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German Pages X, 157 [161] Year 2020
Christiane Hellwig
Personzentriertintegrative Gesprächsführung im Coaching Zuhören – Verstehen – Intervenieren 2. Auflage
Personzentriert-integrative Gesprächsführung im Coaching
Christiane Hellwig
Personzentriertintegrative Gesprächsführung im Coaching Zuhören – Verstehen – Intervenieren 2. Auflage
Christiane Hellwig Essen, Deutschland
ISBN 978-3-658-29117-4 ISBN 978-3-658-29118-1 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-29118-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über 7 http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018, 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Umschlaggestaltung: deblik Berlin Lektorat: Eva Brechtel-Wahl Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
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Vorwort In diesem Buch stelle ich meine persönliche Auswahl aus komplexen Theorien und ihren Nutzen für die Coaching-Praxis dar. Und beginnen möchte ich mit dem Statement, dass die „Personzentrierte Gesprächsführung“ für mich lange maßgebliches „Arbeitsinstrument“ war und mich deutlich geprägt hat. Die Weiterbildung dazu absolvierte ich parallel zu meinem ersten Studium der Sozialpädagogik und meiner damaligen Tätigkeit im psychosozialen (Beratungs-)Feld. Doch als ich dann, zur Jahrtausendwende, in die berufliche Erwachsenenbildung wechselte, schien das bewährte genuine Vorgehen des Personzentrierten Ansatzes (PZA) an seine Grenzen gekommen zu sein: aus den „Einzelgesprächen“ war „Coaching“ geworden und das Tätigkeitsfeld verlangte pragmatische Ergebnissicherung – in Hinsicht auf ein definiertes Prozessziel und der Forderung nach konkreter Handlungsumsetzung – oft schon nach wenigen Terminen. Der verspürte Druck ließ mich nach anderen Techniken schauen, mit denen das Gewünschte „zu bedienen“ war. Dabei geriet die Betrachtung der genuinen Bedürfnisse und Motive meiner Klienten in den Hintergrund; die damit einhergehende Gratwanderung meiner Arbeitsweise war anstrengend und inspirierend zugleich. Und doch machte sich langsam ein „unstimmiges“ Gefühl bei mir breit: im verstärkt technisierten, „zielorientierten“ Handeln sah ich den Menschen zwischen den Ergebnissen verloren und empfand die Kurzlebigkeit von „eigentlich rational stimmigen“ Transfervereinbarungen manchmal schlicht frustrierend. Es musste noch etwas anderes geben. Und so begann mein Suchprozess und ich entschloss mich dazu, Kommunikationswissenschaft und Sozialpsychologie zu studieren, tingelte durch verschiedene Branchen und Themen, lernte dabei eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansätzen kennen – und nahm den PZA doch immer als Fundament. Auch in der Hochschulwelt, in der ich seit 2006 Lehre und Weiterbildungen durchführe und die unterschiedlichen Vorgehen der Prozess- und Gesprächsführung im Coaching mit Lehrenden und Studierenden diskutiere, bildete sich diese Divergenz ab: zum einen gab es Menschen, die Checklisten und Tabellen bevorzugten, an denen Erfolge und Wirkung (von Coaching) abgebildet werden sollte. Bei anderen stand hingegen die Relevanz von unbewussten Motiven und Bedürfnissen im Vordergrund. Als eher rationaler Mensch war ich lange Zeit fasziniert, von der wissenschaftlichen Vielfalt, die sich bot, und die anregend-kritischen Gespräche trugen zu ersten Theoriebausteinen des personzentriert-integrativen Ansatzes bei. Mit der Zeit kamen verschiedene psychologische Weiterbildungen dazu, vor allem die in systemischer Beratung, personzentriertem Coaching und analytisch begründeter Supervision. Diesen erweiterten „Erkenntnissen“ folgten erst langsam die veränderten Gefühle und mein damit „Selbst-verständlicheres“ Verhalten. Das mag ein Grund dafür sein, warum mit den Inhalten dieses Buches und in der Weiterbildung zum personzentriert-integrativen Coach viel Augenmerk auf Übungen gelegt wird, die die Entwicklung durch Selbsterfahrung in Beziehung unterstützen. Aus diesen Erfahrungen entstand auch die Frage, wie das Potenzial, das der personzentrierte Ansatz in sich trägt, auch kurzen Coachingprozessen gerecht werden kann und ebenso den Anspruch
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Vorwort
erfüllt, den Menschen mit seinen kognitiven Interessen und mit seinem emotionalen Erleben zu erreichen und ihm so seine Potenziale ganzheitlich zugänglich zu machen. So bildete sich im Verlauf der Auseinandersetzung mit Theorie und Praxis ein personzentriert-integratives Coachingkonzept, ein „Back-to-the-Roots-Konzept“, das den besonderen Anforderungen von Coaching- und Beratungsprozessen gerecht wird und intensive Unterstützung möglich macht. Und dass dieses Konzept so entstehen konnte, dafür möchte ich vor allem meinen Teilnehmern, Klienten und Ausbildern danken: sie haben mir, mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten, subtil oder sehr deutlich gezeigt, dass ein förderndes Coachingkonzept vor allem eines zur Basis nehmen muss: die anwesenden Personen. Christiane Hellwig
Essen Frühjahr 2017
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Vorwort zur zweiten Auflage Seit der ersten Auflage sind drei Jahre vergangen und nun erscheint eine zweite, erweiterte und stark überarbeite Auflage. Der Grund für diese Neuauflage ist, dass sich mein Wissen rund um die Umsetzungsmöglichkeiten des Personzentrierten Ansatz im Coaching, mein Tätigkeitsradius und dadurch auch meine Erfahrungen im Feld von Coaching, erweitert haben. Dieses Buch möchte ich als Möglichkeit nutzen, die Leser an diesen Entwicklungen teilhaben zu lassen. Mit dem zweiten Kapitel wird der Personzentrierte Ansatz differenziert und praktisch dargestellt, mit mehr Beispielen. In der Folge habe ich den theoretisch-vergleichenden Teil zugunsten vieler praxisrelevanter Aspekte gekürzt; der Begriff der „Person“ und die Gegenüberstellung von direktiv und nondirektiv haben nun, aufgrund ihrer Relevanz für das Konzept, ein eigenes kleines Kapitel bekommen. Umfangreicher geworden – und auch hier mit mehr Bespielen – sind die Kapitel zum Coachingprozess; das Kapitel „Themen, Ziele und Bearbeitungsfelder“ ist neu hinzugefügt; die Relevanz der Informationsvermittlung zu den wichtigsten coachingrelevanten Themen ist hier beschrieben und aufgeführt, wie diese als „Edukation“ für den Coachee zur Unterstützung genutzt werden können. Erweitert und neu gegliedert ist auch das Kapitel „Integrative Techniken & Perspektiven“. Dabei war es mir wichtig die dort aufgeführten Techniken kurz und übersichtlich zu halten. Außerdem habe ich viele Abschnitte verfeinert und um weitere praxisrelevante Aspekte ergänzt. Viel Freude hat mir die Zusammenarbeit mit Kommunikationsdesignerin Stephanie Mertens gemacht, die die Grafiken in diesem Buch kreativ gestaltet hat. Nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Lesen und hilfreiche Erkenntnisse, die Sie – so, wie es für Sie passt – in Ihre Coachingpraxis einfließen lassen können. Christiane Hellwig
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Inhaltsverzeichnis 1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Personzentrierter Ansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2 2.1 Humanistisches Menschenbild & Haltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.2 Die Person. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.3 Die Persönlichkeitstheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.3.1 Die Aktualisierungstendenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.3.2 Selbstaktualisierung, das Selbst und das Selbstkonzept. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.3.3 Der Bezugsrahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.4 Bedingungen im Prozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.4.1 In Kontakt kommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.4.2 Inkongruenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.4.3 Beziehungsangebot – Ich & Du. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.4.4 Beziehungsantwort – Du & Ich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.5 Relevanz der Selbsterfahrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.6 Zuhören, Verstehen, Intervenieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2.6.1 Kommunikationsgrundlagen & strukturiertes Zuhören. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.6.2 Direktiv vs. Nondirektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.6.3 Techniken & Interventionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3 3.1 Der Gestaltansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3.2 Focusing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.3 Biografiearbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3.4 Systemische Perspektiven. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3.5 Verhaltenstheoretische Aspekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3.6 Tiefenpsychologische Dynamiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Coaching – ein spezielles Format . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4 4.1 Unterschiede in den Beratungsformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4.2 Eine besondere Situation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4.3 Der Coachingprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.3.1 Am Anfang: Struktur und Zielklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.3.2 Im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.3.3 Abschlüsse gestalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4.3.4 Der Coachingkreislauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.3.5 Themen, Ziele und Bearbeitungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.4 Absichtsvolles Coaching. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.5 Qualitätskriterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
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Inhaltsverzeichnis
5 Personzentriert-Integratives Coaching. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5.1 Beziehungsweise Coaching. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5.2 Manual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5.3 Integrative Techniken & Perspektiven. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5.3.1 Einstellungen und Bewertungen klären. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 5.3.2 Systemische Zusammenhänge verdeutlichen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5.3.3 Humanistische Methoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5.3.4 Psychodynamische Perspektivenerweiterung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 5.3.5 Wenn der Prozess stockt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Trust the Process . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 6 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Serviceteil Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
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Einführung
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Hellwig, Personzentriert-integrative Gesprächsführung im Coaching, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29118-1_1
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Kapitel 1 · Einführung
» „Kein Ansatz, der sich nur auf Wissen, auf Training, auf die Annahme irgendeiner Lehre
verlässt, kann auf Dauer von Nutzen sein. Haltung ist entscheidend, nicht Worte.“ Carl R. Rogers
Um sich in fremden Welten zurecht zu finden, ist es hilfreich eine (digitale) Landkarte zu benutzen. Und damit wir auf diese Karten zurückgreifen können, haben zunächst Kartengestalter die Hauptfrage beantworten müssen: wie kann es gelingen sehr komplexe, mehrdimensionale Ansichten verständlich wieder zu geben. Und zwar deutlich verkleinert, vereinfacht und in ihrem Ausschnitthaften doch präzise. Dazu mussten „Originaldaten“ generalisiert und so zur Verfügung gestellt werden, dass der Betrachter diese Daten verstehen und in fremden Gebieten zu seiner Orientierung nutzen kann. > Wir können Menschen mit fremden, unerschlossenen Welten vergleichen: wir
wissen nicht, wie es dort ausschauen kann, wie es sich in ihnen leben lässt. Und wir können niemals selbst dorthin reisen, um zu erfahren wie sich das Leben in dieser Welt anfühlt.
Psychologische Theorien können in diesem Sinn als orientierungsgebende Landkarten angesehen werden. Es sind Annahmen über innere, menschliche Prozesse. Die Personzentrierte Psychotherapie (ehemals „Klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie“), ist eine dieser psychologischen Landkarten; sie ist ein psychologisches Erklärungsmodell, das durch eine humanistische Brille auf die Welt blickt. Der, auch sogenannte „Personzentrierte Ansatz“, kann damit in menschlichen Welten in derart Orientierung geben, indem er Fragen beantworten kann, wie z. B.: 5 Durch welche Gegebenheiten hat sich eine Person zur Persönlichkeit entwickelt? Wie gestalten Personen Beziehungen? 5 Welche inneren und äußeren Wechselwirkungen tragen dazu bei? 5 Wie können Personen mit diesem Wissen in ihrer Entwicklung unterstützt werden? Der Personzentrierte Ansatz (PZA) stellt damit sowohl die Persönlichkeitsentwicklung, die innerpsychischen Mechanismen sowie deren Wechselwirkungen mit der Umwelt, in den Mittelpunkt seiner Theorie. Dabei geht der PZA davon aus, dass die individuelle Weltsicht, die subjektive Wahrnehmung maßgeblich dafür ist, wie – auch sachliche – Informationen „ankommen“. Dies wurde von den verschiedenen psychologischen Richtungen immer wieder bestätigt. So stelle nicht nur Carl Rogers, der Begründer der Personzentrierten Psychotherapie, schon früh fest, dass die Beziehung zwischen den Personen und dass sich „etwas“ in dieser Beziehung entwickelt, nicht auszuschließen ist. Auch Watzlawicks et al. (2000) bekanntes, kommunikationstheoretisches Axiom, dass man „nicht nicht kommunizieren“ könne, weist ebenso deutlich darauf hin. Die Beziehungsebene bestimmt, wie die Informationen, die vermittelt werden, angenommen werden können. Und genau aus diesem Grund, dass in Beziehung „etwas passiert“ nicht auszuschließen ist, wird das „was passiert“ im Personzentriert-integrativen Coaching verfahrensübergreifend genutzt. Rogers hatte auch die „therapeutische Beziehung“, „von den meisten autoritativen Beziehungen des Alltags“, unterschieden, wie z. B. die Rolle des Lehrers, oder des „Fürsorger“ (der Begriff „Coach“ war noch nicht etabliert). Diese Rollen weisen „zwei verschiedene Funktionen“ auf, unter deren Bewusstsein eine „Doppelrolle befriedigend gespielt werden“ kann: Es kann die Sachebene der Erfordernisse des
3 1 Einführung
(äußeren) Kontextes, sowie die Erfordernisse und spezifischen Bedingungen einer Personzentrierten Haltung, in einer Rolle gleichberechtigt existieren (Rogers 1985, S. 103 f.). Aus diesem Grund kann, neben einem nondirektiven, personzentrierten Vorgehen, die Sachebene im Coaching, die erforderliche Prozessstrukturierung, Auftragsklärung und Zieldefinition, somit ihren Platz haben. Und aus der Verantwortung aus der Coach-Rolle heraus, ist es auch angebracht, ergänzende, spezifische Angebote zum personzentrierten Beziehungsangebot zu machen und damit die Faktoren zu erweitern, die hilfreich für den Coachee eingesetzt werden können, unter der Perspektive der Person-, Technik-, Auftrags- und Ressourcenorientierung (vgl. 7 Abschn. 4.3 ff.). Auf der Basis dieser Annahmen steht das hier vorgestellte Konzept des Personzentriert-integrativen Coachings. Das Buch ist besonders für Personen geschrieben, die dem humanistischen Menschenbild zugewandt sind oder sich diesem annähern wollen. Und daher profitieren von diesem Buch auch am meisten die Menschen, die sich besonders dem zuwenden möchten, was im Coaching von „Person zu Person“ passiert und dieses Wissen konstruktiv und zielorientiert anwenden möchten. Doch da Kommunikation und Beziehungsgestaltung vornehmlich in der Praxis zu erlernen, besser: selbst zu erfahren sind, kann das Buch nur Anregungen darstellen, sich mit den Inhalten auseinander zu setzten. Die eigentliche Arbeit beginnt da, wo das Potenzial des Coachings selbst zu finden ist: in realen Beziehungen und einer Affinität zur Selbsterforschung. Dazu möchte das Buch anregen, vorbereiten und das vorhandene KnowHow erweitern. Doch sicher gibt es auch viele alltägliche Gespräche, die in aktuellen Problemlagen hilfreich sein können. Und es gibt auch die Gespräche, die die Beteiligten an ihre Grenzen führen, die ärgerlich machen oder hilflos. Und nicht alle Themen können mit Freunden, Bekannten oder im nahen beruflichen Umfeld zufriedenstellend besprochen werden. Manchmal ist es gerade die persönliche Nähe, die eher hinderlich als unterstützend wirkt; manchmal sind es dieselben Sackgassen, in die die gleichen Menschen immer wieder hineingeraten, manchmal ohne es rechtzeitig zu bemerken. Und so können private und berufliche Themen, die akut oder langanhaltend bedeutsam sind, eine gute Beziehung nachhaltig belasten. Deshalb benötigen Coaches auch eine besondere Ausbildung, die die vorhandenen Gesprächsführungskompetenzen erweitert und die eigene persönliche Weltsicht bewusst macht. In der Konsequenz wird in diesem Buch das Hintergrundwissen vermittelt, mit dem der Sinn und der Nutzen einer personzentriert-integrativen Gesprächsführung nachvollzogen und in die eigene Praxis integriert werden kann. Und daher sind in diesem Buch auch einige Selbstreflexionsfragen aufgenommen. Diese können dabei unterstützen, den (zwischen- und interpersonellen) Prozessen die während des Coachings entstehen, mehr Beachtung schenken zu können. Das Buch befasst sich dazu mit übergreifenden fünf Fragen: 1. Was ist personzentriert-integratives Coaching und welchen Stellenwert nimmt die humanistische Haltung ein?
Das Konzept des Personzentriert-Integrativn Coachings gründet auf der Theorie der Personzentrierten Psychotherapie von Carl Rogers und beinhaltet interdisziplinäre
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Kapitel 1 · Einführung
Bausteine. Das hier vorgestellte Coachingkonzept vereint daher den Personzentrierten Ansatz mit seinem humanistischen Menschbild und die Anforderungen, die für das Format „Businesscoaching“ gegeben sein müssen. 2. Wie können integrative Gesprächsführungstechniken wirksam im Coaching eingesetzt werden?
Eine Gesprächsführung durchzieht, als roter Faden, jede Coachingstunde. Der personzentrierte Ansatz ist in seinen Wurzeln 100 % Gespräch. Heute werden im Coaching zusätzlich andere Techniken genutzt, die jedoch auch auf das Gespräch nicht verzichten können. Auf dem Fundament einer personzentriert-integrativen Gesprächsführung stehen daher alle vorgestellten Methoden und Techniken. In diesem Buch wird aufgeführt, welches Vorgehen wann sinnvoll und nützlich sein kann und welche Voraussetzungen dazu auch beim Coach gegeben sein sollten. 3. Wie kann die Beziehung zwischen Coach und Coachee für den Prozess entwicklungsunterstützend genutzt werden?
Coaching, das Themen aufgreift, wie z. B. Mitarbeiterführung, Karriereplanung, Selbstmanagement, Entscheidungen treffen etc., arbeitet selbstverständlich an den Themen – aber vor allem mit den Menschen in einer professionellen Beziehung. Diese schlichte Feststellung beinhaltet viel von dem Potenzial, das im Coaching zur Verfügung steht: die Chancen und Hindernisse die einen Coachingprozess konstruktiv oder beschwerlich verlaufen lassen können – der mittlerweile von allen Richtungen bestätigte „Wirkfaktor Beziehung“. Dieser „Wirkfaktor“ steht mit diesem Buch und somit mit unserem Konzept im Mittelpunkt. Denn hier liegen maßgebliche Entwicklungs-Chancen und Entwicklungs-Hindernisse gleichermaßen. 4. Wie können Hypothesen gebildet und geprüfte werden, auf deren Fundament unterstützende Prozesse möglich werden?
Im Coaching werden keine Diagnosen gestellt. Doch können Prozesse umso hilfreicher sein und zielführend strukturiert werden, je deutlicher Themen, inhärente Motivation und Hindernisse, gehört werden können. Dazu ist es unabdinglich, die eigenen Wünsche, Ängste, Verbote,…, von denen der anderen Person unterscheiden zu können. Sonst ist die Basis, für die Hypothesenbildung zur Person des Coachees, die eigene Person. Um an diesen Stellen hilfreich zu sein, wird aufgliedert, welche (Psycho-)Dynamiken wie wirken, wie diese zu verstehen sind und wie sie sich im Hier-und-Jetzt zeigen und unterstützend genutzt werden können. 5. Wie können schwierige Situationen konstruktiv gelöst werden?
In jedem Prozess kommt es früher oder später zu einem Tief, zu einer Krise. Diese kann als Gabelung verstanden werden, da sie darüber bestimmt, wie es in der Coaching-Beziehung danach weiter geht. Damit der passende Weg gewählt werden und konstruktiv zu Ende gegangen werden kann, wird in unserem Coaching die Entwicklung des Handlungsbewusstseins angestrebt. Die Priorität des Selbst- und Fremdverstehens, die eigene Haltung, das empathische Verständnis, das wertschätzende Erkennen von Krisen und das professionelle, konstruktive Reagieren auf Krisen im Verlauf, sind daher wesentliche Inhalte.
5 Literatur
Der Anspruch des personzentriert-integrativen Vorgehens ist somit das Ziel einer Entwicklung eines kongruenten Selbstverständnisses, durch das konstruktive Handlungen erst möglich werden – auch in schwierigen Situationen. Um diese Entwicklung zu unterstützen setzt das Konzept an drei verschiedenen sozial-systemischen Bezügen einer Person an: 1. an der Person (Du) 2. dem Miteinander mit dieser Person (Wir) 3. den Folgen die die (Beziehungsgestaltungs-)Möglichkeiten dieser Person haben: auf die (Arbeits-)Systeme, in die die Person involviert ist (Kontext). Unser Coachingkonzept versteht den Personzentrierten Ansatz, mit seiner Persönlichkeits- und Beziehungstheorie, integrativ: mit selbstverständlicher systemischer Perspektive, den verhaltenswirksamen Erweiterungen für die Arbeitswelt und den psychodynamischen Aspekten zur Selbsterfahrung. In diesem Buch wird von Verfahren, Methoden, Techniken und Interventionen gesprochen. Hierzu eine Begriffserläuterung: 5 Verfahren: Damit wird die theoretische „Schule“ bezeichnet. Es gibt vier (psychologische/therapeutische) Hauptverfahren: Humanistische Verfahren (wie z. B. die Personzentrierte Psychotherapie/der Personzentrierte Ansatz), die Psychoanalyse, Systemische Therapie, Verhaltenstherapie. 5 Methode: Innerhalb dieser Verfahren haben sich mehr oder weniger viele Methoden etabliert, wie z. B. die Methode der systemischen Fragen aus der systemischen Therapie oder aus dem humanistischen Verfahren (PZA) die Methode der personzentrierte Gesprächsführung. 5 Technik: Technik, oder auch „Tool“, wird die Anwendung und Benutzung einer Methode in ihrer konkreten Umsetzung genannt; z. B. zirkuläre Fragen, Skalierungsfragen (systemische Therapie), oder Gefühle reflektieren, anerkennen und akzeptieren (PZA). (Techniken 7 Abschn. 5.3 ff.). 5 Intervention: Eine Intervention wird ein einzelner Schritt innerhalb der Technik genannt; absichtsvolle, einzelne Handlungen die auf ein angestrebtes Ziel hin beeinflussen – also z. B. eine spezifische Frage oder Anmerkung, Hinweis, eine Zusammenfassung. Eine Tabelle z. B. personzentrierter Techniken und Interventionen finden Sie im 7 Abschn. 2.6.3
Literatur Rogers, C. R. (1985). Die nicht-direktive Beratung. Frankfurt a. M.: Fischer. Watzlawick, P., Beavin, J. H., & Jackson, D. D. (2000). Menschliche Kommunikation. Formen Störungen Paradoxien. Bern: Huber.
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Personzentrierter Ansatz 2.1 Humanistisches Menschenbild & Haltung – 12 2.2 Die Person – 15 2.3 Die Persönlichkeitstheorie – 17 2.3.1 Die Aktualisierungstendenz – 17 2.3.2 Selbstaktualisierung, das Selbst und das Selbstkonzept – 19 2.3.3 Der Bezugsrahmen – 24
2.4 Bedingungen im Prozess – 27 2.4.1 In Kontakt kommen – 29 2.4.2 Inkongruenz – 30 2.4.3 Beziehungsangebot – Ich & Du – 32 2.4.4 Beziehungsantwort – Du & Ich – 37
2.5 Relevanz der Selbsterfahrung – 38 2.6 Zuhören, Verstehen, Intervenieren – 40 2.6.1 Kommunikationsgrundlagen & strukturiertes Zuhören – 41 2.6.2 Direktiv vs. Nondirektiv – 43 2.6.3 Techniken & Interventionen – 47
Literatur – 50
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Hellwig, Personzentriert-integrative Gesprächsführung im Coaching, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29118-1_2
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
Wie in der Einleitung beschrieben, können psychologische Theorien als orientierungsgebende Landkarten angesehen werden. Und jede dieser Landkarte hat einen historischen Urheber, der seine Annahmen, sein Wissen und das Wissen seiner Zeit, über die psychologische Welt auf einer Karte zusammengestellt hat. Der Urheber der psychologischen Landkarte „Personzentrierter Ansatz (PZA)“ war Carl Ransom Rogers. Er war Psychologe und Psychotherapeut, der von 1902–1987 in Amerika lebte und arbeitet. Bereits in den 1940er-Jahren begann Rogers ein Verfahren zu entwickeln, dass er zunächst die „klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie“ nannte. Durch die ständige Koppelung seiner Forschung an seine eigene Beratungstätigkeit und Psychotherapie entwickelte er seine „Theorie der Psychotherapie“: eine Theorie der Persönlichkeit, der zwischenmenschlichen Beziehungen und der Störungslehre. Durch stete Weiterentwicklung dieser Theorie hatte Rogers auch den Namen seines Verfahrens umbenannte, bis es heute zur „Personzentrierten Psychotherapie“ und – allgemeiner – zum „Personzentrierten Ansatz“ wurde, der die Grundlage für humanistische Weiterbildungen in den Bereichen Coaching, Supervision, psychologischer Beratung u. a. ist. Das Verfahren entwickelte Rogers aus seiner eigenen Praxis heraus, mit den – damals – innovativen Methoden der Schallplatten- und Tonbandaufnahmen. Seine Erkenntnisse konnten so wissenschaftlich überprüft und bestätigt werden. Damit wurde die Linie der Humanistischen Psychologie um einen grundlegenden und zentralen Bestandteil erweitert, aus dem sich viele andere humanistische Verfahren entwickelten. Das Konzept von Carl Rogers hat bis heute weltweit enormen Einfluss auf die Arbeit von Psychotherapeuten, Berater und Coaches und ist bis heute der am weitest verbreitete humanistische Ansatz im deutschen Sprachraum. Bereits 1942 stellte Rogers (Rogers 1942) die folgende Hypothese auf:
» „Wirksame Beratung besteht aus einer eindeutig strukturierten, gewährenden
Beziehung, die es dem Klienten ermöglicht, zu einem Verständnis seiner selbst in einem Ausmaß zu gelangen, das ihn befähigt, aufgrund dieser neuen Orientierung positive Schritte zu unternehmen“.
Rogers prägte damit die Basis für fruchtbare beratende und therapeutische Gespräche, die bis heute gültig ist und entscheidende Annahme der humanistischen Psychologie ist: Der Klient ist der „Wissende“ für seine Lösungen, nicht der Therapeut oder Berater. Damit wird – zum einen – jedem Menschen ein Streben nach einem inneren Sinn zugesprochen, der die Umsetzung seiner individuellen Fähigkeiten antreibt. Zum zweiten wird die Art der Beziehung zwischen Klient und Coach, als wichtiger Faktor benannt, da dieser – heute unumstritten – die wirkungsvollste förderliche Unterstützung ist – im Sinne von eigenmotivierten Lösungsfindungen. Rogers Absicht war es somit den Blick auf die Ressourcen einer Person, für die Person, zu frei zu machen, was heute für die meisten Unterstützungsformate selbstverständlich ist. > Der Personzentrierte Ansatz ist eine Persönlichkeitstheorie und eine
Beziehungstheorie.
Um Menschen in ihrer Selbstentwicklung – zu ihren Ressourcen hin – zu unterstützen, ist die wirkliche Begegnung zwischen Menschen zentraler Theorieteil, der auf der Annahme der Beziehungsangewiesenheit eines jeden Menschen gründet. Es bedeutet, dass sich der Mensch nur in entsprechend positiven Beziehungen konstruktiv entwickelt
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sowie hier Fehlannahmen korrigieren kann. Das hat zur Voraussetzung, dass die Person ein bedingungsfreies, wertschätzendes Klima antrifft. Um dieses zu schaffen kamen Rogers und seine Mitarbeiter im Verlauf ihrer Forschung zu dem Ergebnis, dass es dazu sechs Bedingungen sind, die zu konstruktiven Veränderungen bei den Klienten beitragen. Diese „Bedingungen für hilfreiche Gespräche“ sind bis heute unumstritten in ihrer Wirkung (Rogers 2009a, S. 46 f.) und in 7 Abschn. 2.4 ff. näher ausgeführt: 1. „Zwei Personen befinden sich im Kontakt“ 2. „Die erste Person, die wir Klient nennen, befindet sich in einem Zustand der Inkongruenz, sie fühlt sich verletzlich oder voller Angst“. 3. „Der Coach ist in der Beziehung zum Klienten kongruent, das heißt, sein Selbstbild und seine Art zu kommunizieren stimmen mit seinem unmittelbaren Erleben überein“. 4. „Der Coach bringt dem Klienten Wertschätzung oder emotionale Wärme oder akzeptierendes Verständnis entgegen.“ 5. „Der Coach erfährt empathisch den inneren Bezugsrahmen des Klienten“ 6. „Der Coachee nimmt, zumindest in geringem Ausmaß, das empathische Verstehen und die bedingungslose Wertschätzung des Coaches ihm gegenüber wahr“. Zunächst erkannte Rogers, dass es auf drei Bedingungen ankam, die die Selbst-Entwicklung des Klienten unterstützen, die häufig auch „Basisvariablen“, besser: „Kernbedingungen“ genannt werden. Es sind die, die das spezifische, personzentrierte Beziehungsangebot (. Abb. 2.1) ausmachen und die im 7 Abschn. 2.4.3 ausgeführt werden: 5 die unbedingt (ohne Bedingungen gegebene) Wertschätzung, 5 Empathie/das empathische Verstehen und 5 die Kongruenz oder die „Echtheit“ des Therapeuten/Coaches.
. Abb. 2.1 Personzentriertes Beziehungsangebot
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
Diese drei Kernbedingungen sind ein maßgeblicher Teil der Beziehungstheorie des Personzentrierten Ansatzes: in ihrer Umsetzung stellen sie den Wirkfaktor Beziehung her, der ein vertrauensvolles, entwicklungsförderndes Klima schafft. Später machte Rogers (vor allem mit der Aufstellung der 6. Bedingung) deutlich, dass der PZA nicht nur ein verbaler und linearer Austauschprozess ist und sich daher nicht auf die Gesprächstechnik und -haltung des Therapeuten reduziert. Vielmehr war und ist der PZA ein Angebot von „Person zu Person“ (Rogers 2009a, S. 28 ff.): jedes Beziehungsangebot, das einer Person entgegengebracht wird, hat einen Menschen als Gegenüber, der auf dieses Angebot reagiert – auf seine individuelle Weise. Mit der Auswertung des Fallmaterials wurde demnach deutlich, dass es ebenfalls den Prozess beeinflusst, 5 ob der Klient Kontakt herstellen und wie er von ihm gehalten werden kann, 5 welches „Thema“, welche Inkongruenz (7 Abschn. 2.4.2), der Klient mitbringt und 5 wie die Resonanz des Klienten, auf das wertschätzend-empathische Beziehungsangebot, ist. Diese drei weiteren Bausteine sind Bedingungen dafür, dass der Prozess wechselseitig in Gang kommen kann und auch Indikatoren dafür, wie der Klient 5 sich selbst und andere Menschen wahrnimmt, 5 Beziehungen gestaltet, 5 sich selbst, seine Person und Persönlichkeit, in diesem Kontakt erlebt. Wie der Klient dem Therapeuten (oder einer anderen Person) begegnet, ist auch das Ergebnis seiner Vorerfahrungen mit anderen Personen; mit diesen Erfahrungen nimmt der Klient Kontakt auf – zu Beginn und (zunächst) während des gesamten Prozesses. Die Antwort auf das Beziehungsangebot des Therapeuten beginnt somit mit der ersten Begegnung und spiegelt das Selbsterleben (. Abb. 2.2) des Klienten wider. Die oben angesprochene Inkongruenz, die den Anlass für das Coaching oder die Therapie darstellt, hat Rogers als „die unter Umständen vorhandene Diskrepanz zwischen dem Erleben der Person und ihrem bewussten Selbstkonzept“ erkannt (Rogers 1983, S. 43 f.). Da diese innere Unstimmigkeit ein zentraler Punkt ist, wird dieser noch in 7 Abschn. 2.4.2 gesondert aufgeführt. Daraus wird deutlich, dass solche Gespräche schnell an ihre Grenzen kommen, die 1. auf einer wertschätzend-empathischen Technik aufbauen. Dagegen verdeutlicht die englische Bezeichnung Person-Centered Approach (PCA = Ansatz, Annäherung) eher, dass sich das Vorgehen auf ein kongruentes Beziehungsangebot und die damit verbundene, humanistische Haltung bezieht. 2. Dieses personzentrierte Beziehungsangebot ist ein Angebot von Person zur Person – und somit muss auch mit einbezogen werden, wie die Person gegenüber auf dieses Beziehungsangebot reagiert. Aus diesem Zusammenspiel heraus kann das Personzentrierte Vorgehen das, was während des Prozessverlaufes „passiert“, als Klärungschance nehmen. „Beziehungsarbeit“ bedeutet hier, ein zwischenmenschliches Angebot zu machen, in dessen Verlauf der Klient sich mehr und mehr verstanden und akzeptiert fühlt und sich so mehr und mehr selbst verstehen und akzeptieren kann. Diese Entwicklung ist nur auf der Basis von Vertrauen, emotionaler Wärme und Wertschätzung möglich. Und dies kann keine Strategie sein, sondern muss den Kern einer echten, kongruenten Haltung ausmachen. Die psychodynamischen Wechselwirkungen zwischen Therapeut und Klient, bzw. zwischen Coach und Coachee, können dann erst im „Hier-und-Jetzt“ – in dem
11 Personzentrierter Ansatz
. Abb. 2.2 Selbsterleben der Person
g egenwärtigen Moment – sinnvoll bearbeitet werden. Daraus können dem Coachee hilfreiche, entwicklungsfördernde Angebote gegeben werden. Das Personzentrierte Angebot wirkt daher durch zwei Kräfte: 1. Das Beziehungsangebot des Coaches: Die eine Kraft des Personzentrierten Vorgehen ist, dass der Klient im Coach ein Gegenüber vorfinden soll, der ein Beziehungsangebot machen kann, das von Wertschätzung, Empathie und Kongruenz gekennzeichnet ist. 2. Das Selbsterleben des Coachees: Die zweite Kraft ist die Bewusstwerdung des inneren Erlebens und das äußere Zeigen dieses Erlebens, das sich in seiner Art der Beziehungsgestaltung wiederspiegelt. Erleben ist dabei der Prozess, der all das umfasst, was in der Person vorgeht und ihrem Bewusstsein zugänglich ist (vgl. Rogers 1983, S. 42 f.). Wie diese Art des Beziehungsangebotes umgesetzt werden kann, wird im 7 Abschn. 2.4 und 2.6 ff. ausgeführt. Übergreifend steht dabei das Erleben des Klienten und seine Erfahrungen im Fokus: 5 Wie erlebt sich der Klient in seiner Umwelt/seinem sozialen System, im Wechselspiel mit seinen Mitarbeitern, Kollegen, wichtigen anderen Personen? 5 Welchen Zugang hat er zu sich selbst, zu seinem inneren Bezugsrahmen (7 Abschn. 2.3.3)? 5 Was macht die Inkongruenz (7 Abschn. 2.4.2) aus? Die Fragen integrieren die entstehenden Wechselwirkungen und stellen ein großes Klärungspotenzial dar. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass Menschen sich in der Gestaltung der (Coaching-)Beziehung im Kern nicht anders verhalten können, als in anderen Beziehungen auch. Dieser Zusammenhang macht nochmal deutlich, warum
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
die drei Kernbedingungen entscheidend für die Bearbeitung dieser Themen sind; sie fördern einen vertrauensvollen Beziehungsaufbau in dem sich der Klient mehr zeigen kann, wie er wirklich ist. Denn da der Coachee sein Selbstbild, sein Selbsterleben und seine spezifische Art der Selbstexploration in den Coachingprozess trägt, ist das Beziehungsangebot eine Brücke: 5 In dem Maße, in dem der Coach wertschätzend dem Klienten gegenüber sein kann, ihn in seinen inneren Befindlichkeiten aus seiner Sicht verstehen kann und er selbst dabei in sich kongruent bleiben kann, wird das Beziehungsklima als „gut“ wahrgenommen. 5 In dem Maße, in dem der Coach der Selbst-Entwicklungsfähigkeit und einem Vorhandensein der Ressourcen des Klienten vertraut und ihn in seinem So-Sein annimmt, wird das Vertrauen in die Beziehung gestärkt. Dies sind unabdingbare Fundamente der Klärungsarbeit in unserem Coaching. > Eine „wirksame Beziehung“ ist eine vertrauensvolle Beziehung.
In diesem Wechselspiel kann der Coachee dem Coach mehr vertrauen und es dem Coachee so möglich werden, auch über unangenehme Zusammenhänge zu sprechen; er erfährt sich neu und kann seinem Selbst mehr trauen. Er wird mutiger, über solche Aspekte zu sprechen, die vielleicht bisher ein Risiko darstellten, da sie seiner Ansicht nach zu Ablehnung, Kritik, Missfallen führen könnten. Denn: wie häufig kommt es vor, dass Menschen mit ihrer Meinung auf Abwehr stoßen? Dass – auch unbeabsichtigt – wichtige Werte verletzt worden sind, oder wichtige eigene Normen und Regeln z. B. missachtet oder ins Lächerliche gezogen werden? Aus diesen Erfahrungen heraus werden Menschen vorsichtig und jede technisch-strategische Absicht einer „wertschätzende Beziehung“ verkehrt diese ins Gegenteil. Denn das, was in einer Beziehung passiert, wird in erster Linie unbewusst aufgenommen. > Der Personzentrierte Ansatz hat in seinen Wurzeln nicht nur eine Psychologie des
Individuums verankert, er ist ebenso ein systemisch-sozialer Ansatz: der PZA ist eine Persönlichkeitstheorie und eine Beziehungstheorie.
2.1 Humanistisches Menschenbild & Haltung
» „Kein Ansatz, der sich nur auf Wissen, auf Training, auf die Annahme irgendeiner Lehre verlässt, kann auf Dauer von Nutzen sein. Haltung ist entscheidend, nicht Worte.“ (Carl R. Rogers)
Unser Menschenbild prägt unsere Begegnungen mit anderen Menschen. Denn Menschenbilder bestimmen unser zwischenmenschliches Handeln, ob bewusst oder unbewusst: unser Menschenbild ist ein Autopilot für unsere Haltung. Es bestimmt, wie wir Menschen begegnen – nicht nur im Coaching. Carl Rogers Personzentrierte Theorie basiert auf dem humanistischen Menschenbild. Doch was macht dieses Menschenbild aus, welche Werte/Annahmen schließt es ein? Übergreifend gesehen gehören sechs Aspekte dazu, die unauflösbar miteinander verwoben sind: Das humanistische Menschenbild besagt, dass jeder Mensch
2.1 · Humanistisches Menschenbild & Haltung
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1. von sich aus „gut“ ist – er hat einen schöpferischen, konstruktiven Persönlichkeitskern. 2. nach Autonomie strebt: er möchte sein Leben selbst bestimmen 3. danach strebt, seinem Leben einen Sinn und Ziel zu geben. 4. anderen gegenüber gleichwertig und gleichberechtigt ist, in seiner Würde unantastbar. 5. eine ganzheitliche Körper-Seele-Geist-Einheit ist: ein aufeinander bezogenes System seiner inneren Denk- und Handlungsweisen und seiner psychischen Vorgänge. 6. im Spannungsfeld von Ich und Wir, von Autonomie und Interdependenz lebt: der Wunsch als autonomes Wesen einer Gemeinschaft zugehörig zu sein. Im steten Wechsel zwischen Beziehungsoffenheit und Beziehungsangewiesenheit. Auf diesen Annahmen schließt das humanistische Menschenbild eine grundsätzliche innerliche Bejahung des Gegenübers ein. Es ist ein Menschenbild, das den Menschen in seinem So-Sein akzeptiert, bejaht und wertschätzt. Es ist ein Menschenbild, das in der Konsequenz „den Menschen als Person versteht und ihm daher anerkennend begegnet, statt ihn – ihn zu erkennen suchend – zu objektivieren“ (Peter F. Schmid). > Alles was wir denken ist in einem Atemzug enthalten.
Es ist eine spezielle Art und Weise der Begegnung. Dabei steuert unsere innere Haltung nicht nur unser Handeln, sondern auch unser Denken und Fühlen. So gibt eine Haltung Orientierung und damit inneren Halt und unterscheidet sie daher auch von einer bloßen Einstellung. Von einer Einstellung kann man dann reden: wie ist die Stellung zu etwas oder jemandem, welche Meinung hat man sich gebildet? Doch eine Haltung zeigt sich auch darin, bestimmte Einstellungen abzulehnen und wohlmöglich entschieden zu bekämpfen. Damit zeugt Haltung auch von innerer Stärke. Denn eine Einstellung kann ausgrenzen – eine Haltung ist dagegen mit den Werten des „Wir“ vereinbar; d. h., sie darf anderen nicht schaden, darf nicht dogmatisch sein. Die humanistische Haltung beinhaltet deshalb Wertschätzung dem Anderssein gegenüber. Ohne dass alles, was eine Person tut, akzeptiert werden muss. Daraus können vier Thesen abgeleitet werden: z 1. Haltung unterscheidet das Verstehen vom Akzeptieren
Eine Person kann in ihrem entgegengesetzten Denken und Handeln verstanden werden und kann doch trotzdem für die eigene Person nicht annehmbar sein: Ich kann die Bedeutung die das Gesagte für den Coachee hat, verstehen, jedoch muss sein Handeln für mich nicht annehmbar sein. Ich kann verstehen, dass die Mitarbeiterin aus ihren privaten Gründen wieder zu spät kommt, muss es aber nicht akzeptieren. Verstehen beinhaltet daher emotionale Wärme, Respekt und Wertschätzung gegenüber des So-Seins der Person: Das Verstehen ihrer persönlichen Bedürfnisse, Werte, Motive, Ziele; nicht die Akzeptanz jeglichen Verhaltens. z 2. Haltung trennt die Sache von der Person
Die Wertschätzung der Person gegenüber, das Verstehen ihrer Handlungsmotivation schließt nicht aus, dass ich in der Sache, um die es gerade geht, klar und deutlich meine eigene Option zur Verfügung stellen kann und Forderungen ausspreche. Mit
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
klaren Ergebnissen in der Umsetzung, mit bestimmten an Aufgabenerfüllung, usw. Die Maßgabe lautet: Klar zu sein, in dem was die Sache betrifft, jedoch verständnisvoll und wertschätzend dem So-Sein der Person gegenüber zu sein. Und dabei das Eine vom Anderen zu unterscheiden: sich nicht auf persönliche Nebenpfade leiten lassen, die die Erfüllung der Sache nicht berühren. z 3. Haltung steht vor Technik
Wie eine Person zu einer anderen Person steht, welche Haltung gegenüber einem Menschen eingenommen wird, zeigt sich in Beziehungen. Auch in den angewendeten Techniken. Früher oder später wird es wichtiger, wie der Mensch reagiert und nicht wie kreativ die Technik ist. Das muss nicht bedeuten, dass keine Techniken benutzt werden sollten. Vielmehr soll hier schon darauf hinweisen, dass die Technik zweitrangig ist, denn: was passiert zwischen den einzelnen technischen Schritten? Beziehung. Und diese ist erhebliches Potenzial. Haltung lässt sich daher gerade in kritischen Situationen erkennen. Denn in „stressigen“ Augenblicken, dann, wenn nichtmehr auf kognitive Erklärungsmuster, auf gedanklich Umwege, auf Gelerntes zurückgegriffen werden kann, wenn nicht richtig oder falsch gefiltert und „durchdacht“ werden kann, dann wird Haltung sichtbar: In Situationen, in denen die Kontrolle des Bewusstseins vermindert ist reagieren Menschen intuitiv auf die eine oder andere individuell geprägte Art und Weise. Dies entspricht den Forschungen der Neurowissenschaften (z. B.: Hüther, Roth, Damásio): je mehr Daten verarbeitet werden müssen oder je weniger diese in den neuronalen Strukturen verankert sind, desto mehr entspringen Handlungsmuster dem Unbewussten, da die „Steuerungszentrale“, unser Großhirn, überfordert ist. Dieses „implizite Gedächtnis“ (Roth) ist nicht dem Bewusstsein zugänglich, aber bestimmt über Emotionen die (sprachliche) Handlung, das Verhalten einer Person leiten. Dann zeigen sich 5 Handlungen und Umgangsweisen die „typisch“ sind, 5 Reaktionsweisen einer Person die tief verankert sind, 5 eigene Werte, die häufig mit Einsatz verteidigt werden. Das humanistische Menschenbild lässt sich damit nicht „anwenden“, wenn es gebraucht wird, wie eine Technik. Es setzt voraus, dass die o.g. Aspekte mit einer wertschätzend-empathische Haltung verinnerlicht sind oder werden möchten. z 4. Eine Haltung ist etwas Echtes
Eine Haltung zu haben, bedeutet damit auch etwas Echtes zu haben – es kann keine Imitation von etwas oder jemandem sein. Es ist ein kongruenter Teil. Denn Haltung involviert einen bestimmten inneren Stil, der sich im Miteinander bewähren will und der Selbstreflexion offen und vertrauensvoll gegenübersteht. Eine humanistische, personzentrierte Haltung setzt deshalb auch voraus, in eine dialogische Begegnung eintreten zu wollen und zu können. Mit diesen Fragen können Sie Ihre (humanistische) Haltung überprüfen: 1. Wie konsequent zeige ich Haltung? Wodurch? 2. Wie stabil ist meine Haltung in kritischen Situationen? Welche Kompromisse gehe ich ein? Unter welchen Bedingungen? 3. Wie kompatibel ist meine Haltung mit einem konstruktiven Miteinander? Wie gradlinig und ehrlich anderen gegenüber?
2.2 · Die Person
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4. Wie anpassungsfähig bin ich mit meiner Haltung? Unterscheide ich „Verstehen“ von „Akzeptieren“? 5. Wie selbstreflexiv bin ich in meinem Denken, Fühlen, Handeln? Kann ich einen „roten, zwischenmenschlichen Haltungsfaden“ erkennen, der sich durch meine jüngere Biografie zieht? Trotz dem Willen und der empfundenen Sinnhaftigkeit kann es schwer, ja fast unmöglich sein, eine Haltung in den Verwirrungen der täglichen Einflüsse „durchzu halten“. Doch wer seine eigene Haltung ernst nimmt, kann sie immer wieder überprüfen und immer mal wieder darum kämpfen. Und das erfordert eben immer wieder neue Auseinandersetzung mit der momentanen Realität. Es ist die Herausforderung der Wirklichkeitsbezogenheit: Sie mögen einen, von Verständnis und Hilfsbereitschaft geprägten Umgang mit Ihren Kollegen pflegen. Doch wenn Ihr Verständnis häufig für eigennützige Dinge ausgenutzt wird, dann müssten Sie mal auf klare Ansagen und Grenzen setzten (und das schließt sich gegenseitig nicht aus – vgl. 1.und 2. These). Die Relevanz für das Coaching ist: Wenn eine humanistische Haltung verinnerlicht ist, bedeutet dies in der Folge auch die Abkehr von einem Coachingvorgehen, indem der Coach sich als „Experte“ für Probleme der Klienten sieht. Denn aus dieser Haltung heraus kann nicht gedacht werden, dass ein Coach als Fachkraft dafür gerufen wird, um zu erfahren wie man in Beruf und im Privatem „richtig“ agiert. Denn: wie kann jemand Fachkraft für etwas sein, was doch autonom und individuell sinngebend von jemand anderem ausgefüllt werden muss? Daher sollten Coaches als Experten dafür ausgebildet sein, nicht in diese Expertenrolle hinein gedrängt zu werden und auch dafür Experten sein, eine solche Expertenrolle selbst vermeiden zu können. Doch manchmal können auch eigene Bedürfnisse, eigene Hilflosigkeit oder krisenhafte Situationen schnell dazu verleiten, sich hinter der Rolle des wissenden Experten verstecken zu wollen. Davor schützt eine Haltung auch: vor Verführungen die nicht kongruent sind. Aus einer kongruenten Haltung heraus können Coaches somit ehrlicher mit sich selbst 5 in einen Dialog eintreten, 5 der Person als Person begegnen und 5 sich nicht dazu verführen lassen, sich als Experte für die Anliegen der anderen Person zu fühlen. Kongruent arbeitende Coaches finden eher das Individuelle, das aktuell Relevante für die Person und mit der Person. Dann trägt Coaching zu einem tieferen, grundlegenden Verstehen der eigenen Person bei; zu einer Haltung, die Orientierung auch in schwierigen Zeiten gibt. 2.2 Die Person
Warum heißt es eigentlich der „Person-zentrierte Ansatz“ – und nicht der „Personen-zentrierte“? Wo bleibt bei der Einzahl der Gedanke, dass eine Person Teil eines Systems ist, dass das Umfeld mit betroffen ist und einbezogen werden muss? Warum hat Rogers in seinen späteren Überarbeitungen der „Gesprächspsychotherapie“ zur „Personzentrierten Psychotherapie“ nicht die Mehrzahl im Titel seiner Theorie gewählt?
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
Nun, zunächst: Carl Rogers war Amerikaner und „Person“ ist aus dem Amerikanischen übernommen worden – es ist eine Übersetzung des „Person-Centered Approach“ und eben nicht „People-Centered“. Und spricht man von der Person, so ist damit eine einzelne Person gemeint. Und zu dieser Person zugehörig ist ihre eigene, individuelle Persönlichkeit. Der Begriff „Persönlichkeit“ deutet darauf hin, dass ein Mensch im Verlauf seiner Lebensgeschichte und Entwicklung, sich eine spezifische Art und Weise einer inneren Haltung angeeignet hat (vgl. Rogers und Schmid 2004). > Person ist jeder Mensch von Anfang an, Persönlichkeit bekommt er erst.
Persönlichkeit ist somit das individuelle So-Sein einer Person, die diese als einzigartig ausmacht. Damit ist alles, was eine Person ausmacht, in der Person enthalten: Ihre Wünsche, Hoffnungen, Ängste und Fähigkeiten. z Erste Person, Einzahl: ICH
Und doch ist es nicht denkbar, dass eine Person ohne andere Personen, zur Persönlichkeit werden kann. Eine Person entwickelt sich durch das Miteinander – denn „Das Ich wird Ich erst am Du“ (Viktor Frankl). Aus diesem Grund entzieht sich „die Person“, mit ihren persönlichen Eigenarten, auch jeglicher Objektivierung: keine Person ist einer anderen Person gleich, in ihrem Denken, Fühlen, Handeln, mit ihren Begabungen und mit ihrer Sicht auf die Welt. Und da die Person zur Persönlichkeit auch durch andere Menschen geworden ist, ist eine der entscheidenden Frage im Coaching: „Wer bist du in Beziehung?“ 5 Das fragt nicht nur nach dem So-Sein, sondern auch nach dem Geworden-Sein. Und ob das erste mit dem zweiten kompatibel ist. 5 Das fragt nicht nur nach „Persönlichkeit“, sondern danach, in wie weit diese Persönlichkeit mit der Person im Hier-und-Jetzt übereinstimmt. Denn eine Person entwickelt sich, aufgrund der vielfältigen Einflüsse, nicht nur entlang ihrer genuinen inneren Möglichkeiten. Sondern eine Person orientiert sich in ihrer Entwicklung auch an den äußeren Möglichkeiten, die ihr soziales Umfeld ihr bietet; und speichert die Wünsche, Hoffnungen, Ängste anderer wichtiger Personen in sich selbst ab – und nimmt eine Vielzahl davon als ihre eigenen an. z Erste Person, Mehrzahl: WIR
Das so entstandene, innerliche „Wir“ zeigt die Ver-Bindung zur äußeren Welt – zur Außenwelt; z. B. zur Familie und zu wichtigen Menschen in anderen Gruppen. Dieses „Wir“ ist eingeatmete, verinnerlichte Orientierung, Zugehörigkeit, Sicherheit, die in einer Person wirken – in Form von wichtigen Werten. Und diese beinhalten wiederum Regeln, Normen und Einstellungen, auf deren Basis sich verhalten wird. Und in der Folge sind tief greifende Antworten, auf die kleinen und großen beruflichen und Lebens-Fragen, somit nur in der Person selbst zu suchen. Denn: „Alles was ich denke, ist in einem Atemzug enthalten“ – und das Ausatmen, das in Kontakt treten, beinhaltet die Verbindung von Ich und Du: 5 Was die Person in ihrem So-Sein ausmacht. 5 Welche Erfahrungen sie in dieser, ihrer Entwicklung gemacht hat. 5 Welche Bedeutungen diese Entwicklungserfahrungen für sie haben. 5 Welche Bewertungen sie verinnerlicht hat. 5 Wie sie sich selbst, im Wechselspiel mit anderen, erlebt.
2.3 · Die Persönlichkeitstheorie
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Und aus diesen Verknüpfungen heraus ist jede Antwort, auf eine Entwicklungsfrage im Coaching, in der Person selbst zu finden. Und kann nicht in anderen Personen gefunden werden. Und aus diesen Zusammenhängen heraus ist nachhaltige Unterstützung vor allem in einer wertschätzend-empathischen Begegnung zu finden: Indem gefördert werden kann, dass eine Person sich selbst und dem Coach, vertrauensvoll begegnet. Der Singular „Person“ beinhaltet somit alles was einen Menschen ausmacht. Es ist nicht wichtig was andere Personen denken, fühlen und was sie tun würden, um eine Situation oder sich selbst zu ändern. Denn maßgeblich – weil motivationsfördernd – ist es, wie DIE EINE Person denkt, fühlt, handelt: 5 wie sie sich und anderen Personen begegnet, 5 wie sie sich und andere Personen, mit ihrem Fühlen, Denken, Handeln bewertet, 5 welche Bedeutung sie diesem beimisst und 5 wie sie (sich) in diesem Zusammenspiel emotional er-LEBT. > In einer Person sind alle Ressourcen angelegt und alle Antworten auf ihre Fragen
enthalten.
Auch solche, die sie für die (langfristige) Bewältigung einer spezifischen Situation benötigt. Und wenn nicht, dann ist es nicht die passende Situation, um nachhaltig, energievoll und gesund darin bleiben zu können. Diesen Unterschied herauszufinden, ist Aufgabe der Begegnung in unserem Coaching. Mit dem, was in einer Person da ist. 2.3 Die Persönlichkeitstheorie
Von der Vielzahl der Ereignisse, mit denen wir Menschen aufwachsen, wird nur „ein sehr geringer Teil“ bewusst „erfahren“ und ein weit größerer „sinkt ins Unbewusste ab“; und doch bilden alle – bewusste und unbewusste – Erfahrungen die Basis für die Wahrnehmung der „Realität“ einer Person (Rogers 2009a). Dabei schreiben Menschen jeder ihrer Wahrnehmungen eine kleinere oder größere Bedeutung zu und bewerten damit das Wahrgenommene: sie machen sich das Objektive subjektiv bedeutsam. Diese Bewertungen bestimmen den „Status Quo“ von individuellen Eindrücken, Gedanken, Gefühlen, die jede Person einzigartig machen; die sie zur Persönlichkeit werden lassen. Carl Rogers setzte in seiner humanistischen Persönlichkeitstheorie voraus, dass jede Person ein inhärentes Motivationssystem und ein Regulationssystem besitzt: einen organismischen (die Gesamtheit von Geist, Körper, Seele) Bewertungsprozess, der durch seine zirkulären Rückmeldungen den Organismus auf die Befriedigung seiner motivationalen Bedürfnisse ausrichtet (Rogers 2009b, S. 57). Dieses System beinhaltet auch das Bedürfnis nach Wachstum: 2.3.1 Die Aktualisierungstendenz
Ein zentraler Punkt auf der Landkarte, der Personzentrierten Theorie von Carl Rogers, ist die Aktualisierungstendenz (. Abb. 2.3). Es ist eine, im Organismus jeder Person enthaltene, Tendenz zur Entwicklung all ihrer geistigen, seelischen und körperlichen Möglichkeiten. Diese entspricht in gewisser Weise einer Lebensader; einer unterirdischen Ader, die nicht unmittelbar sichtbar ist, die jedoch Kraft und Energie fließen
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
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. Abb. 2.3 Aktualisierungstendenz
lässt und dafür sorgt, dass der Mensch wächst und sich entwickelt: aus sich selbst heraus, mit all seinen Möglichkeiten. In diesem Sinne ging Rogers von der Prämisse aus,
» „… dass der Mensch im Grunde ein vertrauenswürdiger Organismus ist, der fähig ist, die äußeren und innere Situation abzuschätzen und der sich auch selbst so versteht, dass er konstruktive Entscheidungen in Bezug auf die nächsten Schritte im Leben treffen und nach diesen Entscheidungen handeln kann“. (Rogers 1978, S. 26)
Wenn also die Existenz einer derart wirkenden Aktualisierungstendenz angenommen wird, muss in der Konsequenz auch anerkannt werden, dass der Coachee Potentiale für die Bewältigung seiner Situation in sich trägt. Und dass ihm vertraut werden muss, dass er um seine „Lösungen“ weiß – und nicht das Gegenteil verlangt werden kann: dass der Coach weiß, was gut für den Coachee ist. Denn wenn angenommen wird, dass es mit der Aktualisierungstendenz ein in der Person verankertes „übergeordnete Sinn- und Entwicklungsprinzip menschlichen Verhaltens und Erlebens“ (Rogers 2009b, S. 26 f.) gibt, dann kann sich keine andere Person über dieses Prinzip mit ihrem Wissen stellen. Sie kann nur ihre Aufgabe darin sehen, dass die „Umweltbedingungen“ (im Coaching) so gut sind, dass sich diese organismische Tendenz entfalten kann. Rogers spricht in diesem Zusammenhang von der „Erhaltung von Fertigkeiten und Potenzialen sowie von der Entfaltung von Selbstverantwortlichkeit und Ausschöpfung der eigenen Ressourcen“ (Rogers 1951, 2009a). Hintergrundinformation Der Sommer 2019 war heiß. Zu heiß für den Wald. Viele der Bäume starben ab. Viele andere konnten sich gerade noch erhalten. Sich entfalten und wachsen konnten die Wenigsten: die Umweltbedingungen waren so schlecht, dass die Natur nur ihr Überleben sichern, jedoch kaum gedeihen konnte. Erhaltung und Entfaltung ist das grundsätzliche Prinzip des Wachstums, das jedem biologischen System – ob Einzeller oder Mensch – eigen ist. Dieses biologische Prinzip hatte Rogers (in Anlehnung an Kurt Goldstein, mit den Mitbegründern der Humanistischen Psychologie Virginia Satir und Abraham Maslow) als „Aktualisierungstendenz“ auf den Menschen übertragen. Sein erstes Studium der Agrarwissenschaft hatte diesen Blick vielleicht geschärft. Auch wenn das menschliche System ein viel komplexeres ist, so
2.3 · Die Persönlichkeitstheorie
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lässt sich das Prinzip der Aktualisierungstendenz, wenn auch vereinfacht, im Sinne Rogers damit erklären: Der Mensch strebt nach Entfaltung seiner Möglichkeiten, seiner Potentiale. Doch wenn die Umweltbedingungen nicht förderlich sind, dann versucht die Person geistig-seelisch nur zu „überleben“ indem sie tut was möglich ist, und nicht was ihr möglich ist.
Die Aktualisierungstendenz unterstreicht damit das Verständnis von einer Persönlichkeitstheorie, in deren Betrachtungsweise jeder Mensch von einem inhärenten Motivund Regulationssystem geleitet ist: jeder Organismus strebt danach, seine Prozesse der Lebensregulation zu optimieren (Hüther 2013; Damásio 2000), so auch der menschliche. Und da der Mensch ein höher entwickeltes Wesen ist bezieht sich diese Entwicklung nicht nur auf körperliches sondern auch auf das geistig-seelische Wachstum, mit Konsequenzen auf das soziale Miteinander. Und so sind die vom Organismus angestrebten Erfahrungen prinzipiell Wachstum fördernde. Der Personzentrierte Ansatz geht somit von der Annahme aus, dass jeder Mensch von Geburt an „gesund“, „okay“ in dem Sinne ist, als dass er über einen selbstwirksamen, konstruktiven Persönlichkeitskern verfügt. Die Aktualisierungstendenz (. Abb. 2.3) steht also für das Bedürfnis eines menschlichen Organismus, sich selbst – körperlich, geistig, seelisch – in konstruktiver Weise zu entwickeln. Daher werden aktuelle Erfahrungen auch danach bewertet, ob sie förderlich oder schädigend für die Person sind. Doch drängt sich die Frage auf: wenn der Organismus sich in derart, aus sich selbst heraus positiv entwickeln kann, mit und an seinen genuin verankerten Möglichkeiten wachsen kann – warum gelingt eine konstruktive Entwicklung manchmal (mit verschiedenen Abstufungen) nur mehr oder weniger, manchmal nicht zufriedenstellend für die Person (oder für andere)? Um diese Frage zu beantworten, entwickelte Rogers zusammen mit der Theorie der Persönlichkeit, die Theorie der Entwicklung durch Beziehung. Damit konnte er erklären, wie sich eine Person zur Persönlichkeit entwickelt; wie die Bildung des Selbstkonzeptes, das Selbstbild, das eine Person von sich hat, entstanden ist und welche Relevanz diese Entwicklung für die Person selbst hat – und somit auch für die Arbeit im Coaching. 2.3.2 Selbstaktualisierung, das Selbst und das Selbstkonzept
Wie wird eine Person zur Persönlichkeit? Was macht sie selbst – ihr Selbst – aus? Hinweise dazu geben (sich) Menschen ständig: immer dann, wenn eine Person von sich selbst spricht; wenn sie einen Satz bildet, der „ich“, „meiner“, „mir“, „mich“, enthält. Mit diesen Pronomen bezeichnet eine Person einen aktuell wahrgenommenen „Zustand“ in sich. Dieser zeigt Sichtweisen der eigenen Person an, Teile des „Selbst“ und die Vorstellung die die Person von sich hat, so wie sie sich selbst sieht: Wer bin ich Selbst? Das Selbst, mit seinen besonderen Eigenheiten, Erfahrungen, Beurteilungen, ist daher nach Rogers eine „organisierte, in sich geschlossene Gestalt“ (Rogers 2009b, S. 31). Es ist das Zentrum der Muster oder auch „Schemata“, die wir in uns tragen. Und beinhalten damit auch Bewertungsbedingungen, die eine Person früh entwickelt und in der Konsequenz ein Weltbild – ihre eigene Landkarte – hat entstehen lassen, über
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
die Art und Weise wie z. B. „richtig“ miteinander umgegangen werden soll (Rogers 2009b, S. 60). Dieses Selbst ist durch langanhaltende, frühe Entwicklung, durch „zahllose richtungsidentische Konditionierungen“ (Rogers 2009b, S. 31 f.) geprägt worden. Also durch immer wiederkehrende Erlebnisse, besonders in Beziehung mit wichtigen Menschen: durch das „wir – uns – unser“. Durch diese ständigen Wechselwirkungen ist die Entwicklung der Persönlichkeit, bereits ab dem Zeitpunkt der Geburt dem Einfluss von Umweltbedingungen und Personen unterlegen. Die Energie, die in der Aktualisierungstendenz enthalten ist, kann sich zum Teil nicht entfalten. Denn das Kind ist in seiner Bedürfnisbefriedigung von den Bedingungen der Umwelt abhängig und kann sich nicht nur nach seinen inhärenten Motivationen, nach seinen Bedürfnissen, ausrichten. Das betrifft auch die „Grundversorgung“ die die Aktualisierungstendenz „einfordert“: Das Verlangen nach der Befriedigung geistig-seelischer und körperlicher Grundbedürfnisse, wie Nahrung, Geborgenheit, Zugehörigkeit usw., um damit wachsen zu können. So werden schon früh basale Bedürfnisse, die mit spezifischen Emotionen einhergehen, häufig frustriert, da sie nicht mit den Gegebenheiten der Umwelt übereinstimmen. Bei der Beobachtung eines hungrigen Säuglings wird deutlich, dass zum Beispiel das Schreien, das zur basalen Überlebensstrategie des Menschen gehört, häufig nicht zum Ziel der sofortigen Befriedigung des Bedürfnisses nach Wohlbefinden, nach Nähe oder Nahrung führt. Der Säugling ist angewiesen auf externe Regulation seiner (emotionalen) Spannungszustände und es ist unschwer zu überhören, dass schon das kleine Wesen seine Bedürfnisse unter hochenergetischem Verhalten kenntlich machen kann (vgl. Franz 2017, S. 15 ff.). Wenn auch nachvollziehbar und „rechtmäßig“, so wird im Verlauf der Entwicklung diese starke Überlebens-Energie häufig negativ belegt: Das Kind ist lieb oder böse, wenn es nicht schreit/schreit. Umgekehrt wird später die Mutter als „böse“ bezeichnet, wenn sie nicht für eine Bedürfnisbefriedigung sorgt, anstatt festzustellen „Ich fühle mich schlecht.“ So ist das Urteil des Kindes über seine Mutter schon früh mit der Erfüllung oder dem Versagen seiner Wünsche gekoppelt. Diese Urteile werden als Erfahrungen im Körper gespeichert und der Organismus beantwortet später die spezifische Situation – obwohl „lieb/böse“ ursprünglich auf eine emotionale Reaktion zurückgeht, bzw. auf die Nichterfüllung eines Bedürfnisses. Die Folge ist, dass emotionale Reaktionen häufig ausgeschlossen, verdrängt werden, sobald jemand zum Beispiel als „böse“ wahrgenommen wird (vgl. Perls 1978; vgl. Rogers bspw. 2009).
Rogers schildet jedoch auch das ganz alltägliche Dilemma, dass es nicht möglich ist, alle Bedürfnisse des Kindes zu befriedigen – sondern dass es „nur“ das Ziel sein kann, die Bedürfnisse und Empfindungen zu verstehen und dabei zu unterstützen, diese als die seinen zu akzeptieren – und nicht die eigenen Empfindungen abzuleugnen, sondern es zu befähigen, die momentanen Bedürfnisse (organismischen Erfahrungen) auch den Erfordernissen der Umwelt anpassen zu können. Zusätzlich wird von einer (wichtigen) Person bewertet, ob ein Verlangen oder ein Verhalten des Kindes „richtig“ ist, ob es angemessen ist. So entstehen Bewertungen, nach denen sich das Kind ausrichtet, ausrichten muss: das finden meine Menschen
2.3 · Die Persönlichkeitstheorie
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„gut“ (an mir), das nicht. Durch diese Zuschreibungen „wichtiger Personen“ entstehen die Grundpfeiler von Bewertungsbedingungen. Zuschreibungen, die schon früh vom Kind übernommen werden. So wird das Kind seine Persönlichkeit, sein Selbst, im steten (emotionalen) Abgleich mit anderen entwickeln. Die Beziehungsgestaltung zu wichtigen Personen ist damit elementar für persönliche Entwicklungsprozesse und für die Ausbildung des Selbstkonzeptes. Der Begriff des Selbstkonzeptes nimmt daher für Rogers eine zentrale Position ein, da er sich aus einem Wahrnehmungsdreieck bildet: a) den Beziehungserfahrungen zwischen dem „Ich“ und dem „Wir“, b) den verschiedenen Lebensumständen und c) den Bedeutungen und Bewertungen, die von der Person allen Erlebnissen zugewiesen werden. Das Kind kann so zum Beispiel gelernt haben, dass es wichtig ist „schön ruhig zu spielen“, da es dann von seinen Bezugspersonen positive Zuwendung erhält. Und unabhängig von seinem eigenen Bedürfnis nach Bewegung, bewertet es dann bald selber „ruhig sein“, als positiv und nimmt es in sich als erstrebenswerte Eigenschaft auf. Der Impuls aus der Aktualisierungstendenz, die Motivation zur Bewegung, unterliegt dem höheren Bedürfnis nach positiver Beachtung – das Kind ändert seine eigenen Bewertungsbedingungen; dann spricht man von „introjizierten Bewertungen“. Rogers formulierte es so:
» „Eine Bewertungsbedingung entwickelt sich, wenn die positive Beachtung einer Bezugsperson an Bedingungen geknüpft ist …“ (Rogers 2009b, S. 60).
> Die Schnittmenge von organismischen Erfahrungen nennt Rogers „Kongruenz“: die
Person erlebt sich so, dass sie ihren organismischen Bedürfnissen und gleichzeitig ihrem Selbstkonzept entspricht.
Diese Bedingungen müssen nicht immer ausgesprochen werden, sondern wirken in der Regel latent. Es entsteht eine Ausrichtung an (impliziten) Reaktionen anderer, die die Selbst(be)achtung bestimmen – u. U. in Divergenz zu den eigenen organismischen Bedürfnissen, aus der Aktualisierungstendenz. So entsteht ein ursprünglicher (realer) und ein idealisierter Teil des Selbst. Es kann also festgehalten werden, dass erst aus der Interaktion mit der Umwelt heraus sich das Selbst einer Person entwickelt: das Selbstkonzept (Rogers 2009b). Die Selbst-Aktualisierung ist damit Teil der Aktualisierungstendenz (. Abb. 2.4 und 2.5). Die Selbstaktualisierungstendenz (. Abb. 2.4) übernimmt dabei die Aufgabe, das Selbstkonzept so zu gestalten, dass mit ihm die positive Beachtung, die Zuwendung, von wichtigen Personen gesichert wird. Dadurch entsteht langfristig das eigene Bild vom „Ich-bin“ der eigenen Person: durch die Zuschreibungen, die von außen auferlegt wurden und mit der Person übereinstimmen und die Zuschreibungen die auferlegt wurden und nicht mit der Person übereinstimmen, jedoch verinnerlicht werden. Die Selbstaktualisierung passt die Wahrnehmung des eigenen So-Seins an die Umweltanforderungen an. Das Verlangen nach Bedürfnisbefriedigung ist ein (auch unbewusst) zielgerichtetes Verhalten. Dieses Verhalten wird immer von Emotionen begleitet, die die Integration und Konzentration auf das Ziel hin unterstützen – oder auch nicht. Denn Emotionen
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
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. Abb. 2.4 Selbstaktualisierungstendenz
. Abb. 2.5 Selbstaktualisierung als Teil der Aktualisierungstendenz
bewerten die Wahrnehmungen – unabhängig davon, ob diese dem Bewusstsein zugänglich sind (Rogers 2009a). Diese Hypothese bestätigt auch der Neurowissenschaftler Roth, indem er feststellt: „Wie auch immer das Resultat rationalen Abwägens lauten mag, es unterliegt der Letztentscheidung des limbischen Systems, denn es muss emotional akzeptabel sein“ (Roth 2003, S. 526 f.). Das limbische System, als emotionales Bewertungssystem, beurteilt Geschehnisse danach, ob sie gut oder schlecht für den Organismus sind. Diese Erfahrungen sind überwiegend unbewusst und setzen sich aus den Erfahrungen zusammen, die immer unbewusst waren, und solchen, die einmal bewusst waren und dann ins Unbewusste abgesunken sind. „Diese Gesamterfahrungen bestimmen die Art wie wir uns zu uns selbst und zu unserer Umwelt verhalten.“ (Roth 2003, S. 526 f.). Und wenn eine Erfahrung unterschwellig, als mit dem Selbstkonzept nicht vereinbar wahrgenommen wird, dann werden diese Erfahrungen verzerrt: so verändert, dass sie zum Bild über sich selbst passen. Erfahrungen werden passend gemacht (Rogers 2009a, S. 31).
2.3 · Die Persönlichkeitstheorie
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Beispiel Wenn das Selbstkonzept eines Mitarbeiters das Merkmal enthält „Ich bin ein schlechter Informatiker“, dann kann er ein Lob von seinem Vorgesetzten zwar hören, jedoch innerlich nicht annehmen, da es von ihm nicht in Übereinstimmung mit seinem Selbst gebracht werden kann. Der Mitarbeiter wird das Lob dann umdeuten, passend machen, vielleicht mit Gedanken wie „Der Chef hat eben auch keine Ahnung“, oder „Das hat nur geklappt, da mir der Kollege XY geholfen hat“.
Das Selbst besteht damit aus zwei Teilen: einmal dem Teil, der der organismischen Aktualisierungstendenz gerecht werden will, der die realen neuropysiologischen und motorischen Funktionen beinhaltet. Zum zweiten aus dem Teil, der den Anforderungen der Umwelt entsprechen will (und doch seine organismischen Grundbedürfnisse, die auch aus der Aktualisierungstendenz gespeist werden, sichern muss) – einem Idealselbst „So soll ich sein“. Der personzentrierte Ansatz geht damit von zwei Energiefeldern (. Abb. 2.6) aus, die die Entwicklung eines Menschen bestimmen: 1. Das autonome Energiefeld: Die innere Kraft der Aktualisierungstendenz, die alle organismischen – geistig, seelisch, körperlichen – Lebenskräfte aktivieren will. 2. Das soziale Energiefeld: Die Beziehungsangewiesenheit, mit der sich nach den Erfordernissen und Anforderungen der Umwelt ausgerichtet wird und aus der sich das Selbstkonzept bildet. Das Verhalten einer Person kann daher als zielgerichteter Versuch der Person verstanden werden, ihre erlebten Bedürfnisse nach „Aktualisierung“, in der von ihr wahrgenommenen Realität, zu befriedigen (Rogers 2009b, S. 56). Das kann zu Irritation führen, weil die „Realität“ eben stets abhängig davon ist, mit welcher Landkarte eine Person ihre Realität von der Welt sich zu eigen macht. Diese Landkarte kann zum
. Abb. 2.6 Energieverwendung
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Beispiel das Muster enthalten, dass eine Kritik an einer Sache, mit einer Kritik an der Person verbunden ist und dann mit irritierender Vehemenz die Person ihr Bedürfnis nach Anerkennung einholen will. Diskrepanzen zwischen eigenen Bedürfnissen und den Anforderungen und Möglichkeiten die die Umwelt zulässt, können jedoch nur bedingt kompensiert werden. Je größer und bedeutender diese Diskrepanz ist, desto mehr wird sich die Person in einem Zustand der Inkongruenz befinden (vgl. 7 Abschn. 2.4.2). Eine der wesentlichen Fragen im Coaching ist daher, wofür die Person ihre Energie nutzt: für die Erhaltung des Selbstkonzeptes, oder für die Selbstentwicklung? Die Beantwortung dieser Frage ist zentraler Bestandteil im Coaching und ist Teil der Klärung der Inkongruenz. Denn nur die Energieverwendung für die Selbstentwicklung gibt wiederum Kraft und Energie die sich in langfristiger Motivation „für etwas“ zeigt. 2.3.3 Der Bezugsrahmen
Der innere Bezugsrahmen (. Abb. 2.7) ist ein komplexes System unserer Gefühle, Annahmen, Einstellungen, Fantasien. Er beinhaltet die Gesamtsichtweise von der Welt, alle Landkarten, und ist somit das Metaprogramm für die Organisation des Selbst: Der Bezugsrahmen bestimmt das Selbstverständnis eines Menschen durch die individuelle Wahrnehmung der Realität. Dieses Wissen lässt sich als Zusammenstellungen über die
. Abb. 2.7 Innerer Bezugsrahmen
2.3 · Die Persönlichkeitstheorie
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subjektiv erfahrene Welt beschreiben – aus einer inneren und äußeren Perspektive, mit ihren charakteristischen Eigenarten. Rogers unterscheidet daher drei Arten von Wissen, die aus unterschiedlichen Erfahrungsquellen fließen: 1. Die erste Art des Wissens ist die, die aus dem eigenen, „inneren Bezugsrahmen“ entspringt. Hierzu kann eine Person auf sich selbst schauen, sich selbst erforschen und sich selbst – ihr „Ich und Mich“ – bewusster machen. Der innere Bezugsrahmen ist damit unsere ursprüngliche Informationsquelle – unsere „Primärquelle“ der Erfahrungen und des Erlebens. Wie oben schon beschrieben wurde, sind diese Wahrnehmungen gefiltert durch sehr frühe, biografische Erfahrungen, die mit vielfältigen Emotionen belegt sind. Diese innere Informationsquelle kann uns Orientierung geben, mit der wir uns in der Welt zurechtfinden können; sie kann uns Auskunft darüber geben, wie wir uns gerade fühlen. Sie bewertet aber auch die Menschen und Situationen emotional, ordnet sie ein und leitet unser subjektives Bild der Welt, unser subjektives Empfinden Personen gegenüber, in spezifischen Situationen. „Herr Meier ist einfach unorganisiert“. „Frau Schulze redet wirklich zu schnell“. Sie kennen wahrscheinlich viele solcher, alltäglicher Sätze. Es sind Beispiele für die Subjektivität unserer Wahrnehmung. Denn wir vergleichen und selektieren die für uns wichtigen Elemente, aus der Vielzahl der Informationen, die in jeder Minute auf uns einströmen. Und jede dieser Informationen hat unterschiedliche Bedeutungen für uns, die mit unterschiedlichen Emotionen einhergehen. Somit kann ein Innenblick uns Auskunft geben, z. B. über unsere Beweggründe einer Bewertung und über unsere momentane Stimmung – wenn wir sie selbsterforschend befragen. Im inneren Bezugsrahmen sind alle Erfahrungen „gerahmt“, die wir im Verlauf unserer Biografie gemacht haben. Und damit auch unsere Beurteilungen: in welchem „Bezug“ eine Erfahrung steht – also in welche Beziehungen wir sie zu anderen Erfahrungen setzen: ist etwas gut oder schlecht, richtig oder falsch für uns? Denn wir können nur dann etwas als gut oder schlecht, beglückend oder traurig, oder überhaupt einen Wert abschätzen, wenn wir Vergleichsgrößen haben. Das gilt für die Kosten für ein Pfund Kaffee genauso wie die Einordnung persönlicher Erfahrungen. Und dieser Bezugsrahmen – unsere Erlebnisse und Erfahrungen – ist nicht völlig dem Bewusstsein zugänglich, sondern zum großen Teil unbewusst (vgl. 7 Abschn. 3.6). Und obwohl wir unterschiedlich bewussten Zugang zu unserer subjektiven Erfahrungsquelle haben, ist doch alles was wir tun, sagen, fühlen, diesem Rahmen entsprungen. Für manches haben wir Argumente und Erklärungen, für anderes nicht: dann wissen wir nicht warum wir etwas gesagt oder getan haben. Ahnen, dass wir im Moment etwas als „super“ oder „blöd“ empfinden, aber kennen vielleicht nicht sofort den Grund dafür. Wir fühlen uns nur „irgendwie“ gut oder schlecht. Der innere Bezugsrahmen ist unsere Erfahrungsquelle, die Handlungen leitet und bewertet. Ob uns das bewusst oder nicht bewusst ist. Die Überprüfung der eigenen Empfindungen – Freude, Ärger, Ohnmacht, … – kann daher nur erfolgen, wenn wir diesem inneren Bezugsrahmen zuhören und ihn befragen. Und somit authentisches Wissen zugewinnen: Wie geht es mir gerade? Brauche ich im Moment Ruhe? Bin ich glücklich? Solche und ähnliche Fragen können nur mit
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
einem nach innen gerichtetem Blick, mit dem Blick auf den inneren Bezugsrahmen beantwortet werden.
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> Emotionen bewerten die Wahrnehmungen – unabhängig davon, ob diese dem
Bewusstsein zugänglich sind.
Wie viel wissen Sie über sich? Könnte es in Ihrer Welt Orte, verborgene Ecken geben, die Sie (noch) nicht kennen? Die Sie vielleicht nur vor-bewusst ahnen? Wie würden Sie reagieren, wenn Sie jemand darauf aufmerksam machen würde? Würde es einen Unterschied machen wie dieser Mensch dies tut und wie die Qualität ihrer Beziehung zueinander ist? Jeder Mensch fühlt, denkt, handelt aus seinem eigenen, individuellen Bezugsrahmen heraus. Es ist seine „kleine Welt“. Und es gelingt Menschen in unterschiedlichem Maße, sich mit der eigenen Welt auseinander zu setzten oder über die Grenzen dieser Welt herauszusehen. Wie schwer kann es daher manchmal sein, sich in die Welt des anderen einzudenken oder gar einzufühlen. Sich vorzustellen, wie andere Welten, jenseits der eigenen Grenzen, „funktionieren“ und sich fühlen könnten – daher ist empathisches Verstehen können wichtig. Denn Wahrnehmung ist immer subjektiv: Alle Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse werden vor einem individuellen Hintergrund interpretiert und verarbeitet und werden zu unserer Wirklichkeit. Sich diese – teilweise unbekannte – Wirklichkeit im Coaching anschauen zu können, bedeutet, sich auf eine fremde Welt einlassen zu wollen und diese verstehen zu wollen. Es bedeutet Informationen aufzunehmen, als ein Teil des Bezugsrahmens der anderen Person und gleichzeitig ein, seine Sicht und Werte anerkennendes, Beziehungsangebot machen zu können. Daher sprach Rogers von verschiedenen „Wissensarten“, „Bezugsrahmen“ oder „Frames“: sie beschreiben Perspektiven, mit der Personen sich selbst und andere Personen wahrnehmen können (Roger 2009b, S. 44 f.). Denn eine Person kann sich selbst (von innen heraus) verstehen. Und es ist möglich eine andere Person zu verstehen indem ihr inneres Weltbild versucht wird zu verstehen. Letzteres wäre die „zweite Art des Wissens“: 2. Die zweite Art des Wissens ist die Empathie und das empathische Verstehen. Eine Person kann empathisch den inneren Bezugsrahmen einer anderen Person versuchen zu antizipieren, aufzugreifen, ihn emotional nachvollziehen und das Verstandene dann an die andere Person zurückzugeben. Diese Annahme ist eine der Bedingungen die Rogers aufführte, mit denen hilfreiche Gespräche geführt werden können. Ohne die Fähigkeit des empathischen Verstehens ist keine vertiefte Anregung der Selbstexploration möglich, ist keine nachhaltige Unterstützung möglich. Daher ist die Relevanz der Empathie in 7 Abschn. 2.4.3 noch ausführlicher beschrieben. 3. Die dritte Art des Wissens ist die des „äußeren Bezugsrahmens“, das alleinige Wahrnehmen vom eignen subjektiven Bezugsrahmen aus. Dieser Bezug zu einer anderen Person ist ein analytischer und deutender. Denn mit dem eigenen Wissen wird auf das Innen der anderen Person geschaut. Der äußere Bezugsrahmen ist die Überprüfung der Vermutungen, Annahmen, Thesen, die über eine andere Person gebildet werden, aus der eigenen Perspektive heraus, oder im Austausch mit ebenso außenstehenden anderen Personen. Wenn wir „eine Person vom äußeren Bezugsrahmen aus sehen“, heißt das, „unsere impliziten Hypothesen
2.4 · Bedingungen im Prozess
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mit den Augen der anderen zu überprüfen, jedoch nicht mit denen des Subjekts, das wir meinen“ (Rogers 2009b, S. 45 f.). Die dritte Art des Wissens ist das alleinige „Wahrnehmen vom eignen subjektiven Bezugsrahmen ohne empathischen Bezug“ zur Person (Rogers 2009b, S. 26 f.). Es ist eine Fremdperspektive, die in professionellen Arbeitsfeldern manchmal eingenommen werden muss: Auf der Grundlage des äußeren Bezugsrahmens werden eigene Annahmen über eine Person im Austausch mit anderen (wie z. B. in Fallbesprechungen/ Supervision) überprüft. In solchen Momenten werden die Hypothesen auf der Basis von theoretischen Konstrukten getätigt, die zutreffen können – aber ohne Überprüfung durch die betreffende Person bleiben. Im Alltag leiden solche Zuschreibungen häufiger unter emotionalen und motivationsbedingten Verzerrungen. „Problematisch“ werden Gespräche über und mit einer Person also dann, wenn nicht deutlich wird, auf welchen Wissens-Grundlagen Hypothesen erstellt worden sind: Werden Diese aufgrund des Wissens aus dem inneren Bezugsrahmen der Person formuliert oder kommen von außen Vermutungen und Meinungen über die Person dazu – und wird dies als das Eigene der Person zugeschrieben? Denn alle drei „Wissensarten“ haben ihre Förderlichkeit und Verwirrung tritt nur dann auf, wenn nicht deutlich ist, um welchen „Wissentyp“ es sich handelt (Rogers 2009, S. 45 f.). 2.4 Bedingungen im Prozess
Welche Voraussetzungen in Therapie und Beratung können helfen, ein Klima herzustellen, in dem sich die Aktualisierungstendenz entfalten kann und emotional gebahnte Muster bewusstwerden? Welche Bedingungen sind es, die die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen nachhaltig fördern? Während seiner eigenen Beratungsgespräche und den empirischen Forschungen dazu, ist Carl Rogers mit seinen Mitarbeitern dieser Frage nachgegangen. Und in diesem Zusammenhang untersuchte er auch, welche spezifische Haltung des Therapeuten es ist, die zur Nutzung der Potenziale und zu konstruktiven Veränderungen beim Klienten führen (Rogers 2009b, S. 28 ff.). Die Gruppe rund um Rogers hatte dann herausgefunden, dass es sechs Bedingungen sind, durch die Menschen „wachsen“, sich ihren inneren Kräften entsprechend, weiterentwickelten können. Im Coaching geben diese Bedingungen den Anstoß zur Persönlichkeitsentwicklung die der Boden ist, auf dem nachhaltige Veränderungsprozesse gründen, da die Person ihre Umsetzungsenergie vermehrt aus der Aktualisierungstendenz nutzen kann (7 Abschn. 2.3.1). Diese sechs „hinreichenden Bedingungen für einen förderlichen Prozess“ sind (vgl. Rogers 1983, S. 44 ff., 2009b, S. 46 ff.): 1. Bedingung: „Zwei Personen befinden sich im Kontakt“, oder: Kontaktbildung – (wie) kommt der Klient mit dem Coach in Kontakt? 2. Bedingung: „Die erste Person, die wir Klient nennen, befindet sich in einem Zustand der Inkongruenz, sie fühlt sich verletzlich oder voller Angst“. 3. Bedingung: „Der Coach ist in der Beziehung zum Klienten kongruent, das heißt, sein Selbstbild und seine Art zu kommunizieren stimmen mit seinem unmittelbaren Erleben überein“.
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
4. Bedingung: „Der Coach bringt dem Klienten Wertschätzung oder emotionale Wärme oder akzeptierendes Verständnis entgegen.“ 5. Bedingung: „Der Coach erfährt empathisch den inneren Bezugsrahmen des Klienten“ 6. Bedingung: „Der Klient nimmt, zumindest in geringem Ausmaß, das empathische Verstehen und die bedingungslose Wertschätzung des Coaches ihm gegenüber wahr. Seine Wahrnehmung dieser Qualität beruht nur zum Teil auf den verbalen Äußerungen des Coaches, häufiger aber in tiefer Weise auf andersartigen Mitteilungen.“ Diese Bedingungen sind als (allgemein anerkannte, vgl. 7 Kap. 3) „Wirkfaktoren“ zu verstehen, die darüber entscheiden, ob und wie Veränderung und konstruktive Entwicklung unterstützt werden kann. Das scheinbar Einfache ist jedoch Komplex: denn diese Bedingungen können nur dann ihre Wirkung voll entfalten, wenn sie alle ineinander verzahnt und in der Haltung des Coaches integriert sind. Diese Bedingungen sind die Basis, mit der es gelingt Menschen darin zu unterstützen authentische „Lösungen zu finden“ – solche Lösungen, mit denen die Person mit ihren Motiven und Werten und mit ihren Aufgaben, in ihren (beruflichen) Rollen in Übereinstimmung kommt – kongruenter fühlen und handeln kann. Das Personzentrierte Vorgehen konzentriert sich auf die Geschehnisse im Hier-und-Jetzt und ist gleichzeitig ein prozesshaftes Vorgehen, in dem psycho dynamische Kräfte, in der Begegnung von Person-zu-Person, wirken. Dies kann in einem Zwei-Kräfte-Modell (. Abb. 2.8) dargestellt werden: Die Inhalte dieser Bedingungen mit ihren Wechselwirkungen, werden nachfolgend ausgeführt.
. Abb. 2.8 Zwei-Kräfte-Modell des Personzentrierten Angebotes
2.4 · Bedingungen im Prozess
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2.4.1 In Kontakt kommen
» 1. Bedingung: „Zwei Personen befinden sich im Kontakt“ (Rogers 2009, S. 46), oder: Kontaktbildung – wie nimmt der Coachee mit dem Coach Kontakt auf?
Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung beginnt bereits mit dem ersten Kontakt. Er spiegelt sich im bewussten Wahrnehmen und dem Grad der Aufmerksamkeit zur anderen Person in diesem Moment. Mit jemanden „nicht in Kontakt kommen“ bedeutet auch umgangssprachlich, dass eine gewisse Distanz zum Gesprächspartner verspürt wird. Alles Weitere in der Kommunikation wird umso schwieriger, je länger der innere Abstand anhält und als je größer dieser empfunden wird. Daher ist es von Beginn an wichtig, zu prüfen – gedanklich und emotional – ob und wie der Kontakt sich bildet. Die Basis eines „In-Kontakt-Kommens“ ist, dass sich die Personen gegenseitig bewusst wahrnehmen, reagieren aufeinander, sich einander etwas bedeuten. Wenngleich für die Entstehung einer tragfähigen Beziehung natürlich eine gewisse Zeitdauer notwendig ist, ist es die Basis für den Vertrauensaufbau (7 Abschn. 5.1). Die Kontaktaufnahme kann vom Coachee aus betrachtet werden und vom Coach: z 1. Welche Beziehungsbotschaften sendet der Coachee zu Beginn?
Ist eher eine Einladung und ein aufeinander zugehen zu spüren, oder ist eine unsichtbare Wand zu spüren? Kontakt meint, im personzentrierten Sinne, mehr als nur einen Händedruck oder die Begegnung. Es bezieht sich auf das Bewusstsein und die bewusste Wahrnehmung des Gegenübers. Welches Kontaktniveau bringt der Coachee mit (7 Abschn. 5.2)? Diese Frage hat deshalb Relevanz, da der Coach sein Angebot daraufhin anpassen muss. Entscheidend ist, wie der Coachee erreicht werden kann (7 Kap. 5 ff.). Dass ein In-Kontakt-kommen nicht selbstverständlich ist, wird bei Personen deutlich, die aufgrund psychischer Erkrankungen nur schwer Kontakt aufnehmen können (Rogers, Wisconsin-Projekt, ab 1957) und die adäquater in der Therapie Unterstützung finden. z 2. Das bewusste Wahrnehmen des Coachees
Es bestimmt den Grad der Aufmerksamkeit in diesem Moment. Dass diese basale Voraussetzung im sozialen Kontakt manchmal nicht gegeben ist, wird dann deutlich, wenn die andere Person abwesend erscheint und/oder auf das Gesprochene häufig irritierend reagiert. Dann ist die Verbindung gestört – was Folgen für die „Übermittlung der Daten“ hat. Zum Beispiel dann, wenn der Coach schreibt, während der Coachee seine missliche Lage bewegt schildert. Für den Beginn und für den weiteren Verlauf bedeutet das: Blickkontakt halten. Zugewandte Körperhaltung sichern. Sich mit nichts anderem beschäftigen. In Kontakt kommen wollen beinhaltet somit, dass 5 mögliche Unterbrechungen von außen von vorneherein zu verhindern sind, 5 auf ständige Notizen verzichtet werden sollte, 5 sich wieder hingesetzt wird, falls z. B. am Flipchart geschrieben wurde 5 sich weniger auf die Technik konzentriert wird die gerade durchgeführt wird, ob einzelnen Schritte „richtig“ gemacht werden. z 3. Das Zueinander-Stehen im weiteren Kontakt; der Beginn der Beziehung
Der Coachee kommt belastet in das Coaching. Er ist an einem Punkt, an dem er alleine nicht mehr weiterkommt, obwohl – und davon ist auszugehen – bereits einiges
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probiert hat, um seine Lage zu verändern. Daher ist es wesentlich sich ihm voll und ganz empathisch zuzuwenden; ihm gerade zu Beginn – wie auch immer sein Auftreten ist – unbedingt wertschätzend zu begegnen. Einen ggf. irritierenden Auftritt wahrzunehmen, doch vor allem den Menschen dahinter zu sehen und verstehen zu wollen (vgl. hierzu auch 7 Abschn. 4.2). Und ihm zu verstehen zu geben, dass Sie als Coach, in einem geschützten Rahmen, für ihn da sind, ihn unterstützen und begleiten wollen – jedoch sein Mitwirken entscheidend ist. Und dass Sie z. B. nicht mit ihm gegen andere Personen, oder für ihn und seine Interessen arbeiten. Sondern mit ihm arbeiten wollen. In Kontakt kommen hat damit auch zur Basis, Sicherheit zu geben, die zum Beispiel durch klare, definierte Rahmenbedingungen gegeben werden kann: das gegenseitige Erwartungen deutlich sind. 2.4.2 Inkongruenz
» 2. Bedingung: „Die erste Person, die wir Klient nennen, befindet sich in einem Zustand der Inkongruenz, sie fühlt sich verletzlich oder voller Angst“. (Rogers 2009, S. 46).
Im Kapitel über die Selbstaktualisierung (7 Abschn. 2.3.2) wurde festgestellt, dass das individuelle Bild das eine Person von sich bildet – das Selbstkonzept – im Verlauf der Biografie entsteht und, grob skizziert, zwei Teile enthält: 1): wie die Person mit ihren Ressourcen sein kann, was sie ausmacht und 2) wie sie, den Ansprüchen ihrer Umwelt gerecht werdend, sein soll und möchte. Das erste nannte Rogers das „Realselbst“, das zweite das „Idealselbst“. Die Schnittmenge dieser beiden Teile nennt Rogers „Kongruenz“: die Person erlebt sich so, dass sie ihren organismischen Bedürfnissen und gleichzeitig ihrem Selbstkonzept entspricht. Je kleiner diese kongruente Schnittmenge ist, desto größer ist in der Folge die Inkongruenz: die Person fühlt sich in sich nicht „stimmig“. Durch die Diskrepanz, zwischen den verinnerlichten Werten und dem Selbstkonzept, der organismischen Erfahrung und der Selbstwahrnehmung, entsteht demnach Inkongruenz (vgl. Speierer 1994). Und in der Folge des Inkongruenzerlebens kommt es zu Beeinträchtigungen der Handlungs- und Verhaltenskompetenz. Das Inkongruenzkonzept ist zentraler Teil der Persönlichkeits- und Störungstheorie Rogers. Beispiel Ein Vorgesetzter, der sich in seiner Rolle als Führungskraft unwohl fühlt, weil er glaubt autoritär durchgreifen zu müssen, um anerkannt zu werden, seine Rolle „spielt“, fördert somit seine eigene Inkongruenz und ist für andere ebenso „unstimmig“. Ein Coach, der sich im Kontakt mit einem Coachee unwohl fühlt, weil er Methoden und Techniken durchführt, die ihm nicht liegen, von denen er aber meint, dass sie angewendet werden müssen, steht in Inkongruenz und ist in der Beziehung zum Coachee weniger authentisch.
Inkongruenten Zielen nachzugehen bedeutet, dass das, was getan wird, nicht mit den körperlichen, geistigen, seelischen Bedürfnissen, Motiven und Fähigkeiten des Organismus übereinstimmen: die Person entwickelt Ziele, die nicht von der organismischen Energie aus der Aktualisierungstendenz unterstützt werden (. Abb. 2.3).
2.4 · Bedingungen im Prozess
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Das können kleine, fast unwichtige innere Anteile und Verhaltensweisen sein die erst in der Summe bewusstwerden oder sich in einem „Thema“ zeigen können. Diese Inkongruenz sieht Rogers als notwendige Voraussetzung, dass ein unterstützender Prozess in Gang kommen kann; wenn eine Person in ein Coaching kommt, dann muss ihr dieses Gefühl der Inkongruenz mindestens vage bewusst sein (Rogers 1977, 1983, S. 44 f.) – es muss am „Rande der Gewahrwerdung“ sein, um bearbeitbar zu sein. Denn wenn es keine innere Spannung gibt, oder die Person aktuell keine spürt oder zulässt, wenn „alles in Ordnung ist“, fehlt dem Coachee die Grundmotivation, eine Änderung herbeizuführen. Inkongruenz ist vergleichbar mit einer „dünnen Haut“ einer Person. Oder, um im „Weltbild“ zu bleiben: sie ist mit einer dünnen Erdschicht zu vergleichen, unter der die Lebensadern „(Selbst-)Aktualisierungstendenz“ fließen. Doch ist an dieser Stelle ein Haus errichtet worden, das nicht den Bodenverhältnissen angepasst ist und nun wie auf Treibsand steht: die Selbst-Aktualisierungstendenz will weitertreiben und das Haus/das Ziel steht nicht auf stabilem Fundament. Die Selbst-Aktualisierungstendenz ist nicht integriert worden und entweder beginnt das nun Haus zu wackeln oder es muss viel Stabilisierungsarbeit vorgenommen werden, um es zu halten. Wie auch immer: das Haus ist ein Synonym für ein Hindernis, das der Entwicklung im Weg steht; und dieses muss erst als Hindernis an-erkannt werden.
Das Ziel einer Selbst-Ent-Wicklung ist daher auf der inneren Spur bleiben, Erfahrungen nachgehen zu können und bewusst werden zu lassen, die der „Organismus vor dem Bewusstsein leugnet, die demzufolge nicht symbolisiert und in die Gestalt der Selbststruktur organisiert werden“ (Rogers 2009a, S. 440 ff.) – die jedoch abgespeichert sind und „im Untergrund“ wirken. Doch wie in 7 Abschn. 2.3 beschrieben, hatte der Organismus „gute Gründe“, bestimmte Erfahrungen zu verleugnen. Es war psychisch überlebenswichtig, elementare Bedürfnisse, zum Beispiel nach Geborgenheit, nach Autonomie und Selbstentfaltung, nicht zuzulassen. Dies im Coaching oder in der Beratung aufgreifen zu können, hat zur Voraussetzung, dass die Person diese Spannung auch mindestens leicht wahrnimmt, der eigenen Person als zugehörig empfindet und die Ursache nicht ausschließlich nach außen verortet. Das setzt wiederum voraus, dass sich Coachees selbst explorieren können, einen, mindestens geringen, Zugang zu ihren Gefühlen haben: Die Spannung in Form von Angst und Bedrohung (des Selbstkonzeptes) sollte mindestens latent wahrgenommen werden. Hingegen kann durch die Unkontrollierbarkeit der „Überschwemmung der Erfahrungsmacht“ bei anderen Personen eine starke Verletzlichkeit im Vordergrund stehen, die die Selbstexploration blockiert (vgl. Rogers 2009a, S. 440 ff.). Bei dieser zweiten Gruppe der Coachees ist dadurch die Änderungsbereitschaft eher gering ausgeprägt, da das eigene Verhalten als notwendig und sinnvoll der eigenen Person zugehörig erlebt wird: Was die Person erfährt und wie sie sich verhält, entzieht sich ihrem Bewusstsein. Die am Selbst orientierten Bewertungen können sich dann durchsetzen, Erfahrungen werden abgewehrt (vgl. Biermann-Ratjen et al. 2012; Stumm und Keil 2018). Für die eigenen schwierigen Themen kann dann nur ein äußeres Umfeld verantwortlich gemacht werden (vgl. 7 Abschn. 5.2 Skala der Selbstexploration).
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Es ist nicht möglich, in völliger Übereinstimmung zwischen Ideal- und Realselbst zu kommen: eine Person entwickelt sich bestenfalls in die Richtung einer „Fully Functioning Person“ – einem Individuum, das nicht mindestens zum Teil von den Bewertungen anderer geprägt ist. Dies vollständig zu erreichen, war auch für Rogers utopisch. Das Bestreben ist daher, dass eine Person „nur“ „… mehr von ihrer Selbst-Struktur wahrnimmt und akzeptiert …“ (Rogers 1977, zit. nach Rogers 1983, S. 212). Dies ist das übergreifende Ziel: die Entwicklung der Identität anzuregen, aus der heraus Verantwortung und Kreativität erwächst, damit flexibel auf Herausforderungen zugegangen werden kann. Es ist das Ziel, sich nicht mehr darauf konzentrieren zu müssen, wie man sein müsste, sondern wie man sein kann. Die Energie wird frei für motiviertes Handeln, in Übereinstimmung mit einem Innen und Außen. Ein Klient von Rogers brachte es so auf den Punkt: „Ich konzentriere mich nicht mehr darauf, ich selbst zu sein. Ich bin einfach.“ (Rogers 2009a, S. 129).
Wenn wir also davon ausgehen, dass der Coachee in Inkongruenz kommt, so wird aus oben erläuterten Zusammenhängen nochmals deutlich, welche entscheidende Bedeutung ein personzentriertes Beziehungsangebot hat. Ergänzende Angebote können jedoch im Coaching zusätzlich hilfreich sein, um Inkongruenzen zu bewältigen (Speierer 2013, S. 81 ff.), wie zum Beispiel die Edukation (7 Abschn. 4.3.5). 2.4.3 Beziehungsangebot – Ich & Du
Es erscheint nochmal wichtig zu betonen, dass Rogers kein „theoretisches Statement über die Kommunikation … formuliert haben“ will (Rogers 2009, S. 47). Im Gegenteil: Die benannten sechs Bedingungen sind die Essenz einer Haltung, die ein humanistisches Menschenbild voraussetzt. Sie sind die Basis für alle weiteren Interventionen bzw. gesprächsstrukturierende, beziehungsfördernde Erweiterungen, die die Persönlichkeitsentwicklung unterstützen. Denn manchmal ist es nur ein kleiner Hinweis, eine nebensächliche Bemerkung vom Coach, die beim Coachee einen Aha-Effekt auslöst; die auf fruchtbaren Boden fallen konnte, weil das zwischenmenschliche Klima förderlich war. Dieser „Wirkfaktor Beziehung“ beinhaltet drei Kernbedingungen: z Kongruenz
» 3. Bedingung: „Der Coach ist in der Beziehung zum Klienten kongruent: Sein Selbstbild
und seine Art zu kommunizieren stimmen mit seinem unmittelbaren Erleben überein“ (vgl. Rogers 1983, S. 44).
Mit Kongruenz meint Rogers das Gewahrwerden, den inneren Zugang des Therapeuten (bzw. Coach) zur Gesamtheit seiner eigenen, aktuellen Erfahrungen im Hier-und-Jetzt: „Wenn der Therapeut sich vollständig und genau dessen bewusst ist, was er in diesem Augenblick in der Beziehung erlebt“ (Rogers 2004, S. 267). Es bedeutet „echt“ zu sein, mit sich, seinen Bedürfnissen und Motiven – während des Kontaktes mit der Person – wahrzunehmen und in Übereinstimmung zu kommen, keine eigenentfremdete Rolle zu spielen. Kongruenz ist ein hoher Anspruch. Doch Kongruenz hat ein professionelles Agieren zur Folge – Unstimmigkeiten des
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Therapeuten können negative Auswirkung auf die Beziehung haben, wenn Personen „unecht“ wirken. > „Kongruent sein“ ist das „gute Gefühl“ das sich in Situationen „breit macht“, wenn
sich innerlich alles echt oder integriert anfühlt. (Rogers 1973, S. 168). Es ist die Übereinstimmung von innerem Erleben, Bewusstsein und Außendarstellung.
Für die kongruente, klare Einstellung sich selbst gegenüber hilft eine Selbstbeobachtung, die die Frage beantwortet „Wie geht es mir in Kontakt mit dem Coachee?“ Die Konsequenz ist, dass der Coach „doppelt hören“ können sollte: mit einem Ohr sich und mit dem anderen den Coachee. Und es ist ebenfalls eine unmittelbare Möglichkeit, einen Coachee in seinem reflexiven Handeln zu unterstützen. Es ist ein Abgleich der verschiedenen Ebenen: Fühlen, Denken, Handeln. Folgende Reflexionsfragen zur Überprüfung der Stimmigkeit im Kontakt, können an sich selber gestellt werden: 5 Was höre, sehe oder fühle ich im Kontakt mit dieser Person? 5 Unterscheide ich zwischen Wahrnehmung des Coachees und meiner Interpretation? 5 Was von meiner inneren Wahrnehmung möchte/sollte ich ansprechen und dem Coachee zur Verfügung stellen? Würde ihm meine Selbsteinbringung helfen (siehe auch 7 Abschn. 5.3.5)? Eine kongruente Haltung einzunehmen ist somit von grundlegender Bedeutung für die Vertrauensbildung. Und: Kongruenz sichert die eigene, psychische „Funktionsfähigkeit“ (Biermann-Ratjen et al. 2012, S. 108): Mitzubekommen was im eigenen Inneren vorgeht, erhöht die psychische Stabilität – das gilt einmal mehr in kritischen zwischenmenschlichen Situationen. Und daher ist „kongruent zu sein“ die schwierigste all dieser Bedingungen, von der Rogers sagt, dass „kein Mensch sie voll und ganz erreichen kann“ (Rogers 2009b, S. 38); dieser Prozess zieht sich durch ein Leben und kann nicht zum Abschluss gebracht werden. Kongruenz ist die Voraussetzung dafür, die folgenden Bedingungen der Wertschätzung und Empathie ehrlich umsetzen zu können und gleichermaßen ein Indikator dafür, in wie weit es gelungen ist diese in die eigene Haltung zu integrieren. Den Reflexionsbogen „4 Schritte auf dem Weg zu mehr Kongruenz“ finden Sie im Anhang, Abb. A.1 z Wertschätzung
» 4. Bedingung: „Der Coach bringt dem Klienten Wertschätzung, emotionale Wärme, akzeptierendes Verständnis entgegen.“ (Rogers 1983, S. 44)
Mit der Umschreibung von „bedingungsloser Wertschätzung“ („unconditional positiv regrade“) oder „der aufmerksamen/ausdrücklichen Beachtung wert“, meint Rogers, „eine Person zu schätzen, ungeachtet der verschiedenen Bewertungen, die man selbst ihren verschiedenen Verhaltensweisen gegenüber hat“ (Rogers 2009b, S. 41). Es bedeutet, ihren Sichtweisen gegenüber Respekt zu erweisen und sich ihr zuzuwenden, ohne dass diese Zuwendung an Bedingungen geknüpft ist.
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Das Entscheidende dabei ist, das inhärente Wertesystem der anderen Person nicht aus der eigenen Perspektive zu bewerten. Denn das würde bedeuten, die eigenen Werte als Maßstab, für das Handeln der anderen Person, zu nehmen und nicht „bedingungslos“. So kann bedingungslose Wertschätzung nur als Haltung integriert werden, denn die eigenen Werte können und müssen nicht verleugnet werden, sie haben ebenso einen Stellenwert für die eigene Person. Daher wirkt Wertschätzung nur dann, wenn die Botschaft vermittelt werden kann: „Ich achte Sie als Person, mit Ihren Wertvorstellungen“, „Ich bin ehrlich an Ihnen und Ihrer Sicht interessiert“. Wertschätzung ist „Beachtung ohne Bewertung“. > Wertschätzung steht in enger Verbindung mit Selbstwertschätzung und gelingt nur
im Zusammenspiel mit Empathie und Kongruenz. Es bedeutet auch, dass ich mir selbst wertschätzend begegnen kann, dass ich meine eigenen Werte (aner-)kenne und gleichermaßen respektiere, dass die andere Person, andere Wertvorstellungen hat, als ich selbst: Unmittelbar verbunden, mit einer wertschätzenden Haltung gegenüber anderen Personen, ist die wertschätzende Haltung gegenüber der eigenen Person.
Wertschätzung einer Person entgegenzubringen bedeutet jedoch nicht, mit allen Handlungen dieser Person einverstanden zu sein und ihre Werte, Regeln, Meinungen zu teilen. Vielmehr meinte Rogers damit, der Person, so wie sie sich in ihrem Person-Sein zeigt, mit Achtung zu begegnen – jenseits der von ihr nach außen gezeigten Verhaltensweisen: Nicht zu bewerten, wie sich eine Person verhält, sondern Interesse und Verständnis für ihre dahinterliegenden Motive zu finden; freundlich, den vielleicht irritierenden Aspekten gegenüber zu sein und verstehen, welche Gefühle und Gedanken damit verbunden sind. An Wertschätzung ohne Bedingungen ist somit das Verstehen des Anderen gebunden. Nur wenn der Coach den Klienten aus seiner, subjektiv als sinnvoll gewerteten Perspektive verstehen kann, kann er sein Handeln verstehen und in der Folge ihn dabei unterstützen, Inkongruenzen zwischen den Handlungen und den Bedürfnissen und Motiven näher zu kommen. Wertschätzung bedeutet wenig, „wenn es nicht verstehen enthält“ (Rogers, zit. nach Biermann-Ratjen et al. 1979, S. 21). Genau aus diesem Zusammenhang heraus schließt „Loben“ Wertschätzung nicht unbedingt mit ein. Übersicht Der Unterschied zwischen Wertschätzung und Lob: Bedingungslose positive Wertschätzung schließt ein Verzicht auf Schmeicheleien und Komplimente ein, die vielleicht auch aufgrund dessen gemacht werden, weil eine Person in eine bestimme Richtung hin beeinflusst werden soll. Doch manchmal wird der Einwand gemacht, dass es doch positiv ist, wenn jemandem gelobt wird, denn Lob stärkt doch die Motivation. Allerdings: Die Gefahr, die davon ausgeht ist: dieses Lob steht in Abhängigkeit von einer anderen Person. 5 Welches Lob haben Sie in letzter Zeit gehört? Welche Gedanken kamen Ihnen dabei? Welche Gefühle wurden angesprochen? 5 Welche Auswirkung hatte das Lob auf Ihr Selbstvertrauen und auf Ihr Verhalten dieser Person gegenüber?
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5 Macht es einen Unterschied, von wem das Lob kommt und wie viel Wert Sie dann darauf gelegt haben? Und haben Sie schon mal bemerkt, dass sich Ihr Verhalten gegenüber einer Person, von der Sie gelobt werden, ändert? In wie fern? Lob stärkt (kurzfristig) die Motivation, etwas zu tun – um noch mehr Lob zu bekommen. Das Problem ist eine Abhängigkeit vom Wohlwollen, von der Bestätigung anderer. Dieses Wohlwollen muss jedoch nicht mit einem Selbst-Wohlwollen übereinstimmen. Die Präferenz der eigenen Werte kann damit verzerrt werden – Inkongruenzen können so „bedient“ werden. Im Extremfall tun dann Menschen nur noch etwas, weil es ihrem Bedürfnis nach Anerkennung von einer Person oder Gruppe entspricht; nicht jedoch ihren eigenen Bedürfnissen.
Um das Beziehungsangebot so weit wie möglich in die eigene Haltung zu integrieren und umsetzten zu können, sind Ehrlichkeit und Offenheit maßgebende Voraussetzungen. Fragen, die zur eigenen Reflexion genommen werden können, sind z. B.: 5 Wie offen bin ich gegenüber anderen? 5 Wie klar und präsent in meiner Kontaktgestaltung? 5 Wie wertschätzend bin ich gegenüber mir selber? 5 Gibt es „Wenn-Dann-Gedanken“ oder -Aussagen gegenüber der Person des Coachees/Mitarbeiters? 5 Wann knüpfe ich was, an welche Bedingungen? Aus welcher Intention heraus handele ich so? 5 Welche Gültigkeit haben meine Werte für mich heute? Welche sind eher „Ballast“, machen das Fortschreiten schwer, welche geben Orientierung und Sicherheit und sind anregend? Ob jemand als wertschätzend empfunden wird liegt nicht an einem einzelnen (un-) passenden Satz. Es die Gesamtheit in der Beziehungsgestaltung die darüber entscheidet, wie und ob eine Person sich wertgeschätzt und angenommen fühlt. Daher ist die folgende Bedingung der Empathie eine Art Selbstprüfung: in dem Maße in dem der Coach sich und den anderen empathisch versteht, kann er sich und der anderen Person auch Wertschätzung entgegenbringen. z Empathie
» 5. Bedingung: „Der Coach erfährt empathisch den inneren Bezugsrahmen des Klienten“ (Rogers 2009b, S. 47)
Empathie ist die Fähigkeit Emotionen/Stimmungen so genau wie möglich zu verstehen und nachzuvollziehen. Und doch kann keine andere Person eine genaue Kenntnis über die im anderen vorgehenden Bedeutungskontexte haben. Empathischen Verstehen beabsichtigt, „durch weiteres Reden und Handeln wie mit einer Sonde und nach Versuch und Irrtum versuchen herauszubekommen, wie der Bedeutungskontext des Anderen aussehen könnte“ (Roth 2003, S. 425).
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Empathie ist die zweite „Wissensart“ und das mit ihr in Verbindung stehende empathische Verstehen, als „fruchtbare“ Voraussetzung, die inneren Ansichten des anderen möglichst exakt wahrnehmen zu können. Es setzt voraus, die persönliche Wahrnehmungswelt des anderen betreten zu wollen, ohne dabei zu versuchen, Gefühle aufzudecken, deren sich der andere völlig unbewusst ist (Rogers 1983, S. 36). Und gleichzeitig die innere Welt des Coachees mit seinen Augen sehen zu wollen, jedoch ohne dabei für Eigenes blind zu werden (Rogers 2009b, S. 44). Viele empirische Studien zeigen, dass empathisches Verstehen für den Erfolg von Coaching/Beratung von entscheidender Bedeutung ist. Der Klient wird mit seiner Sicht der Wahrnehmung von Inhalten, Regeln, Ordnungen, Erleben und Empfinden verstanden und anerkannt (vgl. 7 Abschn. 2.3.3). Es ist die Basis für den Vertrauensaufbau. Denn es sind es nicht die logischen Argumente selbst, die Personen zu vernünftigem Handeln antreiben, sondern die Vorstellungen die eine Person von der „Welt“ hat und ihre Rückschlüsse die sie auf der Grundlage ihres Erfahrungshorizontes trifft und die ihr positiv oder negativ erscheinen (Roth 2003, S. 527). Empathisches Verstehen ist somit auch ein wichtiger Teil der emotionalen Intelligenz, Grundlage der Selbstwahrnehmung (Goleman 1998) und ist eng mit bedingungsloser Wertschätzung verbunden. Zur Empathie gehört die Bereitschaft, sich auf den anderen einzulassen, auf ihn angemessen zu reagieren und Reaktionen darauf zu antizipieren. Und „wenn jemand versteht, was es für ein Gefühl es ist, ich zu sein, ohne mich zu analysieren oder zu richten, in einer solchen Atmosphäre kann ich blühen und wachsen“ (Rogers 1983, S. 217). > Empathisches Verstehen setzt einen Verzichten-wollen auf Interpretationen,
Deutungen und Erklärungen voraus.
Empathisches Verstehen ist einem Übersetzungsangebot „Innenwelt-Außenwelt“ ähnlich. Es setzt einen Verzicht von Interpretationen, Ratschlägen, Vorhaltungen voraus, da diese den Bewertungen des eigenen „Inneren“, des eigenen Empfindens oder Denkens entspringen. Nichtverstehen oder Missverstehen hat auch Folgen für die Unterstützungskraft und die Beziehung und es fördert das Risiko unfruchtbarer Interventionen. Besonders bei „schwierigen“ Coachees kann dies zur Erstarrung der Suchbewegungen im Vorbewussten oder zum Abbruch der Beziehung führen. Über dieses Verstehen wollen der individuellen, subjektiven Wertewelt, mit ihren Erfahrungsquellen und eigenen Perspektiven, öffnen sich verschiedene Möglichkeiten: 5 Mit der Rückmeldung des Verstandenen können diese neuen Zusammenhänge und alternative Wege entdecken. „Blinde Flecken“ können vorsichtig angesprochen werden – wenn sie sich im Hier und Jetzt zeigen. So wird Potenzialentfaltung und konstruktive Entwicklung möglich. 5 Über das bessere Verstehen des inneren Bezugsrahmens kann der Coach Hypothesen prüfen und diese dem Coachee zur Verfügung stellen. Damit geht empathisches Verstehen weit über das „Paraphrasieren“ des vom Coachee Gesagten hinaus: Es greift Werte, Emotionen, Wünsche und Bedürfnisse auf, strukturiert, weist auf Widersprüchlichkeiten und Zusammenhänge hin.
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5 Das empathische Rückmelden der Gefühle des Coachees steht auch im Zusammenhang mit dem Verstehen, wie der Coachee diese Gefühle bewertet: ob es im leicht oder schwer fällt, diese zuzulassen, ob er sie als „richtig“ oder als „falsch“ empfindet. 5 Das empathische Annehmen des inneren Bezugsrahmens ist auch das „Sicherheitsnetz“ für den Coach: Bei dem zu bleiben, was im Moment wichtig scheint, ist immer (auch) ein Thema des Coachees. Darauf kann immer zurückgekommen werden – gerade in schwierigen Momenten (vgl. 7 Abschn. 5.3.5). Das empathisch-wertschätzende Einfühlen ist in dem Maße hilfreich, indem es beim Coachee ankommt. Daher benötigt der Coach auch eine Beziehungsantwort: 2.4.4 Beziehungsantwort – Du & Ich
» 6. Bedingung: „Der Coachee nimmt, zumindest in geringem Ausmaß, das
empathische Verstehen und die bedingungslose Wertschätzung des Coaches ihm gegenüber wahr. Seine Wahrnehmung dieser Haltung beruht nur zum Teil auf den verbalen Äußerungen des Coaches, häufiger und in tiefer Weise auf nonverbale Mitteilungen.“ (vgl. Rogers 1983, S. 44)
Forschungsergebnisse, im Rahmen der Bindungstheorien, haben schon lange bestätigt, dass das Bedürfnis nach emotionaler Bindung zu wichtigen Personen ein unverzichtbarer Teil der menschlichen Natur ist (Spitz 1982; Ainsworth 2003). Eine stabile emotionale Bindung trägt maßgeblich dazu bei, dass eine Person sich selbst und die Umgebung zunehmend offener erforscht und sich auf Neues einlassen kann (bspw. Bowlby 1988). Dies gilt für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindheit an. Doch auch im Coaching ist die Qualität der Beziehung, wie bereits beschrieben, maßgebend für den Vertrauensaufbau, mit den o.g. konstruktiven Folgen. Eine wertschätzend-empathische Haltung des Coaches muss jedoch nicht unbedingt so wahrgenommen werden, denn: wenn auch soziale Kontakte bei der Bewältigung schwieriger Situationen unterstützen können, so ist es doch nicht entscheidend, wie viel soziale Unterstützung eine Person hat, sondern wie hilfreich sie diese wahrnimmt und subjektiv erfährt (Schwarzer und Leppin 1989). Es ist somit nicht alleine eine Beziehung zum Coach, sondern die, als „gute Beziehung“ gewertete Beziehung, die unterstützend wirkt. Daher werden Persönlichkeitsentwicklung und Verhaltensänderung von Rogers erst dann als „zwangsläufig“ vorhergesagt, wenn der Klient die Bedingungen der Empathie und Wertschätzung mindestens leicht wahrnimmt. Genau dieser letztere Aspekt ist es der die 6. Bedingung für das Gesprächsangebot mit sich bringt: Rogers machte in seinen späteren Forschungen (Wisconsin-Projekt, ab 1957) die Beobachtung, dass es Menschen gibt, die kaum einen Bezug zu ihren eigenen, inneren Vorgängen herstellen können, die nur schwer oder keinen Zugang zu sich finden und daher die empathisch-einfühlenden Verstehensäußerungen auch nicht erfassen können – oder nicht annehmen können. Sie benötigen mehr von einem anderen Angebot: der Selbsteinbringung des Therapeuten als Angebot einer Möglichkeit „zu fühlen, wie man sich in der geschilderten Situation fühlen könnte“. Die Wirkung der Selbsteinbringung, mit der sich der Therapeut mit seinen emotionalen Reaktionen als Modellbeispiel dem Klienten zur Prüfung zur Verfügung stellt, sind auch durch die Forschungen zu den Spiegelneuronen bestätigt. Durch diese Nervenzellen ist es möglich, beobachtetes Verhalten intuitiv nachzuahmen bzw.
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können beobachtete Emotionen intuitiv nachempfunden werden (Roth 2003). Eine Person, die mit einer anderen in konstruktiver Beziehung steht, wird als Vorbild wahrgenommen und Handlungen kopiert. Andere psychologische Richtungen haben dies später aufgegriffen und als „Rapport“ bezeichnet. Es sind basale empathische Vorgänge, die jedoch nur auf der Basis einer konstruktiven Beziehung aktiviert werden.
Daher hat die sechste Bedingung die Bedeutung bzw. eine ähnliche Funktion wie ein Seismograph, der die Bewegung anzeigt, die beim Coachee angestoßen werden – oder auch nicht: Erreichen die wertschätzende Haltung und das empathische Verstehen des Coaches den Klienten? Wenn das Beziehungsangebot nicht vom Klienten aufgenommen wird, fehlt es in seiner Wahrnehmungswelt und kann in der Konsequenz auch keine Wirkung erzielen. Rogers hielt es daher auch für entscheidend, ein Gespür dafür zu entwickeln, wie der Klient die Mitteilungen des Coaches aufnimmt (Rogers 1977, 1983, S. 220). Denn wenn Wertschätzung und Empathie beim Klienten nicht ankommen, existieren sie für ihn nicht und die Beziehung ist für ihn wenig förderlich. Mit dieser Bedingung zeigte Rogers am deutlichsten die systemische Wechselwirkung, die kommunikative Systeme haben, die später, z. B. vom Soziologen Niklas Luhmann bestätigt wurde: „Erst die Reaktion schließt die Kommunikation ab, und erst an ihr kann man ablesen, was als Einheit zustande gekommen ist.“ (Luhmann 1984, S. 212) Das, was beim anderen ankommt, wird von der Selbstaktualisierung gefiltert und subjektiv, auf der Basis des eigenen Wertesystems, interpretiert. Wichtig ist daher nur, ob und wie die Intervention angenommen worden ist. Daher hat die Überprüfung der „Interaktion immer Priorität“ (Gendlin 2012, S. 369).
2.5 Relevanz der Selbsterfahrung
Selbsterfahrung oder Selbstexploration stellt eine Auseinandersetzung mit sich selbst dar. In der Weiterbildung und der Tätigkeit als Coach sollte Selbsterfahrung daher unerlässlicher Bestandteil sein. Selbsterfahrung ist die Beobachtung, die aus der eigenen Perspektive gemacht werden können, um das „Rohmaterial“ für die Organisation des Selbstkonzeptes zu verstehen. Selbsterfahrung trägt dazu bei, das eigene Denken, Verhalten und Fühlen vermehrt ins Bewusstsein zu holen und so, aus den bisherigen Routinen heraus zu treten und gegebenenfalls Alternativen zu entwickeln. z 1. Selbsterfahrung heißt: wissen zu wollen wer ich bin
Selbsterfahrung oder Selbstexploration ist daher eine Erforschung des Selbst auf allen Ebenen: im Denken, im Handeln und im Fühlen. Diese Ebenen bewusster zu erleben bedeutet, sich selbst bewusster zu werden und im Kontakt mit anderen Menschen, die eigenen von fremden Anteilen vermehrt differenzieren zu können. Die Fragen sind: „Wer bin ich und wer bin ich im Kontakt mit anderen“. Denn sobald „in Kontakt und in Beziehung mit dem Coachee sein“ für den Prozess genutzt werden will, wird die Kenntnis der Vorgänge in der eigenen Person, mit ihren eigenen spezifischen emotionalen, körperlichen und kognitiven Reaktionspräferenzen, bedeutsam. Soll Coaching eine professionelle, hilfreiche Fremdbeobachtung sein, setzt dies eine professionelle Eigenbeobachtung voraus: 5 Was nehme ich wahr, was höre ich? 5 Was wird aus der eigenen subjektiven Sicht ausgewählt? Für wichtig erachtet?
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Diese subjektive Auswahl, die oft unbewusst getroffen wird, hat ihre Ursprünge in der eigenen Biografie. Und daher sollte Selbsterfahrung auch den Blick in die eigene Lebensgeschichte integrieren. 5 Was bedeutet mir im Leben etwas? 5 Welche Menschen sind mir wichtig? Was geben sie mir, was ich ihnen? z 2. Selbsterfahrung ist ein Wechsel in der Wahrnehmung vom „Haben zum Sein“
Leider ist das, was „Selbsterfahrung“ berührt, immer wieder, besonders in Business-Kontexten, durch falsch verstandene Bedeutung und Karikaturen, in seinem Nutzen von „Wachstum“ und in seiner ursprünglichen Bestimmung und Ausrichtung herabgesetzt worden (vgl. Fromm 2015, S. 41). Selbstexploration ist jedoch nicht nur etwas was „getan werden“ kann. Eher richtet sich etwas aus, es verschiebt sich eher etwas: Die Person wird kongruenter, übereinstimmender in sich selbst. Das gelingt zum Beispiel mit diesen Fragen: 5 Was macht mich als Person aus? (Welche Interessen habe ich lange verfolgt, warum aufgegeben? Was bewerte ich als gut/schlecht oder richtig/falsch? Wan empfinde ich wie? Wen bewundere ich? Für was? Wünsche ich mir das auch für mich und was würde mir das geben?). Und Sie ahnen es: es geht nicht alleine um die Beantwortung der Fragen, durch den Kopf. Eine ehrliche Antwort von sich selbst erhalten Sie nur, wenn Sie sich als ganze Person – ganzheitlich – befragen: was sagt der Körper dazu? Welche Emotionen tauchen auf? Und zwar genau dann. In dem Moment der Innenschau. Es hat somit zur Voraussetzung, nachforschen zu wollen, was im aktuellen Moment in mir passiert: Wie geht es mir gerade, im Kontakt, in einer bestimmten Situation… Oder, wie geht es mir jetzt… … wenn ich daran denke, was ich vorhin getan habe, oder gleich tun werde? Denn Fühlen passiert im Jetzt, im Körper. Das Forschen im „Hier-und-Jetzt“, zur Selbstentwicklung zur Hilfe zu nehmen, bedeutet damit: Er-Leben wollen. Wie fühlt es sich an, was ich genau in dem Moment tue, ohne gedanklich beim gestern oder morgen zu sein. z 3. Selbsterfahrung ist eine Ressource
Es bedeutet: sich gegenwärtigen und sich verändernden Umständen zuwenden zu können. Und sich durch Wahrnehmungsverzerrungen, die sich aus einem rigiden Selbstkonzept, Bewertungen, Vorurteilen u. a. gebildet haben, nicht zu sehr einengen zu lassen (vgl. Hippler und Görlitz 2001). Es ist die Ressource und das genuine Bedürfnis der Flexibilität und der autonomen Gestaltung des eigenen Selbst. Es umfasst die Bereitschaft, sich auf den eigenen inneren Bezugsrahmen einzulassen und diesen selbstempathisch und selbst-wertschätzend erfahren zu wollen. > Selbsterfahrung ist ein Anhalten aus der Bewegung des Alltags und ein Ankommen
in der Beobachterperspektive der eigenen Person.
Besonders mit supervidierter Begleitung einer verlangsamten E igen-Wahrnehmung werden so die Voraussetzungen geschaffen, Vorbewusstem respektvoll nachzugehen. „Update’s“ im Selbstkonzept und von kognitiven Grundannahmen können so erlebt werden. Auf diese Art und Weise wird der „private Charakter des Bewusstseins“
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aufgespürt, der emotionale und körperliche Reaktionen beeinflusst: die mentalen Zustände wie Denken und Erinnern sowie Emotionen, Affekte, Bedürfnisse und auch die Verortung des Selbst und des Körpers in Raum und Zeit (Roth und Strüber 2014, S. 208 f.). z 4. Selbsterfahrung ist zweidimensional
Selbsterfahrung geht über die „einsame Achtsamkeit“ hinaus. Denn dies hat – wenn es in ausschließlich in alleiniger Gewahrsamkeit durchgeführt wird – natürliche Grenzen: da jede Person ein in sich geschlossenes System ist, fehlen Impulse von außen. Der konstruktiv-wertschätzende Austausch mit einer anderen Person, über das was im Moment „da ist“, ist demnach die zweite förderliche Dimension der Achtsamkeit. Selbsterfahrung benötigt daher auch Impulse von außen, als Hinweise auf Zusammenhänge, die alleine nicht wahrgenommen werden können. Und dazu braucht es ein Gegenüber, der empathisch-wertschätzend versteht und vermittelt, ohne „aufzudecken“, ohne Grenzen zu überschreiten, die Schutz bieten und auch mit Aspekten konfrontieren kann, die (noch) nicht gesehen werden können, jedoch für die Selbst-Entwicklung so wichtig sind. z 5. Selbsterforschung ist wichtiger Bestandteil des kommunikativen Lernens und „soziale Selbstentwicklung“
Auf diesem Weg können prägende soziale Erfahrungen bewusst gemacht werden. Mit fortschreitender Selbsterfahrungskompetenz erweitert sich so das Bild auf eigene Kommunikationsmuster, sie können detaillierter wahrgenommen und Anteile wertschätzend angenommen werden. Das macht den Blick frei auf das Erleben des Coachees, da das eigene Erleben weniger überdeckend wirkt. Selbsterfahrung 5 stärkt letztlich die soziale und emotionale Kompetenz und das Selbstwertempfinden, 5 macht individuelle Persönlichkeitsanteile erfahrbar und professionalisiert die Begleitung im Coaching. 5 unterstütz dabei, im Kontakt mit dem Coachee klar und präsent zu sein. Und doch werden wir, mit unserer Entwicklung zu einem kongruenten Selbst, nie „fertig“ werden. Wie wir „ganz und völlig wirklich“ sind – darauf wird es keine finale Antwort geben. So ist die, vielleicht entlastende, Antwort, dass der Weg das Ziel ist: wie wir mit uns selbst, im Denken, Fühlen und Handeln, eins werden wollen; und zu erleben wie es dann sein kann, wenn wir uns auf diesem Weg selbst stets ein Stückchen näherkommen. Oder, wie Carl Rogers es formulierte: „Das Selbst zu sein, dass man in Wahrheit ist“. 2.6 Zuhören, Verstehen, Intervenieren
Wie kann der Coach den Coachee mit Personzentrierter Gesprächshaltung darin unterstützen „mehr er selbst zu werden“? Wie beschrieben ist es dazu unabdingbar, auf der Basis eines personzentrierten Beziehungsangebotes, die emotionalen Erfahrungen des Coachees einzubeziehen. Und zunächst gibt es hierzu eine Reihe Grundprinzipien zwischenmenschlicher Kommunikation. Wie kann sichergestellt werden (kann es?), dass die Vielzahl der gesendeten Informationen auch empfangen wird und so verstanden
2.6 · Zuhören, Verstehen, Intervenieren
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wird, wie sie gemeint wurden? Was braucht es, damit die Landkarte mit der Legende gelesen werden kann, mit der sie angelegt wurde? Verstehen und verstanden werden ist ein menschliches Grundbedürfnis. Mit den nachfolgenden Vorgehen kann das Selbstund Fremd-Verstehen unterstützt werden. 2.6.1 Kommunikationsgrundlagen & strukturiertes Zuhören
Ein nachhaltiger Coachingprozess baut auch auf „alltagsweltlichen“ kommunikativen Grundlagen auf: 5 Zwischendurch immer mal wieder das Gesagte zusammenfassen. So kann Verstehen geprüft und gesichert werden – und zwar auf zwei Ebenen: Der inhaltlichen, faktischen und der persönlichen, emotionalen; deutlich machen, dass Sie Ihren Gesprächspartner gerne verstehen möchten; gerade, wenn dies schwierig scheint: „Ich möchte noch besser verstehen, was Sie meinen.“ 5 Fragen stellen – um Sichtweisen zu überprüfen. Fragen sollten nicht dazu gestellt werden, um aus Eigeninteresse Informationen zu erhalten, sondern es sollten Fragen sein, die zur Klärung beitragen, ohne ausfragen zu wollen; und nicht in eine Richtung leiten wollen. Menschen bemerken früher oder später, wenn sie manipuliert werden, was entsprechend negative Auswirkungen auf die Beziehungsgestaltung und damit auf die Umsetzungsenergie haben kann. Von diesen Grundlagen aus kann leichter auf das aktuelle Erleben im Hier-und-Jetzt eingegangen werden. Das bedeutet: 5 „Zwischen den Zeilen hören“, Stimmungen ansprechen. Aussprechen, was nicht deutlich oder gar nicht ausgesprochen wurde. In einer Atmosphäre, in der Ärger deutlich ist, kann die explizite Nachfrage: „Sie sind gerade ärgerlich?“ das Gespräch entlasten, da nun bewusst damit umgegangen werden kann, was unausgesprochen sowieso da ist. Dieses Anteilnehmen an dem, was gerade „da“ ist, ist die Teil einer empathisch-wertschätzenden Gesprächshaltung. 5 Empfänglich zu sein, für – scheinbar nebensächliche – verbale und nonverbale Reaktionen des Coachees; z. B.: Welche veränderte Stimmlage können Sie hören, wann ändert sich die Prosodie (Akzentuierung, Melodie)? Welche veränderte Körperhaltung können Sie wahrnehmen und in welchem Zusammenhang steht diese mit dem Gesagten? 5 Unbedingte Wertschätzung – Beachtung ohne Bewertung des Coachees: Ein inneres „Ah, ja, So-geht-es-ihm-gerade-Denken“ kann dazu beitragen, freier vom „ Richtig-/ Falsch-Denken“ zu werden und (eigene, „bessere“) Lösungsvorschläge präsentieren zu wollen. > Bewertungen trüben die Sicht auf Relevantes.
Beispiel Wenn der Coachee nach langem Überlegen eine Idee für seine Problembewältigung äußert und wenn Ihre erste Reaktion ein Erschrecken oder eine Bewertung ist („Das geht doch nicht!“) – dann ist „etwas“ gegen die eigene Wertehaltung gelaufen. Dann hilft zunächst einmal: Atmen, achtsam sein – dem eigenen Inneren damit eine Chance zu geben, sich bewusster zu zeigen. Und dann wahrzunehmen, was es gerade ist, was diese
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Reaktion in Ihnen ausgelöst hat: Ist es die Angst, dass der Coachee einen „Fehler“ macht? Ist es der Ärger über die Nichteinhaltung von Absprachen? Ist es die Art und Weise mit der er spricht? Die Bereitschaft, eine Beachtung ohne Bewertung verständlich und empathisch zurückzumelden, kann aus den o.g. Zusammenhängen manchmal schwierig sein. Doch wenn wirklich die Absicht besteht beim Coachee zu bleiben, seine Sicht noch etwas mehr zu verstehen, ist es möglich, personzentriert zu intervenieren: „Sie haben sich dazu Gedanken gemacht?“, „Für mich hören Sie sich richtig fröhlich/ein wenig skeptisch über Ihren Entschluss an.“ Oder, sich selbst als Person mit seinen momentanen Gefühlen einbringend: „Mich erstaunt das gerade.“, „Ich merke gerade, wie mich Ihr schneller Entschluss etwas nervös macht.“ – Ohne dass dazu Begründungen folgen müssen, sondern dass dann wieder auf das Empfinden des Coachees gehört wird.
Beachtung ohne Bewertung schützt vor einer vorschnellen Beurteilung und dem Präsentieren von „eigenen guten Ideen“. Es hilft, einen kurzen Stopp einzulegen und eine routinemäßig ablaufende Eigen-Dynamik aus dem Gesagten herauszunehmen. Das alleine kann eine große Herausforderung sein, da während des Gesprächs manchmal kaum Zeit zum Reflektieren bleibt. Doch wenn die Haltung kongruent ist, wenn das Beziehungsangebot stimmig und „echt“ sind, dann ist der wichtigste Grundstein gelegt: wenn die Haltung stimmt, kann alles andere eingeübt werden. Dann kann zum Beispiel auch das Gehör trainiert werden, mit dem das Zuhören zu einem strukturierenden Zuhören ausgebaut werden kann. Strukturiertes Zuhören ist genaues Zuhören: Es setzt die empathische und engagierte Haltung voraus, den „inneren Bezugsrahmen“ der Person verstehen zu wollen. Mit strukturiertem Zuhören können „alte Erkenntnisse“ in aktuelle Zusammenhänge gestellt werden und neue Zusammenhänge zwischen Erleben und Verhalten bewusstwerden. Das kann gelingen, wenn verbale und nonverbale sowie kognitive und emotionale Zusammenhänge aus dem Erzählten aufgegriffen werden, die über das „Zusammenfassen“ hinausgehen und nicht deutend sind: wenn Werte und Bewertungen, Einstellungen, Bedürfnisse und Wünsche/Ziele explizit ausgesprochen werden, auch solche, die die Person nur subtil erwähnt. Dieses Hören kann trainiert werden. So kann zum Beispiel darauf gehört werden 5 welche Verbindungen zwischen Thema und Ziel der Coachee benennt, 5 ob sich das Gespräch um immer gleiche Themen zu „drehen“ beginnt: dann stagniert der Prozess. 5 ob sich etwas häufiger wiederholt: Nebenthemen, die immer wieder aufkommen. Wenn z. B. immer wieder der Chef subtil angegriffen wird, obwohl das „eigentlich kein Thema ist“. 5 ob es Widersprüchlichkeiten gibt: der Coachee will etwa anders machen, doch es „passiert ihm eben immer wieder“. Er lacht häufig auch wenn es wenig zum Erzählten passt. 5 Reizworte, Hauptfragen, Schlüsselsätze: welchen „roten Faden“ gibt es im Coaching? 5 Pausen, Blockaden, Übergänge und Übergangenes: Wann wird der rote Faden oder der Redefluss unterbrochen? 5 welche unausgesprochenen Fragen es gibt.
2.6 · Zuhören, Verstehen, Intervenieren
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> Anstatt es zu umgehen ist es besser damit umzugehen.
Mit strukturiertem Zuhören kann mit dem Coachee die Wahrnehmung auf beiden Seiten überprüft werden. Die Selbsterforschung wird damit unterstützt und in der Folge kann der Coachee sich selbst mehr verstehen und sich mehr selbst wertschätzen. Die Auswirkung: Die Person wird flexibler in ihren Handlungsmöglichkeiten. In engem Zusammenhang mit strukturiertem Zuhören steht das nondirektive Vorgehen. 2.6.2 Direktiv vs. Nondirektiv
Carl Rogers hatte in den Anfängen seiner Forschung verschiedene „nicht-direktive“ Vorgangsweisen beschrieben und daher erst seinen Ansatz „nondirektiv“ genannt, um sich damit, von den damals vorherrschenden, direktiven Vorgehen der Verhaltenstherapie und auch von der Psychoanalyse abzugrenzen. Denn in diesen Verfahren war der Therapeut der Wissende, der – im Gegensatz zum Personzentrierten Therapeuten – wusste was „gut“ für den Patienten war. Und noch heute ist der PZA eng verbunden mit dem Begriff der Nondirektivität. Doch was genau macht denn „nondirektives“ Vorgehen aus? Denn so selbstverständlich dieser Begriff häufig genutzt wird, so diffus ist er ebenso häufig. Nondirektives Verhalten des Coaches ermöglicht und erwartet, dass das Engagement vom Coachee ausgeht: er bestimmt das Tempo und die Richtung und lässt somit vermehrt Selbstgestaltung und Selbstentfaltung zu. Im Gegenzug dazu wirkt alles Direktive, was nicht im Fluss mit dem Coachee ist, wie eine Bremse. Es drosselt die Entwicklung und lenkt in eine andere Richtung. In der Gegenüberstellung von „Direktiv“ und „Nondirektiv“ können somit zwei verschiedene Möglichkeiten gesehen werden, dem Coachee Hilfe zu geben (vgl. Rogers 1942; Schmid 1973, 1989): 1. ein auf das Problem oder Thema bezogenes Verhalten (direktives Verhalten), bei dem der Coach sein eigenes Wissen und seine eigenen Erfahrungen als Grundlage dazu nimmt, das Gespräch zu führen. 2. ein auf die Person bezogenes Verhalten (nondirektives Verhalten) indem der Coach dem Coachee folgt und seine Aufgabe darin sieht eine Beziehung herzustellen, die es dem Coachee ermöglicht, sich selbst besser zu verstehen und seinen Weg zur Problembewältigung zu finden. Beispiel So kann der Coachee zum Beispiel davon erzählen, dass sein Chef ihn kaum lobt und dass er es ihm selten recht machen kann. Auf das Problem des Coachees bezogen könnte eine direktive Reaktion des Coaches sein, dass er fragt, was der Coachee schon versucht hat, ob er schon mit seinem Vorgesetzten darüber gesprochen hat und ob er dieses oder jenes schon ausprobiert hat. Oder es könnte eine nondirektive Reaktion des Coaches sein, dass dieser erfasst, was der Coachee meinte: „Es ärgert Sie ziemlich, dass Sie es Ihrem Vorgesetzten selten recht machen können“. Im ersten Fall bekommt der Coachee einen Ratschlag, im zweiten Fall versucht der Coach das wiederzugeben, was er vom Coachee wahrgenommen hat, mit der unausgesprochenen Frage dahinter: Das habe ich von Ihnen verstanden – stimmen das so für Sie, oder ist es doch noch anders?
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
Häufig ist die Anmerkung: Und was bringt das, wenn der Coachee von mir hört, was er selbst gerade gesagt hat? Nach den Ausführungen zu der Relevanz des Personzentrierten Beziehungsangebotes ist es leicht zu beantworten: Der Coachee bemerkt, dass der Coach zumindest versucht ihn zu verstehen – dass es ein echtes Anliegen des Coaches ist, seine ehrliche Haltung. Und das fördert den Selbstexplorationsprozess mit benannten positiven Auswirkungen (7 Abschn. 5.1). > Verstanden werden wollen ist ein menschliches Grundbedürfnis.
Auf diesem Weg kann die ganze Person verstanden und akzeptiert werden, ohne dass dieses Akzeptieren an Bedingungen gebunden ist, wie: „Ich würde ja gut mit ihm arbeiten können, wenn…., er etwas engagierter wäre… nicht so viel reden würde, …mehr reden würde, …sachlicher bliebe, … usw. Damit steht ein Teil des Problems im Mittelpunkt (was später auch genutzt werden kann; vgl. 7 Abschn. 5.3.5) und nicht mehr die Person. Es würde versucht werden, den Coachee dazu zu bringen, engagierter, weniger oder mehr zu reden, sachlicher… zu werden. Doch Rogers Feststellung ist hierzu klar: „Das Individuum steht im Mittelpunkt der Betrachtung und nicht das Problem. Das Ziel ist es nicht, ein bestimmtes Problem zu lösen, sondern dem Individuum zu helfen, sich zu entwickeln, so dass es mit dem gegenwärtigen Problem und mit späteren Problemen auf besser integrierte Weise fertig wird (Rogers 1985, 1942). Im Fokus der Aufmerksamkeit steht damit der Coachee. Und das schließt nicht aus, dass personzentriert-integratives Coaching aus einem Dreieck von Coach-Coachee und dem Problem/Auftrag besteht (. Abb. 2.9). Von dieser Ausgangslage aus, hat der Coach zwei Möglichkeiten im Prozess zu agieren: 1. Im ersten Fall schauen der Coach und der Coachee aus ihrer jeweils eigenen Perspektiven auf das Problem (. Abb. 2.10) Dadurch entsteht eine Lösungsdynamik, in der jede Person ihre eigenen Erfahrungen mit einbringt und eigene Möglichkeiten. (vgl. auch „Dritte Wissensart“; 7 Abschn. 2.3.3). So entstehen Gespräche mit dem Charakter: Haben Sie schonmal versucht…. Ich habe ja gute Erfahrungen mit … gemacht. Man könnte auch…. 2. Im zweiten Fall wendet sich der Coach dem Coachee zu und versucht zu verstehen, wie dieser auf das Problem schaut (. Abb. 2.11). Aus welchen Perspektiven er das Problem sieht und wie es ihm damit geht. Das wäre nondirektives Vorgehen: es werden keine Beiträge aus dem eigenen inneren Bezugsrahmen vorgenommen – sondern der Blick des Coachees auf sein Problem geschärft. Grafisch dargestellt kann der Unterschied zwischen beiden Vorgehensweisen so dargestellt werden (vgl. Bommert 1977, in Schmid 1989, S. 39 ff.; eigene Darstellung):
2.6 · Zuhören, Verstehen, Intervenieren
. Abb. 2.9 Coach-Coachee-Thema Dreieck
. Abb. 2.10 Blick auf das Thema
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
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. Abb. 2.11 Blick darauf, wie der Coachee auf das Thema sieht
Dies beinhaltet einen wichtigen Zusammenhang zwischen der Haltung, der Wahl der Technik und dem Vorgehen zur Zielerreichung: Je mehr der Coach davon ausgeht, dass er weiß was der Coachee jetzt braucht oder was er „nur einfach tun müsste“, um sein Ziel zu erreichen, je direktiver wird er vorgehen. Je mehr der Coach davon überzeugt ist, dass er nicht beurteilen kann, was gut und richtig für den Coachee wäre, je mehr er überzeugt ist, dass der Coachee seinen Weg selbst finden wird, desto eher wird er nondirektiv handeln können (vgl. Schmid 1989, S. 53 ff.). Veränderung geschieht im Hier-und-Jetzt. Das aktuelle Erleben kann aus der Vergangenheit resultieren und für eine Zukunft erdacht werden – jedoch begegnet wird diesem und bearbeitet wird dieses in der Gegenwart (frei nach Søren Kierkegaard). Es gilt, diesen Zusammenhang im Blick zu behalten – gerade unter dem Aspekt, dass es auch im personzentrierten Coaching Situationen geben kann, in denen aufgrund einer Krisensituation direktiver gehandelt werden sollte (vgl. 7 Abschn. 5.3). > Direktive Handlungsweisen sind „Beziehungskiller“.
So wies Rogers auch darauf hin, dass durch „übereifrige und scharfe Deutungen“ oder andere Vorgehen, mit denen der Klient mit verdrängten Erfahrungen konfrontiert wird, Desorganisationen entstehen können und/oder die Gefahr besteht, dass die alten Erfahrungen, durch die Erfahrungen im Hier-und-Jetzt, bestätigt werden und die Selbst-Struktur weiter erstarrt – aus Angst unflexibler wird (Rogers 2009b, S. 65). Solche unproduktiven, weil entwicklungsbremsenden, Vorgehen können auch zum Beispiel solcher Art sein (vgl.: Rogers 1942; Schmid 1973, 1989, S. 58 ff.): 5 Ratschläge erteilen („Das Beste ist doch jetzt für Sie…“) 5 Anspornen („Ja – aber viel wichtiger ist doch, dass Sie jetzt…“) 5 Moralisieren („Es sollte doch so reagiert werden, nicht so.“) 5 Diagnostizieren („Ihr Problem ist doch ….“) 5 Interpretieren („Das ist so, weil…“) 5 Nachforschen („Das finde ich ja interessant, wie war das genau“?) 5 Generalisieren („Das kommt öfter vor“, „Da sind Sie nicht der Einzige“)
2.6 · Zuhören, Verstehen, Intervenieren
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Partei ergreifen („Da gebe ich Ihnen/dem anderen recht“) Hinwegtrösten („Machen Sie sich keine Sorgen deswegen, das wird schon“) Dramatisieren („Das kann richtig böse enden“) Suggerieren („Sie sehen doch auch, dass das besser ist für Sie.“)
Wahrscheinlich lässt sich diese Aufzählung noch ergänzen. Dabei ist allen Vorgehensweisen gemeinsam, dass das individuelle, (emotionale) Erleben des Coachees nicht beachtet wird. Und damit zeigen diese Gesprächsformen ein Ignorieren der Person und eine Konzentration auf das Problem und die eigenen Perspektiven; und sind aus diesem Grund langfristig „Beziehungskiller“. 2.6.3 Techniken & Interventionen
Nachdem nun beschrieben wurde, welche Relevanz das Zuhören und nondirektives Handeln hat, können nun hilfreiche Techniken darauf aufbauen. Die möglichen Interventionsmöglichkeiten der Personzentrierten Gesprächsführung sind dabei als Teil des Personzentrierten Ansatzes zu verstehen. Diese ursprünglichen „Techniken“ der Gesprächsführung (Rogers 1985, S. 185 f.) sind grundlegend für die personzentrierte, nondirektive Gesprächsführung: 5 Gefühle reflektieren, anerkennen und akzeptieren, 5 bereits erlangte Einsichten aussprechen, 5 das neue Verstehen klären, 5 Beziehungen andeuten, die möglicherweise oder tatsächlich zwischen den Gefühlen bestehen und 5 Handlungsabläufe entdecken sowie dem Klienten, 5 unter bestimmten Voraussetzungen, Interpretationen darüber anzubieten – wenn der Coach sich in seinen Hypothesen wirklich sicher ist. Es sind Techniken, die den inneren Bezugsrahmen des Coachees und das was in der Bezie hung geschieht, als Ausgangspunkt nehmen. Unten sind einige Beispiele dazu aufgeführt: (Siehe . Tab. 2.1).
Mit diesen Interventionsmöglichkeiten wird der Coachee dabei unterstützt, sich selbst zu reflektieren: „Ja, so habe ich das gemeint… und da ist auch noch folgender Aspekt…“. Oder auch: „Nein, so meinte ich das nicht. Mir geht es eher so….“. Dabei geht der Coach mit seiner Antwort manchmal mehr auf den Inhalt und die Sache ein, manchmal auf die Handlungsoptionen und manchmal mehr auf die Gefühle ein. So ist die Tiefe dieser Interventionen auch davon abhängig, wie der Coache bereit und fähig ist, sich zu öffnen. Auf diesen Zusammenhang wird noch in 7 Abschn. 5.1 eingegangen. Diese Art der Interventionen ist zum einen Teil eine zu lernende Technik. Der andere Teil ist jedoch der wesentliche und der damit untrennbar verbundene: das empathische Einfühlen wollen in den inneren Bezugsrahmen des Coachees. Diese Art zu intervenieren setzt damit die humanistische Haltung voraus und den Glauben an die Aktualisierungskraft des Coachees. Und deshalb kann diese Art der Interventionen sich zunächst nicht passend, „unecht“ anfühlen und vielleicht ist es am Anfang so, dass Sie diese Art der Gesprächsführung auch noch nicht „selbst-verständlich“ einbringen können. Doch wenn Sie diese Techniken nicht nur als Gesprächsführungstechniken
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Ich habe immer gedacht, dass es mir nur um das Geld geht, dass mir die Anerkennung dieser Mitarbeiterin egal ist – jetzt erst merke ich, wie wichtig mir das ist!
Ach, wenn mir jemanden sagen würde: ja das hast du gut gemacht… und dann könnte ich wieder viel motivierter arbeiten!
Und wie Sie das gerade sagen, da spüren Sie auf einmal: mir ist die Bestätigung meiner Person so wichtig!
Und wenn ich die dann da so stehen sehe, dann hab ich schon keine Lust mehr – ich weiß schon, dass die meckern wird. Egal wie gut das ist, was ich gemacht habe
– Handlungsabläufe entdecken
Dann sind Sie so richtig sauer und auch frustriert?
Ja, ich bin wütend, richtig wütend, ich kann nichts machen, so richtig ohnmächtig fühle ich mich
(Fortsetzung)
Sie hoffen, dass eine Person Ihnen positive Rückmeldungen gibt; dann könnten Sie wirklich wieder engagiert arbeiten
Sie befürchten, dass Sie Fehler machen könnten. Das macht Ihnen Angst und diese Angst finden Sie schrecklich?
Sie kämpfen richtig gegen dieses ohnmächtige Gefühl an und es ärgert Sie sehr, dass Sie dann so machtlos sind
Also das Coaching finde ich ganz ok, doch ich fühle mich irgendwie nicht wohl, dass ich jetzt hier zu Ihnen hinkommen muss
Ich habe einfach Angst was falsch zu machen. Das ist so schlimm
Eigentlich finden Sie das Coaching in Ordnung, aber so ganz angenehm ist es Ihnen nicht, hierhin kommen zu müssen
Vielleicht habe ich meinen Mitarbeiter doch zu selten die Stirn geboten? Vielleicht sollte ich doch noch mal ein Seminar für Führungsthemen belegen. Was meinen Sie?
– bereits erlangte Einsichten aussprechen – das neue Verstehen klären – Gefühle reflektieren, anerkennen und akzeptieren
– Beziehungen andeuten, die möglicherweise oder tatsächlich zwischen den Gefühlen bestehen
Am liebsten würden Sie das Thema an Fachleute weitergeben
Aussage des Coachees
Mögliche wertschätzend-empathische Intervention
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Personzentrierte Techniken
. Tab. 2.1 Personzentrierte Techniken und Interventionsbeispiele
48 Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
Ich fühle mich ziemlich alleine gelassen mit dem ganzen Kram
– Wünsche, Sorgen, Hoffnungen…, aussprechen
Sie sehen sich nach Unterstützung?
Also für mich hört sich das so an: Sie erzählen mir alles über ihre Vorgesetzte, so dass ich gut nachvollziehen kann, wie es Ihnen mit ihr geht. Nur der Betreffenden selbst erzählen Sie es nicht. Sie lassen sich nicht wirklich auf den Menschen ein?
Sie tun schon so viel doch genügt es nicht für eine Höhergruppierung. Und jetzt sind sie ratlos und fragen, was Sie noch tun könnten
Also das ist doch so: ich mache und tue und tue und trotzdem genügt es nicht. Was soll ich denn noch alles tun, um meine Gehaltserhöhung zu bekommen? Ich weiß nicht ob die das nicht merkt, ob die nicht spürt, dass ich am Ende bin und mich mit ihren zusätzlichen Aufträgen fertig macht
Mögliche wertschätzend-empathische Intervention
Aussage des Coachees
– Interpretationen darüber anbieten
Personzentrierte Techniken
. Tab. 2.1 (Fortsetzung)
2.6 · Zuhören, Verstehen, Intervenieren 49
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Kapitel 2 · Personzentrierter Ansatz
nehmen, sondern sich aufrichtig auf den inneren Bezugsrahmen ihres Gegenübers einlassen können, dann werden solche und ähnliche Interventionen „automatisch echt“ – denn dann sind Sie ganz bei der Person und werden wahrscheinlich schnell merken wie hilfreich diese Art der Kommunikation ist. Übersicht Damit Ihre personzentrierten Interventionen beim Coachee ihre Wirkung entfalten können, sollten sie bestimmte Eigenschaften haben; sie sollten 5 sich auf das Hier-und-Jetzt konzentrieren: Verbales und auch nonverbales aufgreifen, das, was sich im Moment zeigt. 5 kurz sein, da zu umfangreiche Ausführungen weniger in ihrem Kern aufgenommen werden können. 5 so konkret wie möglich sein. 5 das momentan Wesentliche wiedergeben und sich nicht auf Nebensächliches beziehen. 5 das Erleben des Coachees aufgreifen und in Beziehung zu sich selbst und zur Umwelt setzen. 5 den Coachee dazu ermuntern, als „unverbindliches Angebot“, seine Gefühle wahrzunehmen, auch und gerade, wenn dieser sich mit seinen Einstellungen und seinem Erleben nicht auseinandersetzen will und gleichzeitig Grenzen wahren. 5 den Coachee als Experten seiner selbst wahrnehmen. Der Coach kann auch fragen, ob er ihn richtig verstanden hat – und die Antwort nochmal genauer machen. 5 „beschützt“ werden: hinhören, ob der Coachee über bestimmte, vielleicht ähnliche Interventionen wegläuft und ihn ggf. darauf aufmerksam machen – jedoch gleichzeitig: den Coachee in seinen Verneinungen ernst nehmen! Nicht auf einen Aspekt insistieren, wenn der Coachee dem Angebotenen nicht nachgehen kann, oder es abwehrt. Stattdessen: Überprüfen, ob es wirklich aus seinem inneren Bezugsrahmen genommen wurde, oder aus dem eigenen. Sobald es um das Erleben des Coachees geht, gilt grundsätzlich: Verzichten Sie auf Begründungen, Erklärungen Argumente, warum dieser oder jene Aspekt (Ihnen) besonders wichtig scheint – ein „weil….“, „und deshalb….“ bringt das Gespräch (wieder) auf die kognitive Ebene und verlässt die Ebene des In-sich-Schauens. Einen Reflexionsbogen dazu finden Sie im Anhang, Abb. A.2
Literatur Ainsworth, M. (2003). Bindungen im Verlauf des Lebens. In K. Grossmann & K. E. Grossmann (Hrsg.), Bindung und menschliche Entwicklung (S. 341–366). Klett-Cotta: Stuttgart. Biermann-Ratjen, E.-M., Eckert, J., & Schwartz, H.-J. (1979). Gesprächspsychotherapie. Verändern durch Verstehen. Stuttgart: Kohlhammer. Biermann-Ratjen, E., Eckert, J. & Höger, D. (2012). Gesprächspsychotherapie. Heidelberg: Springer. Bommert, H. (1977). Grundlagen der Gesprächspsychotherapie. Stuttgart: Kohlhammer. Bowlby, J. (1988). A secure base. Clinicel application of attachment theory. London: Routledge. Damásio, A. R. (2000). Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins. München: List. Franz, M. (2017). Vom Affekt zu Gefühl und Mitgefühl. In Lewkowicz/West-Leuer (Hrsg.), Führung und Gefühl. Springer: Berlin-Heidelberg.
51 Literatur
Fromm, E. (2015). Vom Haben zum Sein. Wege und Irrwege der Selbsterfahrung. Open Publishing. Gendlin, E. T. (2012). Focusing-orientierte Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta. Goleman, D. (1998). Emotionale Intelligenz. München: dtv. Hippler, B., & Görlitz, G. (2001). Selbsterfahrung in der Gruppe. Person- und Patientenorientierte Übungen. Stuttgart: Pfeiffer bei Klett-Kotta. Hüther, G. (2013). Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Göttingen: Vandenheock & Rupprecht. Luhmann, N. (1984). Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Stuttgart: Suhrkamp. Perls, S. F. (1978). Das Ich, der Hunger und die Aggression. Die Anfänge der Gestalttherapie. Stuttgart: Klett-Cotta. Rogers, C. R. (1942). Counseling and psychotherapy; newer concepts in practice. Oxford: Houghton Mifflin. Rogers, C. R. (1973). Entwicklung der Persönlichkeit. Stuttgart: Klett-Cotta. Rogers, C. R. (1977). Die Entwicklung der Persönlichkeit. Stuttgart: Klett-Cotta. Rogers, C. R. (1983). Therapeut und Klient. Grundlagen der Gesprächspsychotherapie. Frankfurt a. M.: Fischer. Rogers, C. R. (1985). Die nicht-direktive Beratung. Frankfurt a. M.: Fischer. Rogers, C. R. (2009a). Die Klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie. Frankfurt a. M.: Fischer. Rogers, C. R. (2009b). Eine Theorie der Psychotherapie, der Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen. München: Ernst Reinhardt GmbH&Co KG. Rogers, C. R. & Schmid, P. F. 2004. Person-zentriert. Grundlagen von Theorie und Praxis. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag. Roth, G. (2003). Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert. Stuttgart: Suhrkamp. Roth, G., & Strüber, N. (2014). Wie das Gehirn die Seele macht. Stuttgart: Klett-Kotta. Schmid, P. F. (1973). Das beratende Gespräch. Wien: Herder. Schmid, P. F. (1989). Personaler Begegnung. Der Personzentrierte Ansatz in der Psychotherapie, Beratung, Gruppenarbeit und Seelsorge. Würzburg: Echter. Schwarzer, R., & Leppin, A. (1989). Sozialer Rückhalt und Gesundheit. Eine Metaanalyse. Göttingen: Hogrefe. Speierer, G.-W. (1994). Das Differenzielle Inkongruenzmodell. Heidelberg: Asanger Verlag. Speierer, G.-W. (2013). Die Differenzierung der Inkongruenz als Ansatzpunkt von Beratung. In Gahleitner, S. B. et al. (Hrsg.), Personzentriert beraten: alles Rogers? Weinheim: Beltz Juventa. Spitz, R. A. (1982). Vom Dialog: Studien über den Ursprung der menschlichen Kommunikation und ihrer Rolle in der Persönlichkeitsbildung. Frankfurt a. M.: Ullstein.
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Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht 3.1 Der Gestaltansatz – 56 3.2 Focusing – 59 3.3 Biografiearbeit – 61 3.4 Systemische Perspektiven – 63 3.5 Verhaltenstheoretische Aspekte – 66 3.6 Tiefenpsychologische Dynamiken – 70 Literatur – 73
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Hellwig, Personzentriert-integrative Gesprächsführung im Coaching, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29118-1_3
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Kapitel 3 · Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht
Die zentrale Aufgabe des Coaches ist es, günstige Bedingungen herzustellen, 5 die sich förderlich auf die Fähigkeit der Selbsterforschung des Coachees auswirken und 5 damit die Entwicklung kongruenter Persönlichkeitsstrukturen unterstützen, aus der heraus 5 individuell passende und nachhaltig wirksame Lösungen möglich werden.
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Wie beschrieben ist Carl Rogers der Annahme, dass es dazu nicht mehr braucht, als die sechs beschriebenen Bedingungen, die er als „hinreichend“ ansah und die weltweite Bestätigung erfahren haben. Warum also ein integratives Konzept? Zur Beantwortung dieser Frage ist es interessant nochmal auf die Psychotherapieforschungen zu schauen. Denn in mehreren, voneinander unabhängigen Studien (z. B. Yalom 2019; Grawe 2000) wurden zwei zentrale Faktoren bestätigt: 1. Die Beziehung zum Therapeuten ist maßgeblich für den Therapieerfolg. 2. Es sind verschiedene therapeutische Faktoren die den Klienten im Prozess unterstützen. Mit dem ersten Punkt ist die Priorität der „hinreichenden Bedingungen“, die Rogers aufstellte, nochmals bestätigt. Der zweite Punkt lässt fragen, welches die unterstützenden „Faktoren“ sein können und welche Möglichkeiten sich daraus für ein Coachingformat ableiten lassen können. In den o.g. Studien wurde über die Jahre hinweg mehrfach versucht, subjektive (therapeutische) Faktoren als unabhängige Variable1 zu benutzen. Also herauszufinden, wie, welche Faktoren verändert bzw. angepasst werden müssen, damit sie beim Klienten eine positive Wirkung erzielen. Zu diesen Faktoren gehören z. B. die Informationsweitergabe und Psychoedukation, das Erlernen neuer Verhaltensstrategien, mentale Umdeutungen, Perspektivenerweiterung durch das Erkennen systemischer Zusammenhänge (vgl. 7 Kap. 4. ff und 5. ff.). Und doch war das Ergebnis einer Analyse der Forschungssettings u. a., dass die geprüften Untersuchungen eine sehr geringe Relevanz der Ergebnisse aufweisen konnten; dass also nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden kann, welche Faktoren genau eine positive Auswirkung auf den Entwicklungsprozess des Klienten hatten. Kurz: es konnte nicht bestätigt werden, dass eine bestimmte Methode und Technik den entscheidenden Entwicklungsschub auslösten. Irving D. Yalom kommt daher zu dem Schluss:
» „Wir müssen uns anhören, was die Klienten uns zu sagen haben und die besten
wissenschaftlichen Erkenntnisse (…) in unsere Erwägungen einbeziehen. Letztendlich müssen wir ein wohldurchdachtes (…) Vorgehen entwickeln, das uns die Flexibilität ermöglicht, die wir brauchen, um mit der unendlichen Vielfalt menschlicher Probleme sinnvoll umzugehen“. (Yalom 2019, S. 108 ff.)
Eine Methodenvielfalt nutzen zu können ermöglicht Flexibilität; diese kann unterschiedlichen Menschen besser gerecht werden. Doch befinden wir uns nicht in der Therapie, sondern möchten ein integratives Coachingkonzept anwenden. Die damit zusammenhängende und entscheidende Frage ist damit: wonach wählt der
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Eine unabhängige Variable ist eine Variable, die vom Forschungsleiter verändern kann.
55 Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht
ersonzentriert-integrative Coach die unterschiedlichen Angebote für den Coachee p aus? Diese Frage muss auch ein Coach sich beantwortet können, da seine Methodenund Technikauswahl sonst beliebig bliebe. Naheliegend ist, dass er über tiefer gehende Zusammenhänge der verschiedenen Methoden verfügt, aus denen eine Technik abstammt, um im Prozess sinnvolle Entscheidungen treffen zu können. Denn ein „wohldurchdachtes, flexibles Vorgehen“ kann nur erfolgen, wenn 1. sowohl das Angebot/die Technik mit seiner Wirkung und seinen Absichten bekannt ist: Worauf zielt es maßgeblich ab? Denn die Methoden nutzen, aufgrund ihres unterschiedlichen Menschenbildes, jeweils andere Vorgehensweisen/ Techniken, mit denen sie Entwicklung anstoßen möchten. 2. dieses Angebot im passenden Augenblick an der aktuellen Selbst-Erfahrung des Coachees ansetzt – wenn es im Entwicklungsprozess nicht zu früh kommt, und nicht zu spät. Daher sollten begründete Hypothesen darüber aufgestellt werden können, wo der Coachee momentan steht. > Die Theorie bestimmt, was wir beobachten können. (Albert Einstein)
Das bedeutet nochmals: genau erfahren wollen wie der Coachee sich in der Situation erlebt, wie er fühlt und was er selbst schon darüber und über sich, weiß. Um dann ein Angebot machen zu können, das förderlich sein kann – und das ggf. wieder verworfen werden muss, weil es doch nicht am momentan vorrangigen Thema des Coachees „andockt“. Die Gefahr der Vermischung eigener „bester Lösungen“ des Coachs, die „für“ den Coachee gedacht werden, kann durch Offenheit, für das was während der Wechselwirkung zwischen den Personen, im Hier-und-Jetzt, passiert – wiedermal – verringert werden. Der „Glaube oder das Vertrauen in die Fähigkeit des Individuums, mit seiner psychischen Situation und mit sich selbst fertig zu werden“ (Rogers 2009a, S. 37) ist dabei immer die zentrale Annahme. Soll die Arbeit im Coaching, unter Einbezug von Techniken, also erfolgreich sein, muss sie auf zwei Säulen stehen, die bis hierher immer wieder begründet wurden, deren Verzahnung unabdingbar ist und aufgrund ihrer Priorität hier nochmal kurz zusammengefasst werden; es sind: 1) der Ebene des Erlebens im Hier-und-Jetzt und im Prozess. 2) Der Ebene des Denkens, des rationalen Verstehens. Auf dem Fundament der Personzentrierten Theorie werden in diesem Coachingkonzept Wirkungszusammenhänge und Techniken aus der humanistischen Psychologie, der Systemtheorie, Verhaltenstheorie und der Tiefenpsychologie integriert. Dazu werden in den weiteren Kapiteln 1. die theoretischen Zusammenhänge dieser Verfahren (7 Kap. 3. ff.), mit ihren Methoden aufgeführt, aus denen heraus das Angebot mit seiner Wirkung und seinen Absichten ersichtlich ist und nachvollzogen werden kann, welche Wirkungszusammenhänge in der Umsetzung im Coaching entstehen. 2. entsprechende Techniken aufgeführt, die unterschiedliche Tiefen der Selbsterforschung ansteuern; dies sind mentale, handlungsorientierte und erlebensorientierte Techniken (7 Kap. 5. ff.). Zusammengefasst ist es bei der Anwendung einer Technik förderlich für die Umsetzung, die Hintergründe zu kennen, aus welcher psychologischen „Schule“ heraus diese Technik entstanden ist und welche Grundannahmen damit verbunden sind:
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Kapitel 3 · Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht
3.1 Der Gestaltansatz
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Wir kennen alle „Kleksbilder“, auf denen Tintenflecke zu sehen sind – in denen wir Schmetterlinge, Häuser, Gesichter, oder was auch immer, „erkennen“ können: dann haben wir ein abstraktes Gebilde mit unserem impliziten Wissen vervollständigt – wir können nichts darin erkennen, was wir noch nicht kennen. Und wir kennen auch solche Situationen, in denen wir eine Erleichterung spürten, weil etwas „erledigt“ ist, an das wir lange Zeit denken mussten, das unabgeschlossen war und umgekehrt: dass etwas in uns „nagt“, weil wir es (noch) nicht abschließen können oder gar nicht wissen was es ist, dass dieses Unbehagen auslöst. Dies sind einfache Beispiele für die Grundlagen der Gestalttheorie, dessen Erkenntnisse der Gestaltansatz adaptierte: die Erkenntnis, dass der Mensch seine Wahrnehmungen zu sinnvollen Einheiten – „Gestalten“ – zu schließen versucht: Der Begriff „Gestalt“ wird im Gestaltansatz daher gleichbedeutend verwendet mit „Ganzheit“: Eine Gestalt unterliegt einer inneren Schlussfolgerung und entfaltet sich daher aus inneren Kräften heraus. Der Gestaltansatz ist ein expliziter Teil der Personzentrierten Theorie. Er betont „die Ganzheit und den Zusammenhang all der Phänomene, die für uns das Individuum ausmachen“ (Rogers 2009a, S. 22). Friedrich Salomon Perls hat Mitte der 1940er-Jahre zusammen mit seiner Frau Laura Perls und dem amerikanischen Sozialphilosophen Paul Goodman die Gestalttherapie, auf den PZA-Grundsätzen aufbauend, entwickelt. Das Vorgehen in der Gestaltarbeit ist eine der wichtigsten humanistischen Methoden, hat daher ebenfalls die Relevanz des „Hier-und-Jetzt“ und die humanistische Person als Grundsatz. „Gestalt“ wird auch als Synonym für den Begriff „Vordergrundfigur“ benutzt: Ein Ausschnitt von „Etwas“, das sich für die Person aus dem vorbewussten Hintergrund ab- bzw. hervorhebt und dadurch nur für ihn existiert – also existenziell, subjektiv wirklichkeitsbezogen ist. Dementsprechend ging Rogers auch davon aus, dass individuelle Erfahrungen „Gestalt“ werden können, wenn sie nicht „auf den Grund sinken“ – also: im Unbewussten erstarren (Rogers 2009a, S. 418). Daraus kann gefolgert werden: 1. Alles was unbewusst ist, ist nicht bewusst verfügbar, kann somit nicht „bearbeitet“ werden. 2. Alles was im Hintergrund, im Unbewussten, bleibt, ist subjektiv nicht bedeutsam und in gewisser Weise nicht existent – obwohl es Handlungen leitet (vgl. Hartmann-Kottek 2012, S. 12 ff.). > Eine „Gestalt“ ist alles Erfahrbare – auch eine Begegnung, eine Erinnerung, ein
Gefühl.
Durch diese Feststellung wird bereits angedeutet, dass in die sog. Vorder- und Hintergrunddynamik motivationale und andere subjektive Faktoren sowie vertraute Denkschablonen einfließen können und dies die Wirklichkeitswahrnehmung beeinflusst. Die „Gestalt“ ist demnach eine kognitiv-emotionale Landkarte, auf der sehr viele Einzelheiten aus Denken, Fühlen, Handeln zu zusammengefügt und synchronisiert werden müssen, um eine innere und äußere Ausgeglichenheit zu erwirken: es ist das Streben nach Kongruenz. Die Ergänzung des PZA durch die Gestalttherapie beinhaltet auch die Annahme, die Entwicklung einer Person insbesondere über das forcierte Erleben in Gang zu bringen. Die Gestaltarbeit hat somit zum Ziel, genau wie der PZA, das Unbewusste bewusst
3.1 · Der Gestaltansatz
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zu machen, es „gewahr werden“ zu lassen, jedoch mit anderen Mitteln: der Klienten wird mit erlebnisaktivierenden Techniken dabei unterstützt, sich verdrängter Gefühle und seiner Ressourcen bewusst zu werden, mit denen er mit diesen vom Bewusstsein unerwünschten Gefühlen umgehen kann. Was ist Bewusstsein? Gerald Hüther erklärt es so: „Mit Bewusstsein meinen wir die Fähigkeit, uns unserer eigenen Empfindungen und Wahrnehmungen, unseres „In-der-Welt-Seins“ gewahr zu werden“ (Hüther 2013, S. 115).
Die „Auffassung von der Realität des Hier-und-Jetzt, vom Organismus als Ganzheit und von der Dominanz des dringlichsten Bedürfnisses“ (Perls 1978, S. 11) sind in der Gestaltarbeit die Basis: Dieser Prozess des Austausches zwischen Organismus und Umwelt wird als „Kontaktfähigkeit“ bezeichnet: die Fähigkeit, zu sich selbst „Kontakt“ herzustellen, sich als selbstständiger Organismus an seinen Kontaktgrenzen zu behaupten und die eigenen Bedürfnisse zur Beachtung zu bringen. Diese Kontaktaufnahme ist ein Prozess, mit unterschiedlichen Bewusstseinsebenen, die innerhalb des sog. „Kontakt- oder Gestaltzyklus“ wirken: 1. Etwas interessiert und wird als Anreiz aus der Umwelt wahrgenommen; es gibt ein unterschwelliges Verlangen, ein Bedürfnis: Das ist der „Vorkontakt mit einer Gestalt“. Im Kontaktzyklus wird das Gefühl erlebt, „unerledigte Dinge vor sich herzuschieben“; wenn diese dann „erledigt sind“ stoßen sie nicht mehr als Hintergrundfigur an den Rand des Bewusstseins – sie beschäftigen einen nicht mehr. Sie sind dann abgeschlossen, es sind „geschlossene Gestalten“. Das können Kleinigkeiten sein (der Zahnarzttermin muss noch gemacht werden) oder Dinge die komplexer sind (der Streit mit dem Kollegen will geklärt werden, oder es besteht ein komisches Gefühl, wenn der Coachee an das Gespräch mit dem Chef denkt, usw.). 2. In diesem Verlauf, wird das, was „man möchte“, als Mangel wahrgenommen: Es ist das „Hintergrundbild“, das dann in die Kontaktaufnahme mit dem Vorbewussten geht – ein Suchprozess tritt in Kraft – wie kann das Bedürfnis gestillt werden. Diese Gedanken müssen aber bewusst sein, um sie bearbeiten zu können: die „Kontaktaufnahme“ ist Voraussetzung, dass bei mangelnder Kontaktaufnahme keine geschlossenen Gestalten entstehen können. Die Annahme der Gestalttherapie ist hierzu, dass vielen Menschen die „Ganzheit“ fehlt: sie erleben bewusst nur Teile ihrer selbst und sich selbst nicht als Ganzes. Das Bedürfnis des Organismus, emotionale Situationen abzuschließen, wird oder kann nicht erfüllt werden; es entspricht dem Gefühl von „unbeendbaren Situationen“ (Perls 1978, S. 209 f.). Dies macht sich durch Kontaktstörungen bemerkbar, die ein Pedant zur Inkongruenz sind. Innere Konflikte werden dann nach außen abgeschirmt, werden hinter Schutzfunktionen versteckt, forcieren oder verhindern jedoch aus ihrem Ursprung heraus Handlungen/Motivation. 3. Im „Kontaktvollzug“ wird dieses Gefühl, das Bedürfnis (die „Figur“) dann intensiv erlebt oder „ausgelebt“, es tritt aus dem Hintergrund heraus, wird zur „Hauptfigur“, zum zentralen Moment des momentanen Erlebens und kann dann bearbeitet werden.
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Kapitel 3 · Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht
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Ziel des PZA und der Gestalttherapie ist es daher, dem Menschen zu helfen, sich seiner verdrängten, unbewussten Teile vermehrt bewusst zu werden – mit ihnen Kontakt aufzunehmen; sie zu akzeptieren und zu integrieren und so zu einer neu gewonnenen Ganzheit zu verhelfen. Das Selbstverstehen hat demnach auch im Gestaltansatz höchste Priorität, um Entwicklungsprozesse anzustoßen: „Wenn wir uns selbst nicht verstehen, dann können wir nie hoffen, unsere Probleme zu lösen, dann können wir nie hoffen, ein Leben zu führen, dass sich lohnt“. (Perls 1976, S. 12) 4. Im „Nachkontakt“ verblasst diese Figur dann, löst sich auf – „das Bedürfnis ist befriedigt“, das Neue ist assimiliert bzw. integriert worden (der Termin gemacht, der Streit und das komische Gefühl bearbeitet). Damit sinkt das Erregungs- bzw. Energieniveau ab. Entspannung tritt ein, wenn das Bedürfnis befriedigt worden ist. Dies bestätigt die Relevanz eines „Bemühens“ des Coaches, das innere Bezugssystem des Klienten zu erfassen und das „Zentrum seines Wahrnehmungsfeldes“ erreichen zu wollen (Rogers 2009b, S. 44). Und deshalb sollte das Wahrnehmungsfeld des Klienten, „so lebhaft und genau erfasst werden, wie es möglich ist und zwar mit den gleichen Figur-Grund-Beziehung und in dem Ausmaß, wie der Klient bereit ist, dieses Wahrnehmungsfeld mitzuteilen …“ (Rogers 2009a, S. 46 f.). Die grundlegende „Technik“ dazu ist die Personzentrierte Gesprächsführung (7 Abschn. 2.6 ff.) auf der die Gestaltarbeit aufbaut. Ist die Kraft der verborgenen Gestalt so stark, dass sie sich, wie oben beschrieben, im Vordergrund zeigen muss, geschieht dies meist in Form eines Symptoms: Der Coachee hat ein Thema, das ihm „Bauchschmerzen“ bereitet; oder schlaflose Nächste oder Herzrasen oder Konflikte oder Ängste…. In diesem Zusammenhang geben Verhaltensmuster Aufschluss über Verstrickungen, die eine Gestalt unterbrochen haben, aber für die Gestaltwerdung wichtig sind. Denn es besteht eine „Mustergültigkeit“: 5 Muster strukturieren weitgehend unser Leben: Unsere unförmigen Erfahrungen werden in Routinen verkörpert; sind die strukturelle Verkörperung unserer Erfahrungen. 5 Muster haben eine eigene Entstehungsgeschichte, sie sind aus immer wiederkehrenden Erfahrungen mit „etwas oder jemandem“ entsprungen. Diese Erfahrungen geben eine Orientierung in inneren Prozessen. Unabhängig davon, ob sie für günstig oder ungünstig für die Entwicklung der Person sind. > Muster (oder auch „Schemata“) sind als solche nicht sichtbar; sie liegen hinter den
Themen, hinter dem Verhalten. Man kann sie nicht direkt wahrnehmen, sondern nur mit dem Coachee nach ihrem Vorhandensein und ihrer Bedeutung und den damit zusammenhängenden Gefühlen forschen.
Um diesen Mustern näher zu kommen ist im PZA eine der impliziten Fragen: „Für was nutzt der Mensch seine Energie?“ (7 Abschn. 2.3.2). Mit der Gestaltperspektive können zur Beantwortung dieser grundsätzlichen Frage, drei Einteilungen als gedankliches Hilfsmittel vorgenommen werden, die in 7 Abschn. 5.3.3 ausgeführt sind. Das humanistische Prinzip des „Hier und Jetzt“ bezieht sich darauf, dass alle Einflüsse aus Vergangenheit und Gegenwart sich zum Erleben auf einer aktuellen, latenten „Vor-Bewusstheit“ herausbilden. Gestaltpsychologisch lädt der Coach daher seinen Coachee immer wieder ein, achtsam solcher Reaktion besondere Beachtung zu schenken, die sich auf der „Bewusstseinsbühne“ bilden will. In der Gestaltarbeit soll dieser Prozess mit Medien und analogen Ausdrucksmittel forciert werden. Daher setzt
3.2 · Focusing
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Entwicklungsunterstützung mit Gestaltarbeit Engagement, Aktivität und ein kreatives „Sich-Erleben-Wollen“ des Coachees voraus. Verschiedene Möglichkeiten sich auszuprobieren und zu experimentieren stehen dazu auf verschiedenen Ebenen zur Verfügung: mit Verhaltensweisen und Körpereinsatz, mit Gedanken, Gefühlen und Einstellungen. Die Absicht der Integration von Gestalttechniken ist, das Eigen-Verständnis des Coachees zu unterstützen, nicht die kreative Methodenauswahl oder ein aktionsreiches Coaching, als Mittel zum Selbstzweck zu verwenden. Auf einige dieser (vorwiegend Gesprächs-)Techniken und ihre Möglichkeiten der Umsetzung im Coaching, wird im 7 Abschn. 5.3.3 eingegangen. 3.2 Focusing
Focusing ist eine Methode, mit der Personen angeleitet werden, nach innen zu hören und ihre Aufmerksamkeit auf ihr körperliches Erleben zu lenken. Themen, die der Person kognitiv nicht verfügbar sind, können mit dieser Methode erreicht werden. Mit der Einbeziehung der Körperreaktionen wird der körperlich spürbaren Inkongruenz nachgegangen: den nonverbal auftauchenden Körperempfindungen. Es wird dazu eingeladen, der „Stimme des Körpers“ zu folgen, auf innere Resonanzen zu hören und diesen nachzuspüren. Dieses Vorgehen ist – dem humanistischen Menschenbild entsprechend – an eine „gewisse Einstellung“ gebunden, gegenüber dem „was aus dem Inneren auftaucht“ (Gendlin 2012, S. 457): dem Vertrauen in die (Selbst-) Aktualisierungstendenz. Die Integration des körperorientierten Selbst-Erlebens des Klienten berücksichtigt die Ganzheit des Psychisch-Physischen, dessen Beachtung gerade dann wichtig wird, wenn „der Organismus vor dem Bewusstsein wichtige Erfahrungen leugnet“ (Rogers 1951, zit. nach Rogers 2009a, S. 440). Das Focusing ist, ebenso wie die Gestalttherapie, aus den Wurzeln des PZA entstanden. Rogers stellte in vielen seiner Arbeiten den Einfluss des Begründers des Focusing heraus, Eugene T. Gendlin (Rogers 2009a, S. 23). Mit der Integration des Körperwissens besteht die Möglichkeit genau dort und dann in das Erleben einzutauchen, wenn es vor dem Bewusstsein ferngehalten wird. Als Voraussetzung dazu muss „ein Gefühl voll und ganz in der unmittelbaren Gegenwart“ bemerkbar werden, damit die Person sich dann kongruent im Zusammenspiel ihrer Erfahrung, dem Gewahrsein ihrer Gefühle und ihrem Ausdruck erfahren kann. Auch Gendlins Absicht war es Veränderungsschritte anzuregen und verstand die gegenwärtige Erfahrung und das Erleben, als implizite, weitere Bewegung dahin. Und um diese Bewegung zu finden und zu spüren, kann die Person mit Focusing an ihren körperlich spürbaren „Erlebensrand“ geführt werden. (Gendlin 1996, 2012, S. 13 f., 31 f.). Denn „die Gruppe der Sinnes- und Körper-Erfahrungen, die offenbar am Eindringen ins Bewusstsein gehindert werden“ (Rogers 1983, S. 435), verlangt die größte Aufmerksamkeit. Genau diese Aufmerksam auf das körperliche Randbewusstsein kann mit Focusing entwickelt werden. Denn wenn die Person in ihrem strukturgebundenen Erleben – in ihren individuellen, verfestigten Wahrnehmungs- und Deutungsmustern – gefangen ist, bedarf es für einen vertiefenden „Experiencingprozess“ einen Anstoß von einer anderen Person, um in Bewegung zu kommen (Gendlin 1978). Dem nachzugehen, was sich im Hier-und-Jetzt zeigt, ist daher auch im Focusing ein Nachgehen der inneren Programmierung, die sich in der aktuellen Beziehung zu sich selbst abbildet; und auch Gendlin ging davon aus, dass diese innere Programmierung nur zum kleineren Teil
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Kapitel 3 · Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht
kognitiv zur Verfügung steht, sie ist zum größeren Teil vor- und unbewusst gebahnt. Sie steht aber immer im körperlichen Bezug: „Die erlebte Beziehung ist körperlich und konkret“. (Gendlin 2012, S. 438 f.). Diese, im Gespräch selbstständig auftauchende Emotion, ist jedoch (zunächst) nicht benennbar, kann aber mit Focusing dem entsprechenden körpergespeicherten Gefühl nachgegangen werden. Der damit zusammenhängende, zentrale Begriff ist der des „Felt Sense“: eine nicht produzierbare und nicht bewusst ansteuerbare, körperliche Informationsquelle. Um dieses Körpergefühl zu integrieren, muss die Aufmerksamkeit dorthin gelenkt werden, wo es sich gerade befindet. Es muss vom Klienten in Worte gefasst werden können, um das Gefühl dem Bewusstsein zuzuführen. > Der Felt Sense ist eine basale körpereigene Ressource, mit der die Ausdrucks-
möglichkeiten des körpergespeicherten Wissens erschlossen werden können, ein, auf das Erleben beruhendes Geflecht. Der Felt Sense enthält alle Informationen über eine spezifische, erlebte Situation und die damit verbundenen „eigentlichen“ Gefühle und Bedürfnisse. Dieses Geflecht kann sich z. B. durch etwas Selbst-Gesagtes, durch eine andere Person oder durch eine Erinnerung, an einer individuellen Stelle im Körper, auf vielfältige Weise bemerkbar machen. In der Grenzzone zwischen dem Bewusstsein und dem Unbewussten kann dem laufenden Erlebensprozess nachgespürt werden. Diesem Gefühl auf die Spur zu kommen unterstützt somit kongruente Handlungen (Gendlin 2012, S. 280).
Diese Information des Körpers, die sich als diffuses Gefühl zeigen kann, braucht besondere Bedingungen. Focusing findet daher auf der Basis der Beziehungsbedingungen (7 Abschn. 2.4 ff.) statt. Diese Bedingungen hat Gendlin erweitert, um in einen Focusingprozess eintauchen zu können. Die erste Bedingung ist der Freiraum: die Schaffung von konstruktiven Rahmenbedingungen, die das In-Kontakt-Kommen mit den körpereigenen Prozessen möglich machen (Gendlin 1996). Dieses „Freiraum-Schaffen“ wurde in den letzten Jahren als Achtsamkeitstraining, besonders im Zusammenhang mit Stressabbau weiterentwickelt. Die im Felt Sense körpergespeicherte Erfahrungen können erst dann ihre individuelle Bedeutung enthüllen (Gendlin 1978). Dann wird der Klient mit seinem aktuellen Erleben durch seine auftauchenden Körperreaktionen geführt, die im aktuellen Zusammenhang mit dem spezifischen, besprochenen Thema stehen. Die Person spürt dann „Etwas, das da ist“ – es ist nichts, was man ist: der aktuelle, innere Prozess des Klienten wird in den Mittelpunkt gestellt, mit dem wie dieser sich in der augenblicklichen Situation erlebt. Die Methode des Focusing ist, nach Gendlin, mit allen Verfahren zu integrieren, denn: alle noch so verschiedenen Wege der Theorien führen im Menschen zusammen und die entscheidende Verbindung zwischen allen ist der Felt Sense (Gendlin 2012, S. 39). Focusing ist kleinschrittige Wahrnehmungsarbeit im Hier-und-Jetzt. Doch damit werden alle „Sackgassen-Diskussionen“ am einfachsten vermieden: dass der Klient auf seinem „eigenen, natürlichen Weg bleiben“ kann (Gendlin 2012, S. 25). Hintergrundinformation Mit seinen bedeutsamen Forschungen zum Bewusstsein konnte der Neurologe António Rosa Damásio das Vorhandensein dieser erlebten, primären, körperlich spürbaren Emotionen bestätigen. Die sog. somatischen Marker, lassen als neuronales System, Bewertung von emotionalen Zuständen, automatisch, als Körperreaktion „geschehen“. Diese somatischen Marker sind das „Bauchgefühl“, das sich nach Gendlin als Felt Sense bemerkbar macht. Mit der Verortung im limbischen System, dem
3.3 · Biografiearbeit
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emotionalen Gedächtnis, umgeht es dabei die Rationalität des Großhirnes und unterläuft somit weitgehend die Bewusstseinszustände (Damásio 2000). Dieses „emotionale Erfahrungsgedächtnis“ (Roth 2003) bewirkt, dass die subjektive Abbildung einer Erfahrung körperliche Veränderungen auslöst – der Körper ist damit die Bühne der Gefühle (Damásio 2000). Es führt zu einer Unterscheidung zwischen Emotion und Gefühl: Eine Emotion ist die erste Reaktion, die auf äußere (über die Sinnesorgane) oder innere Reize (als Gedanke) erfolgt; Damásio (2000) spricht von durch „somatische Marker“ verursachte Körperzustände. Diese unbewussten Emotionen ziehen sofort fühlbare Veränderungen auf zwei Ebenen nach sich: Im Organismus verändern sich biochemische Zusammensetzungen, der Spannungszustand und die Aktivität von Muskeln sowie verschiedene Organfunktionen. Emotionen können sich z. B. durch einen Kloß im Hals, durch Nackenspannungen, durch Bauchkribbeln zeigen. Auf der „Bühne des Geistes“ (Damásio 2005, S. 98) entstehen dann Gefühle, mit deren Hilfe die automatisch erzeugten Emotionen – im besten Falle – bewusstwerden und eingeordnet werden können: es ist das bewusste Wahrnehmen der emotionalen Körperzustände. Trauer, Angst, Freude, … Der „Kloß im Hals“ kann dann als „ich bin traurig“ wahrgenommen werden.
Diese körperlich abgespeicherten Erfahrungen mit dem und für den Coachee nutzbar zu machen, ist das Ziel dieses Vorgehens. Es bedarf einer besonderen Aufmerksamkeit auf innere Prozesse. Und auch wenn Gendlin das Focusing als „Motor der Therapie“ sieht und zur Integration des Focusings in die Verfahren ermutigt, so weist er dennoch auf die bedeutende Reihenfolge hin: „In der Therapie ist die Beziehung von größter Wichtigkeit, das Zuhören steht an zweiter Stelle und erst an dritter die Focusing-Instruktion“. (Gendlin 1996, S. 457) Mit der Einordnung der Instruktion an die dritte Stelle unterstreicht Gendlin ebenso wie Rogers, dass zunächst die Beziehung und das Verstehen gesichert sein müssen, bevor Anleitungen – gerade solche, die in unbekanntes Gebiet einladen – angenommen werden können. > Das, was im Focusingprozess passiert, ist nicht planbar.
Es sollte daher ein Einlassen-Wollen sein, auf das, was im Hier-und-Jetzt entsteht und sich vielleicht nur subtil zeigt; geistig, seelisch, körperlich. Dazu gehört Vertrauen – auf beiden Seiten –, das sich jedoch erst im Prozess entwickeln kann. Die ggf. Integration des Focusing findet erst im späteren Verlauf des Coachingprozesses ihren Platz. 3.3 Biografiearbeit
Welchen Anspruch hat die Integration biografischer Themen in ein Coachingformat? Welche Relevanz haben Erlebnisse, die „Damals“ gemacht wurden, für ein Businesscoaching? Wie können diese Themen ggf. aufgegriffen werden und welchen Stellenwert haben sie für das Ziel? Die erste Frage lässt sich mit dem Hinweis darauf schnell beantworten, dass die Erfahrungen, die jede Person in ihrer Biografie gemacht hat, ihr Handeln, Denken und Fühlen im Hier-und-Jetzt beeinflussen. Und daher ist die Thematisierung von biografischen Bezügen immer dann wertvoll für den Entwicklungsprozess, wenn deutlich wird, dass Erinnerungen, die ethischen oder moralischen Standards scheinbar oder tatsächlich nicht (mehr) standhalten können, ungesagt bleiben jedoch innerlich wirken und sich auf den Arbeitsprozess auswirken. > Biografiearbeit kann das Vergangene, durch das erzählende oder kreative
Verarbeiten, versteh- und nutzbar für das Gegenwärtige machen.
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Kapitel 3 · Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht
Als ein „Konzept einer Lebensrückschau“ wurde „Biografiearbeit“ maßgebend in den 60ger Jahren entwickelt, ursprünglich für die Arbeit mit älteren Menschen (Butler, R.N. 1963). Die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit sollte ihnen dabei helfen, das Älterwerden selbstbewusster zu bewältigen. Heute ist das Ziel dieser Bewältigungsunterstützung noch das gleiche, jedoch auch mit anderen Themen, als das Ältergewordensein. So hat die Integration der Biografie in unser Coaching die Absicht, die Rekonstruktion der beruflichen Lebensgeschichte, das individuelle berufliche Handeln, ins Bewusstsein zu bringen. Berufliche Biografiearbeit einzubinden ist demnach dann empfehlenswert, wenn neue langfristige Aufgaben oder Situationen gestaltet werden müssen, wenn berufliche Umbrüche anstehen oder auch zur Auflösung von beruflichen, wiederkehrenden Konfliktsituationen. Dann ist es hilfreich, auf die vergangenen Jahre zu blicken, da der Coachee hier Zusammenspiele zwischen äußeren Gegebenheiten, inneren Empfinden und den Handlungskonsequenzen entdecken kann. Wenn biografisches Arbeiten sinnvoll unterstützend eingebunden werden soll, dann steht im Mittelpunkt des Coachings die Berufsbiografie – eine ganzheitliche Lebensbeschreibung ist im Coaching nicht zielführend und birgt dazu die Gefahr, zu schnell als therapeutisches Handeln missverstanden zu werden. Für den Coach selbst ist seine eigene, ganzheitlich, persönlich-private Nachforschung dagegen eine sinnvolle Möglichkeit zur Selbsterfahrung.
Dabei ist es für den Erinnerungsprozess entscheidend, dass die biografischen Informationen nicht in einer Interpretation des Vergangenen münden, sondern die persönlichen Berichte als offener Suchprozess nach Erinnerungen von Erfahrungen genommen werden. Häufig werden zu schnell Schlüsse gezogen und damit dem Selbstexplorationsprozess Grenzen gesetzt. Das Ziel ist jedoch, dem Erleben und Erforschen Raum zu geben und das gelingt nur über ein wertschätzend-empathisches Annehmen des Erzählten: Wie war es damals? Damit können Zusammenhänge zum Coaching-Thema, zur gegenwärtigen Arbeitssituation, gesehen und besser verstanden werden: Wie erlebe ich mich heute? Und daraus ist es möglich aus der Spur der Routinen herauszutreten und bewusste Konzepte zu entwerfen: Was möchte ich in Zukunft anders tun? > Biografiearbeit stellt die Verbindung her, zwischen Verhaltensmustern die
in einem Damals emotional verankert wurden und die sich im Hier-und-Jetzt der Coaching-Situation zeigen können. Der Coachee wird dazu eingeladen zu reflektieren, wie diese Zusammenhänge sich auf das Da-und-Dort der Arbeitsbeziehung auswirken.
Biografiearbeit kann (vorwiegend) gesprächsorientiert sein, oder aktivitätsorientiert. Im Coaching bieten sich beide Möglichkeiten an. Dazu ist es relevant, darüber bewusst zu sein, dass biografische Techniken einen autobiografischen Erinnerungsprozess begleiten. Gerade die gesprächsorientierte Form der biografischen Erzählung wird als zentrale Technik angesehen, erlebte Ereignisse und Erfahrungen von der erzählenden Person vermitteln zu lassen. Die freie unvorbereitete Erzählung gilt damit als Möglichkeit, Erfahrungen und das damit zusammenhängende individuelle Erleben sprachlich dar-
3.4 · Systemische Perspektiven
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zustellen und erfahrbar zu machen (Schütze 1975, 1983, 7 Abschn. 5.3.3). Im Coaching lässt sich durch die Erzählung ein wichtiges – über viele Jahre sich entwickelndes – berufliches Thema, in einer geschlossenen Handlung (die Erzählung) folgend, darstellen und bearbeiten: in der Erzählung befindet sich komprimierte Lebenserfahrung, die Hinweise auf Bewältigungsmuster enthält: welche Ressourcen und Hindernisse spiegeln sich wieder? Dabei liegen alle Interpretationen darüber in der Deutungshoheit des Coachees! Biografisches Erzählen ist daher auch eine Möglichkeit für die Person, sich und ihre Handlungen und Entscheidungen zu begründen, zu argumentieren. In unserem Coaching möchten wir jedoch dabei unterstützen, das Selbstverstehen zu fördern: sich durch die Betrachtung des Bisherigen selbst zu vergewissern, ob man heute auf dem passenden Weg ist oder wo man abbiegen kann und sollte; und mit diesem (neuen) Wissen einen kongruenten Handlungsplan für die Zukunft zu erstellen. Manches wird daher erst aus einem wertschätzend-distanzierten Blick im Coaching heraus verständlich und für den Coachee annehmbar. Gerade dann, wenn er bemerkt, dass er für vergangenes, gegenwärtiges und zukünftiges Tun, keine „guten Gründe“ zu benennen braucht, sondern „einfach nur“ erforschen kann, wie es ihm gerade mit diesem Plan geht. > Berufliche Lebensverläufe bekunden eine individuell ausgeprägte Selbstführungs-
kompetenz.
Im Gespräch werden die biografischen Interpretationen, die die Person gibt, nicht aus ihrer Historie herausgetrennt, sondern werden gehört und zurückgegeben. „Wie deutet der Biografieträger die einzelnen Stationen seiner beruflichen Lebensgeschichte?“ ist die verallgemeinernde Frage, die eine personzentrierte Gesprächsführung einschließt. Der Coach muss wertschätzend wahrnehmen können, wie es dem Coachee auf seinem Berufsweg ergangen ist, er muss den Berufsweg, mit seinen Höhen und Tiefen, empathisch verstehen wollen. In der Gegenwart des Gespräches spiegeln sich dann Zukunftswünsche in verschlüsselter Form wider, die im Coaching mit verschiedenen Techniken aufgegriffen und bearbeitet werden können (7 Abschn. 5.3.3). 3.4 Systemische Perspektiven
Eine immer wieder auftauchende Annahme ist, dass der Personzentrierte Ansatz die Wechselwirkungen mit der Umwelt unbeachtet lässt. Anforderungen/Erwartungen von sozialen, institutionellen und gesellschaftlichen Systemen, die an das individuelle System (eine Person) gestellt werden, würden mit dem PZA nicht berücksichtigt werden. Doch wie eingangs bereits festgestellt (7 Kap. 2. f.) ist die Personzentrierte Theorie nicht nur eine Theorie der Persönlichkeit, sondern genauso eine Beziehungstheorie und schließt daher per definitionem das Zwischen-Menschliche mit ein. Das innere, psychologisch Wirkende wird nicht nur aus der Perspektive der Person erklärt, sondern auch aus den Psycho-dynamiken heraus, die innerhalb eines sozialen Systems entstehen. Ein System wird dabei stets als eine Gruppe von Grundelementen bezeichnet, die wechselseitig miteinander in Kontakt stehen und sich durch ihre natürlichen Grenzen von ihren Umwelten – von anderen Systemen – abgrenzen. Das gilt für alle Lebewesen. So ist jede einzelne Person ein individuelles und biologisches System und wird erst durch den Austausch mit mindestens einer anderen Person zum sozialen System, das sich dann potenzieren kann zu einer sozialen Gruppe (oder einem Team, einer Familie) oder zu einer Organisation oder einem Unternehmen (mit z. B. seinen verschiedenen
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Kapitel 3 · Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht
Abteilungen etc.). Typisch für die systemische Sicht ist, dass eine Person nur als Teil eines Systems gesehen wird und davon ausgegangen wird, dass alle Personen in diesem System auf eine bestimmte Weise aufeinander reagieren – wenn sie, in welcher Qualität und Quantität auch immer, zueinander in Kontakt stehen. Dann gelten auch die Feststellungen Rogers: 5 „Der Organismus reagiert auf das Feld, wie es erfahren und wahrgenommen wird.“ 5 „Der Organismus reagiert auf das Wahrnehmungsfeld als organisiertes Ganzes.“ 5 Die Reaktion darauf erfolgt „nicht auf die Wirklichkeit, sondern auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit“. (Rogers 2009a, S. 418 ff.) Das biologische „System Mensch“ reagiert auf die Wahrnehmung eines anderen, mit all seinen Möglichkeiten aus Fühlen, Denken, Handeln. Dementsprechend spiegelt sich eine konstruktivistisch-systemische Perspektive in den Thesen Rogers wider, die besagt, dass durch die Wechselseitigkeit und die damit verbundene selektive Wahrnehmung „automatisch“ verschiedene individuelle „Wirklichkeiten“ entstehen (Rogers 2009a; Watzlawick 2005). So geht Rogers in seiner Theorie davon aus, dass eine Person auf ihre Umwelt nur so reagieren kann, wie sie sie (subjektiv) wahrnimmt und dieses Wahrnehmungsfeld für sie Realität ist und sie sich an dieser ausrichtet (vgl. Rogers 2009a, S. 419). Nun wissen wir, dass wir aufgrund dieser selektiven und subjektiven Wahrnehmung, unsere Gedanken, Vorstellungen nicht ohne Verlust des Gemeinten und Mitgefühlten vermittelt können – es gibt kein 1:1 Verständnis auf allen Ebenen. Dadurch können Missverständnisse entstehen. Und daher ist eine der basalen Aufgaben im Coaching zu verstehen, was der Coachee meint, welche Bedeutung etwas für den Coachee hat und welche Emotionen damit einhergehen. Kommunikation ist ein wechselseitiger Koorientierungs- und Kooperationsprozess (Ungeheuer 1987, S. 302 f.), in dessen Austausch die eigene subjektive Landkarte mit einer anderen verglichen wird, die jedoch nie ganz mit der eigenen Landkarte übereinstimmen kann. Denn der zwischenmenschlich-subjektive Erfahrungsraum einer Person gleicht nie völlig einer anderen. Es ist eine subjektive Realität, eine individuelle Weltsicht, die sich der Aufklärung entzieht: „Wer hat hier recht?“. Hintergrundinformation In der Systemtheorie wird vom psychischen System – als Person – als autopoietisches System gesprochen, das „selbstreferenziell geschlossen“ ist. Das bedeutet, dass das, was kommuniziert wird, sich nur an dem orientieren kann, was kommuniziert wird. Es schließt daher innerhalb seines Systems an das eigene Kommunizierte an – nicht zwingend an das andere System (Luhmann 1984; Maturana und Varala 1987). Diese Systemeigenschaften verdeutlicht der Begriff der „Emergenz“ (Luhmann 1984, 1977): erst während der gemeinsamen kommunikativen Bewältigung entsteht etwas Neues. Erst daraus können Personen für sich stimmige Möglichkeiten finden. Dieser Verbindungsversuch dient der „strukturellen Kopplung“ (Luhmann1984, S. 411), also der Verknüpfung von psychischen und sozialen Systemen, der Anbindung von inneren mit äußeren Annahmen, Absichten, Anliegen – häufig jedoch mit einer geringen Schnittmenge in der Übereinstimmung des individuell Gemeinten.
Hier zeigt sich die Gefahr des vermuteten Verstehens und die Priorität des strukturierten Zuhörens (7 Abschn. 2.6.1). Denn Verstehen ist eher die Ausnahme (Ungeheuer 1987), was zur Folge hat, dass daraus eine „unbestimmte Situation“ entsteht: eine Person weiß nicht, ob die andere sie wirklich verstanden hat – und welchen Teil von ihr. Für den
3.4 · Systemische Perspektiven
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Soziologen und Systemtheoretiker Niklas Luhmann ist dies jedoch die Voraussetzung für Kommunikation, die er als doppelte Kontingenz beschreibt (1993, S. 9, 238 f.): die Interaktionspartner können den Inhalt des Geäußerten annehmen, doch besteht auch keine Notwenigkeit, dies zu tun; sie können die erwartete (kommunikative) Handlung verweigern oder erfüllen. > Psychische Systeme sind nur zu einem geringen Teil kommunikativ zu beeindrucken
und zu erreichen. (Schützeichel 2004, S. 266)
Für unser Coaching unterstreicht dieser systemtheoretische Gesichtspunkt die bereits beschriebene Konsequenz, dass Vorschläge – so sinnvoll und wichtig sie auch aus der eigenen Perspektive scheinen – nur eine Chance der Umsetzung haben, wenn sie vom anderen „Person-System“ als sinnvoll angesehen werden. Denn Sinn stellt die subjektive, meist unbewusste Basis dar, auf der Handlungen ausgeführt werden. Diesem Sinn auf die Spur zu kommen und dort anzusetzen, fördert nachhaltige Umsetzungspläne. Doch da „Sinn“ nicht etwas ist, das völlig dem Bewusstsein zugänglich ist, ist es nicht verwunderlich, dass die Findung und Überprüfung des Sinns ein laufendes Aktualisieren von Möglichkeiten ist und auch notwendig für die Abgrenzung des Person-Systems. In diesem Dilemma der Unklarheit, kann im Coaching auf beiden Seiten eine Verunsicherung entstehen, die zur Folge hat, dass die Personen sich zur Weiterentwicklung an eigenem „Sinnvollen“ orientieren und festhalten müssen – das jedoch nur bedingt greifbar ist. Die aktivierte Unsicherheit erzeugt Angst und Angst wiederum aktiviert die Schutzmechanismen (7 Abschn. 5.3.5): Das individuelle System zieht sich auf bekanntes Terrain zurück, die bisherigen Mechanismen gewinnen. Übersicht Beharrliche Erklärungsversuche des Coaches, welche bestimmten Vorgehensweisen für den Coachee „Sinn machen“, stellen demnach hauptsächlich die Vermittlung seines eigenen subjektiven Sinns dar. Das gilt auch für das Loben bestimmter Leistungen. Denn der personzentrierten „unbedingten Wertschätzung“, steht die systemisch denkende Wertschätzung gegenüber: mit „systemischer“ Wertschätzung ist das Herausstellen der „Verdienste“ des Person-Systems, seiner Fähigkeiten und Besonderheiten verbunden. In der Konsequenz ist dies mit einer bedingten Wertschätzung gleichzusetzten. Es ist die Technik des „positiven Konnotierens“: einem Symptomverhalten wird ein sinnvoller und guter Zweck unterstellt (Palazzoli 1977, Watzlawick 1978). Denn mit dieser Wertschätzung soll eine freundlich-sorgende „affektive Rahmung“ der Situation geschaffen werden, in der sich die Klienten mit „bedrohlichen Inhalten“ auseinandersetzen sollen (Levold 1997). Diese systemische Wertschätzung, abzielend auf die vom Coachee als problematisch empfundenen Wirklichkeit, führt zu zwei Eigenarten: eine, die Person in ihrem Bemühen um Lösungsfindung Annehmende und eine, die Person in ihren, als entwicklungshinderlich bewertenden Teilen Begrenzende. Im Sinne Rogers wäre dies das Gegenteil von unbedingter Wertschätzung: Es werden die Teile einer Person als „positiv“ herausgestellt, die – aus einem äußeren Bezugsrahmen heraus – als konstruktiv und förderlich für die Person gewertet werden. Und das kann mit der Bedingung für die Wertschätzung der Person gleichgesetzt werden kann. Der Nutzen, der dadurch entstehen kann, ist, dass die Person zügiger auf
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Kapitel 3 · Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht
eine verändernde Handlungsebene geführt wird. Die Gefahr ist, dass „…das alleinige Wahrnehmen vom eigenen subjektiven Bezugsrahmen, ohne empathischen Bezug … zur Person …, diese Person zum „Objekt“ wird…“ (Rogers 2009b, S. 44). So kann das ein Grund dafür sein, wenn eine tragfähige Beziehung nicht zustande kommt. „Positive Konnotation“ kann vom Coachee ggf. als Bevormundung, als Hineinreden in etwas, als Abraten von etwas, oder mit einem Nicht-ernst-nehmen-Können gleichgesetzt werden (vgl. von Schlippe und Schweitzer 1997).
Wie oben beschrieben, existiert in der systemischen Perspektive eine Person nur als Teil eines Systems. In der Folge sind die beschriebenen Wechselwirkungen und das Postulat der „Allparteilichkeit“ (Weber und Stierlin 2001, S. 98) für ein Coaching grundlegend: der Coach sollte sich nicht zum Anwalt des Coachees machen, sich keiner Seite zugehörig zeigen, sondern die Verdienste jeder anwesenden oder auch nichtanwesenden Partei herausstellen. Aus diesem Grund muss auch eine Perspektivenerweiterung angeregt werden, mit der der Coachee 1. das Handeln von Personen und Organisationen verstehen kann und 2. seine individuelle Art und Weise zu denken und zu handeln und die mit beidem verbundene Wirkung auf andere zu überdenken. Denn überall dort, wo andere Personen involviert werden müssen, werden kollektive Rückkopplungsaspekte wesentlich: Informationsvermittlung, Feedback, aber auch Lernen am Modell, wo eigene Erfahrungen fehlen. Da psychische Systeme jedoch nicht gegen ihre Sinngrenzen „überredet“ werden können, können unterschiedliche Techniken genutzt werden, die die Absicht haben, diese Außenperspektive bewusster zu machen, um auf diesem Weg an innere Prozesse anzuknüpfen (7 Abschn. 5.3.2). Im systemischen Verständnis ist daher Coaching dann erfolgreich, wenn konstruktive Änderungen im sozialen Umfeld die Folge sind, wenn z. B. ein Team wieder in den konstruktiven Dialog geht, anstatt sich gegenseitig anzufeinden. Doch dazu sind Änderungen in der Beziehung zueinander maßgebend, die – im personzentriert-systemischen Verständnis – von jedem einzelnen, individuellen PersonSystem ausgehen müssen; da nur hier die Umsetzungsenergie freigegeben werden kann. 3.5 Verhaltenstheoretische Aspekte
Hintergrundinformation Als maßgebliche Begründer der verhaltenstheoretischen (Therapie-)Konzepte (VT) können J. B. Watson (1878–1958), I. P. Pawlow (1849–1936) sowie B. F. Skinner (1904–1990) genannt werden. Als „Lerntheorie“ ist die, aus heutiger Sicht sehr vereinfachte Darstellung eines Reiz-Reaktions-Schemas des menschlichen Verhaltens, bekannt geworden. Die Grundthese dabei war, dass alles Verhalten in völliger Abhängigkeit zu den Umweltreizen stehe, beobachtbar ist und damit lenkbar: es war die Entstehung des „Behaviorismus“. Damit stand die VT im völligen Gegensatz zur Psychoanalyse (7 Abschn. 3.6) und zur Nichtdirektivität des PZA. Begriffe, die im Zusammenhang mit der Willenslenkung einer anderen Person stehen, wie z. B. der Belohnung und Löschung, sind hier entstanden (Skinner 2002, 1982).
67 3.5 · Verhaltenstheoretische Aspekte
Allerdings gingen die Gründerväter von unterschiedlichen Richtungen der Reaktionslenkung aus: Zunächst nahm Watson an, dass auch nur erdachte Einflüsse, die aus der äußeren und inneren Umwelt der Person kommen, eine Reaktion auf diese Reize darstellen und begründete damit die Reiz-Reaktions-Psychologie; er war es vor allem auch, der die Erkenntnisse aus der Verhaltenssteuerung bei Tieren, auf den Menschen übertrug; sein Bestreben war es, menschliches Verhalten systematisch ableitbar zu machen und nicht psychodynamisch zu begründen. Pawlow, mit dem berühmt gewordenen Experiment der „Pawlow‘schen Hunden“ (Glocke klingelt – Futtererwartung – Speichelfluss beim Hund) zeigte, dass ein neutraler Reiz eine beabsichtigte Reaktion beim Versuchstier auslösen kann, entdeckte damit das Prinzip der „klassischen Konditionierung“. Im Gegensatz dazu ging Skinner von der Einflussnahme eines Reizes aus, der vom Versuchstier ausgelöst wird (die Taube muss den richtigen Schalter anpicken, um an ihr Futter zu kommen); diese Reaktionsfolge wurde „operante Konditionierung“ genannt. Wenn also im ersten Fall Pawlows das Tier zunächst passiv bleibt, der Reiz der Auslöser für das Verhalten ist, so musste in der Theorie Skinners, das Versuchstier selbst tätig werden, um zur Belohnung zu kommen – die das entsprechende Verhalten dann wieder verstärkt. Die Taube steuerte mit ihrem „Tun“ die Futterzufuhr selbst, der Mensch „tut etwas wahrnehmen“ und steuert durch seine Interpretation sein Verhalten selbst. Diese unterschiedlichen lerntheoretischen Reiz-Reaktions-Prinzipien werden in vielen Bereichen auch heute noch angewendet.
Nach dem bisherigen Plädoyer für eine humanistische Haltung stellt sich die Frage, wie auf der Basis einer Selbst-Aktualisierungsprämisse, die Integration verhaltenstheoretischer Konzepte vertreten werden kann. Denn Verhaltenstherapie (in den 1970er Jahren zur kognitiven Verhaltenstherapie erweitert) geht davon aus, dass Gedanken, Einstellungen und Erwartungen einen entscheidenden Einfluss auf unsere Verhaltensweisen haben und zielt daher darauf ab, ungünstige Denkmuster, mit ihrem einhergehenden Verhalten und negativen Gefühlen, positiv zu verändern. Das – hier vereinfacht geschilderte – geplante Vorgehen stellt sich dementsprechend schrittweise dar: 1. Durch die Klärung, unter welchen belastenden Gedanken, Bewertungen und Verhaltensweisen genau der Klienten leidet (klinische Diagnose), wird 2. deren Wirkungsweise auf das Verhalten überprüft. Dies mit dem Ziel, 3. die Einsicht oder Überzeugung zu erreichen, dass die bisherigen Attributionen verzerrt oder unangemessen sind. An ihre Stelle sollen 4. konstruktive Einstellungen treten und 5. die damit verbundenen neuen Verhaltensweisen vom Klienten eingeübt werden. (vgl. Beck 1975) Damit werden, aus der Außensicht einer „leitenden“ Person heraus, Informationen über Situation und kognitive Prozesse des Klienten, gesammelt und genutzt, um seine Gedanken und Handlungen leiten zu können. Dies, indem dahin geleitet wird, was (mental oder praktisch) getan werden kann, damit der Klient das „falsche“ Verhalten wieder verlernt. Dieses Vorgehen erfordert ein stark direktives Handeln, das mit der humanistischen Haltung kaum vereinbar ist. Und auch wenn heute zunehmend gesprächstherapeutische Elemente mit in die VT eingebunden werden, so bleibt jedoch die Grundannahme, das Menschenbild, dabei gleich. In unserem Coachingformat ist die Grundannahme eine humanistische: wir gehen von der Aktualisierungstendenz als treibende Kraft aus (7 Abschn. 2.3.1). Und dennoch können, aus der Rolle des Coaches heraus, zielunterstützend auch kognitive Techniken eingesetzt werden. Für die Integration der Techniken ist dabei für uns zentral, am
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Kapitel 3 · Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht
inneren Bezugsrahmen (7 Abschn. 2.3.3) des Coachees orientiert zu bleiben – und die eigenen „guten Lösungen“ nicht handlungsleitend werden zu lassen. > Auch unter verhaltenstheoretischen Perspektiven werden Handlungen durch
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Emotionen gesteuert. Jedoch werden die daraus resultierenden Gedanken und Handlungen in den Mittelpunkt gestellt.
In der VT wird die Wechselseitigkeit von Wahrnehmen, Denken, Verhalten und Fühlen angenommen und trotzdem wird fast ausschließlich auf die Förderung der kognitiven Einsicht gebaut. Der Therapeut bestimmt maßgeblich das Vorgehen im Therapieprozess, indem er mindestens leichten, zielorientierten Druck auf den Klienten ausübt, so, dass dieser auf „irgendeine Weise“ dahin geleitet wird, etwas Bestimmtes zu tun (Kraicker 1989, S. 142). Diese Relevanz der kognitiven Prozesse und der Führung durch den Therapeuten hat entsprechende Techniken entstehen lassen. Eine der populären Vorgehen ist z. B. der „Sokratische Dialog“. In Anlehnung an den Philosophen Sokrates wird, mit dem Klienten im Gespräch, dessen hinderliche Denkmuster differenziert hinterfragt, um aus den neu gebildeten Perspektiven förderliche Einstellung entwickeln zu können (7 Abschn. 5.3.1). Eine andere Vorgehensweise, um die kognitive Einsicht zu erweitern, ist die Vermittlung von „störungsbezogenem Wissen“: der Klient wird über Hintergründe und therapeutische Maßnahmen für seine, als belastend empfundenen Anteile, informiert („Psychoedukation“). (Ellis und Grieger 1995) (vgl. dazu auch 7 Abschn. 4.3.5 und 5.3.1). Psychoedukation, Edukation und Informationen im Coaching Der Begriff Psychoedukation ist zusammengesetzt aus „Psychotherapie“ und „Edukation“ (im Sinn von Bildung). Psychoedukation ist in der Therapie die Aufklärung, der aktiven Informationsvermittlung von betroffenen Personen, über ihre physischen und psychischen Erkrankungen. Sie beinhaltet systematische und didaktisch-psychotherapeutische Maßnahmen und soll das Krankheitsverständnis, den selbstverantwortlichen Umgang mit der Krankheit und die Krankheitsbewältigung fördern. Psychoedukation basiert auf verhaltenstherapeutischen und gesprächstherapeutischen Prinzipien. Es handelt sich dabei nicht um Frontalunterricht, sondern um das Ziel ein Begreifen der Erkrankung im Austausch (Bäuml et al. 2016). In unserem Coaching verwenden wir dazu den Begriff der Edukation: die Beratung und Vermittlung von spezifischem Hintergrundwissen, zu einem persönlich relevanten Thema. Das Ziel der Edukation im Coaching ist die Selbstbefähigung der Person, zusätzlich über die Information von Zusammenhängen, zu unterstützen.
Das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung ist ebenfalls aus der Verhaltenstheorie entstanden und bildet eine wichtige Grundlage für die Bearbeitung der Themen, auch im Coaching: es beschreibt die Erwartung einer Person, durch eigene Kompetenzen die gewünschten Handlungen – auch gegen Schwierigkeiten – erfolgreich selbst ausführen zu können. Dieses Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten steuert das Verhalten positiv, ist jedoch von ineinandergreifenden Aspekten beeinflusst, die im wechselseitigen Austausch mit der Umwelt stehen. Daher muss im (Coaching-)Prozess geklärt werden, ob die (gewünschte zukünftige) Handlungsabsicht im eigenen Einflussbereich liegt oder ob sie mit anderen Personen in Abhängigkeit steht (vgl. Smart-Kriterien 7 Abschn. 4.3.1). Denn ein Ziel kann nicht alleine durch eigene Fähigkeiten erreicht werden, wenn andere Personen daran mitwirken müssen, wie z. B. bei Teamaufgaben. Dann bekommt nicht nur die Integration des gesamten sozialen Systems (z. B. dem Team) Relevanz, sondern auch ggf. die o.g. Edukation (7 Abschn. 4.3.5). Und es kann ebenso Informationen über
69 3.5 · Verhaltenstheoretische Aspekte
ToDo’s hilfreich werden – wenn sie nicht nur „empfohlen“ werden, sondern als Grundlage genommen werden, mit dem Coachee darüber ins Gespräch zu kommen, was ihm umsetzbar erscheint und was nicht, wobei er sich wohl oder unwohl fühlen würde. Rogers hatte sich immer gegen direktives Vorgehen ausgesprochen; es war ein maßgeblicher Antrieb zur Entwicklung seiner nondirektiven Therapie. Denn im direktiven Vorgehen werden solche Techniken betont, die den Klienten beeinflussen, ja kontrollieren, wie z. B. das Überreden, Diskutieren, oder Hinweise auf Korrekturen. Rogers sah direktives Vorgehen als Recht des „Fähigen“, den „Unfähigen“ zu lenken (Rogers 1985, S. 108 ff.). Und trotz dieser deutlichen Absage an Direktivität ist das Vorgehen im PZA sehr strukturiert: der Therapeut ordnet Gefühle und Gedanken – Handlungen – des Klienten und stellt sie diesem zur Überprüfung zur Verfügung – es ist eine Strukturierung der Innensicht (vgl. strukturiertes Zuhören 7 Abschn. 2.6.1).
Auf der Grundlage eingangs genannter Annahmen wurden viele unterschiedliche Techniken entwickelt; ihr Einsatz in der Therapie verlangt eine differenzierte Eingangsdiagnose. Doch trotz aller Sorgfalt in der Diagnose kann die Gefahr der „Nebenwirkungen“ durch die angewendete Technik nicht immer vermieden werden: eine ungewollte Verstärkung hinderlichen Verhaltens, nicht absehbare Folgen oder auch „nur“ Unwirksamkeit, durch nicht erkannte Komplexität des Problems können die Folgen sein (Linden und Hautzinger 2015). In den letzten Jahren standen viele der komplexen verhaltenstheoretisch-kognitiven Konzepte für allerlei Techniken Pate, die heute auch im Coaching angewendet werden. So sind z. B. Techniken zur Aufmerksamkeitslenkung, zur Selbstbeobachtung oder Verhaltensübungen u. a., als Coachingtechniken adaptiert worden. Doch ein Coach, der keine Eingangsdiagnostik durchführen muss und kann, kann sich nur auf seine Hypothesen stützen, wenn er mit dem Coachee ein Ziel/Wege-Konzept entwerfen will und „passende“ Techniken einsetzten möchte. Dabei ist die Reduktion der VT-Technik, auf ein coachingkompatibles Format, kein Schutz vor den „Nebenwirkungen“ einer Technik. Denn mit direktivem Vorgehen wird dem Klienten/Coachee ein Teil seiner Selbststeuerung und seiner Verantwortung abgenommen; es leitet ihn. Doch da Coaching keine Therapie und daher ein Angebot für psychisch stabile Menschen ist (7 Abschn. 4.1) kann die selbstbestimmte Mitwirkung im Prozess mit einbezogen werden. Die Absicht im personzentriert-integrativen Coaching ist daher: das Zusammenspiel von Denken, Handeln, Fühlen sollte der Coachee stets überprüfen können. Deshalb ist es erst der zweite Schritt, dass der Coachee anders handeln soll, wie es eine „Verhaltensorientierung“ impliziert; zuerst sollte er anders Fühlen können und daraus, „im Verständnis seiner selbst“ (Rogers 1985, S. 28) positive Schritte unternehmen können: er sollte sein Handeln selbstbestimmt ändern wollen. In unserem Coaching bestimmt daher der Coachee den Weg seines Entwicklungsprozesses und wird von dem Coach nur darin unterstütz: er ist ein Wanderbegleiter, kein Wanderführer. Wenn Einstellungen, die das Verhalten steuern, auf Erfahrungen gründen, dann können es auch nur neue, konstruktive Erfahrungen sein, die in einer vertrauensvollen Beziehung erlebt werden können, damit neue und echte Einstellungen sich entfalten können. Denn dazu braucht es Mut und eine geschützte, sichere Beziehungsbasis; sonst gibt es zwar neue Erkenntnisse, aber das alte, handlungssteuernde Gefühl bleibt.
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Kapitel 3 · Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht
Mit einem Coachingauftrag ist die Erweiterung von Fertigkeiten und Flexibilität des Verhaltensrepertoires übergreifendes Ziel. Der kognitive Ansatz im Coaching zielt auf ein bewusst werden von hinderlichen und der Entwicklung von förderlichen Denkweisen und Einstellungen ab. Entscheidend ist dabei, dass der innere Bezugsrahmen des Coachees maßgeblich für das Vorgehen bleibt, so, dass auch verbale und nonverbale Widerstände oder Zustimmungen wertschätzend-empathisch beachtet werden können. Doch sobald im Prozess Techniken angewandt werden, ist es die Aufgabe des Coachs durch diese zu führen. Was kommt, aus welchem Grund, wann und wer macht was, da der Coachee den Ablauf nicht kennen kann. Daher ist es in unserem Coaching auch wesentlich, dass Techniken erst dann integriert werden, wenn das Teil-Thema für den Coachee selbst greifbar geworden ist. Die humanistische Haltung bleibt dabei leitend und es bleibt der Coachee im Blickpunkt – weniger der „richtige“ Ablauf der Technik. Auch aus diesem Grund sind die in diesem Buch vorgestellten Techniken „kurz und simpel“ (7 Abschn. 5.3).
3.6 Tiefenpsychologische Dynamiken
Tiefenpsychologie ist der Sammelbegriff für alle psychologischen Theorien, die den unbewussten Einflüssen auf unser Denken, Handeln und Fühlen einen großen Stellenwert zuschreiben. So stellt die humanistische Theorie, wie auch die Psychoanalyse (PA) – als „Mutter“ aller tiefenpsychologischen Vorgehen – die Beziehung zwischen den Personen und das was in diesem Kontakt passiert in den Fokus der Therapie und allen Formen der Beratung. Beide Theorien gehen daher auch von derselben Annahme aus, dass die Ebene des Unbewussten das Bewusstsein zu allen Lebenszeiten und in allen Lebenssituationen dominiert. Doch auch wenn beide Verfahren die Dynamiken der Beziehungsgestaltung für den Entwicklungsprozess nutzen, so sind Menschenbild und Haltung und die damit zusammenhängenden Interventionstechniken, doch grundlegend verschieden. Die Geschichte der Psychoanalyse (PA) beginnt maßgeblich mit Sigmund Freud (1856–1936). Er analysierte die Inhalte der Erzählungen seiner Patienten und stellte die Hypothese auf, dass die Ursache ihrer aktuellen Symptome in frühen Erlebnissen liegen müsse, die ihrem Bewusstsein jedoch nicht zugänglich waren. Bereits 1896 entwarf er dafür den Begriff der „Psychoanalyse“ und entwickelte in den darauffolgenden Jahren eine zentrale Dimension: die Lehre vom Unbewussten, die die noch junge Psychotherapie revolutionierte und dem seither ein unbestreitbarer Einfluss auf das Denken, Handeln und Fühlen zugeschrieben wird. Allerdings hatte Freud, aufgrund seiner mathematisch-physikalischen Vorbildung, zunächst das Bestreben, auch innerpsychische Vorgänge nach einem bestimmbar-logischen Aufbau handhabbar zu machen. Dies war die Ausgangssituation dafür, dass er anfangs ein Schichtmodell (das topografische Modell) der menschlichen Psyche entwarf: das heute, mit kommunikationsrelevanten Abwandlungen, verwendete „Eisbergmodell“. Mit diesem veranschaulichte Freud die unterschiedlichen Bewusstseinsgrade: Die Existenz a) des Unbewussten, als die „in der Tiefe liegenden“ Erlebnisse, Entwicklungen, Instinkte, b) das Vorbewusste mit seinem „Wissen“ über Aspekte der eigenen Persönlichkeit sowie c) dem Bewusstsein zugängliche Wünsche, Gefühle und
3.6 · Tiefenpsychologische Dynamiken
71
Gedanken, die nur die zu erkennende „Spitze des Eisberges“ ausmachen (Freud 1920, 1999) (vgl. 7 Abschn. 5.2 Der Coaching-Eisberg). Hintergrundinformation Erst nachfolgend dem Schichtmodell, entwickelte Freud ein Strukturmodell: das Modell der Instanzen des Ich, Es, Über-Ich. In der Freud-Theorie vertritt in diesem Modell das Ich die Bewusstseinsleistungen des Wahrnehmens, des Denkens und des Gedächtnisses und eine Vermittlerrolle zwischen Es und Über-Ich; denn das Es ist im Freud Modell die Instanz, die für die Erfüllung der Triebe und Bedürfnisse „zuständig“ ist. Dabei hatte Freud das Es als Energiequelle mit zwei Grundtrieben gesehen: dem Triebpol mit dem Bestreben des Überlebens (Eros) und Neues zu schaffen und dem „Todestrieb“(Thanatos), der zu den ursprünglichen, organischen Zuständen hinzieht. Den Ausdruck „Über-Ich“ führte Freud erst später ein, um damit eine vom Ich abgegrenzte Instanz zu kennzeichnen, die internalisierte Normen, Werte und Moralvorstellungen vereint und durch Identifizierung mit signifikanten anderen entstanden ist (Mertens 1990, S. 120 f.). Nach Freud hat das Es keinen „Zugang“ zur aktuellen Umwelt – es ist sozusagen blind; den „sehenden“ Part übernimmt zum Teil das Ich, das die Aufgabe eines Vermittlers zwischen dem Es und den Vorgaben einer Realität hat (Freud 1966, 2012). Daher widerstrebt dem Ich das, was mit seinen eigenen „Einsichten“ im Widerspruch steht – dem was es selbst schon „zugelassen“ hat. Es ist ein Kampf des Selbstkonzeptes mit anderen ureigenen Ansprüchen. Ein – im besten Falle starkes – Ich muss somit über genügend „Frustrationstoleranz“ verfügen, da die „eigenen Absichten“ häufig enttäuscht werden (Mertens 1990). Dabei kann auch Abwehr gegen alles entstehen, was die Psychotherapie als Deutungen dem Ich zur Verfügung stellt, was das Ich aber noch „unbewusst im Unbewussten“ verankert hat – dessen Platzierung es dort verteidigen will. Carl Rogers ging mit dem Freud-Schichtmodell konform, setzte jedoch dem zweiten, dem Instanzenmodell, die Aktualisierungstendenz als eine einzige Energiequelle entgegen (7 Abschn. 2.3.1).
Im weiteren Verlauf seiner Studien setzte sich Freud mit den Phänomenen auseinander, die sich in Beziehungen zeigen und nur in diesen zu verstehen sind. So war es zuerst die „Übertragung“, die er „falsche Verknüpfung“ nannte, die er vermehrt in den Fokus seiner Analysen stellte: durch einen „Assoziationszwang“ einer anwesenden Person werden Gefühle, Emotionen, etc. in der Gegenwart wiederbelebt, die jedoch in der Vergangenheit ihren Ursprung haben. Übertragung beschreibt einen primär unbewussten Vorgang, der durch diese falsche Verknüpfung nur dann störend auf die aktuelle Beziehung wirkt, wenn er die Handlungsoptionen der Person einschränkt bzw. adäquates Handeln verhindert. Doch Übertragung geht über die eingleisige Reaktion einer Person hinaus: die aus der Übertragung folgende Gegenübertragungsreaktion hatte Freud begrifflich erst später aufgeführt, ist jedoch eine „unvermeidliche“, die sinnvoll mit beachtet werden sollte (Bettighofer 2010). In Beziehungen, so auch im Coaching, ist es ist die Reaktion auf die Reaktion, bzw. die emotionale Antwort auf die Gefühle der anderen Person. Der Coach wird gleichsam dazu „aufgefordert“ mit seinem eigenen, ggf. untypischen Verhalten zu reagieren – letztlich, eine unfreiwillige und nicht zu ihm passende Rolle einzunehmen: inkongruent zu handeln oder zu fühlen. Während Übertragung und Gegenübertragung demnach also Phänomene sind, die das Erleben in Beziehung mit einer anderen Person zur Grundlage haben, ist die von Freud identifizierte Projektion ein Indikator für Wichtiges, das den Ursprung der eigenen Bedürfnisse, aber auch Werte und Normen hat: eigene Ansichten, Wünsche, Verwehrungen, werden anderen unterstellt – projiziert – und dort ggf. als störend, als „nicht ok“, oder als die gleichen, wie die eigenen, Gefühle oder Verhaltensweisen wahrgenommen. Dementsprechend wirken diese als Abwehrmechanismen in spezifischen Beziehungszusammenhängen, z. B. dann, wenn sich ein Coachee durch eine Inter-
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Kapitel 3 · Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht
vention bedroht fühlt. Dann können z. B. eigene Ängste oder Wünsche dem anderen zugeschrieben werden und sind dann für das eigene Selbstkonzept nicht mehr bedrohlich. In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Wahrnehmung dieser Schutzmechanismus (7 Abschn. 5.3.5) ein hilfreiches Wissen sein kann, um adäquater und kongruenter reagieren zu können. Anderenfalls besteht die Möglichkeit, dass die alten Erfahrungen, durch die gleichen (selbst initiierten) Erfahrungen im Hier-und-Jetzt, gefestigt/bestätigt werden und die Selbst-Struktur erstarrt: aus Angst unflexibler wird. Übersicht Auch in den Darlegungen Rogers werden psychische Abwehrmechanismen als Schutzfunktion des Organismus definiert. Diese Abwehrmechanismen (Verleugnung/ Ignorieren, Verzerrung, Verdrängung) sind vom Selbst nicht symbolisiert (nicht oder nur teilweise dem Bewusstsein zugänglich), jedoch als Erfahrung abgespeichert (2009a, S. 434 f.). So geht Rogers, im Konsens mit Freud auch davon aus, dass es Erfahrungen im frühen Lebensverlauf gibt, die mit der Struktur des Selbst nicht übereinstimmen und in der Folge am Eindringen ins Bewusstsein gehindert, bzw. als widersprüchliche Erfahrungen ausgeschlossen werden (7 Abschn. 2.3 ff.). Der Ursprung dieser Art von Emotionen, liegt jedoch nicht in der aktuellen Situation begründet. Und auch Rogers erklärt dies mit dem Phänomen der Übertragung: es ist ein „Terminus von Einstellungen, die auf den Therapeuten übertragen werden, die aber eigentlich, und mit mehr Rechtfertigung, auf einen Elternteil oder eine andere Person gerichtet sind“ (Rogers 2009a, S. 188). Doch Rogers machte auch deutlich, dass die Reaktion des Therapeuten/Coachs auf Übertragungen die „gleiche wie die auf jede andere Einstellung des Klienten“ sein sollte: „er versucht zu verstehen und zu akzeptieren“; und Rogers konnte ebenso zeigen, dass „durch diese Art“ der Gesprächsführung Projektionstendenzen verringert werden können (Rogers 2009a, S. 53, 192).
Die Kernaussage der Psychoanalyse und des PZA ist in diesem Zusammenhang also die gleiche: Jede Person handelt auch aufgrund innerer Prozesse, die dem Bewusstsein nicht oder nicht unmittelbar zugänglich sind. Der Unterschied zwischen den Verfahren ist für uns dort zu sehen, wo und wie die Beziehungen zum Klienten genutzt werden kann. Der Personzentrierte Ansatz geht von der Kraft der Aktualisierungstendenz aus (7 Abschn. 2.3.1). Die Präferenz liegt daher nicht im Aufarbeiten von vergangenen Beziehungen, sondern in dem, was im Hier-und-Jetzt und im Prozess der aktuellen Beziehungsgestaltung geschieht. Die tiefenpsychologischen Dynamiken werden in unserem Coaching vor allem in der Absicht aufgenommen, als entwicklungsfördernde Aspekte und hauptsächlich für die Selbstreflexion zur Verfügung zu stellen; und sind in diesem Sinne auch für den Coachingprozess fruchtbar. Im humanistischen Denken kann dadurch die Entwicklung, hin zu mehr Selbstbestimmung, Eigeninitiative und Kreativität gestärkt werden. Denn die psychologischen Phänomene, z. B. der Übertragung, Gegenübertragung und Projektion „passieren“ (7 Kap. 2 ff.) und können mit der Reflexion der Beziehungskonstellationen besser verstanden werden. Der Coach kann dadurch an entscheidenden Stellen im Coachingprozess hilfreicher handeln (7 Abschn. 5.3.4).
73 Literatur
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Kapitel 3 · Der Personzentrierte Ansatz – integrativ gedacht
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Coaching – ein spezielles Format 4.1 Unterschiede in den Beratungsformen – 76 4.2 Eine besondere Situation – 78 4.3 Der Coachingprozess – 80 4.3.1 Am Anfang: Struktur und Zielklärung – 81 4.3.2 Im Prozess – 84 4.3.3 Abschlüsse gestalten – 85 4.3.4 Der Coachingkreislauf – 86 4.3.5 Themen, Ziele und Bearbeitungsfelder – 88
4.4 Absichtsvolles Coaching – 96 4.5 Qualitätskriterien – 97 Literatur – 99
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Hellwig, Personzentriert-integrative Gesprächsführung im Coaching, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29118-1_4
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Kapitel 4 · Coaching – ein spezielles Format
Seit den 1980er-Jahren wird Coaching in Europa als Instrument der Personalentwicklung in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft eingesetzt, doch eine eindeutig, einvernehmlich akzeptierte Definition, über das was Coaching genau ausmacht, besteht nicht. Und schaut man auf diese Wurzeln von Coaching, so wird verständlich, dass eher Daten und Fakten im Vordergrund standen und heute noch häufig stehen, als die Entwicklung der „Gesamtpersönlichkeit“ des Mitarbeiters bzw. des Coachees. Später erst gewinnt „das Humanistische“, mit Konzepten die in Richtung „Transformationale Führung“ oder „Situativer Ansatz“ als Führungsinstrument gehen, die „Bezogenheit aufeinander“ – die Beziehungsgestaltung – auch in der Personalentwicklung an Bedeutung. Coaching, im humanistischen Sinne, ist eine Form der Beratung die auf der Basis der humanistischen Werte vor allem darauf abzielt, berufliche Prozesse zu begleiten und nachhaltig zu fördern (7 Kap. 5. ff.). Es ist eine zielorientierte (Personal- und Selbst-) Entwicklungsmethode, bei der der Klient oder „Coachee“ ein definiertes, abgegrenztes Thema bearbeiten kann. Darüber hinaus sind die grundlegenden Merkmale eines (Business-)Coachings nachfolgende: 5 Es besteht eine Ziel- und Auftragsorientierung und ein 5 Bezug zum jeweiligen Arbeitsumfeld: es ist kontextbezogen. 5 Mit Coaching wird ein zeitlich begrenzter Entwicklungsprozess begleitet. 5 Dabei werden Anliegen aus dem beruflichen Umfeld in den Vordergrund gestellt, 5 bei deren Bearbeitung der Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“ gilt und 5 ein aktives Einbringen des „Coachees“ dafür als Voraussetzung genommen wird. 5 Eine fundierte Weiterbildung des Coaches und ein transparentes Coachingkonzept bilden dazu die professionelle Grundlage. Daraus ergeben sich bereits Schnittmengen und Abgrenzungen zu anderen Beratungsformen, die im nächsten Kapitel genauer betrachtet werden. 4.1 Unterschiede in den Beratungsformen
Viele Coaches arbeiten – vorsätzlich oder unbeabsichtigt – häufig beratend oder geraten in Themen des Coachees, die eher therapeutisch aufgearbeitet werden sollten. Deshalb hat die Schärfung des Bewusstseins für die übergreifenden Inhalte und Absicht der Gesprächskonzepte Relevanz, da dies Einfluss auf die Qualität des Coachings im o.g. Sinn hat: Im Coaching verfügt der Coach über das Wissen einer professionellen Prozessbegleitung, benötigt jedoch nicht notwendigerweise ein Spezialwissen in einem besonderen Arbeitsbereich. Erst, wenn Coaching gleichzeitig Fach-Beratung sein soll setzt dies eine Feldkompetenz des Coaches voraus, dessen Wissen an den „Ratsuchenden“ weitergegeben werden kann. Dazu gehören z. B. die Ernährungsberatung, Rechtsberatung, Schuldnerberatung, u. v. m. In der Praxis ist eine Vermischung von Beratung und Coaching jedoch inhaltlich oft gegeben und je nach Thema kann dies auch sinnvoll sein (7 Abschn. 4.3.4). Daher sollte der Coach sein Portfolio auch an seine Feldkompetenzen anpassen, die z. B. Themen der Führung, der Stressbewältigung, Karriereplanung o.a. beinhalten. Doch problematisch kann die Kombination von Beratung und Coaching werden, wenn nicht deutlich ist, in welchem Modus sich die Begleitung befindet, welche Teile beratend sind und wann der
4.1 · Unterschiede in den Beratungsformen
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Coach „coacht“ und – manchmal auch – was der Coach unter Coaching versteht, wie er sein Angebot ausfüllt (7 Abschn. 4.4). Denn wenn im Coaching auf spezifisches Fachwissen des Coaches vertraut wird, ist entweder die Auftragsklärung nicht klar erfolgt oder es ist dem Coach der Unterschied nicht bewusst und Erwartungsfehler auf beiden Seiten die Folge. Psychotherapie befasst sich dagegen mit der Bearbeitung tiefgehender persönlicher Probleme, deren Ursprünge weit in die Lebensgeschichte zurückgreifen oder traumatisch sein können. Diese sind in Klassifikationssystemen wie der ICD („Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“, Herausgegeben von der WHO) oder dem DSM („Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“) aufgeführt. Die Unterschiede zum Coaching sind daher schon in den Rahmenbedingungen zu sehen. 1) Das Psychotherapeutengesetzt (Behnsen und Bernhardt 1999) regelt die Verortung einer Psychotherapie in der Heilkunde, behandelt somit Störungen mit Krankheitswert was eine Diagnose voraussetzt. 2) Die Psychotherapie setzt, mit ihrer Anerkennung und Anwendung spezifischer Verfahren, eine mehrjährige medizinische oder psychologische Ausbildung der P sychotherapeuten voraus. Heilpraktiker für Psychotherapie können differenzierte Diagnosen bilden und erlangen daraufhin, nach einer – im Verhältnis – kurzen Ausbildungszeit, die amtliche Erlaubnis zur Behandlung (psychisch) kranker Patienten. Meist sind in diesen Weiterbildungen auch zumindest wenige „gesprächstherapeutische“ Weiterbildungstage involviert gewesen. Hingegen umfasst eine akkreditierte „klientenzentrierte“, gesprächstherapeutische Weiterbildung (z. B. durch die „Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung“; GwG) oft mehr als fünf Jahre. Coaches sind nicht dazu ausgebildet, klinische Diagnosen zu stellen, und verfügen nicht über entsprechendes Fachwissen, um psychische Störungen zu heilen. Alles, was an „Diagnostik im Coaching“ ein eben solches Vorgehen impliziert, kann letztlich nur als hypothetisches Wissen aufgestellt werden; es muss im Coachingprozess immer wieder überprüft werden und kann keine „Diagnose“ im klinischen Sinn sein kann. Wann ist Therapie angezeigt? Therapie ist z. B. dann indiziert, wenn ersichtlich wird, dass aus situationsbedingten, besorgniserregenden Vorstellungen die Ängste so umfassend werden, dass sie den Lebensaktionsradius einengen, da die angstauslösende Situation gemieden werden will. Oder auch, wenn z. B. aus einer momentanen Verstimmtheit etwas langfristig Wirkendes erwächst, dass die Wahrnehmung, das Denken und die Verhaltensweisen des Menschen kontinuierlich belastet. Allgemein gilt: dann, wenn die Selbststeuerungsmöglichkeit eines Menschen nicht mehr ausreicht, eine langfristige, konstruktive Problemlösung, für belastende Themen zu erreichen, kann von Psychotherapie-Bedarf gesprochen werden. Personen die ein Coaching in Anspruch nehmen, sollten im Gegensatz dazu über eine weitgehend stabile psychische Gesundheit verfügen.
Die größte Ähnlichkeit besteht zwischen Supervision und Coaching. Beide Formate befassen sich vorwiegend mit beruflichen Themen des Coachees/Supervisanden, mit der Konzentration auf Aufgaben, Funktionen, Rollengestaltungen etc., mit dem Ziel, Entwicklungspotenziale freizulegen. Unterschiede bestehen zunächst in der Herkunft: die Supervision wurde zum einen im Non-Profit-Bereich entwickelt und wird dort immer
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Kapitel 4 · Coaching – ein spezielles Format
noch vorwiegend durchgeführt; bis heute haben Supervision und Coaching daher andere „Zielgruppen“ und Themen, als vornehmliches Unterscheidungsmerkmal. So wird Supervision meist für die Fallbesprechung und zu den o. g. Themen, in psychosozialen Feldern eingesetzt; Coaching dagegen wird eher von Führungskräften und in wirtschaftlichen Feldern wahrgenommen. Die häufigsten Themen im Coaching sind unter 7 Abschn. 4.3.5 aufgeführt. Im Unterschied zur Supervision sind hier, als klassische Coachingthemen, die Erweiterung von Führungskompetenzen und Fragen/Inhalte zur Organisationsentwicklung zu nennen. 4.2 Eine besondere Situation
Coaching ist eine nicht alltägliche Situation für den Coachee; und daher eine besondere Situation. So ist es nachvollziehbar, dass eine Person mit erhöhter Sensibilität, vorsichtig, ggf. mit Skepsis ins Coaching kommt: Was und wer erwartet mich und was wird von mir erwartet? Dies gerade unter dem Aspekt einer aktuell wahrgenommenen Inkongruenz (7 Abschn. 2.4.2). Dabei ziehen die eingebrachten Kontakt- und Beziehungsmuster bestimmte Fragen mit sich: Welche Informationen gibt der Coachee, in welcher Form, um ein Bild von sich zu vermitteln, von dem der Coachee noch nicht wissen kann, ob es den Erwartungen, im Hier-und-Jetzt des Coachings, gerecht werden wird. Der Coachee steht dementsprechend zwischen „Vorder- und Hinterbühne“, im Sinne des Theatermodells des Soziologen Erving Goffman zu verstehen, als Metapher der sozialen Welt. Die Grundaussage dieses Theatermodells ist die Annahme, dass „ein Einzelner, wenn er vor anderen erscheint, zahlreiche Motive dafür hat, den Eindruck, den sie von dieser Situation empfangen, unter Kontrolle zu bringen“ (Goffman 1969, S. 17). Eine „Situation“ wird von Goffman als „Ort“ benannt, an dem nach bestimmten Regeln und Normen die eigene Darstellung inszeniert wird – die Vorderbühne (Goffman 1969, S. 100 ff.); wogegen die Hinterbühne, als der für das Publikum nicht sichtbare „Ort“, verschiedene Charakteristiken aufweisen kann. Insbesondere umfasst dieser eine Vorbereitungsfunktion, denn: „die Auswahl für das Publikum“ wurde schon vor der „Aufführung“ getroffen (Goffman 1980, S. 170). Sich-Sichtbar-Machen und Eindrucksmanipulation auf der „Bühne“ – ob bewusst oder unbewusst – geschieht für Goffman dabei über Interaktion mit dem Ziel, (eine situationsspezifische) Persönlichkeit darzustellen. Jedoch wird damit nicht unterstellt, dass der Coachee ein Schauspieler ist, der eine fremde Rolle einnimmt – im Gegenteil: es sind stets Anteile seines Selbst, das er unter den besonderen Prämissen dieser einen Situation vorstellt. Das so situativ erzeugte „Selbst-als-Rolle“ (Goffman 1969, S. 230), organisiert sich nur in einem bestimmten Teil der Person und geht nicht „in ihm auf“ (Goffman 1977, S. 148 f.). Dieses situative Selbst entspringt dem Rahmen der Situation, als komplexe Sinnstruktur, die die eigenen Handlungen leitet (Goffman 1977, S. 19) und den Verlauf mitgestaltet.
Um im Coaching „situationslogisch“ in der Rolle handeln zu können, benötigt der Coachee demnach Informationen in Bezug auf seine implizite Frage „Wie kann ich mich hier (erwartungsgemäß) darstellen?“. In der Konsequenz muss der Coachee somit auf seine Modulationsfähigkeit zurückgreifen, um seine temporäre Orientierungslosigkeit auszugleichen. Das ist ein Konflikt der Begegnung, der Einblick in die Hinterbühne: Jede Person will mit ihrer Geschichte verstanden werden und ist damit unter „Zwang“, eine in sich nachvollziehbare Abfolge in der Geschichte zu präsentieren (zum Dilemma des „doppelten Zwangs“, Hellwig 2013). Diese Präsentation gibt immer einen Teil der momentanen Wirklichkeit der Person wieder, die es vom Coach zu verstehen und zu respektieren gilt.
4.2 · Eine besondere Situation
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> Aus der großen Vielfalt von Empfindungen wählen wir die uns wichtigsten
unbewusst aus und versuchen sie aufrechterhalten: „Diese nachhaltigen Züge werden zum Charakter, es sind die Merkmale, die wir an uns selbst schätzen und für die wir den Beifall und die Zuwendung der anderen suchen“ (Sennett 2010, S. 11).
Infolgedessen steht der Coachee gerade zu Beginn des Coachings zwischen „Arena und Backstage“: Denn das Vakuum zwischen Information über die Bewertungsgrundlagen des Coaches und der Selbstdarstellungsgelegenheit lädt zunächst ein, die Handlung auf der Vorderbühne, mit der subjektiv gedachten, der Situation entsprechenden „Fassade“ stattfinden zu lassen (Goffman 1969, S. 102 ff.). Die „Arena“ ist durch die Festlegung auf „eigene Themen“ und auf Handlungsmuster innerhalb des „Rollenspiels“ abgegrenzt. Doch die Erwartungsunsicherheit schürt auch eine Ausdrucksunsicherheit des Coachees. Daher ist es so wichtig, dass der Coach „Loyalität“ und „Respekt“ entgegenbringt (Goffman 1969, S. 208), damit die „Darstellung auf der Vorderbühne“, in ihrer aktuellen Inszenierung – wertschätzend ohne Bedingungen – betrachtet; denn nur dann wird ein Zurückziehen und das „Mitnehmen des Publikums, auf die Hinterbühne“ möglich: Offenheit und Vertrauen korreliert hier mit dem Maß, in dem sich der Darsteller (Coachee) von seinem Publikum (Coach) ernst und angenommen fühlt. Es ebnet den Weg zur Hinterbühne, wo sich der Darsteller bekennen kann, wo er seine „Maske fallen lassen, vom Textbuch abweichen und aus der Rolle fallen“ darf (Goffman 1969, S. 105). Auch aus dieser Perspektive ist Vertrauen nicht als „Technik“ inszenierbar, sondern muss im Prozess der Begegnung geschaffen werden. Die Frage nach der Offenheit des Coachees, ist demnach auch daran gebunden, wie sehr es ihm ermöglicht wird, „sich fallen zu lassen“. Der Zutritt zum „Backstagebereich“ ist daher immer ein Vertrauenserweis und fordert einen sorgsamen Umgang damit. Das hängt unmittelbar mit der Frage zusammen, wie viel Empathie und unbedingte Wertschätzung seitens des Coaches dazu vermittelt werden konnte. Denn über die „kleine Lebenswelt“ der Coachingbeziehung bietet der Coachee seine „Selbstdefinition“ zur Überprüfung an und „findet sie dann bestätigt oder entwertet“ (Watzlawick et al. 2000, S. 242). Das würde nicht nur die Beziehung schädigen, sondern kann auch implizite Annahmen des Coachees über „die Welt“ bestätigen und fruchtlose Handlungsmuster verfestigen. Eine „Entwertung“ wird durch unbedingtes, empathisch-wertschätzendes Verhalten des Coaches vermieden. Mit seiner Art der Begegnung zeigt der Coachee somit nicht nur, wie er sich mit seinem Selbstkonzept (7 Abschn. 2.3.2), innerhalb des Kontextes „Coaching“, selbstbewertet, sondern auch, wie er seine temporäre Wirklichkeit konstruiert; oder besser: seine Wirklichkeiten in der Reflexion seiner situativen Identität. Um diese kritisch-konstruktiv betrachten zu können sollte (an)erkannt werden, dass der Coachee sich in einer besonderen Situation befindet, in der sich genuine Verhaltensroutinen widerspiegeln. Zwischen „Arena und Backstage“ den Coachee mit seinem „Stück“ anzunehmen, bedeutet damit: Widerstände als Schutzfunktionen – als geschlossene Tür zur Hinterbühne – zu erkennen und diese zu akzeptieren. Vielleicht dort mal freundlich anzuklopfen, und doch gleichzeitig, als Alternative für die routinierten, „eingespielten“, emotionalen Inszenierungen, kongruente Handlungsalternativen zu finden. Denn diese orientierten sich nicht nur an Vergangenem, sondern nehmen das Hier-und-Jetzt auf und können damit konstruktives Zusammenspiel zwischen „Vorder- und Hinterbühne“ anstoßen.
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Im besten Fall kann der Coachee nach einem gelungenen Coachingprozess sich so seinen „Beifall“ selbstwertschätzend geben und auf den des Coaches oder ander Personen mehr verzichten. 4.3 Der Coachingprozess
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Coaching ist, im Gegensatz zur (Personzentrierten) Psychotherapie, von Beginn an, mit dem Kontrakt, zielorientiert. Im Sinne Rogers ist unser Coaching dennoch eine kreative, individuelle Anpassung an Gegebenheiten, die sich an einer verändernden Umwelt ausrichten und doch dem Wesentlichen treu bleiben: der humanistischen Haltung. Auf dieser Basis baut der strukturierte Coachingprozess auf, der nachfolgend aufgeführte Aspekte und Fragen umfassen sollte. Zunächst die Aspekte, die zu Beginn des Coachings geklärt werden sollten: 5 Die Prämisse der Klarheit der Situation: Der Coach hat keine Patentlösung. Vielmehr kann der Coachee die Gelegenheit nutzen, mithilfe des Coaches eigene Lösungen für das Thema zu finden. Der Coach fördert den Prozess, aber die Innen-Arbeit im Prozess selbst muss der Coachee leisten. 5 Klärung der Rahmenbedingungen: Ist Coaching das Richtige für Thema und Coachee? Wenn ja, ergeben sich die Fragen: Wann, wo, mit wem, wie lange, wie häufig? Ebenso sollten die vertraglichen Vereinbarungen geklärt werden: Einhaltung der Schweigepflicht, Honorar, empfohlene Dauer und Abstand der Treffen. Diese Bedingungen – besonders die zeitlichen – stellen auch für Rogers einen Aspekt dar, dem sich der Klient anpassen muss: „Es ist eines der wichtigsten Hilfsmittel“ da die Zeit in „höchstem Maße repräsentativ“ für „alle Begrenzungen des Lebens“ ist (Taft zit. in Rogers 1983, S. 138). Das impliziert, dass der Coach genauso als Person wahrgenommen werden sollte, wie der Coach den Coachee als Person wahrnimmt und nicht (unbewusst) instrumentalisiert wird. In der Konsequenz hat ein personzentriert-integrativer Coach auch Erwartungen an den Coachee, die er von Beginn an klären sollte: Rogers Prämisse von einem Arbeiten von „Person zu Person“ bedeutet in diesem Zusammenhang, zu überprüfen, ob beide bereit sind, sich aufeinander einzulassen. Der Coach sollte daher ggf. auch um Informationen bitten, um einschätzen zu können, 5 ob er der Richtige für das Anliegen des Coachees ist, oder ob spezifische Fachkompetenzen dazu benötigt werden, 5 ob Coaching indiziert ist oder eine Therapie oder eine Fachberatung einbezogen oder anstelle des Coachings empfohlen werden muss, 5 ob der Coach mit dem Coachee persönlich arbeiten kann oder ob es schon im Vorfeld zur inneren Abwehr kommt. Im gesamten Coachingprozess gibt es dann modellhafte Teilprozesse. Diese beinhalten verschiedene Schwerpunkte, die im Verlauf mitbeachtet werden sollten. Im Nachfolgenden sind diese Schritte mit ihren Erfordernissen aufgeführt.
4.3 · Der Coachingprozess
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4.3.1 Am Anfang: Struktur und Zielklärung
Zu Beginn eines Coachings steht das gegenseitige Kennenlernen, der B eziehungsaufbau (7 Kap. 2 ff.) und eine Anliegenklärung an. Neben den Möglichkeiten und Grenzen des Formates „Coaching“ werden hier auch das Vorgehen und das Coachingverständnis des Coachees thematisiert (7 Abschn. 4.4). Die Kontaktaufnahme findet dabei meist telefonisch statt, das Erstgespräch immer persönlich: 1. Die Kontaktaufnahme – Inhalte und Aufgaben: (telefonisches) Vorgespräch, Vorstellung/Profession/Arbeitsweise; Klärung der Rahmenbedingungen; Schweigepflicht, Klärung bei Dreieckskontakten: Auftrag? Anliegen? Was ist das Problem? Kontraktklärung und Einschätzung: ist Coaching die passende Arbeitsform? (Was biete ich an?), Erleben reflektieren: das eigene (was kommt an) und das des Coachees, „erster Eindruck“; ist der Coachee aus eigenem Antrieb gekommen, aufgrund einer Empfehlung, dass er ein Coaching (oder eine Therapie) gebrauchen könnte, oder ist es ein angeordnetes Coaching? 2. Das Erstgespräch – Inhalte und Aufgaben: Ziele/Wünsche (ggf. priorisieren), Themen (offene und verdeckte – dabei thematische Schranken des Coachees erkennen und wahren). Erwartungen klären (eigene und fremde); Gemeinsame Problemanalyse, seit wann bestehen das Problem und was hat der Coachee ggf. schon unternommen. Problemfokus/Veränderungsbereitschaft: Wer hat, aus der Sicht des Coachees, das Problem? Gibt es Veränderungsbereitschaft beim Coachee? Oder erhofft er vom Coach Tipps zur Änderung anderer Personen? Verabredung des weiteren Vorgehens, Klärung der Inhalte, Entwurf des Kontraktes/Vertrages. 3. Im Nachgang des Erstgespräches, das Festhalten des ersten Eindrucks: Was kam bei Ihnen an? Kontaktaufnahme des Coachees: Offenheit, Fallen, Fronten? Welche Potentiale? Selbstexplorationsfähigkeit und –bereitschaft erfassen. Das erste Ziel ist die Entwicklung einer (Arbeits-) Beziehung. Im Erstgespräch werden ebenfalls einige objektive Angaben gesammelt (berufliche Position, Alter, Familienstand, berufliche Entwicklung/Übersicht, je nach Thema, Arbeitgeber, etc.). Übergreifend dazu sind hier zwei Aspekte zu ergründen, um einen konstruktiven Coachingprozess beginnen zu lassen: 5 Klären der Inkongruenz: Der Coachee kommt ins Coaching, weil er ein „Problem hat“, weil er sich inkongruent fühlt – was macht diese Inkongruenz aus (7 Abschn. 2.4.2)? Das wird zu Beginn (zunächst hypothetisch) geklärt und im Verlauf differenziert. 5 Falls der Coachee ins Coaching „geschickt“ wurde, wird sein Thema mit ihm geklärt/ gesucht/gefunden: Was motiviert den Coachee für das Coaching? Denn die Person muss sich auf den Coachingprozess einlassen wollen. Die Verständigung über den Coachingauftrag, die damit verbundenen Ziele und Themen, sind Kern des Vor- und Erstkontaktes und Leitfaden im Gesamtverlauf. Doch manchmal vermischen sich Anlass, Auftrag, Themen und Ziel(e) oder ihre Unterscheidung verblasst im Verlauf. Die Folge kann eine unklare Prozessbearbeitung sein, in deren Verlauf Missverständnisse über das zu erreichende Ziel entstehen können
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(Anhang, Abb. A.3, „Interner Auftragscheck“). Daher hat es sich bewährt, diese vier Kategorien bewusst zu unterscheiden, (unabhängig vom Kontrakt) u. a. mit diesen Klärungsfragen:
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Der Anlass: 5 Warum möchte die Person ein Coaching? (Möchte sie? Oder wurde sie „geschickt“? Wie groß ist der Leidensdruck?) 5 Welcher aktuelle Anlass war der Auslöser, jetzt ein Coaching nachzufragen? Warum nicht früher? Warum konnte nicht noch gewartet werden? Was war passiert? 5 Wie ist die Problemperspektive: Wer hat das Problem? Was ist das Problem? Wer kann es lösen? 5 Wie groß ist die Veränderungsenergie? Wer soll/muss sich nach Meinung des Coachees ändern? Der Auftrag: 5 Welche impliziten Aufträge werden gestellt – ergänzend zum Kontrakt: 5 „Was erwarten Sie vom Coaching?“ 5 „Was erwarten Sie von mir als Coach?“ Die Themen: 5 Welche Themen werden als Coachingthemen vom Coachee explizit an- und ausgesprochen? 5 Welche Themen sind noch zu hören, haben jedoch für den Coache (momentan) keine Relevanz oder sollten als Hypothesen für den Prozess in Erinnerung bleiben? Das Ziel: 5 Welches Ziel möchte der Coachee aus den Themen ableiten? 5 Es sollte ein Handlungsziel benannt werden können (vgl. SMART-Kriterien). Im Zusammenhang mit der Klärung dieser Aspekte stehen auch die Fragen: 5 Welche Lösungsversuche wurden vom Coachee bisher unternommen? 5 Gibt es Widersprüchliches? Erscheint der Vergleich miteinander vereinbar? Auch im Verlauf des Coachingprozesses kann dieser Blick Aufschluss über verdeckte Themen geben. Denn wenn zum Beispiel die Zielerreichung sich im Kreis zu drehen beginnt, kann ein Blick zurück, auf den Anlass, neue Impulse geben. (7 Abschn. 4.3.4; Der Coachingkreislauf). Das Arbeiten mit und an Zielen begleitet den gesamten Coachingprozess und reicht bis in die Follow-up-Maßnahmen hinein: die Ermittlung und Bewertung (Coachee) der Zielfortschritte sowie die Beobachtung der Zielerreichung. Die verantwortungsvolle Zustimmung zu einer vereinbarten Zielerreichung setzt auch voraus, dass der Coach auch ggf. unpopuläre Angebote zur erwarteten Dauer des Coachings machen sollte. Z. B. dann, wenn der Coachee oder die eventuell auftraggebende Organisation oder Selbstzahler „schnelle Lösungen“ anstreben, doch diese dem Coachee und dem Thema des Coachees nicht gerecht werden können. Die meisten Problemlagen sind nicht in drei Sitzungen nachhaltig zu klären. Der Zielklärungsprozess im Coaching sollte ein erweitertes SMART-Modell zur Basis haben (Locke und Latham 2002). Demnach wird ein Ziel dann eher erreicht, wenn es
4.3 · Der Coachingprozess
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spezifisch formuliert (S) ist, es für den Coachee selbst umsetzbar und attraktiv (A), an definierten Größen orientiert, erreichbar und trotzdem herausfordernd (M, R, T) ist. Das bedeutet, dass 1) aus einem Wunsch ein Handlungsziel abgeleitet wird, dass im eigenen Einflussbereich liegt. Von dem Wunsch, dass „die Kollegen mich weniger um Gefälligkeiten bitten“, kann dann das Handlungsziel entwickelt werden, öfter nein sagen zu können. 2) Das beinhaltet, dass dies als Annäherungsziel positiv formuliert wird, statt daran festzuhalten, was vermieden werden will: „Ich möchte mehr Zeit für meine eigenen Dinge haben.“ Anstatt: „Ich übernehme keine Aufgaben mehr, die nicht meine sind.“. Die Ergebnisse der Zielsetzungstheorien bestätigen, dass eine „SMARTe“ Zielklärung wirksame Coaching-Interventionen beinhaltet. Doch es involviert auch die Feststellung, dass es im Coaching nicht sinnvoll ist, schematisch Ziele nach dem „SMART-Modell“ abzufragen und festzulegen. Vielmehr ist dies hier als gedankliche Vorlage für den Coach verstanden, der damit die Zielorientierung im Coaching und die Wahrscheinlichkeit einer Umsetzbarkeit und der damit zusammenhängenden Motivation überprüfen kann. Auch eine Smart-Technik kann mit der personzentrierten Haltung verbunden werden. So kann ein anderer Anlass sein, dass der Coachee nicht mehr weiß, wie er noch reagieren soll: „Ich möchte meinen Mitarbeitern nicht dauernd alles zweimal erklären. Die ständigen Nachfragen nerven mich und ich werde zunehmen aggressiv.“ Dann kann der Coachee zur Konkretisierung und Überprüfung seiner Ziele im Gesprächsverlauf personzentriert angeregt werden, ohne, dass es eine „smarte“ Frage-Antwort-Abfolge ist. Hintergrundinformation Motivation gilt als Schlüsselbegriff für alles Handeln und ist die „aktivierende Ausrichtung eines momentanen Lebensbezugs, auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (Rheinberg 2000, S. 15). Dieser Zustand wird von Motiven in Gang gesetzt. Sie sind die Basis aller kognitiven und emotionalen Prozesse und steuern individuelles Verhalten so, dass die als wichtig empfundenen Bedürfnisse und Werte der Person gewahrt werden. Doch es sind gerade die impliziten – weitgehend unbewussten – Motive, die die eigentlichen „Verursacher“ von Verhalten sind: Sie geben Energie und Orientierung, mit der es Menschen schaffen, motiviert über einen längeren Zeitraum ihren Zielen nachzugehen und diese zu erreichen. Das, was „antreibt“, ist tief in der Persönlichkeit – und damit in der (Selbst-)Aktualisierungstendenz – eines Menschen verankert: „Wert-voll, Sinn-gebend“ und daher von höchster Priorität für jeden Einzelnen, doch nicht immer rational zugänglich.
Hinter jedem Ziel steht somit ein Bedürfnis, ein Gefühl, das in Aktion/Motivation, umgesetzt wird, oder werden soll (. Abb. 4.1). Doch was das Ziel ist, ist nicht immer direkt zu erfassen und manchmal ändert es sich im Verlauf und es kommen neue Aspekte hinzu. Eine der wichtigen Aufgaben im Coaching ist es, die Person bei der Klärung ihrer aktuell sich zeigenden Ziele zu unterstützen. Denn für den Kontrakt/für die schriftliche Vereinbarung müssen Ziele oder mindestens Themen festgehalten werden. In welcher Verbindung diese mit anderen Themen stehen, ist dann im Prozess zu klären. Beispiel Beispiel einer kognitiven Bearbeitung der Zielklärung: Coachee: „Meine Mitarbeiter sollten einfach selbständiger arbeiten.“ Coach: „Was heißt für Sie selbstständiger Arbeiten?“ Coachee: „Ich möchte, dass die Mitarbeiter nicht dauernd nachfragen und ich ihnen dann alles nochmal erklären muss.“ (Hier könnte auch das „dauernd“ hinterfragt werden, doch
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. Abb. 4.1 Zusammenhang von Bedürfnis, Motiv, Motivation
ist die Absicht, erstmal das Ziel zu definieren. Mit der Frage nach ggf. Ausnahmen, wären wir schon bei möglichen Lösungen.) Coach: „Sie möchten nicht dauernd nachfragen – welche Reaktion der Mitarbeiter würden Sie sich denn wünschen?“ Coachee: „Ich möchte, dass sie sich gleich an meine Anweisung halten.“ Coach: „Haben Sie vielleicht schon eine Idee, wie sie das forcieren könnten?“ Coachee: „Ich kann versuchen, die Anweisung so klar zu bringen, dass sich alle auskennen.“ (Jetzt ist das (Teil-)Ziel positiv und unter durch eigenes Tun erreichbar). Das nachfolgende Gespräch kann klären, was „klare Anweisungen“ sind, und ergründen, weshalb es dem Coachee vermutet schwerfällt, klare Anweisungen zu geben.
Daraus können die weiteren Kriterien erarbeitet werden (vgl. SMART-Arbeitsblatt, im Anhang, Abb. A.4). Doch die alleinige kognitive Bearbeitung eines (komplexen) Ziels kann die Annahme inkongruenter Bewertungsbedingungen stärken: kognitiv geplante Ziele sind häufig Ziele die dem Idealselbst gerecht werden sollen. Dann handeln Coachees danach, was ihnen ihr Selbstkonzept „sagt“ – was nicht damit übereinstimmen muss, was die Aktualisierungstendenz anstrebt – die die eigentliche Motiv-Quelle ist. Der Gefahr einer hinderlichen Spur zu folgen kann der Coach entgehen, indem er immer wieder auf das Hier-und-Jetzt konzentrierte, reflexive Schleifen im Prozess ermöglicht und damit eine Selbstexploration des Coachees unterstützt und aufmerksam ist, wohin die kongruente Motivation führt. 4.3.2 Im Prozess
Im weiteren Verlauf, der „Arbeitsphase“, wird der Coachee darin unterstützt, neue Lösungsmöglichkeiten und Ideen zur Umsetzung zu planen. 5 Dazu werden im Hier-und-Jetzt und im Prozess positive Impulse aufgegriffen und negative zugelassen, wenn diese „Raum“ brauchen.
4.3 · Der Coachingprozess
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5 In Wechselbeziehung damit steht damit die Problembewältigung: Der Coachee erlebt, wie er seine Anliegen bisher angegangen ist und dass er sein Thema nun – unter der Aktivierung seiner Ressourcen und der erweiterten Kenntnis seiner Motive – konstruktiv lösen kann. 5 Aus dem damit verbundenen Selbstverständnis und der Selbsterkenntnis können Situationen kongruenter und bewusster bewältigen werden – das schließt verbesserte Handlungskompetenz mit ein. Das Coaching wird zunehmend als geschützter Raum wahrgenommen. So können die dem Coachee zur Wahl stehenden Möglichkeiten bearbeitet werden. Der Kern der Arbeitsphase integriert die nachfolgenden Aspekte: 5 Konkretisierung des Themas: Im Gespräch oder auch unter dem wohldosierten einfließen lassen von integrativen Techniken (7 Abschn. 4.3.5 und 7 Kap. 5 ff.), werden Beispiele aus dem Tätigkeitfeld bearbeitet: wie erlebt sich die Person in dieser Situation? 5 Das Hier-und-Jetzt: Wie ist das unmittelbare Erleben des Coachees? Welche Gefühle werden ihr gewahr? Stimmen Denk- und Handlungsmuster mit den Emotionen überein? Können diese schon ins Selbstkonzept integriert werden? 5 Das Da-und-Dort: Welche Möglichkeiten können entworfen werden, das Neue im Arbeitskontext anzuwenden? Oder sollte ein Gefühl, ein neuer Zusammenhang, eine Ahnung, erstmal nur beobachtet werden. Auch das ist übrigens eine „Aufgabe“. 5 Der Prozess: Während das Hier-und-Jetzt ein statischer Moment ist, ist der Prozess der Verlauf: Wohin entwickelt sich der Coachee in diesem? Und wie kann das, was im Hier-und-Jetzt erkannt wurde, im Prozess aufgegriffen werden? 5 Wahl der Technik: Welche Art der Technik könnte zur Bearbeitung des Themas, mit dieser Person, hilfreich sein (7 Abschn. 5.3)? Eine „Manöverkritik“ nach vier-fünf Treffen hilft den Status Quo zu klären. Dazwischen sind die Erforschung und Erprobung der Weg zum Ziel. Vielleicht mit Techniken, aber immer in Beziehung. 4.3.3 Abschlüsse gestalten
Wenn Ziele zu Beginn definiert werden, sollen/müssen, ist es natürlich auch schlüssig (und relevant für den Kontrakt), diese nicht nur im Prozess sondern auch zum Abschluss zu überprüft sowie Schritte, als „Transferangebot“, daraus zu entwickeln. Die finale Frage ist daher, wie sich die bisherigen Arbeitsergebnisse in den Umsetzungsprozess integrieren lassen. Über diese Fragen wird die Selbstwirksamkeit gefördert und die positiven Aspekte in das Verhalten integriert werden. Handlungsleitende Fragen zur Unterstützung des Transfers können z. B. sein: 5 Wenn Sie auf unser Coaching zurückschauen: was war für Sie nützlich? Was eher schwierig? 5 Wie möchten Sie die Umsetzung Ihres Vorhabens sichern? Welche konkreten weiteren Schritte wollen Sie gehen? 5 Welche Hindernisse erwarten Sie? Wie wollen Sie damit umgehen? Wer könnte Sie dabei unterstützen?
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Doch bleiben diese Umsetzungschritte hypothetisch. In welchem Ausmaß diese, als positives Ergebnis vom Coachee wahr- und angenommen werden konnten, zeigt sich bereits im Prozess und unterliegt nun seiner Entwicklungswilligkeit und Entwicklungsfähigkeit, seiner Introspektionsfähigkeit, die weitere Handlungen leitet. Im besten Fall hat sich der Coachee als „Technik“ vor allem diese mitgenommen: das Hier-und-Jetzt zu nutzen, kurz stehen zu bleiben und seine Kongruenz zu überprüfen. So bleiben Lösungen nachhaltig. Evtl. genutzte Feedbackbögen, die am Ende von Coachee ausgefüllt werden, sollten dahingehen überprüft werden, auf welches Ziel dieses Feedback abzielen: Will der Coach, oder die auftraggebende Organisation, damit eine Rückmeldung „wie gut er als Coach und das Coaching angekommen“ ist? Oder wird damit wirklich nach dem (veränderten) Empfinden und dem flexibleren Interaktionsrepertoire des Coachees gefragt? Eine Möglichkeit diese Perspektive zu evaluieren, ist der Bielefelder Klienterfahrungsbogen (BIKEB; Höger und Eckert 2000), der im Verlauf stetig eingesetzt werden kann. Dieser, ursprünglich für die Psychotherapie entwickelte Fragebogen, kann auch im personzentriert-integrativen Coaching ein Evaluationsinstrument sein, da er mit sechs Aspekten das Erleben von Klienten/Coachees in einer (Coaching-) Stunde erfasst: 1. Zurechtkommen mit dem Coach, 2. Zurechtkommen mit sich selbst in der Coachingstunde, 3. Veränderungserleben, 4. erleben persönlicher Sicherheit und Zuversicht, 5. erlebte Beruhigung und 6. erleben körperlicher Entspannung vs. Erschöpfung. In der Abschlussevaluation können somit die Korrelationen, von Prozessverlauf und dem Hier-und-Jetzt des Erlebens des Coachees, eingeschätzt werden. Hier beginnt und schließt sich der Kreis des Qualitätsanspruches im Coaching: Es ist die Frage nach dem kongruenten Ergebnis des Coachees, das letztlich das Entscheidende ist. Denn dies trägt den langfristigen Erfolg jeder Umsetzung. 4.3.4 Der Coachingkreislauf
Eine Coachingstunde dauert in der Regel 60 bis 120 min, je nach Auftrag und Rahmenbedingungen. Innerhalb dieser Zeit gibt es eine ähnliche Struktur, wie im gesamten Coachingprozess: Es gibt einen Anfang, eine Themenklärung, eine Arbeitsphase, einen Abschluss und die Verabschiedung. Die Todo’s dazu wurden in den vorherigen Abschnitten aufgeführt. Nun steht eine einzelne Coachingstunde mit ihrem Kreislauf unter der Lupe: Was sollte hier übergreifend beachtet werden, um einen konstruktiven Prozess zu unterstützen? Einen Überblick darüber gibt die Grafik „Coachingkreislauf “ (. Abb. 4.2 und im Anhang, Abb. A.13). Die Verlaufsfragen im Rahmen der Stunde sind somit auch übergreifend: Was passiert jetzt gerade, im Hier-und-Jetzt? Welche Relevanz hat das Hier-und-Jetzt für das Da-und-Dort der eingebrachten (Arbeits-)Situation: welche (Beziehungs-)Muster
4.3 · Der Coachingprozess
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. Abb. 4.2 Der Coachingkreislauf
werden in der aktuellen Gegenwart deutlich und sind auch im Arbeitskontext von Bedeutung. Wie beschrieben, steht am Beginn im Personzentriert-integrativen Coaching immer die Frage nach dem aktuellen Thema des Coachees: „Was ist Ihnen heute wichtig?“, „Wo möchten Sie heute weitermachen?“. Oder auch, etwas direktiver auf einen Zusammenhang hin steuernd: „Beim letzten Mal erschien Ihnen der XY Aspekt wichtig…“. In derart sollte das Thema nicht nur am Anfang der Stunde geklärt werden, sondern auch im Verlauf des Coachings immer wieder überprüft werden: Ist das benannte Thema auch noch mit dem benannten Ziel des Coachees zusammenhängend? Oder sind andere Themen und Ziele unausgesprochen vorhanden und beeinflussen unmerklich den Prozess? Im Verlauf einer Coachingstunde gibt es daher zwei „Schaltstellen“ (vgl. in der Grafik „Büroklammern“): diese liegen nach der Begrüßung, dem Einstieg ins aktuelle Thema und der Verabschiedung mit ihren ggf. Vereinbarungen für die Zeit zwischen den Treffen. Und zwischen diesen Schaltstellen sollte im Verlauf immer wieder überprüft werden: 5 Gibt es noch eine Übereinstimmung zwischen Anlass, Auftrag, Thema und Ziel? 5 Oder dreht sich der das Thema im Kreis und der Prozess stockt? 5 Was müsste nochmal genauer beachtet werden? Was nochmal thematisiert werden? Das Ziel, das Thema, die Beziehung?
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Und grundsätzlich kann ggf. thematisiert werden: Erlebt der Coachee das Coaching bisher hilfreich? Wie erlebt sich der Coachee im Coaching? > Trotz aller Prozessstrukturierung kann es sein, dass sich eine Coachingstunde
„dreht“: dass das Gefühl aufkommt, dass der Prozess stockt. Dann hilft es, aus dem Inhalt (und der Technik) herauszutreten und sich wieder auf die zwei Grundlagen zu konzentrieren: 1) auf das Hier-und-Jetzt und 2) was im Prozess, im Verlauf, geschieht.
4 4.3.5 Themen, Ziele und Bearbeitungsfelder
Im personzentriert-integrativen Coaching sind die im Kontrakt vereinbarten Ziele eine Leitlinie. Und doch setzt unser Coaching beim Problem an. Das kann zunächst dysfunktional erscheinen, vor allem, weil „Lösungen“ doch gesucht werden und das Problem mit dem Thema, dem Kontrakt, klar scheint? Doch je mehr auf die Lösungen geschaut wird, desto mehr wird das Symptom beseitigt und je weniger an der Ursache angeknüpft – und desto kurzfristiger „halten“ diese Lösungen. Deshalb setzt unsere Unterstützung im Coaching am Inkongruenzgefühl (7 Abschn. 2.4.2) an. Und deshalb liegt der Fokus zu Beginn auch nicht darauf, was anders gemacht werden kann, was es zu tun gibt, sondern darauf, was die Unstimmigkeit ausmacht (soweit das in einem Coachingformat relevant und möglich ist): Was macht das Unwohlsein (einen Ärger, eine Ohnmacht, eine Nervosität…) wirklich aus? Warum fällt es dem Coachee – trotz Leidensdruck – so schwer, bestimmte Dinge umzusetzen? Auch solche, für die er schon „bessere“ Handlungspläne hat und Techniken kennt? Das Ziel zur Zielerreichung ist also zunächst, das Problem zu präzisieren. Ohne Defizitgedanken zu schüren und eine „Problemschwere“ zu manifestieren, sondern das „Problem“ als Teil der Person, zur Person zugehörig, zu akzeptieren: Es gibt Gründe, warum die Person aktuell so und nicht anders handeln kann. > Probleme sind immer die „besten Lösungen“ einer Person – diese gilt es zu
verstehen und zu wertschätzen!
Jedes Coaching hat somit eine kleine oder größere, kurze oder lange, Krise zur Vorgeschichte: belastende, äußere Ereignisse, die ein bestimmtes inneres Erleben forcieren, werden von der Person bewusst wahrgenommen; gleichzeitig greifen die eigenen Fähigkeiten, die zur Verfügung stehenden und langjährig erprobten Verhaltensweisen nicht mehr, oder sind für die Zielerreichung unzureichend (vgl. Sonnek 2000). Die innere Spannung, die mit einer Krise einhergeht, hat dann verschiedene Themen zur Basis, die im Coaching Gegenstand sein können: 5 Neue Aufgaben und Führungskompetenzen 5 Konfliktbewältigung 5 Stressbearbeitung und Work-Life-Balance 5 Zukunfts- und Karrieregestaltung 5 Persönliche Entwicklung 5 Alltägliche Arbeits- und Problemsituationen 5 Organisationsentwicklung
4.3 · Der Coachingprozess
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Diese Themen lassen sich noch alle differenzieren und können mit diversen Coachingtechniken bearbeitet werden – doch bleibt in unserem Coaching die Grundlage immer der Kontakt und das Gespräch. Dazu wurden die Relevanz möglicher Interventionsmöglichkeiten der Personzentrierten Gesprächsführung in 7 Kap. 2 f. und 7 Abschn. 2.6.3 vorgestellt. Wenn diese Basis geben ist, kann auch die Vermittlung von coachingrelevanten Informationen sinnvoll werden (Edukation). Denn ebenso wie das Wissen um psycho-soziale Zusammenhänge für einen Coach zur Fachkompetenz dazugehört, sollte er über einen sachorientierten, coachingthemenrelevanten Wissensfundus verfügen. Information, Edukation und Direktivität Die Beratung und Vermittlung von spezifischem Hintergrundwissen, zu einem persönlich relevanten Thema, nennen wir Edukation (vgl. 7 Abschn. 3.5). Das Ziel der Edukation im Coaching ist es, die Selbstbefähigung der Person, über die Information von Sachzusammenhängen, zu unterstützen. So können themenrelevante Modelle und theoretische Konzepte als Hintergrundwissen vermittelt werden, die zum Verstehen beitragen können. In bestimmten Themenfeldern kann eine wohldosierte Vermittlung von Sachverhalten wertvoll und zweckmäßig sein. Einige dieser Themenfelder sind oben aufgeführt. Unabhängig davon kann diese Informationsvermittlung relevant werden, wenn deutlich wird, dass der Coachee Maßnahmen ergreifen würde oder ein Verhalten zeigt, dass für ihn schädlich wäre oder schon ist; wenn „Gefahr im Verzug“ ist, wie bei selbst- oder fremdschädigendem Verhalten. Dann bekommt auch direktives Vorgehen seine Legitimation: zum Schutz des Coachees kann es dann notwendig sein, ihn auf bestimmte Zusammenhänge (deutlich) hinzuweisen und konkrete Handlungsoptionen zu benennen. In dieser Schnittmenge von Beratung und Coaching, kann der Coach sein Wissen punktuell, individuell und spezifisch, an der Person des Coachees orientiert, weitergeben. Hierbei soll an dem bereits vorhandene Wissen des Coachees angesetzt werden: 5 Was wissen Sie über … SoftSkills, Mitarbeiterführung, Stressmanagement, …? 5 Was haben Sie bisher davon schon angewendet? 5 Womit haben Sie sich wohl gefühlt, womit nicht? Erst dann können ggf. weitere Sachinformationen vermittelt werden. Dabei soll das konkrete Thema des Coachees Ansatz sein, sein Problem und nicht in eloquente Sachreferate abgedriftet werden. Auf dieser Grundlage können dann spezifische Modelle, und Zusammenhänge erklärt, oder weiterführende Informationen gegeben werden. Die Sicht des Coachees auf sein Problemthema bleibt dabei im Blick (7 Abschn. 2.6.2).
Innerhalb der o.g. Themen können in diesem Sinne Informationen, bei Bedarf, vermittelt werden. Diese können die Sicht auf Zusammenhänge zwischen den Ereignissen und dem eigenen Verhalten erweitern. Der Blick auf den Coachee darf dabei nicht verloren gehen:
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Kapitel 4 · Coaching – ein spezielles Format
5 Benötigt dieser das Hintergrundwissen gerade, ist es hilfreich für ihn? 5 Welche Modelle oder Konzepte könnten für den Coachee unterstützend sein? 5 Oder sollte es dabei bleiben, dass nur der Coach um bestimmte Zusammenhänge weiß und erweiternde Fragen stellen kann?
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Im Nachfolgenden sind ausgewählte unterstützende Aspekte aus den Feldern aufgeführt, die keine Vollständigkeit beanspruchen; die Themen sind häufig eng miteinander verzahnt: SoftSkills, soziale Konflikte, neue Rolle und Führungskompetenzen, Stressbewältigung und Work-life-balance, Organisationsentwicklung. z SoftSkills
Bei der Bewältigung von allen Aufgaben und Führungsaufgaben bekommen SoftSkills Priorität. Es sind „weiche“ Faktoren, fachübergreifende Kompetenzen. Sie stehen in engem Zusammenhang mit HardSkills, den Fachkompetenzen, da SoftSkills zur Ausführung der Fachkompetenzen die Grundlage darstellen. SoftSkills werden i. d. R. in drei Kategorien eingeteilt: in Selbstkompetenzen, Sozialkompetenzen, Methodenkompetenzen. Sie haben berufsübergreifende Gültigkeit. Dazu gehören zum Beispiel: 5 Persönliche Kompetenzen, wie z. B.: Leistungsbereitschaft, Zielstrebigkeit, Organisationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Belastbarkeit, konzeptionelles Denken, Entscheidungsstärke. 5 Sozialkompetenzen, wie z. B.: Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Delegationsfähigkeit, Empathie, Kooperationsfähigkeit. 5 Methodenkompetenzen sind z. B.: effiziente Arbeitsorganisation, Lern- und Arbeitstechniken, Zeitmanagementtechniken, spezifische Gesprächstechniken: Fragetechniken, Gesprächsführung, Präsentationstechnik. Aber auch Grenzen setzten können, Netzwerke ausbauen. Deutlich wird bei dieser Aufzählung, dass viele der Kompetenzen in der Person miteinander verbunden sein müssen. So lassen sich zwar Zeitmanagementtechniken in verschiedener Form vermitteln, doch gehört dazu z. B. auch die Organisationsfähigkeit, das Verantwortungsbewusstsein, die Delegationsfähigkeit. Im Personzentriert-integrativen Coaching werden daher die Schnittstellen zwischen den, für den Coachee relevanten SoftSkills und der Schwierigkeit der Umsetzung gesucht, z. B.: Wieso können bestimmte Techniken nicht umgesetzt werden? Oder wieso fällt es dem Coachee so schwer, trotz immer wieder auftretender Schwierigkeiten mit der Aufgabenverteilung, klare Anweisungen zu geben und zu delegieren? Unser Coaching ist, trotz aller Zielerreichungsprämisse, keine Auftragsausführung in dem Sinne, den Mitarbeiter „fit“ zu machen, ihn für etwas zu optimieren – sondern ihn dabei zu unterstützen sich mit seinen Fähigkeiten zu „aktualisieren“. Die Absicht der Thematisierung der SoftSkills ist es, den (gefühlten) Status Quo zu ergründen, um die eigene Entwicklungsrichtung zu bestimmen. Kurz: Das Ziel ist nicht die „Selbst-Optimierung“, sondern die „Selbstaktualisierung“ (vgl. 7 Kap. 5). So ist Klärung der SoftSkills die Findung der Ressourcen durch ein Wechselspiel zwischen inneren und äußeren Impulsen. Die äußeren Impulse können auch durch kleinere oder größere Tests gegeben werden (meist ahnt der Coachee das Ergebnis, das bietet dann Gesprächsmaterial), oder durch den Abgleich von ausgeführten Aufgaben
4.3 · Der Coachingprozess
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und Kompetenzen. Die, eigenen, die inneren Impulse sind dabei die, die die äußeren „geraderücken“ sollten: 5 Wie leicht/schwer fällt mir das wirklich? 5 Fühle ich mich mit der Aufgabe wohl/unwohl? Aus welchen Gründen? 5 Liegen diese Gründe in der Aufgabe, im Umfeld, oder in der eigenen Person? Diese Fragen ordnen die Aussagen in das eigene Weltsystem ein; entscheiden darüber, was sich “richtig” anfühlt. Das gibt dem Coachee Hinweise auf seinen „inneren Bezugsrahmen“, der mit der Passung von äußeren Erfordernissen abgeglichen werden kann und so zu einem kongruenten Sein beiträgt. Zu jedem Thema der o.g. Kategorien gibt es viele einzelne Themenbücher. Hier eine Empfehlung zu einer übergreifenden Forschungsarbeit zu SoftSkills von Moser, M. (2018): Bedeutung von Soft Skills in einer sich wandelnden Unternehmenswelt. Und für Multiplikatoren aus dem Bildungsbereich: North, K., et al. (2018): Kompetenzmanagement in der Praxis. Mitarbeiterkompetenzen systematisch identifizieren, nutzen und entwickeln.
z Soziale Konflikte
Konflikte mit anderen Menschen sind immer ein subjektives Erleben. Dabei verfolgt jede Partei eigene Ziele und Interessen und alle Parteien sind in irgendeiner Weise voneinander abhängig. Konfliktpotential besteht daher dann, wenn davon ausgegangen wird, dass ein Handlungsspielraum für Entscheidungen besteht, dass gedacht wird: Der könnte auch anders reagieren, mir zugewandter, kooperativer…. Die Folge ist, dass sich, mit zunehmendem Konfliktpotential (vgl. Konfliktstufen nach Glasl, F. 2010), Emotionen aufstauen und so das kontrollierte, zielgerichtete Handeln beeinträchtigt wird. Es besteht eine Situation der Bedrohung. In dieser Stimmungslage wird das Thema „Konflikte“ in das Coaching hineingetragen: Die (Selbst-)Aktualisierung befindet sich in einer Notlage (vgl. 7 Abschn. 2.3.2). Das Konzept über das eigene Handeln können und das, was die Situation „verlangt“ („Ich müsste eigentlich…“), passen nicht zusammen. Und abhängig davon, wie bedrohlich die aktuelle Situation vom Selbst dann eingeschätzt wird, geht „Es“ mehr oder weniger stark in eine Schutzhaltung. Dies ist ein Verhaltensautomatismus und ein wichtiger Teil des tief verankerten Erfahrungswissens, wie „man sich in zwischenmenschlich bedrohlichen Situationen rettet“. Diese Schutzreaktion ist zum größten Teil der kognitiven Kontrolle entzogen, da das emotionale Bewertungssystem reagiert; dies kann sich in drei genuin menschlichen Möglichkeiten zeigen (z. B. Hüther, Roth 2003), um die „Gefahr“ abzuwenden. Hintergrundinformation Hier aufgeführt sind die natürlichen „reinen“ Konfliktroutinen mit ihren ausgeprägten Reaktionsweisen: 5 Kämpfen: Die Person verhält sich kämpferisch und herausfordernd, übt Druck aus, verschafft sich gegenüber anderen oft Vorteilen. Mit ausgeprägten „Kampftypen“ ist „schlecht Kirschen zu essen“, sie wirken auch im Coaching streitsüchtig, sind eher laut und heftig; zeigen übersteigertes Selbstbewusstsein, debattieren gerne und stellen sich gerne als Hauptdarsteller in ihrem sozialen Umfeld eloquent dar. 5 Flucht ergreifen: Die Person umgeht eher Auseinandersetzungen, hält sich gerne heraus, distanziert sich. Ausgeprägte Fluchttypen sind schlecht „greifbar“, sie entziehen sich im Coaching eher, sind „schnell weg“: sie vermeiden Auseinandersetzungen (auch mit sich selbst)
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Kapitel 4 · Coaching – ein spezielles Format
durch verbalen („alles nicht so schlimm“, „das mach mir nichts“, u.ä.) oder durch körperlichen Entzug (weg gehen, nicht kommen, betäubende Mittel: Medikamente, Alkohol etc.) 5 in Starre verfallen/Rückzug: Die Person sieht oft „darüber hinweg“, verharmlost, beschwichtigt, „kommt einfach nicht weiter“, aber ist ja nicht so schlimm. Es sind Menschen, die kritische Situationen verleugnen und gerne für Harmonie und Ausgleich im Team sorgen. Im Coaching werden Diese vielleicht als wenig handlungsfähig scheinen: sie ergeben sich ihrem vermeintlichen Schicksal und erdulden die Situation.
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Unterstützend für die Konfliktklärung kann es somit auch sein, herauszufinden, welche Präferenzen der Coachee hat und welche impliziten Annahmen/Befürchtungen es gibt, die die Schutzmechanismen hochfahren lassen – und ob diese Befürchtungen in den spezifischen (Arbeits-)Situationen noch realistisch sind. Dann erst können alternative Handlungsmöglichkeiten individuell stimmig gedacht und umgesetzt werden. Denn besonders für die Bearbeitung des Konfliktthemas gilt: das Selbst muss die Situation erst als weitgehend angstfrei bewerten, damit die Person in einen konstruktiven Verhandlungsmodus gehen kann. Daher scheitern viele Konfliktmanagementtechniken in ihrer Umsetzung: die Lösung ist mit dem Empfinden nicht kompatibel. Denn der Coachee kann in der benannten Situation erst dann kooperieren, ausgleichen und eigene, nützliche, produktive Lösungen finden, wenn er der Sache, den Menschen und sich selbst gerecht werden kann. Dann kann die Person konstruktiv Vorschläge machen, ohne ggf. darauf zu insistieren, ihre Meinung sachlich klar vertreten und gleichzeitig die Meinung der anderen wertschätzen und wohlwollend-kritisch anhören. Coachees, die das Thema Konflikte einbringen, benennen häufig viele Aspekte und Kleinigkeiten die zu einem Konflikt beigetragen haben, häufig mit unterschiedlichen Menschen, häufig in unterschiedlichen Kontexten. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass häufig auftretende Konfliktsituationen immer ihre Ursache auf der Beziehungsebene haben (7 Abschn. 5.3.4). Solange ein Konflikt noch auf der Sachebene (Aufgaben, Inhalte, To-Do’s, etc.) bearbeitet werden kann, ist der Konflikt noch aus eigener Kraft selbst zu klären; je mehr die Beziehungsebene der „Gegenstand“ wird(die Verhärtung der zwischenmenschlichen Ebene), desto schwieriger wird eine Klärung zwischen den beteiligten Personen selbst. Dann sollte eine dritte Person hinzugezogen werden. Wie ist es in der aktuellen Coachingsituation, wie trägt der Coachee hier „gefühlte“ Meinungsverschiedenheiten aus, wie empfindsam ist er? Diese Erkenntnis kann zur Klärung beitragen, welcher übergreifende Konfliktbereich für den Coachee relevant sein könnte: Kann er klar und deutlich in der Sache sein, ohne den Einfluss der Beziehungsebene über zu bewerten? Kann er auf seine Emotionen achten und diese konstruktiv und klärend nutzen oder fühlt er sich schnell angegriffen, benachteiligt, nicht verstanden? Zum Thema „Soziale Konflikte“ sollten die Bücher von Friedrich Glasl zur Grundausstattung gehören, wie z. B.: Glasl, F. (2010): Konfliktmanagement. Mit vielen Beispielen auch: Jiranek, H. und Edmüller, A. (2017): Konfliktmanagement.
z Neue Rolle & Führungskompetenzen
Ein Coachee kommt mit einem klassischen Coachingthema: er möchte oder soll seinen Führungsstil „verbessern“. Die Bearbeitung dieser Themen ist im Wesentlichen eine Schnittmenge aus allen hier besprochenen Themen (SoftSkills, Stressbearbeitung, Selbstmanagement, Organisationsentwicklung). Die zunächst gestellte Leitfrage
4.3 · Der Coachingprozess
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zu diesem Thema, ist in unserem Coaching, wie die Einstellung des Coachees dazu ist: Was heißt für ihn gute Führung? Wo sieht er seine Stärken, was möchte er ausbauen. Und auch: Was erwartet die Organisation, was erwarten die Mitarbeitenden und andere Führungskräfte von ihm? Warum macht er die Dinge so, wie er sie macht? Dabei hilft das Wissen rund um die Führungsaufgaben, die Anforderungen bewusst zu machen. Welche Anforderungen kennt er? Hier kann ein Abgleich Orientierung schaffen und als Grundlage genommen werden, wie der Coachee sich mit seinen Stärken und Schwächen einordnen würde. Zu den wichtigsten, übergreifenden Führungsaufgaben gehören: 5 Selbstmanagement und -organisation 5 Entscheidungen treffen 5 Mitarbeiter führen und motivieren 5 Mitarbeiter fördern und entwickeln 5 Arbeitsabläufe planen Diese Aufgaben beinhalten ein Ineinandergreifen von persönlichen, sozialen, methodischen Kompetenzen. So braucht Führungswissen auch Kenntnisse über Kommunikation und Psychologie, Organisationskultur, Selbstkenntnis der eigenen Person, Steuerung lebender Systeme und – je nach Hierarchieebene mehr oder weniger – Fachwissen über spezifische Arbeitsbereiche. Die Anforderungen, die die Führungsaufgaben mit sich bringen, machen jedoch häufig auch jenes Unwohlsein aus, das im Verlauf ein Thema im Coaching wird: die Summe der Erwartungen, die das Arbeitssystem an die Führungskraft richtet und diejenigen Erwartungen, die die Führungskraft selbst an sich richtet. So kommen zu den Führungsaufgaben typische Führungs-Rollenerwartungen hinzu, die meinst nicht offen kommuniziert werden, aber als Erwartungen wirken und Druck ausüben können. So kann die Rolle der Führungskraft verschiedene Rollenanteile beinhalten: Friedensrichter, Motivator, Versorger, Talentscout, Anführer, …. Doch können sich die Rollenerwartungen im Laufe der Zeit verändern und sind somit auch von den äußeren Faktoren abhängig. Rollenklarheit ist daher ein kontinuierlicher Prozess des Aushandelns und Klärens und des Nachspürens: Wie kongruent passen die Anteile noch zu mir? Was möchte ich erfüllen, was nicht? Denn: die jeweils situativ passende Rolle einzunehmen und durchzuhalten erfordert Klarheit über Aufgaben und über die inneren Möglichkeiten sowie hohe Aufmerksamkeit in Bezug auf die Umwelt, deren Anforderungen sich plötzlich oder kaum wahrnehmbar verändern können. Auch hier ist das Ziel ein authentisches Führen können zu ermöglichen. Zur Klärung können die Arbeitsblätter im Anhang beitragen: „Rollenanteile“ und „Rollenerwartungen“, „SWOT-Analyse“ (im Anhang, Abb. A.5, A.6 und A.11) Drucker, P.F. (1998): Die Praxis des Managements; Grün, A. (1998): Menschen führen – Leben wecken; oder eine klassische Grundlagenliteratur: Taylor, F.W. (1911): Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung.
z Stressbewältigung & Work-life-balance
Wenn eine Person ihr Stress- und Belastungsempfinden als Thema einbringt, muss am Anfang die Einschätzung des Grades der Belastung stehen: der objektiven
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Kapitel 4 · Coaching – ein spezielles Format
körperlichen Symptome und des subjektiven Belastungsempfindens. Relevant ist auch hier, wie der Coachee die Beanspruchungen der Arbeit (häufig zusammen mit anderen Lebensbereichen) als belastend einstuft – und nicht zu klären ob sie es „wirklich“ ist. Hintergrundinformation
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Arbeitsrelevante Anzeichen für ein (starkes) Belastungsempfinden sind z. B.: 1. Auffällige Leistungseinbußen: extrem verlangsamtes Arbeiten oder auffällige Kontrolle der eigenen Arbeit. 2. Hohe Ausfallzeiten: häufige Fehltage, wiederholtes Zuspätkommen. 3. Verändertes Sozialverhalten: sozialer Rückzug, übermäßige Gereiztheit, empfindliche Reaktion auf Kritik, Ungeduld, ständiges Klagen. Es sind Symptome, die die Ursache in einem unproduktiven Zusammenspiel von inneren und äußeren Faktoren haben. In unserem Coaching steht daher zunächst die Klärung an, ob Coaching noch indiziert ist, oder ob der Hausarzt konsultiert werden muss. Die Frage danach ist obligatorisch, wenn anhaltende (Durch-)Schlafstörungen oder andere, für den Coachee körperlich-, geistig-, seelisch-, verhaltensuntypische, Symptome geschildert werden.
Doch wie hoch der Belastungsgrad auch ist: Jede Art der Erweiterung von konstruktivem Stressmanagement zieht eine Änderung von bisher schädigendem Verhalten mit sich. Und das ist die schon beschriebene Schwierigkeit: Verhaltensroutinen entziehen sich zum großen Teil dem Bewusstsein. Daher müsste der Person zunächst deutlich sein, welche Verhaltensweisen selbstschädigend sind – was sie meist benennen kann, jedoch per definitionem – nur die bewussten Anteile. Um dem dahinterliegenden, stresserzeugenden Mustern auf die Spur zu kommen, können mit den beschrieben Gesprächsführungstechniken (7 Abschn. 2.6.3 und 7 Kap. 3 f.), mit dem Coachee Situationen betrachtet werden und so Zusammenhänge herausgefunden werden, zwischen Verhalten, Absicht und den dahinter liegenden Bedürfnissen und Emotionen (vgl. 7 Abschn. 2.4.2). Das Thema der Work-life-balance sollte sich von dem Thema der Stressbewältigung in derart unterscheiden, dass keine oder kaum welche der oben aufgeführten Symptome vorliegen. Sondern die Themen sind eher die Klärung der verschiedenen Lebens- und Arbeitsziele, die im Coaching herausgefunden werden können: Welche Wünsche/Ziele gibt es in den verschiedenen Lebensbereichen? Sind diese miteinander kompatibel? Was hat Priorität? Aus welcher Sicht? Usw.. Und häufig beinhaltet Work-life-balance ein Thema, das übergreifend ist: die aktuelle oder lang andauernde Unzufriedenheit mit der Lebenssituation: eine, sich latent bemerkbar machende Inkongruenz (vgl. 7 Abschn. 2.4.2), der sinnvoller zuerst nachgegangen werden kann, als schmückende Ziele zu finden. Aufgabe des Coachings ist somit zunächst die Klärung der Frage, wie groß das Belastungsempfinden ist und ob die Bearbeitung noch in den Bereich des Coachings fällt. Oder ob es „nur“ um die Klärung von Lebenszielen geht, die vielleicht nicht mehr stimmig sind, oder Entscheidungen gefällt werden müssten, welche Wünsche Priorität haben sollten. Bei diesen und ähnlichen Themen können alle humanistischen Methoden Unterstützung bieten (7 Abschn. 5.3.3). Es gibt vielerlei Fort- und Weiterbildungen, gute Literatur und Konzepte zum Thema Stressbewältigung, wie z. B.: Kaluza, G., 2011; Stressbewältigung; Pröll, U. & Freigang-Bauer, I. (Hg.) (2009): Gesünder arbeiten in kleinen Unternehmen; oder vom „Vater der Stressforschung“: Selye, H. (1988): Stress. Bewältigung und Lebensgewinn.
4.3 · Der Coachingprozess
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z Organisationsentwicklung
Immer mehr Coachees müssen Entwicklungsprozesse und Veränderung mitgestalten – gleich welcher Hierarchieebene – und immer häufiger partizipativ und „agil“. Und diese Veränderungsprozesse sind nicht immer beliebt und werden gerade wegen ihrer flexiblen Gestaltung häufig als Belastung wahrgenommen: Mehr Aufgaben bei weniger Abgrenzung des Arbeitsbereiches, Unruhe, Loslassen von Routinen, die die Arbeit leichter machten, bei ggf. weniger Unterstützung durch weniger Kollegen. Und für diesen Entwicklungsprozess werden nicht nur fachliche Talente gebraucht, sondern vor allem Menschen, die gute Beziehungen zueinander aufbauen und pflegen können – die organisationspsychologische Forschung (z. B. Spieß,E.; Rosenstiel, L.von) dazu ist eindeutig. Diese, sog. relationalen, Ressourcen sind es, die zum Thema Organisationsentwicklung in unserem Coachingkonzept im Fokus stehen. Es sind Themen rund um die Klärung von Wertvorstellungen, persönlichen Strukturen, Veränderungsbereitschaft, oder die Sorge über die Veränderung und gefühlte Belastung; Zulassen und Umgang mit Emotionen, wie Trauer (durch den Verlust von Vertrautem), Angst (vor dem Ungewissen), Wut (z. B. über die gefühlte Machtlosigkeit). Kurz: Die Arbeitsthemen im Coaching sind, wie das Gefühle der Verstehbarkeit, Sinnhaftigkeit sowie die eigenen Handlungsmacht in einer Umbruchsituation gestärkt werden kann und wie Beziehungen unter diesen veränderten Rahmenbedingungen begegnend gestaltet werden können. Hintergrundinformation Organisationsentwicklung ist keine Erfindung der Neuzeit: Seit den siebziger Jahren etablierte sich langsam dieser Ansatz. Durch schneller werdende Veränderungszyklen in der Wirtschaft entstand mehr und mehr die Notwendigkeit, Prozesse zu beschleunigen und effektiver zu gestalten. Der Ansatz der Organisationsentwicklung richtet sich in erster Linie nach innen, auf die Menschen, Prozesse und Strukturen einer Organisation. Die wirtschaftlichen Ziele des Unternehmens sollen mit den sozialen Zielen (Wertschätzung, Entfaltungsmöglichkeiten, Arbeitslebensqualität) in Einklang gebracht werden. Dabei soll die Umsetzung unter größtmöglicher Beteiligung der Mitarbeiter vollzogen werden (Partizipation, agile Arbeitsweisen: z. B. Selbststeuerung und Selbstorganisation). Häufig unter dem Stichwort „Werteorientierte Führung“ verbinden Organisationsentwicklungsprozesse einen längerfristigen, ganzheitlichen Ansatz und die Partizipation aller Betroffenen. Partizipation ist dabei ein mehrstufiger Prozess, der geprägt ist von Veränderungen und getragen ist von fortgesetzter Veränderungsbereitschaft auf allen Ebenen (vgl. Arbeitsblatt im Anhang, Abb. A.7, „Ebenen der Partizipation“): Die zur Verfügung stehenden Informationen sollten von den Betreffenden konstruktiv aufgenommen werden wollen und im besten Fall entsteht durch den stattfindenden Meinungsaustausch ein Verständnis füreinander, indem die Beziehungsgestaltungsqualität sich förderlich auswirkt. In dem daraufhin entstehenden Austauschprozess können wesentliche Aspekte einer Maßnahme abgestimmt und ein Mitspracherecht und im weiteren Verlauf die teilweise Übertragung von Entscheidungskompetenz implementiert werden. In der Umsetzung wird ein Projekt oder eine Maßnahme von den Mitgliedern einer Gruppe selbst initiiert und durchgeführt.
Die damit einhergehenden Fragen der Unterschiedlichkeit von individuellen und organisationsrelevanten Wertvorstellungen, mit ihren Strukturen und emotional geleiteten Normen, Regeln, Einstellungen, kann dann das Thema des Coachees, zum Thema „Veränderungsprozesse“ sein. Die Chance einer partizipativen Mitgestaltung kann nicht oder nur mit Schwierigkeiten angenommen werden. Zur Klärung der inneren Zweifel können dann, je nach Positionsebene des Coachees, z. B. nachfolgende Aspekte betrachtet werden:
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Kapitel 4 · Coaching – ein spezielles Format
5 Wie werden die zur Verfügung stehenden Informationen vom Coachee gewertet? Wie groß ist das Interesse dafür? Wie werden diese wahrgenommen? Als Chance, als Belastung oder sogar als „Zumutung“? 5 Welche Meinung hat sich beim Coachee darüber gebildet? Ist er bereit Neues aufzunehmen und mit Bisherigem wohlwollend-kritisch abzugleichen? 5 Nimmt er sein Mitspracherecht und seine Mit-Entscheidungsmöglichkeit wahr? In welcher Form (vgl. Konfliktpräferenzen)? Was leitet ihn dazu? Ist es für ihn eher ein äußeres Muss oder eine innere Motivation? 5 In welcher Form muss, kann und will er sich aktiv beteiligen? Ist das mit seinen anderen Zielen und seinen zur Verfügung stehen Zeitkontingenten kompatibel (Work-life-balance und Beanspruchung/Belastungsempfinden)? 5 Wie schätzt er die Umsetzungswahrscheinlichkeit ein? Lohnt sich die Energie oder nimmt er das Ziel im Vorfeld als unerreichbar oder unrealistisch umsetzbar wahr? Die Absicht der Bearbeitung des Partizipationsprozesses und des Partizipationsgefühls ist, die Fragen zu klären: Wie sinnvoll werden innere und äußere Vorhaben und Ziele empfunden, wie konsistent und klar werden die Informationen wahrgenommen und wie handhabbar erscheint dem Coachee die Umsetzung für sich? Auf diesem Weg können Übereinstimmungen und Diskrepanzen bewusstwerden, die vielleicht erst durch den Umgestaltungsprozess aufgekommen sind. Erst dann können Diese als Thema im Coaching bearbeitet werden. Der zweite Schritt ist das Erleben in den Arbeitsbeziehungen, bzw. das Erleben von geben und nehmen in den Beziehungen: 5 Welche Arbeitskontakte geben Energie, welche sind eher Energiefresser? 5 Welche Beziehungen fördern welchen Anteil in mir konstruktiv und wodurch kann ich unterstützen? Wie können fruchtbare Beziehungen mit schwierigen Kollegen aufgebaut werden. Die dabei entstehenden zwischenmenschlichen Kooperations- und Koorientierungsabläufe sind der zweite Ansatzpunkt im Coaching, mit dem Organisationsentwicklungsprozesse leichter, von innen heraus, umsetzbar werden können. (Unterstützend kann dazu das Arbeitsblatt sein: Ebenen der Partizipation, im Anhang, Abb. A.7). Hintergrundinformation Zum Thema Organisationsentwicklung und Partizipation sind auch die Arbeiten interessant von Straßburger, G., und Rieger, J. (2014): Partizipation kompakt; Spieß, E. und von Rosenstiel, L. (2010). Organisationspsychologie. Oder auch die Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung der WHO.
4.4 Absichtsvolles Coaching
Immer wieder fragen Auftraggeber nach dem Vorgehen im Coaching. Denn ein Coaching-Konzept stellt die Arbeitsbasis für ein professionelles Coaching dar. Für den Auftraggeber und/oder den Coachee in Spe ist es hilfreich und nützlich zu wissen, auf welcher Basis der Coach arbeitet, um eine erste Auswahl treffen zu können. Gleichermaßen benötigt der Coach für sich selbst Klarheit, was er denn anbieten möchte – welche Intention, welche Absicht er mit seinem Coachingangebot verfolgt – um sein inneres Konzept zu schärfen und um selbstbewusst auftreten zu können.
4.5 · Qualitätskriterien
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> Mit seinem individuellen Coachingkonzept positioniert sich der Coach innerlich
und nach außen, und stellt seine Arbeitsweise und Haltung dar.
Die Grundlage des Konzeptes sollte deshalb 1) eine individuelle Definition des Coachings sein. 2) sollte der Coach auch sein Coaching-Verständnis, 3) das Menschenbild und die Haltung mit der der Coach mit seinen Klienten in Kontakt geht, deutlich machen. 4) Die integrierten Methoden und deren Wirkungszusammenhänge sollten kurz erklärt werden können; sie stellen das theoretische Fundament dar. Daher ist es m. E. von Bedeutung, dass die Weiterbildung zum Coach eine wissenschaftlich begründete Theorie zur Grundlage hat und nicht nur eine Ansammlung von Techniken darstellt. 5) Die Rahmenbedingungen. 6) Das konkrete Coachingangebot ist ein weiterer Baustein des Konzeptes: zu welchen Themen kann der Coach Unterstützung bieten. Coaching sollte ein bewusstes, absichtsvolles Angebot des Coaches sein, es sollte mit seinen Intentionen übereinstimmen, authentisch sein. Der Coach sollte daher eine bestimmte Botschaft vermitteln können. Dazu muss jedoch die eigene Absicht bewusst sein; die Absicht, mit der das sachliche Angebot und die Beziehungsgestaltung durch die Art der Kontaktaufnahme über alle Kommunikationskanäle vermittelt wird: über alle verbalen, nonverbalen und symbolischen Elemente. Je bewusster und klarer ein Angebot ist, desto eher schützt dies vor Irritationen, auf beiden Seiten. Profilklärung der Person: Wie bewusst ist Ihnen die Gestaltung Ihres Coachingangebotes? Wozu laden Sie ein? Welche Botschaften senden Sie, durch Blickkontakt, Mimik, Körpersprache, Händedruck, Kleidung, Stimme. Durch die Einrichtung Ihrer Praxis/Ihres Büros? Welche Intentionen könnten durch Ihre innere Haltung in der Beziehung zum Ausdruck kommen? Wie bewusst ist Ihnen dies und (wie) wird das schon in der ersten Minute deutlich? Welche unsichtbaren Aussagen könnten mitschwingen? Diese Fragen zu klären, ist auch Teil der Selbsterfahrung. Profilklärung des Angebotes: Dazu sollten Fragen beantwortet werden können, wie z. B.: Welche Anliegen können mit Ihrem Coaching bearbeitet werden? Wer gehört zu Ihrer Zielgruppe, wer nicht? Welche Coachees ziehen Sie mit Ihrem Angebot an? Solche, die „Action“ suchen? Solche, für die nur „klare Ergebnisse“ – Zahlen, Daten, Fakten – zählen? Solche, die sich für ihre persönliche Weiterentwicklung und ihr So-Sein interessieren? Vielleicht muss das eine nicht das andere ausschließen – doch: welche Präferenzen hat Ihr Angebot? Welche thematischen Schwerpunkte bieten Sie als Coach? Ein Arbeitsblatt, mit weiteren Fragen zur Profilklärung, finden Sie im Anhang. (Abb. A.8)
4.5 Qualitätskriterien
Wie unter 7 Kap. 4. beschrieben gibt es bislang keine einheitliche Coaching-Definition und „Coach“ ist auch kein geschützter Begriff. Daher ist es für professionell arbeitende Coaches von Bedeutung, gewisse Grundlagen zu erfüllen, um ein seriöses Angebot zu gewährleisten. Schon lange bemühen sich die verschiedenen Fach- und Berufsverbände
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Kapitel 4 · Coaching – ein spezielles Format
um die Sicherung von Qualitätsstandards der Coachingausbildungen und der dort zertifizierten Coaches (z. B. GwG, Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung e. V.; DGSv, Deutsche Gesellschaft für Supervision und Coaching e. V.; DBVC, Deutscher Bundesverband Coaching e. V.; DCV, Deutscher Coaching Verband e. V.; DGSF, Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie; u.v.m.). Die Kriterien zu den Coachingausbildung sind auf den Homepages der o.g. Verbände detailliert ausformuliert. Die von ihnen zertifizierten Weiterbildungen sind – trotz der Unterschiedlichkeit im Menschbild und dementsprechender unterschiedlicher Vorgehen im Coaching – von hoher Qualität. In enger Zusammenarbeit mit der GwG (Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung e. V.) steht die Deutsche Akademie für Coaching und Beratung, die Weiterbildungsheimat für das personzentriert-integrative Vorgehen; so auch für die Weiterbildung zum Personzentriert-integrativen Coach. Das Vorgehen und die Haltung, mit dem dahinterliegenden Menschenbild, sind in diesem Buch vorgestellt.
Doch letztlich führt ja eine einzelne Person – der Coach – das Coaching durch. Als Qualitätsmerkmale für ein Coachingangebot sollte daher deutlich werden, dass ein Coach 5 eine fundierte und anerkannte Coachingweiterbildung von mindestens einem Jahr absolviert hat, die mindestens 160 Zeitstunden umfasste. Warum? Je individueller mit Menschen und deren persönlichen Belangen gearbeitet werden will, desto mehr coachingrelevantes Wissen und Kenntnis der eigenen Person sollte sich entwickelt haben. Dies kann weder mit Fernkursen noch mit „Vier-Wochen-Kompaktausbildungen“ geleistet werden. Der Selbstentwicklungsprozess benötigt Zeit – das ist beim Coachee nicht anders als beim Coach. 5 über eine breite psychologische Wissensbasis verfügt. Warum? Zunächst: Dieses Wissen sollte sich nicht auf psychodiagnostisches Wissen reduzieren. Denn es zeigt sich immer häufiger, dass „Business Coaches“, die aus einer Führungsposition ohne Coachingweiterbildung entstammen, Problemlagen ihrer Coachees viel zu vordergründig oder zu sachorientiert behandeln (Berglas 2003), oder vorwiegend die eigenen Erfahrungen als Maßstab für ihr Coaching nehmen (zu den Gefahren von Projektion, 7 Abschn. 3.6). Die psychologische Basis des Coaches sollte daher eine ganzheitliche sein, damit er den Coachee auch ganzheitlich wahrnehmen kann, um für ihn passende, und damit nachhaltige Lösungen mit ihm, zu finden. 5 über Selbsterfahrung verfügt, die professionell begleitet wurde. Warum? Siehe hierzu 7 Abschn. 2.5. Dazu gehören auch eigene Supervisionen oder Lehrcoachings. Fortlaufende, themenspezifische Fortbildungen sichern ebenfalls die Professionalität. 5 eine klare Position zu seinem Coachingvorgehen formuliert hat (7 Abschn. 4.4). Und daneben gibt es sicher noch viele individuelle und subjektive „Sympathie-Faktoren“, all denen, in der Summe, kein Coach gerecht werden kann. Hier muss die „Chemie“ stimmen. Doch kann im Verlauf des Coaching-Prozesses geprüft werden, wie sich diese Chemie der Beziehung anfühlt: erfährt der Coachee Verständnis und Wertschätzung für seine Person und Situation, wird eine Beziehung auf „Augenhöhe“ geführt und
99 Literatur
verhält sich der Coach neutral? Psychodynamische Wechselwirkungen sind unvermeidbar; es kommt darauf an, wie der Coach damit umgehen kann (7 Abschn. 5.3.4) – als professionelle Kompetenz.
Literatur Behnsen, E., & Bernhardt, A. (1999). Psychotherapeutengesetz: Erläuterte Textausgabe zur Neuordnung der psychotherapeutischen Versorgung. Köln: Bundesanzeiger. Berglas, S. (2003). Führungskräfte-Coaching: Wenn der Trainer falsche Tipps gibt. Manager magazin Verlagsgesellschaft mbH; Harvard Business Manager, 2003(1), 98–106. Drucker, P. F. (1998). Die Praxis des Managements. The practice of management. New York: Evanston (1954; dt.: Düsseldorf: Econ). Glasl, F. (2010). Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. Bern: Freies Geistesleben, Haupt Verlag. Goffman, E. (1969). Wir alle spielen Theater. München: Piper. Goffman, E. (1977). Rahmenanalyse. Ein Versuch über die Organisation von Alltagserfahrungen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Grün, A. (1998). Menschen führen – Leben wecken. München: dtv Verlagsgesellschaft. Goffman, E. (1980). Interaktionsrituale Über Verhalten in direkter Kommunikation. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Hellwig, C. (2013). Quo Vadis Ego? Die Entwicklung von Identität im Kontext psychosozialer Einzelberatung aus soziologischer Perspektive. Beratung Aktuell. Junfermann: Paderborn. Höger, D., & Eckert, J. (2000). BIKEB – Bielefelder Klienten-Erfahrungsbogen. 7 http://www.dpgg.de/ BIKEB.htm. Zugegriffen: Nov. 2016. Jiranek, H., & Edmüller, A. (2017). Konfliktmanagement: Konflikten vorbeugen, sie erkennen und lösen. Ann Arbor: Haufe Fachbuch. Locke, E. A., & Latham, G. P. (2002). Building a practically useful theory of goal setting and task motivation. American Psychologist, 57(9), 705–717. Moser, M. (2018). Bedeutung von Soft Skills in einer sich wandelnden Unternehmenswelt. Eine Studie zu dem besonderen Stellenwert von Kompetenzen im Personalmanagement. Wiesbaden: Gabler & Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. North, K., Reinhardt, K., & Sieber-Suter, B. (2018). Kompetenzmanagement in der Praxis. Mitarbeiterkompetenzen systematisch identifizieren, nutzen und entwickeln. Mit vielen Praxisbeispielen (3. Aufl.). Heidelberg: Springer. Pröll, U., & Freigang-Bauer, I. (Hrsg.). (2009). Gesünder arbeiten in kleinen Unternehmen: Ein Thema für Kammern und Verbände. Erfahrungen und Anregungen aus dem BMBF-Verbundvorhaben „PräTrans“. Eschborn: Dortmund. Rheinberg, F. (2000). Motivation. Stuttgart: Kohlhammer. Rogers, C. R. (1983). Therapeut und Klient. Grundlagen der Gesprächspsychotherapie. Frankfurt a. M.: Fischer. Roth, G. (2003). Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Selye, H. (1988). Stress. Bewältigung und Lebensgewinn. München: Piper. Sennett, R. (2010). Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin: Berliner Taschenbuch Verlag. Sonnek, G. (2000). In C. Hausmann (Hrsg.), Handbuch der Notfallpsychologie und Traumabewältigung. Wien: Facultas Verlag. Straßburger, G., & Rieger, J. (Hrsg.). (2014). Partizipation kompakt - Für Studium, Lehre und Praxis sozialer Berufe. Weinheim: Beltz. Taylor, F. W. (1911) Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung. The principles of scientific management. London: dt., Paderborn: Salzwasser Verlag, 20. Watzlawick, P., Beavin, J. H., & Jackson, D. D. (2000). Menschliche Kommunikation Formen Störungen Paradoxien. Bern: Huber.
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Personzentriert-Integratives Coaching 5.1 Beziehungsweise Coaching – 102 5.2 Manual – 107 5.3 Integrative Techniken & Perspektiven – 108 5.3.1 Einstellungen und Bewertungen klären – 109 5.3.2 Systemische Zusammenhänge verdeutlichen – 115 5.3.3 Humanistische Methoden – 121 5.3.4 Psychodynamische Perspektivenerweiterung – 129 5.3.5 Wenn der Prozess stockt – 131
Literatur – 136
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Hellwig, Personzentriert-integrative Gesprächsführung im Coaching, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29118-1_5
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
Personzentriert-Integratives Coaching ist eine humanistische, zielorientierte (Personal- und Selbst-)Entwicklungsmethode, die die persönliche und berufsspezifische Weiterentwicklung von Menschen und deren psychische Entlastung zum Ziel hat. Personzentriert-integratives Coaching zielt nicht auf „Selbstoptimierung“ ab – wie kann eine Person besser, fitter gemacht werden – sondern auf „Selbstaktualisierung“: wie kann die Person gleichermaßen sich selbst und den Anforderungen die an sie gestellt werden, an ihren Fähigkeiten orientiert, gerecht werden. Im personzentriert-integrativen Coaching trainieren wir somit nicht, welche Fähigkeiten der Coachee für eine Problemlösung erlernen muss, sondern wir klären zunächst, welche Kräfte in bisher davon abgehalten haben, seine, in ihm vorhandenen Ressourcen zu nutzen. Daher steht zunächst die differenzierte Wahrnehmung des Problems im Vordergrund. Daraus entwickelt sich „selbst-verständlich“ die Idee, wie er seine Möglichkeiten nutzen kann, um sein Thema sinnvoll, sich selbst- und zielgerecht anzugehen. > Das Problem zu erkennen ist wichtiger, als die Lösung zu fnden. Denn die genaue
Darstellung des Problems führt fast automatisch zur richtigen Lösung. (Albert Einstein)
Um das zu klären werden die „drei großen E´s“ mit der Person betrachtet: ihre Erfahrungen und Empfindungen sowie ihr Entwicklungspotenzial. Die „ressourcenaktivierende Beziehungsgestaltung“ ist dabei das maßgebliche Vorgehen in unserem Coaching, die dazu beiträgt, dass im Verlauf des Entwicklungsprozesses das Inkongruenzempfinden (7 Abschn. 2.4.2) für die spezifische Situation (Thema des Coachings) gemindert wird; die Fähigkeit der eigenen Problembewältigung wird somit maßgeblich durch die Art der Beziehung (7 Abschn. 2.4.3) unterstützt (Grawe 2000, S. 541 ff.; Rogers z. B. 2009, 1973, 1983). Das Bewusstwerden von Ressourcen wird im personzentriert-integrativen Coaching auf verschiedenen Ebenen gefördert (7 Abschn. 5.3 ff.). Dazu wird die Verknüpfung eines personzentrierten Beziehungsangebotes und den psychodynamischen Wechselwirkungen (innerpsychischen und äußeren, systemrelevanten) mit spezifischen Methoden und Techniken, als förderliche Faktoren angenommen (vgl. 7 Kap. 3). > Das Wesentliche passiert zwischen den Methoden.
5.1 Beziehungsweise Coaching
Die Priorität einer vertrauensvollen Beziehung und der Relevanz eines personzentrierten Beziehungsangebotes, für ein nachhaltig förderliches Coaching wurde in den bisherigen Kapiteln deutlich gemacht. Und daher ist es eine Aufgabe im Coaching, mit dem Coachee herauszufinden, welche Zusammenhänge es gibt, zwischen 5 seinem Erleben im „Hier-und-Jetzt“, 5 den Beziehungen im Arbeitskontext, („Da-und-Dort“, 7 Abschn. 4.3.2), 5 die im „Programm“ „Beziehungen“ („Damals“, 7 Abschn. 2.3 und 3.3) abgespeichert sind (vgl. Malan 1979).
5.1 · Beziehungsweise Coaching
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Beziehungsmuster sind emotional gebahnte (Denk- und Verhaltens-)Muster darüber, welche Qualität und welche Bedeutungen Beziehungen haben, wie Beziehungen geknüpft werden und wie Beziehungen im weiteren Verlauf gestaltet werden sollten. Im Coaching nimmt der Coachee auf der Grundlage dieses Beziehungswissen, eine neue Beziehung auf: die zum Coach. Und mit den Ausführungen in 7 Abschn. 2.4 ff. wurde deutlich, dass es hier einen wesentlichen Zusammenhang gibt: Je wertschätzend-empathischer der Coach den inneren Bezugsrahmen des Coachees erfassen kann, desto mehr wird sich eine vertrauensvolle Beziehung entwickeln, die ermöglicht, dass der Coachee zu sich selbst mehr Zugang bekommt. Und je genauer der Coach erfassen kann wie sich der Coachee erlebt – und nicht warum er etwas getan hat oder nicht – desto nachhaltiger kann die Sache/der Auftrag bearbeitet werden und der Coachee zu einer kongruenten Lösung kommen. Denn, wie auch oben beschrieben, kann und soll die „Lösung für das Problem“ vom Coachee selbst erkannt und erlebt werden: wenn er seine Gedanken, Gefühle freier äußern kann, dann kann er zu seinen verdeckten Hindernissen und Möglichkeiten – zu seinen Ressourcen und Lösungen – Zugang finden. Daher sind Coachingauftrag/Sache und Person und Beziehung in unserem Coaching untrennbar miteinander verbunden (. Abb. 5.1), sie beeinflussen sich gegenseitig, wie im psychologisch-kommunikativen Eisberg (7 Abschn. 3.6) beschrieben: Die Bearbeitungsebene in unserem Coaching befindet sich somit immer sowohl über, als auch unter der Wasseroberfläche: Die Bearbeitungsebene kann die Sache und die Beziehung sein. Letztere ist als Beziehungsebene tragend, doch häufiger nicht erkennbar und wirkt trotzdem vorrangig. Wie sie wirkt, ist unterschiedlich: Sie kann als „angenehm“, „sympathisch“, „anregend“ oder auch als „unerfreulich“, „unangenehm“ empfunden werden, mit entsprechenden Folgen. Die Wahrnehmung und das Bearbeiten können dieser Wechselwirkung ist wesentlich, um ein konstruktives Coachingangebot machen zu können.
. Abb. 5.1 Coaching zwischen Sache und Beziehung: Der Coaching-Eisberg
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
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. Abb. 5.2 Coaching zwischen Sache und Beziehung: Wechselwirkung zwischen Coach-Coachee
Denn während des ganzen Prozesses gibt es ist ein ständiges Wechselspiel von Kontaktanfrage und Kontaktantwort (. Abb. 5.2). In der Folge ist der Prozess, in den der Coachee eintritt und wie er in diesen eintritt, selbst ein Kriterium, dem größte Bedeutung beigemessen werden sollte. Denn so, wie der Coachee das Coaching, mit all seinen Möglichkeiten für sich nutzt, ist es ein Teil typischer Verhaltensmöglichkeiten (7 Abschn. 4.3 ff.). So ist es auch naheliegend, dass diese Muster im Coaching eine förderliche oder hinderliche Wirkung entfalten können. Sie können die eigentliche Ursache sein, z. B. für Konflikte zwischen dem Coachee und seinen Kollegen oder Mitarbeitern. Auf der Basis dieser Wahrnehmung ist die Bildung von Hypothesen und damit auch vertiefender, entwicklungsunterstützender Interventionen möglich: z Hilfreicher erster Eindruck
Um hilfreich zu sein, kann der Coach schon von Beginn an darauf achten, wie der Coachee die Beziehung gestaltet, wie der Coachee (ersten) Kontakt aufnimmt: Ist er eher ruhig/unruhig, spricht viel/wenig, ausschmückend, sachlich? Fragen, die der Coach sich zu Beginn stellen und in der Reflexion des Kontaktes beantworten sollte, sind daher solche, die den zum größten Teil unbewussten ersten Eindruck bewusster machen. Diese können sich auf unterschiedliche Beobachtungen stützen, wie zum Beispiel: 5 Wann erscheint mir der Coachee authentisch? Wann und weshalb entsteht Irritation? 5 Wie wird der gefühlte Abstand in der Beziehung gestaltet? Wird eher a) „natürliche“ Nähe aufgebaut, oder wirkt der Coachee zu liebenswürdig, entsteht das Gefühl, dass eigene Grenzen überschritten werden? Oder b) entsteht eher das Gefühl einer zu großen Distanz: der Coachee wirkt zu kontrolliert, gradlinig? Wirkt er „eingefroren“ in seinen Bewegungen und zeigt kaum Stimmungen?
5.1 · Beziehungsweise Coaching
105
5 Werden von Beginn an Regeln und Vorgehen ausgiebig thematisiert? Für wen gelten die Regeln? Für den Coachee selbst oder besonders für die Umwelt? Wird z. B. „Ordnung halten“ bei den Kollegen hoch angesetzt, selbst bringt der Coachee jedoch eine „lose Blattsammlung“ mit. Gibt es Kampf um Formalien? Um Vorgehensweisen im Coachingprozess? 5 Wirkt der Coachee theatralisch? Neigt dieser zu übertriebener Emotionalisierung? Ist alles „ganz schlimm“, „wirklich gar nichts geht mehr“? Sind Sprache, Emotion und Körpersprache „zu viel“? 5 Wirkt der Coachee eher bedrückt? Ist kaum Energie zu spüren? 5 … Welche Konsequenz diese Art der Beziehungsaufnahme für die eigene Reaktion und Beziehungsgestaltung haben kann, ist in den 7 Abschn. 2.4.1 und 5.3.5 aufgeführt. Und gerade, weil es um einen eigenen Eindruck geht, ist stetig das subjektive und selektive Empfinden in der Beziehung zu prüfen: 5 Kann ich der Person mit ihrem „So-Sein“ Respekt und Anerkennung entgegenbringen? 5 Gibt es Momente in denen ich Vorbehalte oder Voraussetzungen an eine „gute Beziehung“ mit dem Coachee knüpfe? 5 Gelingt es mir, mich auf das Erleben der Person, auf ihre Wahrnehmungen, Vorstellungen, Emotionen empathisch einzulassen? Es sind Fragen, mit denen der Coach eine der wichtigen Bedingungen überprüfen kann: Kann ich den Coachee, mit seiner Art der Beziehungsgestaltung, eine – ohne an Bedingungen gebundene – Wertschätzung entgegenbringen (vgl. auch 7 Abschn. 5.3.5)? Wenn der erste, subtile Eindruck ein inneres „ohje“ ist, dann kann dieser schon Gefühle wie Ablehnung, Ärger, Resignation u. Ä. auslösen. Mögliche Konsequenzen, schon im ersten Kontakt, können dann der Verlust der Wertschätzung und Empathie sein und damit der Verlust einer personzentrierten Haltung. Diese Mechanismen wirken ab der ersten Begegnung mit dem Coachee, „unter der Wasseroberfläche“. Schon die erste Begegnung kann somit viel dazu beitragen, den Coachee verstehen zu können. z Skala der Selbstexploration
Als Selbstexploration oder als „verbalisiertes Selbsterleben“ wird die aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Person im Hier-und-Jetzt bezeichnet. Die Person spricht dann über ihre Erfahrungen und ihr Erleben, im Zusammenhang mit spezifischen Themen die sie aktuell beschäftigen.
Mit dem Denken erschießen wir uns eine Sache rational. Durch „drehen und wenden“ wird versucht, etwas in Worte zu fassen. Mit unserem Verstand versuchen wir, logische Verknüpfungen zwischen Ursache und Wirkung herzustellen, die Umwelt in Kategorien mit Normen und Regeln einzuordnen und gemäß dieser Ordnung zu
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
urteilen und sich dementsprechend zu verhalten. Und doch sind diese rationalen „Vorgänge“ immer mit Emotionen verbunden. Freude, Überraschung, Interesse, Entspannung – aber auch Angst, Wut, Mitleid und Trauer: je größer die emotionale Bandbreite, desto größer ist das Erleben. Und dieses Wahrnehmen und (situationsangemessene) Zulassen der Gefühle erzeugt vertiefende Beziehung – zu anderen und zu sich selbst.
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In Bezug auf die Selbstexplorationsfähigkeit einer Person können Gesprächsinhalte grob in zwei Ebenen eingeteilt werden: 1. Die Person schaut auf das Außen: z. B. auf definierte Ziele, Aufgaben, mit Begründungen, Erklärungen, Argumente. Und auch auf andere Personen, wie diese sich fühlen könnten, sich verhalten, denken: wie sie andere Personen und die Umstände erlebt. 2. Die Person schaut ins Innen: z. B. auf ihre Emotionen und Gefühle, Ressourcen, Bewertungen, Werte, Energie/Engagement für oder gegen etwas. Und wie sie selbst dabei sich fühlt, denkt und verhält: wie erlebt sie sich selbst? Diese zwei groben Einteilungen können mit der Einschätzungsskala zum Selbsterleben, der „Skala der Selbstexploration“, differenziert werden. Als Ausrichtungsmerkmal für die Differenzierungen wurde die Tiefe der Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhalte (7 Abschn. 2.4.3, Empathisches Verstehen) genommen, da an diesen Äußerungen Verhalten, bzw. geändertes Verhalten am ehesten erkennbar ist (Tausch et al. 1969). Die Skala kann als Unterstützung für ein bewussteres Zuhören und zur Einschätzung des Entwicklungsgrades des Coachees im Prozess verstanden werden. Außerdem kann die Skala hilfreich sein, um dem Coachee leichter solche Bearbeitungsangebote machen zu können, die dem Coachee entsprechen: Der Coach kann das Gefühl/das Erleben ins Zentrum der Aufmerksamkeit lenken, Wiederholungen und Ambivalenzen ansprechen, das Geschehen in der Beziehung und das Empfinden dazu thematisieren: Wo steht der Coachee mit seinem Selbsterleben? Wie ist die Bereitschaft sich mit „Innerem“ auseinanderzusetzten? Wo liegen seine Präferenzen? Kurz: Auf welcher Stufe kann der Coach den Coachee „abholen“? Auch kann der Coach sein eigenes Selbsterleben mit dieser Skala abgleichen und Präferenzen heraushören. Für den Coach ist es ebenso Reflexions- und Interventionsgrundlage im Prozess: Was höre ich? – Sachzusammenhänge, Verhalten, Gefühle, Ziele/ Wünsche, Bewertungen? Und mit welcher Flexibilität? Denn, wie wir wissen, ist die Kongruenz des Coaches eine Grundbedingung für konstruktive Prozessgestaltung: wer sich „selbst erfahren“ und auf diesem Weg sich selbstwertschätzend und empathisch begegnen kann, kann das auch vermehrt gegenüber dem Coachee sein. Nachfolgend ist eine modifizierte Skala (nach Tausch et al. 1969) mit neun Abstufungen und vier Kategorien aufgeführt. (Siehe . Tab. 5.1).
5.2 · Manual
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. Tab. 5.1 Skala der Selbstexploration: Tiefe des Selbsterlebens Die Person spricht nicht über sich selbst 1. Die Person spricht nicht über sich selbst, weder über ihr Verhalten noch über ihre Gefühle. Sie spricht ausschließlich über Situationen und Tatbestände, die unabhängig von ihrer Person sind 2. Die Person berichtet nicht über sich selbst, weder über ihr Verhalten noch über ihre Gefühle. Sie spricht sachlich-beschreibend von Personen und/oder Sachen, die zu ihr in einer Beziehung stehen Die Person spricht über ihr Verhalten ohne Gefühle 3. Die Person berichtet von äußeren Vorgängen und von ihrem eigenen Verhalten, jedoch ohne von den Gefühlen zu sprechen, die dazu in Beziehung stehen 4. Die Person berichtet von äußeren Vorgängen und auch von ihrem eigenen Verhalten, jedoch ohne von den Gefühlen zu sprechen, die dazu in Beziehung stehen. Man kann jedoch annehmen, dass das Berichtete für sie mit Gefühlen verbunden oder von größerer Bedeutung ist Die Person spricht über ihr Verhalten und schildert ihre Gefühle dazu 5. Die Person berichtet über ihr eigenes Verhalten und die Gefühle, die dazu in Beziehung stehen. Der überwiegende Teil der Aussage besteht in der Schilderung ihres Verhaltens oder äußerer Ereignisse, die Gefühle werden oft nur kurz erwähnt 6. Die Person berichtet über ihr eigenes Verhalten oder äußere Vorgänge und über die Gefühle, die dazu in Beziehung stehen. Die Aussage besteht überwiegend aus der Schilderung ihrer Gefühle Die Person spricht über ihre Gefühle und deren (neue) Zusammenhänge und Bedeutungen 7. Die Person berichtet überwiegend von ihren Gefühlen. Zusätzlich muss ein Ansatz zu bemerken sein, ihre Gefühle weiter zu klären, etwa sie in neuen Zusammenhängen zu sehen, sich zu fragen, woher gewisse Einstellungen kommen 8. Die Person schildert ausführlich ihre Gefühle. Das Suchen nach neuen Aspekten und Zusammenhängen in ihrem Erleben kommt deutlich zu Ausdruck 9. Die Person schildert alle wesentlichen persönlich-emotionalen Inhalte. Es ist deutlich, dass sie neue Aspekte und Zusammenhänge in ihrem Erleben findet (Hellwig C. 2017)
5.2 Manual
„Derjenige, der versucht, eine Methode anzuwenden ist zum Mißerfolg verurteilt, solange diese Methode nicht mit seinen eigenen Grundeinstellungen übereinstimmt.“ (Rogers 2009, S. 34) Für personzentriert-historisch elementar interessierten Menschen sei diese Anmerkung gedacht: Alle folgenden, unter 7 Abschn. 5.3 ff., Techniken sind mit der ursprünglichen Theorie des Personzentrierten Ansatzes nicht vereinbar. Denn aus personzentriert, genuiner Sicht wird mit diesen Techniken eine Reduktion auf einen Aspekt der Person vorgenommen: der Coach wählt die Technik aus, mit der auf einen bestimmten Aspekt eingegangen, oder/und eine Tiefungsebene angestrebt wird. So sind auch z. B. die unter 7 Abschn. 5.3.3 genannten humanistischen Techniken „phänomenologische Reduktionen“ (vgl. Schmid 2000), da auch damit eine Eingrenzung der Themen, die als Teil von der Person aus der Person kommen, vorgenommen wird: der Fokus wird auf den Prozess („prozess-direktiv“), oder das Erleben („experienziell“) gelegt, es wir eine „expertengeleitete Steuerung von Prozessen“ vorgenommen („erlebnisaktivierend“, „Focusing“, usw.), oder eine bestimmte Kommunikationsebene (z. B. „Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte“, „erkenntnistheoretisch“, „körperorientiert“) dem Coachee zur Unterstützung angeboten (vgl. Schmid 2000).
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
. Tab. 5.2 Das Coachingmanual Personzentriert-integraves Coachingmanual Die nachfolgend aufgeführten Techniken werden mit unterschiedlichen Absichten/Zielen in das Coaching eingeführt. Die vorwiegenden Bearbeitungsthemen sind in der Tabelle modellha nach ihren Präfenzen gegliedert. In der Praxis bestehen in den Bereichen Überschneidungen.
Personzentriert-integraves Coachingmanual
Technik
5 Kerninhalt/Ziel
SWOT-Zwei-EbenenAnalyse Sokrasche Gesprächsführung Zwischen-Zeiten Boxenstopp u.a.
Das Soziogramm Fragen zu Wechselwirkungen Rollenerwartungen Das JoHari-Fenster u.a.
Personzentrierte Gesprächsführung Strukturiertes Zuhören Kreave Gestaltarbeit Biografische Gespräche Körperwissen u.a.
Psychodynamische Wechselwirkungen Resonanzerleben/ Erleben im Kontakt Szenisches Verstehen u.a.
Verhalten/ Bewälgungsrounen
Rolle und systemisches Umfeld
Move/Energiefluss Emoonale Verankerungen
Selbsterfahrungsmöglichkeiten/ Psychologisches Basiswissen
Handlungsgewohnheiten
Wechselwirkungen
Wünsche und Bedürfnisse
Psycho-Dynamiken
Verhalten und Zielfokussierung
Umwelt und Ressourcen
Sinn und Move
Beziehungserleben
Handlungsleitendes Vorgehen
System-Perspekven
Humanissche Verfahren
Tiefenpsychologische Reflexion
Bearbeitungsthema
Integraon Basis
Humanissche Haltung & Personzentrierter Ansatz
Wie in 7 Kap. 3 beschrieben, ist die Absicht der Integration der Verfahren, bzw. der Methoden mit ihren Techniken, ein möglichst vielschichtiges Angebot nutzen zu können, mit dem der Coach breite Möglichkeiten hat, um die Person, in ihrer momentanen Wahrnehmungswelt zu erreichen und zu unterstützen; und dies in einem relativ zeitlich begrenztem Coachingformat. Daher werden im Coaching häufig Techniken hinzugenommen; und diese können auch ein Anker sein, für den Coach und für den Coachee: Techniken können dem Coach Halt geben, denn sie strukturieren den Prozess und können, durch verschiedene Arten der Visualisierung, Zusammenhänge und die „Innenarbeit“ für den Coachee sichtbar machen – oder auch erlebbar. Dazu sollte der Coach jedoch wissen, welche Technik er warum einsetzt – dazu ausführlich 7 Abschn. 5.3. Nachfolgend ist hier das „PIC-Coachingmanual“ . Tab. 5.2; Anhang, Abb. A.14 aufgeführt, das – auf der Basis der humanistischen Haltung und dem Personzentrierten Ansatz – eine Übersicht gibt, welche der beschriebenen integrativen Methoden (7 Kap. 3 ff.), für welche Bearbeitungsebene vorrangig hilfreich sein kann und welche Themen mit dem spezifischen Vorgehen vorzugsweise bearbeitet werden können. Die hier aufgeführten Techniken, sind unter 7 Abschn. 5.3 ff. beschrieben. (Siehe . Tab. 5.2). 5.3 Integrative Techniken & Perspektiven
Im Coaching sollen neue Verhaltensweisen, alternative Handlungsmöglichkeiten „für etwas“ mit dem Coachee entwickelt werden, für das bisher noch keine Lösungen gefunden worden sind. Doch kommt keine Person in ein anderes Handeln als bisher, nur weil der Coach ihr nun „gute“ Lösungen präsentiert. Erst durch die Integration des Gefühls, erst durch die eigene emotionale Akzeptanz, die durch eine gewährende Beziehung gefördert wird, entsteht was Neues: es entsteht ein kongruenter
5.3 · Integrative Techniken & Perspektiven
109
Handlungsimpuls. Dabei kann die Personzentriert-integrative Gesprächsführung und Haltung unterstützen. Wenn Sie nun – als begleitendes Instrument, im Verlauf des Coachings – eine Technik hinzunehmen möchten, steht die Aufgabe einer Auswahl aus den Möglichkeiten an. Um diese Auswahl zu erleichtern, sollte die Beantwortungen von drei Entscheidungsfragen vorangestellt werden (Coachingmanual . Tab. 5.2 und Anhang Abb. A.14): 1. Was soll bearbeitet werden; welches Ziel verfolgen Sie mit der Technik: Sollen Einstellungen, Verhalten und Überzeugungen auf der Handlungsebene betrachtet werden (7 Abschn. 5.3.2)? Oder soll die Erweiterung subjektiver Perspektiven unterstützt werden und die Wechselwirkungen zwischen Personen, Rollen, verschiedener Hierarchieebenen oder institutioneller Strukturen (7 Abschn. 5.3.3)? Oder sollen eher Motive und Motivation geklärt und deren emotionale Verankerungen betrachtet werden können? (7 Abschn. 5.3.4) 2. Wo „steht“ der Coachee? Mit einer Person, die in ihrer Selbstexplorationsfähigkeit auf den ersten Stufen (. Tab. 5.1) steht, ist es eher beziehungsschädigend ihr Angebote auf der emotional-selbsterforschenden Ebene zu machen. Dann sind am Anfang eher kognitive Techniken angezeigt, wie z. B. unter 7 Abschn. 5.3.1. Doch da Emotionen trotzdem handlungsleitend sind, können dementsprechende „kombinierte Angebote“ gemacht werden (z. B. die SWOT-2-Ebenen-Analyse, ebd.). Innerhalb einer stabilisierenden Beziehung können dann die „technischen“ Selbstexplorationsanregungen verändert werden. Die Priorität des Beziehungsangebotes gilt trotzdem immer. 3. Wer ist der Coach? Wie arbeiten Sie am liebsten? Jedes Technik-Angebot sollte authentisch sein; es sollte zu Ihnen als Person passen. Und auch braucht die Technik nicht perfekt in ihren Ablaufschritten umgesetzt werden wollen: der Coachee steht immer im Fokus. Nur die Auswahl muss auch zu Ihnen passen. Ist das Thema differenziert und das (Teil-)Ziel umrissen, dann kann im Coaching mit dem Coachee überlegt werden, ob konkrete „Maßnahmen“ und weitere Schritte sinnvoll scheinen. Die, nachfolgenden, unter 7 Abschn. 5.3 ff. zugeordneten Techniken wurden – zur Begleitung des Beziehungsangebotes – auch nach den Kriterien „Keep it short and simple“ erstellt und ausgewählt: die Techniken 5 sind einfach in ihrer Vorbereitung, 5 weisen nur wenige einzelne Schritten auf, 5 enthalten nur wenige direktive Vorgaben für den Coachee, 5 sind alle leicht adaptierbar, 5 ermöglichen so eine unkomplizierte Einbindung in den Coachingprozess. 5.3.1 Einstellungen und Bewertungen klären
Die nachfolgend vorgestellten Techniken zielen, dem Wesen der Verhaltenstheorie entsprechend, auf eine Verhaltensüberprüfung/-änderung ab. Um die möglichst passende Technik anbieten zu können, sollten zuvor diese Fragen beantwortet werden können: 5 Soll Verhalten trainiert werden? Als Selbstsicherheitstraining/will das Selbstbewusstsein gestärkt werden? Was genau? Z. B.: Nein-Sagen können, Forderungen durchsetzen, Smalltalk führen? Hier sind z. B. kleinschrittige Rollenspiele förderlich, um in dem geschützten Rahmen des Coachings Neues auszuprobieren.
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
5 Sollen Ansichten verändert werden? Z. B.: Soll Perfektionismus abgelegt werden? Schwäche oder/und Gelassenheit zugelassen werden können? Hier ist die Arbeit an den Grundüberzeugungen zunächst die wichtige, was z. B. mit dem Sokratischen Dialog (s. unten) umgesetzt werden kann. 5 Soll das Selbstmanagement gefördert werden? Z. B.: Gibt es ein akutes oder chronisches Stressempfinden (wie hoch ist die Burnout-Gefahr? Ist Coaching noch indiziert?), das bewältigt werden will: Hier helfen Entspannungstechniken als schnellwirkende Maßnahme in akuten Situationen, die auf die Minderung der körperlichen Stresssymptome abzielen; Techniken der Zeitplanung und der Selbstorganisation wollen einen produktiveren Umgang mit den Aufgabengestaltungen erreichen. Um diese Ziele zu unterstützen, eigenen sich z. B. die unten aufgeführten, verhaltensorientierten Techniken (da es zu den o.g. Themen eine Menge Material gibt, wird daher auf deren Vorstellung hier verzichtet). Jedoch ist an dieser Stelle nochmals betont: Die Einübung von neuem Verhalten ist vertane Zeit, wenn diese nicht kongruent umgesetzt werden kann – die Technik muss vom Coachee als hilfreich bewertet werden und nicht Mittel zum Zweck sein; und die Basis für alle Techniken ist das Gespräch und die Beziehung. Häufig wird mit dem Coachee und/oder mit dem Auftraggeber ein Kontrakt darüber geschlossen, wie die Person hinterher „besser“ ihre Mitarbeiter führen sollte (über das Dilemma eines solchen Kontraktes, siehe 7 Abschn. 4.4 ff.). „Handlungsoptionen erweitern“ ist dann ein Ziel. Unter „Handeln“ ist dabei auch Denken und Sprechen zu verstehen: das, was wir durchdenken, erledigen, erfüllen, bewältigen können. Doch wollen wir in unserem Coaching keine neuen Verhaltensweisen trainieren – doch wir wollen den Coachee dabei unterstützen, dass er sich seiner Gedanken, Einstellungen mit ihren Bewertungen bewusstwird, die seine äußeren Handlungen leiten. Und gerade zu Beginn eines Coachings ist es auch ein Aspekt der Wertschätzung, sich einer eher rationalen Person, auf kognitive Weise anzunähern. Es stabilisiert die Beziehung und fördert den Vertrauensaufbau, da es die Präferenz des Coachees (vgl. 7 Abschn. 5.1, Skala der Selbstexploration) respektiert. Mit dem kognitiven Ansatz im Coaching kann eine Überprüfung persönlicher Einstellungen und Bewertungen unterstütz werden. Das Vorgehen zielt somit auf ein bewusst werden von hinderlichen, und der Entwicklung von förderlichen Denkweisen und Einstellungen ab. Zu diesem Vorgehen sind in diesem Kapitel diese Techniken aufgeführt: Der sokratische Dialog, die SWOT-Zwei-Ebenen-Analyse und „Aufgaben zwischen den Zeiten“. Der „Boxenstopp“ sowie „Hindernisse“ sind als Metakriterien zu verstehen, mit denen jede handlungsorientierte Technik begleitet, bzw. überprüft werden kann. z Der sokratische Dialog
Die sokratische Gesprächsführung ist wegen ihrer Förderung der Eigenverantwortlichkeit gut in das Coaching integrierbar. Sie ist dann indiziert, wenn es um „größere“ Themen geht, um philosophische, ethische Fragen und hilft dabei, starre Denkmuster zu lockern. Die Beziehung muss hierzu bereits von Vertrauen geprägt sein, da die kritischen Nachfragen konfrontativ wirken können, auf jeden Fall sind sie direktiv. Der Sokratische Dialog kann auf drei verschiedene Arten, für unterschiedliche Ziele,
5.3 · Integrative Techniken & Perspektiven
111
eingesetzt werden (Stavemann 2015). Um diese Technik ins Coaching einfließen zu lassen, muss zu Beginn deutlich sein: Welches dieser drei übergreifenden Themen beinhaltet das Thema des Coachees? Welchen der drei Handlungsbereiche sollte der Dialog am ehesten aufgreifen? 1. Wenn Sinnfragen oder Wertvorstellungen Priorität bekommen, z. B.: „Was ist Vertrauen?“. An einem konkreten Beispiel wird der Begriff diskutiert, mit dem Ziel, dass dem Coachee deutlich wird, dass es weniger wichtig ist, ob es „die richtige“ Definition gibt, sondern, welche Bedeutung Vertrauen für ihn hat. Diese Gegenüberstellung kann dazu dienen, individuell Sinnvolles zu erarbeiten und auch dazu, den Coachee zu einem Überdenken rigider Annahmen anzustoßen; bei der Erkenntnis zu unterstützen, dass es auch andere „richtige“ Wertbestimmungen geben kann (hin zu: „Was bedeutet Vertrauen zu den Mitarbeitern für Sie?“). 2. Wenn Einstellungen und Handlungen als maßgebend angenommen werden, z. B.: „Man muss das doch so machen, damit es gut wird!“, „Das darf man doch (so) nicht machen!“. Die hinter einer Bedeutung liegenden Normen und Regeln – die Gültigkeit einer moralischen Instanz – werden mit dem Coachee geprüft. Mit einer bestimmten Fragestellung des Coachees wird begonnen, und über die konkrete Beschreibung wird eine Entscheidung des Coachees angestrebt: Wie will er/sie es jetzt auf diese Art/überhaupt durchführen? 3. Wenn Ziele und Zielkonflikte deutlich werden, z. B.: „Soll ich das jetzt tun?“. Passen die Einstellungen und Handlungsmöglichkeiten – Denken und Verhalten – des Coachees zu seinen Zielen? Eine Fragestellung wird formuliert („Ich möchte mich bei XY bewerben.“) und daran wird eine konkrete Entscheidung, im Für-und-Wider mit anderen Zielen, ausgearbeitet. Dieser Dialog kann in handlungsrelevanten Umsetzungsplänen münden. Die Voraussetzungen, um diese Gesprächstechnik konstruktiv durchführen zu können, liegen in den Bedingungen der humanistischen Haltung: annehmend, respektierend/nicht wertend, empathisch. Die Grundüberzeugungen des Coachees müssen wertschätzend angenommen werden und auf ebensolche Weise kritisch infrage gestellt werden können. Der Coach gibt sich als Nichtwissender, der sich von einem impliziten „Mitverstehen“ loslösen muss. Am Ende zeigt der Coach gehörte Zusammenhänge und Widersprüche auf. Voraussetzung ist, dass die Person dafür willens und in der Lage ist, komplexere Denkstrukturen reflektieren zu können. Das Ziel dieser Art der kritischen Selbstüberprüfung kann dann zur „Falle“ werden, wenn die Gesprächsführung des Coaches implizit auf ein von ihm angestrebtes Ziel hinführen soll und wenn dieser Dialog zur Manipulation missbraucht wird. Dann können Denkmuster rigider werden, da der Coachee in eine Verteidigungssituation gedrängt wird, anstatt selbst-wertschätzend seine Einstellungen zu prüfen. Eine ähnliche Gefahr besteht dann, wenn der Dialog nicht zu Ende geführt werden kann oder wird und der Coachee mit seinen emotional-gedanklichen (Ver-) Wirrungen allein gelassen wird. Weniger konfrontativ gelingt diese Gesprächsführung mit einem Wechselspiel von leitenden und gewährenden Interventionen: Zuhören und das Verstandene, das Mitgemeinte und -gefühlte widerspiegeln, mit dem Coachee „mitgehen“, bevor Fragen gestellt werden, die in eine bestimmende Richtung leiten: Nondirektive Gesprächsführung ist somit wieder eine sichere Basis für beide.
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
z SWOT-Zwei-Ebenen-Analyse
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Eine mögliche Technik, mit denen die Person ihre Stärken und Schwächen analysierend betrachten kann und gleichzeitig Chancen und Gefahren von weiteren Schritten in den Fokus nehmen kann, ist die SWOT-Zwei-Ebenen-Analyse (Hellwig 2017) = in der Erstauflage dieses Buches. Der Coachee kann hier wählen, welche Ebene er (zuerst) bearbeiten möchte: Möchte er erst den „äußeren Faktoren“ nachgehen (kognitive Analyse) oder seinen „inneren Faktoren“ (erlebensorientierte Analyse). Ebenso wird mit dem Modell nachgefragt, wie die „Ist-Situation“ (Gegenwart) wahrgenommen wird und welche Chancen und Gefahren er in Zukunft erwartet. Durch dieses Wechselspiel in der Kommunikation, zwischen innerem und äußerem Bezugsrahmen, können Bedürfnisse und Motive reflektiert werden. So kann die Klärung der individuellen Antriebskraft unterstütz werden und ebenso eine Überprüfung der blockierenden Gedanken und Einstellungen angeregt werden: 5 In welchen Situationen tritt das Verhalten (noch) auf? Wann nicht? 5 Welche Gedanken sind damit verbunden? 5 Wie angemessen werden diese vom Coachee bewertet? Über die Kommunikation dieser Fragestellungen kann die Zielklärung unterstütz werden. 5 Welche anderen Möglichkeiten sind schon probiert, gedacht, gehört worden? 5 Was benötigt der Coachee von außen, um die Situation bewältigen zu können? (Arbeitsblatt im Anhang, Abb. A.11, „Die SWOT-zwei Ebenen-Analyse“) Je mehr die Umsetzung eines, auf der kognitiven Ebene verabredeten Verhaltens in den Vordergrund gerät und je mehr der Coach in aktiver, direkter Führungsrolle handelt, desto oberflächlicher kann die Zielerreichung werden. Unter Umständen gibt es bald eine Anhäufung von Ratschlägen, Wissensweitergabe über Bewährtes und Mögliches, mit einer geringen Selbstbestimmung des Coachees und der Nutzung der Expertenkompetenz des Coaches. Die Gefahr der Abhängigkeit von „Rezepten“ und des Auslaufens der Motivation auf halber Strecke ist dann gegenwärtig.
z Zwischen-Zeiten
Eine „Aufgabe zwischen den Zeiten“ kann verabredet werden – das können alle kleinen Schritte sein, die der Coachee aus dem bisher Genannten ausprobieren, umsetzten kann und möchte. Bei allen Aufgaben ist es wichtig, dass die Person so konkret wie möglich ihre Umsetzungsweise bedenkt (hierzu können die SMART-Kriterien gedanklich zur Hilfe genommen werden), z. B.: „Was wollen Sie von dem Besprochenen ausprobieren (Verhalten)? Wann und wo? Wie konkret?“, „Was wollen Sie von dem Besprochenen umsetzten?“, „Was davon bis zum nächsten Termin? Ist das realistisch?“ Der Coachee (!) überlegt und benennt, was genau er wie, wann, in welchem Umfang in welcher Situation und in welchem Ausmaß umsetzen kann und was er dazu ggf. noch braucht. Und ob er bis zum nächsten Coaching ausprobieren will, ob es (in den Alltag und in die Handlungsabläufe der Person) integrierbar wird. Die Person bestimmt den Ablauf.
5.3 · Integrative Techniken & Perspektiven
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Beim nächsten Treffen kann darüber gesprochen werden, wie es dem Coachee gelang, das Vorgenommene umzusetzen – oder auch nicht: was hat motiviert, wie ist es gelungen, oder welche Hindernisse es gab. Wenn es immer wieder Aufgaben gibt, die der Coachee sich vorgenommen hat, er sie jedoch nicht umsetzten konnte (Gründe zweitrangig), dann ist dies ein sicheres Zeichen dafür, dass die Ebene gewechselt werden sollte: von der Handlungseben auf die Ebene des Fühlens zu fokussieren (7 Abschn. 5.3.3) – raus aus der Tun’s-orientierung, hin zur Erlebensorientierung. > Wieviel Energie ist zu spüren, für die Umsetzung des Vorgenommenen?
Mit definierten Absprachen/Aufgaben im Coaching zu arbeiten bedeutet auch, besonders achtsam für diese Hindernisse zu sein: 5 Fühlt sich der Coachee durch die gestellten Anforderungen/Aufgaben an ihn überfordert? Das ist im Coaching zu vermeiden: zu groß ist die Gefahr, das Verhaltensmuster rigide werden. Daher ist es wichtig, mit dem Coachee zu klären, welches Vorgehen er sich zutraut. Wenn es trotzdem nicht umgesetzt werden kann, muss ein Schritt zurückgegangen werden. Das Ziel bleibt damit im Blick, wird jedoch an das momentane Zutrauen des Coachees angepasst. So werden Erfolgserlebnisse möglich, die an den Ressourcen des Coachees ansetzten und die Motivation „für das“ wird überprüft: Wenn es Gründe gibt, warum auch kleinere Schritte nicht durchgeführt werden wollen/können, ist die Energie dafür nicht frei. Die Frage, die sich dann aufdrängt, ist: Wofür wird sie dann genutzt? (vgl. 7 Abschn. 2.3.2). Und das wäre dann ein (ggf. veränderter) Arbeitsauftrag. 5 Der Coachee äußert nach oder während der Bearbeitung der Aufgaben und trotz Annäherung an das Ziel Zweifel, dass das Vorgehen sein Problem löst. Dann kann es sein, dass das bearbeitete Problem bzw. das angestrebte Ziel nur ein kleines Teilchen von einem großen ist. Das eigentliche Thema wird nicht bearbeitet. Oder ist der Coachee zu ungeduldig, ist er schnell unzufrieden, ist „alles nicht genug“? Dann könnte dies ein Thema sein, das sich der Frage stellen sollte, ob die Person dies aus anderen Zusammenhängen kennt – und ihr da ebenfalls „das Leben schwer macht“. Oder ist es Ablenkungsstrategie, weil es zu schwierig wird? Dann gilt zu klären, ob das Thema im „Großen“ wirklich bearbeitet werden muss, was davon abgewehrt wird und unbearbeitet bleiben sollte und was im Rahmen des Coachings möglich ist. z Werteskala
Werte, sind Vorstellungen über Eigenschaften, Dinge oder Ideen. Diese werden von Einzelnen und von Gruppen, aber auch von Unternehmen oder von einer Gesellschaft teils sehr unterschiedlich bestimmt. Eine einzelne Person, als Teil von all dem, kann damit in einen Wertekonflikt kommen, indem die eigenen Wertvorstellungen mit denen der Umwelt kollidieren. Denn Werte sind Orientierungsprinzipien, die auch darüber bestimmen, was eine Person als Bewertungsmaßstab ansetzt: was ist richtig oder falsch, gut oder schlecht. Beurteilungskonflikte entstehen dann, wenn jemand sagt, er hätte recht mit seiner Sichtweise und Sie wären im Irrtum, ohne dass es Fakten gibt, die das belegen können (vgl. 7 Abschn. 4.3.5 Konflikte). Und da die Introjektion von Werten gerade in früher Kindheit unreflektiert geschehen ist, sind uns diese Werte, mit ihren Regeln, teilweise nicht bewusst – und doch leiten sie unser Verhalten, unsere Emotionen, bestimmen über unser Denken „was man“, auf welche Art
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
und Weise tut und was „man“ nicht so macht. Und diese Be-Wert-ungen wirken in jedem Kontakt. Ein Bewusstsein über die eigenen Bewertungsmuster zu bekommen hilft dabei, das eigene Denken und Handeln verstehbarer zu machen. Das Ziel dieses Angebotes ist somit, das Bewusstsein beim Coachee für die eigenen Wertvorstellungen/Regeln zu erweitern und auch darüber, dass andere Personen andere Wertvorstellungen haben können. Eine kognitive Möglichkeit zum bewusster werden von Werten, Normen und Regeln, ist die Werteskala. Das Vorgehen kann sich so gestalten: 1. Der Coachee wird gefragt, welche Verhaltensweisen ihn bei der Person oder den Personen, die im Coaching (immer wieder) Thema sind, a). stören und b). als positiv bewertet werden. Diese Verhaltensweisen werden auf zwei unterschiedlich farbigen Karten gesammelt. Dann wird die Bedeutung für den Coachee im Gespräch geklärt, was verbindet dieser mit einer Regel, warum ist diese für ihn wichtig. Dabei werden die Karten entweder angepinnt oder übersichtlich auf einen Tisch gelegt. 2. Dann kann der Coachee probieren, ob er diese Regeln nach Werten clustern kann, wobei sich jetzt die Farben vermischen können: Welche Wertvorstellungen stehen hinter den Verhaltensweisen? Gibt es Wiederkehrendes, etwas was sich überschneidet? Das Gespräch kann mit dem nächsten Punkt noch tiefer geleitet werden: 3. Können die Werte nach Prioritäten geordnet werden? Woher kommt es, dass der eine Wert wichtiger als der andere wahrgenommen und beurteilt wird? Am Ende sollte mehr Verständnis für die eigenen Wertvorstellungen und die der anderen entstanden sein und auch überprüft werden können, wie möglicherweise eine Annäherung gestaltet werden könnte. Oder ob ggf. die Werte unvereinbar sind. Welche Konsequenzen zieht der Coachee daraus? z Boxenstopp
Um wichtige Hinweise und Schaltstellen nicht zu überhören, kann innerhalb jeder Technik eine Art „Boxenstopp“ durchgeführt werden. Der Verlauf der Technik wird explizit „ausgebremst“ und der Fokus wieder auf das Hier-und-Jetzt gelegt: Wie geht es Ihnen gerade damit? Was fühlen Sie? Wo? Wie macht sich das bemerkbar? (Integration von Focusing-Elementen, vgl. 7 Abschn. 5.3.3). Kennen Sie dieses Gefühl? Es schützt davor, sich in den Maßgaben der technischen Schritte zu verfangen und sich auf die Durchführung der Technik zu konzentrieren, anstatt auf die Person. Übersicht Jenseits von Verhaltensorientierung Auch in solchen, explizit auf „Lösungssuche“ angelegten Coachings, kann es sein, dass dem Coachee deutlich wird, dass er „nur“ verstehen will, warum er in „diese Lage“ gekommen ist, warum er so häufig Schwierigkeiten mit anderen hat, warum er „diese Probleme“ hat – dann ist das verhaltensorientierte Vorgehen eher (noch) nicht angezeigt. Und, vor allem dann, wenn der Kontrakt zwischen Dritten geschlossen wurde, steht die Überprüfung des äußeren Auftrages an: Passt das Thema in den (zeitlichen) Rahmen? Verlangt es ein anderes als ein rein verhaltensorientiertes
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Vorgehen? Müssten biografische Zusammenhänge, Sinn, Werte, Motive bearbeitet werden? Das ist zu klären! Klarheit über das (veränderte) Vorgehen ist erforderlich, da sonst Zielkonflikte im Coaching auftreten können.
5.3.2 Systemische Zusammenhänge verdeutlichen
Systemische Techniken richten ihr Augenmerk auf die sozialen Vernetzungen des Coachees. Die Wechselwirkungen im System stehen im Fokus. Impulse durch die Techniken können dem Coachee dadurch gegeben werden, indem das eigene psychische und das berufliche, soziale System aus einer Metaperspektive betrachtet wird. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten: Da sind zunächst alle sprachlichen Techniken, die diese Zusammenhänge bewusst machen und vor das „innere Auge“ führen sollen, wie z. B. der Klassiker systemischer Techniken, die „systemischen Fragen“, die hier zu Beginn aufgeführt werden. Diese können jederzeit integriert werden, sollten jedoch nicht aneinandergereiht werden, da sonst schnell eine „Interviewatmosphäre“ entstehen kann, sondern auch wieder personzentriert, als Anregung im Gespräch platziert werden sollten. Weitere, hier aufgeführte – visualisierende – Techniken sind das Sozigramm, das JoHari-Fenster sowie „Rollenbilder“. z Systemische Fragen
Das Ziel von systemischem Fragen ist es, den Coachee darin zu unterstützen, eine Außenperspektive einnehmen zu können. Daher sind „gute systemische Fragen“ solche, die die Muster des Systems (des Coachees) in den Fokus nehmen. Die Fragen zielen z. B. darauf ab, die Botschaften, die der Coachee an andere unbewusst sendet, ihm verständlicher und die daraus entstehenden Wechselwirkungen bewusster zu machen. Denn im Verständnis der Systemtheorie denken Menschen häufig darüber nach, was andere denken. Sie haben Hypothesen über deren Motive (warum etwas getan wird) und Bedürfnisse (was sie gerade brauchen) – die allerdings nur dem inneren Bezugsrahmen der betreffenden Person selbst entspringen können! Sie gründen auf den Gedankengängen und Verknüpfungen des Fragenden und der „dritten Wissensart“ (vgl. 7 Abschn. 2.3.3). Solche Fragen sind zum Beispiel sog. zirkuläre Fragen, Skalierungsfragen, Verständigungsfragen und die Fragen nach Ausnahmen. 1. Zirkuläre Fragen sind eine Möglichkeit, die innere Struktur auf zwei Ebenen zu irritieren: einmal auf der Ebene der Sachbezogenheit der Handlungen, das andere Mal auf der Ebene der emotionalen Verkettungen und deren Bewertungen. Beispiele für zirkuläre Fragen sind z. B.: 5 „Wenn Ihre Kollegin sagt, dass Sie Ihre Arbeit zu langsam machen, gibt es dann jemanden, der ihr zustimmen würde?“ 5 „Wenn ich Ihren Chef fragen würde, wie der die Dinge einschätzt, was glauben Sie, würde der antworten?“ 5 „Wenn Sie Ihrem Mitarbeiter das vor dem Team sagen, was glauben Sie, wie fühlt sich Ihr Mitarbeiter dann?“
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5 „Angenommen ich würde Ihre Kollegin fragen, was sie über Ihren Chef denkt, was würde sie wohl antworten?“ 5 „Woran könnte Ihr Mitarbeiter denn merken, dass Sie ihn mit seinen Fähigkeiten und Erfahrungen schätzen?“ Oder – wie Rogers seine Klientin Gloria, in dem bekannten Fall-Mitschnitt gefragt hatte, nachdem sie ihn wieder darum bat, ihr zu sagen, was sie nun tun solle: „Was würden Sie sich denn wünschen, was ich Ihnen antworten würde?“ (Carl Rogers and Gloria – Counselling; 1965) Doch, weil es Teil des Denkens über jemand anderen ist, das durch die Sprache ausgedrückt wird, ist es auch Teil des eigenen Inneren: Übertragung von eigenen Denkstrukturen von Emotionen, die die Person selbst mit einer Situation verbindet. Die Person, die „zirkulär“ gefragt wird, gibt daher auch Einblick in ihr eigenes inneres System und nicht nur über das, was die „Zielperson“ denkt und fühlt. Daher kann eine Nachfrage in unserem Coaching sein: „Würde es Ihnen so ähnlich gehen?“ „Hätten Sie auch so entschieden?“ Dies ist letztlich eine Gegenüberstellung von eigenem und anderem Denken und Fühlen; und mit dieser ist es möglich, mit dem Coachee eine Verknüpfung zu schaffen, z. B. mit dem Blick darauf: 5 was zugelassen werden kann, 5 was abgewehrt wird, 5 welche Wünsche mit dem eigenen Handeln verbunden sind, 5 welche Befürchtungen in der Beziehung bestehen oder 5 welche Wertmaßstäbe zugrunde liegen. Und damit wird die Kurve zur Innenperspektive wieder genommen, der Beziehungskreis kann geschlossen und mit strukturiertem Zuhören wieder genutzt werden. 2. Skalierungsfragen stellen eine weitere Möglichkeit dar, festgefahrene Muster des Systems zu lockern und zu überprüfen. So kann 5 empathisches Verstehen angestoßen werden: „Auf einer aufsteigenden ‚Ärgerskala‘ von 1–10: Wo stehen Sie gerade? – Wo steht wohl Ihr Kollege?“, „Wie könnte es zu dem Unterschied kommen?“; 5 auf die Ressourcensuche abgezielt werden: „Wenn Sie auf einer aufsteigenden Zielerreichungsskala von 1–10 Ihre aktuelle Position eintragen würden: Wo würden Sie ein Kreuz machen? – Warum keine kleinere Zahl? Wie haben Sie das gemacht, dass Sie auf eine x Zahl gekommen sind? Was wäre bei einer anderen gewählten Zahl anders? Welche Möglichkeiten könnten Sie dazu nutzen?“; 5 die Konkretisierung von Verallgemeinerungen angestoßen werden („Alle Leute“, „Immer“, „Jeder“, „Geht überhaupt nicht“ etc.): „Von 100 % … wie viel sind es? … geht nicht? … ungefähr – nach Ihrer Einschätzung jetzt?“, „Was macht den Unterschied zu dem was geht?“, „Wie könnte es gehen und wie geht es Ihnen damit?“. 3. Verständigungsfragen betreffen eine spezifische Situation, die die Person beschreibt, und zielen auf ihre eigenen Einstellungen, Emotionen, Bewertungen ab. Die Intention liegt in der Gegenüberstellung der (anvisierten) Zeit: es ist nicht das „Hier-und-jetzt“, dem nachgespürt werden soll, sondern die Gedanken und Emotionen im „Damals“, ohne expliziten biografischen Bezug in der betreffenden Situation.
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5 „Wie ging es Ihnen in diesem Moment/in dieser Situation?“ 5 „Ich möchte genauer verstehen: Könnten Sie mir nochmal sagen, was Sie daran gestört/gefreut hat?“ 5 „Als Ihr Chef das zu Ihnen gesagt hat, was haben Sie dann gedacht? Und wie hätten Sie am liebsten reagiert? Wie wäre es dann für Sie gewesen?“ 5 „Welche (vielen) Dinge waren es denn, die Sie so ärgerlich gemacht haben?“ 5 Hat sich etwas geändert? Wie bewertet die Person die Veränderung? Wodurch ist sie, aus der Perspektive des Coachees, angestoßen worden? Was hat die Person dazu beigetragen? Die vorgestellten Fragearten sind Fragen nach der kognitiven Einschätzung des Status Quo. Sie ermöglichen damit eine Überprüfung, Abgrenzung und Unterscheidung von eigenem und anderem und sollen neue Bewertungen und Perspektiven ermöglichen. Weil sie aber auf kognitiven Strukturen basieren, liegt die Gefahr darin, jene Strukturen zu stärken, die das Selbstkonzept zur Verfügung stellt – nicht aber die Motivation, die mit dem Streben der Aktualisierungstendenz übereinstimmt. Daher ist – wie bei allen kognitiven Schleifen – die kongruente Reaktion zu (be)achten und ggf. auf Unstimmigkeiten anzusprechen („Sie sagen, dass Ihnen die Reaktion Ihres Chefs nichts ausmacht, doch Sie schreien mich dabei fast an?“). 4. Wenn der Lösungsprozess (im Unterschied zum Entwicklungsprozess) ins stagnieren kommt, sich „nichts geändert hat“, kann die Suche nach Ausnahmen und Zielfokussierung angeboten werden. So können Hinweise auf Ressourcen und Motive gehört werden. Dabei sind „Ausnahmen“ all das was passiert, wenn das „Problem“ nicht vorhanden ist. Dazu wird einerseits die Situation fokussiert: Was geschieht, wenn das Problem nicht da ist, was geschieht in Phasen, in denen es weniger stark oder gar nicht auftritt? Und: liegt die Konzentration auf dem definierten Ziel? Bei der Anwendung der Technik, der „Suche nach Ausnahmen und Benennung von Zielen“, liegt der Fokus auf den Ausnahmen der als problematisch empfundenen Situation: Herausfinden, was funktioniert bzw. was gelegentlich funktioniert bzw. was funktionieren könnte. De Shazer (2002) hat dazu folgende Regeln/Fragen erstellt: 5 Welche Dinge tut die Person bereits, die förderlich, nützlich und wirksam sind? 5 Wo liegt der Unterschied zwischen dem, was geschieht, wenn eine Ausnahme vorkommt und dem, was geschieht, wenn das Problem auftritt. Ersteres gilt es zu betrachten? 5 Was ist das „Leichteste“ – will und kann die Person davon mehr tun? (Wie?) 5 Wie könnte eine Lösungsversion der problematischen Situation aussehen? 5 Womit möchte die Person wann beginnen? 5 Die Überprüfung des Engagements kann getestet werden durch die Frage: 5 Was wäre wenn die Ausnahme (aktuelle Lösungsidee) zur Regel wird? Wie wäre es, wenn das Ziel damit erreicht wäre? Durch diese Fragen und Antworten wird die Person in ihrem Tun und ihren Handlungsmöglichkeiten in den Vordergrund gestellt. Daher wird der Blick im humanistischen Coaching auch immer wieder auf die Person mit ihrer emotionalen Gesamterfahrung gerichtet: Auf emotionale Zwischentöne, auf die Richtung der Energie und ob diese überhaupt für „die Sache“ zu spüren ist: „Wie geht es Ihnen
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damit?“; und empathisch die eigene Wahrnehmung mit eingebracht: „Ich nehme gerade Ärger/Traurigkeit/Freude/… bei Ihnen wahr?“. Über dieses situative, körperlich-psychische Erleben können Einstellungen, Ressourcen, Umsetzbarkeit im Hier-und-Jetzt angeschaut und auf ihre Auswirkung im Da-und-Dort überprüft werden. Denn Lebensmuster – individuelle Bewältigungsstrategien – lassen sich nicht ausschließlich durch Frage-Antwort-Techniken kritisch-wohlwollend infrage stellen. Sie brauchen einen Boden, der die langjährigen Muster akzeptierend im Hier-und-Jetzt aufnimmt und zur Überprüfung neuer Strategien einlädt.
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z Das Soziogramm
Soziale Beziehungen sind Netzwerkverbindungen, es sind Arbeitskollegen, Familienangehörige, Freunde – je nach Rolle können verschiedene Netzwerkverbindungen erstellt werden. So lassen sich z. B. mit einem Soziogramm soziale Beziehungen in einem System darstellen: mit Kreisen und Verbindungslinien kann grafisch dargestellt werden, wie die einzelnen Mitglieder zueinander und zur eigenen Person in Beziehung stehen: 1. Die Person wird gebeten, ein Symbol (Kreis, Viereck, Dreieck, Oval …) in die Mitte des Flipcharts zu zeichnen und ICH hinein zu schreiben. Das ist der Ausgangspunkt. 2. Dann kommen weitere wichtige Personen hinzu: in einem Team alle Mitglieder, mit Symbolen, die der Coachee für passend für die jeweilige Person hält. Der Fantasie sind bei der Auswahl der Symbole keine Grenzen gesetzt. 3. Die emotionale Nähe oder Ferne wird mit dem Abstand zur eigenen Person gekennzeichnet. 4. Die Verbindungslinien kennzeichnen die Qualität der Beziehung zueinander: schwierige Beziehungen können so mit einer gestrichelten Linie verbunden werden, angenehme mit eine durchgezogenen, neutral mit einer dünnen durchgezogenen Linie gekennzeichnet werden. 5. Die Bearbeitung erfolgt zunächst mit allgemeinen Fragen: Was fällt Ihnen an der Zeichnung auf? Wie kommen die Bewertungen der Beziehungen zustande? Wer gibt Kraft? Wer raubt Kraft? Die gleiche Technik kann für die institutionelle, offizielle Betrachtung genommen werden: welche offiziellen Hierarchieebenen bestehen und welche inoffiziellen? Wie ist die Qualität der Beziehungen untereinander? So können die Beziehungen zwischen den Teammitgliedern angesehen werden und daraus Zusammenhänge zwischen Konflikten, Symptomen, Möglichkeiten und Grenzen. Begleitet werden alle Techniken personzentriert und mit z. B. o. g. systemischen Fragen. z Das JoHari-Fenster
Wie in 7 Abschn. 2.3.3 beschrieben, ist der innere Bezugsrahmen nicht völlig dem Bewusstsein zugänglich. Mit dem „JoHari-Modell“ (. Abb. 5.3) kann diese Tatsache mit der Visualisierung von Bewusstseinsbereichen bearbeitet werden. Nach dem JoHari-Modell (Zusammensetzung aus den Vornamen der Begründer: Joseph Luft und Harry Ingham) können Persönlichkeitsmerkmale, die einer Person eigen sind, in den Kontext eines Systems gestellt werden: a) zwischen einer Person und anderen
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. Abb. 5.3 Das JoHari-Fenster
in einer Gruppe gibt es ein Wissen über Persönlichkeits- und Verhaltensweisen, die sehr gut bekannt sind und anderen auch mitgeteilt werden, b) es gibt Bereiche die dem Menschen selbst und anderen nicht bekannt sind (unbewusst bleiben) und c) welche, die vor anderen zu verbergen versucht werden, um einen bestimmten Eindruck aufrechtzuhalten. Und es gibt d) Bereiche, die einem weniger bekannt sind, die jedoch andere Personen an einem feststellen – sog. „blinde Flecken“. Ziel des JoHari-Modells ist es eine offene Kommunikation anzuregen; eine Erweiterung der Selbst- und Fremdwahrnehmung von sozialen Beziehungen kann somit unterstützt werden. (Luft und Ingham 1955) Die Bedeutung der einzelnen Felder des JoHari-Fensters: 5 Als „öffentliche Person“ zeigen wir unsere Anteile frei und offen im Kontakt mit anderen. Die Denk- und Verhaltensweisen hier, sind sowohl anderen als auch einem selbst bekannt. Dies umfasst die Anteile der Persönlichkeit, die nach außen sichtbar gemacht werden und von anderen wahrgenommen werden. 5 Anteile der „privaten Person“ sind Denk- und Verhaltensweisen die anderen nicht bekannt sind, der eigenen Person jedoch schon. Wie z. B. Einstellungen, Werte, Verhaltensweisen, für die wir mehr Vertrautheit benötigen, um diese zeigen zu können/ wollen. 5 Anteile aus dem „blinden Fleck“ werden von anderen wahrgenommen und von der eigenen Person selbst nicht. Es sind Verhaltensweisen, Gewohnheiten, Körperreaktionen, die selbst nicht bewusst sind, die andere jedoch an der Person wahrnehmen. 5 „Unbekannte“ Anteile umfassen Denk- und Verhaltensweisen die sowohl anderen als auch der eigenen Person nicht bekannt sind; verborgene Talente und Potenziale können hier schlummern, Motive, Bedürfnisse, Werte.
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Im Gespräch kann die Reflexion über die eigenen Verhaltenspräferenzen, mit dem JoHari-Modell unterstützt werden. Damit kann veranschaulicht werden, dass kein Mensch über sich und sein Verhalten völlige Kenntnis verfügt. So kann dem Coachee dadurch verdeutlicht werden, dass 1. durch die vermehrte Selbstöffnung die Person „verständlicher“ werden kann und 2. „blinde Flecken“ durch das Einholen von Feedback reduziert werden können.
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Voraussetzung ist jedoch, dass eine Kultur des Vertrauens in der Abteilung, zwischen den Kollegen besteht. Wenn das infrage gestellt wird, ist das Thema ein anderes: Vertrauensaufbau (vgl. 7 Abschn. 2.4). Wie immer gilt auch hier: das Festhalten an der Technik kann vom Blick auf den Coachee ablenken. z Rollenbilder
Wir sind Träger unterschiedlicher beruflicher und privater – sog. sozialer – Rollen. Je nachdem, wie weit die Vernetzung gedacht wird können das sehr unterschiedliche Rollen sein: Kollegin, Freundin, Schwester, Mutter, Ehefrau und viele mehr. Und manchmal stehen diese Rollen ziemlich im Konflikt zueinander – zeitlich und inhaltlich. Schwierigkeiten kommen dann auf, wenn es abweichende Vorstellung darüber gibt, wie sich Menschen in diesen Rollen verhalten müssten. Diese Abweichungen können von der eigenen Person ausgehen (die Erwartungen die die Person selbst an sich stellt passen nicht überein) oder die Erwartungen der Umwelt stimmen nicht mit den eigenen, an sich selbst gestellten Erwartungen überein. Dabei bestimmt die Umwelt, das spezifische System, mit, welcher Anteil gerade wichtig wird. Das Sichtbarmachen dieser systemisch-sozialen Zusammenhänge ist somit auch eine Möglichkeit solche Erwartungen und Erwartungserwartungen des Coachees zu explizieren. So kann es sein, dass es ein dahinter liegendes Thema des Coachees sein kann, dass er durch die verschiedenen inneren und äußeren Erwartungen in einen Konflikt mit sich selbst oder mit anderen geraten ist. Diese Konflikte können sich in derart äußern, dass 5 an den Coachee widersprüchliche Erwartungen einer Person aus dem Team gestellt werden (Arbeiten Sie schneller und mehr und achten Sie auf ihr Work-life-balance; wenn z. B. das betriebliche Gesundheitsmanagement in erster Linie von oben geordert wurde, die Führungskräfte jedoch nicht „mitspielen“ können/wollen). 5 widersprüchliche Erwartungen zwischen dem Rollenselbstbild und Rollenfremdbild bestehen (Die Person sieht sich selbst als motiviert und leistungsstark, die Führungskraft sieht die Person eher träge, ihre Arbeit schleppend machen). 5 Der Coachee widersprüchliche Erwartungen an sich selbst richtet (Er möchte sich einerseits weiterbilden, aber auch sein Team und seine Familie nicht im Stich lassen). Die Arbeitsblätter zur „Rollenerwartungen“ und „Rollenanteile“ (Kap. „Anhang“, A.5 und A.6) können als Grundlage dazu dienen, diesen Fragen und somit den eigenen Rollenpräferenzen und deren Auswirkungen, näher zu kommen. Die Techniken unter 7 Abschn. 5.3.1 und 5.3.2 regen, auf der Basis ihrer Grundannahmen, die Erweiterung von Rollen-Perspektiven an, durch vorwiegend kognitive Unterstützung, um zukünftiges Handeln zu verändern. Dieses Handeln ist jedoch immer auch emotional gebahnt. So kann zwar das Handeln bedingt geplant werden,
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doch ist es nicht möglich Gefühle vorauszuplanen. Woran können sich Menschen also orientieren, bei dem, was sie denken, sagen, tun wollen? Gerald Hüther fasst die Antwort so zusammen: „Und unabhängig davon, ob wir dieses (neue) Wissen durch eigene Überlegung oder durch die Übernahme von anderen gewonnen haben, hat das, was wir erkannt haben, meist keine unmittelbare Auswirkung auf unser Handeln. Wie viele Menschen haben erkannt, dass so vieles, was sie tun, nicht dazu beiträgt, gesund zu bleiben, glücklich zu werden und ihre Talente und Begabungen zu entfalten. Aber etwas erkannt zu haben heißt nicht, dass es uns auch wirklich berührt. Und wenn es uns nicht berührt, ändert sich auch nichts im Hirn.“ (Hüther G. 2018). Aus diesen Zusammenhängen heraus werden in unserem Coaching Angebote integriert, die die Klärung von individuellen Motiven, den Energiefluss, emotionale Verankerungen vorrangig anstreben: Humanistische Methoden und Techniken. 5.3.3 Humanistische Methoden
Humanistische Methoden stellen die Person in der gegenwärtigen Beziehung, mit ihrem (emotionalen) Erleben und ihren Kompetenzen in den Mittelpunkt. Humanistischen Methoden ist eigen, dass sie weniger auf die Vermittlung von Handwerkszeug abzielen und ein Set abrufbarer ToDo’s zur Verfügung stellen, sondern die Selbstentwicklung durch das Geschehen im Hier-und-Jetzt unterstützen. z Gestaltarbeit
Innerhalb des Coachingprozesses kann die Integration des Vorbewussten durch kreative Gestaltarbeit forciert werden. Es wird am und mit dem „Rand des Bewusstseins“ gearbeitet, um das Erleben im Hier-und-Jetzt bewusst zu machen (7 Abschn. 3.1). Der Begriff „forciert“ will darauf hindeuten, dass hier besonders feinfühlig gearbeitet werden muss. Denn der Einsatz der verschiedenen Techniken wird als Verstärkung genutzt, die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Verhalten, Fühlen und Denken zu richten. Dies mit dem Ziel, dass die Person unbewusste „Gestalten“ die sie beschäftigen (Thema des Coachings) erkennen kann, ihr aktuelles Selbstkonzept überprüfen und sich, dem bisher nicht Gesehenen, annähern kann. Die Absicht der Gestaltarbeit ist es, die kognitiv-analytische Ebene mit der kreativ-analogen zu verbinden. Dazu werden zum Beispiel „Rollen-Spiele“, auch mit „leeren Stühlen“ genutzt, gestalterisches Arbeiten mit unterschiedlichen Materialien angeboten oder Metaphern ausgeschmückt. Und um an die Gebiete des „Randbewusstseins“ zu kommen, wird in der Gestaltarbeit experimentiert und konfrontiert. Möglichst alle Bereiche der menschlichen Erfahrungen werden einbezogen: Verhaltensweisen, körperliche Bewegungen und Haltungen, Gedanken, Einstellungen u. a. Dieses Repertoire kann jedoch auch nur dann sinnvoll zum Einsatz kommen, wenn die damit initiierten Situationen bewusst auf den theoretischen Grundlagen des Gestaltansatzes aufbauen. Und, wenn der Coach diese Arbeit auch anbieten möchte. Die Grundlage ist die Personzentrierte Haltung und Gesprächsführung. Zur Erweiterung sind hier Gesprächstechniken aus der Gestaltarbeit vorgestellt und die Technik der Integration von Stühlen, die stellvertretend für eine oder mehrere Personen stehen. Es sind zwei von vielen Möglichkeiten, die ohne Aufwand in den Prozess mit eingebunden werden können.
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
Das Konfrontieren ist eine Haupttechnik der Gestaltarbeit. Die Absicht von Konfrontationen ist, bewusst zu machen, was sich im Inneren abspielt indem es vom Coach „auf den Punkt“ ausgesprochen wird. Dadurch wird die Aufmerksamkeit auf ein Hintergrunderleben leiten. Der Coach ist dabei besonders aufmerksam für alle latenten emotionalen Reaktionen. Konfrontative Äußerungen wirken immer – allerdings ist nicht immer vorhersagbar wie: Wird die Konfrontation selbstreflexiv aufgenommen oder abgewehrt? Daher ist die Voraussetzung dazu ist einmal mehr ein stabiles Beziehungsfundament – das mit jeder Konfrontation strapaziert wird. So kann der Coachee z. B. mit hinderlichen Verhaltensroutinen konfrontiert werden, die er im bisherigen Prozess immer wieder abgewehrt hat, z. B. welche Belastungen er durch sein Verhalten sich selbst zumutet: Welche Ziele er erreichen will, welche Motive er hat und wie er diese durch sein Verhalten boykottiert. Oder auch, welche Belastungen er in Beziehungen erzeugt: In welchem Zusammenhang sein Verhalten z. B. den Rückzug des andern auslöst. Auch hier ist das H ier-und-Jetzt Erfahrungsquelle: Welche Strategien machen es schwierig, mit dem Coachee zusammenzuarbeiten, übereinzukommen, einen konstruktiven Kontakt herzustellen? Welche Handlungsmuster führen immer wieder in gleiche Beziehungssackgassen? Konfrontativ wirkt auch das Ansprechen einer beobachteten – inkongruenten – Körpersprache: 5 „Sie verschränkten wieder Ihre Arme als Sie von Ihrem Kollegen sprachen.“, „Sie wirken ganz angespannt, wenn Sie von der Situation reden.“ 5 Über Unstimmigkeiten reden: „Sie sagen, dass Sie darüber glücklich sind, jedoch mit einem für mich zerknirschten Gesichtsausdruck – möchten Sie das nochmal prüfen?“ Da Konfrontationen an den „Bewusstseinsrand stechen“, können sie Abwehr hervorrufen, wenn sie ein „unbeliebtes“ Teil widerspiegeln und es kann mehr oder weniger ein Betroffenheitsgefühl oder Scham ausgelöst werden. Der sensible Umgang mit Konfrontationen sollte daher selbstverständlich sein. Daher sollten konfrontative Äußerungen auch wohldosiert-wertschätzend eingesetzt werden und zur Basis eine bereits geprüfte Hypothese haben, die damit wieder überprüft werden sollte: die Reaktion des Coachees bestimmt das weitere Vorgehen, nicht die Überzeugung des Coaches. Weitere Gesprächstechniken der Gestaltarbeit, die einfach integriert werden können, sind z. B. diese: 5 Auch werden in der Gestaltarbeit eingefahrene (kommunikative) Handlungsmuster dadurch irritiert, indem Störungen im Kommunikationsablauf verursacht werden („Ja? Ist das so?“). 5 Der Coach kann das Gegenteil von dem Erwarteten tun oder sagen; eine Reaktion einbringen, die die Person nicht erhofft hatte. Auch hierzu braucht es stabile Hypothesen, die damit wiederrum selbstkritisch getestet werden können. 5 In der Gestaltarbeit gibt es auch die Ermunterung, ungewöhnliche „Ziele zu denken“, als Möglichkeit, konfrontativ Alternativen anzuregen. Da alle Techniken ein herber Anstoß von außen sind, ist das empathisch-strukturierte Zuhören besonders wichtig: kann die Person wirklich darauf eingehen, oder geht sie nur mit, weil Sie das als Coach gesagt haben? Dann unterstütz der Coach den Coachee
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5.3 · Integrative Techniken & Perspektiven
dabei, über die Intervention zu reflektieren und abzuwägen: Kann ich, Coachee, es annehmen? Was wollte ich eigentlich? Ein „Wie geht es Ihnen gerade?“, sollte daher immer wieder das Erleben im Hier-und-Jetzt ins Bewusstsein bringen. Konfrontationen, Irritationen, Motivationsschübe sollen eine Erkenntniserweiterung hervorbringen, die jedoch nur in einem grundlegend wertschätzenden Klima ankommen kann. Dem Coach obliegt hier wieder die Aufgabe zunächst zu hören: Wie ist die Resonanz, kommt „es“ wieder, wird „es“ aufgegriffen und vom „Ich“ unterstützt oder wird „es“ fallen gelassen?
In der Gestaltarbeit ist eine zentrale Frage wie die Person ihre Impulse, im Kontakt mit anderen Personen, reguliert. Um diese Frage zu beantworten kann mit den nachfolgenden Schritten und drei Leitfragen auf das Verhalten geschaut werden (vgl. Richter 2009, S. 36 f., modifiziert). Die Leitfragen können dabei helfen, gerade in längeren Prozessen, wesentliches vom Coachee nicht zu überhören. Schritte und Leitfragen in der Gestaltarbeit 1. Phänomenologische Sichtweise:
2. Prozessuale Orientierung:
3. Strukturelle Reflexion:
Sie konzentriert sich auf das direkt Beobachtbare, Sichtbare, Offensichtliche, also alles, was in der Situation direkt erlebt werden kann. Im Zentrum des Interesses steht das Bewusstsein. Alle Informationen werden dabei neutral aufgenommen und nicht „kategorisiert“. Es involviert die Bedingung der unbedingten Wertschätzung und Neutralität
Jedes Handeln ist Teil eines Prozessgeschehens bzw. von Wechselwirkungen in einem dynamischen Umfeld. Das innere Erleben ist dabei zugleich auch immer eine Resonanz auf Kontakt- und Austauschprozesse, auf die IchDu-Beziehung und Handlungsintentionen. Das, was wichtig ist, was zu Vorschein kommen will, kann sich im nächsten Moment anders gestalten, als vorherzusehen war
Bestimmte Erlebens- und Handlungsweisen tauchen immer wieder auf der Bewusstseinsbühne auf. Die beobachteten „Schleifen“ lassen den Schluss zu, dass es sich hier nicht um ein zufälliges oder willkürliches Agieren handelt, sondern dass diese einem typischen, individuellen Muster folgen. Es involviert die Bedingung des strukturierenden Zuhörens (vgl. 7 Abschn. 2.6.1)
Die Leitfrage hierzu ist: Welches Verhalten kann beobachtet werden?
Die Leitfrage hierzu ist: Welche Beziehungsmuster bilden sich im Verlauf ab?
Die Leitfrage hierzu ist: Was wiederholt sich?
In der Gestaltarbeit wird das Experimentieren in simulierten, neuen Situationen angeboten. Da dies mit Techniken verbunden ist, die die Person in derart, höchstwahrscheinlich, noch nicht kennt, gibt es für das Angebot und Gelingen der Gestaltarbeit im Coaching – neben der humanistischen Haltung – grundlegende Voraussetzungen: 1. Es sind entsprechende Themen bereits eingeführt, die mit einer vertiefenden Selbstreflexion bearbeitet werden können und sollten. 2. Die echte Bereitschaft des Coachees ist vorhanden, sich auf eine neue und mehr oder weniger unbekannte Erfahrung einzulassen.
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
3. Die persönliche und fachliche Kompetenz des Coaches, als Möglichkeiten und Grenzen zu verstehen, einen solchen Prozess zu begleiten. 4. Die Verarbeitung und Integration des Erlebens im Hier-und-Jetzt mit personzentrierter Gesprächsführung unterstützen zu können.
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Die bekanntesten gestalttherapeutischen Techniken, sind das Rollenspiel/Rollenwechsel und die Stuhlarbeit, mit dem Ziel damit in dem geschützten Rahmen des Coachings neues Kommunikationsverhalten zu testen: Dazu können imaginäre Personen auf einen anderen Stuhl gesetzt werden und es wird ein Gespräch mit diesen geführt, oder der Coachee fühlt sich in die spezifische Person ein und wechselt den Stuhl im Selbstgespräch/Rollentausch. Eine andere Möglichkeit ist es, ein Dialogangebote zur Bearbeitung von Wünschen und Persönlichkeitsanteilen zu geben, indem der Coachee selbst sich auf einen leeren Stuhl setzt, als sein „Alter Ego“: „Was würde dieser Teil von Ihnen am liebsten sagen?“ „Was wäre sein Wunsch, sein Bedürfnis, seine Angst?“. Es ist eine Einladung, dem was sich bisher wenig oder nicht zeigen durfte, eine Stimme zu geben – um vom eigenen Selbst gehört und angenommen zu werden, um entlastet zu werden. Die Techniken setzten voraus, dass das Thema bereits bearbeitet wurde und mit diesen Möglichkeiten vertieft werden soll. Dazu gibt es viel Literatur, in denen die spezifischen Vorgehen detaillierter ausgeführt sind, als hier möglich. (Zum Beispiel: Doubrawa, A. und E. (Hrsg.) (2005): „Was ist Gestalttherapie?“; de Roeck, B.-P. (1985): Gras unter meinen Füßen. Eine ungewöhnliche Einführung in die Gestalttherapie. Rowohlt). z Körperwissen nutzen
Das Angebot an den Coachee zu machen, den Körpererfahrungen nachzugehen, ist dann besonders geeignet, wenn im Coaching bereits eine große Vertrauensbasis besteht und wenn immer wieder dasselbe Thema aufkommt, immer wieder dasselbe gesagt werden will; eine Ahnung besteht, dass „da was sein“ könnte, wo hingeschaut werden könnte. Die Integration des Körpers setzt noch einmal mehr eine entspannte Atmosphäre, Achtsamkeit, die innere Bereitschaft und das Vermögen von Coach und Coachee voraus, sich auf Innenliegendes einzulassen. Für den Beginn und die Durchführung eines „Focusigprozesses“ ist es daher wichtig, das Innehalten und das Zulassen einer achtsamen Haltung einzunehmen. Denn im Alltagsbewusstsein reagieren Menschen überwiegend ziel- und handlungsorientiert; je kognitiver bisher vielleicht ein Coaching angeboten wurde, desto mehr trifft zu: die Gedanken befinden sich im Analyse- und Kontrollmodus: das alltägliche Programm läuft. Doch kein Programm kann während der Anwendung verändert, also überschrieben, optimiert oder gelöscht werden. Erst muss die Anwendung gestoppt werden, dann kann ein „Support“ vorgenommen werden. Beim Menschen ist es genauso: Während eine „Anwendung“ (Gedanke, Handlung) läuft, kann sie nicht verändert werden. Die Veränderung geschieht erst nach dem Herunterfahren oder dem Schließen von aktuellen Programmen: Abschalten der (Alltags-)Einflüsse. Eine innere Achtsamkeit konzentriert auf das, was im Moment – im Hier-und-Jetzt – bei mir da ist. Es bedeutet, die Aufmerksamkeit auf die eigenen inneren Prozesse zu legen, auf das, was sich im aktuellen Erleben zeigen will. Es bedeutet:
5.3 · Integrative Techniken & Perspektiven
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Zu sich kommen. Das, was kommt, in Ruhe wahrzunehmen, damit zu verweilen, es da-sein lassen zu können: wertschätzend, absichtslos, ohne Interpretation und Änderungswunsch – und zu sich sagen zu können: so wie es ist, ist es.
> Achtsamkeit kann trainiert werden und ist die Grundlage für die körperorientierte
Arbeit.
Achtsamkeit kann z. B. durch Meditation, Atemtechniken, Körperwahrnehmungsübungen erweitert werden. Die Einbeziehung des Körperwissens heißt, der „Stimme des Körpers“ zu folgen, die Hinweise auf grundlegende Bedürfnisse gegeben kann. 1. Äußerer Freiraum: Dazu muss zunächst ein äußerer Freiraum geschaffen werden: äußere Bedingungen zum Wohlfühlen – angenehme Wärme, bequeme Sitzhaltung, sich gut einrichten und eine stimmige Haltung finden, am besten die Augen schließen. Dies ist mit dem Coachee, als Voraussetzung zum Einlassen-Können und zur Einstimmung, zu sichern. Außerdem sollte im eigenen Erleben ein angemessener Abstand gefunden werden – das Thema/Problem ist nur ein Teil der Gesamtpersönlichkeit, dem es nachzuspüren gilt: Nicht die Person hat ein Problem – es ist nur ein Teil von ihr. 2. Das innere Erleben, der innere Freiraum, sollte immer wieder überprüft werden: „Was würde mir mehr Sicherheit geben? Was wäre jetzt gut?“. Der Coach fragt immer wieder nach: „Ist es gerade o.k. für Sie? Wie geht es Ihnen damit?“. Es ist wichtig, immer wieder kurz inne zu halten und den Coachee nach innen spüren zu lassen, wahrzunehmen, was immer gerade dort im eigenen Erleben auftaucht. Deutung und Analyse – seitens des Coachees oder des Coaches – sind verboten. Die Aufmerksamkeit liegt auf der Wahrnehmung des Körpers und dem Atem. Der Coachee wird gefragt, ob er dem folgen möchte, was sich im Körper zeigen will, und diesem wird nachgegangen. Diese Bereitschaft ist die wichtigste Voraussetzung für den Prozess. Diese Bereitschaft kann immer wieder im Coaching erfragt werden und dient immer wieder dazu, die Wahrnehmung auf die inneren Vorgänge zu lenken. 3. Erst in diesem Freiraum, kann das Focusingangebot gemacht werden. Dieses sollte in das Thema integriert werden, das gerade aktuell ist. Mit spezifischen Fragen kann dann dem Aufspüren der Emotion nachgegangen werden, die sich als „gefühlte Bedeutung“, als „Felt Sense“, bilden will. Den eigenen körperlichen Reaktionen wird volle Aufmerksamkeit gegeben, um unabsichtlich nachzuspüren, was sich zeigen will: Die gedankliche Aufmerksamkeit wird nicht auf körperliche Reaktionen gelenkt, sondern der Körper lenkt die Aufmerksamkeit auf solche Körpergefühle, die aufgrund der Gedanken an das Thema entstehen. (vgl. Arbeitsblatt im Anhang, Abb. A.9). z Biografie im Hier-und-Jetzt
Wie in 7 Abschn. 3.3 erläutert, beeinflussen Erfahrungen, die eine Person im Verlauf ihrer Biografie gemacht hat, ihr Handeln, Denken und Fühlen im Hier-undJetzt. Und daher ist die Thematisierung von biografischen Bezügen immer dann
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
wertvoll für den Entwicklungsprozess, wenn Fragen auftauchen, die zum Beispiel die Motivation in den Fokus stellen; dann, mit der übergreifenden Frage, ob die Person ihre Tätigkeit oder/und ihre Berufswahl eher als Last empfindet, oder als Möglichkeit für ihre Entwicklung und Selbstverwirklichung (im humanistischen Sinn) sieht? Allerdings können (biografische) Fragen, die aneinander gereiht werden schnell einen Ausfrage-Charakter bekommen. Fragen zur Berufsbiografie als Anregung anzubieten, können daher z. B. mit der Technik „berufsbiografisches Fragenspiel“ eingebracht werden:
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z Berufsbiografische Fragen
„Berufsbiografische Fragen“ sind als „Kartenspiel“ konzipiert: auf etwas dickerem Papier werden zum Beispiel die u. a. Fragen gedruckt und geschnitten vorbereitet und sind somit b.B. immer verfügbar. Die Karten, die auf der Rückseite frei bleiben, können vom Coachee ausgewählt (max. drei) werden und nacheinander umgedreht und erzählt werden („Wie war das bei Ihnen?“). Jede Frage/Beantwortung bekommt genügend zeitlichen Raum und wird personzentriert begleitet. Zum Beispiel können diese Fragen vorbereitet werden: 5 Wie kam es zur Ausbildungs- oder Studienwahl? 5 Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihren Lehrern und Ausbildern gemacht? 5 Welche beruflichen Stellen standen zur Wahl? 5 Was war typisch für Ihren Berufsweg? 5 Welche Positionen haben Sie belegt, welche wurden versagt? 5 Welche Berufswünsche gab es aber konnten nicht nachgegangen werden? 5 Gab es ehrenamtliche oder unbezahlte Arbeit (z. B. Familienarbeit)? 5 Gab es „Lieblingstätigkeiten“ in Ihrem Berufsverlauf, auf die Sie heute noch gerne zurückblicken? 5 Gibt es eine wichtige, prägende Arbeitsbeziehung? 5 Welches Arbeitsverhältnis war einprägend? Dies sind Ideen, die natürlich erweiterbar sind. Spannend wird die Bearbeitung, wenn eine überschaubare Auswahl besteht. Und natürlich kann der Coachee die Fragen hinterher gerne alle umdrehen und ein Foto machen. Manchmal kommen so im Nachgang noch Erinnerungen hoch und Zusammenhänge werden bewusst, die für den Coachee und für sein Coachingthema relevant sein können. z Narratives Gespräch
Das Angebot des „Narrativen Gesprächs“ (eine für das Coaching aufbereitete Kurzform der Methode des „Narrativen Interviews“, bspw. Schütze 1981) kann mit der Absicht integriert werden implizite Motivationen zu finden. Der Begriff „Interview“ der Ursprungsmethode ist in dieser Form der Technik eher unpassend, da das Narrative Gespräch hier „nur“ eine durchgängige Erzählung anregen soll. Innerhalb der Technik des biografischen Erzählens kann es für den Unterstützungsprozess hilfreich sein, in der Einzigartigkeit eines jeden Berufsverlaufes, nach übergreifenden berufsbiografischen Zusammenhängen zu suchen, nach Mustern biografischer Berufswege, die von Schütze (1981) als „Prozessabläufe des Lebens“ bezeichnet wurden:
5.3 · Integrative Techniken & Perspektiven
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1. Biografische Handlungsschemata: Die Person sieht und macht sich als Schöpfer ihres Lebenslaufes. Dies ist die Voraussetzung für eine engagierte, zielorientierte Karriereplanung, die aus eigener Kraft heraus möglich wird, bzw. geworden ist. 2. Institutionelle Ablauf- und Erwartungsmuster: Die Person überließ sich in Teilaktivitäten einer Institution. Der berufliche Werdegang knüpfte an den Möglichkeiten an, die geboten wurden. 3. Verlaufskurven: Hier werden Ereignisse genannt, die der Person als übermächtig erschienen, sie überwältigten und in ihrer Handlungsorientierung beeinflussten. Diese Ereignisse können einen positiven oder negativen Einfluss genommen haben, denen sich die Person ausgesetzt fühlte. 4. Wandlungsprozesse: Diese werden von der Person als systematische Veränderungen ihrer Erlebnis- und Handlungsmöglichkeiten wahrgenommen. Das Umfeld hatte sich geändert und die Person empfand dies als nachhaltigen Einfluss auf sich. In den biografischen Erzählungen sind zu den o.g. Aspekten entsprechende Kommentare und Legitimationen zu finden. Das dazugehörige Erleben einer Person, entweder der Gestalter ihrer beruflichen Laufbahn zu sein oder dem Prozess ausgeliefert zu sein, kann somit den gefühlten Unterschied bestimmen, zwischen Karriere und Laufbahn: 5 Karrieren werden als Berufsverläufe gesehen, „die durch intentionales Eingreifen des Individuums gestaltet wurden“ (Schütze 1981, S. 75) (biografisches Handlungsschemata). Deren übergreifendes Merkmal sind initiativ gestaltete Maßnahmen, mit denen die Person ihre beruflichen Ziele verfolgt. 5 Als Abgrenzung, zu diesem proaktiven Vorgehen, wird der Begriff der Laufbahnen dann benutzt, wenn eine Person einem vorgegebenen, meist institutionellen Vorgaben und Möglichkeit nachgeht (institutionelle Ablaufmuster), die sie normativ zu erfüllen sucht (vgl. Hermanns 1981, S. 75). Die Aufarbeitung von Berufsverläufen kann auf diese Weise im Coaching für den Selbsterkenntnisprozess hilfreich sein, da gerade in Berufsverläufen identitätsformende Erfahrungen gemacht werden, während dieser die Person immer wieder ihre Möglichkeiten und Kompetenzen hinterfragen musste. (Beispiel einer fiktiven berufsbiografischen Erzählung im Anhang, Abb. A.9 und A.10) Die Erzählung wird mit einer Ausgangsfrage angeregt und möglichst nicht mit weiteren Fragen unterbrochen (diese können den Coachee von seiner Geschichte abbringen). Hier wird es notwendig, das Gespräch auf Band aufzunehmen (Einverständnis verschriftlichen!) und das Material auch dem Coachee, bei Interesse, zur Verfügung zu stellen. Der zeitliche Umfang der Erzählung sollte mit mind. 45 min. geplant werden; dieses Zeitfenster soll auch dem Coachee mitgeteilt werden, damit er den zeitlichen Raum kennt und wirklich ins Erzählen kommen kann. Das Ziel: Die Entwicklung des freien Erzählflusses und die Möglichkeit der damit zu hörenden Sinnzusammenhänge und Eröffnung neuer Perspektiven, stehen dabei im Fokus des Interesses. Die Person wird in die Technik eingeführt, wenn der berufliche Weg im Fokus steht. Die einleitende und erzähl-stimulierende Eingangsfrage könnte z. B. lauten:
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
„Bitte erzählen Sie doch, wie Ihr Berufsweg nach Ihrem Schulabschluss verlaufen ist, wie es dazu kam, dass Sie heute in dieser Position sind/bei diesem Unternehmen sind/ diese Stelle haben. Bitte schildern Sie dabei Ihre eigenen Erfahrungen, die Sie gemacht haben und Ihre eigene Sicht auf diesen Entwicklungsverlauf. Ich werde Ihnen keine weiteren Fragen dazu stellen, Sie nicht unterbrechen. Also: ich bitte Sie mir Ihre Berufsweg zu erzählen, wie er diesbezüglich angefangen hat und wie es dann bis heute weiterging.“ Im Nachgang der Erzählung kann die Person, in der verbleibenden Zeit der Coachingstunde, ihre Gedanken zum Erzählten äußern. Einleitend z. B. mit den Fragen „Was ist Ihnen in Erinnerung geblieben?“, „Was beschäftigt Sie?“. Unter beruflicher Perspektive können Aspekte thematisiert werden, wie z. B.: berufliches Selbstbild/Selbstkonzept; Motivation beruflicher Veränderungen; Beziehungsgestaltung; individuelle Bewältigungsmuster in beruflichen Übergängen/Krisen. z Prägende Sätze
„Bitte denken Sie zurück: Welche (beruflich) prägenden Sätze gab es in Ihrer Familie?“ Mit dieser einen Ausgangsfrage können berufsspezifische Werte und Normen zur Gesprächsgrundlage genommen werden: Die Person wird angeregt, aus der Erinnerung heraus eine Redewendung, Phrase oder ein Sprichwort, das zu diesem Thema typisch für seine Familie war, zu finden. Das Thema ist aus dem Coachingverlauf entstanden und die o.g. Frage kann zum Beispiel so eingeleitet werden: „In jeder Familie gab oder gibt es ja Redewendung o.ä. die immer wieder gesagt worden sind oder sich sehr eingeprägt haben. Gab es in Ihrer Familie auch so einen Satz, in Bezug auf das Thema XY (s. u.)? Denken Sie einen Moment (laut) nach.“ Dann wird der Coachee gebeten diesen Satz auf das Flipchart (oder ein Blatt oder Karte) zu schreiben (oder Sie fragen ob Sie schreiben sollen). Zum Beispiel: 5 Berufswahl (z. B.: „Schuster bleib bei deinen Leisten“) 5 Arbeitsverhalten (z. B.: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, „Ohne Fleiß kein Preis“) 5 Konflikte (z. B.: „Hunde, die bellen, beißen nicht.“; „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“) 5 Beziehungen zu Kollegen, Mitarbeitern, Vorgesetzten (z. B.: „Traue, aber achte darauf, wem!“; „Jeder Topf findet seinen Deckel.“) 5 Motivation/Engagement (z. B.: „Müßiggang ist aller Laster Anfang“, „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“) Dann wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung dieser Satz damals hatte und heute für den Coachee hat. Auch können die Stichworte dazu wieder visualisiert werden. Eine personzentrierte Gesprächsführung unterstützt wieder bei der Klärung. Durch den biografischen Reflexionsprozess – der durch die verschiedenen Techniken unterstützt worden ist – können bisherige Handlungszusammenhänge deutlich werden, die für die Zukunftsgestaltung bedeutsam sein können. Die Person kann sich durch die Integration der Erkenntnisse mehr zum Gestalter ihres weiteren Lebenslaufes machen; dies ist die Voraussetzung für eine engagierte, zielorientierte Karriereplanung, die aus eigener Kraft heraus möglich wird.
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5.3.4 Psychodynamische Perspektivenerweiterung
Begegnungen und Erfahrungen mit anderen Menschen haben uns zum großen Teil zu der Persönlichkeit werden lassen, wie wir heute sind. Das bedeutet auch, dass jede Person Werte, mit ihren dahinter liegenden Normen und Regeln, von wichtigen Bezugspersonen übernommen hat. Und da dies gerade in früher Kindheit unreflektiert geschehen ist, sind uns diese Werte und Regeln teilweise nicht bewusst – und doch leiten sie unser Verhalten, bestimmen über unser Denken, „was man“, auf welche Art und Weise tut und was „man“ so nicht macht (vgl. 7 Abschn. 5.3.1 Werteskala). > Unser Leben hängt davon ab, was wir aus dem machen, was aus uns gemacht
wurde. (Jean Paul Sartre)
Und unter der „Spitze des Eisberges“ werden unbewusste Reize gesendet, die im Miteinander sehr unterschiedliche Gefühle auslösen können und uns auch zu Handlungen antreiben, die manchmal hinderlich für uns selbst und für eine hilfreiche Begegnung im Coaching haben können. Deshalb unterstützt die Integration von psychodynamischem Wissen das Wahrnehmen- und Einordnen-Können individueller Mechanismen, die im Kontakt mit dem Coachee „passieren“. Denn das Wissen über Resonanz- und (Gegen-) Übertragungsreaktionen hilft zu einer kongruenten Gestaltung der Selbst- und Fremdbeziehung (vgl. 7 Abschn. 5.3.5): es unterstützt vor allem den Coach dabei, sich selbst besser zu verstehen, da die „Introjektion von Werten und Konzepten“ (Rogers 2009, S. 432) jedem Menschen zuteil geworden ist. Selbsterfahrungserlebnisse mit diesen Phänomenen sollten in jeder Coachingweiterbildung Pflicht sein. Und doch ist dieses Wissen über psychodynamische Zusammenhänge auch für den Coachee von Bedeutung, denn es kann zur Klärung von Beziehungskonstellationen beitragen, die Teil des Coachingthemas sind (Edukation, 7 Abschn. 5.3.1). Doch sind die nachfolgenden Anregungen zur Reflexion, vor allem für den Coach aufgeführt worden. z Reflexion: Wer ist gemeint?
Ab dem ersten Kontakt wirken die Eindrücke, die der Coach vom Coachee bekommt: Die durch die Sinne aufgenommen und durch Sprache und Körpersprache übermittelt werden. Diese Wahrnehmung lässt in uns Bilder von der anderen Person entstehen: indem wir die Wahrnehmungen mit unseren Emotionen und Bedeutungen belegen, entstehen innere Portraits einer Person- (Vor-)Urteile. Wir können nicht keine bilden. Bei diesem Vorgang der Informationsaufnahme erreicht uns jedoch nicht jede Information. Viele Informationen werden unbewusst als nicht relevant, unpassend ausgefiltert – sie werden selektiert. Neue Informationen werden mit Bekanntem verglichen und eingeordnet. Dieses Einordnen gibt Sicherheit, da es auf Vertrautem aufbaut. Doch dieser Aufbau-Prozess kostet auch Energie: Wir investieren schon etwas, bevor der eigentliche Gesprächsprozess begonnen hat – wir investieren schon in eine Person. Und an allem, in das wir investiert haben, in das wir etwas eingebracht haben, wollen wir erstmal festhalten. Das gilt für eine pragmatische Entscheidung genauso, wie für das Bild von jemandem. Denn erste Wahrnehmungen über eine Person werden in Millisekunden zum ersten Eindruck verarbeitet – wir brauchen deutlich mehr Zeit, um das Bild zu korrigieren: ein einmal gesetztes Vorurteil braucht mehr „Daten“ und mehr Zeit es zu zurücknehmen, als es zu erstellen. Und je mehr Gefühle
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(durch ein Bild über jemandem) ausgelöst worden sind, je mehr seelische Energie freigesetzt wird, desto höher wird die Investition. Das erklärt, warum wir zu einem einmal gefassten Bild zuerst nach ähnlichen Aspekten in der Person suchen, um dieses Bild zu bestätigen („Ich wusste, dass der das macht.“, „Ja, das passt zu dem.“). Die das Bild entkräftenden Hinweise erstaunen oder enttäuschen sogar: Fehlinvestition. Die Person ist gar nicht „so“, es kostet wieder Energie das Bild zu revidieren. Wie kommt es, dass so schnell Bilder entstehen? a) Wir haben Bilder – Informationen, Erfahrungen – mit einer bekannten Person (Oma, Vater, Tante, Freund …) abgespeichert; b) Etwas „Ähnliches“ hat die bisher unbekannte Person „an sich“; in einem oder mehreren Details ihres Verhaltens; c) Wir übertragen unsere Gedanken und Gefühle, die zu dem alten Bild der bekannten Person gehören dann auf die uns unbekannte Person. z Konsequenzen für die Beziehungsgestaltung
Dieser Umstand hat mehrere Konsequenzen für die Beziehungsgestaltung zum Coachee (und diese Fragen können ggf. auch dem Coachee als Reflexion zur Verfügung gestellt werden). So kann beispielsweise mit den nachfolgenden Fragen automatisierten Wahrnehmungsprozessen nachgegangen werden. 1. An wen erinnert die Person mich (den Coachee, der Vorgesetzte, der Mitarbeiter), mit vielleicht Kleinigkeiten in der Kontaktgestaltung. a) An wen erinnert mich die Person durch ihr Äußeres? b) Welche Person macht ähnliche Bewegungen wie sie? c) Welche Geste erinnert mich an wen? Was, aus der Mimik? d) Das gleiche Lächeln wie …? Die gleiche Handbewegung wie …? e) Die Stimme ist ähnlich wie …? 2. Aus diesen, ggf. nur undeutlich wahrgenommenen Übereinstimmungen folgt, dass die Beziehungserfahrungen, die mit der erinnerten Person gemacht wurde, in die Beziehung mit dem Coachee hineingetragen werden: positive wie negative, für die Beziehungsgestaltung förderliche und hinderliche. 3. Daher sind die Gefühle, das Bild, das die Gedanken an diese Person auslösen, ins Bewusstsein zu rücken: a) In welcher Beziehung stand er/sie zu dieser Person? b) Welche Gefühle werden aktiviert? c) Zu welchen Reaktionen wird die Person durch die Reaktivierung dieses Bildes geleitet? Wird sie vorsichtiger? Mutiger? Entspannter? 4. Wenn diese Mechanismen, nicht aufgrund der Erinnerung an eine andere Person, vom Coach auf den Coachee verlagert werden, sondern es die eigenen Gefühle, Gedanken, Ambitionen des Coaches sind, dann können es Projektionen sein: eigene Ansichten, Wünsche, Verwehrungen werden der anderen Person unterstellt und ggf. als störend, als „nicht ok“ wahrgenommen: a) Welche Verbote denke ich/denkt die Person? (Das darf man nicht tun. Der sieht das aber zu locker.) b) Gibt es Wünsche des Coachees die ich übertrieben finde? Welche seiner Vorstellungen empfinde er als belastend? c) Was würde ich mir nicht erlauben, nimmt sich aber die andere Person „heraus“?
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Wer ist eigentlich gemeint? Diese Frage aus der Eigenperspektive sich selbst beantworten zu können fördert ein selbstbestimmtes, aktiveres Handeln im gesamten Prozess und mindert ein reaktives: Eines, was aufgrund von alten Erfahrungen in die neue Situation hereingetragen wird und die eigenen Handlungen wie ein veralteter Autopilot leitet. Denn je eigenständiger gehandelt werden möchte, desto mehr müssen diese inneren Mechanismen auch bewusstwerden. Es hilft beim Update des Programms „Zwischenmenschliche Beziehungsgestaltung“. (Dazu auch der Reflexionsbogen „Wer ist gemeint?“ Anhang, Abb. A.12). Daher haben nicht nur Fragen Relevanz, die ermitteln, wie die Person den Kontakt zum Coach gestaltet, sondern auch, welche Reaktion auf die Reaktion des Coachees beim Coach ausgelöst wird. Denn alles, was die Person mitbringt, kann als Gegenü bertragung auf das Verhalten des Coaches zurückwirken. Also: Was passiert dadurch – in mir als Coach, selbst? 5 Welche Gedanken, Emotionen, körperlichen Reaktionen löst die Person bei mir aus? 5 Wozu fühle ich mich gedrängt? Zu vermehrter Hilfe? Verspüre ich Erfolgsdruck? Will ich den Coachee schonen? 5 Fühle ich mich durch den Coachee irritiert – und verliere meine Struktur? Fühle ich Anspannung – und fühle mich wie gelähmt? 5 Möchte ich lieber schnell fertig werden, den Coachee „loswerden“? 5 Fühle ich mich verunsichert? Oder motiviert, zu was? 5 …? Übersicht Die Fragen, die beim Coach ansetzen sollten, sind damit: Welche mir bekannten Teile einer Person sehe ich noch im Coachee? Welches ist mein eigenes Thema und was davon bringt die Person mit ein? Was macht die Person, dass ich so und so reagiere? Das Nachspüren dieser impliziten Mechanismen ist ein Überprüfen der Kongruenz und setzt bei der Selbstreflexionskompetenz des Coachs an. Denn je weniger psychodynamische Wechselwirkungen eingeordnet und reflektiert werden können, desto schwieriger werden nicht nur konstruktive Coachingprozesse, sondern letztlich steigt auch die Gefahr des Burnouts: Der Coach kann sich ausgenutzt oder gelähmt fühlen, oder er kann Angst vor den Anforderungen entwickeln bzw. diesen nicht gerecht zu werden. (Selbst-)Reflexionsschleifen (in Eigenregie oder in der Supervision) sollten zur eigenen Entlastung und Weiterentwicklung selbstverständlich sein.
5.3.5 Wenn der Prozess stockt
Trotz aller Aufmerksamkeit, nach innen und nach außen, kann es manchmal sein, dass sich eine Coachingstunde „dreht“: dass das Gefühl besteht, dass der Prozess stockt. Dann gibt es verschiedene Aspekte, die bewusst angeschaut werden können. Da ist zunächst die „Mitwirkungspflicht“ des Coachees – die er jedoch nicht immer ausfüllen kann. Die Person verteidigt sich dann gegen die Versuche des Coaches, mit Themen zu arbeiten, bei denen die Person noch Unsicherheit verspürt oder die
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ihm unangenehm sein können. So können z. B. Widerstände, als nach außen sichtbare Schutz- und Abwehrmechanismen, als „Verteidigung“ gegen innere, abgewehrte Wünsche, Bedürfnisse, Gefühle verstanden werden (vgl. 7 Abschn. 3.6). Es sind Grenzen, die die Person (unbewusst) ziehen kann und die es zu wahren gilt; doch auch wertschätzend zu beachten und zu beobachten, denn sie tragen dazu bei, dass der Prozess stocken bzw. sich drehen kann (vgl. 7 Abschn. 4.3.4). Oft können diese Grenzen jedoch nicht benannt werden, auch, weil die Person sie als solche nicht wahrnimmt. Im schlechten Fall bestätigt sich in dieser Sackgasse für die Person ein Teil von ihrem Weltbild – in Bezug auf die Bewältigung der Situation und in Bezug auf die Beziehungsgestaltung. „Ich hätte es mir denken können“ – ein sich bestätigendes generalisiertes Denkmuster: Selbsterfüllende Prophezeiung. z Sackgassenschilder
Woran kann der Coach erkennen, dass hier eine Grenze, ein unsichtbares „Stopp-Schild“ hochgehalten wird, das es wertschätzend zu beachten gilt? Zum Beispiel an nachfolgenden, Merkmalen, besonders wenn diese mehrmals zu hören sind: 5 „Ja-aber-Sätze“ sind keine Zustimmung; das „Ja“ wird wieder aberkannt. 5 Häufiger oder schneller, plötzlicher Themenwechsel: Die Person hat „zig“ Themen. Er kommt vom „Hölzchen aufs Stöcken“. 5 Schnelles Reden, ohne „Punkt und Komma“. Der Coach hat es schwer, mit seinen Interventionen dazwischenzukommen. 5 Viele Fragen, gerne aneinandergereiht, gerne zur Begründung von „Warum“? 5 Verleugnung eines Problems (besonders wenn die Person „geschickt wurde“): Im Prinzip weiß die Person nicht, warum sie im Coaching ist. 5 Verallgemeinern, Intellektualisieren: Die Person geht in philosophische Auseinandersetzungen über. Emotionales wird in formaler, affektloser Art behandelt. 5 Verschiebung des eigenen Problems auf andere Personen oder die Umstände und/ oder Verknüpfung mit anderen, weniger wichtigen Situationen. 5 Umdeutungen des Gesagten wie z. B.: 5 Vom Gefühl zum Denken, („Wie geht es Ihnen jetzt?“ – „Ich denke, das wird schon wieder“) 5 Vom Konkreten zum Allgemeinen („Möchten Sie diese Möglichkeit mal ausprobieren?“ – „Ich habe nichts gegen solche Methoden.“). 5 Vom ich zum man, („Wie geht es Ihnen damit?“ – „Man muss die Dinge eben nehmen wie sie sind“) 5 Vom Hier-und-Jetzt zum gestern oder morgen. („Möchten Sie das mal ausprobieren?“ – „So was habe ich schon mal gemacht“, „Ja, beim nächsten Mal“) 5 Häufiges Schweigen, immer stiller werden. 5 Häufiges Lachen, oft deplatzierte Scherze, Ironie, Sarkasmus. 5 Häufiges verschieben des Termins, zu spät kommen oder früher wegmüssen. Diese Merkmale können auch als Signal beachtet werden, genauer hinzuhören und die Grenzen zu wahren. Und nicht zu überreden, zu moralisieren, zu diagnostizieren, kurz: direktiver zu werden (7 Abschn. direktives Vorgehen 2.6.2). Dies wäre dann bereits von den Grundannahmen aus kontraproduktiv.
5.3 · Integrative Techniken & Perspektiven
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Was stattdessen tun? Finden Sie heraus, ob Ihr Coachee sich mit seinen Schutzmustern – mit seinem inneren Widerspruch – befassen will und machen Sie keinen Druck. Sprechen Sie Aspekte des Gehörten zu einem späteren Zeitpunkt an, dann, wenn sie sich wiederholen: „Mit fällt auf, dass Sie mir auf meine Fragen, wie es Ihnen damit geht, oft antworten, dass Sie die Dinge nehmen müssen wie sie kommen.“. Dies wäre ein vorsichtiger Kontaktversuch, mit Verschüttetem und Verdrängtem in Kontakt zu kommen, mit dem, was im Moment noch schwer annehmbar ist. Es ist jedoch auch ein Angebot an den Coachee, der Frage nachzugehen: Um was geht es wirklich? Welche Motive, Bedürfnisse stehen hinter dem Schutzwall? Es muss daher bereits eine vertrauensvolle Beziehung bestehen: Hier kann ich, Coachee, darüber sprechen, ohne beurteilt zu werden. Denn Schutzmechanismen sind ein Relikt aus vergangenen Zeiten, die in der Beziehung zum Coach wiederbelebt werden können (7 Abschn. 3.6 und 5.1). Für solche Momente gilt besonders das, was grundsätzlich gilt: Die Person wird ernstgenommen und ihre Abgrenzung respektiert. Denn auch in schwierigen Situationen ist die Reaktion die „gleiche wie die auf jede andere Einstellung des Klienten“ auch: „er versucht zu verstehen und zu akzeptieren“ (Rogers 1983, S. 192). Daher setzt strukturiertes Zuhören Eigenreflexion, viel Engagement und Energieeinsatz voraus. Und es verdeutlicht die Verflechtung von Kongruenz, Empathie und Wertschätzung. z Prüfung der Energieinvestition
Und weil strukturiertes Zuhören Energie und Einsatz des Coaches bedeutet, ist es relevant auch auf den Energieeinsatz des Coachees zu achten: 5 Wie viel Energie setzt der Coachee im Gespräch ein, wofür? Lässt er den Coach „machen“? 5 Wie viel Motivation wird beim Coachee deutlich? Wie viel Energie ist zu spüren, den Coachingprozess aktiv mitzugestalten und proaktiv an seinem Ziel mitzuwirken? Und daher sollte die Frage im Umkehrschluss an die eigene Person gerichtet sein: „Auf einer Skala von 1–10 …“: Wie viel Energie setzt die andere Person für die Sache ein? – Wie viel Energie setzte ich selbst ein? In Bezug auf Absprachen, die im Verantwortungsbereich des Coachees liegen, gilt: Sobald der Zeiger auf Ihrer Energieskala höher steigt, als bei dem andern, „stimmt was nicht“: Dann stimmt vielleicht das Ziel nicht mit den „eigentlichen“ Wünschen und Bedürfnissen überein. Doch „keine Energie“ für „Etwas“ ist eine Form von Widerstand und der Coach sollte ab und an überprüfen, wann und wieso er ggf. zum Animateur im Coachingprozess wird und statt wertschätzend und strukturiert zuzuhören in Aktionen übergehen will (7 Abschn. 4.3.4 Coachingkreislauf). Die als Widerstand wahrgenommene Reaktion kann also auf verschiedene Art erfolgen. Doch wesentlich ist, dass der Coachee sich verletzt fühlt – die dünne Haut an der inkongruenten Stelle ist zu unachtsam gestreift worden (7 Abschn. 2.4.2). Das kann durch Übertragung, durch die Belebung von Erfahrungen passieren, die in alten Beziehungen gemacht worden sind: durch dysfunktionale Wahrnehmungen der aktuellen Situation. Die Person reagiert als Verteidigungsmaßnahme auf dieses alte Gefühl in der aktuellen Beziehung und dies ist für den Coach dann vielleicht „unverständlich“ (zu stark, zu unsicher, zu schwammig, …).
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
z Ursprüngliche Verteidigungsmuster
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Die Verhaltenskonsequenz von diesen Schutz- und Verteidigungsmaßnahmen kann unterschiedlich sein: im Sinne des Kampf-Flucht-Starre-Musters (7 Abschn. 4.3.5) geordnet, kann der Coachee 5 sich groß machen – er bläht sich auf, verteidigt sich ohne „eigentlichen“ Angriff und stellt seine Grandiosität heraus: „Wenn ich vernünftige Mitarbeiter hätte, dann wäre alles kein Problem.“, „Ich hab jahrelange Führungserfahrung, war ja auch in vielen Kommunikationsseminaren; Was können Sie mir raten, um den Kollegen vom richtigen Verhalten zu überzeugen?.“ 5 sich klein machen – er gibt den Kampf um etwas auf: „Ich bin Opfer der Umstände, weiß, dass ich nichts kann, dass ich unfähig bin“ (Konflikte zu lösen, Führungsaufgaben zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen). Er beansprucht den Coach in hohem Maß und fordert subtil Aktionen von ihm, für sich zur Unterstützung ein. 5 sich zurückziehen – er „flüchtet“, entzieht sich dem „Kampf “, ergibt sich der Situation: „Aber jetzt bin ich hier im Coaching und da bekomme ich Hilfe.“, „Sie, Coach, stehen mir jetzt zur Seite.“. 5 den Coach kleiner machen – er geht zum Angriff über, stellt Kompetenz, Verfügungsbefugnis, Gewissenhaftigkeit und anderes infrage: „Ihr Kollege, bei dem ich war, ist aber auf diesem Gebiet fitter.“, „Da haben Sie aber was übersehen/einen Fehler gemacht/nicht alles bedacht.“. Und dann kann es sein, dass der Coach als Gegenantwort ebenfalls mit einer Abwehr reagiert: Die eigenen alten Erfahrungen werden aktiviert, die eigenen Werte wollen verteidigt werden: das, was aus einem „Fachwissen heraus“, aus „Sorge“ oder aus einem „Helfen-Wollen“ heraus gesagt worden ist, wurde vom Coachee abgewehrt, will verteidigt werden und der Coach reagiert ebenfalls mit Verteidigungsmaßnahmen. Sie können es erschweren, sich mit den Schwierigkeiten des Coachees ohne Voreingenommenheit zu beschäftigen. Gegenübertragungsreaktionen erzeugen komplementäre Reaktionen auf die Reaktion des Coachees. Mögliche Reaktionsweisen des Coaches in der Gegenübertragung auf oben Genanntes können daher sein: 5 Sich selbst klein machen: Ein Gefühl der Unzulänglichkeit will sich breit machen, es wird überlegt, ob man wirklich kompetent genug ist, ob man den Auftrag nicht besser weitergegeben hätte, die eigenen Strategien werden infrage gestellt … Kurz: Das eigene Selbstbewusstsein schwindet, dadurch entstehen Unklarheiten in der Kommunikation/Prozessführung und es kann die „selbsterfüllende Prophezeiung“ einsetzen. 5 Übermäßige Helfermotivation zeigen: Es werden Aufgaben für den Coachee übernommen, es werden sich mehr als gewöhnlich um die Person Gedanken gemacht; Die Person wird im Coachingprozess geschützt und weniger oder gar nicht konfrontiert. 5 Es entsteht ein Verantwortungsgefühl, „Vater-/Muttergefühle“ für den Coachee: Der Coach identifiziert sich mit ihm, schätzt das „harmonische“ Coaching und geht davon aus, dass der Coachee „einsichtig“ ist. 5 Der Coach fühlt sich in einer Verteidigungs-/Rechtfertigungsposition: Er verhält sich übermäßig aggressiv gegenüber dem Coachee, das Vertrauen kommt nicht zustande oder ist gestört, den Vereinbarungen wird mit Argwohn begegnet, ein „Fehlergucken“ erwächst.
5.3 · Integrative Techniken & Perspektiven
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z Gegenwärtige Widerstandsquellen
Doch kann die als Widerstand wahrgenommene Reaktion – der innere Widerspruch – des Coachees nicht nur auf seinen biografischen Erfahrungen gründen. Auch der Coach kann mit bestimmten seiner Eigenarten Widerstand erzeugen, der jedoch primär durch die aktuelle Situation im Coaching ausgelöst wird: 1. Angebot ist nicht klar: Der Coach möchte eine Karriereberatung. Jedoch konzentriert sich der Coach vorwiegend auf die Selbstentwicklung des Coachees und die Sinnfindung: Der Coach stellt die Prozess- und Beziehungsarbeit, das Anregen der Selbstexploration zu sehr in den Vordergrund. So können Erwartungen und Angebot aneinander vorbei gehen: die Frage nach faktischer Unterstützung wird (implizit) ignoriert oder zur Seite geschoben. Hier muss überprüft werden: gibt es ein Passungsverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage oder sollte die Klientin weiter verwiesen werden? (vgl. Sander und Ziebertz 2010) 2. Unklare Grenzen: Widerstand kann auch dadurch beim Coachee ausgelöst werden, wenn „plötzlich“ eine Grenze gezogen wird, die vorher nicht klar, oder nicht da war (Das Angebot „Sie können mich jederzeit anrufen“ wurde vom Coachee genutzt und der Coach reagiert jetzt unwillig darauf). Die nicht klar kommuniziert wurde und der Coach sie aber auch nicht deutlich einfordert. Denn wenn Grenzen übertreten werden, können „… sich Zuneigung und der Wunsch zu helfen, in Widerwillen und Ablehnung“ verwandeln. Denn jedes Beratungsangebot beinhaltet Grenzen und Rahmenbedingungen. Wie klar werden diese bei Bedarf, direkt und unmissverständlich, benannt? (vgl. Rogers 1985, S. 92 f.) 3. Reaktive oder sekundäre Inkongruenz: Die Person erlebt die gleichen (ablehnenden) Reaktionen wie in seinem Umfeld: der Coach unterliegt dem Gegenübertragungsgefühl. Wenn, z. B. als Reaktion auf zu geringe Selbstexploration der Coach Langeweile spürt, in Aktionismus verfällt oder auf einen Zusammenhang insistiert. Dann ist zu prüfen: Kann die Person in seinem inneren Bezugsrahmen noch bedingungslos, positiv angenommen werden? Die Chance ist, dem Gegenübertragungsgefühl bewusst zu werden und daraus entstehende Verstehenshypothesen, über das vermutete Erleben des Coachees, mit ihr zu nutzen (vgl. Keil und Stumm 2018). 4. Übertragung und Projektion des Coaches: der Coachee fühlt sich von den Interventionen des Coachs unverstanden, sie erscheinen nicht zu ihm passend. Auch der Coach ist nicht frei von Übertragung und Projektionen. Kongruenz, sich „als Person zu zeigen, die man tatsächlich in der Beziehung ist“ (Schmid 1989, S. 122) ist die schwierigste Bedingung und gleichzeitig professionelle Kompetenz, die stets erweitert werden kann. Offen zu sein, für die eigenen Erfahrungen, die im Hier-und-Jetzt gemacht werden und im Nachgang, danach forschen, wer eigentlich gemeint war – ist hier primär die Entwicklungschance für den Coach. 5. Selbsteinbringung: Warum erzählt der Coach mir das jetzt? Was hat das mit mir zu tun? Derartige Fragen, die die Person sich nicht beantwortet kann, können ärgerlich machen: Die „Selbsteinbringung“ des Coaches setzt dann nicht am inneren Bezugsrahmen des Coachees an, sondern an seinem eigenen. Daher ist die (implizite) Frage zu stellen: Welches eigene Erleben soll mitgeteilt werden? Aus welchem aktuellen Grund? Hilft es wirklich dem Coachee? Oder sollen eher eigene Meinungen oder Befürchtungen mitgeteilt oder eigene Geltungsbedürfnisse befriedigt werden? Auch wenn ein „Feedback“ vom Coachee eingefordert wird, sollten Absicht und Wirkung der Antwort geprüft werden.
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Kapitel 5 · Personzentriert-Integratives Coaching
Denn in der professionellen Beziehung „Klar-und-da-sein-sollen“ und doch „fremd-bleiben-müssen“ ist eine der Voraussetzungen, damit sich die Person in sich selbst erkennen kann.
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Wenn der Prozess stockt, dann muss somit zunächst auf die Beziehungsgestaltung geschaut werden, denn psychodynamische Wechselwirkungen sind unvermeidlich: Ein Coaching ist ein Beziehungsangebot und dies wiederum ist ein wechselseitiges, dynamisches Miteinander. Wertschätzen-emphatisch und kongruent zu sein und in der persönlichen Selbstentwicklung zu werden, ist nur die eine Seite: die des Coaches. Doch die andere menschliche Seite – der Coachee – ist die entscheidende: sie entscheidet darüber, wie das Angebot angenommen wird; hier liegen das Potential und die Entwicklungsmöglichkeiten. Denn keine Person ist ohne ihr psychologisches Mitwirken erreichbar – die Person muss sich auch selbst-entwickeln wollen.
Literatur de Roeck, B.-P. (1985). Gras unter meinen Füßen. Eine ungewöhnliche Einführung in die Gestalttherapie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag. De Shazer, S. (2002). Der Dreh: Überraschende Wendungen und Lösungen in der Kurzzeittherapie. Heidelberg: Auer. Doubrawa, A. und E. (Hrsg.) (2005). „Was ist Gestalttherapie?“. Köln: Hammer Verlag. Grawe, K. (2000). Psychologische Therapie. Göttingen: Hogrefe. Hellwig, C. (2017). Erstauflage dieses Buches: Personzentriert-integrative Gesprächsführung im Coaching. Hüther, G. (2018). Würde. Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft. München: Knaus. Hermanns, H. (1981). Das narrative Interview in berufsbiografisch orientierten Untersuchungen. Arbeitspapiere des Wissenschaftlichen Zentrums für Berufs- und Hochschulforschung an der Gesamthochschule Kassel. Keil W. W. & Stumm G. (2018). Praxis der Personzentrierten Psychotherapie. Heidelberg: Springer Verlag. Luft, J., & Ingham, I. (1955). The Johari window, a graphic model of interpersonal awareness. In Proceedings of the western training laboratory in group development. Los Angeles: UCLA. Malan, D. H. (1979). Individual Psychotherapy and the Science of Psychodynamics. London: Butterworth & Co. Licensing Agency. Richter, F. (2009). Coaching als kreativer Prozess. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Rogers, C. R. (1973). Entwicklung der Persönlichkeit. Stuttgart: Klett-Cotta. Rogers, C. R. (1983). Therapeut und Klient. Grundlagen der Gesprächspsychotherapie. Frankfurt a. M.: Fischer. Rogers, C. R. (1985). Die nicht-direktive Beratung. Frankfurt a. M.: Fischer. Rogers, C. R. (2009). Die Klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie. Frankfurt a. M.: Fischer. Sander, K., & Ziebertz, T. (2010). Personzentrierte Beratung: Ein Lehrbuch für Ausbildung und Praxis. Weinheim: Juventa Verlag. Schmid, P. F. (1989). Personaler Begegnung Der Personzentrierte Ansatz in der Psychotherapie, Beratung, Gruppenarbeit und Seelsorge. Würzburg: Echter. Schmid, P. F. (2000). Was ist Personzentriert? Vortragsfassung. „Identität-Begegnung-Kooperation. Person-/Klientenzentrierte Therapie und Beratung an der Jahrhundertwende“. 7 http://web.utanet. at/schmidpp/paper-szbg-wasist.pdf. Zugegriffen: 22. Juli 2016. Schütze, F. (1981). Prozeßstrukturen des Lebenslaufs. In J. Matthes, A. Pfeifenberger, & M. Stosberg (Hrsg.), Biographie in handlungswissenschaftlicher Perspektive. Kolloquium am Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum der Universität Erlangen (S. 67–156). Nürnberg: Verlag der Nürnberger Forschungsvereinigung. Stavemann, H. H. (2015). Sokratische Gesprächsführung. In: Linden, M. & Hautzinger, M. Verhaltenstherapiemanual (S. 251–260). Berlin, Heidelberg: Springer. Tausch, R., Eppel, H., Fittkau, B., & Minsel, W.-R. (1969). Variablen und Zusammenhänge in der Gesprächspsychotherapie. Zeitschrift für Psychologie, 176, 93–102.
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Trust the Process Literatur – 139
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Hellwig, Personzentriert-integrative Gesprächsführung im Coaching, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29118-1_6
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Kapitel 6 · Trust the Process
Was befähigt einen Coach, andere Menschen zu unterstützen, etwas mit Ihnen zu erreichen und die Person zu erreichen? Was lässt einen Coach schwierige Situationen bewältigen und wissen, was Priorität hat? Was ermöglicht, dass ein Coach auf eine andere Person empathisch eingehen, Wertschätzung leben und dabei kongruent bleiben kann? Es sind die persönlichen und sozialen Kompetenzen. Sie sind es, die die unterschiedlichsten Beziehungsanforderungen bestehen lassen. Und sie sind das Fundament, auf dem jede Technik steht. Oder umgekehrt: Jede Technik kann nur so unterstützend wirken, wie das in Kontakt sein mit sich selbst und dem Gegenüber gelingt. Je weniger Beziehungskompetenz, desto weniger Nutzen im Coaching. Je mehr der Coach sich selbst kennt, desto mehr kommt der Coach in Übereinstimmung mit sich selbst. Je mehr der Coach dadurch bedingt darauf hören kann, was beim Coachee „gerade DA“ ist, desto hilfreicher kann er sein. Die Entwicklung der Persönlichkeit, die Auseinandersetzung mit dem Eigenen steht im Fokus – beim Coach und beim Coachee. Die Ressourcen – die eigenen und die des Coachees – zu erkennen und den Anforderungen einer anspruchsvollen, hilfreichen Beziehungsgestaltung gerecht zu werden, ist damit die übergreifende Absicht unserer Coachingweiterbildung. Um diesen Prozess zu unterstützen, gibt es in diesem Buch einige Reflexionsbögen. Und welche immer es auch sind, die Sie sich davon vornehmen wollen, was auch immer Ihnen wichtig ist, es genauer zu beobachten: es braucht Zeit. Zeit, um das Geschehen im Hier-und-Jetzt wahrnehmen zu können. Zeit zum Verstehen, was „da“ passiert. Zeit zum Nachspüren und darüber klar zu werden, ob und wie das, was sich gezeigt hat, umgesetzt werden will. Die Coachingausbildung zum personzentriert-integrativen Coach enthält aus diesen Gründen nicht nur theoretische Inputs, praktische Übungen und Supervisionen des Coachingalltages, sondern auch viele Selbsterfahrungsanteile. Denn „Einsicht“, also das Erkennen neuer Zusammenhänge, „beinhaltet die Reorganisation des Wahrnehmungsfeldes“ (Rogers 1985, S. 187); das gilt für alle Menschen, egal in welchen Rollen. Und diese Reorganisation braucht verschiedene Impulse – im Denken, Handeln, Fühlen – und eben Zeit zur Entfaltung. Diese können Sie, mit dem Material dieses Buches, unterstützen – wenn Sie mögen. Und wenn Eingangs gefragt worden ist, wie basale und doch anspruchsvolle Gesprächsführungstechniken wirksam im Coaching eingesetzt werden können, wie Hypothesen gebildet und geprüfte werden und wie schwierige Situationen konstruktiv gelöst werden können, dann wird es Sie jetzt nicht wundern, dass die abschließende Antwort nun lautet: vor allem durch die kongruente Umsetzung Ihre Person. Daher sollte eine Überprüfung mit im Coachingraum sein: Aus welcher Motivation heraus will ich was tun? Was „braucht“ der Coachee aus meiner Sicht – wobei doch seine maßgeblich ist? Wenn Sie sich also demnächst, mitten in einem Coachinggespräch, vielleicht fragen: „Was mache ich nur mit dem?“, und Ihre innere Reaktion sucht nach der passenden Technik, dann könnten die hilfreichen Fragen ggf. eher sein: Was lässt mich jetzt nach einem „Tool“ suchen? Was macht mir gerade Druck? Was lässt mich gerade unsicher, innerlich lästernd oder aktionistisch sein?
139 Literatur
Und dann atmen Sie tief ein und bleiben Sie innerlich bei dem, was sich gerade zeigen will – und können so immer mehr das Relevante zur Unterstützung für den Coachee nehmen: Die Wirksamkeit der Beziehung. Das was sich im Hier-und-Jetzt zeigt, Das was sich im Hier-und-Jetzt zeigt, was wirklich DA ist. Trust the Process. (Carl Rogers)
Literatur Rogers, C. R. (1985). Die nicht-direktive Beratung. Frankfurt a. M.: Fischer.
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Serviceteil Anhang – 143 Literatur – 157
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Hellwig, Personzentriert-integrative Gesprächsführung im Coaching, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29118-1
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Anhang 4 Schrie auf dem Weg zu mehr Kongruenz Die Überprüfung der Kongruenz ist für alle Menschen ein lebenslanger Prozess der durch Selbstbeobachtung unterstützt werden kann. Die nachfolgend genannten Selbstappelle und Fragen können daher die Aufmerksamkeit auf die Überprüfung dieser Übereinsmmung lenken.
„Ich bin der Steuermann für mein individuelles System.“ Das bedeutet: Wahrnehmen können, was im Moment da ist - an inneren Vorgängen und an äußeren Bedingungen. Sind beide in Übereinsmmung? Wo sind meine Grenzen in der Beziehungsgestaltung, im Einlassen-Wollen auf den anderen? Als Steuermann (oder -frau) nehme ich die atmosphärische Veränderung auf und kann entscheiden, ob ich darauf reagieren will und wie ich darauf reagieren will, oder sogar reagieren muss. „Alles was mein individuelles System irriert, beachte ich.“ Ich kann unterscheiden, ob es von außen oder von innen kommt. Ich kann bewusst wahrnehmen, was DA ist: An Gedanken und an Gefühlen. Das bedeutet: Achtsam in der Beziehung zu sich selbst und achtsam im Wechselspiel der Beziehung zum anderen zu sein. Wenn es als Irritaon wahrgenommen wird, entscheide ich darüber ob und wann ich es ansprechen will. Mit immer wieder integrierter Selbstbeobachtung kann kongruentes Handeln überprü und „geübt“ werden. Möglicherweise in, oder nach einer spezifischen Situaon, bspw. mit der Beantwortung dieser Fragen: 1.
Welche körperlichen Reakonen waren spürbar?
________________________________ ______________________________________________ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________ 2.
Welches Gefühl konnte ich dahinter spüren oder vermuten?
______________________________________________________________________________ _ ______________________________________________________________________________ _ ______________________________________________________________________ ________ 3.
Welche Bedürfnisse hae ich im Moment? Kann ich diesen nachgeben? (Was häe ich in diesem Moment gebraucht?) ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________ ______________________ __
______________________________________________________________________________ 4.
Was hae ich stadessen getan oder gesagt? (Welche Reakon gab es von mir?)
________________________________________________________________________ ______ ______________________________________________________________________________ ______________________________________________________________________________
. Abb. A.1
144
Anhang
Eigenarten der Intervenonen Intervenonen können beim Coachee besser ankommen, sie haben mehr „Kra “, wenn sie besmmte Eigenscha en enthalten.
In der personzentriert-integraven Gesprächsführung sollten Intervenonen daher…
kurz sein, da zu umfangreichen Ausführungen weniger in ihrem Kern aufgenommen werden können.
das momentan Wesentliche wiedergeben und sich nicht auf Nebensächliches beziehen.
das Erleben des Coachees in Beziehung zu sich selbst und zur Umwelt setzen.
so konkret wie möglich den Kern dessen was der Coache meint, wiedergeben.
sich auf das Hier-und-Jetzt konzentrieren: Verbales und Nonverbales aufgreifen, das, was sich im Moment zeigt.
den Coachee eventuell dazu ermuntern, als „unverbindliches Angebot“, seine Gefühle wahrzunehmen, auch und gerade, wenn dieser sich mit seinen Einstellungen und seinem Erleben nicht auseinandersetzen will.
den Coachee als Experten seiner selbst wahrnehmen. Der Coach kann fragen, ob er ihn richg verstanden hat, wie er das aus seiner Sicht empfinde: „Wenn ich Sie richg verstanden habe…?“ „Ich frage mich gerade wie Sie das empfinden?“ „Ich frage mich gerade, was in Ihnen vorgeht?“
„beschützt“ werden: hinhören, ob und wie der Coachee über Intervenonen wegläu und ihn ggf. darauf aufmerksam machen.
den Coachee in seinem Schutzbedürfnis ernst nehmen: Abwehrverhalten wird nicht diskuert, sondern respekert.
Das gelingt mir schon gut: ___________________________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________________________ Darauf will ich im nächsten Coaching vermehrt achten: ___________________________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________________________ ___________________________________________________________________________________________
. Abb. A.2
145 Anhang
Interner Auragscheck
Dieser kann zur Überprüfung des roten Fadens der Auragsgestaltung eingesetzt werden. Coachee:
Datum:
Anlass: Warum möchte die Person ein Coaching? (Möchte sie?). Welchen aktuellen Anlass gab es, jetzt ein Coaching nachzufragen? Warum nicht früher? Warum konnte nicht noch gewartet werden?
Aurag (implizit): Was erwarten der Coachee vom Coaching? Was vom Coach?
Blick auf den Coachee Themen des Coachees: Welche gewünschten Coaching-Themen werden vom Coachee explizit an- und ausgesprochen?
Ziel des Coachees: Welches Ziel möchte die Person mit dem Coaching erreichen? Kann dies als Handlungsziel benannt werden? Liegt dieses Ziel in ihrer alleinigen Handlungsreichweite? Oder besteht dabei eine Abhängigkeit von anderen Personen oder Umständen oder wird diese als solche nur benannt?
Problemfokus und Änderungsbereitscha: Wer hat, aus der Sicht des Coachees, das Problem? Gibt es Veränderungsbereitscha beim Coachee? Oder erho er vom Coach Tipps zur Änderung anderer Personen?
Themen im Coaching: Welche impliziten Themen konnten noch gehört werden?
Der Coach Ziel des Coachs: Ist das Ziel des Coachs auch das Ziel des Coachees? Werden andere, eigene, Ziele benannt oder sind sie unausgesprochen vorhanden und beeinflussen unmerklich den Prozess?
. Abb. A.3
146
Anhang
SMARTe Zielklärung Bewährtes Hilfsmiel für Überprüfung konkreter Zielplanung/-vereinbarungen. Die aufgeführten Fragen sind eine Auswahl, dienen der internen Überprüfung und können als (implizite) Klärungsgrundlage genommen werden.
S
Ist das Ziel spezifisch? Kann es posiv und konkret formuliert? Welches konkrete Ziel will erreicht werden? Handlungsziel!
M
Ist das Ziel messbar? (Überprüar) Woran könnte der Coachee konkret erkennen, dass (ggf. einzelne Meilensteine) erreicht sind?
A
Ist das Ziel arakv? Ist das Ziel in einer Liste von eigenen Akonen darstellbar? Sehen, Hören und Fühlen akviert die Anziehungskra - was moviert? Welche einzelnen Schrie wollen (gerne) umgesetzt werden? Kann es aus eigener Kra, mit eigenen Akonen erreicht werden?
R
Ist das Ziel wirklich realissch, kann es aus eigener Kra erreicht werden? Ist das Ziel erreichbar? Ist es ökonomisch sinnvoll? Welche Hindernisse könnte es geben?
T
Ist das Ziel terminierbar (Zwischen-, Endtermine)? Bis wann wollen Sie, was genau, in welchen Zwischenschrien oder Meilensteinen erreicht haben?
. Abb. A.4
147 Anhang
Rollenerwartungen Erwartungen werden als spezifische Verhaltensweisen definiert, die vom Träger einer Posion erwartet werden. Jede Führungskra hat z.B. eine persönliche Vorstellung davon, wie eine Führungsrolle ausgefüllt sein soll. Erwartungen und Erwartungserwartungen besmmen ihr Handeln dabei. Welche sind mit der (Führungs-)Rolle verbunden? 1.
Welche Erwartungen stellen Sie an sich (als Führungskra, als Mitarbeiter im Vertrieb, als Coach, …)?
Schreiben Sie in die Figur (ggf. auf dem Flipchart) die Erwartungen, die Sie - in der Rolle - an sich selbst stellen.
Im zweiten Schri geht es um die Außenwahrnehmung 2.
Welche Erwartungen werden aus Ihrer Umwelt an Sie gestellt?
Schreiben Sie die Erwartungen außerhalb der Figur, von denen Sie annehmen, dass andere sie an Sie stellen.
Im Gespräch danach: 3.
Welche Übereinsmmungen gibt es?
4.
Wo werden widersprüchliche Erwartungen sichtbar?
. Abb. A.5
148
Anhang
Rollenanteile Die Kenntnis der „Rollenanteile“ zielt darauf ab, die Vielfalt der Rolle als Führungskra (oder als Coach), bzw. deren verschiedene Rollenanteile zu kennen und so Wechselwirkungen bearbeitbar zu machen. So kann die eigene Identät als Führungskra gestärkt werden und Ressourcen erkannt werden. Welche Rollenanteile haben Sie in Ihrer Rolle als Führungskra inne? Bei der Findung hil ein Rückblick auf Situaonen und Ihre Handlungsweise oder inneren Impulse: Welche Anteile z.B. als „Friedensrichter“, „Versorger“, „der Strenge/Autoritäre“, „Gestalter“, … zeigten sich (temporär)? Welche Rollenanteile konnten Sie idenfizieren?
1.
Wie smmt Ihre Rollenanteile mit Ihrem Bild von sich als Führungskra überein?
2.
Welche Teile sind dominant?
3.
Welche Teile können so bleiben?
4.
Welchen Anteil möchten Sie mindern
5.
Welchen Anteil möchten Sie erweitern?
. Abb. A.6
149 Anhang
Ebenen der Parzipaon Der Organisaonsentwicklungsprozess muss für eine Person verstehbar sein, um sich integrieren zu wollen und können. Um dieses Verstehen zu unterstützen können mit dem Coachee spezifische Situaonen und Stufen nachgegangen werden. Parzipaon ist ein mehrstufiger Prozess, der geprägt ist von Veränderungen und getragen ist von fortgesetzter Veränderungsbereitscha auf allen Ebenen (vgl. Abschn. 4.3.5, S.95):
Mit der Klärung dieser Fragen kann der Prozess der Verstehbarkeit unterstützt werden: Wo steht der Coachee im Prozess der Mitbeteiligung? Wie sinnvoll werden innere und äußere Vorhaben und Ziele empfunden, wie konsistent und klar werden die Informaonen wahrgenommen und wie handhabbar erscheint die Umsetzung für sich selbst? 1. Sind die Voraussetzungen zur Parzipaon gegeben: Die zur Verfügung stehenden Informaonen werden konstrukv aufgenommen und ein staindender Meinungsaustausch fördert ein Verständnis füreinander? 2. Wie weit gelingt akve Mitbeteiligung: Besteht die Möglichkeit der Mitsprache und wird diese genutzt? Können und werden im entstehenden kooperaven Austauschprozess wesentliche Aspekte einer Maßnahme abgesmmt werden? Kann die Übertragung von Entscheidungskompetenz genutzt werden? 3. Wie gelingt die Umsetzung: Kann und wird das Projekt oder die Maßnahme von den Mitgliedern der Gruppe selbst iniiert und durchgeführt?
(vgl. Straßburger,G.& Rieger,R., 2014. Stark modifiziert, Grafik: Hellwig, C. 2019)
. Abb. A.7
150
Anhang
Profilklärungsfragen Coaching sollte ein bewusstes, absichtsvolles Angebot des Coaches sein; es sollte mit seinen Intenonen übereinsmmen, authensch sein. Zur Selbstklärung kann die Beantwortung dieser Fragen beitragen:
Wer gehört zu Ihrer Zielgruppe/Hierarchieebene, wer nicht?
Welche themaschen Schwerpunkte bieten Sie als Coach?
Welchen Nutzen hat der Coachee von Ihrem Angebot?
Wenn Sie eine (Arbeits-/Praxis-)Gemeinscha häen – mit welchen Berufsgruppen würden Sie zusammenarbeiten?
Wie sieht Ihr Praxisraum aus? Wie ist er eingerichtet? Farben? Möbel? Sl? Etc. In welchem Bereich des personzentrierten Angebotes haben Sie Ihre Ressourcen oder fühlen Ihre größte Sicherheit?
Was verbinden Sie mit der Humanisschen Haltung? In wie weit haben Sie sie bereits integriert? Woran merken Sie das?
Ist Ihr Coaching eher ressourcen- oder problemorienert?
Welche Aspekte des PZA sind dir für Ihr Coachingangebot wichg? Welchen Mehrwert gibt es dadurch?
Wenn Sie nicht gebunden wären – in welcher Stadt würden Sie dann Ihre Praxis auauen?
Wie würden Sie Ihr Menschbild beschreiben?
Wie werden Sie versuchen Veränderungen zu unterstützen, Entwicklung anzuregen?
Wie sähe Ihr Türschild/Hinweisschild aus und was würde darauf stehen?
Welche persönlichen Ressourcen bringen Sie als Coach mit in das Beziehungsangebot zum Coachee?
Welche Ihrer fachlichen Kompetenzen könnten bei Ihrer Tägkeit als Coach, für Ihre Coachees, hilfreich sein?
Wie könnten Sie sich vor einem Abschweifen in die „Expertenrolle“ schützen? Wann wäre Diese Ihrer Meinung nach sinnvoll?
In welchem coachingrelevanten Bereich würden Sie sich noch weiter entwickeln wollen? Mit welchem Ziel?
. Abb. A.8
151 Anhang
Dem Körperwissen auf die Spur kommen
Mit folgendem Vorgehen kann der körperorienerte Suchprozess unterstützt und begleitet werden:
Freiraum schaffen Spüren Sie in Ruhe in Ihren Körper hinein. … Lassen Sie sich Zeit dabei. Nehmen Sie das wahr, was Sie beschäigt,…. und warten Sie eine Weile, was sich körperlich zeigen mag… -
wie fühlt es sich an? … Bleiben Sie einfach dabei. was empfinden Sie dabei? welche Bilder entstehen? welche Erinnerungen haben Sie daran? …
Ist das Thema als Ganzes dem Coachee präsent, dann kann er weiter in seinen Erlebensprozess geführt werden, indem bspw. gefragt wird:
-
Wenn Sie … (Thema) so als Ganzes wahrnehmen (sehen, spüren, hören…), wie geht es Ihnen dabei? Was passiert dann in Ihnen? Was können Sie nun innerlich wahrnehmen, wenn Sie das Ganze von … so vor sich haben? …
Wenn dieser innere Prozess in Achtsamkeit unterstützt und begleitet werden kann, dann kann sich das bilden, was Gendlin den Felt Sense genannt hat. Wenn dieser dann wahrgenommen wird, können diese möglichen Fragen beim Verstehen und beim Konkresieren helfen: -
Wo im Körper nehmen Sie das wahr? Welche Form hat es? Wie groß/klein/schwer/leicht ist es Gibt es ein Wort dazu? Ein Bild? Eine Farbe? Eine Bewegung?
Ggf. ist es auch nur „irgendwas“: „Sie spüren da irgendwas im Hals.“ Es gilt: bei dem zu bleiben was kommt, was sich bilden will.
Der Coachee findet dabei alleine die richgen Worte. Es gibt kein richg oder falsch.
. Abb. A.9
152
Anhang
Beispiel einer berufsbiografischen Erzählung „Bi e erzählen Sie doch, wie Ihr Berufsweg nach Ihrem Schulabschluss verlaufen ist, wie es dazu kam, dass Sie heute diese Weiterbildung hier machen.“ Nach dem Abi sollte ich unbedingt studieren. Mein Schn war auch nicht so schlecht. Aber ich wusste gar nicht was. Kunst ha e mich interessiert, aber das war für meine Eltern nichts. Da waren die total dagegen. Außerdem brauchte man eine Mappe und die hä e ich so schnell nicht hinbekommen. Dann habe ich mich eigentlich dazu überreden lassen, ja so muss ich das sagen, BWL zu studieren. Aber das war nicht wirklich meins. Nach drei Semestern haben meine Eltern dann auch gemerkt, dass es nichts bringt, weil ich gar nichts mehr gemacht hab. Und dann kam ich auf den Gedanken, dass es ganz schön wäre Erziehungswissenscha en zu studieren. So was eher Menschliches lag mir mehr. Und die Inhalte hörten sich auch ganz interessant an. Da der Wechsel unproblema sch war, war ja auch in Essen, hab ich das dann auch getan … Aber irgendwie war bei mir die Lu raus zu lernen. Es war auch wieder so viel Theorie, das hat mich eigentlich nicht so interessiert und ich dachte auch, dass das viel prak r wäre. Ich habe da ganz schön auch die Scheine geschludert, weil es so viele Grundlagentheorien waren. Und nach vier oder fünf Semestern sagten meine Eltern dann „So, jetzt sieht mal zu, dass du vorankommst“. Da wurde der Druck einfach größer… aber das war definit der falsche Weg von denen. Die haben dann auch angefangen von Geld zu sprechen, immer ö er, aber arbeiten gehen das ging irgendwie nicht, das war ja nicht so wie heute, dass man überall nen kleinen Studentenjob bekommt. Keine Ahnung warum, ich hab dann gesagt, ich hör dann ganz auf zu studieren. Vielleicht auch so ein bisschen Trotz. Eine Freundin von mir ha e zu dieser Zeit eine Ausbildung bei einer Bank gemacht. Und über diese Freundin, die kannte jemanden bei einer Elektrofirma…. Das war, oder ist noch, ein großer Elektrobetrieb. Die haben damals schon Au äge vom großen E-Werk bekommen und so. Jedenfalls hab ich dann über diese Freundin diese Ausbildungsstelle zur Bürokauffrau bekommen. Die kannte eine die bei der Fa. Müller arbeitete und die hat gesagt, dass die Auszubildende suchen, auch eine für´s Büro. Meine Eltern haben sich an die S n pt und gesagt, dass ist das letzte bei dem sie mich finanziell unterstützen. Ich weiß noch, dass ich dann gesagt habe, das ist doch auch was mit Zahlen – sie sollten doch froh sein. Ja und dann habe ich da die Ausbildung gemacht. Und das war ehrlich ganz gut. Natürlich gab es auch Tiefen. Aber ich hab gesehen für was ich das tue und es waren auch da Leute, die mich echt unterstützt ha en. Nicht immer so ein „du musst das jetzt auch noch machen“ Druck. Es war einfach so, dass es gemacht werden musste, sonst lief der Laden nicht. Und es ist mir viel leichter gefallen. Das war auch ganz gut da, weil da alle auch ne waren und echt Verständnis ha en, wenn mal was war… und die haben ja die neusten Computer gehabt und moderne Programme. Nach der Ausbildung hab ich da noch vier Jahre gearbeitet. Hab meinen Mann in dieser Zeit kennen gelernt. Ja und dann haben wir geheiratet… ja und dann wurde ich schwanger... meine Tochter wurde geboren, bin dann erstmal zu Hause geblieben – wie man das so gemacht hat. Mein Mann war damals auch dafür. Der war auch der Meinung, wofür kriegt man Kinder, wenn sich dann keiner drum kümmert…. In der Zeit danach habe ich nicht versucht mich irgendwo zu bewerben. Wir wollten ja auch ein zweites Kind…. Mein Sohn wurde dann zwei Jahre später geboren. So kam das halt, dass ich dann erstmal zu Hause blieb. Dachte dann immer, dass, wenn mal der Kleine im Kindergarten ist, dass ich dann wieder Arbeiten gehe, aber... naja. Und irgendwie war immer was anderes. Aus dem, 2-3 Jahre zu Hause bleiben sind dann insgesamt zwölf Jahre geworden. Ich ha e mich dann auch mal hier und da beworben, aber da kam nie was Rich ges zurück. Oder die wollten einfach nicht gut genug zahlen. Das ist auch so ein Thema. Für so ein bisschen Geld gehe ich nicht arbeiten. Oder die Zeiten waren total daneben. Ich konnte halt nur weil die Kinder ja noch in der Schule waren. Und dann bin ich wieder zum Jobcenter und vormi die haben sich meinen Lebenslauf angeguckt und haben gesagt ich sollte diese Weiterbildung machen. Ja, und jetzt bin ich hier, weil ich wieder irgendwie einen Anschluss bekommen soll. Aber ganz ehrlich - so ganz weiß ich noch nicht was ich hier soll… . Abb. A.10
153 Anhang
Die SWOT-Zwei-Ebenen-Analyse Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses) sind „innere Faktoren“. Hier kann die Person ihre Stärken und Schwächen so kennen- und nutzen lernen und ein breiteres Reakonsspektrum erlangen, um proakv kontextund persongerecht handeln zu können. Gefahren (Opportunies) und Chancen (Threats) sind nicht direkt beeinflussbar, es sind „äußere Faktoren“. Wie kann die Person vorgehen, um auf diese externen Bedingungen adäquat reagieren zu können? Hier ist die Zielrichtung der Handlungen und Maßnahmen auch abhängig von der Umwelt.
Was denkt der Coachee über seine Situaon und was könnte getan werden? (kognive Analyse Ist-Situaon) Stärken Was lief/läu gut? Worauf bin ich stolz?
GEGENWART Schwächen Wo liegen die Fallen, Barrieren? Was stört, was fehlt, was bremst?
Was ist in der Zukun möglich? Welche konkreten Verbesserungen und
Z UKUNFT Gefahren Welche Belastungen können kommen? Was sind mögliche Risiken,
Wie geht es dem Coachee dabei? Wie fühlt er sich? (erlebensorienerte Analyse) Stärken Wann können Emoonen frei benannt werden? Wann „fühlt es sich gut“ an?
G EGENWART Schwächen Wann wird es als schwierig empfunden? Welche Grenzen werden gespürt?
Was würde ermugen? Welche Bereicherung wird es geben? Welcher Sinn könnte in dieser
Z UKUNFT Gefahren Was würde einschüchtern? Welche Krisen/ Zurückweisungen könnte es
Berry T., Wilson D. (2000): On Target: The Book on Markeng Plans. Palo Alto Soware Inc. Hellwig, C. (2019); modifiziert und erweitert
. Abb. A.11
154
Anhang
Wer ist gemeint? Ab dem ersten Kontakt wirken die Eindrücke, die der Coach vom Coachee bekommt. Indem wir die Wahrnehmungen mit unseren Emoonen und Bedeutungen belegen, entstehen innere Portraits einer Person: (Vor-)Urteile. Dieser Umstand hat mehrere Konsequenzen für unsere Beziehungsgestaltung:
1. Es sollte bewusstwerden können, an welche Person mich der Coachee erinnert, mit Kleinigkeiten in der Kontaktgestaltung: An wen erinnert mich der Coachee? ____________________________ ________________________________________________ _ Was an der Körperspräche? - Welche Bewegung erinnert mich an wen? Das gleiche Lächeln wie…? Die Smme ist ähnlich wie…? …? _____________________________________________________________________________ Aus diesen, ggf. nur undeutlich wahrgenommenen Übereinsmmungen folgt, dass die Beziehungserfahrungen, die mit der erinnerten Person gemacht wurde, in die Beziehung mit dem Coachee hineingetragen werden: posive wie negave, für die Kommunikaon förderliche und hinderliche.
2. Daher sind die Gefühle, das Bild, das die Gedanken an diese Person in mir auslösen, ins Bewusstsein zu rücken, denn sie können sich wie ein Schleier über die Beziehungsgestaltung zum Coachee legen. In welcher Beziehung stand ich zu dieser Person? ______________________________________________________________________________ Welche Gefühle werden akviert? ______________________________________________________________________________ Zu welchen Reakonen werde ich durch die Reakvierung dieses Bildes geleitet? Werde ich vorsichger? Muger? Entspannter? __________________________________________________ ____________________________
3. Wenn diese Mechanismen, nicht aufgrund der Erinnerung an eine andere Person, von uns auf den Coachee verlagert werden, sondern unsere eigenen Gefühle, Gedanken, Ambionen sind, dann sind wir Projekonen unterlegen: eigene Ansichten, Wünsche, Verwehrungen, werden dem Coachee unterstellt und ggf. als störend, als „nicht ok“ wahrgenommen: Welche Verbote denke ich? ____________________________________________________________________________________ Welche Wünsche des Coachees finde ich übertrieben? Welche seiner Vorstellungen empfinde ich als belastend? ____________________________________________________________________________________ Was würde ich mir nicht erlauben, nimmt sich aber der Coachee „heraus“? ____________________________________________________________________________________
. Abb. A.12
. Abb. A.13
Anhang 155
. Abb. A.14
Basis
Integra on
Handlungsleitendes Vorgehen
Humanis
sche Verfahren
Sinn und Mo
ve
Wünsche und Bedürfnisse
Mo ve/Energiefluss Emo onale Verankerungen
Personzentrierte Gesprächsführung Strukturiertes Zuhören Krea
ve Gestaltarbeit Biografische Gespräche Körperwissen u.a.
Humanissche Haltung & Personzentrierter Ansatz
System-Perspek
ven
Umwelt und Ressourcen
Wechselwirkungen
Handlungsgewohnheiten
Kerninhalt/Ziel
Verhalten und Zielfokussierung
Rolle und systemisches Umfeld
Verhalten/ Bewäl gungsrou nen
Technik
Bearbeitungsthema
Das Soziogramm Fragen zu Wechselwirkungen Rollenerwartungen Das JoHari-Fenster u.a.
SWOT-Zwei-EbenenAnalyse Sokra
sche Gesprächsführung Zwischen-Zeiten Boxenstopp u.a.
Personzentriert-integraves Coachingmanual
Tiefenpsychologische Reflexion
Beziehungserleben
Psycho-Dynamiken
Selbsterfahrungsmöglichkeiten/ Psychologisches Basiswissen
Psychodynamische Wechselwirkungen Resonanzerleben/ Erleben im Kontakt Szenisches Verstehen u.a.
Die nachfolgend aufgeführten Techniken werden mit unterschiedlichen Absichten/Zielen in das Coaching eingeführt. Die vorwiegenden Bearbeitungsthemen sind in der Tabelle modellha nach ihren Präfenzen gegliedert. In der Praxis bestehen in den Bereichen Überschneidungen.
Personzentriert-integraves Coachingmanual
156 Anhang
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