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German Pages 59 [117] Year 1912
Pensionskaffen
und Arbeitsvertrag (I. Teil).
Von
Philipp Loewenseld.
1911. München und Berlin. 3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).
Inhalt. Seite
I. Teil. Einleitung.....................................................................................................................1
1. Kapitel: Organisationsforrnen und Teilnehmerkreis.................................................... 11 2. Kapitel:
Zwecke der Fürsorgekassen................................................................................... 24
3. Kapitel: Mitgliedschaft.
Beiträge................................................................................... 44
Anhang........................................................................................................................96
Literatur Albert, Kaiseradressen! Nebst einem Anhang: Kruppscher Wohltätigkeits schwindel. Ein Beitrag zum Fall Krupp. München 1903. Albrecht, Handbuch der sozialen Wohlfahrtspflege in Deutschland. Berlin 1902. Blume, v., Die Kruppsche Arbeiterpensionskasse und die „guten Sitten" (Soz. Praxis 1908 S. 841 ff.). Brentano, Das Arbeitsverhältnis in den privaten Riesenbetrieben (Schriften des Ber. f. Soz. Pol. Bd. 116). Leipzig 1906. Dammer, Handbuch der Arbeiterwohlfahrt. Stuttgart 1902 und 1903. Diloo, Pensionseinrichtungen für Privatbeamte (Schriften der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen Bd. 32). Berlin 1907. Düwell, Wohlfahrtsplage. Dortmund 1903. Ehrenberg, V., Arbeiterpensionskassen und Arbeitsvertrag (Jherings Jahrb. XVH S. 433 ff.). $ ätze, Die Rechtsverhältnisse der Fabrikpensions- und Unterstützungskassen. Berlin 1911. Goldschmidt, Ein Schulfall sozialdemokratischer Verhetzung. Der Kampf um die Wohlfahrtseinrichtungen der Firma Th. Goldschmidt-Essen. Halle 1910. Günther und Pr 6 vot, Die Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeitgeber in Deutschland und Frankreich (Schriften des Ver. f. Soz. Pol.). Leipzig 1905. G ii nther , Wohlfahrtseinrichtungen und Betriebseinrichtungen. München 1909. Herkner, Die oberelsässische Baumwollindustrie. Straßburg 1887. Herkner, Die Arbeiterfrage. 5. Aufl. Berlin 1908. Hirtsiefer, Werkpensionskassen. Duisburg 1908. Iacobsohn, Der Kampf gegen die Wohlfahrtseinrichtungen in Großbetriebeii. Leipzig 1910. Kaufma n n , Arbeiterwohlfahrtseinrichtnngen in kritischer Beleuchtung. Zürich 1905. K eilen. Die Firma Krupp und ihre soziale Tätigkeit. Hamm i. W. 1903. Kley, Bei Krupp. Eine sozialpolitische Reiseskizze. Leipzig 1899. Koepper , Das Gußstahlwerk Friedr. Krupp und seine Entstehung. Essen 1897. K ohler, Fabrikpensionskasse und § 138 BGB. (Arch. f. bürgerl. Recht Bd. 32 S. 1 ff.). Kollek und Ziegler, Private Wohlfahrtspflege für Fabrikarbeiter, Beamte ?c. Berlin 1902. Laporte, Das Problem der Arbeiterpensionskassen und seine rechtlichen und sozialen Konsequenzen. Jena 1910. Mieck, Die Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen der industriellen Unternehmer in den preußischen Provinzen Rheinland mit) Westfalen und ihre volkswirt schaftliche und soziale Bedeutung. Berlin 1904.
VI Mombert, Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeitgeber (Arch. f. Sozialwissenschaft und Statistik Bd. XVIII S. 519 ff.) P o st und Albrecht, Musterstätten persönlicher Fürsorge von Arbeitgeber:: für ihre Geschäftsangehörigen. Berlin 1889, 1893. Schmoller, Zur Sozial- und Gewerbepolitik. Leipzig 1890. v. Schulze-Gävernitz, Zum sozialen Frieden. Leipzig 1890. Weber, Adolf, Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit. Tübingen 1910. v. Zwiedineck-Südenhorst, Sozialpolitik. Leipzig 1911. Das Arbeiterpensionskassenwesen in der oberschlesischen Großeisen industrie. Herausgegeben vom Gewerkverein der deutschen Maschinenbauund Metallarbeiter, Berlin. Die Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen in bayerischen Fabriken und größeren Gewerbebetrieben. Denkschrift des k. bayer. statist. Bureaus. München 1906. Denkschrift betr. die Pensions- und Hinterbliebenenfürsorge der Privatangestellten. Bearbeitet im Reichsamt des Innern. Berlin 1908. Entwurf einer R e i ch s v e r si ch e r u n g s o r d n u n g. Reichstagsvorlage. Berlin 1910. Die Krupp'sche Pensionskasse vor Gericht. Prozeßbericht und Gutachten von L o t m a r und E h r e n b e r g. Herausgegeben vom christlichen Metallarbeiterverbaud. Essen 1908. Merkbücher über die Wohlfahrtseiurichtungen der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. Werk Leverkusen, der Bergischen Stahlindustrie Rem scheid, der chem. Waschanstalt W. Spindler, Spindlersfeld. Das Pensions-und Reliktenwesen der Arbeiter und niederen Angestellten (Schriften der Zentralstelle für ''Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen Bd. 27). Berlin 1904. Zum Streit um die WerkspensiollsLassen. Darlegungen und Aktenstücke. Herausgegeben von der Firma Krupp. (U. a. Prozeßbericht und Gutachten von Theodor Loewenfeld, Lotmar, Kohler, Ehrenberg.) Essen 1908. Verbandstagsnummer des „Gewerbe- und Kaufmannsgerichts". 27. August 1910 S. 486 ff.: Die Rechtsverhältnisse der Werkspensionskassen. Referate von Mantel, Severing, Hirtsiefer, Günther. Die Wohlfahrtseinrichtungeu der Aktiengesellschaft des Altenbergs (Vieille Montagne). Düsseldorf 1902. Die Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeitgeber zugunsten ihrer An gestellten und Arbeiter in Österreich. Herausgegeben vom k. k. arbeits statistischen Amt im Handelsministerium. Wien 1902, 1903, 1904.
Einzelaufsätze sind enthalten in: Deutsche Jndustriebeamtenzeitung 1907 Nr. 5, 1908 Nr. 6. Deutsche Technikerzeitung vom 2., 8., 16. April 1910. Jahrbuch für Soziale Bewegung der Jndustriebeamten 1908 Heft 4. Kritische Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 3. Folge Bd. XII S. 549 ff.
Stahl und Eisen 1908 Nr. 12 S. 404 ff. Sozialistische Monatshefte 1902 S. 50—56. Plutus 1908 Heft 1 S. 4 ff. Neue Zeit 1908 Heft 49 S. 833 ff. Der neue Weg (Organ der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger) 38. Jahrg. Heft 40; 39. Jahrg. Heft 47, 48, 49, 52. Mitteilungen des Vereins gitr Wahrung der gemeinschaftlichen Interessen für Rheinland und Westfalen 1908 Heft 3 S. 247 ff. Mitteilungen der Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände 1909 Nr. 10 S. 113 ff. Arbeiterfreund 1907 S. 418 ff. Sozialer Fortschritt 1906 Heft 57 und 58. Soziale Praxis 1908 S. 550, 610, 795, 796, 877, 1057, 1162; Jahrg. 1909 S. 115, 517, 676, 842, 850. Gewerbe- und Kaufmannsgericht 1907 S. 258; 1908 S. 11, 150; 1909 S. 219; 1910 (1. November) S. 165. Außerdem eine Anzahl von Artikeln des „Vorwärts", des „Proletarier", der „Deutschen Arbeitgeberzeitung", der „Kölnischen Zeitung" 2c.
Angaben über statutarische Bestimmungen wurden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur insoweit ausgenommen, als die betreffenden Statuten von der Firmenleitung überlassen waren, so daß keinerlei Zweifel über ihre derzeitige Geltung entstehen konnten. Satzungen, die nach der Mitteilung von Firmen leitungen binnen kurzem geändert werden, blieben unberücksichtigt. Zahlenangabeu wurden nur ausgenommen, soweit sie von den betreffenden Firmenleitungen oder Kassenvorständen gemacht wurden. Das übrige Tatsachen material entstammt schriftlichen und mündlichen Umfragen bei Arbeitgebern, Arbeiter-, Beamten- und Angestelltenverbänden. Wesentlich erleichtert wurden mir diese Umfragen durch die außerordentliche Unterstützung von Seite der K. Universitätsbibliothek zu München, die ich dem liebenswürdigen Entgegen kommen des Herrn Oberbibliothekars vr. Wolff verdanke.
Einleitung. Die wirtschaftliche Entwicklung im 19. Jahrhundert zum Vor
herrschen des Großbetriebs hat umwälzende Neuerungen der beruflichen und sozialen Bevölkerungsgliederung im Gefolge gehabt. wachsen
einer
Menschen,
und
neuen
zahlenmäßig
der Lohnarbeiterklasse,
zum
hat die industriellen Unternehmer gestellt,
Das Empor
überragenden wichtigsten
Gruppe
von
Produktionsfaktor
und den Staat vor die Aufgabe
diesem Personenkreis eine Existenz zu ermöglichen, die ihm
selbst aufsteigende Lebenshaltung, der Industrie Konkurrenzfähigkeit und dem Staat bezw. seinen Angehörigen relativen sozialen Frieden sichert.
Die
Schwierigkeit für die meisten Lohnarbeiter, sich,
auch bei ent
wickeltem individuellen Spartrieb, unter dem herrschenden Lohnsystem ausreichende oder auch nur nennenswerte Rücklagen für den Fall der
Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit, Unfall, Alter oder Invalidität zu machen, ferner die Erkenntnis, daß bei steigenden Löhnen nicht die Ersparnisse
der Arbeiter
verbessert wird,
sich vergrößern, sondern die Lebenshaltung
gehören zu den Hauptgründen der Einführung der
deutschen Arbeiterversicherungsgesetzgebung. Daß jedoch die Leistungen der
Arbeiterversicherung bei weitem nicht hinreichen, um im Fall der Not eine vollständig ausreichende Deckung für den Lohnarbeiter zu bilden,
ist heute bereits eine allgemein anerkannte Wahrheit.
Neben der Lohnarbeiterklasse hat die Konzentration zum Groß betrieb eineu zweiten neuen Stand ins Leben gerufen, den Mittelstand
der Privatbeamten.
Bildete früher die Tätigkeit eines Privatbeamten
in einer Fabrik, in einem Warengeschäft, in einem Bankgeschäft in der Regel nur ein Übergangsstadium zum Eigenbetrieb, zur Selbst
ständigkeit, so hat das Zeitalter der Trusts, Kartelle, Großbanken und Warenhäuser,
Regel zur Ausnahme solchen
Betrieben
gestaltet.
beschäftigten
der
Syndikate, der
industriellen Riesenbetriebe diese
Die geistigen
Loewenfeld, Pensionskassen und Arbeitsvenrag.
erdrückende Mehrzahl der in Arbeiter
(Handlungsgehilfen 1
2
I. Teil.
und
höheren
kaufmännischen
Techniker,
Ingenieure,
Angestellten,
Chemiker, Juristen, Nationalökonomen ?c.) verbleiben ihr Leben lang
in
wirtschaftlicher
die
Nur
Abhängigkeit.
tat
und
intelligentesten
kräftigsten von ihnen sind in der Lage, allmählich zu besseren Bezahlungen
emporzusteigen.
große
Die
steigendem Alter
mit
und
der
Masse
abnehmender
sinkendes als ein steigendes Einkommen.
Privatbeamten
bezieht
eher
Leistungsfähigkeit
ein
In der bestehenden Sozial
gesetzgebung sind die Privatbeamten bis zur Einkommensgrenze von (in der Unfallversicherung bei gefährlicher Betriebsart bis
2000 M
ev. 5000 M)
3000
reichend auch
erwiesen
für
kommen
diejenigen
von der
ist, erschollen.
versichert.
so
und
ist
Doch
auch
nicht als
hat sich das
hier der
Ruf nach
und Ein
Privatbeamten, deren Lebenshaltung
des
proletarischen
Handarbeiters
zu
Staatshilfe
weiter
entfernt
Denn auch sie, soweit sie nicht zufällig Besitzer von
Privatvermögen sind, sind im Fall der Arbeitsunfähigkeit einem ähn
lichen Schicksal, wie die Lohnarbeiter, ausgesetzt.
Dem trägt der nun
mehr vorliegende Eiltwurf einer gesetzlichen Regelung der Pensions
und
Hinterbliebenenversicherung
Deren Rentenleistungen,
der
Rechnung.
Privatangestellten
wie sie in der Denkschrift des Reichsamts
des Innern projektiert sind, werden jedoch keinesfalls das allgemein
zum Ausdruck gekommene Fürsorgebedürfnis voll zu befriedigen im stande sein. *)
Das
Bedürfnis
nach
einer
Ergänzung
eventueller
persönlicher
Rücklagen über die Staatsleistungen hinaus ist also gegeben.
Es wird
in allen Berufen gefühlt, in denen die Einkommensverhältnisse dem
persönlichen Spartricb sehr enge Grenzen ziehen, so auch insbesondere in
den
Berufen
der
Bühnenkünstler
und
Orchestermusiker,
deren
bejammernswerte Dienst- und Gehaltsverhältnisse näher beleuchtet zu
haben erst ein Verdienst der Statistik der letzten Jahre ist.8) Es frägt sich nur, wer dieses Bedürfnis Eigenversicherung reicht das Einkommen der
befriedigen soll.
Handarbeiter
das der geistigen Arbeiter nur in seltenen Fällen aus.
Zur
fast nie,
Der Staat
ist nicht in der Lage, seine Leistungen so sehr zu erhöhen, daß sie für 0 Ähnlich D i l o o: Pensionseinrichtungen f. Privatbeamte, Berlin 1907 S. 1 ff.
4) Vgl. hiezu Denkschrift zu einem Reichstheatergesetz, ausgearbeitet von der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger auf Wunsch des Staatssekretärs des Innern, Berlin 1909. Gehaltsstatistik deutscher Orchester, herausgegeben vom Präsidium des Allgemeinen deutschen Musikerverbandes 1909 und 1910.
3
Einleitung. den Fall der Not genügen.
So hat man es vielfach als eine Pflicht
der Arbeitgeber erklärt, hier einzugreifen, sei es durch alleinige Leistung einer Fürsorge, sei es durch Ergänzung dessen, was die Beteiligten
selbst aufbringen.
Diejenigen, die zurückhaltend waren,
vor allem zu gewinnen, indem
sllchte
man die Vorteile darstellte,
man
die dem
Arbeitgeber selbst aus derartigen Leistungen erwüchsen: Steigerung der Leistungsfähigkeit
und
Leistungsfreudigkeit
der
Lohn- und Gehalts
empfänger durch diese Fürsorge und damit Steigerung der Konkurrenz fähigkeit, gutes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
und damit Erziehung eines festen Arbeiter-, Beamten- und Angestellten
stammes, Minderung der Fluktuation.
Ein Eingreifen der Arbeit
geber ist dann auch in der Tat vielfach und zum Teil ausgiebig erfolgt.
Teilweise ging dieses
Eingreifen
sogar
der
Sozialversicherungsgesetz
gebung voran.
Nun zeigte sich aber ein Phänomen: So sehr von Lohn- und
Gehaltsempfängern eine Verbesserung der Staatsleistungen angestrebt wurde, ebenso heftig wurden bald die privaten Fürsorgeeinrichtungen
von ihnen, denen sie doch zugute kommen sollten, abgelehnt.
Wohltaten, sondern Rechte!" so erscholl der Ruf.
„Nicht
„Wird das Ein
kommen erhöht, so ist die Wohlfahrt überflüssig." Bei näherem Zusehen zeigt sich jedoch, daß es nicht die Fürsorge
als solche ist, die abgelehnt wird, sondern nur eine Anzahl grober Mißbräuche, die diese Fürsorge in ihren» Gefolge hatte und hat.
In
großem Umfang ist das private Fürsorgewesen zur Denaturierung des
Arbeitsverhältnisses von einem freien Vertragsverhältnis zu patriarcha lischer Gebundenheit von vielen Arbeitgebern benutzt worden.
Verquickung von Versicherungsvertrag
Durch
und Arbeitsvertrag wurde
es
ermöglicht, von dem Lohn- oder Gehaltsempfänger die Unterlassung gewisser Handlungen, die der Arbeitgeber perhorreSziert, deren Unter
lassung er aber in seiner Arbeitsordnung nicht verlangen kann, durch die Wohlfahrt
herbeizuführen,
indem
durch privatstrafrechtliche
Be
stimmungen ein Druck auf denjenigen ausgeübt wird, der etwa gegen über diesen Wünschen widerspenstig ist.
Gegen eine Fürsorge auf rein
sozialer Grundlage hat auch heute wohl nur eine verschwindende Minder heit der Lohn- und Gehaltsempfänger etwas einzuwenden.
Der Kampf
richtet sich nur dagegen, die Fürsorge durch Hingabe von Rechten, und zwar insbesondere durch Hingabe oder Verschlechterung des Koalitions rechts erkaufen zu müssen.
Für viele Arbeitgeber also bildeten die 1*
4
I. Teil.
Einrichtungen nur einen Teil des Systems von psychologischen Zwangs mitteln, durch die unter formeller Wahrung des geltenden Rechtszu standes die gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitsrechts ihrer tatsächlichen
Wirksamkeit möglichst entkleidet werden sollten.
Material über die
Praxis und die Wirkungen dieser Zwangsbeglückung, innerhalb deren außer Pensionseinrichtungen auch Mietswohnungen, Darlehensgewährung,
Prämien, Lohnzusätze, Gewinnbeteiligung eine erhebliche Rolle spielen, ist in einer Reihe von Abhandlungen zusammengetragen?)
Die all
gemeinen Gesichtspunkte sind in ihnen ausgiebig erörtert.
Dagegen
scheinen Einzelfragen auf diesem Gebiet noch der Untersuchung und zu sammenfassenden Behandlung bedürftig.
Und gerade das Pensions
kassenwesen gibt dazu bei der Fülle von unbewiesenen Behauptungen,
die vor allem im politischen Tagesstreit produziert worden sind, trotz
einiger in jüngster Zeit publizierter Spezialabhandlungei?) noch Anlaß, zumal über die Möglichkeit einer gesetzlichen Regelung gegenwärtig auf r) Vgl. Herkner, Die oberelsässische Baumwollindustrie 1887 S. 203 ff., 328 ff., 357 ff. Günther und Prevot, Die Wohlfahrtseinrichmngen der Arbeit geber, herausgegeben vom Verein für Sozialpolitik 1905. Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik 1905 über Das Arbeitsverhältnis in den privaten Riesenbetrieben. Mombert, Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeit geber, Archiv für Sozialwissenschafl Bd. 18 S. 519 ff. Günther, Wohlfahrts einrichtungen oder Betriebseinrichtungen, München 1909. Jacobsohn, Der Kampf gegen die Wohlfahrtseinrichtungen in Großbetrieben, Leipzig 1910. Schriften der Zentralstelle für Arbeiter wohlfahrtsei nrichlungen Bd. 27 und 32. Mieck, Die Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen der industriellen Unternehmer in den preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen, Berlin 1904. D ü w e l l, Wohlfahrtsplage, Dortmund 1903. Kaufmann, Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen in kritischer Beleuchtung, Zürich 1905. Einen einzelnen Pensionskassenprozeß behandeln: Die Ver öffentlichung der Firma Krupp „Zum Streit um die Werkspensionskassen" (1908), die Veröffentlichung des christlichen Metallarbeiterverbandes „Die Kruppsche Pensionskasse vor Gericht" (1908). In diesen Schriften sind die in Pensionskassenprozessen vielfach zitierten Gutachten von Theod. Loewenseld, Lotmar, Kohler, Ehrenberg abgedruckt. Reichhaltige Angaben ent hält ferner Nr. 12 der Zeitschrift „Gewerbe- und Kaufmannsgericht" (Verbands lagsnummer) vom 27. August 1910 (Referate von Mantel, Severing, Hirtsiefer und Günther), endlich das Urteil in Sachen Lange und Gen. gegen Krupp vom 25. November 1909. a) W. Laporte, Das Problem der Arbeiterpensionskassen und seine rechtlichen und sozialen Konsequenzen, Jena 1910 (bietet namentlich reiches versicherungstechnisches Material). Hans Götze, Die Rechtsverhältnisse der Fabrik-
5
Einleitung.
das heftigste debattiert wird.
Kann auch die vorliegende Arbeit nicht
Anspruch auf Vollständigkeit erheben, so kann doch immerhin gezeigt werden,
daß
„zwischen
einer
Berufen
von
Reihe
eine
natürliche
Interessengemeinschaft besteht, die bei dem organisatorischen Zug, der unsere Zeit kennzeichnet, vielleicht einmal zu einem Jnteressenverband zwischen den verschiedenen Angestelltengruppen führen wird/")
Der deutsche Reichstag hatte sich mit der PensionSkassenfrage in
neuerer Zeit in wiederholten Fällen zu beschäftigen.
Abgesehen von
wo ihr bei der Beratung des
den Verhandlungen deS JahreS 1903,
Reichshaushaltsetats eine ausführliche Besprechung bereits zuteil wurde, in ständiger Reihenfolge seit 1908.
Bei Beratung des Gesetzes über
den Versicherungsvertrag wurde ein Kommissionsbericht mit Resolutionen vom 30. Januar 1908 vorgelegt. Die Resolution b lautete: der Reichstag wolle beschließen b) die verbündeten Regierungen zu ersuchen, baldmöglichst einen
Gesetzentwurf vorzulegen,
durch
den
die
Rechtsverhältnisse
der
Pensions-, Witwen- und Waisenkassen, welche von industriellen
Arbeitgebern für die Arbeiter ihrer Betriebe eingerichtet sind, ins besondere
die Ansprüche
der
aus
dem
Betrieb
ausscheidenden
Arbeiter an die Leistungen der Kasse resp, auf Rückzahlung eines entsprechenden Teils der Beiträge, geregelt werden.
Außerdem wurde dem Bundesrat und Reichstag am 18. März 1908
vorgelegt eine Petition des Zentralrats der Hirsch-Dun ckerschen Gewerkvereine betr. gesetzliche Regelung des PensionSkafsenwesenS:
„An den hohen Bundesrat und Reichstag richtet der Verband
der Deutschen Gewerkvereine (Hirsch-Duncker) das ergebene Gesuch,
gesetzliche Vorschriften zu schaffen, welche die Satzungsbestimmungen der privaten Pensionskassen einheitlich regeln.
Bei Schaffung eines
derartigen Gesetzes bitten wir folgende Forderungen als grundlegend
zu berücksichtigen: pensions- und Unterstützungskassen, Berlin 1911, gibt vor allem eine gute Über sicht über die in Frage kommenden wissenschaftlichen Gutachten.
Gesetzesmalerialien, Gerichtsurteile und
l) Dr. A. Osterrieth, Generalsekretär der Genossenschaft deutscher Bühnen angehöriger in „Der neue Weg" 38. Jahrg. Heft 40. Vgl. Verhandlungen der Gesellschaft für soziale Reform zu Frankfurt 1909.
6
I. Teil. 1. Mit der Beendigung des Dienstverhältnisses darf die Fort
setzung der Versicherung unter keinen Umständen ausgeschaltet werden. 2. Um allen Versicherten
eine unbeschränkte Freizügigkeit zu
gewährleisten, ist die Vereinigung sämtlicher Betriebspensionskassen zu einer Gesamtkasse anzustrebeil.
3. Die Beiträge sind
vom Arbeitgeber und vom
zur Hälfte
Arbeitnehmer zu entrichten.
Während der Arbeitslosigkeit ruht
die Versicherung. 4. Findet der Arbeitnehmer in der neuen Stellung keine Pen sionskasse vor und ist ihm die Leistung des gesamten Beitrages
zur Fortsetzung der vollen Versicherung unmöglich, dann soll die Versicherung,
wenn
Bezugsberechtiguug
durch die Dauer der Mitgliedschaft bereits eingetreten
ist,
in eine
ganz
oder teilweise
prämiensreie umgewandelt werden.
5. Besteht nach längerer Mitgliedschaft nach
den Satzungen
der Pensionskasse ein die Versicherungspflicht des Arbeitnehmers
begründendes
Versicherungsverhältnis
nicht
mehr
(höheres Ein
kommen, Selbständigkeit usw.), so hat der Versicherte das wahl weise Recht, entweder die Versicherung gegen Zahlung der vollen
Prämien
freiwillig
fortzusetzen
oder
die Umwandlung in
eine
prämiensreie Versicherung zu verlangen. 6. Beim gänzlichen Erlöschen der Versicherung (Wegzug aus
Deutschland, Tod vor Eintritt der Bezugsberechtigung usw.) sind die vom Arbeitnehmer selbst gezahlten Beiträge voll zu erstatten. 7. An der Verwaltung sind die Versicherten unmittelbar und in vollem Umfange zu beteiligen.
8. Ein Rechtsanspruch auf die satzungsgemäßen Leistungen ist
grundsätzlich festzulegen. Streitigkeiten finden gemäß der Stellung
des Arbeitnehmers ihre Erledigung vor den Gewerbe- oder Kauf mannsgerichten oder den ordentlichen Gerichten. In den Reichstagssitzungen vom 1., 2. und 7. Mai 1908 wurden
darauf die Rechtsverhältnisse der Arbeiterpensionskassen von den Ab
geordneten Giesberts, Severing, Dove, Cuno, Hengsbach, Sachse, Schultz, v. Dirksen, Mommsen, sowie von dem Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding ausführlich besprochen.
Dieser erklärte, daß der Herr
Staatssekretär des Reichsamts des Innern die Sache vor einiger Zeit in die Hand genommen und sich mit der preußischen Verwaltung in
7
Einleitung.
Verbindung gesetzt habe, daß man also wohl abwarten dürfe, was aus den Verständigungsversuchen
kommen
und
Albrecht
wesens')
Da
würde.
und
der preußischen Regierung heraus
mit
Jahresfrist
binnen
trotz
eines
Antrags
Gen. auf gesetzliche Regelung des Pensionskassen einer
Petition
des
christlichen
Metall-
arbeiterverbands*) nichts herauskam, wurde am 31. März 1909 eine Interpellation Albrecht
und Gen. eingebracht, die am
29. April 1909 von dem Abgeordneten Severing begründet und von
dem
damaligen
beantwortet
Staatssekretär
wurde
des
und zu einer
Innern
erneuten
v. Bethmann Hollweg
gründlichen
Besprechung
der ganzen Frage führte. Der Staatssekretär erklärte damals als den seiner Meinung nach einzig gangbaren Weg, „daß zurzeit unter Ab
standnahme von gesetzlichen Bestimmungen die Rückerstattung von Bei trägen auf dem Verwaltungswege insoweit angebahnt werde, wie dieses
unter Berücksichtigung der von ihm dargelegten Bedenken, die der Maß regel immerhin gegenüberstehen können, möglich sei.
sei in der Praxis bereits beschritten".
Und dieser Weg
Zum Belege dafür wurde die
Wird hier nicht wiedergegeben, weil sich sein Inhalt im wesentlichen mit dem Antrag Albrecht und Gen. vom 3. Dezember 1909 deckt. 2) Die Petition hatte folgenden Wortlaut: „Der Vorstand des christl. Metallarbeiterverbands, Sitz Duisburg, erlaubte sich bereits im Vorjahre eine Vorstellung an den Hohen Reichstag zu richten, betr. Regelung des Werkspensions kassenwesens. Die sich häufenden Klagen aus Arbeiterkreisen über Benachteiligung veranlassen die Leitung des christlichen Metallarbeiterverbands neuerdings, an den hohen Bundesrat und den deutschen Reichstag sich zu wenden, mit der Bitte, baldmöglichst gesetzliche Maßnahmen zu treffen, um die nachfolgend ge schilderten Mängel der Werkpensionskassen zu beseitigen, im Interesse der Gerechtig keit und des sozialen Friedens." Es folgt eine Schilderung der Mißstände des Werkpensionskassenwesens, aus welcher folgende Forderungen hergeleitet werden: Es ist darauf zu sehen, daß 1. gegenüber der Beitragsleistung dem Arbeiter eine entsprechende Gegenleistung geboten wird. 2. Die Ansprüche der Arbeiter auf Pension völlig sicher gestellt werden, daß beim Übertritt des Arbeiters aus dem einen in einen anderen Betrieb die Anrechnung früher geleisteter Beiträge bei der Kasse des neuen Arbeitgebers erfolgt, oder die bereits erworbenen Pensions ansprüche an die Kasse gewährt, oder aber die geleisteten Beiträge zurückzuerstatten sind. 3. Die Beteiligung der Versicherten an der Verwaltung vorgesehen und 4. die Arbeiterpensionskassen dem Aufsichtsamt für Privatversicherung unterstellt werden.
8
1. Teil.
Praxis
des
Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung heran
gezogen, die bei Kassen mit Beitrittszwang Rückerstattung der Hälfte oder eines Drittels der Beiträge je nach Lage des Falls verlange.
Die Rückerstattung der Beiträge war jedoch weder in der Inter pellation Albrecht und Gen. noch in den Anträgen und Petitionen vor und nach ihr der einzige strittige Punkt.
Auch neuerdings sind die
Klagen hinsichtlich der Wirkungen der Pensionskassen und die Wünsche nach gesetzlicher Regelung nicht verstummt.
Albrecht und Gen.
So liegt vor ein Antrag
Der Reichstag wolle beschließen:
den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, baldigst einen Gesetzentwurf
vorzulegen, durch welchen die Verhältnisse der für Hütten- und Walzwerke nebst zugehörigen Betrieben für Konstruktionswerkstätten,
Maschinenfabriken, Textilfabriken und andere industrielle Etablissements
errichteten
Pensionskassen
unter
folgender
Beobachtung
Grundsätze für das ganze Reich einheitlich geregelt werden: 1. Festsetzung einer Maximalgrenze der Eintrittsgelder und Bei
träge.
Die Beiträge der Werksbesitzer haben mindestens 50 °/o
zu betragen;
2. Selbstverwaltung der Kassen durch Vertreter der Mitgliedschaft Doch muß die Arbeiter
unter Teilnahme der Werksvertretung.
vertretung entscheidenden Einfluß aus die Ausgestaltung der
internen Kassenverhältnisse haben.
Die Wahl der Arbeiter
vertreter hat auf Grund des geheimen, direkten Wahlrechts
zu erfolgen.
Das Wahlrecht ist allen aktiven, invaliden und
freiwilligen Kassenmitgliedern zu erteilen.
Beamte dürfen nur
als Werksvertreter zugelassen werden.
Durch Entlassung aus der Arbeit darf dem Arbeitervertreter das Mandat nicht verloren gehen;
3. Sicherung der erworbenen Pensionsansprüche nach oder unfreiwilliger Aufgabe der Werksarbeit einer
des
freiwilliger
durch
Zahlung
mäßigen Anerkennungsgebühr oder freiwillige Zahlung
früheren
Beitrages;
im
letzteren
Steigerung der Pensionsansprüche.
Falle
entsprechende
Gegenseitigkeitsverhältnis
der Kassen, Rückzahlung der Einzahlungen, abzüglich der Ver
waltungsunkosten, an solche ausscheidende Mitglieder, die mehr als 200 Wochen Beiträge zahlten und nicht mehr aktive oder freiwillige Mitglieder ähnlicher Kassen werden können;
9
Einleitung.
4. Ausschluß der Anrechnungsfähigkeit von Unfall- und Invaliden renten oder Militärpensionen, sofern die Gesamtbezüge nicht
den Durchschnittslohn übersteigen, den das betreffende Mitglied in den letzten 10 Jahren verdient hat.
Berlin, den 3. Dezember 1909. Daß nicht nur gewerbliche Arbeiter, sondern auch andere Berufs gruppen
einer
an
Regelung
gesetzlichen
Pensionskaffenwesens
des
interessiert sind, zeigt folgende Petition des deutschen Techniker
verbandes: „Der unterzeichnete Deutsche Techniker-Verband bittet den Hohen
Reichstag,
den
Verhältnissen
zahlreicher
Werkpensionskassen
sein
Augenmerk zuzuwenden.
Die Denkschrift betr. Pensionsversicherung der Privatangestellten stellt eine Regelung dieser Kassen gleichzeitig mit Inkrafttreten der
reichsgesetzlichen Privatbeamtenversicherung in Aussicht. Diese Regelung soll sich neben Schaffung einer einwandfreien versicherungstechnischen Grundlage
vor
allem
Reihe privater
mit
Sicherstellung
Werkpensionskassen
durch
eine
bedrohten
per
der
sönlichen und staatsbürgerlich en Rechte der Angestellten
befaffen.
Vor allem soll der Verlust der eingezahlten Beiträge im
Falle des Ausscheidens aus dem Dienste wegfallen, daneben soll Ver
waltung und Verfahren in einem freiheitlichen Sinne unter stärkerer Heranziehung der Versicherten selbst geordnet werden. Der Deutsche Techniker-Verband ist der Überzeugung, daß die erheblichen Bedenken, die dem jetzigen System, insbesondere der Vor
schrift, wonach die eingezahlten Beiträge der Arbeitnehmer ganz oder teilweise verfallen, anhaften,
die häufig genug zu richterlichem Ein
schreiten führten und weiter führen werden, einen gesetzgeberischen Eingriff noch vor Inkrafttreten der Reichsversicherungsordnung not wendig machen.
Er
ersucht
den Hohen Reichstag, von
den verbündeten Re
gierungen einen Gesetzentwurf einzufordern, der die großen Unzu träglichkeiten der heutigen Werkpensionskassen, sowie ihren ungesunden
Einfluß auf Freizügigkeit und Koalitionsfreiheit beseitigt.
6. Januar 1910.
10
I Teil. Die Wünsche der Jndustriebeamten sind außerdem in einer Reihe
von Heften der deutschen Jndustriebeamtenzeitung, der deutschen Techniker
zeitung und deS Jahrbuchs für die soziale Bewegung der Jndustrie Auch die Orchestermusiker und Bühnenkünstler, die
beamten dargelegt.
letzteren besonders, dringen auf gesetzliche Bestimmungen.
So schreibt
Dr. Osterrieth:
„Für die Bühnenangestellten forinuliert, hat die Forderung zu
lauten: Scheidet ein Bühnenangestellter aus dem Dienstverhältnis mit einer Bühne, bei der sich eine Pensionskasse befindet,
aus,
ohne in den Besitz der vollen Pensionsansprüche gelangt zu sein,
so sind ihm die an die Pensionskasse geleisteten Beiträge zurück zuerstatten.
Eine Abweichung von dieser Bestimmung
ist
nur
zulässig, wenn die Pensionskasse dem Mitglied das Recht gewährt,
durch freiwillige Weiterzahlung der Beiträge sich das Recht auf
die volle Pension zu erwerben.
(Vgl. Petition des Allgemeinen
deutschen Chorsängerverbands, Ziff. 13)." Auf dem Verbandstag der deutschen Gewerbe- und Kaufmanns
gerichte im September 1910 wurde von Vertretern aller Arbeitnehmer gruppen
die
gesetzliche
Regelung des Pensionskassenwesens gefordert.
Insbesondere hat dort auch der Stand der Handlungsgehilfen seine
Wünsche präzisiert. Um prüfen zu können, ob die gestellten Forderungen geeignete
Mittel zur Behebung der geäußerten Klagen darstellen, ist eine Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse des Pensionskassenwesens notwendig.
1. Kapitel.
Organisationsformen und Ceilnebmerkreis. Die Organisationsformen der Pensionskassen und ihr Teilnehmer kreis ergeben sich in der Regel aus ihren Statuten.
Einen grund
legenden Unterschied macht es, ob die Fürsorgeeinrichtungen aus Arbeit gebermitteln, aus Arbeitnehmermitteln oder aus beiden unterhalten werden. Innerhalb dieser Grundtypen lassen sich eine Reihe von
Erscheinungsformen beobachten. A. 1. Die Kassen, die nur aus Arbeitgebermitteln
unterhalten werden, sind zum einen Teil allgemeine Hilfs- und Unterstützungskassen, die für Fälle unverschuldeter Rot, für länger dauernde Krankheiten, insbesondere für die Fälle, in denen eine gesetz
liche Fürsorge nicht eingreift, Unterstützungen gewähren wollen, wobei als Maßstab für die Leistung in der Regel Bedürfnis und Würdigkeit maßgebend sind. (Beispiele: Unterstützungskasse für Arbeiter der Firma Kalle und Co., A.-G. Biebrich a. Rh.; Pensionseinrichtung für Arbeiter der Dampsmarzipansabrik L. C. Oetker zu Altona-Bahrenfeld). Biel fach kommen derartige Einrichtungen als Stiftungen im Sinne der §§ 80 ff. BGB. vor. (Beispiele: Pensions- und Unterstützungskasse
für Beamte und Arbeiter der Firma Th. Bienert, Dampsmühle und Ölfabrik, Dresden-Plauen; Stiftung für Alters- und Invalidenrenten
empfänger der Firma Franz Richter, Döbeln). Einige Fürsorgeein richtungen nennen sich auch Stiftungen, ohne solche zu sein (Beispiel: Gedächtnisstiftung für die Beamten und Arbeiter der Maschinenfabrik C. H. Haubold G. in. b. H., Chemnitz). Diese Stiftungen werden in der Regel aus dem Stiftungskapital
und dessen Erträgnissen erhalten. Es sind aber auch Fälle bekannt, in denen die Strafgelder und Lohnabzüge auf Grund der Arbeits ordnung zur Ergänzung des Vermögens der Stiftung verwendet werden.
(Beispiel: Unterstützungskaffe für Arbeiter und Arbeiterinnen der Firma
12
I. Teil.
Thiele und Steinert, Berlin und Freiberg), endlich auch solche, in denen die Fürsorgeeinrichtung nur aus Strafgeldern, bei der Lohnzahlung
überschießenden Pfennigen, nicht abgehobenen Lohnbeträgen und den Zinsen dieser Einnahmen, also aus Arbeitermitteln, die auf Grund der
Arbeitsordnung
dem Unternehmer verfallen
unterhalten
sind,
wird.
Auf Grund gesetzlicher Vorschrift sind solche Kassen vorhanden in den preußischen Bergwerksbetrieben.
Maßgebend für die Organisation sind
die Vorschriften des preußischen Berggesetzes in der Fassung der Novelle vom
14. Juli 1905.
§ 80 b Abs. 5
schreibt
einem Bergbaubetrieb Strafen vorgesehen
vor,
sind,
die
daß,
sofern
in
Arbeitsordnung
über den Verwendungszweck Bestimmungen enthalten muß, 8 80ä des
Abs. 2 besagt:
„Alle Strafgelder müssen zum Besten der Arbeiter
verwendet werden.
Wenn für das Bergwerk ein ständiger Arbeiter
ausschuß vorgeschrieben ist, müssen die Strafgelder einer Unterstützungs kasse zugunsten der Arbeiter überwiesen werden, an deren Verwaltung
der ständige Arbeiterausschuß mit der Maßgabe beteiligt sein muß, daß den von den Arbeitern gewählten Mitgliedern mindestens die Hälfte der Stimmen zusteht.
Die Grundsätze für die Verwendung und Ver
waltung müssen nach Anhörung der volljährigen Arbeiter oder des ständigen Arbeiterausschusses in der Arbeitsordnung oder in besonderen Satzungen festgelegt werden. Eine Übersicht der Einnahmen und Aus gaben und des Vermögens ist alljährlich in einer vom Oberbergamte
vorgeschriebenen Form aufzustellen und diesem, nachdem sie 2 Wochen
durch Aushang zur Kenntnis der Belegschaft gebracht ist, einzureichen".
Auf Grund dieser Bestimmungen wurden preußischen Bergbau eingeführt.
Bergwerken
„Zollverein"
solche Kassen
Die Satzungen,
(Caternberg),
„Brassert"
im
ganzen
die mir von den
(Recklinghausen),
Graf Schwerin (Castrop), „Langenbrahm" (Essen-Rüttenscheid), „Carolinenglück" (Bochum), den Zechen der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks
und Hütten-A.-G., der Gelsenkirchener Bergwerks-A.-G. und einer großen Anzahl von anderen vorliegen, lauten im wesentlichen vollkommen über einstimmend. Überall bestehen für selbständige Schachtanlagen besondere Unterstützungskassen, über die getrennt von den übrigen gewerkschaft
lichen oder Zechenkassen von der Zechenverwaltung Rechnung geführt wird.
Die Details der Organisation interessieren hier nicht. 2. Ein anderer Teil der nur von Arbeitgebern dotierten Fürsorge
kassen, und zwar der seiner Frequenz und seiner finanziellen Bedeutung
nach wichtigere find die Fürsorgekassen, die die spezielle Aufgabe der
13
Organisationsformen und Teilnehmerkreis.
Fürsorge für Invalide, Altersschwache, Witwen und Waisen sich zum
Ziel gesetzt haben.
Sie treten teils als Kasseneinrichtungen (Pensions
fonds, VerforgungSkaffen, Pensionskassen), teils als Stiftungen in die
Erscheinung.
Bedeutsame Kasseneinrichtungen sind auf diesem Gebiet
z. B. die
Arbeiter-, Pensions-, Witwen- und Waisenkasse der Bergischen Stahl
industrie, Remscheid.
Versorgungskasse der Chem. Werke H. und E. Albert, Amöneburg. Arbeiter- und Beamten-Pensions-, Witwen-
und Waisenkasse von
Siemens und Halske, A.-G., Berlin.
Arbeiter- und Beamten-Pensions-,
Witwen- und Waisenkasse
der
Siemens-Schmuckert-Werke, G. m. b. H., Berlin-Nürnberg.
Invaliden- und Witwenfonds der Chem. Waschanstalt und Färberei W. Spindler, Spindlersfeld.
Pensionskasse für Arbeiter, Witwen und Waisen der Firma Kalle & Co., A.-G., Biebrich a. Rh. in Form von Stiftungen z. B.
Kaiser Wilhelm Waisen
der
und Augustastiftung für Arbeiter, Invaliden und Chem.
Fabriken
Meister Lucius
und
Brüning,
Höchst a. M.
Arbeiterpensionsstiftung
der
Badischen
Anilin-
und
Sodafabrik,
Ludwigshafen.
Pensionskasse für Arbeiter und Arbeiterinnen der Handelsgesellschaft Schroeder'sche Papierfabrik, Golzern
Pensioilskasse des städtischen Kurorchesters Wiesbaden. 3. Eine
erwähnenswerte Form
der aus Arbeitgebermitteln be
triebenen Fürsorge ist endlich die Versicherung der Lohn- oder Gehalts
empfänger bei Versicherungsgesellschaften auf Kosten des Arbeitgebers. Sie ist z. B. verwirklicht in der Stiftung zugunsten der Witwen und Waisen von Meistern und Arbeitern des Schmirgeldampfwerks „Naxos
Union" von Julius Pfungst in Frankfurt a. M.
wird
Durch die Stiftung
den Witwen und Waisen auf dem Wege Pension gewährleistet,
daß die Meister und Arbeiter auf Todesfall versichert werden.
Versicherung erfolgt in der Weise, daß die „Naxos Union"
Die
als Ver
sicherungsnehmerin jeweils eine Police auf den Fall des Ablebens des betr. Meisters bzw. Arbeiters über den normierten Betrag bei einer
angesehenen Prämien
deutschen
werden
von
Lebensversicherungsgesellschaft entnimmt.
der
„Naxos
Union"
entrichtet.
Die
Die Ver-
14
I. Teil.
ficherungspolicen sind alleiniges Eigentum der Firma.
Alle Ansprüche
aus den Policen, insbesondere auch Dividenden- und Rückkaufsansprüche stehen lediglich der
„Naxos Union" zu.
Die
„Naxos Union"
nach dem Ableben des versicherten Meisters bzw. Arbeiters
zieht
die Ver
sicherungssumme von der Gesellschaft ein und verwendet sie zur Aus
zahlung der Pensionen an Witwen und Waisen. Für diejenigen, welche wegen ihres hohen Alters oder wegen ihres Gesundheitszustandes nicht in die Versicherung auf den Ablebensfall ausgenommen werden können, läßt die
„Naxos Union", wiederum als Versicherungsnehmerin, eine
andere Art der Versicherung (Altersversicherung oder sog. eingeschränkte
Versicherung
auf
den Ablebensfall)
der Witwen- und
zur Erzielung
Waisenpension eintreten. B. Viel mannigfaltiger, als bei den einseitig von Arbeitgebern
unterhaltenen Einrichtungen sind die Organisationsformen der Fürsorge
institute, denen sowohl Einnahmen von Lohn-und Gehalts empfängern, wie auch von Arbeitgebern zufließen.
I. Hier ist die Form der allgemeinen Hilfs- und Unterstützungs kasse verhältnismäßig selten. Wo sie vorkommt, liegen fast regelmäßig
Kassen mit Zwangsbeitritt und Zwangsbeiträgen vor,
haltsempfänger
der Lohn- und Ge
denen dann, je nach der Höhe ihrer Beitrags
leistung in der Regel ein entsprechendes Recht an der Verwaltung der Kasse zukommt.
Als Beispiel
einer allgemeinen Hilfs- und Unter-
stützungSkasse, die infolgedessen überwiegend von Arbeitern geleitet wird,
erwähnt der Vorbericht zur 13. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrseinrichtungen die Kasse der Hamburg-Berliner Jalousiefabrik (Heinrich Freese) in Berlin.
II. kassen
Eine weit größere Rolle spielen hier die Pension sfür Invaliden, Witwen und Waisen, die ihrer
Verbreitung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrer Konstruktion nach im Mittelpunkt des gesamten Problems stehen, ferner
Versicherung bei Gesellschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, genossenschaftliche Einrichtungen.
Die
Invaliden-,
Beiträgen
sehr
im
Witwen-
und
Waisenkassen
mit
der Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen so
Vordergrund
der
Erörterung,
daß
gewöhnlich
gedacht wird, wenn von Pensionskassen die Rede ist.
nur
ihrer
Im Parlament
und Presse sind sie fast ausschließlich Gegenstand der Diskussion, waS
15
Organisalionsformen und Teilnehmerkreis.
der
Fülle
der Probleme entspricht, die der
Leistungen
zwang,
Fortversicherung
gangen,
daß
rc-
Teile,
aufgetaucht
in
man
beiden
vor
Dies
sind.
wissenschaftlichen
der
allem durch Beitritts
Beitragserstattung,
ist
sogar
freiwillige soweit
Betrachtungsweise
ge viel-
sach in den Fehler verfallen ist, das ganze private Pensions- und
der Hand
Reliktenwesen an
form
behandeln,
zu
betont
zweigen
zu
werden
berühmter Typen dieser Organisations
Verfahren,
braucht-
In
dessen den
Verfehltheit
verschiedensten
hier
nicht
Industrie
und sonstigen öffentlichen und privaten Betrieben spielt diese
Form die Hauptrolle. künstler,
ein
Musiker,
Arbeiter, Beamte, Handlungsgehilfen, Bühnen
städtische Bedienstete haben gegen diese Form ihre
Hauptangriffe gerichtet.
Als Beispiele von solchen Kassen, deren Ver
hältnisse ich untersucht habe, seien erwähnt:
1. Im Bergbau und Hüttenbetrieb. a) Für Arbeiter (und niedere Angestellte, Werkmeister, Auf seher rc.)
Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse für die gewerblichen Anlagen der Donuersmarckhütte, A.-G., Zabrze. Pensions- und Unterstützungskasse für die Arbeiter der Hohenlohe werke, A.-G., Hohenlohehütte.
Pensions- und Unterstützungskasse der Baildonhütte, errichtet von der oberschlesischen Eisenindustrie, A.-G. für Bergbau und Hüttenbetrieb. Pensionskasse
der
Vereinigten
Königs-
und
Laurahütte,
A.-G.,
Laurahütte. v. Tiele-Winckler'sche Jnvalidenkasse, Kattowitz.
Versorgungskasse des Hörder Bergwerks- und Hüttenvereins, Hörde.
Arbeiterpensionskasse der Bismarckhütte, A.-G.
Pensionskasse der Graf Guido Henckel-Donnersmarck'schen Besitzungen, Tarnowitz. Pensionskasse der Isselburger Hütte. Unterstützungskasse für Witwen
und Waisen der Gewerkschaft von
Grillo Funcke und Co., Schalke. Pensionskasse der Zinkhütte Vielle Montagne, Oberhausen.
Pensionskasse der Sieg-Rheinischen Hütten, A.-G., Friedr. Wilhelms hütte, Menden.
16
I. Teil. Arbeiterpensionskasse der Herrschaft Beuthen-Simianowitz.
Pensions-
und
Unterstützungskasse
der
Gräflich
Schaffgot'schen
Zinkhütten. b) für Beamte.
Pensions-,
Witwen-
und
Waisenkasse
Gutehoffnungshütte,
der
A.-G., Oberhausen. Beamtenpensionskafle der Herrschaft Beuthen-Simianowitz.
Pensionskasse für Beamte der Donnersmarckhütte, A.-G., Zabrze.
2. In der Großersenindustrie. a) für Arbeiter und niedere Angestellte.
Invaliden-, Witwen und Waisenkasse der Lokomotivenfabrik Henschel und Sohn, Kassel.
Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse der Oberschlesischen Eisenbahn bedarfs A.-G., Friedenshütte. Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse der Eisen- und Stahlwerke der
Union, A.-G. zu Dortmund, Horst und HenrichShütte. Invaliden-, Witwen- und Waisenpensionskasse für Meister und Ar
beiter der Eisenwerkgesellschaft Maximilianshütte, Lichtentanne. Pensionskasse für die Arbeiter der Firma Friedrich Krupp, A.-G.,
Essen. Pensionskasse
für
Angestellte
und
Arbeiter
der
Schraubenfabrik
Fr. Karcher & Cie., G. m. b. G., Beckingen a. Saar. b) für Beamte. Beamtenpensionskasse der Lokomotivenfabrik A. Borsig, Berlin.
Pensions-, Witwen- und Waisenkasse für die Angestellten der Firma Wolf Netter und Jacobi, Eisengroßhandlung,
Grob- und Fein
blechwalzwerke, Straßburg.
Pensions-, Witwen- und Waisenkasse der Bergischen Stahlindustrie, Remscheid.
Pensions-, Witwen- und Waisenkasse der Gasmotorenfabrik Köln-Deutz. Pensions-, Witwen- und Waisenkasse der Röchling'schen Eisen- und Stahlwerke, G. m. b. H., Völklingen a. Saar. Versorgungskasse für die Beamten der A.-G. Görlitzer Maschinen bauanstalt und Eisengießerei.
17
Organisationsformen und Teilnehmerkreis.
Pensionskasse für die Beamten der Deutschen Waffen- und Munitions fabriken, Berlin. Beamtenpensionskaffe von Friedr. Krupp, A.-G., Essen.
3. In der Chemischen Großindustrie. Ernst Stelzer-Pensionskasse der Firma Th. Goldschmidt, Essen. Pensionskasse für Ausseher der Farbwerke vorm. Meister Lucius und
Brüning, Höchst a. M.
Pensionskasse für Arbeiter und Beamte der Chemischen Fabrik auf
Aktien (vorm. E. Schering) Berlin. Beamtenpensionskasse der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer und Co.,
Werk Leverkusen.
4. In Druckereien. Versorgungskasse für die Angestellten Schauberg,
Buchdruckerei
der Firma M. Du Mont
der
und Verlag
Kölnischen Zeitung,
Köln und Straßburg.
Jnvalidenkasse der Firma M. Du Mont Schauberg, Köln.
Pensionskasse für
die Redakteure
und
Beamten
der Frankfurter
Sozietätsdruckerei.
5. Im Verkehrsgewerbe. Pensions-, Witwen- und Waisenkaffe der Angestellten der Allgemeinen
Berliner Omnibus A.-GRuhegehaltskasse für die Angestellten der Großen Berliner Straßenbahn.
6. In sonstigen Industrie- und Gewerbebetrieben. Beamten- und Arbeiterunterstützungs- und Altersversorgungskasse der Hoffmannschen Stärkefabriken, Salzuflen.
Privatunterstützungskasse
für
die
Angestellten
und
Arbeiter
der
Fabriken von Dr. Heinrich Traun und Söhne, vorm. Harburger
Gummi Kamm Co., Hamburg und Harburg.
PensionS-, Witwen- und Waisenkaffe der deutschen Spiegelglas AG., Freden-Grünenplan.
Pensionskaffe der Beamten und Bediensteten der Münchener Rück versicherungs AG., München.
7. In Theaterbetrieben. Pensionsanstalt des Großherzoglichen Hoftheaters zu Koburg-Gotha.
Pensionsanstalt des Bremer Stadttheaters (Gustav Teichmannstiftung). Locwenfeld, Pensionskassen und Arbeitsvertrag.
2
18
I. Teil.
Pensionsfonds des K. Theaters zu Hannover.
Pensionsanstalt des Großherzoglichen Hof- und Nationaltheaters zu Mannheim.
Pensionsfonds des Großherzoglichen Hoftheaters zu Schwerin. Pensionsanstalt des Stadttheaters zu Straßburg.
Hostheater- und Hofmusik-Pensionsfonds zu Darmstadt.
8. Bei Orchestern. Ruhegehaltskasse des städtischen Orchesters in Magdeburg.
Pensionskasse für die Mitglieder des städtischen Orchesters zu Aachen. Pensionsanstalt für das städtische Orchester in Augsburg.
Pensionsanstalt des städtischen Orchesters in Köln. Ruhegehaltskasse des städtischen Orchesters Essen.
PensionS- und Unterstützungskasse des Frankfurter Opernhausorchesters.
9. In sonstigen städtischen betriebe».* 1) Pensionskasse für die Gemeindebediensteten der Stadt Eßlingen.
Pensionskasse für niedere Bedienstete und ständige Arbeiter der Stadt München.
Pensionskasse der städtischen Straßenbahn München. Pensionskasse der Stadt Altona. Versorgungskasse für die nicht pensionsberechtigten Bediensteten der
Stadt Nürnberg. Kranken- und
Jnvalidenkasse für
die
niederen
Bediensteten
und
ständigen Arbeiter der Stadt Regensburg.
Versorgungskasse für die nicht pensionsberechtigten Bediensteten der Stadt Erlangen. *) Die weitaus überwiegende Mehrzahl der Fürsorgekassen in städtischen Betrieben wird einseitig vom Arbeitgeber unterhalten. So in Aachen, Bamberg, Bayreuth, Berlin, BreSlau, Cannstadt, Cassel, Charlottenburg, Chemnitz, Crefeld, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Essen, Flensburg, Forst, Frankfurt a. M., Freiburg i. Br., Fürth i. B, Gießen, Gotha, Hagen i. W., Halberstadt, Harburg, Heilbronn, Heidelberg, Hildesheim, Höchst a. M., Karlsruhe, Leipzig, Ludwigshafen, Magdeburg, Mainz, Mannheim, Naumburg, Oberhausen, Offenbach, Pforzheim, Plauen, Posen, Potsdam, Rixdorf, Schöne berg, Spandau, Stettin, Straßburg i. E., Stuttgart, Trier, Ulm a. D., Wies baden, Worms, Zwickau. Das kommunale Pensionskassenwesen wird im übrigen einer Sonderuntersuchung unterzogen.
19
Organisationsformen und Teilnehmerkreis.
III. Eine Reihe großer Fiirsorgekassen sind errichtet nach § 86 deS
Krankenversicherungsgesetzes (Beispiele: Invaliden-, Witwen- und Waisen kasse für die gewerblichen Anlagen der Donnersmarckhütte A.-G.; Arbeiter
pensionskasse der Firma Friedr. Krupp A.-G.). Andere zweiseitige Pensions
kassen sind Vereine der Arbeiter, Beamten, Angestellten rc. mit der
Firma, wobei gewöhnlich einem Firnienvertreter der Vorsitz im Verein zusteht.
(Beispiele: Pensions-, Witwen- und Waisenkasse für Beamte
der Firma Kalle & Co., A.-G. Biebrich a. Rh., E. V.; Arbeiter
Juristifche Personen sind eine große Anzahl
vereinigung Falkenau.)
von zweiseitigen Kassen.
Diejenigen, welche Rechtspersönlichkeit nicht
besitzen, haben aber in der Regel wenigstens eigenes Vermögen, das abgetrennt von
dem
Pensionskassenzwecken Stiftung
Firmenvermögen verwaltet wird verwendet werden
mit Beiträgen
der
Stiftung zur Unterstützung
Firma Ed. LaeiS & Co.,
darf.
Arbeitnehmer
arbeitsunfähig
Trier;
Auch
kommt
und
nur
die Form
vor.
gewordener
(Beispiel
Arbeiter
Orchesterpensionsanstalt
zu der
der
Chemnitz.)
Eine öffentliche Anstalt mit Körperschaftsrechten ist die Pensionsanstalt
des Hoftheaters in Mannheim, während die meisten übrigen Theaterpensionskasien selbständige Nebenfonds der Theaterkasse mit ober ohne
Rechtspersönlichkeit darstellen. IV.
Die
hältnisse
Genehmigungs-
und
Beaufsichtigungsver
sind für die privaten Fürsorgekaffen neu geregelt durch
das Reichsgesetz betreffend die privaten Versicherungsunternehmungen
vom 12. Mai 1901, das einem Zustande großer Buntscheckigkeit sein Ende bereitet hat.*)
Dasselbe betrifft indes nach seinem
§ 1
nicht
Personenvereinigungen, die ihren Mitgliedern Unterstützung gewähren,
ohne ihnen einen Rechtsanspruch zu gewähren.
(Beispiel: Beamten
pensionskasse der Frankfurter Sozietätsdruckerei.)
Die Beaufsichtigung
obliegt einer Reichsbehörde.
Nur wenn der Geschäftsbetrieb nach der
Satzung oder den sonstigen Geschäftsunterlagen auf das Gebiet eines u. st. waren maßgebend (vgl. im Detail Götze st. st. O. S. 13, 27, 131 ff.): Für Preußen: Allg. Landrecht für die Preußischen Staaten Tl. I Tit. 11 §§ 651, 652; Kabinettsordre vom 23. September 1833 (Preußische Ges.-Samml. S. 121); Gesetz betr. die gewerblichen Unterstützungskaffen vom 3. Februar 1854 (st. st. O. S. 138); Preuß. Strafgesetzbuch § 340 Ziff. 6; Neichsstrafgesetzbuch § 360 Ziff. 9. Für Bayern: Reichsstrafgesetzbuch § 360 Ziff. 9; Bayr. Polizei strafgesetzbuch Art. 2 Ziff 2; Zuständigkeitsverordnung vom 4. Januar 1872 § 4 (bayr. Regierungsblatt 1872 S. 25); Ministerialbekanntmachung vom 25. Juni 1898 Buchst. E Ziff. 3 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 347).
o*
20
I. Teil.
Bundesstaats beschränkt ist, ist sie Sache der Landesbehörde.
Auch in
diesem Fall kann nach § 3 des Gesetzes die Beaufsichtigung auf Antrag des Gliedstaats mit Zustimmung des Bundesrats durch kaiserliche Ver
ordnung der Reichsbehörde übertragen werden?)
Andrerseits kann der
mit den beteiligten Landesregierungen
Reichskanzler im Einvernehmen
bestimmen, daß Unternehmungen, deren Geschäftsbetrieb sich zwar über das Gebiet eines Gliedstaats hinauserstreckt, aber sachlich, örtlich und
hinsichtlich des Personenkreises engbegrenzt ist, durch die Landesbehörde desjenigen Gliedstaats beaufsichtigt werden, in dessen Gebiet sie ihren Sitz haben.
§ 70
(§ 4.)
Als aufsichtsführende Reichsbehörde fungiert nach
das kaiserliche Aufsichtsamt für Privatversicherung in Berlin,
dessen Organisation und Geschäftsbetrieb das Gesetz detailliert regelt. Zur Erleichterung
seiner
Aufsicht
Bedarf
vom
des Geschäftsverkehrs
unterstehenden Reichskanzler
des Aufsichtsamts
Unternehmungen
im
Einvernehmen
können
mit
Landesregierung aus der Mitte der Landesbeamten
der
mit
jedoch
den nach
beteiligten
besondere Kom
missare bestellt werden, welche im Auftrag und nach näherer Anord
nung des Amts bestimmten Unternehmungen gegenüber mit der Aus übung der unmittelbaren Aufsicht betraut werden.
Als solche kommen
in Preußen in Betrachts die Regierungspräsidenten,
Polizeipräsident, Städten.
vertretungsweise
auch
die
Die zweiseitigen Fürsorgeeinrichtungen,
von rechtsfähigen Stiftungen organisiert sind,
in Berlin der
Oberbürgermeister
die in
von
der Form
bedürfen zu ihrer Ent
stehung nach § 80 BGB. außer dem Stiftungsgeschäft der Geneh migung') des Bundesstaats, in dessen Gebiete die Stiftung ihren Sitz 1) Solche Verordnungen sind erlassen in bezug auf die Beaufsichtigung hessischer und bremischer privater Versicherungsunternehmungen vom 3. No vember 1902 (RGBl. 1902 S. 43), betreffend die Beaufsichtigung mecklenburgisch-strelitzscher und lippischer privater Versicherungsunternehmungen vom 13. Dezember 1904 (RGBl. 1904 S. 449). 2) Vgl. Verordnung vom 30. Juni 1901 (Preußische Ges.-Samml. S. 141). 8) Die Genehmigung ist hier, wie die Protokolle der II. Kommission (I, 589) hervorheben, nicht eine privcttrechtliche Willenserklärung des Staats, sondern Ausübung eines Staatshoheitsrechts. Sie kann also keinesfalls still schweigend, durch konkludente Handlungen, erfolgen. Das gleiche dürfte auch für die übrigen Kassenformen gellen. Im Gegensatz zu dieser Auffassung nimmt das LG. Essen im Urteil Lange u. Gen./Krupp vom 25. November 1909 an, daß die Kruppsche Pensionskasse bereits dadurch gültig genehmigt sei, daß der zuständige preußische Minister, der sich wiederholt Material über Pensionskassen verschaffte, sie bestehen ließ, bzw. nichts gegen sie unternahm.
21
Organisalionsformen und Teilnehmerkreis.
haben soll,
wobei
als Sitz der Stiftung
welchem die Verwaltung geführt wird, gilt.
im Zweifel
der Ort,
an
Die Genehmigung erfolgt
nach dem freien Ermessen der Staatsregierung bzw. des Bundesstaats.
Als Bundesstaat gilt nach Art. 5 EG. z. BGB. auch das Reichsland
Elsaß-Lothringen.
Die zuständige Behörde bestimmt das Landesrecht?)
Für die Fürsorgekassen,
die als juristische Personen des öffentlichen setzt § 89 BGB. die
Rechts, z. B. als Anstalten, organisiert sind,
gegenüber § 831 BGB. erweiterte Haftung der juristischen Person für
schädigende Handlungen deS Vorstands, eines Vorstandsmitglieds und
anderer
verfassungsmäßig
Schadensersatz
Vertreter
berufener
verpflichtende
Handlung
in
fest,
soweit
Ausführung
die
der
zum diesen
Personen zustehenden Verrichtungen begangen ist. V. Auch bei den Fürsorgekassen mit Beiträgen beider Kontrahenten
des Arbeitsvertrags kommt die Form der Versicherung bei Ver sicherungsgesellschaften vor.
In solchen Fällen müssen also die
Lohn- oder Gehaltsempfänger zu den Kosten der Versicherung beitragen.
(Beispiel: Fürsorgeeinrichtung für Invalide, Altersschwache und Hinter bliebene der Beamten und Arbeiter von Gebr. Hepner, G. m. b. H., Posen.) Häufiger ist jedoch die Organisation als Versicherungs verein auf Gegenseitigkeit, und zwar in der Regel dann als
„kleinerer Verein" im Sinne des § 53 des erwähnten Gesetzes vom 12. Mai
1901.
In
dieser
Weise
sind
sehr
bedeutende
Kassen
organisiert.
Beispiele:
Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse der Angestellten der HamburgAmerikanischen Paketfahrt-A.-G..
Arbeiterinvalidenkasse der Hamburg-Amerikalinie. Gebr. Arnold'scher Pensionsverein, Dresden.
Pensions-, Witwen- und Waisenkasse für die Angestellten der Deutschen Continental-Gasgesellschaft, Dessau.
Beamtenpensionskasse der Badischen Anilin- und Sodafabrik, Lud
wigshafen. Pensions-, Witwen- und Waisenkasse für die Beamten der Stettiner
Maschinenbau-A.-G. Vulkan. Beamtenpensionskasse der Terrakottafabrik Villeroh & Boch, Mettlach. Frankfurter Theaterpensionsanstalt. *) Vgl. z. B. preuß. AVO. z. BGB. Art. 4, bayr. ZuständigkeitsVO. vmn 24. Dezember 1899 § 5.
22
I. Teil.
VI. Endlich sind von Unterarten der zweiseitigen Fürsorgekassen genossenschaftliche Organisationen zu erwähnen.
(Beispiel:
Pensionsverein
die
für
Einsiedel'schen
Gräfl.
Dorrn.
Werke, Gröba.) C. überwiegend aus Mitteln der Lohn- und Gehalts
empfänger werden dotiert die Kassen der sog. gelben Arbeitervereine,
die aber auch regelmäßig werksseitige Zuschüsse empfangen. So zahlt z. B. die
Augsburg-Nürnberger
Maschinenfabrik,
Werk
Augsburg,
einen
Jahreszuschuß von 46 OOO As in die Kasse des „Arbeitervereins Werk
Augsburg". empfänger
Die meisten übrigen organisierten Lohn- oder Gehalts
ziehen
es
vor,
durch
Stärkung
Organisationen sich vor den Fällen
ihrer
gewerkschaftlichen
der schwersten Not zu schützen.
Dementsprechend sind einseitig von ihnen unterhaltene Fürsorgekassen bei Einzelbetrieben zu den Seltenheiten zu rechnen.
Erwähnenswert
ist höchstens die schon mehr als ein Jahrhundert bestehende „Bruder
büchse" (Alters-, Witwen- und Waisenzuschußkasse) der Arbeiter der Sensen
fabrik Haueisen & Sohn bei Neuenbürg (Württemberg), über deren inte
ressanten historischen Entwicklungsgang der Vorbericht zur 13. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlsahrtseinrichtungen Aufschluß gibt.
Neuerdings
hat
sich
mehrfach
zu
Pensionskassenzwecken
eine
Mehrzahl von Arbeitgebern zusammengefunden, entweder durch Gründung gemeinschaftlicher Kassen oder durch Über
weisungsverträge (sog. Freizügigkeitskartelle). Als Beispiel für die erstere Art sei erwähnt der Gebr. Arnhold'sche Pensionsverein, dem 1909 20 Firmen angehörten?)
Der Pensions
verein ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit.
Versichert sind
sämtliche männlichen und weiblichen Angestellten einschließlich der Vor standsmitglieder der
beteiligten
Firmen,
nicht
dagegen
zu
vorüber
gehender Beschäftigung Angestellte und Arbeiter. *) Gebr. Arnhold, Dresden; Deutsche Bierbrauerei A.-G., Berlin; Deutsche Beton- und Sleinzeugwerke A.-G., Charlottenburg; Hofbierbrauerei Schöfferhof und Frankfurter Bürgerbrauerei A.-G., Frankfurt a. M.; Brauerei zum Feld schlößchen A.-G, Dresden; A.-G. Panzerkassen-, Fahrrad- und Maschinen fabriken Dorrn. H. W. Schladitz, Dresden; Automat A.-G., Dresden; H. Hen ninger, Reifbräu A.-G., Erlangen; Merot-Freres, Bierbrauerei und Weingroß handlung A.-G., Fentsch (Lothringen); Gebr. Gebier, Radebeul; Reichelbräu A.-G., Kulmbach; Sckloßbrauerei Kiel A.-G , Kiel;SchmidtL Gottschalk, Bautzen; Verein für Zellstofsindustrie A.-G., Dresden; Mitteldeutsche Bodenkreditanstalt, Greiz; Deutsche Gußstahl- und Maschinenfabrik A.-G., Schweinfurt; Bayer & Heinze, Chemnitz.
23
Organisationsformen und Teilnehmerkreis.
Einen etwas modifizierten Typus stellt dar die Jnvalidenpensionskasse für Maschinenfabriken und Gießereien der Stadt Chemnitz, der
26 Betriebe angehören?)
Während im Gebr. Arnhold'schen Pensionsverein Arbeitgeber wie Arbeitnehmer Mitglieder des Vereins sind, können hier nur Arbeit
geber Mitglieder sein, die Arbeitnehmer dagegen bekommen nach drei
jähriger Zahlung der Beiträge eine klagbare Pensionsberechtigung, ohne Mitglieder zu sein.
Das Forderungsrecht
auf
Pension
gegen den Verein, nicht gegen den einzelnen Arbeitgeber. Als Beispiel für einen Überweisungsvertrag diene
richtet
sich
endlich das
Oberschlesische Freizügigkeitskartell, dem bisher die Bismarckhütte, die Werke der Firma Borsig, Hüttenbetrieb angehören.
zu Unrecht.
die Kattowitzer A.-G. für Bergbau und
Das Kartell führt seinen Namen eigentlich
Das geht daraus hervor, daß dieselben Unternehmer, die
in ihm vereinigt sind, der Errichtung einer Zentralpensionsanstalt in
Schlesien, durch die eine wirkliche Freizügigkeit gewährleistet worden wäre, geschlossenen Widerstand entgegengesetzt haben, und zwar gerade
deshalb, weil ihnen eine derartige Zentralisierung des PensionSkassenwesens, auch innerhalb eines beschränkten Gebiets, nicht mehr ermög
lichen würde, ihre Arbeiter durch die Wohlfahrt ans Werk zu fesseln. Das Kartell stellt eine durch gleichlautenden Statutennachtrag bei den
angeschlossenen Kassen zur Geltung zu bringende Vereinbarung dar, derzufolge bei Ausscheiden eines Arbeiters aus der Beschäftigung eines dem Kartell angehörenden Werks und Übertritt in ein ebensolches
Werk die gezahlten Beiträge an die Kasse des neuen Werks überwiesen
werden.
Eine derartige Einrichtung wäre an sich, wie zu zeigen sein
wird, geeignet, gewisse Härten des Pensionskassenwesens Die fraglichen Bestimmungen
sind aber derart
zu mildern.
verklausuliert?)
daß
eine tatsächliche Überweisung fast undenkbar ist, so daß infolgedessen nur
die Kehrseite der ganzen Sache, nämlich eine noch über die Bindung des
Arbeiters bei
einer
Einzelkasse
hinausgehende Verstrickung von
Versicherungsverhältnis und Arbeitsverhältnis bleibt. war demgemäß, daß dieses „Freizügigkeitskartell"
Die Konsequenz
von den Arbeitern,
denen ihre Freizügigkeit lieb war — und das waren die meisten — unbenützt blieb. *) Aufgezählt im Vorbericht für die 13. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen. 8) Vgl. Borbericht zur 13. Konferenz für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen.
24
I. Teil.
2. Kapitel.
Zwecke der fiirsorgekassen. Der äußere Zweck der Fürsorgekassen ist, zu
machen,
welche
sozialer Fürsorge.
das
Er
jeweilige
ist
durch
Statut
diejenigen Leistungen
vorsieht,
den Kreis
also
Betätigung
der fürsorgeberechtigten
Personen und die Statutenbestimmungen über die Leistungen gegeben. Die einschlägigen Bestimmungen lauten also regelmäßig sehr einfach.
So etwa bei einer Pensions-, Witwen- und Waisenkasse:
„Die Kasse hat den Zweck, nach Maßgabe des Statuts a) den Mitgliedern Invalidenrente,
b) den Witwen verstorbener Mitglieder Witwenrente,
c) den Waisen Waisenrente zu gewähren." Mitunter folgt dieser statutarischen Bestimmung noch ein kurzer
Passus, der das soziale Verständnis des Arbeitgebers schildert. Von dieser farblosen Zwecksetzung machen Ausnahmen nur einige
Unterstützungskassen, die von gelben Arbeitervereinen
unterhalten werden. setzungen.
im wesentlichen
Sie erfreuen sich zum Teil sehr kühner Zweck
Ein Beispiel
genüge:
Der
Vaterländische Arbeiterunter
stützungsverein Zittau *) bezweckt, wie seine Satzung sagt, „im Rahmen
der jetzigen Gesellschaftsordnung 1. den vaterländisch gesinnten Arbeitern die Möglichkeit des Zu sammenschlusses und einen Rückhalt gegenüber sozialdemokratischen Organisationen zu gewähren; T) Ähnliche, mehr oder weniger weit gehende Ziele verfolgen u. a. Arbeiter verein von Werk Augsburg; Arbeiterverein der Mechanischen Baumwollspinnerei und -Weberei Augsburg; Werkverein der Arbeiter und Arbeiterinnen der Am berger Emaillier- und Slanzwerke von Gebr. Baumann; Unterstützungsverein der Siemens-Schuckertwerke Berlin; Burbacher Hüttenverein; Arbeiterhilfskasse der Howaldtswerke Kiel; Arbeiterverein der R. Wolff'schen Werke MagdeburgBuckau; Arbeiterverein der Firma Schäffer & Budenberg Magdeburg-Buckau; Arbeiterverein von Friedr. Krupp A.-G. Grusonwerk Magdeburg-Buckau; Ar beiterverein der Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen; Arbeiterverein der Mechanischen Baumwollspinnerei und -Weberei Bamberg; Unterstützungsverein von Kabelwerk Oberspree der A.E.G.; Hüttenverein der Röchling'schen Eisenund Stahlwerke Völklingen a. Saar, sowie eine große Zahl von kleineren Ar beitervereinen mit insgesamt etwa 100 000 Mitgliedern nach den neuesten Zählungen.
25
Zwecke der Fürsorgekassen.
2. seine Mitglieder
bei Erkrankung,
in Sterbefällen, sowie bei
Arbeitslosigkeit infolge Betriebsstörung zu unterstittzen und für
seine Mitglieder und deren Angehörige Vergünstigungen auf dem Gebiete des Sparwesens, Bildungswesens und der Gesund heitspflege anzustreben; 3. die wirtschaftliche und soziale Hebung des Arbeiterstandes auf
friedlichem Wege zu versuchen, die Beziehungen zwischen seinen
Mitgliedern
und deren Arbeitgebern
freundlich zu gestalten,
das beiderseitige Vertrauen zu befestigen und dem gemeinsamen
Wohle zu dienen 2c."
Zur Erreichung dieser Ziele hält er es insbesondere für erforder
lich, den Streikbruch offiziell zu organisieren.
besagt nämlich: zur
Lösung
§ 11 der Satzung
„Bricht im hiesigen Bezirk eine Bewegung aus, die
des
Arbeitsverhältnisses
von
Mitgliedern
der
sozial
demokratischen Organisation führt, so hat der Vorstand alsbald Für
sorge dafür zu treffen, daß den Vereinsmitgliedern die Möglichkeit der Fortsetzung der Arbeit sichergestellt wird.
Die Mitglieder können aber
nicht verlangen, daß sie in diesem Fall während der Dauer der Be wegung gerade in derjenigen Fabrik bleiben, wo sie bei Ausbruch der Bewegung gerade beschäftigt sind, weil dies möglicherweise nicht aus führbar sein würde." Sehen wir von solchen Organisationen ab, so ist klar, daß auch
der Zweck der übrigen Fürsorgekassen mit Bestimmungen, wie den oben
gezeigten, nicht überall erschöpft ist.
Vielfach stehen in Pensionskassen
betrieben Arbeitgeber und Arbeitnehmer einander direkt feindlich gegen
über.
Was sollte in einem solchen Fall den Arbeitgeber veranlassen,
etwa zu einer
schießen?
solchen Kasse 100 °/o der Arbeitnehmerbeiträge zuzu
Das wird doch nur geschehen, wenn damit sehr erheblichen
Interessen des Arbeitgebers gedient ist und wenn die Opfer, die dem
Arbeitgeber dadurch auferlegt werden, in irgendeiner Weise wettgemacht werden.
Welchen Interessen des Arbeitgebers vor allem durch Pensions
kassen und andere Wohlfahrtseinrichtungen gedient wird, darüber spricht sich der oftmals zitierte Artikel der Deutschen Arbeitgeberzeitung vom
9. Oktober 1904 aus: „Über die praktische Bedeutung der Arbeiterwohlfahrtseinrich tungen herrschen in den Kreisen des Unternehmertums zum Teil
recht irrige Ansichten.
So ist es denn wohl am Platz, auf diesen
Gegenstand noch einmal in möglichst unparteilicher Weise
26
I. Teil. einzugehen.
Die auf das Wohl der Arbeiterschaft gerichteten Be
strebungen besitzen keineswegs einen reinen charitativen Charakter. Sie entspringen
vielmehr
politischer Art.
Außerdem unterscheiden
in
erster Linie
Erwägungen
sie
sozial
sich
von
den Werken der freien Wohltätigkeit dadurch, daß
zwischen Gebern und Empfängern, d. h. also zwischen den Unternehmern und den Arbeitern, einGeschäftsverhältnis, also der Lohnvertrag, besteht, woraus
für den Geber die Möglichkeit erwächst, die Kosten
für die Wohlfahrtseinrichtungen aus den Empfän ger selbst abzuwälzen, indem er sie ihm vom Arbeitslohn abzieht die
Errichtung
Im allgemeinen liegen die Verhältnisse so, daß
von
Wohlfahrtseinrichtungen
Interesse der Arbeitgeber selbst bedingt wird.
gerade
durch
das
Mankanndem-
nach sagen, daß überall da, wo für Arbeitgeber ein
Vorteil aus solchen Wohlfahrtseinrichtungen nicht erwächst, deren Schaffung unterbleibt.
Hieraus in erster
Linie erklärt sich die große Verschiedenheit in den von den einzelnen Arbeitgebern zu den genannten Zwecken gemachten Aufwendungen.
. . . . Natürlich ist es eine durchaus berechtigte Handlungs weise, wenn die Arbeitgeber solcherart Wohlfahrtsein richtungen zum Zwecke der Streikabwehr benutzen.
Nur
kann man alsdann solche Einrichtungen nicht mehr als Ausfluß
einer uneigennützigen Denkweise hinstellen, sondern muß sie als
ein nach Lage derDinge gewiß außerordentlich loyales und darum auch politisch wertvolles Mittel zum Zweck der Streikabwehr bezeichnen. Immerhin ist von diesem Gesichtspunkt
aus die Errichtung von Arbeiterwohnungen und Pensionskassen in
humanitärer Hinsicht keineswegs höher einzuschätzen, als zum Beispiel
die Errichtung von Arbeitsnachweisen durch die Arbeitgeber. Leider können sich zu der Erkenntnis, daß solche Arbeitsnachweise ebenso wie
Pensionskassen und Arbeiterwohnungen die Eigenschaft besitzen, gleich zeitig Einrichtungen zum Wohl der Arbeiter und Mittel zur Be
kämpfung frivoler Arbeitseinstellungen und deshalb einander gleich wertig zu sein, gerade solche Arbeitgeber nicht durchringen, die ihre
Arbeiter in eigenen Wohnungen untergebracht haben. Sie halten viel
mehr an dem Wahne fest, daß die Errichtung von Fabrikwohnstätten nicht nur eine besondere Sicherung gegen die Streikgefahr bietet,
27
Zwecke der Fürsorgekassen.
sondern daß sie vor allem die Leiter der Betriebe als besonders Die Arbeitgeber müssen ein
wohltätige Leute hinstellen sehen lernen,
daß Arbeitsnachweise, Pensionskassen und Arbeiter
wohnungen, sobald sie von den Arbeitgebern eingerichtet und ver waltet werden, Institutionen darstellen, die zwar den Arbeitern
zum Vorteil gereichen, zugleich aber auch in nachhaltiger Weise den Interessen der Arbeitgeber dienen."x)
Wie kann nun die Pensionskasse in der hier erwähnten Weise am besten als „Mittel zur Bekämpfung frivoler Arbeitseinstellungen" be
nützt werden?
Am leichtesten dann, wenn der Arbeitnehmer nichts zur
Erhaltung der Kasse leistet-
Dann steht es nämlich dem Unternehmer
unter allen Umständen frei, bei Eintritt bestimmter Tatbestände die Kasse
leistungen einzustellen.
Gewöhnlich sind die Tatbestände, bei denen ein
solcher Rechtsverlust eintritt, satzungsmäßig festgelegt.
Bei einer Anzahl
von Kassen, die nur der Arbeitgeber dotiert, ist jedoch das Verfahren
vereinfacht, indem von vornherein
kein
klagbarer Anspruch
gewährt
wird, sondern alles dem Ermessen des Arbeitgebers überlassen bleibt. Bei Kassen mit Beiträgen der Lohn-
Fehlen des Rechtsanspruchs selten.
und Gehaltsempfänger ist das
In der Regel bestimmt hier die
Satzung, wann Verlust des Pensionsanspruchs, Beitragsversall rc. ein treten kann.
Doch kommen auch zweiseitige Fürsorgekassen vor, die
einen Rechtsanspruch nicht gewähren.
(Beispiele: Arbeiterstiftung der
Firma Ed. Laeis & Co. Trier; Beamtenpensionskasse der Frankfurter Sozietätsdruckerei).
Die häufig vorkommende Tendenz der einseitigen
’) Ähnliche Gedankengänge find in einer Rede zu finden, die Herr Steller, Generalsekretär des Jndustriellenvereins für den Reg.-Bez. Cöln, auf dem Ver bandstag der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte im September 1910 gehalten hat: „Daß die Wohlfahrtseinrichtungen der Unternehmer sich immer nur auf ihre eigenen Angestellten und Arbeiter beziehen, ist selbstverständlich. Sie wollen nicht etwa allgemeine Menschenfreundlichkeit üben, sondern nur für diejenigen Leute, die in ihren Betrieben tätig sind. Sie wollen daraus natürlich auch für sich einen Nutzen haben, indem sie sich einen Stamm von Ar beitern heranziehen. Vom Landgericht in Essen ist anerkannt worden, daß darum die Kassen doch Wohlfahrtseinrichtungen seien. Für den Selbstzweck des Unternehmens bringt der Unternehmer Opfer und es ist logisch und vernünftig, daß auch die Angestellten und Arbeiter dafür Opfer bringen. Aus purer Menschenfreundlichkeit macht man keine Geschäfte, aber wenn der Unternehmer menschenfreundlich gesinnt ist und eine solche Kasse ins Leben ruft, dann tut er jedenfalls ein gutes Werk, von dem alle diejenigen Nutzen ziehen, die zum Betriebe gehören."
28
I. Teil.
Kassen, aus den Arbeitnehmer unter Umständen vermittels der Wohl-
sahrt einen Druck auszuüben, steht sest.
So besagt z. B. das Statut
der Arbeiterpensions-, Witwen- und Waisenkasse der Bergischen Stahl
industrie in Remscheid in § 15: „Die einmal bewilligte Pension, das Witwen- und Waisengeld, kann auch jederzeit geändert oder wieder ent
zogen werden, namentlich aus Gründen, die in der Person der Pensions-, Witwen- oder Waisengeldempfänger liegen."
Weiter sei erwähnt
die nur von der Firma dotierte Kasse von Siemens & Halske, A.-G.,
Berlin.
Ihr Zweck ist nach § 1
des Statuts,
„den Beamten und
Beamtinnen, Arbeitern und Arbeiterinnen bei eintretender Invalidität eine Pension zu gewähren und im Bedürfnisfall deren Ehefrauen und
Kinder
ehelichen
unter
14 Jahren auch nach dem Tode des Pen-
fionsberechtigten zu unterstützen, solange deren Hilfsbedürftigkeit andauert
und
die
verfügbaren Mittel
ausreichen".
§ 11
des Statuts führt
als Verlustgrund der Pensionsberechtigung u. a. auf:
Invalidität aufgehört hat, der Firma anzugehören".
a)
„wer vor
Im Hinblick auf
diese Bestimmung sagt Werner von Siemens in seinen Lebenserinne
rungen,
die Kasse sei begründet worden,
„um ein
freudiges
selbst
tätiges Zusammenwirken aller Mitarbeiter zur Förderung der Inter
essen der Firma erwirken zu können.
Beamte und Arbeiter betrachten
sich als dauernd zusammengehörig zur Firma und identifizieren die
Interessen
derselben mit ihren eigenen.
Beamte ihre Stellung wechseln,
Firma gesichert sehen.
erhalten, steigt
Es kommt selten vor, daß
da sie ihre Zukunft im Dienste der
Auch die Arbeiter bleiben dem Geschäfte dauernd
da die Pensionshöhe
mit
der
ununterbrochenen Dienstzeit
Man hat dieser Einrichtung den Vorwurf gemacht,
daß sie den Arbeiter zu sehr
an die Arbeitsstelle binde, weil er bei
seinem Abgänge die erworbenen Anrechte verliert.
Es ist dies ganz
richtig, wenn die darin liegende Härte auch dadurch sehr gemildert wird, daß bei Arbeiterentlassnngen wegen mangelnder Arbeit jeder Arbeiter
einen Schein erhält, der ihm ein Vorrecht zum
fremden Arbeitern gibt.
Wiedereintritt vor
Freilich, die Freiheit zu streiken, wird
dem Arbeiter durch die Pensionsbestimmuugen wesentlich be
schränkt, denn bei seinem freiwilligen Austritte verfallen statutenmäßig seine Altersrechte. Es liegt aber auch in beiderseitigem Interesse, daß sich ein fester Arbeiterstamm der Fabrik bildet, denn nur dadurch wird diese befähigt, die Arbeiter auch in ungünstigen Zeiten zu erhalten und ihnen auskömmlichen Lohn zu zahlen. Jede größere Fabrik sollte eine
29
Zwecke der Fürsorgekassen.
solche
Pensionskasse bilden, zu der die Arbeiter nichts
beitragen,
die
sie
aber
trotzdem
natürlich unter Kontrolle der Firma. ließe sich
der
Streikmanie,
verwalten,
selber
Auf diese Weise
welche die
Industrie
besonders die Arbeiter selbst schwer schädigt,
und
am besten
entgegentreten." Analoge
Bestimmungen
enthalten
z. B.
die Kassestatuten
der
Siemens-Schuckert Werke, der Handelsgesellschaft Schrödersche Papierfabrik Golzern, der Chemischen Werke H. & E. Albert Amoeneburg, der Firma
W. Spindler-Spindlersseld, der Firma Schlikker & Söhne-Schüttdors.
Das Statut der Kaiser Wilhelm- und Augustastistung der Farb werke Meister Lucius & Brüning in Höchst a. M. sagt in § 23: „durch
den freiwilligen oder gezwungenen Austritt aus der Beschäftigung bei den Inhabern der Firma geht für die Mitglieder jegliches Anrecht an
die Kaiser Wilhelm- und Augustastistung verloren".
Das wurde zu
folgendem Rundschreiben benützt: Höchst a. M., 27. April 1906.
„Kaiser Wilhelm- u. Augustastistung für Arbeiter-Invaliden, -Witwen u. Waisen der Farbwerke vorm. Meister LuciuS & Brüning, Höchst a. M. P. PEs ist uns bekannt geworden, daß auswärtige Agitatoren bemüht sind, Unzufriedenheit bei der Arbeiterschaft der Farbwerke hervor
zurufen und dieselbe, wenn möglich, in eine Streikbewegung zu treiben.
Wenn wir auch in keiner Weise Stellung zu diesen Bestrebungen zu nehmen haben, halten wir es doch für unsere Pflicht, die Mit
glieder unserer Stiftung daran zu erinnern, daß nach § 23 der Stiftungsstatuten dasjenige Mitglied, welches den Dienst der Farb werke— einerlei auf welche Dauer — verläßt, seine Pensions
ansprüche an unsere Stiftung verliert, und daß weder
die Farbwerke, noch wir in der Lage sind, bei einem eventuellen Wiedereintritt das verlorene Pensionsrecht wieder aufleben zu lassen. Der Vorstand
der Kaiser Wilhelm- und Augustastistung."*) ’) Aus Quarck „Profit und Arbeit in der Chemischen Großindustrie" Han nover 1907 S. 23. Infolge der Reichstagsverhandlungen von 1909 veröffent lichte die Firma Meister Lucius und Brüning in Nr. 11 der Zeitschrift „Die
30
I. Zeil.
Bei zweiseitigen Kassen ist dieselbe Tendenz allgemein zu kon statieren.
Auch hier kommt massenhaft die Bestimmung vor, daß bei
Austritt aus dem Betrieb die erworbenen Ansprüche verloren gehen?) AIS privat strafrechtlich kann diese Tendenz bezeichnet werden da,
wo bei normalem Abgang vom Betrieb Rechtsverlust, aber Beitrags erstattung, für bestimmte, vom Arbeitgeber perhorreszierte Tatbestände jedoch auch Beitragsverlust statuiert ist.
Beispiele: Die Kasse der chemischen Fabrik auf Aktien (Dorrn. E. Schering) zu Berlin (für Beamte und Arbeiter) erstattet bei Ausscheiden aus dem Betrieb durch Kündigung, Entlassung seitens der Firma, Krank heit, Arbeitsmangel rc. 75°/o der geleisteten Beiträge zurück. Die Beitragserstattung unterbleibt bei rechtswidriger Täuschung der Kasse,
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Entlassung wegen mutwilliger Sachbeschädigung, absichtlicher Herbeiführung der Dienstunfähigkeit, Verrat von Betriebseinrichtungen oder Geschäftsgeheim
nissen irgend welcher Art, sei es durch Wort, Schrift oder Zeichnungen, Versuch eines solchen Verrats, Verurteilung zu einer mehr als 3 monatlichen Freiheitsstrafe, Entlassung auf Grund
der W 72 Ziff. 1, 2, 4 HGB.,
133 c Ziff. 1, 2, 3, 5, 6, 123
Ziff. 1—6 GO. Ferner Verlust des Anspruchs auf weiteren Bezug der Pension bei mittelbarer oder unmittelbarer Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen ohne Zustimmung des Vor standes der Chemischen Fabrik (nicht der Kasse!), bei direkter
oder indirekter Beteiligung an Bestrebungen oder Unter nehmungen, die den Interessen der Chem- Fabrik auf Chemische Industrie" einen Artikel, in welchem sie den Erlaß des Rundschreibens zugibt und bemerkt, es sei in der angegebenen Form erlassen worden, „weil die Verwaltung es nicht für ihr Recht, sondern auch für ihre Pflicht hielt, die Arbeiter, die damals durch auswärtige Agitatoren stark verhetzt wurden — es handelte sich um eine starke Zunahme der gewerkschaftlichen Organisationen — auf den eventuellen Verlust ihrer Ansprüche aus Pension usw. hinzuweisen, der mit dem Ausscheiden aus der Fabrik bestimmungsgemäß verbunden ist."
*) So z. B. Donnersmarkhütte; Hamburg-Amerikanische Pakeifahrt, A.-G.; Sieg-Rheinische Hütten A.-G., Menden; Hörder Bergwerks- und Hüttenverein; Zinkhütte Vielte Montagne, Oberhausen; Gewerkschaft Grillo, Funke & Co., Schalke; Isselburger Hütte; Henschel & Sohn, Cassel; Bismarckhütte, A.-G.; Großherzogl. Hoftheater zu Koburg-Gotha; Stadttheater zu Bremen und Straßburg.
31
Zwecke der Fürsorgekassen.
Aktien zuwiderlaufen, bei Weigerung, im Falle der Wiederarbeits fähigkeit die früheren oder ähnlichen Funktionen in der Chem. Fabrik
mit dem zuletzt bezogenen Gehalt oder Lohn wieder aufzunehmen. Die Beamtenpensionskasse der Deutschen Continentalgasgesellschaft Dessau erstattet die Beiträge mit 3 °/o Zinsen zurück.
Bei Verlust der
bürgerlichen Ehrenrechte, Erlangung einer Pension durch betrügerische Mittel oder Versuch derselben,
Vorliegen eines der Tatbestände des
§ 72 Ziff. 1, 2, 4 HGB. tritt indes Beitragsverfall ein. Bei der Arbeiterinvalidenkasse der Hamburg-Amerikalinie wird der
Pensionsanspruch unter Verlust der Beiträge verwirkt bei vorsätzlicher
Herbeiführung der Dienstunfähigkeit, ferner wenn die Dienstunfähigkeit bei Ausführung eines strafgerichtlich festgestellten Verbrechens oder Ver
gehens erworben worden ist, ferner werden die Beiträge nicht erstattet
bei Kontraktbruch und bei äußeren Anlaß.
Ausscheiden aus
der
Kasse ohne
Bei freiwilligem oder unfreiwilligem Ausscheiden
aus der Firma werden
sonst in steigender Skala
75—100 °/o
der
Beiträge zurückerstattet.
Die Beamtenpensionskasse der Badischen Anilin- und Sodafabrik erstattet bei Ausscheiden die Beiträge voll
zurück.
Die Erstattung
unterbleibt bei Ausscheiden wegen Verurteilung zu mehr als 3monatl. Freiheitsstrafe
oder Verlust
der bürgerlichen Ehrenrechte
auf Grund
gemeinen Verbrechens oder Vergehens, wegen eines Tatbestandes des
§ 72 Ziff. 1, 2, 4 HGB., wegen rechtswidriger Täuschung der Kasse oder Versuch derselben, wegen mehr als dreimonatlichen Rückstands in
der Beitragszahlung über den Fälligkeitstermin hinaus. Auch bei Wegfall der Ansprüche auf Pension findet Beitragserstattung nicht statt. Wegfall erfolgt bei absichtlicher Herbeiführung der Dienstuntauglichkeit, Wieder
arbeitsfähigkeit,
ferner
wenn
pensionsberechtigte
Mitglieder
in
ein
anderes Dienstverhältnis treten oder sich durch regelmäßige Beschäfti gung anderweitig Erwerb verschaffen,
ebenso
wenn
pensionierte
Kassenmitglieder, Witwen oderKinder ohne Zustimmung des Kassevorstands in ein außereuropäisches Land aus
wandern, bei Witwen durch Wiederverheiratung, bei Waisen durch
Ablauf des 17. Lebensjahrs. Die Hildegard
Monteure,
zurück.
Beamte)
Bleichert-Kasse in Leipzig-Gohlis
(für
gewährt ebenfalls
Beiträge
die
geleisteten
Arbeiter,
voll
Die Beitragserstattung wird verwirkt, wenn ein Mitglied seine
Arbeitsunfähigkeit durch eine grobe Schuld, durch vorsätzliche Verletzung,
32
I. Teil.
durch schuldhafte Beteiligung an Schlägereien oder Raufhändeln, durch Trunksälligkeit oder durch geschlechtliche Aus schweifungen verursacht hat, wenn ein Mitglied Eigentum der
Firma veruntreut oder die Firma wissentlich geschädigt hat, wenn eine im Genuß der Pension stehende Person einen un moralischen Lebenswandel sührt oder dem Trünke ergeben ist. Der Gebr. Arnhold'sche Pensionsverein versagt die Beitrags erstattung bei Entlassung aus „Gründen, welche die beschäftigende
Firma zur sofortigen Aufhebung des Dienstverhältnisses berechtigen", während es sonst nach § 38 Abs. 1 seines Statuts sämtliche Beiträge, Eintrittsgelder und Gehaltserhöhungsbeiträge ohne Zinsen zurückerstattet. Bei der Versorgungskasse für die Angestellten der Buchdruckerei von M. Du Mont-Schauberg, Straßburg und Köln, findet bei Aus scheiden aus der Kasse Beitragsrückgewähr statt. Ohne Erstattungs
anspruch verliert die Versorgungsberechtigung (auch mit Wirkung für die Angehörigen):
1. wer sich eines entehrenden Verbrechens oder
Vergehens schuldig macht; 2. wer eine anderweitige Erwerbs tätigkeit ohne die erforderliche Zustimmung des Vor stands übernimmt oder sortsetzt. Die Zustimmung des Vorstands ist
während des ersten Jahres nach dem Ausscheiden ausdrücklich nachzusuchen und kann ohne Angabe von Gründen versagt oder zurückgenommen werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Übernahme einer neuen Erwerbstätigkeit dem Vorstand an zuzeigen.
Dieser kann durch begründeten Beschluß die Auf
nahme oder Fortsetzung der Tätigkeit untersagen, wenn
sie geeignet ist, die Firma in ihrem Erwerb oder Ruf zu schädige»; 3. Verlust des Anspruchs aus Witwengeld bei offen
kundig
unsittlichem
Lebenswandel,
Begehung
eines Ver
brechens oder Vergehens, Eingehung einer neuen Ehe. Die Arbeiterpensionskasse der Lokomotivenfabrik Henschel & Sohn, Cassel, erstattet bei Ausscheiden nach Ablauf der Wartezeit (5 Jahre) 2/s der Beiträge zurück. Keine Erstattung findet statt, wenn ein Mitglied gegen die Kasse nachweislich Betrug verübt, wenn ein Mit
glied zu einer Strafe verurteilt wird, die mit Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte verbunden ist, wenn ein Mitglied die Firma nach weislich mit Wissen geschädigt hat oder sich sonst in schwerer Weise gegen die Firma vergeht, endlich wenn die
Invalidität die Folge eines schweren Verbrechens ist.
33
Zwecke der Fürsorgekassen.
Die Großherzogliche Hostheaterpensionskasse zu Coburg-Gotha er stattet bei Vertragsablauf oder Kündigung durch die Intendanz bei weniger als 7jähriger Mitgliedschaft 1/s, bei mehr als 7 jähriger Mit gliedschaft a/3 der Beiträge zurück. Bei Kündigung im ersten Jahre, gleichviel von welcher Seite, wird immer 1i» zurückerstattet.
Die Er
stattung unterbleibt bei Rückständigkeit in der Beitragszahlung für mehr als 2 Monate, bei Vergehen gegen die Theatergesetze oder das Engagement, die die Auflösung desselben zur Folge
haben, bei Zuchthausstrafe und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte,
bei Annahme einer neuen Stellung nach Pensionierung ohne Genehmigung des Verwaltungsausschusses. Die Ruhegehaltskasse des städtischen Orchesters Essen erstattet bei Entlassung eines Mitglieds, sowie bei freiwilligem Austritt nach zehn Dienstjahren 75 °/o der Beiträge zurück. Die Erstattung unterbleibt bei grober Dienstwidrigkeit, unsittlichem Lebenswandel, selbstverschuldeter oder fälschlich angegebener Dienstunfähigkeit.
Das Statut der Pensions- und Unterstützungskasse des Frank furter Opernhausorchesters sieht u. a. bei Beitragsrückstand, entehrender
Strafe Beitragsverlust vor, während es für den Fall der Kündigung seitens der Direktion Beitragserstattung vorschreibt. überall greift hier also beim Vorliegen der aufgeführten Tat
bestände Privat strafe ein.
Daß es sich um eine solche, und nicht
etwa um eine versicherungstechnische Notwendigkeit handelt, geht aus der in allen von mir befragten Betrieben numerisch überaus geringen Bedeutung der fraglichen Tatbestände hervori1)
Firma
Große Berliner Straßen bahn ............................... D on nersmarckhütte .... Bismarckhülle ................... von Tiele-Winkler'sche Jnvalidenkasse................... Dr. Heinr. Traun Söhne . Bergische Stahlindustrie .
Durch Kon trakt bruch
Aus anderen Gründen (Austritt zu Fachschulen, strafbare Hand lungen re.
113 — 284
— 15
10 —
1 116 22
6 27 3
19 8 2
Gesamtabgang 1909
Davon auf Grund eigener ordnungSmäkiger Kündigung, Austritts zumMilltär, Tod, Pensionierung, Krankheit, Arbeits mangel 2C.
Auf Grund von Ent lassung durch die Firma (mit oder ohne Kündi gung)
419 556 3087
307 546 2790
104 414 232
95 281 188
*) Die folgenden Angaben verdanke ich durchwegs den Firmenleitungen. Locwcnfeld, Pensionskassen und Arbeltsvertrag.
3
34
I. Teil.
Firma
Gesamtabgang 1909
Davon auf Grund eigener ordnungs mäßiger Kündigung, Austritts zumMilitär, Tod. Pensionierung, Krankheit, Arbeits mangel 20.
Auf Grund von Ent lassung durch die Firma (mit oder ohne Kündigrmg)
Durch Kon trakt bruch
50
—
AuS anderen Gründen (Austritt zu Fachschulen, strafbare Hand lungen 20.
Siemens-Schuckert Werke .
635
579
Höchster Farbwerke (Meister Lucius & Brüning) . . .
2784
2784
Phoenix, A.-G. für Berg bau und Hüttenbetrieb, Schachtanlage Holland .
1688
1548
55
31
54
Schraubenfabrik Fr.Karcher, Beckingen ......................
256
195
20
40
1
Borfigwerk, GrubeHedwigswunsch, Biskupitz ....
1594
1462
40»)
70
22
Kruppsche Verwaltung der Zeche Hannover.............
1143
1028
62
36
17
GewerkschaftKaiserFriedrich
866
827
8
17
14
Essener Bergwerksverein König Wilhelm.............
1748
1619
53
74
2
Steinkohlenbergwerk Loth ringen bei Bochum . . .
1254
1209
18
27
Steinkohlenbergwerk Graf Bismarck.........................
2911
2439
190
62
220
Gewerkschaft Constantin der Große, Bochum.............
2798
2290
345
47
116
GewerkschaftEwald, HertenRecklinghausen .............
4564
3871
133
246
314
München-Dachauer A.-G. für Maschinen-Papierfabrikation......................
303
184
34
82
3
Arenbergsche A.-G. für Bergbau und Hütten betrieb, Essen................
4477
3856
184
82
405
OberschlesischeEisenindustrie Gleiwitz, Abteilung für Drahtwaren, Eisenwerke Herminenhütte u. JulienHütte ................................
3138
2780
168
157
33
9 Davon 5 durch Austritt zu Fachschulen. s) Alle als Galizier durch landespolizeiliche Verordnung.
6')
35
Zwecke der Fürsorgekassen.
Zur Erläuterung dieser Zahlen ist zu erwähnen, daß in Berg werksbetrieben, deren Material hier wegen seiner Massenhaftigkeit nicht annähernd aufgeführt werden kann,
die Angaben der Werksinhaber
Denn viele Arbeiter
über Kontraktbruch sehr mit Reserve zu lesen sind.
werden im Bergbau als kontraktbrüchig gekennzeichnet, ohne es wirklich
zu sein?) ist
Wie ferner ein Vergleich zwischen Rubrik 1 und 2 zeigt,
allerorten
die
überwiegende
Mehrzahl
ordnungsmäßigen Gründen abgegangen.
Ausscheidenden
der
aus
Nimmt man in der Rubrik
der infolge Entlassung durch die Firma Ausscheidenden ein nur an nähernd ähnliches Prozentverhältnis zwischen kündigungsloser und ord nungsmäßiger Entlassung
an, dann vermindern sich die Zahlen, die
bei den eben aufgeführten Pensionskassenbetrieben für versicherungstech
nische Notwendigkeit der Privatstrafen etwas beweisen könnten, noch mehr. Noch weiter verschieben sie sich zu ungunsten dieses Arguments, wenn
man bedenkt, daß in der Rubrik „Entlassung durch die Firma" auch
diejenigen aufgeführt werden mußten, die nach eigenen anderen Be triebsanlagen verlegt wurden,
da die befragten Firmen in ihren An
gaben in dieser Richtung keine strenge Scheidung machten (die Zahl derselben betrug z. B. bei der Gewerkschaft „Constantin
der Große"
nach der Angabe der Firma 285 von 345).
Einer besonderen Erläuterung bedürfen die mir zuteil gewordenen In ihnen spielt eine auffallend
Angaben der Hamburg-Amerikalinie.
hohe Rolle der Kontraktbruch (bei einem Gesamtabgang von 6420 Mann im Jahre 1909 1590 durch Kontraktbruch).
aus dem Von
in Seetransportbetrieben
den 13913 Kassemitgliedern,
Gesellschaft
im Jahre 1909
Dies erklärt sich jedoch
eigentümlichen die
aufweist,
Arbeitsverhältnis.
die Arbeiterinvalidenkasse der sind nach
den
Angaben
der
Firma nur 1300 Landangestellte, über 12000 Seeleute. Ist nun eine Reise beendigt, so wird abgemustert. Die Arbeiter verlassen aber nicht
definitiv den Dienst der Firma, sondern werden nur auf vier Wochen beurlaubt.
Wer will, kann
allerdings
Arbeit
auf
anderen Schiffen
x) Vgl. hiezu z. B. Reichstagsverhandlungen vom 29. Januar 1909; Pieper, Die Lage der Bergarbeiter im Ruhrrevier, insbesondere S. 126; Theod. Lo ewenfeld, Kontraktbruch und Koalitionsrecht, Arch. f. soz. Gesetzgebung und Statistik Bd. III S. 436 ff.; Lotmar, Die Verrufserklärung Vertrags brüchiger Arbeiter durch den Zechenverband, Soz. Praxis vom 29. Oktober 1908; Oertmann, Die Zulässigkeit der Satzungen des Zechenverbandes in EssenRuhr, Arch. f. bürgerl. Recht XXXIII, S. 221 ff.; Zimmerm ann, „Schwarze Listen als Erziehungsmittel", Soz. Praxis vom 28. Januar 1909 re. 3*
36
I. Teil.
während oder nach dieser Zeit bekommen. Will aber einer sich verändern, so löst er nicht den Vertrag, sondern mustert einfach nicht wieder an.
Schärfer, als die vorerwähnten Kassen, die für die überwiegende Zahl aller Fälle des Ausscheidens die Beiträge zurückerstatten und nur
bei
ganz
bestimmten
Tatbeständen
das
ausscheidende Mitglied
mit
Strafe treffen, gehen diejenigen vor, die durch Bedrohung mit Verlust
der Anwartschaft und Beitragsverlust generell eine Erziehung der Lohn- oder Gehaltsempfänger in gewissen, von ihnen gewünschten Rich
tungen anstreben
und daher auch für die Fälle des ordnungsmäßigen
Ausscheidens und für Betätigung bestimmter Gesinnung oder für be
stimmte Handlungen diesen Verlust vorsehen.
Bei drohung
einer
Reihe von Tatbeständen rechtfertigt
allerdings
aus
der
Sicherung
des
sich
die Straf
Kassebetriebs.
Hieher gehören z. B. Ausschluß aus der Kasse bei Erlangung einer
Pension
durch betrügerische Mittel oder Versuch einer
solchen,
also
durch Simulation oder durch wissentlich falsche Angaben vor dem Ver trauensarzt der Kasse, durch wissentlich falsche Angaben bei Begründung
des Unterstützungsgesuchs rc., ferner bei Verübung anderer Betrügereien, überhaupt bei rechtswidriger Schädigung der Kasse?)
Auch Rechtsverlust bei absichtlicher Herbeiführung der Dienstunsähigkeit?) kann aus dem Wesen der Versicherung erklärt werden, ebenso
der Fall, daß der Unterstützungsbedürftige sich seine Invalidität bei Begehung eines gerichtlich festgestellten Verbrechens zugezogen hat?) Das gleiche trifft ferner zu für Rückstand in der Beitragsleistung nach erfolgter Mahnung.
Dabei ist die Zeit, die ein Mitglied im
*) So z. B. Gasmolorenfabrik Köln-Deutz; Wolf, Netter L Jacobi, Straß burg; Gutehoffnungshütte Oberhausen; Röchling'sche Eisen- und Stahlwerke, Völklingen a. Saar; Lokomotivenfabrik Henschel & Sohn, Cassel; Bergische Stahlindustrie, Remscheid; Hamburg-Amerikanische Paketfahrt A.-G.; SiegRheinische Hütten A.-G., Menden; Hörder Bergwerks- und Hüllenverein; Bismarckhülle; Vereinigte Königs- und Laurahülle; Hof- und Nationaltheater Mannheim; Ed. Laeis & Co., Trier; Schäffer & Budenberg, G. m. b. H., Magdeburg-Buckau; Deutsche Spiegelglas-A.-G, Freden-Grünenplan; Lokomotivenfabrik A. Borsig, Berlin; Zinkhütte Vieille Montagne, Oberhausen; Eisenund Stahlwerke der Dortmunder Union; Villeroy & Boch, Mettlach. *) So z. B. Th. Goldschmidt, Chem. Fabrik, Essen; Münchener Rück versicherungsgesellschaft; Arbettervereinigung Falkenau; Hörder Bergwerks- und Hüttenverein; Schäffer L Budenberg, G. m. b. H., Magdeburg-Buckau; Bremer Stadttheater (Gustav Teichmann-Stiftung). 3) z. B. beim Pensionsverein der vorm. Gräff. Einsiedel'schen Werke, Gröba.
Zwecke der Fürsorgekassen.
37
Rückstand gewesen sein muß, um seine Ansprüche einzubüßen, ver schieden bemessen?) Endlich ist es erklärlich, daß bei vielen Kassen eine Witwenpension nicht geleistet wird, wenn die Ehe schon vor dem Tode des Mannes aus dem Verschulden der Frau geschieden war?) Sehr wohl zu unterscheiden von rechtswidriger Täuschung sind die Tatbestände, die in verschiedenen Kassenstatuten’) als wissent liche Schädigung, nachweisliche Schadenszufügung, schweres Vergehen gegen die Firma u. dgl- vorkommen. Darunter kann so ziemlich alles verstanden werden, insbesondere Zu gehörigkeit zu Arbeiterorganisationen?) Lektüre von GewerkschaftsMehr als 2 Monate z. B. Donnersmarckhütte, Bismarckhütte; mehr als 3 Monate z. B. Bereinigte Königs- und Laurahütte, Isselburger Hütte, Hamburg-Amerika-Paketfahrt A.-G. a) So z. B. Donnersmarckhütte; Hörder Bergwerks- und Hüttenverein Vereinigte Königs- und Laurahütte; Bismarckhütte. 8) Z. B. Bergische Stahlindustrie, Remscheid; Röchling'sche Eisen- und Stahlwerke, Völklingen; Eisenwerk Baildonhütte; Lokomotivenfabrik Henschel & Sohn, Cassel; Wolf Netter & Jacobi, Straßburg; Billeroy & Boch, Mettlach. „Vergehen, die Entlassung zur Folge haben", bedrohen u. a. mit Rechtsverlust und Beitragsverfall das Eisenwerk Herminenhütte, Laband; K. Theater zu Hannover; Hoftheater- und Hofmusikpensionsfonds Darmstadt. 4) Ausdrücklich genannt ist dieselbe im Kassenstatut der Firma H. Pautsch, Maschinenbauanstalt, Eisengießerei, Dampfkesselfabrik, Landsberg a. W. § 3b des Statuts besagt: „Die Mitgliedschaft geht verloren durch Ausschließung. Diese erfolgt .... 3. wenn der Arbeiter Mitglied eines ArbeiterVerbands ist oder wird, der noch andere als rein wirtschaftliche Zwecke verfolgt". Obenan stehen in dieser Beziehung die Betriebe, in denen gelbe Werks vereine existieren. In ihnen hat sich vielfach ein widerliches Schnüffelsystem gegen Gewerkschaftsmitglieder und Mitglieder politischer Organisationen aus gebildet. Vgl. z. B. die Polemiken und Statistiken über Beleidigungsprozesse in den Geschäftsberichten des „Arbeitervereins Werk Augsburg". Natürlich können derartige Tendenzen in der Praxis auch ohne ausdrück liche Satzungsbestimmung Vorkommen. Einen Beleg dafür bilden z. B. die Darlegungen und Aktenstücke, die die Firma Krupp unter dem Titel „Zum Streit um die Werkpensionskassen" herausgegeben hat. Es heißt in der Ein leitung dieser Schrift, daß die Kaffen dazu beitragen, eine seßhafte, in relativ guten Verhältnissen lebende Arbeiterschaft zu schaffen, die der Beein flussung durch die gewerkschaftlichen Füh rer weniger zugäng lich ist. Da als Mittel zur Erreichung dieses Ziels die Beitragseinbehaltung besonders benützt wird, die von der Firma als „einer der wesentlichsten Pfeiler des Systems" bezeichnet wird, so ist mit Günther (Krit. Vierteljahrsschrift für
38
I. Teil.
blättern/) Ausübung des Koalitionsrechts/) Dienst bei Konkurrenz
firmen/) soweit solcher nicht ausdrücklich im Statut mit Strafe bedroht ist. Ein ebenso vager und willkürlicher Auslegung fähiger Tatbestand ist der der „ehrenrührigen Handlung", dem manche Kassen*) Rechts
verlust und Beitragsverfall folgen lassen. Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 3. Folge Bd. XII Heft 4 S. 556) der Schluß zu ziehen, daß hier durch die Wohlfahrt ein Einfluß auf das Arbeitsverhättnis vonseite der Firma gewonnen werden wiü. Viel schärfer spricht dieselbe Tendenz aus der Schriftsatz des Rechts anwalts der Firma Krupp, Justizrat Wandelt, im Pensionskassenprozeß Sobkowski/Krupp. (Vgl. „Die Kruppsche Pensionskasse vor Gericht" S. 72.) Er gibt zu, daß die Kruppsche Pensionskasse für gewerkschaftliche und politische Bestrebungen bisher ein starkes Hindernis gebildet habe. x) Dazu gehören auch die Blätter von christlichen Gewerkschaften. Erst kürzlich (14. Juni 1910) wurde in der Kölnischen Volkszeitung von einem Fall berichtet, in dem die Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke in Völklingen a. Saar die Mitglieder des katholischen Arbeitervereins Völklingen förmlich bedroht haben, lediglich deshalb, weil dieser Verein die Westdeutsche Arbeiterzeitung, Organ des Verbands der katholischen Arbeiter- und Knappschastsvereine Westdeutschlands, eingesührt hatte. Die Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke verlangten Anstritt aus dem katholischen Arbeiterverein, denn „ein ehrlicher Mann kann nicht einem Verein beiwohnen, worin allwöchentlich ein gewerkschaftliches Agitationsblatt vertrieben wird. Durch diese Bewegung erleidet die deutsche Industrie Schaden. Ein echter Hüttenmann muß fest verbunden mit der Hütte sein". a) Ausdrückliche Beschränkungen der Ausübung des Koalitionsrechts ge hören zu den Seltenheiten, da ohnehin die Satzungsbestimmungen, die bei Ausscheiden Verlust der Beiträge normieren, ihre Wirksamkeit auch im Falle der Einstellung der Arbeit äußern. Es wäre daher eine unnötige Unvorsichtig keit der Betriebsleitung, die Ausübung des Koalitionsrechts besonders zu er wähnen. Immerhin kommt auch das vor. Es bestimmt z. B. das Pensions kassenstatut der Schraubenfabrik Fr. Karcher & Co. in Beckingen a. Saar die Einstellung der Kasseleistung, „wenn der Pensionär sich an Bestrebungen beteiligt, die das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die bürgerliche und staatliche Ordnung zu stören geeignet sind".
8) Das Pensionskassenstatut von Karcher & Co., Beckingen, identifiziert sogar ausdrücklich Schadenszufügung und Dienst bei einer Konkurrenzfirma, indem es Einstellung der Kasseleistungen an den bereits Pensionierten vor schreibt, „wenn der Arbeiter oder Angestellte einem Konkurrenzgeschäfte Dienste leistet oder sonst der Firma nachweislich Schaden zusügt". 4) So die der Gute-Hoffnungshütte Oberhausen, der Bergischen Stahlindustrie Remscheid, der Hamburg-Amerika-Paketfahrt A.»G. „Vergehen der Schauspieler, welche von der öffentlichen Meinung als unehrenhaft oder der Sittlichkeit
39
Zwecke der Fürsorgekassen.
Im Gegensatz zu den Firmen, die diese allgemeine Fassung vor ziehen, präzisieren andere genau die Tatbestände, bei deren Vorliegen
sie einen Rechtsverlust eintreten lassen.
Als ausreichender Grund für
einen solchen und zwar regelmäßig mit Verfall aller eingezahlten Bei
träge wird u. a. angesehen:
1. Verrat von Fabrikgeheimnissen oder Versuch desselben.
Bei
spiele : Bergische Stahlindustrie, Remscheid; Th. Goldschmidt, Chemische Fabrik, Essen; Gute-Hoffnuugshütte, Oberhausen; Arbeitervereinigung
Falkenau (Firma Georg Liebermann); Röchlingsche Eisen- und Stahl werke, Völklingen; Zinkhütte Vieille Montagne, Oberhausen.
2. Annahme eines anderen Dienstverhältnisses ohne Zustimmung
der Firma.
Beispiele: Kalle K Co., A.-G., Biebrich a. Rh.; Schäffer
& Budenberg,
G. in. b. H.,
Magdeburg-Buckau;
Zinkhütte
Vieille
Montagne, Oberhausen; Hamburg-Amerikanische Paketsahrt A.-G. 3. Eintritt des Pensionierten in den Dienst einer Konkurrenzfirma; Zuwiderhandlung gegen ein durch Dienstvertrag begründetes Konkurrenz
verbot.
Beispiele: Wolf Netter & Jacobi, Straßburg; Villeroh & Doch,
Mettlach; Röchlingsche Eisen- und Stahlwerke, Völklingen.
4. Verlegung des Wohnsitzes a) in ein außerhalb Deutschlands gelegenes Land.
Beispiele:
Deutsche Spiegelglas A.-G. Freden-Grünenplan; Vereinigte
Königs- und Laurahütte. b) in ein außereuropäisches Land. Beispiele: Gasmotorenfabrik
Köln-Deutz, Kalle & Co., A.-G., Biebrich a. Rh. 5. Dienstentlasiung
aus
Grund
des § 72 Ziff. 1, 2, 4 HGB.,
gesetzlicher Vorschriften,
§ 123 Ziff. 1-6 GO.
z. B.
Beispiele:
Münchener Rückverficherungs-A.-G.; Vereinigte Königs- und Laurahütte. Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 34 Abs. 1 und 2, 41, 100,
106 der Seemannsordnung bedroht die Hamburg-Amerikanische Paket fahrt A.-G. mit Rechtsverlust.
6. Auflehnung gegen Vorgesetzte, Tätlichkeiten gegen Vorgesetzte. Beispiele:
Eisenwerk
Baildonhütte; Eisenwerk Herminenhütte-Laband
der Oberschlesischen Eisenindustrie; Donnersmarckhütte, A.-G.
7. Verletzung der dem Publikum, der Direktion oder dem Institut schuldigen Achtung: Thalia-Theater, Hamburg. zuwiderlaufend angesehen werben', bedroht das Pensionsstatut des ThaliaTheaters zu Hamburg mit Rechtsverlust.
40
I. Teil.
8. Veruntreuung gegen den Arbeitgeber z. B- Isselburger Hütte; Zinkhütte Vieille Montagne, Oberhausen; Arbeitervereinigung Falkenau; Eisenwerk Baildonhütte.
9. Entlassung im DiSziplinarwege.
Beispiele: Pensionsanstalten
der Hoftheater zu Mannheim und Schwerin.
10. Kontraktbruch ist ein häufiger Verlustgrund für Pensions
und Erstattungsanspruch bei Theaterpensionskassen. theater
zu
Schwerin.
Köln,
Bremen;
Hostheater
zu
Beispiele:
Mannheim,
Stadt
Hannover,
Aber auch das Statut der Arbeiterinvalidenkasse der Ham
burg-Amerika-Linie enthält trotz der geschilderten eigentümlichen Ver hältnisse eine Bestimmung, der zufolge bei Kontraktbruch die erworbenen
Ansprüche und Beiträge verloren werden. Kann bei allen diesen Tatbeständen wenigstens ein gewisses Interesse der Betriebsleitung in Betracht kommen, sich für ein angetanes Übel
zu revanchieren/) so fällt dieser Gesichtspunkt bei anderen gar nicht ins
Gewicht.
Tatbestände dieser Art sind z. B.
11. Unsittlicher Lebenswandel.
Die Anforderungen, die hinsichtlich
der Sittlichkeit die einzelnen Pensionskassenbetriebe an beschäftigten Personen stellen,
die bei ihnen
sind in ihrer Höhe verschieden.
Die
einen entziehen den Anspruch nur in schweren Fällen, nämlich dann,
wenn eine Strafe wegen Unsittlichkeit verwirkt wurde.
So machen
z. B. die Firmen Chr. Fikentscher, Zwickau für die Witwen ihrer Ar beiter und Villeroy & Boch, Mettlach für die Witwen ihrer Beamten den Verlust der Pension abhängig von einer Polizeistrafe.
Andere
identifizieren bereits sog. wilde Ehe mit unsittlichem Lebenswandel (so
z. B. die Königs- und Laurahütte; der Hörder Bergwerks- und Hütten verein.
Bei dem letzteren Betrieb wird die Pension wieder gewährt,
wenn behördlicherseits bescheinigt wird, daß die Witwe wieder einen ordentlichen Lebenswandel führt).
Manchen genügt aber gar
schon Entbindung der Witwe nach mehr als 10 Monaten seit dem *) Nicht alle Kassen halten sich für berechtigt, Unrecht mit Unrecht zu ver gelten. Als Beispiel diene die Beamtenpensionskasse der Frankfurter Sozietäts druckerei. Der § 18 ihres Statuts bestimmt, daß bei Entlassung eines Mit glieds wegen Untreue gegen die Firma die Kasse berechUgt und auf Verlangen verpflichtet ist, seine Ansprüche durch bloße Rückzahlung der Beiträge ohne Zinsen abzufinden. Hier wird also ohne weiteres anerkannt, daß auch bei Untreue eines Beamten der Firma nicht das Recht zustehen kann, die Bei träge zu behalten, wenn sie ihm die durch die Zahlung erworbenen Rechte abspricht.
41
Zwecke der Fürsorgekasjen.
Tode des Ehemanns zur Annahme eines unsittlichen Lebenswandels, also zur Festsetzung einer Konventionalstrafe auf außerehelichen Ge
schlechtsverkehr. siedelschen
(So z. B. Pensionsverein für die Dorrn. Gräfl. Ein-
deutsche
Werke;
Weimar).
Freden-Grünenplan;
Spiegelglas-A.-G.
Zinkhütte Vieille Montagne Oberhausen;
Großherzogliche
Hofkapelle
.Die meisten begnügen sich aber mit dem vagen Ausdruck
„notorisch unsittlicher (unmoralischer) Lebenswandel" und öffnen damit derjenigen Personen,
Auch der Kreis
der Willkür Tür und Tor. *)
welcher ungestraft unsittlich sein können, ist von den verschiedenen Be trieben verschieden weit gezogen. Witwen
sittliches
Verhalten
Während die meisten nur von den
fordern,
verlangen
z. B.
die
deutsche
Spiegelglas-A.-G. Freden-Grünenplan, die Arbeitervereinigung Falkenau, die Zinkhütte Vieille Montagne Oberhausen,
die Isselburger Hütte,
das Kurorchester Wiesbaden von allen bei ihnen beschäftigten Personen die Unterlassung von Unsittlichkeiten. 12. Trunksucht.
Hier sind zu unterscheiden die Fälle, in denen
die Kasse nichts leistet, weil herbeigeführt ist,2) von denen,
die
Invalidität
durch
Trunkfälligkeit
die den Rechtsverlust als allgemeine
Strafdrohung gegen Trinker enthalten. '')
Das gleiche gilt für die
satzungsmäßigen Strafdrohungen für Beteiligung an Raufhändeln und Schlägereien/) sowie für geschlechtliche Ausschweifungen/) Doch will es mir scheinen, als ob es sich nicht recht mit dem angeblich
rein sozialen Zweck
der Kassen vereinen lasse,
Fällen die Leistung zu verweigern.
in solchen
Besonders gilt das für die Fälle,
in denen die Leistung der Kasse wegen geschlechtlicher Ausschweifungen versagt wird.
Tahin pflegen mechanisch alle Fälle geschlechtlicher Er
krankung gerechnet zu werden, ohne Rücksicht darauf, daß erwiesener
maßen auch in Arbeiterkreisen ein großer Prozentsatz von Geschlechts
krankheiten durch Ehefrauen vermittelt wird.
Keinesfalls kann aber die
*) So z. B. Donnersmarckhütte A.-G.; Grillo, Funke & Co., Schalke; Bismarckhülle A.-G.; Karcher L Cie., Beckingen. a) So z. B. Pensionsverein der vorm. Gräfl. Einsiedel'schen Werke, Gröba; Hörder Bergwerks- und Hüllenverein; Sieg-Rheinische Hüllen A.-G., Menden; Zinkhütte Vieille Monlagne, Oberhausen; Ed. Laeis & Co., Trier. 8) z. B. deutsche Spiegelglas-A.-G. Freden-Grünenplan; Isselburger Hülle. 4) In beiden Fällen wird der Anspruch verloren z. B. bei Dr. Heinrich Traun Söhne, Hamburg und Harburg; Ed. Laeis & Co., Trier; SiegRheinische Hütten A.G., Menden; Hörder Bergwerks- und Hüttenverein; Zinkhütte Vieille Monlagne, Oberhausen.
42
I. Teil.
Strafdrohung
gegen Trinker,
sicherungstechnisch,
Rohlinge,
ausschweifend Lebende ver
mit dem Interesse der Kasse, möglichst große Ein
nahmen zu erzielen, gerechtfertigt werden. Könnte sie das, dann müßten ja schließlich noch die Arbeitgeber im Interesse der Kassen für eine
Erziehung ihrer Lohn- oder Gehaltsempfänger zu Trunksucht, Roheit und Ausschweifung arbeiten. Ganz abgesehen davon ist es eine statistische Binsenwahrheit, daß selbst das staatliche Vergeltungsstrasrecht noch nie die Wirkung gehabt hat, die Frequenz der Übeltaten abzumindern. 13.
Unverständlich
sozialen Zweck
der
ist
es
endlich, wie im
Fürsorgekassen
denjenigen
Einklang mit dem
Lohn-
empfängern, die durch Verbrechen oder Vergehen
und
staatliche
Gehalts Strafen
verwirkt haben, oder die die bürgerlichen Ehrenrechte verloren habens)
durch Entziehung der Pensionsansprüche und Verfall der Beiträge die Rehabilitierung möglichst erschwert werden kann, ebenso, wie denjenigen
Arbeitnehmern, die in Konkurs*) geraten sind, noch durch den Rechts
verlust ein weiterer schwerwiegender Schaden zugefügt werden kann. An der Sozialwidrigkeit solchen Vorgehens wird auch dadurch nichts
geändert, daß das vom preußischen Ministerium des Innern heraus
gegebene M u st e r st a t u t b) für Pensionskassen mehrere der eben aufgeführten Fälle, so Rechtseinbuße bei Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie
„wenn das Mitglied keinen achtbaren Lebenswandel führt", enthält. Der Beitragsverlust ist teils ein vollständiger, teils ein partieller. Die
vollen Beiträge verlieren ausscheidende Kafsemitglieder z. B. bei der Ham burg-Amerikanischen Paketfahrt-A.-G.; Hörder Bergwerks- und Hütten
verein ; Gewerkschaft Grillo, Funke & Co., Schalke; Zinkhütte Vieille Mon tagne, Oberhausen; Ed. Laeis & Co. Trier; H. Pauksch, A.-G-, Landsberg
a. W-; Drahtwerke Gleiwitz; Vereinigte Königs- und Laurahütte; Stadt theater Bremen; Kgl. Theater Hannover; Stadttheater Straßburg. x) So z. B. Eisenwerk Baildonhütte; Wolf, Netter & Jacobi, Siraßburg; Lokomotivenfabrik Henschel & Sohn, Cassel; Gulehoffnungshütte, Oberhausen; Bergische Stahlindustrie, Remscheid; Hohenlohewerke A.-G., Hohenlohehütte; Donnersmarckhütte A.-G.; Badische Anilin- und Sodafabrik, Ludwigshafen; Isselburger Hütte; Eisen- und Stahlwerke der Dortmunder Union; Vereinigte Königs- und Laurahütte; Villeroy & Boch, Mettlach; Bismarckhütte A.-G.; Hoftheater Mannheim und Schwerin; Stadttheater Bremen; K. Theater Han nover; Hoftheater und Hofmusikpenstonsfonds Darmstadt; Orchesterpensions anstall Chemnitz; Karcher L Co., Beckingen; Eisenwerk Herminenhütte, Laband. ’) z. B. Penfionsanstatt des Frankfurter Stadttheaters. 8) Abgedruckt im Vorbericht für die 13. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen.
43
Zwecke der Fürsorgekassen.
Beispiele
für Pensionskassen mit partiellem Beitragsverlust:
Donnersmarckhütte, A.-G.; Großherzogl. Hostheater Schwerin 2c.1)
Die vorgeführten Bestimmungen sind aber nicht einmal geeignet,
das zu bewirken, was ihre Urheber beabsichtigen.
Insbesondere haben
sie nichts daran ändern können, daß die Fluktuation bei denjenigen Betrieben am größten ist, bei denen das Arbeitsverhältnis ant schlechtesten
ist. Daß bei einer ganzen Reihe von Pensionskassenbetrieben der Arbeiter wechsel ein sehr häufiger ist, zeigen folgende Zahlen?)
Firma
Arbeiterzahl am 1. Ja nuar 1910
Gesamt zugang 1909
Gesamt abgang 1909
Gesamt wechsel 1909
Vereinigte Königs- u. Laurahütte .
2256
1148
1034
2182
Höchster Farbwerke.........................
5464
3057
2748
5085
Donnersmarckhütte.........................
1825
590
556
1046
..................................
958
403
429
932
Dr. Heinrich Traun Söhne ....
1729
360
414
774
Baildonhütte
Fr. Karcher L Co..............................
884
271
256
527
Bismarckhütte A.-G..........................
4557
3174
3087
6261
A. Borsig, Biskupitz......................
3791
2345
2159
4504
......................
3041
764
774
1538
388
Drahtwerke Gleiwitz
................
790
213
175
Julienhütte, Bobrek......................
2391
2148
2189
4337
München-Dachauer A.-G. für Maschinen-Papierfabrikation ....
790
273
303
576
Herminenhütte, Laband
Bei vielen Betrieben betrug also der Arbeiterwechscl mehr als
100 °/o,
bei
keinem
erheblich
weniger
als
50 %
der
Belegschaft.
Das sind Zahlen, die zum mindesten dem Durchschnitt der wohlfahrts
losen Betriebe gleichkommen?) *) Detaillierte Angaben können hier unterbleiben, da dieser Punkt durch andere Schriften hinreichend geklärtist. Vgl. insbesondere die reichhaltigenAngaben in dieser Richtung bei Günther „Die Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeitgeber" S. 61 ff*) Die Angaben verdanke ich den Firmenlettungen. •) Vgl. dafür z. B. die Belege für den Arbeiterwechsel aus den Zechen des Ruhrgebiets in den Berichten des Allg. Knappschaftsvereins zu Bochum. Auch hier bewegen sich die Zahlen meist um 70—100 %. Nur bei vereinzelten Zechen, bei denen aus irgendwelchen Gründen das Arbeitsverhältnis besonders schlecht war, sind sie erheblich höher, bei einzelnen dagegen auch etwas niedriger.
44
I. Teil.
3. Kapitel.
mitgliedscbaft. Beiträge. Die Mitgliedschaft bei privaten Fürsorgekassen ist in verschiedenen
Formen möglich. Mitgliedschaft;
Sie kann sein Zwangsmitgliedschast oder freiwillige ordentliche
außerordentliche
oder
(fortgesetzte)
Mit
gliedschaft; ständige oder unständige Mitgliedschaft?)
Zwangsmitgliedscbaft bei einseitigen Tflrsorgekassen. Die Frage nach der Bedeutung der Zwangsmitgliedschaft ist ver
schieden
zu
beantworten,
je nachdem
eine Kasse
ausschließlich aus
Mitteln des Arbeitgebers oder auch aus solchen des Lohn- oder Ge haltsempfängers unterhalten wird.
Im ersteren Falle ist es klar, daß
der Zwang zum Beitritt bei einer derartigen Einrichtung auch für den Fall des Ausscheidens aus dem Betriebe nicht die Wirkung haben kann, für den Ausscheidenden einen Geldanspruch entstehen zu lassen. Freilich
werden
hier
durch
den Austritt
satzungsmüßige Anwartschaften, wohl möglich, daß in
handelt werden?)
eines
Arbeitnehmers
Altersrechte zerstört,
nicht
selten
und es ist sehr
dieser Richtung nicht alle Arbeiter gleich be
Immerhin
handelt
es sich
hier
um
Ermessens-
l) Die Scheidung in ständige und unständige Mitglieder kommt bei den Privaten Pensionskassen äußerst selten vor. *) So klagt der christliche Gewerkschaftssekretär Hirtsiefer in einem auf der V. Generalversammlung des christl. Metallarbeiterverbands am 8. September 1908 in München gehaltenen Vortrag über Werkpensionskassen: „Eine Art der selben sind die sog. Versorgungskassen, bei denen in der Regel seitens der Unternehmungen bestimmte Fonds bei besonderen Anlässen gestiftet werden, aus denen dann die arbeitsunfähig gewordenen Arbeiter größere oder kleinere Beträge erhallen. Die gute Absicht der Stifter solcher Fonds will ich gewiß nicht in Zweifel ziehen, ich verkenne durchaus nicht das Gute, das für alte, abgearbeitete Kollegen in Zuwendungen aus solchen Fonds liegt. Wie aber diese Zuwendungen häufig verteilt werden, spricht allen Gesetzen von Recht und Gerechtigkeit nur zu häufig Hohn. Meistens sind diese Stiftungen geradezu Brutstätten der Korruption. Nicht diejenigen, die am längsten und treuesten der Firma gedient haben, sind häufig die Empfänger dieser Zuwendungen, be sonders dann nicht, wenn sie sich noch nicht zu dem Tille'schen Diktum durch gerungen haben, daß die Menschenrechte in die Rumpelkammer gehören, viel mehr ihre Menschenrechte stets verteidigt haben, sondern diejenigen, die die größtnlöglichsten Anpassungsfähigkeiten, besonders bei den unteren und mittleren Beamten, entwickelt haben. Vielfach ist in neuerer Zeit auch noch Vorbedingung
Mitgliedschaft.
fragen auf Seite des Arbeitgebers.
45
Beiträge.
Denn wenn der Arbeiter nichts
zur Kasse geleistet hat, dann ist ihm auch bei seinem Abgang vom Betrieb nichts zu erstatten.
Es entspricht auch dem geltenden Recht,
daß der Ausscheidende in
solchen Fällen seine AlterSrechte verliert,
vorausgesetzt natürlich, daß er sie im Einklang mit dem Statut der
betreffenden Unterstützungseinrichtung verliert.
Gibt nun auch das geltende Recht dem ausscheidenden Arbeiter im Falle des Vorhandenseins einer einseitigen Pensionseinrichtung keinen Geldanspruch,
so ist doch die Frage zu erheben,
ob nicht der
Zwang zur Teilnahme an Einrichtungen, deren Leistungen ausschließlich
in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt sind, eine Gefahr für den Einzelnen und für die Nationalwohlfahrt darstellt.
Es
ist klar,
daß der Preis jeder Arbeit die Selbstkosten der
Arbeit decken muß, daß niemand dauernd unter diesen Selbstkosten arbeiten kann. Für die Höhe der Selbstkosten ist nicht nur maßgebend
die Erhaltung
von
Leben
und
Arbeitskraft
in
der Arbeitsperiode,
sondern, da die große Mehrzahl aller Menschen zwei unproduktive Perioden (Jugend, Alter) und eine produktive (Arbeits)periode erlebt,
auch die Erstattung der Auslagen, welche den Eltern die Erziehung
und Bildung
des Kindes
gekostet hat,
Altersperiode bis zum Tod?)
und
die
Fürsorge für
die
Von dem Preis, den der Arbeiter für
Mitgliedschaft im Werksverein, bei den Gelben usw. Wahre Zuchlanstalten für Sireberei und Kriecherei geben gerade diese Versorgungskassen in der Regel ab. Weil aber die Arbeiter bei ihnen keine Pflichten haben, wird eine Änderung des bestehenden Zustands nur von der fortschreitenden Kultur zu erwarten sein. *) Vgl. Engel, Der Preis der Arbeit, Berlin 1866, S. 35 ff. Nach ihm sind die Selbstkosten der Arbeit: I. Die Wiedererstattung des in der Jugend aufgewendeten Erziehungs und Bildungskapitals betreffend. 1. Tilgung dieses Kapitals und Verzinsung der ungetilgten Kapitals reste bis zum Zeitpunkt der Tilgung. 2. Versicherung gegen die Gefahr, daß diese Tilgung unvollständig bleibe: wegen Todes vor Ablauf der Tilgungsperiode; wegen Invalidität oder Verkürzung der Arbeilsperiode; wegen zeitweiliger Unterbrechung der Erwerbsfähigkeit während dieser Periode aus äußeren und inneren Gründen. II. Die Erhaltung des Lebens und der Arbeitskraft während der Arbeits periode betreffend. 1. Bestreitung der Kosten der Krasterhaltung und Krafterneuerung. 2. Versicherung gegen die Gefahr vorzeitiger Invalidität.
46
I. Teil.
seine Arbeit bekommt, muß er diese beiden Posten bezahlen, wenn nicht das Nationalvermögen Einbuße erleiden soll.
Der Preis der Arbeit
enthält also nicht nur die Bezahlung der Leistung, sondern auch die Amortisationsquote für die Aufwendungen in der Jugend, die Rück lagen für die Altersperiode?)
Der gewerbliche Arbeiter und bald wohl auch der Privatbeamte
hat krast Gesetzes einen Teil der Fürsorge für die Altersperiode zu bestreiten durch Beiträge zur reichsgesetzlichen Sozialversicherung. Kommt nun der Arbeitgeber und sagt: „Für diejenigen, die in meinen Betrieb
eintreten, trage ich einen Teil der Selbstkosten der Arbeit durch Ueber nahme einer Altersfürsorge auf meine Rechnung", so ist klar, daß der Arbeitnehmer,
da ihm ein Teil der Fürsorge für seine Alters
periode auf diese Weise aus der Hand genommen wird, keine oder
geringere Rücklagen für das Alter nracht, daß er den ihm folgemäßig zu anderen Zwecken zur Verfügung stehenden Teil seines Einkommens
z. B- zur schnelleren Wiedererstattung des Erziehungs- oder Bildungs kapitals, zur Verbesserung seiner Lebenshaltung rc. verwertet, in der Hoffnung, für daS.Alter sei durch den Arbeitgeber gesorgt.
Ist es
nun aber dem Arbeitgeber anheimgestellt, mit der von ihm nach Be lieben herbeiführbaren Beendigung des Dienstverhältniffes des Arbeit nehmers gleichzeitig auch dessen Hoffnung auf Altersfürsorge, Jnva-
lidenfürsorge rc. zu zerstören, so ist die Folge, daß eine große Anzahl
von Menschen infolge der Versprechungen des Arbeitgebers es unter
lassen hat, durch eigene Rücklagen für ihr Alter zu sorgen, und daher jeglicher
Altersfürsorge entbehrt.
Daß dies
eine erhebliche Gefahr,
nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesamtheit, für das Volksvermögen darstellt, leuchtet ein. 3. Versicherung gegen die Gefahr zeitweiliger Unterbrechung des Erwerbs: durch Krankheit; durch Krisen und Stockungen des Geschäfts. III. Die Erhaltung des Lebens während der Altersperiode betreffend. Bestreitung des Lebensunterhalts und Altersversorgung nach jeder Hinsicht.
*) Das geht z. B. auch aus den Begründungen fast aller deutschen Beamten gesetze hervor. Die Gehälter der pensionsberechtigten Staatsbeamten sind regel mäßig relativ niedriger, als die der Nichtpensionsberechtigten, weil im Falle der Pensionsberechtigung der Gehalt nur der Amortisierung des Erziehungs- und Bildungskapitals, sowie der Erhaltung der Arbeitskraft während der Arbeilsperiode dient, während der Nichtpensionsberechtigte auch für dieAltersperiode vorzusorgen hat.
Mitgliedschaft.
Beiträge.
47
Zwangsmitgliedscbaft vei zweiseitigen fflrsorgekassen. Weit schwieriger wird die Frage bei denjenigen Unterstützungs
einrichtungen, die auch durch Mittel der Lohn- und Gehaltsempfänger
unterhalten auch
werden.
Bei
Beitragszwang.
ihnen
bedeutet
Dieser für
eine
ja
der
Beitrittszwang
wirksame Durchführung
der Versicherung kaum zu entbehrende Zwang ist seit geraumer Zeit Gegenstand heftiger Angriffe. Die Angriffe richten sich aber nicht gegen
den
Beitrittszwang
oder
Beitragszwang als solchen*),
sondem gegen die Verbindung von Beitritts- (bezw. Bei-
tragS-)zwang und Beitragsverlust bei Beendigung der Beschäftigung.
Von besonderer Bedeutung ist die Behauptung, daß
Kaffestatuten, die Zwangsbeiträge von Lohn- oder Gehaltsempfängern festsetzen,
gegen die guten Sitten verstoßen,
wenn sie nicht
die Rückerstattung der Beiträge an die aus dem Betriebe Ausscheiden
den bestimmen.
Die Meinungen in der Judikatur*), in der juristischen
und volkswirtschaftlichen Literatur gehen soweit auseinander, daß wohl ein näheres Eingehen auf diese oft behandelte Frage gerechtfertigt ist.
Vorweg möchte ich bemerken, daß das Ergebnis der Untersuchung verschieden ausfallen muß, je nachdem die rechtlich-moralischen oder die
versicherungstechnischen Erwägungen in den Vordergrund gestellt werden. Ich meffe den ersteren entscheidende Bedeutung bei, ausgehend von dem x) Die Idee des Versicherungszwangs gewinnt unter den Arbeitnehmern eine immer stärkere Anhängerschaft. Das geht vor allem aus dem aktuellen Bestreben breitester Berufsgruppen, in den staatlichen Bersicherungszwang ein bezogen zu werden, hervor. s) Die Rückerstattungspflicht haben u. a. bejaht: die Gewerbegerichte Friemersheim-Mörs (mehrmals), Borbeck, Dortmund, Eßlingen, Dresden, Augsburg, die Amtsgerichte Cöln, München, die Landgerichte Stuttgart, München (ohne prinzipielle Stellungnahme), Trier, die Kreisregierung von Schwaben und Neuburg (ohne prinzipielle Stellungnahme). Verneint dagegen die Gewerbegerichte Mainz, Essen, Oberhausen, Beuthen, Hannover, Dortmund, Berlin (3. Kammer), die Kaufmannsgerichte Essen, Frankfurt, Magdeburg, das Amtsgericht Merzig, die Landgerichte Cöln, Essen, Cleve, Dortmund, Dresden, Cassel, das Oberlandesgericht Hamm. Dabei ist aber erwähnenswert, daß mehrere Gewerbegerichte, die ursprünglich die Rück erstattungsansprüche bejaht haben, z. B. das Gewerbegericht Dortmund, nach Abweisung des Erstaltungsanspruchs in der 2. Instanz umgeschwenkt sind, wohl um den betr. Klägern die Kosten einer zweiten Instanz zu ersparen. Eine Reihe von Gewerbe- und Kaufmannsgerichten, so mehrfach die Kammern I und II des Kaufmannsgerichts Berlin, haben ihre Zuständigkeit bestritten.
48
I. Teil.
Grundgedanken, daß auch der Abschluß von Verficherungsvertrügen sich
im Rahmen des geltenden Rechts und der herrschenden Moral abspielen muß, und
daß
es nicht möglich ist, alle Grundsätze
der modernen,
kapitalistisch zugeschnittenen Versicherungstechnik, einer Technik von Ver sicherungsverträgen, die niemand einzugehen braucht, der nicht will, aus soziale Versicherung von Personen anzuwenden, die großenteils durch
ihre ökonomische Lage genötigt sind, sich wider ihren Willen einen Zwang zu solcher Versicherung und finanzielle Opfer für dieselbe gefallen zu lassen.
Im Gegensatz zu solchen Beurteilern, die das ganze Problem für ein rein versicherungstechnisches und nicht für ein rechtlich-moralisches ansehen, gehöre ich zu denjenigen, die Anwendung versicherungstechnischer Grund sätze in der Organisation von Pensionskassen nur insoweit anerkennen, als sich daraus feine Konflikte mit den allgemein geltenden Zivilrechts
grundsätzen und dem sozial-ethischen Charakter der ganzen Institution ergeben, die jede Opportunitätspolitik und jede Sondermoral auf Kosten
der allgemein herrschenden Moral- und Rechtsgrundsätze für unzulässig, jede Koordinierung oder gar Rangverdrehung dieser beiden Elemente
für methodisch unrichtig halten. I. Das Problem ist kurz folgendes: Bei Kassen mit Beitrittszwang wird der Lohn- oder Gehaltsempfänger durch den Abschluß des Arbeits
vertrags genötigt, gleichzeitig noch einen weiteren Vertrag, nämlich einen Versicherungsvertrag einzugehen, sei es mit dem Arbeitgeber selbst (das
ist der Fall, wenn die Kasse keine eigene juristische Persönlichkeit besitzt),
sei es mit einem Dritten (dann, wenn die Kasse selbst Rechtspersön lichkeit besitzt).
Auf Grund des Versicherungsvertrags wiederum ist der
Arbeitnehmer gebunden,
an
die Kasse Beiträge zu
bezahlen?)
Die
Dertragsposition beider Kontrahenten ist aber dann verschieden, wenn der Versicherungsvertrag die Bestimmung enthält, daß mit der Be
endigung
des Arbeitsverhältnisses
auch
das
Versicherungsverhältnis
erlischt und die geleisteten Beiträge nicht zurückerstattet werden. Denn
dann fügt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber, dem sofort genug neue Arbeitskräfte zur Verfügung stehen,
keinerlei
Schaden zu, wohl aber dem Arbeitnehmer, der hiedurch seine ihm ab
gezwungenen Beiträge unter Verlust der — durch den Ablauf der be
gonnenen Karenzzeit bedingten — Anwartschaft auf Pension einbüßt, und der bei Eintritt in eine neue Kasse den weiteren Nachteil hat, daß x) Unwesentlich ist dabei, ob auch der Arbeitgeber Beiträge bezahlt und in welcher Höhe er solche bezahlt.
Mitgliedschaft.
Beiträge.
49
er entweder, weil älter geworden, höhere Beiträge zu zahlen hat oder wenigstens eine neue Karenzzeit durchmachen muß, um eine Pensionsanwartschaft be
kommen zu können. In der dadurch geschaffenen Ungleichheit der Rechtslage beider Kontrahenten des Arbeitsvertrags wird ein Verstoß gegen die guten Sitten erblickt. Besondere Bedeutung gewinnt diese Behauptung, wenn man
bedenkt, daß die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber
aus Gründen herbeigeführt werden kann, die weder mit dem einzelnen Versicherungsvertrag, noch mit dem Wesen der Versicherung etwas zu tun haben, die vielmehr in persönlichen oder staatsbürgerlichen Macht fragen ihren Anlaß habens, und daß andrerseits stets bei Geltendmachung ’) Daß es sich hier nicht bloß um Möglichkeiten handelt, sondern, daß diese Möglichkeit in zahllosen Fällen in die Wirklichkeit umgesetzt wird, dafür braucht hier wohl detaillierter Beweis nicht angetreten zu werden. Bietet doch die Geschichte der Gewerkschaften, die seit Jahrzehnten die Aufgabe über nommen haben, den Arbeiter zum gleichberechtigten Faktor bei Abschluß des Arbeitsvertrags zu machen, eine Fülle von Beispielen der Entlassung von Ar beitern, die formell mit einem geringfügigen Verstoß gegen die Arbeitsordnung begründet werden, materiell aber ihren Grund in der Zugehörigkeit zur Or ganisation haben. Immerhin mag ein aus der letzten Zeit vorliegender Schul fall erwähnt werden, in dem ein Arbeiter lediglich deshalb von feinem Arbeit geber entlassen wurde, weil er die Forderungen der organisierten Arbeiter in der Pensionskassenfrage im Vorstand seiner Pensionskasse mit Nachdruck vertrat: dem Arbeiter Löser der Chem. Fabrik Th. Goldschmidt in Essen wurde vom Arbeitgeber gekündigt, weil er, instruiert vom Arbeitersekretariat zu Essen, einem Antrag der Firma auf Erhöhung der Kasseleistungen einen solchen auf Rück erstattung der Beiträge entgegengesetzt hatte. Der Tatbestand ist folgender: Die Pensionskasse der Firma Goldschmidt hatte im Laufe der letzten Jahre so beträchtliche Üverschüsse angesammelt, daß es geboten erschien, dieselben in irgend
einer Weise zu verwenden. Die Firma stellte daher im Vorstand der Pensions kasse einen Antrag auf mäßige Erhöhung der Kasseleistungen. Da das Arbeiter sekretariat Essen befürchtete, daß die Erhöhung der Leistungen von der Firma als Argument benutzt werden würde, um einem bevorstehenden Antrag auf Ein führung der Beitragserstattung mit der Behauptung zu begegnen, diese sei versicherungstechnisch unmöglich, stellte der im Vorstande der Kasse befindliche Arbeiter Löser im Einvernehmen mit dem Arbeitersekretariat den Antrag, es sollte zunächst die Rückerstattung der Beiträge an Ausscheidende statutarisch eingeführt werden, da die im Kassenstatut vorgesehene Form der Sicherung der Rechte Ausscheidender, die Weiterversicherung nach zweijähriger Mitgliedschaft, nicht ausreichend erscheine. Für den Fall der Annahme dieses Antrags seien die Unterzeichner desselben (373 Arbeiter) gern zu höheren Beiträgen an die Pensionskasse bereit, für den Fall der Ablehnung würden sie auch gegen den Antrag der Firma auf Erhöhung der Kasseleistungen stimmen. Herr Gold schmidt, der Inhaber der Fabrik, lehnte die Beitragserstaltung ab, und zwar mit Loewenfeld, Penftonskassen und Arbeitsvertrag. 4
50
I. Teil.
des Koalitionsrechts des Arbeitnehmers der statutenmäßige Beitrags
verfall gleich einer progressiven Besteuerung der Einstellung der Arbeit wirkt.
Auch auf den Nutzen, der finanziell schlecht fundierten Kassen
daraus erwächst, daß sie bei starkem Arbeiter- oder Beamtenwechsel allmäh lich finanziell gekräftigt werden, ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen.
II. Gegen diese Problemstellung sind zunächst eine Reihe tat sächlicher Einwendungen gemacht worden.
1. Es wurde eingewendet, ein Zwang für den Lohn- oder Gehalts
empfänger zum Abschluß eines Arbeitsvertrags, der ihm so unbequeme Nebenverpflichtungen auferlege, liege in Wirklichkeit gar nicht vor. Denn niemand sei genötigt, gerade in ein Unternehmen einzutreten, in dem eine folgenden Argumenten (Dgl. die Broschüre: „Hauptversammlung der Mitglieder der Ernst-Stelzer-Pensionskasse am Sonntag, den 24. April 1910, Essen 1910): 1. Die Rückzahlung der Beiträge ist unvereinbar mit dem Interesse der Pensionskasse, also mit dem Interesse der verbleibenden Mitglieder. Der Zweck der Pensionskasse ist der, denjenigen Mitgliedern, welche längere Jahre bei der Firma Th. Goldschmidt gearbeitet und zur Kasse gesteuert haben, eine möglichst auskömmliche Altersversorgung zu schaffen. Die ausscheidenden Mitglieder sind überwiegend jüngere Leute. Wenn die jüngeren, in der Blüte der Kraft stehenden, das Werk verlassenden Arbeiter, die ihre Versicherung nicht aufrecht erhalten wollen, trotzdem die Kasse ihnen diesbezüglich alle denkbaren Erleichte rungen gewährt, durch Verfall der Beiträge ein gewisses Opfer zugunsten der älteren bringen, so ist das gerade ein gesunder und glücklicher Gedanke in der Organisation derartiger Pensionskassen. 2. Auf der anderen Seite liegt eine erhebliche Gefahr darin, die Rück zahlung der Beiträge an ausscheidende Mitglieder durch die Satzungen festzu legen. Die Möglichkeit, durch Austritt aus den Diensten der Firma die Heraus zahlung der gesamten Pensionskassenbeiträge erlangen zu können, würde für viele Arbeiter eine Versuchung bilden, ohne zwingende Gründe ihre auskömm liche Arbeitsstätte aufzugeben, sei es, daß sie glauben, die runde Summe vor teilhafter oder angenehmer verwenden zu können, sei es, daß sie sich in einer augenblicklichen Notlage befinden. Sie würden damit für einen augenblicklichen Vorteil wertvolle Rechte aufgeben, den Zweck der Kasse als Pensionskasse für sich vernichten und schließlich sich selbst damit schädigen. Die (von den Arbeitern entgegengehaltene) Bedingung, das Geld erst nach 12 oder 6 Monaten auszuzahlen, wäre fein wirksamer Schutz, da eine Forde rung an die zahlungsfähige Ernst-Stelzer-Pensionskasse der Firma Th. Gold schmidt jeden Tag diskontiert, d. h. unter Zinsabzug verkauft werden kann. (Dieses Argument hat sich auch der Generalsekreiär des Jndusiriellenvereins für den Reg -Bez. Köln, Steller, auf dem Berbandstag der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte vom Jahre 1910 zu eigen gemacht. Vgl. „Gewerbe- und Kaufmannsgericht" vom 1. November 1910 S. 181.) Die Rückzahlung wäre also
Mitgliedschaft.
51
Beiträge.
solche Pensionskasse bestehe?) Diese Behauptung, auf Industriearbeiter angewendet, bedeutet eine fundamentale Verkennung des Arbeitsverhält nisses, dessen einer Kontrahent Proletarier ist, der sich nicht ein Unter nehmen nach seinem Belieben wählen kann, sondern die Arbeitsgelegenheit eine Prämie auf den Wechsel der Arbeitsstelle zu Lasten der Zeit der Arbeits unfähigkeit. Praktisch ginge die Sache so, daß manche Abzahlungsgeschäfte beim Verkauf gleich mitanbieten würden, den beim Austritt aus der Firma ent stehenden Rückzahlungsanspruch gegen die Pensionskasse in Zahlung nehmen zu wollen oder gegen einen entsprechenden Abzug den Anspruch sofort in bar auszuzahlen. Aus diesen Gründen kann die Firma einem Antrag auf Rück zahlung unter keinen Umständen zustimmen.
Zur Kritik dieser Argumentationen genügen folgende Feststellungen aus den mir zur Verfügung gestellten Jahresberichten der Pensionskasse: Mitgliederbestand
1907 1908 1909
482 411 434
Zugang
Abgang
Einnahmen aus Mit gliederbeiträgen
Leistungen der Kasse
552 420 657
619 398 484
M 19569,60 M 19 796,25 M 25469,90
M 910,61 M 1740,41 M 764,38
Es ist kaum anzunehmen, daß bei Einführung der Rückerstattung der Beiträge noch mehr Mitglieder veranlaßt gewesen wären, „ohne zwingenden Grund ihre einträgliche Arbeitsstätte aufzugeben und damit für augenblickliche Vorteile wertvolle Rechte aufzugeben", wiewohl zugegeben werden muß, daß der zahlenmäßige Wert dieser „wertvollen Rechte" im Vergleich zu dem, was an Beiträgen zwangsweise gezahlt worden ist, einen solchen Anreiz nicht ausschließt. Herr Löser erhielt denn auch, entgegen diesen Argumenten, seinen Antrag auf Beitragserstattung aufrecht und stellte den Antrag, bei der Versammlung, die über die Anträge der Firma und seinen Gegenantrag abzustimmen habe, einen Rechtsanwalt als Vertreter der Arbeiter mitbringen zu dürfen. Als er auf Befragen des Firmenleiters angab, daß er im Einvernehmen mit dem Arbeitersekretariat handle, wurde ihm gekündigt, „da die Firma mit Rücksicht auf ihre Pensionäre, sowie auf diejenigen, die es demnächst werden könnten, das Wirken eines Agenten außenstehender, an dem Wohl und Wehe der Ar beiterschaft der Firma nicht interessierter Agitatoren nicht länger dulden könne". (Dieser Passus findet sich in einer von der Firma Goldschmidt kürzlich an eine Reihe von Männern der Wissenschaft gesandten Broschüre: „Ein Schul fall sozialdemokratischer Verhetzung. Der Kampf um die Pensionskasse der Firma Th. Goldschmidt in Essen. Den Arbeitern der Firma gewidmet von Dr. Karl Goldschmidt.") Erwähnt sei noch, daß weder die Beitragserstattung noch die Erhöhung der Leistungen in der dazu bestimmten Versammlung die satzungs mäßige Majorität fanden. *) So z. B. Urteil des LG. Essen im Prozeß Sobkowski/Krupp vom 7. März 1908; des LG. Cleve vom 2. Mai 1908.
52
I. Teil.
da ergreifen muß, wo sie sich ihm bietet. Aber auch für Personen an
gewendet, deren Einkommen und Lebenshaltung der des Proletariers entrückt ist, nimmt dieses Argument bei der immer wachsenden Zahl von Pensionskassen ständig an Unrichtigkeit zu.
Es gibt schon heute
Branchen, in denen fast alle bedeutenderen Unternehmungen innerhalb
sehr ausgedehnter Bezirke eine derartige Pensionseinrichtung aufweisen/) so daß ein Privatbeamter,
der aus seiner Abneigung gegen Beitrags
zwang in Verbindung mit Beitragsverfall
die Konsequenzen ziehen
wollte, zur Abwanderung auS diesem Industriegebiet genötigt wäre. Da aber in der Regel eine Abwanderung mit viel größerem wirtschaft lichem Schaden verknüpft ist, so wird nicht selten das kleinere Übel gewählt?)
Es kann also wohl davon gesprochen werden, daß vielfach ein Zwang zum Abschluß von Arbeitsverträgen vorliegt, die gleichzeitig den
Abschluß eines Versicherungsvertrags normieren. 2. Ferner
Wirklichkeit
gar
ist
behauptet worden, die Zwangsbeiträge
keine Beiträge
seien in
des Lohn- oder Gehaltsempfängers.
Dies sei vielmehr nur rechnerisch so.
In Wahrheit finde kein Abzug
vom Lohne oder Gehalte statt, sondern das Pensionskassenmitglied be
komme eben um den Betrag des Zwangsbeitrags weniger Lohn. sei also
der Arbeitgeber, der den Beitrag
in
die Kasse
Es
zahle?)
Dieser Ansicht widersprechen zum mindesten alle mir bekannt gewordenen
Kassenstatuten, die alle ausdrücklich von einem Abzugs- oder Kürzungs verfahren sprechen.
Einige Beispiele seien aufgeführt:
Dr. Heinrich Traun Söhne, Pensionskassenstatut § 3 letzter Abs.: Der Beitrag wird berichtigt durch Abzug vom Wochenlohn.
Röchling'sche Eisen- und Stahlwerke, § 10 Abs. 2: Die Beiträge
werden bei Auszahlung des Gehalts monatlich abgezogen und an die Kasse überwiesen.
Schäffer & Budenberg, Magdeburg, § 6 Abs. 3 Satz 2: Die von den Mitgliedern zu zahlenden Beiträge werden am Schluß eines
jeden Monats bei der Gehaltszahlung gekürzt. *) z. B. die oberlchlesische und die rheinische Großeisenindustrie. ’) Daß in Privatbeamtenkreisen eine lebhafte Abneigung gegen den Pensionskasseuzwang besteht, beweisen mir Mitteilungen der großen Jndustriebeamtenverbände, wie auch die Haltung der Jndustriebeamtenpresse. Vgl. z. B. Deutsche Jndustriebeamtenzeitung vom 13. März 1908, vom 18. Februar 1910. ’) So Kohler, Fabrikpensionskasse und § 138 BGB., Arch. f. bürgerl. R. Bd. 32 S. 1 ff. 8 2.
Beiträge.
53
Eisenbahnbedarfsgesellschaft,
Friedenshütte, § 33:
Mitgliedschaft.
Oberschlesische
Sämtliche Mitglieder sind gehalten, zur Aufbringung der Leistungen, sowie zur Ansammlung eines Reservefonds der Invaliden-, Witwen-
und Waisenkasse fortlaufend regelmäßige Beiträge von ihrem ins Ver dienen gebrachten baren Lohn oder Gehalte (einschließlich Tantiemen) in Höhe von 3 Pf. von 1 M zur Kasse einzuzahlen.
Die Zahlung
der Beiträge erfolgt, indem diese durch den Arbeitgeber gleich vom Lohn bzw. Gehalte der Mitglieder in Abzug gebracht und von diesem
im Ganzen allmonatlich der Unterstützungskasse überwiesen werden. Der Arbeitgeber hat die Verpflichtung, dieses Abzugsverfahren ohne Entgelt
zu bewirken. Th. Goldschmidt, Chem. Fabrik, Essen, § 6 Abs. 2: Die Beiträge
sind bei jeder Lohnzahlung von dem fälligen Lohn in Abzug zu bringen.
Chem. Fabrik auf Aktien (Dorrn. E. Schering) Berlin § 8 Abs. 4: Sämtliche Mitglieder der Kasse sind verpflichtet, ihre fälligen Beiträge sich ohne weiteres vom Gehalte oder Lohn für die Pensionskasse in
Abzug bringen zu lassen. Friedr. Krupp, A.-G. Essen, § 4 Abs. 3: Die Beiträge der Mit
glieder werden von der Firma bei jeder regelmäßigen Lohnzahlung in Abzug gebracht und innerhalb 14 Tagen an die Kasse vergütet. Vereinigte Königs- und Laurahütte, § 8: Die Beiträge der Mit
glieder werden allmonatlich bei der üblichen Löhnung von dem ver
dienten Lohne in Abzug gebracht und zur Kasse abgeführt. Eisenwerk Herminenhütte, Laband, § 4b Satz 2: Die Beiträge
werden den Mitgliedern von ihrem Lohne, soweit sie auf die Lohn
zahlungsperiode entfallen, in Abzug gebracht und sind spätestens acht Tage nach jedesmaliger Löhnung zur Penftonskasse abzusühren.
Lokomotivenfabrik Henschel & Sohn, Cassel, § 6 Abs. 3: Die Beiträge werden bei der Löhnung gekürzt.
Gebr. Arnhold'scher Pensionsverein, Dresden: Die Beiträge werden
den Versicherten bei Bezahlung des Gehalts in Abzug gebracht. Ferner ist mehrfach, so insbesondere von Lotmar *) darauf hinge wiesen worden, daß sich in der genannten Behauptung auch eine Un*) Gutachten im Prozeß SobkowSki/Krupp, abgcdruckt in „Die Kruppsche Pensionskasse vor Gericht", herausgegeben vom christlichen Metallarbeiter verband.
54
I. Teil.
kenntnis des Hergangs der Lohnfestsetzung äußert, da diese stets ohne
Rücksicht aus die Pensionskasse erfolgt?)
endlich aber auch, daß es
mathematisch unmöglich ist, den vom Lohn abzuziehenden Beitrag zu ermitteln, wenn nicht vorher der Lohn ohne Rücksicht auf den Beitrag
festgesetzt ist, da die Höhe des Beitrags in allen Statuten nach Prozenten
des Lohns oder Gehalts normiert ist. 3. Dieselbe Argumentation
taucht
auch
in volkswirtschaftlicheln
Gewände auf, indem schon mehrfach die Behauptung gehört wurde,
die Kassenmitgliedcr seien nur formell die Zahlenden, die Träger der
Beiträge seien hingegen die Arbeitgeber, und zwar wegen der hohen Löhne, die die industriellen Riesenbetriebe, bei denen ja Pensionskassen
vorwiegend Vorkommen, zahlen.
Dieses Argument ist so offensichtlich
verfehlt, daß es zu bedauern ist, daß Günther2) auf dasselbe überhaupt
eingegangen ist und es zu widerlegen gesucht hat.
Als ob die höchsten
Löhne oder Gehälter, die zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeit
nehmer
vertragsmäßig
verschaffen
verabredet
sind,
dem
Arbeitgeber
das Recht
könnten, die ihm vom Arbeitnehmer durch den Arbeitsver
trag in Form von Kassenbeiträgen gestundeten Lohn- oder Gehaltsteile
bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses diesem vorzuenthalten! Trotzdem haben gewisse Interessenten und ihre „wissenschaftlichen" Vertreter gerade dieses Argument begierig aufgegriffen, weil sich hier Gelegenheit bot, von
dem eigentlichen Problem hinweg auf andere Gebiete hinüberzulavieren, insbesondere die Höhe der in gewissen Firmen bezahlten Arbeitslöhne
zu rühmen?)
So entstand ein für die Pensionskassenfrage müßiger
Streit darüber, ob die Löhne in Großbetrieben oder Mittel- und Klein
betrieben höher seien, ein Streit, bei dem überdies noch mit methodisch
l) Wenn Heinemann („Die Pensionskasse für die Gußstahlfabrik der Firma Friedr. Krupp A.-G.", 2. Ausg. 1908) einen Gegensatz zwischen dem vollen Lohn und dem „Barlohn", d. h. dem Lohn nach Abzug des Kassebeitrags konstruiert und bemerkt, der Arbeiter wisse, daß er nur den Barlohn bekomme, rechne also von vornherein mit diesem, so muß hinzugefügt werden, daß dem Arbeiter, auch wenn er nicht nur mit dem Barlohn, sondern mit seinem vertragsmäßigen Lohn rechnet, der Kassebeitrag dennoch abgenommen wird. a) „Wohlfahrtseinrichtungen und Betriebseinrichtungen", München 1909, S. 16—18. *) Vgl. z. B. Jacobsohn, „Der Kampf gegen die Wohlfahrtseinrich tungen in Großbetrieben", Leipzig 1910, S. 7—29. Ihm entgegnend: Günther in der „Deutschen Technikerzeitung" vom 2., 8. und 16. April 1910.
Mitgliedschaft.
unzureichenden Mitteln
gearbeitet worden
überhaupt für einen Sinn,
Löhne
der
Saarreviers
Krupp'schen
55
Beiträge.
im Rahmen
Gußstahlfabrik
ist.
Was
hat
es
z. B.
unseres Themas etwa
oder
der
Eisenhütten
die
des
mit denen im Münchener Baugewerbe oder Holzgewerbe
inbezug auf ihre
Höhe vergleichen
statistisch wichtigsten Fragen
zu wollen,
ohne daß die
lohn
nach Arbeitszeit, Art der Beschäftigung,
nach Höhe der gesetzlichen Abzüge, nach örtlichen Teuerungsverhältnissen
rc. gleichzeitig mitbeantwortet werden? Eine vergleichende Lohnstatistik, die diese Punkte vernachlässigt, kann wohl nur Beweiskraft haben, wenn sie Arbeitnehmer
desselben Industrie- oder Gewerbszweigs mit gleich
artiger Beschästigung und an demselben Orte, also unter gleichen Arbeits
und Lebensbedingungen, berücksichtigt. In dieser Art habe ich in einigen
metallindustriellen Betrieben, zum Teil in solchen mit Pensionskassen, zum Teil ohne solche, lohnstatistische Erhebungen versucht, die im wesent lichen eine Übereinstimmung der Löhne in beiden Arten von Betrieben ergaben. Ich führe jedoch die gefundenen Zahlen hier nicht vor, weil sie
mir absolut nichts zu beweisen scheinen. Denn wo nicht durch tarifliche Einigung Gleichheit der Löhne herbeigeführt ist, müssen sich die kleineren
Betriebe der Lohnpolitik der mächtigeren anpassen, um überhaupt taug liche Arbeiter zu bekommen.
Und bei geringen Divergenzen in den
gefundenen Nominallöhnen ist eS mir durchaus zweifelhast geblieben, ob diese gerade die Folge des
Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins
einer Pensionskasse, oder aber nicht die Folge ganz anderer, mir un
bekannt gebliebener Umstände sind. Ich möchte also nicht dem Beispiel
Tille's folgen, der auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik im Jahre 1905 sehr einfach seiner „Überzeugung" Ausdruck gab, daß keine Gruppe der deutschen Jndustriearbeiterschaft gerade höhere Löhne bezieht, als die, deren Arbeitgeber er bei den damaligen Verhandlungen ver
trat?) wiewohl er sich bewußt sein mußte, daß eine wirklich brauchbare Lohnstatistik, die allein zum Beweis einer so kühnen Behauptung heran gezogen werden könnte, nur für sehr kleine Ausschnitte der deutschen
Industrie existiert. Es ist vielmehr nachdrücklich festzustellen, daß selbst
die Richtigkeit dieser Behauptung nichts an der Tatsache ändern könnte,
daß die Beiträge der Pensionskassenmitglieder verdiente Lohnteile der selben sind.
Festzustellen aber, o b diese Behauptung Tilles überhaupt
richtig ist, wird erst eine Aufgabe der Wissenschaft sein, und zwar eine
l) Vgl. Abdruck S. 206 f.
56
I. Teil.
Aufgabe von solcher Größe, daß ein Einzelner kauni ihre Bewältigung unternehmen können wird. Es wäre durch eine umfassende Reallohnfiatistik der Beweis zu erbringen, daß in den mit Kassen versehenen Betrieben die Löhne um die Kassenbeiträge höher sind und daß diese größere Lohnhöhe die Folge des Vorhandenseins der Wohlfahrtsein richtung ist.1) Ein derartiger Beweis ist noch für keinen einzigen Betrieb
erbracht,
geschweige denn für eine solche Zahl von Betrieben, daß
daraus ein Schluß auf die Richtigkeit der oben angedeuteten Behaup tung gezogen werden könnte?) III. Nachdem sich also gezeigt hat, auf wie schwachen Füßen die
tatsächlichen Einwendungen gegen die vorstehende Problem stellung stehen, soll untersucht werden, was an Rechtsgründen und
Gegengründen zu derselben geäußert worden ist. A. Der behauptete Verstoß gegen die guten Sitten ist begründet worden mit der Verbindung von Zwangsmitgliedschaft und Beitrags verlust beim Aufhören der Mitgliedschaft. Denn 1. Der Lohn- und Gehaltsempfänger
wird
ge
zwungen, einen beträchtlichen Teil seines Einkommens
als Eintrittsgeld und Beitrag für die Pensionskafse hinzugeben, bekommt aber als Äquivalent nicht ein vermögenswertes Recht, sondern zahlt lediglich die Ver sicherungsprämie für einige wenige Arbeitnehmer, die imstande sind, die oft langen Karenzzeiten in einer dem
Arbeitgeber genehmen Führung und bei ausreichender Gesundheit durchzudienen. a) Die Höhe der Eintrittsgelder und Beiträge ist fast bei sämt lichen untersuchten Kassen eine sehr beträchtliche. Beispiele: *) Ähnlich v. Zwiedineck - Südenhorst (Sozialpolitik, Teubner 1911, S. 325): „Die Zulässigkeit der Einbehaltung von Kassenbeiträgen ist stark kontrovers. Es kommt wohl darauf an, ob im konkreten Fall die Löhne, von denen Zwangsbeiträge entrichtet werden müssen, wirklich um die tariflichen oder durchschnittlichen Löhne diese Beiträge übersteigen. Ist dies der Fall, dann ist der Beittagszwang nur Form, wenn auch keine glückliche". a) Daß Jacobsohn (a. a. O. S. 20) zeigt, daß die Löhne bei Krupp um 3—10 °/0 höher sind als bei den übrigen Mitgliedern der Sektion Essen der Rheinisch-Westfälischen Hütten- und Walzwerksberufsgenossenschast, kann nur aus dem erwähnten Streben, vom Thema hinwegzudisputieren, erklärt werden, da er selbst zugibt und sogar betont (S. 22, 23), daß daraus ein Schluß auf eine Wechselwirkung zwischen Wohlfahrt und Lohnhöhe nicht gezogen werden kann.
Mitgliedschaft.
Kasse
Arbeitelpensionskasse der Baildonhütte.
Eintrittsgeld bzw.
Milgliederbeitrag
Einschreibegebühr
2.- M.
57
Beiträge.
1.50—2.80 M monatlich.
Beamtenpensionskasse
Ordentlicher Beitrag: 4% vom
Kalle & Co., Bieb
festen Jahresgehalt bis zur Höhe
rich a. Rh.
von
4800 M.
Beitrag:
Außerordentlicher
Einmalige Abgabe
von
5®/o des ersten Jahresbettags bei jeder einttetenden Gehaltserhöhung bis zum Gehalt von 4800 M.
Hoffmanns Pensionsu. Unterstützungs kasse,Salzuflen (Ar
Hälfte eines Tagesverdienstes.
8 % des innerhalb jeder Beitrags periode verdienten Lohns bzw. Gehalts (inkl. freier Wohnung und Naturalbezüge, deren Wert von der
beiter und Beamte)
Firma festgesetzt wird).
Außerdem
haben Beamte von jeder Gehalts
erhöhung 25 % des Jahresbettags derselben als außerordentlichen, ein maligen Beitrag zu zahlen. Dienst
einkommen von mehr als 250 M monatlich oder weniger als 9 M
wöchentlich kommt bei Festsetzung des
Milgliederbeitrages nicht in Ansatz.
Angestellten - Pensi-
4%
ons-, Witwen- und
des
jeweiligen
pensions
berechtigten Diensteinkommens.
Waisenkasse d. Allg. Berliner OmnibusA.-G.
Ordentlicher
Angestellten Pensions kasse v. Wolf Netter
Beitrag: 4°/e
des
Jahresgehalts. Nach 30jähriger Mit
& Jacobi, Straß
gliedschaft, jedoch nicht vor erreich
burg.
tem 55. Lebensjahr, werden Beittäge nicht mehr erhoben.
Außer
ordentlicher Beitrag: Bei Gehalts erhöhungen die volle Zulage des
ersten Monats, also V» der Jahres
zulage. Das Höchstgehalt, nach dem die Beiträge berechnet werden, be
trägt 6000 M. Arbeiter - Pensions-,
5 M b. Lebensalt.
Witwen- u. Waisen-
unter 20 Jahren,
2 °/0 des verdienten Lohns bei Beittitisatter
unter
20
Jahren,
58
I. Teil.
Kasse
Eintrittsgeld bzw. Einschreibegebühr
Mitgliederbeitrag
fasse der deutschen Spiegelglas-A.-G. Freden - Grünen Plan.
10 M b. Lebensalt. v. 20—24 Jahren, 153/b. Lebensall. v. 25—29 Jahren, 20 M b. Lebensalt. v. 30—34 Jahren, 253/b. Lebensall. v. 35—39 Jahren, 30M b. Lebensalt. v. 40—45 Jahren.
2.2 % bei Beitrittsalter von 20—24 Jahren, 2.4 °/0 bei Beitrittsalter von 25—29 Jahren, 2.6 °/0 bei Beitrittsaller von 30—34 Jahren, 2.8 o/o bei Beitrittsalter von 35—39 Jahren, 3°/0 bei Beitrittsalter von 40—45 Jahren, jedoch nicht mehr als ebensoviel Mark.
Beamtenpensionskasse der A. Borsig'schen Lokomoüvenfabrik.
Eine Viertelmonatsrate des pen sionsfähig. Dienst einkommens, höch stens 125 M.
4°/0 des jeweiligen pensions fähigen Diensteinkommens. Ein Betrag über 6000 M kommt nicht in Ansatz. Tantiemen werden be rechnet, dagegen nicht Gratifikationen u. Naturalbezüge, freie Wohnung rc.
Beamtenpensionskasse d.Bergischen Stahl industrie,Remscheid
Ein voll. Monats betrag des jähr lichen Dienstein kommens, höch stens 500 M.
Ordentlicher Beitrag: 4°/0 des jährl. pensionsberechtigten Dienst einkommens bis zum Höchstbetrag von 6000 M. Außerordentlicher Beitrag: Bei jeder eintretenden Gehaltserhöhung bis zum Gehalte von 6000 M ein voller Monats betrag derselben.
Pensions- und Unter stützungskasse für Arbeiter und nie dere Angestellte der DrahtwerkeGleiwitz
1.50 M.
3°/0 des Arbeitsverdienstes bis zum Höchstbetrag von 1800 M.
Penstons- und Unter» stützungskasse für Arbeiter, Aufseher, Werkmeister des Eisenwerks Hermi nenhütte, Laband.
2 — 34.
2 °/0 des Arbeitsverdienstes, soweit derselbe 4 M für den Arbeitstag nicht übersteigt.
Pensionskasse für Ar beiter und Unter beamte der Ber einigten Königs-u. Laurahütte.
1—2.503/(je nach Zugehörigkeit zur 1.—4. Mitglieder klasse).
2—5 M monatlich (je nach Zuge hörigkeit zur 1—4. Mitgliederklasse).
Mitgliedschaft.
59
Beiträge.
Eintrittsgeld bzw. Einschreibegebühr
Mitgliederbeitrag
Arbeüerpensionskasse der Lokomotiven fabrik Henschel & Sohn, Kassel
Betrag eines Tagelohns.
25—75 Pf. 14tägig (je nach Zuge hörigkeit zur 1.—3. Mitgliederklasse).
Gebr. Arnhold'scher Pensionsverein.
4°/o des Jahres gehalts.
Ordentlicher Beitrag: 2°/0 des Jahresgehalts. Außerordentlicher Beitrag: Bei jeder Gehaltserhöhung einmaliger Beitrag von 4°/0 der eingetretenen jährlichen Zulage. Gehalt und Gehaltserhöhungen kommen bis zur Höchstgrenze von 6000 M in Ansatz. Garantierte Tantiemen, ebenso Provisionen sind als Bestandteile des Gehalts anzu sehen, nicht dagegen Gratifikationen. Naturalbezüge (freie Wohnung, Heizung:c.) werden bei Berechnung des Gehalts zu einem von dem Vorstand festzustellenden Betrag veranschlagt.
Kasse
Privatunterstützungskasse für die Arbeiter u. Angestellten von Dr. Heinr. Traun Söhne, Hamburg und Harburg.
Beamtenpensionskasse d.Gute-Hoffnungs Hütte Oberhausen.
Beamtenpensionskasse der Gasmotoren fabrik Köln-Deutz.
Für unverheiratete Mitglieder cd. 1 °/e des Wochenlohns, für ver heiratete Mitglieder in allen Lohn stufen 15 Pf. pro Woche mehr.
Ein voll. Monats beitrag des jähr lichen Dienstein kommens, höch stens 500 M.
Ordentlicher Beitrag: 3°/0 des jährlichen Diensteinkommens bis zum Höchstbetrag von 6000 M. Außer ordentlicher Beitrag: Von jeder eintretenden Gehaltserhöhung, so weit das Gehalt die Summe von 60002/ pro Jahr nicht überschreitet, ein voller Monatsbetrag. Ordentlicher Beitrag: 4°/0 des Gehalts. Außerordentlicher Beitrag: Von jeder eintretenden Gehalts erhöhung die erste Monatsrate.
60
I. Teil.
Kasse
Arbetterpensionskasse der Gußstahlfabrik Frdr. Krupp, A.-G. Essen. Arbeiter-Bereinigung Falkenau.
Eintrittsgeld bzw. , Einschreibegebühr
Mttgliederbeittag
1V, facher Betrag 2 % % des Arbeitsverdienstes der ein.Tagesverdien- i Mitglieder, soweit derselbe 6 */» M pro Tag oder 2000 M pro Jahr stes, soweit ders. d. Bettag tionS'laM nicht übersteigt. nicht übersteigt. 2% des jährlichen Gehalts oder Lohnes.
Beamtenpensionskasse der bad. Anilin- u. Sodafabrik, Lud wigshafen.
Ordentlicher Beitrag: 4°/0 des festen Jahresgehalts bis zur Höhe von 4500 M. Außerordentlicher Bei trag: Bei Gehaltserhöhung ein maliger Beitrag von 25%.
BeamtenpensionSkass e der Röchling'schen Eisen-u.Stahlwerke
% des Monats gehalts.
50/0 des Jahresgehalts bis zum Betrage von 4800 M. Nicht in An schlag kommen Tantiemen, Grati fikationen, Geldentschädigungen für Wohnung, Heizung re. Bei Gehalts aufbesserungen sind die auf die Gehaltsvermehrung für die zurück liegende Dienstzeit bzw. Mitglieds zeit entfallenden Beiträge nachzu zahlen.
Angestelttenpensionskassed.Firma Schäf fer & Budenberg, G.m. b.H., Magde burg-Buckau.
40/0 des Dienstein kommens, raten weise auf die ersten 4 Jahre verteilt.
4 V» % des Diensteinkommens bis zum Betrag von 4500 M.
Pensionskaffe für Ar beiter und Meister d.Chem. Fabrik Th. Goldschmidt, Essen.
Invaliden-, Wttwenund Waisenunterstützungskasse der Oberschles. Eisenbahnbedarfs-A.-G. Friedenshütte (für Arbeiter u. niedere Beamte).
2 % des Arbeitslohns, jedoch nicht mehr als 40 M jährlich.
3.- M.
3 °/e des ins Verdienen gebrachten Lohns oder Gehalts (einschließlich Tantiemen).
61
Mitgliedschaft. Beiträge.
Kaffe
Eintrittsgeld bzw. Einschreibegebühr
Beamtenpensionskasse der Donnersmarckhütte-A.-G.
50/0 des jährl.pen« stonsfähig. Dienst einkommens.
5 % des pensionsfähigen Dienst einkommens. Bei Gehaltserhöhung hat der Beamte die Beiträge nach dem durch die Zulage gesteigerten Diensteinkommen zu zahlen und zwar stnd zu entrichten: a) 5% der Zulage als zusätzliches Eintrittsgeld; b) die lausenden Beiträge von der Gehaltszulage für die verflossenen Jahre der Mitgliedschaft
Pensionsverein der vorm. Gräfl. Einsiedel'schen Werke, Gröba.
50 Pf. btd 5 M (je nachZugehörigkeit zur Mitglieder kasse I-X).
1.30—21 M monatlich (je nach Zugehörigkeit zur Milgliederkasse I-X).
Arbeiter-Pensions- u. Unterstützungskasse d. HohenlohewerkeA.--G. zu Hohen lohehütte.
3.— M.
3.55 M monatlich.
1 Va % des Gehalts.
Penflonsanstalt des städtisch. Orchesters Köln.
Orchesterpensionskasse Chemnitz.
9.— M.
Pensionsanstatt für das stöbt Orchester Augsburg.
10 % einer Wintermonatsgage.
Ruhegehattskasse des städtisch. Orchesters Magdeburg.
Mitgliederbettrag
12 M pro Jahr.
l°/0 der Wintergage.
30/0 der Jahresgage?)
*) Die Höhe dieser Summen fällt für Privatbeamte und kaufmännische Angestellte fast noch mehr ins Gewicht, als für gewerbliche Arbeiter, und zwar wegen der regelmäßig längeren Dienstzeiten, ferner auch, weil sie für die Zeit der Kündigungsfrist Beiträge leisten, während der Arbeiter meist am Kündigungs tage den Betrieb verläßt. So hat das Kaufmannsgericht Essen einen Gehilfen zur Zahlung verurteilt, der nach der Kündigung die Beitragsleistung verweigert hatte. Bgl. Berbandstagsnummer September 1910 des „Gewerbe- und Kaufmannsgerichts".
62
I. Teil.
b)
Es ist prozentual nur
verschwindend
ein
kleiner Teil
der
Arbeiterschaft, der Vorteil von der Pensionseinrichtung hat. Die große
Masse zahlt die Versicherungsprämien für diese Minderheit. Auch in dieser Richtung besteht Übereinstimmung bei allen untersuchten Kassen. Beispiele: *) Za bl der Arbeiter am 1. Jan. 1910
Firma Drahtwerke Gleiwitz............................... Dr. Heinr. Traun Söhne..................... Donnersmarckhütte..................................... Bismarkhütte............................................... Laurahülle............................................... Phönix, Abt. Hörder Verein .... Fr. Karcher & Cie., Beckingen.... München-Dachauer A.-G. für Maschinenpapierfabrikalion..................................... Hamburg-Amerika-Linie.......................... Julienhülte, Bobrek............................... Herminenhütte, Laband.......................... Baildonhütte............................................... von Tiele-Mnkler'sche Jnvalidenkasse . . Bergische Stahlindustrie, Remscheid . . Siemens - Schuckert - Werke, Nürnberger Werk.......................................................... Höchster Farbwerke (Meister Lucius und Brüning)...............................................
3041 1729 1825 4557 2256 6158 884
!
Gesauttabqang 1909
774 414 556 3087 1034
!
1209 256
790 13913 2391 790 958
635
8
2784
21
!
2189 175
!
5464
429 104 232
303 6420
5668
52 6 12 13 27 43 2 13 25 — 8 8 12 5
!
! !
1075 1592
Davon durch Pen sionierung
Bei einer Anzahl von Firmen, die die einschlägigen Fragen nicht
beantwortet haben,
gehen
die einschlägigen Zahlen aus den Jahres
berichten und sonstigen Dokumenten hervor. So betrug bei der Firma Krupp-Essen, nach
dem Jahresbericht von
1906*2)
die Arbeiterzahl
32698, die Zahl der Ausscheidenden 14340.
Davon schieden durch
Tod und Pensionierung zusammen 327 aus.
Hoffmanns PensionS-
und Unterstützungskasse
zählte
zu Anfang 1909
1027 Mitglieder.
1909 schieden 151 aus, davon 19 durch Pensionierung.
Bei der Be-
*) Sämtliche Angaben verdanke ich den Firmenleitungen. 2) Dieser Bericht lag mir nicht im Original vor. Die einschlägigen Zahlen sind zitiert in dem Schriftsatz des Vertreters der Firma Krupp im PensionSkaffenprozeß Sobkowski/Krupp vom 25. Oktober 1907. Vgl. «Die Krupp'sche Pensionskasse vor Gericht" S. 18.
63
Mitgliedschaft. Beiträge.
amtenpensionskasse der Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke betrug der Mitgliederbestand zu Anfang des Geschäftsjahrs 1909 326, der Ab
gang im Laufe des Jahres 52, davon 1
durch Pensionierung.
Die
Pensionskasse für Beamte und Arbeiter der Chem. Fabrik auf Aktien
(vorm. E. Schering) Berlin zählte Ende 1909 821 Mitglieder. Laufe des Jahres 1909 waren 171 abgegangen.
Im
Pensioniert wurden 6.
Bei der Arbeiterpensionskaffe der Lokomotivenfabrik von Henschel & Sohn,
Cassel, betrug die Mitgliederzahl am Ende des Geschäftsjahrs 1907/08 5629, der Gesamtabgang 2039, der Zuwachs an pensionsberechtigten
Invaliden, Witwen und Waisen zusammengenommen 1 Person.
Die
Pensionskasse für die Angestellten der Firma Schäffer & Budenberg, Magdeburg-Buckau hatte am 1. Januar 1909 350 Mitglieder.
Nach
10 jährigem Bestehen betrug an diesem Tage ihr Bestand an Pensio nären und pensionsberechtigten Witwen 10 Personen.
c) Bei allen genannten Kassen stellt sich also die Erlangung der
Pension mindestens als ein reiner Zufallsvorteil dar, für dessen Ver heißung dem Lohn- oder Gehaltsempfänger während oft langer Zeit räume beträchtliche Prozentsätze seines Einkommens abgezogen werden. *) d) Dabei ist der Abzug des Kassenbeitrags von dem verdienten
Lohn- oder Gehalte durch den Arbeitgeber rechtlich nicht zulässig,
nicht einmal wenn der Arbeitnehmer der Stundung seiner verdienten
Einkommensteile in Form von Kassenbeiträgen zustimmt.
Das geht
hervor aus den §§ 115 Abs. 1, 115 a und 117 der Gewerbeordnung,
sowie den §§ 1 und 2 des Lohnbeschlagnahmegesetzes *) §§ 115 GO. besagt in seinem Absatz 1:
Die
Gewerbetrei
benden sind verpflichtet, die Löhne ihrer Arbeiter in Reichs währung zu berechnen und bar auszubezahlen. Eine vollständige Verkennung dieses Zusammenhangs bedeutet es, wenn v. Zwiedineck-Südenhorst (a. a. O. S. 326) von der hohen Warte seines hier nicht näher zu erörternden sozialen Ideals „Imponderabilien gegen ein ander abwägt" und fragt, ob es „kulturell wertvoller" ist, „wenn im Wege der Pensionskassen den Arbeitern eine Einkommensförderung zukomml oder wenn diese Betriebseinrichtungen fehlen, aber die Gewähr der Streikteilnahme um einige Grade erhöht wird". Die Überzahl der Arbeitnehmer erfährt, wie gezeigt, durch die Pensionskassen keine Einkommensförderung, muß daher für fremde Zwecke ihre Koalitionsfreiheit preisgeben oder ge fährdet wissen. 2) Diese Bestimmungen gellen allerdings nur für gewerbliche Arbeiter.
64
I. Seil. § 115a: Lohn- und Abschlagszahlungen dürfen in Gast- und
Schankwirtschaften oder Verkaufsstellen nicht ohne Genehmigung der
unteren Verwaltungsbehörde erfolgen. Sie dürfen an Dritte nicht erfolgen auf Grund von Rechts geschäften oder Urkunden über Rechtsgeschäfte, welche nach § 2
des Gesetzes betr. die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes vom 21. Juni 1869 (Bundesgesetzblatt S. 242) recht
lich unwirksam sind. § 1
des
Reichsgesetzes
betr. Beschlagnahme
des
Arbeits- oder
Dienstlohns lautet: Die Vergütung (Lohn, Gehalt, Honorar usw.) für
Arbeiten oder Dienste, welche auf Grund eines Arbeits- oder Dienst verhältnisses geleistet werden, darf, sofern dieses Verhältnis die Erwerbs tätigkeit des Vergütungsberechtigten vollständig oder hauptsächlich in
Anspruch
nimmt,
zum Zwecke
der Sicherstellung
oder Befriedigung
eines Gläubigers erst dann mit Beschlag belegt werden, nachdem die
Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt und nachdem der Tag, an
welchem die Vergütung gesetzlich, Vertrags- oder gewohnheitsmäßig zu entrichten war, abgelaufen ist, ohne daß der Vergütungsberechtigte die
selbe eingefordert hat. § 2 desselben Gesetzes: Die Bestimmungen des § 1 können nicht
mit rechtlicher Wirkung durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Soweit nahme
nach
diesen
unzulässig
ist,
Bestimmungen
ist
auch
jede
eine
Beschlag
Verfügung
durch
Zession,Anweisung, Verpfändung oder durch ein anderes Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkung.
§ 117 GO. endlich lautet:
Verträge, welche dem § 115
zuwiderlaufen, sind nichtig. Dasselbe gilt von Verabredungen zwischen den Gewerbetreibenden
und den von ihnen beschäftigten Arbeitern über die Entnahme der Bedürfnisse der letzteren aus gewissen Verkaufsstellen, sowie überhaupt über die Verwendung des Verdienstes derselben zu einem anderen
Zwecke, als zur Beteiligung an Einrichtungen zur Ver besserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien. a) Auf Grund dieser Gesetzesstellen sagt Lotmar a. a. O.: Bei
Kassen, die eigene Rechtspersönlichkeit haben, ist die Kasse ein „Dritter" im Sinne des § 115a GO. Die durch den Arbeitsvertrag übernommene
Verpflichtung der Kassenmitglieder, sich einen
verdienten Lohnteil zu-
Mitgliedschaft.
65
Beiträge.
gunsten der Kasse abziehen zu lassen, ist eine Anweisung im Sinne des § 2 des Lohnbeschlagnahmegesetzes.
Folglich ist § 115 a anwend
bar, die Vereinbarung über den Lohnabzug somit unwirksam.
Also
ist in solchen Fällen der Arbeitgeber noch in Höhe des Kassenbeitrags
lohnzahlungspflichtig. Auch von den Gegnern dieser Ausfassung ist nicht bestritten worden,
daß die Vereinbarung der Duldung des Lohnabzugs ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lohnbeschlagnahmegesetzes ist.
Es wird
anerkannt, daß der Arbeitgeber durch eine solche Abrede einen Rechts anspruch aus Einbehaltung der verdienten Lohnteile und Abführung
derselben an die Kasse bekommt, *)
der ihm durch den Arbeitnehmer
während des Arbeitsverhältnisses nicht mehr entzogen
werden
kann.
Bestritten ist dagegen, ob die Ausnahme, die § 117 Abs. 2 GO. zugunsten von „Einrichtungen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien" von der Nichtigkeitsdrohung des Abs. 1 macht,
auch auf § 115 a GO. anwendbar ist.
Wenn das Landgericht Essen
in dem Urteil in Sachen Lange und Gen. wider Krupp vom 25. November 1909 (S. 32) gegenüber Lotmar sagt: „Zunächst ist darauf hinzuweisen,
daß der § 117 der GO. nur auf den § 115 Bezug nimmt, nicht auf den § 115 a," so rennt es damit offene Türen ein.
Denn
daß dies
der Fall sei, hat Lotmar gar nicht behauptet. Er verneint vielmehr die Gültigkeit des vereinbarten Lohnabzugs in Übereinstimmung mit
dem Reichsgericht2) lediglich auf Grund folgender Erwägung:
„Indem dieser neueingeschaltete § 115a ohne jede Ausnahme noch Einschränkung, Lohnzahlungen an Dritte auf Grund von
durch das Gesetz vom 21. Juni 1869 für wirkungslos erklärten
Rechtsgeschäften verbietet, ist bei Anwendung des § 115 a GO. grundsätzlich nur zu prüfen,
ob die rechtliche Wirkungslosigkeit
nach Maßgabe dieses Gesetzes vom 21. Juni 1869 besteht oder nicht.
Besteht sie hiernach schon, dann ist es gleichgültig, ob ee
sich gleichzeitig um eine nach § 117 GO. nichtige
Verabredung
handelt", oder, wie man hinzusügen muß, um eine nach § 117 Abs. 2
gültige Verabredung, m. a. W.:
Nach
Aufnahme des
§ 115a können die durch § 117 Abs. 2 zugelassenen Ausnahmen *) So auch vom Landgericht Essen im Urt. Lange und Gen./Krupp boni 25. November 1909. ') Urteil vom 13. Juni 1895 (EntschStrS. S. 27, 289). Loewenseld, Pensionskassen und Arbeitsvertrag. 5
66
I. Teil.
nur soweit gelten, als sie mit § 115 a verträglich sind.
Daß
Bundesrat und Reichstag bei Aufnahme des § 115a eine andere
Ansicht und Absicht hatten, ist im Gesetz selbst nicht zum Ausdruck
gekommen und daher für die Auslegung seines klaren Textes un verbindlich.
Dem hat das Landgericht Essen a. a. O. nichts entgegenzuhalten,
als daß „§ 115a, da er dem System der GO. eingegliedert worden
ist, nicht als lex posterior gelten kann gegenüber dem § 117" und
daß er deshalb nicht den Vorzug vor § 117 verdienen kann. kämpft damit, wie aus dem Vorstehenden ersichtlich, wiederum
Es gegen
eine Meinung, die gar nicht vertreten worden ist.
Von Interesse ist dagegen die Feststellung des Landgerichts Essen
an derselben Stelle, daß „die Meinung, daß auch Verabredungen im Sinne des § 117 Abs. 2, wenn sie dem
§ 115a zuwiderlaufen, un
wirksam seien, bis zu einem gewissen Grad von der Entscheidung des Reichsgerichts unterstützt" wird. Wie Kohlers) so fühlt sich aber auch das Landgericht Essen verpflichtet, die Bedeutung dieser von Lotmar
als Präjudiz angezogenen Entscheidung abzuschwächen, indem es sagt,
daß das „Reichsgericht zu der hier interessierenden Frage nur beiläufig und in keineswegs unzweideutiger Weise Stellung genommen
hat",
ohne daß es jedoch angibt, worin die Zweideutigkeit der für jeden
Juristen klaren Stelle liegt. Richtig ist dagegen, daß eine Anzahl von Kommentatoren der GewO, (so Landmann, Schicker, Nelken, Neukamp)
die Auffassung vertreten, daß § 117 durch den § 115 a gar nicht berührt werde.
ß) Selbst für denjenigen aber, der in dieser Auslegungsfrage der Meinung der genannten Kommentatoren, insbesondere den nicht un gewichtigen historischen Gründen Neukamps beitritt,*) ist damit noch
nicht bewiesen, daß die Ausnahme des § 117 Abs. 2 wirklich für die *) „Fabrikpensionskasse und § 138 BGB." Arch. f. bürgert Recht Bd. 32 S. 7. Kohler spricht von „einigen recht anfechtbaren Bemerkungen über die Tragweite des § 115a und sein Verhalten zu § 117*, ohne gegen die zitierte Stelle Gegengründe vorzubringen. ’) In der Gerichtspraxis scheint indes die Lotmarsche Anschauung allmäh lich Einfluß zu gewinnen. Insbesondere hat das Landgericht Trier im Februar 1910 mit großem Nachdruck ausgesprochen, daß der Arbeitgeber den Arbeiter nach GO. 117 wohl verpflichten könne, einen Teil seines Verdienstes zum Zwecke
67
Mitgliedschaft. Beiträge.
Denn § 117 Abs. 2
fragliche Vereinbarung des Lohnabzugs zutrifft.
gestattet ja nur Abzüge für „Einrichtungen zur Verbesserung der Lage
der Arbeiter oder ihrer Familien", also für wirkliche Wohlfahrts einrichtungen.
Es ist Landmann beizustimmen, wenn er1) die
Frage, ob eine solche Einrichtung vorliegt,
in der Regel nur nach
Prüfung der Verhältnisse des konkreten Falls entschieden wissen will und bemerkt, daß diese Prüfung eventuell Sache des Zivilrichters ist.
Zweifellos ist, wie auch das Landgericht Stuttgart2) treffend ausgeführt hat, mit der „Verbesserung der Lage der Arbeiter" in § 117 Abs. 2
die Verbesserung der ökonomischen und sozialen
Lage der Gesamt
heit der Arbeiter gemeint, allerdings nicht in dem Sinn, daß jedes
Pensionskassenmitglied auch tatsächlich Pension bekommen müsse, da ja
bei vielen die statutenmäßigen Voraussetzungen der Pensionierung nicht eintreten, aber doch wenigstens in dem Sinn,
daß „tatsächlich jeder,
der sich an der Einrichtung beteiligt, im Falle der Not auf ihre Unter stützung rechnen darf und zwar in einer Weise,
daß
diese Hoffnung
oder Anwartschaft gewissermaßen einen Posten seines Gesamteinkommens darstellt".
Daß die
Voraussetzungen
numerischen
für
das
Eingreifen der Ausnahme be8 § 117 in allen untersuchten Betrieben nicht vorliegen, daß Zehntausende, die im Laufe der Jahre abgegangen
sind, die Versicherungsprämien für einige wenige bezahlt haben, ist
bereits gezeigt.
(S. Tabelle S. 62.)
Daß aber auch für die wenigen,
die schließlich etwas bekommen haben, diese Gabe ein reiner Zufalls vorteil war, daß die Hoffnung auf Erreichung des durch Eingehung
des Versicherungsvertrags gesteckten Ziels, den Bezug einer Rente, für jeden Lohn- und Gehaltsempfänger außerordentlich gering ist, zeigt vor allem ein Blick auf die Länge der vorgesehenen Karenzzeiten. So ist Voraussetzung für den Pensionsbezug im Fall der Dienst
unfähigkeit oder im Fall hohen Alters
eine Dienstzeit von 5 Jahren z. B. bei dem
Gebr. Arnhold'schen
Pensionsverein, der Arbeiter-Pensions- und Unterstützungskasse der
einer Wohlsahrtseinrichtung zu verwenden, aber nach § 2 des Lohnbeschlagnahme gesetzes und 115 a der GO. müsse es dem Arbeiter ein für allemal Vorbehalten bleiben, seinen dritten Gläubiger selbst aus dem empfangenen Lohn zu befriedigen. *) Komm. z. GewO. Bem. 6 zu § 117.
’) Urt. vom 24. November 1908 in Sachen Maschinenfabrik Eßlingen/Balz und Gen.
68
I. Teil. Hohenlohewerke, der Arbeitervereinigung Falkenau, der Pensions
kasse des
Eisenwerks Herminenhütte Laband,
der Pensionskasse
für die Angestellten der Allg. Berliner Omnibus AG., der Pen
sionskasse für die Angestellten von Wolf Netter & Jacobi-Straß burg, den Beamtenpensionskassen der Gute Hoffnungshütte-Oberhausen, der Gasmotorenfabrik Köln-Deutz, der Badischen Anilin-
und Sodafabrik, der Röchling'schen Eisen- und Stahlwerkc-Völklingen, der Firmen Kalle & Co. AG. Biebrich a. Rh.,
& Boch, Mettlach, der Lokomotivenfabrik Henschel
und
Villeroy
Sohn-
Cassel, der Pensionsanstalt der städtischen Kapelle zu Mainz;
eine Dienstzeit von 6 Jahren bei der Pensionskasse für die AngefteÖten1) der Hamburg-Amerik. Paketfahrt AG.;
eine Dienstzeit von 8 Jahren bei der Versorgungskasse für die An gestellten der Firma M. Du Mont Schauberg; eine Dienstzeit von 10 Jahren bei der Hildegard Bleichert-Kasse-
Leipzig-Gohlis, der Pensionskasse für die Beamten und Arbeiter der Chemischen Fabrik auf Aktien (vorm. E. Schering) Berlin,
der Arbeiterpensionskasse der Vereinigten Königs-
und Laura
hütte, bei Hoffmanns Pensions- und Unterstützungskassen Salzuflen,
bei der Arbeiterpensionskasse des Hörder Bergwerks- und Hütten vereins, bei den Beamtenpensionskassen der Bergischen Stahlin dustrie-Remscheid, der Maschinenfabrik I. M. Voith-Heidenheim,
bei der Ruhegehaltskasse des städtischen Orchesters Magdeburg,
des stöbt. Orchesters Augsburg;
eine Dienstzeit von 15 Jahren bei der Arbeiterstiftung der Firma Ed. Laeis & Co., Trier;
eine Dienstzeit von 20 Jahren (bei „besonders schwerer Arbeit" von
15 Jahren) bei der Arbeiterpensionskasse für die Gußstahlfabrik
von Friedrich Krupp AG. Essens) *) Vorstandsmitglieder, mit Jahresgehalt angestellte Beamte, Inspektoren, Kapitäne, Offiziere, Maschinisten, Proviantmeister rc.
*) Diese abnorm lange Karenzzeit soll nach den Angaben der Firnia Krupp (vgl. Heinemann a. a. O. S. 18) deshalb von geringerer Bedeutung sein, weil bei der Firma auch eine einseitig vom Arbeitgeber betriebene Arbeiter und Jnvalidenstistung besteht, die in Notfällen auch schon bei kürzerer Dienst zeit Hilfe leistet. Da aber mangels eines Arbeiterbeitrags zur Stiftung auch kein Rechtsanspruch auf eine derartige Unterstützung besteht, stellt sich die Unter-
Mitgliedschaft.
5 jährige Zugehörigkeit
69
Beiträge.
zum Orchester,
aber
29 jährige Beitrags
leistung fordert das Statut der Orchesterpensionsanstalt Chemnitz.
Nur vereinzelt finden sich geringere Karenzzeiten?) so z. B. von 3 Jahren bei der Arbeiterpensionskasse der Donnersmarckhütte, oder
Abstufung der Pension nach dem Dienstalter ohne
eine Karenzzeit,
wobei dann freilich gewöhnlich die Pensionssätze für die ersten Jahre geradezu lächerlich gering sind.
Drahtwerke
Gleiwitz
So
bei der Pensionskasse der
hat
einem
z. B. ein Arbeiter mit
Jahresverdienst
von 1100 M, von dem er 3°/o Beiträge an die Kasse
hat,
nach 3 jähriger Dienstzeit
für
den
zu leisten
der Dienstunfähigkeit
Fall
einen Rentenanspruch von 33 M pro Jahr, ein Arbeiter mit 900 M Jahresverdienst
nach
2 jähriger
Dienstzeit
im
gleichen
Fall
einen
Anspruch auf 18 M Jahresrente. Man vergleiche nun mit der Länge der Karenzzeiten die Länge
der Dienstzeiten in den verschiedenen Betrieben, und es zeigt sich, daß schon
eine
Dienstzeit
anzusehen ist.
von
fünf Jahren
als
etwas
Exzeptionelles
Schon in der Begründung der Petition des Christl.
Metallarbeiterverbands an den deutschen Reichstag vom Januar 1909 ist daraus aufmerksam gemacht, wie viel für die Arbeitnehmer infolge
des vielfach überaus starken Wechsels der Arbeitsplätze verloren geht und auf die umfangreichen Erhebungen der Gewerberäte für die Regierungs bezirke Düsseldorf,
Köln, Essen rc. aus dem Jahre 1907 verwiesen.
Aus ihnen geht z. B. hervor, daß im Aufsichtsbezirk Essen von 3 großen Werken der Eisenindustrie die Summe des Arbeiterwechsels in
den 12 Monaten des Jahres 1907 40, 61 und 73°/» der Belegschaft stützung
als
ein
Almosen dar.
vollkommen
vom
Ermessen
des
Arbeilgebers
abhängiges
Daß nur gewisse Arbeiter mit einem solchen bedacht werden,
ist gezeigt worden. *) Nach Laporte (a. a. O. S. 21) ist die Grenze einer versicherungstechnisch
gerechten Karenzzeit (worunter er nur die Zeil des Versicherungsverhältnisses versteht, in der eine Gegenleistung nicht gewährt wird, im Gegensatz zur Warte
zeit, d. h. der für die Pensionsberechtigung geforderten Dienstzeit) mit drei oder
ausnahmsweise, bei sehr niedrigen Prämien, mit fünf Jahren gegeben. Laporte meint (a. a. O. S. 23), rechtlich stehe es natürlich jedem Unternehmer frei, seine
Pensionskasse mit möglichst langen Wartezeiten einzurichten, dann solle er aber
die Prämien völlig aus der eigenen Tasche zahlen, weil es sich sonst nicht mehr um sozial-ethische Versicherungsunternehmungen handle, sondern um Kassen, die unter Mißbrauch des Bersicherungsgedankens lediglich den Zwecken des Unter
nehmers dienen.
70
I. Teil.
betrug. Für manche Fabriken wird (so vom Gewerberat für den Landes
polizeibezirk Berlin) ein Arbeiterwechsel in 5- und 10 facher Höhe der
Belegschaft
gemeldet.
Diese Zahlen
haben
mich
zu
Umfragen
bei
den Betriebsleitungen angeregt, deren Resultate ergeben, daß die An
gaben der befragten Arbeitgeber x) mit denen der Gewerberäte überein
stimmend)
Es darf in der Tat selbst die Erreichung einer 5 jährigen
Karenzzeit als relativ selten bezeichnet
Gesamt abgang 1909
Firma
Dr. Heinr. Traun Söhne.......................... Drahtwerke Gteiwitz..................................... Donnersmarckhütte..................................... Bismarckhütte................................................ Laurahütte..................................................... Fr. Karcher & Cie., Beckingen .... München-Dachauer A.-G. für Maschinenpapierfabrikation..................................... Julienhütte, Bobrek..................................... Arenberg'sche A.-G. für Bergbau- und Hüttenbetrieb, Essen........................... Herminenhütte, Laband.......................... Eisenwerk Baildonhütte.......................... Bergische Stahlindustrie, Remscheid . . Siemens-Schuckerttverke, Nürnberger Werk
An
der Hand dieser
werden.
So betrug bei der Davon hatten eine Dienstzeit von weniger als 1 Jahr
von weniger als 5 Jahren
414 774 556 3087 1034 256
235 384 301 2372 211 144
155 314 183 583 912 81
303 2189
147 1853
130 307
4477 175 429 232 635
2932 86 322 114 322
1120 68 107 98 258
Tatsachen kann es als festgestellt erachtet
werden, daß regelmäßig die Erlangung einer Pension oder Unterstützung sich als reiner Zufallsvorteil erweist, nicht weit entfernt von dem Vorteil,
den ein Lotteriespieler erhoffen kann. Sicher aber kann die Erwartung eines derartigen Vorteils nicht einen Posten
des Gesamteinkommens
darstellen. Mit dieser Feststellung ist aber bewiesen, daß die Ausnahme
des 8 117 GO. für alle derartigen Betriebe nicht zutrifft, daß somit
der Lohnabzug
unwirksam, die Vereinbarung desselben nach
8 117 Abs. 1 GO. nichtig ist.
Nicht unwesentlich, aber sicher nicht ausschlaggebend für die Be
urteilung
einer
Pensionskasse
als
Wohlfahrtseinrichtung im
Sinne
*) Eine größere Anzahl von Firmen hat diese Fragen nicht beantwortet. ') Bgl. auch Tabelle S. 43.
71
Mitgliedschaft. Beiträge.
des 8 117 GO. ist die zahlenmäßige Höhe dessen, was
insgesamt
eine Kasse im Laufe der Jahre geleistet hat, ferner der Beträge, die demjenigen zuteil werden, der sich wirklich zum
Genuß einer Pension
durchgearbeitet hat, endlich das Verhältnis, in dem diese Pension zu dem Beitrag des
steht.
einzelnen Kassemitglieds
Einzelne
Firmen,
speziell die Firma Krupp, pflegen, sobald der Charakter ihrer Kassen als Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des 8 117 GO. angezweifelt wird, in
diesen Richtungen einen wahren Wohlfahrtsprunk zu entfalten, indem sie Gesamtbeträge und Durchschnittsbeträge der geleisteten Pensionen für eine große Anzahl von Jahren und folgemäßig mit einem stark
flimmernden Zahlenapparat vorführen. Gemüt des
Unkundigen
hinwegtäuschen, steuern
mußten,
wie
bewegen
viele
einigen
So mächtig diese Zahlen das
mögen,
sie können
Tausende wider
wenigen
Lebensabend zu ermöglichen.
nicht darüber
ihren Willen
Schmiegsamen einen
dazu
bei
angenehmen
Darüber aber setzen sich die einschlägigen
Firmen meist mit dem Gemeinplatz hinweg,
es gehöre zum „Wesen
der Versicherung", daß viele für wenige Opfer bringen müßen.
Eine
derartige Behauptung ist doch nur in dem Sinne richtig, daß nicht jeder von dem Unglück betroffen wird, gegen das die Versicherung schützen
will, nicht jeder das hohe Alter erreicht, für das eine Versorgung gewährt
werden soll.
Aber sicher kann es doch nach den sozialethischen Grund
gedanken des Versicherungswesens nur der Zufall sein, der die Aus
lese derjenigen trifft, die in den Genuß der Versicherung kommen sollen,
und nicht etwa die Willkür eines Vertragsteiles des mit dem Ver sicherungsvertrag verkoppelten Arbeitsvertrags.
Es ist Laporte') beizu
stimmen, wenn er von der in dieser Richtung herrschenden Begriffsver
wirrung eine Gefahr für die Grundbegriffe des Versicherungswesens befürchtet. Daß übrigens der Beitragsverlust durchaus nicht zum Wesen *) Laporte, „Die Mißstände in den Theaterpensionskassen und ihre Be kämpfung". In „Der Neue Weg" 39. Jahrg. Heft 47 (vorn 26 November 1910). Am deutlichsten wird seine Meinung durch folgenden Passus charakterisiert: „Man vergesse nicht, daß es sich bei einer Versicherung nicht um Sammlung von Beiträgen mit völlig unbestimmten und unberechenbaren Gewinnchancen handelt, wie beim Lotterievertrag, den ein Spieler durch Kauf eines Loses ab schließt, sondern um einen Vertrag, durch den man im Falle irgend eines zu fällig eintretenden wirtschaftlichen Bedarfs gedeckt sein will. Wird aber diesezufällige Eintreten gar nicht abgewartet, so liegt kein Versicherungsvertrag, sondern ein verkapptes Lotteriespiel vor, das meiner Ansicht nach gegen die guten Sitten verstößt, weil es unter falscher Flagge segelt."
72
I. Teil.
der hier behandelten Pensionseinrichtungen gehört, geht aus den im vorigen Kapitel
angeführten vielen Fällen hervor, in denen Kassen
der überwiegenden Mehrzahl aller Ausscheidenden die Beiträge erstatten. Als juristisches
Kohlers dadurch
geltend
Kuriosum
macht.
Nach
sei ein
Gegengrund
ihm hat der
angeführt, den
Versicherte
nicht
nur
einen Vorteil, daß er im Fall des Versicherungsereignisses
eine Geldentschädigung bekommt, sondern auch dadurch, daß er in der Zwischenzeit versichert ist — auch wenn er nachher nichts bekommt. Denn der Zustand des Gesichertseins selbst ist schon wertvoll.
„Die
ganze andere Stellung der Familie des Pensionsberechtigten, das sorg
losere Dasein und infolgedessen die solidere Familiengründung ist auch
etwas wert und muß berücksichtigt werden."
Dies mag psychologisch zutreffen, juristisch ist es unrichtig.
Das
wird für diejenigen, denen das Arbeitsverhältnis durch den Arbeit geber gekündigt worden ist, durch ein Analogon illustriert: Ein wohl
habender junger Mann verführt ein armes Mädchen dadurch, daß er ihm
durch Versprechen der Ehe eine sorglose Zukunft vormalt.
Nachdem ihm
sein Plan gelungen ist und er keine Miene macht, das Mädchen zu heiraten, klagt es nach § 1298 BGB. auf Ersatz der Aufwendungen,
die es in Erwartung der Ehe gemacht hat.
Der junge Mann wendet
ein, diese Aufwendungen seien dem Mädchen schon ersetzt durch den ökonomischen Vorteil, den es durch die Erwartung einer
gesicherten
Zukunft hatte.
Kohler
hätte
also
bemerken
müssen, daß nur die Illusion
einer Versicherung vorliegt, wenn das angebliche Gesichertsein durch einen Willkürakt, der mit dem Wesen der Versicherung nichts zu tun
hat, jederzeit beseitigt werden kann?) *) A. a. O. S. 8. 2) Der Hinweis darauf bedeutet, wie einem Aufsatz R. v. Erdberg's in den „Kritischen Blättern für Sozialwissenschaften" gegenüber festzustellen ist, im Hinblick auf die in dieser Schrift vielfach erwähnten praktischen Fälle nicht bloß eine Diskreditierung des angeblichen Werts solcher Versicherung wegen der Möglichkeit des Mißbrauchs. Besonders ist in diesem Zusammenhang der Arbeiterentlassungen im großen zu gedenken, die nicht selten im Anschluß an wirtschaftliche Krisen erfolgen. (Vgl. Verhandlungen d. Vereins f. Soz. Politik 1905 S. 195. Nach den Angaben der Firma Krupp wurden 1902 664 Arbeiter aus Anlaß einer Krise entlassen, darunter sieben mit einer Dienstzeit von über 10 Jahren.) Ferner ist daran zu erinnern, daß fast nirgends sich eine Aus-
Mitgliedschaft.
73
Beiträge.
2. Der Lohn- oder Gehaltsempfänger opfert einen beträchtlichen
Teil seines Einkommens einem Zwecke, der ihm mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfremdet wird?) Er hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht sich,
sondern anderen, bezw. der Kasse, eine
Bereicherung durch seine Beitragsleistung
verschafft?)
Er wird zu
gunsten der Kasse besteuert.
3. Bei zweiseitigen Kaffen gilt ferner das oben (S. 45 f.) für einseitige Kassen Gesagte in erhöhtem Maße.
Auch hier werden die
nähme von der Bettragspflicht für diejenigen Arbeiter findet, die von vornherein nur vorübergehend eingestellt werden, z. B. zwecks rascher Erledigung einiger großer Aufträge. T) So Lotmar in „Die Kruppsche Pensionskasse vor Gericht" S. 35, 36. 2) Als Beleg dafür, daß der Arbeitnehmer mit seinem Abgang die Kasse bereichern hilft, führt Lotmar eine Tabelle aus den Schriften des Vereins für Sozialpolitik Bd. 114 S. 146 an, die der Bearbeiter dieses Bandes, Dr. Ad. Günther, wiederum aus der Schrift „Wohlfahrtsplage" von Wilhelm Düwell S. 31 übernommen hat. Der Autor dieser Tabelle, in der berechnet wird, daß die Einnahmen der Kruppschen Arbeiterpensionskasse aus Arbeiterbeiträgen, Zinsen, verfallenen Lehrlingslöhnen,nicht erhobenen Rabattbeträgen,aber ohne die Beiträge des Arbeit gebers für die Jahre 1895—1901 einen Überschuß gegenüber den gezahlten Pensionen aus Arbeitermitteln zwischen 40371 und 335 097 M, also durchschnittlich 195 281M ergeben, übersieht, daß in Spalte 2 der Tabelle auch alle Überschüsse aus Kapital zinsen angeführt werden, obwohl das Vermögen der Kasse zum größeren Teil aus den Leistungen der Firma entstanden ist. Die Zahlen, bei denen der Ur sprung der Kapitalzinsen berücksichtigt wird, ergeben nach einer ausführlichen Tabelle von Heinemann (a. a. O. S. 12), daß die Einnahmen aus Arbeitermitteln seit 1893 nur dreimal die Pensionszahlungen deckten. Die Feststellung dieses Irrtums benützt Heinemann, um dem Autor der Tabelle und denen, die sie übernommen haben, in emphatischen Ton bewußte Fälschung vorzuwerfen und die erwähnte „sozialdemokratische" Tabelle als ein „geradezu klassisches Beispiel dafür, mit welchen Mitteln gegen die Pensionskasse gearbeitet wird", zu bezeichnen. Er fügt hinzu: „Was lehrt nun diese Tabelle? Daß die Pensionskasse, wenn man die Firmenbeiträge außeracht läßt, im Jahre 1903 hätte ihre Zahlungen einstellen müssen. Daß die Arbeiterschaft der Gußstahlfabrik in den Jahren 1885—1907 14,3 Millionen in die Pensionskasse eingezahtt hat und daß in der gleichen Zeit pensionierten Arbeitern bzw. Arbetterwitwen und Waisen 18,2 Milli onen aus der Pensionskasse zugeflossen sind." Beide Behauptungen sind richtig. Es muß aber die Gegenfrage erhoben werden: Was lehrt diese Belehrung? Doch sicher nichts, als daß der satzungsmäßige Firmenbettrag satzungsmäßig zur Auszahlung von Pensionen verwendet worden ist und sich dabei ein noch viele Millionen betragender Überschuß ergab. Sicher aber nicht, daß die Rück
zahlung der Beiträge nicht möglich sei. Und zur Widerlegung dieser letzteren Behauptung war doch die Tabelle in wissenschaftlichen Werken nur benützt worden.
74
I. Teil.
Produktionskosten der Arbeit nicht gedeckt. einseitigen
Kassen, wie gezeigt,
durch
Arbeitgeber
den
war,
die
nur
die
den
Während es aber bei den
Hoffnung
aus Versorgung
veranlaßte, die
Arbeitnehmer
Deckung der Selbstkosten aus freien Stücken zu unterlassen, ist er bei zweiseitigen Kassen infolge des Beitragszwangs zur Unterlassung dieser Deckung genötigt.
Wird ihm nun beim Ausscheiden
nichts
zurückerstattet, so hat er weder die Fürsorge, für deren Erlangung er die Kassenbeiträge
geopfert
hat, noch eine andere.
Mit den zurück
Beiträgen dagegen wäre er in der Lage, sich eine ander
gezahlten
weitige Deckung zu beschaffen, z. B. durch
Einkäufen bei einer Ver
sicherungsgesellschaft.
4. Nur der Arbeitnehmer erleidet durch die Beendigung des Dienst verhältnisses eine Einbuße infolge des Beitragsverlustes?) Dem Arbeit
geber steht dagegen für den Ausgetretenen Ersatz zur Verfügung. länger der
Arbeitnehmer dient, desto
Je
mehr Beiträge verliert er mit
der Beendigung des Dienstverhältnisses.
Der Verlust der
Beiträge
wirkt also so, wie wenn auf die Beendigung des Dienstverhältnisses,
die,
wie
erwähnt,
vom Arbeitgeber jederzeit einseitig
herbeigesührt
kann, eine immer steigende Konventionalstrafe
gesetzt toäre.2) Hierin ist eine Ungleichheit im Kündigungsrecht zu erblicken, überall werden
aber, wo in Reichsgesetzen Abweichungen von der gesetzlichen Kündi
gungsfrist gestatten, verlangen sie Kündigungsgleichheit für beide Kontrahenten des Arbeitsvertrags?) 5.
Dabei
wahllos jeden
scheiden trug.
trifft
diese
Konventionalstrafe
gleich
schwer
und
Ausscheidenden, gleichviel, wer Schuld an dem Aus Ob der Arbeitnehmer wegen Krankheit, wegen Arbeits
mangels in Krisenzeiten, wegen Zugehörigkeit zur Organisation, wegen Teilnahme an einer Lohnbewegung, oder wegen schwerer Über*) Ehrenbergs Einwand (a. a. O. S. 49), die Beiträge seien bereits längst entrichtet, ihr Verlust sei daher schon verschmerzt, und außerdem wisse der Ar beiter, daß er jeden Tag sterben könne und dann seine Beiträge au fond perdu geleistet habe, ist zu wenig haltbar, um einer Widerlegung zu bedürfen. Ehren berg bringt an derselben Stelle aber noch ein interessantes Gegenargument: ,5)ie Aussicht auf Pension ist ohnehin gering, weil sie eben durch eine Kündigung von Seite der Firma jederzeit zerstört werden kann." Hier gibt also auch Ehrenberg zu, daß die Erreichung einer Pension ein Lotterie vorteil ist. *) So Lotmar in „Die Kruppsche Pensionskasse vor Gericht" S. 37. ') BGB. § 621, HGB. § 67, GO. § 122, SeemannsO. § 27.
75
Mitgliedschaft. Beiträge.
tretung der Arbeitsordnung, Gefährdung von Arbeitskameraden, Dieb stahls rc. entlassen wurde, ob er austrat, weil sich ihm eine günstigere
Stellung bot oder weil ihn sein Meister mißhandelte, immer greift dieselbe Strafe ein, und zwar je treuer er war, desto empfindlicher.
dem
Neben
wird,
Schaden,
konstatiert
schriften
daher
der
dem
Lotmar
Arbeitnehmer
die
durch eine solche Verquickung
Verletzung
dadurch zweier
zugefügt
Moralvor
des Arbeitsvertrags mit der
Verficherung:
a) Es werden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Schuldige und Unschuldige im Gegensatz zu den Forderungen der Moral
mechanisch gleich behandelt,
b) mit der Abnahme des Grundes, aus dem gegen einen Arbeit nehmer eingeschritten wird, nimmt der Nachteil zu, der durch
die Entlaffung über ihn verhängt wird.
6. Besondere Bedeutung aber gewinnen diese Umstände durch ihren allgemeinen Einfluß
auf die Gestaltung des Arbeits
verhältnisses: Das wichtigste Recht, das dem Arbeitnehmer durch
§ 152 GO. zur Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen gewährt ist,
Arbeit.
ist
das
Recht
auf
straflose
Einstellung
der
Ist aber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom
Arbeitgeber der Verlust der Pensionskassenbeiträge gesetzt, so kann der
Arbeitnehmer von dem ihm gesetzlich gewährleisteten Recht niemals Ge brauch machen, ohne sehr empfindlichen Schaden dadurch zu erleiden,
während umgekehrt anerkanntermaßen mancher Streik dem Arbeitgeber zur Hinauftreibung der Preise erwünscht und von Vorteil ist.1)
ES
wäre ja verfehlt, aus den Bestimmungen des § 152 GO. mehr folgern
zu wollen, als Abwesenheit von Strafe und folgemäßig Koalitions freiheit auf Grund des Gesetzes, immerhin aber ist diese Freiheit
ein Stück staatsbürgerlicher Freiheit, so gut wie Religionsfreiheit, Preß
freiheit, Freizügigkeit rc. Wenn auch der Gesetzgeber unter dem Druck
mächtiger wirtschaftlicher Interessenten sich nicht hat entschließen können, diese Freiheit mit den nötigen Garantien zu umgeben, so würde ja
die Arbeit des Gesetzgebers zur reinen Farce herabsinken, wollte man ’) Vgl. z. B. das Steigen der Kohlen- und Kokspreise zur Zeit des großen Bergarbeiterstreiks von 1889. S. Vogelstein, Die Industrie der Rheinprovinz 1888-1900 S. 53 ff.
76
I. Teil.
nicht annehmen, daß eine willkürliche Beschränkung dieser gesetzlichen Freiheit durch Private gegen die guten Sitten verstößt?) Dabei ist noch zu bedenken, daß vielerorten die Pensionskassen nur ein Bruchstück eines wohldurchdachten Wohlfahrtssystems darstellen, das
eingestandenermaßen dem
Arbeitgeber eines der willkommensten
Mittel zur Schwächung der Solidarität der Gegeninteressenten ist. Dieses System,
das
es sich zum Ziel setzt, unter formeller Wahrung des
geltenden Rechtszustands auf dem Wege des psychologischen Zwangs dem Arbeitnehmer die ihm gesetzlich garantierten Rechte aus freie Be
rufswahl, auf freie Vereinbarung der Arbeitsbedingungen, auf Frei zügigkeit, auf gleiche Kündigungsfristen, auf strafloses Sich-Koalieren
tatsächlich zu nehmen, ist so ausführlich Gegenstand Kritik gewesen?)
erübrigt.
Es
mehrere Arten
der öffentlichen
daß sich ein Eingehen auf dasselbe an dieser Stelle
muß
von
aber
darauf
hingewiesen werden,
daß da,
wo
Wohlfahrtseinrichtungen in einem Unternehmen
Vorkommen, die Pensionskassen nicht losgelöst von dem übrigen Wohl*) Ob es auch einen Verstoß gegen die guten Sitten bar stellt (wie N e ukamp annimmt), daß der Austritt aus den Diensten der Firma unter allen Umständen und, gleichviel aus welchen Gründen, den Verlust der Mitglied schaftim Gefolge hat, ist an dieser Stelle nicht zu erörtern. Immerhin mag darauf hingewiesen werden, daß Einrichtungen, wie die privaten Pensionskassen, doch ihrem Wesen nach nur für Angehörige eines Unternehmens vorhanden sein können, ferner aber, daß diejenigen Arbeitnehmer, die im Falle des Vorhandenseins der Veitragserstattung infolge längerer Dienstzeit bei Ausscheiden größere Beträge zurückerhalten würden, imstande wären, sich mit diesen Beträgen eine ander weitige Altersfürsorge, z. B. durch Einkäufen bei einer Versicherungsgesell schaft, zu verschaffen (vgl. oben S. 73). Auch bei solchen Arbeitnehmern, die wenig zurückerstattet bekämerl, wäre die Beilragserftattung ein wenn auch nicht ganz ebenbürtiges Äquivalent für den Verlust der Mitgliedschaft, da sie imstande
wären, bei einer anderen Penstonskasse ihre Beiträge aus diesem Betrag zu bestreiten. 2) Das meiste und beste Material zu seiner Beurteilung wird geboten in der schon erwähnten Schrift von Günther „Die Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeitgeber". Neuerdings reiht auch ein mit dem Arbeitgeberinteresse so bewußt schonend umgehender Beurteiler, wie Adolf Weber (Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, Tübingen 1910) die Wohlfahrtseinrichtungen unter die „Kampf mittel der Arbeitgeber" und zwar unter die zur „Förderung der Arbeitswillig keit" und „Schwächung der Solidarität der Gegner" ein, ohne freilich in seiner Kritik der Pensionskassenfrage, abgesehen von einer gänzlich unbegründeten, dem Autor unwissenschaftliche Absichten unterschiebenden Diskreditierung Günthers, Neues beizubringen.
77
Mitgliedschaft. Beiträge.
fahrtssystem beurteilt werden können.
Eine derartige Loslösung bringt
den Richter auf eine falsche Bahn. B. Gegen diese Anschauungen sind nun eine Reihe von Einwen
dungen laut geworden, von denen
an erster Stelle die unwesent
lichsten behandelt werden sollen: 1. Es ist bedeutungslos, daß Statuten von Pensionskassen be hördlicherseits genehmigt worden sind, was Kohler a. a. £). § 4
einwendet.
Denn
daß
die
Genehmigung
eines
Kassestatuts
durch
staatlichen Verwaltungsakt die zivilrechtliche Nichtigkeit einer Bestimmung dieses Statuts nicht beseitigen kann, gehört zu den juristischen Funda
menten.
Speziell für das Stiftungsgeschäft hat das Reichs
gericht mit großem Nachdruck ausgesprochen, daß bei Ungültigkeit des
Geschäfts trotz
staatlicher
Genehmigung
entsteht, ebenso wie die Stiftung
keine
Stiftung
rechtsfähige
anfechtbar ist und trotz staatlicher
Genehmigung anfechtbar bleibt, wenn sie etwa in fraudem creditorium
errichtet wurde?)
Die vom Reichsgericht angeführten Gründe können
auch bei Beurteilung der Gültigkeit von Pensionskassenstatuten unbe denklich angewendet werden.
daß
Abgesehen davon ist es leicht zu belegen,
die Genehmigungsbehörden
eine
durchaus schwankende
aufweisen und nicht immer ihrer eigenen Meinung sind?)
Praxis
Auch sind
’) Vgl. RGEntsch. ZivS. Bd. 5 Nr. 37. 2) So besagt der 2. Geschäftsbericht des Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung (abgedruckt in den Veröffentlichungen des Kaiser!. Aufsichts amts 3. Jahrg. S. 84): „Nach Möglichkeit hat das Aussichtsamt bei Umgestaltung der Kassenstatuten darauf gedrungen, daß vorzeitig ausscheidende Mitglieder der gezahlten Beiträge nicht verlustig gehen. Bisher enthielten die Statuten in ihrer überwiegenden Mehrzahl die Bestimmung, daß ausgeschlossene oder austretende Mitglieder keinerlei Ansprüche auf das Vermögen der Kasse erheben könnten. Hierin hat das Aussichtsamt eine unbillige Härte erblickt, und zwar bei solchen Kassen, welche für bestimmte Betriebe errichtet sind, nament lich auch um deswillen, weil sich die Mitglieder, denen bei dem Ausscheiden aus der Kasse keinerlei Rückgewähr von Beiträgen zu gesichert ist, hiedurch naturgemäß in der freien Wahl der Arbeitsstelle beeinträchtigt fühlen. Von den Kassevorständen wird gegenüber den entsprechenden Forde rungen des Aussichtsamts häufig darauf hingewiesen, daß durch vorzeitiges Ausscheiden von Mitgliedern der Gesamtheit finanzielle Vorteile erwachsen, die sie ohne Steigerung der Beiträge nicht entbehren können. Diese Auffassung erscheint versicherungstechnisch und in sozi aler Hinsicht bedenklich. Das Aussichtsamt hat vielmehr daran festgehalten,
78
I. Teil.
zweifellos ungültige Satzungsbestimmungen schon von Aufsichtsbehörden genehmigt worden?) 2. Nicht minder unwichtig ist der Hinweis Kohlers und anderer darauf, daß auch bei der staatlichen Arbeiterversicherung die Beitrags erstattung vielfach unterbleibt. Denn mit dem Ende eines bestimmten
Dienstverhältnisses verliert der Arbeitnehmer bei der staatlichen Ver sicherung nicht seinen Pensionsanspruch, da der Beitritts zwang zur Arbeiterversicherung nicht Arbeit in einem bestimmten Unternehmen, sondern nur die allgemeine Eigenschaft als Arbeiter zur
Voraussetzung hat. Arbeitgebers
Es ist
folglich nicht nur jegliche Willkür des
ausgeschlossen, sondern
der
Beitragsverlust
fügt
auch
daß es bei richtiger Festsetzung der Leistungen, also bei Einführung gleichbleibender, nach Altersklassen abgestufter Beiträge in jedem Falle ohne Schädigung der Kasse möglich ist, den Ausscheidenden für die bereit- ge zahlten Beiträge einen entsprechenden Gegenwert zu gewähren. Auf der anderen Seite ist das mit Recht von den Kassevorständen betonte Moment nicht unberücksichtigt geblieben, daß man durch eine Erleichterung des vorzeitigen Ausscheidens, namentlich jüngerer Personen, den Zusammenhang zwischen den Mitgliedern lockert. Mit Rücksicht hierauf hat das Aufsichtsamt es gebilligt, daß den Ausscheidenden von den gezahlten Beiträgen weder etwas zurückgewährt, noch in anderer Weise gutgebracht wird, sofern sie nicht bereits eine Reihe von Jahren (wenigstens 5 Jahre) der Kasse angehört und für diese Zeit Beiträge entrichtet haben." Trotz der hier geäußerten Anschauungen hat das Aufsichtsamt hinterher wieder eine Reihe von Kassenstatuten genehmigt, die gänzlichen Verfall der Beiträge festsetzen. Ein Verzeichnis von solchen ist abgedruckt in „Die Krupp'sche Pensionskasse vor Gericht" S. 22. Und Prof. Ehrenberg, Mitglied des Beirats desselben Aufsichtsamts, behauptet in seinem Gutachten für die Firma Krupp mit großem Nachdruck unter Bezugnahme auf die Praxis des Aufsichtsamis, die Nichtrückzahlung der Beiträge sei eine versicherungstechnische Notwendigkeit.
Aus alledem folgert das Landgericht Essen (Uri. in Sachen Lange/Krupp vom 25. November 1909 nur, daß „auf dem Gebiete des Versicherungsrechts noch vieles in Fluß ist, und daß Aufgaben, an die man früher wenig oder gar nicht gedacht haben kann, erst in neuester Zeit ihrer Lösung entgegengeführt worden sind." Und diese Folgerung genügt dem LG. Essen, um einer folge richtigen Untersuchung über die Frage des Verstoßes gegen die guten Sitten aus dem Wege zu gehen. !) Überdies ist es bestritten, ob das Kassestatut der Firma, der diese
Behauptung Kohlers besonders gilt, der Firma Krupp, gültig genehmigt ist. S. oben Anm. 3 S. 20.
79
Mitgliedschaft. Beiträge.
dem Arbeitnehmer keinen Schaden zu, da er ja im neuen Arbeits verhältnis weiterklebt und als Äquivalent für den Fall der Arbeits unfähigkeit seine Unterstützung erhält. In den Fällen jedoch, in denen für den Beitragsverlust ein Äquivalent nicht geboten würde/)
findet eine teilweise
Rückerstattung der Beiträge
bei der staatlichen
Arbeiterversicherung statt. Ganz allgemein ist hier hinzuzufügen: Es ist etwas gefährlich, zum Beweis der Übereinstimmung mit den guten Sitten eine analoge
Gesetzesbestimmung Landesgesetzen
anzuführen.
Denn
Ausnahmebestimmungen
lange in
so
Reichs-
und
einzelne Bevölkerungs
gegen
schichten möglich sind,
wird eine solche Beweisführung immer etwas
problematisch bleiben.
Speziell hinsichtlich
gesetzgebung
der
Arbeiterversicherungs
ist z. B- darauf hinzuweisen, daß ein deutsches Landes
gesetz, nämlich das sächsische Berggesetz (in seinem § 80), in bezug auf die in Knappschaftsvereinen
kraft Gesetzes
versicherten
Bergarbeiter
zwar die Möglichkeit der Aufrechterhaltung der Ansprüche abkehrender
Bergarbeiter vorsah, diese Möglichkeit jedoch versagte, wenn die
Abkehr
bei
Streik
erfolgt
war.
Es
ist
bekannt,
daß diese landesgesetzliche Bestimmung, die in eklatanter Weise gegen
das verfassungsmäßig dem Landesrecht vorgehende, auch für Bergarbeiter geltende Reichsrecht des § 152 GO. verstieß, das Scheitern jeder Lohn bewegung in den sächsischen Gruben zur Folge hatte.
Trotzdem
be
durfte es schwerer Kämpfe im sächsischen Landtag, bis diese Ausnahme bestimmung im Jahre 1908 verschwand.
Demgemäß möchte ich es
auch gar nicht als ein sonderlich beweiskräftiges Argument ansehen, daß das hessische Gesetz vom 19. Juli 1908 bett, die Fürsorgekassen der
Beamten
und Bediensteten
der
Landgemeinden und
Kommunalver
bände (Art. 36) den Mitgliedern solcher Institute bei Auflösung oder
Nichterneuerung des Dienstverhältnisses, ohne daß diese freiwillig oder durch eigenes Verschulden herbeigeführt ist,
die Erstattung
der Ein
trittsgelder und Beiträge ohne Zinsen zusagt.
3. Auch die Tatsache, daß bei sehr vielen Kassen der Bei tragsverlust festgesetzt ist, kann nicht zur Rechtfertigung desselben dienen. Es ist mit Lotmar daran festzuhalten, daß die Frequenz eines Vor kommnisses nicht seine
moralische und rechtliche Zulässigkeit verbürgt.
*) Jnv.Vers.G. §§ 42, 43, 44.
80
I. Teil.
Maßgebend für diese Zulässigkeit ist vielmehr, wie das Reichsgerichts und mit ihm übereinstimmend das Landgericht Essens treffend auSsührt, das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wobei
nicht ausgeschlossen ist, daß auf die Sittenanschauung eines bestimmten Volkskreises, wenn sich in ihr die herrschende Sitte ausprägt, Rück sicht genommen wird. Daß eS sicher verfehlt wäre, die Nichtrückerstattung
der Beiträge als „herrschende Sitte eines bestimmten Volkskreises" an zusprechen, ist bereits gezeigt.
4. Kohler machta) mit Recht darauf aufmerksam, daß eine Pensions
kasse bis zu einem gewissen Grad einen genossenschaftlichen Charakter
hat, also ihrem Wesen nach nur für Arbeitnehmer eines Unternehmens bestimmt sein kann.
Damit kann er aber höchstens etwas gegen die
Ansicht Neukamps beweisen, daß der Verlust der Mitgliedschaft bei Ausscheiden aus dem Dienste der Firma das Moment der Unsittlichkeit
ergebe/) nichts dagegen gegen die Behauptung, daß die Verbindung
von Beitragszwang und Beitragsverfall gegen die guten Sitten verstößt.
5. Ferner hat Kohlers als Gegengrund angeführt, daß die Ein
richtung „wie alles Menschliche zwei Seiten habe und auf Erden niemals etwas Vollkommenes erreicht werden kann".
Gegen dieses Argument
läßt sich schwerlich etwas entgegnen.
6. Teilweise widerlegt ist bereits der Einwand Ehrenbergs?) daß
der Verfall der Beiträge
unter Umständen eine versicherungs
technische Notwendigkeit sei. Einmal ist schon darauf hingewiesen,
daß ein solches Argument methodisch nicht geeignet ist, die Ergebnisse
der vorliegenden Untersuchung zu entkräften.
ergeben,
daß die Verbindung
Die Untersuchung hat
von Beitragszwang
auf Grund des
Arbeitsvertrags und Beitragsverlust bei Ausscheiden aus dem Betrieb
in sechsfacher Weise gegen die guten Sitten verstößt. Wenn Ehrenberg
sich einem derartigen Ergebnis gegenüber darauf beruft, daß die Ver sicherungstechnik einen derartigen groben Verstoß gegen die guten Sitten
erfordere, so nennt er damit höchstens die Erwägungen, aus denen die ‘) 2) 8) *) 6) 6)
Entsch. d. RG. Bd. 48 S. 124. Urteil in Sachen Lange und Gen./Krupp vom 25. November 1909. A. a. O. S. 7. Vgl. oben Anm. 2 S. 75. A. a. O. S. 8. S. „Die Krupp'sche Pensionskasse vor Gericht" S. 60.
Mitgliedschaft.
81
Beiträge.
dergestalt unsittliche Verkoppelung des Beitrittszwangs und Beitragsver
lusts vom Arbeitgeber vorgenommen wird, er beweist aber nicht ihre moralische Zulässigkeit. Wäre es wahr, daß ohne die Verbindung von Bei
trittszwang und Beitragsverfall manche Kassen in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht zu existieren vermögen, so könnte daraus kein anderer Schluß ge
zogen werden, als daß die versicherungstechnischen Grundlagen dieser Kassen,
wenn sie dem geltenden Recht entsprechen sollen, geändert werden müßten. Selbst von dem Aufsichtsamt für Privatversicherung ist, wie eben gezeigt,
die Heranziehung der versicherungstechnischen Notwendigkeit als „versiche rungstechnisch und in sozialer Hinsicht bedenklich" gekennzeichnet worden.
Mindestens müßte jedoch verlangt werden, daß Ehrenberg das
Vorliegen Dieser
Beweis
mißlungen
aufgeführt,
Notwendigkeit
solchen
einer
kann
aller
werden.
deutlich
zeigen,
Denn es
sind
eine
daß
nachweist.
zwingend
Erörterung
theoretischen
bezeichnet
die
wirklich
gegenüber
als
schon Tatsachen
solche
versicherungstech
nische Notwendigkeit gar nicht existiert, daß vielmehr die Beitrags erstattung
nischen
ohne
eine
Gefährdung
der
Grundlagen
versicherungstech
der
Kasse vor
sich
gehen kann.
Es ist
bereits eine Reihe von Kassen erwähnt, die für den Regel fall
Beiträge
die
dem
Ausscheidenden
Daß diese Kassen sich dabei finanziell geht
aus
ihren
Berichten
hervor.
So
guiilder statten.1)
sehr wohl
ist
das
fühlen,
Vermögen
der
Pensionskasse für Arbeiter und Beamte der Chemischen Fabrik auf Aktien-Berlin, die für den Regelfall 9U der Beiträge zurückerstattet,
nach
den
633 000 M
auf
Die Hildegard-Bleichert-Kasse
(für
Jahresberichten
817072 M
gestiegen.
von
1905—1910
von
Arbeiter, Monteure und Beamte der Firma Bleichert & Co.-Leipzig)
hat bei voller Beitragserstattung an Ausscheidende ihr Vermögen 1902 bis 1909 von
81152,60 M auf 266630,19 M vergrößert.
Die
Pensionskasse für die Arbeiterschaft der Lokomotivenfabrik Henschel &
Sohn, Kassel, erstattet nach 5 jähriger Wartezeit 2/s der Beiträge an Ausscheidende zurück.
Sie erzielte dabei im Geschäftsjahre
eine Einnahmesumme von
345 677,62 M,
während
die
1908/09
Ausgaben
*) Damit ist auch der Versuch Jacobsohns (a. a. O. S. 45 ff.), die BeitragSrückgewähr als eine wegen oersicherungstechnischer Schwierigkeiten praktisch nicht erwähnenswerte Ausnahme zu charakterisieren, hinreichend gekennzeichnet. Jacob sohn hätte an Stelle seiner hochtrabenden Polemiken gegen Günther besser nach Kassestatuten, di« die Beitragserstattung vorschreiben, geforscht. Loewenfeld, Pensionskassen und Arbeitsvertrag.
82
I. Teil.
176 672,95 M betrugen.
Die Pensionskasse silr die Angestellten der die im Regelfall
Firma Schäffer & Budenberg - Magdeburg - Buckau,
3li der Beiträge zurückerstattet, verzeichnet von Ende 1904 bis Ende 1908 ein Anwachsen ihres Vermögens von 366426,31 auf 690721,89 M. Das Vermögen der Angestelltenpensionskasse der Deutschen Continentalgasgesellschaft-Dessau, die die Beiträge an ausscheidende Mitglieder m i t
3°/o Zinsen zurückerstattet, wuchs von 1111808,27 M am 31. De
zember 1904 auf 1514 240,47 M am 31. Dezember 1909.
Der Gebr.
Arnhold'sche Pensionsverein erstattet die Beiträge, Eintrittsgelder und
Gehaltserhöhungsbeiträge an ausscheidende Mitglieder mit den ange
gebenen geringzähligen Ausnahmen voll zurück. von 374364,77 M am 31. Dezember 1909. die
hohe
Unter den genannten Kaffen befinden sich solche,
Mitgliederzahlen
haben.
So
Sein Vermögen wuchs
31. Dezember 1905 auf 927 723,29 M am
betrug
bei
und der
Fluktuation
starke
der
Arbeiterpensionskasse
Mitglieder
der
Firma
Henschel & Sohn Ende 1909 die Mitgliederzahl 5231, davon 1349,
die bereits die Wartezeit zurückgelegt hatten. Mitgliederwechsel
nach
1907 bezifferte sich der
den Angaben der Firma
auf einen Zugang
von 2888 und einen Abgang von 2039 Mitgliedern?) Die Pensions kaffe
der
Preußisch-Hessischen
Eisenbahngemeinschaft,
Arbeiterpensionskaffe in Deutschland,
die
größte
erstattet nach Laporte (a. a. O.
S. 39) nach 5 jähriger Dienstzeit bis auf geringe Risikogebühr die ge
sogar meist selbst bei strafweiser Entlassung
leisteten Beiträge zurück, entgegen dem Statut.
1908 schieden
12 295
Mitglieder aus,
von
denen nur an 131 die Beiträge nicht zurückgewährt wurden, und zwar auch bei diesen fast ausschließlich aus dem Grunde, um ihnen und ihren
Angehörigen die bis zum Ausscheiden erworbenen Ansprüche auf Zusatz rente (zur Reichs-Jnv.-Vers.) und Witwen- und Waisengeld zu erhalten.
Es Kaffen,
kann
auch
die Beiträge
versicherungstechnisch
an
Ausscheidende
nachgewiesen nur teilweise
werden,
daß
erstatten, zur
*) Erwähnt sei auch hier, daß eine der größten Pensionskassen, bei der die Fluktuation ganz außerordentlich ist, die Arbeilerinvalidenkasse der HamburgAmerikalinie (eint 1. Januar 1910 13 913 Mitglieder) milden erwähnten Ausnahmen die Beiträge an Ausscheidende anfangend von 7O°/o im ersten Jahre der Mit gliedschaft, jährlich um 5% steigen b bis 100°/oim 15. Jahre der Mitgliedschaft erstattet. Da die Kasse, wie ich aus einer brieflichen Mitteilung der sozialpoli tischen Abteilung der Hamburg-Amerikalinie ersehe, keine Jahresberichte heraus gibt und ich andere Angaben nicht erlangen konnte, fehlt mir leider ein Ein blick, wie sich dieses System finanziell bewährt hat.
83
Mitgliedschaft. Beiträge.
vollen Beitragserstattung in der Lage wären. Einzelne Firmen resp. Kassen hatten die Freundlichkeit, das für diesen Nachweis notwendige wendige Material zur Verfügung zu stellen. Als Beispiel diene die
Privatunterstützungskasse von Dr. Heinrich Traun & Söhne Dorrn. Harburger Gummi Kamm Co., Hamburg und Harburg. Sie erstattet 50 °/o der Beiträge zurück, wenn der Ausscheidende mindestens 5 Jahre zur Kasse beigetragen hat, ist aber versicherungstechnisch sehr wohl zur Rückerstattung der vollen Beiträge an alle Ausscheidenden imstande.
Als Beweis dienen die von mir für den Durchschnitt eines Jahrfünfts berechneten gedruckten und schriftlichen Angaben der Firma: 1. Einnahmen der Kasse.
a) Mitgliederbeiträge. 1905
M 17 358,30
1906
20 022,35
1907 1908
23 102,10 25 555,05
1909
25 420,33
b) Firmenbeiträge. — 100 % der Mitglieder
beiträge = 22 291,63 Hf.
Summe 111 458,13 : 5 Durchschnitt für 1 Jahr — 22 291,63 M. c) Ersatz für Versäumnisse.
1905 1906
1907 1908 1909
Hf 3134,17 „ „
3551,75 4110,84
„ „
4369,36 3842,74
d) Zinsen.
1905
M 13 188,00
1906
14 418,25
1907 1908
16 205,66 17 062,83 18 902,23
1909
Summe 19 008,86 : 5 Durchschnitt für 1 Jahr =
Summe 79 776,97 : 5 Durchschnitt für 1 Jahr —
3801,77 M.
15 955,39 M.
Demnach Durchschnitt der Gesamteinnahmen für 1 Jahr — 64340,42 M. Dazu: Einmalige außerordentliche Zuwendung der Firma von 20 000 M. Durchschnitt 4000 As = 68 340,42 M.
2. Ausgaben der Kasse.
a) Krankengeld. 1905
1906
M 3254,60 „
2968,67
Summe M 6223,27
b) Witwenunterstützung. 1905 1906
M 2132,00 „
3860,00
Summe M 5992,00
6*
84
I. Teil.
Übertrag : M 6322,27 „ 2415,65 1907 1908 „ 1284,31 „ 1108,66 1909
Übertrag:: M 5992,00 1907 „ 4288,00 1908 „ 4380,00 1909 „ 5276,00
11 031,89 : 5 Summe Durchschnitt für 1 Jahr — M 2206,38.
19 936,00 : 5 Summe Durchschnitt für 1 Jahr = M 3987,20.
c) Sterbegeld.
1905 1906 1907 1908 1909
M „ „ „ „
4085,50 4350,00 4330,00 3450,00 3360,00
d) Pensionen. 1905 1906 1907 1908 1909
M „ „ „ „
11551,28 11 932,22 13 328,47 14 231,33 16 572,12
Summe 19 575,50 : 5 Durchschnitt für 1 Jahr — M 3915,10.
67 615,42 : 5 Summe Durchschnitt für 1 Jahr — M 13 523,08.
e) Krankenhaus verpflegung. M 2512,00 1905 „ 2443,80 1906 1907 „ 1960,90 „ 2584,90 1908 1909 „ 2520,70
f) Rückgewähr von Beiträgen. 1905 1906 1907 1908 1909
M 1268,79 „ 859,00 ,, 1009,57 „ 1290,03 „ 675,05
12 022,30 : 5 Summe Durchschnitt für 1 Jahr — M !2404,46.
Summe 5102,44 : 5 Durchschnitt für 1 Jahr — M 1020,50.
g) Sonstiges.
Also Durchschnitt der Gesamtausgaben für ein Jahr: M 28 656,87.
1905 1906 1907 1908 1909
M 1994,79 „ 1914,59 „ 2555,07 „ 897,00 „ 639,50
8000,95 : 5 Summe Durchschnitt für 1 Jahr — M 1600,15.
Demnach Durchschnitts überschuß für 1 Jahr: 68 340,42 — 28 656,87 M 39 683,55.
85
Mitgliedschaft. Beiträge.
Es betrug also der jährliche Durchschnitt der Gesamteinnahmen in
dem vorbezeichneten Jahrfünft 68 340,42 M, der der Gesamtausgaben 28 656,87 M.
Nun schieden im Jahre 1909 nach den Angaben der Da das Statut der Kasse
Firma 414 Arbeiter aus deren Dienst aus.
bestimmt, daß nur diejenigen Arbeiter ausgenommen werden, die zu dauern
der Beschäftigung engagiert sind und die sich zur Aufnahme eignen, so ist zweifelhaft, ob alle 414 Ausscheidenden Mitglieder der Kasse waren. Aber
selbst angenommen, daß das der Fall war ergibt sich die versicherungstech nische Möglichkeit der Rückzahlung der Beiträge an dieselben: Nach den
Angaben der Firma waren von den 414 Ausscheidenden 235 weniger als
1 Jahr, 155 weniger als 5 Jahre im Dienst der Firma.
Die Beiträge
zur Kasse richten sich nach dem Wochenlohn (§ 3 des Statuts) und
betragen zwischen 10 und 35 Pfg. pro Woche, bei verheirateten Mit gliedern in allen Stufen
Nimmt man demnach
15 Pfg. mehr.
Durchschnitt des Beitrags 30 Pfg. pro Woche, so ergibt das
Jahresbeitrag von 15,60 M pro Mitglied.
als
einen
Nimmt man nun nach
den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung an, daß von den 235
Ausgeschiedenen, die weniger als 1 Jahr im Dienste der Firma waren, alle genau
Jahr beschäftigt waren, so ergibt sich ein Beitrag von
7,80 M pro
Mitglied,
1833,00 M
also eine Summe von 235 mal 7,80 —
an Rückzahlungen, die an
diese Mitglieder notwendig
wären. Nimmt man ebenso nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeits
rechnung an, daß die 155 Mitglieder, die zwischen 1 und 5 Jahren
im Dienste der Firma waren,
alle nach 3 jähriger Dienstzeit ausge
schieden sind, so ergibt sich ein Beitrag von 15,60 mal 3 mal 155 = 7254,00 M.
Angenommen, daß auch diejenigen Ausscheidenden, welche
5 Jahre und darüber im Dienste der Firma gestanden waren, ihre Beiträge statt zu 50 % voll zurückerstattet bekämen, würde das noch mals eine Mehrleistung von 675,05 M ergeben.
der
Gesamtbetrag
der
zurückzuzahlenden
Es beliefe sich also
Beiträge
auf
1833,00
+ 7254,00 + 675,05 M = 9762,05 M. Das aber ist eine Summe, die die Kasse bei einem jährlichen Durchschnittsüberschuß von 68 340,42 — 28 656,87 M = 39 683,55 M nicht nur zu leisten imstande ist, sondern nach deren Leistung ihr noch beträchtliche jährliche Über schüsse verbleiben.
Berechnungen gleicher Art und mit gleichen Resultaten habe ich auch für Beamtenpensionskassen angestellt.
So z. B. für die Beamten
pensionskasse der Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke in Völklingen
86
I. Teil.
a. Saar, die an die Mehrzahl der Ausscheidenden die Beiträge zurück erstattet, aber erst nach 5 jähriger Mitgliedschaft.
Die Prüfung ihrer
Berichte und Mitgliederzahlen ergibt die versicherungstechnische Mög lichkeit der Rückzahlung von Anfang an.
Sogar Kassen, die keine
Arbeitgeberbeiträge erhalten, sind bei richtiger Bemessung von Leistung
Gegenleistung
und
zur Erstattung in
Musikerversorgungskasse Lübeck,
der
Lage.
So erstattet
die
bei der nicht einmal Beitrittszwang
existiert, Mitgliedern, die ihren Wohnsitz in Lübeck aufgeben, 75°/o der
Beiträge zurück.
Bei Monatsbeiträgen von 5—10,20 M ist die Kasse
trotzdem in der Lage, nach 10 jähriger Mitgliedschaft Jnvaliditätsrenten
von 450—900 M (je nach dem Grade der Invalidität), und nach dreijähriger Mitgliedschaft Sterbegelder von 500 M zu zahlen. Nach dem Gezeigten ist es klar,
sammenhang mit
dem Beitragsverfall
technischer Notwendigkeit zu reden.
daß es deplaziert ist,
überhaupt von
im Zu
versicherungs
Es kann nicht eingewendet werden,
daß die Zahl der Ausscheidenden in gewissen Großbetrieben ganz er
heblich größer ist, als in den hier gezeigten Fällen, daß also auch in
solchen Großbetrieben die Summe der zurückzuerstattenden Beiträge ge
waltig größer ist. Denn dementsprechend größer sind in solchen Betrieben
dann auch die Zugänge und Mitgliederzahlen, Einnahmen der Kasse.
folglich also auch die
Und selbst angenommen, bei irgend einer
Kasse würde sich nach Abzug der zurückzuerstattenden Beiträge kein Überschuß ergeben: würde daraus die Lehre hervorgehen, daß der Beitragsverfall eine versicherungstechnische Notwendigkeit ist?
nicht!
Es würde sich höchstens die Notwendigkeit ergeben,
Sicherlich die ver
sicherungstechnischen Grundlagen der Kasse so zu ändern, daß die wohl erworbenen Rechte der Mitglieder keinen Abbruch erleiden. Das kann, wenn die Kassemitglieder
einverstanden sind, durch Reduzierung der
Leistungen an die Pensionierteil oder durch Erhöhung der Kassenbeiträge geschehen, das kann ferner, auch o h n e die Einwilligung der Arbeitnehmer, geschehen durch eine Erhöhung des Arbeitgeberbeitrags/) die ja dem Arbeitgeber als versicherungstechnisches Sanierungsmittel zur Ver
fügung steht. Es begnügen sich viele Arbeitgeber mit dem für die staatliche
Invalidenversicherung und deren Ersatzinstitute gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbeitrag von 50%,2) andere gehen darüber hinaus und zahlen *) Die letztere Möglichkeit erwähnt Lotmar in „Die Krupp'sche Pensions kasse vor Gericht" S. 64. ’) So z. B. Chemische Fabrik von Th. Goldschmidt, Essen; Bismarckhütte
Mitgliedschaft.
bis 100% der Arbeiterbeiträge?)
Beiträge.
87
Daß jedoch eine derartige Leistung
nicht die Grenze der Möglichkeit darstellt, zeigt das Beispiel vieler
Arbeitgeber, die ganz erheblich mehr^) zu ihren Kassen beitragen. Sollte
den erstgenannten Arbeitgebern, unter denen sich überaus mächtige und finanzkräftige befinden, nicht möglich sein, was viele andere leisten?
Nur wer sich nichts beweisen lassen will, wird mit Nein antworten. Hier liegt insbesondere für Kapitalgrößen vom Schlage
Krupp die
einfache Lösung des Problems.
Aber warum kommt es dazu nicht? Warum kommt es selbst da, wo (wie bei der Essener Firma Goldschmidt) die Arbeitnehmer ihre
Bereitschaft erklären, im Falle der Beitragserstattung höhere Kassen
beiträge zu zahlen, nicht zu einer befriedigenden Lösung des Problems? Die Antwort ist klar: Es würde dann ein Interesse der be
treffenden Firmen fehlen, den Kassenbetrieb noch fort
zusetzen.
Es würde dann nicht mehr der Arbeitnehmer, der von seinem
Koalitionsrechte Gebrauch macht, mit seiner Stelle auch seine Beiträge verlieren; es könnte nicht mehr ein nach über 17 jähriger Dienstzeit
von seinem „loyalen Arbeitsherrn" (Kohler) wegen einer „erheblichen Beschädigung der von ihm bedienten Drehbank"^) entlassener Arbeiter
seine Beiträge, da eine Erstattung bei der betreffenden Kasse satzungSA.-G.; Eisenwerk Herminenhütte; Donnersmarckhütte A.-G. (Arbeiterpensions kasse); Hamburg-Amerikanische Paketfahrt-A.-G. (Angestelltenpensionskasse). *) z. B. 662/s70 Oberschlesische Eisenbahnbedarss-A.-G. Friedenshütte; 80 % Vereinigte Königs- und Laurahütte (Arbeiterpensionskasse); 100 % von Tiele-Winkler'sche Jnvalidenkasse; Drahtwerke Gleiwitz; Dr. Heinr. Traun Söhne, Hamburg und Harburg; Arbeitcrinvalidenkasse der Hamburg-Amerikalinie; Ärbeiterpensionskasse der Gußstahlfabrik Friedr. Krupp A.-G. Essen; Beamten
pensionskasse der Bergischen Stahlindustrie Remscheid; Beamtenpensionskasse der Terrakottafabrik Villeroy & Boch, Mettlach; Fr. Karcher & Cie., Beckingen; Wols Netter & Jacobi, Straßburg; Deutsche Spiegelglas-A.-G. Freden-GrünenPlan; Beamtenpensionskasse der Bad. Anilin- und Sodafabrik. ’) z. B. 180 7» Arbeiterpensionskasse der Herrschaft Beuten Siemianowitz (für die in den Zinkhütten beschäftigten Arbeiter 240 7o); 200% Pensionskasse für Arbeiter und Beamte der Chem. Fabrik auf Aktien (Dornt. E. Schering) Berlin; 300 7» die Beamtenpensionskassen der Lokomotivenfabrik A. Borsig, Berlin, der Vereinigten Königs- und Laurahütte, die Pensionskasse für Arbeiter und Beamte der Firma Adolf Bleichert & Co., Leipzig-Gohlis; 400°/„ der Gebr. Arnhold'sche Pensionsverein.
’) Zufällig war der betreffende Arbeiter auch „ohne Wissen der Firma" als Vorstandsmitglied der Fabrikkrankenkasse um Reformen derselben bemüht.
88
I. Teil.
mäßig nicht zulässig ist, auf dem Wege der Gnade zurückersiattet bekommen, aber erst, nachdem er ausdrücklich erklärt hat, der an seine Entlassung geknüpften Zeitungspolemik sernzustehen; x) es könnte nicht
mehr ein Arbeiter wenige Tage vor Ablauf seiner 20 jährigen Karenz zeit unter Verlust von 339 M Beiträgen mit der Begründung ent
um damit
lassen werden, er habe wiederholt Butterbrote gestohlen,
Schweine zu füttern;2) es müßte selbst „ein an dem Wohl und Wehe der Arbeiter nicht interessierter Agitator" — soll heißen: ein gewerkschaft lich organisierter Arbeiter — auf Grund seines wohlerworbenen Rechts entweder Pension bekommen oder seine Beiträge zurückerhalten.
Daß
es nicht um die Wohlfahrt als solche, sondern um den Gebrauch der
Wohlfahrtseinrichtung als Machtmittel sich handelt, wenn sich gewisse
Arbeitgeber hinter versicherungstechnischen Schwierigkeiten verschanzen, das hat der heutige Reichskanzler von Bethmann-Hollweg als Staatssekretär des Innern im Reichstag deutlich genug ausgesprochen.
Er sagte:3)
„Das Unternehmertum hat in den Pensionskassen gar keine reinen Versicherungseinrichtungen schaffen wollen, bei denen, wie bei den
im allgemeinen Verkehre stehenden Versicherungsgesellschasten,
sich
die Ansprüche des Versicherungsnehmers lediglich nach dem formalen Rechte des Versicherungsvertrags bestimmen. Das Unternehmertum
will mit seinen Kassen gar nicht jedem beliebigen Arbeiter die Ge legenheit geben, ohne Rücksicht auf seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Werke sich gegen Zahlung einer Prämie zu versichern.
Das ist nicht die Absicht des Unternehmertums.
Die Absicht,
die der Unternehmer mit diesen Pensionskassen verfolgt, geht, ab gesehen von dem Wunsche der Betätigung sozialer Fürsorge, in
einem geschäftlichen und, wie ich behaupte, durchaus legitimen Bestreben dahin, sich einen festen Stamm von Arbeitern
zu
schaffen.
Nur
Unternehmer die
dem
Wohltat
Werksangehörigen
will
seiner Pensionskasse
kommen lassen, und zwar im wesentlichen —
der
zugute
das bitte ich zu
beachten — auf Grund des Arbeitsvertrags. Das Ver
sicherungsrecht
spielt dabei
nur insoweit
eine Rolle,
als sich der Unternehm er der Form des Versicherungs vertrags bedient." *) Vgl. Heinemann a. a. O. S. 30. *) Vgl. Heinemann a. a. O. S. 31. ') RT. 251. Sitzung vom 29. April 1909 S. 8277.
Mitgliedschaft.
89
Beiträge.
Und an einer anderen Stelle:
„Versucht man sich hierüber klar zu werden, so muß man meines Dafürhaltens in erster Linie
bedenken,
daß die Pensionskassen
freiwillige Einrichtungen des Unternehmertums sind.
Man muß
also bei der Betrachtung auch den Zweck mit in Rechnung stellen,
den die Unternehmerschaft mit der Begründung von Pensions kaffen verfolgen will.
Tut man das nicht, sondern berechnet rein
vom theoretischen Standpunkt, wie die Pensionskaffen so zu ge stalten seien, um den Arbeitern
ein
größtmögliches Maß von
Vorteil zuzuwenden, und richtet man seine Maßregeln ohne Rück
sicht darauf ein, ob das Unternehmertum noch zu seiner Rechnung kommt, dann wird das Ergebnis sein,
daß
das
Unter
nehmertum die bestehenden Pensionskassen auflöst und keine neuen begründet."
Es ist also auch gegenüber dem Schlagworte von versicherungs technischer
Notwendigkeit
daran
festzuhalten,
daß
die
Ver
bindung von Beitrittszwang und Beitragsverlust bei Ausscheiden aus
dem Betrieb einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellt, der die Nichtigkeit einer derartigen Bestimmung zur Folge hat?)
Besonders bemerkenswert ist, daß Ehrenbergs Argument selbst in den Kreisen fast einmütige Ablehnung findet, die mit ihm prinzipiell
auf dem Standpunkt stehen, daß Pensionskassen der hier in Frage
stehenden Art Unternehmungen darstellen, die „ein Anrecht darauf haben, Berücksichtigung ihrer
eigenen Lebensbedingungen zu fordern, sobald
sie in Konflikt mit anderen Rechtsinstitutionen geraten", die also das ganze Problem selbst unter versicherungstechnischen Gesichtspunkten be
trachten. So führt L a p o r t e in der schon erwähnten Schrift auf Grund sorgfältiger versicherungstechnischer Spezialstudien vernichtende Beweise
gegen Ehrenberg.
Ausgehend von den sozial-ethischen Grundgedanken
des Versicherungswesens erläutert er, wie die versicherungstechnischen l) Eine Stützung des Herausgabeanspruchs auf § 812 BGB. (ungerecht fertigte Bereicherung) erklärte Mantel auf dem Verbandslag deutscher Gewerbeund Kaufmannsgerichte (17. September 1910) für unangebracht, da zumeist nicht die Kasse, sondern die Firma verklagt wird, während einen pekuniären Vorteil durch den Beitragsverfall nur die Kasse hat. Dies trifft für Privatbeamte, auf die das Recht der Gewerbeordnung nicht anwendbar ist, zu. Der Arbeiter dagegen kann im Hinblick auf die erwähnten Bestimmungen des Gewerberechts auf Auszahlung vorenthaltenen Lohnes gegen den Arbeitgeber klagen.
90
I. Teil.
Grundlagen der Pensionskassen im Einklang mit dem geltenden Recht
und der herrschenden Moral gebracht werden können.
Kommt er schon
für die Versicherung im allgemeinen zu dem Schlüsse, daß „aus tech nischen Gründen eine prinzipielle Unmöglichkeit nicht vorliegt,
Aus
scheidende für ihren Chanceverlust zu entschädigen"?) daß „der Gesetz geber (int Gesetz über den Versicherungsvertrag von 1908) ein völliges
Verfallen aller Ansprüche beim Ausscheiden als ungerecht anerkannt hat und daß deshalb in diesem Fall die Alternative nur lauten kann, ob Umwandlung oder
Barentschädigung eintreten soll, daß aber ein
Verweigern von beiden gegen die guten Sitten verstößt"?) so formuliert er
diese
seine
aus
Erwägungen
versicherungstechnischen
gewoitnene
Meinung noch schärfer für die Pensionsversicherung und besonders für Arbeiterpensionskassen, indem er als die „einzig mögliche Schlußfol gerung ein uneittziehbares Recht der Ausscheidenden auf eine Barent
schädigung, sobald eine Weiterversicherung in Form der Umwandlung oder Fortsetzung mit Prämienzahlungen nicht tunlich erscheint"?) be zeichnet.
Als das Höchstmaß dessen,
was
der
Versicherer
halten darf, bezeichnet er die Hälfte der Beiträge?)
zurückbe
Zusammenfassend
stellt er als Ergebnis seiner versicherungstechnischen Studien fest?) „daß
die eigenartigen Verhältnisse der Arbeiterpensionskassen die Anwendung strengrationeller versicherungstechnischer Grundlagen auch beim gewöhn
lichen Prämienverfahren nicht zulassen und daß deshalb ein einwand freies Jnbeziehungsetzen von individuellen Leistungen der Versicherten
und Gegenleistung der Kasse noch
völlig
ausgeschlossen
ist.
Damit
fehlt aber auch jede Möglichkeit, ein auf der Verhältnismäßigkeit von
Vor- und Nachteil basierendes gerechtes Urteil abzugeben über die Höhe
der Beiträge und der Renten, die Berechtigung und Nichtberechtigung von Rückerstattungen, über die technische Notwendigkeit langer Karenz zeiten usw.
Natürlich besteht zwischen allen diesen Dingen im kon
kreten Fall ein Abhängigkeitsverhältnis, aber dasselbe hat mit indivi dueller
Leistungsgerechtigkeit
nichts
zu
tun.
Wo
aber
dieses
Prinzip im Versicherungswesen nicht angewendet werden
kann, da müssen notwendigerweise alle Bestimmungen
') 2) ') 4) 5)
A. a. O. A. a. O. A. a. O. A. a. O. A. a. O.
S. S. S. S. S.
16. 17. 27. 31. 52.
Mitgliedschaft.
über Leistung und Prinzipien
Fall
diesem
Gegenleistung nach
vorgenommen Fordern
das
werden, von
der
Arguments,
daß
Versicherungstechnik, nicht
sozial-ethischen
sich
weil
Opfern
nur
in
Aller für Alle
Er begründet seine Ablehnung des
sittlich rechtfertigen läßt."
Ehrenbergschen
91
Beiträge.
die
Frage
ganze
Frage
eine
der
nur eine
Frage
sei,
damit,
Moral
daß die kapitalistische Vcrsicherungstechnik auf soziale Zwangskassen in ihrer reinen Form nicht angewendet werden kann, daß vielmehr in
erster Linie bei Bemessung von Leistung und Gegenleistung hier sozial
Selbst einer allenfalls
politische Gesichtspunkte maßgebend sein müssen.
notwendig zugunsten
werdenden
Verminderung
der
der gerechten Behandlung der
Pensionsbeträge
redet
er
Gesamtheit der Mitglieder
das Wort. Ähnlich äußerte sich der Präsident des kaiserl. Aufsichtsamts für
Privatversicherung, Gruner, auf der 13. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen*): „Die Frage, wie kann man den Mit
gliedern kleiner, räumlich oder personell
gewisse
Freizügigkeit sichern,
ist von
gehört aber gleichzeitig zu denen, kleineren, können.
freiwilligen
und
eng
begrenzter Kassen eine
eminenter
sozialer Bedeutung,
die am allerschwierigsten bei den
privaten
Organisationen
gelöst
werden
Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß eine aus
reichende Lösung in einer Rückgewähr der Beiträge beim Ausscheiden
eines Mitglieds aus der Kasse erblickt werden könnte.
Ich muß ge
stehen, daß eine solche Rückgewähr der Beiträge doch nur eine sehr mangelhafte Lösung dieser Frage ist, gebe aber zu, daß, wenn sie auch
mangelhaft ist, sie immerhin das Mindestmaß dessen dar stellt, was gefordert werden muß, wobei ich allerdings auch nur die Rückgewähr eines Teiles der Beiträge im Sinne habe."
Auch
andere Versicherungstechniker, so Direktor Dr. Foehr, ferner der Syn
dikus der
Siemens
Schuckert-Werke Dr. Zimmer sprachen sich auf
diesem Kongreß in demselben Sinne aus?)
Ehrenberg selbst zitiert")
eine Aeußerung von Professor Dr. Bernstein (Göttingen), der zufolge es auch mathematisch zulässig ist, daß dem bei Lebzeiten ausscheidenden
Versicherten stets eine Abfindung bezahlt wird, welche dem Betrag der
sämtlichen von ihm entrichteten Prämien *) Siehe Bericht S. 266. Siehe Bericht S. 232 ff., 259 ff. ’) A. a. O. S. 448.
gleichkommt.
Dem gegen-
92
I. Teil.
über kann die Aeußerung von Rosin?) daß die Rückerstattung dem
Prinzip der Versicherung widerspreche, weil schon in dem Versichertsein
eine Gegenleistung zu erblicken ist, nicht ins Gewicht fallen. Rosin denkt auch bei dieser Äußerung nicht etwa an eine Versicherung vom Schlage der hier zu behandelnden Pensionsversicherung, sondern an die staatliche Arbeiterversicherung,
bei der, wie gezeigt, jede Willkür im
Zusammenhang mit dem Beitragsverlust ausgeschlossen ist.
Für eine
Pensionskasse vom Schlage der Krupp'schen, bei der nach den Berech nungen von Laporte?) im Jahre 1906 die Wahrscheinlichkeit,
in den
mathematisch ausgedrückt,
gleich
0.012 war, würde er diese Behauptung sicher nicht aufstellen.
Auch
Genuß einer Pension
zu kommen,
das ähnlich lautende Urteil von Pilotyh bezieht sich auf die staatliche
Arbeiterversicherung. Es ist nun aber noch die Frage zu erheben, ob die Nichtigkeit
bei Verbindung von Kassenzwang und Beitragsverlust eine unbedingte
ist, ob sie stets vorliegt, wenn ein Kassenstatut die beiden genannten Elemente miteinander verbindet, oder ob es nicht Ersatzmittel für
die Beitragserstattung gibt, die es nach geltendem Recht als zulässig erscheinen lassen, dem aus dem Betriebe ausscheidenden Arbeitnehmer nichts
von den
geleisteten
Beiträgen
Die Haupt
zurückzuerstatten.
gründe für die eben behauptete Nichtigkeit waren die Beeinträchtigung
der
Koalitionsfreiheit,
steigende Besteuerung
sowie
die
mit
des Austritts aus
der
Länge
der
dem Betrieb.
Dienstzeit
Nur
wenn
diese beiden Hauptmängel beseitigt sind, kann überhaupt die Gültigkeit
einer statutarischen Bestimmung, die bei Zwangsbeitritt Beitragsverfall
vorsieht, diskutabel sein.
Beseitigt aber sind diese Mängel im wesent
lichen, wenn die Anwartschaft auf Pension ohne sonstige un billige Beschränkung von Koalitionsfreiheit und Freizügigkeit dem aus
dem Betrieb ausscheidenden Arbeitnehmer erhalten bleibt oder Mittel gewährt werden, um Fürsorge bei einer anderen Kasse zu
ermöglichen. Ersatz
geführt,
Eine derartige Sicherung des Rechts Ausscheidender als
der Beitragserstattung und
zwar
ist bei verschiedenen
gewöhnlich in Form
der
lichen oder fortgesetzten Mitgliedschaft.
Betrieben
durch
sog. außerordent
Nicht überall stellt
sich eine solche Sicherung wirklich als Ersatz für den Beitragsverlust *) Das Recht der Arbeiterversicherung Bd. II S. 966. ') A. a. O. S. 30. *) Jnv.Bers.G. II. Auflage 1900 S. 16.
Mitgliedschaft.
dar.
93
Beiträge.
Vor allem ist das nicht der Fall in denjenigen Betrieben, die
von dem Arbeitnehmer nicht nur die Fortzahlung seines eigenen Beitrags, sondern auch die Bezahlung des Arbeitgeberbeitrags zur Aufrecht
haltung der Anwartschaft auf Pension fordern?)
Denn zu so hohen
Leistungen sind nur die allerwenigsten Arbeitnehmer in der Lage, die
meisten ziehen es in solchen Fällen noch vor, ihrer Beiträge verlustig zu gehen.
Aber auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer nur
seinen eigenen bisherigen Beitrag fortbezahlen soll, stellt sich die Sicherung nicht als ausreichender Ersatz für den Beitragsverfall dar.
Denn, wie
schon erwähnt, besteht in manchen Branchen in fast jedem bedeutenderen
Betrieb eine Wohlfahrtskasse, so daß der Arbeitnehmer vielfach in diesem Fall auch noch zu Doppelzahlung gezwungen ist?)
Von der Un
beliebtheit dieses Systems bei den Arbeitnehmern legt vorzüglich
die Tatsache Zeugnis ab, daß da, wo es alternativ mit der Erstattung der Beiträge vorkommt, von der Möglichkeit der freiwilligen Mitglied
schaft nur wenig Gebrauch gemacht wird?)
Gänzlich unbrauchbar ist
die Weiterversicherung als Ersatz für den Beitragsverlust da, wo die Möglichkeit
der Weiterversicherung
erst nach mehrjähriger Dienstzeit
gewährt wird und bis zum Eintritt dieser Möglichkeit die ausscheidenden
Kassemitglieder ihrer Beiträge schlechthin verlustig gehen?)
Nur durch
*) Vorschriften dieser Art bestehen z. B. bei den Arbeiterpensionskassen des Eisenwerks Herminenhütte, der Drahtwerke Gleiwitz, der Donnersmarckhütte-A.-G. *) Dies gilt vor allem für Theaterbetriebe. s) So betrug z. B. nach dem Jahresbericht 1903/04 der Beamtenpensionskasse der Röchling'schen Eisen- und Stahlwerke, deren Statuten dem Gehalts empfänger die Wahl zwischen freiwilliger Fortversicherung und Beitragserstattung lassen, die Summe der zurückgewährten Eintrittsgelder und Beiträge 1169,08 M, während die Beiträge von außerordentlichen Mitgliedern nur 48 M betrugen. Bei derselben Kasse betrugen 1905 die zurückgewährten Beiträge 4830,75 M, bie Beiträge der außerordentlichen Mitglieder 462 M, 1909 die zurückgewährten Bei träge 6001 M, die Beiträge der außerordentlichen Mitglieder 1032 M. Ähnliche
Ergebnisse zeigt ein Blick in die Geschäftsberichte des Gebr. Arnhold'schen Pensions vereins und der Pensionskasse für die Arbeiter und Beamten der chemischen Fabrik auf A. (vorm. F. Schering) Berlin, die ebenfalls dem Arbeitnehmer nach längerer Dienstzeit die Wahl zwischen Fortsetzung der Mitgliedschaft und Erstattung der Beiträge lassen. 4) So z. B. bei den Hostheatern zu Hannover, Koburg-Gotha, den Stadt theatern zu Straßburg, Bremen, der chem. Fabrik von Th. Goldschmidt, Essen. Der Inhaber dieser letzteren Fabrik bezeichnet in der mehrfach erwähnten Bro schüre die Tatsache, daß von dieser Einrichtung in seinem Betrieb fast gar kein Gebrauch gemacht wird, daß es die Arbeiter vielmehr vorziehen, ihre Beiträge
94
I. Teil.
ein
Opfer der Versicherten kann der
Beitragsverlust hintangehalten
werden, wenn zu dem bisherigen Beitrag von dem außerordentlichen (inaktiven) Mitglied noch ein Zuschlag erhoben wird?)
Dagegen stellt sich als ein z u r e i ch e n d e r E r s a tz für den Beitrags
verlust dar das System der beitragsfreien Prämie, d. h. die Weilerversicherung in der Weise, daß beim Ausscheiden des Arbeitnehmers
die bisher bezahlten Beiträge so behandelt werden, als wäre der Arbeiter mit ihnen als einer einmaligen Kapitalprämie (mise) der Ver
sicherungsanstalt beigetreten?)
Dies gilt auch dann, wenn für die Um
wandlung in eine beitragsfreie Versicherung von dem Versicherten eine
mäßige Gebühr erhoben wird.
Prinzipiell hat sich gegen jede Weiterversicherung die Firma Krupp in ihren Veröffentlichungen gewendet.
Während sie in der Denkschrift
über den Pensionskassenprozeß Sobkowski u. Gen./Krupp diese Stellung nahme damit begründet, daß es „ganz allgemein der inneren Berech
tigung entbehre, daß Arbeiter, deren Verbindung mit dem Werke gelöst
ist, noch weiter die Vorteile einer Einrichtung genießen sollen, die ihrer ganzen Bedeutung nach nur für den Angehörigen des Werks bestimmt
ist" (ohne daraus die Konsequenz der Beitragserstattung an den aus
scheidenden Arbeiter zu ziehen) hat ihr Wortführer Heinemanns diese
Stellung anscheinend aufgegeben und verschanzt sich hinter der „Unsicher
heit des Fortbestands eines solchen Verhältnisses", sowie hinter „schier unüberwindlichen
Schwierigkeiten der praktischen Durchführung
einer
solchen Regelung, namentlich was Beitragserhebung, Stammrollenführung
und nicht in letzter Linie die Pensionierung weit entfernt wohnender Miteinzubüßen, in scheinbarer Naivität als „ein Zeichen, wie leicht es ein großer Teil der Arbeiter nimmt, die durch Beitragsleistung erworbenen Ansprüche auf ihre alten Tage bzw. ihrer Hinterbliebenen aufzugeben". Aber auch die Schön rederei, es sei „ein glücklicher Gedanke in der Organisation derartiger Pensions kassen, daß die jüngeren, in der Blüte ihrer Kraft stehenden, das Werk ver lassenden Arbeiter, ein gewisses Opfer bringen zugunsten der Älteren", kann nur bei denjenigen Verständnis finden, die etwas bekommen, nicht bei den jenigen, die etwas verlieren. *) Den doppelten Satz verlangt z. B. das Hoftheater zu Koburg-Gotha, den I V» fachen Satz die Sladttheater zu Köln und Bremen, ll/s des bisherigen Beitrags das Hoftheater zu Mannheim. Die Hälfte des bisherigen Beitrag verlangen dagegen nur Hoffmanns Pensions- und Unterstützungskaffen, Salzuflen. a) Vgl. Ehrenberg, Arbeiterpensionskassen und Arbeilsvertrag, Jhering's Jahrb. XVII S. 445. ') A. a. O. S. 28.
Mitgliedschaft.
glieder selbst anbetrifft".
95
Beiträge
Bei der Firma Krupp scheint eben alles
Schwierigkeiten zu machen, was sich anderwärts als wohl durchführbar erwiesen hat.
Einen besseren Ausgleich bietet die Begründung eines Gegen
seitigkeitsverhältnisses zwischen den verschiedenen Kaffen, in der
Weise, daß der Beitrag, der bei der einen Kaffe geleistet worden ist, bei Übertritt in einen anderen Betrieb auf die Kasse dieses Betriebs umge
schrieben wird oder durch Gründung einer Zentralpensionsanstalt. Wertlos ist jedoch dieser Ausweg, wenn das Gegenseitigkeitsverhültnis
nicht mindestens die Mehrzahl der Pensionskassenbetriebe eines Gewerbs
oder Industriezweigs umfaßt, und ungangbar wird er, wenn durch ein
organisiertes System
von Verrufserklärungen die Nichtannahme uner
wünschter Arbeiter bei den im Gegenseitigkeitsverhältnis Wenden Werken zwar rechtswidrig,
wird?)
aber tatsächlich
mittels
Privatstrafen
erzwungen
Daß bereits bestehende Einrichtungen jener Art wegen ihrer
Wertlosigkeit nicht benützt werden, ist bereits gezeigt?) brauchbare
Gegen wirklich
Freizügigkeitskartelle oder Zentralpensionsanstalten
haben
sich aber bisher die Unternehmer mit allen Mitteln gewehrt. *) So z. B. nach den Statuten des Zechenverbandes im Ruhrgebiet, der Arbeitgeberverbände für den Bezirk Duisburg-Oberhausen und für den Bezirk Duisburg-Ruhrort, des Arbeitsnachweises der Industrie Mannheim-Ludwigs hafen rc. *) Siehe oben S. 23.
Anhang. Die Beantwortung der Frage nach einer gesetzlichen Regelung der
Arbeiterpensionskassen, welche deren im vorigen geschilderte Mißstände beseitigt,
gehört
eigentlich
an den Schluß der ganzen Arbeit.
Ich
möchte indes diese Blätter nicht veröffentlichen, ohne mich wenigstens mit einigen Worten über diesen Punkt zu äußern?)
Es sind dabei zwei Fragen zu erheben:
1. Besteht Anlaß zu einer gesetzlichen Regelung? 2. Ist eine solche durchführbar und wie müssen ihre Grundzüge be
schaffen sein?
ad 1. sich
aus
Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergibt
der
Natur
des
vorliegenden
Rechtsstoffs.
Die
Pensionskassenfrage ist eine der schwierigsten und wichtigsten Fragen Sie setzt ein Verständnis des Richters für diesen
des Arbeitsrechts.
besonderen Rechtszweig voraus, das nicht in allen Fällen zu finden sein
wird.
Durch
die
erregten
öffentlichen Diskussionen,
durch
die
politische Färbung, die den Pensionskassenstreitigkeiten vielfach anhaftet, wird nur zu leicht die Meinung des Richters beeinflußt.
Die guten
Sitten, nach denen sich die Gültigkeit der Statuten der Pensionskassen
richtet, haben, wie die Erfahrung lehrt,
verschiedene Gebote.
für verschiedene Richter sehr
Zudem sind die einschlägigen Bestimmungen des
geltenden Rechts so unpräzis gefaßt, daß es möglich war, ihnen einen
Sinn beizulegen, der sie des Charakters sozialer Schutzbestinimungen
entkleidet.
Das
gilt
insbesondere für den Begriff der Wohlfahrts
einrichtung nach GO. 117.
Wenn es angeht, daß ein Gericht eine
Kasse lediglich deshalb als Wohlfahrtseinrichtung anerkennt, weil sie
dem Interesse einer verschwindenden Minderheit der Arbeit
nehmer eines Unternehmens, wenn auch in noch so ausgiebiger Weise, zu dienen bestimmt ist, so kann es auch vorkommen, daß der Arbeit*) Vgl. auch meinen Aufsatz
„Gesetzliche Regelung des Pensionskassen
wesens" in „Der neue Weg" 39. Jahrg. Heft 52 vom 31. Dezember 1910.
Anhang.
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nehmer, der für eine Kasse Jahre hindurch hat Opfer bringen müssen, statt eines Äquivalents für seine Leistung sich eine Schmähung gefallen lassen muß?) Nur ein Gesetz, das die versicherungstechnische Privatrache des Arbeitgebers für arbeitsvertragliche Meinungsverschiedenheiten mit dem Arbeitnehmer in unzweifelhafter und unabdingbarer, weder durch advokatorische Trickst noch durch „wissen*) Zu welch unhaltbaren Zuständen das führen kann, wird deutlich illustriert durch ein Urteil, das kürzlich das Gewerbegericht Sulzbach gefällt hat: Ein Glasbläser K. und ein Glasbläser H. arbeiteten bereits 20 bzw. 18 Jahre bei der Glasfabrik Bopelius-Sulzbach (Pfalz). In der Fabrik besteht eine Pensionskasse, auf deren Leistungen die Kassemilglieder nach der Satzung einen Rechtsanspruch haben. Der Arbeitgeber machte nun den Versuch, das Kassen statut in der Weise umzugestallen, daß die Arbeiter keinen Rechtsanspruch mehr haben sollten. Dagegen wandten sich die beiden Glasbläser im Interesse ihrer Arbeilskameraden, und sie erreichten auch, daß die Kassemitglieder diese Um wandlung, durch die sich der Arbeitgeber dem Aufsichtsrecht der Regierung, den Garantien für noch später auszuzahlende Pensionen re. zu entziehen ge dachte, verhinderten. Für die beiden Glasbläser, die also bei der Verhinderung einer Rechtsverschlechterung milgewirkt hatten, hatte die Firma nun bald »lerne passende Arbeit mehr", sie wurden entlassen. Beide klagten vor dem Gewerbe gericht Sulzbach auf Rückerstattung der gezahlten Beiträge in Höhe von 874,87 M, wurden indes abgewiesen. Dafür bekamen sie noch den Vorwurf vom Gewerbegericht, daß sie das Wesen der Pensionskasse als einer sozialen Einrichtung vollständig verkennten und für sich selbst in eigennütziger Weise eine Bereicherung zum Schaden ihrer Arbeilsgenossen verlangten. 2) Z. B. den Trick, durch den in Pensionskassenprozessen mit einem Streit wert unter 100 M, in denen die Gewerbegerichte endgültig zu entscheiden haben, die Sachen dadurch berufungsfähig gemacht wurden, daß gegen die betreffenden Arbeitnehmer Widerklagen auf Schadensersatz in Höhe von über 100 M wegen fingierter Talb estände erhoben wurden. So hat z B. die Hütte „Phoenix" eine solche Widerklage erhoben 1. wegen ungerechtfertigter Lösung des Arbeitsvertrags — trotzdem dem betreffenden Arbeiter von Seite der Firma bescheinigt worden war, daß er ordnungsmäßig entlassen sei; 2. wegen Schadens, den der Arbeiter während seiner Tätigkeit der Firma zu gefügt hatte — trotzdem ihm von einem derartigen Schaden während seiner Dienstzeit kein Wort gesagt worden war. Das Landgericht Dortmund wies zwar die Firma mit ihrer Widerklage auf Schadensersatz ab. Der Zweck der Aktion war aber ttotzdem erreicht, indem auch das Urteil des Gewerbegerichts Dort mund vom Landgericht aufgehoben und der Arbeiter mit seiner Klage auf Beitragserstattung abgewiesen wurde. (Vgl. Verbandstagschrift des »Gewerbeund Kaufmannsgerichts" S. 501.) 7 Lvewenfetd, Pensionskassen und Arbeitsvertrag.
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I. Teil.
sch östliche" Arbeiten') zu verdunkelnder Weise ausschließt,
kann hier Abhilfe schaffen. Jahren
durchgedrungene
Das gilt um so mehr, als die in den letzten gesetzgeberische
Tendenz,
den Anspruch
auf
oberstrichterliche zivilprozeffuale Judikatur zu einem Privilegium der
Besitzenden werden zu lassen, die Hoffnungen auf Remedur durch das Reichsgericht zerstört hat.
Wenn demgegenüber aus gewissen Kreisen der Industrie, und zwar gerade aus denen, die gegen die Grundlagen der geltenden Gewerbe
gesetzgebung einen, wenn auch ost geräuschlosen, so doch höchst erbitterten Kampf
die
führen,
Koalitionsfreiheit,
freien
Arbeitsvertrag,
Frei
zügigkeit, Freiheit der Berufswahl stets als „Verirrungen einer zügellos
demokratischen Richtung" gekennzeichnet haben, darauf hingewiesen wird, daß hier ein gesetzgeberischer Eingriff unnötig, ja unzulässig sei, weil die Pensionskassen „private freie Anstalten", „Werke der privaten Wohl
tätigkeit"
des
gingen,")
so
Arbeitgebers wird
tätigkeitsanstalten
dem
seien,
die
den
absichtlich vergessen, Arbeitnehmer
Gesetzgeber daß
nichts an
diese privaten Wohl
beträchtliche Teile
seines
Ein
kommens zwangsweise abnehmen und besonders, daß für den Arbeit
nehmer, wie gezeigt, infolge der Verkoppelung von Versicherungsvertrag und Arbeitsvertrag auch hohe immaterielle Interessen auf dem Spiel stehen.
Während dieselben Kreise der Industrie sich wegen der „Be-
*) Vgl. z. B. Jacobsohn, Der Kampf um die Wohlfahrtseinrichtungen in Großbetrieben. I. gibt übrigens selbst zu, daß der Beitragsversall gegen die guten Sitten verstößt, wenn das statutenmäßig sestgestellte Verhältnis zwischen Beiträgen und Pensionen ein derartiges ist, daß ohne Gefahr für die Sicherheit der Pensionskasse den Ausscheidenden eine Abgangsvergütung ge währt werden kann (a. a. O. S. 55). Er argumentiert aber sehr einfach weiter: „Da beide Fälle überhaupt nicht Vorkommen oder doch wenigstens bisher nie mals sestgestellt wurden, ist die Behauptung für den Regelfall die, daß der Beitragsverfall nicht gegen die guten Sitten verstößt." Was für eine Be wandtnis es mit der in diesem Satz enthaltenen tatsächlichen Behauptung und der daraus gezogenen Schlußfolgerung hat, ist bereits gezeigt. Es muß aber hier auf die Gefahr hingewiesen werden, die sich daraus ergibt, daß diese Behaupiung auch von einzelnen Gerichten in ihren Urteilsbegründungen übernommen worden ist, daß die Beurteilung der Frage, ob ein Tatbestand einen Verstoß gegen die guten Sitten enthält, lediglich von der Gründlichkeit oder Ungründlichkeit einer Arbeit abhängig sein soll, deren Autor es nötig hat, im Vorwort seine Unparteilichkeit ausdrücklich zu versichern. ’) So z. B. der Arbeitgebervertreter auf dem Kölner Berbandstag der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte «September 1910).
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Anhang.
der Industrie"
lastung
nicht
genug
bemitleiden
durch
die
können,
staatliche fühlen
Sozialversicherung
sie
sich
durch die
gar
starken
finanziellen Lasten, die ihnen das private Pensionskassenwesen auserlegt?)
nicht im mindesten bedrückt.
Im Gegenteil, sie sind sogar gerne bereit,
eine Erhöhung dieser Lasten auf sich zu nehmen, wenn dadurch gleich zeitig den Hintergedanken, die sie mit ihrer „privaten Wohltätigkeit" Der Anlaß zur Ergreifung der
verbinden, Rechnung getragen wird?)
Initiative auf dem Gebiete der sozialen Fürsorge ist also hier für den
Arbeitgeber die Hoffnung, durch diese Tätigkeit eine wirksame auf
dem Prinzip der Gleichberechtigung von Arbeitgeber und Arbeit nehmer beruhende Fürsorge vereiteln zu können.
Dieselbe patri
archalische Richtung des Arbeitgebertums, die seinerzeit den Anstoß zur
Einführung der deutschen Arbeiterversicherungsgesetzgebung gab, in dem
Glauben, durch diese würden die Arbeiterorganisationen zerschmettert werden?) sucht nun, da sich die Sozialversicherung als ein ungeeignetes Mittel zur Verwirklichung ihrer Wünsche erwiesen hat, ihr Heil in den privaten Wohlfahrtseinrichtungen und fühlt sich in ihrem „Recht" der
Wohltätigkeit"
„freien
durch
den
Ruf
bestimmungen aufs äußerste bedroht.
nach
zwingenden
Schutz
Damit dürste gezeigt sein, was
von den eben gekennzeichneten Einwänden gegen eine gesetzliche Regelung
des Pensionskassenwesens zu halten ist. Dagegen muß Gegenstand der Erwägung die Frage sein, ob nicht
an Stelle von Gesetzesmaßnahmen Verwaltungsmaßnahmen ge nügen, wie mehrfach in beachtenswerten Ausführungen behauptet worden
ist?)
Beinahe alle diese Ausführungen haben aber das gemeinsam,
daß sie
nicht die größere Wirksamkeit der Verwaltungsmaßnahmen
gegenüber einer gesetzlichen Regelung beweisen, sondern nur darzutun
suchen, aus welchen Gründen eine Regelung durch Gesetz nicht an gezeigterscheint, während Verwaltungsmaßnahmen ausreichen würden. ’) Vgl. über die Höhe der Aufwendungen der deutschen Aktiengesellschaften für Pensions- und Unterstützungsfonds, Soziale Praxis vom 12. Januar 1911 S. 472. ’) Tille hat kürzlich jeden Ausbau der staatlichen Versicherung mit der Begründung bekämpft, daß dem Bersicherungsbedürfnis der Arbeitnehmer durch Werkpensionskassen hinreichend entsprochen werde. ’) Vgl. Brentano, Der Arbeiterversicherungszwang, seine Voraus setzungen und seine Folgen, Berlin 1881. *) So z. B. Potthoff in der „Sozialen Praxis" vom 12. Mai 1910; Laporte a. a. O. S. 82.
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I. Teil.
Die Gründe nun, die gegen ein Pensionskassengesetz ins Feld ge führt worden sind, sind nicht stichhaltig.
Einmal ist behauptet worden,
die zu erfassenden Verhältnisse seien zu vielgestaltig, als daß sie durch ein Gesetz geregelt werden könnten. greift das Problem von hinten an,
Eine derartige Argumentation
denn gerade durch ein Gesetz
könnte ja diese zweifellos vorhandene Vielgestaltigkeit,
eine der Haupt
quellen der Rechtsunsicherheit auf dem Gebiete des Kassenwesens, be seitigt werden.
Es besteht nicht der mindeste Anlaß,
ängstlich jede
kleine Eigentümlichkeit jeder Pensionskasse zu konservieren. Insbesondere wenn gute Übergangsvorschriften erlassen werden, die eine Überhastung der bei einzelnen Kassen eventuell notwendig werdenden organisatorischen
Veränderungen verhindern, kann sich die Umgestaltung deS Kassenwesens
ohne jede Gefahr für den Bestand der einzelnen Kasse vollziehen.
Als
zweiter Grund wird von ängstlichen Gemütern, denen sich auch die Reichsregierung x) angeschlossen hat, die Möglichkeit betrachtet, daß im
Fall einer gesetzlichen Regelung eine größere Anzahl von Unternehmern kein Interesse mehr an der Wohlfahrtspflege haben werde und
Bestärkt werden solche Befürch
folgemäßig dieselbe aufgeben werde.
tungen durch die Drohungen, die gewisse Jndustrievertreter ausstoßen,
sobald die Frage eines Pensionskassengesetzes Gegenstand der Diskussion
wird.
Dazu ist zu sagen, daß gerade ein Gesetz eine ausgezeichnete
Orientierung
ermöglichen
würde,
daß
es
diejenigen
Firmeninhaber,
denen es wirklich um soziale Versicherung ihrer Arbeitnehmer zu tun
ist, klar von denen scheiden würde,
erwünschtes Mittel sich vom Schauplatz
denen die Penfionskassen nur ein
zur Machtentfaltung sind.
ihrer
Würden die letzteren
sozialen Tätigkeit zurückziehen,
so würde
wohl das Bedauern in Arbeitnehmerkreisen nicht groß sein.
Schon
die Klugheit würde aber doch wohl die Mehrzahl der Arbeitgeber ver anlassen, in einem solchen Fall zur „sozialen Gruppe" gehören zu wollen. Zeigt sich also, daß die Gründe, die gegen gesetzliche Regelung geltend gemacht worden sind, nicht überzeugend sind, so kann dasselbe auch von denen behauptet werden, die für die Überlegenheit der
Verwaltungsmaßnahme angeführt werden.
Vor allem soll es
die Unterstellung allerKassen unter das kaiserliche Auf sichtsamt für Privatversicherung oder doch wenigstens unter ein heitliche, vom kaiserlichen Aufsichtsamt zu erlassende Verwaltungs*) Vgl. auch oben S. 87 die Beantwortung der Interpellation Albrecht und Gen. durch den damaligen Staatssekretär v. Bethmann Hollweg.
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Anhang.
Werden nun diese Ver
Maximen sein, der der Vorzug gebührt.
waltungsmaximen in Form von allgemein verbindlichen Verwaltungs
verordnungen verkündigt,
ist eS also möglich,
alle Kassen
bezüglich
gewisser Mindestforderungen unter einheitliche Gesichtspunkte zu bringens)
so ist nicht einzusehen, warum diese Maximen nicht mit gesetzgeberischen
Garantien umgeben werden könnten. aber
gerade
die
Praxis
des
Ganz
kaiserlichen
abgesehen
Aussichtsamts
davon
den
bietet
Beweis
dafür, daß mit Verwaltungsmaßnahmen eine durchgreifende Sanierung des Pensionskassenwesens
Tätigkeit
einer
nicht
Aufsichtsbehörde
zu sich
erreichen ist. im
Einmal kann die
wesentlichen nur bei Neu
gründung von Kassen äußern, während ein Eingreifen bei bereits be stehenden nur in ganz besonders schweren Fällen möglich ist.
Ferner
aber hat das Amt stets bei der Behandlung der Pensionskassenprobleme
die versicherungstechnischen und versicherungspolitischen Erwägungen in den Vordergrund gestellt zuungunsten der allgemein
rechtspolitischen und sozialpolitischen,
denen bei der engen Ver
knüpfung des Pensionskassenwesens mit dem Arbeitsvertragsrecht un bedingt der Vorrang gebührt.
Denn brächte es das kaiserliche Auf
sichtsamt durch seine Tätigkeit auch fertig, alle Pensionskaffenstatuten im Reich auf versicherungstechnisch vollständig einwandfreie Grundlagen
zu stellen, so hätte es damit noch nicht einer Einrichtung ihre Daseins
berechtigung gegeben, die sich als soziale Zwangswohlfahrt geriert. Diese Daseinsberechtigung kann das Pensionskassenwesen nur durch Überein stimmung mit dem allgemeinen Rechtsempfinden des Volks,
nicht allein mit dem der Versicherungssachverständigen bekommen.
Die
Versuche des kaiserl. Aufsichtsamts, auf dem Wege der Verwaltungs maßnahme in das Pensionskassenwesen einzugreifen, dauern nun bereits
mehrere Jahre.
Die erzielten Erfolge aber sind ganz minimal und
haben es insbesondere nicht vermocht, die allgemeine und berechtigte Mißstimmung aller Arbeitnehmerkreise über die Zustände im Pensions kassenwesen aus der Welt zu schaffen.
ad 2.
In den vorstehenden Argumenten ist bereits die zweite
der aufgestellten Fragen teilweise beantwortet:
Gesetzliche Maßnahmen
sind nicht nur nötig, sie sind auch wohl durchführbar, wenngleich
gewisse Schwierigkeiten, die sich durch die Buntscheckigkeit der zu er fassenden Verhältnisse ergeben, nicht geleugnet werden können.
’) Das gibt auch Lap orte (a. a. O.