relevanten Informationen zu einer Kennzahl zusammenfasst und dokumentiert. Im Steckbrief können alle wesentlichen Aspekte, die für das Verständnis der Kennzahl, ihren Strategiebezug und die Informationen, die für die praktische Arbeit mit ihr wichtig sind, erfasst werden.
Abb. 4.13: Kennzahlenstreckbrief.
4.3 Prozesscontrolling – Benchmarking – Kennzahlen
243
Akzeptanzkriterien für Prozesskennzahlen Um eine möglichst hohe Akzeptanz für Prozesskennzahlen zu schaffen, ist es hilfreich, sich klar zu werden, dass Personen mit unterschiedlichen Prozessrollen (vgl. Kapitel 3.2.4), auch unterschiedliche Erkenntnisinteressen mit Kennzahlen verfolgen. Tab. 4.4: Rollen, Erkenntnisinteresse und Anforderungen an Prozesskennzahlen. Prozessrolle
Erkenntnisinteresse und Anforderungen an Prozesskennzahlen
Prozessverantwortlicher
– Schwachstellen der aktuellen Prozesse erkennen – Auswirkungen von Prozessverbesserungen erkennen – Steuerungsimpulse für Verbesserungen gewinnen – Eindeutige Klärung der Verantwortlichkeiten für die Zielerreichung; dies gilt gerade bei Prozessen, die über organisatorische Grenzen (Abteilungen, Referate) hinweg geführt werden (vgl. Kapitel 2.4).
Prozessteam
– Optimierungsmöglichkeit in der täglichen Arbeit erkennen – Messbares Feedback für die eigene Arbeit – Geringer Erhebungsaufwand – Keine personenbezogenen Kontrollmechanismen
Prozesskoordination
– Überblick über Gesamtzustand des Prozessmanagements (z.B. Reifegrad) – Identifikation von Konflikten zwischen Prozessen – Wirksamkeit des Prozessmanagements für die gesamte Organisation
Prozesseigner
– Zielerreichungsgrad und Zielbeitrag der betrachteten Prozesse zu den Gesamtzielen der Bibliothek – Strategische Relevanz der Kennzahlen Kompakte und verdichtete, steuerungsrelevante Informationen
Diese unterschiedlichen Erkenntnisinteressen und Anforderungen an Kennzahlen müssen in die Entwicklung der Kennzahlen einfließen. Denn, erst, wenn ein Indikator von den Prozessbeteiligten akzeptiert, technisch messbar und organisatorisch integriert werden kann, wird er seine Wirksamkeit entfalten.
4.3.6 Weitere Schritte im Prozesscontrolling Ist der erste Schritt des Prozesscontrollings und damit die entscheidende Rahmensetzung erfolgt, so folgen die weiteren Schritte – Prozessleistung messen, – Prozessleistung berichten, – Prozessleistung analysieren und – Prozessleistung verbessern
244 Prozessmanagement – Weitere Anwendungsfelder
dem üblichen, bereits aus sonstigen Verbesserungsprojekten bekannten Vorgehen. Für den Schritt Prozessleistung analysieren sei auch auf die Methoden verwiesen, die für die eigentliche Prozessanalyse vorgestellt wurden (Kapitel 3.4).
Prozessmanagement – Innovative Ansätze
5 Prozessmanagement – Innovative Ansätze 5.1 Service Blueprint Wie kommt der Kunde in den Prozess? Dieser Frage muss man sich stellen, wenn man dem oft gehörten Vorwurf entgegentreten will, Prozessmanagement sei eine nach innen gerichtete Nabelschau und würde dazu beitragen, allein aus Innensicht einer Organisation die Prozesse zu optimieren. Kunden würden zwar als Auslöser und als Empfänger des Prozess-Outputs benannt, bei der Modellierungs- und Optimierungsarbeit und vor allem beim Umsetzen der Prozesse würden sie dann gerne wieder vergessen. Das folgende Kapitel zeigt auf, dass Prozessmanagement die Chance bietet, mit Kundenorientierung ernst zu machen und wie Service Blueprint und Customer Journeys als Instrumente dabei praktische Hilfestellung leisten können.
5.1.1 Ohne Kunden keine Prozesse Wir haben gesehen, dass Kunden – zumindest idealtypisch – im Prozessmanagement eine zentrale Rolle spielen. Ohne sie startet kein Prozess, und gäbe es keinen Kunden für das, was im Prozess erstellt, erbracht, produziert wird, dann könnte man diesen Prozess getrost streichen. Der Kunde liefert dem Prozess also die Existenzberechtigung. Wir haben bereits grob unterschieden zwischen externen und internen Kunden, wobei die externen Kunden außerhalb der Organisation stehen. In erster Linie sind das die Bibliotheksbenutzer, es können aber auch Kooperationspartner sein oder Vertreter des Trägers aus Politik oder Verwaltung. Wir legen damit einen weiten Kundenbegriff zugrunde: Kunden sind alle Personen oder Organisationseinheiten, die Leistungen (Produkte oder Dienstleistungen) vom betrachteten Prozess empfangen, unabhängig davon, ob sie diese im monetären Sinn „bezahlen“ oder nicht. Die internen Kunden sind diejenigen, die von ihren Kolleginnen in vorgelagerten Abteilungen ein „Vorprodukt“ oder eine noch nicht fertige Dienstleistung erhalten und dieser im eigenen Teilprozess weiteren Wert zufügen. Geben sie das Ergebnis ihres Teilprozesses dann noch nicht an einen externen Kunden, sondern wiederum an Kollegen in nachgelagerten Abteilungen weiter, so wechseln sie die Rolle und werden zu internen Lieferanten. Jeder Mitarbeiter hat damit in der Regel zwei Rollen: Er ist sowohl interner Kunde als auch Lieferant für andere interne Kunden (nämlich seine Kolleginnen und Kollegen) und für externe Kunden. Nicht vergessen darf man dabei, dass Kunden zugleich die Rolle des Auftraggebers übernehmen. Dies gilt ganz offensichtlich für externe Kunden. Aber in einem ganzheitlichen Sinne gilt es durchaus auch für interne Kunden. Als Auftraggeber https://doi.org/10.1515/9783110499599-005
248 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
tun Kunden das, was wir alle in dieser Rolle tun: Wir bewerten das Ergebnis, das wir erhalten, aus unserer höchst subjektiven Perspektive. Abstrakt und etwas vereinfacht formuliert bewerten wir dabei drei Aspekte: Zeit, Qualität und Kosten. Wenn wir im Folgenden vor allem die externen Kunden in den Fokus stellen, dann können wir konstatieren, dass dies natürlich auch die Kunden eines Bibliotheksprozesses tun. Kundenerwartungen im Prozessmanagement Wenn Kunden eine Dienstleistung oder ein Produkt – also das Ergebnis eines Prozesses – in Anspruch nehmen, dann tun sie das nicht völlig unvoreingenommen, sondern mit bestimmten Erwartungen. Diese Erwartungen speisen sich aus unterschiedlichen Quellen. Das Gap-Modell der Servicequalität1 nennt vier wesentliche Erwartungsquellen: – Mund-zu-Mund-Propaganda: Was habe ich als Kundin von anderen über die Dienstleistungen und Produkte schon gehört? – Meine individuellen Bedürfnisse: Was würde ich mir als Kundin im besten Fall wünschen? – Erfahrungen aus der Vergangenheit: Auf welche konkreten Erfahrungen kann ich zurückgreifen? – Kundenkommunikation der Bibliothek: Was sagt die Bibliothek über unterschiedliche Kanäle (Broschüren, Website, Soziale Medien, aber auch das Erscheinungsbild ihrer Räume und der Mitarbeitenden) über sich? Diese Aspekte bestimmen nun – bevor der Dienstleistungsprozess überhaupt in Anspruch genommen und erlebt wurde – die Erwartungen und Vorstellungen zum Ablauf des Prozesses. Dieses „Drehbuch“ der erwarteten Reihenfolge von Aktivitäten sowie Inhalte dieser Aktivitäten, denen ich als Kundin begegnen werde, bezeichnet Abelson2 als „Skript“. Diese Skripte basieren auf sozialen und kulturellen Regeln und werden erlernt. Sie leiten uns bei der Interpretation von Informationen und helfen uns dabei, uns in Situationen zurechtzufinden und Verhaltensroutinen zu entwickeln. Skripte bestehen aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch sie haben bestimmte Vorstellungen davon, wie die Leistungserbringung abzulaufen hat und was sie dabei vom Kunden erwarten. Klaffen die beiden Skripte zu sehr auseinander, sind Konflikte vorprogrammiert. Was die Sache nicht einfacher macht, ist die Tatsache, dass Skripte sich unterscheiden können:
1 Vgl. Parasuraman ; Zeithaml ; Berry (1985). 2 Vgl. Abelson (1976).
5.1 Service Blueprint
–
–
249
Sie sind kontext- und situationsabhängig. So unterscheidet sich möglicherweise das Skript für das Mitbringen kleiner Kinder in eine öffentliche Bibliothek von dem, sie in eine wissenschaftliche Bibliothek mitzubringen. Gleiches mag gelten für Erwartungen in Bezug auf den Umgang mit Essen und Trinken in der Bibliothek oder das Mitnehmen von Taschen und Jacken. Skripte sind personenabhängig. Sie unterscheiden sich von Kunde zu Kunde und dessen möglicherweise in einem anderen Kontext erlernten Skript. Der andere Kontext kann sich zum Beispiel aus dem kulturellen Hintergrund einer Kundin ergeben. Ein Beispiel: Das Skript für eine Beratung kann in einer Bibliothek folgendermaßen aussehen: Die Kundin tritt auf den Informationsplatz zu und erwartet, dass sie sofort freundlich angeblickt, begrüßt und nach ihrem Anliegen gefragt wird. Sie erwartet, dass sich die Mitarbeiterin viel Zeit nimmt, um mit ihr die noch unklare Fragestellung zu präzisieren und ihren sehr spezifischen Informationsbedarf schnell erfasst. Im weiteren Verlauf erwartet sie die Begleitung ans Regal und die Unterstützung beim Auffinden des Titels sowie Erläuterungen und Empfehlungen zur konkreten Auswahlentscheidung. Das Skript der Mitarbeiterin und damit das (Selbst-)Verständnis wie ein solcher Auskunftsprozess abzulaufen hat, kann davon abweichen. Die Folgen abweichender Skripte sind leicht vorstellbar.
Um eine hohe Kundenzufriedenheit zu erreichen, muss bei der Prozessgestaltung also berücksichtigt werden, welche Skripte – auch gespeist durch die von der Bibliothek geweckten Erwartungen – von den Kundinnen und Kunden erlernt wurden. Werden traditionelle Abläufe radikal verändert und neugestaltet, so erfordert das ein Umlernen bei den Kunden und eine Verhaltensänderung. Dies macht – wie wir alle aus eigener Erfahrung wissen – Mühe. Erfahrungen mit neuen Prozessen und den damit verbundenen Mühen, ein neues Skript zu erlernen, haben viele Bibliotheken im Zuge der Digitalisierung und Automatisierung ihrer Angebote gemacht. Die Umstellung der Ausleihprozesse auf RFID ist dafür ein sehr augenfälliges und plakatives Beispiel. Wie bereits oben angesprochen, gilt das immer für beide Seiten: für die Kunden wie für die Dienstleister, also das Bibliothekspersonal. Kundenbewertung von Prozessen als Basis für die Prozessgestaltung Dass Kunden einen Bibliotheksprozess – so wie sie es mit jedem anderen Dienstleistungsprozess auch tun würden – anhand der Kriterien Zeit, Qualität und Kosten bewerten, haben wir bereits festgestellt. Die Qualität des Prozessergebnisses bestimmt maßgeblich den Nutzen3, den Kunden wahrnehmen oder erwarten.
3 Vgl. Fließ (2009), S. 199 f.
250 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Dieses Qualitäts- und Nutzenerlebnis kann sich aus einzelnen Prozessergebnissen zusammensetzen, zum Beispiel dem schnell und rechtzeitig bereitgestellten Medium, das eine Studentin zur Prüfungsvorbereitung benötigt. Es kann sich aber auch aus der Gestaltung des Prozesses und seines Umfelds ergeben. Dazu zählen zum Beispiel das Erleben der Bibliothek als angenehmen, lebendigen Aufenthaltsund Begegnungsort oder aber als ruhigen, konzentrationsfördernden Arbeitsort. Bei der Bewertung der Kostenseite blickt der Kunde auf alle Kosten, die anfallen, um eine Dienstleistung zu nutzen. Damit sind – gerade in öffentlichen Kulturund Bildungseinrichtungen – nicht nur unmittelbare monetäre Aufwendungen für die Dienstleistungen (also Nutzungsgebühren, Mahngebühren, Eintrittsgelder) gemeint. Vielmehr versteht man unter Kosten auch die folgenden weitergefassten Aspekte: – Wartezeiten, beziehungsweise die Dauer des Prozesses – Anstrengungen, wie zum Beispiel das Steigen von Treppen – Psychische Belastungen, wie zum Beispiel das empfundene schwierige Zurechtfinden in den Räumlichkeiten, mit technischen Geräten oder das Aufhalten in überfüllten Räumen – Sensorische Belastungen, zum Beispiel durch Geräusche oder Gerüche – Finanzielle Aufwendungen für die Anfahrt oder das Parken Die Bewertung des vom Kunden erlebten Dienstleistungsprozesses erfolgt nun anhand von zwei Vergleichsmaßstäben: 1. dem Vergleich mit seinem eigenen Anspruch, beziehungsweise mit seinen Erwartungen und 2. dem Vergleich mit Alternativangeboten bis hin zur Alternative „Selbermachen“ oder „Nicht-In-Anspruch-nehmen“. Die wahrgenommenen Kosten inklusive des Zeitaufwands werden nun dem Nutzen beziehungsweise der wahrgenommenen Qualität gegenübergestellt. Ganz handfest und konkret machen Kunden diese Bewertung in erster Linie an solchen Punkten fest, an denen sie direkt mit den Dienstleistern, also den Bibliotheksmitarbeitern, in Kontakt kommen. Diese Punkte werden „Kundenkontaktpunkte“ oder „Touchpoints“ genannt. Erklären lässt sich die Konzentration auf diese Punkte damit, dass die Bewertung der Qualität von Dienstleistungen aus Kundensicht eine schwierige Angelegenheit4 ist. In vielen Fällen ist eine Qualitätsbeurteilung nur nachträglich möglich: Erst wenn das Beratungsgespräch erfolgt ist, weiß ich als Kundin, ob es zu meiner Zufriedenheit verlaufen ist. Allerdings muss ich dabei berücksichtigen, dass der Prozess nur so gut verlaufen kann, wie die soziale und fachliche Interaktion
4 Zur Vertiefung des Themas Qualitätsmanagement für Dienstleistungen vgl. Fließ (2009); Haller (2017).
5.1 Service Blueprint
251
zwischen mir und der Dienstleisterin in der Bibliothek verlaufen ist, dass ich gegebenenfalls Teil des Erfolgs oder auch des Problems bin. Auch bei den weiteren Bewertungsaspekten ist der Kunde auf sichtbare Signale angewiesen. Signale sind die für ihn sichtbaren Aktivitäten in einem Prozessablauf, es sind aber auch die sonstigen im Prozessumfeld wahrnehmbaren Signale. Ein Beispiel: Beim Betreten der Bibliothek wird die Gestaltung der Räume, aber auch Geruch, Lautstärke, Temperatur wahrgenommen. Wenige Schalter (Kundenkontaktpunkte, Touchpoints) oder wenige Automaten (Rückgabeautomaten, Kassenautomaten – auch dies sind Kundenkontaktpunkte) führen zu Schlangen und damit zu Wartezeiten. Anregende Selbstinformationsmöglichkeiten über Screens können dazu dienen, Wartezeiten zu überbrücken und Fragen eventuell bereits abzufangen. Eine unübersichtliche Eingangssituation erschwert die Orientierung. Umständliche und unfreundliche oder freundliche und effiziente Bibliotheksmitarbeiter senken oder erhöhen die wahrgenommenen Kosten und senken oder erhöhen die wahrgenommene Qualität und damit den Nutzen. Das Beratungsgespräch selbst wird durch Interaktion zwischen Kunde und Mitarbeiter gestaltet. Der Inhalt der Interaktion („Versteht mich die Mitarbeiterin? Antwortet sie auf meine Fragen? Gibt sie mir ausreichend Informationen?“) sowie das Verhalten der Mitarbeiterin („Ist sie freundlich, sauber gekleidet, zuvorkommend, kenntnisreich?“) bestimmen den erhaltenen Nutzen, beziehungsweise die entstehenden Kosten.
Die Bewertung des Kunden erfolgt dabei nicht nur am Ende des Prozesses, mit Blick auf die erhaltene Dienstleistung, sondern der Kunde vergleicht an jedem einzelnen Touchpoint sein aktuelles Erleben mit seinen Erwartungen und mit möglichen Alternativen. Diese „Augenblicke der Wahrheit“ werden wie in einer (mentalen) Bilanz gegenübergestellt und führen letztlich zur zusammenfassenden Bewertung und gegebenenfalls auch zu Konsequenzen. Im besten Fall führt die Bilanzierung natürlich zur Folge, dass der Kunde wiederkommt. Bei der Gestaltung von Prozessen sind die Kundenkontaktpunkte entscheidende Qualitätsmarker aus Kundensicht. Sie sollten daher kritisch beleuchtet und so gestaltet werden, dass an möglichst jedem Kontaktpunkt das Qualitäts- und Nutzenerleben die Kosten für den Kunden übersteigt.
5.1.2 Die nahtlose Organisation – die Kunden in die Prozesse holen Die Frage, der wir nun im Folgenden nachgehen, ist: Wie kann es ganz praktisch erreicht werden, dass die Bewertung aus Kundensicht positiv ausfällt? Ein wesentlicher Ansatzpunkt dafür ist, die Kunden stärker in die Prozesse zu integrieren, als dies im klassischen Prozessdenken der Fall ist. Zwar haben wir immer wieder betont, dass die Gestaltung der Prozesse von Anfang bis Ende („endto-end“) auf die Kunden und die Erfüllung ihrer Anforderungen ausgerichtet sein
252 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
muss, dass das „Fenster zum Kunden“5 geöffnet werden muss. Dennoch ist der Vorwurf an das Prozessmanagement, dass nicht der gesamte Prozess kundenorientiert gestaltet wird, sondern nur die unmittelbaren Schnittstellen zu den Kunden, nicht ganz unberechtigt. Je größer eine Organisation ist, je arbeitsteiliger (trotz Prozessteams) vorgegangen wird, je komplexer damit die Prozesse sind, desto höher ist auch die Gefahr, dass der Kunde ganz am Ende der Prozesskette aus dem Blick gerät. Als Beispiel mag der komplexe Prozess „Medien bereitstellen“ dienen. In großen Häusern ist das Risiko nicht von der Hand zu weisen, dass für Teilprozesse, die nur für interne Kunden arbeiten (zum Beispiel „Medien erwerben und erschließen“) die Sicht auf den externen Kunden weniger greifbar und erlebbar ist als für Teilprozesse mit unmittelbaren Kundenschnittstellen. Wie also kann eine nahtlose Organisation entstehen ohne scharfe Abgrenzungen zu den Kunden? Wie kann man mit dem Schlagwort „Kundenorientierung“ Ernst machen und eine unmittelbare Rückkopplung mit den Kunden gestalten? Service Blueprinting als Methode zur Integration von Kunden in die Prozesse Ein Service Blueprint ist eine Form der Prozessdarstellung, die alle Schritte eines Service aus Sicht sowohl der Kunden als auch des Dienstleisters darstellt. Er bildet ab, wie die verschiedenen Komponenten eines Service miteinander verzahnt sind. Die Methode Service Blueprint wurde in den 1980er Jahren von Lynn Shostack6 und Jane Kingman-Brundage7 vorgestellt. Als Blaupause sind sie technischen Zeichnungen aus Ingenieurswesen und Architektur nachempfunden. Ihr Ziel ist jedoch die Visualisierung, Analyse und Optimierung von Dienstleistungsprozessen. Meist wird dazu die Swimlane-Darstellung mit ihren verschiedenen Bahnen für organisatorische Zuständigkeiten verwendet (vgl. Abbildungen 5.1 und 5.2). Der wesentliche Unterschied und die Erweiterung zu einer klassischen Prozessdarstellung, wie wir sie in Kapitel 2.6 vorgestellt haben, ist, dass nicht nur die Prozessschritte aus interner Sicht dargestellt werden, sondern dass zusätzlich die Modellierung dem „Wahrnehmungspfad der Kunden“ folgt. Wie wir gesehen haben, bewerten Kunden ihre Erlebnisse im Zusammentreffen mit der anbietenden Bibliothek vor, während und nach einem Dienstleistungsprozess und erstellen eine Qualitäts- und Zufriedenheitsbilanz. Die Kontaktpunkte stehen dabei im Zentrum des Interesses: Die Methode Service Blueprinting soll helfen, die Kontaktpunkte wahrzunehmen, zu analysieren und zu gestalten.
5 Osterloh ; Frost (2006), S. 108. 6 Shostack (1984). 7 Kingman-Brundage (1989).
5.1 Service Blueprint
253
Aufbau eines Service Blueprints Im Service Blueprint finden sich damit nicht nur Symbole für die Darstellung von „Wer macht was“, wie dies in einem Prozess-Flowchart der Fall ist, sondern zusätzlich werden die am Prozess Beteiligten nach verschiedenen Ebenen ihrer Sichtbarkeit für den Kunden angeordnet. Service Blueprints haben damit eine horizontale und eine vertikale Dimension. Die einzelnen Aktivitäten eines Dienstleistungsprozesses werden in chronologischer Folge horizontal in Swimlanes dargestellt. Soweit ist das also nichts Neues im Vergleich zu einem Prozess-Flowchart. Allerdings werden nicht nur die Prozessschritte des Dienstleisters modelliert, sondern auch die Nutzer-Aktionen, also das, was der Kunde tut. Vertikal besteht der Service Blueprint aus vier Ebenen, die unterhalb der Aktivitäten des Kunden („Nutzer-Aktionen“) die Aktivitäten der Bibliothek, und zwar gestaffelt nach ihrer Nähe zum Kunden, abbilden. Zwischen den einzelnen Ebenen, in denen die Aktionen und Interaktionen der unterschiedlichen am Prozess Beteiligten dargestellt werden, verlaufen Linien, die diese Ebenen trennen. Die Grundform eines Service Blueprint und die Elemente, aus denen er aufgebaut wird, zeigt Abbildung 5.1.
Abb. 5.1: Grundform eines Service Blueprint.
254 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Service Blueprint für einen Bibliotheksprozess Wenn wir von dieser Grundstruktur ausgehen, dann kann am Beispiel8 des Prozesses der Anmeldung einer Privatperson in einer Universitätsbibliothek erläutert werden, wie ein Service Blueprint in der Praxis aufgebaut wird und welche Informationen er transportiert.
Abb. 5.2: Service Blueprint für die Anmeldung eines Privatkunden in einer UB.
Die obersten beiden Swimlanes dokumentieren die Handlungen und die Kontaktpunkte des Kunden. Dabei werden im ersten Schritt die groben Prozessschritte aus Kundensicht dargestellt. Eine Verfeinerung kann in späteren Bearbeitungsphasen bei Bedarf vorgenommen werden. Jeder Handlung des Kunden wird der Touchpoint zugeordnet, an denen der Kunde real oder medial vermittelt mit der Bibliothek in Kontakt kommt. Touchpoint kann eine Website sein, ein Brief, ein Flyer, ein Facebook-Post, ein Raum, ein Gerät oder eine Mitarbeiterin.9 Die Interaktionslinie (auch Line of Interaction oder Kundeninteraktionslinie genannt) trennt die Kundenaktivitäten von den Aktivitäten der Bibliothek. Im Beispiel der Anmeldung in einer Bibliothek sind als Kundenaktivitäten der Gang zur Bibliothek, die Nachfrage an der Auskunft, das Ausfüllen des Anmeldeformulars, die Vorlage persönlicher Dokumente, das Aufladen des Guthabens sowie die Bezahlung der Anmeldegebühr zu nennen.
8 Vgl. Weber (2014), S. 9. 9 Der Begriff „Physical Evidence“ für die oberste Swimlane ist dem Marketing Mix entnommen und benennt dort das Erscheinungsbild und die Gestaltung des Umfelds, in dem die Produkte und Dienstleistungen präsentiert werden.
5.1 Service Blueprint
255
Die Aktivitäten des Kunden finden in der Regel in direkter Interaktion mit dem Bibliothekspersonal statt. Beispielsweise sind dies: Begrüßung, Kurzeinführung in die Benutzung, Aushändigung des Ausweises. Diese Aktivitäten sind für den Kunden unmittelbar sichtbar, erlebbar und fließen damit in die Bewertung des Dienstleistungsprozesses ein. Die Sichtbarkeitslinie (Line of Visibility) trennt die sichtbaren von den für den Kunden unsichtbaren Aktivitäten der Bibliothek. Hinter dieser Linie werden Aktivitäten wie das Ausdrucken der Kundenausweises, die Aktivierung des Kontos oder das Buchen der Gebühren vollzogen. Unterhalb der Line of Visibility sind die Backstage- oder Backoffice-Aktivitäten einzuordnen, oberhalb der Line of Visibility die Onstage- oder Frontoffice-Aktivitäten. Die Interne Interaktionslinie (Line of Internal Interaction) markiert den Übergang zu den internen, unterstützenden Support- oder Service-Aktivitäten, die für den Kunden nicht sichtbar sind. Die Personen, die diese durchführen, stehen nicht im direkten Kundenkontakt. Auch diese Aktivitäten werden als Backoffice-Aktivitäten bezeichnet. In unserem Beispiel sind das Tätigkeiten wie die Pflege der Website, die Bereitstellung von Materialien und Technik, aber auch die Dienstplanung oder das Sicherheitsmanagement. Die praktische Arbeit mit der Methode Service Blueprint Die Stärke des Service-Blueprinting-Ansatzes ist es, dass neben der Modellierung des Leistungserstellungsprozesses auch Kommunikationsschnittstellen mit den Kunden sowie deren Integrationsgrad in den Leistungserstellungsprozess detailliert dargestellt werden. Die Methode eignet sich also sehr gut, um die Kundenperspektive in den Prozess zu holen und in jedem Prozessschritt sichtbar zu machen. Wollen Sie das Thema Kundenorientierung umfassend im Prozessdenken verankern, dann empfiehlt es sich, Blueprints für Schlüsselprozesse zu erarbeiten. Dazu können ähnliche Methoden eingesetzt werden wie beim Erheben und analysieren der Prozesse (Kapitel 3.3). Tipp Nutzen Sie Pinnwände oder Whiteboards und skizzieren Sie die unterschiedlichen Ebenen des Blueprints als Grundgerüst.10 Dieses kann dann mit Post-its, Bildkarten oder Moderationskarten gefüllt werden. Selbstverständlich ist auch dies eine Team-Methode, die davon lebt, dass der Austausch im Team zu einer umfassenderen Sicht führt.
10 Zur Dokumentation eines Service Blueprint können Sie auch eine frei verfügbare Software nutzen: https://canvanizer.com/new/service-blueprint-canvas (28.02.2018)
256 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Das folgende schrittweise Vorgehen erlaubt es, zügig einen Blueprint zu erstellten: Tab. 5.1: Schrittweises Vorgehen beim Entwickeln eines Service Blueprint. Schritt 1
Wählen Sie einen Schlüsselprozess aus, der nach Ihrer Einschätzung hohe Sichtbarkeit bei Ihren Kunden sowie einen wesentlichen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit hat.
Schritt 2
Erfassen Sie die Handlungsschritte des Kunden in zeitlicher Folge und achten Sie darauf, nicht zu kleinteilig vorzugehen. Wenn Sie in bestimmten Bereichen Problempunkte feststellen, können Sie an diesen später gezielt in die Tiefe bohren.
Schritt 3
Ordnen Sie den Handlungen des Kunden die Touchpoints zu, an denen er mit der Bibliothek in Kontakt kommt. Tun Sie dies, indem Sie die Post-its vertikal untereinander hängen und durch Linien verbinden.
Schritt 4
Erfassen und dokumentieren Sie die Handlungen der Bibliothek, bei denen sie mit den Kunden in Kontakt kommt und ordnen Sie diese den Handlungen des Kunden zu. Wo Sie Zusammenhänge zwischen Touchpoints, Handlungen des Kunden und Handlungen der Bibliothek feststellen können, verbinden Sie diese durch Linien.
Schritt 5
Erfassen und dokumentieren Sie Aktivitäten der Bibliothek, bei denen sie nicht mit dem Kunden in Kontakt kommt und zeichnen Sie dort, wo vorhanden, Verbindungslinien zwischen den nicht sichtbaren Aktivitäten der Bibliothek (Backoffice) und den Aktivitäten oberhalb der Sichtbarkeitslinie ein.
Schritt 6
Erfassen und dokumentieren Sie die Serviceprozesse im Hintergrund. Zeichnen Sie Zusammenhänge zwischen den Prozessen im Hintergrund und den Prozessschritten ein, die im direkten Kundenkontakt stattfinden.
Schritt 7
Identifizieren Sie im Team gemeinsam Schwachstellen des Prozesses. Hierzu können Sie auf die gesammelten Erfahrungen bei der Analyse und Gestaltung von Prozessen zurückgreifen. In diesem Schritt machen sich die Arbeit im Team und eine offene Diskussionskultur besonders positiv bemerkbar. Erfahrungsgemäß sind serviceerfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Schwachstellen bekannt. Es empfiehlt sich, bereits beim Erstellen des Blueprints Schwachstellen, die identifiziert werden, laufend zu dokumentieren. Dazu können Sie beispielsweise den Ideen- und Störungspool verwenden, den wir in Kapitel 3.3.3 vorgestellt haben. Dieses begleitende Dokumentieren von Verbesserungsansätzen stellt zum einen sicher, dass keine Ideen verloren gehen und trägt zudem dazu bei, dass sich die Diskussion nicht an einem Punkt festbeißt, bevor das Gesamtbild entstanden ist.
Schritt 8
Stellen sich Schwachstellen als nicht ohne weiteres durchschaubar und komplex dar, dann ist es angezeigt, diesen Ausschnitt des Blueprints in einer weiteren Runde detaillierter zu beleuchten. Sie zoomen sich nun quasi in den betrachteten Ausschnitt hinein, indem Sie einen weiteren Blueprint für diesen Ausschnitt erstellen. Die Vorgehensweise ist analog zur beschriebenen. Sie beginnen wiederum mit den Handlungen des Kunden, erfassen diese aber detaillierter und gestalten ausgehend davon alle weiteren Ebenen.
5.1 Service Blueprint
257
Abb. 5.3: Workshop zur Erarbeitung eines Service Blueprint.
Gestaltungsoptionen von Prozessen entlang der Service Blueprint Ebenen Die Ebenen des Service Blueprint eignen sich, um Verbesserungspotenziale im gesamten Prozess zu identifizieren und dabei die unterschiedlichen Perspektiven im Blick zu behalten. Gestaltungsoptionen an der Interaktionslinie Die Interaktionslinie markiert zwar die Trennung zwischen den Aktivitäten des Kunden und der Bibliothek, wie dem Blueprint aber unschwer zu entnehmen ist, sind die Aktivitäten des Kunden und der Bibliothek voneinander abhängig und unmittelbar aufeinander bezogen. Damit wird letztlich genau das sichtbar, was das zentrale Merkmal von Dienstleistungsprozessen ist, nämlich, dass sie durch die Mitwirkung des Kunden gekennzeichnet sind. Um es zuzuspitzen: Die Mitwirkung des Kunden ist der kritische Erfolgsfaktor für Dienstleistungsprozesse. Daher liegt es nahe, sich über die Rollen des Kunden im Prozess Gedanken zu machen und die Arbeitsteilung zwischen Kunde und Bibliothek zu beleuchten. Grundsätzlich können wir nach dem Grad der Kundenintegration11 drei Formen von Dienstleistungen und damit Dienstleistungsprozessen unterscheiden: Selbstbedienungsprozesse Hier wird im Wesentlichen der Kunde tätig, während die Bibliothek weitgehend passiv bleibt. Diese Formen der Kundenintegration haben in den letzten Jahren im
11 Vgl. Vonhof (2012), S. 292.
258 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Bibliothekssektor deutlich zugenommen. Denken Sie an die Möglichkeit, das Konto einzusehen, Medien zu verlängern, vorzubestellen, Fernleihen abzusetzen, Verbuchungen und Rückgaben selbst zu erledigen, vorbestellte Medien abzuholen und zu verbuchen. Open Libraries sind der vorläufige Höhepunkt der Selbstbedienung. Interaktive Dienstleistungsprozesse Bei diesen Dienstleistungen ist für die Dienstleistungserstellung eine Interaktion zwischen Bibliotheksmitarbeitern und Kunde unabdingbar. Als Beispiel hierfür mögen Beratungsgespräche, Informationskompetenzschulungen oder die oben beschriebene Neuanmeldung eines Kunden dienen. Prozesse im Remote Service Hier bleibt der Kunde weitgehend passiv, wobei er natürlich letztlich die Dienstleistung durch seine Kundenanforderung initiiert. Die Dienstleistung selbst wird jedoch unabhängig vom Kunden erstellt (in der Regel im Backoffice). Klassische Beispiele für den Bibliothekssektor sind die Bereitstellung von Medien, die Bereitstellung eines Veranstaltungsangebotes oder die Bereitstellung einer Lernumgebung. Für jede Dienstleistungsart ist die Kundenrolle zu klären: – Wo muss der Kunde mitwirken? – Wo kann der Kunde mitwirken? – Wo will der Kunde mitwirken? – Welchen Einfluss hat die Kundenmitwirkung auf die Steuerung und Gestaltung des Prozesses? Diese Fragen zu klären, ist nicht einfach. Sie berühren sowohl das Selbstverständnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Experten- und Prozessverantwortlichenrolle als auch die Bereitschaft des Kunden, sich integrieren zu lassen. Denn – Kunden sind sich der Bedeutung ihrer Mitwirkung oft nicht bewusst, das bedeutet, sie haben ein mangelndes Prozessbewusstsein. – Kunden wissen nicht, wann sie welche Leistung erbringen sollen, ihnen fehlt die Prozesstransparenz. Hier ist es die Aufgabe des Prozessmanagements gegenzusteuern. Dies kann durch folgende Ansätze erfolgen: Kommunikation des Prozessablaufs Die Kommunikation des Prozessablaufs ermöglicht dem Kunden, den Prozess (auch die Teile des Prozesses, die unterhalb der Sichtbarkeitslinie liegen) als solchen wahrzunehmen. Sie schafft Prozesstransparenz. Der Kunde gewinnt zugleich einen
5.1 Service Blueprint
259
Einblick in die Bedeutung seines Beitrags und seines Einflusses auf die Qualität des Ergebnisses. So könnten zum Beispiel Informationen über die von Kundenseite erforderlichen Prozess-Inputs verhindern, dass jemand ohne Ausweispapiere in die Bibliothek kommt, um sich einen Bibliotheksausweis ausstellen zu lassen. Wenn sich dieser Punkt immer wieder als Schwachpunkt in der Interaktion herausstellt, könnte sich die Bibliothek fragen, ob die von ihr bereitgestellten Informationen für ihre Kunden tatsächlich auffindbar, klar und verständlich vermittelt werden oder ob diese Schwachstelle im Prozess auf andere Weise behoben werden kann. Bei komplexen Dienstleistungsprozessen könnten sogar vereinfachte Formen des Service Blueprints eingesetzt werden, um Prozessbewusstsein und Prozesstransparenz herzustellen. Überwachung von Kundenbeiträgen im Prozess und Kundenfeedback Hier geht es einmal nicht um das Feedback, das die Kunden der Bibliothek geben, sondern um das Feedback, das die Bibliothek ihren Kunden gibt. Dies soll dazu dienen, dem Kunden die Integration zu erleichtern, indem er Hilfestellung erhält, um die von ihm auszuführenden Prozessschritte gut zu bewältigen. In der Praxis erfolgt dies zum Beispiel, wenn Kunden in die Bedienung von Kassenautomaten, Selbstverbuchern oder das Ausfüllen von Formularen eingeführt und dabei unterstützt werden. Kundenentwicklung oder Customer Enablement Dieser Ansatz schließt nahtlos an den vorherigen an und hat das Ziel, nicht nur ad hoc zu reagieren, sondern Kunden durch unterschiedliche Maßnahmen zu befähigen, sich in die Prozesse der Bibliothek zu integrieren. Maßnahmen können Informationsveranstaltungen sein, die zum Beispiel Recherchestrategien in neuen Datenbanken vorführen, Schulungsmaßnahmen zur Recherche für Hausarbeiten oder zur Benutzung von Online-Services. Auch individuelle Auskunfts- und Beratungsgespräche im Sinne von „Hilfe zur Selbsthilfe“ sind Beispiele aus der Bibliothekspraxis. Kundensegmentierung Denkbar ist auch, dass die Bibliothek ihre Kunden – entsprechend ihrer Fähigkeitsund Bereitschaftsgrade sich zu integrieren – in Kundensegmente zusammenfasst. Mit unterschiedlichen Leistungsangeboten könnte sie dann darauf reagieren, dass die einzelnen Zielgruppen unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie stark sie sich in die Prozesse der Bibliothek integrieren lassen wollen. Als Beispiele seien genannt: Hochschullehrer versus Studierende in einer Universitätsbibliothek oder technik-affine Kunden versus technik-scheue Kunden in einer Stadtbibliothek.
260 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Gestaltungsoptionen an der Sichtbarkeitslinie Oberhalb der Sichtbarkeitslinie eines Blueprints befindet sich der für den Kunden wahrnehmbare Bereich des Prozesshandelns. Die Bedeutung dieser „Servicescape“12 oder Dienstleistungsumgebung wurde bereits mehrfach betont. Die Dienstleistungsumgebung umfasst die Touchpoints, geht aber darüber hinaus, indem die gesamte wahrgenommene Umgebung betrachtet wird. Dabei sind zwei Aspekte relevant: Die praktische und aufgabenbezogene Funktion der Dienstleistungsumgebung beschreibt, ob Objekte, mit denen die Kunden in Kontakt kommen, funktionieren sowie bequem und leicht zu bedienen sind. Die kommunikative Funktion erfasst eher die Ausstrahlung und Atmosphäre der Servicescape. Die sichtbaren Elemente in der Serviceumgebung (zum Beispiel das Leitsystem, die Möblierung und Raumgestaltung) haben Einfluss auf die Erwartungen des Kunden hinsichtlich der Dienstleistung und der Verhaltensweisen der Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Sie haben aber auch Auswirkungen auf seine Vermutungen, welches Verhalten von ihm erwartet wird (zum Beispiel leise sein, sich ruhig und gemessen bewegen, nicht essen) und auf seine Fähigkeit, sich zu orientieren und damit sich selbständig zurecht zu finden. Die Lage beziehungsweise die Positionierung der Sichtbarkeitslinie kann ein weiterer interessanter Aspekt sein, der ausgehend von einem Service Blueprint in den Blick genommen werden kann. Nicht alle Bereiche der Bibliothek sind für die Kunden sichtbar, geschweige denn betretbar. Üblicherweise sind das in Bibliotheken die Backoffice-Bereiche, Magazine, Räume mit technischen Anlagen und so weiter. Dennoch gibt es zunehmend Bibliotheken, die über die Öffnung dieser Bereiche für Kunden nachdenken: Vorbestellregale sind zugänglich, AV- und E-Medien werden nicht mehr in Lagerschränken hinter Theken bereitgehalten, sondern sind direkt im (gesicherten) Zugriff, Magazine werden zugänglich gemacht. In den letzten Jahren wurden auch ganz bewusst in Bibliotheksneubauten die Buchtransport- und Rücksortieranlagen für die Kunden sichtbar gemacht. Eine ganz neue Entwicklung zeigt sich in der Diskussion über Coworking Spaces in Bibliotheken, die nicht nur Arbeitsplätze für die Bibliotheksnutzer bereitstellen, sondern zugleich flexible Arbeitsplätze für Mitarbeitende, mit der Idee, dass Kunden und Bibliotheksmitarbeiter Seite an Seite arbeiten.13 Denken wir an Restaurants, so gilt es oft als besonders reizvoll, den Blick in die Küche zu haben oder die Zubereitung von Speisen am Tisch zu verfolgen. Will man das Qualitätserlebnis für den Kunden in einem Prozess erhöhen, dann lohnt es sich zu prüfen, welche Aktivitäten, die bislang unterhalb der Sichtbarkeitslinie verortet sind, für die Kunden sichtbar gemacht werden sollten.
12 Der Kunstbegriff „Servicescape“ wurde aus ‚Service‘ und ‚Landscape‘ zusammengesetzt und 1981 von Mary Jo Bitner geprägt. 13 Vgl. Kremkau (2016).
5.1 Service Blueprint
261
Denn die Sichtbarkeit erhöht die Sicherheit, mit der ein Kunde die Qualität einer Dienstleistung und ihres Erstellungsprozesses beurteilen kann. Gestaltungsoptionen an der Internen Interaktionslinie Bei der Gestaltung dieser Trennlinie geht es vor allem um die Festlegung der internen Arbeitsteilung und die Gestaltung der Schnittstellen, wie wir sie in Kapitel 2.4 vorgestellt haben. Auch mithilfe des Service Blueprints kann nochmals deutlich gemacht werden, dass nur das nahtlose Zusammenwirken von Service- und Kernprozessen zur Erfüllung der Kundenanforderungen führt. Zugleich macht die Analyse eines Service Blueprints sichtbar, dass ein flexibles Eingehen auf Kundenwünsche im direkten Kundenservice (Frontoffice) auch der flexiblen Unterstützung des Backoffice, also der Serviceprozesse, bedarf. Die Customer Journey als Ergänzung zum Service Blueprint Will man noch tiefer in die Erfahrungen und das Erleben der Kunden einsteigen, so bietet es sich an, ein weiteres Instrument aus dem Bereich Service Design und Customer Experience zu ergänzen. Die Customer Journey nimmt die ersten beiden Swimlanes des Service Blueprints auf und setzt eine weitere Ebene darüber. In dieser wird die Emotionskurve des Kunden an den einzelnen Touchpoints erfasst. Es wird also nicht so getan, als sei die emotionale Lage im Verlauf eines gesamten Dienstleistungsprozesses immer stabil und gleichbleibend. Vielmehr wird untersucht, welche positiven und negativen Emotionen aus Kundensicht auftreten.
262 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Abb. 5.4: Service Blueprint erweitert um Customer Journey.
Sobald wir über emotionales Erleben von Kunden im Serviceprozess nachdenken, wird deutlich, dass es „den“ Kunden nicht gibt. Damit kann auch nicht eine einzige Customer Journey für alle Kundengruppen erstellt werden. Daher ist auch bei der Arbeit mit dem Instrument der Customer Journey ein Vorgehen in mehreren Schritten empfehlenswert. Wie nicht weiter verwunderlich sein dürfte, empfehlen wir auch bei dieser Methode den teamorientierten Ansatz. Tab. 5.2: Vorgehen zur Erweiterung des Service Blueprint um die Customer Journey. Schritt 1:
Definieren Sie Ihre wichtigste oder kritischste Zielgruppe und beginnen Sie mit dieser. Im besten Fall haben Sie Ihre Zielgruppen bereits in Ihrer Strategie, Ihrer Bibliothekskonzeption oder im Profil definiert.
Schritt 2:
Erstellen Sie im Team gemeinsam drei bis fünf Personas14 Ihrer Zielgruppe, um sich klar zu werden, welche unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen an die Bibliothek und ihre Prozesse auch innerhalb einer Zielgruppe (Studierende, Kinder im Grundschulalter, Best Ager) bestehen können.
14 Personas sind ein Instrument aus dem Bereich User Experience. Eine Persona ist ein hypothetischer Nutzer. Diese fiktive Person mit individuellen Eigenschaften steht stellvertretend für die Mit-
5.1 Service Blueprint
263
Schritt 3:
Konzentrieren Sie sich für die Customer Journey Map auf die wichtigsten Touchpoints, die Sie zuvor im Service Blueprint ermittelt haben. Die Emotionen der Kunden an diesen „Augenblicken der Wahrheit“ sind entscheidend für die Gesamtwahrnehmung aus Kundensicht.
Schritt 4:
Bewerten Sie die „Augenblicke der Wahrheit“ aus Sicht der Kunden auf einer Skala von 1 bis 5 (5: Erwartungen des Kunden wurden übertroffen, Kunde ist begeistert / 1: Erwartungen wurden nicht erfüllt, Kunde ist enttäuscht oder verärgert). Bei dieser Bewertung wird wiederum deutlich, dass es unabdingbar ist, die Erfahrungen der Mitarbeitenden im direkten Kundenkontakt einzubeziehen. Darüber hinaus können auch Daten ausgewertet werden wie Beschwerden, Wartezeiten oder Ergebnisse von Kundenbefragungen. Es lohnt sich auch, die Servicesituation regelmäßig zu beobachten und sich dabei auf die wahrnehmbaren Emotionen der Kunden und der Mitarbeitenden in der Interaktion zu konzentrieren.
Schritt 5:
Identifizieren Sie die größten Schwachstellen und entwickeln Sie Verbesserungsmaßnahmen, deren Umsetzung als Projekt geplant wird.
Service Blueprint und Customer Journey zeigen, dass es geeignete Methoden gibt, um dem oft gehörten Vorwurf ans Prozessmanagement entgegen zu treten, Prozessmanagement sei eine nach innen gerichtete Nabelschau und würde den Kunden nur pro forma in den Blick nehmen. Diese Methoden zeigen, dass Prozessmanagement der Anlass und der Ausgangspunkt sein kann, um Kundenorientierung handfest in die DNA jeden Prozesses einzubauen. Dargestellt wurde das Thema durchgehend am Beispiel der externen Kunden. Aber es ist zweifelsohne möglich, eine Customer Journey auch für interne Kunden zu erstellen. Stellen Sie sich vor, welche Erkenntnisse eine Customer Journey für bestimmte Management- oder Serviceprozesse erbringen würden. Reflexion Wie gut kennen Sie die Bedürfnisse Ihrer Kunden? Folgende kleinen Übung kann Ihnen dabei helfen, einen ersten Eindruck zu gewinnen. Notieren Sie eine Woche lang, was Sie tun – also welche Prozesse und Prozessschritte Sie ausführen. Notieren Sie sich jeweils zu jeder Tätigkeit die dazu aus Ihrer Sicht bestehenden Kundenanforderungen. Formulieren Sie die Kundenanforderung möglichst konkret in quantitativer wie qualitativer Hinsicht. Verschaffen Sie sich einen Eindruck, wie hoch der Anteil an Tätigkeiten ist, bei dem Ihnen die Kundenanforderungen nicht konkret klar sind.
glieder einer realen (Ziel-)Gruppe. Sie ersetzen die abstrakte Masse der späteren Nutzer durch prototypische fiktive Persönlichkeiten mit spezifischen Eigenschaften und erfüllen und machen den anonymen Kunden greifbar. Weitere Informationen: https://www.cooper.com/journal/2008/05/ the_origin_of_personas (03.02.2018).
264 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
5.2 Adaptive Case Management Adaptive Case Management (ACM) ist ein noch recht neuer Ansatz im Prozessmanagement, der auf eine weitere Begrenzung des Prozessmanagements antwortet, nämlich darauf, dass das klassische Prozessmanagement auf stark strukturierte Prozesse ausgerichtet ist. Teilstrukturierte Regelprozesse oder gar unstrukturierte adhoc-Prozesse lassen sich mit den bewährten Prozessmanagement-Methoden nicht zufriedenstellend steuern – allenfalls „übersteuern“. Das Ziel von Adaptive Case Management ist es, ein förderliches Umfeld für schwachstrukturierte, wissensintensive Prozesse und die Menschen, die sie ausführen – sogenannte Wissensarbeiter oder Knowledge Worker – zu schaffen.15
5.2.1 Wissensarbeit dominiert Den Begriff „Wissensarbeiter“ prägte Peter F. Drucker 1959. Er beschrieb damit Personen, die ihr Einkommen nicht durch körperliche Arbeit und ihre manuellen Fähigkeiten verdienen, sondern durch Anwendung ihres zuvor erworbenen Wissens: „An employee whose major contribution depends on employing his knowledge rather than his muscle power and coordination, frequently contrasted with production workers who employ muscle power and coordination to operate machines.“16 Auch wenn die strikte Trennlinie, die Drucker zwischen Wissensarbeit einerseits und manueller, körperlicher Arbeit andererseits gezogen hat, heute angesichts der Digitalisierung und Roboterisierung aller Arbeitsbereiche nicht mehr gilt, ist seine Definition zum Verständnis von Wissensarbeit hilfreich. – Wissensarbeit ist zielorientiert. Unter Umständen sind auch mehrere, gegebenenfalls sogar im Konflikt stehende Ziele möglich. – Wissensarbeit orientiert sich am „Was“ und nicht daran, „wie“ etwas getan wird. Wissensarbeiter wissen zwar, welche Schritte grundsätzlich zu einem bestimmten Ereignis gehören und zum angestrebten Ziel („Was“) führen. Oft ist vorab aber nicht bekannt, welche Schritte genau in welcher Reihenfolge durchzuführen sind. Wissensarbeiter entscheiden zustands-, kontext- und ereignisabhängig nach aktueller Datenlage über den weiteren Prozessverlauf. – Jeder Fall ist anders und einmalig in der detaillierten Umsetzung. In der Regel läuft ein bestimmter Prozess nie in exakt gleicher Art und Weise wiederholt ab.
15 Vgl. Swenson ; Palmer ; Ukelson ; Shepherd (2010). 16 Drucker (2011), S. 546.
5.2 Adaptive Case Management
– –
265
Wissensarbeit im betrieblichen Kontext ist häufig bestimmt von Kommunikation und Kollaboration mit anderen Beteiligten. Die einzelnen Schritte hin zum Ziel werden dokumentiert.17
Wissensarbeit in Bibliotheken und die Folgen für ihre Prozesse In Kapitel 2.3 wurden unterschiedliche Strukturierungsgrade von Prozessen dargestellt: von stark strukturierten Routineprozessen über teilstrukturierte Regelprozesse bis zu unstrukturierten ad-hoc-Prozessen. Wir haben gesehen, dass es in Bibliotheken zentrale Prozesse gibt, die sich dadurch kennenzeichen, dass jede Realisierung – also jeder einzelne Vorgang oder Fall – standardisiert, also nach immer dem gleichen Muster abläuft. Solche Prozesse haben ein definiertes Start-Ereignis, ein definiertes End-Ereignis. Dazwischen folgt der Prozess einem vordefinierten Pfad und ist oft stark technisch unterstützt. Bei diesen Prozessen (zum Beispiel „Mahnungen abwickeln“, oder „Bestellungen ausführen“) ist ein hohes Maß an Standardisierung und damit das Erzielen eines hohen Maßes an Effizienz, Verlässlichkeit und Routine das angestrebte Ziel. Für solche Prozesse eignet sich das klassische Prozessmanagement hervorragend. Daneben gibt es aber viele schwach strukturierte Prozesse in Bibliotheken. Zu diesen zählen oft die Regelprozesse, vor allem aber die ad-hoc-Prozesse. Hier ist eine vollständige Modellierung in der Regel nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Deutlich wird das an Bibliotheksprozessen wie dem Prozess „Komplexe Kundenbeschwerden bearbeiten“ oder „Auskunfts- und Beratungsfragen bearbeiten“, aber auch an strategischen Prozessen wie „Zielplanung erstellen“ oder „Budgetverhandlungen führen“. Das Ziel solcher Prozesse ist zu Beginn oft nicht exakt bestimmt oder bestimmbar, sondern wird im Verlauf ausgehandelt. Der Ausführungspfad ist daher nicht vordefiniert, sondern besteht aus bekannten und unbekannten Bausteinen, die in der jeweiligen Situation – im jeweiligen Fall – neu zusammengesetzt werden müssen. Der Fall entwickelt sich basierend auf Informationen, auf die die Mitarbeitenden zugreifen müssen, oder die teilweise erst im Ablauf selbst erzeugt werden. Mit diesen wird dann weitergearbeitet, und so kann sich der jeweilige Fall in eine unvorhergesehene Richtung entwickeln. Dennoch unterliegen auch schwach strukturierte Prozesse Regeln. Bestimmte Tätigkeiten sind zwingend abzuarbeiten, und manche Teile eines solchen Prozesses können sogar sehr exakt standardisiert und definiert sein. Zusammenfassend lassen sich die Prozesstypen so darstellen:
17 Vgl. Di Ciccio ; Marrella ; Russo (2015), S. 39–41.
266 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Abb. 5.5: Prozesstypen nach Strukturierungsgrad.
Reflexion Wenn Sie Ihre Prozesse Revue passieren lassen und sich Ihre Prozesslandkarte vergegenwärtigen: Welche Prozesse würden Sie welchem Strukturierungsgrad zuordnen? Ist das Gesamtergebnis für Sie stimmig und ausgewogen? Bedenken Sie, dass zu viele schwach strukturierte Prozesse zu Lasten der Effizienz gehen, dass aber zu viele stark strukturierte Prozesse die gesamte Organisation starr werden lassen. Wo liegt für Sie der angemessene – goldene – Mittelweg?
5.2.2 Adaptive Case Management als Lösungsansatz Der noch ganz neue Ansatz des Adaptive Case Management (ACM)18 setzt bei der Frage an, wie es gelingt, dem Fallcharakter dieser Prozesse gerecht zu werden. Das heißt: Wo eine Vorstrukturierung durch eine Prozessmodellierung nicht möglich ist, werden die Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter in die Lage versetzt, auf bereits bewährte Vorgehensweisen, grundsätzlich abzuarbeitende Prozessschritte, festgelegte Regeln, Checklisten und sonstige Wissensdokumente zurückzugreifen. Dort, wo sie neue Wissensartefakte (Dokumente, Notizen) erzeugen, werden diese für weitere Fälle dokumentiert. Zudem wird dokumentiert, wie im jeweiligen Fall vorgegangen wurde. Adaptive Case Management stellt damit in noch deutlich höhe-
18 Swenson ; Palmer ; Ukelson ; Shepherd (2010). Weitere Informationen finden sich hier: http:// masteringtheunpredictable.com/ (01.03.2018).
5.2 Adaptive Case Management
267
rem Maße als das klassische Prozessmanagement den Bezug zum Wissensmanagement her, da die Wissensbasis ständig gezielt erweitert und an die sich verändernde Realität angepasst wird. Wo in Teilprozessen jedoch eine Modellierung möglich ist, erfolgt diese auch. ACM und klassisches Prozessmanagement sind daher keine Alternativen und keine konkurrierenden Ansätze, sondern sie ergänzen sich. Sie greifen auf, dass die Arbeit in Bibliotheken in Prozessen mit unterschiedlichem Strukturierungsgrad stattfindet und dass daher skalierbares Handwerkszeug notwendig ist. Fallstudie Adaptive Case Management: Bibliothek der Dualen Hochschule Heidenheim Die Bibliothek der Dualen Hochschule (DHBW) Heidenheim hat 2014 begonnen, mit Adaptive Case Management zu arbeiten19. Martina Haller, die Bibliotheksleiterin schildert die Ausgangslage so: „Das Bibliothekssystem und das für Prozessmanagement sowie als Wissensplattform eingesetzte Wiki sind nur zur Unterstützung der Routineprozesse in der Bibliothek gut geeignet. Variable Vorgänge dagegen sind mit E-Mail, der Dateiablage auf Laufwerken und Office-Standardanwendungssoftware zu bearbeiten. Mit zunehmender Komplexität der Vorgänge, Zeitdauer und Anzahl beteiligter Personen sind diese Instrumente jedoch immer weniger geeignet, weil die Übersicht und die Verknüpfung der Informationen fehlen. Die große Anzahl der offenen Vorgänge verhindert durch ihre wahrgenommene Arbeitslast gleichzeitig ihre Dokumentation, weil diese zusätzlichen Arbeitsaufwand generiert […] Die Informationen zu den Vorgängen befinden sich unverknüpft auf Zetteln, in E-Mails, in Dateien auf verschiedenen Laufwerken, im Bibliothekssystem und auch im internen Wiki. So ist oft nicht nachvollziehbar, welche Vorgänge gerade offen sind, wer daran arbeitet und wie der Stand ist. […] Im Nachhinein kann das Vorgehen deshalb schlecht rekonstruiert werden. Dies ist problematisch, wenn ein mit einem abgeschlossenen Vorgang in Zusammenhang stehendes Problem gelöst werden soll. Zusätzlich sind keine beispielhaften Vorgehensweisen für ähnliche Vorgänge verfügbar.“20 Um hier Abhilfe zu schaffen, hat die Bibliothek die Einführung eines AdaptiveCase-Management-Systems mit den folgenden Zielen verknüpft, die aus der Schwachstellenanalyse abgeleitet wurden:
19 Die Entwicklung und Implementierung von ACM in der Bibliothek der DHBW Heidenheim erfolgte im Rahmen einer Masterthesis im Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement an der HdM Stuttgart. Die Thesis wurde mit dem B.I-T.-Online-Innovationspreis ausgezeichnet und erschien 2016 bei Dinges und Frick. 20 Haller (2016), S. 29–30.
268 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Auf strategischer Ebene wurde das Ziel verfolgt, die unstrukturierten Prozesse in der Bibliothek dokumentieren, nachhaltig optimieren und das zugehörige Wissen managen zu können. Auf der operativen Ebene werden die folgenden Ziele genannt: – Herstellung von Transparenz über Stand, Ablauf, Entscheidungsfindung, Ziele und Zielerreichung intern für das Bibliotheksteam und extern bei nicht standardisierbaren Prozessen zu jedem Zeitpunkt – Revisionssichere Ablage zugehöriger Informationen – Minimierung von Suchzeit nach Informationen, die zu nicht standardisierbaren Prozessen gehören – Unterstützung des Arbeitsablaufs – Erhaltung der Handlungsfreiheit, um flexibel auf spezielle Situationen reagieren zu können und den in diesem Fall besten und schnellsten Arbeitsablauf durchführen zu können bei gleichzeitiger Sicherstellung der Übereinstimmung mit Zielen und Organisationsregeln – Beschleunigung der Abarbeitung – Möglichkeit der Evaluation abgeschlossener Prozesse – Integration von Planung, Terminen, Wiedervorlagen und E-Mail21 Anforderungen an ein Adaptive-Case-Management-System Wie immer, wenn eine technische Problemlösung im Raum steht, lohnt es sich, einen Schritt zurückzutreten und grundsätzlich über die Anforderungen nachzudenken, die ein solches System erfüllen muss. Folgende Komponenten und Funktionalitäten sollten vorhanden sein, um wirksam die Schwachstellen zu bearbeiten und die Zielerreichung zu unterstützen:
21 Vgl. Haller (2016), S. S. 75.
5.2 Adaptive Case Management
269
Abb. 5.6: Funktionalitäten eines ACM-Systems.
Die Komponenten eines ACM-Systems22 stellen sicher, dass der Umgang mit schwach strukturierten Prozesse intelligent unterstützt wird. Tab. 5.3: Komponenten eines Adaptive Case-Management-Systems. Team
Adaptive Case Management entfaltet seine Wirkung in Teams, in denen cross-funktional an einem Fall zusammengearbeitet wird, um das Ziel zu erreichen.
Ziele und Rahmenbedingungen
Für den zu bearbeitenden Fall wird das zu erreichende Ziel definiert, ohne den Weg zur Zielerreichung vorzugeben oder vorgeben zu können. Die zu erledigenden Aufgaben entwickeln sich in der Fallbearbeitung und müssen flexibel angepasst werden. Sächliche, personelle und finanzielle Rahmenbedingungen, die vom Fall-Team bei der Bearbeitung beachtet werden müssen, sind transparent zu machen.
Case-Informationen
Alle für die Bearbeitung des Falls erforderlichen Informationen sind an einer zentralen Stelle zugreifbar. Informationen, die während der Fallarbeit entstehen, werden in die Case-Bibliothek aufgenommen, um diese weiterzuentwickeln.
22 Vgl. Polte (2014).
270 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Prozessanalyse
Prozessanalyse hat im Adaptive Case Management vor allem das Ziel, Muster in den Entscheidungen der Wissensarbeiter zu identifizieren. Diese Muster können dazu genutzt werden, unterstützende Templates zu entwickeln oder Teilprozesse zu identifizieren, die mit den Methoden des Prozessmanagements effizienter zu bearbeiten sind.
Dokumentenmanagement / Versionierung / Reporting / Datenaustausch
Das ACM-System ist die zentrale Plattform zur Bereitstellung für alle Informationen und Kommunikationsvorgänge. Diese dienen dem Reporting, sie können mit anderen Systemen ausgetauscht werden und müssen versionierbar sein.
Sicherheit / Einhaltung der Konformität
Zentrale Datenhaltung erfordert ein Datensicherheitskonzept, und unabhängig von großen Entscheidungsspielräumen der Case Worker müssen Konformitätsregeln beachtet werden (zum Beispiel Unterschrifts- oder Bewirtschaftungsbefugnisse).
Kommunikation / Social Mining / Wissensplattform
Der große Vorteil eines ACM-Systems liegt in der Unterstützung des Wissensmanagements einer Organisation. Der gemeinsame Zugriff auf Informationen, das Teilen und gemeinsame Erstellen von Informationen trägt wesentlich zum Entstehen einer lernenden Organisation bei.
Chancen des Adaptive Case Management Zusammenfassend lassen sich folgenden Chancen, des Adaptive Case Management, auf den Punkt bringen: Adaptive Case Management ist ein Werkzeug, das Wissensarbeiter in schwachstrukturierten Prozessen unterstützt, im Team fundierte Entscheidungen auf Basis von Informationen zu treffen, indem – pro Fall kontextbezogene Dokumente und Informationen bereitgestellt werden (Zugriffsmöglichkeit), – jede Aktivität die Informationsbasis verändert, die wiederum zur Weiterarbeit und Analyse verwendet werden kann (lernendes System), – fallbezogene Informationen die Auswahl möglicher Folgeaktivitäten steuern, – je nach Komplexität des Falls und der Erfahrung der Case Worker mehr oder weniger Hilfestellungen abrufbar sind, – sich die adaptiven Prozesse ständig an gewonnenen Erfahrungen der Case Worker anpassen. Klassisches Prozessmanagement und Adaptive Case Management sind also keineswegs Gegensätze oder sich ausschließende Konzepte. Vielmehr ergänzen sie sich sinnvoll. Betrachtet man die Prozesslandkarte einer Bibliothek, so werden sich bei den Managementprozessen viele Prozesse finden, die sich mit dem klassischen normativen Prozessmanagement nur schwer oder gar nicht abbilden lassen. Hingegen wird die Verteilung bei den stark auf Effizienz ausgerichteten Serviceprozessen
5.3 Agiles Prozessmanagement
271
gerade andersherum sein. Bei den Kernprozessen werden sich beide Varianten finden, oft sogar in Kombination. Tipp Für Bibliotheken, die sich noch nicht routiniert auf dem Feld des Prozessmanagements bewegen, ist es empfehlenswert, zum Einstieg die „Leitplanken“ und die Strukturen des klassischen Prozessmanagements zu nutzen und das Denken in Prozessen in der Organisation zu verankern. In einem zweiten Schritt können dann die oft komplexeren und komplizierteren schwach strukturierten Prozesse mit Unterstützung des ACM angegangen werden.
5.3 Agiles Prozessmanagement Mit Service Blueprint, Customer Journey und Adaptive Case Management haben wir Methoden und Denkansätze vorgestellt, die zeigen, dass Prozessmanagement kein starres, bürokratisches Korsett ist. Und nun soll Prozessmanagement auch noch agil werden? Agiles Management ist derzeit der Management-Hype schlechthin. Alles wird agil – warum also nicht auch das Prozessmanagement? Oder anders gefragt – wenn alles agil wird – brauchen wir dann überhaupt noch Prozessmanagement? Im folgenden Kapitel werden einige Grundzüge der agilen Prinzipien und Konzepte skizziert und der Frage nachgegangen, ob Prozessmanagement und „agil“ zusammenpasst und falls ja, dann wie?
5.3.1 Agiles Arbeiten – Grundzüge agiler Prinzipien und Konzepte Agile Prinzipien und Konzepte werden seit vielen Jahren vor allem in der Softwareentwicklung eingesetzt, um Ergebnisse in einem dynamischen Umfeld schneller, kundenorientierter und besser liefern zu können. Ihre Ursprünge reichen bis in die 1950er Jahre zurück, als der amerikanische Soziologe Talcott Parsons mit dem AGILSchema23 ein systemtheoretisches Modell entwickelt und vier Funktionen identifiziert hat, die jedes System erfüllen muss, um seine Existenz zu erhalten:
23 Vgl. Parsons (1991).
272 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Tab. 5.4: AGIL-Schema nach Parsons. Adaptation
die Fähigkeit, auf die sich verändernden äußeren Bedingungen zu reagieren
Goal Attainment Integration
die Fähigkeit, Ziele zu definieren und zu verfolgen die Fähigkeit, Kohäsion (Zusammenhalt) und Inklusion (Einschluss) herzustellen und abzusichern
Latency
die Fähigkeit, grundlegende Strukturen und Wertmuster aufrechtzuerhalten
In den 1990er Jahren wurde das Konzept des „Agile Manufacturing“ entwickelt. Es hatte das Ziel, Produktionsprozesse zu beschleunigen, indem multifunktionale Teams Komplettarbeit leisten und ihre Prozesse selbständig und eigenverantwortlich durch ständige Optimierung verbessern. Der Aufstieg von Agilität zum aktuellen Management-Hype erfolgte 2001 durch die Veröffentlichung des „Manifesto für Agile Software Development“24. Der Grundgedanke der IT-Entwickler war, dass nur wenn alle Beteiligten (Entwickler, Kunden, Lieferanten) gemeinsam an einem Strang ziehen, es gelingen kann unter den Bedingungen höchster Komplexität, echten Nutzen zu stiften. Sie formulierten vier Leitsätze, die den Kern des Agilen Manifests bilden:
Abb. 5.7: Leitsätze des Agilen Manifests.
Zwölf Prinzipien, die hinter dem Agilen Manifest stehen, prägen das agile Denken: 1. Kundenzufriedenheit hat stets oberste Priorität. Diese wird durch eine schnelle und fortwährende Auslieferung erreicht. 2. Sich verändernde Rahmenbedingungen werden in jeder Stufe des Entwicklungsprozesses mit einbezogen, um den Kunden mit einem Wettbewerbsvorteil auszustatten. 3. Ein Produkt oder Service wird mit höherer Frequenz ausgeliefert. 4. Stakeholder und Entwickler arbeiten auf täglicher Basis eng zusammen.
24 Vgl. Beck ; Sutherland ; Schwaber ; Thomas ; Fowler ; Beedle (2001).
5.3 Agiles Prozessmanagement
273
5.
Alle Stakeholder und Teammitglieder bleiben stets motiviert, um optimale Projektergebnisse zu gewährleisten. Die Teams werden mit allen notwendigen Tools unterstützt. Darüber hinaus genießen sie das Vertrauen, dass die Projektziele erreicht werden. 6. Face-to-Face-Meetings sind die effizienteste und effektivste Form, um den Projekterfolg sicherzustellen. 7. Ein fertiges, funktionierendes Produkt ist das ultimative Messinstrument für Erfolg. 8. Eine nachhaltige Entwicklung wird durch agile Prozesse gewährleistet, wodurch die Entwicklungsteams und Stakeholder dazu befähigt werden, ein konstantes Tempo zu halten. 9. Die Agilität wird durch einen fortlaufenden Fokus auf technische Exzellenz und angemessenes Design gesteigert. 10. Simplizität ist ein wesentliches Element. 11. Sich selbst organisierende Teams entwickeln mit hoher Wahrscheinlichkeit die besten Architekturen und Designs und werden den Anforderungen am ehesten gerecht. 12. Die Teams überprüfen ihre Arbeit in regelmäßigen Intervallen und verbessern die Effizienz durch Feintuning.25 Zieht man die eindeutig IT-bezogenen Aussagen in den Prinzipien ab oder transferiert diese, dann bleiben die Botschaften, die sich auch auf andere Branchen und andere Anwendungsbereiche übertragen lassen. So verwundert es nicht, dass agile Konzepte zunehmend auch im öffentlichen Sektor und in Bibliotheken26 Widerhall finden. Dabei spielen sie dort keineswegs nur in IT-Projekten eine Rolle, sondern zunehmend auch in Projekten zur Organisationsentwicklung. Für dieses Umfeld ist es sinnvoll, den Fokus und das Wording der Prinzipien zu erweitern und anzupassen. Die Formulierung des Forums Agile Verwaltung (2016) eignet sich dafür: – „Nimm das Ganze in den Blick, – bilde cross-funktionale Teams, – experimentiere mit überschaubaren Änderungen und Teilergebnissen, – beziehe die Anspruchsberechtigten ein, – verschaffe dir regelmäßiges Feedback von innen und außen, – mache so dein System immer angemessener.“27
25 Vgl. Beck ; Sutherland ; Schwaber ; Thomas ; Fowler ; Beedle (2001); Maier (2017). 26 Vgl. Vonhof (2018a). 27 Forum Agile Verwaltung (o. J.).
274 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Mit Blick auf diese Prinzipien: Was ist denn nun agiles Arbeiten? Anhand einiger Kernbegriffe, die sich in der Literatur immer wieder finden, kann man sich einer Definition annähern, denn eine feststehende Definition gibt es derzeit (noch) nicht. Diese Begriffe sind Geschwindigkeit, Anpassungsfähigkeit, Kundenzentriertheit und agile Haltung. Das klingt vernünftig und unstrittig, legt aber nahe, mit „das machen wir doch bereits so“ zu reagieren. In aller erster Linie ist agiles Arbeiten jedoch eine Haltung, eine Denk- und Handlungslogik und erfordert verändertes Verhalten der Mitarbeitenden und der Führungskräfte. So ist Selbstorganisation der zentrale Aspekt agilen Arbeitens. Von Seiten der Führungskräfte heißt das, Selbstorganisation (zum Beispiel von Prozessteams) zuzulassen, und von Seiten der Mitarbeitenden heißt es, Selbstorganisation anzunehmen und zu übernehmen. Ein weiterer Aspekt ist, auf detaillierte Planungen zu verzichten. Stattdessen arbeitet man mit einem gemeinsamen längerfristigen und übergreifenden Zielverständnis, um in diesem Rahmen schnelle Entscheidungen treffen und mit Lösungsideen experimentieren zu können. Diese werden regelmäßig und frühzeitig mit denen, für die die Lösungen entwickelt wurden (nämlich den Kunden), abgestimmt. Rituale und Kreisläufe zielen auf eine getaktete beziehungsweise rhythmisierte Arbeitsweise in kurzen Iterationsschleifen. In diese wird laufendes Feedback eingebaut, das allen Beteiligten hilft, im laufenden Prozess zu reagieren und Fehler sofort zu korrigieren. Die wohl bekannteste agile Methode, mit der agile Organisationen arbeiten, ist „Scrum“. Scrum als agile Methode Bei Scrum wird jedes Projekt von einem Umsetzungsteam bearbeitet. Dieses Team entwickelt gemeinsam mit Kundenvertretern die Anforderungen, die ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein Prozess erfüllen soll. Dabei ist klar, dass zu Beginn eines Projektes viele Anforderungen noch nicht ganz klar sein können. Sie werden deshalb im Laufe der Projektarbeit gemeinsam mit dem Kunden immer passgenauer ausgearbeitet. Dies anzuerkennen und zum Ausgangspunkt für die Arbeit für und mit dem Kunden zu machen, ist der entscheidende Schalter, der beim agilen Arbeiten in den Köpfen umgelegt werden muss. Wir sind sehr gewohnt daran, zu Beginn eines Projektes von vermeintlich klaren und fixierten Projektaufträgen auszugehen und zu erwarten, dass Auftraggeber in der Lage sind, diese zu formulieren. Die Praxis zeigt jedoch, dass das nicht der Fall ist: – „Der Auftraggeber entdeckt erst im Projektverlauf genauer, was er wirklich benötigt – denn er versteht den Weg und die Zusammenhänge im Zeitverlauf zunehmend besser, die Ziele klären sich zunehmend. – Der Realisierer entdeckt erst Schritt für Schritt, welche Optionen es gibt, um das Problem zu lösen – denn er lernt mit jedem Schritt mehr und kann die Umstände immer besser einschätzen.
5.3 Agiles Prozessmanagement
–
275
Vieles ändert sich im Projektverlauf – denn die Welt dreht sich außerhalb des Projektes unbeirrt weiter.“28
Das Team organisiert sich in festen Zeitintervallen, „Sprints“ genannt. Das spart Koordinationsaufwand, und der feste Arbeitsrhythmus erzeugt Dynamik. In den regelmäßigen, sehr kurzen Sprint-Meetings plant das Team selbstverantwortlich und selbstorganisiert die nächsten Schritte und tauscht den Stand der Arbeit aus. Nach jedem Sprint sollen – wo immer möglich und sinnvoll – in sich abgeschlossene und bereits nutzbare Zwischenergebnisse abgeliefert werden, die mit den Kunden rückgekoppelt werden können. Neben Scrum werden beim agilen Arbeiten eine Reihe weiterer Methoden eingesetzt, um die Zusammenarbeit in den Teams zu unterstützen und die doch ganz andere Arbeitshaltung zu verankern und zu entwickeln.29
5.3.2 Agiles Arbeiten als Allheilmittel? Ist nun agiles Arbeiten das Mittel der Wahl oder gar ein Allheilmittel? Die Antwort ist: Es kommt darauf an. Es kommt nämlich darauf an, sich die Aufgaben anzusehen, die zu bewältigen sind, und dann fallbezogen und differenziert zu entscheiden, welche Arbeitsweisen die besten Ergebnisse versprechen. Als hilfreiches Tool können Sie dazu die „Stacey-Matrix“ einsetzen.
28 Lévesque ; Vonhof (2018). 29 Agiles Arbeiten nutzt ein umfangreiches Methodenrepertoire, das hier mit Blick auf die Anwendung im öffentlichen Sektor vorgestellt wird: Bartonitz ; Lévesque ; Michl ; Steinbrecher ; Vonhof (2018).
276 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Abb. 5.8: Agreement-Certainty-Matrix nach Stacey.
Die Matrix spannt das Handeln in einer Organisation auf zwischen den Achsen „Klarheit von Anforderungen“, denen begegnet werden soll und „Sicherheit der Lösung“, die dafür gefunden werden kann. Man könnte die Achsen auch mit „was“ soll getan werden und „wie“ soll es getan werden beschriften. Stacey30 bezieht „Sicherheit der Lösungen“ beziehungsweise das „Wie“ vorrangig auf Technologie, es lässt sich aber durchaus auch auf andere Lösungsräume übertragen. Tab. 5.5: Stufen der Agreement-Certainty-Matrix nach Stacey. Stufe 1: Einfach
Ziel und Anforderungen sowie der Weg zur Lösung sind klar: Dann ist der StaceyMatrix zufolge das Handeln „einfach“. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Bibliothek schon Routine im Lösen entsprechender Aufgaben hat. In diesem Fall ist folgendes Handeln angesagt: Anschauen, einordnen, standardisiert agieren.
Stufe 2: Kompliziert
Ziele und Anforderungen oder der Lösungsweg sind unklar, aber grundsätzlich verstehbar. Nun wird es „kompliziert“ und es empfiehlt sich das Vorgehen: Anschauen, analysieren, reagieren.
Stufe 3: Komplex
Ziele und Anforderungen sowie der Lösungsweg sind unklar und ergebnisoffen, Unerwartetes bestimmt die Entwicklung. Hier handelt es sich um eine „komplexe“ Handlungs- und Entscheidungssituation, zum Beispiel, wenn es um die Entwicklung neuer Services geht und die Bibliothek damit noch keinerlei Erfahrungen hat. Es empfiehlt sich ein iteratives Vorgehen: Probieren, anschauen, reagieren, erneut probieren, anschauen, reagieren.
30
Vgl. Stacey ; Mowles (2015); Zimmerman (2001).
5.3 Agiles Prozessmanagement
Stufe 4: Chaotisch
277
Ziele und Anforderungen sowie auch der Weg sind völlig nebulös, geprägt durch hohe Dynamik, viele Beziehungen und keine erkennbare Ursache-Wirkung-Beziehung. Es lassen sich also keine Muster bilden. Hier spricht das Modell von einer „chaotischen“ Handlungs- und Entscheidungsfindung. Dies könnte zum Beispiel dann eintreten, wenn Zukunftsthemen bearbeitet werden sollen, die noch kaum einzuschätzen sind: – Wie entwickelt sich in den kommenden zehn Jahren der Medienmarkt oder die Rechtslage? – Welche Problemlösungen sind dann möglich? – Welche Anforderungen stellen dann unsere Kunden? In solchen Fällen ist vorübergehend nur ein „Steuern auf Sicht“ und das Starten von Versuchsballons möglich. Es gilt so lange zu agieren und zu reagieren, bis man eine Klarheit gewonnen hat und aus der chaotischen Entscheidungssituation zunächst eine komplexe und dann eventuell eine komplizierte wird.
Die Einordnung von Projekten und Prozessen in die Stufen der Stacey-Matrix hilft dabei einzuschätzen, welche Vorgehensweise zielführend und angemessen ist. Ist die Entscheidungssituation „einfach“ oder „kompliziert“, sind standardisierte Prozesse das Mittel der Wahl. Haben wir es hingegen mit „komplexen“ oder gar „chaotischen“ Situationen zu tun, für die Prozesse entwickelt werden müssen, so eignen sich agile Methoden besser.
5.3.3 Agiles Prozessmanagement Welche Ideen zur Gestaltung des Prozessmanagements lassen sich nun aus den agilen Prinzipien und agilen Arbeitsweisen ziehen, um die Arbeit im Prozessmanagement in komplexen Kontexten fit zu machen? Tab. 5.6: Ansätze für Agiles Prozessmanagement. Agile Prinzipien
Beispielhafte Ansätze für Agiles Prozessmanagement
Nimm das Ganze in den Blick
– Eine Prozesslandkarte ermöglicht einen Gesamtblick auf die wichtigen und strategisch relevanten Prozesse. – Die Trennung in stark und schwach strukturierte Prozesse ermöglicht es, differenziert vorzugehen und die angemessenen Modellierungstiefe für stark oder schwach strukturierte Prozesse zu wählen.
278 Prozessmanagement – Innovative Ansätze
Agile Prinzipien Bilde cross-funktionale Teams
Beispielhafte Ansätze für Agiles Prozessmanagement – Prozessteams, die ganzheitliche end-to-end-Prozesse bearbeiten, bringen entweder automatisch unterschiedliche Sichtweisen und Kompetenzen ein, oder sie sollten gezielt cross-funktional zusammengesetzt werden. – Der Austausch zwischen Mitarbeitern oberhalb und unterhalb der „Sichtbarkeitslinie“ stellt den Austausch von Außen- und Innenperspektive sicher. – Cross-funktionale Teams sind zugleich selbstorganisierende Teams. Sie erhalten weitgehende Entscheidungsverantwortung, um schnell und adaptiv agieren zu können.
Experimentiere mit überschaubaren Änderungen und Teilergebnissen
– Bei der Prozessmodellierung müssen nicht alle Details dokumentiert werden. Gute und schnelle Prozessergebnisse stehen im Mittelpunkt. – Erste Prozessentwürfe (Soll-Prozesse) werden frühzeitig für eine Pilotierung genutzt, um kurzfristig Rückmeldungen von internen und externen Prozesskunden zu erhalten. – Gewonnene Erfahrungen werden ausgewertet und für die nächste Verbesserungsschleife genutzt. – Die Steuerung von Verbesserungs- und Umsetzungsmaßnahmen wird mit Kanban-Boards oder Scrum-Boards nachgehalten und visualisiert.
Beziehe die Anspruchsberechtigten ein – Kundenanforderungen stehen im Mittelpunkt der SollProzess-Entwicklung und bestimmen maßgeblich das Prozessdesign. – Service Blueprinting und Customer Journeys, aber auch Design Thinking sind geeignete Instrumente, um Prozesse aus Kundensicht zu entwickeln. Verschaffe dir regelmäßiges Feedback – Störungen und Feedback werden vom Prozessteam strukvon innen und außen turiert erhoben, ausgewertet und fließen in die Verbesserungen ein. – Die Arbeit in definierten, kurzen Zeittakten (Sprints) ermöglicht und erzwingt Zwischenergebnisse, zu denen Feedback eingeholt werden kann. Mache so dein System immer – Prozessmanagement ist ein lernendes und lebendiges angemessener System, das durch seine Vernetzung und seinen Einfluss auf andere Managementinstrumente (Wissensmanagement, Qualitätsmanagement) eine große Hebelwirkung entfalten kann.
5.3 Agiles Prozessmanagement
279
Die skizzierten Ansätze zeigen, dass Agiles Prozessmanagement zwei Standbeine hat: Das erste Standbein sind „agile Prozesse“. Hier sei nochmals daran erinnert, dass der unterschiedliche Strukturierungsgrad von Prozessen auch unterschiedlichen Umgang mit den Prozessmanagementmethoden erfordert. Sie sollten also gründlich prüfen, für welche Prozesse eine detaillierte Erhebung und Dokumentation erforderlich und nützlich ist, und für welche Prozesse grobe Prozessbeschreibungen genügen oder Ansätze wie Adaptive Case Management angezeigt sind. Das zweite Standbein ist „agiles Managen“. Hier kommen Methoden zum Tragen, die einerseits die Kundenanforderungen in die Prozessarbeit einbringen und andererseits das Projektmanagement der Prozessarbeit mit agilen Methoden unterstützen. Hierzu gehören Methoden wie Scrum oder Kanban.
Prozessmanagement – Prozesskultur
6 Prozessmanagement – Prozesskultur Zu Beginn des Buches haben wir Motive benannt, die Bibliotheken dazu führen, sich mit Prozessmanagement zu beschäftigen. Die Stichworte waren Wissensmanagement, Organisationsentwicklung und Qualitätsmanagement. Alle drei Konzepte zeichnen eher das „Big Picture“ einer Organisation als sich in der Kleinteiligkeit zu verlieren, die Prozessmanagement durchaus auch innewohnt. Die Herausforderung bei der Arbeit mit Prozessmanagement ist es daher immer wieder, den Spagat zwischen Prozessmanagement als Organisationsphilosophie und Prozessmanagement als einer operativen Technik zu gestalten. Es ist keine Frage, eine Bibliothek braucht beides: die Beherrschung von Prozessmanagementmethoden und -instrumenten, aber auch eine umfassende Prozessmanagementkompetenz. Prozessmanagementmethoden haben wir Ihnen vor allem in Kapitel 3 vorgestellt. Sie haben gesehen, wie Prozessdokumentation, Prozessanalyse, Prozessoptimierung und die Implementierung von Soll-Prozessen funktionieren kann und welche konkreten Tools und Vorgehensweisen wir Ihnen dazu empfehlen. Prozessmanagementkompetenz beschreibt die Fähigkeit zur systematischen Gestaltung, Steuerung, Überwachung und Weiterentwicklung aller Ihrer Prozesse. Sie stellt sicher, dass Prozessmanagement kein geschlossenes System bleibt, sondern, dass es als Impulsgeber und Bindeglied zu anderen Managementfeldern seine Wirkung entfaltet. Wir haben Ihnen daher im Kapitel 4 weitere für die Bibliothekspraxis wichtige Anwendungsbereiche wie Personalbedarfsermittlung oder Dokumentenmanagement vorgestellt, die ohne Prozessmanagement nicht denkbar wären. Die innovativen Ansätze in Kapitel 5 zeigen, wie mit Prozessmanagement auf neue Herausforderungen reagiert werden kann. Dabei kann die konsequente Einbeziehung von Kundinnen und Kunden in die Entwicklung von Produkten und Services im Fokus stehen. Das Ziel kann aber auch sein, Antworten zu finden auf die Frage, wie wir uns in einer immer weniger planbaren und im Voraus strukturierbaren Umwelt bewegen sollten und darauf, wie wir Arbeitsformen finden können, die diesen Rahmenbedingungen angepasst sind. Auch hier bietet Prozessmanagement Handlungsansätze. Prozessmanagementkompetenz ist aber keineswegs nur ein strategisches Handlungsfeld und ein Verantwortungsbereich der Führungskräfte. Die Kompetenz zur systematischen Gestaltung und Weiterentwicklung von Prozessen erfordert und ermöglicht neues Denken auch bei den Mitarbeitenden. Prozessmanagementkompetenz heißt hier: Sie haben einen kritischen Blick auf „ihre“ Prozesse, übernehmen Verantwortung für sie und initiieren Verbesserungen. Sie warten nicht auf Anweisung „von oben“, sondern handeln in Ihrer Rolle als Mitglied eines Prozessteams oder als Prozessverantwortliche. Genügen diese beiden Bausteine oder braucht man am Ende gar eine Prozesskultur? Die Prozessreifegradmodelle (vgl. Kapitel 3.6) beantworten diese Frage mit https://doi.org/10.1515/9783110499599-006
284 Prozessmanagement – Prozesskultur
einem klaren JA. Die höchste Umsetzungsstufe des EDEN-Modells fordert: „Die Prozesskultur ist ein durchgängiges Prinzip der Organisation. Die Führungskräfte und Beschäftigten denken in Prozessen und wissen um die Bedeutung von Prozessmanagement.“1 Wie könnte eine Prozesskultur aussehen? Wie könnte sie entwickelt werden? Und: Was würde es einer Bibliothek nutzen, eine Prozesskultur zu haben? Um sich der Frage zu nähern, wie eine Prozesskultur aussehen könnte, welche Merkmale und Bausteine sie haben kann, greifen wir zurück auf das Kulturmodell von Edgar H. Schein2, der drei Kulturebenen in Organisationen unterscheidet: Artefakte und Symbole, öffentlich propagierte Werte und unausgesprochene gemeinsame Grundannahmen. – Artefakte und Symbole sind Handlungsmuster und Dinge, die wahrnehmbar und sichtbar sind. In unserem Fall gehören Ergebnisse der Prozessarbeit wie eine Prozesslandkarte oder Kennzahlen- oder ein Prozesssteckbrief dazu. – Öffentlich propagierte Werte legen fest, was als richtig und was als falsch angesehen wird. Sie bestimmen die Einstellungen und das Verhalten von Mitarbeitern. In unserem Fall können sich Werte beispielsweise ausdrücken in der Art, wie an Schnittstellen zusammengearbeitet wird. – Unausgesprochene gemeinsame Grundannahmen prägen als Orientierungsund Verhaltensmuster das Handeln der Mitarbeiter. Dieses Fundament kann als eine Art „Weltanschauung“ verstanden werden, die nicht mehr in Frage gestellt wird, sondern als gegeben angenommen wird. In unserem Fall könnte eine Grundannahme sein, dass die Qualität von Prozessen immer aus Kundensicht bewertet wird. Tab. 6.1: Ebenen der Prozesskultur. Kulturebenen nach Schein
Beispielhafte Ausprägung im Prozessmanagement
Artefakte / Symbole
– Schriftlich dokumentierte Prozesslandkarte – Prozessdokumentation (Prozesssteckbriefe, Flowcharts) – Prozesskennzahlen sind eingeführt und in Kennzahlensteckbriefe dokumentiert – Jeder Mitarbeiter kann den Kunden seiner Arbeit benennen – Jedem sind die vor- und nachgelagerten Aktivitäten bekannt – Jeder kennt Aktivitäten zur Prozessverbesserung – Prozessverantwortliche, Prozessteams existieren
1 BPM Maturity Model eden e.V. (2009), S. 8. 2 Vgl. Schein (2010), S. 34–35.
6.1 Prozesskultur ist prägend
285
Kulturebenen nach Schein Öffentlich propagierte Werte
Beispielhafte Ausprägung im Prozessmanagement – Wir denken in funktionsübergreifenden Prozessen. – Wir handeln verantwortlich und selbstorganisiert auf der fachlichen Ebene. – Wir zeigen ein hohes Maß an Eigeninitiative und Selbstorganisation. – Wir sind lern- und veränderungsbereit. – Wir sind fähig zur Kooperation mit Kunden und Lieferanten. – Wir sind uns bewusst, dass Kundenservice und Kundenorientierung unsere Existenz sichert.
Unausgesprochene gemeinsame Annahmen (Grundannahmen)
– Prozesse, basierend auf Kundenanforderungen, stehen im Mittelpunkt des Denkens. – Unser Erfolg hat seinen Ursprung in sehr gut funktionierenden Prozessen. – Mit kleinteiligen, siloartigen Organisationsstrukturen und Abteilungsdenken ist keine Zukunftsentwicklung möglich. – Unsere Kunden interessieren sich nicht für unsere internen Abläufe, sondern ob sie das richtige Produkt zur richtigen Zeit bekommen. – Vor und nach mir gibt es jemand, der von meiner Servicequalität abhängt.
6.1 Prozesskultur ist prägend Würden nun diese genannten Werte und Grundannahmen die Arbeit in einer Bibliothek prägen, so könnten wir davon sprechen, dass eine Prozesskultur vorhanden ist und diese die gesamte Organisationskultur prägt. Wir hätten dann eine reife Prozesskultur vor uns. Die Effekte ließen sich in diesem Fall idealtypisch so beschreiben: Kundenorientierung und Ergebnisorientierung – Jede Mitarbeiterin ist sich bewusst, dass sie Kunden hat (interne oder externe), kennt diese und arbeitet effizient, um die Kunden zufriedenzustellen. – Sie kennt die vor- und nachgelagerten Prozesse und hat im Blick, wer letztendlich der Kunde ist. Offenheit für eine Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen – Mitarbeitende, Teams und Abteilungen schotten sich nicht ab, sondern bemühen sich um Transparenz in den Abläufen und geben Informationen proaktiv weiter.
286 Prozessmanagement – Prozesskultur
Prozessziele – Prozessziele werden gemeinsam und unter Berücksichtigung der Kundeninteressen ausgehandelt, vereinbart, überprüft und weiterentwickelt. – Eigeninteressen oder Interessen des eigenen Verantwortungsbereichs werden hinter übergeordnete Prozessziele zurückgestellt. Agiles Arbeiten – Taktung und Rhythmus in der Zusammenarbeit werden genutzt, um die gemeinsame Zielerreichung zu fördern. – Aufgaben werden präzise in Teilaufgaben zerlegt und diese dann in eine abgestimmte Abfolge gebracht. Diese Aufteilung ist visualisiert und für alle einfach zugänglich. Fehlerkultur – Die laufende kritische Betrachtung der Prozesse gehört zum Arbeitsalltag. Fehlern wird auf den Grund gegangen, auch wenn dies über den eigenen Verantwortungsbereich hinausführt. Ziel ist es, den Prozess so gut wie möglich zu gestalten, damit er für die Kunden gute Ergebnisse liefern kann.
6.2 Prozesskultur in Teilbereichen In Bibliotheken lässt sich jedoch auch die Situation finden, dass Prozesskultur nur in Teilbereichen verankert ist. Das bedeutet: Hier lassen sich die Werte und Grundannahmen nur in diesen Teilbereichen als gelebte Kulturelemente finden. Ein Teilbereich kann eine Abteilung sein, deren Leitung vom Prozessmanagement „infiziert“ ist oder eine Pilotabteilung, die Prozessmanagement für sich entdeckt hat, weil sie zum Beispiel ohne zusätzliche Personalkapazitäten neue Services einführen wollte. Es kann aber auch ein Standort sein (Zweigstelle, Institutsbibliothek), in dem Mitarbeitende die Initiative ergriffen haben, um durch Prozessmanagement unklare Arbeitsabläufe zu dokumentieren und zu verbessern. Durch die noch weitgehend fehlende Vernetzung können diese Prozessmanagement-Inseln in der Bibliothek nicht ihre volle Schlagkraft entfalten. Die oben genannten Effekte werden nur teilweise zu erreichen sein.
6.3 Prozesskultur als sporadische Einsprengsel in der Organisationskultur Bei diesem Entwicklungsstand der Organisationskultur sind die Werte und Grundannahmen der Bibliothek nicht vom Prozessmanagement geprägt. Einzelne Artefakte lassen sich finden, weil hin und wieder ad hoc der eine oder andere Prozess be-
6.4 Nutzen der Entwicklung einer Prozesskultur
287
trachtet wird, wenn es dort „brennt“. Die oben skizzierten Effekte können hier nicht eintreten. Die Verzahnung von Prozessmanagement mit anderen Managementinstrumenten findet nicht statt.
6.4 Nutzen der Entwicklung einer Prozesskultur „Prozesskultur taugt nicht als kurzfristiger Rettungsanker, denn die Umsetzungsdauer ist mit vier bis sieben Jahren schlicht zu hoch.“3 Dennoch ist es lohnend, sich auf den Weg zu machen, eine Prozesskultur zu entwickeln. Längerfristig trägt sie dazu bei, den Aufwand für das Prozessmanagement in Grenzen zu halten oder zu reduzieren. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einige seien genannt: – Dadurch, dass es ein gemeinsames Verständnis von Prozessmanagement und seiner Relevanz gibt, verringert sich der Kontrollaufwand. Formale Regelungen müssen nicht mehr ständig überprüft werden oder können ganz entfallen. – Prozessoptimierung und Prozessverbesserungen müssen nicht mehr durch Terminierung und Überwachung angestoßen oder angewiesen werden, sondern werden vom Prozessteam selbstständig, selbstorganisiert und effizient vorgenommen. – Der Schulungsaufwand geht zurück, weil erfahrene Mitarbeiter die Methoden, Werte und Grundannahmen ganz selbstverständlich an neue Mitarbeiter weitergeben. – Der Aufwand und die Fehler bei der Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und in Vertretungsfällen gehen zurück, weil auf gut und klar dokumentierte Prozessbeschreibungen zurückgegriffen werden kann. – Suchen und Ablegen von Dokumenten aller Art beschleunigt sich durch die intuitiv verständliche prozessorientierte Ablagestruktur erheblich. Nun wäre es zweifelsohne wünschenswert, eine solche Prozesskultur mit diesen positiven Effekten in der eigenen Bibliothek vorzufinden. Es wäre aber vermessen zu glauben, mit ein paar Schulungstagen zur Methode des Prozessmanagements, zu der Mitarbeiter geschickt werden oder an denen im besten Fall die Leitung selbst teilnimmt, wäre es getan. Dies ist ein erster guter Schritt. Wenn das Potenzial aber tatsächlich genutzt werden soll, dann muss Prozessmanagement in der Organisationskultur verankert werden. Dies ist ein komplexer Veränderungsprozess zur Kulturentwicklung.
3 Baisch (2010), S. 298.
288 Prozessmanagement – Prozesskultur
Abb. 6.1: Vernetzte Prozesskultur.
Wir haben das Titelbild dieses Buches mit Bedacht gewählt. Wir wollten das Netz und die vielfältigen Verknüpfungen zeigen, die Prozessmanagement ermöglicht und die Prozessmanagement benötigt. In diesem Netzwerk wird Prozessmanagement nicht nur zu einem kulturprägenden Managementinstrument werden, sondern zu einer tragenden Philosophie Ihrer Bibliothek.
Anhang
Literaturverzeichnis Abelson, Robert P. (1976): Script processing in attitude formation and decision making, in: Cognition and social behavior, Oxford: Lawrence Erlbaum, S. xiii, 290. Allweyer, Thomas (2005): Geschäftsprozessmanagement: Strategie, Entwurf, Implementierung, Controlling, Herdecke, Bochum: W3L-Verl. Altvater, Lothar (2016): Bundespersonalvertretungsgesetz : mit Wahlordnung und ergänzenden Vorschriften sowie vergleichenden Anmerkungen zu den Landespersonalvertretungsgesetzen (Kommentar für die Praxis), 9., überarbeitete und aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main: Bund Verlag. Baisch, Friedemann (2010): Prozesskultur : wie Unternehmen Prozessmanagement nachhaltig verankern können, in: zfo – Zeitschrift für Führung und Organisation. – Stuttgart : SchäfferPoeschel, ISSN 0722-7485, ZDB-ID 625619-3. – Vol. 79.2010, 5, p. 291–299 79 (5). Bartonitz, Martin; Lévesque, Veronika; Michl, Martin; Steinbrecher, Wolf; Vonhof, Cornelia (Hrsg.) (2018): Agile Verwaltung: Konzepte, Methoden, Praxisbeispiele, Heidelberg: Springer. Bauknecht, Cornelius (2011): Prozessmanagement in Bibliotheken: Methoden und Werkzeuge für die Praxis, Stuttgart: Hochschule der Medien. Beck, Kent; Sutherland, Jeff; Schwaber, Ken; Thomas, Dave; Fowler, Martin; Beedle, Mike (2001): Manifest für Agile Softwareentwicklung, http://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html, Zugriff: 03.03.2018. Becker, Jörg; Algermissen, Lars; Falk, Thorsten (2007): Prozessorientierte Verwaltungsmodernisierung: Prozessmanagement im Zeitalter von E-Government und New Public Management, 1, Berlin: Springer. Binner, Hartmut F. (2010): Pragmatisches Changemanagement – Umsetzung über das MITO-Modell (Leistung und Lohn Nr. 489/493), Bergisch Gladbach: Heider. Binner, Hartmut F.; Schnägelberger, Sven (2015): Prozessmanagement-Tools : Übersicht über das Software-Angebot im Business Process Management, in: Zeitschrift Führung Organisation : ZfO, Reihe Zeitschrift Führung Organisation : ZfO. – Stuttgart : Schäffer-Poeschel, ISSN 07227485, ZDB-ID 625619-3. – Vol. 84.2015, 2, p. 137–141. BPM Maturity Model eden e.V. (o. J.): Was ist eden, http://www.bpm-maturitymodel.com/eden/ opencms/de/was_ist_eden/, Zugriff: 09.03.2018. BPM Maturity Model eden e.V.; EDEN e.V. (Hrsg.) (2009): White Paper: EDEN – Reifegradmodell Prozessorientierung in Unternehmen, http://www.bpm-maturitymodel.com/eden/export/ sites/default/de/Downloads/BPM_Maturity_Model_EDEN_White_Paper.pdf. Zugriff: 09.03.2018. BPM&O GmbH (o. J.): BPM Expo, https://bpm-expo.com/, Zugriff: 10.03.2018. Bundesministerium des Inneren (2017): Handbuch für Organisationsuntersuchungen und Personalbedarfsermittlung, Stand: August 2017, Berlin: Bundesministerium des Innern. Bundesministerium des Innern (Hrsg.) (2011): Regierungsprogramm Vernetzte und transparente Verwaltung – Projekt Prozessmanagement – Reifegradanalyse, Berlin, https://www.verwaltung-innovativ.de/SharedDocs/Publikationen/Regierungsprogramm/reifegradanalyse_ prozessmanagement.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Zugriff: 10.03.2018. Bundesministerium des Innern; Bundesverwaltungsamt (Hrsg.) (2015): Handbuch für Organisationsuntersuchungen und Personalbedarfsermittlung: Berlin, Köln, https://www.orghandbuch. de/OHB/DE/node.html. Zugriff: 10.03.2018. Bundesverwaltungsamt (Hrsg.) (2013): Deutsches CAF-Zentrum, Common Assessment Framework – Verbesserung öffentlicher Organisationen durch Selbstbewertung, Köln, https://www.verhttps://doi.org/10.1515/9783110499599-007
292 Literaturverzeichnis
waltung-innovativ.de/SharedDocs/ExterneLinks/DE/Download/CAF_Brosch%C3%BCre_2013. html, Zugriff: 24.05.2018 Bundesverwaltungsamt, IT-Beratung, Kompetenzzentrum Vorgangsbearbeitung, Prozesse und Organisation (Hrsg.) (2010): Arbeitshilfe Geschäftsprozessmodellierung in der Öffentlichen Verwaltung, 2.0, Köln. Cady, S.H.; Jacobs, J.; Koller, R.; Spalding, J. (2014): The change formula: Myth, legend, or lore, in: OD Practitioner 46 (3), S. 32–39. Ceynowa, Klaus; Coners, André (1999): Kostenmanagement für Hochschulbibliotheken (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderhefte 76), Frankfurt am Main: Klostermann. Deckert, Katharina; Füllgraf, Leroy; Quoos, René; Wikarski, Dietmar (2012): Vergleich von BPMNTools zur Modellierung von Geschäftsprozessen, Brandenburg: Technische Hochschule Brandenburg, https://opus4.kobv.de/opus4-fhbrb/frontdoor/index/index/docId/76, Zugriff: 25.05.2018. Deutinger, Gerhild (2017): Kommunikation im Change: erfolgreich kommunizieren in Veränderungsprozessen, 2., aktualisierte und vollständig überarbeitete Auflage, Berlin: Springer Gabler. Di Ciccio, Claudio; Marrella, Andrea; Russo, Alessandro (2015): Knowledge-Intensive Processes: Characteristics, Requirements and Analysis of Contemporary Approaches, in: Journal on Data Semantics 4 (1), S. 29–57. DIN Fachbericht 158:2009-09. Modell zum prozessorientierten Vorgehen in der öffentlichen Verwaltung: = Model for a process oriented procedure in the public administration (2009) (DINFachbericht 158), Berlin: Beuth. Drucker, Peter F. (2011): Management: tasks, responsibilities, practices, Abridged an rev. ed, London, New York: Routledge. Düren, Petra (2015): Bibliotheken als lernende Organisationen, Berlin, Boston: De Gruyter Saur. Erne, Rainer; Knippenberg, Carmen (2008): Der Erfolg von Geschäftsprozessen in der technischen Systementwicklung, in: zfo – Zeitschrift für Führung und Organisation, – Stuttgart : SchäfferPoeschel, ISSN 0722-7485, ZDB-ID 625619-3. – Vol. 77.2008, 4, S. 249–258. Fingerle, Birgit Inken; Mumenthaler, Rudolf (2016): Innovationsmanagement in Bibliotheken (Praxiswissen), Berlin/Boston: De Gruyter De Gruyter Saur. Fischermanns, Guido (2013): Praxishandbuch Prozessmanagement: das Standardwerk auf Basis des BPM Framework ibo-Prozessfenster, 11., bearb. Aufl., Gießen: Schmidt. Fließ, Sabine (2009): Dienstleistungsmanagement: Kundenintegration gestalten und steuern, Wiesbaden: Gabler. Forum Agile Verwaltung (o. J.): Agile Verwaltung, https://agile-verwaltung.org/, Zugriff: 03.03.2018. Frankenberger, Rudolf (Hrsg.) (2004): Die moderne Bibliothek: ein Kompendium der Bibliotheksverwaltung, München: Saur. Freund, Jakob; Rücker, Bernd (2012): Praxishandbuch BPMN 2.0, 3., erw. Aufl, München: Hanser. Gadatsch, Andreas (2012): Grundkurs Geschäftsprozess-Management: Methoden und Werkzeuge für die IT-Praxis ; eine Einführung für Studenten und Praktiker, 7. Aufl., Wiesbaden: Springer Vieweg. Gappmaier, Markus (o. J.): Die Bildkartenmethode (BKM), http://www.gappbridging.com/index. php/de/die-bildkartenmethode, Zugriff: 07.03.2018. Haller, Martina (2016): Adaptive Case Management in Bibliotheken Implementierung in der Bibliothek der DHBW, Wiesbaden: Dinges und Frick. Haller, Sabine (2017): Dienstleistungsmanagement: Grundlagen – Konzepte – Instrumente, 7., aktualisierte Aufl., Wiesbaden: Springer Gabler. Hammer, Michael; Champy, James A. (1993): Reengineering the corporation: a manifest for business revolution., New York: HarperCollins.
Literaturverzeichnis
293
Harder, Anna (2011): Einführung in die Prozessdarstellung mit BPMN (Business Process Modelling Notation), https://www.scribd.com/document/264433134/Basic-Leitfaden-BPMN-v2-1, Zugriff: 07.03.2018. Harmeier, Jens (2009): Originelle Kreativitätstechniken (auf den Punkt gebracht), Kissing: WEKAMedia. Hill, Hermann (2012): Prozessflexibilisierung und adaptive Prozessentwicklung, in: Utz Schliesky; Sönke E. Schulz (Hrsg.): Die Erneuerung des arbeitenden Staates, Baden-Baden: Nomos, S. 141–157, https://doi.org/10.5771/9783845242019-141, Zugriff: 26.02.2018. Hofmann, Martin Ludwig; Vetter, Andreas K. (Hrsg.) (2014): Design Thinking: das Denken, das Apple & Co. groß gemacht hat, Paderborn: Fink. Jochem, Roland; Jäkel, Frank-Walter; Knothe, Thomas (Hrsg.) (2014): FAQ – Prozessmanagement: 100 Fragen – 100 Antworten, 1. Aufl., Düsseldorf: Symposion. Kingman-Brundage, Jane (1989): The ABC’s of Service System Blueprinting, in: Mary Jo Bitner; L.A. Crosby (Hrsg.): Designing a Winning Service Strategy (=Proceedings of the 7th Annual Services Marketing), Chicago, IL, S. 30–33. Koch, Susanne (2011): Einführung in das Management von Geschäftsprozessen: Six Sigma, Kaizen und TQM, Berlin Heidelberg: Springer. Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (Hrsg.) (2015): KGSt-Normalarbeitszeit (2015). KGSt-Bericht Nr. 15/2015, Köln: KGSt. Kotter, John P; Seidenschwarz, Werner (2011): Leading change wie Sie Ihr Unternehmen in acht Schritten erfolgreich verändern, München: Vahlen. Kremkau, Tobias (2016): Die Bibliothek erfindet sich als Ort der Arbeit neu, http://www.netzpiloten.de/bibliothek-ort-arbeit-coworking-niederlande/, Zugriff: 05.03.2018. Lévesque, Veronika; Vonhof, Cornelia (2018): Komplexität, VUKA, und andere Schlagworte – was verbirgt sich dahinter?, in: Agile Vewaltung: Konzepte, Methoden, Praxisbeispiele, Heidelberg: Springer, S. o.S. Lewin, Kurt (1963): Feldtheorie in den Sozialwissenschaften, Studienausg., Bern [u.a.]: Huber. Maier, Florian (2017): Agile FAQ: Was Sie über agiles Projektmanagement wissen müssen, https:// www.cio.de/a/agiles-projektmanagement-faq,3262202, Zugriff: 04.03.2018. Messbacher, Ralf (o.J.): Gestaltung von Veränderungsprozessen, Kassel: Messbacher Coaching & Organisationsberatung. Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.) (2012): Methodenhandbuch Prozessmanagement M-V: Version 1.0, Schwerin. Mundt, Sebastian; Vonhof, Cornelia (2008): Managementinstrumente in deutschen Bibliotheken – Eine bundesweite Untersuchung zu Einsatz und Verbreitung, in: BIBLIOTHEK Forschung und Praxis 31 (3), S. 318–325. Nonaka, Ikujirō; Takeuchi, Hirotaka; (2012): Die Organisation des Wissens: wie japanische Unternehmen eine brachliegende Ressource nutzbar machen, 2., um ein Vorw. erw. Aufl.., Frankfurt, M. New York, NY: Campus. Nordsieck, Fritz (1934): Grundlagen der Organisationslehre, Stuttgart: Poeschel. Nordsieck, Fritz (1972): Betriebsorganisation. Textbd, 2., bearb. Aufl., Stuttgart: Poeschel. Online-Verwaltungslexikon – Wissen für gutes öffentliches Management (o. J.), http://www.olev. de/, Zugriff: 07.03.2018. Osborne, David; Gaebler, Ted (1994): Reinventing government : how the entrepreneurial spirit is transforming the public sector, 11th print, Reading (Mass.): Addison-Wesley. Osterloh, Margit; Frost, Jetta (2006): Prozessmanagement als Kernkompetenz: wie Sie business reengineering strategisch nutzen können, 5., überarb. Aufl., Wiesbaden: Gabler. Parasuraman, A.; Zeithaml, Valarie A.; Berry, Leonard L. (1985): A Conceptual Model of Service Quality and Its Implications for Future Research, in: Journal of Marketing 49 (4), S. 41–50.
294 Literaturverzeichnis
Parsons, Talcott (1991): The social system (Routledge sociology classics), New ed, London: Routledge. Petry, Thorsten (2017): Brown-Paper-Workshop : Prozesse analysieren und gestalten, in:zfo - Zeitschrift für Führung und Organisation, Stuttgart : Schäffer-Poeschel, ISSN 0722-7485, ZDB-ID 625619-3. – Vol. 86.2017, 3, S. 190–193. Polanyi, Michael (1985): Implizites Wissen, Frankfurt am Main: Suhrkamp. Polte, Sven (2014): ACM: „Tust du es schon – oder wartest du noch?“, https://blog.holisticon.de/ 2014/02/acm-tust-du-es-schon-oder-wartest-du-noch/, Zugriff: 01.03.2018. Sächsisches Staatsministerium des Innern (Hrsg.) (2015): Handbuch Prozessmanagement Version 3.0, Dresden, https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/23720. Sächsisches Staatsministerium des Innern, Referat Kommunikation und (o. J.): Prozessplattform – Prozesssteckbrief, http://prozessplattform.sachsen.de/prozesssteckbrief-3993.html, Zugriff: 10.03.2018. Schein, Edgar H. (2010): Organisationskultur: The Ed Schein Corporate Culture Survival Guide, 3. Auflage., Bergisch Gladbach: EHP. Schmelzer, Hermann J.; Sesselmann, Wolfgang (2013): Geschäftsprozessmanagement in der Praxis: Kunden zufriedenstellen, Produktivität steigern, Wert erhöhen, 8., überarb. und erw. Aufl., München: Hanser. Schnetzer, Ronald (2013): Achtsames Prozessmanagement: ein Plädoyer für ein sofortiges Umdenken, in: zfo - Zeitschrift für Führung und Organisation, 82 (5), S. 361–365. Shostack, Lynn G. (1984): Designing Services That Deliver, in: Harvard Business Review (1), S. 133– 139. Stacey, Ralph D.; Mowles, Chris (2015): Strategic Management and Organisational Dynamics, 7 New edition, Harlow, England: Pearson Education Limited. Steinbrecher, Autor Wolf (2017): Story Mapping: Eine agile Methode, Prozesse zu beschreiben und zu steuern, https://agile-verwaltung.org/2017/03/02/story-mapping-eine-agile-methodeprozesse-zu-beschreiben-und-zu-steuern/, Zugriff: 07.03.2018. Steinbrecher, Wolf; Vonhof, Cornelia (2011): Eine Bibliothek räumt auf Projekt zum prozessorientierten Dokumentenmanagement an der Hochschule der Medien Stuttgart, in: BuB : Forum Bibliothek und Information 63 (03), S. 2014–2017. Strauch, Dietmar; Rehm, Margarete (2007): Lexikon Buch, Bibliothek, neue Medien, 2., aktualisierte und erw. Aufl., München: Saur. Streich, Richard K. (1997): Veränderungsprozessmanagement, in: Michael Reiß; Lutz von Rosenstiel; Anette Lanz (Hrsg.): Change-Management: Programme, Projekte und Prozesse, Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 237–256. Swenson, Keith D.; Palmer, Nathaniel; Ukelson, Jacob P.; Shepherd, Tom (2010): Mastering the unpredictable: how adaptive case management will revolutionize the way that knowledge workers get things done, Tampa: Meghan-Kiffer Press. Tietze, Kim-Oliver (2016): Kollegiale Beratung: Problemlösungen gemeinsam entwickeln (Rororo : Taschenbücher, ISSN 0720-0943 ; ZDB-ID: 48948-7 ; 61544 Miteinander reden: Praxis), 8, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Tomys, Anne-Katrin (1995): Kostenorientiertes Qualitätsmanagement: Qualitätscontrolling zur ständigen Verbesserung der Unternehmensprozesse, München Wien: Hanser. Umlauf, Konrad (2011): Geschäftsgang, in: Konrad Umlauf; Stefan Gradmann (Hrsg.): Lexikon der Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Bd. 1, Stuttgart: Hiersemann. Umlauf, Konrad; Naumann, Ulrich (2012): Personalbedarf, in: Konrad Umlauf; Cornelia Vonhof (Hrsg.): Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen, Loseblatt-Ausg., 38. Lieferung, Hamburg: Dashöfer, S. Abschnitt 4.3.
Literaturverzeichnis
295
Vonhof, Cornelia (2012): Strategisches Qualitätsmanagement als Aspekt des strategischen Marketings – Strategisches Marketing als Aspekt des strategischen Qualitätsmanagements, in: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing, Berlin, Boston: De Gruyter, S. 287– 318. Vonhof, Cornelia (2018a): Bibliotheken und Agilität – Welten begegnen sich, in: Agile Verwaltung: Konzepte, Methoden, Praxisbeispiele, Heidelberg: Springer. Vonhof, Cornelia (2018b): Ausgezeichnete Bibliothek – Qualitätsmanagementmodell und Zertifizierungsverfahren für Bibliotheken. Hochschule der Medien, https://www.hdm-stuttgart.de/bi/ forschung/iqo/ab, Zugriff: 03.03.2018. Vonhof, Cornelia; Steinbrecher, Wolf (2016): Prozessorientiertes Informations- und Dokumentenmanagement, in: Konrad Umlauf; Cornelia Vonhof (Hrsg.): Erfolgreiches Management von Bibliotheken und Informationseinrichtungen, Loseblatt-Ausg., 54. Lieferung, Hamburg: Dashöfer, S. Abschnitt 9.3.12. Weber, Martina (2014): Dienstleistungsmanagement: Schwerpunkt Service Design und Personalführung im Dienstleistungsbereich, Stuttgart: Hochschule der Medien. Zimmerman, Brenda (2001): Ralph Stacey’s Agreement & Certainty Matrix, in: Better Evaluation. Sharing information to improve evaluation, http://www.betterevaluation.org/en/resources/ guide/ralph_staceys_agreement_and_certainty_matrix, Zugriff: 05.03.2018.
Abbildungsverzeichnis Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. 2.3 Abb. 2.4 Abb. 2.5 Abb. 2.6 Abb. 2.7 Abb. 2.8 Abb. 2.9 Abb. 2.10 Abb. 2.11 Abb. 2.12 Abb. 2.13 Abb. 2.14 Abb. 2.15 Abb. 2.16 Abb. 2.17 Abb. 2.18 Abb. 2.19 Abb. 2.20 Abb. 2.21 Abb. 2.22 Abb. 2.23 Abb. 3.1 Abb. 3.2 Abb. 3.3 Abb. 3.4 Abb. 3.5 Abb. 3.6 Abb. 3.7 Abb. 3.8 Abb. 3.9 Abb. 3.10 Abb. 3.11 Abb. 3.12 Abb. 3.13 Abb. 3.14 Abb. 3.15 Abb. 3.16 Abb. 3.17 Abb. 3.18 Abb. 3.19 Abb. 3.20 Abb. 3.21 Abb. 3.22 Abb. 4.1
Motive für Prozessmanagement 7 Prozesse als ein Handlungsfeld im EFQM-Modell 11 Definitionsbestandteile eines Prozesses 18 Kunden-Lieferanten-Beziehung in einem Prozess 22 Planung eines Kinobesuchs als Beispiel für einen Prozess 23 Prozessleistungen. Eigene Darstellung in Anlehnung an Tomys, 1995 24 Leistungsarten in Prozessen in Bibliotheken 25 Grundform einer Prozesslandkarte 32 Teamorientierte Entwicklung eines Prozessinventars 36 Prozesslandkarte der ETH-Bibliothek Zürich, 2016 37 Prozesslandschaft der Stadtbibliothek Nürnberg, 2016 38 Gliederungsebene von Prozessen 40 Überblick über Systematisierungsmerkmale von Prozessen 44 90-Grad-Shift der Organisation 53 Bewertungsmatrix zur Entscheidung für eine Organisationsform 56 Change-Matrix zur Typisierung von Veränderungsprojekten 62 Veränderungskurven nach Kotter, Lewin und Streich 64 Pyramide des Widerstands und Handlungsansätze 66 Medien und Methoden der Change-Kommunikation 69 Beispiel Flussdiagramm 77 Beispiel objektorientierter Ansatz 77 Pool und Lanes 79 BPMN-Symbole 80 Prozessmanagement als Kreislauf 93 Vorlage für eine Projektskizze 99 PDCA-Zyklus 104 Berechnung ABC-Analyse 107 Grafische Darstellung ABC-Analyse 108 Visualisierung Portfolio-Analyse 110 Beispiel Brown-Paper-Methode 133 Beispiel Bildkartenmethode 135 Beispiel Bausteinmethode 137 Prozessdarstellung 143 Symbole für die Modellierung 147 Prozessmodell mit Bahnen 148 Prüfschema Aufgabenkritik (Quelle: Organisationshandbuch des Bundes 150 Beispiel Ishikawa-Diagramm 158 Beispiel Prozess Stellenbesetzungsverfahren 164 Beispiel für ein Brainstorming als Kartenabfrage 169 Bildkartenmethode 170 Design Thinking – Iteratives Vorgehen 176 Beispiel Simulation 182 Prozessmanagement Kreislauf 188 Beispiel einer EDEN Reifegradanalyse 196 Reifegrad nach EDEN 197 Aufgaben des Informations- und Dokumentenmanagements 211
298 Abbildungsverzeichnis
Abb. 4.2 Abb. 4.3 Abb. 4.4 Abb. 4.5 Abb. 4.6 Abb. 4.7 Abb. 4.8 Abb. 4.9 Abb. 4.10 Abb. 4.11 Abb. 4.12 Abb. 4.13 Abb. 5.1 Abb. 5.2 Abb. 5.3 Abb. 5.4 Abb. 5.5 Abb. 5.6 Abb. 5.7 Abb. 5.8 Abb. 6.1
Die Prozesse verlaufen oft quer zur Ablage nach funktionalen Abteilungen 212 Beispielhafte Prozesslandkarte einer Bibliothek 214 Aus der Prozesslandkarte ergibt sich ein erster Ordnerplan 215 Gliederungsstufen eines Ordnerplans 216 Im Vorgangsordner befinden sich alle zum Vorgang gehörigen Dokumente 17 Kontext einer Personalbedarfsbestimmung 225 Grundkonzept der Personalbedarfsermittlung 226 Verfahren zur Personalbedarfsermittlung 229 Ablauf des Prozesscontrollings 234 Ergebnis- und Einflusskennzahlen im Prozessmanagement 237 Ausriss aus einem Prozesssteckbrief 241 Kennzahlenstreckbrief 242 Grundform eines Service Blueprint 23 Service Blueprint für die Anmeldung eines Privatkunden in einer UB 254 Workshop zur Erarbeitung eines Service Blueprint 257 Service Blueprint erweitert um Customer Journey 262 Prozesstypen nach Strukturierungsgrad 266 Funktionalitäten eines ACM-Systems 269 Leitsätze des Agilen Manifests 272 Agreement-Certainty-Matrix nach Stacey 276 Vernetzte Prozesskultur 288
Tabellenverzeichnis Tab. 2.1 Tab. 2.2 Tab. 2.3 Tab. 2.4 Tab. 2.5 Tab. 2.6 Tab. 3.1 Tab. 3.2 Tab. 3.3 Tab. 3.4 Tab. 3.5 Tab. 3.6 Tab. 3.7 Tab. 3.8 Tab. 3.9 Tab. 3.10 Tab. 3.11 Tab. 3.12 Tab. 3.13 Tab. 3.14 Tab. 3.15 Tab. 4.1 Tab. 4.2 Tab. 4.3 Tab. 4.4 Tab. 5.1 Tab. 5.2 Tab. 5.3 Tab. 5.4 Tab. 5.5 Tab. 5.6 Tab. 6.1
Beispiele für Prozess-Inputs 19 Schema eines Kommunikationskonzepts 69 Kommunikationsplan entlang der Veränderungsphasen 71 Beispiel Prozessbausteine „Bestell- und Erschließungsvorgang“ 83 Beispiel Prozessschritte „Buchzugang bearbeiten“ 83 Beispiel Varianten „Buchzugang bearbeiten“ 84 Beispiel Bewertungsskala Portfolio-Analyse 110 Struktur und Rollen im Prozessmanagement einer mittelgroßen bis großen Bibliothek 116 Struktur und Rollen im Prozessmanagement einer kleineren Bibliothek 116 Beispiel Fragenraster 127 Beispiel Interviewleitfaden 128 Beispiel Bildkartenmethode 136 Beispiel Story Mapping 138 Ablauf eines moderierten Workshops 140 Zeit- und Maßnahmenplan 140 Beispiel Prozesssteckbrief 142 Fragenbogen Aufgabenkritik 152 Schwachstellen-Ursachen-Tabelle 160 Maßnahmenplan zur Beseitigung von Schwachstellen 162 Checkliste Umsetzung 185 Bewertungsbogen für Bibliotheken und Informationseinrichtungen 202 Funktionen von Kennzahlen 235 Beispiele für Prozesskennzahlen 236 SMART-Formel zur vollständigen Zielbeschreibung 239 Rollen, Erkenntnisinteresse und Anforderungen an Prozesskennzahlen 243 Schrittweises Vorgehen beim Entwickeln eines Service Blueprint 256 Vorgehen zur Erweiterung des Service Blueprint um die Customer Journey 262 Komponenten eines Adaptive Case-Management-Systems 269 AGIL-Schema nach Parsons 272 Stufen der Agreement-Certainty-Matrix nach Stacey 276 Ansätze für Agiles Prozessmanagement 277 Ebenen der Prozesskultur 284
Register 90-Grad-Shift 53 ABC-Analyse 106 Ablagestruktur 209 Ablagestruktur prozessorientiert 212 Ablagestruktur teamorientiert 211 Ablauf planen 116 Achtsamkeit 167 ad-hoc-Prozess 42 Adaptive Case Management:ACM 42–43, 264 Agile Prinzipien 271 Agiles Prozessmanagement 43, 271, 273, 275, 277, 279 Aufbauorganisation 165 Aufgabenkritik 149 Ausgezeichnete Bibliothek 10 Auslöser 19 Bausteinmethode 136, 155 Bearbeitungszeit durchschnittliche 226 Befragung 186 Beschäftigtenvertretungen 183 Beteiligungsorientierter Ansatz 60 Bibliothek der Dualen Hochschule Heidenheim 267 Bibliothek Wirtschaft & Management der Technischen Universität Berlin 87 Bildkartenmethode 134, 170 Blindleistung 24 Brainstorming 169 Brown-Paper-Methode 132 Bruchstelle 48 Business Process Model and Notation:BPMN 78 Business Process Reengineering 16 Change Management 61 Change-Kommunikation 69 Change-Matrix 62 Customer Enablement 259 Customer Journey 247, 261, 278 Design Thinking 173, 278 Deutsche Nationalbibliothek 13 Dienstleistungsprozess 23, 248, 258 Dimensionen nach EDEN 193 Divisionalorganisation 52 Drei-Ebenen-Modell:Erfolgskontrolle 187 Einfluss-Prozessorganisation 54 Einflusskennzahl 237 Einführungsprojekt 93 Emotionskurve 261
Ereigniskette 23 Erfolgskontrolle 185 Ergebniskennzahl 237 Ergebnisse evaluieren 186 ETH-Bibliothek, ETH Zürich 37, 57 Fallzahl 226 Fallzeit 226 Fehlerkultur 189 Fehlleistung 24 Flowchart 51 Führungsinstrument 27 Führungsprozess 30 Funktionale Organisation 47 Funktionalorganisation 52 Gap-Modell der Servicequalität 248 Gateway 79 Geschäftsgang 26 Geschäftsgangsstation 151 Geschäftsprozess 25, 29 Gestaltungsgrundsätze 166 Grundsätze der Modellierung 143 Hauptprozess 39 Hochschulbibliothek Heilbronn 177 Ideen- und Störungspool 153 Implementierung 94, 179 Indikator 105 Informations- und Dokumentenmanagement 209 Informationsmanagement-Knigge 222 Input 19 Input-Kennzahl 237 Interaktionslinie 254, 257, 261 Interview 127 Ishikawa-Diagramm 157 Ist-Analyse 118 Ist-Erhebung 118 Ist-Prozess analysieren 149 Ist-Prozess darstellen 143 Ist-Prozess erheben 125 Iterationsschleife 274 Jahresarbeitszeit einer Normalarbeitskraft 226 Kennzahl 234 Kennzahlensteckbrief 242 Kernprozess 28 Kollegiale Beratung 172 Kommunikation 67, 101, 258 Kommunikationskonzept 71
302 Register
Kommunikationsplan 68, 185 Kreativitätsmethode 169 Kreislauf 91–92 Kunde 26, 247 Kunde extern 20, 247 Kunde intern 20, 30, 247 Kunden-Lieferanten-Beziehungen 21, 54 Kundenbegriff 20 Kundenbewertung 249 Kundenerwartung 248 Kundenfeedback 259 Kundenkontaktpunkt 250 Kundenorientierung 252 Kundenschnittstelle 252 Kundensegmentierung 259 Kundenzufriedenheit 249 Leistungsarten 24 Leistungsempfängern 28 Leistungserstellungsprozess 28 Leistungsprozess 29 Lenkungsausschusses 115 Lieferant 20 Liegezeit 151 Managementansatz 12 Managementprozess 29 Matrix-Prozessorganisation 55 Messgröße 189 Mitbestimmung 183 Modellierung 76, 143, 145 Modellierungssoftware 85 Modellierungssprache 78 Nachhaltigkeit 187 Nahtlose Organisation 251 Notation 77 Nutzenerlebnis 250 Nutzleistung 24 Ordnerstruktur 211 Organisation wissensbasiert 211 Organisationsentwicklung 8 Organisationsstruktur 55 Output 21 Personalausstattungen 224 Personalbedarfsermittlung 224 Personalkosten 224 Personalplanung 224 Phasenmodell 93 PICTURE-Methode 81 Pilotprojekt 93 Pool 78
Portfolio 62 Portfolio-Analyse 109 Primärer Prozess 29 Priorisierung 105, 109 Projektleitung 115 Prozess 18 Prozess stark strukturiert 41, 49 Prozess teilstrukturiert 42, 50 Prozess unstrukturiert 42, 50 Prozess-Benchmarking 234, 238 Prozessarbeit vorbereiten 96 Prozessbaustein 81 Prozessbetrachtung anlassbezogen 95 Prozesscontrolling 234 Prozessdokumente 209 Prozesse festlegen 105 Prozesse gestalten 157, 159, 161, 163, 165, 167, 169, 171, 173, 175, 177 Prozesse schwach strukturiert 265 Prozesse umsetzen und überprüfen 179, 181, 183, 185, 187, 189, 191 Prozessebene 39 Prozesseigner 114 Prozessinventar 35 Prozesskoordination 113 Prozesslandkarte 32, 213, 277 Prozesslandschaft 32 Prozessleistung 238 Prozessmanagement 26 Prozessmanagement bewerten 192–193, 195, 197, 199, 201, 203, 205 Prozessmanagement opeativ 27 Prozessmanagement strategisch 27 Prozessmodell 76 Prozessmodellierung 278 Prozessorganisation 47 Prozesspriorisierung 109 Prozessreife 192 Prozesssteckbrief 36 Prozesstabelle 81 Prozessteam 51, 113, 115, 220, 278 Prozessteckbrief 141, 241 Prozessverantwortliche 112 Prozessziel 27, 234 Qualitätsmanagement 10 Rahmenbedingungen definieren 102 Referenzprozess 167 Regelprozess 42 Reifegrad in öffentlichen Einrichtungen 198
Register 303
Reifegradbewertung 195 Reifegradmodell 192 Reifegradmodell EDEN:EDEN 193 Reifegradnote 200 Reifegradstufe 194, 199 Reine Prozessorganisation 53 Rolle 22, 115 Rollen bestimmen 111 Rollenspiel 181 Rollenzuteilung 117 Routineprozess 41 Schlüsselprozess 29 Schnittstelle 48, 54, 163 Schwachstelle 151 Schwachstellen-Ursachen-Tabelle 159 Schwimmbahn:Lane 78 Scrum 274 Sechs-Hüte-Methode 171 Selbstbedienungsprozesse 257 Selbstbewertungsbogen 202 Selbstorganisation 274 Service Blueprint 247, 278 Serviceprozess 30 Sichtbarkeitslinie 255, 260, 278 Simulation 180 SMART-Formel 239 Softwaretool 85 Soll-Prozess 119 Soll-Prozess entwickeln 166 Sprint 275 Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz 122 Stadtbibliothek Nürnberg 38, 45 Stadtbücherei Geislingen 73 Stadtbücherei Weilheim a.d.Teck 190 Standardablauf 100 Start-Ende-Ereignis 147 Startereignis 19 Steuerungskennzahl 237 Steuerungsprozess 30 Störfaktor 153
Störungskennzahl 237 Story Mapping-Methode 137 Strategie 26 Strukturierungsgrad 41 Stützleistung 24 Supportprozess 30 Swimlane:Schwimmbahn 252 Symbol 147 Systematisierung 28 Teamentwicklungsprozess 51 Teilprozess 39, 49 Touchpoint 250 Transportzeit 151 Übergabestelle 49 Umfeldbedingungen 103 Unterstützungsprozess 30 Veränderungskurve 63 Veränderungsmanagement 61 Veränderungsphase 63 Veränderungsprozess 59 Veränderungstreiber 59 Verbesserungspotenzial 153 Verbindung 147 Verzweigung 79, 147 Vollzugskritik 150 Vorgang 215 Vorgangsordner 217 Vorlagendokument 218 Wertschöpfung 24 Wertschöpfungsprozess 20 Wissensarbeit 264 Wissensdokument 218 Wissensmanagement 8, 209, 267 Wissensplattform 270 Workflow 26, 42 Workshop 131 Workshopmethoden 131 Zeit- und Maßnahmenplan 116 Zentral- und Landesbibliothek Berlin:ZLB 232 Zielwerte 234 Zweckkritik 150