Photogrammetrie 9783111706627, 9783111317229


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German Pages 455 [472] Year 1968

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Aus dem Vorwort zur 1. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Einführung
1 Die Grundlagen der Photogrammetrie
2 Terrestrische Photogrammetrie
3 Luftphotogrammetrie
4 Die Deutung des Luftbildes (Luftbild-Interpretation)
5 Die Bedeutung und praktische Anwendung der Photogrammetrie
Literaturverzeichnis
Namenregister
Sachregister
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Photogrammetrie
 9783111706627, 9783111317229

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de Gruyter Lehrbuch Photogrammetrie

Photogrammetrie

von

Prof. Dr. Richard Finsterwalder Dritte, völlig neu bearbeitete Auflage von

Prof. Dr. Walther Hofmann Technische Universität Braunschweig Mit Beiträgen von Prof. D R . H E L L M Ü T F R I E S ER Technische Hochschule München DR. ERNST

SCHMIDT-KRAEPELIN

Universität Bochum

Mit 64 Abbildungen und 125 Figuren

Walter de Gruyter & Co · Berlin 1968 vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung · J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer · Karl J . Trübner · Veit & Comp.

© Copyright 1968 by Walter de Gruyter & Co, vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit&Comp.,Berlin30. — Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien nnd Mikrofilmen, vom Verlag vorbehalten. — Archiv-Nr. : 12 10 681 - Satz und Druck H. Heenemann KG, 1 Berlin 31 — Printed in Germany.

Peter Finsterwalder (1930

-1955) und

Stephan Hofmann (1947 - 1968) gewidmet

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage

. . . Das Buch wendet sich in erster Linie an die Vermessungsingenieure, aber auch an alle diejenigen, die sonst das ebenso anregende wie neuartige Verfahren der Photogrammetrie anzuwenden haben, wie Bauingenieure und Geographen. Um das Buch nicht zu umfangreich werden zu lassen, wurde eine klare Abgrenzung gegen Sonder- und Nachbargebiete vorgenommen. So wurde die geometrische Optik und Photochemie nur soweit sie unmittelbar für die photogrammetrischen Methoden Bedeutung haben, behandelt. Vor allem war der Verfasser bestrebt, die topographischen Anwendungen der Photogrammetrie zu begründen und klarzulegen, ohne damit einem Buch über Topographie vorzugreifen, das alle möglichen topographischen Methoden vor allem im Hinblick auf ihre Anwendung darstellen muß . . . Hannover, Herbst

1938

RICHARD FINSTERWALDER

Vorwort zur 3. Auflage Zu den wissenschaftlichen Arbeiten, die R I C H A R D F I N S T E R W A L D E R bei seinem allzu frühen Tod am 28. Oktober 1963 unvollendet zurücklassen mußte, gehörte das Manuskript zur 3. Auflage seines Lehrbuches „Photogrammetrie". Die Pläne zur Neubearbeitung hatten ihn seit 1961 beschäftigt, das Gerüst war gegeben, an druckfertigen Textentwürfen konnten jedoch in seiner Hinterlassenschaft nur wenige Seiten gefunden werden. Da die Absicht des Verlages, das Werk fortbestehen zu lassen, feststand, erklärte ich mich als Schüler und engster Mitarbeiter Finsterwalders bereit, die Neuauflage zu bearbeiten. Die Möglichkeit dazu wurde mir durch das Entgegenkommen des Verlages J . B. Metzler in Stuttgart gegeben, der mich auf Vorschlag des Herausgebers des „Handbuchs der Vermessungskunde", Prof. Dr. M. KNEISSL, der übernommenen Verpflichtung zur Mitarbeit an diesem Werk als Verfasser des theoretischen Teiles des Ergänzungsbandes „Photogrammetrie" enthob. Unter dieser Neubearbeitung stellte ich mir zunächst nur eine angemessene Erweiterung und Ergänzung der mir wohlvertrauten 2. Auflage von 1952 vor. Bald ergab sich jedoch, daß die tiefgreifenden Veränderungen, die das Lehrgebäude der Photogrammetrie im letzten Jahrzehnt erfahren hat, eine ebenso gründliche Neugliederung des Buches verlangten. Die Arbeit daran mußte neben dem Aufbau eines neuen Lehrstuhls für Photogrammetrie und Kartographie an der Technischen Hochschule Braunschweig geleistet werden und

8

Vorwort

zog sich deshalb über 4 Jahre hin. Das Endergebnis ist eine fast vollständige Neufassung des Textes gegenüber der Auflage von 1952. Hauptanlaß zu dieser Umgestaltung war die Wiederbelebung und Weiterentwicklung der rechnerischen Auswerte- und Ausgleichungsverfahren in der Photogrammetrie, die sich als Folge der allgemeinen Verfügbarkeit elektronischer Rechenanlagen ergeben hatte. Auch F I N S T E R W A L D E R hatte — nach dem Vorbild anderer moderner Lehrbücher — die Aufnahme eines eigenen Kapitels über „Analytische Photogrammetrie" in sein Werk geplant. Die enge Verknüpfung zwischen instrumentellen und rechnerischen Verfahren, die in der Zwischenzeit bei fast allen photogrammetrischen Arbeiten zustande gekommen war, ließ jedoch eine solche gesonderte Behandlung analytischer Ableitungen in einem Lehrbuch nicht mehr als zweckmäßig erscheinen. Vielmehr sollten die rechnerischen Verfahren gleichwertig und in unmittelbarer Verbindung mit ihren instrumenteilen Gegenstücken dargestellt werden und sich damit organisch in den Gesamtstoff des Buches einordnen. Dies aber setzt wiederum den Aufbau der gesamten Photogrammetrie aus einer Wurzel, nämlich dem mathematisch-geometrischen Modell der Zentralprojektion und seiner analytischen Beschreibung, voraus. Daneben war den Abweichungen von dieser Modell Vorstellung besondere Aufmerksamkeit zu widmen, um die Reichweite analytischer Ansätze realistisch beurteilen zu können. In seinem Grundtenor erhielt daher das Buch den Untertitel : Modell und Wirklichkeit. Außer dieser grundlegenden Umstellung wurde versucht, den Charakter des Finsterwalderschen Lehrbuches so weit wie möglich zu erhalten. Dies gilt zum Beispiel für den Anteil der terrestrischen Photogrammetrie, der nach wie vor ein eigener und unabhängiger Abschnitt vorbehalten ist. Es gilt noch mehr für das Gewicht, das F I N S T E R W A L D E R der topographischen und kartographischen Seite der Bildmessung zukommen üeß : sein Bestreben, im Meßbild und im Auswerteergebnis immer wieder das Bild der Landschaft — verstanden im geographischen Sinn — zu suchen und wiederzuerkennen. Ein deutliches Zeichen für diese Absicht ist die starke Erweiterung und systematische Fundierung, .die der Abschnitt über Luftbild-Interpretation erfahren hat. Als Autor für diesen Abschnitt hatte bereits Professor Finsterwalder den interpretatorisch erfahrenen Geographen Dr. E R N S T S C H M I D T - K R A E P E L I N , Bonn, gewonnen. Desgleichen hatte er sich für die Neubearbeitung des Kapitels über die Photographie der Mitarbeit von Prof. Dr. H E L L M U T F R I E S E R , München, versichert . Beide erklärten sich dankenswerterweise auch unter den veränderten Verhältnissen nach Finsterwalders Tod zur Mitautorenschaft bereit. Mein persönlicher Dank gilt an erster Stelle Frau M A R I A F I N S T E R W A L D E R für ihr Einverständnis zur Neubearbeitung des didaktischen Werkes ihres Mannes. — Mit großem Verständnis und manchem guten Rat und Hinweis unterstützte mich bei der Neufassung Herr Privatdozent Dr.-Ing. R Ü D I G E R F I N S T E R W A L D E R , München.

9

Vorwort

Weiter danke ich dem Verlag für die Geduld und das Verständnis in den Jahren bis zum Abschluß des Manuskriptes und für die große Sorgfalt bei der drucktechnischen Herstellung des Werkes. Bei der Vorbereitung des Manuskriptes unterstützten mich : Frau H A N N A D R U C K und Frau E L I S A B E T H O L L E durch Herstellung der Reinschrift ; Herr cand. geod. B E R N H A R D R I T T E R durch sachgerechte Reinzeichnung der Figuren-Vorlagen ; meine beiden Assistenten, die Herren Dipl.-Ing. W I L F R I E D S E U F E R T und A C H I M K A R S T E N durch Lesen der Korrekturen, verbunden mit manchem wertvollen Änderungsvorschlag. Ihnen allen danke ich für ihre Hilfe. Möge das vorliegende Werk dazu beitragen, die Erinnerung an die Verdienste R I C H A R D F I N S T E R W A L D E R S um die Entwicklung der Photogrammetrie in Theorie und Praxis lebendig zu erhalten. Braunschweig und München, Sommer 1968

WALTHER

HOFMANN

Inhaltsverzeichnis Einführung

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1 Die Grundlagen der Photogrammetrie

21

1.1 Mathematische Grundlagen 1.1.1 Geometrische Grundlagen 1.1.2 Analytische Grundlagen 1.1.2.1 Das System der Bildkoordinaten 1.1.2.2 Das System der Raumkoordinaten 1.1.2.3 Äußere Orientierung eines Meßbildes 1.1.2.4 Die Abbildungsgleichungen der Zentralprojektion 1.1.2.5 Bestimmung der Drehmatrix D 1.1.2.6 Kleine Drehungen 1.1.2.7 Differentialformeln

21 21 23 23 23 24 24 28 35 36

1.2 Optische Grundlagen 1.2.1 Die optische Abbildung 1.2.2 Projektionszentrum, Bildfunktion und Verzeichnung 1.2.2.1 Das Projektionszentrum 1.2.2.2 Die Bildfunktion 1.2.2.3 Kammerkonstante und Verzeichnung 1.2.3 Innere Orientierung — Verzeichnungskorrektur 1.2.3.1 Der Hauptpunkt 1.2.3.2 Wahl der Kammerkonstanten 1.2.3.3 Korrektur der Verzeichnung 1.2.4 Bildschärfe und Kontrastwiedergabe 1.2.4.1 Das Auflösungsvermögen 1.2.4.2 Modulations-Übertragungs-Funktionen

44 44 50 50 51 53 54 54 57 60 66 66 68

1.3 Photographische Grundlagen (von H. Frieser) 1.3.1 Das photographische Material 1.3.1.1 Der Schichtträger 1.3.1.2 Die Emulsionsschicht 1.3.2 Der photographische Prozeß 1.3.3 Lichtempfindlichkeit und Gradation 1.3.3.1 Schwärzung und Schwärzungskurve 1.3.3.2 Empfindlichkeit 1.3.3.3 Farbenempfindlichkeit 1.3.4 Bildeigenschaften 1.3.4.1 Körnigkeit 1.3.4.2 Verwaschung 1.3.4.3 Detailwiedergabe, Auflösungsvermögen 1.3.5 Die photographische Aufnahme 1.3.5.1 Licht und Filter 1.3.5.2 Infrarotphotographie 1.3.5.3 Farbenphotographie 1.3.5.4 Kontrastausgleich 1.3.6 Behandlung photographischer Filme

69 70 70 71 71 72 72 73 74 75 75 75 78 78 78 80 81 81 82

Inhaltsverzeichnis

11

1.4 Stereoskopisches Sehen und Messen 1.4.1 Monokulares Sehen 1.4.2 Stereoskopisches Sehen 1.4.2.1 Natürliches räumliches Sehen 1.4.2.2 Künstliche Steigerung der stereoskopischen Tiefenwahrnehmung . . . 1.4.2.3 Räumliches Sehen mit Hilfe stereoskopischer Bilder („Künstliches räumliches Sehen") 1.4.2.4 Orientierung stereoskopweher Bilder 1.4.3 Stereoskopisches Messen

82 82 84 84 86 86 92 94

1.5 Bildkoordinaten und Bildwinkel 1.5.1 Bildkoordinatenmessung 1.5.1.1 Komparatoren 1.5.1.2 Messung am Stereokomparator 1.5.1.3 Prüfung des Stereokomparators 1.5.1.4 Präzisions-Stereokomparatoren 1.5.2 Messung von Bildwinkeln 1.5.3 Bestimmung der inneren Orientierung durch Bildkoordinatenmessung... 1.5.3.1 Bestimmung der inneren Orientierung durch einfachen Rückwärtseinschnitt 1.5.3.2 Bestimmung der inneren Orientierung durch Ausgleichung 1.5.3.3 Praktisches Beispiel 1.5.4 Refraktionskorrektur 1.5.5 Reduktion der Erdkrümmung

96 97 97 99 102 102 106 107 107 108 111 111 114

2 Terrestrische Photogrammetrie

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2.1 Die Aufnahmegeräte der Erdbildmessung 2.1.1 Der leichte Feldphototheodolit nach Finsterwalder (TAF = Terrestrische Ausrüstung Finsterwalder) 2.1.2 Die terrestrische Feldausrüstung TAN (Terrestrische Ausrüstung Normal) 2.1.3 Die photogrammetrische Feldausrüstung Ρ 30 von Wild 2.1.4 Die terrestrische Feldausrüstung TAL (Terrestrische Ausrüstung Leicht) 2.1.5 Die Stereomeßkammer SMK 2.1.6 Prüfung und Justierung von Phototheodoliten

117 119 121 122 123 123 124

2.2 Bildwinkel, äußere Orientierung und Abbildungsgleichungen in der Erdbildmessung 125 2.3 Meßtischphotogrammetrie

128

2.4 Bildtriangulationen 2.4.1 Topographische Triangulationen 2.4.2 Satellitenphotogrammetrie

134 134 135

2.5 Terrestrische Stereophotogrammetrie 136 2.5.1 Parallaxenphotogrammetrie 136 2.5.1.1 Der Normalfall der Stereophotogrammetrie 136 2.5.1.2 Der Verschwenkungsfall der Stereophotogrammetrie 138 2.5.1.3 Der Konvergenzfall der Stereophotogrammetrie 139 2.5.2 Fehlertheorie der Parallaxenphotogrammetrie 140 2.5.2.1 Fehler der inneren Orientierung 140 2.5.2.2 Fehler der äußeren Orientierung 142 2.5.2.3 Einfluß der Orientierungs- und Bildkoordinatenfehler auf die Raumkoordinaten 145

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Inhaltsverzeichnis 2.5.3 Korrektur der Orientierungsfehler mit Hilfe von Paßpunkten 2.5.3.1 Basis- und Parallaxenkorrektur 2.5.3.2 Korrektur der Bildkoordinaten 2.5.4 Die Auswertung in der terrestrischen Stereophotogrammetrie 2.5.4.1 Mechanische Auswertegeräte — Der Stereoautograph — Andere Auswertegeräte 2.5.4.2 Modelleinpassung am Stereoautographen 2.5.4.3 Berücksichtigung von Erdkrümmung und Refraktion 2.5.5 Genauigkeit und Technik der stereophotogrammetrischen Aufnahme 2.5.5.1 Auswertegenauigkeit und Basisverhältnis 2.5.5.2 Aufnahmetechnik 2.5.5.3 Genauigkeit und Leistungsfähigkeit

146 146 147 148 148 154 156 158 158 160 162

2.6 Die heutige Anwendung der Erdbildmessung

164

3 Luftphotogrammetrie

166

3.1 Die Luftbildaufnahme

166

3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5

Luftbild und K a r t e Luftbilder und Luftbildverbände Luftbildkammern Hilfsgeräte zur Bestimmung der äußeren Orientierung Der Bildflug 3.1.5.1 Bildflugzeuge 3.1.5.2 Bildflugplanung 3.1.5.3 Bildflugnavigation 3.2 Entzerrung von Luftbildern 3.2.1 Analytische Entzerrung 3.2.2 Graphische Entzerrung 3.2.2.1 Papierstreifenmethode 3.2.2.2 Übertragungsnetze 3.2.3 Optische Entzerrung 3.2.3.1 Scharfabbildung 3.2.3.2 Perspektive Umbildung 3.2.3.3 Einstelldaten 3.2.3.4 Steuerungen 3.2.4 Entzerrungsgeräte 3.2.4.1 Subjektive Entzerrungsgeräte 3.2.4.2 Objektive Entzerrungsgeräte 3.2.4.3 Einpaßverfahren 3.2.5 Fehlerquellen und Genauigkeit der Entzerrung 3.2.6 Différentielle Entzerrung 3.2.6.1 Orthophotoskope 3.2.6.2 Genauigkeit der Orthoprojektion 3.3 Orientierung von Einzelbildern — Der räumliche Rückwärtsschnitt 3.3.1 Rechnerische Lösung des räumlichen Rückwärtsschnittes 3.3.2 Beschaffung von Näherungswerten 3.3.2.1 Koordinaten des Aufnahmeortes 3.3.2.2 Orientierungswinkel 3.3.3 Unbestimmtheit des räumlichen Rückwärtsschnittes 3.4 Orientierung von Bildpaaren 3.4.1 Rechnerische Doppelpunkteinschaltung im R a u m 3.4.1.1 Gegenseitige Orientierung 3.4.1.2 Ausgleichung der gegenseitigen Orientierung

166 169 175 182 185 185 186 188 189 190 191 192 192 193 194 195 199 199 201 201 202 205 207 210 211 216 216 217 219 220 223 225 225 228 228 233

Inhaltsverzeichnis 3.4.1.3 3.4.1.4 3.4.1.5 3.4.1.6

13

Berechnung von Modellkoordinaten Maßstabsabgleichung Absolute Orientierung Ausgleichung der Maßstabsabgleichung und der absoluten Orientierung 3.4.1.7 Gemeinsame Bestimmung der Orientierungselemente 3.4.2 Instrumentelle Doppelpunkteinschaltung im Raum 3.4.2.1 Gegenseitige Orientierung von Senkrechtbildern 3.4.2.2 Gegenseitige Orientierung von Schrägaufnahmen 3.4.2.3 Gegenseitige Orientierung von Konvergentaufnahmen 3.4.2.4 Unbestimmtheit der gegenseitigen Orientierung: Gefährliche Flächen und Räume 3.4.2.5 Maßstabsabgleichung und absolute Orientierung 3.4.3 Fehlertheorie der Doppelpunkteinschaltung im Raum 3.4.3.1 Genauigkeit der gegenseitigen Orientierung 3.4.3.2 Restparallaxen im Modell 3.4.3.3 Modelldeformationen

235 237 238

266 269 271 276 285 285

3.5 Die räumlichen Auswertegeräte für Luftaufnahmen 3.5.1 Konstruktionsprinzipien und Klassifizierung der Doppelbildauswertegeräte 3.5.2 Konstruktionsbeispiele räumlicher Auswertegeräte 3.5.2.1 Geräte nach dem Prinzip des Doppelprojektors 3.5.2.2 Der Stereoplanigraph 3.5.2.3 Geräte mit mechanischer Projektion 3.5.3 Die Arbeit an den räumlichen Auswertegeräten 3.5.3.1 Orientierung von Bildpaaren 3.5.3.2 Einzelpunktauswertung 3.5.3.3 Topographische Auswertung 3.5.3.4 Auswertung mit geänderter Bildweite (Affinauswertung) 3.5.3.5 Verfahren und Geräte zur genäherten Luftbildauswertung 3.5.3.6 Vollautomatische Höhenkartierung — Der Stereomat

289 290 298 298 302 306 311 311 311 315 322 325 334

3.6 Bildtriangulierungen 3.6.1 Die Radialtriangulation 3.6.1.1 Radialwinkel und Riadalpunkte im Luftbild — Hauptpunkttriangulation — Nadirpunkttriangulation — Fokalpunkttriangulation 3.6.1.2 Messung der Radialwinkel — Radialtriangulatoren 3.6.1.3 Rechnerische Radialtriangulation 3.6.1.4 Graphische Radialtriangulation 3.6.1.5 Mechanische Radialtriangulation — Bildschlitzmethode 3.6.2 Die Aerotriangulation 3.6.2.1 Rechnerische Aerotriangulation — Gemeinsame Bestimmung der Orientierungselemente — Rechnerische Aerotriangulation in Stufen — Bildstreifen — Einzelmodelle 3.6.2.2 Instrumentelle Aerotriangulation 3.6.2.3 Fehlertheorie der Streifentriangulation 3.6.2.4 Ausgleichung von Aerotriangulationsstreifen 3.6.2.5 Genauigkeit der Aerotriangulation

338 339

240 242 248 249 261 263

339 342 343 344 345 347 348 362 365 373 382

4 Die Deutung des Luftbildes (Luftbild-Interpretation) (von E. Schmidt-Kraepelin)

387

4.1 Die Luftbild-Interpretation als Wissenschaftsverbindende Arbeitsmethode

387

4.2 Technik und Methodik der Luftbild-Interpretation 4.2.1 Die wichtigsten Anwendungsgebiete 4.2.2 Persönliche und instrumenteile Voraussetzungen

389 389 391

14

Inhaltsverzeichnis 4.2.3 Systematik der Interpretation 4.2.4 Qualitative und quantitative Verfahren 4.2.5 Möglichkeiten und Grenzen der Interpretations-Schlüssel

392 395 397

4.3 Spezielle Luftbild-Interpretation 399 4.3.1 Die topographisch-kartographische Luftbildauswertung 399 4.3.1.1 Topographische Übersichtskarten 400 4.3.1.2 Großmaßstäbige Karten 400 4.3.1.3 Karten mittlerer Maßstäbe 401 4.3.2 Geologie und Geomorphologie 402 4.3.2.1 Praktische Geologie: Erdöl- und Erzprospektion 402 4.3.2.2 Geologische Kartierung 404 4.3.2.3 Das Relief im Luftbild 405 4.3.3 Bodenkunde 407 4.3.3.1 Grundzüge und besondere Probleme der pedologischen Luftbildforschung 407 4.3.3.2 Methoden der Interpretation und Kartierung 409 4.3.3.3 Luftbild und Frostboden-Forschung 410 4.3.4 Vegetationsforschung und Forstwirtschaft 410 4.3.4.1 Pflanzensoziologische Luftbildauswertung 411 4.3.4.2 Forstliche Luftbild-Interpretation 414 4.3.5 Geographie 417 4.4 Das Luftbild als Dokument der Kulturlandschaft und ihrer Veränderungen.... 422

5 Die Bedeutung und praktische Anwendung der Photogrammetrie

439

Literaturverzeichnis

442

Namenregister

449

Sachregister

450

Hinweise und Abkürzungen: Zahlen in eckigen Klammern [ ] sind Hinweise auf das Literaturverzeichnis, Seite 442-448. Für die Namen von Fachzeitschriften werden in den Fußnoten folgende Abkürzungen verwendet : AVN = Allgemeine Vermessungsnachrichten, Verlag Wichmann, Karlsruhe. BuL = Bildmessung und Luftbildwesen, Verlag Wichmann, Karlsruhe. Phia. = Photogrammetria, Elsevier Publishing Comp., Amsterdam. Phot. Eng. = Photogrammetrie Engineering, The George Banta Comp., Menasha/ Wisconsin, USA. Phot. Ree. = Photogrammetrie Record, The Photogrammetrie Society, London. Österr. ZfV = Österreichische Zeitschrift für Vermessungswesen, Verlag des Österreichischen Vereins für Vermessungswesen, Wien. Schw. ZfV = Schweizerische Zeitschrift für Vermessung, Photogrammetrie und Kulturtechnik, Druckerei Winterthur AG, Winterthur. ZfV = Zeitschrift für Vermessungswesen, Verlag Konrad Wittwer, Stuttgart.

Einführung

Wie jeder Bereich der modernen Technik läßt die Photogrammetrie verschiedene Begriffsbestimmungen zu, je nach dem wissenschaftlichen Ausgangspunkt von dem aus man sich ihr nähert. In erster Linie ist die Photogrammetrie ein Meßverfahren der Geodäsie, also der „Wissenschaft von der Ausmessung und Abbildung der Erdoberfläche" ( H E L M E R T ) . So betrachtet, ist sie am einfachsten als Vermessung mit Hilfe von Photographien zu bezeichnen. An die Stelle des Meßobjektes selbst tritt sein photographisches Abbild. Da in ihm das aufgenommene Objekt stets in verkleinertem Maßstab erscheint, muß bei seiner Auswertung eine entsprechend verfeinerte Meßtechnik angewandt werden. Das mathematisch-geometrische Modell, das der Photogrammetrie zugrunde liegt, ist die Zentralperspektive. Geometrisch gesehen besteht daher die Aufgabe der Bildmessung in der Rekonstruktion eines Gegenstandes aus ebenen Perspektiven. Die mathematische Analyse dieser Aufgabe liefert die rechnerischen und geometrischen Verfahren zu ihrer Lösung. Sie werden ergänzt durch die Berücksichtigung der Unterschiede zwischen mathematischem Modell und physikalischer Wirklichkeit. Im Zeitalter der automatischen Datenverarbeitung, deren stürmische Entwicklung ständig wachsenden Einfluß auf die Auswerteverfahren der Photogrammetrie gewinnt, liegt es nahe, das Wesen der Bildmessung auch im Rahmen der Informationstheorie zu bestimmen. Von diesem Standpunkt aus erscheint sie als die Verarbeitung des Datengehaltes photographischer Bilder. Die konsequente Durchführung dieses Konzeptes wird noch manche umwälzende Änderung im Bereich der Photogrammetrie mit sich bringen. Von ihrem Namen her könnte es als plausibel erscheinen, wenn die Photogrammetrie ihren Anfang mit der Erfindung der Photographie genommen hätte. Dies ist aber keineswegs der Fall. Mit der Entdeckung der Perspektive und ihrer Anwendung in der Malerei durch Künstler wie Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer begann vielmehr auch die Geometrie sich mit den Gesetzmäßigkeiten dieser Abbildung des Raumes auf die Ebene zu beschäftigen und sie folgerichtig zur Rekonstruktion räumlicher Objekte aus ebenen Perspektiven heranzuziehen. Der Schweizer Naturforscher M. A. K A P P E L E R scheint der erste gewesen zu sein, der diese Möglichkeit für topographische Zwecke ausgenutzt hat: im Jahre 1726 entwarf er aus zwei gezeichneten Perspektiven eine Karte des Pilatus-Massivs, voll Vertrauen, daß diese Methode durch ihre Eleganz und Schnelligkeit bald das beherrschende Aufnahmeverfahren werden würde. Das erste Lehrbuch der Photogrammetrie findet sich als 8. Kapitel in dem Werk ,,Freye Perspektive" des großen Mathematikers J . H . L A M B E R T ,

16

Einführung

erschienen 1759 in Zürich; es enthält die geometrischen Lösungen für alle Rekonstruktionsaufgaben der Zentralprojektion. In größerem Umfang praktikabel wurde die Bildmessung freilich erst durch die Erfindung der Photographie als optisch-technisches Verfahren zur Herstellung exakter Zentralperspektiven. Von dieser großen Entdeckung J . N. N I É P C E S und J . L . M . D A G U E R R E S erfuhr die wissenschaftliche Welt erstmals durch den Bericht des Physikers F. A R A G O vor der französischen Akademie der Wissenschaften im Jahre 1839. Es kennzeichnet den Weitblick ARAGOS, daß er in seinem Vortrag als eines der möglichen Anwendungsgebiete für das neue Abbildungsverfahren die topographische Geländeaufnahme ausdrücklich hervorhob. Erst im Jahre 1851 wurde diese Anregung durch den französischen Oberst A. LATJSSEDAT ernsthaft und tatkräftig aufgenommen. Er baute die ersten terrestrischen Meßkammern und benutzte sie zu einem topographischen Aufnahmeverfahren, das er ,,Métrographie" nannte und das sich eng an die klassische Geländeaufnahme mit dem Meßtisch anlehnte; es entspricht genau dem, was wir heute als „Meßtischphotogrammetrie" bezeichnen. Zu demselben Verfahren gelangte unabhängig in Deutschland der Architekt A. M E Y D E N B A U E R ; seit 1858 wandte er es für die spezielle Aufgabe der Architekturvermessung an und wurde damit zum Begründer der „Architekturphotogrammetrie", die bis heute infolge der klaren Identifizierbarkeit von Einzelpunkten an Bauwerken die Domäne der Meßtischphotogrammetrie geblieben ist. Aber auch die topographische Photogrammetrie wurde von deutschen Geodäten übernommen und ausgebaut : W. J O R D A N verwandte sie erfolgreich bei der Aufnahme der Sahara-Oase Dachel im Jahre 1874 und erwies damit erstmals die Leistungsfähigkeit des neuen Verfahrens bei Forschungsreisen in unerschlossene Gebiete. Hierzu gehören vor allem die Hochgebirgsregionen der Erde ; die Vorteile der terrestrischen Photogrammetrie bei der Kartenaufnahme gerade im Gebirge erkannt und systematisch nutzbar gemacht zu haben, ist das Verdienst der italienischen Militärgeographen F E R R E R Ò und P A G A N I N I , von denen die Landesaufnahme in den Alpen seit 1880 auf dieses Verfahren abgestimmt wurde. Wiederum eine Sondererscheinung des Hochgebirges, nämlich die Gletscher, wurde durch S. F I N S T E R W A L D E R der Photogrammetrie erschlossen : mit seiner Aufnahme des Vernagt-Ferners (Ötztaler Alpen) in den Jahren 1888 und 1889 und der daraus entwickelten Karte im Maßstab 1 : 10 000 begründete er die photogrammetrische Gletscherforschung, die aus der modernen Glaziologie nicht mehr wegzudenken ist. Zugleich baute S. F I N S T E R W A L D E R die geometrischen und analytischen Grundlagen der Photogrammetrie weiter aus. Auf seinen und seiner Schüler Arbeiten um die Jahrhundertwende beruhen alle jene rechnerischen Verfahren, die im Computer-Zeitalter erst voll zum Tragen gekommen sind.

Einführung

17

Bis zu eben dieser Jahrhundertwende unterschieden sich die photogrammetrischen Auswerteverfahren von denen der klassischen Geodäsie nur in der Gewinnung der Ausgangsdaten : an die Stelle der Richtungsmessung mit dem Theodolit war die Entnahme von Richtungssätzen aus dem Meßbild getreten. Erst in der Stereophotogrammetrie entstand ein Meß- und Auswerteverfahren, das auf neuen, nur mit dem Meßbild realisierbaren Prinzipien beruht. Es nutzt die Fähigkeit des Menschen aus, zwei ebene Perspektiven desselben Objektes im stereoskopischen Sehvorgang zum Raummodell zu vereinigen. Der Meßtechnik wurde diese Fähigkeit mit der Konstruktion des Stereokomparators durch C. PULFRICH und dem Bau dieses Gerätes bei Carl Zeiss in Jena im Jahre 1901 erschlossen. Die Erwartung, daß damit die Photogrammetrie nun schnell alle anderen topographischen Aufnahmeverfahren verdrängen würde, ging jedoch nicht in Erfüllung: Zwar waren die Identifizierungsschwierigkeiten der Meßtischphotogrammetrie behoben, doch blieb die punktweise Auswertung der Meßaufnahmen, die an Stelle der graphischen Rekonstruktion einen erheblichen Rechenaufwand erforderte. Ihren eigentlichen Durchbruch in der topographischen Kartographie erzielte die Stereophotogrammetrie daher erst mit der Erfindung eines mechanischen Auswertegerätes, des Stereoautographen, durch den österreichischen Militärgeographen E . v. OREL im Jahre 1908; das erste voll funktionsfähige Modell dieses Gerätes wurde 1911 bei Carl Zeiss in Jena gebaut. Der Stereoautograph gestattete erstmals die kontinuierliche Einmessung und Kartierung von Linien im Stereomodell, insbesondere der Höhenlinien. Damit war der Topographie ein Verfahren erschlossen, mit dem kein anderes konkurrenzfähig erschien. Die schwierigste Aufgabe der topographischen Kartographie: die Darstellung des Reliefs, konnte mit einer Genauigkeit, Vollständigkeit und Formtreue gelöst werden, die von keiner punktweisen Geländeaufnahme zu erzielen war. Mit der Einführung des Stereoautographen begann daher die Entwicklung jener Reihe von Kartenwerken, in denen die Hochgebirge der Erde eine Darstellung fanden, die sowohl in geodätischer wie in geographischer Hinsicht mustergültig war. Sie nahm ihren Ausgang von den Bergsteigerkarten des Deutschen und österreichischen Alpenvereins, der als erster die Bedeutung des neuen Verfahrens für die Hochgebirgskartographie erkannte und nutzte, und faßte durch Expeditionsaufnahmen in den Gebirgsketten Asiens, Süd- und Nordamerikas Fuß. Als Pionier dieser noch heute bedeutungsvollen Aufnahmetechnik und Darstellungsweise ist R. FINSTERWALDER z u nennen.

Die Erfolge der terrestrischen Stereophotogrammetrie enthüllten jedoch zugleich ihre Grenzen. Die photogrammetrische Aufnahme von der Erde aus ist stets an feste Standorte mit freier und weiter Einsicht in das umliegende Gelände gebunden, wie sie nur in Gebirgslandschaften zu finden sind. Im Flachund Hügelland, in der Kulturlandschaft, deren Erfassung mit Maß und Zahl die Hauptaufgabe des Vermessungswesens ist, muß sie versagen. Die Erdober2

Photogrammetrie

18

Einführung

fläche in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit eröffnete sich dem Meßbild erst, als sein Aufnahmestandort in den Luftraum verlegt wurde. In der Luftphotogrammetrie fand daher die Bildmessung ihr umfassendes Anwendungsgebiet. Der topographische Wert von steil nach unten gerichteten Aufnahmen aus der Luft war schon lange vor der Entwicklung des Motorflugzeuges erkannt worden. Die unmittelbare Kartenähnlichkeit des Luftbildes war es wohl, die den österreichischen Militärgeographen T H . S C H E I M P F L U G von 1 8 9 7 an zu seinen grundlegenden Arbeiten über die Entzerrung von Luftbildern, d. h. die optische Umbildung einzelner Aufnahmen annähernd ebenen Geländes in maßstabsgetreue Grundrißdarstellungen, veranlaßten. Quantitativ gesehen ist die Entzerrung noch heute das weitest verbreitete Verfahren der Photogrammetrie. Da das einzelne Meßbild jedoch keine Rekonstruktion des Geländereliefs zuläßt, konzipierte S C H E I M P F L U G in der Idee des Doppelprojektors bereits 1898 die Grundform jener räumlichen Auswertegeräte, deren Konstruktion 2 Jahrzehnte später den Siegeszug der Luftphotogrammetrie in alle Bereiche des Vermessungswesens einleitete. Die erste luftphotogrammetrische Karte entwarf S. F I N S T E R W A L D E K im Jahre 1903 aus 2 Baiionaufnahmen der Moränenlandschaft um Gars am Inn und entwickelte an diesem Beispiel die Methode der Doppelpunkteinschaltung im Raum, d. h. der gemeinsamen räumlichen Orientierung eines Bildpaares aus seinem Inhalt und mit Hilfe von Paßpunkten, die noch heute in rechnerischer oder instrumenteller Form der Schlüssel für jede Luftbildauswertung ist. Die systematische Aufnahme und Verwendung des Luftbildes konnte allerdings erst mit der Entwicklung von Motorflugzeugen einsetzen, die ihrerseits durch den Ersten Weltkrieg außerordentlich beschleunigt wurde. Der Bau der ersten Reihenmeßkammer durch 0 . M E S S T E R im Jahre 1 9 1 5 ermöglichte die automatische Aufnahme streifenartiger Luftbildverbände, wie sie dem Flugweg des Bildflugzeuges angemessen war. Im selben Jahr konstruierte M. G A S S E R — anknüpfend an S C H E I M P F L U G S Ideen — in seinem Doppelprojektor das erste funktionsfähige Kartiergerät für Luftbildpaare und entwickelte praktikable Orientierungs- und Auswerteverfahren. Mit diesen Erfindungen war der Weg für die weitere Entwicklung der Photogrammetrie gewiesen. Jede Verbesserung der Aufnahmetechnik erforderte eine solche der Auswertetechnik und umgekehrt. In rhythmischem Wechsel zwischen diesen beiden Grundpfeilern erreichte in den folgenden Jahrzehnten die Bildmessung jenen Stand, der heute ihre Leistungsfähigkeit und ihren Anwendungsbereich bestimmt. Im Jahre 1923 entstand bei Carl Zeiss nach den Plänen von W. B A U E R S F E L D als erstes universelles Präzisionsauswertegerät der Stereoplanigraph. Vorstufen dazu waren die Geräte von R. H U G E R S H O F F , die das System des Stereoautographen für die Auswertung von Luftaufnahmen erweiterten. Von den Rekonstruktionsprinzipien der mechanischen, der

Einführung

19

optisch-mechanischen und der optischen Projektion ausgehend, folgten bald weitere Konstruktionen, die den weltweiten Ruf ihrer Erfinder als Instrumentenbauer begründeten: U . N I S T R I in Rom und E. SANTONI in Florenz, G . PoiVILLIERS in Paris, H . W I L D in Heerbrugg/Schweiz. Die Qualität des Meßbildes selbst wurde durch ständige Verbesserung der Aufnahmekammern bis zur vollautomatischen Reihenmeßkammer und durch die Entwicklung lichtstarker, verzeichnungsarmer Objektive gesteigert. Sein ursprünglicher Sichtbereich — gekennzeichnet durch das Bildfeld der Normalwinkelkammer — erfuhr um 1935 eine erste Erweiterung durch die Einführung von Weitwinkelobjektiven; sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Übergang zu Überweitwinkelobjektiven fortgesetzt, der in der UdSSR angebahnt worden war. Da alle diese Objektive Perspektiven mit nur geringen Restverzeichnungen liefern, werden sie als Hochleistungsobjektive bezeichnet. Die theoretische Fundierung der Arbeit an den Auswertegeräten hielt mit deren stürmischer Entwicklung Schritt. Bestimmend für die praktischen Einpaß- und Auswerteverfahren wurden die Arbeiten 0 . v. GRUBERS, der auch — aufbauend auf Überlegungen T H . SCHEIMPFLUGS und S . F I N S T E R WALDERS — die Grundlagen für die instrumentellen Verfahren der Aerotriangulation schuf. Mit dieser Methode der photogrammetrischen Überbrückung festpunktloser Räume war die Bildmessung in der Lage, sich weitgehend von der klassischen Geodäsie zu lösen und bei der Vermessung neu erschlossener Gebiete entscheidend mitzuwirken. Die ersten praktischen Aerotriangulationen großen Stils führte W. SCHERMERHORN in Niederländisch-Neuguinea durch; in engster Zusammenarbeit mit 0 . v. G R U B E R und K . N E U M A I E R entwickelte er die ersten Ansätze einer Fehlertheorie der Aerotriangulation in Luftbildstreifen und -blocken. In Erkenntnis der Bedeutung der Photogrammetrie speziell für die Erschließung von Entwicklungsländern gründete W. SCHERMERHORN im Jahre 1951 mit Unterstützung der UNESCO das "International Training Centre for Aerial Survey (ITC)" in Delft/Holland, das sich bald als Ausbildungsstätte für photogrammetrische Techniker weltweiten Ruf erwarb. Darüber hinaus wurde das ITC ein Zentrum der wissenschaftlichen Forschung mit den Schwerpunkten Aufnahmetechnik, Aerotriangulation und Luftbildinterpretation. In F. A C K E R MANN und H . G. J E R I E erwachsen SCHERMERHORN zwei Mitarbeiter, deren Arbeiten auf dem Gebiet der Blocktriangulation die große Tradition der europäischen Photogrammetrie fortzuführen geeignet sind. Wie alle anderen Zentren der photogrammetrischen Forschung und Praxis konnte sich das ITC bei seinen Untersuchungen auf jenes neue Hilfsmittel stützen, das im Verlauf des letzten Jahrzehnts für alle Bereiche der Wissenschaft und Technik ungeahnte Möglichkeiten eröffnet hat: Die Datenverarbeitung mit elektronischen Rechenanlagen. In der Photogrammetrie führte die programmgesteuerte Rechentechnik zunächst zu einer Neubelebung rein 2·

20

Einführung

rechnerischer Verfahren, die aus der Analysis der Zentralprojektion hergeleitet waren. Sie werden meist unter dem nicht ganz glücklichen Namen ,,Analytische Photogrammetrie" zusammengefaßt. Als Ausgangsdaten liegen ihnen die gemessenen Bildkoordinaten von Objektpunkten sowie die Raumkoordinaten abgebildeter Paßpunkte zugrunde. Die nächste, soeben erreichte Stufe ist die unmittelbare Verbindung einer elektronischen Rechenanlage mit einem Stereokomparator zu einem „Analytischen Auswertegerät". Wenn sich auch die Hoffnung auf eine wesentliche Genauigkeitssteigerung der Bildmessung durch rechnerische Verfahren nur teilweise erfüllt hat, so hat die Photogrammetrie mit ihrer Einführung doch eine größere Flexibilität gewonnen, die sie für Vermessungsaufgaben aller Art und jeden Umfangs geeignet erscheinen läßt. Der letzte Schritt in der Verwendung elektronischer Systeme ist die.vollständige Automatisierung des photogrammetrischen Auswertevorganges vom Meßbild bis zur fertigen Karte, zum Verzeichnis der Raumkoordinaten oder zum digitalen Geländemodell. Wesentliche Impulse in dieser Richtung sind bisher von der Neuen Welt, aus den USA und Kanada, ausgegangen, die damit zum erstenmal mit grundlegenden Ideen in die Weiterentwicklung der Photogrammetrie eingegriffen hat, während sie in den vergangenen Jahrzehnten mehr rezeptiv die photogrammetrischen Verfahren des Abendlandes übernommen und für ihre speziellen Verhältnisse adaptiert hatte. Durch G. L. HOBROUGH wurde seit 1958 im Stereomat ein Gerät entwickelt, das zur selbständigen Abtastung und Ausmessung stereoskopischer Geländemodelle befähigt ist und insbesondere die Kartierung von Höhenlinien ohne ständige Mithilfe eines menschlichen Beobachters zu leisten vermag. Damit kann die Automation als wesentliches Zwischenergebnis die Korrelation der Bilder eines Objektpunktes in zwei Meßaufnahmen bereits übernehmen. Den Zeitpunkt, zu dem sie auch dem semantischen Inhalt des Bildes gerecht zu werden, d. h. die Einzelheiten einer dargestellten Landschaft richtig zu erkennen lernt, möchte bei der Vehemenz der derzeitigen Entwicklung wohl niemand voraussagen. So ist die Photogrammetrie im Laufe von 12 Jahrzehnten aus bescheidenen Anfängen zu einem Bestandteil unserer technischen Kultur geworden, der bei der Erschließung und Aufnahme neuer Lebensräume auf der Erde nicht mehr wegzudenken ist. Das Luftbild hat dem Menschen die Struktur seiner Umwelt verständlicher gemacht; es ist soeben dabei, ihm den Weg in den Weltraum zu erleichtern. An der Weiterführung der Bildmeßtechnik arbeiten Mathematiker, Physiker, Ingenieure, aber auch Fachleute aus allen Zweigen der Naturwissenschaften. Auf europäischem Boden und aus abendländischem Geist erwachsen, hat die Photogrammetrie in allen Ländern der Erde Heim- und Pflegestätten gefunden. Von ihrer Weiterentwicklung in internationalem Wettstreit und in weltweiter Zusammenarbeit darf noch manches bedeutsame Ergebnis erwartet werden.

1 Die Grundlagen der Photogrammetrie

Pkotogrammetrie oder Bildmessung ist die Rekonstruktion eines Objektes nach Form und Lage aus photographischen Aufnahmen. Photographien, die zu diesem Zweck hergestellt und ausgewertet werden, heißen Meßbilder. Ihre Aufnahme ist an besondere photogrammetrische Meßkammern gebunden. I n den meisten Fällen ist das Objekt, auf dessen Rekonstruktion und Darstellung die Photogrammetrie gerichtet ist, die Erdoberfläche. Die Bildmessung ist daher vor allem eine geodätische Meßmethode, die für Vermessungsaufgaben aller Art in zunehmendem Maß neben oder zusammen mit den sog. „klassischen" Verfahren der Geodäsie angewendet wird. Der wesentliche Unterschied zu diesen besteht in der Tatsache, daß photogrammetrische Messungen nicht am Aufnahmeobjekt selbst, sondern in einem verkleinerten, photographisch erzeugten Bild desselben vorgenommen werden. Hieraus ergibt sich die Forderung nach einer klaren, vollständigen und übersichtlichen Abbildung, welche die Struktur des Aufnahmeobjektes, also etwa des Geländes oder — noch allgemeiner — der Landschaft erkennen und deuten läßt. Beschränkt sich die Verwendung des Meßbildes auf die Deutung des Bildinhaltes, so spricht man von Bildinterpretation. Vor allem in der Form der Luftbildinterpretation spielt dieses Verfahren heute eine große Rolle in allen Naturwissenschaften, die auf die Erforschung der Erdoberfläche gerichtet sind, sowie in der Landes-, Stadt- und Verkehrsplanung, im Forstwesen und bei Bauvorhaben aller Art. Neben der Bildmessung, die den Hauptinhalt dieses Buches bildet, ist daher der Luftbildinterpretation ein eigener Abschnitt gewidmet (siehe 4).

1.1 Mathematische Grundlagen Wie das natürliche Sehen ist die Photographie ein physikalischer Vorgang. Zu dessen mathematischer Behandlung bedarf es der Aufstellung eines Modells, das mit den Methoden der Geometrie und der Analysis beschrieben werden kann. 1.1.1 Geometrische Grundlagen Für die photographische Abbildung kommt aus der an sich unbegrenzten Zahl möglicher Modelle praktisch nur eines in Betracht : Die Zentralprojektion oder Perspektive. Geometrisch ist dies die Abbildung der Punkte des Raumes

22

1.1 Mathematische Grundlagen

auf die Punkte einer Ebene mittels Geraden, die durch einen Punkt außerhalb der Ebene gehen (Fig. 1/1). Die abbildenden Geraden ρ heißen Projektions oder Sehstrahlen; sie schneiden die Bildebene 33 in Bildpunkten P' ; ihr Träger ist das Projektionszentrum oder Zentrum der Perspektive 0. Eine Zentralprojektion ist geometrisch vollständig und eindeutig bestimmt, wenn die Stellung und Orientierung der Bildebene im Raum, die Lage des Fußpunktes H' des Lotes d von O auf 93 in der Bildebene und die Länge der Strecke OH' = d bekannt sind. H' heißt der Hauptpunkt, d die Bilddistanz oder kürzer Distanz der Zentralprojektion. Die Lage von H' in 03, die meist in einem Koordinatensystem in 93 angegeben wird, und die Distanz d bilden Fig. 1/1. Zentralprojektion. die Elemente der inneren Orientierung der Perspektive (siehe 1.2.3). Jede Zentralprojektion hat — wie in der projektiven Geometrie gezeigt wird — folgende Eigenschaften: 1. Jedem Punkt Ρ des Raumes entspricht ein und nur ein Bildpunkt P'. 2. Jedem Bildpunkt P ' entsprechen unendlich viele Raumpunkte P, nämlich alle Punkte der Geraden Ρ Ό . 3. Den Geraden g des Raumes — außer dem Geradenbündel mit 0 als Träger — entsprechen Bildgerade g'. Die Geraden des Bündels durch 0 bilden sich als Punkte ab. 4. Jeder Bildgeraden g' entspricht eine Ebene 6 des Raumes, nämlich die Ebene durch g' und 0. 5. Die Bilder paralleler Raumgeraden schneiden sich in einem Punkt von 93, dem Fluchtpunkt F', der das Bild des unendlich fernen Punktes der Parallelenschar ist. 6. Doppelverhältnisse auf Geraden und in Geradenbüscheln des Raumes bleiben bei der Abbildung erhalten (invariant). 1. und 3. weisen die Zentralprojektion als Sonderfall der Kollineation aus, einer allgemeinen Transformation des Raumes, bei der Gerade wieder in Gerade übergehen. 2. und 4. zeigen jedoch, daß die Zentralprojektion keine umkehrbar eindeutige Abbildung ist. Den Punkten des Raumes entsprechen die nur °°2 Punkte der Bildebene. Deshalb kann ein räumliches Objekt im allgemeinen nicht aus einer Perspektive rekonstruiert werden. Dies ist nur möglich, wenn

1.1.2.1 Das System der Bildkoordinaten

23

auch das räumliche Objekt eine zweidimensionale Punktmannigfaltigkeit besitzt, wenn es also eine Fläche, noch spezieller eine Ebene ist. Von dieser Möglichkeit macht die Bildmessung in der sog. Einbildphotogrammetrie (siehe 3.2) Gebrauch. Wie weit die photographische Aufnahme in einer Meßkammer mit dem geometrischen Modell übereinstimmt, wird in den Abschnitten 1.2 und 1.3 untersucht.

1.1.2 Analytische Grundlagen Für eine analytische Beschreibung der Zentralprojektion sind die Bildpunkte P ' mit den ihnen entsprechenden Raumpunkten Ρ in einen formelmäßigen Zusammenhang zu bringen. Dazu müssen im Bild und im Raum Koordinatensysteme festgelegt werden, die eine eindeutige Zuordnung zwischen Punkten und Zahlen gestatten. 1.1.2.1 Das System der Bildkoordinaten (Fig. 1/2)

Als Nullpunkt eines rechtwinkligen cartesischen Bildkoordinatensystems wird das Projektionszentrum O gewählt. Die positive «-Achse fällt mit der Richtung H O zusammen, wobei das Bild in Positiv-Stellung angenommen ist. Ihr Einheitsvektor ist c. Die x- und y-Achse spannen in 0 eine Parallelebene zur Bildebene auf. Sie bilden zusammen mit der z-Achse ein Rechtssystem. Ihre Einheitsvektoren sind α und £>. Sie sind parallel zu zwei von H ' ausgehenden, zueinander senkrechten Richtungen, die auf Grund von Markierungen im Bild festgelegt sind. Diese Bildrichtungen bestimmen damit zugleich ein ebenes Koordinatensystem x, y im Bild mit H' als Träger. Die Bildkoordinaten χ und y können in diesem System unmittelbar gemessen werden. Im räumlichen Bildkoordinatensystem x, y, ζ ist die z-Koordinate jedes Bildpunktes gleich der negativen Bilddistanz —d, die im folgenden — photogrammetrischem Brauch folgend — mit —c {KammerFig. 1/2. System der Bildkoorkonstante, siehe 1.2.2.3) bezeichnet wird. dinaten. 1.1.2.2 Das System der Raumkoordinaten (Fig. 1/3)

Die Raumpunkte Ρ können in einem beliebig gelagerten und orientierten, rechtwinkligen cartesischen Koordinatensystem Χ , Υ, Ζ oder X , Y, H mit den Einheitsvektoren t, j, f festgelegt werden. Es wird dem Aufnahmeobjekt von

24

1.1 Mathematische Grundlagen

Fall zu Fall so angepaßt, daß einfache Beziehungen entstehen. Ist das Aufnahmeobjekt — wie in den meisten Fällen — die Erdoberfläche, so läßt man die Z- oder ¿/-Achse mit der Zenit-Richtung im Nullpunkt des Koordinatensystems zusammenfallen. Die Achsen X und Y spannen dann eine horizontale Ebene auf, ihre Richtung wird durch ein geodätisches Landeskoordinatensystem, durch das Achssystem eines photogrammetrischen Auswertegerätes oder durch die Flugrichtung eines Luftfahrzeuges, das photogrammetrische Aufnahmen durchführt, festgelegt. Z,H

Y Fig. 1/3. System der Raumkoordinaten.

1.1.2.3 Äußere Orientierung eines Meßbildes

Eine Zentralprojektion mit bekannter innerer Orientierung ist analytisch vollständig und eindeutig bestimmt, wenn die Raumkoordinaten XQ, Yo, ZQ des Projektionszentrums 0 und die Orientierung des Bildkoordinatensystems im System der Raumkoordinaten bekannt sind. Diese Orientierung wird im allgemeinen durch drei voneinander unabhängige Winkel oc, β, γ, die auf verschiedene Weise wählbar sind, beschrieben. Die Größen XQ, Y o, ZQ, OC, Β, γ sind die 6 Elemente der äußeren Orientierung eines Meßbildes.

1.1.2.4 Die Abbildungsgleichungen der Zentralprojektion

Wir betrachten zunächst den einfachen Fall der Figur 1/4, bei dem das Bildkoordinatensystem parallel zum Raumkoordinatensystem liegt. Er entspricht der Situation bei einer Luftaufnahme, die streng senkrecht nach unten auf das Gelände gerichtet ist. Die Achsen X und χ sind dabei parallel zur Flugrichtung des Bildflugzeugs angenommen. Aus der Figur ist auf Grund von unmittelbar ersichtlichen Ähnlichkeitsbeziehungen abzulesen: (X - X0) : χ = (Y - Yo) : y = (Zo - Z) : c

oder (1.1a)

(1.1b) (1.1 c)

X - X0 = λ•χ Y - Yo = λ•y Ζ - Ζ0 = — λ • c .

25

1.1.2.4 Abbildungsgleichungen

Der Proportionalitätsfaktor λ, der den Maßstab der Abbildung angibt, kann mit Hilfe von (1.1c) eliminiert werden: Z-Z0 X Ζ Y y= — c · Ζ

-

Xo Z0 Yo Ζo

(1.2a) (1.2b)

Ν(Χο,Υο,Ο)

* Χ Fig. 1/4. Perspektive Abbildung in Nadiraufnahmen.

Fig. 1/5. Perspektive Abbildung bei geneigter Bildebene.

Die Bildkoordinaten χ und y von P' erscheinen in (1.2) als Funktionen der Raumkoordinaten von Ρ und der äußeren Orientierung. Durch Umkehrung von (1.2) lassen sich wegen der Singularität der Zentralprojektion nicht die Raumkoordinaten selbst sondern nur ihre Quotienten als Funktionen der Bildkoordinaten darstellen : χ X — Xo (1.3a) Ζ - Z0 c Y - Yo Ζ - Za

y c

(1.3b)

Faßt man die Koordinaten Χ , Y, Ζ eines Raumpunktes Ρ, der auf einem Meßbild bekannter Orientierung abgebildet ist, als Unbekannte auf, so zeigt

26

1.1 M a t h e m a t i s c h e G r u n d l a g e n

(1.3), daß ihre Bestimmung aus nur einem Meßbild nicht möglich ist. (1.3) liefert vielmehr nur die räumliche Richtung von 0 nach dem Raumpunkt. Das orientierte Meßbild bestimmt damit in seiner Gesamtheit den räumlichen Richtungssatz in O nach den abgebildeten Raumpunkten. Figur 1/4 stellt einen Spezialfall dar, der in der luftphotogrammetrischen Praxis zwar angestrebt wird, aber nur selten streng eingehalten werden kann. Im allgemeinen sind die Bildebene und damit die Achsen des Bildkoordinatnesystems nicht parallel zu den räumlichen Koordinatenachsen. Damit geltem die Proportionen (1.1) nicht mehr für die Bildkoordinaten x, y, —c selbst, sondern für die Koordinaten u, v, w der Bildpunkte in einem zum räumlichen Koordinatensystem parallelen System mit 0 als Nullpunkt, die sich im Bildkoordinatensystem durch ihre Komponenten in Richtung von dessen Achsen darstellen lassen. Sie können leicht bestimmt werden, wenn die Orientierung des Bildkoordinatensystems bekannt ist. Wir nehmen zunächst eine Zerlegung der Einheitsvektoren α, b, c in Komponenten in Richtung der Raumkoordinatenachsen vor : α = « ι ί + »2ί + α3Ϊ (1.4) b = 6i i + 62 i + 63 ϊ c =

ci i +

c2 j +

c3 ϊ .

Die ai, bi, c¿ sind dabei zugleich die Richtungskosinus der Achsen x. y, c des Bildkoordinatensystems. Für die Koordinaten u, v, w gilt dann: u — a\x + δι y — ci c υ = »2 x + h y — C2 c w = a3 ζ + b3 y — c3 c .

(1.5)

Das Gleichungssystem (1.5) läßt sich als Ergebnis einer Matrizen-Multiplikation auffassen : fai Si cA / i \ / ο; κ = άκ) Aufnahmen treten weit geringere Vereinfachungen ein. Auf die Wiedergabe der entsprechenden Formeln wird hier verzichtet. 2. Änderungen der Raumhoordinaten Χ, Υ, Ζ Hier geht man analog von der Grundgleichung (1.7) der Zentralprojektion in der Form X — Xo u Y - Y0 _ ν (1.7) Ζ — Z0 w Ζ - Ζ0~ w aus. Da nur die Verhältnisse der Raumkoordinaten bestimmt sind, muß eine aus ihnen gebildete Funktion als Parameter benutzt werden ; sie bestimmt den Maßstab für die gesuchten differentiellen Änderungen. Bei Geländeaufnahmen interessieren in erster Linie die Änderungen d X, d Y der Lagekoordinaten Χ, Y bei konstantem Z. Mit (Ζ — Ζ o) als Parameter ergeben sich für diesen Fall aus (1.7) die Beziehungen (1.50a)

X = — (Z - Z0) + X0 w

(1.50b)

Υ = — (Z-Zo) w

+ Yo

und deren totale Differentiale (1.51a)

dX = An dZ 0 + A12 dF 0 + A13 dZ 0 + Au άφ + A15 dco + Α1β άκ

(1.51b)

d F = A2i äXo + A2z dFo + A23 dZ 0 + AZi dç) + Λ25 dcu + A2e άκ,

in denen die Koeffizienten A wiederum die partiellen Differentialquotienten nach den Orientierungselementen bedeuten. Für die Änderungen dXo, d Y¡¡, dZo findet man sofort

(1.52 a) 0X

u w

er

ν w

Die Differentiation nach einem der Orientierungswinkel χ ergibt : (1.53)

1.1.2.7 Differentialformeln

41

Geht man wieder von der Drehmatrix (1.22 und 1.23) aus, so liefert die Berechnung folgende Werte für die partiellen Differentialquotienten in (1.53): du dtp

=

w

=

0

dv dtp

(1.54a)

dw ctp du

δω dv

δω

ν · sin φ

-u • sin φ — w • cos φ

(1.54b)

dw

δω du

dv

ν · OOS ψ

—ν cos φ • cos ω — w · sin ω

u • cos φ cos ω — w • sin φ cos ω

(1.54c)

δw = u • sin ω + ν • sin φ cos ω . θκ Damit ergeben sich die restlichen Koeffizienten von (1.51) über (1.53) zu dX

(

αφ

A15 =

dX

οω

=

ν , (Z —Zo) — sin φ

w

dX

uú \

όκ

w2 /

¿ i , = — = - (Ζ - Zo)

sin φ Ι ν

sin ω + I — cos φ \ w

sin φ Ι cos ω (1.52 b)

δy Α2λ = —

=

A2i =

= - (Ζ - Zo) Ι — sin φ + I 1 +

οφ

dY A2t = — =

οκ

(Ζ-

Ζ0)

uv —¿

( Ζ - Zo)

w

- cos φ — 1

COS φ

sin ψ cos ω —

42

1.1 Mathematische Grundlagen

Mit Hilfe der Grundgleichung (1.7) lassen sich in den Koeffizienten die Bildkoordinaten durch die Raumkoordinaten ersetzen. Man setzt dabei meist X0

= 7o = o,

d. h. man legt den Nullpunkt des räumlichen Koordinatensystems in den Nadirpunkt der Aufnahme, und führt für (Ζ — Zq) die Flughöhe über Grund H ein: h =

(Z0 — Z) =

— (Z — ZQ).

Aus (1.7) folgt dann u

_

w

Χ

ν _

Y

h

w

h

womit durch Einsetzen in (1.52) das Koeffizientenschema folgende Form annimmt : An

= 1

A2i

=

0

Ai2

— 0

A 22 =

1

X

A13 = —

A

h

(1.55)

A

i4 =

—h

(

\

Aïs

=

Y — (h h

Aw

=

h

1J

X

2

\

(

11 H \

Χ

2

X

\

h2 J

h

XY

A 24 =

h) 2

sin φ +

Y

= —

cos φ) Y

sin ω

^26 =

=

h I \

(h

cos φ

— Χ

h /

h

\

1 -)

Y

2

h2 J

\

cos φ —

Χ

sin ψ

sin φ) cos ω

j

Υ

\

h2

Χ cos φ + Α 1 -|

2

\

.

\

sin φ cos ω -|

Χ Υ h

sin ω.

Für Senkrechtaufnahmen ergeben sich mit den entsprechend vereinfachten Koeffizienten A folgende, für die Fehlertheorie bedeutsame Formeln : (1.56a)

(1.56b)

=

X h

(

X

y

h

d£o - M H

Y

XY

h

h

d y = dFo + —dZo

2 2

\ J

XY

d

2 , beim kontrastarmen 0,2. Der Kontrast bei L u f t a u f n a h m e n liegt näher bei dem kleinen Wert. Die Testtafel wird entweder direkt oder durch einen Kollimator abgebildet. Durch Betrachtung oder Photographie unter verschiedenen Bildwinkeln läßt

Fig. 1/22. Photographische Auflösung des Pleogons 1: 5,6, c = 153 mm für den logarithmischen Testkontrast k = 1,6 mit Aviphot Pan 30-Film und Zeiss-Gelbfilter Β bei den Blendeneinstellungen 1 : 5,6 und 1 : 1 1 (nach K. Schwidejsky).

sich der Abfall des AV von der Mitte gegen den Rand des Bildes feststellen. Figur 1/22 zeigt als Beispiel ein AV-Diagramm für das Weitwinkelobjektiv Pleogon bis zum Bildwinkel 42° bei Blendenöffnungen 1 : 5,6 und 1 : 1 1 . 5·

68

1.2 Optische Grundlagen

1.2.4.2 Modulations-Dbertragungs-Funktionen"

Da das Auflösungsvermögen bei gleichen Versuchsbedingungen Vergleichszahlen nur für die Grenze der Wiedergabefähigkeit, nicht aber für den gesamten Strukturbereich eines Bildes liefert, besteht Bedarf nach einem allgemeineren, objektiven Qualitätskriterium. Als derartiges Kriterium bietet sich die sog. Modulations-Übertragungs-Funktion (MTF = Modulation Transfer Function) an, die in den letzten Jahren vielfach zur Untersuchung der Schärfe und Kontrastwiedergabe bei der optisch-photographischen Abbildung herangezogen wurde. Ihre Bestimmung ist ebenfalls an die Abbildung einer geometrischen Strichfigur gebunden. Von den zeichnungsfreien Stellen der Testfigur wird die Beleuchtung J i , von den dunklen Strichen die Beleuchtung J2 abgegeben (siehe Fig. 1/23). Durch J± und ist die Modulation m des Objektes nach der Formel J1 — J 2 m=— J1 + J2 definiert. Bei konstantem m kann die Häufigkeit des räumlichen Wechsels von hellen und dunklen Objektelementen noch variieren. Sie wird als Ortsfrequenz R bezeichnet und in Wechseln je mm (L · m m - 1 ) angegeben. Bei der optischen Abbildung wird zwar der Wechsel von hell und dunkel richtig wiedergegeben, die Beleuchtungsamplituden werden jedoch infolge der Abbildungsfehler und des Streulichtes verfälscht („verwaschen"), so daß das Bild die Beleuchtungswerte J \ und J2' und die Modulation Ji Ji Ji + J-1

Objekt

Fig. 1/23. Zur Erläuterung der Modulationa-ÜbertragungsFunktion (MTF): Intensitätsverteilung in einem Testgitter

*P = R 1

und in seinem Bild (nach K. Schwidejsky). Bild

:

11

X· P =E

K. Schwidefsky : Kontrastübertragungs-Funktionen zur Bewertung der Bildgüte in der Photogrammetrie. — BuL. 1960, S. 8 6 - 1 0 1 .

69

1.3 Photographische Grundlagen

aufweist. Das Verhältnis zwischen m! und m ist die Modulations-Übertragung M : TO'

M = —. m

Mit zunehmender Ortsfrequenz R nimmt die Verwaschung bei der Abbildung zu ; M ist demnach eine monoton abnehmende Funktion von R : M = i(R), eben die Modulations-Übertragungs-Funktion, die meist als Diagramm dargestellt wird. Ihr Maximalwert kann die Einheit erreichen. Die Ortsfrequenz, bei der die MTF verschwindet, ist das Auflösungsvermögen, das — so betrachtet — nur den Grenzwert der MTF wiedergibt. Die MTF hingegen läßt eine Beurteilung der Bildqualität auf Grund der Kontrastwiedergabe im gesamten Bereich der Ortsfrequenz, also auch bei gröberem Detail zu. Da sich die Beleuchtungswerte J photometrisch exakt messen lassen, ist sie — im Gegensatz zum AV — ein objektives, jederzeit reproduzierbares Kriterium der Bildgüte. Die MTF bietet außerdem noch den Vorteil, daß sie das qualitative Zusammenwirken mehrerer Abbildungsvorgänge einfach festzustellen gestattet. Hierzu brauchen die Werte der MTF, wie aus deren Definition hervorgeht, für die einzelnen Teilvorgänge nur miteinander multipliziert zu werden. Auf diese Weise läßt sich etwa die Kontrastwiedergabe von der optischen Abbildung durch ein Objektiv auf eine photographische Schicht über deren Kopie auf ein Diapositiv bis zur Projektion und Betrachtung zahlenmäßig verfolgen (siehe auch 1.3.4.2).

1.3 Photographische Grundlagen v o n Hellmut Frieser

Das durch das Objektiv erzeugte Bild wird in der Bildebene durch die photographische Schicht festgehalten, in der es durch die Entwicklung im allgemeinen als negatives Bild sichtbar gemacht wird. Die Leistungen der photographischen Emulsionen müssen denen des Objektivs entsprechen, damit keine Qualitätsminderung, vor allem in bezug auf Schärfe, Detailerkennbarkeit und perspektivische Richtigkeit eintritt. Gegenüber den sonst gebräuchlichen photographischen Emulsionen werden an die Luftbildplatten und -filme besondere Anforderungen an Empfindlichkeit, Steilheit der Gradation, Sensibilisierung, gutes Auflösungsvermögen und Feinkörnigkeit gestellt, Forderungen, die sich teilweise gegenseitig widersprechen. Die moderne Emulsionstechnik hat für die Zwecke der Erd- und Luftphotographie hervorragende Speziai

70

1.3 Photographische Grundlagen

emulsionen geschaffen, die eine der wichtigsten Grundlagen der Bildmessung liefern. Da der Raum fehlt, um einen genauen Einblick in die photographische Technik zu geben, kann hier nur über das für die photogrammetrische Anwendung unmittelbar Wichtige zusammenfassend berichtet werden, im übrigen sei auf die am Ende dieses Buches angegebene Literatur verwiesen. 1.3.1 Das photographische Material Jedes photographische Material besteht aus mindestens zwei Schichten, dem Schichtträger und der Emulsionsschicht. Auf der Emulsionsschicht befindet sich meist noch eine Schutzschicht. Auch wird vielfach eine Zwischen- oder Rückschicht zur Beseitigung des Reflexionslichthofes und eine Rückschicht zur Verbesserung der Planlage angebracht. 1.3.1.1 Der Schichtträger

Der Schichtträger kann durchsichtig (Glas, Film), oder undurchsichtig (Papier) sein. Für die Photogrammetrie wird von dem Schichtträger verlangt, daß er sich bei der Verarbeitung und beim Lagern möglichst wenig in seiner Größe ändert. Am besten wird die Bedingung der Maßhaltigkeit von Glas erfüllt. Trotzdem wird heute in der Photogrammetrie zumeist der Film verwendet. Seine Vorteile sind Unzerbrechlichkeit und Biegsamkeit, wesentlich geringeres Gewicht und Volumen und die Möglichkeit der Verwendung langer Bänder, die zur Herstellung von Reihenaufnahmen geeignet und leicht zu bearbeiten sind. Die früher für die Herstellung von Filmen verwendete leicht entflammbare Nitrozellulose ist heute durch das nicht feuergefährliche Zellulose-Triacetat ersetzt. Außerdem gibt es eine Reihe von Kunststoffen, welche in bezug auf Maßhaltigkeit dem Triacetat überlegen sind. Die Dimension einer photographischen Schicht wird durch Temperatur und Luftfeuchtigkeit maßgebend bestimmt. Bei Glasplatten spielt die Luftfeuchtigkeit keine wesentliche Rolle. Tabelle 1 gibt ein dem Prospekt der Eastman Kodak Comp, entnommenes Beispiel. Die Werte beziehen sich auf die Veränderung in der Längsrichtung Dicke mm

Wärmeausdehnung % je Grad °C

Schi umpfung

Ausdehnung mit steigender Luftfeuchtigkeit % je 1 % rei. F.

bei der Entwicklung

%

bei Lagerung 1 Jahr bei 26 °C 60 % rei. F.

Zellulose Triacetat. . .

0,125

0,003

0,0055

0,02

0,03

Polystyrol..

0,125

0,0035

0,0020

0,01

0,05

Tabelle 1

1.3.2 Der photographisohe Prozeß

71

des Films. Außerdem t r i t t bei Filmen bei der Bearbeitung u n d bei der Lagerung ein S c h r u m p f e n ein. Man unterscheidet zwischen regelmäßiger u n d unregelmäßiger Schrumpfung. Die regelmäßige läßt sich durch eine Änderung der B i l d k o n s t a n t e rechnerisch oder a m Auswertegerät korrigieren. Die ungleichmäßige S c h r u m p f u n g ist, wie ihr N a m e sagt, von P u n k t zu P u n k t verschieden u n d k a n n bei der Auswertung nicht ausgeglichen werden. Auch photographische P l a t t e n sind nicht ganz frei von solchen Unregelmäßigkeiten. Photographische Papiere schrumpfen in der Regel stärker als Filme. Die regelmäßige S c h r u m p f u n g k a n n W e r t e von 3 bis 5 % a n n e h m e n . D u r c h eine d ü n n e Metalleinlage k a n n die S c h r u m p f u n g wesentlich herabgesetzt werden (ζ. B. Correctostat-Papier der Agfa). U m die S c h r u m p f u n g klein zu halten, ist richtige Behandlung Voraussetzung. Der F i l m darf nicht zu schnell mit sehr heißer L u f t , Alkohol, konzentrierten Salzlösungen, oder ähnlichen Mitteln getrocknet werden. Die Trocknung wird a m besten m i t L u f t von etwa 30° vorgenommen. Vor dem Messen soll sich der Film durch 3—4stündiges freies H ä n g e n an die R a u m l u f t des Meßraumes angleichen, der möglichst auf k o n s t a n t e r T e m p e r a t u r u n d rei. Feuchtigkeit gehalten wird. Ausgewertete A u f n a h m e n sollen in trockenen R ä u m e n mit gleichbleibender T e m p e r a t u r a u f b e w a h r t werden. W e r d e n sie n a c h längerer Zeit wieder zur Messung benötigt, so müssen sie sich vorher d u r c h 3—4stündiges freies H ä n g e n im Meßraum an dessen Klima angleichen. 1.3.1.2 Die Emulsionsschicht

Die Emulsionsschicht e n t h ä l t die lichtempfindliche Substanz, das Bromsilber (meist mit einem Jodsilbergehalt von etwa 4 % ) , welches in Gestalt von kleinen Kristallen, den „Bromsilberkörnern", in Gelatine eingebettet ist. I n einer b e s t i m m t e n Schicht sind K ö r n e r verschiedener Größe enthalten, deren mittlerer Durchmesser zur Charakterisierung der Schicht angegeben wird. E r b e t r ä g t bei Schichten f ü r L u f t a u f n a h m e n etwa 0,8...1,0 μ. Die Dicke der Emulsionsschicht b e t r ä g t etwa 10 μ.

1.3.2 Der photographische Prozeß Durch die von den Bromsilberkörnern absorbierte Strahlung werden Silbera t o m e gebildet, welche sich zu „ K e i m e n " zusammenschließen. Diese Keime bestehen n u r aus wenigen, etwa 10 Silberatomen. E s entsteht daher zunächst kein sichtbares Bild („latentes" Bild). Ein an einem K o r n entstandener K e i m genügt aber, u m im Entwickler eine vollständige R e d u k t i o n des ganzen K o r n s zu bewirken. D a ein K o r n etwa 10 9 AgBr-Moleküle enthält, die bei der E n t wicklung alle zu Ag-Atomen reduziert werden, ausgehend von den 10 durch Strahlung gebildeten Ag-Atomen, wird somit durch die Entwicklung eine

72

1.3 Photographische Grundlagen

Verstärkung von etwa 108fach ( = 100 millionenfach) bewirkt. Durch diese Tatsache wird die große lichtempfindlichkeit der modernen photographischen Schichten verständlich. Im Fixierbad (Natriumthiosulfat) werden die unentwickelten Körner gelöst, so daß nur das schwarze Silber übrig bleibt, welches das Negativ bildet. Um von dem Negativ mit seiner dem Original entgegengesetzten Tonabstufung zu einem Positiv mit richtiger Tonabstufung zu gelangen, wird das Negativ auf „Positiv-Material" umkopiert. Dabei kann ein durchsichtiger Schichtträger (Diapositiv), oder ein undurchsichtiger Schichtträger (Papier, Aufsichtsbild) verwendet werden. Die Belichtung erfolgt entweder im Kontakt (Kontaktkopie) ohne Maßstabsänderung, oder durch Projektionskopie, meist mit Maßstabsänderung und Entzerrung. Auch für den Positivprozeß ist heute besonders maßhaltiges Material erhältlich, so ζ. B. die Reprofilme der Agfa mit der Bezeichnung ρ (Polyesterfolie) und das Correktostatpapier. 1.3.3 Lichtempfindlichkeit und Gradation 1.3.3.1 Schwärzung und Schwärzungskurve

Das bei der Entwicklung entstandene Bildsilber bewirkt eine Lichtschwächung, die durch die „Schwärzung" gemessen wird. Unter Schwärzung oder optischer Dichte versteht man den dekadischen Logarithmus des Verhältnisses zwischen auffallendem und durchfallendem Licht. Durch eine Stelle mit der Schwärzung 1 wird demnach nur 1/io des auffallenden Lichtes durchgelassen. Da das Licht durch die Silberkörner gestreut wird, ist der Wert der Schwärzung abhängig von der Beleuchtungs- und der Meßapertur. Beleuchtet man mit kleiner Apertur und fängt bei der Messung alles austretende Licht auf, so erhält man die Schwärzung im zerstreuten Licht (SH), welche auch bei der Kontaktkopie wirksam ist. Die bei der Projektion oder bei der Vergrößerung wirksame Schulter Schwärzung ist um etwa 20... 30 % größer, da das Objektiv nicht das ganze austretende Licht auffängt (Callier-Effekt). Die Abhängigkeit der Schwärzung vom Logarithmus der Belichtung wird durch die Schwärzungskurve wiedergegeben. Sie besteht aus den in Figur 1/24 angegebenen Teilen. Der Gradient des geraden 1000 10000 Teils, der als Gamma-Wert (γ) rei. Belichtung bezeichnet wird, bestimmt den Fig. 1/24. Schwärzungskurve.

73

1.3.3.2 Empfindlichkeit

Kontrast, mit dem ein Objektdetail wiedergegeben wird. Während man in der normalen bildmäßigen Photographie mit einem Gammawert von etwa 0,8 arbeitet, sind die in der Luftbildphotographie gebräuchlichen wesentlich höher (bis etwa 2000 m Höhe γ = 0,9, über 2000 m γ = 1,3 höchster Kontrast und höchste Empfindlichkeit γ = 1,5), um trotz des geringen, meist durch Luftlicht weiter verringerten Objektkontrastes ein genügend kontrastreiches Bild zu erhalten. Für den Verlauf der Schwärzungskurve wird vielfach der Ausdruck „Gradation" verwendet. „Steile" Gradation entspricht einem hohen (größer als etwa 1,5), „flache" Gradation einem niedrigen (kleiner als etwa 0,8) Gammawert. Der Verlauf der Schwärzungskurve ist von der Ent2,0 3,0

Fig. 1/25. Schwärzungskurven bei verschiedener Entwicklung. — Gammawert in Abhängigkeit von der Entwicklungszeit (Kodak Aerographie Super-XXFilm, Entwickler D-19 und DK 60 b).

1.0

/

p/p/

ΐ

10 20 Entwicklungszeit (min) —»

Belichtung

1/1000

yi/l/ y ¿/ψ // ν 1/100

S

,0γ?

Î

20

10

1/10

wicklung abhängig und Figur 1/25 zeigt, wie die Kurven mit steigender Entwicklungszeit steiler werden und auch von der Zusammensetzung bzw. dem Typ des Entwicklers abhängen. Das Luftbild soll die auf der Erde wahrnehmbaren Helligkeitsdetails möglichst deutlich wiedergeben; im Gegensatz zu der Amateur- und Portraitphotographie wird nicht eine naturgetreue, sondern eine übertriebene Wiedergabe der Kontraste verlangt ; diese Forderung erklärt sich aus dem Umstände, daß durch das allgemeine Streulicht, das mit der Höhe zunimmt, die Helligkeitskontraste vermindert werden. Die für photogrammetrische Zwecke verwendeten Emulsionen müssen also geringe Helligkeitsunterschiede durch große Schwärzungsunterschiede wiedergeben, sie müssen also kontrastreiche Bilder geben. 1.3.3.2 Empfindlichkeit

Als Empfindlichkeit einer photographischen Schicht bezeichnet man den reziproken Wert der Belichtung (gemessen meist in Luxsekunden), welcher bei

74

1.3 Photographische Grundlagen

einer festgelegten Entwicklung eine bestimmte photographische Wirkung erzeugt (beim DIN-Verfahren Schwärzung 0,1 über dem Schleier). Während durch den ASA-Exposure-Index ein numerischer Wert angegeben wird, entsprechen die DIN-Zahlen (DIN 4512) lOfachen dekadischen Logarithmen. Einer Änderung der DIN-Zahl um 3 bzw. 10 entspricht eine Änderung der Empfindlichkeit um den Faktor 2 bzw. 10. Es ist zu beachten, daß die genannten Verfahren zur Bestimmung der Empfindlichkeit unter den Bedingungen normaler, bildmäßiger Aufnahmen festgelegt sind und nicht für Verhältnisse der Luftphotographie. Die Empfindlichkeit hängt von der Art der Herstellung der Emulsion ab. Hohe Empfindlichkeit erhält- man nur mit grobkörnigen Emulsionen, und zwar wächst die Empfindlichkeit bei sonst gleichartigen Schichten etwa proportional mit der dritten Potenz des Korndurchmessers. Da durch grobes Korn die Wiedergabe kleiner Details leidet, ist gerade bei Luftaufnahmen die Wahl der Empfindlichkeit beschränkt und man wird auf einen Kompromiß zwischen Empfindlichkeit und Körnigkeit angewiesen sein. 1.3.3.3 Farbenempfindlichkeit

Außer der mit einer tageslichtähnlichen Strahlung gemessenen Allgemeinempfindlichkeit ist für die Luftbildphotographie die Kenntnis der Empfindlichkeit für verschiedene Spektralgebiete von großem Interesse, da hier meist mit Filtern, die den kurzwelligen Bereich zurückhalten, gearbeitet wird. Reines Bromsilber ist nur für blaue, violette und ultraviolette Strahlung empfindlich. Fig. 1/26. Ausgezogene Kurven: Relative spektrale Empfindlichkeit (E) eines normalen Luftbildfilms (a) und eines für Ultrarot empfindlichen Films (b) (schematisch). Gestrichelte Kurven : Durchlässigkeit Τ der Zeiss-Filter B, D und H.

Wellenlänge

( in nm)

»

Eine Empfindlichkeit für längerwellige Strahlung wird durch Zusatz kleiner Mengen bestimmter Farbstoffe (Sensibilisatoren) zur Emulsion erhalten („spektrale Sensibilisierung"). Es ist gelungen, Schichten mit einem Empfindlichkeitsmaximum im Ultrarot bei 1050 m μ. herzustellen. Figur 1/26 zeigt die spektrale Empfindlichkeit einiger typischer Emulsionen.

75

1.3.4.2 Verwaschung

1.3.4 Bildeigenschaften 1.3.4.1 Körnigkeit

Die Wiedergabe kleiner Details und damit die Vergrößerungsfähigkeit eines Negativs wird vor allem durch die körnige Struktur der Schicht begrenzt. Die bei der Entwicklung entstandenen Silberkörner sind meist etwas größer als die Bromsilberkörner, aus denen sie hervorgegangen sind. Sie sind die Ursache für die Körnigkeit des Negativs, doch treten die Silberkörner im allgemeinen bei der Betrachtung des Bildes nicht selbst in Erscheinung, dazu sind sie zu klein. Beobachtet werden dagegen die zufälligen Anhäufungen der statistisch verteilten Körner. J e größer die Silberkörner, um so „zerrissener" sind die Konturen einer Abbildung und um so schlechter ist die De tail wiedergäbe. Ein subjektives Maß für die Körnigkeit ist die Grenzvergrößerung, d. i. derjenige Abbildungsmaßstab, mit dem man eine gleichmäßig belichtete Fläche abbilden muß, um bei einer Betrachtung aus 250 mm Abstand die Körnigkeit gerade eben wahrnehmen zu können. Ein objektives Maß erhält man durch Bestimmung der mittleren Schwärzungsschwankung. Eine gleichmäßig belichtete und entwickelte Fläche der Schicht wird mit einem Mikrophotometer unter Verwendung einer kleinen Meßfläche an vielen Stellen ausgemessen. Die so erhaltenen Schwärzungswerte Si weichen im allgemeinen voneinander etwas ab, je nachdem ob mehr oder weniger der statistisch verteilten Körner in der Meßfläche enthalten sind. Die mittlere Abweichung ]/(zj S)2 vom Mittelwert kann ermittelt werden („mittlere Schwärzungsschwankung"). Das Produkt aus der mittleren Schwärzungsschwankung und der Quadratwurzel der Meßfläche (F) ist für nicht zu kleine Meßflächen unabhängig von der Größe der Meßfläche und wird als Maß der Körnigkeit verwendet (Cr) ( S E L W Y N ) . Man findet : G = er · G ist abhängig von der Schwärzung und beträgt bei S = 1 und feinkörnigen Schichten etwa 0,8 |j.m, bei grobkörnigen etwa 1,1 μπι. 1.3.4.2 Verwaschung

Die körnige Struktur der Emulsionsschicht bewirkt aber noch eine weitere Verschlechterung der photographischen Abbildung, und zwar durch die Streuung des Lichtes an den Bromsilberkristallen. Ein Teil des gestreuten Lichtes tritt aus der Emulsionsschicht aus und wird ζ. T. von der Unterseite des Schichtträgers total reflektiert. Der so entstehende Reflexionslichthof kann jedoch durch absorbierende Zwischenschichten stark verringert werden und ist bei den kontrastarmen Objekten der Luftbildphotographie von untergeordneter Bedeutung. Schädlich wirkt dagegen das in der Schicht verbleibende Streulicht, welches den Diffusionslichthof erzeugt. Kleine aufbelichtete Flächen und

76

1.3 Photographische Grundlagen

Spalte werden verbreitert wiedergegeben, der Kontrast von feinen Strukturen wird verringert, die Struktur wird „verwaschen". Diese Kontrastverringerung durch die Verwaschung ist um so stärker, je feiner die Struktur ist. Für die Untersuchung verwendet man Strichraster, am besten solche mit einer sinusförmigen Transparenz Verteilung. Durch die Verwaschung wird die Sinusform der an der Schicht wirksamen Belichtung nicht verändert, dagegen wird die Amplitude verkleinert. Das Verhältnis der durch die Verwaschung erzeugten Belichtungsamplitude zu der ohne Verwaschung gibt in Abhängigkeit von der Raumfrequenz (angegeben ζ. B. in Perioden/mm) die „Modulationsübertragungsfunktion" (MTF) der Schicht. Sie wird auf die in der Schicht wirkende „wirksame Belichtung" bezogen. Um die Schwärzungswerte zu erhalten, muß man mit der Schwärzungskurve umrechnen (Fig. 1/27). Dadurch ist es möglich, die lineare Übertragungstheorie auch auf den photographischen Prozeß wenig-

Fig. 1/27. Modulationsiibertragungsfunktion und Schwärzungsdifferenz. Durch die Verwaschung wird der Belichtungsunterschied Δ Eg auf ΔΕ verkleinert und dementsprechend der Schwärzungsunterschied A So (ohne Verwaschung) auf A S . Der Wert der Modulationsübertragungsfunktion ist im dargestellten Beispiel 0,5. Die gezeichnete Kurve ist die Schwärzungskurve für nicht-Iogarithmische Abszisse.

stens annähernd anzuwenden. Man kann dann die MTF eines aus mehreren Einzelprozessen zusammengesetzten Prozesses durch Multiplikation der MTF der Einzelprozesse zusammensetzen. Den Kopierprozeß kann man allerdings nur bei kleinen Kontrasten als annähernd linear betrachten. Da in der Luftbildphotographie die Kontraste klein sind, kann die Übertragungstheorie hier besonders leicht und nutzbringend angewendet werden. Bei kleinen Kontrasten gilt dann mit guter Annäherung für die Differenz Δ 8 der Maximal- und Minimalschwärzung eines Sinusrasters Δ S = C(N)

Δ So = C(N) γ Mg E 0 ,

77

1.3.4.2 Verwaschung

wobei G (Ν) die MTF, Ν die Raumfrequenz, gemessen ζ. B. in Perioden/mm, Δ So die Schwärzungsdifferenz ohne Verwaschung bei Ν = 0, Δ lg E 0 die Differenz der Logarithmen des Maximal- und des Minimalwertes der Belichtung und γ den Gamma wert bedeutet. Figur 1/28 zeigt, wie sich die MTF des Gesamtprozesses aus der MTF der Einzelprozesse multiplikativ zusammensetzt. Auch die Wirkung der Bewegung während der Belichtung kann durch eine MTF ausgedrückt werden.



(Linien/mm)

Fig. 1/28. Modulationsübertragungsfunktion C (Ν) der Einzelprozesse und des Gesamtprozesses mit und ohne Bewegung. Die Kurve für die Bewegung wurde berechnet für eine Verschiebung von 22 μιη während der Belichtung (Geschwindigkeit 56 m/sec, Abbildungsmaßstab 1 : 5000, Belichtungszeit 1/500 sec).

Die Wirkung der Verwaschung wird durch den „Nachbareffekt" verringert, welcher bei manchen Entwicklern, besonders bei stark verdünnten auftritt, während ihn konzentrierte Entwickler nur in geringem Maß zeigen. Man erhält bei Frequenzen von etwa 10 Perioden/mm für die MTF einen Wert größer als 1, d. h. der Kontrast ist größer als nach der Schwärzungskurve zu erwarten wäre. An Kanten zeigt sich der Nachbareffekt durch eine Erhöhung der Schärfe des Übergangs und eventuell durch das Entstehen von Säumen. Der Nachbareffekt entsteht an einer Kante durch Diffusion des an dem schwach belichteten Teil wenig verbrauchten Entwicklers zu den Stellen hoher Exposition, wo der Entwickler stark verbraucht wird. An der Kante entsteht dadurch eine Überhöhung der Schwärzung auf der stark geschwärzten Seite, eine Erniedrigung auf der schwach geschwärzten Seite. Im gleichen Sinn wirken die entwicklungshemmenden Reaktionsprodukte des Entwicklers, welche in der entgegengesetzten Richtung diffundieren. Besonders stark ist der Nachbareffekt, wenn die Probe bei der Entwicklung nicht bewegt wird, doch sind in diesem Fall andere Fehler möglich, vor allem ungleichmäßige und wolkige Entwicklung

78

1.3 Photographische Grundlagen

über die ganze Filmfläche. Entwickler mit starkem Nachbareffekt sind im Handel erhältlich (Isonal, Neofin, High Definition). 1.3.4.3 Detailwiedergabe, Auflösungsvermögen

Verwaschung und Körnigkeit wirken zusammen, um die Wiedergabe kleiner Details zu verschlechtern und evtl. ganz unmöglich zu machen. Ein Detail, ζ. B. ein Raster kann dann nicht mehr aufgelöst werden. Das „Auflösungsvermögen" war lange Zeit ein beliebtes Mittel, die Leistungsfähigkeit einer photographischen Schicht zu kennzeichnen. Zu seiner Bestimmung werden Strichraster, die aus parallelen schwarzen Linien im Abstand der Linienbreite bestehen, mit einem möglichst guten Objektiv photographiert und im Negativ derjenige Linienabstand bestimmt, bei dem die Rasterstriche noch erkannt werden können. Man erhält beispielsweise folgende Werte für das Auflösungsvermögen (Linien/mm) Film Perutz-Pervola Perutz-Pervola-Rapid....

Kontrast 1 : 1000

1:2

110 95

70 45

Die Messung des Auflösungsvermögens ist nicht leicht durchzuführen, da viele Fehlermöglichkeiten vorhanden sind (mangelnde Scharfeinstellung, subjektive Einflüsse bei der Betrachtung im Mikroskop) und das Auflösungsvermögen von der Entwicklung und von Art und Stärke der Belichtung abhängt. Aus diesen und anderen Gründen ist heute die Tendenz vorhanden, in der bildmäßigen Photographie und bei der Beurteilung von Objektiven von dem Auflösungsvermögen als Meßgröße für die Wiedergabe kleiner Details abzugehen und rein objektiv gewonnene Größen, wie die MTF und die mittlere Schwärzungsschwankung zu verwenden. Für die Luftbildphotographie hat sich jedoch gezeigt, daß das Auflösungsvermögen recht gut mit der Praxis übereinstimmt, wenn man ein Raster mit niedrigem Kontrast verwendet. 1.3.5 Die photographische Aufnahme 1.3.5.1 Licht und Filter

Das aufzunehmende Objekt ist bei Aufnahmen aus der Luft meist wesentlich kontrastärmer, als bei normalen bildmäßigen Aufnahmen, da der Kontrast vor allem bei Aufnahmen aus größerer Höhe durch die Verschiedenheit des Remissionsvermögens gegeben ist. Setzt man das Remissions vermögen von hellem Sand gleich 100, so ergibt sich ζ. B. für Straßen und Dächer etwa 30 und für dunklen Kiefernwald 12. Der Objektumfang (Differenz der Logarithmen

79

1.3.5.1 Licht und Filter

der Leuchtdichten der hellsten und dunkelsten bildwichtigen Stellen) ist also im allgemeinen kleiner als 1,0. Der Kontrast wird nun durch Streulicht im Objektiv und vor allem durch die Lichtstreuung der Luftschicht zwischen Boden und Kamera verringert. Diese Streuung entsteht durch in der Luft schwebenden Staub und Wasserteilchen, ihre Stärke ist von den örtlichen Gegebenheiten und der Wetterlage abhängig (Fig. 1/29). Die Streuung kann die Herstellung einer auswertbaren Aufnahme unmöglich machen, doch ist bei etwa 2 0 % Streulicht (bezogen auf die hellsten Stellen des Objektes) noch ein Arbeiten möglich. Durch Verwendung eines Kopiermaterials mit steiler Gradation kann man den Kontrastverlust zwar in einem gewissen Maße korrigieren, doch ist dies meist mit einem Qualitätsverlust (stärkere Körnigkeit) verbunden. Transparenz

Streulicht

der Atmosphäre

•3 -,100·/.

Or

/

/ /'

Fig. 1/29. Streulicht bei Luftaufnahmen für verschiedene Neigung der Kamera gegen die Vertikale. — Kurve 1 : Kamera senkrecht nach unten. — Kurve 2 : Kameraneigung 30°. — Kurve 3: Kameraneigung 60°.

/ •

/

/

/

/ .··'

/

/ /

Q5

1

800

700

600

Wellenlänge

500

400

•*

Sind die in der Luft verteilten Wasserteilchen genügend klein (Dunst), so wird das blaue Licht stärker gestreut, als das langwelligere. Man kann dann das Streulicht durch Gelb-, Orange- oder Rotfilter dämpfen und auf diese Weise den Kontrast erhöhen. Bei größeren Wasserteilchen (Nebel) ist diese Maßnahme wirkungslos. Durch Verwendung von Filtern hat man die Möglichkeit, in manchen Fällen Objektdetails stärker in Erscheinung treten zu lassen, als sie das Auge wahrnimmt. Wenn ζ. B. im Objekt ein Grün und ein Rot nebeneinanderliegen, die beide mit panchromatischem Film wiedergegeben die gleiche Schwärzung ergeben würden, so kann man durch Verwendung eines Rotfilters erreichen, daß im Positiv das Grün dunkler als das Rot erscheint, da dieses Filter Grün absorbiert und Rot durchläßt. Figur 1/26 zeigt die spektrale Durchlässigkeit einiger von der Firma Zeiss hergestellter Lichtfilter. Filter erfordern eine Verstärkung der Belichtung. Diese beträgt bei den üblichen Filmen : Bei Filter Β l,6mal, bei Filter D 2mal und bei Filter H 12mal.

80 1.3.5.2

1.3 Photographische Grundlagen Infrarotphotographie

Es ist gelungen, durch die Ausnutzung infraroter Strahlen in der Luftbildphotographie besondere Wirkungen zu erzielen und die Detailerkennbarkeit zu erhöhen. Aus der normalen Photographie ist bekannt, daß zwei Gegenstände, die für das Auge die gleiche Farbe haben, sich oft durch verschiedene Reflexion infraroter Strahlen unterscheiden und bei einer Aufnahme auf infrarotempfindliche Schichten mit verschiedener Schwärzung wiedergegeben werden. Ferner ist es bekannt, daß bei terrestrischen Aufnahmen über sehr große Entfernungen mit Vorteil infrarote Strahlen benutzt werden, da sie Dunstschichten besonders gut durchdringen. Absorbiert man also alle kurzwelligen Strahlen durch ein strenges Filter, das nur die langwellige Rot- und die Infrarotstrahlung hindurchläßt, so kann man ein gutes photographisches Bild erhalten, vorausgesetzt, daß man eine für infrarote Strahlen sensibilisierte Emulsion verwendet. Mit modernen Infrarotfilmen (ζ. B. Kodak-Infrared-Aerographic) und Orange-Filter (Zeiss-Filter D) benötigt man etwa dieselbe Belichtung wie bei einem 20-DIN-Film (ζ. B. Perutz-Pervola) und Gelbfilter. Die Bildqualität entspricht bezüglich Körnigkeit und Auflösung etwa der eines panchromatischen Films von 24 DIN. Bei der praktischen Verwendung muß man beachten, daß die Lagerfähigkeit von Infrarotfilmen auf etwa 6 Monate beschränkt ist. Auch muß bei manchen Objektiven die Scharfeinstellung verändert werden. Infrarotaufnahmen kommen dann in Frage, wenn eine sehr starke Dunstschicht — ζ. B. bei Aufnahmen aus sehr großer Höhe — zu durchdringen ist, oder wenn man künstliche Farben gegen gleich aussehende natürliche Farben unterscheiden will. Nicht geeignet ist die Infrarotphotographie zur Durchdringung von nassem Nebel. Wegen der veränderten Tonwerte bringt die Verwendung von Infrarotfilmen für Meßzwecke eine Reihe von Interpretationsschwierigkeiten mit sich. Große Bedeutung kommt jedoch der Infrarotphotographie dann zu, wenn es sich ζ. B. bei der Erschließung unentwickelter Länder um Boden- und Vegetationsforschung handelt. Das Reflexionsvermögen vieler Stoffe ist im langwelligen infraroten Wellenbereich von dem im sichtbaren Bereich sehr verschieden. Vor allem das Laub einzelner Baumarten, dessen Farbe für das menschliche Auge und die üblichen Emulsionen kaum merkbare Unterschiede aufweist, erscheint auf Infrarotaufnahmen stark differenziert. Die Tönung, in der die einzelnen Laubarten im Infrarotbild erscheinen, kann durch Untersuchung an einer oder einigen wenigen Stellen des Waldes festgestellt und dadurch eine Helligkeitsreihe für die „Entschlüsselung" der auf einer großen Bildzahl wiedergegebenen ausgedehnten Waldflächen gewonnen werden. In ähnlicher Weise geht man bei der Interpretation der Luftaufnahmen von Moor- und Heidegebieten oder bei der Bodenforschung für geologische und landwirtschaftliche Zwecke vor (siehe 4.3.3).

1.3.5.4 Kontrastausgleich

81

1.3.5.3 Farbenphotographie

Man kann für die Luftbildphotographie auch die modernen Verfahren der Farbenphotographie nutzbar machen. Das Prinzip dieser Verfahren soll hier als bekannt vorausgesetzt werden. Je nach der verwendeten Filmsorte können entweder direkt Diapositive oder Negative erhalten werden, von letzteren müssen dann Diapositive oder Papierbilder hergestellt werden. Die Lichtempfindlichkeit der Farbfilme ist nicht sehr hoch, aber durchaus für Luftaufnahmen ausreichend. So erfordert z. B. der Agfa-Color-Negativfilm CN 17 etwa dieselbe Belichtungszeit wie ein Schwarz-Weiß-Film von der Empfindlichkeit 17 DIN. Die Qualität entspricht etwa der, die mit einem panchromatischen Film von 23 DIN erhalten wird. Einem bei starkem Dunst auftretenden Blaustich kann man durch ein Gelbfilter begegnen. Von Farbnegativen lassen sich mit gutem Erfolg SchwarzWeiß-Positive herstellen. Die Bedeutung der Farbenphotographie hegt wohl heute weniger in ihrer Anwendung für photogrammetrische Messungen als für Bodenuntersuchungen, da die Interpretation von Luftbildern durch sie beträchtlich erleichtert wird. Es sei erwähnt, daß man auch versucht hat, Farbfilme herzustellen, welche auf die richtige Farbwiedergabe verzichten, um eine besonders hohe Detailwiedergabe zu erreichen. Dies kann ζ. B. dadurch geschehen, daß eine der drei Schichten für infrarote Strahlung empfindlich gemacht wird. 1.3.5.4 Kontrastausgleich (Dodging)

Oft weisen die aufgenommenen Objekte nebeneinander größere dunkle und helle Gebiete auf. Um in beiden Gebieten eine optimale Detailwiedergabe zu erhalten, hat man Verfahren entwickelt, welche den Kontrast zwischen den großen Gebieten verringern, den Kontrast in den Bilddetails dagegen unverändert lassen. Man kann dann zur Kopie ein härteres Positivmaterial verwenden, wodurch die Wiedergabe der Details verbessert wird. Am meisten verbreitet sind elektronische Verfahren (Logetronics, Cintel). Die Belichtung des Positivmaterials erfolgt im Kontakt durch das Negativ mittels eines Lichfleckes, welcher das Negativ zeilenmäßig, ähnlich wie beim Fernsehen, abtastet. Der Lichtfleck wird auf dem Schirm einer Braunschen Röhre erzeugt und durch die an die Ablenkplatten gelegten Spannungen bewegt. Das Licht fällt durch die Filme auf eine Photozelle, welche auf die Braunsche Röhre zurückwirkt und die Leuchtdichte des Lichtflecks erhöht oder erniedrigt, je nachdem eine stärker oder weniger stark geschwärzte Stelle des Negativs abgetastet wird. Bei dem Fluoro-Dodge-Verfahren erfolgt die Kopie mittels einer lumineszierenden Platte, auf welcher das Negativ aufliegt und durch dieses das im Kontakt befindliche Positivpapier belichtet. Die Lumineszenz wird durch ultraviolettes Licht, das auf die Rückseite der Platte fällt, angeregt. Durch 6 Photogrammetrie

82

1.4 Stereoskopisches Sehen und Messen

ultrarotes Licht, welches durch das Kopiermaterial und das Negativ auf die Lumineszenzplatte gelangt, wird die Lumineszenz an den schwach gedeckten Stellen des Negativs stärker geschwächt, als an den stark gedeckten. Seit langem ist ein rein photographisches Verfahren bekannt, das Verfahren mit der „unscharfen Maske". Von dem Negativ wird ein unscharfes und kontrastarmes Positiv hergestellt, unter genauer Deckung in Kontakt mit dem Negativ gebracht und diese Kombination auf das Positivmaterial kopiert. Auch hier wird der Kontrast in den großen Flächen verringert, so daß mit härter arbeitendem Kopiermaterial gearbeitet werden kann, wodurch wieder die Detailwieder gäbe verbessert wird. 1.3.6 Behandlung photographischer Filme Die Behandlung von Fliegerfilmen unterscheidet sich nicht wesentlich von der normaler Filmaufnahmen. Allerdings muß, wie schon erwähnt, kontrastreicher, d. h. zu einem höheren Gammawert entwickelt werden. Es empfiehlt sich auf alle Fälle, sich genau an die für das verwendete Filmmaterial von der herstellenden Firma gegebenen Vorschriften zu halten. Für die Entwicklung von Luftbildfilmen sind eine Reihe von Geräten gebaut worden. Von Bedeutung ist vor allem „die Umspulentwicklung". Von einer Spule wird der Film im Entwickler auf eine andere umgespult und dieser Vorgang während der Entwicklungszeit dauernd wiederholt. Das elektrisch betriebene Gerät ist verhältnismäßig klein, leicht zu reinigen und braucht nur geringe Flüssigkeitsmengen. Allgemein ist die Tendenz zu beobachten, die Entwicklung möglichst weitgehend automatisch, einfach und schnell durchzuführen. Auch Geräte für Schnellentwicklung im Flugzeug während des Fluges sind gebaut worden.

1.4 Stereoskopisches Sehen und Messen Stärker als bei jeder anderen Meßmethode ist in der Photogrammetrie das räumliche Sehvermögen des Menschen eine wesentliche Grundlage der meisten Aus werte verfahr en. Die meßtechnische Seite der Stereoskopie muß daher ausführlich behandelt werden. 1.4.1 Monokulares Sehen Das Auge des Menschen erzeugt durch eine Reihe brechender Flächen, nämlich die Grenzflächen der gewölbten Hornhaut und der dahinterliegenden Augenlinse, auf der von einem Mosaik feinster lichtempfindlicher Stäbchen und Zäpfchen besetzten Netzhaut (Retina) reelle Bilder des betrachteten Raumes.

1.4.1 Monokulares Sehen

83

Dieser optisch-physiologische Vorgang ist weitgehend erforscht 1 2 . Für die Sehschärfe bzw. das Auflösungsvermögen des Auges ist vor allem die Struktur der Netzhaut, d. h. die Rasterung und Wirkungsweise der lichtempfindlichen Elemente von Bedeutung, die in einem kleinen mittleren Bereich, der Netzhautgrube mit dem „Gelben Fleck", am dichtesten angeordnet sind. In optischer Hinsicht ist für das Auflösungsvermögen die Größe des auf der Netzhaut entworfenen Beugungsbildes der Pupille maßgebend. Grundlegende Versuche von H E L M H O L T Z haben ergeben, daß das normalsichtige Auge punktförmige Einzelheiten noch voneinander zu trennen vermag, wenn sie unter einem Winkelabstand von μ > 1' erscheinen, μ heißt die monokulare Sehschärfe. Bei benachbarten parallelen Geraden sinkt der minimale Winkelabstand, unter dem sie noch unterscheidbar sind, sogar auf 0,25'. Die auf der Netzhaut des Auges erzeugten Bilder sind nicht im ganzen, etwa 100® umfassenden Gesichtsfeld gleichmäßig scharf. Ihre größte Schärfe liegt im Bereich der Netzhautgrube, der etwa 2—3 g umfaßt. Er bestimmt die Blickrichtung. Um andere Teile des Gesichtsfeldes scharf sehen zu können, muß die Blickrichtung geändert werden, was im großen durch Wenden des Kopfes, in kleinen Bereichen jedoch durch Drehen der Augen um einen in der Augenlinse liegenden Punkt geschieht. Zur Scharfeinstellung auf verschiedene Entfernungen im Dingraum werden die Krümmungsradien der Linsenflächen durch Bewegen des Ziliarmuskels so verändert, daß die Augenlinse eine der Gegenstandsweite entsprechende Brennweite erhält. Diesen Vorgang nennt man Akkomodation. Das Auflösungsvermögen eines normalen Auges wird bei der Betrachtung naher Gegenstände am besten bei der Akkomodation auf etwa 25 cm ausgenutzt. Die Akkomodation auf kürzere Entfernungen ist nur mit Mühe und unter Abnahme der Sehschärfe möglich. Die Entfernung von 25 cm ist daher für den normalsichtigen Menschen die deutliche Sehweite. Der optisch-physiologische Vorgang des Sehens ist mit der Erzeugung und Fixierung des Bildes auf der Netzhaut abgeschlossen. Das Netzhautbild ist verkehrt und der Netzhautkrümmung entsprechend uneben. Der psychische Sehvorgang nimmt es jedoch als ebenes, aufrechtes Bild wahr. Dieses Bild ist eine Perspektive mit allen in 1.1.1 genannten Eigenschaften. Die vom Auge gesehenen Bilder unterscheiden sich geometrisch nicht von Photographien, was vom photogrammetrischen Standpunkt aus sehr wichtig ist. Aus der monokularen Sehschärfe μ ergibt sich ein lineares Auflösungsvermögen des freiäugigen Sehens von etwa 0,073 mm in deutlicher Sehweite. Da das optischphotographische Auflösungsvermögen 0,02—0,03 mm beträgt, müssen photo12



Das klassische Werk darüber ist H. Helmholtz, Handbuch der physiologischen Optik, Bd. 3, Hamburg und Leipzig 1896 bzw. 1911. — Neuere Darstellungen siehe Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie, Bd. 12, II, H. Guiilery: Sehschärfe, A. Tschermak: Optischer Raumsinn, Berlin 1931, oder H. Schober: Das Sehen, 2 Bde., Leipzig 1958 (2. Auflage mit ausführlicher Bibliographie).

84

1.4 Stereoskopisches Sehen und Messen

graphische Bilder unter 3- bis 4facher Vergrößerung betrachtet werden, wenn ihr Informationsgehalt ganz ausgeschöpft werden soll.

1.4.2 Stereoskopisches Sehen 1.4.2.1 Natürliches räumliches Sehen

Die Fähigkeit des Menschen, im Seh Vorgang Tiefenunterschiede des Dingraumes zu erkennen, beruht auf verschiedenen Elementen. Zum Teil sind die der Erfahrung entnommen : hierher gehören perspektive Größenabnahme entfernter Gegenstände, Verschleierung durch Luftperspektive und Verdeckung von Hintergrundsbereichen durch Objekte im Vordergrund. Während diese Kriterien jedoch auch monokular wahrzunehmen sind, wird der eigentliche stereoskopische Raumeindruck, der die Tiefengliederung unmittelbar erkennen läßt, durch die Verschiedenheit der Teilbilder erzeugt, die von den beiden Augen entworfen werden. Diese Unterschiede verursachen, wenn sie ein bestimmtes Maß nicht überschreiten, keine Störungen beim Sehen, sondern bewirken im stereoskopischen Sehvorgang die Entstehung eines virtuellen, der Tiefe nach gegliederten Raumbildes. Die geometrischen Verhältnisse sind in Figur 1/30 schematisch dargestellt. Die beiden Augenachsen, deren Drehpunkte 0' und 0" den Augenabstand ba besitzen, sind nach dem P u n k t P i gerichtet und schneiden sich dort unter dem parallaktischen Winkel γ. P\ hat von der Augenbasis den Abstand y und wird in den Bildpunkten Ρ ι' und P2" abgebildet. Zugleich mit P\ wird jedoch auch eine gewisse Umgebung dieses Punktes scharf gesehen, ζ. B. der P u n k t P2, der der Einfachheit halber auf dem Sehstrahl 0" P\ angenommen ist und um die kleine Größe d y näher an der Augenbasis Hegt. Während der Bildpunkt Ρ2" im Grundriß mit P i " zusammenfällt, besitzt P2' gegenüber P i ' einen seitlichen Abstand px, die Horizontalparallaxe, die als Bildunterschied für das Zustandekommen des TiefeneinFig. 1/30. Natürliches räumliches Sehen drucks maßgeblich ist. Ihre Größe hängt (schematischer Grundriß). von dem Unterschied d y zwischen den beiden parallaktischen Winkeln in Ρ ι und P2 ab.

1.4.2.1 Natürliches räumliches

85

Sehen

Unter der Annahme, daß ba klein gegenüber y ist, gilt die Näherungsbeziehung ba γ « — . y

(1.84)

Durch Differenzieren kann hieraus der Zusammenhang zwischen άγ und d y abgeleitet werden : dy =

—- ~ - d y ·

(1.85)

Die Auflösung nach d y ày=-~-dV

(1.86)

Οα

liefert die einem bestimmten άγ zugeordnete wahrnehmbare Tiefe. Wesentlich für die Schärfe der Tiefenwahrnehmung ist die Tatsache, daß die Augen weit kleinere Werte άγ zu unterscheiden vermögen, als auf Grund der monokularen Sehschärfe erwartet werden müßte. Bei μ = ¿ 1 ' sollte bei beidäugigem Sehen die untere Grenze für άγ bei ± 1 ' ·|/2 = 1,4' liegen, während sie tatsächlich im Durchschnitt ± 1 7 " , also ein Fünftel, beträgt. Dieser Wert heißt stereoskopische Sehschärfe. Mit à γ = ¿ 1 7 " und dem Durchschnittswert ba = 65 mm ergibt sich als minimal wahrnehmbare Tiefe „2

17

„2

d y = ± — = ± - ? — m . " 0,065 ρ" 8 3 0

(1.87 a)

Division mit y liefert eine Formel für das relative Tiefenwahrnehmungsvermögen : d ν V — = — . 2 / 8 3 0

(1.87 b)

Aus den Beziehungen (1.87) ist folgendes zu ersehen: 1. Das Tiefenwahrnehmungsvermögen nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab. Es hört theoretisch auf, wenn über die Tiefenlage zweier hinter einanderliegender Punkte keine Aussage mehr getroffen werden kann, wenn also d y = y wird. Dies tritt nach (1.87 b) bei y = 830 m ein. Praktisch ist das stereoskopische Sehvermögen auf 400—500 m beschränkt, eine Entfernung, die man den „Radius des stereoskopischen Feldes" nennt. 2. Das Tiefen Wahrnehmungsvermögen ist auf kurze Entfernungen außerordentlich hoch. So findet man aus (1.87a) für die deutliche Sehweite (y = 0,25 m) den Wert d y = ¿ 0 , 0 7 mm, d. h. es können dort noch Tiefenunterschiede von weniger als 0.1 mm mit Sicherheit erkannt werden. Die Bedeutung des stereoskopischen Sehens für die Photogrammetrie besteht in der Ausnutzung der hohen Genauigkeit der Tiefenwahrnehmung auf kurze Entfernungen. Da jedoch die Objekte der Bildmessung gewöhnlich in größeren

1.4 Stereoskopisches Sehen und Messen

86

Entfernungen vom Aufnahme-(= Betrachtungs-)ort liegen, muß das natürliche räumliche Sehvermögen durch künstliche Hilfsmittel auf diese Entfernungen ausgedehnt werden. 1.4.2.2 Künstliche Steigerung der stereoskopischen Tiefenwahrnehmung

Eine Steigerung des stereoskopischen Sehvermögens, d. h. eine Verkleinerung der minimal wahrnehmbaren Tiefe di/ ist nach Gleichung (1.86) auf zwei Arten mögüch : 1. Vergrößerung der Betrachtungsbasis ba auf den Wert η • ba (n > 1). 2. Verkleinerung des wahrnehmbaren Grenzwertes der Differenz dγ der parallaktischen Winkel γ auf den Wert — · dy (ν > 1 ) durch «-fache optische Vergrößerung der beiden Teilbilder. Bei Anwendung beider Maßnahmen verändert sich Gleichung (1.86) in (1.88)

dy=

1 «a f - · dy. η· ν ba

Das Produkt η · υ, um dessen Wert das Tiefenwahrnehmungsvermögen gesteigert wird, heißt totale Plastik. Betrachtet man ζ. B. einen Geländeausschnitt aus einer Basis von 500 m unter 4facher Vergrößerung, so ergibt sich, da η = 5 0 0 : 0,065 = 7700 ist, eine totale Plastik von η · υ = 30 800. Liegt das Gelände etwa 1500 m entfernt oder erfolgt die Betrachtung aus einem Flugzeug in 1500 m Höhe, so können nach (1.87 a) 1 15002 dy = = 0,09m 30 800 830 noch Tiefenunterschiede von 9 cm wahrgenommen werden. 1.4.2.3 Räumliches Sehen mit Hilfe stereoskopischer Bilder

Da die Augen ebene Perspektiven des Dingraumes entwerfen, kann ihr Bildeindruck durch gezeichnete oder photographische Bilder ersetzt werden. Auch der stereoskopische Raumeindruck kann künstlich hervorgerufen werden, wenn man den beiden Augen getrennte Bilder zuführt, deren Eigenschaften den Teilbildern beim natürlichen stereoskopischen Sehen entsprechen. Sind die Bilder mit der Augenbasis ba aufgenommen, wie dies bei Stereo-Kleinbildkammern häufig geschieht, so wird der Raumeindruck bei der Betrachtung nur durch Vergrößerung verstärkt. Die Augen können jedoch auch Bilder mit einer stark vergrößerten Basis ohne weiteres zum Raumbild vereinigen und damit bei der Tiefenwahrnehmung die totale Plastik voll ausnutzen. Es entsteht dabei ein virtuelles, im Raum schwebendes Modell des dargestellten Objektes. Damit ein ungestörtes Raummodell entsteht, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein :

1.4.2.3 Räumliches Sehen mit Hilfe stereoskopischer Bilder

87

1. Den beiden Augen müssen praktisch gleichzeitig zwei getrennte Bilder des Objektes zugeführt werden. 2. Die beiden Bilder müssen von verschiedenen Standorten aus aufgenommen sein, also Parallaxen in Richtung ihrer Aufnahmebasis enthalten. 3. Die Blickrichtungen der beiden Augen nach entsprechenden Punkten in den zugeordneten Bildern müssen in einer Ebene liegen. Stereoskopische Bildpaare, die diese Bedingungen erfüllen, kann man prinzipiell ohne weitere Hilfsmittel zum Raummodell verschmelzen (siehe Abb. 3). Man setzt dazu in deutlicher Sehweite jedem Auge das ihm zugeordnete Bild vor und betrachtet die Bilder mit parallel gerichteten Augenachsen. Vor beiden Augen erscheinen dann 3 Bilder, von denen das mittlere das stereoskopische Raumbild ist, während das rechte seitliche Bild das Teilbild für das rechte Auge, gesehen mit dem linken, ist und umgekehrt. Da die Augen parallel gerichtet und damit automatisch auf Unendlich akkomodiert sind, erscheinen die Bilder zunächst völlig unscharf. Die Lösung der Koppelung zwischen Konvergenz und Akkomodation gelingt jedoch mit einiger Anstrengung und Übung, so daß schließlich das Raumbild scharf in deutlicher Sehweite erscheint. Doch empfindet man die Betrachtung auch dann noch als unbequem und unsicher. Man bedient sich deshalb fast immer eines der Hilfsmittel zur stereoskopischen Betrachtung, mit denen die Koppelung zwischen Konvergenz und Akkomodation der Augen nicht gelöst zu werden braucht.

Abb. 3. Prüftafel für das stereoskopische Sehvermögen, zu betrachten mit einem Linsenstereoskop. Dabei stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung : 1. Linsen- und

Spiegelstereoskope

Durch die Zwischenschaltung zweier Sammellinsen zwischen Bildpaar und Betrachter werden die Strahlenbündel parallel gerichtet, so daß sie bei Akko-

88

1.4 Stereoskopisches Sehen und Messen

modation der Augen auf Unendlich Scharfabbildung ergeben. Die Bilder hegen dabei etwa in der Brennebene der Sammellinsen. Beim einfachen Linsen- oder Taschenstereoskop (siehe Fig. 1/31 und Abb. 4) ist der seitliche Abstand der Bilder etwa gleich dem Augenabstand, das Bildformat daher auf diesen Abstand beschränkt. — Die Bilder würden sich sonst gegenseitig überdecken, sofern ihre überstehenden Teile nicht weggeklappt oder umgeknickt werden.

Fig. 1/31. Schema des Linsenstereoskops.

Abb. 4. Linsenstereoskop Carl Zeiss, Oberkochen).

(Werkphoto

Zur Betrachtung größerer Bildformate, zum Beispiel von Luftbildoriginalen, dient das Spiegelstereoskop nach HELMHOLTZ (siehe Fig. 1/32 und Abb. 5), bei dem der Strahlengang zwischen den Bildern und Sammellinsen durch je zwei

Abb. 5. Spiegelstereoskop (Werkphoto Carl Oberkochen).

1.4.2.3 Räumliches Sehen mit Hilfe stereoskopischer Bilder

89

unter 50« geneigte Spiegel seitlich verlegt wird. Diese optische Vergrößerung der Augenbasis hat jedoch keinerlei Verstärkung des stereoskopischen Effektes zur Folge, da der Bildinhalt unverändert bleibt. Hingegen werden die Bilder im allgemeinen durch die Betrachtungsoptik, die als Lupen- oder Feldstechersystem ausgebildet ist, 2—8fach vergrößert. Ein besonders elegantes Spiegelstereoskop mit veränderbarer Vergrößerung und optischer Abtastung des gesamten Stereomodells hat die Firma Oude Delft, Holland, entwickelt. Die meisten Doppelbildauswertegeräte der Photogrammetrie enthalten Betrachtungssysteme, die im Prinzip dem HELMHOI/rzschen Spiegelstereoskop entsprechen. Der Nachteil der Stereoskope besteht darin, daß jeweils nur eine Person oder — bei gleichzeitiger Verwendung von 2 parallel gestellten Geräten — höchstens zwei Personen das Stereomodell betrachten können. Frei von diesem Nachteil ist das 2.

Anaglyphenverfahren

Dabei werden die beiden Teilbilder in komplementärer Färbung oder Beleuchtung (meist rot und blaugrün) über-, nicht weòeweinandcr gedruckt, kopiert oder projiziert und durch eine Brille mit entsprechend gefärbten Filtergläsern betrachtet (Abb. 6). Jedes Auge sieht die zu seinem Filter komplementärfarbigen Stellen des Anaglyphenbildes schwarz, d. h. als Zeichnung, während die gleichfarbigen Stellen zusammen mit dem Untergrund in der Filterfarbe erscheinen. Bei gedruckten oder projizierten Anaglyphenbildern wird demnach von jedem Auge das zu seinem Filter komplementäriarbige Bild — und nur dieses — tonrichtig gesehen. Bei der Projektion gewöhnlicher Diapositive durch komplementäre Farbfilter hingegen erscheint jedem Auge die Zeichnung des gleichfarbigen Teilbildes schwarz, da sie auf der Projektionswand von komplementärfarbigem Licht beleuchtet ist. Dieser Unterschied ist bei der Benutzung der Filterbrillen zu beachten. Die Qualität der Bildtrennung und damit des stereoskopischen Raumeindrucks hängt wesentlich von der Auslöschung des jeweils für das andere Auge bestimmten Teilbildes, also von der Qualität der Farbfilter ab. „Restbilder" können sehr störend wirken. In letzter Zeit hat R. B U R K H A R D T an der Technischen Universität Berlin unter Verwendung von Leuchtfarben eine Farbund Filterkombination entwickelt, bei der die gegenseitige Auslöschung praktisch perfekt ist. Bei Verwendung der Komplementärfarben Rot und Blaugrün kann der starke Farbkontrast der Teilbilder bei längerer Betrachtung Störungen bewirken. Diesem Nachteil wird nach einem Vorschlag von M . H A A S E und K . S C H W I D E F S K Y durch die Beleuchtung mit zwei eng benachbarten Gruppen von Spektrallinien, z. B. den gelben und grünen Linien im Spektrum der Quecksilberdampf-

90

1.4 Stereoskopisches Sehen und Messen

lampe, begegnet. Die beidäugige Betrachtung durch passende Filter ergibt dann eine angenehme grünliche Mischfarbe. Die starke spektrale Beschränkung führt bei der Projektion von Anaglyphenbildern zu erheblichen Licht Verlusten. Es müssen also entweder relativ dunkle Stereobilder in Kauf genommen oder entsprechend starke Lichtquellen verwendet werden. Selbstverständlich ist das Anaglyphenverfahren nicht zur stereoskopischen Betrachtung oder Projektion von Farbbildern geeignet. Hellere Stereomodelle von schwarz-weißen oder farbigen Diapositiven liefert hingegen das 3.

Polarisationsverfahren

An die Stelle der Farbfilter des Anaglyphenverfahrens treten hier Polarisationsfilter, die von den in allen Richtungen schwingenden Transversalwellen eines Lichtstrahles jeweils nur die Komponenten in einer Schwingungsebene hindurchlassen (linear polarisiertes Licht). Verwendet man zur Projektion der stereoskopischen Teilbilder zwei Filter mit aufeinander senkrecht stehenden Polarisationsebenen und betrachtet sie durch eine Brille mit entsprechend ausgerichteten Polarisationsfiltern, so wird von jedem Auge nur das Bild mit gleicher Polarisationsrichtung gesehen. Die Auslöschung des anderen Teilbildes ist allerdings gegen kleine Differenzen in der Polarisationsrichtung außerordentlich empfindlich, d. h. schon bei kleinen Kopfdrehungen oder -neigungen bleiben störende Restbilder. Für Meßzwecke ist das Verfahren daher nicht geeignet. Weiter ist zu beachten, daß gewöhnliche Projektionswände die Polarisation des auffallenden Lichtes aufheben und es diffus reflektieren. Auffangflächen für Stereoprojektion mit polarisiertem Licht müssen daher mit einem Metallanstrich versehen sein, der die Polarisation erhält. In den handelsüblichen Stereoprojektoren sind die Polarisationsrichtungen der beiden Teilbilder gewöhnlich in Form eines V angeordnet, dessen Schenkel jeweils um 50g gegen die Horizontale geneigt sind. Entsprechend müssen die Filter der Betrachtungsbrillen orientiert sein.

Abb. 6. Anaglyphendruck eines Senkrechtbildpaares. — Das Stereomodell zeigt die Stadt Eichstätt an der Altmühl, deren Talmäander in den fränkischen Jura eingesenkt ist. Kern und früherer Umfang der alten Bischofstadt sind klar zu erkennen. An der Spitze des von der Altmüh] umflossenen Spornes erhebt sich die Willibaldsburg. Man beachte die Gefällsunterschiede an den Prall- und Gleithängen des Talmäanders. Die hellen Stellen rechts oben sind Kalksteinbrüche. — Aufnahme durch Carl Zeiss, Oberkochen, mit einer Reihenmeßkammer RMK 15/23, Pleogon / = 153 mm. Bildmaßstab etwa 1: 17 000. Freigegeben durch Bayer. Staatsministerium f. Wirtsch. u. Verkehr, Nr. 10 128 vom 26. 6. 1959. — Die Anaglyphenfarben des Druckes und der Brillenfilter sind nach einem patentierten Verfahren von Prof. Dr. R. Burkhardt und Dr. R. Helmy hergestellt (siehe BuL 1963, S. 190—195). Die Löschung der Teilbilder läßt sich am Nordpfeil prüfen.

4/

>f

92

1.4 Stereoskopisches Sehen und Messen

Die Polarisationsfilter reduzieren die Helligkeit der Bilder auf etwa die Hälfte. Auch hier sind demnach starke Lichtquellen zu verwenden, wenn helle Stereomodelle in annähernd natürlichen Farben gewonnen werden sollen. 4.

Wechselblenden

Neben den rein optischen Verfahren zur Bildtrennung 1.—3. sei schließlich ein mechanisches Verfahren erwähnt, das — wie der Film — die Trägheit des menschlichen Auges bei der Vorführung schnell wechselnder Bilder ausnutzt. Die beiden stereoskopischen Teilbilder werden hier nicht gleichzeitig, sondern in schnellem Wechsel projiziert. Durch streng synchron laufende Blenden wird das jeweils zugeordnete Auge des Betrachters freigegeben, das andere verschlossen. Bei einer Frequenz von 30—50 Bildwechseln pro Sekunde werden flimmerfreie Teilbilder gesehen, die sich zum Stereomodell vereinigen. Der Blendenwechsel am Projektor und beim Betrachter kann durch Magnete oder Synchronmotoren geregelt werden, die durch Wechselstrom erregt bzw. angetrieben werden. Verwendet man als Lichtquelle eine mit Wechselstrom gespeiste Gasentladungslampe, so kann auf die Wechselblende vor dem Projektor verzichtet werden, da das Licht im Rhythmus der Wechselstromfrequenz pulsiert. Derselbe Rhythmus muß jedoch auf die unentbehrliche Wechselblende vor den Augen übertragen werden. Das Verfahren liefert zwar helle Bilder in Schwarz-Weiß oder in Farben, sehr störend macht sich jedoch bei längerer Betrachtung das Vibrieren des am Kopfe befestigten Blendenmechanismus bemerkbar. Außerdem erfordert es einen reichlich komplizierten und — bei mehreren Betrachtern — auch kostspieligen technischen Aufwand. Es wird daher heute weder in der Photogrammetrie noch in der Filmtechnik angewandt. 1.4.2.4 Orientieren stereoskopischer Bilder

Die zweite Bedingung für das räumliche Sehen mit stereoskopischen Bildern fordert das Vorhandensein von Horizontalparallaxen, die dritte hingegen schließt das Auftreten von Bildunterschieden senkrecht zur Augenbasis, sog. Vertikal- oder Höhenparallaxen, aus. Sie kann durch die richtige Orientierung stereoskopischer Bilder eingehalten werden. Die Aufnahmebasis bestimmt mit jedem Objektpunkt Ρ eine Ebene (Kernebene), in der die beiden Aufnahmestrahlen liegen. In dieselbe Ebene müssen die beiden Augen gebracht werden, wenn ihre Blickrichtungen nach den Bildpunkten P ' und P " sich schneiden sollen. Jede andere Lage der Augen würde bei der Betrachtung des Punktes Ρ eine Divergenz der Augenachsen senkrecht zur Augenbasis (Vertikales Schielen) bedingen, wozu die Augen des Menschen nicht oder nur in ganz geringem Umfang (bis etwa ls) befähigt sind. Jede Abweichung eines Bildpunktes aus der Ebene, die durch die Augenbasis und den Sehstrahl nach dem entsprechenden Punkt im zweiten Bild bestimmt ist, äußert sich bei der stereoskopischen

93

1.4.2.4 Orientieren stereoskopischer Bilder

Betrachtung als Vertikal- oder Höhenparallaxe, die das Zustandekommen des Raumeindrucks verhindert. Die stereoskopische Betrachtung in Kernebenen ist bei angenähert senkrecht nach unten aufgenommenen Luftbildern leicht zu bewirken. Da in diesem Fall die Nadirpunkte der Aufnahme praktisch mit den Hauptpunkten zusammenfallen, läßt sich der Grundriß der Aufnahmebasis aus 2 sich um mindestens 50 % überdeckenden Luftbildern ermitteln: er ist die Verbindungsstrecke des jeweiligen Bildhauptpunktes mit dem Bild des Hauptpunktes der benachbarten Aufnahme, also die Strecken H { H2

fil H

α)

Hl

2, Ή;·



Fig. 1/33. Orientieren von Luitbildpaaren zur stereoskopischen Betrachtung. — a) Ausgangslage. — b) Betrachtungslage.

Betrachtungsbasis ausgerichtet wird. Außerhalb des Profiles H\ H TH

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8.

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1.5.4 Refraktionskorrektur

113

Bei Luftaufnahmen mit nach unten gerichteten Aufnahmeachsen liegen jedoch die Verhältnisse anders. Die atmosphärische Refraktion hat dort zur Folge, daß ein vom Geländepunkt Ρ nach dem Objektiv O einer Luftbildkammer verlaufender Lichtstrahl allmählich seinen Winkel gegenüber dem Lot vergrößert (Fig. 1/38). Die Krümmung des Strahles PO ist in den bodennahen Luftschichten, die von den relativ steilen Aufnahmestrahlen der Luftphotogrammetrie schnell verlassen werden, größer als am Objektiv. Der Winkel Δ ρ zwischen dem einfallenden Bildstrahl und der Geraden PO, die der zentralprojektiven Abbildung entspricht, bleibt daher auf kleine Beträge beschränkt und ist mit nur geringen Unsicherheiten behaftet. Die für die Strahlenkrümmung charakteristische Änderung des Winkels mit der Höhe Fig. 1/38. Refraktionskorrektur kann aus dem Brechungsgesetz η · sin ν = bei Luftaufnahmen. const, hergeleitet werden, in dem η den Brechungsindex der durchlaufenden Luftschicht bedeutet. Durch Differentiation ergibt sich : dn

η • cos ν ·

dh dv dh

dv dh

= 0

tan ν dn η

dh

(1.104)

Die Richtungsänderung Δ ν eines Strahles zwischen den Höhen h\ und hi findet man dann durch Integration von (1.104), wobei mit ausreichender Annäherung η = 1 gesetzt werden kann. fl2 Γ dn dh. Δ ν •• — tan ν · I J dh Λι

(1.105)

Gleichung (1.105) zeigt, daß Δ ν proportional zum Tangens der Nadirdistanz ν ist. Weiter hängt es vom Höhengradienten des Brechungsindex ab, der seinerseits durch die meteorologischen Bedingungen (Luftdruck-, -temperatur und -feuchte, Temperaturgradient) längs des Strahlenweges bestimmt ist. Eine différentielle Messung dieser Daten bei der Luftaufnahme selbst erscheint ausgeschlossen. Man muß daher eine idealisierte Normalatmosphäre zugrunde legen. Für die durch die Refraktion verursachte radiale Bildversetzung ist die Größe des Winkels Δ ρ zwischen dem in 0 einfallenden Lichtstrahl und der 8 Photogrammetrie

114

1.5 Bildkoordinaten und Bildwinkel

Geraden PO maßgeblich ; er beträgt nur etwa die Hälfte der gesamten Richtungsänderung Δ ν des Strahles zwischen Ρ und 0. Nach L e y o n h u f v u d 14 läßt sich Δ ρ nach der Formel (1.106)

Δ ρ = tan ν • Δ ρ 0 ,

berechnen ; die Winkelgröße Δ ρο ist unter Annahme einer Normalatmosphäre nur noch von den Meereshöhen ZP und Ζ o der Punkte Ρ und O abhängig. Sie kann aus Tabellen entnommen werden 1 4 . Um einen Anhalt für die auftretenden Werte zu geben, sei erwähnt, daß Δ ρο bei einer Geländehöhe von 500 m über N N in der Flughöhe 1000 m über Grund 4CC beträgt und bis zur Flughöhe 10 000 m nichtlinear auf 48 c c ansteigt. Für die Radialversetzung Δ r in der Bildebene gilt dann : (1.107)

Δγ=

e -

cos· 2 ν

·Δ ρ=

c · tan ν

Δ ρο·

COS ν

I n dem genannten Beispiel würden sich bei Weitwinkelaufnahmen mit c = 150 mm für Bildstrahlen mit ν = 50s Nadirdistanz folgende Radialversetzungen ergeben : Flughöhe

1 000 m: i r = —0,0019 mm

Flughöhe

10 000 m : Δ r = —0,0225 mm.

Für kleinmaßstäbliche Aufnahmen erreicht Δ r demnach Werte, die bei genauen Auswertungen unbedingt beachtet und beseitigt werden müssen. Die Refraktionskorrektur kann entweder rechnerisch unter Verwendung entsprechender Tabellen an den gemessenen Bildkoordinaten angebracht oder bei der Auswertung durch Kompensationsplatten, deren Wirkungsweise dieselbe ist wie bei der Verzeichnungskorrektur (siehe 1.2.3.3), bewirkt werden. Für verschiedene Flughöhen sind dabei allerdings verschiedene Kompensationsplatten erforderlich. 1.5.5 Reduktion der Erdkrümmung Seinem Wesen nach ist der Einfluß der Erdkrümmung auf das terrestrische oder luftphotogrammetrische Meßbild scharf von der Wirkung der atmosphärischen Refraktion zu unterscheiden. Beim zweiten handelt es sich — wie in 1.5.4 gezeigt wurde — u m eine Abweichung des physikalischen AufnahmeVorganges vom mathematischen Modell der Zentralprojektion. Die Krümmung der Erdoberfläche ist jedoch eine Eigenschaft des Aufnahmeobjektes, das in seiner räumlichen Struktur zu erfassen ja gerade die wesentliche Aufgabe der Photogrammetrie ist. Die Reduktion oder „Korrektur" der Erdkrümmung in 14

A. Leyonhufvud: On Photogrammetrie Refraction. - Phia. 1952/53, S. 9 3 - 1 1 3 .

115

1.5.5 Reduktion der Erdkrümmung

der Photogrammetrie ist also lediglich als Maßnahme im Sinne der Kartenentwurfslehre zu verstehen; dort wird eine Projektion der gekrümmten Erdoberfläche auf eine Kartenebene vorgenommen. In der Photogrammetrie besteht das analoge Problem der Wiedergabe einer gekrümmten Fläche und der auf sie bezogenen Geländehöhen in einem rechtwinkligen kartesischen Koordinatensystem oder in einer Karte. In der terrestrischen Photogrammetrie wird diese Aufgabe in Analogie zur topographischen Aufnahme gelöst; die dazu am Auswertegerät notwendigen Maßnahmen beschreibt der Abschnitt 2.5.4.3. In der Luftphotogrammetrie kann es Ρ' Ρ1 erwünscht sein, den Einfluß der Erdkrümmung auf die Geometrie des Luftbildes schon vor der eigentlichen Auswertung zu i beseitigen, so daß die Luftbildauswertung o unmittelbar Ergebnisse liefert, die sich auf eine verebnete Erdoberfläche beziehen. νj Δ /7 ih Die dazu notwendigen Reduktionen können aus Figur 1/39 hergeleitet werden. Infolge der Erdkrümmung liegt ein Punkt Ρ um den Höhenbetrag Δ h unterhalb des S Punktes Ρ in der Berührebene an die V 7 —i Erdoberfläche im Nadirpunkt Ν der Luftaufnahme. Mit R als ErdkrümmungsFig. 1/39. Reduktion der Erdradius gilt bei den in der Luftphotogramkrümmung bei Luftaufnahmen. metrie vorkommenden Entfernungen s mit ausreichender Annäherung

X

Δ h =

2R

(1.108)

Der Bildpunkt von Ρ ist P ' . Wünscht man ihn auf den Bildpunkt P ' von Ρ zu reduzieren, so ist zuerst der Winkel Δ ν zu bestimmen, unter dem Ρ und Ρ von O aus erscheinen. Nach dem Sinussatz gilt : Δ ν —

Ah h

sin ν • eos ν .

Mit (1.108) und s = A · tan ν ergibt dies: Δ ν =

h 2 •Β

tan ν · sin 2 v.

(1.109)

Für Aufnahmestrahlen mit ν = 50g Nadirdistanz beträgt Δ ν bei 1000 m Flughöhe 25 cc und bei 10 000 m Flughöhe in linearem Anstieg 250°°.

1.5 Bildkoordinaten und Bildwinkel

116 Für die radiale Reduktionsgröße Δ r gilt : (1.110a)

Δr= Δ ν

c COS2 V

Mit sm ν =

V

COS V =

y c + ?·2 2

c y c2 + J·2

kann (1.110a) in (1.110b)

Ar =

h r3 2Ä"C2

umgeformt werden 15 . Für eine Weitwinkelaufnahme mit c = 150 mm und Aufnahmestrahlen von 50® Nadirdistanz liefert (1.110) folgende radiale Reduktionen: Flughöhe 1 000 m : Δ r = + 0 , 0 1 2 mm Flughöhe 10 000 m:

Δ r = + 0 , 1 1 9 mm.

Die Reduktion der Erdkrümmung hat das entgegengesetzte Vorzeichen der Refraktionskorrektur. Bei gewissen Nadirdistanzen und Flughöhen heben sich beide auf. Neben der rechnerischen Reduktion der Bildkoordinaten ist wiederum die Reduktion mit Kompensationsplatten möglich, wobei Reduktion der Erdkrümmung und Refraktionskorrektur von einer einzigen Platte geleistet werden können. Doch gilt eine solche Platte immer nur für eine ganz bestimmte Flughöhe. Da die Entfernungen Ν Ρ und Ν Ρ in Figur 1/39 bis auf kleine Größen von der dritten Ordnung einander gleich sind, liefert die Auswertung von Luftbildern mit Reduktion der Erdkrümmung eine Darstellung der Erdoberfläche in mittelabstandstreuer Azimutalprojektion mit dem Nadirpunkt Ν als Projektionszentrum. Soll die entstehende Karte in einer anderen Projektion entworfen werden, ζ. B . in Gauß-Krüger-Projektion, so sind bei Präzisionsauswertungen noch die Unterschiede der beiden Projektionen durch entsprechende ebene Koordinatentransformation zu berücksichtigen.

15

Eine eingehende Diskussion der Erdkrümmungsreduktion unter Berücksichtigung der Höhenunterschiede im Gelfinde und der Bildneigung findet sich bei Rüdiger Finsterwalder: Die Berücksichtigung der Erdkrümmung bei der photogrammetrischen Auswertung, ZfV. 1963, S. 190 — 196.

2 Terrestrische Photogrammetrie

Die terrestrische Photogrammetrie oder Erdbildmessung verwendet Meßbilder, die von festen Standorten auf der Erdoberfläche aus aufgenommen sind. Die Daten der äußeren Orientierung eines terrestrischen Meßbildes (siehe 1.1.2.3), d. h. die Raumkoordinaten Xo, ^o, Zo des Aufnahmeortes und die Richtung der Aufnahmeachse, können daher nach bekannten geodätischen Methoden mit beliebiger Genauigkeit bestimmt werden. Photogrammetrische Verfahren setzen erst bei der Auswertung der Meßbilder ein. Diese Tatsache unterscheidet die Erdbildmessung grundsätzlich von der Luftphotogrammetrie ; dort ist — zumindest bis heute — eine Bestimmung der äußeren Orientierung mit ausreichender Genauigkeit bei der Aufnahme selbst unmöglich, sie m u ß vielmehr nachträglich aus dem Bildinhalt gewonnen werden. I n ihrer Anwendung ist die Erdbildmessung auf den Sichtbereich des jeweiligen Aufnahmeortes beschränkt. Bei topographischen Aufnahmen lohnt sich ihre Verwendung darum erst, wenn Aufnahmeorte mit einer ausreichenden Einsicht in das umgebende Gelände gefunden werden können. Das ist im Flachland niemals, im Hügelland nur bei der Aufnahme kleinerer Geländeausschnitte der Fall. Das eigentliche Arbeitsfeld der terrestrischen Photogrammetrie, das sie auch heute noch trotz der stürmischen Entwicklung der Luftphotogrammetrie behauptet, ist daher das Gebirge und Hochgebirge. Daneben kommt sie als Nahphotograrnmetrie überall dort zum Zuge, wo komplizierte Objekte oder Vorgänge von beschränkter räumlicher Ausdehnung aufzunehmen sind.

2.1 Die Aufnahmegeräte der Erdbildmessung Als Meßkammer f ü r terrestrische Aufnahmen ist prinzipiell jede photographische Kamera mit bekannter innerer Orientierung (siehe 1.2.3) geeignet. Im allgemeinen werden nur Plattenkameras verwendet. Sollen jedoch die Elemente der äußeren Orientierung teilweise oder in ihrer Gesamtheit mit dem Aufnahmegerät selbst bestimmt werden, so ist die K a m m e r mit Zusatzeinrichtungen wie Zielvorrichtungen, Teilkreisen, Libellen und einem Stativ zu versehen. Sie wird damit zum Phototheodolit. Von den vielen, in der Vergangenheit entwickelten Konstruktionen sollen in der Folge einige typische, die heute Verwendung finden, behandelt werden.

118

2.1 Die Aufnahmegeräte der Erdbildmessung

119

2.1.1 Der leichte Feldphototheodolit T A F 2.1.1 Der leichte Feldphototheodolith nach Finsterwalder

(TAF = Terrestrische Auarüstung Finsterwalder) Abbildung 14

Diese Ausrüstung wurde erstmals 1926 von der Firma Zeiss nach einer von Sebastian Finsterwalder bereits 1896 angegebenen Konstruktion 1 6 gebaut. Sie ist nach Gewicht und Leistungsfähigkeit besonders auf den Gebrauch bei topographischen oder gletscherkundlichen Aufnahmen im Gebirge abgestimmt. Die Meßkammer hat eine unveränderliche Bildweite von etwa 160 mm und ein Bildformat von 13 X 18 cm für Glasplatten. Die Bildebene und die seitlichen Bildränder stehen stets vertikal (ω = κ = 0); sie werden durch 2 Kreuzlibellen von 30" Teilwert auf der Oberseite der Kammer ausgerichtet. Das praktisch verzeichnungsfreie Objektiv Orthoprot ar 1 : 25 liefert einen Bildwinkel von 57° in horizontalem Sinn. Um bei horizontaler Kammerachse das vertikale Gesichtsfeld zu vergrößern, ist das Objektiv auf einer Stahlschiene vertikal verschiebbar angeordnet. Bei stärkster Objektivverschiebung beträgt der halbe vertikale Bildwinkel 39°. Um auch an den Rändern eines so großen Gesichtsfeldes die Scharfabbildung zu sichern, ist eine Abb. 14. Phototheodolit der Abblendung des Objektivs auf 1 : 50 notterrestrischen Feldausrüstung wendig. TAF. 16

S. Finsterwalder: Zur photogrammetrischen Praxis. -

ZfV 1896, S. 2 2 5 - 2 4 0 .

Oben: Abb. 12. Terrestrisches Meßbild, aufgenommen mit dem Phototheodolit T A F (Originalformat 1 3 x 1 8 cm). — Die Standlinie, von deren rechtem Endpunkt aus das Bild aufgenommen wurde, liegt am Nordabfall der Rakaposhi-Range (NW-Karakorum) in etwa 3500 m Höhe. I m Vordergrund der annähernd nach Norden gerichteten Aufnahme ist eine Schleife des Hunza-Flusses zu sehen, im Hintergrund erscheint der Hauptkamm der Karakorum-Kette (Aufnahme: H. Baumert, 1959). Unten: Abb. 13. Auswertung 1 : 50 000 des Vordergrundes von Abb. 12, im Süden und Osten verbunden mit dem Auswerteergebnis weiterer Standlinien, durchgeführt am Stereoautographen Orel-Zeiss. — Höhenlinienabstand 50 m. — Man beachte besonders die Wiedergabe der Kleinformen des Geländes, wie ζ. B . der feinen Rinnen im Hang in der Nordost-Ecke des Ausschnitts (Ausschnitt aus der Originalauswertung von H. Baumert, München).

120

2.1 Die Aufnahmegeräte der Erdbildmessung

Als Randmarken trägt der Bildrahmen oben und unten in der Hauptvertikalen je ein Glasplättchen mit eingraviertem Strichkreuz und seitlich einen Horizontzeiger, der über einen Hebel mit dem Objektivschieber verbunden ist und seinen Bewegungen folgt (siehe Abb. 12). Bei richtiger Justierung schneiden sich die Verbindungsgerade der Glasmarken und die Horizontale durch den Horizontzeiger im Bildhauptpunkt; sie definieren das Bildkoordinatensystem. Die Meßkammer ist zugleich als Theodolit ausgebildet. Das vom Objektiv in der Bildebene entworfene Bild wird durch zwei Okulare betrachtet, die in der Rückwand der Kammer hinter den Glasmarken Hegen ; deren Strichkreuze dienen zugleich als Fadenkreuze zur Einstellung von Zielpunkten. Horizontalrichtungen werden durch Norden und Lupen auf einem Teilkreis abgelesen, der unter dem Kammerkörper zentrisch auf der Stehachse des Instrumentes sitzt. Höhergelegene Ziele werden mit dem unteren Okular, tiefere mit dem oberen durch Vertikal Verschiebung des Objektives eingestellt. Die jeweilige Stellung des Schiebers gegenüber den Horizontalen durch das untere bzw. obere Fadenkreuz wird über Lupe und Nonius auf einer Millimeterteilung abgelesen. Die Ablesungen ergeben nach Division durch die konstante Bildweite unmittelbar die Tangenten der Höhen- bzw. Tiefenwinkel. Die Genauigkeit der Horizontal- und Höhenwinkelmessung beträgt etwa ¿ 0 , 5 e . Der Phototheodolit besitzt keine besondere Einrichtung zur Orientierung der Aufnahmeachse gegen eine photogrammetrische Standlinie. Die gewünschte Verschwenkung wird vielmehr nach Anvisieren des Gegenpunktes am Teilkreis auf ±0,5 C —1,0° genau eingestellt. Bei dieser Ausstattung können mit der Ausrüstung TAF die Elemente der äußeren Orientierung nur mit einer Genauigkeit bestimmt werden, die für topographische Aufnahmen ausreicht. Bei höheren Genauigkeitsansprüchen müssen zur Bestimmung des Aufnahmeortes und von Paßpunkten ein Präzisionstheodolit oder andere geodätische Meßmittel eingesetzt werden. Mit Platten wird die Meßkammer im Durchlauf von oben nach unten beschickt. Die Platten befinden sich in leichten, lichtdichten Stoffkassetten, die mit ihren Metalleinführungen auf den oberen Schlitz der Kammer aufgesteckt werden. Zur Belichtung werden sie hinter den Bildrahmen gebracht und dort durch Federn angepreßt. Nach der Belichtung fallen sie bei gelösten Haltefedern durch den unteren Schlitz der Kammer in eine zweite, dort aufgesteckte Stoffkassette. Zur Ausrüstung gehören zwei Plattenkästen, von denen jeder 12 Stoffkassetten faßt, und zwei leichte, aber stabile Holzstative mit ausziehbaren Beinen. Das Transportgewicht der Ausrüstung (mit einem Plattenkasten und 2 Stativen) beträgt 14 kp ; sie kann also notfalls von einem Mann, eventuell sogar unter Mitnahme eines weiteren Theodoliten, ohne Überanstrengungsgefahr im Rucksack getragen werden.

2.1.2 Die terrestrische Feldausrüstung TAN

121

2.1.2 Die terrestrische Feldausrüstung TAN (Terrestrische Ausrüstung Normal) von Zeiss, Abbildung 15

Aus ihrem ersten Präzisionsphototheodoliten, gebaut im J a h r e 1905, entwickelte die Firma Zeiss im Lauf der J a h r e diese Ausrüstung, die sich von der T A F vor allem durch ihr Gewicht unterscheidet. Sie arbeitet ebenfalls mit vertikaler Bildebene. Bei einem Plattenformat von 1 3 x 1 8 cm und einer Bildweite des Orthoprotar-Objektives 1 : 25 von 190 mm beträgt der horizontale Bildwinkel 47°. Wie bei der T A F wird das vertikale Bildfeld durch Verschiebung des Objektives bis zu ± 2 7 ° gegenüber dem Horizont erweitert. Das Objektiv sitzt hier jedoch in einer metallenen Chalousie, deren Stellung von 5 m m zu 5 m m eingerastet werden kann und durch einen Horizontzeiger auf die Bildebene übertragen w i r d 1 7 . Der Horizontzeiger bildet sich zusammen mit 4 metallenen Randmarken auf das Meßbild ab, die in die Rahmenmitten einjustiert sind u n d das Bildkoordinatensystem festlegen. Außerdem werden Bild weite, Bild- und Standliniennummer mitphotographiert. Zur präzisen Einstellung der Aufnahmerichtung trägt das Kammergehäuse einen Orientierungsaufsatz, dessen Zielachse mit hoher Genauigkeit um beliebige Winkel gegen die Kammerachse verstellt werden kann. Die Vertikaldrehung der Zielachse erfolgt durch ein Prisma. Bei Einstellung des Orientierungsaufsatzes auf den — meist durch eine Zieltafel markierten — Gegenpunkt einer Standlinie läßt sich jede gewünschte Verschwenkung erAbb. 15. Phototheodolit von Jenreichen ; die Einstellung kann während optik, J e n a , zur terrestrischen Feldausrüstung TAX (Werkphoto). des ganzen Aufnahmevorganges kontrolliert werden. Der Orientierungsaufsatz erlaubt außerdem Richtungsbeobachtungen mit beschränkter Genauigkeit. Für genaue Winkelmessungen im Aufnahmeort wird die Meßkammer nach dem Prinzip der Zwangszentrierung gegen einen gewöhnlichen Theodoliten ausgewechselt. 11

I n einer f r ü h e r e n A u s f ü h r u n g w a r e n s t a t t des einen verschieblichen 3 feste, gleichartige O b j e k t i v e übere i n a n d e r a n g e o r d n e t , deren v e r t i k a l e Gesichtsfelder sich jeweils ausreichend ü b e r d e c k t e n .

122

2.1 Die Aufnahmegeräte der Erdbildmessung

Die Rückwand der Meßkammer ist mit einer Mattscheibe verschlossen, an deren Stelle bei der Aufnahme die Plattenkassette (mit Metallschieber) tritt. Der Plattenkoffer faßt 24 Kassetten. Zur Aufstellung werden normale, stabile Theodolitstative verwendet. Das Transportgewicht der Ausrüstung (siehe Abb. 16) beträgt 48 kp, erfordert also bei topographischen Aufnahmen im Gebirge bereits einen Meßtrupp. Diese größere Schwerfälligkeit gegenüber der Ausrüstung TAF wird durch den ,, Vorteil des größeren Bildmaß• -'Cj stabes und der genaueren I i j*ì . Orientierung kaum aufgewoΓ& Ä% gen. Hingegen empfiehlt sich die Verwendung der TAN in leicht zugänglichem Gelände, // y / y ra bei Nahaufnahmen etwa von • Ji Jt i m ' \ Abraumhalden und ähnlichen ^ 1 1 I \ Objekten. Die Ausrüstung wird heute nur noch von Jen\ t í £ %I \ optik in Jena hergestellt.

Abb. 16. Vollständige terrestrische Feldausrüstung TAN. 2.1.3 Die photogrammetrische Feldausrüstung Ρ 30 von Wild, Abbildung 17

Ebenfalls zu den Präzisionsgeräten gehört der Phototheodolit der Firma Wild in Heerbrugg (Schweiz). Er unterscheidet sich von den bisher beschriebenen vor allem durch die Möglichkeit, Meßbilder mit geneigter Bildebene aufzunehmen. Die Meßkammer mit dem Plattenformat 10 χ 15 cm und 165 mm Bildweite ist dazu im gehäuseartigen Unterteil des Instruments auf einer Kippachse gelagert und kann durch eine Rasterstange, die am Objektiv angreift, um feste Beträge von je 7 g bis 21g nach unten und 7 g nach oben gegen die Horizontale geneigt werden.

Abb. 17. Neigbare Meßkammer u n d Theodolit der terrestrischen Feldausrüstung von Wild (Werkphoto Wild, Heerbrugg).

2.1.5 Die Stereomeßkammer SMK

123

Zur Orientierung und zur Winkelmessung sitzt auf dem Kammerteil des Instruments ein vollständiger Theodolit vom T y p Wild T2. Die Nullrichtung seines Horizontalkreises stimmt mit der Kammerachse überein ; es können beliebige Verschwenkungen mit Sekundengenauigkeit eingestellt werden. Da die Meßkammer für sich abnehmbar ist, k a n n der Theodolit auch allein zu Triangulationsarbeiten verwendet werden. Zur Ausrüstung gehören 2 Plattenkästen mit je 12 Metallkassetten, 2—3 gewöhnliche Theodolitstative, Zieltafeln sowie eine 2-m-Basislatte zur Bestimmung von Standlinienlängen. Das Transportgewicht beträgt damit 62 kp und ist im Gebirge nur in 2—3 Einzellasten zu bewältigen. Die rationelle Auswertung geneigter Bildpaare setzt das Vorhandensein von Universalautographen (siehe 3.5) voraus.

2.1.4 Die terrestrische Feldausrüstung TAL (Terrestrische Ausrüstung Leicht) von Zeiss, Abbildung 18

Als Gegenstück zur Ausrüstung TAN baute Zeiss im J a h r e 1938 eine extrem leichte Feldausrüstung für das Bildformat 6 x 9 cm mit dem Weitwinkelobjektiv Topogon 1 : 6,3 bei 55 m m Bild weite. Mit der Meßkammer fest verbunden war ein kleiner Theodolit zur Orientierung und Winkelmessung. Das Gesamtgewicht der Ausrüstung betrug nur etwa 10 kp. Obwohl die TAL ursprünglich für Hochgebirge· und Expeditionsaufnahmen gedacht war, h a t sie sich vor allem in der Nahphotogrammetrie, bei Ingenieurvermessungen und in der Verkehrsunfallaufnahme bewährt. Ihr Prinzip wurde daher speziell für diese Zwecke beim Bau von Stereomeßkammern weit er verfolgt.

Abb. 18. Phototheodolit der terrestrischen Feldausrüstung T A L (Archiv: Carl Zeiss, Oberkochen).

2.1.5 Die Stereomeßkammer S M K von Zeiss, Abbildung 19

Für die Aufnahme von Objekten in 10—40 m Entfernung benutzt m a n Doppelkammern mit fester Basis und parallelen Kammerachsen. Die Be-

124

2.1 Die Aufnahmegeräte der Erdbildmessung

lichtung beider Meßbilder erfolgt gleichzeitig, so daß auch bewegte Objekte stereoskopisch aufgenommen werden können. Bei der Stereomeßkammer SMK sitzen die beiden K a m m e r n auf einem Träger, dessen Länge nach Wahl 0,40 m oder 1,20 m beträgt. Das Plattenformat 9 X 12 cm wird durch die Topogon-Objektive 1 : 1 1 mit 60 m m Bildweite bis zum Bildformat 8 x 8 cm ausgenutzt. Das Stativ besitzt eine Vorrichtung zum Hochkurbeln des Basisträgers in größere Aufnahmehöhen.

Abb. 19. Stereomeßkammer SMK von Zeiss mit 1,20 m Basis (Werkphoto Carl Zeiss, Oberkochen).

Reicht die feste Basis bei größeren Aufnahmeentfernungen nicht aus, so kann die aus der Einzelkammer entwickelte terrestrische Meßkammer TMK auf einem Einzelstativ benutzt werden. Die K a m m e r ist hierbei durch eine Orientierungseinrichtung ergänzt.

Stereomeßkammern werden heute vor allem bei Verkehrsunfall- und Tatortaufnahmen, aber auch in der 1 ierzucht und bei Modellvermessungen häufig verwendet. 2.1.6 Prüfung und Justierung von Phototheodoliten

a) Innere Orientierung: Konstanz oder Veränderungen der inneren Orientierung eines Phototheodoliten sind in angemessenen Zeitintervallen — je nach Gebrauch und Alter des Instrumentes — nach 1.5.3 festzustellen. Insbesondere können Verlagerungen des Bildhauptpunktes eintreten, die bei der Auswertung zu berücksichtigen oder durch Nachjustierung des Bildkoordinatensystems (Hauptvertikale und Horizont) zu beseitigen sind. b) Parallelität zwischen Bildebene und Stehachse: Die Vertikalität der Bildebene bei vertikal gestellter Stehachse des Phototheodoliten kann durch Aufnahme langer, materieller Lote geprüft werden, die sich in angemessenem Abstand von der Hauptvertikalen abbilden sollen. Die Lotbilder müssen sich bei der Ausmessung am Stereokomparator innerhalb der Meßgenauigkeit als parallel und gerade erweisen.

2.2 Bildwinkel, Orientierung und Abbildungsgleichungen

125

c) Vertikalität der Schieberführung: Lotbilder mit verschiedenen, möglichst extremen Schieberstellungen müssen gleichabständig sein. Anderenfalls liegt· eine Nichtparallelität der Schieberführung gegenüber der Bildebene vor, die eine Veränderung der Bildweite mit der Objektiveinstellung zur Folge hat. — Bei der TAF kann die Parallelität der Schieberführung zur Hauptvertikalebene durch Abfahren eines materiellen Lotes mit dem Fadenkreuz geprüft werden. d) Orientierungsaufsätze: Die Koinzidenz zwischen der Nullrichtung eines Orientierungsaufsatzes (TAN, Ρ 30) mit der Kammerachse muß gelegentlich überprüft werden. Am besten geschieht dies durch Überprüfung der Aufnahmerichtung eines Meßbildes durch Winkelmessung vom selben Standort. Nullrichtungsfehler der Orientierungsmittel haben konstante Verschwenkungsfehler der Aufnahmen zur Folge.

2.2 Bildwinkel, äußere Orientierung und Abbildungsgleichungen in der Erdbildmessung Wie aus der Beschreibung der Aufnahmegeräte (2.1) hervorgeht, verwendet die terrestrische Photogrammetrie meist Meßbilder mit vertikaler Bildebene, deren Verkantung gegen den Horizont auf Ρ Null gebracht wird. Ihre Bildordinate hegt damit in vertikaler Richtung und wird deshalb mit ζ bezeichnet. Bei dieser äußeren Orientierung bestehen besonders einfache Beziehungen zwischen den horizontalen und vertikalen Bildwinkeln und den Bildkoordinaten, die im folgenden hergeleitet werden. Aus Figur 2/1, in der die Abbildung eines Raumpunktes Ρ auf eine vertikale BildFig. 2/1. Bildkoordinaten und Bildebene = ζ • sin tu + c • cos cu

führen. Diese Ergebnisse lassen sich anschaulich als ebene Koordinatentransformationen in der Bildebene (Verkantung κ; Fig. 2/3) bzw. in der Hauptvertikalebene (Neigung ω ; Fig. 2/4) des Meßbildes deuten.

P' CQ)

Zf

Ζω

ΓΠΪ

Fig. 2/4. Neigung cu der Bildebene.

Fig. 2/3. Verkantung κ der Bildebene.

Liegt Verkantung oder Neigung vor, so sind die gemessenen Bildkoordinaten χ und ζ sowie die bekannte Kammerkonstante c nach (2.7) oder (2.8) zu transformieren, bevor sie in die Gleichungen (2.1) und (2.2) zur Berechnung der Bildwinkel oc und β eingeführt werden. Für geneigte Aufnahmen ergibt dies : tan α =

tan β

(2.9)

ζ · sin ω + c · cos ω ζ • cos co — c • sin ω

ζ • sin cu + c · cos cu

cosa.

(2.10)

2.3 Meßtischphotogrammetrie Die ersten Anwendungen des Meßbildes in der Topographie lehnten sich naturgemäß stark an die bis dahin bekannten und bewährten geodätischen Aufnahmeverfahren an. Diese basierten im wesentlichen auf Winkelmessungen. Da nach 1.1.2.4 ein orientiertes Meßbild den räumlichen Richtungssatz im Aufnahmeort nach den abgebildeten Raumpunkten bestimmt, lag es nahe, die Winkelmessung im Felde durch photogrammetrische Aufnahmen zu ersetzen. Dies geschieht bei der Meßtischphotogrammetrie, einem Verfahren, das

2.3 Meßtischphotogrammetrie

129

speziell die topographische Aufnahme mit Meßtisch und Kippregel nachahmt. Grundvoraussetzung f ü r die Meßtischaufnahme ist das Vorhandensein eines Festpunktnetzes im Aufnahmegebiet. Von den Festpunkten aus wird das umliegende Gelände punktweise durch graphische Vorwärtsschnitte auf dem Meßtisch u n d durch Höhenwinkelmessung aufgenommen. Jeder Geländepunkt m u ß demnach von mindestens 2, besser 3 Aufnahmeorten aus mit der Kippregel unter günstigen Schnittwinkeln angezielt werden. Diese mühsame und zeitraubende Feldarbeit ersetzt die Meßtischphotogrammetrie durch Aufnahme entsprechender Meßbilder mit dem Phototheodoliten. Die Auswertung der Bilder, d. h. die Rekonstruktion der Objektpunkte nach Lage und Höhe wird ins Büro verlegt. Mit dem Gesagten ist die Arbeitsmethode der Meßtischphotogrammetrie bereits vollständig umrissen. I n Figur 2/5 a ist die Aufnahme eines Geländepunktes Ρ aus 2 Festpunkten A und B, mit deren Koordinaten Ρ XA, Y A, HA und XB, YB, HB auch ihre Horizontalentfernung b und ihr Höhenunterschied Δ Η bekannt sind, schematisch dargestellt. I n A und Β werden 2 Meßbilder mit bekannter innerer u n d äußerer Orientierung aufgenommen. Die Bildebene wird im allgemeinen vertikal gestellt (ω = 0), die Verkantung auf Null gebracht (κ = 0). Die Aufnahmerichtungen werden so gewählt, daß sie etwa in das Zentrum des aufzunehmenden Geländeausschnittes weisen ; die Kammerachsen sind dann u m die Winkel φι und ψι gegen die Aufnahmebasis b ver schwenkt 1 8 . Bei der Auswertung müssen zuerst die zu kartierenden Objektbzw. Geländepunkte in beiden Bildern ausgewählt werden. Wenn die Aufnahmeachsen stark gegeneinander geneigt waren, k a n n die Identifizierung zusammengehöriger BildMeßtischphotogrammetrie. — punkte durch die Verschiedenheit a ) oben: Aufnahmesituation. - b) unten: der beiden Aufnahmen auf SchwieGraphische Auswertung. Die Verschwenkung wird hier ausnahmsweise nicht von der Normalen zur Aufnahmebasis sondern von der Aufnahmebasis selbst aus gerechnet ; sie hat zudem in A und Β verschiedenen Drehsinn. 9

Photogrammetrie

130

2.3 Meßtischphotogrammetrie

rigkeiten stoßen, besonders bei nicht markanten „allgemeinen" Geländepunkten. Sodann sind die Bildkoordinaten x%, 2/ und χι', z { zu ermitteln. Bei geringeren Genauigkeitsansprüchen genügt dabei das Abgreifen mit dem Stechzirkel, höchste Genauigkeit kann nur durch Ausmessen der Bilder im Komparator (Monokomparator oder Stereokomparator, als Monokomparator benutzt) erreicht werden. Die gleichzeitige Ausmessung beider Bilder in einem Stereokomparator, die eine beträchtliche Steigerung der Identifizierungssicherheit zur Folge hätte, ist im allgemeinen nicht möglich, da der Bereich der ^-Bewegung zur Erfassung der großen Differenzen zwischen x/ und x{ nicht ausreicht. Die weitere Auswertung erfolgt für den Grundriß graphisch, für die Höhen rechnerisch aus Grundriß- und Bilddaten. Die Aufnahmepunkte A und Β werden im gewünschten Maßstab kartiert, die Aufnahmerichtungen gegenüber der Basis b aufgetragen. Senkrecht dazu werden im Abstand c die Grundrißspuren der Bildebenen gezeichnet (siehe Fig. 2/5b). Die Grundrisse der Bildpunkte ergeben sich durch Abtragen der Bildabszissen Xi und x% auf den Grundrißspuren von H ' bzw. H" aus, ihre Verbindungsgeraden mit A bzw. Β schneiden sich im Grundriß des Punktes P¿. Würde bei großem Kartierungsmaßstab der Grundrißunkt P¿ weit außerhalb der Bildebenenspuren liegen und damit durch allzustarke Verlängerung der Geraden A P¿' und B P n u r ungenau bestimmt sein, so können die Bildebenenspuren statt mit der Bildweite c im Abstand η • c von A und Β (η > 1) kartiert werden. Entsprechend sind auf ihnen die Größen η · x¿ und η · xt" abzutragen. Mit dem Grundriß von Pi sind zugleich die Horizontalentfernungen s A und SB dieses Punktes von den Aufnahmeorten A und Β graphisch im Kartierungsmaßstab bestimmt. Sie können abgegriffen und auf den Maßstab 1 : 1 umgerechnet werden. Zusammen mit den nach Gleichung (2.2) aus den Bildordinaten ζ{ und z{ errechneten Vertikalwinkeln β a und β β liefern sie für die Höhe von P¿ die doppelte Gleichung : (2.9)

Hp = HA +

SA·

tan ßA = HB + aB · tan ßB.

Die unabhängige Doppelbestimmung von H p ist eine durchgreifende Kontrolle für die gesamte Auswertung. Sie ergibt sich, weil zur Bestimmung der drei Raumkoordinaten von P¿ vier Bildkoordinaten zur Verfügung stehen, also eine überschüssige Beobachtung vorliegt. Sie prüft die Identifizierung der Bildpunkte, die Bildkoordinatenmessung, die Kartierung und Höhenberechnung — dies alles freilich gemeinsam und summarisch. Je nach Auswertemaßstab und Aufnahmeentfernungen sollten die beiden Werte für H p nicht mehr als 0,1—2,0 m voneinander abweichen. Bei kleineren Differenzen sind sie zu mittein.

2.3 Meßtischphotogrammetrie

131

Liegen Neigungen oder Verkantungen vor, so sind die gemessenen Bildkoordinaten vor der Weiterverwendung nach den Formeln (2.7) und (2.8) zu transformieren. In dieser Form wurde die Meßtischphotogrammetrie seit ihrer Einführung durch A. L A U S S E D A T im Jahre 1851 bis zur Entwicklung der Stereophotogrammetrie am Beginn des 20. Jahrhunderts angewandt. Ihre Vorzüge bei Expeditionsvermessungen erwies W. J O R D A N durch die Aufnahme der Oase Dachel im Jahre 1874. In der Hochgebirgstopographie und Gletscheraufnahme führte sie zu so bewundernswerten Ergebnissen wie der Karte des VernagtFerners, aufgenommen durch S. FrasTERWALDERin den Jahren 1888 und 1889 19 . Daneben bewährte sie sich in der Architekturphotogrammetrie, einem Gebiet, wo sie auch heute noch das zweckmäßigste Aufnähme verfahren sein kann, da dort vor allem die Einmessung von markanten Einzelpunkten verlangt wird. Selbstverständlich kann die Auswertung — nach Messung der Bildkoordinaten — auch rein rechnerisch erfolgen. Nach Berechnung der horizontalen Bildwinkel Λ' und 1: 5. Andererseits darf das Basisverhältnis nicht zu groß gewählt werden, da sonst durch zu krasse Bildunterschiede der Raumeindruck gestört, die Meßgenauigkeit gemindert ist. Als obere Grenze kann etwa b : Y < 1 : 4 gelten.

2.5 Terrestrische Stereophotogrammetrie

160

Für normale Feldphototheodoliten (c = 150...200 mm) kann man sich an die Faustregel 1 b 1 4 ~ Y ~2Ö' oder noch einfacher b 1 Γ ~ IÖ halten. Die letzte Form besagt, daß eine Auswertegenauigkeit von l % o gesichert ist, wenn die Länge der Standlinie ungefähr auf ein Zehntel der mittleren Auswerteentfernung abgestimmt wird. 2.5.5.2 Aufnahmetechnik

Die sachgerechte Durchführung einer terrestrisch-photogrammetrischen Aufnahme setzt ein gewisses Maß an Übung und Erfahrung, gestützt auf topographisches Einfühlungsvermögen, voraus. Sofern das Aufnahmegelände im unerschlossenen Hochgebirge liegt, gehören auch körperliche Leistungsfähigkeit und Vertrautheit mit der Gebirgsnatur zu den Grundforderungen an den Aufnehmenden. Stärker als bei der Luftphotogrammetrie steht er mit dem Gelände in Verbindung und muß er sich mit dessen Struktur vertraut machen. Regeln, die über allgemeinste und beinahe triviale Forderungen hinausgingen, lassen sich dabei kaum aufstellen. Ablauf und Form einer Aufnahme werden immer wieder neu vom Gelände bestimmt. Im einzelnen ist zu unterscheiden, ob es sich um die Aufnahme eines einfachen, leicht überblickbaren Geländeausschnittes oder eines größeren, reich gegliederten Landschaftsraumes handelt. Im ersten Fall genügt meist die Anlage einer Standlinie, deren Länge nach den im Abschnitt 2.5.5.1 hergeleiteten Regeln zu bemessen ist. Um den Stereoeffekt bei der Auswertung nicht zu beeinträchtigen und zur Vermeidung von Höhenparallaxen, die eventuell den Einstellbereich des verwendeten Auswerte gerätes überschreiten, soll der Höhenunterschied zwischen den beiden Aufnahmeorten A und Β ein Fünftel der Basislänge b nicht überschreiten : AHl ic

o co < 100®) unterscheiden kann. Senkrecht- und Schrägaufnahmen besitzen auch bei der Aufnahme horizontalen Geländes keinen konstanten Bildmaßstab. Ihr Maßstab ist vielmehr eine Funktion der Nadirdistanz und der Lage im Bild und ist zudem von der Richtung abhängig, unter der eine Bildstrecke von einem Bildpunkt ausgeht. Dies ist unmittelbar aus Figur 3/2 ersichtlich, die einen Vertikalschnitt durch die Aufnahmerichtung darstellt. I m Gegensatz zur Nadir auf nähme besitzt hier die Geländeebene © von der Bildebene 93 nicht mehr den konstanten Abstand (h + c). Jedem Geländepunkt Ρ kommt vielmehr in Abhängigkeit vom Achsenwinkel τ ein anderer „wirksamer Abstand" d vom Aufnahmeort O zu. d läßt sich über den tatsächlichen Abstand t leicht mit h in Beziehung setzen : h d = t · cos τ ; t — cos (v + τ) cos τ cos (ν + τ) Der Bildmaßstab M\ im Punkte P' ergibt sich dann analog zu Gleichung (3.1) mit c e cos (v + τ) c (3.2) Μι = — = — • = — (cos ν — sin ν · tan τ). d h cos τ h Μ ι gilt jedoch im Punkte P ' nur für Strecken, deren Punkte den gleichen „wirksamen Abstand" d wie Ρ haben, d. h. für die Bildhorizontale durch P ' , der die zur Bildebene parallele Geländegerade durch Ρ entspricht. Für jede andere von P ' auslaufende Strecke ist der Maßstab kleiner. Er erreicht sein Minimum in der Hauptvertikalen Η ' P ' und ist dort (3.3)

c M^ = — • (cos ν — sin ν · tan τ)2. h

Μχ und ili2 sind die Hauptmaßstäbe im Punkte P' im Sinne der Flächenabbildung. Da sie im allgemeinen verschieden sind, treten Verzerrungen der Winkel zwischen den von P ' auslaufenden Bildgeraden gegenüber den Winkeln zwischen entsprechenden Geländegeraden durch Ρ auf, d. h. der Bildrichtungssatz in P ' unterscheidet sich von dem Richtungssatz in P . Die Abbildung

3.1.2 Luftbilder und Luftbildverbände

171

zwischen beiden Ebenen ist nur dort winkeltreu, wo die Hauptmaßstäbe einander gleich sind, wo also Mi = Mz = Mf ist. Nach (3.2) und (3.3) ist dies dann der Fall, wenn cos ν — sin ν • tan τ = 1 ist, woraus für den Achsenwinkel τ des winkeltreuen Punktes F' folgt : 1 — cos ν ν tan τ = = — tan — sin ν 2 ν τ = . 2

(3.4) (3.5)

Der winkeltreue Punkt liegt demnach auf der Winkelhalbierenden zwischen dem Lot ON und der Aufnahmerichtung OH; er wird auch als Fokalpunkt bezeichnet 28 . Sein Abstand /' vom Bildhauptpunkt H' beträgt: /' = c · tan

.

(3.6)

Der Bildmaßstab im Fokalpunkt ist mit Mf=^ A

(3.7)

richtungsunabhängig und gleich dem Maßstab einer Nadiraufnahme in 0. Der in F ' gemessene Richtungssatz ist kongruent mit dem Richtungssatz im Punkte F der Geländeebene. Im Bildhauptpunkt H', wo τ = 0 ist, gelten die Maßstäbe c Mi = — cos ν h c M2 = — cos2 V. h Vom Vordergrund gegen den Hintergrund nehmen beide Hauptmaßstäbe stetig ab und werden am Bildhorizont (v + r = 100«) gleich Null. Für kleine Nadirdistanzen (Senkrechtaufnahmen) liefert die Reihenentwicklung der Winkelfunktionen von ν die Näherungswerte

28

Mi sa - (1 - ν • tan τ) h

(3.8)

J f g ! » - ( 1 — r-tanT)2. h

(3.9)

Theoretisch existiert, wie auch aus Gleichung (3.4) hervorgeht, noch ein zweiter Fokalpunkt mit dem Achsenwinkel τ = — ^90 + — J. Dieser Punkt liegt bei einer photographischen Aufnahme jedoch stets „hinter" der Bildebene und kann daher im Luftbild nicht erscheinen.

172

3.1 Die Luftbildaufnahme

Gegenüber der grundriß- und kartenähnlichen Senkrechtaufnahme besitzt die Schrägaufnahme, weil sie mehr dem gewohnten Anblick des Geländes vom Erdboden aus entspricht, größere Anschaulichkeit. Sie erfaßt außerdem größere Geländebereiche im Hintergrund. Diesen Vorteilen stehen die Nachteile der starken Maßstababnahme gegen den Hintergrund hin, die — wie in der terrestrischen Photogrammetrie — einen quadratischen Abfall der Auswertegenauigkeit zur Folge hat, und der komplizierteren Auswertetechnik gegenüber. Schrägaufnahmen werden daher heute — mit Ausnahme des Sonderfalls von Konvergentaufnahmen — fast ausschließlich zu Erkundungszwecken in unbekannten Gebieten, deren unmittelbare überfliegung nicht ohne weiteres möglich ist, verwendet. Einzel-Luftbilder können lediglich zur interpretatorischen Betrachtung von Geländeausschnitten oder — bei annähernd ebenem Gelände — zur Herstellung von Einzelentzerrungen (siehe 3.2) verwendet werden. Bei außerordentlich großer Informationsdichte für den Grundriß geben sie über das Geländerelief nur interpretatorisch erschließbare, qualitative Auskunft, wobei günstige Beleuchtungsverhältnisse eine wesentliche Rolle spielen. Schon die Luftbildinterpretation macht sich daher fast durchwegs die plastische Wirkung stereoskopischer Luftbildpaare zunutze. Unerläßlich sind solche Bildpaare für die räumliche, photogrammetrische Auswertung. Sollen schließlich größere Geländebereiche erfaßt werden, so müssen Luftbildverbände aufgenommen werden, aus denen Stereobildpaare systematisch zu gewinnen sind. Das Flugzeug als Träger der Aufnahmekammer legt es nahe, LuftbildY b Y b \i b \ reihen längs eines geradlinigen FlugÖA οζΛ

Αφ' = άφ" χ" y

c

=

Αφ



dbz = (x' - χ") άφ = 6 • άφ

(3.95)

ersetzt werden. 5. Eine Querneigungsänderung da)" hat «/-Parallaxen ρω· gleichen Vorzeichens im ganzen Modell zur Folge (Fig. 3/30,5). ρω· läßt sich zerlegen in einen konstanten Anteil

= c • do/' und einen quadratisch mit

jy"

an-

wachsenden Anteil pis = —y" 2 · dcu", der längs der Basis 1 —2 verschwindet

252

3.4 Orientierung von Bildpaaren

I! II II 1 II II 3 U

1

dby

2

-

=

5 6 mumm

M

W 1

= 1 dü)" 2

rau

1

dx'

1

-

dx" 2

"~η~ΠΤτττ-τ— 5

6

Fig. 3/30. y-Parallaxen im Stereomodell, aufgetragen senkrecht zu den Modellrändern, positiv nach außen, negativ nach innen. u n d n a c h parabolischem Anstieg a m oberen u n d u n t e r e n Modellrand sein M a x i m u m erreicht. 6. u n d 7. Die Teilparallaxen ρκ> bzw. ρκ» sind a m linken bzw. rechten Modellr a n d Null; bei positiven V e r k a n t u n g e n d κ n e h m e n sie linear m i t x' bzw. —x" negative W e r t e an, erreichen also ihre Minima a m rechten bzw. linken Modellrand. Aus d e m Vergleich zwischen Figur 3/30,1 u n d Figur 3/30,6 u n d 7 ist zu ersehen, daß die K o m b i n a t i o n von ·ρκ> u n d φκ" bei gleicher V e r k a n t u n g beider Bilder der Parallaxenverteilung von —pb y entspricht. Analog wie bei 3. u n d 4. ist also hier der E r s a t z eines gemeinsamen άκ

3.4.2.1 Senkrechtbildpaare

253

durch ein db y möglich: Vby = — (Vx' +

du' = dx" = dy.

bei

VK")

dby = (χ' - χ") • άκ = 6 · άκ.

(3.96)

In der nachfolgenden Tabelle sind die Koeffizienten der einzelnen Teilparallaxen in den 6 ausgewählten Randpunkten des Modells zusammengestellt : Pkt.

iby

d bz

άφ'

1 2

1 1

0 0

3

1

4

1

5

1

6

1

0 0 a — c a — c a c a c

0

Αφ" 0 0 ab — c

dco" c c

άκ' 0

-6 0

0

-b

-b



c »2 c+ —

ab — c

0

0

ab c

C+

ab c

0

c «2

CH

c

C



άκ"

0

-b 0 -6

-b 0

Die gegenseitige Orientierung eines Bildpaares ist wiederhergestellt, wenn in 5 homologen Punkten die «/-Parallaxe durch Orientierungsänderungen beseitigt ist. Da hierfür 5 unabhängige Bündelbewegungen genügen, sind — wie bei der rechnerischen Orientierung — aus den 7 Orientierungselementen 5 auszuwählen. Dabei kommen nur die beiden folgenden Kombinationen in Betracht : Die gegenseitige Orientierung unabhängiger Bildpaare mit dφ', άφ", άκ', άκ" und da>". Der Folgebildanschluß mit dby, db z , άφ", άκ" und do/. Für beide Fälle gibt es eine Reihe optisch-mechanischer, graphischer, halbrechnerischer und rechnerischer Verfahren, die durchwegs auf der Trennbarkeit der Orientierungseinflüsse in den ausgezeichneten Punkten 1—6 des Modelles beruhen, wie sie aus den Figuren 3/30,1—7 und der obenstehenden Tabelle hervorgeht. Das älteste Verfahren dieser Art wurde von 0 . v. G R U B E R [37 ] angegeben und trägt seinen Namen. Es ist ein rein optisch-mechanisches Verfahren, dem auf Grund seiner Übersichtlichkeit, seiner Einfachheit und seiner kontrollierbaren Genauigkeit noch heute die erste Stelle gebührt. Orientierung unabhängiger Bildpaare nach v. Gruber Im ersten Abschnitt des Verfahrens werden die «/-Parallaxen p¡ in den Punkten 1—4 mit folgenden Schritten zum Verschwinden gebracht, wobei

254

3.4 Orientierung von Bildpaaren

kein Folgeschritt neue «/-Parallaxen in den bereits korrigierten Punkten erzeugt : 1. pi mit dx"

2. j>2 m i t dx'

3. £>3'mit άφ"

4. p4'mit

άφ'.

Durch die Korrekturen 1. bis 4. wird in den Punkten 1—4 fälschlicherweise auch der Parallaxenanteil pm», der an jeder Stelle des Modelles wirkt, beseitigt, und zwar durch die Verkantungskorrekturen in 1 und 2 der dort allein wirksame konstante Anteil plm«, durch die Verschwenkungskorrekturen in 3 und 4 hingegen der quadratische Anteil ρ a m oberen Bildrand. Die Schritte 1. bis 4. der Orientierung bewirken zusammen also die in Figur 3/31 dargestellte Parallaxenverteilung. Speziell am unteren Rand, an dem eine Korrektur (d φ' + d φ") mit gleichem Betrag, jedoch entgegengesetztem Vorzeichen wie am oberen wirkt, hat sich die Parallaxe p$" = p§ = 2 pl» eingestellt ; sie kann dort nach dem ersten Orientierungsabschnitt in den Punkten 5 und 6 beobachtet werden. Aus 2 pi,· läßt sich jedoch der gesamte Einfluß von do/ ermitteln. Setzt man Ρω" = « I • 2 pl«, Fig. 3/31. Parallaxenverteilung im Stereomodell nach den Schritten 1. bis 4. des v. Gruberschen Orientierungsverfahrens.

so ergibt n\ den „Überstellungskoeffizienten", mit dem die Restparallaxe in 5 und 6 multipliziert werden muß, um die Gesamt Wirkung von do>" zu erhalten. Für »jfindet man :

(3.97)

1 Ρω" »1 = Χ - r - = 2 Vi-

c +-]d(o"

-deu"

Der Überstellungskoeffizient n\ ist bei annähernd ebenem Gelände nur vom verwendeten Kammertyp abhängig; für gängige Aufnahmekammern nimmt er folgende Werte an : a

Kammertyp

c mm

mm

Normalwinkel Weitwinkel Uberweitwinkel

210 150 90

75 100 100

»1 4,5 1,6 0,9

Bei bekanntem n\ läßt sich der zweite Abschnitt der Orientierung durchführen :

255

3.4.2.1 Senkrechtbildpaare

5. Mit dai" wird die Restparallaxe in 5 oder 6 ηχ-fach über korrigiert. 6. Die durch die Korrektur da>" im ganzen Modell erzeugten Parallaxen werden in den Punkten 1 bis 4 durch die Schritte 1. bis 4. wieder beseitigt. Weicht die Orientierung des Bildpaares stärker vom Normaliall ab oder ist das aufgenommene Gelände zu stark bewegt, so zeigen sich nach den 4 Schritten von 6. wiederum Restparallaxen in 5 und 6 . Der zweite Abschnitt ist dann iterativ so lange zu wiederholen, bis nach 6. auch am unteren Rand Parallaxenfreiheit herrscht. Folgebildanschluß nach v. Gruber Da beim Folgebildanschluß die Orientierung des ersten Bildes ungeändert bleibt, müssen άκ' und d φ' durch dby und dbz ersetzt werden, was auf Grund der Überlegungen zu den Figuren 3/30,3 und 4 sowie 6 und 7 ohne weiteres möglich ist. Der erste Abschnitt der gegenseitigen Orientierung nach v. Gruber nimmt dann folgenden Verlauf: Korrektur der y-Parallaxe jo¡ in den Punkten 1—4 mit den Schritten 1. p% mit d6 'y;

2. pi' mit άκ"

3. pu' mit db·'ζ

4. ρ3" mit d(p".

Da. hier pl· mit dby, ρ2ω· am oberen Modellrand mit dbz fälschlich beseitigt worden ist, bleibt am unteren Rand wiederum die Restparallaxe 2 p^· . Der weitere Fortgang des Folgebildanschlusses ist daher identisch mit dem zweiten Abschnitt bei der gegenseitigen Orientierung von unabhängigen Bildpaaren. Die iterative Anwendung der v. Gruberschen Orientierungsverfahren sollte theoretisch die y-Parallaxen im gesamten Modell zum Verschwinden bringen. In der Praxis wird man jedoch auch nach sorgfältigster Arbeit Restparallaxen, die mehr oder minder regelmäßig über das Modell verteilt sind, feststellen. In dieser· unmittelbar mit der Orientierung verbundenen Möglichkeit zur Kontrolle des Ergebnisses liegt gerade die Stärke des v. Gruberschen Verfahrens. Die Restparallaxen stammen teils von Verzeichnungsdifferenzen zwischen Aufnahme- und Auswerteobjektiv, teils von Instrumentenfehlern, teils von der beschränkten Genauigkeit, mit der i/-Parallaxen visuell beseitigt werden können. Die Einstellfehler können zu Fehlern der Orientierungselemente führen, die sich an bestimmten Stellen des Modells additiv in erkennbaren Parallaxen auswirken. Man verschafft sich daher nach Abschluß der Orientierung durch Abfahren des Modelles einen Überblick über Größe und Verteilung der Restparallaxen und versucht, sie durch kleinste zusätzliche Orientierungsänderungen so auszugleichen, daß sie in minimaler Größe über das ganze Modell verteilt sind. In dem Maße, wie das gelingt, zeigt sich die Geschicklichkeit und Erfahrung eines Auswerters. Das optisch-mechanische Orientierungsverfahren nach v. Gruber benutzt zur Bestimmung der Überkorrektur am unteren Modellrand nur einen Punkt

256

3.4 Orientierung von Bildpaaren

und ist damit in gewisser Weise unsymmetrisch. Ο. v. G R U B E R [38] hat selbst ein symmetrisches Verfahren entwickelt, das die «/-Parallaxen in allen 6 ausgezeichneten Punkten des Modells zur Orientierung heranzieht, dabei allerdings deren Messung und einfache Zwischenrechnungen erfordert. Symmetrisches Orientierungsverfahren (halbrechnerisch) Wie aus den Figuren 3/30,1—7 hervorgeht, kann ein Unterschied der Parallaxen am linken Modellrand 3 — 1—5 nur durch d φ", am rechten Modellrand 4—2—6 nur durch ά φ ' erzeugt sein. Bildet man daher — nachdem man zuerst die Parallaxen in 1 und 2 mit άκ" und άκ' beseitigt hat — das Mittel P3 + Pi + î>5 + Ρβ = V™ 4a und ändert alle Parallaxen mit by um den Wert pm, so können die Restparallaxen in 3 und 5 mit άφ", in 4 und 6 mit άφ' beseitigt werden. Nachdem so άφ' und dφ" endgültig bestimmt sind, kann der Parallaxenunterschied pm zwischen der Mitte 1—2 und den Rändern 3—4 bzw. 5—6 des Modells nur noch der Einfluß ρsein, da ρκ> , px* und p^. in der Mitte und an den Rändern gleich groß sind : Vi" = Pm Aus pl~ wird mit Ρω" = »2 ' PÌo" (3.98)

c · dco"

n 2 = pi,. : p ^ = —

=

C2



a¿ a¿ — • dco" c

der konstante Parallaxenanteil berechnet. nβ -

c —— (p5 -

2 ab

4 α2

pi) • Qc

Vz) · ec

(p3 + P4 + Ps + Pe) · Qc

c2 d«' = - — 2— (pa + P4 + P5 + 4 a b

1

Pi) • QC — —

66

[(P3 +

Ps) -

c2 1 dx" = — ——- (P3 + P4 + P5 + Pe) · QC + TT [(p3 + 4 α2 o

6 6

ps) -

(P4 + Pe)] · ρ" (P4 + Ρβ)] '

und für den Folgebildanschluß : dbv

=

dfc* = (3.100)

d y" =

c2 4

1 (Ρ3 + P4 + Ps + Pe) - - [(ps + 6

Ps) -

(P4 + Pe)]

c — (pe — P4)

2 a

2 ab

[(ps - ps) - (Pe ~ Pi)i · Qc

c

dcu" = — -—- (pe + P4 + Pò + Pe) • Qc 4 α2

1 = — — [(ps + ps) — (p4 + Pe)] · ö c · do Dabei ist vorausgesetzt, daß vor der Parallaxenmessung die Parallaxen in den Punkten 1 und 2 durch Korrekturen άκ" und άκ bzw. áby und άκ" zu Null gemacht worden sind (ρχ = p2 == 0). Die errechneten Orientierungselemente άκ' und άκ" bei unabhängigen Bildpaaren und db u und άκ" beim Folgebildanschluß sind daher nur sehr kleine, der Ausgleichung entsprechende Zusatzkorrekturen. άκ"

259

3.4.2.1 Senkrechtbildpaare

Sind die Parallaxen pz ...pe nach der Korrektur in 1 und 2 noch relativ große Werte, so empfiehlt sich vor der Messung ein Durchgang des v. Gruberschen Orientierungsverfahrens, um bessere Näherungen für die Orientierungsunbekannten zu erhalten. Die Vorzeichen der Orientierungselemente sind in (3.99) und (3.100) auf das in 1.1.2 definierte Koordinatensystem abgestimmt. Bei der Einführung der Orientierungselemente in ein räumliches Auswertegerät ist zu prüfen, ob der Richtungssinn der Gerätebewegungen mit dieser Definition harmoniert. Die Formeln (3.99) und (3.100) gelten nur für Gelände, dessen Höhenunterschiede nicht mehr als etwa 15% der Flughöhe über Grund ausmachen. Gegenseitige

Orientierung

bei bergigem

Gelände

Die bisher beschriebenen Orientierungsverfahren für Senkrechtbildpaare gehen von der Voraussetzung annähernd horizontalen Geländes (h const.) aus. Liegen größere Höhenunterschiede im Gelände vor, so wirkt sich dies auf die Teilparallaxen pby, pbz, ρφ·, fV», pl>· >ÏV und ρκ~ nicht aus, wenn man die Abstände α der Orientierungspunkte 3, 4, 5 und 6 von der Basis 1—2 konstant hält. Es ist dann auch das in pbz, ρφ·, ρφ» und p*m, auftretende VerY az hältnis — = — eine Konstante gleichgültig, wie groß h ist. Lediglich die Teilparallaxe ph", in der h allein vorkommt, wird geländeabhängig und kann ζ. B. in der Mitte des Modells, wo sie zunächst durch άκ' und άκ" oder dô^ weggestellt wird, einen ganz anderen Wert annehmen als am oberen oder unteren Rand. Damit sind aber auch die Überstellungskoeffizienten n\ und n? ortsabhängig und ihre Berechnung nach (3.97) bzw. (3.98) liefert falsche Werte. Die behandelten Orientierungsverfahren müssen daher bei der Anwendung auf bergiges Gelände nur in der Bestimmung des Überstellungskoeffizienten abgeändert werden. Man geht meist empirisch vor: Nach der Beseitigung der Parallaxen in den Punkten 1—4 nimmt man zunächst am unteren Modellrand keine Überkorrektur vor, sondern beseitigt die dort verbliebene Parallaxe p* mit άω". Nach einem zweiten Orientierungsdurchgang in den Punkten 1—4 zeigt sich am unteren Rand die Parallaxe p** ; p* hat sich also um p* — p*·* verändert. Statt der Korrektur ρ * im ersten Durchgang wäre demnach eine Überkorrektur p*

Ρ = V*—i

m =

-rz =

p*

p**

η

ι

V*

(3.101)

notwendig gewesen, η ι ist der empirisch bestimmte Überstellungskoeffizient im gewählten Orientierungspunkt des unteren Modellrandes. Er kann im dritten Orientierungsdurchgang auf die Restparallaxe p** angewandt werden; 17·

260

3.4 Orientierung von Bildpaaren

die Korrektur n\ · p** müßte nach dem dritten Durchgang zu Parallaxenfreiheit im ganzen Modell führen. Der lokale Überstellungskoeffizient m läßt sich nach einer von H. G Ä N G E R 5 7 abgeleiteten Formel auch berechnen. Mit Hilfe dieser Formel hat H. KASPER 5 8 ein graphisches Verfahren zur Bestimmung von n± entwickelt. Weitere rechnerische und zeichnerische Verfahren finden sich bei E. G O T T H A R D T 5 9 . Die rein rechnerische Orientierung nach Hallert hat H. G. JERIE 60 auf den Fall gebirgigen Geländes erweitert. Eine Änderung ergibt sich dabei nur in der Berechnung von dco". J . SCHMID 6 1 erzielt dieselbe Wirkung, indem er die beobachteten Parallaxen eines gebirgigen Modells auf eine horizontale Ebene reduziert. Weitere Verfahren zur gegenseitigen Orientierung von Senkrechtbildpaaren Mit der Weiterentwicklung und Verfeinerung der Auswertegeräte ist eine Reihe von weiteren Orientierungs verfahr en ausgearbeitet worden, die teils auf den Fall beliebig gestalteten Geländes abgestellt sind, teils mehr als 5 homologe Punkte zu einer ausgleichenden Orientierung heranziehen. Davon seien erwähnt : Das Verfahren von POIVILLIERS62, bei dem in zwei Vertikalschnitten senkrecht zur Basis die Orientierungselemente d b y , d bz und dw" für beliebiges Gelände graphisch konstruiert werden können. Nach ihrer Übertragung ins Auswertegerät ergeben sich άκ" und dg?" auf optisch mechanischem Wege. Das Verfahren von KRAMES63, das über graphisch ermittelte Hilfsgrößen zu einer rechnerischen Bestimmung der Orientierungselemente führt. Bei 6 Orientierungspunkten in beliebigem Gelände entspricht das Ergebnis einer strengen Ausgleichung. Das Verfahren von PAUWEN 64 , das die Parallaxen in mehreren (meist 5) Vertikalschnitten zu einer ausgleichenden, graphischen Bestimmung der Orientierungselemente heranzieht. 57

58

59

60

41

62 63

64

H. Gänger: Die Berechnung des Überstellungskoeffizienten für die Neigungsverbesserung bei Senkrechtaufnahmen. - Mitt. der D. Ges. f. Photogr. 1938-40, S. 1 7 - 2 2 . H. Kasper : Die Überkorrektur bei der gegenseitigen Orientierung von Senkrechtaufnahmen eines beliebigen Geländes. - Schweiz. Ζ. f. V. 1949, S. 116-123. E.Gotthardt: Rechnerische und zeichnerische Verfahren zur Verbesserung und Beschleunigung der Orientierung von Senkrechtbildpaaren gebirgigen Geländes. — Mitt. der D. Ges. f. Ph. 1938 — 40, S. 33 — 90. H. G. Jerie: Beitrag zu numerischen Orientierungsverfahren für gebirgiges Gelände. — Phia 1953/54, S. 2 2 - 3 0 . H. Schmid : Funktionelle Zusammenhänge von y-Parallaxengrößen und Beobachtungsort in einem Stereomodell; ein neues numerisches Orientierungsverfahren. — Österr. Z. f. V. 1954, S. 51 — 56,70 — 82,114 — 123, 148-156. G. Poivilliers: Formation de l'image plastique dans les appareils de restitution. — Phia. 1949/50. I. Krames: Über ein graphisches Verfahren zum gegenseitigen Einpassen von Luftaufnahmen. — Österr. Z.f. V. 1949, S. 1 3 - 2 9 . L. I. Pauwen: Sur un procédé d'orientation relative fondé sur la mesure des parallaxes verticales en de nombreux points. — Bull, de la Société Belge de Phot., 1949.

3.4.2.2

261

Schrägaufnahmen

In einer vergleichenden Studie hat H.KASPER 65 die Leistungsfähigkeit dieser Orientierungsverfahren untersucht und gefunden, daß sie bei weit höherem Arbeitsaufwand den einfachen optisch-mechanischen Verfahren nicht oder nur unwesentlich überlegen sind. Zumal bringt die Hinzunahme von Orientierungspunkten im Inneren des Modells keine merkbare Genauigkeitssteigerung. In der nachfolgenden Tabelle werden die einzelnen Orientierungsverfahren hinsichtlich ihrer Methodik und Leistungsfähigkeit zusammenfassend charakterisiert : Charakteristiken Orientierungsverfahren

v. Gruber

optisch riiech.

rechnerisch

mehr als 6 Punkte

graphisch

strenge Ausgleichung

Parallaxen Messung

X

Wegstellung X

gebirgiges Gelände X

v. Gruber, symmetrisch

X

X

X

X

Bachmann

X

X

X

X

X

Hallert

X

X

X

Jerie

X

X

X

X

Schmid

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Poivilliers

X

X

X

Krames

X

Pauwen

X

X X

3.4.2.2 G e g e n s e i t i g e O r i e n t i e r u n g v o n S c h r ä g a u f n a h m e n

Bildpaare oder Bildreihen aus Schrägaufnahmen treten in der neuzeitlichen Photogrammetrie für sich allein relativ selten auf. Meist sind Schrägaufnahmen mit Senkrechtaufnahmen gekoppelt, für ihre Orientierung liegen dann bereits Koppelelemente vor, die den Vorgang vereinfachen. Trotzdem soll hier kurz auf die gegenseitige Orientierung von unabhängigen Schrägaufnahmen eingegangen werden. Das strenge Schrägaufnahmepaar ist durch die Orientierungswinkel φ' = φ" = κ' = κ" = 0; ω' = ω" = ZSZOJQ gekennzeichnet. Die aus (1.51b) und (1.55) hergeleitete Parallaxengleichung erhält in diesem Pali für die Reihenfolge φ — ω — κ der Bilddrehungen folgende Form : Χ Y

P„ = —

d,'

(X

- b )

-

• Y

/ XY \ — I X c o s o)o ± — — sin cool άκ'

65

(

y2\

(i + ^ j d » '

+

/ (X — b) Y \ I ( X — 6) c o s eoo ± sin ωο I da".

(3.102)

H. Kasper: Bericht über einige neue Verfahren für die gegenseitige Orientierung von i?enkrechtaufnahmen. - Z. f. V. 1950, S. 3 9 - 4 6 , 2 0 6 - 2 1 0 .

262

3.4 Orientierung von Bildpaaren

(3.102) entspricht der Gleichung (3.94) für Senkrechtbildpaare und zeigt, daß zwar der Einfluß ρκ jetzt unsymmetrisch verläuft und gegen den rückwärtigen Modellrand zunimmt, daß aber die Nullstellen der verschiedenen Teilparallaxen dieselben sind wie bei Senkrechtaufnahmen. Würde man — was für die gegenseitige Orientierung belanglos ist — das Raumkoordinatensystem um den Winkel a>o verdrehen, so wäre die Parallaxengleichung (3.102) mit der für den Normalfall gültigen (3.94) identisch. Nur ist dann die Größe h in jedem Fall, also auch bei ebenem Gelände, variabel. Daraus folgt, daß die Einpassung von Schrägaufnahmen prinzipiell dem in 3.4.2.1 geschilderten Verfahren zur gegenseitigen Orientierung von Senkrechtaufnahmen bei bergigem Gelände folgen kann. Sie unterscheidet sich demnach von normalen Einpaßverfahren nur in der Bestimmung des Überstellungskoeffizienten, der hier wie dort am einfachsten empirisch ermittelt wird. Eine Besonderheit bei der Einpassung von Schrägaufnahmen liegt darin, daß das Modell sich in Y-Richtung sehr weit nach außen erstreckt und Punkte enthält, deren Entfernung bei konstantem Maßstab den Einstellbereich des Gerätes überschreiten würde, die aber doch zur gegenseitigen Orientierung heranzuziehen sind. Solche Punkte werden durch Verkleinerung der Basis, die den Modellmaßstab bestimmt, zugänglich gemacht. Es ist also bei der gegenseitigen Orientierung ein ständiger Wechsel des Basiseinstellung notwendig, der nur dann bequem erfolgen kann, wenn die Basiskomponenten by und bz gleich Null sind. Die Einpassung wird daher stets nach dem Verfahren für unabhängige Bildpaare durchgeführt, auf das sich die Parallaxengleichung (3.102) bezieht. Weiter ist zu beachten, daß bei starken Querneigungen a»o die Schnittwinkel zwischen den Projektionsstrahlen und dem Gelände für weit entfernte Punkte sehr klein werden. Die Y-Parallaxen bilden dann kein zuverlässiges Kriterium für das Schneiden homologer Strahlen mehr. Man bringt daher besser die Z-Parallaxen, die sich beim Schnitt der Strahlen in einer Vertikalebene parallel zur Basis ergeben, zum Verschwinden. Dies wird besonders einfach, wenn — wie das bei den meisten größeren Auswertegeräten der Fall ist — die Y-Achse des Gerätes mit der Z-Achse vertauscht werden kann. Bei einer solchermaßen geänderten Achsanordnung verläuft die Einpassung mit Z-Parallaxen genauso wie die gewöhnliche Einpassung im Normalfall. Die geschilderte Achsvertauschung empfiehlt sich bei Querneigungen ab 508. Solche Bilder enthalten meist den Geländehorizont, an dem der Überstellungskoeffizient für do) gleich Null wird. An weit entfernten Geländepunkten tritt somit praktisch nur die Teilparallaxe ρω auf ; sie kann dort als erster Orientierungsschritt mit doj' oder doj" beseitigt werden, womit die Neigungsdifferenz der beiden Aufnahmen bestimmt ist. Die weiteren Orientierungsschritte folgen dann dem gewöhnlichen Gang.

3.4.2.3 Konvergentaufnahmen

263

3.4.2.3 Gegenseitige Orientierung von Konvergentaufnahmen

Konvergentaufnahmen werden meist mit Koppelkammern hergestellt, deren Aufnahmeachsen die festen Verschwenkungen — φο' und + φο aufweisen. Mit ω' == ω" = κ' = κ" = 0 nimmt daher die Parallaxengleichung für ein Konvergentaufnahmepaar mit der Achsanordnung φ — ω — κ auf Grund von (1.51b) und (1.55) folgende Gestalt an: Py --= dby

Y

XY

h

h

+ - db z + —~άφ' h —

-

(X -b) h

Y

άφ"

+ -p-j c o s φο — X sin yoj άω" cos φο — h

(3.103)

+ -p-j sin = —• (pe - Pi) · Qc 2ab c Αφ" = —~(p5 — p3) • Q° 2 ab (3.104a)

da>" = άκ'

c • cos φο sin wo · P 9 · Qc + 6 a2 3o

c2 = ¡ r - τ¿ τ 6 a b • eos φο

άκ" =

c · sin φο — Ρ 9 ' Qc 6 α2

Qc + sin 2 φ0Ακ'

1 (2 pi + 2 6 6· cos φο

+ 2 p7 — Pe) · ρ c

cos φο — Ρ 6 " ec — cos 2 φο άκ 36

und für den Folgebildanschluß analog zu (3.100): c2 1 My = — ¿ · P 9 + - (2 pi + 2 pa + 2 p7 - Pe) 6a 6 c àbz = — (p6 — Pi) 2a (3.104b)

Αφ" =

2ab

[(pi - pe) - (P3 - ps)] • Qc

c · cos

*X o

276

3.4 Orientierung von Bildpaaren

3.4.3.1 Genauigkeit der gegenseitigen Orientierung

Als Ausgangspunkt für die Genauigkeitsuntersuchung der gegenseitigen Orientierung können theoretisch die Fehlergleichungen (3.67; unabhängige Bildpaare) und (3.68; Folgebildanschluß) dienen. Durch Inversion der aus diesen Systemen gebildeten Normalgleichungen erhält man die Matrix der Gewichtskoeffizienten Qu für die Orientierungsunbekannten und ihrer Korrelationskoeffizienten Que. Eine allgemeine Lösung wäre jedoch — abgesehen von ihrer Kompliziertheit — wenig aufschlußreich, da sie 1. von der Größe der Orientierungsunbekannten selbst, also der Art des Aufnahmef alles, 2. von der Form des Geländes, 3. von der Anzahl der benutzten Orientierungspunkte, 4. von der Lage dieser Punkte im Modell abhängt. Es muß also eine Spezialisierung getroffen werden. Diese besteht darin, daß 1. 2. 3. 4.

angenähert der Normalfall der Stereophotogrammetrie vorliegt, das Gelände annähernd eben ist, 6 Orientierungspunkte herangezogen werden, die entsprechend der Figur 3/29, S. 251, in der Mitte und in den Ecken des Modelles liegen.

Es handle sich somit um die rechnerische Orientierung eines Senkrechtbildpaares nach H A L L E R T (siehe 3.4.2.1). Die Koeffizientenmatrix der Normalgleichungen geht in diesem Fall aus der Tabelle S. 253 hervor; ihre Inversion liefert die Matrizen (3.109) und (3.110) für die Gewichtskoeffizienten. In der Notierung ist hier und wird im folgenden von den Tienstraschen Gewichtssymbolen Gebrauch gemacht, die durch die Gleichungen definiert sind.

Qi ' Qi ~ Qu

Qi ' Qk — Qik

Neben den allgemeinen Ausdrücken für die Gewichtskoeffizienten sind ihre Zahlenwerte für drei gebräuchliche Aufnahmefälle berechnet, nämlich a) Normalwinkelkammer 21/18 b) Weitwinkelkammer 15/23 c) Überweitwinkelkammer 9/23

α = 1; α = 1; α= 1;

6 = 1; 6=1; 6 = 1;

c= 3 c=l,5 c= l

Die Dimensionen des Modells sind jeweils auf die Basis mit 6 = 1 normiert. Die Zahlenwerte a), b) und c) finden sich in den Matrizen unter den allgemeinen Ausdrücken. Mit den Elementen Q x x der Hauptdiagonalen der Matrizen (3.109) und (3.110) ergeben sich nach der allgemeinen Formel

3.4.3.1 Genauigkeit der gegenseitigen Orientierung

277

als mittlere Fehler der Orientierungselemente bei unabhängigen Bildpaaren : » II

mx' = mX'

allgemein

m0 •

c

c c

ab y 2

c 1/3 mn · — " — 2 a2

Normal winkelaufnahmen

±0,96

±1,18

±3,92

Weitwinkelaufnahmen

±0,34

±0,41

±0,82

Überweitwinkelaufnahmen

±0,25

±0,31

±0,55

(3.111)

und beim Folgebildanschluß :

mm

mby 1 °/oo von b

allgemein

mbz mm »reo·

|°/oov.fe c a

J/2

m0

wy

mm*

c

c

c τα · b

c / 3 mo'

m*· c

η/7

2 o2

Normalwijikelaufnahmen

±0,043

±0,62

±0,010

±0,05

±1,36

±1,18

±0,37

Weitwinkelaufnahmen

±0,013

±0,13

±0,005

±0,03

±0,48

±0,41

±0,26

±0,008

±0,09

±0,004

±0,04

±0,35

±0,31

±0,29

Überweitwinkelaufnihmen

(3.112)

Diesen Ergebnissen ist quantitativ keine allzu große Bedeutung beizumessen, da sie streng nur für den angenommenen Spezialfall, besonders auch für die spezielle Anzahl und Lage der Orientierungspunkte im Modell gelten. Es lassen sich aber doch einige allgemeine Schlüsse daraus ziehen, nämlich :

278

3 . 4 Orientierung v o n B i l d p a a r e n

Die mittleren Fehler der Orientierungselemente sind um so kleiner, je kleiner c und je größer a und 6 sind. Weitwinklige Aufnahmen lassen somit eine genauere Orientierung zu als normalwinklige, sofern die Parallaxenmeßgenauigkeit in beiden Fällen dieselbe ist. Die Orientierungspunkte 3, 4, 5, 6 sollten so nahe wie möglich an den oberen und unteren Modellrand gelegt werden. Die mittleren Fehler der Querneigung ω und der Basiskomponenten by und bz sind unabhängig von b. Die Zahlenwerte der berechneten Aufnahmefälle zeigen, daß gewisse Orientierungselemente mit weit höherer Genauigkeit bestimmt werden als andere. So hat die Verkantungsdifferenz άκ" beim Folgebildanschluß eine — je nach Aufnahmefall — 2- bis lOfach größere Genauigkeit als die Einzelverkantungen άκ', άκ" unabhängiger Bildpaare. Überraschend ist ferner der große mittlere Fehler der Basiskomponente by, der die Parallaxenmeßgenauigkeit um das 2- bis 8fache übertrifft. Diese Erscheinungen sind darin begründet, daß zwischen den Orientierungselementen nach der Einpassung eine starke Korrelation besteht, wie dies aus dem Auftreten großer gemischter Gewichtskoeffizienten in den Matrizen (3.109) und (3.110) ohne weiteres ersichtlich ist. Die Korrelationen haben zur Folge, daß bereits Änderungen der Orientierungselemente innerhalb ihrer mittleren Fehler zu beträchtlichen Parallaxen im Modell führen würden, die jedoch ihrerseits wieder durch kleine Änderungen von passenden Kombinationen anderer Orientierungselemente aufgehoben werden können. So läßt sich eine durch d bv erzeugte Parallaxe durch kombinierte Änderung von άω", άκ' und άκ" kompensieren, ohne daß die Qualität der Gesamtorientierung darunter leiden würde. Dies gilt nicht für diejenigen Orientierungselemente, die aus der Einpassung als unabhängige (unkorrelierte) Größen hervorgehen. Es sind dies die Längsneigungen d φ' und ά φ " unabhängiger Bildpaare und — bis auf eine sehr schwache Korrelation mit àby — die Verkantungsdifferenz άκ" beim Folgebildanschluß. Die Verstellung dieser Orientierungselemente innerhalb ihrer mittleren Fehler würde keine beobachtbaren Parallaxen hervorrufen. Außer den 3 genannten Orientierungselementen lassen sich Funktionen anderer Orientierungselemente finden, die unter sich korrelationsfrei sind und wie unabhängige Größen weiterbehandelt werden können. E . G O T T H A R D T 7 3 hat in seiner Dissertation einen der möglichen Sätze solcher korrelationsfreier Funktionen ermittelt, die er mit „Funktionen ausgezeichneter Genauigkeit" bezeichnet. Außer den schon erwähnten Längsneigungen und der Verkantungsdifferenz treten dabei die Funktionen Fi = Κα. (άκ' + άκ") + Ki2 \...p 6 in den Orientierungspunkten 1...6 (Fig. 3/36,0). Im ersten Arbeitsgang werden die Parallaxen pi

280

3.4 Orientierung von Bildpaaren

und fz m i t άκ" und άκ' beseitigt. Dies führt zur Parallaxenverteilung der Figur 3/36,1+2. Sodann werden die Parallaxen in den Punkten 3 bis 6 gemessen und zur Parallaxe pm gemittelt : + Vi + V3 Pi = Pi — Pi, + »2 + V4 Pò = Pi — Pi + Vi + «5 Ρβ = P6 — f>2 + «2 + «>6

P3 — P3 — Pl

1

1

Pm = — (Va +

1

Pi + Pi + Ρβ) — —Pi

1 1 + — (»1 + »2) + — (»3 + 2 4

Vi

+

— —P2

Vi

+

ve).

Das Gewichtssymbol von pm ist somit Qm =

ν (öi 2

+ Q2)

+

4

(03 +

Qi + Qi + Qe) ·

Da die Fehler vi unkorreliert sind, werden alle Qifc = 0 und der Gewichtskoeffizient von j) m ist 1 4

1 4

1 16

Qrnm = Qm ' Qm = — Q11 + — Q22 + —

(Q33 + Qii + Q55 +



Da die Gewichtskoeffizienten der einzelnen Vi gleich 1 sind, ergibt sich: _ 3 4

Qmm — — '

Die folgende Einstellung der Mittelparallaxe pm im ganzen Modell ergibt die Parallaxenverteilung der Figur 3/36,3. Die Parallaxen in 3 und 4 werden mit d φ" und d φ' beseitigt und damit die Längsneigungen endgültig bestimmt. Dies ergibt für d φ" : άφ" =

c - (ps — Vi + Vi — Pm + α · b

Q^ = ~ ( Q i α · b

=

-

Qm +

«7)

Qi)

c2 Q9" = -775 «?11 + Qmm + 0 7 7 - 2 Qlm) . 2 52 a

Mit dem Korrelationsfaktor 1 Qlm = Ql · Qm =



281

3.4.3.1 Genauigkeit der gegenseitigen Orientierung

wird _

c2

/

3

4 a2 b2

\ _

7

c2

WÏQ

und analog 7 ψ

c2 α2

4

b2

TO* .

Der nächste Schritt ist die Berechnung von j¡xm nach !

Vw =

C2

-i;Vm

und die Einstellung dieses Wertes, die in Modellmitte die Parallaxen der Figur 3/36,4 übrigläßt. Die Parallaxe in 1 wird mit da>" beseitigt, das damit endgültig bestimmt wird : άω" = —

»i Η—-pm

c \

Qu,"CO* =

—r

+ v9

a¿

öll Η

1 /

c 4

7 Qmm +

3 c4

' cM ~cM

c2 +

°

2

αΔ

— Qlr

+

3 c4 +

c2 2 +

2

c2 1

1 /

V99 Η

ö2 +

T"^ 4 3 c4 \

Τ "ü4 ,'m°2

Nach diesem Schritt ist das Modell — bis auf Restfehler — parallaxenfrei. Um jedoch die Ausgangsstellung der Basiskomponente by wiederherzustellen, c2

wird im ganzen Modell die Parallaxe — pm eingeführt, was in den Punkten 1 und 2 zur Parallaxenverteilung der Figur 3/36,5 führt. Die Parallaxe in 1 wird mit άκ", diejenige in 2 mit άκ' weggestellt, so daß gilt: άκ' = —

— »i — v9 + — pm + »io

Q*' = 4-(