Photogrammetrie [Reprint 2019 ed.] 9783111539485, 9783111171401

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
A. Die Grundlagen der Photogrammetrie
B. Terrestrische Photogrammetrie
C. Stereophotogrammetrie aus der Luft
D. Einbildphotogrammetrie Entzerrung von Einzelbildern
E. Die Bedeutung und praktische Verwendung der Photogrammetrie
Die wichtigste Literatur
Sach- und Autorenverzeichnis
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Photogrammetrie [Reprint 2019 ed.]
 9783111539485, 9783111171401

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PHOTOGRAMMETRIE

PHOTOGRAMMETRIE VON DR. RICHARD FINSTERWALDER a. o. Professor an der Technischen Hochschule

Alti ioß Abbildungen

Berlin

Hannover

und 17 Tabellen

193$

W A L T E R DE G R U Y T E R & C O vormals G. J. Gote her? sehe Ver lagt handlang —• J. Guttentag, Georg Reimer — Karl J. Trübner —

Veit &

Verlagsbuchhandlung Comp.

Alle Recht», einschließlich des Übersetzungsrechts, vOH der Verlagthandlung vorbehalten

Archiv-Nr. 121039 Druck von Walter de Gruyter Sc. Co., Berlin W 35 Printed in Germany

Vorwort Das vorliegende Lehrbuch soll einen Einblick in das neue, besonders für die Topographie und Kartographie so bedeutungsvolle Gebiet der Photogrammetrie geben. Es kam dem Verfasser darauf an, vor allem die Arbeitsverfahren möglichst klar und einfach darzustellen; da ein wirkliches Verständnis der vielfach neuen Methoden ohne die Kenntnis ihrer mathematischen und geometrischen Grundlagen nicht möglich ist, wurden diese grundsätzlich mitbehandelt, dabei aber stets leicht faßliche, wenig Vorkenntnisse voraussetzende Ableitungen gewählt. In der Darstellung aller wesentlichen Arbeitsverfahren ist eine gewisse Vollständigkeit angestrebt worden, nicht jedoch im einzelnen, da dies nicht Aufgabe eines Lehrbuchs sein kann. — Die Darstellung bezieht sich vor allem auf diejenigen Methoden und Verfahren, die heute von Bedeutung sind, und übergeht z. B. den räumlichen Rückwärtseinschnitt, der einst so wichtig war, weitgehend zugunsten der photogrammetrischen Hauptaufgabe, die heute im Mittelpunkt der Anwendung steht. Bei der Beschreibung der Instrumente ist ebenfalls Vollständigkeit nicht erstrebt worden, die Wahl fiel auf die typischen und am meisten gebrauchten Instrumente, die dafür verhältnismäßig eingehend behandelt werden konnten. So nimmt das Buch eine Mittelstellung zwischen den umfangreichen Werken von Bäschlin, Gast, Gruber und Hugershoff einerseits und dem kürzeren Kompendium von Schwidefsky ein. Es wendet sich in erster Linie an die Vermessungsingenieure, aber auch an alle diejenigen, die sonst mit dem ebenso anregenden wie neuartigen Verfahren der Photogrammetrie zu tun haben, wie Militär, Bauingenieure und Geographen. Die Entwicklung der Photogrammetrie, die früher oft stürmisch vor sich gegangen ist, kann auch heute noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Immerhin schien eine lehrbuchmäßige Anordnung und Darstellung des Stoffs möglich, da die meisten heutigen Anwendungen der Photogrammetrie sich bewährt haben und in der derzeitigen Form noch weiter einbürgern werden. Wo heute Entwicklungen zu verzeichnen sind, berücksichtigt das Buch möglichst den neuesten Stand, vor allem bei der Aerotriangulation, und weist auf die Entwicklungsmöglichkeiten hin. An einigen Stellen hat der Verfasser selbst stofflich Neues hinzugefügt; um die Hauptaufgabe der Photogrammetrie in ihrer einfachsten Form möglichst vollständig darzustellen, ist der theoretisch und praktisch wichtige gefährliche Ort kurz behandelt worden, während eine Darstellung der heute selten gebrauchten und umständlich abzuleitenden Konvergenzaufnahmen unterblieben ist.

6

Vorwort

Um das Buch nicht zu umfangreich werden zu lassen, wurde eine klare Abgrenzung gegen Sonder- und Nachbargebiete vorgenommen. So wurden die geometrische Optik und Photochemie nur soweit sie unmittelbar für die photogrammetrischen Methoden Bedeutung haben, behandelt. Vor allem war der Verfasser bestrebt, die topographischen Anwendungen der Photogrammetrie zu begründen und klarzulegen, ohne damit einem Buch über Topographie vorzugreifen, das alle möglichen topographischen Methoden vor allem im Hinblick auf ihre Anwendung darstellen muß. Eine Behandlung der an sich wichtigen und interessanten Röntgenphotogrammetrie mußte unterbleiben. Es war auch unmöglich, auf die Arbeiten und Leistungen all der Wissenschaftler, Erfinder und Ingenieure einzugehen, die im Lauf der letzten Jahrzehnte die photogrammetrischen Methoden und Instrumente entwickelt haben, beträgt doch die Zahl allein der deutschen Veröffentlichungen auf diesem Gebiet mehrere Tausend. Eine solche an sich sehr wünschenswerte umfassende Behandlung muß einer viel weitergehenden handbuchartigen Veröffentlichung vorbehalten sein, wie wir sie erst auf einem Teilgebiet der Photogrammetrie in dem von 0 . Lacmann angeregten Buch von Schwidefsky „Das Entzerrungsgerät" (Verlag Wichmann 1935) besitzen. Die Herrn Dipl.-Ing. Gänger und Dr. Pillewizer haben mich beim Zeichnen der Figuren und Lesen der Korrekturen unterstützt, wertvolle Hinweise haben mir die Herrn G. Heß und Professor Gast gegeben, Hansa Luftbild hat einen Luftbildplan zur Verfügung gestellt. Ihnen und all denen, die mir bei Herstellung des Buches geholfen haben, sei hier herzlich gedankt, nicht zuletzt meinem Vater S. Finsterwalder, der mich seinerzeit praktisch in die Photogrammetrie eingeführt hat und auf dessen wissenschaftliche Arbeiten ich an vielen Stellen zurückgreifen konnte. Hannover, Herbst 1938.

Inhaltsverzeichnis Seite

A. Die Grundlagen der Photogramm etrie

11

1. Das p h o t o g r a m m e t r i s c h e O b j e k t i v

11

a) Die ideale Abbildung

12

b) Die Fehler des Objektivs 1. Die sphärischen Längsabweichungen. — 2. Astigmatismus, Bildfeldwölbung und Koma. — 3. Farbabweichung. — 4. Der Helligkeitsabfall nach dem Bildrand. Vignettierung. — 5. Die Verzeichnung.

13

c) Ausführungsformen der Objektive

19

d) Prüfung der Objektive

20

2. P h o t o g r a p h i e Einleitung. — Der photochemische Vorgang. —• Das Auflösungsvermögen. — Der Bildaufbau. — Die Lichtverhältnisse. •— Filter. — Empfindlichkeit der Emulsion. — Gradation. — Ultrarot- und Farbenphotographie. — Schichtträger. 3. G e o m e t r i s c h e B e g r i f f e und D e f i n i t i o n e n

21

26

a) Die innere Orientierung

26

b) Die äußere Orientierung Einzelaufnahme. — Doppelaufnahmen, räumliche einschaltung. — Die absolute Orientierung.

27

4. S t e r e o s k o p i s c h e s

Doppelpunkt-

S e h e n u n d Messen

33

a) Monokulares Sehen mit freiem Auge

33

b) Stereoskopisches Sehen Mit freiem Auge. — Künstliche Verstärkung der Tiefenwahrnehmung.

34

c) Das stereoskopische Sehen und Messen in der Photogrammetrie . . Vertikal- oder Höhenparallaxen. — Das photographisch erzeugte Raumbild. —• Die wandernde Marke. — Stereoskopische Meßgenauigkeit. — Hilfsmittel des stereoskopischen Sehens.

37

5. B i l d k o o r d i n a t e n u n d B i l d w i n k e l a) Bildkoordinatenmessung Komparatoren. — Der Stereokomparator. — Prüfung des Stereokomparators. — Messung von Polarkoordinaten.

46 46

b) Einfache Beziehungen zwischen Bildkoordinaten und Bildwinkeln, sowie Horizontal- und Vertikalwinkeln

51

c) Der Bildmeßtheodolit, das Bildmeßprinzip nach Porro und Koppe

53

d) Die Bestimmung der inneren Orientierung und der Verzeichnung . . Durch Bildmeßtheodolit — durch Rückwärtsschnitt — durch Ausgleichung.— Rechenbeispiel. — Verzeichnungsprüfung von Objektiven nach Lacmann. — Prüfung der Verzeichnung am Auswertegerät. — Prüfung der Verzeichnung mittels rechnerischer gegenseitiger Orientierung.

55

8

Inhaltsverzeichnis

B. Terrestrische Photogrammetrie

Seite

62

1. Die terrestrischen A u f n a h m e g e r ä t e . 62 Der leichte Feldphototheodolit von Zeiß. — Die photogrammetrische Ausrüstung von Wild. — Andere Ausrüstungen. — Prüfung und Justierung des Phototheodoliten. — Stereometerkammern. — Allgemeines über terrestrische Ausrüstungen. 2. Meßtischphotogrammetrie 67 Das Verfahren der Meßtischphotogrammetrie. — Identifizierung mittels Kernstrahlen. — Praktische Anwendung. 3. Triangulationen 69 Ergänzung und Sicherung einer normalen Triangulation. — Rein photogrammetrische Triangulation. — Die gnomonische Reziprokalprojektion. 4. Terrestrische S t e r e o p h o t o g r a m m e t r i e a) Parallaxenphotogrammetrie 1. Normalfall. — 2. Parallel verschwenkte Aufnahmen. — 3. Allgemeiner Fall. — 4. Korrektur der Basis, sowie der Parallaxen und Ordinaten. b) Fehlertheorie der Parallaxenphotogrammetrie 1. Fehler der äußeren Orientierung: Verschwenkungsfehler. — Neigungsfehler. — Verkantungsfehler. 2. Fehler der inneren Orientierung: Bildweitenfehler. — Hauptpunktfehler. — Gemeinsamer Brennweitenfehler. — Gemeinsamer Hauptpunktfehler. — Zusammenstellung der zulässigen Orientierungsfehler. c) Die mechanische Auswertung terrestrischer Aufnahmen Der Stereoautograph von Orel-Zeiß. — Kleinautograph. d) Die Technik der photogrammetrischen Aufnahme Genauigkeit. — Verteilung der Standlinien. — Orientierungselemente. — Ergebnis terrestrischer Aufnahmen. e) Die Auswertung

72 72

5. Die heutige Anwendung der E r d b i l d m e s s u n g

89

€. Stereophotogrammetrie ans der Lnft 1. Die L u f t a u f n a h m e a) Das Luftbild an sich b) Die Aufnahme aus der Luft c) Aufnahmekammern Die Bestandteile. — Einrichtungen für die Einhaltung einer genäherten Orientierung. — Ausführungsformen. — Koppel- und Panoramakammern.

76

80 84 87

92 92 92 94 96

2. Die H a u p t a u f g a b e der P h o t o g r a m m e t r i e 101 a) Grundsätzliches zur photogrammetrischen Hauptaufgabe und zum räumlichen Rückwärtsschnitt 101

9

Inhaltsverzeichnis b) Die gegenseitige Orientierung. Theoretischer Teil Höhenparallaxen. — Die Beziehung zwischen Bildkoordinaten, Orientierung und Kernebenenwinkeln. — Die Fehlergleichungen der gegenseitigen Orientierung. c) Die gegenseitige Orientierung mit unabhängigen Bildpaaren . . . . Der Vorgang. — Orientierungsänderungen. — Das normale Einpaßverfahren. — Das rechnerische Einpaßverfahren mittels Parallaxenunterschieden. — Zahlenmäßige Bestimmungen der Orientierungselemente. d) Der Folgebildanschluß Der Arbeitsvorgang beim Folgebildanschluß. e) Die gegenseitige Orientierung in bergigem Gelände Der Arbeitsvorgang. — Der gefährliche Zylinder. f) Die absolute Orientierung Unabhängige Bildpaare. —• Folgebildanschluß. Die F e h l e r t h e o r i e

der photogrammetrischen

Seite

104

111

121 125 128

H a u p t a u f g a b e 131

a) Die unregelmäßigen Fehler der gegenseitigen Orientierung 132 b) Modellverbiegung bei unabhängigen Bildpaaren 134 Ableitung. — Korrektion der Modellverbiegungen. — Modellverbiegung im gefährlichen Ort. c) Modellverbiegung beim Folgebildanschluß 137 Ableitung und Korrektion. — Höhenfehler beim Vorliegen des gefährlichen Orts und ihre Beseitigung. Die r ä u m l i c h e n A u s w e r t e g e r ä t e f ü r L u f t a u f n a h m e n . . . .

140

a) Allgemeines b) Der Aeromultiplex c) Der Stereoplanigraph nach Bauersfeld Die Wiederherstellung der Aufnahmestrahlenbündel. — Aufbau. — Das Betrachtungsstereoskop. — Fehlerquellen des Planigraphen. — Fehleruntersuchungen. d) Geräte mit mechanischer Wiederherstellung der photogrammetrischen Strahlenbündel Wiederherstellung der Strahlenbündel und Aufbau.

140 142 145

Bildtriangulierungen

152 156

a) Die Aerotriangulation 156 Die Fehlerursachen. — Maßstabsfehler. — Höhenfehler. — Der Längenfehler. — Fehler an den seitlichen Rändern. — Fehler des ersten Modells. — Zusammenstellung der Fehler. — Die Berücksichtigung der Fehler. b) Die Radialtriangulation 163 Die Methode im allgemeinen. — Hauptpunkttriangulation. — Die Nadirpunkttriangulation. — Die Fokalpunkttriangulation. — Der Radialtriangulator. — Die Handhabung des Radialtriangulators. — Berechnung. — Die Höhenrechnung der Radialtriangulation.

10

Inhaltsverzeichnis Seite

c) Photogrammetrie bei der Landesvermessung in Neuländern . . . . 176 1. Einbeziehung astronomisch orientierter Grundlinien an den Knotenpunkten. — 2. Astronomisch-geodätische Bestimmung der Knotenpunkte nach Länge und Breite. — 3. Flüchtige terrestrische Triangulationen. — 4. Die Orientierung durch Sonnenbilder. — 5. Der selbständige Aufbau eines normalen Dreiecksnetzes aus den Einzelketten der Aero- oder Radialtriangulation. 6. Die A r b e i t a n den r ä u m l i c h e n topographisches Ergebnis

Auswertegeräten

und

ihr

a) Die Arbeitsvorgänge b) Genauigkeit c) Wirtschaftlichkeit

182 187 191

7. N ä h e r u n g s - u n d S c h n e l l v e r f a h r e n a) Die Auswertung mit dem Spiegelstereoskop Grundgedanke des Verfahrens. •— Sonderfälle. — Mechanische Reduktionsvorrichtungen. — Ergänzende Bemerkungen. b) Die Auswertung von Weitwinkelaufnahmen mit Instrumenten kleiner Öffnungswinkel c) Näherungsverfahren für Aerotriangulation von Wolf d) Die englische Arundel-Methode als Beispiel einer graphisch-rechnerischen Landesaufnahme für Kolonialzwecke e) Die Methode der Photogrammetrie G. m. b. H

D. Einbüdphotogrammetrie.

182

Entzerrung yon Einzelbildern

Allgemeines

195 195

200 200 201 202

205 205

1. G r a p h i s c h e E n t z e r r u n g 206 a) Doppelverhältnisse 206 b) Übertragung von Punkten auf Grund gleicher Doppelverhältnisse . . 207 Vierpunkt- oder Papierstreifenverfahren. — Übertragungsnetze. — Ersatz unzugänglicher Fluchtpunkte und -linien. c) Netze aus orientierten Schrägaufnahmen 211 2. O p t i s c h - m e c h a n i s c h e E n t z e r r u n g a) Mathematisch-geometrische Grundlagen Allgemeines. — Der rechnerische Zusammenhang zwischen Originalaufnahme und Entzerrung. — Beziehungen zwischen den Koordinaten des Originalbildes und des entzerrten Bildes. b) Entzerrungsgeräte Allgemeines.— Steuerungen. — Das Entzerrungsgerät von Zeiß. — Das kleine Entzerrungsgerät von Zeiß. — Luftbildumzeichner. — Entzerrungsgeräte für unebenes Gelände. — Der praktische Vorgang bei der Entzerrung. c) Der Luftbildplan, seine Genauigkeit und Verwendung

213 213

219

225

G. Die Bedeutung und praktische Verwendung der Photogrammetrie. . 228 Die wichtigste Literatur Sach- und Autorenverzeichnis

232 233

A. Die Grundlagen der Photogrammetrie Die Aufgabe der Photogrammetrie besteht bekanntlich darin, aus den photographischen Bildern eines Gegenstands diesen selbst nach Lage und Höhe wiederherzustellen; sehr oft ist der wiederherzustellende Gegenstand das Gelände, das von der Erde oder der Luft aus aufgenommen ist; man hat aus diesen Aufnahmen eine Karte, also den Geländegrundriß und die Höhen zu gewinnen. Wir werden bald erkennen, daß die meisten photogrammetrischen Aufgaben grundsätzlich auf die einfachen Verfahren zurückgeführt werden können, die aus dem Vermessungswesen bekannt sind; dennoch müssen vorher als Grundlage für die Darstellung der photogrammetrischen Methoden eine Reihe neuer Begriffe geklärt werden, was in dem folgenden einleitenden Kapitel geschehen soll. Es umfaßt zunächst eine kurze Darstellung des photogrammetrischen Meßobjektivs und der photographischen Grundlagen, dann die wichtigsten geometrischen Grundbegriffe und Definitionen, besonders bei Doppelaufnahmen; als wichtige Grundlage der Photogrammetrie mußte auch das stereoskopische Sehen behandelt werden, ferner das einfache Ausmessen der Bilder nach Koordinaten und Winkeln, sowie das hierfür dienende Grundinstrument, der Stereokomparator. Um den einleitenden Abschnitt über die Grundlagen kurz halten zu können, werden verschiedene Einzelheiten erst später dort besprochen, wo sie gebraucht werden. 1. Das photogrammetrische

Objektiv

Das zunächst wichtigste Hilfsmittel der Photogrammetrie ist das photographische Objektiv, welches durch Zentralprojektion ein ebenes Bild oder eine Perspektive des aufgenommenen Gegenstands erzeugt. Die für Meßzwecke verwendeten Objektive müssen vor allem zwei Forderungen genügen: Der Schärfe und der Verzeichnungsfreiheit. Um den Aufbau und die Wirkungsweise der Meßobjektive im einzelnen zu erläutern, wäre eine hier zu weit führende Behandlung der Gesetze der geometrischen Optik nötig. Die genaue Kenntnis der schwierigen und langwierigen Berechnungsweise und Konstruktion der Objektive benötigen wir zum Verständnis der Photogrammetrie nicht. Wir können uns daher hier darauf beschränken, den Abbildungsvorgang durch das photographische Objektiv im allgemeinen zu behandeln und seine für die Photogrammetrie wichtigen Eigenschaften zu erläutern. Auf verschiedene Sonderfragen, deren Kenntnis bei der Beschreibung der Verfahren und Instrumente nötig ist, wird an der entsprechenden Stelle eingegangen. Für eingehendes Studium sei auf das Standardwerk für das Gebiet der Objektive hingewiesen: Bd. I des Handbuchs der wissenschaftlichen und angewandten Photographie. Das photographische Objektiv. W. Mert6, R. Richter, M. v. Rohr. 1932. Wien, Verlag Springer.

12

Die Grundlagen der Photogrammetrie a) Die ideale Abbildung

Bei der Berechnung und Konstruktion legt man den idealen Abbildungsvorgang zugrunde, der in Abb. 1 schematisch dargestellt ist. In dieser Figur ist das Objektiv, welches aus einer Folge von geschliffenen Linsen (Abb. 6) besteht, nur durch die Krümmungen der ersten und letzten Linsenfläche dargestellt. Die optische Achse, auf der alle Krümmungsmittel-

punkte der Linsenflachen liegen, ist H H0 H'0 H'1). Links liegt der Dingraum mit den abzubildenden Objekten, rechts die Bildebene SB' und der Bildraum. Alle Bezeichnungen in letzterem tragen einen Indexstrich. Das von einem weit entfernten Punkt P ausgehende, das Objektiv treffende Lichtstrahlenbündel 2 ) ist praktisch parallel. Es wird vom Objektiv so gebrochen, daß sich seine Strahlen nach dem Durchgang durch das Objektiv im Bildpunkt P' schneiden. Der verwickelte Durchgang eines Lichtbündels durch das Objektiv kann durch das in Abb. 1 dargestellte einfache Schema ersetzt werden: Das Bündel trifft auf die senkrecht zu H — H' stehende, durch den vorderen Hauptpunkt H0 gehende vordere Hauptebene des Objektivs, verläuft dann parallel zur optischen Achse bis zur hinteren (bildseitigen) Hauptebene die den hinteren bildseitigen Hauptpunkt enthält und ebenfalls achssenkrecht ist. Von dort aus konvergieren die Strahlen wieder zum Bildpunkt P'. Die von weit entfernten Objektpunkten P ausgehenden praktisch parallelen Licht') Die Bezeichnungen entsprechen mit wenigen Ausnahmen dem von O. Lacmann bearbeiteten Normblatt Din Verm. 35 Berlin 1937. *) Das von einem Punkt ausgehende Lichtstrahlenbündel wird im folgenden mit Lichtbündel bezeichnet.

Das photogrammetrische Objektiv

13

gleich der bündel werden zu Bildpunkten P" vereinigt, deren Abstände von Brennweite / des Objektivs sind. Sie liegen also in einer Ebene 85', der Brennebene. Der durch die Hauptpunkte H0 und H'0 gehende Strahl des Lichtbündels heißt Hauptstrahl, er trifft die optische Achse unter dem Winkel « und verläßt ihn unter dem Winkel oc', der im Fall einer idealen Abbildung gleich oc ist. Das von einem nahe gelegenen Objektpunkt Pn ausgehende Lichtbündel trifft das Objektiv divergent, zwischen den Hauptebenen § und verläuft es parallel und konvergiert weiterhin nach einem Bildpunkt P'n, der außerhalb der Brennebene liegt. Zwischen dem Abstand a' des Bildpunktes P^ von ¡jj' (Bildweite) und dem Abstand a des Punktes Pn von £ (Gegenstandsweite) besteht die Gleichung 1 1 1 1 = 1 (i) + a a f Bei photogrammetrischen Aufnahmen haben wir es fast ausschließlich mit Bildern weit entfernter Gegenstände zu tun, Bildebene und Brennebene fallen sehr nahe zusammen. Die Bildweite ist deshalb auch praktisch gleich der Brennweite und wird ebenfalls mit / bezeichnet. Für die meisten in der Photogrammetrie vorkommenden Beziehungen genügt ein noch weiter vereinfachtes Abbildungsschema, indem die von den Objektpunkten ausgehenden Lichtbündel durch die H a u p t s t r a h l e n ersetzt wer- Abb. 2. Vereinfachtes Schema der photogrammetrischen Abbildung den, es ist ferner die Vernachlässigung der kurzen Entfernung d zwischen den Hauptebenen § und ¡Q' möglich. Die Hauptstrahlen werden dann als ein Strahlenbündel betrachtet, dessen Strahlen von den Objektpunkten zu den Bildpunkten ungebrochen verlaufen und sich in der Blendenmitte Bl—Bl des Objektivs schneiden. Dieser Schnittpunkt ist dann Zentrum der Projektion bzw. des Hauptstrahlenbündels (Abb. 2). b) Die Fehler des Objektivs Von der in Abb. 1 schematisch dargestellten idealen Abbildung bestehen in Wirklichkeit Abweichungen, die hier kurz und nur soweit sie für die Photogrammetrie von größerer Bedeutung sind, eingehender besprochen werden müssen. Eine streng punktförmige Abbildung ist nur in der Nähe der optischen Achse, d. i. bei geringer Neigung der Hauptstrahlen, und bei unendlich kleiner

14

Die Grundlagen der Photogrammetrie

Öffnung der Lichtbündel möglich. Photographische Objektive müssen jedoch ein ausgedehntes Bildfeld auszeichnen, also größere Hauptstrahlenneigungen zulassen und lichtstark sein, d. h. eine große Blendenöffnung besitzen und damit weit geöffnete Lichtbündel durchlassen. Um die aus beiden Gründen auftretenden Abweichungen von der punktförmigen Abbildung (Zerstreuungskreise und -figuren) und sonstigen Fehler so klein zu halten, daß sie praktisch unschädlich sind, werden die Objektive aus einer Folge von Linsen mit verschiedenen Abständen aus verschieden stark brechenden Gläsern mit verschiedener Dicke und geeigneten Krümmungshalbmessern konstruiert (siehe Abb. 6). Die bei der Konstruktion des Objektivs zu beachtenden Fehler, die möglichst klein gehalten werden müssen, sind folgende: 1. Die sphärischen Längsabweichuilgen. Achsparallele Strahlen des Dingraums werden nicht genau nach H' (Abb. 1) hin gebrochen, sie schneiden die optische Achse in verschiedenen Schnittweiten, teils vor, teils hinter H'.

T df *

Abb. 3 a. Abb. 3 b. Die sphärischen Längsabweichungen achsparalleler Strahlen (schematisch) Die Restfehler der sphärischen Längsabweichungen (schematisch) Für eine einfache plankonvexe Linse wird der Strahlenverlauf durch Abb. 3a gekennzeichnet, je größer die Einfallshöhe h, desto kleiner ist die Schnittweite s. Die größte Schnittweite hat der der Achse am nächsten gelegene Strahl. — Bei Verwendung einer Linsenkombination kann die sphärische Längsabweichung nicht für alle Einfallshöhen h, sondern nur für zwei, etwa den Randstrahl und den achsenbenachbarten Strahl, ganz beseitigt werden. Dazwischen bleiben Restfehler (Abb. 3b). Die Restfehler der sphärischen Längsabweichungen sind in Abb. 3b als Abszissen, die Einfallshöhen als Ordinaten aufgetragen. Die sphärischen Längsabweichungen verursachen statt punktförmiger Abbildung kleine Zerstreuungskreise. Durch die Korrektion der sphärischen Längsabweichungen für achsparallele Strahlen wird genügende Bildschärfe in der Achse erreicht. F ü r die Bildschärfe in der Nähe der Achse ist die Erfüllung der Abbeschen Sinusbedingung maßgebend, die fordert, daß der Ausdruck

sin ) O. Lacmann: Die Form- und Größenänderungen von Spezialfdmen für Meßzwecke. 355. Bericht der deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt. Berlin 1933.

Geometrische Begriffe und Definitionen

27

auch die Konstanten der Aufnahmekammer. Die innere Orientierung ist somit unabhängig von der Lage der Aufnahmekammer und der Aufnahmerichtung im Raum. Das Lot H'QH' ist auf Grund unserer Definition nicht identisch mit der optischen Achse des Objektivs, fällt aber bei guten Aufnahmekammern mindestens nahe mit ihm zusammen 1 ). Die vorstehende Definition der inneren Orientierung setzt praktisch voraus, daß bei jeder mit derselben Kammer gemachten Aufnahme Bildweite und Bildhauptpunkt H' konstant bleiben; dies ist der Fall, wenn die Bildebene stets mit der in jeder Meßkammer vorhandenen Rahmenebene genügend genau zusammenfällt, also Anliegedifferenzen nicht vorliegen. Das Lot H'0H' definiert dann nicht nur die Aufnahmerichtung, sondern auch eine eindeutige unveränderliche Kammerachse. Zur Bestimmung der inneren Orientierung kann man statt Bildweite und Hauptpunkt auch die vier Positionswinkel « 1 _ 1 einführen, welche die vier Strahlen s vom hinteren Objektivhauptpunkt H'0 nach z. B. in der Mitte der Bildränder gelegenen Rahmenmarken mit der Richtung von H0 nach dem Schnittpunkt M ihrer Verbindungslinien einschließen 2 ). Die vier Positionswinkel «i_4 sind die Konstanten der Kammer oder inneren Orientierung, wobei ein Winkel überschüssig ist. Da die Strahlen s nicht nur den Rahmenmarken, sondern auch deren Abbildungen, den Bildmarken, in jeder beliebigen Lage der Bildebene zur Rahmenebene, also auch bei Vorhandensein von Anliegedifferenzen entsprechen, sind die Winkel a ß dp wahrgenommen werden. Die Feinheit, mit der die WinkelAbb 10 unterschiede dy empfunden werden, ist wesentlich größer als Basisdreieck auf Grund der monokularen Sehschärfe ¡i = i 1' erwartet werden müßte. Danach müßte der Fehler dy von y » 1' • sein, während er in Wirklichkeit auf Grund theoretischer Untersuchungen von Helmholtz und auf Grund der Erfahrung nur die Hälfte, also Helmholtz: Handbuch der physiologischen Optik. Hamburg und Leipzig 1896. Eine eingehende Darstellung findet sich auch in der Z. f. Vermesungswesen 1911 von Schilling: Geometrische Theorie der Stereophotogrammetrie.

Stereoskopisches Sehen und Messen

35

juY = 0'.5 beträgt. Dieser Wert wird stereoskopische Sehschärfe genannt. Ist ba der Augenabstand, y der Konvergenzwinkel der Sehstrahlen bei Betrachtung von P, s die Entfernung (Abb. 10), erhält man leicht die BeZiehungen: (1)

y

«

(2)

dy

=

(3)

mK

=

(4)

ba s s 2o ^

s2

my

ms

ba i

e mY

s

K

Q

Das heißt, die Unsicherheit ms der Tiefenwahrnehmung bei freiäugigem Sehen wird aus der einfachen Beziehung (1) durch Differenzieren (2) und Übergang zu den mittleren Fehlern ms und mY (3) erhalten. Aus (3) geht die sehr wichtige Tatsache hervor, daß die Sicherheit der Tiefenwahrnehmung mit dem Quadrat des Abstandes s sinkt. In Tabelle 1 sind die Werte für die Unsicherheit ms und die relative auf s bezogene Unsicherheit —'- angegeben. Hierbei sind my = 0',5, Q = 3438', die Augenbasis ba = 65 mm gesetzt.

Relative

Unsicherheit

ms

T a b e l l e 1.

- und absolute Unsicherheit s äugigen stereoskopischen Sehens.

t s Meter ü,250 (deutl. Sehweite) 1,00 10,00 100,0 450,0

2 m« -

s

°/

0,56 2,2 22,0 220,0 1000,0

m„

des

3

4



y

0,14 2,20 22,00 22,00 450,00

mm mm cm m m

frei-

15° 3,7° 22,3' 2,2' 0,5'

In der deutlichen Sehweite (s = 25 cm) ist das Tiefenunterscheidungsvermögen sehr fein. Wir können Unterschiede ms von 0,14 mm noch wahrnehmen. Bei wachsenden Abständen s sinkt die Tiefenwahrnehmung rasch. In 450 m Entfernung ist die Unsicherheit ms von derselben Größe wie s, bzw. my = y. Darüber hinaus hört die Tiefenwahrnehmung auf. Die Entfernung von 450 m nennt man den Radius des stereoskopischen Feldes. Er hat für die Photogrammetrie wenig Bedeutung. Bei dieser kommt es darauf an, die Feinheit der Tiefensehschärfe, wie wir sie beim freiäugigen Sehen in der deutlichen Sehweite erreichen (Tabelle 1, Zeile 1), für das Sehen und Messen auf große Entfernungen nutzbar zu machen. 3*

36

Die Grundlagen der Photogrammetrie

Zu erwähnen ist noch, daß beim freiäugigen Sehen die Augachsen bzw. Blickrichtungen um den Winkel y konvergieren, welcher der betreffenden Entfernungen nach (1) entspricht. Zugleich müssen die Augen auch nach S. 33 auf dieselbe Entfernung einzeln (monokular) akkomodieren. Konvergenz und Akkomodation sind also gekoppelt, und zwar automatisch, ohne daß dabei eine Überlegung notwendig ist. Künstliche Verstärkung der Tiefenwahrnehmung. Ohne Zuhilfenahme der Photographie. Es gibt hierzu zwei Mittel, die meist gleichzeitig verwendet werden: 1. Vergrößerung der Augenbasis ba durch Spiegel oder Prismen. 2. Verbesserung der Sehschärfe durch Vergrößerung. Beide Mittel sind bei jedem Prismenfeldstecher (Doppelfernrohr) angewendet, in stärkerem Maß bei stereoskopischen Entfernungsmessern (Stereotelemeter); diese sind ebenfalls Doppelfernrohre mit vergrößertem Augenabstand (Abb. 11). Bei ihnen sind die bestimmten Winkeln entsprechenden Blickrichtungen durch Skalen, die auf den Bildebenen der Einzelfernrohre angebracht sind, festgehalten. Die den Winkeln y nach Gl. (1) entsprechenden Entfernungen sind I I I I H I M M i I I I

I II M I I I I I M I M

y5Aa/o

\j¡Skala

' t - . d " • * I

I

Abb. 11. Stereotelemeter (Schema)

an den Skalen ablesbar. Der Beobachter projiziert die beiden Skalen in den Baum hinaus. Zusammengehörige Marken der beiden Einzelskalen verschmelzen hierbei zu räumlich gesehenen Marken, die in der neben ihnen angeschriebenen Entfernung s in der ebenfalls räumlich gesehenen Landschaft zu schweben scheinen. An der schwebenden Markenreihe können die Entfernungen der in der Landschaft befindlichen Gegenstände abgelesen werden. Die Genauigkeit, mit der die räumlich gesehenen Marken die Entfernungen s angeben, ist wie beim freiäugigen Sehen durch die Gleichung (3) bestimmt, statt der Augenbasis ba ist jedoch die Entfernung b der Austrittsöffnungen der Teil-

Stereoskopisches Sehen und Messen

37

fernrohre einzusetzen. b \ b a — n ist der Basisvergrößerungsfaktor. D u r c h die Fernrohrvergrößerung v wird die Sehschärfe v mal erhöht, ihre Unsicherheit ist deshalb mit m' = m: v einzusetzen. Der Fehler m's bei der Messung m i t dem stereoskopischen E n t f e r n u n g s m e s s e r ist also m's = ms: (n • v). Die in Spalte 3 der Tabelle 1 angegebenen E n t f e r n u n g s f e h l e r t r e t e n deshalb erst bei Entfernungen auf, die | I n • v mal so groß sind wie die in Spalte 1 angegebenen Werte s. Bei einem Entfernungsmesser mit der Basis b = 1,30 m (n = 20) und einer Fernrohrvergrößerung v = 20 würde der Fehler m's von 25 m nach (3) erst bei einer E n t f e r n u n g s =

25 • 3438' • 20 • 1,30 0',5

= 2115 m a u f t r e t e n . W e n n auch durch den stereoskopischen Entfernungsmesser eine wesentliche Verbesserung der T i e f e n w a h r n e h m u n g u n d vor allem eine stereoskopische M e s s u n g der Tiefe nach möglich ist, so ist die auf diesem W e g erreichbare Genauigkeit beschränkt u n d z. B. f ü r topographische Zwecke nicht ausreichend. c) Das stereoskopische Sehen und Messen in der Photogrammetrie Man k a n n den Augen s t a t t der von ihnen u n m i t t e l b a r gesehenen Bilder auch photographische Bilder darbieten u n d ein stereoskopisches Baumbild erzeugen, w e n n die hierzu b e n ü t z t e n P h o t o g r a p h i e n ähnliche Eigenschaften aufweisen, wie die im u n m i t t e l b a r e n Sehen mit beiden Augen w a h r g e n o m m e n e n Bilder, u n d w e n n sie den Augen in entsprechender Weise dargeboten werden. Das bedeutet folgendes: 1. Die Bilder müssen von verschiedenen S t a n d p u n k t e n aus a u f g e n o m m e n sein. 2. J e d e m Auge m u ß ein besonderes Bild z u g e f ü h r t werden. Es geschieht dies am besten durch ein Stereoskop. 3. Die Bilder müssen Horizontalparallaxen (wegen 1), dürfen aber keine oder nur geringe Höhenparallaxen aufweisen, da sich die Augen zwar in horizontaler R i c h t u n g (parallel zur Augenbasis) bewegen, n i c h t jedoch einzeln senkrecht zur Blickebene ausweichen können. Zu 1. Die E n t f e r n u n g b (Basis) zwischen den A u f n a h m e p u n k t e n soll sich zur E n t f e r n u n g s des aufgenommenen Objekts etwa so verhalten, wie der Augenabstand zu nahe gelegenen O b j e k t e n beim freiäugigen Sehen. Bei der deutlichen Sehweite ist z. B. b: s = 1 : 4 . Doch k a n n das Verhältnis in der Photogrammetrie stark nach oben u n d u n t e n abweichen u n d schwankt je nach Verhältnissen zwischen 1 : 20 (terrestrische P h o t o g r a m m e t r i e ) u n d 2 : 1 (Luftaufnahmen m i t P a n o r a m a k a m m e r ) . Zu 2. Beim freiäugigen B e t r a c h t e n von Stereoskopbildern t r e t e n Schwierigkeiten auf. Wir können wohl die beiden Teilbilder zu einem Stereobild verschmelzen, wenn die Bilder im A u g e n a b s t a n d nebeneinander gelegt sind: Die Augen müssen dabei jedoch auf die N ä h e akkomodieren, w ä h r e n d ihre Blick-

38

Die Grundlagen der Photogrammetrie

richtungen parallel sind, so daß sie beide Bilder getrennt sehen. Die Augen konvergieren also auf einen fern gelegenen Punkt. Die Akkomodation auf die Nähe bei gleichzeitiger Konvergenzeinstellung auf die Ferne ist zunächst schwierig, sie gelingt erst nach einiger Übung, auch dann empfindet man den Vorgang meist als unbequem oder unsicher. Diese Schwierigkeit wird durch das Linsenstereoskop beseitigt, dessen Linsen die von den Bildern kommenden Strahlen parallel machen, als ob sie aus der Ferne kämen, und so den auf „unendlich" akkommodierten und konvergierten Augen zuführen (s. S. 44). Zu 3. Freiheit von Höhenparallaxen ist für e i n e n Punkt P des Raumbildes dann gegeben, wenn sich die Blickrichtungen nach den beiden Bildpunkten P' und P" im Raum schneiden und deshalb in einer Blickebene (Kernebene S. 30) liegen. Die Bildpunkte erscheinen dann dem Beobachter „gleich hoch". Damit in einem größeren Bereich oder im ganzen Bild stereoskopischer Eindruck entstehen kann, müssen auch alle übrigen einander entsprechenden Punkte und Stellen der Teilbilder den einzelnen Augen gleich hoch erscheinen. Dies ist streng nur dann möglich, wenn die photographisch aufgenommenen Bilder der Stereoaufnahme den bei freiäugigem Sehen von den beiden Augen empfundenen Bildern in einem wichtigen Punkt entsprechen: daß sie bei der Aufnahme in einer Ebene parallel zur Basis waren, und somit der Normalfall, S. 31 vorlag. Vertikal- oder Höhenparallaxen. Die Erfahrung lehrt, daß wir photographische Bilder auch dann noch stereoskopisch sehen können, wenn sie vom Normalfall abweichen, die Teilbilder also den Augen nicht überall genau gleich hoch erscheinen und deshalb Höhenparallaxen vorliegen. Um die dann vorliegenden Verhältnisse zuverlässig beurteilen zu können, ist es zweckmäßig, die zwischen den Kernebenen, den Bildern und dem Raum bestehenden Beziehungen zu Hilfe zu nehmen. Denken wir uns das aufgenommene Objekt durch die Ziel- oder Kernebenen (S. 30) in Punktreihen eingeteilt, die von den einzelnen Kernebenen aus ihm herausgeschnitten werden, so liegen die Bildpunkte einer solchen Objektpunktreihe auf zusammengehörigen Kernstrahlen; sie haben auf diesen ungleiche Abstände, die aber keineswegs störend wirken, sondern den Raumeindruck erzeugen. Je ein Paar zusammengehöriger Kernstrahlen kann nämlich durch Verschiebung und Drehung der beiden Bilder in gleiche Höhe, d. h. parallel zur Augenbasis des Beobachters gestellt werden. Dieser hat dann längs der betreffenden Kernstrahlen nur Horizontal- und keine Höhenparallaxen und deshalb einen zwangsfreien Raumeindruck. Soll dieser auch nach oben und unten reichen, so müssen zusammengehörige Bildpunkte von dem bereits betrachteten Kernstrahlenpaar gleichen Abstand haben. Dies setzt voraus, daß alle übrigen Kernstrahlen unter sich und zum bereits betrachteten Kernstrahl parallel sind, und daß zusammengehörige Kernstrahlen von jenem gleichen Abstand haben, also der Normalfall vorlag (Abb. 9c). Da die Aufnahmen in der Regel vom Normalfall abweichen, konvergieren oder divergieren die Kernstrahlen und haben auf beiden Bildern nicht denselben Abstand.

Stereoskopisches Sehen und Messen

39

Sie werden bei der Betrachtung auch nicht immer so gestellt, daß die durch das betrachtete Bildpunktepaar gehenden Kernstrahlen parallel zur Augachse stehen. Glücklicherweise sind die Augen aber imstande, die außerhalb des eingestellten Punkts auftretenden Höhenparallaxen bis zu einem gewissen Grade auszugleichen, wenn sie den Augen nicht unter größerem Winkel als rd. 1° erscheinen. Um den Raumeindruck von Stereoaufnahmen, die nicht dem Normalfall entsprechen, zu verbessern und auf einen möglichst großen Bereich auszudehnen, sind folgende Maßnahmen möglich: 1. Die Bilder eines betrachteten Punktes werden gleich hoch gestellt, so daß dort keine Höhenparallaxe vorhanden ist. 2. Durch Drehen der Aufnahmen um den betrachteten Punkt kann man die durch diesen Punkt gehenden Kernstrahlen parallel zur Augenbasis stellen und dadurch nach links und rechts längs dieser Kernstrahlen die Höhenparallaxen beseitigen. (Betrachten in Kernebenen oder nach Kernstrahlen orientiert.) 3. Durch zusätzliche Vergrößerung des einen Bildes können die Höhenparallaxen auch senkrecht Rj ober- und unterhalb des betrachteten Punkts beseitigt werden, wenn die Entfernungsuntersch ede in der Umgebung des betrachteten Punkts nicht zu groß sind (Vergrößerungsausgleich). 4. Infolge Konvergenz oder Divergenz der Kernstrahlen bestehen Abb. 12a u. 12b nun noch außerhalb der durch den betrachteten Punkt gehenden Horizontalen und Vertikalen restliche Höhenparallaxen. Diese lassen sich nur durch Umphotographieren der Bilder auf den Normalfall beseitigen. Die Wirkung der Maßnahmen 1) und 2) kann man ohne weiteres an einem gewöhnlichen Stereoskop, am besten mit Luftbildern unebenen Geländes erproben, Abb* 12a u. 12b zeigt die Bilder der Konvergenzaufnahmen 9a und der Parallelaufnahmen 9 b bei Betrachtung des Punktes P2 bzw. Pl nach Kernstrahlen orientiert. An den Auswertegeräten wird Maßnahme 1) unter allen Umständen erreicht; 2) nach Möglichkeit, wobei die Drehung meist nicht an den Bildern selbst, sondern optisch durch Aufrichteprismen (S. 150) vorgenommen wird; 3) spielt bei verschiedenen Auswertegeräten, z. B. beim l'lanigraphen von Zeiß, eine Rolle; 4) ist eine Möglichkeit, von der meist

40

Die Grundlagen der Photogrammetrie

nicht Gebrauch gemacht wird, da im beschränkten Gesichtsfeld der Auswertegeräte genügende Verminderung der Höhenparallaxen d u r c h 1) u n d 2), gegebenenfalls auch 3) bei wohl allen praktisch v o r k o m m e n d e n Fällen erreicht wird. Nur wenn die g a n z e n Bilder, vor allem bei weitwinkligen A u f n a h m e n , stereoskopisch b e t r a c h t e t werden sollen, m u ß der Normalfall a n n ä h e r n d vorliegen, da sonst trotz der M a ß n a h m e n 1) bis 3) die Höhenparallaxen zu stark anwachsen. Horizontal- oder S e i t e n p a r a l l a x e n . Nicht n u r die Höhenparallaxen, sondern auch die Seitenparallaxen der Bilder können so beschaffen sein, d a ß der Raumeindruck d a d u r c h gestört wird. Es k o m m t hierbei weniger auf ihre absolute Größe an, sondern darauf, ob sie im b e t r a c h t e t e n Bereich ihre Größe stark ändern oder annähernd gleich sind. In dieser Hinsicht sind vor allem die P u n k t e n t f e r n u n g e n s von Einfluß. Sind diese sehr verschieden, wie dies bei terrestrischen A u f n a h m e n meist der Fall ist, treten Störungen des R a u m eindrucks schon auf, wenn die E n t f e r n u n g e n s von der A u f n a h m e s t a n d l i n i e etwa dreimal so groß wie die Basis oder die Horizontalparallaxen etwa 1 / 3 der Bildweite sind. Bei L u f t a u f n a h m e n auf flaches u n d hügeliges Gelände können die E n t f e r n u n g e n s auf ' / j der Basis sinken u n d die Horizontalparallaxen d a m i t auf das dreifache der Bildweite steigen, ohne d a ß der R a u m e i n d r u c k Schaden leidet. Voraussetzung ist bei solchen A u f n a h m e n nur, daß der Normalfall annähernd vorliegt, weil sonst, entsprechend dem vorhin Gesagten, die Höhenparallaxen störend wirken. Das photographisch erzeugte Raumbild. Dadurch, daß wir die p h o t o graphischen Bilder mit dem Stereoskop den Augen zuführen, werden für die B e t r a c h t u n g die Strahlenbündel der A u f n a h m e n mit ihren Zentren in die Augen v e r l e g t 1 ) . Von ihnen aus werden zusammengehörige S t r a h l e n n i c h t u n t e r den beim freiäugigen Sehen auf große E n t f e r n u n g sehr kleinen W i n k e l n y, sondern u n t e r großen Winkeln y wie bei der A u f n a h m e zum S c h n i t t gebracht. Dadurch entsteht ein verkleinertes R a u m m o d e l l mit u m s o stärkerer Tiefenwirkung, je größer die Aufnahmebasis b war. B e t r a c h t e t m a n die Bilder u n t e r den gleichen Öffnungswinkeln, wie sie die Strahlen bei der A u f n a h m e einschlössen, so wird die T i e f e n w a h r n e h m u n g gegenüber dem freiäugigen Sehen im Verhältnis b:ba= n verstärkt, wobei b die Aufnahmebasis, ba der Augenabstand ist. Die Aufnahmebasis u n d d a m i t n nehmen sehr große Beträge a n , z. B. bei einer L u f t a u f n a h m e ist die Basis nicht u n t e r 300 m, was einer n = rd. 4500fachen Verstärkung der T i e f e n w a h r n e h m u n g gleichkommt, deshalb ist die Tiefensehschärfe groß u n d der R a u m e i n d r u c k sehr wirkungsvoll. Beide werden noch verstärkt, wenn die Winkel der A u f n a h m e s t r a h l e n bündel bei der B e t r a c h t u n g d u r c h die Optik eines Stereoskops v mal vergrößert werden. Das P r o d u k t n • v entspricht, wie bei den D o p p e l f e r n r o h r e n , S. 36, der gesamten Verstärkung des stereoskopischen Sehvermögens u n d 1 ) Fr. Schilling: Die geometrische Theorie der Stereophotogrammetrie. Z. f. Vermessungswesen 1911. Siehe dort eine ausführliche Behandlung der meisten im folgenden behandelten Fragen.

Stereoskopisches Sehen und Messen

41

wird t o t a l e P l a s t i k genannt. Die Wirkungen von n und v sind dabei verschieden, n bewirkt eine Verkleinerung des Objekts unter gleichzeitiger Verstärkung der Tiefenwahrnehmung, v bewirkt eine gleichmäßige Vergrößerung des Objekts und der Tiefensehschärfe. Von Bedeutung ist in einigen Fällen der sogenannte p s e u d o s k o p i s c h e E f f e k t , der dann entsteht, wenn man beide Teilbilder oder in jedem Teilbild durch Drehen um 180° links und rechts vertauscht. Die Tiefenfolge des Raums wird dadurch umgekehrt. Trotzdem ein solches pseudoskopisches Bild allen Erfahrungen meist widerspricht, vermag man es oft klar zu sehen. Es ist dies ein Beweis für die A n p a s s u n g s f ä h i g k e i t des stereoskopischen Eindrucks an die in diesem Fall durch die Vertauschung der Bilder gegebenen Verhältnisse. Außer den genannten Veränderungen der Tiefe nach erleidet das Raummodell auch Schrägstellungen und Verbiegungen, wenn z. B. verschwenkte Aufnahmen durch ein Stereoskop mit zu den Bildern normalen Blickrichtungen betrachtet werden; auch bei der Betrachtung durch das Objektiv nach dem Porro-Koppeschen Prinzip (S. 53) erscheinen die seitlichen Bildteile mit dem Kosinus des angularen Abstandes von der Mitte verkürzt, die randlichen Modellteile werden dadurch für die stereoskopische Betrachtung aufgebogen. Werden ferner Normalaufnahmen z. B. im Stereokomparator mit zu den Bildern überall normalen Blickrichtungen betrachtet, erleiden zwar zu den Bildern parallele Ebenen des Modells keine Verbiegung, dagegen erscheinen Senkrechte zu diesen Ebenen (bei Senkrechtaufnahmen z. B. Bäume und Häuser) in den randlichen Modellteilen schräggestellt. — Diese Verbiegungen und Schrägstellungen sind — solange keine Höhenparallaxen mit ihnen auftreten — überraschenderweise k a u m von störendem Einfluß. Der Betrachter vermag sie dank seiner Vorstellungskraft auf Grund der Erfahrung weitgehend auszugleichen. Der auf dem Weg über die Photographie erzielbare sehr starke Raumeindruck ist die Grundlage der Stereophotogrammetrie. Er ist, obgleich nur an einem virtuellen Bild wirksam, von außerordentlicher Sicherheit und Uberzeugungskraft und erstreckt sich nicht nur auf einzelne Punkte, sondern auf größere Bereiche. Dadurch, daß jeder Mensch mit normalen oder entsprechend korrigierten Augen diesen Raumeindruck wahrnehmen kann, ist dieser die Grundlage des heute weithin eingebürgerten Verfahrens der Stereophotogrammetrie geworden. Damit dies möglich war, mußte er noch für die Messung verwertbar gemacht werden. Die wandernde Marke. Bringen wir bei der stereoskopischen Betrachtung in das Gesichtsfeld jedes Teilbildes je eine „gleichhohe" Marke, so bestimmen diese Marken dort je einen Aufnahmestrahl. Die beiden Marken verschmelzen für den Beobachter zu einer räumlich gesehenen Marke an d e r Stelle des Raumbildes, die dem Schnitt der Aufnahmestrahlen im wirklichen Raum bei der Aufnahme entspricht. Stellt man die Marke m\ in der linken Aufnahme auf das Bild P[ des Punktes in der rechten m{ auf das Bild P'^ desselben

42

Die Grundlagen der Photogrammetrie

Punktes, so scheint die räumliche Marke im Raumbild auf dem Punkt P1 aufzusitzen bzw. mit ihm zusammenzufallen. Verschiebt man nun z. B. im rechten Bild die Marke m " nach links, in Abb. 13 nach m'^, so entspricht dies einer Vergrößerung des Winkels y zwischen den durch die Marken bestimmten Aufnahmestrahlen, die räumlich gesehene Marke wird nun im Raumbild vor dem Punkt P1 schweben. Die seitliche Bewegung der rechten Bildmarke hat so eine Bewegung der Raummarke nach der Tiefe zur Folge gehabt. Durch gegenseitige Verschiebung der Bildmarken parallel zur Basis kann man also eine Verschiebung der Raummarke nach der Tiefe, ferner durch gleichsinniges Verschieben der Bildmarken nach der Seite oder Höhe eine Verschiebung der Raummarke nach Seite und Höhe bewirken und mit ihr so alle Stellen des virtuellen Raumbilds Abb. 13. Stereoskopisches erreichen (abtasten). Praktisch werden die BildPrinzip marken nicht auf den Bildern selbst bewegt, sondern entweder die Marken auf die Bilder projiziert (Stereokomparator) oder umgekehrt die Bilder auf die Marken (Multiplex, Planigraph); eine relative Bewegung der Marken zu den Bildern in der Projektion erweckt für den Betrachter ebenso wie oben den Eindruck einer wandernden Raummarke. Stereoskopische Meßgenauigkeit. Die Genauigkeit, mit der die durch die Bildmarken erzeugte räumliche Marke auf das Raumbild aufgesetzt und dieses dadurch ausgemessen werden kann, ist vom Auflösungsvermögen m der beiden Teilbilder abhängig. Falls die Betrachtung monokular mit genügender Vergrößerung erfolgt und das Auflösungsvermögen der Emulsion ausgenutzt wird, ist m0 = 0,03 mm für Luftaufnahmen (bzw. 0,02 bei terrestrischen). Bei einer Brennweite von / = 200 mm entspricht dies einem Richtungsfehler von

p" = rd. 30". Die einzelne Bildmarke kann 200 mm c also (monokular) mit einer Genauigkeit von 0,03 mm auf einen Bildpunkt eingestellt und der zugehörige Aufnahmestrahl mit einem Fehler ¡i 0 = 30" festgelegt werden. Werden aber beide Bildmarken im Raumbild zu einer Marke verschmolzen aufgesetzt, so addieren sich ähnlich wie beim stereoskopischen Sehen mit freiem Auge oder mit dem Fernrohr die den beiden Einzelstrahlen anhaftenden Fehler n i c h t . Dank dem Stereoeffekt sinkt dieser Fehler erfahrungsgemäß auf die Hälfte (s. S. 34). Die stereoskopische Meßgenauigkeit fi ist also auch hier rund doppelt so groß wie die monokulare. Durch das stereoskopische Sehen kann auch das Auflösungsvermögen der Emulsion weiter ausgenutzt werden, und zwar ebenfalls auf das Doppelte gegenüber dem monokularen Sehen, so daß m = — = 0,015 mm bzw. 0,01 mm ¿i beträgt. Die Genauigkeit des stereoskopischen Messens wird aus der Formel (1)

43

Stereoskopisches Sehen und Messen

ähnlich wie beim stereoskopischen Entfernungsmesser durch Differenzieren abgeleitet.

In (3) und (4) S. 35 wird m v durch fi = y o, die Augenbasis ba

durch die Aufnahmebasis b ersetzt. s2 m m (5) > = j-~f->

(6)

m„ 7 =

s

m n

Geometrisch bedeutet das, daß der Winkel y im Neupunkt nicht durch Vorwärtsschnitt mittelbar aus den monokular gemessenen Winkeln « und ß (Abb. 14) abgeleitet, sondern unmittelbar stereoskopisch gemessen wird. Es handelt sich um einen o r i e n t i e r t e n R ü c k w ä r t s s c h n i t t , der Winkel y im Neupunkt ist mit stereoskopischer Meßgenauigkeit n gemessen, seine Winkelschenkel sind mit monokularer Genauigkeit ju0 von den Standpunkten A und B aus orientiert. Abb. 14 deutet die Fehlerfigur beim Vorwärtsschnitt von A und B nach P durch das schraffierte Viereck an und zeigt sie beim photogrammetrisch orientierten Rückwärtsschnitt. Bei letzterem ist der eine geometrische Ort für die Lage von P der Kreis k, der durch den PeripherieWinkel y über AB als Sehne Bgegeben ist. Durch den A b b t 1 4 ; Fehlerfigur des B ' orientierten Ruckwarts-

mittleren Fehler ¡j,=

- - Q von y ist nach (5)

die

schnitts

Unsicherheit ms von P senkrecht zu k gegeben, man erhält dadurch die beiden Kreise kx und k2 (Abb. 14), zwischen denen P mit der bekannten Wahrscheinlichkeit des mittleren Fehlers liegt. In Richtung des Kreises k ist die Lage von P durch die Unsicherheit fi 0 der monokularen Messung von ix und ß gegeben. Die stereoskopische Messung verkleinert also die Fehlerfigur des Vorwärtsschnitts durch Abschneiden der Spitzen des in Abb. 14 schraffierten Fehlervierecks wesentlich. Von großer praktischer Bedeutung ist es ferner, daß die stereoskopische Messung von y fast in allen Fällen frei von Identifizierungsfehlern ist, während im Fall des Vorwärtsschnitts, wie er auch in der Meßtischphotogrammetrie vorkommt, das richtige Erkennen desselben Punktes P von A und B aus nur mit weniger großer Sicherheit vor groben Fehlern und nur bei wirklich markanten Punkten möglich ist. Das stereoskopische Erkennungsvermögen ist nur bei ganz gleichförmig gestalteten Objekten, wie Firnfeldern von Gletschern, wellenförmigem Dünengelände usw., Täuschungen ausgesetzt. Die Genauigkeit der stereoskopischen photogrammetrischen Messung ist in Tabelle 2 nach (5) und (6) für drei typische Fälle, wenn andere Fehler ausgeschaltet sind, zusammengestellt. Tabelle 2 zeigt, daß wir imstande sind, auf stereophotogrammetrischem Wege große Entfernungen auf Meter genau zu messen mit einer relativen Ge-

44

Die Grundlagen der Photogrammetrie

nauigkeit mjs, die der beim freiäuigigen Sehen in deutlicher Sehweite erreichbaren gleichkommt bzw. sie noch übertrifft (Tab. 1). T a b e l l e 2. Typische Aufnahmefälle 1. Erdphotogrammetrie s = 5000 m, b = 500 m 2. Luftphotogrammetrie s = 5000 m (Flughöhe) a) Bildwinkel 60°, b = 1lis\ f — 20 cm b) Weitwinkelaufnahmen i> = 2 / 3 s; / — 10 cm

m





s

V

0,01 mm

± 2,5 m

0,5 «/00



0,015

± 1,1 m

0,22 °/00

20°

0,015

± 1,1 m

0,22 0,01 mm dürfen nicht vorhanden sein. 2. Die Parallelität der Bildebene zur Stehachse wird bei vertikalgestellter Stehachse durch Aufnahme von l a n g e n L o t e n geprüft, die sich an den Bildrändern abbilden. Die Lote müssen sich auf 0,01 mm genau parallel und gerade *) G. Heß: Ein neuer leichter Phototheodolit für Hochgebirge und Expeditionen. Bildm. und Luftbildw. 1938/3. F j u s t e r w a 1 d e r , Photogrammetrie

5

66

Terrestrische Photogrammetrie

abbilden und müssen auch bei Aufnahmen, die mit verschiedener Schieberstellung gemacht sind, gleichen Abstand haben. Die Lote werden zweckmäßig an einer gegenüberliegenden Hauswand aufgehängt. Die Lotgewichte läßt man zwecks Dämpfung der Lotunruhe in Wasserkästen frei endigen. Die scharfe und gerade Abbildung der Lote in den Bildecken bei stark abgesenktem Objektiv ist eine wirksame Prüfung des Auflösungsvermögens und der Verzeichnungsfreiheit des Objektivs an den kritischen Stellen. Durch die Gleichabständigkeit der Lote bei verschiedenen Schieberstellungen wird zugleich die Parallelität der Schieberführung zur Bildebene und zur Stehachse geprüft. Nichtparallelität der Bildebene zur Stehachse hätte eine Konvergenz der Lote zur Folge, aus der mit Formel (17) S. 48 die Neigung der Bildebene leicht gerechnet werden kann. Eine Beseitigung dieser Neigung wie der anderen bei Prüfung durch 2. etwa auftretenden Fehler wäre nur durch die Fabrik möglich. 3. Die Richtung der Hauptvertikalen und damit des senkrecht zu ihr stehenden Horizonts wird ebenfalls durch die Richtung der Lote geprüft, die Verbindungslinie der Glasmarken muß parallel zu ihnen sein. 4. Die Lage des Bildhauptpunktes auf der Verbindungslinie der Glasmarken wird durch die Berechnung der inneren Orientierung (s. S. 55f.) geprüft. Durch Justieren der Glasmarken kann sowohl Richtung und Lage dieser Verbindungslinie beeinflußt und Bedingung 3. und 4. erfüllt werden. 5. Die richtige Lage des Horizontzeigers in Höhe des Hauptpunktes wird ebenfalls durch Berechnung der inneren Orientierung nach Seite 58 kontrolliert. Stereometerkammern. Für Aufnahmen naher Gegenstände sind Stereometerkammern mit fester Basis gebaut worden, sie stellen den Normalfall her und lassen eine gleichzeitige Momentbelichtung beider Aufnahmen zu, so daß auch bewegte Gegenstände aufgenommen werden können. Das klassische Aufnahmegerät ist die Stereometerkammer Selke-Zeiß mit 18 cm Brennweite, veränderlicher Bildweite und festen Basiseinstellungen von 50 cm, 37,5 cm und 25 cm. Die neueren Kammern haben meist kleinere Brennweiten und größere Basen. Allgemeines über terrestrische Ausrüstungen. Bei terrestrischen Aufnahmekammern ist in erster Linie darauf zu sehen, daß die innere Orientierung konstant ist und das Objektiv genau und scharf genug zeichnet. Die strenge Einhaltung der theoretisch erforderlichen Genauigkeit ist bei Messung der äußeren Orientierungselemente mit Ausnahme der Basis und Konvergenz erforderlich. Die letzteren müssen am Auswertegerät auf Grund von Geländepaßpunkten korrigiert werden und zwar, wie man erkannt hat, in der Regel auch dann, wenn sie mit den Präzisionsausrüstungen theoretisch genau genug gemessen sind (S. 87). Die Bedeutung der Präzisionsausrüstung, welche im Hinblick auf sehr genaue Messung dieser beiden Orientierungselemente gebaut worden sind, dürfte deshalb zurZeit zurücktreten, da die leichten Ausrüstungen die äußere Orientierung mit praktisch genügender Genauigkeit

67

Meßtischphotogrammetrie

messen lassen und die mit ihnen erzielbare Genauigkeit bei der Auswertung ebenso groß ist, während sie in wirtschaftlicher Hinsicht den teuren und besonders bei der Feldarbeit und beim Transport schwerfälligeren Präzisionsausrüstungen überlegen sind. 2. Meßtischphotogrammetrie Die Meßtischphotogrammetrie, auch Einschneidebildmessung genannt, ist die erste Entwicklungsstufe der Photogrammetrie überhaupt. Der französische Oberst Laussedat hat das Verfahren seit 1859 für militärische Zwecke benützt; seitdem Jordan die klassisch gewordene Aufnahme der Oase Dachel um 1874 nach diesem Verfahren durchgeführt hat, wurde es gegen Ende des vorigen Jahrhunderts von verschiedenen Landesaufnahmen, besonders der italienischen und österreichischen für Hochgebirgstopographie, ferner von Forschern wie S. Finsterwalder für Gletscheraufnahmen verwendet. Typisch für das Verfahren ist der geringe Instrumentenaufwand, der in einer ganz einfachen Meßkammer besteht, während die Auswertung graphisch-rechnerisch auf Grund der Bilder erfolgt. Darin liegt auch die praktische Bedeutung des Verfahrens für die Gegenwart, es ist in all den Fällen wichtig, wo Auswertegeräte nicht zur Verfügung stehen oder von vornherein einfachste Arbeitsverhältnisse bei der Aufnahme angestrebt werden müssen, wie dies oft noch auf Forschungsreisen der Fall ist. Für Unterrichtszwecke ist das Verfahren nicht allein wegen seines geringen Instrumentenaufwands, sondern auch deshalb wichtig, weil es für die geometrischen Verhältnisse der Photogrammetrie sehr lehrreich ist und es ja auch den Grund zur Entwicklung der anderen Verfahren gelegt hat. Das Yerfahren der Meßtischphotogrammetrie. Wie ihr Name sagt, ist sie ein Verfahren, das der bekannten Meßtischaufnahme gleicht. Das aufzunehmende Gelände wird so durch photogrammetrische Einzelaufnahmen erfaßt, daß jedes Stück durch mindestens zwei Aufnahmen gedeckt wird, deren Strahlen sich in den Geländepunkten unter Winkeln schneiden, die nicht zu klein sein dürfen und im günstigsten Fall 90° betragen. Die Aufnahmepunkte und -richtungen, kurz alle Elemente der äußeren Orientierung werden im Felde gemessen, die Geländepunkte werden dann zu Hause einzeln als Vorwärtsabschnitte konstruiert, wobei die Grundrisse der Strahlen mit Hilfe der Bildabszissen aufgetragen, die Höhen aus den Ordinaten jedoch rechnerisch gewonnen werden. Abb. 25 a zeigt im Schrägriß schematisch die Aüfnahmeverhältnisse für die Rekonstruktion eines Punktes P bei Aufnahmen von zwei Punkten A und B. Durch die Feldaufnahmen sind die Aufnahmeorte A und B und die Aufnahmerichtungen AH' und BH' festgelegt. Sie werden im Grundriß von A und B aus aufgetragen (siehe Abb. 25b, die den Grundriß von 25a darstellt), senkrecht dazu werden im Abstand / (oder n • /) die Bildspuren gezeichnet. Auf dieser werden von H' bzw. H" aus im Abstand x' bzw. x" (bzw. n • x',n • x") die Grundrisse der Bildpunkte P' und P" abgetragen; durch Verbinden von 5*

68

Terrestrische Photogrammetrie

(*8-VB.zB) Abb. 25a.

Das Prinzip der Meßtischphotogrammetrie

P' mit A und P" mit B erhält man den Grundriß der Aufnahmestrahlen AP' und BP", ihr Schnitt gibt den Geländepunkt P im Grundriß. Die Höhe zP von P ergibt sich doppelt aus den Entfernungen sA und sB, sowie den Höhenwinkeln ßA und ßB der Aufnahmestrahlen: (1)

ZP =

ZA+SA•

t g ßA

=

ZB

+

SB

• t g ßB

.

sA und sB werden dem Grundriß entnommen, tg ßA und tg ßB aus den Bildordinaten nach (2) S. 51 berechnet (sA = AP und sB = BP in Abb. 25b). Die in (1) enthaltene Höhenkontrolle ist von grundlegender Wichtigkeit. Sie beruht darauf, daß für jeden Punkt nur 3 Stücke, seine Raumkoordinaten x y z, gefunden werden müssen, hierfür jedoch 4 Stücke, nämlich je zwei Bildkoordinaten zur Verfügung stehen, sodaß ein Stück überschüssig ist. Gleichung (1), die für jeden Punkt aufgestellt werden kann, kontrolliert: 1. die richtige Punktidentifizierung und Bildkoordinatenentnahme, 2. die Richtigkeit der «S äußeren, insbesondere der Abb. 25b. Grundrißzeichnung in der Meßtischphotogegenseitigen Orientierung, grammetrie 3. die Richtigkeit der zeichnerischen und rechnerischen Auswertung, 4. in summarischer Form die Genauigkeit der Lage und besonders der Höhen. In der Luftphotogrammetrie dient dieselbe Höhenkontrolle, nur in etwas anderer Form zum Aufsuchen der unbekannten Elemente der gegenseitigen Orientierung.

Triangulationen

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Identifizierung mittels Kernstrahlen. Die als Höhenkontrolle benutzte Überbestimmung kann man auch für Identifizierungszwecke auf dem Umweg über die Kernstrahlen benutzen. Wenn ein Punkt nur auf einem Bild sicher erkannt werden kann, so ist es möglich, für seine Lage auf dem anderen Bild den Kernstrahl als geometrischen Ort anzugeben, was dann von Bedeutung ist, wenn es sich um die Rekonstruktion von Linien (Gewässer, Wege usw.) handelt. Auf Grund der Abb. 9 a ist dies leicht einzusehen: Da bei bekannter innerer und äußerer Orientierung von zwei Aufnahmen die K e r n p u n k t e b e k a n n t s i n d (Abb. 25b), läßt sich auf dem ersten Bild der Kernstrahl durch den betreffenden Bildpunkt P' leicht als Verbindungslinie mit dem Kernpunkt K' zeichnen; er wird bis zur Schnittgeraden s — s der beiden Bildebenen verlängert und bestimmt dort den Punkt der mit dem Kernpunkt K" des zweiten Bildes verbunden den Kernstrahl auf diesem Bild und den gesuchten geometrischen Ort für die Lage des Bildpunkts P" ergibt. Liegt dieser an einer Linie (Bachlauf, Weg), so läßt sich P" als Schnitt dieser Linie mit dem Kernstrahl K" angeben. Praktische Anwendung. Eine eingehende Beschreibung und Diskussion des Verfahrens gibt S. Finsterwalder *). Bei einer umfangreichen Aufnahme im Hochgebirge ergaben sich mittlere Aufnahmeentfernungen von rd. 2 km, aus 1500 Höhenkontrollen wurde ein Fehler von durchschnittlich 1,96 m bestimmt. Ein Punkt wurde im Durchschnitt durch drei Strahlen vorwärts abgeschnitten ; die Ausmessungen der Bildkoordinaten wurden an Papierabzügen vorgenommen. Das Verfahren wird bis in neueste Zeit hinein, meist im Hochgebirge bei schwierigen Verhältnissen 2) angewendet. Sein Hauptnachteil ist die recht langwierige Identifizierung derselben Punkte auf den verschiedenen Bildern. Die häusliche Auswertung dauert deshalb lange, bringt aber den Bearbeiter in sehr enge Verbindung mit dem Gelände, was dazu Anlaß gegeben hat, daß über die meßtischphotogrammetrische Bearbeitung hinaus sehr schöne Karten entstanden sind. Als heute noch wichtiges Anwendungsgebiet sei schließlich noch die Aufnahme von Gebäuden erwähnt, besonders alter Bauwerke. Man muß bei der Auswertung nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von Punkten benützen, da die Gesetzmäßigkeit der an Gebäuden vorhandenen Linien und Punkten die Rekonstruktion wesentlich erleichtert. 3. Triangulationen Bei flüchtigen Aufnahmen ist es oft nicht möglich, Erkundung, Signalisierung und Winkelmessung in der üblichen Weise vorzunehmen, die Photogrammetrie kann dann in folgender Weise wichtige Dienste leisten. ') S. Finsterwalder: Zur photogrammetrischen Praxis. Z. f. Vermessungswesen. 1896. 2 ) Z. B. die Shaksgam Expedition 1937 hat im Karakorum umfangreiche meßtischphotogrammetrische Aufnahmen gemacht. Geographical Journal 1938 Heft 4 S. 331—334.

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Terrestrische Photogrammetrie

Ergänzung und Sicherung einer normalen Triangulation. Ist man sich wegen mangelnder Signalisierung und Erkundung bei der Winkelmessung im Feld über die Richtigkeit anzuzielender Punkte im unklaren, so macht man vorn Theodolitstandpunkt aus eine Meßaufnahme in Richtung der unsicheren Visur und kann auf ihr zu Hause auf Grund eingehenden Studiums, späterer Felderfahrung oder von Versuchen die richtigen Zielpunkte ermitteln und ausmessen. Notwendig ist, daß die Meßaufnahme durch die Aufnahmerichtung und Anzielung mindestens e i n e s markanten, auf der Meßaufnahme erkennbaren Punktes an den Richtungssatz der Theodolitmessungen angeschlossen wird. Rein photogrammetrische Triangulation. Man kann auf jede Theodolitwinkelmessung im Feld verzichten, wenn man in den Netzpunkten photogrammetrische Panoramen und Teilpanoramen aufnimmt, denen zu Hause die Netzwinkel entnommen werden. Voraussetzung ist hierbei, daß die Standpunkte an markanten Geländestellen gegenseitig sichtbar liegen, so daß die gegenseitigen Visuren zwischen den Standpunkten sicher gewonnen werden können, wünschenswert ist eine möglichst gute Näherungsorientierung der Aufnahmen durch Bussole. Die Bildkoordinaten, aus denen mittels der Formeln (la) und (2a) (S. 51) oder bei geneigten Aufnahmen viel umständlicher mit (5a) und (5c) die Horizontal- und Vertikalwinkel mit einer Genauigkeit von 0',5 abgeleitet werden, mißt man bei Verfahren a) und b) mit einem Komparator oder dem Stereokomparator; letzterer ist dann am Platz, wenn zwecks leichterer Erkennung der Zielpunkte außer der Meßaufnahme jeweils noch eine weitere Aufnahme von einem rechts nicht allzuweit entfernt gelegenen Punkt zu Zwecken stereoskopischer Betrachtung und dadurch erreichbarer leichterer Punktidentifizierung gemacht worden ist. Verfahren a) und manchmal auch b) hat bei Forschungsreisen große praktische Bedeutung, wenn es sich darum handelt, für stereophotogrammetrische Kartenaufnahmen das notwendige genaue Festpunktsnetz zur Berechnung der stereophotogrammetrischen Stand- und Paßpunkte zu schaffen 1 ) . Mehr theoretisches Interesse bietet das folgende Verfahren. Die gnomonische Reziprokalprojektion2). Sind in besonders schwierigen Fällen die Sichten zwischen den Standpunkten nicht vorhanden oder draußen und auf den Bildern z.B.wegen schlechter Erkennbarkeit nicht auffindbar, so können mit der gnomonischen Reziprokalprojektion durch eine photogrammetrische Raumtriangulation die fehlenden Sichten hergestellt und eingemessen werden. Das Prinzip der Reziprokalprojektion (Abb. 26a) ist das *) Ein Beispiel zu 1. ist die Triangulation bei der Alai-Pamir-Expedition 1928, bei der für die Vermessung von Nordwestpamir 30 /„ der Visuren photogrammetrisch abgeleitet oder nachgeprüft wurden. Ein Beispiel zu 2. stellt die von K. Wien durchgeführte Triangulation des Zemu-Gletschers am Kangchendzönga dar. 2 ) S. Finsterwalder: Die Kernpunkte, die gnomonische Projektion und gnomonische Reziprokalprojektion in der Photogrammetrie. Int. Arch. f. Photogr. Bd. VI.

Triangulationen

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folgende: Alle Geraden r eines abzubildenden Raumgebildes werden parallel zu sich in die Spitze O eines.Gnomons g verlegt, der senkrecht auf der Projektionsebene CS steht. Zu jeder Geraden wird dann eine senkrechte, durch O gehende Ebene © errichtet (Abb. 26a), welche die Projektionsebene 6 in einer Geradenr*,

dem Bild von r, schneidet. Jede Gerade des Raumes wird so in der Projektionsebene wieder als Gerade abgebildet, die senkrecht zur ursprünglichen Geraden steht und vom Fußpunkt O0 des Gnomons den Abstand: (2) a = g • tg C w

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Terrestrische Photogrammetrie

läßt. Der Höhenfehler ist bei der Auswertung solcher Luftaufnahmen erfahrungsgemäß mindestens 30 cm, während terrestrische Aufnahmen einen Höhenfehler aufweisen, der der Aufnahmeentfernung proportional ist und m mh = s • -j beträgt, das sind unter Einsetzung der Zahlenwerte (m = 0,03 mm, / = 200 mm) rd. 15 cm/km. Praktisch bedeutet dies, daß genaue topographische Geländeaufnahmen in größerem Maßstab als 1 : 5000 meist von der Erde aus vorzunehmen sind, da sich die Aufnahmeabstände oft klein genug halten lassen können, was von Fall zu Fall unter Beachtung der gestellten Genauigkeitsforderungen zu prüfen ist. Zu den Aufnahmen höchster Genauigkeit gehört die durch Nahphotogrammetrie, besonders durch Stereometerkammern erfolgende Körpervermessung. Ein für die Wissenschaft wichtiges Anwendungsgebiet ist die Gletschermessung1), bei der die Bewegungen und insbesondere die Höhenänderungen der Gletscheroberfläche messend verfolgt werden. 2. Die topographische Aufnahme im Hochgebige. Die Aufnahme und Auswertebedingungen sind dort der Erdbildmessung günstig, da Standpunkte mit guter Übersicht gefunden werden können und die Aufnahmestrahlen das Gelände nahezu senkrecht schneiden. Die terrestrische Photogrammetrie hat sich dabei besonders für genaue Aufnahmen 1 : 25000 z. B. in der Schweiz2), Österreich und in der Alpenvereinskartographie3) bewährt. Bei kleineren Maßstäben 1 : 50000 bis 1 : 100000 spielen die zur Ausfüllung der letzten Lücken notwendigen Ergänzungsstandlinien wirtschaftlich eine größere Rolle, ferner die Tatsache, daß die Aufnahmeentfernungen mit Rücksicht auf die Geländeverhältnisse meist nicht so groß gemacht werden können, wie dies mit Rücksicht auf die geringe geforderte Genauigkeit an sich möglich wäre. Das terrestrische Verfahren wird deshalb zu genau und wegen der zu großen Zahl der erforderlichen Aufnahmen weniger wirtschaftlich, so daß die Luflphotogrammetrie gegebenenfalls günstigere Möglichkeiten bietet. Anders ist dies auf F o r s c h u n g s r e i s e n , wo es auf Lückenlosigkeit der Aufnahme nicht ankommt und man mit verhältnismäßig wenigen, aber ergiebigen Standlinien den Großteil des Geländes erfassen kann. So hat sich die Erdbildmessung bei einer Reihe von Forschungsreisen in Asien (Himalaya, Pamir, Kuenlun, Karakorum, Pamir), in Amerika (peruanische, bolivianische und chilenische Anden) bei Aufnahme kleinmaßstäblicher Karten gut bewährt4). Mit geringsten Mitteln sind im Rahmen bergsteigerischer und wissenschaft1 ) W. Pillewizer: Photogrammetrische Gletscherforschung. B. u. L. 1938. S. 66 bis 73. 2 ) Bäschlin-Zeller: Lehrbuch der Stereophotogrammetrie S. 232—331. Verl. Orell Füssli. Zürich 1934. 3 ) R. Finsterwalder: Alpenvereinskartographie mit Beiträgen von F. Ebster, K. u. S. Finsterwalder, O. v. Gruber und W . Kuny. Verl. Wichmann. Berlin 1935. 4 ) R. Finsterwalder: Terrestrische Photogrammetrie in kleinen Maßstäben. Int. Archiv für Photogrammetrie Bd. VIII, 2. Halbband.

Die heutige Anwendung der Erdbildmessung

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licher Expeditionen genaue und schöne Karten großer geographisch bedeutsamer Gebiete aufgenommen worden. 3. E r d b i l d m e s s u n g kommt auch dann in Frage, wenn die Größe des aufzunehmenden Objekts so gering ist, daß sich der Einsatz der Luftphotogrammetrie nicht lohnt. Diese arbeitet immerhin mit erheblichem Instrumentenaufwand und ist auch von den Witterungsverhältnissen abhängiger als die Erdbildmessung. Die Mindestgröße eines aus der Luft wirtschaftlich aufnehmbaren Gsbietes ist verschieden; in Deutschland liegen die Verhältnisse dank der Flugorganisation durch die Hansa Luftbildgesellschaft für die Luftphotogrammetrie günstig. Immerhin kommen die vereinzelten waldfreien Gsbiete in Mittelgebirgen bei der Grundkartenaufnahme 1 : 5000 für terrestrische Photogrammetrie in Frage; beispielgebend sind Arbeiten der badischen Landesaufnahme im Schwarzwald. 4. S o n d e r g e b i e t e d e r E r d b i l d m e s s u n g sind forstliche Aufnahmen und die Architekturphotogrammetrie, ferner Aufnahmen für technische Zwecke, wie Abraummessungen für Tagebaue, Deformationsmessungen usw.

C. Stereophotogrammetrie aus der Luft G e s c h i c h t l i c h e s u n d Allgemeines. Die Möglichkeiten, welche steil nach unten gerichtete Luftaufnahmen für die Topographie bieten, hat man schon früh erkannt. Aufnahmen bei Freiballonfahrten haben bereits zu Anfang des Jahrhunderts den Anstoß gegeben, die grundlegenden geometrischen Zusammenhänge für die Orientierung und Standortsbestimmung 1 ) zu erforschen und Wege zu ihrer Ausarbeitung zu finden; ihrer Zeit vorauseilende Erfinder 2 ) haben schon damals auch die instrumentelle Entwicklung angebahnt und vorbereitet. Der Weltkrieg hatte dann das Motorflugzeug in den Dienst der Photogrammetrie gestellt und die Technik der Luftaufnahme mächtig gefördert, die endgültige Lösung der methodischen und instrumenteilen Probleme der Auswertung hat, nachdem im Krieg der Anfang dazu gemacht worden war 3 ), die Nachkriegszeit gebracht. Derzeit steht der Ausbau der photogrammetrischen Verfahren und ihre nutzbringende Eingliederung in die großen Aufgaben der Wirtschaft und Landesverteidigung, vor allem auf dem Gebiet des Vermessungswesens, im Vordergrund. Heute ist die Luftbildmessung der wichtigste Zweig der Photogrammetrie geworden; vor der terrestrischen Aufnahme, die in ebenem Gelände und bewaldetem Mittelgebirge versagt, hat sie weitgehende Unabhängigkeit von der Geländegestaltung voraus und hat auch die Betretbarkeit des Geländes nicht unbedingt zur Voraussetzung. Die Grenzen der Luftbildmessung liegen andererseits, wie wir sehen werden, darin, daß der Bildinhalt nicht in allen Einzelheiten sicher deutbar ist, ferner daß die Vegetation, z. B. dichter Nadelwald, verschiedentlich die feste Erdoberfläche verdeckt, schließlich daß die Meßgenauigkeit der Höhen in Flachgelände noch nicht so weit getrieben werden kann, als es genaueste topographische und technische Zwecke verlangen. 1. Die Luftaufnahme a) Das Luftbild an sich Zunächst seien wesentliche Eigenschaften des Luftbildes an sich hervorgehoben. Während die Karte das dreidimensionale Gelände nach der Lage innerhalb der Zeichengenauigkeit richtig und auch die Höhen meist mit ent1 ) Damals erschienen die Arbeiten von S. Finsterwalder: Die geometrischen Grundlagen der Photogrammetrie, 1899 und : Eine Grundaufgabe der Photogrammetrie und ihre Anwendung auf Ballonaufnahmen, 1903, siehe Finsterwalder-Festschrift Verl. Wichmann 1937. Ferner hat K. Fuchs grundlegende Arbeiten darüber geliefert. Siehe Int. Archiv f. Phot. Bd. 1 und 2. ! ) Hier ist vor allem Scheimpflug zu nennen, von dessen meist in Patentschriften niedergelegten Veröffentlichungen eine zusammenfassende Darstellung heute leider noch fehlt. 3 ) M. Gasser hat 1915 die ersten luftphotogrammetrischen Auswertungen nach modernen Grundsätzen durchgeführt. H. Lüscher: M. Gasser zum 65. Geburtstag. Bildm. und Luftbildw. 1937.

Die Luftaufnahme

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sprechender Genauigkeit wiedergibt, fehlt dem Luftbild der richtige Maßstab; gegenüber der Karte weist es außerdem Verzerrungen auf, die daher kommen, daß es nicht genau senkrecht nach unten aufgenommen ist und daß Geländeunebenheiten, besonders im Bereich der schief einfallenden Randstrahlen, zu Verlagerungen im Bild führen. Die Höhen werden weder meßbar noch für die Anschauung brauchbar wiedergegeben. Der Wert des reinen Luftbildes, der seine weitgehende Verwendung ohne alle weitere Ausarbeitung begründet, liegt darin, daß es im kleinen den von oben sichtbaren Geländeinhalt außerordentlich genau und vollständig in einer der Karte zum Teil überlegenen Weise darstellt. Denn dieser haftet auch im kleinsten die Zeichenungenauigkeit von rd. 0,2 mm an, während für die Genauigkeit des Luftbildes das Auflösungsvermögen von 0,03 mm, also eine weit kleinere Fehlerquelle, maßgebend ist. Das kommt natürlich auch der Vollständigkeit und Naturtreue des Luftbildes zugute, dem feinste Abtönungen zwischen Schwarz und Weiß eigen sind. Jedenfalls gibt das Luftbild die naturgegebenen Formen in solcher Reichhaltigkeit und Treue wieder, daß in dieser Hinsicht die nur mit Strichzeichnung von rd. 0,2 mm Genauigkeit und bestenfalls groben Tönungen (Schummerungen) arbeitende Karte meist steif und unvollkommen wirkt. Wie erwähnt, gibt das e i n z e l n e Luftbild, besonders wenn es senkrecht aufgenommen ist, die Höhengliederung nur sehr dürftig oder gar nicht wieder; man kann auf die Geländeneigung bestenfalls nur mittelbar schließen. Um so vollkommener macht das Stereoluftbild die dritte Dimension anschaulich. Infolge der verhältnismäßig sehr großen Aufnahmebasis erscheinen die Höhenunterschiede zwar stark übertrieben, besonders bei Weitwinkel- und Panoramaaufnahmen, doch ist dies kein Nachteil, da die dadurch erreichte Plastik ungemein klar und wirkungsvoll ist. Störend ist nur, daß die Betrachtung etwas umständlich durch ein Stereoskop oder nach dem Anaglyphenverfahren (S. 45) erfolgen muß. Die Bedeutung, welche das Luftbild für die Erschließung unbekannter Länder hat, wird dadurch gekennzeichnet, daß man es als das sechste Organ des Geographen und Geologen bezeichnet hat. Das Entscheidende ist hierbei sein „Aufklärungswert", indem es meist schon auf Grund der Anschauung aus der Oberflächenform, Vegetation und geologischen Merkmalen erkennen läßt, wo die für die wirtschaftliche Erschließung wichtigen Stellen liegen, an denen dann die topographische Aufnahme einzusetzen hat. Oftmals geht die Leistungsfähigkeit des Luftbilds so weit, daß es „unter die Erde sehen" läßt; man kann vor allem vorgeschichtliche Anlagen 1 ) von oben auf Grund der Bewachsung und von Helligkeitsunterschieden des Bodens auch dann erkennen, wenn die Anlagen heute unter der Oberfläche liegen und sich von der Erde aus nicht erkennen lassen. Es sei hier ausdrücklich auf das instruktive Anschauungsmaterial hingewiesen, das über die Verwendung des reinen Luftbildes von der Hansa Luftbildgesellschaft herausgegeben worden E. Ewald: Luftbild und vorgeschichtliche Forschung. Luftbild und Luftbildmessung, Nr. 16. Berlin 1938.

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Stereophotogrammetrie aus der Luft

ist 1 ). Es geht daraus der große Nutzen des Luftbildes für Planungen aller Art, für Geographie und Geologie2), Forstwissenschaft, Raumforschung hervor (s. auch Verwendung der entzerrten Luftbilder), man wird auch angeleitet, das Luftbild richtig zu deuten, denn aus der Entfernung und in der ungewohnten Perspektive von oben läßt sich der Bildinhalt nicht in allen Fällen einwandfrei erkennen. Übung läßt diesen Mangel des Luftbildes zum Teil ausgleichen. Diese kurzen Ausführungen mögen genügen, um die allgemeine Verwendbarkeit des reinen Luftbildes für die verschiedensten Aufgaben zu begründen. Die hohen topographischen Qualitäten des Luftbildes sind auch eine wichtige Grundlage für die Luftbildmessung, die im übrigen die geometrischen Eigenschaften des Luftbildes zur Herstellung von Plänen und Karten verwendet. b) Die Aufnahme aus der Luft Der Aufnahmevorgang ist im Grunde sehr einfach. Aus einem Flugzeug, dessen Geschwindigkeit nicht allzu groß ist und 150 km/Stunde meist nicht übersteigt, werden durch den Boden des Rumpfes möglichst senkrecht nach unten gerichtete Aufnahmen in geeigneten Zeitabständen gemacht, so daß sich die von den Aufnahmen erfaßten Flächen um einen bestimmten Betrag überdecken. Der Überdeckungskoeffizient p bedeutet das Verhältnis der von zwei Nachbaraufnahmen in Flugrichtung gemeinsam überdeckten Fläche zu der von einer Aufnahme erfaßten Fläche. Ist p = rund 60%, so ist bei ebenem Gelände der ganze Flugstreifen mit genügender Sicherheit doppelt überdeckt. Zwei aufeinanderfolgende Aufnahmen bilden eine Standlinie, die zur stereophotogrammetrischen Bearbeitung verwendet werden kann. Benötigt man zwecks Entzerrung nur einfache Überdeckung, so wählt man p zu rund 20—30%. In gebirgigem Gelände geben Senkrechtaufnahmen keinen annähernd quadratischen, sondern einen unregelmäßigen Geländeausschnitt wieder; um dort sicher doppelte Überdeckung zu erhalten, wählt man p = 6 0 % für eine durch die höchsten Erhebungen gehende gedachte Ebene. Schrägaufnahmen, die eine wesentlich größere Geländefläche erfassen ließen, werden für Meßzwecke nur in Ausnahmefällen, etwa bei Aufnahmen über Küstengebieten in festpunktlose unbekannte Landflächen (z. B. Grönland) hinein gemacht. Sie haben gegenüber Senkrechtaufnahmen wesentliche Nachteile: schwerere Auswertung, ungleichmäßige Aufnahmeentfernungen, Genauigkeit und Überdeckung und werden deshalb hier nicht eingehend behandelt. Häufiger werden Schrägaufnahmen für Betrachtungs- und Erkundungszwecke gemacht. Siehe jedoch S. 211f. Luftbild-Topographie herausg. v. d. Hansa Luftbild G. m. b. H. Berlin 1 9 3 6 . Luftbild-Lesebuch ebd. Berlin 1 9 3 7 ; Luftbild und Vorgeschichte ebd. Berlin 1938. F i s c h e r : Lesen des Luftbildes. Verl. B e m a r d u. Gräfe, Berlin 193". 2 ) Schermerhorn: Entwicklung der Luftbildmessung für geographische Zwecke. Photogrammetria, Heft 1, 1938. Verl. Wichmann.

Die Luftaufnahme

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Der Öffnungswinkel der Aufnahmestrahlenbündel ist n o r m a l e r w e i s e 60° (/ = 21 cm, Bildformat 18/18 cm), bei Stereoaufnahmen wird die Basis für p = 6 0 ° / o ein Drittel der Flughöhe h. Weitwinkelaufnahmen haben eine Öffnung von 90° (/ = 10 bzw. 20 cm, Bildformat 18/18 bzw. 30/30 cm), für Stereoaufnahmen wird die Basis b normalerweise etwa zwei Drittel h gewählt. Panoramaaufnahmen haben eine Öffnung bis 135° (/ = rd. 5 cm, Bildformat 27/27 cm) und ein Basisverhältnis b: h = 2 : 1 . Abb. 37 zeigt schematisch die Verhältnisse bei normalen, Weitwinkel- und Panoramaaufnahmen.

a. Normal geöffnete

Abb. 37. Aufnahmearten b. weitwinklige c. Panoramaaufnahmen

Ks ist eine für Aufnahme und Auswertung wesentliche Eigenheit, daß die Orientierungselemente der Luftbilder wegen der raschen Bewegung und der unregelmäßigen Beschleunigungen des Flugzeugs im allgemeinen nur genähert gemessen werden können. In neuerer Zeit hat man jedoch die Möglichkeit, die Flughöhe durch das Statoskop, einen barometrischen Feinhöhenmesser, auf mehrere Meter konstant zu halten und die noch vorhandenen Schwankungen auf 1—2 m genau zu messen, ferner durch Horizontbilder auch die Neigungen zu bestimmen (siehe S. 98). — Es sei hier auf die Möglichkeit hingewiesen, die der „Hubschrauber" vielleicht eröffnet, der bekanntlich in der Luft stehenzubleiben vermag und eine genaue Orientierung der Aufnahme gegen das Lot sowie längere Belichtungszeiten und damit die Verwendung feinerer Emulsionen ermöglichen würde. Durch Aneinanderreihung von Aufnahmen entsteht ein Flugstreifen; um eine zusammenhängende Fläche zu bedecken, werden Flugstreifen mit einer Überdeckung von 20—30% seitlich aneinander gelegt. Die Flugstreifen sollen möglichst gerade sein. Der Bildflieger trägt die geplanten Flugstreifen in eine vorhandene Karte kleinen Maßstabs ein, die ihm beim Flug zur Orientierung dient; ist eine solche Karte nicht vorhanden, so wird zunächst etwa mit Panoramaaufnahmen aus großer Flughöhe, 5000—6000 m, ein kleinmaß-

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Stereophotogrammetrie aus der Luft

stäblicher, zur Orientierung dienender Bildplan (Mosaik) hergestellt. Es ist große Übung erforderlich, den vorhergesehenen Flugweg genau genug einzuhalten. Die Ausführung von Bildflügen muß daher besonders geeigneten, für diesen Zweck ausgebildeten Spezialisten1) überlassen bleiben. Um die Flugrichtung möglichst konstant zu halten, werden verschiedentlich Sonnenkompasse benutzt. Eine für die Planung des Bildfluges maßgebende Größe ist die Flughöhe h und der sich mit ihr aus der Bildweite / ergebende Bildmaßstab

Bei einer Flughöhe h = 5000 m ergibt sich für / = 20 cm ein Bildmaßstab M = 1: 25000, der kleinste derzeit erreichbare Bildmaßstab ergibt sich aus h = 8000 m, / = 5 cm (Panoramaaufnahmen) zu 1: 160000, der größte normalerweise aus k — 1000 m und / = 20 cm zu 1: 5000. Weiteres S. 190f. Die Flughöhe ist mit 6000—8000 m nach oben durch die Steigfähigkeit des Flugzeuges begrenzt, nach unten mit 800—1000 m dadurch, daß die 150 km/A betragende Geschwindigkeit des Flugzeuges während der erforderlichen, Viso sec betragenden Belichtungszeit eine Bewegung zur Folge hat, die eben noch keine Bildschärfe hervorruft. c) Aufnahmekammern Bestandteile. Die Luftbildkammer muß wie jede andere Meßkammer Konstanz der inneren Orientierung aufweisen, der Objektiv- und Anliegerahmen verbindende K a m m e r k ö r p e r ist deshalb stabil gebaut. Der Bildhauptpunkt ist durch entsprechend angebrachte randliche Rahmenmarken meist als Schnitt der Markenverbindungslinien festgelegt. Uber die Bestimmung der inneren Orientierung siehe S. 55—50. Das O b j e k t i v muß ein Auflösungsvermögen von 0,02 mm haben und soll, wenn möglich, verzeichnungsfrei sein. Ist eine Verzeichnung vorhanden (Weitwinkelobjektive), so muß sie bei genauen Auswertungen aufs genaueste bekannt sein und berücksichtigt werden (z. B. durch das Koppe-Porrosche Prinzip). Die Lichtstärke des Objektives soll groß, die wirksame Blendenöffnung sollte nicht kleiner als rd. 1: 7 sein. Werden in einer Kammer mehrere Objektive verwendet (Panoramakammer S. 100), so müssen diese ebenfalls verzeichnungsfrei und in fester Verbindung mit Prismen so angebracht sein, daß nach Umbildung der Teilbilder auf eine gemeinsame Ebene eine richtige Zentralperspektive entsteht. Da Luftaufnahmen fast ohne Ausnahme in bestimmter zeitlicher Reihenfolge in großer Zahl gemacht werden, sind b e s o n d e r e E i n r i c h t u n g e n erforderlich. Werden Platten verwendet, so muß rasches Wechseln und sicheres Anliegen am Rahmen gewährleistet sein. In der Regel wird heute für Reihenaufnahmen Film verwendet, dessen Transport, Planlegen und Belichtung für die Aufnahme großenteils oder ganz automatisch besorgt wird. >) In Deutschland werden Gesellschaft Berlin ausgeführt.

die Luftaufnahmen von der

Hansa-Luftbild

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Die Luftaufnahme

Das Planlegen des Films wird dadurch erreicht, daß er durch Unter- oder Überdruck gegen eine feste, ebene Unterlage gepreßt wird. Durch sinnreich konstruierte Ü b e r d e c k u n g s r e g l e r kann auch eine bestimmte gegenseitige Überdeckung der Aufnahmen mühelos eingehalten werden, indem auf der Mattscheibe einer kleineren Nebenkammer, die parallel zur Hauptkammer ist, ein sich gleichförmig bewegender Zeiger so reguliert wird, daß er sich ebenso rasch wie das auf der Mattscheibe sichtbare Gelände bewegt. Nur auf solche Weise ist es möglich, Beobachter und Pilot so zu entlasten, daß sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf die genaue Einhaltung des geplanten Streifenflugs konzentrieren können. Ein wichtiger Bestandteil der Kammer ist weiterhin der V e r s c h l u ß . Der bei kürzesten Momentaufnahmen sonst übliche Schlitzverschluß darf nicht angewendet werden, weil die einzelnen Teile des Bildes bei ihm nicht gleichzeitig belichtet werden. Es ist vielmehr ein Zentralverschluß nötig, der die Objektivöffnung gleichzeitig und möglichst vollständig während einer kurzen Zeitdauer (z. B. 1 / 150 sec.) freigibt. Während des Öffnens und Schließens des Zentralverschlusses ist naturgemäß nicht die ganze Blendenöffnung sofort frei; je geringer der dabei auftretende Lichtverlust ist, desto größer ist der Durchlässigkeitsgrad d des Verschlusses, der für seine Brauchbarkeit maßgebend ist. d wird in Prozenten des während der Belichtungszeit auf die volle Blendenöffnung treffenden Lichtstromes angegeben und beträgt bei guten Verschlüssen für Momentaufnahmen von Viso s e c - r( l- 80—85%Als Beispiel für einen photogrammetrischen Momentverschluß sei der Kugellamellenverschluß von Zeiß genannt, bei dem vier schnell rotierende Kugelkalotten in einer bestimmten Stellung die Objektivöffnung für kurze Zeit freigeben. Einrichtungen für die Einhaltung einer genäherten Orientierung. Hierzu gehört die stoßdämpfende Aufhängung der Kammer in einem gefederten Ring, in dem sie drehbar ist, damit bei Seitenwind der Abtrift des Flugzeuges Rechnung getragen und das Bild mit seinen geraden Seiten parallel bzw. rechtwinklig zum tatsächlichen Flugweg gestellt werden kann; dadurch werden die V e r k a n t u n g e n x' bzw. x" klein gehalten und eine saubere Überdeckung erreicht. Der tatsächliche Flugweg kann in einfachster Weise dadurch bestimmt werden, daß man zur bekannten Eigengeschwindigkeit des Flugzeugs die Windbewegung graphisch addiert. Zur g e n ä h e r t e n Einhaltung von bestimmten Werten der L ä n g s - u n d Q u e r n e i g u n g dienen Libellen, die verhältnismäßig schwach empfindlich sind und die Orientierung gegen die Resultierende R aus Schwere und Flugzeugbeschleunigung mit einer Genauigkeit von 0,5° angeben; die Resultierende R schwankt im rasch bewegten Flugzeug je nach Zustand der durchflogenen Luftschicht um 0,5—5° gegen das Lot. Bei starker Einstrahlung in geringer Höhe, mittags über gebirgigem Gelände sind die Schwankungen größer als bei Abkühlung, in größeren Höhen, nachmittags über Flachgelände. Es ist leicht einzusehen, daß die Längs- und Querneigungen der Aufnahmen durch die geF i n s t e r w a l d e r , Photogrammetrie

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Stereophotogrammetrie aus der Luft

samten Schwankungen in vollem Betrag, also um 0,5—5° gefälscht werden, ganz gleich, ob man Längs- und Querneigung bei Senkrechtaufnahmen zu Null machen oder bei Konvergenz- bzw. Schrägaufnahmen mit bestimmten Beträgen einhalten will. Eine genaue Orientierimg bei der Auswertung ermöglichen die nicht bei allen Kammern vorhandenen, bei Paßpunktmangel sehr wichtigen Zusatzgeräte, das Statoskop und eine Horizontkammer.

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i —

Abb. 38. 1. Filmkassette; 2. Kantungsring; 3. Kammerstutzen; 4. Stellschrauben für Horizontierung; 5. Horizontzusatzkammer; 6. Vorsatzprisma zu 5

Das S t a t o s k o p von Väisälä 1 ) ist ein Feinbarometer zur Messung der Flughöhenunterschiede, von Aufnahme zu Aufnahme, während die absolute Flughöhe mit gewöhnlichen Aneroiden nur weniger genau bestimmt werden kann. Das Statoskop wird nach Erreichung der gewünschten Aufnahmehöhe auf einen Ausgangswert eingestellt und gibt die Abweichungen gegen diesen auf 1—2 m genau an; eine automatische Registrierung hält die Höhenunterschiede d. s. die vertikalen Basiskomponenten bz auf einem Registrierstreifen fest, so daß sie für die Aerotriangulation verwendbar sind. Ferner werden Statoskopablesungen vom Flugzeugführer zur Einhaltung einer möglichst konstanten Flughöhe benützt. Die H o r i z o n t b i l d k a m m e r wurde von Nenonen z ) eingeführt, ihre Achse ist parallel zu der Hauptkammer gerichtet, ein vorgesetztes Prisma ermöglicht eine Abbildung des Horizontes zwecks x ) K. Löfström: Das Statoskop von Dr. V. Väisälä als Aeronivellierer. und Luftbildw. 1936. S. 112—116. a ) K. Löfström: Bildm. und Luftbildw. 1932. S. 98—103.

Bildm.

Die Luftaufnahme

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Bestimmung der Orientierung gegen das Lot. Das Gesichtsfeld der Horizontkammer beträgt horizontal rd. 40° und ist auf die Umgebung des Horizonts beschränkt, zur Ausschaltung der Dunstwirkung wird ein Rotfilter und womöglich eine besondere Emulsion verwendet. E i n e Horizontbildkammer läßt die Neigung der Aufnahme in e i n e r Richtung bestimmen; um Längsu n d Querneigung zu erhalten, benötigt man zwei solcher Kammern. Die Horizontbildkammern können entweder fest in die Hauptkammer eingebaut sein oder als gesonderte Zusatzgeräte benützt werden. Die Ausführungsformen der Aufnahmekammern. Die heute in der Luftphotogrammetrie verwendeten Aufnahmekammern sind alle so automatisiert, daß sich bei der Reihenbildaufnahme die Arbeit des Beobachters auf möglichst wenige Handgriffe an der Kammer beschränkt, um diese in Gang zu setzen. Ein Elektromotor oder ein kleiner Propeller hält den Filmtransport im Gang, durch eine Staudruckdüse wird das Anpressen des Films für die Aufnahme bewirkt, die rechtzeitige Auslösung des Verschlusses erfolgt durch den Überdeckungsregeler. Die Angaben über die Aufnahme wie Aufnahmenummern, Brennweite, Kammerlibelle, teilweise auch Zeit und Flughöhe werden selbsttätig auf dem Bild registriert. Die Kassetten enthalten 20—60 m Film für 100—300 Aufnahmen, sie müssen also selbst bei längeren Bildflügen kaum gewechselt werden. Das Gewicht der Kammern beträgt arbeitsfertig 50 kg. Man kann folgende wichtigste Typen unterscheiden: 1. Kammern mit normalem Bildwinkel von rd. 60°, Brennweite / = 21 cm und Bildformat 18/18 cm; solche werden z. B. von der Firma Zeiß mit einem praktisch verzeichnungsfreien Objektiv, Orthometar 1 : 4,5, hergestellt, als Schichtträger wird Film verwendet. Film benützt auch die Firma Wild für ihre ebenfalls mit / = 21 cm und Bildformat 18/18 cm gebaute neue vollautomatische Reihenbildkammer mit verzeichnungsfreiem Wildobjektiv 1 : 4,5. Eine von Nenonen angegebene, von Zeiß gebaute Kammer nyt Horizontbildern hat ebenfalls einen Bildwinkel von rd. 60°; bei der Brennweite / = 16,5 cm wird das Bildformat 18/18 jedoch nur in einer Größe von 15/15 cm für das eigentliche Bild verwendet, während von zwei Bildseiten 3 cm für Horizontbilder beansprucht werden. Neuerdings wird diese Kammer für das Gesamtformat 18/24 cm gebaut, wovon 18/18 cm auf das Bild, 6/18 cm auf zwei Horizontbilder entfallen. 2. Sehr an Bedeutung gewinnen die Weitwinkelkammern mit einer Öffnung von rd. 90°; sie verwenden das Weitwinkelobjektiv Topogon von Zeiß. Es sind zwei Typen im Gebrauch, eine mit dem Bildformat 18/18 cm und Brennweite / = 10 cm, wobei die äußersten Bildecken unbelichtet bleiben und auch die Verzeichnungsfreiheit nicht mehr voll gewahrt ist. Eine zweite Type verwendet das Bildformat 30/30 cm und ein Topogon der Bildweite / = 20 cm, sie vereinigt also großes Bildformat und Weitwinkligkeit. Diese von der Firma Zeiß hergestellte Kammer stellt das Ergebnis der jüngsten Entwicklung dar. 7*

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Bei beiden Weitwinkelkammern besteht die Möglichkeit, Horizontkammern anzubringen; diese sind mit der Hauptkammer gekoppelt und erzeugen gleichzeitig mit der Hauptkammer die zu deren Bildern gehörigen Horizontaufnahmen im Gegensatz zur Nenonenkammer auf besondere Filmstreifen. Früher wurden auch Kammern k l e i n e r e n F o r m a t s hergestellt, die Reihenaufnahmen im Format 12/12 cm oder 6/6 cm lieferten, eine derartige Kammer im Format 6/6 cm, / = 6,5 cm mit Schaukeleinrichtung ermöglichte die Aufnahme eines Mittelstreifens und durch Umlegen eines Schalthebels von zwei Seitenstreifen, doch dürften diese Kammern durch die neue Weitwinkelkammer überholt sein. 3. Kammern mit g r ö ß e r e r B r e n n w e i t e bis / = 50 cm werden von der Firma Zeiß hergestellt, wobei auswechselbare Objektivstutzen die Verwendung eines Kammerkörpers mit dem Bildformat 18/18 cm auch für kürzere Brennweiten gestatten. Bemerkenswert ist die Reihenmeßkammer / = 50 cm mit Format 30/30 cm, wohl die größte heute verwendete Aufnahmekammer. Sie dient ebenso wie die anderen langbrennweitigen Kammern dem Erkennen möglichst vieler Einzelheiten im Aufnahmegelände. Koppel- und Panoramakammern. 1. Koppelkammern sind eine Kombination von zwei oder mehr Kammern, deren Achsen gegeneinander geneigt sind und deren Gesichtsfelder aneinanderstoßen oder sich etwas übergreifen. Durch eine solche schon früh von Scheimpflug und Thiele 1 ) durchgeführte Anordnung läßt sich ein großes Gesichtsfeld erfassen. Die Firma Zeiß hat bis in neuere Zeit solche Kammern als Zweifach- und Vierfachkoppelkammern gebaut. Doch haben sich stets Schwierigkeiten der Justierung (Konstanz der Winkel zwischen den Aufnahmeachsen eines Koppels) ergeben, auch ist die Vergrößerung des Gesichtsfelds durch das Weitwinkelobjektiv in dem Maß erreicht, das den Vierfachkammern eigen war. Ein Hauptnachteil der Koppelkammern ist ferner die unregelmäßigere Begrenzung des Gesamtgesichtsfelds, die auch in ebenem Gelände nicht rechtwinklig ist. Es ist wohl anzunehmen, daß die Koppelaufnahmen in Zukunft zurücktreten. 2. Bedeutung haben dagegen die Panoramakammern; unter ihnen ist die erste die von Aschenbrenner 2 ). Sie liefert 9 streng gleichzeitig belichtete Aufnahmen / = 5,3 cm auf einer Ebene (Film 18/18 cm), von denen die mittlere mit ihrer optischen Achse senkrecht zu dieser Ebene steht, während die acht äußeren durch Prismen, die vor ihre Objektive geschaltet sind, unter 54° zu dieser Achse abgelenkt werden (Abb. 39). Die acht äußeren Aufnahmen, die Umklappungen der Seitenbilder in die Ebene des Mittelbildes darstellen, werden auf optisch-mechanischem Weg in einem hierfür besonders gebauten Umbildegerät auf die Ebene des Mittelbildes entzerrt, so daß alle 9 Bilder aneinanderschließen und eine einheitliche PerInt. Archiv f. Photogrammetrie, Bd. 1 S. 35. Wien 1909. ) C. Aschenbrenner: Neue Geräte und Methoden für die photogrammetrische Erschließung unerforschter Gebiete. Bildm. und Luftbildw. 1929 S. 30—38. 2

Die Hauptaufgabe der Photogrammetrie

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spektive (/ = 5,3 cm) auf einer Ebene darstellen. Das Bild hat das Format 26,75/26,75 cm und entspricht einer Aufnahme, die mit einem einzigen Objektiv / = 5,3 cm und einer Öffnung von 136° über die Seiten und 148° über die Diagonalen gemacht wäre. Von großer Bedeutung ist die Genauigkeit, die der einheitlichen Perspektive der Umbildung eigen ist. Sie beträgt nach

Abb. 39. P a n o r a m a k a m m e r von Aschenbrenner. Ansicht von unten. In der Mitte das Mittelobjektiv, rings die acht Prismen sichtbar, welche vor die seitlichen Objektive geschaltet sind

Untersuchungen von S. Finsterwalder angular 1'—2'. Siehe Seite 61. Auf Grund der Panoramakammer von Aschenbrenner ergeben sich besondere Möglichkeiten, die zum Teil S. 173—176, zum Teil S. 202—204 besprochen werden. Sehr großes Format hat eine neuerdings in Amerika verwendete Panoramakammer, deren Konstruktion im Prinzip der von Aschenbrenner gleicht. Die Mittelaufnahme hat eine Bildweite von rd. 20 cm. Die 8 seitlichen Aufnahmen werden durch Stahlspiegel abgelenkt und durch Umbildung wie bei Aschenbrenner auf die Ebene der Mittelaufnahme entzerrt. Das Format der Umbildung auf Film beträgt 89/89 cm. Über eine englische Kammer ähnlicher Art wird im Empire Survey Review 1937/38 berichtet. 2. Die Hauptaufgabe der Photogrammetrie a) Grundsätzliches zur photogrammetrischen Hauptaufgabe und zum räumlichen Äückwärtsschnitt Bevor man an die topographische oder sonstige Verwertung der Luftaufnahmen herangehen kann, muß die äußere Orientierung (S. 29) der Auf-

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nahmen bekannt sein. Da, wie im vorigen Asbchnitt erwähnt wurde, im Augenblick der Aufnahme durch Libellen, Statoskop und Horizontbild Messungen für die Bestimmung der äußeren Orientierung nur teilweise, mit beschränkter Genauigkeit oder auch gar nicht ausgeführt werden können und andere äußere Messungen — wie etwa das Vorwärtsabschneiden des Flugzeugs vom Boden aus — erfahrungsgemäß kaum möglich sind, so muß die äußere Orientierung mit Hilfe der aufgenommenen Bilder selbst gewonnen werden, zu denen noch am Boden bestimmte Paßpunkte treten. Früher hat man die Koordinaten des Aufnahmeorts für jede Aufnahme einzeln durch den räumlichen Rückwärtseinschnitt auf Grund von drei bekannten Bodenpaßpunkten bestimmt, jetzt ist diese Aufgabe an Bedeutung zurückgetreten gegenüber der gleichzeitigen Bestimmung der äußeren Orientierung zweier aufeinander folgender Bilder, die dasselbe Gelände darstellen. Nach S. Finsterwalder wird diese Aufgabe wegen ihrer Wichtigkeit als Hauptaufgabe der Photogrammetrie bezeichnet, O. von Gruber 1 ) nannte sie in Anlehnung an das entsprechende ebene Problem „Doppelpunkteinschaltung im Raum". Zunächst sei wenigstens kurz das Wichtigste über den r ä u m l i c h e n R ü c k w ä r t s s c h n i t t gesagt, der nicht ganz weggelassen werden darf, da er früher eine so große Rolle gespielt hat und auch jetzt noch einigen Verfahren und Konstruktionen zugrunde liegt. Die Lösung der Aufgabe setzt drei bekannte Paßpunkte im Gesichtsfeld der Aufnahme voraus. Sie bilden das Grunddreieck einer Pyramide, deren Spitze der Aufnahmeort S ist. Bei bekannter innerer Orientierung sind die Winkel 1 entsprechen, wie man durch Übereinanderlegen von Abb. 45b und 45c leicht einsieht, ist damit im ganzen Gesichtsfeld fälschlich durch zusätzliche Beträge dx und dx" entfernt und nicht mehr wirksam. Es blieb von dem ganzen Betrag pm = P1 + P2 noch eine Fehlerverteilung entsprechend p2 (Abb. 48a) übrig. Diese wurde im ersten Teil des Verfahrens in M fälschlich durch eine zusätzliche (falsche) Korrektur zd' in N, durch dep" in M. War die Überkorrektur richtig angebracht, dürfen theoretisch nun auch in P und Q keine Parallaxen mehr auftreten. Praktisch werden jedoch meist noch kleine Parallaxen übrigbleiben, die daher rühren, daß beim ersten Arbeitsgang die Höhenparallaxen in den Punkten HÄ, HB, M und N nur mit einer Genauigkeit von 0,03 mm zu Null gemacht werden konnten. Die dadurch bedingten Restfehler, die einzeln nicht erkennbar sind, addieren sich an der einen oder anderen Ecke zu Restparallaxen wahrnehmbarer Größe, die 0,03 mm übersteigen. Diese Restparallaxen werden durch kleinste Orientierungsänderungen dx', dx", d', "—d wirkt entsprechend Abb. 53b auf die Höhen in M und P. Durch Einstellung dieser Punkte nach erfolgter gegenseitiger Orientierung können deren Höhenfehler erkannt und durch Korrektur von da) beseitigt werden. Praktisch geschieht dies entweder empirisch unter gleichzeitiger Änderung von by bzw. dx, so daß die durch Korrektur doj hervorgerufenen Höhenparallaxen stets durch by beseitigt werden. Es kann aber auch mit Vorteil der rechnerische Weg begangen werden, indem dco nach (42) aus dem beobachteten dhm berechnet wird. Da für M und P — — b ist (Abb. 49), vereinfacht sich. (42) zu (44)

dm = —— m -. yB

Das aus (44) bestimmte da> wird am Auswertegerät eingestellt und by so nachkorrigiert, daß Höhenparallaxenfreiheit besteht. Damit ist die Wirkung des gefährlichen Ortes beseitigt. Der Vorgang ist so einfach, daß der Folgebildanschluß dadurch in keiner Weise belastet wird. Für Unterrichtszwecke lassen sich die durch Orientierungsfehler hervorgerufenen Modellverbiegungen am Aeromultiplex mittels Schemaplatten von Zeiß-Aerotopograph anschaulich machen, die parallele Geradenscharen tragen; diese werden in der Normalstellung senkrecht zur Basis, also parallel zur y-Richtung gestellt und auf ein horizontales Zeichenblatt projiziert. Wenn dann je ein Orientierungselement geändert wird, zeigt sich die Geradenschar nach den im vorigen abgeleiteten Gesetzen verbogen 1 ). Eine z a h l e n m ä ß i g e V e r f o l g u n g der Orientierungsänderungen dm und dx sowie der durch sie hervorgerufenen Modellverbiegungen kann man für den gefährlichen Ort durch folgenden instruktiven Versuch ermöglichen: Man benützt den Aeromultiplex als Aufnahme-(Stereometer-)Kammer und macht eine Doppelaufnahme vom gefährlichen Ort, den man sich in einfacher Weise durch einen Zylinder aus trockenem Gips formen oder aus Karton herstellen kann. Man benötigt entsprechend Abb. 53 b nur den von der Aufnahme gedeckten Teil des Zylinders. Wenn man die so aufgenommenen Bilder nach der Entwicklung wieder in die Projektoren einlegt, kann man das Modell des gefährlichen Zylinders durch Doppelprojektion herstellen und ausmessen. *) R. Burkhardt und O. v. Gruber: Der Aeroprojektor Multiplex als Anschauungs- und Übungsgerät im photogrammetrischen Unterricht. Bildm. u. Luftbiidw. 1936 S. 11—21.

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Man wird zweckmäßig die bei der Aufnahme eingestellten Orientierungselemente ablesen und bei der Projektion zunächst dieselben Größen einstellen. Das so gewonnene, dem aufgenommenen Zylinder gleiche Modell kann man dann durch systematisches Verstellen der Neigung a> verbiegen. Die Verkantung dy. muß hierbei so verändert werden, daß die Höhenparallaxen verschwinden. Die Verbiegungen können gemessen werden und müssen der Formel (42) bis auf Einstellfehler entsprechen. Der Versuch läßt auch eine einfache Feststellung der Grenzen zu, innerhalb derer die Orientierungselemente beim vorliegenden gefährlichen Ort unsicher sind. Sie liegen dort, wo bei entsprechend starker Änderung von co Höhenparallaxen nicht mehr durch by aufgehoben werden können.

4. Die räumlichen Auswertegeräte für Luftaufnahmen a) Allgemeines Die Doppelbildauswertegeräte bilden den Schlüssel für die räumliche Anwendung der Photogrammetrie. Sie ermöglichen nicht allein die topographische Bearbeitung des durch die Doppelbilder gegebenen stereoskopischen Raummodells bzw. des Geländes, sondern auch in einfacher Weise die gegenseitige und absolute Orientierung der Stereoaufnahmen, mit anderen Worten die Lösung der Doppelpunkteinschaltung im Raum. Mittels der Auswertegeräte werden zunächst die Aufnahmestrahlenbündel wiederhergestellt und dann so gegenseitig orientiert, daß sich zusammengehörige Strahlen schneiden, wie dies bei der Aufnahme auch der Fall war. Das durch die Strahlenschnittpunkte gegebene Geländemodell kann dann stereoskopisch betrachtet und ausgemessen werden, vor allem lassen sich die topographisch so wichtigen Schichtlinien in besonders einfacher Weise laufend ziehen. Die Entwicklung der Stereoauswertegeräte begann mit dem Bau des Stereokomparators durch Pulfrich 1901; aus diesem Grundinstrument entwickelte von Orel den Stereoautograph (S. 81), der 1911 durch die Firma Zeiß als erstes automatisches Auswertegerät herausgebracht wurde, das allerdings horizontale Aufnahmeachsen und damit die nur bei terrestrischen Aufnahmen mögliche Orientierung gegen das Lot voraussetzt. Seit 1898 hatte unabhängig davon Scheimpflug die den heutigen Raumbildauswertegeräten zugrundeliegende Ideen der räumlichen Projektion und Doppelprojektion in Schriften, Vorträgen und Versuchen behandelt, 1915 hat Gasser ein erstes einfaches Doppelbildwurfgerät gebaut und erfolgreich benützt. Als erstes der großen für genaue Auswertung von Luftaufnahmen geeigneten Präzisionsinstrumente folgte der 1920 von Heyde gebaute Hugershoffsche Autokartograph. 1923 erschien dann der Stereoplanigraph von Zeiß-Bauersfeld, der heute mit einigen Abänderungen als eines der wichtigsten Auswertegeräte benützt wird. Damit ist die jetzige Periode eingeleitet, in der von verschiedenen Firmen und Ländern Apparate herausgebracht werden, bei denen sich die nun im

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wesentlichen bekannten Konstruktionsprinzipe und -elemente 1 ) in verschiedener Zusammenstellung und Abwandlung wiederfinden. Man kann die Apparate in Gruppen einteilen, und zwar am besten nach der Art, wie diephotogrammetrischen Strahlenbündel wiederhergestellt werden. Es bestehen drei Möglichkeiten 2 ): 1. die rein optische durch Lichtstrahlen vom Bild zum Geländepunkt, z. B. Aeromultiplex, Gasserscher Doppelprojektor, Stereoplanigraph, Photokartograph Nistri, Photorestituteur Gallus-Ferber; 2. die rein mechanische, durch gerade Lineale oder Raumlenker vom Bildzum Geländepunkt, z. B. Autograph Orel-Zeiß, Restitutor Santoni, Autograph Wild A 5 1936; 3. die optisch-mechanische, vom Bildpunkt zum Objektiv durch Lichtstrahlen, vom Objektiv zum Gelände durch mechanische Lenker. Autokartograph und Aerokartograph von Hugershoff, Stereotopograph von Poivilliers. Die Auswertegeräte sind im Prinzip durchweg einfach, sie lassen die innere und äußere Orientierung der Bilder wiederherstellen und die in den Bildern eingestellten Punkte durch räumlichen Vorwärtsschnitt gewinnen. Ihre Konstruktion und ihr genaueres Verständnis bereiten deshalb Schwierigkeiten, weil die Berücksichtigung aller Aufnahmeverhältnisse, die stereoskopische Betrachtung und kontinuierliche Ausmessung des Raums einen ziemlichen Aufwand an Konstruktionsteilen, die sich zum Teil im Raum verschieben und drehen lassen müssen, erfordern. An die Präzision werden in mechanischer und optischer Hinsicht hohe Ansprüche gestellt. Um die kinematischen Schwierigkeiten zu meistern und die leichte Führung aller beweglichen Teile in allen Fällen zu ermöglichen, werden die Bewegungen und Einstellungen verschiedentlich nicht den dafür unmittelbar in Frage kommenden Teilen zugewiesen, sondern anderen, wobei aber stets die r e l a t i v e Bewegung der maßgebenden Teile richtig erfolgen muß. — Die räumlichen Auswertegeräte stellen hochwertige Präzisionsapparate dar; ihre Anwendung hat sich in steigendem Maße durchgesetzt. Ihre Behandlung und Darstellung ist in diesem kurzen Lehrbuch über Photogrammetrie wichtig; es sei aber ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß es dabei nicht entfernt möglich ist, alle Konstruktionen zu erwähnen, geschweige denn sie einzeln darzustellen und zu würdigen. Der Verfasser war bemüht, einige prinzipiell wichtige und heute viel gebrauchte in ihren G r u n d z ü g e n möglichst klar darzustellen. Die Wahl fiel dabei auf den Aeroprojektor Multiplex, der weitaus das einfachste Gerät darstellt und sich nicht nur für den Unterricht, sondern auch für kleinmaßstäbliche Auswertungen gut eignet und wohl das verbreitetste Gerät ist; dann auf den Stereoplanigraph ') Siehe dazu den sehr instruktiven Artikel von W. Sander: „Über die Entwicklung der Photogrammetrie an Hand der Erfindungen unter besonderer Berücksichtigung der Doppelbild-Auswertegeräte in O. v. Gruber: „Ferienkurs in Photogrammetrie". K. Wittwer 1930. 2 ) O. v. Gruber: Leitideen bei Konstruktion der für Raumbildmessung dienenden Auswerteinstrument.e. Mitt. aus dem Markscheidewesen 1922.

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von Zeiß, der seit über 15 Jahren gebaut wird und ein typischer Vertreter des mit rein optischer Wiederherstellung arbeitenden Präzisionsinstrumententyps ist, schließlich die neuen Autographen von Santoni und Wild, an denen die Strahlenbündel rein mechanisch durch Raumlenker rekonstruiert werden 1 ). b) Der Aeromnltiplex (Abb. 58 und 59.) Wie erwähnt, werden bei diesem Gerät die photogrammetrischen Strahlenbündel rein optisch wiederhergestellt. Zu diesem Zweck stellt man sich in einem besonderen Verkleinerungsgerät von den Originalnegativen besonders feinkörnige Verkleinerungen auf ein Viertel her und legt sie in Kammern (Abb. 58a), die gegenüber den Originalkammern um denselben Betrag ähnlich

Abb. 58a. Die Projektionskammer des Multiplex. Die Kammer befindet sich unter dem schwarzen Zylinder (1), der die Beleuchtungseinrichtung enthält. Das verkleinerte Bild liegt in Höhe der Schräubchen (2), mit denen es zentriert werden kann; unmittelbar darunter ist der Verkantungsring (3) sichtbar. Das Objektiv liegt verdeckt im Schnittpunkt der co- (4) und y-Achse (5). Hinten ist der Tragbalken (6) mit der x Führung, er trägt die vertikale bz Schiene (7), an der unten in schwalbenschwanzförmiger Führung die by Schiene (8) ruht. Zur Einstellung der äußeren Orientierung dienen die Schrauben (9) für bx, (10)für6 y , (11) fürf>z, (12) fürVerschwenkung und (13) für Neigung 1 ) Da hier nur eine ganz kleine Auswahl von Instrumenten beschrieben ist, sei ausdrücklich auf die umfassendere Behandlung von O. v. Gruber: Automatische Auswertegeräte in Ferienkurs in Photogrammetrie S. 324—390, Stuttgart 1930 hingewiesen, ferner auf die neueste von Paolo Dore in seinem Buch Fondamenti di Fotogrammetria S. 183 bis 269. Bologna 1938.

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verkleinert auf einem Gestell angebracht sind, ein. Dann werden sie durch eine wirksame Lichtquelle von rückwärts beleuchtet und dadurch so in den R a u m projiziert, daß der Strahlengang gegenüber der Aufnahme umgekehrt ist. Werden so die Strahlenbündel zweier dasselbe Gelände darstellender Aufnahmen projiziert, so ergeben sich die Schnittpunkte entsprechender Strahlen unmittelbar auf optischem W e g und auch das durch die Schnittpunkte der Strahlen bestimmte Raummodell entsteht ohne mechanische Hilfsmittel im R a u m (Abb. 5 8 b ) . — U m das Raummodell sichtbar zu machen und auszumessen, benützt man ein Projektionstischchen (Abb. 59), auf dessen weißer Oberfläche man nicht nur die Projektionen der einzelnen Bilder auffangen, sondern auch das Raummodell stereoskopisch sichtbar machen kann, wenn sich das Tischchen etwa in Modellhöhe befindet. Die Ausmessung erfolgt mittels eines leuchtenden in der Mitte des Tischchens befindlichen Punkts, der als Meßmarke dient. E r wird durch seitliches Verschieben und Höhenänderung des Tischchens mit dem stereoskopisch gesehenen Modell zur Deckung gebracht und an diesem entlang geführt. Der Grundriß wird dabei durch einen am F u ß des Tischchens angebrachten Zeichenstift aufgezeichnet, während die Höhen an einem Maßstab abgelesen werden können. Aufbau. J e d e Projektionskammer Abb. 58 b. Prinzip der Doppelprojektion ist um drei aufeinander senkrechte Achsen, die cp-, co- und j£-Achse (Abb. 58a), drehbar, die sich in der Blendenmitte des Objektivs schneiden, ferner kann jede K a m m e r längs Führungen in drei zueinander senkrechten Raumrichtungen x, y und z verschoben werden, so daß sämtliche Orientierungsgrößen S. 2 8 einstellbar sind. Von Wichtigkeit ist es hierbei, daß die Basis als Abstand der K a m m e r n unmittelbar benutzt werden kann, wobei die Hauptkomponente bz in die Richtung des Hauptträgers fällt. Die W e r t e cp und co können auch zahlenmäßig mittels eines Aufsatzes eingestellt werden, wenn sie z. B . aus Horizontbildern im voraus bestimmt sind. U m nach Herstellung der gegenseitigen Orientierung die absolute ausführen zu können, ohne an der gegenseitigen etwas zu ändern, kann der Träger, auf dem die Kammern aufgereiht sind, als Ganzes durch Schrauben um eine Parallele zur »-(Hauptträger-)Richtung um vx und durch Schrauben an den seitlichen Trägern senkrecht dazu um vy gedreht werden. Auf diese Weise kann ein Aufnahmepaar, aber auch eine längere durch Folgebildanschluß gewonnene Modellreihe im R a u m (absolut) orientiert werden.

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Abb.'59. Aeromultiplex mit 9 Projektoren, Gesamtansicht mit 2 Projektionstischchen (1) und mehreren Paßpunktsäulen (2). Die bei der absoluten Orientierung notwendige »»-Drehung wird mit den Fußschrauben (3), die Drehung mitdenHandrädern (4) an den seitlichen Tragsäulen vorgenommen

Zur P r o j e k t i o n dient ein Beleuchtungssystem, das auf die Kammern aufgesetzt wird, für das ganze Gesichtsfeld der Kammern gleichzeitig. Die notwendige, von 25 cm bis 50 cm Modeliahstand reichende Tiefenschärfe wird dadurch erreicht, daß die Öffnung des Objektivs klein gemacht und die Hauptschärfe auf eine mittlere Entfernung gelegt ist. Es muß deshalb eine Objektivbrennweite verwendet werden, die von der Bildweite etwas verschieden ist. Das Licht wird durch Filter für zwei aufeinanderfolgende Kammern komplementär gefärbt. Die B e t r a c h t u n g erfolgt ohne besondere optische Hilfsmittel mit freiem Auge. Es wird nur eine Brille mit komplementärfarbigen Gläsern benutzt, wobei das in der gleichen Farbe projizierte Bild gesehen, das komplementärfarbige aber ausgelöscht wird. Auf diese Weise wird jedem Auge sein besonderes Bild zugeführt und der Stereoeffekt erreicht, (vergleiche S. 45). Bei der A u s w e r t u n g , die in einem ganz verdunkelten Raum vor sich geht, wird das Projektionstischchen mit freier Hand entweder Situationslinien unter Verstellung der Höhe oder Schichtlinien in bestimmter gleicher Höhe nachgeführt. Eine besondere Eigenart des Multiplex und zugleich ein Vorteil besteht in der Möglichkeit, mehr als zwei Aufnahmen einer Reihe gleichzeitig zu bearbeiten, ihnen gemeinsam die absolute Orientierung zu geben und sie der Reihe nach auszuwerten, ohne die gegenseitige und absolute Orientierung nochmals von neuem einstellen oder herstellen zu müssen. Trotz seiner einfachen und leichten Ausführung ist der Multiplex ein verhältnismäßig genaues Instrument. Nach Untersuchungen des Verfassers läßt er eine Genauigkeit zu, die umgerechnet auf die Größe der Originalaufnahmen

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r d . ^ 0,05 m m f ü r stereoskopische Messung der Seitenparallaxen u n d r d . 0 , 1 m m f ü r die der Höhenparallaxen erreicht. Seine Genauigkeit b e t r ä g t also e t w a den dritten Teil der m i t den Originalaufnahmen ü b e r h a u p t erreichbaren u n d d a m i t auch den dritten Teil der Genauigkeit, die mit den großen Präzisionsauswertegeräten erreichbar ist. c) Der Stereoplanigraph n a c h ' Bauersfeld Der Stereoplanigraph b e r u h t auf demselben G r u n d p r i n z i p wie der Multiplex, doch finden sich a n i h m eine Reihe zusätzlicher Konstruktionsteile u n d Vorrichtungen, welche die volle u n d möglichst fehlerfreie A u s n u t z u n g der d u r c h die Originalnegative gegebenen Genauigkeit bezwecken. W e n n der P l a n i g r a p h auch keineswegs aus dem Multiplex e n t s t a n d e n ist — das erste P l a n i g r a p h e n m o d e l l w u r d e 1923 herausgebracht, — so soll doch im folgenden d e r Multiplex als Grundlage zur BeP' H' Bild schreibung des Planigraphen dienen. Die Wiederherstellung der Aufnahmestrahlenbündel erfolgt rein optisch wie beim Multiplex, jedoch u n t e r Verw e n d u n g der Originalbilder u n d -obj e k t i v e nach dem Porro-Koppeschen Prinzip (s. S. 53). Die Bildträger entsprechen n a c h ihrer inneren Orientier u n g den A u f n a h m e k a m m e r n ; zwecks Einstellung der Orientierungsgrößen 99, (o, x sind sie wie beim Multiplex u m drei sich in der Blendenmitte des Obj e k t i v s schneidende Achsen drehbar. W ä h r e n d a m Multiplex durch eine von der Bildweite verschiedene Brennweite der K a m m e r o b j e k t i v e S c h a r f a b b i l d u n g der einzelnen von den Bildpunkten Abb. 60. Scharfabbildung durch das Zwischenglied ausgehenden Strahlenbündel n u r auf einen festen mittleren Modellabstand vorgesehen ist, im übrigen aber Schärfe nur näherungsweise eintritt, erfolgt b e i m Planigraphen f ü r alle E n t f e r n u n g e n Scharfabbildung der Bildpunkte in den P u n k t e n des Geländemodells. Dabei k a n n das Bild nicht m e h r als Ganzes ausgeleuchtet u n d in den R a u m projiziert werden, sondern jeweils n u r in einem Ausschnitt. W i r d a m Auswertegerät der Strahlengang m i t derselben inneren Orientierung wie bei der A u f n a h m e r ü c k w ä r t s wieder hergestellt, so verlassen die v o n dem B i l d p u n k t durch das O b j e k t i v nach den weit e n t f e r n t e n O b j e k t p u n k t e n laufenden Lichtbündel das Objektiv praktisch parallel; sie müssen zwecks J ) O. v. Gruber: Der Stereoplanigraph der Firma Zeiß. Zeitschr. f. Instrumentenkunde 43. Bd. 1923 S. 1—16.

F i ns t er wal de r , Photogiammetrie

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Scharfabbildung auf die im Auswertemaßstab nahen Modellpunkte konvergent gemacht werden. Dies geschieht durch ein von Bauersfeld angegebenes optisches Zwischenglied (Abb. 60 und 61), das aus einer Negativ- und einer Positivlinse gleicher Brennweite / besteht. Der Abstand e der beweglichen Positivlinse von der festen Negativlinse wird stets so geändert, daß die Brennweite ftul des Zwischengliedes der Entfernung s des Geländepunktes im Kartenmaßstab gleich ist. Die Brennweite fzw des Zwischengliedes zählt dabei von seinem rückwärtigen Hauptpunkte H t U t (Abb. 61) aus, der mit dem einen Brennpunkt ,Fn der Negativlinse zusammenfällt. Hzu>t wird in die Blendenmitte des Kammerobjektivs gelegt, die das

Abb. 61. Schema von Strahlengang und Abbildung für einen außerhalb der Achse des Zwischengliedes auftreffenden Strahl P',—P,t wenn P' der mit dem Zwischenglied bzw. der Meßmarke eingestellte Punkt ist. Das Verhältnis P,P: P',P' gibt die Vergrößerung an. Die Abbildung ist senkrecht zur Achse sehr stark verzerrt

Zentrum des Hauptstrahlenbündels der Aufnahme darstellt. Die Verschiebung der Positivlinse läßt HZUJt unverändert und beeinflußt nur die Brennweite flw nach der Beziehung (1)

Die Positivlinse PL entwirft von dem aus dem Kammerobjektiv 0 — O parallel austretenden Lichtbündel P' P' ein scharfes (virtuelles) Bild in P*: der in Pm auf die Linse PL treffende Strahl geht ungebrochen weiter. Der durch FP gehende Strahl wird durch die Linse PL achsparallel gemacht. — P* wird durch die Zerstreuungslinse nach P, abgebildet: Der durch die Linsenmitte gehende Strahl ist P* — Nm, der achsparallele Strahl P*—Pn wird zum Brennpunkt F n der Negativlinse gebrochen. Das Zwischenglied wird durch einen Lenker L (Abb. 64) so gesteuert, daß es stets in Richtung des eingestellten Hauptstrahles gerichtet ist, es dreht sich dabei in einem Kardangelenk um H 0 . Der Linsenabstand e, der laut (1) invers

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zu s ist, wird durch einen mit dem Lenker L verbundenen Inversor gesteuert. Von großer Bedeutung ist die sehr genaue Geradführung der Positivlinse parallel HZWi—P, während an das Zusammenfallen von Hzw% mit H0, ferner die Ausrichtung des Zwischensystems in die Richtung H0—P nicht so hohe Genauigkeitsanforderungen gestellt zu werden brauchen. Wichtig ist schließlich noch die Vergrößerung, die durch das Zwischensystem erfolgt. Sie ist proportional der Brennweite f2W, also auch proportional s, d. h. ferne Punkte werden stärker vergrößert als nahe. Die Verkleinerung, welche die fernen Punkte bei der Aufnahme gegenüber den nahen erfahren haben, wird also aufgehoben, es erscheinen deshalb alle Gegenstände im gleichen Maßstab, ganz gleich, ob sie nah oder fern sind. Der Betrachtungsmaßstab ist noch abhängig von der konstanten Vergrößerung des Betrachtungsstereoskops (siehe unten), ist aber für das ganze Gesichtsfeld konstant. Es findet also bei der Betrachtung ein Vergrößerungsausgleich statt, so daß die von der Verschiedenheit der Punktentfernungen herrührenden Maßstabsunterschiede der Bilder aufgehoben werden. Der Aufbau des Planigraphen ist grundsätzlich der gleiche wie beim Multiplex, jedoch wird wie bei anderen genauen Raumauswertegeräten der Schnitt der Aufnahmestrahlen nicht unmittelbar A b b 6 2 Der Aufbau des plani. herbeigeführt, die Basis also nicht, wie gra phen. Zeißsches Parallelogramm es dem Aufnahmevorgang entspricht, zwischen den Kammern A und B eingestellt. Man gibt den Kammern einen festen Abstand c (Abb. 62) und erhält dadurch, wenn b die richtige Basis ist, die rechte Kammer B und das durch sie projizierte Strahlenbündel um den Betrag c—b parallel zu sich nach außen in die Lage B* verschoben. Die Meßmarke M bei P, auf welche die Teilbilder ursprünglich von A bzw. B her projiziert waren, wird in zwei Teilmarken M1 und M2 zerlegt, die einzeln mit den von A bzw. B* her projizierten, nunmehr getrennten Teilbildern zusammenfallen und zugleich mit diesen durch ein Stereoskop betrachtet werden können. Man sorgt nun dafür, daß der Abstand M±—M2 stets c — b und parallel B — B * ist, was sehr leicht durch ein festes Verbindungsstück erreicht wird. Dieses hat in seiner Grundstellung (b = 0) ebenfalls die Länge c = M1 M0 (Abb. 62). Die 4 Punkte A, B*, M±, M0 bilden dann ein Parallelogramm, das grundlegend wichtig ist und von seiner ersten Anwendung beim Stereoautographen (S. 81) her das Zeißsche Parallelogramm heißt. Die Basis b wird nun mit ihren 3 Komponenten bx, by, bz entweder von M1 oder M2 aus nach 10*

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innen, d. h. in entgegengesetzter Richtung wie bei A — B, eingestellt und man erhält dadurch den Sollabstand M1 — M2 = c — b (Abb. 62). Wenn beim Folgebildanschluß die Kammern A und B vertauscht werden (S. 149), erfolgt die Basiseinstellung nach außen, es wird dann M1 — M2 = c + b. Die Basis wird also im Gelände eingestellt. Die geschilderte Verschiebung der einen Kammer und die gleichzeitige Einstellung der Basis am Geländepunkt ändern die geometrischen Verhältnisse nicht, insbesondere bleiben alle Richtungen erhalten. Die Kammern bekommen dadurch einen festen Abstand, es können auch kleine Beträge b eingestellt werden; wichtig ist die Möglichkeit, die getrennt nach M1 und M2 projizierten Bilder durch ein Stereoskop zu betrachten. Im übrigen ist an den Kammern wie beim Multiplex die Verschwenkung, Neigung und Verkantung einzeln einstellbar. Dagegen kann das Raummodell nicht als Ganzes um Parallele zu den beiden horizontalen Geräteachsen x und y geschwenkt bzw. gekippt werden, da die Basis nicht zwischen den Kammern eingestellt ist. Um die absolute Orientierung aber trotzdem einfach vornehmen zu können, sind die Kammern gemeinsam um denselben Betrag vy um die zur «/-Richtung und unter sich parallelen Achsen