Pensionskassen und Arbeitsvertrag, Teil 1 [Reprint 2021 ed.] 9783112516348, 9783112516331


126 107 7MB

German Pages 59 [117] Year 1912

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Pensionskassen und Arbeitsvertrag, Teil 1 [Reprint 2021 ed.]
 9783112516348, 9783112516331

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Pensionskaffen

und Arbeitsvertrag (I. Teil).

Von

Philipp Loewenseld.

1911. München und Berlin. 3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

Inhalt. Seite

I. Teil. Einleitung.....................................................................................................................1

1. Kapitel: Organisationsforrnen und Teilnehmerkreis.................................................... 11 2. Kapitel:

Zwecke der Fürsorgekassen................................................................................... 24

3. Kapitel: Mitgliedschaft.

Beiträge................................................................................... 44

Anhang........................................................................................................................96

Literatur Albert, Kaiseradressen! Nebst einem Anhang: Kruppscher Wohltätigkeits­ schwindel. Ein Beitrag zum Fall Krupp. München 1903. Albrecht, Handbuch der sozialen Wohlfahrtspflege in Deutschland. Berlin 1902. Blume, v., Die Kruppsche Arbeiterpensionskasse und die „guten Sitten" (Soz. Praxis 1908 S. 841 ff.). Brentano, Das Arbeitsverhältnis in den privaten Riesenbetrieben (Schriften des Ber. f. Soz. Pol. Bd. 116). Leipzig 1906. Dammer, Handbuch der Arbeiterwohlfahrt. Stuttgart 1902 und 1903. Diloo, Pensionseinrichtungen für Privatbeamte (Schriften der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen Bd. 32). Berlin 1907. Düwell, Wohlfahrtsplage. Dortmund 1903. Ehrenberg, V., Arbeiterpensionskassen und Arbeitsvertrag (Jherings Jahrb. XVH S. 433 ff.). $ ätze, Die Rechtsverhältnisse der Fabrikpensions- und Unterstützungskassen. Berlin 1911. Goldschmidt, Ein Schulfall sozialdemokratischer Verhetzung. Der Kampf um die Wohlfahrtseinrichtungen der Firma Th. Goldschmidt-Essen. Halle 1910. Günther und Pr 6 vot, Die Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeitgeber in Deutschland und Frankreich (Schriften des Ver. f. Soz. Pol.). Leipzig 1905. G ii nther , Wohlfahrtseinrichtungen und Betriebseinrichtungen. München 1909. Herkner, Die oberelsässische Baumwollindustrie. Straßburg 1887. Herkner, Die Arbeiterfrage. 5. Aufl. Berlin 1908. Hirtsiefer, Werkpensionskassen. Duisburg 1908. Iacobsohn, Der Kampf gegen die Wohlfahrtseinrichtungen in Großbetriebeii. Leipzig 1910. Kaufma n n , Arbeiterwohlfahrtseinrichtnngen in kritischer Beleuchtung. Zürich 1905. K eilen. Die Firma Krupp und ihre soziale Tätigkeit. Hamm i. W. 1903. Kley, Bei Krupp. Eine sozialpolitische Reiseskizze. Leipzig 1899. Koepper , Das Gußstahlwerk Friedr. Krupp und seine Entstehung. Essen 1897. K ohler, Fabrikpensionskasse und § 138 BGB. (Arch. f. bürgerl. Recht Bd. 32 S. 1 ff.). Kollek und Ziegler, Private Wohlfahrtspflege für Fabrikarbeiter, Beamte ?c. Berlin 1902. Laporte, Das Problem der Arbeiterpensionskassen und seine rechtlichen und sozialen Konsequenzen. Jena 1910. Mieck, Die Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen der industriellen Unternehmer in den preußischen Provinzen Rheinland mit) Westfalen und ihre volkswirt­ schaftliche und soziale Bedeutung. Berlin 1904.

VI Mombert, Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeitgeber (Arch. f. Sozialwissenschaft und Statistik Bd. XVIII S. 519 ff.) P o st und Albrecht, Musterstätten persönlicher Fürsorge von Arbeitgeber:: für ihre Geschäftsangehörigen. Berlin 1889, 1893. Schmoller, Zur Sozial- und Gewerbepolitik. Leipzig 1890. v. Schulze-Gävernitz, Zum sozialen Frieden. Leipzig 1890. Weber, Adolf, Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit. Tübingen 1910. v. Zwiedineck-Südenhorst, Sozialpolitik. Leipzig 1911. Das Arbeiterpensionskassenwesen in der oberschlesischen Großeisen­ industrie. Herausgegeben vom Gewerkverein der deutschen Maschinenbauund Metallarbeiter, Berlin. Die Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen in bayerischen Fabriken und größeren Gewerbebetrieben. Denkschrift des k. bayer. statist. Bureaus. München 1906. Denkschrift betr. die Pensions- und Hinterbliebenenfürsorge der Privatangestellten. Bearbeitet im Reichsamt des Innern. Berlin 1908. Entwurf einer R e i ch s v e r si ch e r u n g s o r d n u n g. Reichstagsvorlage. Berlin 1910. Die Krupp'sche Pensionskasse vor Gericht. Prozeßbericht und Gutachten von L o t m a r und E h r e n b e r g. Herausgegeben vom christlichen Metallarbeiterverbaud. Essen 1908. Merkbücher über die Wohlfahrtseiurichtungen der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. Werk Leverkusen, der Bergischen Stahlindustrie Rem­ scheid, der chem. Waschanstalt W. Spindler, Spindlersfeld. Das Pensions-und Reliktenwesen der Arbeiter und niederen Angestellten (Schriften der Zentralstelle für ''Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen Bd. 27). Berlin 1904. Zum Streit um die WerkspensiollsLassen. Darlegungen und Aktenstücke. Herausgegeben von der Firma Krupp. (U. a. Prozeßbericht und Gutachten von Theodor Loewenfeld, Lotmar, Kohler, Ehrenberg.) Essen 1908. Verbandstagsnummer des „Gewerbe- und Kaufmannsgerichts". 27. August 1910 S. 486 ff.: Die Rechtsverhältnisse der Werkspensionskassen. Referate von Mantel, Severing, Hirtsiefer, Günther. Die Wohlfahrtseinrichtungeu der Aktiengesellschaft des Altenbergs (Vieille Montagne). Düsseldorf 1902. Die Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeitgeber zugunsten ihrer An­ gestellten und Arbeiter in Österreich. Herausgegeben vom k. k. arbeits­ statistischen Amt im Handelsministerium. Wien 1902, 1903, 1904.

Einzelaufsätze sind enthalten in: Deutsche Jndustriebeamtenzeitung 1907 Nr. 5, 1908 Nr. 6. Deutsche Technikerzeitung vom 2., 8., 16. April 1910. Jahrbuch für Soziale Bewegung der Jndustriebeamten 1908 Heft 4. Kritische Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 3. Folge Bd. XII S. 549 ff.

Stahl und Eisen 1908 Nr. 12 S. 404 ff. Sozialistische Monatshefte 1902 S. 50—56. Plutus 1908 Heft 1 S. 4 ff. Neue Zeit 1908 Heft 49 S. 833 ff. Der neue Weg (Organ der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger) 38. Jahrg. Heft 40; 39. Jahrg. Heft 47, 48, 49, 52. Mitteilungen des Vereins gitr Wahrung der gemeinschaftlichen Interessen für Rheinland und Westfalen 1908 Heft 3 S. 247 ff. Mitteilungen der Hauptstelle deutscher Arbeitgeberverbände 1909 Nr. 10 S. 113 ff. Arbeiterfreund 1907 S. 418 ff. Sozialer Fortschritt 1906 Heft 57 und 58. Soziale Praxis 1908 S. 550, 610, 795, 796, 877, 1057, 1162; Jahrg. 1909 S. 115, 517, 676, 842, 850. Gewerbe- und Kaufmannsgericht 1907 S. 258; 1908 S. 11, 150; 1909 S. 219; 1910 (1. November) S. 165. Außerdem eine Anzahl von Artikeln des „Vorwärts", des „Proletarier", der „Deutschen Arbeitgeberzeitung", der „Kölnischen Zeitung" 2c.

Angaben über statutarische Bestimmungen wurden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur insoweit ausgenommen, als die betreffenden Statuten von der Firmenleitung überlassen waren, so daß keinerlei Zweifel über ihre derzeitige Geltung entstehen konnten. Satzungen, die nach der Mitteilung von Firmen­ leitungen binnen kurzem geändert werden, blieben unberücksichtigt. Zahlenangabeu wurden nur ausgenommen, soweit sie von den betreffenden Firmenleitungen oder Kassenvorständen gemacht wurden. Das übrige Tatsachen­ material entstammt schriftlichen und mündlichen Umfragen bei Arbeitgebern, Arbeiter-, Beamten- und Angestelltenverbänden. Wesentlich erleichtert wurden mir diese Umfragen durch die außerordentliche Unterstützung von Seite der K. Universitätsbibliothek zu München, die ich dem liebenswürdigen Entgegen­ kommen des Herrn Oberbibliothekars vr. Wolff verdanke.

Einleitung. Die wirtschaftliche Entwicklung im 19. Jahrhundert zum Vor­

herrschen des Großbetriebs hat umwälzende Neuerungen der beruflichen und sozialen Bevölkerungsgliederung im Gefolge gehabt. wachsen

einer

Menschen,

und

neuen

zahlenmäßig

der Lohnarbeiterklasse,

zum

hat die industriellen Unternehmer gestellt,

Das Empor­

überragenden wichtigsten

Gruppe

von

Produktionsfaktor

und den Staat vor die Aufgabe

diesem Personenkreis eine Existenz zu ermöglichen, die ihm

selbst aufsteigende Lebenshaltung, der Industrie Konkurrenzfähigkeit und dem Staat bezw. seinen Angehörigen relativen sozialen Frieden sichert.

Die

Schwierigkeit für die meisten Lohnarbeiter, sich,

auch bei ent­

wickeltem individuellen Spartrieb, unter dem herrschenden Lohnsystem ausreichende oder auch nur nennenswerte Rücklagen für den Fall der

Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit, Unfall, Alter oder Invalidität zu machen, ferner die Erkenntnis, daß bei steigenden Löhnen nicht die Ersparnisse

der Arbeiter

verbessert wird,

sich vergrößern, sondern die Lebenshaltung

gehören zu den Hauptgründen der Einführung der

deutschen Arbeiterversicherungsgesetzgebung. Daß jedoch die Leistungen der

Arbeiterversicherung bei weitem nicht hinreichen, um im Fall der Not eine vollständig ausreichende Deckung für den Lohnarbeiter zu bilden,

ist heute bereits eine allgemein anerkannte Wahrheit.

Neben der Lohnarbeiterklasse hat die Konzentration zum Groß­ betrieb eineu zweiten neuen Stand ins Leben gerufen, den Mittelstand

der Privatbeamten.

Bildete früher die Tätigkeit eines Privatbeamten

in einer Fabrik, in einem Warengeschäft, in einem Bankgeschäft in der Regel nur ein Übergangsstadium zum Eigenbetrieb, zur Selbst­

ständigkeit, so hat das Zeitalter der Trusts, Kartelle, Großbanken und Warenhäuser,

Regel zur Ausnahme solchen

Betrieben

gestaltet.

beschäftigten

der

Syndikate, der

industriellen Riesenbetriebe diese

Die geistigen

Loewenfeld, Pensionskassen und Arbeitsvenrag.

erdrückende Mehrzahl der in Arbeiter

(Handlungsgehilfen 1

2

I. Teil.

und

höheren

kaufmännischen

Techniker,

Ingenieure,

Angestellten,

Chemiker, Juristen, Nationalökonomen ?c.) verbleiben ihr Leben lang

in

wirtschaftlicher

die

Nur

Abhängigkeit.

tat­

und

intelligentesten

kräftigsten von ihnen sind in der Lage, allmählich zu besseren Bezahlungen

emporzusteigen.

große

Die

steigendem Alter

mit

und

der

Masse

abnehmender

sinkendes als ein steigendes Einkommen.

Privatbeamten

bezieht

eher

Leistungsfähigkeit

ein

In der bestehenden Sozial­

gesetzgebung sind die Privatbeamten bis zur Einkommensgrenze von (in der Unfallversicherung bei gefährlicher Betriebsart bis

2000 M

ev. 5000 M)

3000

reichend auch

erwiesen

für

kommen

diejenigen

von der

ist, erschollen.

versichert.

so

und

ist

Doch

auch

nicht als

hat sich das

hier der

Ruf nach

und Ein­

Privatbeamten, deren Lebenshaltung

des

proletarischen

Handarbeiters

zu­

Staatshilfe

weiter

entfernt

Denn auch sie, soweit sie nicht zufällig Besitzer von

Privatvermögen sind, sind im Fall der Arbeitsunfähigkeit einem ähn­

lichen Schicksal, wie die Lohnarbeiter, ausgesetzt.

Dem trägt der nun­

mehr vorliegende Eiltwurf einer gesetzlichen Regelung der Pensions­

und

Hinterbliebenenversicherung

Deren Rentenleistungen,

der

Rechnung.

Privatangestellten

wie sie in der Denkschrift des Reichsamts

des Innern projektiert sind, werden jedoch keinesfalls das allgemein

zum Ausdruck gekommene Fürsorgebedürfnis voll zu befriedigen im­ stande sein. *)

Das

Bedürfnis

nach

einer

Ergänzung

eventueller

persönlicher

Rücklagen über die Staatsleistungen hinaus ist also gegeben.

Es wird

in allen Berufen gefühlt, in denen die Einkommensverhältnisse dem

persönlichen Spartricb sehr enge Grenzen ziehen, so auch insbesondere in

den

Berufen

der

Bühnenkünstler

und

Orchestermusiker,

deren

bejammernswerte Dienst- und Gehaltsverhältnisse näher beleuchtet zu

haben erst ein Verdienst der Statistik der letzten Jahre ist.8) Es frägt sich nur, wer dieses Bedürfnis Eigenversicherung reicht das Einkommen der

befriedigen soll.

Handarbeiter

das der geistigen Arbeiter nur in seltenen Fällen aus.

Zur

fast nie,

Der Staat

ist nicht in der Lage, seine Leistungen so sehr zu erhöhen, daß sie für 0 Ähnlich D i l o o: Pensionseinrichtungen f. Privatbeamte, Berlin 1907 S. 1 ff.

4) Vgl. hiezu Denkschrift zu einem Reichstheatergesetz, ausgearbeitet von der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger auf Wunsch des Staatssekretärs des Innern, Berlin 1909. Gehaltsstatistik deutscher Orchester, herausgegeben vom Präsidium des Allgemeinen deutschen Musikerverbandes 1909 und 1910.

3

Einleitung. den Fall der Not genügen.

So hat man es vielfach als eine Pflicht

der Arbeitgeber erklärt, hier einzugreifen, sei es durch alleinige Leistung einer Fürsorge, sei es durch Ergänzung dessen, was die Beteiligten

selbst aufbringen.

Diejenigen, die zurückhaltend waren,

vor allem zu gewinnen, indem

sllchte

man die Vorteile darstellte,

man

die dem

Arbeitgeber selbst aus derartigen Leistungen erwüchsen: Steigerung der Leistungsfähigkeit

und

Leistungsfreudigkeit

der

Lohn- und Gehalts­

empfänger durch diese Fürsorge und damit Steigerung der Konkurrenz­ fähigkeit, gutes Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer

und damit Erziehung eines festen Arbeiter-, Beamten- und Angestellten­

stammes, Minderung der Fluktuation.

Ein Eingreifen der Arbeit­

geber ist dann auch in der Tat vielfach und zum Teil ausgiebig erfolgt.

Teilweise ging dieses

Eingreifen

sogar

der

Sozialversicherungsgesetz­

gebung voran.

Nun zeigte sich aber ein Phänomen: So sehr von Lohn- und

Gehaltsempfängern eine Verbesserung der Staatsleistungen angestrebt wurde, ebenso heftig wurden bald die privaten Fürsorgeeinrichtungen

von ihnen, denen sie doch zugute kommen sollten, abgelehnt.

Wohltaten, sondern Rechte!" so erscholl der Ruf.

„Nicht

„Wird das Ein­

kommen erhöht, so ist die Wohlfahrt überflüssig." Bei näherem Zusehen zeigt sich jedoch, daß es nicht die Fürsorge

als solche ist, die abgelehnt wird, sondern nur eine Anzahl grober Mißbräuche, die diese Fürsorge in ihren» Gefolge hatte und hat.

In

großem Umfang ist das private Fürsorgewesen zur Denaturierung des

Arbeitsverhältnisses von einem freien Vertragsverhältnis zu patriarcha­ lischer Gebundenheit von vielen Arbeitgebern benutzt worden.

Verquickung von Versicherungsvertrag

Durch

und Arbeitsvertrag wurde

es

ermöglicht, von dem Lohn- oder Gehaltsempfänger die Unterlassung gewisser Handlungen, die der Arbeitgeber perhorreSziert, deren Unter­

lassung er aber in seiner Arbeitsordnung nicht verlangen kann, durch die Wohlfahrt

herbeizuführen,

indem

durch privatstrafrechtliche

Be­

stimmungen ein Druck auf denjenigen ausgeübt wird, der etwa gegen­ über diesen Wünschen widerspenstig ist.

Gegen eine Fürsorge auf rein

sozialer Grundlage hat auch heute wohl nur eine verschwindende Minder­ heit der Lohn- und Gehaltsempfänger etwas einzuwenden.

Der Kampf

richtet sich nur dagegen, die Fürsorge durch Hingabe von Rechten, und zwar insbesondere durch Hingabe oder Verschlechterung des Koalitions­ rechts erkaufen zu müssen.

Für viele Arbeitgeber also bildeten die 1*

4

I. Teil.

Einrichtungen nur einen Teil des Systems von psychologischen Zwangs­ mitteln, durch die unter formeller Wahrung des geltenden Rechtszu­ standes die gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitsrechts ihrer tatsächlichen

Wirksamkeit möglichst entkleidet werden sollten.

Material über die

Praxis und die Wirkungen dieser Zwangsbeglückung, innerhalb deren außer Pensionseinrichtungen auch Mietswohnungen, Darlehensgewährung,

Prämien, Lohnzusätze, Gewinnbeteiligung eine erhebliche Rolle spielen, ist in einer Reihe von Abhandlungen zusammengetragen?)

Die all­

gemeinen Gesichtspunkte sind in ihnen ausgiebig erörtert.

Dagegen

scheinen Einzelfragen auf diesem Gebiet noch der Untersuchung und zu­ sammenfassenden Behandlung bedürftig.

Und gerade das Pensions­

kassenwesen gibt dazu bei der Fülle von unbewiesenen Behauptungen,

die vor allem im politischen Tagesstreit produziert worden sind, trotz

einiger in jüngster Zeit publizierter Spezialabhandlungei?) noch Anlaß, zumal über die Möglichkeit einer gesetzlichen Regelung gegenwärtig auf r) Vgl. Herkner, Die oberelsässische Baumwollindustrie 1887 S. 203 ff., 328 ff., 357 ff. Günther und Prevot, Die Wohlfahrtseinrichmngen der Arbeit­ geber, herausgegeben vom Verein für Sozialpolitik 1905. Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik 1905 über Das Arbeitsverhältnis in den privaten Riesenbetrieben. Mombert, Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeit­ geber, Archiv für Sozialwissenschafl Bd. 18 S. 519 ff. Günther, Wohlfahrts­ einrichtungen oder Betriebseinrichtungen, München 1909. Jacobsohn, Der Kampf gegen die Wohlfahrtseinrichtungen in Großbetrieben, Leipzig 1910. Schriften der Zentralstelle für Arbeiter wohlfahrtsei nrichlungen Bd. 27 und 32. Mieck, Die Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen der industriellen Unternehmer in den preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen, Berlin 1904. D ü w e l l, Wohlfahrtsplage, Dortmund 1903. Kaufmann, Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen in kritischer Beleuchtung, Zürich 1905. Einen einzelnen Pensionskassenprozeß behandeln: Die Ver­ öffentlichung der Firma Krupp „Zum Streit um die Werkspensionskassen" (1908), die Veröffentlichung des christlichen Metallarbeiterverbandes „Die Kruppsche Pensionskasse vor Gericht" (1908). In diesen Schriften sind die in Pensionskassenprozessen vielfach zitierten Gutachten von Theod. Loewenseld, Lotmar, Kohler, Ehrenberg abgedruckt. Reichhaltige Angaben ent­ hält ferner Nr. 12 der Zeitschrift „Gewerbe- und Kaufmannsgericht" (Verbands­ lagsnummer) vom 27. August 1910 (Referate von Mantel, Severing, Hirtsiefer und Günther), endlich das Urteil in Sachen Lange und Gen. gegen Krupp vom 25. November 1909. a) W. Laporte, Das Problem der Arbeiterpensionskassen und seine rechtlichen und sozialen Konsequenzen, Jena 1910 (bietet namentlich reiches versicherungstechnisches Material). Hans Götze, Die Rechtsverhältnisse der Fabrik-

5

Einleitung.

das heftigste debattiert wird.

Kann auch die vorliegende Arbeit nicht

Anspruch auf Vollständigkeit erheben, so kann doch immerhin gezeigt werden,

daß

„zwischen

einer

Berufen

von

Reihe

eine

natürliche

Interessengemeinschaft besteht, die bei dem organisatorischen Zug, der unsere Zeit kennzeichnet, vielleicht einmal zu einem Jnteressenverband zwischen den verschiedenen Angestelltengruppen führen wird/")

Der deutsche Reichstag hatte sich mit der PensionSkassenfrage in

neuerer Zeit in wiederholten Fällen zu beschäftigen.

Abgesehen von

wo ihr bei der Beratung des

den Verhandlungen deS JahreS 1903,

Reichshaushaltsetats eine ausführliche Besprechung bereits zuteil wurde, in ständiger Reihenfolge seit 1908.

Bei Beratung des Gesetzes über

den Versicherungsvertrag wurde ein Kommissionsbericht mit Resolutionen vom 30. Januar 1908 vorgelegt. Die Resolution b lautete: der Reichstag wolle beschließen b) die verbündeten Regierungen zu ersuchen, baldmöglichst einen

Gesetzentwurf vorzulegen,

durch

den

die

Rechtsverhältnisse

der

Pensions-, Witwen- und Waisenkassen, welche von industriellen

Arbeitgebern für die Arbeiter ihrer Betriebe eingerichtet sind, ins­ besondere

die Ansprüche

der

aus

dem

Betrieb

ausscheidenden

Arbeiter an die Leistungen der Kasse resp, auf Rückzahlung eines entsprechenden Teils der Beiträge, geregelt werden.

Außerdem wurde dem Bundesrat und Reichstag am 18. März 1908

vorgelegt eine Petition des Zentralrats der Hirsch-Dun ckerschen Gewerkvereine betr. gesetzliche Regelung des PensionSkafsenwesenS:

„An den hohen Bundesrat und Reichstag richtet der Verband

der Deutschen Gewerkvereine (Hirsch-Duncker) das ergebene Gesuch,

gesetzliche Vorschriften zu schaffen, welche die Satzungsbestimmungen der privaten Pensionskassen einheitlich regeln.

Bei Schaffung eines

derartigen Gesetzes bitten wir folgende Forderungen als grundlegend

zu berücksichtigen: pensions- und Unterstützungskassen, Berlin 1911, gibt vor allem eine gute Über­ sicht über die in Frage kommenden wissenschaftlichen Gutachten.

Gesetzesmalerialien, Gerichtsurteile und

l) Dr. A. Osterrieth, Generalsekretär der Genossenschaft deutscher Bühnen­ angehöriger in „Der neue Weg" 38. Jahrg. Heft 40. Vgl. Verhandlungen der Gesellschaft für soziale Reform zu Frankfurt 1909.

6

I. Teil. 1. Mit der Beendigung des Dienstverhältnisses darf die Fort­

setzung der Versicherung unter keinen Umständen ausgeschaltet werden. 2. Um allen Versicherten

eine unbeschränkte Freizügigkeit zu

gewährleisten, ist die Vereinigung sämtlicher Betriebspensionskassen zu einer Gesamtkasse anzustrebeil.

3. Die Beiträge sind

vom Arbeitgeber und vom

zur Hälfte

Arbeitnehmer zu entrichten.

Während der Arbeitslosigkeit ruht

die Versicherung. 4. Findet der Arbeitnehmer in der neuen Stellung keine Pen­ sionskasse vor und ist ihm die Leistung des gesamten Beitrages

zur Fortsetzung der vollen Versicherung unmöglich, dann soll die Versicherung,

wenn

Bezugsberechtiguug

durch die Dauer der Mitgliedschaft bereits eingetreten

ist,

in eine

ganz

oder teilweise

prämiensreie umgewandelt werden.

5. Besteht nach längerer Mitgliedschaft nach

den Satzungen

der Pensionskasse ein die Versicherungspflicht des Arbeitnehmers

begründendes

Versicherungsverhältnis

nicht

mehr

(höheres Ein­

kommen, Selbständigkeit usw.), so hat der Versicherte das wahl­ weise Recht, entweder die Versicherung gegen Zahlung der vollen

Prämien

freiwillig

fortzusetzen

oder

die Umwandlung in

eine

prämiensreie Versicherung zu verlangen. 6. Beim gänzlichen Erlöschen der Versicherung (Wegzug aus

Deutschland, Tod vor Eintritt der Bezugsberechtigung usw.) sind die vom Arbeitnehmer selbst gezahlten Beiträge voll zu erstatten. 7. An der Verwaltung sind die Versicherten unmittelbar und in vollem Umfange zu beteiligen.

8. Ein Rechtsanspruch auf die satzungsgemäßen Leistungen ist

grundsätzlich festzulegen. Streitigkeiten finden gemäß der Stellung

des Arbeitnehmers ihre Erledigung vor den Gewerbe- oder Kauf­ mannsgerichten oder den ordentlichen Gerichten. In den Reichstagssitzungen vom 1., 2. und 7. Mai 1908 wurden

darauf die Rechtsverhältnisse der Arbeiterpensionskassen von den Ab­

geordneten Giesberts, Severing, Dove, Cuno, Hengsbach, Sachse, Schultz, v. Dirksen, Mommsen, sowie von dem Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding ausführlich besprochen.

Dieser erklärte, daß der Herr

Staatssekretär des Reichsamts des Innern die Sache vor einiger Zeit in die Hand genommen und sich mit der preußischen Verwaltung in

7

Einleitung.

Verbindung gesetzt habe, daß man also wohl abwarten dürfe, was aus den Verständigungsversuchen

kommen

und

Albrecht

wesens')

Da

würde.

und

der preußischen Regierung heraus­

mit

Jahresfrist

binnen

trotz

eines

Antrags

Gen. auf gesetzliche Regelung des Pensionskassen­ einer

Petition

des

christlichen

Metall-

arbeiterverbands*) nichts herauskam, wurde am 31. März 1909 eine Interpellation Albrecht

und Gen. eingebracht, die am

29. April 1909 von dem Abgeordneten Severing begründet und von

dem

damaligen

beantwortet

Staatssekretär

wurde

des

und zu einer

Innern

erneuten

v. Bethmann Hollweg

gründlichen

Besprechung

der ganzen Frage führte. Der Staatssekretär erklärte damals als den seiner Meinung nach einzig gangbaren Weg, „daß zurzeit unter Ab­

standnahme von gesetzlichen Bestimmungen die Rückerstattung von Bei­ trägen auf dem Verwaltungswege insoweit angebahnt werde, wie dieses

unter Berücksichtigung der von ihm dargelegten Bedenken, die der Maß­ regel immerhin gegenüberstehen können, möglich sei.

sei in der Praxis bereits beschritten".

Und dieser Weg

Zum Belege dafür wurde die

Wird hier nicht wiedergegeben, weil sich sein Inhalt im wesentlichen mit dem Antrag Albrecht und Gen. vom 3. Dezember 1909 deckt. 2) Die Petition hatte folgenden Wortlaut: „Der Vorstand des christl. Metallarbeiterverbands, Sitz Duisburg, erlaubte sich bereits im Vorjahre eine Vorstellung an den Hohen Reichstag zu richten, betr. Regelung des Werkspensions­ kassenwesens. Die sich häufenden Klagen aus Arbeiterkreisen über Benachteiligung veranlassen die Leitung des christlichen Metallarbeiterverbands neuerdings, an den hohen Bundesrat und den deutschen Reichstag sich zu wenden, mit der Bitte, baldmöglichst gesetzliche Maßnahmen zu treffen, um die nachfolgend ge­ schilderten Mängel der Werkpensionskassen zu beseitigen, im Interesse der Gerechtig­ keit und des sozialen Friedens." Es folgt eine Schilderung der Mißstände des Werkpensionskassenwesens, aus welcher folgende Forderungen hergeleitet werden: Es ist darauf zu sehen, daß 1. gegenüber der Beitragsleistung dem Arbeiter eine entsprechende Gegenleistung geboten wird. 2. Die Ansprüche der Arbeiter auf Pension völlig sicher gestellt werden, daß beim Übertritt des Arbeiters aus dem einen in einen anderen Betrieb die Anrechnung früher geleisteter Beiträge bei der Kasse des neuen Arbeitgebers erfolgt, oder die bereits erworbenen Pensions­ ansprüche an die Kasse gewährt, oder aber die geleisteten Beiträge zurückzuerstatten sind. 3. Die Beteiligung der Versicherten an der Verwaltung vorgesehen und 4. die Arbeiterpensionskassen dem Aufsichtsamt für Privatversicherung unterstellt werden.

8

1. Teil.

Praxis

des

Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung heran­

gezogen, die bei Kassen mit Beitrittszwang Rückerstattung der Hälfte oder eines Drittels der Beiträge je nach Lage des Falls verlange.

Die Rückerstattung der Beiträge war jedoch weder in der Inter­ pellation Albrecht und Gen. noch in den Anträgen und Petitionen vor und nach ihr der einzige strittige Punkt.

Auch neuerdings sind die

Klagen hinsichtlich der Wirkungen der Pensionskassen und die Wünsche nach gesetzlicher Regelung nicht verstummt.

Albrecht und Gen.

So liegt vor ein Antrag

Der Reichstag wolle beschließen:

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, baldigst einen Gesetzentwurf

vorzulegen, durch welchen die Verhältnisse der für Hütten- und Walzwerke nebst zugehörigen Betrieben für Konstruktionswerkstätten,

Maschinenfabriken, Textilfabriken und andere industrielle Etablissements

errichteten

Pensionskassen

unter

folgender

Beobachtung

Grundsätze für das ganze Reich einheitlich geregelt werden: 1. Festsetzung einer Maximalgrenze der Eintrittsgelder und Bei­

träge.

Die Beiträge der Werksbesitzer haben mindestens 50 °/o

zu betragen;

2. Selbstverwaltung der Kassen durch Vertreter der Mitgliedschaft Doch muß die Arbeiter­

unter Teilnahme der Werksvertretung.

vertretung entscheidenden Einfluß aus die Ausgestaltung der

internen Kassenverhältnisse haben.

Die Wahl der Arbeiter­

vertreter hat auf Grund des geheimen, direkten Wahlrechts

zu erfolgen.

Das Wahlrecht ist allen aktiven, invaliden und

freiwilligen Kassenmitgliedern zu erteilen.

Beamte dürfen nur

als Werksvertreter zugelassen werden.

Durch Entlassung aus der Arbeit darf dem Arbeitervertreter das Mandat nicht verloren gehen;

3. Sicherung der erworbenen Pensionsansprüche nach oder unfreiwilliger Aufgabe der Werksarbeit einer

des

freiwilliger

durch

Zahlung

mäßigen Anerkennungsgebühr oder freiwillige Zahlung

früheren

Beitrages;

im

letzteren

Steigerung der Pensionsansprüche.

Falle

entsprechende

Gegenseitigkeitsverhältnis

der Kassen, Rückzahlung der Einzahlungen, abzüglich der Ver­

waltungsunkosten, an solche ausscheidende Mitglieder, die mehr als 200 Wochen Beiträge zahlten und nicht mehr aktive oder freiwillige Mitglieder ähnlicher Kassen werden können;

9

Einleitung.

4. Ausschluß der Anrechnungsfähigkeit von Unfall- und Invaliden­ renten oder Militärpensionen, sofern die Gesamtbezüge nicht

den Durchschnittslohn übersteigen, den das betreffende Mitglied in den letzten 10 Jahren verdient hat.

Berlin, den 3. Dezember 1909. Daß nicht nur gewerbliche Arbeiter, sondern auch andere Berufs­ gruppen

einer

an

Regelung

gesetzlichen

Pensionskaffenwesens

des

interessiert sind, zeigt folgende Petition des deutschen Techniker­

verbandes: „Der unterzeichnete Deutsche Techniker-Verband bittet den Hohen

Reichstag,

den

Verhältnissen

zahlreicher

Werkpensionskassen

sein

Augenmerk zuzuwenden.

Die Denkschrift betr. Pensionsversicherung der Privatangestellten stellt eine Regelung dieser Kassen gleichzeitig mit Inkrafttreten der

reichsgesetzlichen Privatbeamtenversicherung in Aussicht. Diese Regelung soll sich neben Schaffung einer einwandfreien versicherungstechnischen Grundlage

vor

allem

Reihe privater

mit

Sicherstellung

Werkpensionskassen

durch

eine

bedrohten

per­

der

sönlichen und staatsbürgerlich en Rechte der Angestellten

befaffen.

Vor allem soll der Verlust der eingezahlten Beiträge im

Falle des Ausscheidens aus dem Dienste wegfallen, daneben soll Ver­

waltung und Verfahren in einem freiheitlichen Sinne unter stärkerer Heranziehung der Versicherten selbst geordnet werden. Der Deutsche Techniker-Verband ist der Überzeugung, daß die erheblichen Bedenken, die dem jetzigen System, insbesondere der Vor­

schrift, wonach die eingezahlten Beiträge der Arbeitnehmer ganz oder teilweise verfallen, anhaften,

die häufig genug zu richterlichem Ein­

schreiten führten und weiter führen werden, einen gesetzgeberischen Eingriff noch vor Inkrafttreten der Reichsversicherungsordnung not­ wendig machen.

Er

ersucht

den Hohen Reichstag, von

den verbündeten Re­

gierungen einen Gesetzentwurf einzufordern, der die großen Unzu­ träglichkeiten der heutigen Werkpensionskassen, sowie ihren ungesunden

Einfluß auf Freizügigkeit und Koalitionsfreiheit beseitigt.

6. Januar 1910.

10

I Teil. Die Wünsche der Jndustriebeamten sind außerdem in einer Reihe

von Heften der deutschen Jndustriebeamtenzeitung, der deutschen Techniker­

zeitung und deS Jahrbuchs für die soziale Bewegung der Jndustrie­ Auch die Orchestermusiker und Bühnenkünstler, die

beamten dargelegt.

letzteren besonders, dringen auf gesetzliche Bestimmungen.

So schreibt

Dr. Osterrieth:

„Für die Bühnenangestellten forinuliert, hat die Forderung zu

lauten: Scheidet ein Bühnenangestellter aus dem Dienstverhältnis mit einer Bühne, bei der sich eine Pensionskasse befindet,

aus,

ohne in den Besitz der vollen Pensionsansprüche gelangt zu sein,

so sind ihm die an die Pensionskasse geleisteten Beiträge zurück­ zuerstatten.

Eine Abweichung von dieser Bestimmung

ist

nur

zulässig, wenn die Pensionskasse dem Mitglied das Recht gewährt,

durch freiwillige Weiterzahlung der Beiträge sich das Recht auf

die volle Pension zu erwerben.

(Vgl. Petition des Allgemeinen

deutschen Chorsängerverbands, Ziff. 13)." Auf dem Verbandstag der deutschen Gewerbe- und Kaufmanns­

gerichte im September 1910 wurde von Vertretern aller Arbeitnehmer­ gruppen

die

gesetzliche

Regelung des Pensionskassenwesens gefordert.

Insbesondere hat dort auch der Stand der Handlungsgehilfen seine

Wünsche präzisiert. Um prüfen zu können, ob die gestellten Forderungen geeignete

Mittel zur Behebung der geäußerten Klagen darstellen, ist eine Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse des Pensionskassenwesens notwendig.

1. Kapitel.

Organisationsformen und Ceilnebmerkreis. Die Organisationsformen der Pensionskassen und ihr Teilnehmer­ kreis ergeben sich in der Regel aus ihren Statuten.

Einen grund­

legenden Unterschied macht es, ob die Fürsorgeeinrichtungen aus Arbeit­ gebermitteln, aus Arbeitnehmermitteln oder aus beiden unterhalten werden. Innerhalb dieser Grundtypen lassen sich eine Reihe von

Erscheinungsformen beobachten. A. 1. Die Kassen, die nur aus Arbeitgebermitteln

unterhalten werden, sind zum einen Teil allgemeine Hilfs- und Unterstützungskassen, die für Fälle unverschuldeter Rot, für länger dauernde Krankheiten, insbesondere für die Fälle, in denen eine gesetz­

liche Fürsorge nicht eingreift, Unterstützungen gewähren wollen, wobei als Maßstab für die Leistung in der Regel Bedürfnis und Würdigkeit maßgebend sind. (Beispiele: Unterstützungskasse für Arbeiter der Firma Kalle und Co., A.-G. Biebrich a. Rh.; Pensionseinrichtung für Arbeiter der Dampsmarzipansabrik L. C. Oetker zu Altona-Bahrenfeld). Biel­ fach kommen derartige Einrichtungen als Stiftungen im Sinne der §§ 80 ff. BGB. vor. (Beispiele: Pensions- und Unterstützungskasse

für Beamte und Arbeiter der Firma Th. Bienert, Dampsmühle und Ölfabrik, Dresden-Plauen; Stiftung für Alters- und Invalidenrenten­

empfänger der Firma Franz Richter, Döbeln). Einige Fürsorgeein­ richtungen nennen sich auch Stiftungen, ohne solche zu sein (Beispiel: Gedächtnisstiftung für die Beamten und Arbeiter der Maschinenfabrik C. H. Haubold G. in. b. H., Chemnitz). Diese Stiftungen werden in der Regel aus dem Stiftungskapital

und dessen Erträgnissen erhalten. Es sind aber auch Fälle bekannt, in denen die Strafgelder und Lohnabzüge auf Grund der Arbeits­ ordnung zur Ergänzung des Vermögens der Stiftung verwendet werden.

(Beispiel: Unterstützungskaffe für Arbeiter und Arbeiterinnen der Firma

12

I. Teil.

Thiele und Steinert, Berlin und Freiberg), endlich auch solche, in denen die Fürsorgeeinrichtung nur aus Strafgeldern, bei der Lohnzahlung

überschießenden Pfennigen, nicht abgehobenen Lohnbeträgen und den Zinsen dieser Einnahmen, also aus Arbeitermitteln, die auf Grund der

Arbeitsordnung

dem Unternehmer verfallen

unterhalten

sind,

wird.

Auf Grund gesetzlicher Vorschrift sind solche Kassen vorhanden in den preußischen Bergwerksbetrieben.

Maßgebend für die Organisation sind

die Vorschriften des preußischen Berggesetzes in der Fassung der Novelle vom

14. Juli 1905.

§ 80 b Abs. 5

schreibt

einem Bergbaubetrieb Strafen vorgesehen

vor,

sind,

die

daß,

sofern

in

Arbeitsordnung

über den Verwendungszweck Bestimmungen enthalten muß, 8 80ä des

Abs. 2 besagt:

„Alle Strafgelder müssen zum Besten der Arbeiter

verwendet werden.

Wenn für das Bergwerk ein ständiger Arbeiter­

ausschuß vorgeschrieben ist, müssen die Strafgelder einer Unterstützungs­ kasse zugunsten der Arbeiter überwiesen werden, an deren Verwaltung

der ständige Arbeiterausschuß mit der Maßgabe beteiligt sein muß, daß den von den Arbeitern gewählten Mitgliedern mindestens die Hälfte der Stimmen zusteht.

Die Grundsätze für die Verwendung und Ver­

waltung müssen nach Anhörung der volljährigen Arbeiter oder des ständigen Arbeiterausschusses in der Arbeitsordnung oder in besonderen Satzungen festgelegt werden. Eine Übersicht der Einnahmen und Aus­ gaben und des Vermögens ist alljährlich in einer vom Oberbergamte

vorgeschriebenen Form aufzustellen und diesem, nachdem sie 2 Wochen

durch Aushang zur Kenntnis der Belegschaft gebracht ist, einzureichen".

Auf Grund dieser Bestimmungen wurden preußischen Bergbau eingeführt.

Bergwerken

„Zollverein"

solche Kassen

Die Satzungen,

(Caternberg),

„Brassert"

im

ganzen

die mir von den

(Recklinghausen),

Graf Schwerin (Castrop), „Langenbrahm" (Essen-Rüttenscheid), „Carolinenglück" (Bochum), den Zechen der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks­

und Hütten-A.-G., der Gelsenkirchener Bergwerks-A.-G. und einer großen Anzahl von anderen vorliegen, lauten im wesentlichen vollkommen über­ einstimmend. Überall bestehen für selbständige Schachtanlagen besondere Unterstützungskassen, über die getrennt von den übrigen gewerkschaft­

lichen oder Zechenkassen von der Zechenverwaltung Rechnung geführt wird.

Die Details der Organisation interessieren hier nicht. 2. Ein anderer Teil der nur von Arbeitgebern dotierten Fürsorge­

kassen, und zwar der seiner Frequenz und seiner finanziellen Bedeutung

nach wichtigere find die Fürsorgekassen, die die spezielle Aufgabe der

13

Organisationsformen und Teilnehmerkreis.

Fürsorge für Invalide, Altersschwache, Witwen und Waisen sich zum

Ziel gesetzt haben.

Sie treten teils als Kasseneinrichtungen (Pensions­

fonds, VerforgungSkaffen, Pensionskassen), teils als Stiftungen in die

Erscheinung.

Bedeutsame Kasseneinrichtungen sind auf diesem Gebiet

z. B. die

Arbeiter-, Pensions-, Witwen- und Waisenkasse der Bergischen Stahl­

industrie, Remscheid.

Versorgungskasse der Chem. Werke H. und E. Albert, Amöneburg. Arbeiter- und Beamten-Pensions-, Witwen-

und Waisenkasse von

Siemens und Halske, A.-G., Berlin.

Arbeiter- und Beamten-Pensions-,

Witwen- und Waisenkasse

der

Siemens-Schmuckert-Werke, G. m. b. H., Berlin-Nürnberg.

Invaliden- und Witwenfonds der Chem. Waschanstalt und Färberei W. Spindler, Spindlersfeld.

Pensionskasse für Arbeiter, Witwen und Waisen der Firma Kalle & Co., A.-G., Biebrich a. Rh. in Form von Stiftungen z. B.

Kaiser Wilhelm Waisen

der

und Augustastiftung für Arbeiter, Invaliden und Chem.

Fabriken

Meister Lucius

und

Brüning,

Höchst a. M.

Arbeiterpensionsstiftung

der

Badischen

Anilin-

und

Sodafabrik,

Ludwigshafen.

Pensionskasse für Arbeiter und Arbeiterinnen der Handelsgesellschaft Schroeder'sche Papierfabrik, Golzern

Pensioilskasse des städtischen Kurorchesters Wiesbaden. 3. Eine

erwähnenswerte Form

der aus Arbeitgebermitteln be­

triebenen Fürsorge ist endlich die Versicherung der Lohn- oder Gehalts­

empfänger bei Versicherungsgesellschaften auf Kosten des Arbeitgebers. Sie ist z. B. verwirklicht in der Stiftung zugunsten der Witwen und Waisen von Meistern und Arbeitern des Schmirgeldampfwerks „Naxos

Union" von Julius Pfungst in Frankfurt a. M.

wird

Durch die Stiftung

den Witwen und Waisen auf dem Wege Pension gewährleistet,

daß die Meister und Arbeiter auf Todesfall versichert werden.

Versicherung erfolgt in der Weise, daß die „Naxos Union"

Die

als Ver­

sicherungsnehmerin jeweils eine Police auf den Fall des Ablebens des betr. Meisters bzw. Arbeiters über den normierten Betrag bei einer

angesehenen Prämien

deutschen

werden

von

Lebensversicherungsgesellschaft entnimmt.

der

„Naxos

Union"

entrichtet.

Die

Die Ver-

14

I. Teil.

ficherungspolicen sind alleiniges Eigentum der Firma.

Alle Ansprüche

aus den Policen, insbesondere auch Dividenden- und Rückkaufsansprüche stehen lediglich der

„Naxos Union" zu.

Die

„Naxos Union"

nach dem Ableben des versicherten Meisters bzw. Arbeiters

zieht

die Ver­

sicherungssumme von der Gesellschaft ein und verwendet sie zur Aus­

zahlung der Pensionen an Witwen und Waisen. Für diejenigen, welche wegen ihres hohen Alters oder wegen ihres Gesundheitszustandes nicht in die Versicherung auf den Ablebensfall ausgenommen werden können, läßt die

„Naxos Union", wiederum als Versicherungsnehmerin, eine

andere Art der Versicherung (Altersversicherung oder sog. eingeschränkte

Versicherung

auf

den Ablebensfall)

der Witwen- und

zur Erzielung

Waisenpension eintreten. B. Viel mannigfaltiger, als bei den einseitig von Arbeitgebern

unterhaltenen Einrichtungen sind die Organisationsformen der Fürsorge­

institute, denen sowohl Einnahmen von Lohn-und Gehalts­ empfängern, wie auch von Arbeitgebern zufließen.

I. Hier ist die Form der allgemeinen Hilfs- und Unterstützungs­ kasse verhältnismäßig selten. Wo sie vorkommt, liegen fast regelmäßig

Kassen mit Zwangsbeitritt und Zwangsbeiträgen vor,

haltsempfänger

der Lohn- und Ge­

denen dann, je nach der Höhe ihrer Beitrags­

leistung in der Regel ein entsprechendes Recht an der Verwaltung der Kasse zukommt.

Als Beispiel

einer allgemeinen Hilfs- und Unter-

stützungSkasse, die infolgedessen überwiegend von Arbeitern geleitet wird,

erwähnt der Vorbericht zur 13. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrseinrichtungen die Kasse der Hamburg-Berliner Jalousiefabrik (Heinrich Freese) in Berlin.

II. kassen

Eine weit größere Rolle spielen hier die Pension sfür Invaliden, Witwen und Waisen, die ihrer

Verbreitung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrer Konstruktion nach im Mittelpunkt des gesamten Problems stehen, ferner

Versicherung bei Gesellschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, genossenschaftliche Einrichtungen.

Die

Invaliden-,

Beiträgen

sehr

im

Witwen-

und

Waisenkassen

mit

der Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen so

Vordergrund

der

Erörterung,

daß

gewöhnlich

gedacht wird, wenn von Pensionskassen die Rede ist.

nur

ihrer

Im Parlament

und Presse sind sie fast ausschließlich Gegenstand der Diskussion, waS

15

Organisalionsformen und Teilnehmerkreis.

der

Fülle

der Probleme entspricht, die der

Leistungen

zwang,

Fortversicherung

gangen,

daß

rc-

Teile,

aufgetaucht

in

man

beiden

vor

Dies

sind.

wissenschaftlichen

der

allem durch Beitritts­

Beitragserstattung,

ist

sogar

freiwillige soweit

Betrachtungsweise

ge­ viel-

sach in den Fehler verfallen ist, das ganze private Pensions- und

der Hand

Reliktenwesen an

form

behandeln,

zu

betont

zweigen

zu

werden

berühmter Typen dieser Organisations­

Verfahren,

braucht-

In

dessen den

Verfehltheit

verschiedensten

hier

nicht

Industrie­

und sonstigen öffentlichen und privaten Betrieben spielt diese

Form die Hauptrolle. künstler,

ein

Musiker,

Arbeiter, Beamte, Handlungsgehilfen, Bühnen­

städtische Bedienstete haben gegen diese Form ihre

Hauptangriffe gerichtet.

Als Beispiele von solchen Kassen, deren Ver­

hältnisse ich untersucht habe, seien erwähnt:

1. Im Bergbau und Hüttenbetrieb. a) Für Arbeiter (und niedere Angestellte, Werkmeister, Auf­ seher rc.)

Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse für die gewerblichen Anlagen der Donuersmarckhütte, A.-G., Zabrze. Pensions- und Unterstützungskasse für die Arbeiter der Hohenlohe­ werke, A.-G., Hohenlohehütte.

Pensions- und Unterstützungskasse der Baildonhütte, errichtet von der oberschlesischen Eisenindustrie, A.-G. für Bergbau und Hüttenbetrieb. Pensionskasse

der

Vereinigten

Königs-

und

Laurahütte,

A.-G.,

Laurahütte. v. Tiele-Winckler'sche Jnvalidenkasse, Kattowitz.

Versorgungskasse des Hörder Bergwerks- und Hüttenvereins, Hörde.

Arbeiterpensionskasse der Bismarckhütte, A.-G.

Pensionskasse der Graf Guido Henckel-Donnersmarck'schen Besitzungen, Tarnowitz. Pensionskasse der Isselburger Hütte. Unterstützungskasse für Witwen

und Waisen der Gewerkschaft von

Grillo Funcke und Co., Schalke. Pensionskasse der Zinkhütte Vielle Montagne, Oberhausen.

Pensionskasse der Sieg-Rheinischen Hütten, A.-G., Friedr. Wilhelms­ hütte, Menden.

16

I. Teil. Arbeiterpensionskasse der Herrschaft Beuthen-Simianowitz.

Pensions-

und

Unterstützungskasse

der

Gräflich

Schaffgot'schen

Zinkhütten. b) für Beamte.

Pensions-,

Witwen-

und

Waisenkasse

Gutehoffnungshütte,

der

A.-G., Oberhausen. Beamtenpensionskafle der Herrschaft Beuthen-Simianowitz.

Pensionskasse für Beamte der Donnersmarckhütte, A.-G., Zabrze.

2. In der Großersenindustrie. a) für Arbeiter und niedere Angestellte.

Invaliden-, Witwen und Waisenkasse der Lokomotivenfabrik Henschel und Sohn, Kassel.

Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse der Oberschlesischen Eisenbahn­ bedarfs A.-G., Friedenshütte. Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse der Eisen- und Stahlwerke der

Union, A.-G. zu Dortmund, Horst und HenrichShütte. Invaliden-, Witwen- und Waisenpensionskasse für Meister und Ar­

beiter der Eisenwerkgesellschaft Maximilianshütte, Lichtentanne. Pensionskasse für die Arbeiter der Firma Friedrich Krupp, A.-G.,

Essen. Pensionskasse

für

Angestellte

und

Arbeiter

der

Schraubenfabrik

Fr. Karcher & Cie., G. m. b. G., Beckingen a. Saar. b) für Beamte. Beamtenpensionskasse der Lokomotivenfabrik A. Borsig, Berlin.

Pensions-, Witwen- und Waisenkasse für die Angestellten der Firma Wolf Netter und Jacobi, Eisengroßhandlung,

Grob- und Fein­

blechwalzwerke, Straßburg.

Pensions-, Witwen- und Waisenkasse der Bergischen Stahlindustrie, Remscheid.

Pensions-, Witwen- und Waisenkasse der Gasmotorenfabrik Köln-Deutz. Pensions-, Witwen- und Waisenkasse der Röchling'schen Eisen- und Stahlwerke, G. m. b. H., Völklingen a. Saar. Versorgungskasse für die Beamten der A.-G. Görlitzer Maschinen­ bauanstalt und Eisengießerei.

17

Organisationsformen und Teilnehmerkreis.

Pensionskasse für die Beamten der Deutschen Waffen- und Munitions­ fabriken, Berlin. Beamtenpensionskaffe von Friedr. Krupp, A.-G., Essen.

3. In der Chemischen Großindustrie. Ernst Stelzer-Pensionskasse der Firma Th. Goldschmidt, Essen. Pensionskasse für Ausseher der Farbwerke vorm. Meister Lucius und

Brüning, Höchst a. M.

Pensionskasse für Arbeiter und Beamte der Chemischen Fabrik auf

Aktien (vorm. E. Schering) Berlin. Beamtenpensionskasse der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer und Co.,

Werk Leverkusen.

4. In Druckereien. Versorgungskasse für die Angestellten Schauberg,

Buchdruckerei

der Firma M. Du Mont

der

und Verlag

Kölnischen Zeitung,

Köln und Straßburg.

Jnvalidenkasse der Firma M. Du Mont Schauberg, Köln.

Pensionskasse für

die Redakteure

und

Beamten

der Frankfurter

Sozietätsdruckerei.

5. Im Verkehrsgewerbe. Pensions-, Witwen- und Waisenkaffe der Angestellten der Allgemeinen

Berliner Omnibus A.-GRuhegehaltskasse für die Angestellten der Großen Berliner Straßenbahn.

6. In sonstigen Industrie- und Gewerbebetrieben. Beamten- und Arbeiterunterstützungs- und Altersversorgungskasse der Hoffmannschen Stärkefabriken, Salzuflen.

Privatunterstützungskasse

für

die

Angestellten

und

Arbeiter

der

Fabriken von Dr. Heinrich Traun und Söhne, vorm. Harburger

Gummi Kamm Co., Hamburg und Harburg.

PensionS-, Witwen- und Waisenkaffe der deutschen Spiegelglas AG., Freden-Grünenplan.

Pensionskaffe der Beamten und Bediensteten der Münchener Rück­ versicherungs AG., München.

7. In Theaterbetrieben. Pensionsanstalt des Großherzoglichen Hoftheaters zu Koburg-Gotha.

Pensionsanstalt des Bremer Stadttheaters (Gustav Teichmannstiftung). Locwenfeld, Pensionskassen und Arbeitsvertrag.

2

18

I. Teil.

Pensionsfonds des K. Theaters zu Hannover.

Pensionsanstalt des Großherzoglichen Hof- und Nationaltheaters zu Mannheim.

Pensionsfonds des Großherzoglichen Hoftheaters zu Schwerin. Pensionsanstalt des Stadttheaters zu Straßburg.

Hostheater- und Hofmusik-Pensionsfonds zu Darmstadt.

8. Bei Orchestern. Ruhegehaltskasse des städtischen Orchesters in Magdeburg.

Pensionskasse für die Mitglieder des städtischen Orchesters zu Aachen. Pensionsanstalt für das städtische Orchester in Augsburg.

Pensionsanstalt des städtischen Orchesters in Köln. Ruhegehaltskasse des städtischen Orchesters Essen.

PensionS- und Unterstützungskasse des Frankfurter Opernhausorchesters.

9. In sonstigen städtischen betriebe».* 1) Pensionskasse für die Gemeindebediensteten der Stadt Eßlingen.

Pensionskasse für niedere Bedienstete und ständige Arbeiter der Stadt München.

Pensionskasse der städtischen Straßenbahn München. Pensionskasse der Stadt Altona. Versorgungskasse für die nicht pensionsberechtigten Bediensteten der

Stadt Nürnberg. Kranken- und

Jnvalidenkasse für

die

niederen

Bediensteten

und

ständigen Arbeiter der Stadt Regensburg.

Versorgungskasse für die nicht pensionsberechtigten Bediensteten der Stadt Erlangen. *) Die weitaus überwiegende Mehrzahl der Fürsorgekassen in städtischen Betrieben wird einseitig vom Arbeitgeber unterhalten. So in Aachen, Bamberg, Bayreuth, Berlin, BreSlau, Cannstadt, Cassel, Charlottenburg, Chemnitz, Crefeld, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Essen, Flensburg, Forst, Frankfurt a. M., Freiburg i. Br., Fürth i. B, Gießen, Gotha, Hagen i. W., Halberstadt, Harburg, Heilbronn, Heidelberg, Hildesheim, Höchst a. M., Karlsruhe, Leipzig, Ludwigshafen, Magdeburg, Mainz, Mannheim, Naumburg, Oberhausen, Offenbach, Pforzheim, Plauen, Posen, Potsdam, Rixdorf, Schöne­ berg, Spandau, Stettin, Straßburg i. E., Stuttgart, Trier, Ulm a. D., Wies­ baden, Worms, Zwickau. Das kommunale Pensionskassenwesen wird im übrigen einer Sonderuntersuchung unterzogen.

19

Organisationsformen und Teilnehmerkreis.

III. Eine Reihe großer Fiirsorgekassen sind errichtet nach § 86 deS

Krankenversicherungsgesetzes (Beispiele: Invaliden-, Witwen- und Waisen­ kasse für die gewerblichen Anlagen der Donnersmarckhütte A.-G.; Arbeiter­

pensionskasse der Firma Friedr. Krupp A.-G.). Andere zweiseitige Pensions­

kassen sind Vereine der Arbeiter, Beamten, Angestellten rc. mit der

Firma, wobei gewöhnlich einem Firnienvertreter der Vorsitz im Verein zusteht.

(Beispiele: Pensions-, Witwen- und Waisenkasse für Beamte

der Firma Kalle & Co., A.-G. Biebrich a. Rh., E. V.; Arbeiter­

Juristifche Personen sind eine große Anzahl

vereinigung Falkenau.)

von zweiseitigen Kassen.

Diejenigen, welche Rechtspersönlichkeit nicht

besitzen, haben aber in der Regel wenigstens eigenes Vermögen, das abgetrennt von

dem

Pensionskassenzwecken Stiftung

Firmenvermögen verwaltet wird verwendet werden

mit Beiträgen

der

Stiftung zur Unterstützung

Firma Ed. LaeiS & Co.,

darf.

Arbeitnehmer

arbeitsunfähig

Trier;

Auch

kommt

und

nur

die Form

vor.

gewordener

(Beispiel

Arbeiter

Orchesterpensionsanstalt

zu der

der

Chemnitz.)

Eine öffentliche Anstalt mit Körperschaftsrechten ist die Pensionsanstalt

des Hoftheaters in Mannheim, während die meisten übrigen Theaterpensionskasien selbständige Nebenfonds der Theaterkasse mit ober ohne

Rechtspersönlichkeit darstellen. IV.

Die

hältnisse

Genehmigungs-

und

Beaufsichtigungsver­

sind für die privaten Fürsorgekaffen neu geregelt durch

das Reichsgesetz betreffend die privaten Versicherungsunternehmungen

vom 12. Mai 1901, das einem Zustande großer Buntscheckigkeit sein Ende bereitet hat.*)

Dasselbe betrifft indes nach seinem

§ 1

nicht

Personenvereinigungen, die ihren Mitgliedern Unterstützung gewähren,

ohne ihnen einen Rechtsanspruch zu gewähren.

(Beispiel: Beamten­

pensionskasse der Frankfurter Sozietätsdruckerei.)

Die Beaufsichtigung

obliegt einer Reichsbehörde.

Nur wenn der Geschäftsbetrieb nach der

Satzung oder den sonstigen Geschäftsunterlagen auf das Gebiet eines u. st. waren maßgebend (vgl. im Detail Götze st. st. O. S. 13, 27, 131 ff.): Für Preußen: Allg. Landrecht für die Preußischen Staaten Tl. I Tit. 11 §§ 651, 652; Kabinettsordre vom 23. September 1833 (Preußische Ges.-Samml. S. 121); Gesetz betr. die gewerblichen Unterstützungskaffen vom 3. Februar 1854 (st. st. O. S. 138); Preuß. Strafgesetzbuch § 340 Ziff. 6; Neichsstrafgesetzbuch § 360 Ziff. 9. Für Bayern: Reichsstrafgesetzbuch § 360 Ziff. 9; Bayr. Polizei­ strafgesetzbuch Art. 2 Ziff 2; Zuständigkeitsverordnung vom 4. Januar 1872 § 4 (bayr. Regierungsblatt 1872 S. 25); Ministerialbekanntmachung vom 25. Juni 1898 Buchst. E Ziff. 3 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 347).

o*

20

I. Teil.

Bundesstaats beschränkt ist, ist sie Sache der Landesbehörde.

Auch in

diesem Fall kann nach § 3 des Gesetzes die Beaufsichtigung auf Antrag des Gliedstaats mit Zustimmung des Bundesrats durch kaiserliche Ver­

ordnung der Reichsbehörde übertragen werden?)

Andrerseits kann der

mit den beteiligten Landesregierungen

Reichskanzler im Einvernehmen

bestimmen, daß Unternehmungen, deren Geschäftsbetrieb sich zwar über das Gebiet eines Gliedstaats hinauserstreckt, aber sachlich, örtlich und

hinsichtlich des Personenkreises engbegrenzt ist, durch die Landesbehörde desjenigen Gliedstaats beaufsichtigt werden, in dessen Gebiet sie ihren Sitz haben.

§ 70

(§ 4.)

Als aufsichtsführende Reichsbehörde fungiert nach

das kaiserliche Aufsichtsamt für Privatversicherung in Berlin,

dessen Organisation und Geschäftsbetrieb das Gesetz detailliert regelt. Zur Erleichterung

seiner

Aufsicht

Bedarf

vom

des Geschäftsverkehrs

unterstehenden Reichskanzler

des Aufsichtsamts

Unternehmungen

im

Einvernehmen

können

mit

Landesregierung aus der Mitte der Landesbeamten

der

mit

jedoch

den nach

beteiligten

besondere Kom­

missare bestellt werden, welche im Auftrag und nach näherer Anord­

nung des Amts bestimmten Unternehmungen gegenüber mit der Aus­ übung der unmittelbaren Aufsicht betraut werden.

Als solche kommen

in Preußen in Betrachts die Regierungspräsidenten,

Polizeipräsident, Städten.

vertretungsweise

auch

die

Die zweiseitigen Fürsorgeeinrichtungen,

von rechtsfähigen Stiftungen organisiert sind,

in Berlin der

Oberbürgermeister

die in

von

der Form

bedürfen zu ihrer Ent­

stehung nach § 80 BGB. außer dem Stiftungsgeschäft der Geneh­ migung') des Bundesstaats, in dessen Gebiete die Stiftung ihren Sitz 1) Solche Verordnungen sind erlassen in bezug auf die Beaufsichtigung hessischer und bremischer privater Versicherungsunternehmungen vom 3. No­ vember 1902 (RGBl. 1902 S. 43), betreffend die Beaufsichtigung mecklenburgisch-strelitzscher und lippischer privater Versicherungsunternehmungen vom 13. Dezember 1904 (RGBl. 1904 S. 449). 2) Vgl. Verordnung vom 30. Juni 1901 (Preußische Ges.-Samml. S. 141). 8) Die Genehmigung ist hier, wie die Protokolle der II. Kommission (I, 589) hervorheben, nicht eine privcttrechtliche Willenserklärung des Staats, sondern Ausübung eines Staatshoheitsrechts. Sie kann also keinesfalls still­ schweigend, durch konkludente Handlungen, erfolgen. Das gleiche dürfte auch für die übrigen Kassenformen gellen. Im Gegensatz zu dieser Auffassung nimmt das LG. Essen im Urteil Lange u. Gen./Krupp vom 25. November 1909 an, daß die Kruppsche Pensionskasse bereits dadurch gültig genehmigt sei, daß der zuständige preußische Minister, der sich wiederholt Material über Pensionskassen verschaffte, sie bestehen ließ, bzw. nichts gegen sie unternahm.

21

Organisalionsformen und Teilnehmerkreis.

haben soll,

wobei

als Sitz der Stiftung

welchem die Verwaltung geführt wird, gilt.

im Zweifel

der Ort,

an

Die Genehmigung erfolgt

nach dem freien Ermessen der Staatsregierung bzw. des Bundesstaats.

Als Bundesstaat gilt nach Art. 5 EG. z. BGB. auch das Reichsland

Elsaß-Lothringen.

Die zuständige Behörde bestimmt das Landesrecht?)

Für die Fürsorgekassen,

die als juristische Personen des öffentlichen setzt § 89 BGB. die

Rechts, z. B. als Anstalten, organisiert sind,

gegenüber § 831 BGB. erweiterte Haftung der juristischen Person für

schädigende Handlungen deS Vorstands, eines Vorstandsmitglieds und

anderer

verfassungsmäßig

Schadensersatz

Vertreter

berufener

verpflichtende

Handlung

in

fest,

soweit

Ausführung

die

der

zum diesen

Personen zustehenden Verrichtungen begangen ist. V. Auch bei den Fürsorgekassen mit Beiträgen beider Kontrahenten

des Arbeitsvertrags kommt die Form der Versicherung bei Ver­ sicherungsgesellschaften vor.

In solchen Fällen müssen also die

Lohn- oder Gehaltsempfänger zu den Kosten der Versicherung beitragen.

(Beispiel: Fürsorgeeinrichtung für Invalide, Altersschwache und Hinter­ bliebene der Beamten und Arbeiter von Gebr. Hepner, G. m. b. H., Posen.) Häufiger ist jedoch die Organisation als Versicherungs­ verein auf Gegenseitigkeit, und zwar in der Regel dann als

„kleinerer Verein" im Sinne des § 53 des erwähnten Gesetzes vom 12. Mai

1901.

In

dieser

Weise

sind

sehr

bedeutende

Kassen

organisiert.

Beispiele:

Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse der Angestellten der HamburgAmerikanischen Paketfahrt-A.-G..

Arbeiterinvalidenkasse der Hamburg-Amerikalinie. Gebr. Arnold'scher Pensionsverein, Dresden.

Pensions-, Witwen- und Waisenkasse für die Angestellten der Deutschen Continental-Gasgesellschaft, Dessau.

Beamtenpensionskasse der Badischen Anilin- und Sodafabrik, Lud­

wigshafen. Pensions-, Witwen- und Waisenkasse für die Beamten der Stettiner

Maschinenbau-A.-G. Vulkan. Beamtenpensionskasse der Terrakottafabrik Villeroh & Boch, Mettlach. Frankfurter Theaterpensionsanstalt. *) Vgl. z. B. preuß. AVO. z. BGB. Art. 4, bayr. ZuständigkeitsVO. vmn 24. Dezember 1899 § 5.

22

I. Teil.

VI. Endlich sind von Unterarten der zweiseitigen Fürsorgekassen genossenschaftliche Organisationen zu erwähnen.

(Beispiel:

Pensionsverein

die

für

Einsiedel'schen

Gräfl.

Dorrn.

Werke, Gröba.) C. überwiegend aus Mitteln der Lohn- und Gehalts­

empfänger werden dotiert die Kassen der sog. gelben Arbeitervereine,

die aber auch regelmäßig werksseitige Zuschüsse empfangen. So zahlt z. B. die

Augsburg-Nürnberger

Maschinenfabrik,

Werk

Augsburg,

einen

Jahreszuschuß von 46 OOO As in die Kasse des „Arbeitervereins Werk

Augsburg". empfänger

Die meisten übrigen organisierten Lohn- oder Gehalts­

ziehen

es

vor,

durch

Stärkung

Organisationen sich vor den Fällen

ihrer

gewerkschaftlichen

der schwersten Not zu schützen.

Dementsprechend sind einseitig von ihnen unterhaltene Fürsorgekassen bei Einzelbetrieben zu den Seltenheiten zu rechnen.

Erwähnenswert

ist höchstens die schon mehr als ein Jahrhundert bestehende „Bruder­

büchse" (Alters-, Witwen- und Waisenzuschußkasse) der Arbeiter der Sensen­

fabrik Haueisen & Sohn bei Neuenbürg (Württemberg), über deren inte­

ressanten historischen Entwicklungsgang der Vorbericht zur 13. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlsahrtseinrichtungen Aufschluß gibt.

Neuerdings

hat

sich

mehrfach

zu

Pensionskassenzwecken

eine

Mehrzahl von Arbeitgebern zusammengefunden, entweder durch Gründung gemeinschaftlicher Kassen oder durch Über­

weisungsverträge (sog. Freizügigkeitskartelle). Als Beispiel für die erstere Art sei erwähnt der Gebr. Arnhold'sche Pensionsverein, dem 1909 20 Firmen angehörten?)

Der Pensions­

verein ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit.

Versichert sind

sämtliche männlichen und weiblichen Angestellten einschließlich der Vor­ standsmitglieder der

beteiligten

Firmen,

nicht

dagegen

zu

vorüber­

gehender Beschäftigung Angestellte und Arbeiter. *) Gebr. Arnhold, Dresden; Deutsche Bierbrauerei A.-G., Berlin; Deutsche Beton- und Sleinzeugwerke A.-G., Charlottenburg; Hofbierbrauerei Schöfferhof und Frankfurter Bürgerbrauerei A.-G., Frankfurt a. M.; Brauerei zum Feld­ schlößchen A.-G, Dresden; A.-G. Panzerkassen-, Fahrrad- und Maschinen­ fabriken Dorrn. H. W. Schladitz, Dresden; Automat A.-G., Dresden; H. Hen­ ninger, Reifbräu A.-G., Erlangen; Merot-Freres, Bierbrauerei und Weingroß­ handlung A.-G., Fentsch (Lothringen); Gebr. Gebier, Radebeul; Reichelbräu A.-G., Kulmbach; Sckloßbrauerei Kiel A.-G , Kiel;SchmidtL Gottschalk, Bautzen; Verein für Zellstofsindustrie A.-G., Dresden; Mitteldeutsche Bodenkreditanstalt, Greiz; Deutsche Gußstahl- und Maschinenfabrik A.-G., Schweinfurt; Bayer & Heinze, Chemnitz.

23

Organisationsformen und Teilnehmerkreis.

Einen etwas modifizierten Typus stellt dar die Jnvalidenpensionskasse für Maschinenfabriken und Gießereien der Stadt Chemnitz, der

26 Betriebe angehören?)

Während im Gebr. Arnhold'schen Pensionsverein Arbeitgeber wie Arbeitnehmer Mitglieder des Vereins sind, können hier nur Arbeit­

geber Mitglieder sein, die Arbeitnehmer dagegen bekommen nach drei­

jähriger Zahlung der Beiträge eine klagbare Pensionsberechtigung, ohne Mitglieder zu sein.

Das Forderungsrecht

auf

Pension

gegen den Verein, nicht gegen den einzelnen Arbeitgeber. Als Beispiel für einen Überweisungsvertrag diene

richtet

sich

endlich das

Oberschlesische Freizügigkeitskartell, dem bisher die Bismarckhütte, die Werke der Firma Borsig, Hüttenbetrieb angehören.

zu Unrecht.

die Kattowitzer A.-G. für Bergbau und

Das Kartell führt seinen Namen eigentlich

Das geht daraus hervor, daß dieselben Unternehmer, die

in ihm vereinigt sind, der Errichtung einer Zentralpensionsanstalt in

Schlesien, durch die eine wirkliche Freizügigkeit gewährleistet worden wäre, geschlossenen Widerstand entgegengesetzt haben, und zwar gerade

deshalb, weil ihnen eine derartige Zentralisierung des PensionSkassenwesens, auch innerhalb eines beschränkten Gebiets, nicht mehr ermög­

lichen würde, ihre Arbeiter durch die Wohlfahrt ans Werk zu fesseln. Das Kartell stellt eine durch gleichlautenden Statutennachtrag bei den

angeschlossenen Kassen zur Geltung zu bringende Vereinbarung dar, derzufolge bei Ausscheiden eines Arbeiters aus der Beschäftigung eines dem Kartell angehörenden Werks und Übertritt in ein ebensolches

Werk die gezahlten Beiträge an die Kasse des neuen Werks überwiesen

werden.

Eine derartige Einrichtung wäre an sich, wie zu zeigen sein

wird, geeignet, gewisse Härten des Pensionskassenwesens Die fraglichen Bestimmungen

sind aber derart

zu mildern.

verklausuliert?)

daß

eine tatsächliche Überweisung fast undenkbar ist, so daß infolgedessen nur

die Kehrseite der ganzen Sache, nämlich eine noch über die Bindung des

Arbeiters bei

einer

Einzelkasse

hinausgehende Verstrickung von

Versicherungsverhältnis und Arbeitsverhältnis bleibt. war demgemäß, daß dieses „Freizügigkeitskartell"

Die Konsequenz

von den Arbeitern,

denen ihre Freizügigkeit lieb war — und das waren die meisten — unbenützt blieb. *) Aufgezählt im Vorbericht für die 13. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen. 8) Vgl. Borbericht zur 13. Konferenz für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen.

24

I. Teil.

2. Kapitel.

Zwecke der fiirsorgekassen. Der äußere Zweck der Fürsorgekassen ist, zu

machen,

welche

sozialer Fürsorge.

das

Er

jeweilige

ist

durch

Statut

diejenigen Leistungen

vorsieht,

den Kreis

also

Betätigung

der fürsorgeberechtigten

Personen und die Statutenbestimmungen über die Leistungen gegeben. Die einschlägigen Bestimmungen lauten also regelmäßig sehr einfach.

So etwa bei einer Pensions-, Witwen- und Waisenkasse:

„Die Kasse hat den Zweck, nach Maßgabe des Statuts a) den Mitgliedern Invalidenrente,

b) den Witwen verstorbener Mitglieder Witwenrente,

c) den Waisen Waisenrente zu gewähren." Mitunter folgt dieser statutarischen Bestimmung noch ein kurzer

Passus, der das soziale Verständnis des Arbeitgebers schildert. Von dieser farblosen Zwecksetzung machen Ausnahmen nur einige

Unterstützungskassen, die von gelben Arbeitervereinen

unterhalten werden. setzungen.

im wesentlichen

Sie erfreuen sich zum Teil sehr kühner Zweck­

Ein Beispiel

genüge:

Der

Vaterländische Arbeiterunter­

stützungsverein Zittau *) bezweckt, wie seine Satzung sagt, „im Rahmen

der jetzigen Gesellschaftsordnung 1. den vaterländisch gesinnten Arbeitern die Möglichkeit des Zu­ sammenschlusses und einen Rückhalt gegenüber sozialdemokratischen Organisationen zu gewähren; T) Ähnliche, mehr oder weniger weit gehende Ziele verfolgen u. a. Arbeiter­ verein von Werk Augsburg; Arbeiterverein der Mechanischen Baumwollspinnerei und -Weberei Augsburg; Werkverein der Arbeiter und Arbeiterinnen der Am­ berger Emaillier- und Slanzwerke von Gebr. Baumann; Unterstützungsverein der Siemens-Schuckertwerke Berlin; Burbacher Hüttenverein; Arbeiterhilfskasse der Howaldtswerke Kiel; Arbeiterverein der R. Wolff'schen Werke MagdeburgBuckau; Arbeiterverein der Firma Schäffer & Budenberg Magdeburg-Buckau; Arbeiterverein von Friedr. Krupp A.-G. Grusonwerk Magdeburg-Buckau; Ar­ beiterverein der Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen; Arbeiterverein der Mechanischen Baumwollspinnerei und -Weberei Bamberg; Unterstützungsverein von Kabelwerk Oberspree der A.E.G.; Hüttenverein der Röchling'schen Eisenund Stahlwerke Völklingen a. Saar, sowie eine große Zahl von kleineren Ar­ beitervereinen mit insgesamt etwa 100 000 Mitgliedern nach den neuesten Zählungen.

25

Zwecke der Fürsorgekassen.

2. seine Mitglieder

bei Erkrankung,

in Sterbefällen, sowie bei

Arbeitslosigkeit infolge Betriebsstörung zu unterstittzen und für

seine Mitglieder und deren Angehörige Vergünstigungen auf dem Gebiete des Sparwesens, Bildungswesens und der Gesund­ heitspflege anzustreben; 3. die wirtschaftliche und soziale Hebung des Arbeiterstandes auf

friedlichem Wege zu versuchen, die Beziehungen zwischen seinen

Mitgliedern

und deren Arbeitgebern

freundlich zu gestalten,

das beiderseitige Vertrauen zu befestigen und dem gemeinsamen

Wohle zu dienen 2c."

Zur Erreichung dieser Ziele hält er es insbesondere für erforder­

lich, den Streikbruch offiziell zu organisieren.

besagt nämlich: zur

Lösung

§ 11 der Satzung

„Bricht im hiesigen Bezirk eine Bewegung aus, die

des

Arbeitsverhältnisses

von

Mitgliedern

der

sozial­

demokratischen Organisation führt, so hat der Vorstand alsbald Für­

sorge dafür zu treffen, daß den Vereinsmitgliedern die Möglichkeit der Fortsetzung der Arbeit sichergestellt wird.

Die Mitglieder können aber

nicht verlangen, daß sie in diesem Fall während der Dauer der Be­ wegung gerade in derjenigen Fabrik bleiben, wo sie bei Ausbruch der Bewegung gerade beschäftigt sind, weil dies möglicherweise nicht aus­ führbar sein würde." Sehen wir von solchen Organisationen ab, so ist klar, daß auch

der Zweck der übrigen Fürsorgekassen mit Bestimmungen, wie den oben

gezeigten, nicht überall erschöpft ist.

Vielfach stehen in Pensionskassen­

betrieben Arbeitgeber und Arbeitnehmer einander direkt feindlich gegen­

über.

Was sollte in einem solchen Fall den Arbeitgeber veranlassen,

etwa zu einer

schießen?

solchen Kasse 100 °/o der Arbeitnehmerbeiträge zuzu­

Das wird doch nur geschehen, wenn damit sehr erheblichen

Interessen des Arbeitgebers gedient ist und wenn die Opfer, die dem

Arbeitgeber dadurch auferlegt werden, in irgendeiner Weise wettgemacht werden.

Welchen Interessen des Arbeitgebers vor allem durch Pensions­

kassen und andere Wohlfahrtseinrichtungen gedient wird, darüber spricht sich der oftmals zitierte Artikel der Deutschen Arbeitgeberzeitung vom

9. Oktober 1904 aus: „Über die praktische Bedeutung der Arbeiterwohlfahrtseinrich­ tungen herrschen in den Kreisen des Unternehmertums zum Teil

recht irrige Ansichten.

So ist es denn wohl am Platz, auf diesen

Gegenstand noch einmal in möglichst unparteilicher Weise

26

I. Teil. einzugehen.

Die auf das Wohl der Arbeiterschaft gerichteten Be­

strebungen besitzen keineswegs einen reinen charitativen Charakter. Sie entspringen

vielmehr

politischer Art.

Außerdem unterscheiden

in

erster Linie

Erwägungen

sie

sozial­

sich

von

den Werken der freien Wohltätigkeit dadurch, daß

zwischen Gebern und Empfängern, d. h. also zwischen den Unternehmern und den Arbeitern, einGeschäftsverhältnis, also der Lohnvertrag, besteht, woraus

für den Geber die Möglichkeit erwächst, die Kosten

für die Wohlfahrtseinrichtungen aus den Empfän ger selbst abzuwälzen, indem er sie ihm vom Arbeitslohn abzieht die

Errichtung

Im allgemeinen liegen die Verhältnisse so, daß

von

Wohlfahrtseinrichtungen

Interesse der Arbeitgeber selbst bedingt wird.

gerade

durch

das

Mankanndem-

nach sagen, daß überall da, wo für Arbeitgeber ein

Vorteil aus solchen Wohlfahrtseinrichtungen nicht erwächst, deren Schaffung unterbleibt.

Hieraus in erster

Linie erklärt sich die große Verschiedenheit in den von den einzelnen Arbeitgebern zu den genannten Zwecken gemachten Aufwendungen.

. . . . Natürlich ist es eine durchaus berechtigte Handlungs­ weise, wenn die Arbeitgeber solcherart Wohlfahrtsein­ richtungen zum Zwecke der Streikabwehr benutzen.

Nur

kann man alsdann solche Einrichtungen nicht mehr als Ausfluß

einer uneigennützigen Denkweise hinstellen, sondern muß sie als

ein nach Lage derDinge gewiß außerordentlich loyales und darum auch politisch wertvolles Mittel zum Zweck der Streikabwehr bezeichnen. Immerhin ist von diesem Gesichtspunkt

aus die Errichtung von Arbeiterwohnungen und Pensionskassen in

humanitärer Hinsicht keineswegs höher einzuschätzen, als zum Beispiel

die Errichtung von Arbeitsnachweisen durch die Arbeitgeber. Leider können sich zu der Erkenntnis, daß solche Arbeitsnachweise ebenso wie

Pensionskassen und Arbeiterwohnungen die Eigenschaft besitzen, gleich­ zeitig Einrichtungen zum Wohl der Arbeiter und Mittel zur Be­

kämpfung frivoler Arbeitseinstellungen und deshalb einander gleich­ wertig zu sein, gerade solche Arbeitgeber nicht durchringen, die ihre

Arbeiter in eigenen Wohnungen untergebracht haben. Sie halten viel­

mehr an dem Wahne fest, daß die Errichtung von Fabrikwohnstätten nicht nur eine besondere Sicherung gegen die Streikgefahr bietet,

27

Zwecke der Fürsorgekassen.

sondern daß sie vor allem die Leiter der Betriebe als besonders Die Arbeitgeber müssen ein­

wohltätige Leute hinstellen sehen lernen,

daß Arbeitsnachweise, Pensionskassen und Arbeiter­

wohnungen, sobald sie von den Arbeitgebern eingerichtet und ver­ waltet werden, Institutionen darstellen, die zwar den Arbeitern

zum Vorteil gereichen, zugleich aber auch in nachhaltiger Weise den Interessen der Arbeitgeber dienen."x)

Wie kann nun die Pensionskasse in der hier erwähnten Weise am besten als „Mittel zur Bekämpfung frivoler Arbeitseinstellungen" be­

nützt werden?

Am leichtesten dann, wenn der Arbeitnehmer nichts zur

Erhaltung der Kasse leistet-

Dann steht es nämlich dem Unternehmer

unter allen Umständen frei, bei Eintritt bestimmter Tatbestände die Kasse­

leistungen einzustellen.

Gewöhnlich sind die Tatbestände, bei denen ein

solcher Rechtsverlust eintritt, satzungsmäßig festgelegt.

Bei einer Anzahl

von Kassen, die nur der Arbeitgeber dotiert, ist jedoch das Verfahren

vereinfacht, indem von vornherein

kein

klagbarer Anspruch

gewährt

wird, sondern alles dem Ermessen des Arbeitgebers überlassen bleibt. Bei Kassen mit Beiträgen der Lohn-

Fehlen des Rechtsanspruchs selten.

und Gehaltsempfänger ist das

In der Regel bestimmt hier die

Satzung, wann Verlust des Pensionsanspruchs, Beitragsversall rc. ein­ treten kann.

Doch kommen auch zweiseitige Fürsorgekassen vor, die

einen Rechtsanspruch nicht gewähren.

(Beispiele: Arbeiterstiftung der

Firma Ed. Laeis & Co. Trier; Beamtenpensionskasse der Frankfurter Sozietätsdruckerei).

Die häufig vorkommende Tendenz der einseitigen

’) Ähnliche Gedankengänge find in einer Rede zu finden, die Herr Steller, Generalsekretär des Jndustriellenvereins für den Reg.-Bez. Cöln, auf dem Ver­ bandstag der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte im September 1910 gehalten hat: „Daß die Wohlfahrtseinrichtungen der Unternehmer sich immer nur auf ihre eigenen Angestellten und Arbeiter beziehen, ist selbstverständlich. Sie wollen nicht etwa allgemeine Menschenfreundlichkeit üben, sondern nur für diejenigen Leute, die in ihren Betrieben tätig sind. Sie wollen daraus natürlich auch für sich einen Nutzen haben, indem sie sich einen Stamm von Ar­ beitern heranziehen. Vom Landgericht in Essen ist anerkannt worden, daß darum die Kassen doch Wohlfahrtseinrichtungen seien. Für den Selbstzweck des Unternehmens bringt der Unternehmer Opfer und es ist logisch und vernünftig, daß auch die Angestellten und Arbeiter dafür Opfer bringen. Aus purer Menschenfreundlichkeit macht man keine Geschäfte, aber wenn der Unternehmer menschenfreundlich gesinnt ist und eine solche Kasse ins Leben ruft, dann tut er jedenfalls ein gutes Werk, von dem alle diejenigen Nutzen ziehen, die zum Betriebe gehören."

28

I. Teil.

Kassen, aus den Arbeitnehmer unter Umständen vermittels der Wohl-

sahrt einen Druck auszuüben, steht sest.

So besagt z. B. das Statut

der Arbeiterpensions-, Witwen- und Waisenkasse der Bergischen Stahl­

industrie in Remscheid in § 15: „Die einmal bewilligte Pension, das Witwen- und Waisengeld, kann auch jederzeit geändert oder wieder ent­

zogen werden, namentlich aus Gründen, die in der Person der Pensions-, Witwen- oder Waisengeldempfänger liegen."

Weiter sei erwähnt

die nur von der Firma dotierte Kasse von Siemens & Halske, A.-G.,

Berlin.

Ihr Zweck ist nach § 1

des Statuts,

„den Beamten und

Beamtinnen, Arbeitern und Arbeiterinnen bei eintretender Invalidität eine Pension zu gewähren und im Bedürfnisfall deren Ehefrauen und

Kinder

ehelichen

unter

14 Jahren auch nach dem Tode des Pen-

fionsberechtigten zu unterstützen, solange deren Hilfsbedürftigkeit andauert

und

die

verfügbaren Mittel

ausreichen".

§ 11

des Statuts führt

als Verlustgrund der Pensionsberechtigung u. a. auf:

Invalidität aufgehört hat, der Firma anzugehören".

a)

„wer vor

Im Hinblick auf

diese Bestimmung sagt Werner von Siemens in seinen Lebenserinne­

rungen,

die Kasse sei begründet worden,

„um ein

freudiges

selbst­

tätiges Zusammenwirken aller Mitarbeiter zur Förderung der Inter­

essen der Firma erwirken zu können.

Beamte und Arbeiter betrachten

sich als dauernd zusammengehörig zur Firma und identifizieren die

Interessen

derselben mit ihren eigenen.

Beamte ihre Stellung wechseln,

Firma gesichert sehen.

erhalten, steigt

Es kommt selten vor, daß

da sie ihre Zukunft im Dienste der

Auch die Arbeiter bleiben dem Geschäfte dauernd

da die Pensionshöhe

mit

der

ununterbrochenen Dienstzeit

Man hat dieser Einrichtung den Vorwurf gemacht,

daß sie den Arbeiter zu sehr

an die Arbeitsstelle binde, weil er bei

seinem Abgänge die erworbenen Anrechte verliert.

Es ist dies ganz

richtig, wenn die darin liegende Härte auch dadurch sehr gemildert wird, daß bei Arbeiterentlassnngen wegen mangelnder Arbeit jeder Arbeiter

einen Schein erhält, der ihm ein Vorrecht zum

fremden Arbeitern gibt.

Wiedereintritt vor

Freilich, die Freiheit zu streiken, wird

dem Arbeiter durch die Pensionsbestimmuugen wesentlich be­

schränkt, denn bei seinem freiwilligen Austritte verfallen statutenmäßig seine Altersrechte. Es liegt aber auch in beiderseitigem Interesse, daß sich ein fester Arbeiterstamm der Fabrik bildet, denn nur dadurch wird diese befähigt, die Arbeiter auch in ungünstigen Zeiten zu erhalten und ihnen auskömmlichen Lohn zu zahlen. Jede größere Fabrik sollte eine

29

Zwecke der Fürsorgekassen.

solche

Pensionskasse bilden, zu der die Arbeiter nichts

beitragen,

die

sie

aber

trotzdem

natürlich unter Kontrolle der Firma. ließe sich

der

Streikmanie,

verwalten,

selber

Auf diese Weise

welche die

Industrie

besonders die Arbeiter selbst schwer schädigt,

und

am besten

entgegentreten." Analoge

Bestimmungen

enthalten

z. B.

die Kassestatuten

der

Siemens-Schuckert Werke, der Handelsgesellschaft Schrödersche Papierfabrik Golzern, der Chemischen Werke H. & E. Albert Amoeneburg, der Firma

W. Spindler-Spindlersseld, der Firma Schlikker & Söhne-Schüttdors.

Das Statut der Kaiser Wilhelm- und Augustastistung der Farb­ werke Meister Lucius & Brüning in Höchst a. M. sagt in § 23: „durch

den freiwilligen oder gezwungenen Austritt aus der Beschäftigung bei den Inhabern der Firma geht für die Mitglieder jegliches Anrecht an

die Kaiser Wilhelm- und Augustastistung verloren".

Das wurde zu

folgendem Rundschreiben benützt: Höchst a. M., 27. April 1906.

„Kaiser Wilhelm- u. Augustastistung für Arbeiter-Invaliden, -Witwen u. Waisen der Farbwerke vorm. Meister LuciuS & Brüning, Höchst a. M. P. PEs ist uns bekannt geworden, daß auswärtige Agitatoren bemüht sind, Unzufriedenheit bei der Arbeiterschaft der Farbwerke hervor­

zurufen und dieselbe, wenn möglich, in eine Streikbewegung zu treiben.

Wenn wir auch in keiner Weise Stellung zu diesen Bestrebungen zu nehmen haben, halten wir es doch für unsere Pflicht, die Mit­

glieder unserer Stiftung daran zu erinnern, daß nach § 23 der Stiftungsstatuten dasjenige Mitglied, welches den Dienst der Farb­ werke— einerlei auf welche Dauer — verläßt, seine Pensions­

ansprüche an unsere Stiftung verliert, und daß weder

die Farbwerke, noch wir in der Lage sind, bei einem eventuellen Wiedereintritt das verlorene Pensionsrecht wieder aufleben zu lassen. Der Vorstand

der Kaiser Wilhelm- und Augustastistung."*) ’) Aus Quarck „Profit und Arbeit in der Chemischen Großindustrie" Han­ nover 1907 S. 23. Infolge der Reichstagsverhandlungen von 1909 veröffent­ lichte die Firma Meister Lucius und Brüning in Nr. 11 der Zeitschrift „Die

30

I. Zeil.

Bei zweiseitigen Kassen ist dieselbe Tendenz allgemein zu kon­ statieren.

Auch hier kommt massenhaft die Bestimmung vor, daß bei

Austritt aus dem Betrieb die erworbenen Ansprüche verloren gehen?) AIS privat strafrechtlich kann diese Tendenz bezeichnet werden da,

wo bei normalem Abgang vom Betrieb Rechtsverlust, aber Beitrags­ erstattung, für bestimmte, vom Arbeitgeber perhorreszierte Tatbestände jedoch auch Beitragsverlust statuiert ist.

Beispiele: Die Kasse der chemischen Fabrik auf Aktien (Dorrn. E. Schering) zu Berlin (für Beamte und Arbeiter) erstattet bei Ausscheiden aus dem Betrieb durch Kündigung, Entlassung seitens der Firma, Krank­ heit, Arbeitsmangel rc. 75°/o der geleisteten Beiträge zurück. Die Beitragserstattung unterbleibt bei rechtswidriger Täuschung der Kasse,

Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Entlassung wegen mutwilliger Sachbeschädigung, absichtlicher Herbeiführung der Dienstunfähigkeit, Verrat von Betriebseinrichtungen oder Geschäftsgeheim­

nissen irgend welcher Art, sei es durch Wort, Schrift oder Zeichnungen, Versuch eines solchen Verrats, Verurteilung zu einer mehr als 3 monatlichen Freiheitsstrafe, Entlassung auf Grund

der W 72 Ziff. 1, 2, 4 HGB.,

133 c Ziff. 1, 2, 3, 5, 6, 123

Ziff. 1—6 GO. Ferner Verlust des Anspruchs auf weiteren Bezug der Pension bei mittelbarer oder unmittelbarer Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen ohne Zustimmung des Vor­ standes der Chemischen Fabrik (nicht der Kasse!), bei direkter

oder indirekter Beteiligung an Bestrebungen oder Unter­ nehmungen, die den Interessen der Chem- Fabrik auf Chemische Industrie" einen Artikel, in welchem sie den Erlaß des Rundschreibens zugibt und bemerkt, es sei in der angegebenen Form erlassen worden, „weil die Verwaltung es nicht für ihr Recht, sondern auch für ihre Pflicht hielt, die Arbeiter, die damals durch auswärtige Agitatoren stark verhetzt wurden — es handelte sich um eine starke Zunahme der gewerkschaftlichen Organisationen — auf den eventuellen Verlust ihrer Ansprüche aus Pension usw. hinzuweisen, der mit dem Ausscheiden aus der Fabrik bestimmungsgemäß verbunden ist."

*) So z. B. Donnersmarkhütte; Hamburg-Amerikanische Pakeifahrt, A.-G.; Sieg-Rheinische Hütten A.-G., Menden; Hörder Bergwerks- und Hüttenverein; Zinkhütte Vielte Montagne, Oberhausen; Gewerkschaft Grillo, Funke & Co., Schalke; Isselburger Hütte; Henschel & Sohn, Cassel; Bismarckhütte, A.-G.; Großherzogl. Hoftheater zu Koburg-Gotha; Stadttheater zu Bremen und Straßburg.

31

Zwecke der Fürsorgekassen.

Aktien zuwiderlaufen, bei Weigerung, im Falle der Wiederarbeits­ fähigkeit die früheren oder ähnlichen Funktionen in der Chem. Fabrik

mit dem zuletzt bezogenen Gehalt oder Lohn wieder aufzunehmen. Die Beamtenpensionskasse der Deutschen Continentalgasgesellschaft Dessau erstattet die Beiträge mit 3 °/o Zinsen zurück.

Bei Verlust der

bürgerlichen Ehrenrechte, Erlangung einer Pension durch betrügerische Mittel oder Versuch derselben,

Vorliegen eines der Tatbestände des

§ 72 Ziff. 1, 2, 4 HGB. tritt indes Beitragsverfall ein. Bei der Arbeiterinvalidenkasse der Hamburg-Amerikalinie wird der

Pensionsanspruch unter Verlust der Beiträge verwirkt bei vorsätzlicher

Herbeiführung der Dienstunfähigkeit, ferner wenn die Dienstunfähigkeit bei Ausführung eines strafgerichtlich festgestellten Verbrechens oder Ver­

gehens erworben worden ist, ferner werden die Beiträge nicht erstattet

bei Kontraktbruch und bei äußeren Anlaß.

Ausscheiden aus

der

Kasse ohne

Bei freiwilligem oder unfreiwilligem Ausscheiden

aus der Firma werden

sonst in steigender Skala

75—100 °/o

der

Beiträge zurückerstattet.

Die Beamtenpensionskasse der Badischen Anilin- und Sodafabrik erstattet bei Ausscheiden die Beiträge voll

zurück.

Die Erstattung

unterbleibt bei Ausscheiden wegen Verurteilung zu mehr als 3monatl. Freiheitsstrafe

oder Verlust

der bürgerlichen Ehrenrechte

auf Grund

gemeinen Verbrechens oder Vergehens, wegen eines Tatbestandes des

§ 72 Ziff. 1, 2, 4 HGB., wegen rechtswidriger Täuschung der Kasse oder Versuch derselben, wegen mehr als dreimonatlichen Rückstands in

der Beitragszahlung über den Fälligkeitstermin hinaus. Auch bei Wegfall der Ansprüche auf Pension findet Beitragserstattung nicht statt. Wegfall erfolgt bei absichtlicher Herbeiführung der Dienstuntauglichkeit, Wieder­

arbeitsfähigkeit,

ferner

wenn

pensionsberechtigte

Mitglieder

in

ein

anderes Dienstverhältnis treten oder sich durch regelmäßige Beschäfti­ gung anderweitig Erwerb verschaffen,

ebenso

wenn

pensionierte

Kassenmitglieder, Witwen oderKinder ohne Zustimmung des Kassevorstands in ein außereuropäisches Land aus­

wandern, bei Witwen durch Wiederverheiratung, bei Waisen durch

Ablauf des 17. Lebensjahrs. Die Hildegard

Monteure,

zurück.

Beamte)

Bleichert-Kasse in Leipzig-Gohlis

(für

gewährt ebenfalls

Beiträge

die

geleisteten

Arbeiter,

voll

Die Beitragserstattung wird verwirkt, wenn ein Mitglied seine

Arbeitsunfähigkeit durch eine grobe Schuld, durch vorsätzliche Verletzung,

32

I. Teil.

durch schuldhafte Beteiligung an Schlägereien oder Raufhändeln, durch Trunksälligkeit oder durch geschlechtliche Aus­ schweifungen verursacht hat, wenn ein Mitglied Eigentum der

Firma veruntreut oder die Firma wissentlich geschädigt hat, wenn eine im Genuß der Pension stehende Person einen un­ moralischen Lebenswandel sührt oder dem Trünke ergeben ist. Der Gebr. Arnhold'sche Pensionsverein versagt die Beitrags­ erstattung bei Entlassung aus „Gründen, welche die beschäftigende

Firma zur sofortigen Aufhebung des Dienstverhältnisses berechtigen", während es sonst nach § 38 Abs. 1 seines Statuts sämtliche Beiträge, Eintrittsgelder und Gehaltserhöhungsbeiträge ohne Zinsen zurückerstattet. Bei der Versorgungskasse für die Angestellten der Buchdruckerei von M. Du Mont-Schauberg, Straßburg und Köln, findet bei Aus­ scheiden aus der Kasse Beitragsrückgewähr statt. Ohne Erstattungs­

anspruch verliert die Versorgungsberechtigung (auch mit Wirkung für die Angehörigen):

1. wer sich eines entehrenden Verbrechens oder

Vergehens schuldig macht; 2. wer eine anderweitige Erwerbs­ tätigkeit ohne die erforderliche Zustimmung des Vor­ stands übernimmt oder sortsetzt. Die Zustimmung des Vorstands ist

während des ersten Jahres nach dem Ausscheiden ausdrücklich nachzusuchen und kann ohne Angabe von Gründen versagt oder zurückgenommen werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Übernahme einer neuen Erwerbstätigkeit dem Vorstand an­ zuzeigen.

Dieser kann durch begründeten Beschluß die Auf­

nahme oder Fortsetzung der Tätigkeit untersagen, wenn

sie geeignet ist, die Firma in ihrem Erwerb oder Ruf zu schädige»; 3. Verlust des Anspruchs aus Witwengeld bei offen­

kundig

unsittlichem

Lebenswandel,

Begehung

eines Ver­

brechens oder Vergehens, Eingehung einer neuen Ehe. Die Arbeiterpensionskasse der Lokomotivenfabrik Henschel & Sohn, Cassel, erstattet bei Ausscheiden nach Ablauf der Wartezeit (5 Jahre) 2/s der Beiträge zurück. Keine Erstattung findet statt, wenn ein Mitglied gegen die Kasse nachweislich Betrug verübt, wenn ein Mit­

glied zu einer Strafe verurteilt wird, die mit Verlust der bürgerlichen

Ehrenrechte verbunden ist, wenn ein Mitglied die Firma nach­ weislich mit Wissen geschädigt hat oder sich sonst in schwerer Weise gegen die Firma vergeht, endlich wenn die

Invalidität die Folge eines schweren Verbrechens ist.

33

Zwecke der Fürsorgekassen.

Die Großherzogliche Hostheaterpensionskasse zu Coburg-Gotha er­ stattet bei Vertragsablauf oder Kündigung durch die Intendanz bei weniger als 7jähriger Mitgliedschaft 1/s, bei mehr als 7 jähriger Mit­ gliedschaft a/3 der Beiträge zurück. Bei Kündigung im ersten Jahre, gleichviel von welcher Seite, wird immer 1i» zurückerstattet.

Die Er­

stattung unterbleibt bei Rückständigkeit in der Beitragszahlung für mehr als 2 Monate, bei Vergehen gegen die Theatergesetze oder das Engagement, die die Auflösung desselben zur Folge

haben, bei Zuchthausstrafe und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte,

bei Annahme einer neuen Stellung nach Pensionierung ohne Genehmigung des Verwaltungsausschusses. Die Ruhegehaltskasse des städtischen Orchesters Essen erstattet bei Entlassung eines Mitglieds, sowie bei freiwilligem Austritt nach zehn Dienstjahren 75 °/o der Beiträge zurück. Die Erstattung unterbleibt bei grober Dienstwidrigkeit, unsittlichem Lebenswandel, selbstverschuldeter oder fälschlich angegebener Dienstunfähigkeit.

Das Statut der Pensions- und Unterstützungskasse des Frank­ furter Opernhausorchesters sieht u. a. bei Beitragsrückstand, entehrender

Strafe Beitragsverlust vor, während es für den Fall der Kündigung seitens der Direktion Beitragserstattung vorschreibt. überall greift hier also beim Vorliegen der aufgeführten Tat­

bestände Privat strafe ein.

Daß es sich um eine solche, und nicht

etwa um eine versicherungstechnische Notwendigkeit handelt, geht aus der in allen von mir befragten Betrieben numerisch überaus geringen Bedeutung der fraglichen Tatbestände hervori1)

Firma

Große Berliner Straßen­ bahn ............................... D on nersmarckhütte .... Bismarckhülle ................... von Tiele-Winkler'sche Jnvalidenkasse................... Dr. Heinr. Traun Söhne . Bergische Stahlindustrie .

Durch Kon­ trakt­ bruch

Aus anderen Gründen (Austritt zu Fachschulen, strafbare Hand­ lungen re.

113 — 284

— 15

10 —

1 116 22

6 27 3

19 8 2

Gesamtabgang 1909

Davon auf Grund eigener ordnungSmäkiger Kündigung, Austritts zumMilltär, Tod, Pensionierung, Krankheit, Arbeits­ mangel 2C.

Auf Grund von Ent­ lassung durch die Firma (mit oder ohne Kündi­ gung)

419 556 3087

307 546 2790

104 414 232

95 281 188

*) Die folgenden Angaben verdanke ich durchwegs den Firmenleitungen. Locwcnfeld, Pensionskassen und Arbeltsvertrag.

3

34

I. Teil.

Firma

Gesamtabgang 1909

Davon auf Grund eigener ordnungs­ mäßiger Kündigung, Austritts zumMilitär, Tod. Pensionierung, Krankheit, Arbeits­ mangel 20.

Auf Grund von Ent­ lassung durch die Firma (mit oder ohne Kündigrmg)

Durch Kon­ trakt­ bruch

50



AuS anderen Gründen (Austritt zu Fachschulen, strafbare Hand­ lungen 20.

Siemens-Schuckert Werke .

635

579

Höchster Farbwerke (Meister Lucius & Brüning) . . .

2784

2784

Phoenix, A.-G. für Berg­ bau und Hüttenbetrieb, Schachtanlage Holland .

1688

1548

55

31

54

Schraubenfabrik Fr.Karcher, Beckingen ......................

256

195

20

40

1

Borfigwerk, GrubeHedwigswunsch, Biskupitz ....

1594

1462

40»)

70

22

Kruppsche Verwaltung der Zeche Hannover.............

1143

1028

62

36

17

GewerkschaftKaiserFriedrich

866

827

8

17

14

Essener Bergwerksverein König Wilhelm.............

1748

1619

53

74

2

Steinkohlenbergwerk Loth­ ringen bei Bochum . . .

1254

1209

18

27

Steinkohlenbergwerk Graf Bismarck.........................

2911

2439

190

62

220

Gewerkschaft Constantin der Große, Bochum.............

2798

2290

345

47

116

GewerkschaftEwald, HertenRecklinghausen .............

4564

3871

133

246

314

München-Dachauer A.-G. für Maschinen-Papierfabrikation......................

303

184

34

82

3

Arenbergsche A.-G. für Bergbau und Hütten­ betrieb, Essen................

4477

3856

184

82

405

OberschlesischeEisenindustrie Gleiwitz, Abteilung für Drahtwaren, Eisenwerke Herminenhütte u. JulienHütte ................................

3138

2780

168

157

33

9 Davon 5 durch Austritt zu Fachschulen. s) Alle als Galizier durch landespolizeiliche Verordnung.

6')

35

Zwecke der Fürsorgekassen.

Zur Erläuterung dieser Zahlen ist zu erwähnen, daß in Berg­ werksbetrieben, deren Material hier wegen seiner Massenhaftigkeit nicht annähernd aufgeführt werden kann,

die Angaben der Werksinhaber

Denn viele Arbeiter

über Kontraktbruch sehr mit Reserve zu lesen sind.

werden im Bergbau als kontraktbrüchig gekennzeichnet, ohne es wirklich

zu sein?) ist

Wie ferner ein Vergleich zwischen Rubrik 1 und 2 zeigt,

allerorten

die

überwiegende

Mehrzahl

ordnungsmäßigen Gründen abgegangen.

Ausscheidenden

der

aus

Nimmt man in der Rubrik

der infolge Entlassung durch die Firma Ausscheidenden ein nur an­ nähernd ähnliches Prozentverhältnis zwischen kündigungsloser und ord­ nungsmäßiger Entlassung

an, dann vermindern sich die Zahlen, die

bei den eben aufgeführten Pensionskassenbetrieben für versicherungstech­

nische Notwendigkeit der Privatstrafen etwas beweisen könnten, noch mehr. Noch weiter verschieben sie sich zu ungunsten dieses Arguments, wenn

man bedenkt, daß in der Rubrik „Entlassung durch die Firma" auch

diejenigen aufgeführt werden mußten, die nach eigenen anderen Be­ triebsanlagen verlegt wurden,

da die befragten Firmen in ihren An­

gaben in dieser Richtung keine strenge Scheidung machten (die Zahl derselben betrug z. B. bei der Gewerkschaft „Constantin

der Große"

nach der Angabe der Firma 285 von 345).

Einer besonderen Erläuterung bedürfen die mir zuteil gewordenen In ihnen spielt eine auffallend

Angaben der Hamburg-Amerikalinie.

hohe Rolle der Kontraktbruch (bei einem Gesamtabgang von 6420 Mann im Jahre 1909 1590 durch Kontraktbruch).

aus dem Von

in Seetransportbetrieben

den 13913 Kassemitgliedern,

Gesellschaft

im Jahre 1909

Dies erklärt sich jedoch

eigentümlichen die

aufweist,

Arbeitsverhältnis.

die Arbeiterinvalidenkasse der sind nach

den

Angaben

der

Firma nur 1300 Landangestellte, über 12000 Seeleute. Ist nun eine Reise beendigt, so wird abgemustert. Die Arbeiter verlassen aber nicht

definitiv den Dienst der Firma, sondern werden nur auf vier Wochen beurlaubt.

Wer will, kann

allerdings

Arbeit

auf

anderen Schiffen

x) Vgl. hiezu z. B. Reichstagsverhandlungen vom 29. Januar 1909; Pieper, Die Lage der Bergarbeiter im Ruhrrevier, insbesondere S. 126; Theod. Lo ewenfeld, Kontraktbruch und Koalitionsrecht, Arch. f. soz. Gesetzgebung und Statistik Bd. III S. 436 ff.; Lotmar, Die Verrufserklärung Vertrags­ brüchiger Arbeiter durch den Zechenverband, Soz. Praxis vom 29. Oktober 1908; Oertmann, Die Zulässigkeit der Satzungen des Zechenverbandes in EssenRuhr, Arch. f. bürgerl. Recht XXXIII, S. 221 ff.; Zimmerm ann, „Schwarze Listen als Erziehungsmittel", Soz. Praxis vom 28. Januar 1909 re. 3*

36

I. Teil.

während oder nach dieser Zeit bekommen. Will aber einer sich verändern, so löst er nicht den Vertrag, sondern mustert einfach nicht wieder an.

Schärfer, als die vorerwähnten Kassen, die für die überwiegende Zahl aller Fälle des Ausscheidens die Beiträge zurückerstatten und nur

bei

ganz

bestimmten

Tatbeständen

das

ausscheidende Mitglied

mit

Strafe treffen, gehen diejenigen vor, die durch Bedrohung mit Verlust

der Anwartschaft und Beitragsverlust generell eine Erziehung der Lohn- oder Gehaltsempfänger in gewissen, von ihnen gewünschten Rich­

tungen anstreben

und daher auch für die Fälle des ordnungsmäßigen

Ausscheidens und für Betätigung bestimmter Gesinnung oder für be­

stimmte Handlungen diesen Verlust vorsehen.

Bei drohung

einer

Reihe von Tatbeständen rechtfertigt

allerdings

aus

der

Sicherung

des

sich

die Straf­

Kassebetriebs.

Hieher gehören z. B. Ausschluß aus der Kasse bei Erlangung einer

Pension

durch betrügerische Mittel oder Versuch einer

solchen,

also

durch Simulation oder durch wissentlich falsche Angaben vor dem Ver­ trauensarzt der Kasse, durch wissentlich falsche Angaben bei Begründung

des Unterstützungsgesuchs rc., ferner bei Verübung anderer Betrügereien, überhaupt bei rechtswidriger Schädigung der Kasse?)

Auch Rechtsverlust bei absichtlicher Herbeiführung der Dienstunsähigkeit?) kann aus dem Wesen der Versicherung erklärt werden, ebenso

der Fall, daß der Unterstützungsbedürftige sich seine Invalidität bei Begehung eines gerichtlich festgestellten Verbrechens zugezogen hat?) Das gleiche trifft ferner zu für Rückstand in der Beitragsleistung nach erfolgter Mahnung.

Dabei ist die Zeit, die ein Mitglied im

*) So z. B. Gasmolorenfabrik Köln-Deutz; Wolf, Netter L Jacobi, Straß­ burg; Gutehoffnungshütte Oberhausen; Röchling'sche Eisen- und Stahlwerke, Völklingen a. Saar; Lokomotivenfabrik Henschel & Sohn, Cassel; Bergische Stahlindustrie, Remscheid; Hamburg-Amerikanische Paketfahrt A.-G.; SiegRheinische Hütten A.-G., Menden; Hörder Bergwerks- und Hüllenverein; Bismarckhülle; Vereinigte Königs- und Laurahülle; Hof- und Nationaltheater Mannheim; Ed. Laeis & Co., Trier; Schäffer & Budenberg, G. m. b. H., Magdeburg-Buckau; Deutsche Spiegelglas-A.-G, Freden-Grünenplan; Lokomotivenfabrik A. Borsig, Berlin; Zinkhütte Vieille Montagne, Oberhausen; Eisenund Stahlwerke der Dortmunder Union; Villeroy & Boch, Mettlach. *) So z. B. Th. Goldschmidt, Chem. Fabrik, Essen; Münchener Rück­ versicherungsgesellschaft; Arbettervereinigung Falkenau; Hörder Bergwerks- und Hüttenverein; Schäffer L Budenberg, G. m. b. H., Magdeburg-Buckau; Bremer Stadttheater (Gustav Teichmann-Stiftung). 3) z. B. beim Pensionsverein der vorm. Gräff. Einsiedel'schen Werke, Gröba.

Zwecke der Fürsorgekassen.

37

Rückstand gewesen sein muß, um seine Ansprüche einzubüßen, ver­ schieden bemessen?) Endlich ist es erklärlich, daß bei vielen Kassen eine Witwenpension nicht geleistet wird, wenn die Ehe schon vor dem Tode des Mannes aus dem Verschulden der Frau geschieden war?) Sehr wohl zu unterscheiden von rechtswidriger Täuschung sind die Tatbestände, die in verschiedenen Kassenstatuten’) als wissent­ liche Schädigung, nachweisliche Schadenszufügung, schweres Vergehen gegen die Firma u. dgl- vorkommen. Darunter kann so ziemlich alles verstanden werden, insbesondere Zu­ gehörigkeit zu Arbeiterorganisationen?) Lektüre von GewerkschaftsMehr als 2 Monate z. B. Donnersmarckhütte, Bismarckhütte; mehr als 3 Monate z. B. Bereinigte Königs- und Laurahütte, Isselburger Hütte, Hamburg-Amerika-Paketfahrt A.-G. a) So z. B. Donnersmarckhütte; Hörder Bergwerks- und Hüttenverein Vereinigte Königs- und Laurahütte; Bismarckhütte. 8) Z. B. Bergische Stahlindustrie, Remscheid; Röchling'sche Eisen- und Stahlwerke, Völklingen; Eisenwerk Baildonhütte; Lokomotivenfabrik Henschel & Sohn, Cassel; Wolf Netter & Jacobi, Straßburg; Billeroy & Boch, Mettlach. „Vergehen, die Entlassung zur Folge haben", bedrohen u. a. mit Rechtsverlust und Beitragsverfall das Eisenwerk Herminenhütte, Laband; K. Theater zu Hannover; Hoftheater- und Hofmusikpensionsfonds Darmstadt. 4) Ausdrücklich genannt ist dieselbe im Kassenstatut der Firma H. Pautsch, Maschinenbauanstalt, Eisengießerei, Dampfkesselfabrik, Landsberg a. W. § 3b des Statuts besagt: „Die Mitgliedschaft geht verloren durch Ausschließung. Diese erfolgt .... 3. wenn der Arbeiter Mitglied eines ArbeiterVerbands ist oder wird, der noch andere als rein wirtschaftliche Zwecke verfolgt". Obenan stehen in dieser Beziehung die Betriebe, in denen gelbe Werks­ vereine existieren. In ihnen hat sich vielfach ein widerliches Schnüffelsystem gegen Gewerkschaftsmitglieder und Mitglieder politischer Organisationen aus­ gebildet. Vgl. z. B. die Polemiken und Statistiken über Beleidigungsprozesse in den Geschäftsberichten des „Arbeitervereins Werk Augsburg". Natürlich können derartige Tendenzen in der Praxis auch ohne ausdrück­ liche Satzungsbestimmung Vorkommen. Einen Beleg dafür bilden z. B. die Darlegungen und Aktenstücke, die die Firma Krupp unter dem Titel „Zum Streit um die Werkpensionskassen" herausgegeben hat. Es heißt in der Ein­ leitung dieser Schrift, daß die Kaffen dazu beitragen, eine seßhafte, in relativ guten Verhältnissen lebende Arbeiterschaft zu schaffen, die der Beein­ flussung durch die gewerkschaftlichen Füh rer weniger zugäng­ lich ist. Da als Mittel zur Erreichung dieses Ziels die Beitragseinbehaltung besonders benützt wird, die von der Firma als „einer der wesentlichsten Pfeiler des Systems" bezeichnet wird, so ist mit Günther (Krit. Vierteljahrsschrift für

38

I. Teil.

blättern/) Ausübung des Koalitionsrechts/) Dienst bei Konkurrenz­

firmen/) soweit solcher nicht ausdrücklich im Statut mit Strafe bedroht ist. Ein ebenso vager und willkürlicher Auslegung fähiger Tatbestand ist der der „ehrenrührigen Handlung", dem manche Kassen*) Rechts­

verlust und Beitragsverfall folgen lassen. Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 3. Folge Bd. XII Heft 4 S. 556) der Schluß zu ziehen, daß hier durch die Wohlfahrt ein Einfluß auf das Arbeitsverhättnis vonseite der Firma gewonnen werden wiü. Viel schärfer spricht dieselbe Tendenz aus der Schriftsatz des Rechts­ anwalts der Firma Krupp, Justizrat Wandelt, im Pensionskassenprozeß Sobkowski/Krupp. (Vgl. „Die Kruppsche Pensionskasse vor Gericht" S. 72.) Er gibt zu, daß die Kruppsche Pensionskasse für gewerkschaftliche und politische Bestrebungen bisher ein starkes Hindernis gebildet habe. x) Dazu gehören auch die Blätter von christlichen Gewerkschaften. Erst kürzlich (14. Juni 1910) wurde in der Kölnischen Volkszeitung von einem Fall berichtet, in dem die Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke in Völklingen a. Saar die Mitglieder des katholischen Arbeitervereins Völklingen förmlich bedroht haben, lediglich deshalb, weil dieser Verein die Westdeutsche Arbeiterzeitung, Organ des Verbands der katholischen Arbeiter- und Knappschastsvereine Westdeutschlands, eingesührt hatte. Die Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke verlangten Anstritt aus dem katholischen Arbeiterverein, denn „ein ehrlicher Mann kann nicht einem Verein beiwohnen, worin allwöchentlich ein gewerkschaftliches Agitationsblatt vertrieben wird. Durch diese Bewegung erleidet die deutsche Industrie Schaden. Ein echter Hüttenmann muß fest verbunden mit der Hütte sein". a) Ausdrückliche Beschränkungen der Ausübung des Koalitionsrechts ge­ hören zu den Seltenheiten, da ohnehin die Satzungsbestimmungen, die bei Ausscheiden Verlust der Beiträge normieren, ihre Wirksamkeit auch im Falle der Einstellung der Arbeit äußern. Es wäre daher eine unnötige Unvorsichtig­ keit der Betriebsleitung, die Ausübung des Koalitionsrechts besonders zu er­ wähnen. Immerhin kommt auch das vor. Es bestimmt z. B. das Pensions­ kassenstatut der Schraubenfabrik Fr. Karcher & Co. in Beckingen a. Saar die Einstellung der Kasseleistung, „wenn der Pensionär sich an Bestrebungen beteiligt, die das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die bürgerliche und staatliche Ordnung zu stören geeignet sind".

8) Das Pensionskassenstatut von Karcher & Co., Beckingen, identifiziert sogar ausdrücklich Schadenszufügung und Dienst bei einer Konkurrenzfirma, indem es Einstellung der Kasseleistungen an den bereits Pensionierten vor­ schreibt, „wenn der Arbeiter oder Angestellte einem Konkurrenzgeschäfte Dienste leistet oder sonst der Firma nachweislich Schaden zusügt". 4) So die der Gute-Hoffnungshütte Oberhausen, der Bergischen Stahlindustrie Remscheid, der Hamburg-Amerika-Paketfahrt A.»G. „Vergehen der Schauspieler, welche von der öffentlichen Meinung als unehrenhaft oder der Sittlichkeit

39

Zwecke der Fürsorgekassen.

Im Gegensatz zu den Firmen, die diese allgemeine Fassung vor­ ziehen, präzisieren andere genau die Tatbestände, bei deren Vorliegen

sie einen Rechtsverlust eintreten lassen.

Als ausreichender Grund für

einen solchen und zwar regelmäßig mit Verfall aller eingezahlten Bei­

träge wird u. a. angesehen:

1. Verrat von Fabrikgeheimnissen oder Versuch desselben.

Bei­

spiele : Bergische Stahlindustrie, Remscheid; Th. Goldschmidt, Chemische Fabrik, Essen; Gute-Hoffnuugshütte, Oberhausen; Arbeitervereinigung

Falkenau (Firma Georg Liebermann); Röchlingsche Eisen- und Stahl­ werke, Völklingen; Zinkhütte Vieille Montagne, Oberhausen.

2. Annahme eines anderen Dienstverhältnisses ohne Zustimmung

der Firma.

Beispiele: Kalle K Co., A.-G., Biebrich a. Rh.; Schäffer

& Budenberg,

G. in. b. H.,

Magdeburg-Buckau;

Zinkhütte

Vieille

Montagne, Oberhausen; Hamburg-Amerikanische Paketsahrt A.-G. 3. Eintritt des Pensionierten in den Dienst einer Konkurrenzfirma; Zuwiderhandlung gegen ein durch Dienstvertrag begründetes Konkurrenz­

verbot.

Beispiele: Wolf Netter & Jacobi, Straßburg; Villeroh & Doch,

Mettlach; Röchlingsche Eisen- und Stahlwerke, Völklingen.

4. Verlegung des Wohnsitzes a) in ein außerhalb Deutschlands gelegenes Land.

Beispiele:

Deutsche Spiegelglas A.-G. Freden-Grünenplan; Vereinigte

Königs- und Laurahütte. b) in ein außereuropäisches Land. Beispiele: Gasmotorenfabrik

Köln-Deutz, Kalle & Co., A.-G., Biebrich a. Rh. 5. Dienstentlasiung

aus

Grund

des § 72 Ziff. 1, 2, 4 HGB.,

gesetzlicher Vorschriften,

§ 123 Ziff. 1-6 GO.

z. B.

Beispiele:

Münchener Rückverficherungs-A.-G.; Vereinigte Königs- und Laurahütte. Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 34 Abs. 1 und 2, 41, 100,

106 der Seemannsordnung bedroht die Hamburg-Amerikanische Paket­ fahrt A.-G. mit Rechtsverlust.

6. Auflehnung gegen Vorgesetzte, Tätlichkeiten gegen Vorgesetzte. Beispiele:

Eisenwerk

Baildonhütte; Eisenwerk Herminenhütte-Laband

der Oberschlesischen Eisenindustrie; Donnersmarckhütte, A.-G.

7. Verletzung der dem Publikum, der Direktion oder dem Institut schuldigen Achtung: Thalia-Theater, Hamburg. zuwiderlaufend angesehen werben', bedroht das Pensionsstatut des ThaliaTheaters zu Hamburg mit Rechtsverlust.

40

I. Teil.

8. Veruntreuung gegen den Arbeitgeber z. B- Isselburger Hütte; Zinkhütte Vieille Montagne, Oberhausen; Arbeitervereinigung Falkenau; Eisenwerk Baildonhütte.

9. Entlassung im DiSziplinarwege.

Beispiele: Pensionsanstalten

der Hoftheater zu Mannheim und Schwerin.

10. Kontraktbruch ist ein häufiger Verlustgrund für Pensions­

und Erstattungsanspruch bei Theaterpensionskassen. theater

zu

Schwerin.

Köln,

Bremen;

Hostheater

zu

Beispiele:

Mannheim,

Stadt­

Hannover,

Aber auch das Statut der Arbeiterinvalidenkasse der Ham­

burg-Amerika-Linie enthält trotz der geschilderten eigentümlichen Ver­ hältnisse eine Bestimmung, der zufolge bei Kontraktbruch die erworbenen

Ansprüche und Beiträge verloren werden. Kann bei allen diesen Tatbeständen wenigstens ein gewisses Interesse der Betriebsleitung in Betracht kommen, sich für ein angetanes Übel

zu revanchieren/) so fällt dieser Gesichtspunkt bei anderen gar nicht ins

Gewicht.

Tatbestände dieser Art sind z. B.

11. Unsittlicher Lebenswandel.

Die Anforderungen, die hinsichtlich

der Sittlichkeit die einzelnen Pensionskassenbetriebe an beschäftigten Personen stellen,

die bei ihnen

sind in ihrer Höhe verschieden.

Die

einen entziehen den Anspruch nur in schweren Fällen, nämlich dann,

wenn eine Strafe wegen Unsittlichkeit verwirkt wurde.

So machen

z. B. die Firmen Chr. Fikentscher, Zwickau für die Witwen ihrer Ar­ beiter und Villeroy & Boch, Mettlach für die Witwen ihrer Beamten den Verlust der Pension abhängig von einer Polizeistrafe.

Andere

identifizieren bereits sog. wilde Ehe mit unsittlichem Lebenswandel (so

z. B. die Königs- und Laurahütte; der Hörder Bergwerks- und Hütten­ verein.

Bei dem letzteren Betrieb wird die Pension wieder gewährt,

wenn behördlicherseits bescheinigt wird, daß die Witwe wieder einen ordentlichen Lebenswandel führt).

Manchen genügt aber gar

schon Entbindung der Witwe nach mehr als 10 Monaten seit dem *) Nicht alle Kassen halten sich für berechtigt, Unrecht mit Unrecht zu ver­ gelten. Als Beispiel diene die Beamtenpensionskasse der Frankfurter Sozietäts­ druckerei. Der § 18 ihres Statuts bestimmt, daß bei Entlassung eines Mit­ glieds wegen Untreue gegen die Firma die Kasse berechUgt und auf Verlangen verpflichtet ist, seine Ansprüche durch bloße Rückzahlung der Beiträge ohne Zinsen abzufinden. Hier wird also ohne weiteres anerkannt, daß auch bei Untreue eines Beamten der Firma nicht das Recht zustehen kann, die Bei­ träge zu behalten, wenn sie ihm die durch die Zahlung erworbenen Rechte abspricht.

41

Zwecke der Fürsorgekasjen.

Tode des Ehemanns zur Annahme eines unsittlichen Lebenswandels, also zur Festsetzung einer Konventionalstrafe auf außerehelichen Ge­

schlechtsverkehr. siedelschen

(So z. B. Pensionsverein für die Dorrn. Gräfl. Ein-

deutsche

Werke;

Weimar).

Freden-Grünenplan;

Spiegelglas-A.-G.

Zinkhütte Vieille Montagne Oberhausen;

Großherzogliche

Hofkapelle

.Die meisten begnügen sich aber mit dem vagen Ausdruck

„notorisch unsittlicher (unmoralischer) Lebenswandel" und öffnen damit derjenigen Personen,

Auch der Kreis

der Willkür Tür und Tor. *)

welcher ungestraft unsittlich sein können, ist von den verschiedenen Be­ trieben verschieden weit gezogen. Witwen

sittliches

Verhalten

Während die meisten nur von den

fordern,

verlangen

z. B.

die

deutsche

Spiegelglas-A.-G. Freden-Grünenplan, die Arbeitervereinigung Falkenau, die Zinkhütte Vieille Montagne Oberhausen,

die Isselburger Hütte,

das Kurorchester Wiesbaden von allen bei ihnen beschäftigten Personen die Unterlassung von Unsittlichkeiten. 12. Trunksucht.

Hier sind zu unterscheiden die Fälle, in denen

die Kasse nichts leistet, weil herbeigeführt ist,2) von denen,

die

Invalidität

durch

Trunkfälligkeit

die den Rechtsverlust als allgemeine

Strafdrohung gegen Trinker enthalten. '')

Das gleiche gilt für die

satzungsmäßigen Strafdrohungen für Beteiligung an Raufhändeln und Schlägereien/) sowie für geschlechtliche Ausschweifungen/) Doch will es mir scheinen, als ob es sich nicht recht mit dem angeblich

rein sozialen Zweck

der Kassen vereinen lasse,

Fällen die Leistung zu verweigern.

in solchen

Besonders gilt das für die Fälle,

in denen die Leistung der Kasse wegen geschlechtlicher Ausschweifungen versagt wird.

Tahin pflegen mechanisch alle Fälle geschlechtlicher Er­

krankung gerechnet zu werden, ohne Rücksicht darauf, daß erwiesener­

maßen auch in Arbeiterkreisen ein großer Prozentsatz von Geschlechts­

krankheiten durch Ehefrauen vermittelt wird.

Keinesfalls kann aber die

*) So z. B. Donnersmarckhütte A.-G.; Grillo, Funke & Co., Schalke; Bismarckhülle A.-G.; Karcher L Cie., Beckingen. a) So z. B. Pensionsverein der vorm. Gräfl. Einsiedel'schen Werke, Gröba; Hörder Bergwerks- und Hüllenverein; Sieg-Rheinische Hüllen A.-G., Menden; Zinkhütte Vieille Monlagne, Oberhausen; Ed. Laeis & Co., Trier. 8) z. B. deutsche Spiegelglas-A.-G. Freden-Grünenplan; Isselburger Hülle. 4) In beiden Fällen wird der Anspruch verloren z. B. bei Dr. Heinrich Traun Söhne, Hamburg und Harburg; Ed. Laeis & Co., Trier; SiegRheinische Hütten A.G., Menden; Hörder Bergwerks- und Hüttenverein; Zinkhütte Vieille Monlagne, Oberhausen.

42

I. Teil.

Strafdrohung

gegen Trinker,

sicherungstechnisch,

Rohlinge,

ausschweifend Lebende ver­

mit dem Interesse der Kasse, möglichst große Ein­

nahmen zu erzielen, gerechtfertigt werden. Könnte sie das, dann müßten ja schließlich noch die Arbeitgeber im Interesse der Kassen für eine

Erziehung ihrer Lohn- oder Gehaltsempfänger zu Trunksucht, Roheit und Ausschweifung arbeiten. Ganz abgesehen davon ist es eine statistische Binsenwahrheit, daß selbst das staatliche Vergeltungsstrasrecht noch nie die Wirkung gehabt hat, die Frequenz der Übeltaten abzumindern. 13.

Unverständlich

sozialen Zweck

der

ist

es

endlich, wie im

Fürsorgekassen

denjenigen

Einklang mit dem

Lohn-

empfängern, die durch Verbrechen oder Vergehen

und

staatliche

Gehalts­ Strafen

verwirkt haben, oder die die bürgerlichen Ehrenrechte verloren habens)

durch Entziehung der Pensionsansprüche und Verfall der Beiträge die Rehabilitierung möglichst erschwert werden kann, ebenso, wie denjenigen

Arbeitnehmern, die in Konkurs*) geraten sind, noch durch den Rechts­

verlust ein weiterer schwerwiegender Schaden zugefügt werden kann. An der Sozialwidrigkeit solchen Vorgehens wird auch dadurch nichts

geändert, daß das vom preußischen Ministerium des Innern heraus­

gegebene M u st e r st a t u t b) für Pensionskassen mehrere der eben aufgeführten Fälle, so Rechtseinbuße bei Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie

„wenn das Mitglied keinen achtbaren Lebenswandel führt", enthält. Der Beitragsverlust ist teils ein vollständiger, teils ein partieller. Die

vollen Beiträge verlieren ausscheidende Kafsemitglieder z. B. bei der Ham­ burg-Amerikanischen Paketfahrt-A.-G.; Hörder Bergwerks- und Hütten­

verein ; Gewerkschaft Grillo, Funke & Co., Schalke; Zinkhütte Vieille Mon­ tagne, Oberhausen; Ed. Laeis & Co. Trier; H. Pauksch, A.-G-, Landsberg

a. W-; Drahtwerke Gleiwitz; Vereinigte Königs- und Laurahütte; Stadt­ theater Bremen; Kgl. Theater Hannover; Stadttheater Straßburg. x) So z. B. Eisenwerk Baildonhütte; Wolf, Netter & Jacobi, Siraßburg; Lokomotivenfabrik Henschel & Sohn, Cassel; Gulehoffnungshütte, Oberhausen; Bergische Stahlindustrie, Remscheid; Hohenlohewerke A.-G., Hohenlohehütte; Donnersmarckhütte A.-G.; Badische Anilin- und Sodafabrik, Ludwigshafen; Isselburger Hütte; Eisen- und Stahlwerke der Dortmunder Union; Vereinigte Königs- und Laurahütte; Villeroy & Boch, Mettlach; Bismarckhütte A.-G.; Hoftheater Mannheim und Schwerin; Stadttheater Bremen; K. Theater Han­ nover; Hoftheater und Hofmusikpenstonsfonds Darmstadt; Orchesterpensions­ anstall Chemnitz; Karcher L Co., Beckingen; Eisenwerk Herminenhütte, Laband. ’) z. B. Penfionsanstatt des Frankfurter Stadttheaters. 8) Abgedruckt im Vorbericht für die 13. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen.

43

Zwecke der Fürsorgekassen.

Beispiele

für Pensionskassen mit partiellem Beitragsverlust:

Donnersmarckhütte, A.-G.; Großherzogl. Hostheater Schwerin 2c.1)

Die vorgeführten Bestimmungen sind aber nicht einmal geeignet,

das zu bewirken, was ihre Urheber beabsichtigen.

Insbesondere haben

sie nichts daran ändern können, daß die Fluktuation bei denjenigen Betrieben am größten ist, bei denen das Arbeitsverhältnis ant schlechtesten

ist. Daß bei einer ganzen Reihe von Pensionskassenbetrieben der Arbeiter­ wechsel ein sehr häufiger ist, zeigen folgende Zahlen?)

Firma

Arbeiterzahl am 1. Ja­ nuar 1910

Gesamt­ zugang 1909

Gesamt­ abgang 1909

Gesamt­ wechsel 1909

Vereinigte Königs- u. Laurahütte .

2256

1148

1034

2182

Höchster Farbwerke.........................

5464

3057

2748

5085

Donnersmarckhütte.........................

1825

590

556

1046

..................................

958

403

429

932

Dr. Heinrich Traun Söhne ....

1729

360

414

774

Baildonhütte

Fr. Karcher L Co..............................

884

271

256

527

Bismarckhütte A.-G..........................

4557

3174

3087

6261

A. Borsig, Biskupitz......................

3791

2345

2159

4504

......................

3041

764

774

1538

388

Drahtwerke Gleiwitz

................

790

213

175

Julienhütte, Bobrek......................

2391

2148

2189

4337

München-Dachauer A.-G. für Maschinen-Papierfabrikation ....

790

273

303

576

Herminenhütte, Laband

Bei vielen Betrieben betrug also der Arbeiterwechscl mehr als

100 °/o,

bei

keinem

erheblich

weniger

als

50 %

der

Belegschaft.

Das sind Zahlen, die zum mindesten dem Durchschnitt der wohlfahrts­

losen Betriebe gleichkommen?) *) Detaillierte Angaben können hier unterbleiben, da dieser Punkt durch andere Schriften hinreichend geklärtist. Vgl. insbesondere die reichhaltigenAngaben in dieser Richtung bei Günther „Die Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeitgeber" S. 61 ff*) Die Angaben verdanke ich den Firmenlettungen. •) Vgl. dafür z. B. die Belege für den Arbeiterwechsel aus den Zechen des Ruhrgebiets in den Berichten des Allg. Knappschaftsvereins zu Bochum. Auch hier bewegen sich die Zahlen meist um 70—100 %. Nur bei vereinzelten Zechen, bei denen aus irgendwelchen Gründen das Arbeitsverhältnis besonders schlecht war, sind sie erheblich höher, bei einzelnen dagegen auch etwas niedriger.

44

I. Teil.

3. Kapitel.

mitgliedscbaft. Beiträge. Die Mitgliedschaft bei privaten Fürsorgekassen ist in verschiedenen

Formen möglich. Mitgliedschaft;

Sie kann sein Zwangsmitgliedschast oder freiwillige ordentliche

außerordentliche

oder

(fortgesetzte)

Mit­

gliedschaft; ständige oder unständige Mitgliedschaft?)

Zwangsmitgliedscbaft bei einseitigen Tflrsorgekassen. Die Frage nach der Bedeutung der Zwangsmitgliedschaft ist ver­

schieden

zu

beantworten,

je nachdem

eine Kasse

ausschließlich aus

Mitteln des Arbeitgebers oder auch aus solchen des Lohn- oder Ge­ haltsempfängers unterhalten wird.

Im ersteren Falle ist es klar, daß

der Zwang zum Beitritt bei einer derartigen Einrichtung auch für den Fall des Ausscheidens aus dem Betriebe nicht die Wirkung haben kann, für den Ausscheidenden einen Geldanspruch entstehen zu lassen. Freilich

werden

hier

durch

den Austritt

satzungsmüßige Anwartschaften, wohl möglich, daß in

handelt werden?)

eines

Arbeitnehmers

Altersrechte zerstört,

nicht

selten

und es ist sehr

dieser Richtung nicht alle Arbeiter gleich be­

Immerhin

handelt

es sich

hier

um

Ermessens-

l) Die Scheidung in ständige und unständige Mitglieder kommt bei den Privaten Pensionskassen äußerst selten vor. *) So klagt der christliche Gewerkschaftssekretär Hirtsiefer in einem auf der V. Generalversammlung des christl. Metallarbeiterverbands am 8. September 1908 in München gehaltenen Vortrag über Werkpensionskassen: „Eine Art der­ selben sind die sog. Versorgungskassen, bei denen in der Regel seitens der Unternehmungen bestimmte Fonds bei besonderen Anlässen gestiftet werden, aus denen dann die arbeitsunfähig gewordenen Arbeiter größere oder kleinere Beträge erhallen. Die gute Absicht der Stifter solcher Fonds will ich gewiß nicht in Zweifel ziehen, ich verkenne durchaus nicht das Gute, das für alte, abgearbeitete Kollegen in Zuwendungen aus solchen Fonds liegt. Wie aber diese Zuwendungen häufig verteilt werden, spricht allen Gesetzen von Recht und Gerechtigkeit nur zu häufig Hohn. Meistens sind diese Stiftungen geradezu Brutstätten der Korruption. Nicht diejenigen, die am längsten und treuesten der Firma gedient haben, sind häufig die Empfänger dieser Zuwendungen, be­ sonders dann nicht, wenn sie sich noch nicht zu dem Tille'schen Diktum durch­ gerungen haben, daß die Menschenrechte in die Rumpelkammer gehören, viel­ mehr ihre Menschenrechte stets verteidigt haben, sondern diejenigen, die die größtnlöglichsten Anpassungsfähigkeiten, besonders bei den unteren und mittleren Beamten, entwickelt haben. Vielfach ist in neuerer Zeit auch noch Vorbedingung

Mitgliedschaft.

fragen auf Seite des Arbeitgebers.

45

Beiträge.

Denn wenn der Arbeiter nichts

zur Kasse geleistet hat, dann ist ihm auch bei seinem Abgang vom Betrieb nichts zu erstatten.

Es entspricht auch dem geltenden Recht,

daß der Ausscheidende in

solchen Fällen seine AlterSrechte verliert,

vorausgesetzt natürlich, daß er sie im Einklang mit dem Statut der

betreffenden Unterstützungseinrichtung verliert.

Gibt nun auch das geltende Recht dem ausscheidenden Arbeiter im Falle des Vorhandenseins einer einseitigen Pensionseinrichtung keinen Geldanspruch,

so ist doch die Frage zu erheben,

ob nicht der

Zwang zur Teilnahme an Einrichtungen, deren Leistungen ausschließlich

in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt sind, eine Gefahr für den Einzelnen und für die Nationalwohlfahrt darstellt.

Es

ist klar,

daß der Preis jeder Arbeit die Selbstkosten der

Arbeit decken muß, daß niemand dauernd unter diesen Selbstkosten arbeiten kann. Für die Höhe der Selbstkosten ist nicht nur maßgebend

die Erhaltung

von

Leben

und

Arbeitskraft

in

der Arbeitsperiode,

sondern, da die große Mehrzahl aller Menschen zwei unproduktive Perioden (Jugend, Alter) und eine produktive (Arbeits)periode erlebt,

auch die Erstattung der Auslagen, welche den Eltern die Erziehung

und Bildung

des Kindes

gekostet hat,

Altersperiode bis zum Tod?)

und

die

Fürsorge für

die

Von dem Preis, den der Arbeiter für

Mitgliedschaft im Werksverein, bei den Gelben usw. Wahre Zuchlanstalten für Sireberei und Kriecherei geben gerade diese Versorgungskassen in der Regel ab. Weil aber die Arbeiter bei ihnen keine Pflichten haben, wird eine Änderung des bestehenden Zustands nur von der fortschreitenden Kultur zu erwarten sein. *) Vgl. Engel, Der Preis der Arbeit, Berlin 1866, S. 35 ff. Nach ihm sind die Selbstkosten der Arbeit: I. Die Wiedererstattung des in der Jugend aufgewendeten Erziehungs­ und Bildungskapitals betreffend. 1. Tilgung dieses Kapitals und Verzinsung der ungetilgten Kapitals­ reste bis zum Zeitpunkt der Tilgung. 2. Versicherung gegen die Gefahr, daß diese Tilgung unvollständig bleibe: wegen Todes vor Ablauf der Tilgungsperiode; wegen Invalidität oder Verkürzung der Arbeilsperiode; wegen zeitweiliger Unterbrechung der Erwerbsfähigkeit während dieser Periode aus äußeren und inneren Gründen. II. Die Erhaltung des Lebens und der Arbeitskraft während der Arbeits­ periode betreffend. 1. Bestreitung der Kosten der Krasterhaltung und Krafterneuerung. 2. Versicherung gegen die Gefahr vorzeitiger Invalidität.

46

I. Teil.

seine Arbeit bekommt, muß er diese beiden Posten bezahlen, wenn nicht das Nationalvermögen Einbuße erleiden soll.

Der Preis der Arbeit

enthält also nicht nur die Bezahlung der Leistung, sondern auch die Amortisationsquote für die Aufwendungen in der Jugend, die Rück­ lagen für die Altersperiode?)

Der gewerbliche Arbeiter und bald wohl auch der Privatbeamte

hat krast Gesetzes einen Teil der Fürsorge für die Altersperiode zu bestreiten durch Beiträge zur reichsgesetzlichen Sozialversicherung. Kommt nun der Arbeitgeber und sagt: „Für diejenigen, die in meinen Betrieb

eintreten, trage ich einen Teil der Selbstkosten der Arbeit durch Ueber­ nahme einer Altersfürsorge auf meine Rechnung", so ist klar, daß der Arbeitnehmer,

da ihm ein Teil der Fürsorge für seine Alters­

periode auf diese Weise aus der Hand genommen wird, keine oder

geringere Rücklagen für das Alter nracht, daß er den ihm folgemäßig zu anderen Zwecken zur Verfügung stehenden Teil seines Einkommens

z. B- zur schnelleren Wiedererstattung des Erziehungs- oder Bildungs­ kapitals, zur Verbesserung seiner Lebenshaltung rc. verwertet, in der Hoffnung, für daS.Alter sei durch den Arbeitgeber gesorgt.

Ist es

nun aber dem Arbeitgeber anheimgestellt, mit der von ihm nach Be­ lieben herbeiführbaren Beendigung des Dienstverhältniffes des Arbeit­ nehmers gleichzeitig auch dessen Hoffnung auf Altersfürsorge, Jnva-

lidenfürsorge rc. zu zerstören, so ist die Folge, daß eine große Anzahl

von Menschen infolge der Versprechungen des Arbeitgebers es unter­

lassen hat, durch eigene Rücklagen für ihr Alter zu sorgen, und daher jeglicher

Altersfürsorge entbehrt.

Daß dies

eine erhebliche Gefahr,

nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesamtheit, für das Volksvermögen darstellt, leuchtet ein. 3. Versicherung gegen die Gefahr zeitweiliger Unterbrechung des Erwerbs: durch Krankheit; durch Krisen und Stockungen des Geschäfts. III. Die Erhaltung des Lebens während der Altersperiode betreffend. Bestreitung des Lebensunterhalts und Altersversorgung nach jeder Hinsicht.

*) Das geht z. B. auch aus den Begründungen fast aller deutschen Beamten­ gesetze hervor. Die Gehälter der pensionsberechtigten Staatsbeamten sind regel­ mäßig relativ niedriger, als die der Nichtpensionsberechtigten, weil im Falle der Pensionsberechtigung der Gehalt nur der Amortisierung des Erziehungs- und Bildungskapitals, sowie der Erhaltung der Arbeitskraft während der Arbeilsperiode dient, während der Nichtpensionsberechtigte auch für dieAltersperiode vorzusorgen hat.

Mitgliedschaft.

Beiträge.

47

Zwangsmitgliedscbaft vei zweiseitigen fflrsorgekassen. Weit schwieriger wird die Frage bei denjenigen Unterstützungs­

einrichtungen, die auch durch Mittel der Lohn- und Gehaltsempfänger

unterhalten auch

werden.

Bei

Beitragszwang.

ihnen

bedeutet

Dieser für

eine

ja

der

Beitrittszwang

wirksame Durchführung

der Versicherung kaum zu entbehrende Zwang ist seit geraumer Zeit Gegenstand heftiger Angriffe. Die Angriffe richten sich aber nicht gegen

den

Beitrittszwang

oder

Beitragszwang als solchen*),

sondem gegen die Verbindung von Beitritts- (bezw. Bei-

tragS-)zwang und Beitragsverlust bei Beendigung der Beschäftigung.

Von besonderer Bedeutung ist die Behauptung, daß

Kaffestatuten, die Zwangsbeiträge von Lohn- oder Gehaltsempfängern festsetzen,

gegen die guten Sitten verstoßen,

wenn sie nicht

die Rückerstattung der Beiträge an die aus dem Betriebe Ausscheiden­

den bestimmen.

Die Meinungen in der Judikatur*), in der juristischen

und volkswirtschaftlichen Literatur gehen soweit auseinander, daß wohl ein näheres Eingehen auf diese oft behandelte Frage gerechtfertigt ist.

Vorweg möchte ich bemerken, daß das Ergebnis der Untersuchung verschieden ausfallen muß, je nachdem die rechtlich-moralischen oder die

versicherungstechnischen Erwägungen in den Vordergrund gestellt werden. Ich meffe den ersteren entscheidende Bedeutung bei, ausgehend von dem x) Die Idee des Versicherungszwangs gewinnt unter den Arbeitnehmern eine immer stärkere Anhängerschaft. Das geht vor allem aus dem aktuellen Bestreben breitester Berufsgruppen, in den staatlichen Bersicherungszwang ein­ bezogen zu werden, hervor. s) Die Rückerstattungspflicht haben u. a. bejaht: die Gewerbegerichte Friemersheim-Mörs (mehrmals), Borbeck, Dortmund, Eßlingen, Dresden, Augsburg, die Amtsgerichte Cöln, München, die Landgerichte Stuttgart, München (ohne prinzipielle Stellungnahme), Trier, die Kreisregierung von Schwaben und Neuburg (ohne prinzipielle Stellungnahme). Verneint dagegen die Gewerbegerichte Mainz, Essen, Oberhausen, Beuthen, Hannover, Dortmund, Berlin (3. Kammer), die Kaufmannsgerichte Essen, Frankfurt, Magdeburg, das Amtsgericht Merzig, die Landgerichte Cöln, Essen, Cleve, Dortmund, Dresden, Cassel, das Oberlandesgericht Hamm. Dabei ist aber erwähnenswert, daß mehrere Gewerbegerichte, die ursprünglich die Rück­ erstattungsansprüche bejaht haben, z. B. das Gewerbegericht Dortmund, nach Abweisung des Erstaltungsanspruchs in der 2. Instanz umgeschwenkt sind, wohl um den betr. Klägern die Kosten einer zweiten Instanz zu ersparen. Eine Reihe von Gewerbe- und Kaufmannsgerichten, so mehrfach die Kammern I und II des Kaufmannsgerichts Berlin, haben ihre Zuständigkeit bestritten.

48

I. Teil.

Grundgedanken, daß auch der Abschluß von Verficherungsvertrügen sich

im Rahmen des geltenden Rechts und der herrschenden Moral abspielen muß, und

daß

es nicht möglich ist, alle Grundsätze

der modernen,

kapitalistisch zugeschnittenen Versicherungstechnik, einer Technik von Ver­ sicherungsverträgen, die niemand einzugehen braucht, der nicht will, aus soziale Versicherung von Personen anzuwenden, die großenteils durch

ihre ökonomische Lage genötigt sind, sich wider ihren Willen einen Zwang zu solcher Versicherung und finanzielle Opfer für dieselbe gefallen zu lassen.

Im Gegensatz zu solchen Beurteilern, die das ganze Problem für ein rein versicherungstechnisches und nicht für ein rechtlich-moralisches ansehen, gehöre ich zu denjenigen, die Anwendung versicherungstechnischer Grund­ sätze in der Organisation von Pensionskassen nur insoweit anerkennen, als sich daraus feine Konflikte mit den allgemein geltenden Zivilrechts­

grundsätzen und dem sozial-ethischen Charakter der ganzen Institution ergeben, die jede Opportunitätspolitik und jede Sondermoral auf Kosten

der allgemein herrschenden Moral- und Rechtsgrundsätze für unzulässig, jede Koordinierung oder gar Rangverdrehung dieser beiden Elemente

für methodisch unrichtig halten. I. Das Problem ist kurz folgendes: Bei Kassen mit Beitrittszwang wird der Lohn- oder Gehaltsempfänger durch den Abschluß des Arbeits­

vertrags genötigt, gleichzeitig noch einen weiteren Vertrag, nämlich einen Versicherungsvertrag einzugehen, sei es mit dem Arbeitgeber selbst (das

ist der Fall, wenn die Kasse keine eigene juristische Persönlichkeit besitzt),

sei es mit einem Dritten (dann, wenn die Kasse selbst Rechtspersön­ lichkeit besitzt).

Auf Grund des Versicherungsvertrags wiederum ist der

Arbeitnehmer gebunden,

an

die Kasse Beiträge zu

bezahlen?)

Die

Dertragsposition beider Kontrahenten ist aber dann verschieden, wenn der Versicherungsvertrag die Bestimmung enthält, daß mit der Be­

endigung

des Arbeitsverhältnisses

auch

das

Versicherungsverhältnis

erlischt und die geleisteten Beiträge nicht zurückerstattet werden. Denn

dann fügt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber, dem sofort genug neue Arbeitskräfte zur Verfügung stehen,

keinerlei

Schaden zu, wohl aber dem Arbeitnehmer, der hiedurch seine ihm ab­

gezwungenen Beiträge unter Verlust der — durch den Ablauf der be­

gonnenen Karenzzeit bedingten — Anwartschaft auf Pension einbüßt, und der bei Eintritt in eine neue Kasse den weiteren Nachteil hat, daß x) Unwesentlich ist dabei, ob auch der Arbeitgeber Beiträge bezahlt und in welcher Höhe er solche bezahlt.

Mitgliedschaft.

Beiträge.

49

er entweder, weil älter geworden, höhere Beiträge zu zahlen hat oder wenigstens eine neue Karenzzeit durchmachen muß, um eine Pensionsanwartschaft be­

kommen zu können. In der dadurch geschaffenen Ungleichheit der Rechtslage beider Kontrahenten des Arbeitsvertrags wird ein Verstoß gegen die guten Sitten erblickt. Besondere Bedeutung gewinnt diese Behauptung, wenn man

bedenkt, daß die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber

aus Gründen herbeigeführt werden kann, die weder mit dem einzelnen Versicherungsvertrag, noch mit dem Wesen der Versicherung etwas zu tun haben, die vielmehr in persönlichen oder staatsbürgerlichen Macht­ fragen ihren Anlaß habens, und daß andrerseits stets bei Geltendmachung ’) Daß es sich hier nicht bloß um Möglichkeiten handelt, sondern, daß diese Möglichkeit in zahllosen Fällen in die Wirklichkeit umgesetzt wird, dafür braucht hier wohl detaillierter Beweis nicht angetreten zu werden. Bietet doch die Geschichte der Gewerkschaften, die seit Jahrzehnten die Aufgabe über­ nommen haben, den Arbeiter zum gleichberechtigten Faktor bei Abschluß des Arbeitsvertrags zu machen, eine Fülle von Beispielen der Entlassung von Ar­ beitern, die formell mit einem geringfügigen Verstoß gegen die Arbeitsordnung begründet werden, materiell aber ihren Grund in der Zugehörigkeit zur Or­ ganisation haben. Immerhin mag ein aus der letzten Zeit vorliegender Schul­ fall erwähnt werden, in dem ein Arbeiter lediglich deshalb von feinem Arbeit­ geber entlassen wurde, weil er die Forderungen der organisierten Arbeiter in der Pensionskassenfrage im Vorstand seiner Pensionskasse mit Nachdruck vertrat: dem Arbeiter Löser der Chem. Fabrik Th. Goldschmidt in Essen wurde vom Arbeitgeber gekündigt, weil er, instruiert vom Arbeitersekretariat zu Essen, einem Antrag der Firma auf Erhöhung der Kasseleistungen einen solchen auf Rück­ erstattung der Beiträge entgegengesetzt hatte. Der Tatbestand ist folgender: Die Pensionskasse der Firma Goldschmidt hatte im Laufe der letzten Jahre so beträchtliche Üverschüsse angesammelt, daß es geboten erschien, dieselben in irgend­

einer Weise zu verwenden. Die Firma stellte daher im Vorstand der Pensions­ kasse einen Antrag auf mäßige Erhöhung der Kasseleistungen. Da das Arbeiter­ sekretariat Essen befürchtete, daß die Erhöhung der Leistungen von der Firma als Argument benutzt werden würde, um einem bevorstehenden Antrag auf Ein­ führung der Beitragserstattung mit der Behauptung zu begegnen, diese sei versicherungstechnisch unmöglich, stellte der im Vorstande der Kasse befindliche Arbeiter Löser im Einvernehmen mit dem Arbeitersekretariat den Antrag, es sollte zunächst die Rückerstattung der Beiträge an Ausscheidende statutarisch eingeführt werden, da die im Kassenstatut vorgesehene Form der Sicherung der Rechte Ausscheidender, die Weiterversicherung nach zweijähriger Mitgliedschaft, nicht ausreichend erscheine. Für den Fall der Annahme dieses Antrags seien die Unterzeichner desselben (373 Arbeiter) gern zu höheren Beiträgen an die Pensionskasse bereit, für den Fall der Ablehnung würden sie auch gegen den Antrag der Firma auf Erhöhung der Kasseleistungen stimmen. Herr Gold­ schmidt, der Inhaber der Fabrik, lehnte die Beitragserstaltung ab, und zwar mit Loewenfeld, Penftonskassen und Arbeitsvertrag. 4

50

I. Teil.

des Koalitionsrechts des Arbeitnehmers der statutenmäßige Beitrags­

verfall gleich einer progressiven Besteuerung der Einstellung der Arbeit wirkt.

Auch auf den Nutzen, der finanziell schlecht fundierten Kassen

daraus erwächst, daß sie bei starkem Arbeiter- oder Beamtenwechsel allmäh­ lich finanziell gekräftigt werden, ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen.

II. Gegen diese Problemstellung sind zunächst eine Reihe tat­ sächlicher Einwendungen gemacht worden.

1. Es wurde eingewendet, ein Zwang für den Lohn- oder Gehalts­

empfänger zum Abschluß eines Arbeitsvertrags, der ihm so unbequeme Nebenverpflichtungen auferlege, liege in Wirklichkeit gar nicht vor. Denn niemand sei genötigt, gerade in ein Unternehmen einzutreten, in dem eine folgenden Argumenten (Dgl. die Broschüre: „Hauptversammlung der Mitglieder der Ernst-Stelzer-Pensionskasse am Sonntag, den 24. April 1910, Essen 1910): 1. Die Rückzahlung der Beiträge ist unvereinbar mit dem Interesse der Pensionskasse, also mit dem Interesse der verbleibenden Mitglieder. Der Zweck der Pensionskasse ist der, denjenigen Mitgliedern, welche längere Jahre bei der Firma Th. Goldschmidt gearbeitet und zur Kasse gesteuert haben, eine möglichst auskömmliche Altersversorgung zu schaffen. Die ausscheidenden Mitglieder sind überwiegend jüngere Leute. Wenn die jüngeren, in der Blüte der Kraft stehenden, das Werk verlassenden Arbeiter, die ihre Versicherung nicht aufrecht erhalten wollen, trotzdem die Kasse ihnen diesbezüglich alle denkbaren Erleichte­ rungen gewährt, durch Verfall der Beiträge ein gewisses Opfer zugunsten der älteren bringen, so ist das gerade ein gesunder und glücklicher Gedanke in der Organisation derartiger Pensionskassen. 2. Auf der anderen Seite liegt eine erhebliche Gefahr darin, die Rück­ zahlung der Beiträge an ausscheidende Mitglieder durch die Satzungen festzu­ legen. Die Möglichkeit, durch Austritt aus den Diensten der Firma die Heraus­ zahlung der gesamten Pensionskassenbeiträge erlangen zu können, würde für viele Arbeiter eine Versuchung bilden, ohne zwingende Gründe ihre auskömm­ liche Arbeitsstätte aufzugeben, sei es, daß sie glauben, die runde Summe vor­ teilhafter oder angenehmer verwenden zu können, sei es, daß sie sich in einer augenblicklichen Notlage befinden. Sie würden damit für einen augenblicklichen Vorteil wertvolle Rechte aufgeben, den Zweck der Kasse als Pensionskasse für sich vernichten und schließlich sich selbst damit schädigen. Die (von den Arbeitern entgegengehaltene) Bedingung, das Geld erst nach 12 oder 6 Monaten auszuzahlen, wäre fein wirksamer Schutz, da eine Forde­ rung an die zahlungsfähige Ernst-Stelzer-Pensionskasse der Firma Th. Gold­ schmidt jeden Tag diskontiert, d. h. unter Zinsabzug verkauft werden kann. (Dieses Argument hat sich auch der Generalsekreiär des Jndusiriellenvereins für den Reg -Bez. Köln, Steller, auf dem Berbandstag der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte vom Jahre 1910 zu eigen gemacht. Vgl. „Gewerbe- und Kaufmannsgericht" vom 1. November 1910 S. 181.) Die Rückzahlung wäre also

Mitgliedschaft.

51

Beiträge.

solche Pensionskasse bestehe?) Diese Behauptung, auf Industriearbeiter angewendet, bedeutet eine fundamentale Verkennung des Arbeitsverhält­ nisses, dessen einer Kontrahent Proletarier ist, der sich nicht ein Unter­ nehmen nach seinem Belieben wählen kann, sondern die Arbeitsgelegenheit eine Prämie auf den Wechsel der Arbeitsstelle zu Lasten der Zeit der Arbeits­ unfähigkeit. Praktisch ginge die Sache so, daß manche Abzahlungsgeschäfte beim Verkauf gleich mitanbieten würden, den beim Austritt aus der Firma ent­ stehenden Rückzahlungsanspruch gegen die Pensionskasse in Zahlung nehmen zu wollen oder gegen einen entsprechenden Abzug den Anspruch sofort in bar auszuzahlen. Aus diesen Gründen kann die Firma einem Antrag auf Rück­ zahlung unter keinen Umständen zustimmen.

Zur Kritik dieser Argumentationen genügen folgende Feststellungen aus den mir zur Verfügung gestellten Jahresberichten der Pensionskasse: Mitgliederbestand

1907 1908 1909

482 411 434

Zugang

Abgang

Einnahmen aus Mit­ gliederbeiträgen

Leistungen der Kasse

552 420 657

619 398 484

M 19569,60 M 19 796,25 M 25469,90

M 910,61 M 1740,41 M 764,38

Es ist kaum anzunehmen, daß bei Einführung der Rückerstattung der Beiträge noch mehr Mitglieder veranlaßt gewesen wären, „ohne zwingenden Grund ihre einträgliche Arbeitsstätte aufzugeben und damit für augenblickliche Vorteile wertvolle Rechte aufzugeben", wiewohl zugegeben werden muß, daß der zahlenmäßige Wert dieser „wertvollen Rechte" im Vergleich zu dem, was an Beiträgen zwangsweise gezahlt worden ist, einen solchen Anreiz nicht ausschließt. Herr Löser erhielt denn auch, entgegen diesen Argumenten, seinen Antrag auf Beitragserstattung aufrecht und stellte den Antrag, bei der Versammlung, die über die Anträge der Firma und seinen Gegenantrag abzustimmen habe, einen Rechtsanwalt als Vertreter der Arbeiter mitbringen zu dürfen. Als er auf Befragen des Firmenleiters angab, daß er im Einvernehmen mit dem Arbeitersekretariat handle, wurde ihm gekündigt, „da die Firma mit Rücksicht auf ihre Pensionäre, sowie auf diejenigen, die es demnächst werden könnten, das Wirken eines Agenten außenstehender, an dem Wohl und Wehe der Ar­ beiterschaft der Firma nicht interessierter Agitatoren nicht länger dulden könne". (Dieser Passus findet sich in einer von der Firma Goldschmidt kürzlich an eine Reihe von Männern der Wissenschaft gesandten Broschüre: „Ein Schul­ fall sozialdemokratischer Verhetzung. Der Kampf um die Pensionskasse der Firma Th. Goldschmidt in Essen. Den Arbeitern der Firma gewidmet von Dr. Karl Goldschmidt.") Erwähnt sei noch, daß weder die Beitragserstattung noch die Erhöhung der Leistungen in der dazu bestimmten Versammlung die satzungs­ mäßige Majorität fanden. *) So z. B. Urteil des LG. Essen im Prozeß Sobkowski/Krupp vom 7. März 1908; des LG. Cleve vom 2. Mai 1908.

52

I. Teil.

da ergreifen muß, wo sie sich ihm bietet. Aber auch für Personen an­

gewendet, deren Einkommen und Lebenshaltung der des Proletariers entrückt ist, nimmt dieses Argument bei der immer wachsenden Zahl von Pensionskassen ständig an Unrichtigkeit zu.

Es gibt schon heute

Branchen, in denen fast alle bedeutenderen Unternehmungen innerhalb

sehr ausgedehnter Bezirke eine derartige Pensionseinrichtung aufweisen/) so daß ein Privatbeamter,

der aus seiner Abneigung gegen Beitrags­

zwang in Verbindung mit Beitragsverfall

die Konsequenzen ziehen

wollte, zur Abwanderung auS diesem Industriegebiet genötigt wäre. Da aber in der Regel eine Abwanderung mit viel größerem wirtschaft­ lichem Schaden verknüpft ist, so wird nicht selten das kleinere Übel gewählt?)

Es kann also wohl davon gesprochen werden, daß vielfach ein Zwang zum Abschluß von Arbeitsverträgen vorliegt, die gleichzeitig den

Abschluß eines Versicherungsvertrags normieren. 2. Ferner

Wirklichkeit

gar

ist

behauptet worden, die Zwangsbeiträge

keine Beiträge

seien in

des Lohn- oder Gehaltsempfängers.

Dies sei vielmehr nur rechnerisch so.

In Wahrheit finde kein Abzug

vom Lohne oder Gehalte statt, sondern das Pensionskassenmitglied be­

komme eben um den Betrag des Zwangsbeitrags weniger Lohn. sei also

der Arbeitgeber, der den Beitrag

in

die Kasse

Es

zahle?)

Dieser Ansicht widersprechen zum mindesten alle mir bekannt gewordenen

Kassenstatuten, die alle ausdrücklich von einem Abzugs- oder Kürzungs­ verfahren sprechen.

Einige Beispiele seien aufgeführt:

Dr. Heinrich Traun Söhne, Pensionskassenstatut § 3 letzter Abs.: Der Beitrag wird berichtigt durch Abzug vom Wochenlohn.

Röchling'sche Eisen- und Stahlwerke, § 10 Abs. 2: Die Beiträge

werden bei Auszahlung des Gehalts monatlich abgezogen und an die Kasse überwiesen.

Schäffer & Budenberg, Magdeburg, § 6 Abs. 3 Satz 2: Die von den Mitgliedern zu zahlenden Beiträge werden am Schluß eines

jeden Monats bei der Gehaltszahlung gekürzt. *) z. B. die oberlchlesische und die rheinische Großeisenindustrie. ’) Daß in Privatbeamtenkreisen eine lebhafte Abneigung gegen den Pensionskasseuzwang besteht, beweisen mir Mitteilungen der großen Jndustriebeamtenverbände, wie auch die Haltung der Jndustriebeamtenpresse. Vgl. z. B. Deutsche Jndustriebeamtenzeitung vom 13. März 1908, vom 18. Februar 1910. ’) So Kohler, Fabrikpensionskasse und § 138 BGB., Arch. f. bürgerl. R. Bd. 32 S. 1 ff. 8 2.

Beiträge.

53

Eisenbahnbedarfsgesellschaft,

Friedenshütte, § 33:

Mitgliedschaft.

Oberschlesische

Sämtliche Mitglieder sind gehalten, zur Aufbringung der Leistungen, sowie zur Ansammlung eines Reservefonds der Invaliden-, Witwen-

und Waisenkasse fortlaufend regelmäßige Beiträge von ihrem ins Ver­ dienen gebrachten baren Lohn oder Gehalte (einschließlich Tantiemen) in Höhe von 3 Pf. von 1 M zur Kasse einzuzahlen.

Die Zahlung

der Beiträge erfolgt, indem diese durch den Arbeitgeber gleich vom Lohn bzw. Gehalte der Mitglieder in Abzug gebracht und von diesem

im Ganzen allmonatlich der Unterstützungskasse überwiesen werden. Der Arbeitgeber hat die Verpflichtung, dieses Abzugsverfahren ohne Entgelt

zu bewirken. Th. Goldschmidt, Chem. Fabrik, Essen, § 6 Abs. 2: Die Beiträge

sind bei jeder Lohnzahlung von dem fälligen Lohn in Abzug zu bringen.

Chem. Fabrik auf Aktien (Dorrn. E. Schering) Berlin § 8 Abs. 4: Sämtliche Mitglieder der Kasse sind verpflichtet, ihre fälligen Beiträge sich ohne weiteres vom Gehalte oder Lohn für die Pensionskasse in

Abzug bringen zu lassen. Friedr. Krupp, A.-G. Essen, § 4 Abs. 3: Die Beiträge der Mit­

glieder werden von der Firma bei jeder regelmäßigen Lohnzahlung in Abzug gebracht und innerhalb 14 Tagen an die Kasse vergütet. Vereinigte Königs- und Laurahütte, § 8: Die Beiträge der Mit­

glieder werden allmonatlich bei der üblichen Löhnung von dem ver­

dienten Lohne in Abzug gebracht und zur Kasse abgeführt. Eisenwerk Herminenhütte, Laband, § 4b Satz 2: Die Beiträge

werden den Mitgliedern von ihrem Lohne, soweit sie auf die Lohn­

zahlungsperiode entfallen, in Abzug gebracht und sind spätestens acht Tage nach jedesmaliger Löhnung zur Penftonskasse abzusühren.

Lokomotivenfabrik Henschel & Sohn, Cassel, § 6 Abs. 3: Die Beiträge werden bei der Löhnung gekürzt.

Gebr. Arnhold'scher Pensionsverein, Dresden: Die Beiträge werden

den Versicherten bei Bezahlung des Gehalts in Abzug gebracht. Ferner ist mehrfach, so insbesondere von Lotmar *) darauf hinge­ wiesen worden, daß sich in der genannten Behauptung auch eine Un*) Gutachten im Prozeß SobkowSki/Krupp, abgcdruckt in „Die Kruppsche Pensionskasse vor Gericht", herausgegeben vom christlichen Metallarbeiter­ verband.

54

I. Teil.

kenntnis des Hergangs der Lohnfestsetzung äußert, da diese stets ohne

Rücksicht aus die Pensionskasse erfolgt?)

endlich aber auch, daß es

mathematisch unmöglich ist, den vom Lohn abzuziehenden Beitrag zu ermitteln, wenn nicht vorher der Lohn ohne Rücksicht auf den Beitrag

festgesetzt ist, da die Höhe des Beitrags in allen Statuten nach Prozenten

des Lohns oder Gehalts normiert ist. 3. Dieselbe Argumentation

taucht

auch

in volkswirtschaftlicheln

Gewände auf, indem schon mehrfach die Behauptung gehört wurde,

die Kassenmitgliedcr seien nur formell die Zahlenden, die Träger der

Beiträge seien hingegen die Arbeitgeber, und zwar wegen der hohen Löhne, die die industriellen Riesenbetriebe, bei denen ja Pensionskassen

vorwiegend Vorkommen, zahlen.

Dieses Argument ist so offensichtlich

verfehlt, daß es zu bedauern ist, daß Günther2) auf dasselbe überhaupt

eingegangen ist und es zu widerlegen gesucht hat.

Als ob die höchsten

Löhne oder Gehälter, die zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeit­

nehmer

vertragsmäßig

verschaffen

verabredet

sind,

dem

Arbeitgeber

das Recht

könnten, die ihm vom Arbeitnehmer durch den Arbeitsver­

trag in Form von Kassenbeiträgen gestundeten Lohn- oder Gehaltsteile

bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses diesem vorzuenthalten! Trotzdem haben gewisse Interessenten und ihre „wissenschaftlichen" Vertreter gerade dieses Argument begierig aufgegriffen, weil sich hier Gelegenheit bot, von

dem eigentlichen Problem hinweg auf andere Gebiete hinüberzulavieren, insbesondere die Höhe der in gewissen Firmen bezahlten Arbeitslöhne

zu rühmen?)

So entstand ein für die Pensionskassenfrage müßiger

Streit darüber, ob die Löhne in Großbetrieben oder Mittel- und Klein­

betrieben höher seien, ein Streit, bei dem überdies noch mit methodisch

l) Wenn Heinemann („Die Pensionskasse für die Gußstahlfabrik der Firma Friedr. Krupp A.-G.", 2. Ausg. 1908) einen Gegensatz zwischen dem vollen Lohn und dem „Barlohn", d. h. dem Lohn nach Abzug des Kassebeitrags konstruiert und bemerkt, der Arbeiter wisse, daß er nur den Barlohn bekomme, rechne also von vornherein mit diesem, so muß hinzugefügt werden, daß dem Arbeiter, auch wenn er nicht nur mit dem Barlohn, sondern mit seinem vertragsmäßigen Lohn rechnet, der Kassebeitrag dennoch abgenommen wird. a) „Wohlfahrtseinrichtungen und Betriebseinrichtungen", München 1909, S. 16—18. *) Vgl. z. B. Jacobsohn, „Der Kampf gegen die Wohlfahrtseinrich­ tungen in Großbetrieben", Leipzig 1910, S. 7—29. Ihm entgegnend: Günther in der „Deutschen Technikerzeitung" vom 2., 8. und 16. April 1910.

Mitgliedschaft.

unzureichenden Mitteln

gearbeitet worden

überhaupt für einen Sinn,

Löhne

der

Saarreviers

Krupp'schen

55

Beiträge.

im Rahmen

Gußstahlfabrik

ist.

Was

hat

es

z. B.

unseres Themas etwa

oder

der

Eisenhütten

die

des

mit denen im Münchener Baugewerbe oder Holzgewerbe

inbezug auf ihre

Höhe vergleichen

statistisch wichtigsten Fragen

zu wollen,

ohne daß die

lohn­

nach Arbeitszeit, Art der Beschäftigung,

nach Höhe der gesetzlichen Abzüge, nach örtlichen Teuerungsverhältnissen

rc. gleichzeitig mitbeantwortet werden? Eine vergleichende Lohnstatistik, die diese Punkte vernachlässigt, kann wohl nur Beweiskraft haben, wenn sie Arbeitnehmer

desselben Industrie- oder Gewerbszweigs mit gleich­

artiger Beschästigung und an demselben Orte, also unter gleichen Arbeits­

und Lebensbedingungen, berücksichtigt. In dieser Art habe ich in einigen

metallindustriellen Betrieben, zum Teil in solchen mit Pensionskassen, zum Teil ohne solche, lohnstatistische Erhebungen versucht, die im wesent­ lichen eine Übereinstimmung der Löhne in beiden Arten von Betrieben ergaben. Ich führe jedoch die gefundenen Zahlen hier nicht vor, weil sie

mir absolut nichts zu beweisen scheinen. Denn wo nicht durch tarifliche Einigung Gleichheit der Löhne herbeigeführt ist, müssen sich die kleineren

Betriebe der Lohnpolitik der mächtigeren anpassen, um überhaupt taug­ liche Arbeiter zu bekommen.

Und bei geringen Divergenzen in den

gefundenen Nominallöhnen ist eS mir durchaus zweifelhast geblieben, ob diese gerade die Folge des

Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins

einer Pensionskasse, oder aber nicht die Folge ganz anderer, mir un­

bekannt gebliebener Umstände sind. Ich möchte also nicht dem Beispiel

Tille's folgen, der auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik im Jahre 1905 sehr einfach seiner „Überzeugung" Ausdruck gab, daß keine Gruppe der deutschen Jndustriearbeiterschaft gerade höhere Löhne bezieht, als die, deren Arbeitgeber er bei den damaligen Verhandlungen ver­

trat?) wiewohl er sich bewußt sein mußte, daß eine wirklich brauchbare Lohnstatistik, die allein zum Beweis einer so kühnen Behauptung heran­ gezogen werden könnte, nur für sehr kleine Ausschnitte der deutschen

Industrie existiert. Es ist vielmehr nachdrücklich festzustellen, daß selbst

die Richtigkeit dieser Behauptung nichts an der Tatsache ändern könnte,

daß die Beiträge der Pensionskassenmitglieder verdiente Lohnteile der­ selben sind.

Festzustellen aber, o b diese Behauptung Tilles überhaupt

richtig ist, wird erst eine Aufgabe der Wissenschaft sein, und zwar eine

l) Vgl. Abdruck S. 206 f.

56

I. Teil.

Aufgabe von solcher Größe, daß ein Einzelner kauni ihre Bewältigung unternehmen können wird. Es wäre durch eine umfassende Reallohnfiatistik der Beweis zu erbringen, daß in den mit Kassen versehenen Betrieben die Löhne um die Kassenbeiträge höher sind und daß diese größere Lohnhöhe die Folge des Vorhandenseins der Wohlfahrtsein­ richtung ist.1) Ein derartiger Beweis ist noch für keinen einzigen Betrieb

erbracht,

geschweige denn für eine solche Zahl von Betrieben, daß

daraus ein Schluß auf die Richtigkeit der oben angedeuteten Behaup­ tung gezogen werden könnte?) III. Nachdem sich also gezeigt hat, auf wie schwachen Füßen die

tatsächlichen Einwendungen gegen die vorstehende Problem­ stellung stehen, soll untersucht werden, was an Rechtsgründen und

Gegengründen zu derselben geäußert worden ist. A. Der behauptete Verstoß gegen die guten Sitten ist begründet worden mit der Verbindung von Zwangsmitgliedschaft und Beitrags­ verlust beim Aufhören der Mitgliedschaft. Denn 1. Der Lohn- und Gehaltsempfänger

wird

ge­

zwungen, einen beträchtlichen Teil seines Einkommens

als Eintrittsgeld und Beitrag für die Pensionskafse hinzugeben, bekommt aber als Äquivalent nicht ein vermögenswertes Recht, sondern zahlt lediglich die Ver­ sicherungsprämie für einige wenige Arbeitnehmer, die imstande sind, die oft langen Karenzzeiten in einer dem

Arbeitgeber genehmen Führung und bei ausreichender Gesundheit durchzudienen. a) Die Höhe der Eintrittsgelder und Beiträge ist fast bei sämt­ lichen untersuchten Kassen eine sehr beträchtliche. Beispiele: *) Ähnlich v. Zwiedineck - Südenhorst (Sozialpolitik, Teubner 1911, S. 325): „Die Zulässigkeit der Einbehaltung von Kassenbeiträgen ist stark kontrovers. Es kommt wohl darauf an, ob im konkreten Fall die Löhne, von denen Zwangsbeiträge entrichtet werden müssen, wirklich um die tariflichen oder durchschnittlichen Löhne diese Beiträge übersteigen. Ist dies der Fall, dann ist der Beittagszwang nur Form, wenn auch keine glückliche". a) Daß Jacobsohn (a. a. O. S. 20) zeigt, daß die Löhne bei Krupp um 3—10 °/0 höher sind als bei den übrigen Mitgliedern der Sektion Essen der Rheinisch-Westfälischen Hütten- und Walzwerksberufsgenossenschast, kann nur aus dem erwähnten Streben, vom Thema hinwegzudisputieren, erklärt werden, da er selbst zugibt und sogar betont (S. 22, 23), daß daraus ein Schluß auf eine Wechselwirkung zwischen Wohlfahrt und Lohnhöhe nicht gezogen werden kann.

Mitgliedschaft.

Kasse

Arbeitelpensionskasse der Baildonhütte.

Eintrittsgeld bzw.

Milgliederbeitrag

Einschreibegebühr

2.- M.

57

Beiträge.

1.50—2.80 M monatlich.

Beamtenpensionskasse

Ordentlicher Beitrag: 4% vom

Kalle & Co., Bieb­

festen Jahresgehalt bis zur Höhe

rich a. Rh.

von

4800 M.

Beitrag:

Außerordentlicher

Einmalige Abgabe

von

5®/o des ersten Jahresbettags bei jeder einttetenden Gehaltserhöhung bis zum Gehalt von 4800 M.

Hoffmanns Pensionsu. Unterstützungs­ kasse,Salzuflen (Ar­

Hälfte eines Tagesverdienstes.

8 % des innerhalb jeder Beitrags­ periode verdienten Lohns bzw. Gehalts (inkl. freier Wohnung und Naturalbezüge, deren Wert von der

beiter und Beamte)

Firma festgesetzt wird).

Außerdem

haben Beamte von jeder Gehalts­

erhöhung 25 % des Jahresbettags derselben als außerordentlichen, ein­ maligen Beitrag zu zahlen. Dienst­

einkommen von mehr als 250 M monatlich oder weniger als 9 M

wöchentlich kommt bei Festsetzung des

Milgliederbeitrages nicht in Ansatz.

Angestellten - Pensi-

4%

ons-, Witwen- und

des

jeweiligen

pensions­

berechtigten Diensteinkommens.

Waisenkasse d. Allg. Berliner OmnibusA.-G.

Ordentlicher

Angestellten Pensions­ kasse v. Wolf Netter

Beitrag: 4°/e

des

Jahresgehalts. Nach 30jähriger Mit­

& Jacobi, Straß­

gliedschaft, jedoch nicht vor erreich­

burg.

tem 55. Lebensjahr, werden Beittäge nicht mehr erhoben.

Außer­

ordentlicher Beitrag: Bei Gehalts­ erhöhungen die volle Zulage des

ersten Monats, also V» der Jahres­

zulage. Das Höchstgehalt, nach dem die Beiträge berechnet werden, be­

trägt 6000 M. Arbeiter - Pensions-,

5 M b. Lebensalt.

Witwen- u. Waisen-

unter 20 Jahren,

2 °/0 des verdienten Lohns bei Beittitisatter

unter

20

Jahren,

58

I. Teil.

Kasse

Eintrittsgeld bzw. Einschreibegebühr

Mitgliederbeitrag

fasse der deutschen Spiegelglas-A.-G. Freden - Grünen Plan.

10 M b. Lebensalt. v. 20—24 Jahren, 153/b. Lebensall. v. 25—29 Jahren, 20 M b. Lebensalt. v. 30—34 Jahren, 253/b. Lebensall. v. 35—39 Jahren, 30M b. Lebensalt. v. 40—45 Jahren.

2.2 % bei Beitrittsalter von 20—24 Jahren, 2.4 °/0 bei Beitrittsalter von 25—29 Jahren, 2.6 °/0 bei Beitrittsaller von 30—34 Jahren, 2.8 o/o bei Beitrittsalter von 35—39 Jahren, 3°/0 bei Beitrittsalter von 40—45 Jahren, jedoch nicht mehr als ebensoviel Mark.

Beamtenpensionskasse der A. Borsig'schen Lokomoüvenfabrik.

Eine Viertelmonatsrate des pen­ sionsfähig. Dienst­ einkommens, höch­ stens 125 M.

4°/0 des jeweiligen pensions­ fähigen Diensteinkommens. Ein Betrag über 6000 M kommt nicht in Ansatz. Tantiemen werden be­ rechnet, dagegen nicht Gratifikationen u. Naturalbezüge, freie Wohnung rc.

Beamtenpensionskasse d.Bergischen Stahl­ industrie,Remscheid

Ein voll. Monats­ betrag des jähr­ lichen Dienstein­ kommens, höch­ stens 500 M.

Ordentlicher Beitrag: 4°/0 des jährl. pensionsberechtigten Dienst­ einkommens bis zum Höchstbetrag von 6000 M. Außerordentlicher Beitrag: Bei jeder eintretenden Gehaltserhöhung bis zum Gehalte von 6000 M ein voller Monats­ betrag derselben.

Pensions- und Unter­ stützungskasse für Arbeiter und nie­ dere Angestellte der DrahtwerkeGleiwitz

1.50 M.

3°/0 des Arbeitsverdienstes bis zum Höchstbetrag von 1800 M.

Penstons- und Unter» stützungskasse für Arbeiter, Aufseher, Werkmeister des Eisenwerks Hermi­ nenhütte, Laband.

2 — 34.

2 °/0 des Arbeitsverdienstes, soweit derselbe 4 M für den Arbeitstag nicht übersteigt.

Pensionskasse für Ar­ beiter und Unter­ beamte der Ber­ einigten Königs-u. Laurahütte.

1—2.503/(je nach Zugehörigkeit zur 1.—4. Mitglieder­ klasse).

2—5 M monatlich (je nach Zuge­ hörigkeit zur 1—4. Mitgliederklasse).

Mitgliedschaft.

59

Beiträge.

Eintrittsgeld bzw. Einschreibegebühr

Mitgliederbeitrag

Arbeüerpensionskasse der Lokomotiven­ fabrik Henschel & Sohn, Kassel

Betrag eines Tagelohns.

25—75 Pf. 14tägig (je nach Zuge­ hörigkeit zur 1.—3. Mitgliederklasse).

Gebr. Arnhold'scher Pensionsverein.

4°/o des Jahres­ gehalts.

Ordentlicher Beitrag: 2°/0 des Jahresgehalts. Außerordentlicher Beitrag: Bei jeder Gehaltserhöhung einmaliger Beitrag von 4°/0 der eingetretenen jährlichen Zulage. Gehalt und Gehaltserhöhungen kommen bis zur Höchstgrenze von 6000 M in Ansatz. Garantierte Tantiemen, ebenso Provisionen sind als Bestandteile des Gehalts anzu­ sehen, nicht dagegen Gratifikationen. Naturalbezüge (freie Wohnung, Heizung:c.) werden bei Berechnung des Gehalts zu einem von dem Vorstand festzustellenden Betrag veranschlagt.

Kasse

Privatunterstützungskasse für die Arbeiter u. Angestellten von Dr. Heinr. Traun Söhne, Hamburg und Harburg.

Beamtenpensionskasse d.Gute-Hoffnungs­ Hütte Oberhausen.

Beamtenpensionskasse der Gasmotoren­ fabrik Köln-Deutz.

Für unverheiratete Mitglieder cd. 1 °/e des Wochenlohns, für ver­ heiratete Mitglieder in allen Lohn­ stufen 15 Pf. pro Woche mehr.

Ein voll. Monats­ beitrag des jähr­ lichen Dienstein­ kommens, höch­ stens 500 M.

Ordentlicher Beitrag: 3°/0 des jährlichen Diensteinkommens bis zum Höchstbetrag von 6000 M. Außer­ ordentlicher Beitrag: Von jeder eintretenden Gehaltserhöhung, so­ weit das Gehalt die Summe von 60002/ pro Jahr nicht überschreitet, ein voller Monatsbetrag. Ordentlicher Beitrag: 4°/0 des Gehalts. Außerordentlicher Beitrag: Von jeder eintretenden Gehalts­ erhöhung die erste Monatsrate.

60

I. Teil.

Kasse

Arbetterpensionskasse der Gußstahlfabrik Frdr. Krupp, A.-G. Essen. Arbeiter-Bereinigung Falkenau.

Eintrittsgeld bzw. , Einschreibegebühr

Mttgliederbeittag

1V, facher Betrag 2 % % des Arbeitsverdienstes der ein.Tagesverdien- i Mitglieder, soweit derselbe 6 */» M pro Tag oder 2000 M pro Jahr stes, soweit ders. d. Bettag tionS'laM nicht übersteigt. nicht übersteigt. 2% des jährlichen Gehalts oder Lohnes.

Beamtenpensionskasse der bad. Anilin- u. Sodafabrik, Lud­ wigshafen.

Ordentlicher Beitrag: 4°/0 des festen Jahresgehalts bis zur Höhe von 4500 M. Außerordentlicher Bei­ trag: Bei Gehaltserhöhung ein­ maliger Beitrag von 25%.

BeamtenpensionSkass e der Röchling'schen Eisen-u.Stahlwerke

% des Monats­ gehalts.

50/0 des Jahresgehalts bis zum Betrage von 4800 M. Nicht in An­ schlag kommen Tantiemen, Grati­ fikationen, Geldentschädigungen für Wohnung, Heizung re. Bei Gehalts­ aufbesserungen sind die auf die Gehaltsvermehrung für die zurück­ liegende Dienstzeit bzw. Mitglieds­ zeit entfallenden Beiträge nachzu­ zahlen.

Angestelttenpensionskassed.Firma Schäf­ fer & Budenberg, G.m. b.H., Magde­ burg-Buckau.

40/0 des Dienstein­ kommens, raten­ weise auf die ersten 4 Jahre verteilt.

4 V» % des Diensteinkommens bis zum Betrag von 4500 M.

Pensionskaffe für Ar­ beiter und Meister d.Chem. Fabrik Th. Goldschmidt, Essen.

Invaliden-, Wttwenund Waisenunterstützungskasse der Oberschles. Eisenbahnbedarfs-A.-G. Friedenshütte (für Arbeiter u. niedere Beamte).

2 % des Arbeitslohns, jedoch nicht mehr als 40 M jährlich.

3.- M.

3 °/e des ins Verdienen gebrachten Lohns oder Gehalts (einschließlich Tantiemen).

61

Mitgliedschaft. Beiträge.

Kaffe

Eintrittsgeld bzw. Einschreibegebühr

Beamtenpensionskasse der Donnersmarckhütte-A.-G.

50/0 des jährl.pen« stonsfähig. Dienst­ einkommens.

5 % des pensionsfähigen Dienst­ einkommens. Bei Gehaltserhöhung hat der Beamte die Beiträge nach dem durch die Zulage gesteigerten Diensteinkommen zu zahlen und zwar stnd zu entrichten: a) 5% der Zulage als zusätzliches Eintrittsgeld; b) die lausenden Beiträge von der Gehaltszulage für die verflossenen Jahre der Mitgliedschaft

Pensionsverein der vorm. Gräfl. Einsiedel'schen Werke, Gröba.

50 Pf. btd 5 M (je nachZugehörigkeit zur Mitglieder­ kasse I-X).

1.30—21 M monatlich (je nach Zugehörigkeit zur Milgliederkasse I-X).

Arbeiter-Pensions- u. Unterstützungskasse d. HohenlohewerkeA.--G. zu Hohen­ lohehütte.

3.— M.

3.55 M monatlich.

1 Va % des Gehalts.

Penflonsanstalt des städtisch. Orchesters Köln.

Orchesterpensionskasse Chemnitz.

9.— M.

Pensionsanstatt für das stöbt Orchester Augsburg.

10 % einer Wintermonatsgage.

Ruhegehattskasse des städtisch. Orchesters Magdeburg.

Mitgliederbettrag

12 M pro Jahr.

l°/0 der Wintergage.

30/0 der Jahresgage?)

*) Die Höhe dieser Summen fällt für Privatbeamte und kaufmännische Angestellte fast noch mehr ins Gewicht, als für gewerbliche Arbeiter, und zwar wegen der regelmäßig längeren Dienstzeiten, ferner auch, weil sie für die Zeit der Kündigungsfrist Beiträge leisten, während der Arbeiter meist am Kündigungs­ tage den Betrieb verläßt. So hat das Kaufmannsgericht Essen einen Gehilfen zur Zahlung verurteilt, der nach der Kündigung die Beitragsleistung verweigert hatte. Bgl. Berbandstagsnummer September 1910 des „Gewerbe- und Kaufmannsgerichts".

62

I. Teil.

b)

Es ist prozentual nur

verschwindend

ein

kleiner Teil

der

Arbeiterschaft, der Vorteil von der Pensionseinrichtung hat. Die große

Masse zahlt die Versicherungsprämien für diese Minderheit. Auch in dieser Richtung besteht Übereinstimmung bei allen untersuchten Kassen. Beispiele: *) Za bl der Arbeiter am 1. Jan. 1910

Firma Drahtwerke Gleiwitz............................... Dr. Heinr. Traun Söhne..................... Donnersmarckhütte..................................... Bismarkhütte............................................... Laurahülle............................................... Phönix, Abt. Hörder Verein .... Fr. Karcher & Cie., Beckingen.... München-Dachauer A.-G. für Maschinenpapierfabrikalion..................................... Hamburg-Amerika-Linie.......................... Julienhülte, Bobrek............................... Herminenhütte, Laband.......................... Baildonhütte............................................... von Tiele-Mnkler'sche Jnvalidenkasse . . Bergische Stahlindustrie, Remscheid . . Siemens - Schuckert - Werke, Nürnberger Werk.......................................................... Höchster Farbwerke (Meister Lucius und Brüning)...............................................

3041 1729 1825 4557 2256 6158 884

!

Gesauttabqang 1909

774 414 556 3087 1034

!

1209 256

790 13913 2391 790 958

635

8

2784

21

!

2189 175

!

5464

429 104 232

303 6420

5668

52 6 12 13 27 43 2 13 25 — 8 8 12 5

!

! !

1075 1592

Davon durch Pen­ sionierung

Bei einer Anzahl von Firmen, die die einschlägigen Fragen nicht

beantwortet haben,

gehen

die einschlägigen Zahlen aus den Jahres­

berichten und sonstigen Dokumenten hervor. So betrug bei der Firma Krupp-Essen, nach

dem Jahresbericht von

1906*2)

die Arbeiterzahl

32698, die Zahl der Ausscheidenden 14340.

Davon schieden durch

Tod und Pensionierung zusammen 327 aus.

Hoffmanns PensionS-

und Unterstützungskasse

zählte

zu Anfang 1909

1027 Mitglieder.

1909 schieden 151 aus, davon 19 durch Pensionierung.

Bei der Be-

*) Sämtliche Angaben verdanke ich den Firmenleitungen. 2) Dieser Bericht lag mir nicht im Original vor. Die einschlägigen Zahlen sind zitiert in dem Schriftsatz des Vertreters der Firma Krupp im PensionSkaffenprozeß Sobkowski/Krupp vom 25. Oktober 1907. Vgl. «Die Krupp'sche Pensionskasse vor Gericht" S. 18.

63

Mitgliedschaft. Beiträge.

amtenpensionskasse der Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke betrug der Mitgliederbestand zu Anfang des Geschäftsjahrs 1909 326, der Ab­

gang im Laufe des Jahres 52, davon 1

durch Pensionierung.

Die

Pensionskasse für Beamte und Arbeiter der Chem. Fabrik auf Aktien

(vorm. E. Schering) Berlin zählte Ende 1909 821 Mitglieder. Laufe des Jahres 1909 waren 171 abgegangen.

Im

Pensioniert wurden 6.

Bei der Arbeiterpensionskaffe der Lokomotivenfabrik von Henschel & Sohn,

Cassel, betrug die Mitgliederzahl am Ende des Geschäftsjahrs 1907/08 5629, der Gesamtabgang 2039, der Zuwachs an pensionsberechtigten

Invaliden, Witwen und Waisen zusammengenommen 1 Person.

Die

Pensionskasse für die Angestellten der Firma Schäffer & Budenberg, Magdeburg-Buckau hatte am 1. Januar 1909 350 Mitglieder.

Nach

10 jährigem Bestehen betrug an diesem Tage ihr Bestand an Pensio­ nären und pensionsberechtigten Witwen 10 Personen.

c) Bei allen genannten Kassen stellt sich also die Erlangung der

Pension mindestens als ein reiner Zufallsvorteil dar, für dessen Ver­ heißung dem Lohn- oder Gehaltsempfänger während oft langer Zeit­ räume beträchtliche Prozentsätze seines Einkommens abgezogen werden. *) d) Dabei ist der Abzug des Kassenbeitrags von dem verdienten

Lohn- oder Gehalte durch den Arbeitgeber rechtlich nicht zulässig,

nicht einmal wenn der Arbeitnehmer der Stundung seiner verdienten

Einkommensteile in Form von Kassenbeiträgen zustimmt.

Das geht

hervor aus den §§ 115 Abs. 1, 115 a und 117 der Gewerbeordnung,

sowie den §§ 1 und 2 des Lohnbeschlagnahmegesetzes *) §§ 115 GO. besagt in seinem Absatz 1:

Die

Gewerbetrei­

benden sind verpflichtet, die Löhne ihrer Arbeiter in Reichs­ währung zu berechnen und bar auszubezahlen. Eine vollständige Verkennung dieses Zusammenhangs bedeutet es, wenn v. Zwiedineck-Südenhorst (a. a. O. S. 326) von der hohen Warte seines hier nicht näher zu erörternden sozialen Ideals „Imponderabilien gegen ein­ ander abwägt" und fragt, ob es „kulturell wertvoller" ist, „wenn im Wege der Pensionskassen den Arbeitern eine Einkommensförderung zukomml oder wenn diese Betriebseinrichtungen fehlen, aber die Gewähr der Streikteilnahme um einige Grade erhöht wird". Die Überzahl der Arbeitnehmer erfährt, wie gezeigt, durch die Pensionskassen keine Einkommensförderung, muß daher für fremde Zwecke ihre Koalitionsfreiheit preisgeben oder ge­ fährdet wissen. 2) Diese Bestimmungen gellen allerdings nur für gewerbliche Arbeiter.

64

I. Seil. § 115a: Lohn- und Abschlagszahlungen dürfen in Gast- und

Schankwirtschaften oder Verkaufsstellen nicht ohne Genehmigung der

unteren Verwaltungsbehörde erfolgen. Sie dürfen an Dritte nicht erfolgen auf Grund von Rechts­ geschäften oder Urkunden über Rechtsgeschäfte, welche nach § 2

des Gesetzes betr. die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes vom 21. Juni 1869 (Bundesgesetzblatt S. 242) recht­

lich unwirksam sind. § 1

des

Reichsgesetzes

betr. Beschlagnahme

des

Arbeits- oder

Dienstlohns lautet: Die Vergütung (Lohn, Gehalt, Honorar usw.) für

Arbeiten oder Dienste, welche auf Grund eines Arbeits- oder Dienst­ verhältnisses geleistet werden, darf, sofern dieses Verhältnis die Erwerbs­ tätigkeit des Vergütungsberechtigten vollständig oder hauptsächlich in

Anspruch

nimmt,

zum Zwecke

der Sicherstellung

oder Befriedigung

eines Gläubigers erst dann mit Beschlag belegt werden, nachdem die

Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt und nachdem der Tag, an

welchem die Vergütung gesetzlich, Vertrags- oder gewohnheitsmäßig zu entrichten war, abgelaufen ist, ohne daß der Vergütungsberechtigte die­

selbe eingefordert hat. § 2 desselben Gesetzes: Die Bestimmungen des § 1 können nicht

mit rechtlicher Wirkung durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Soweit nahme

nach

diesen

unzulässig

ist,

Bestimmungen

ist

auch

jede

eine

Beschlag­

Verfügung

durch

Zession,Anweisung, Verpfändung oder durch ein anderes Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkung.

§ 117 GO. endlich lautet:

Verträge, welche dem § 115

zuwiderlaufen, sind nichtig. Dasselbe gilt von Verabredungen zwischen den Gewerbetreibenden

und den von ihnen beschäftigten Arbeitern über die Entnahme der Bedürfnisse der letzteren aus gewissen Verkaufsstellen, sowie überhaupt über die Verwendung des Verdienstes derselben zu einem anderen

Zwecke, als zur Beteiligung an Einrichtungen zur Ver­ besserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien. a) Auf Grund dieser Gesetzesstellen sagt Lotmar a. a. O.: Bei

Kassen, die eigene Rechtspersönlichkeit haben, ist die Kasse ein „Dritter" im Sinne des § 115a GO. Die durch den Arbeitsvertrag übernommene

Verpflichtung der Kassenmitglieder, sich einen

verdienten Lohnteil zu-

Mitgliedschaft.

65

Beiträge.

gunsten der Kasse abziehen zu lassen, ist eine Anweisung im Sinne des § 2 des Lohnbeschlagnahmegesetzes.

Folglich ist § 115 a anwend­

bar, die Vereinbarung über den Lohnabzug somit unwirksam.

Also

ist in solchen Fällen der Arbeitgeber noch in Höhe des Kassenbeitrags

lohnzahlungspflichtig. Auch von den Gegnern dieser Ausfassung ist nicht bestritten worden,

daß die Vereinbarung der Duldung des Lohnabzugs ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lohnbeschlagnahmegesetzes ist.

Es wird

anerkannt, daß der Arbeitgeber durch eine solche Abrede einen Rechts­ anspruch aus Einbehaltung der verdienten Lohnteile und Abführung

derselben an die Kasse bekommt, *)

der ihm durch den Arbeitnehmer

während des Arbeitsverhältnisses nicht mehr entzogen

werden

kann.

Bestritten ist dagegen, ob die Ausnahme, die § 117 Abs. 2 GO. zugunsten von „Einrichtungen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien" von der Nichtigkeitsdrohung des Abs. 1 macht,

auch auf § 115 a GO. anwendbar ist.

Wenn das Landgericht Essen

in dem Urteil in Sachen Lange und Gen. wider Krupp vom 25. November 1909 (S. 32) gegenüber Lotmar sagt: „Zunächst ist darauf hinzuweisen,

daß der § 117 der GO. nur auf den § 115 Bezug nimmt, nicht auf den § 115 a," so rennt es damit offene Türen ein.

Denn

daß dies

der Fall sei, hat Lotmar gar nicht behauptet. Er verneint vielmehr die Gültigkeit des vereinbarten Lohnabzugs in Übereinstimmung mit

dem Reichsgericht2) lediglich auf Grund folgender Erwägung:

„Indem dieser neueingeschaltete § 115a ohne jede Ausnahme noch Einschränkung, Lohnzahlungen an Dritte auf Grund von

durch das Gesetz vom 21. Juni 1869 für wirkungslos erklärten

Rechtsgeschäften verbietet, ist bei Anwendung des § 115 a GO. grundsätzlich nur zu prüfen,

ob die rechtliche Wirkungslosigkeit

nach Maßgabe dieses Gesetzes vom 21. Juni 1869 besteht oder nicht.

Besteht sie hiernach schon, dann ist es gleichgültig, ob ee

sich gleichzeitig um eine nach § 117 GO. nichtige

Verabredung

handelt", oder, wie man hinzusügen muß, um eine nach § 117 Abs. 2

gültige Verabredung, m. a. W.:

Nach

Aufnahme des

§ 115a können die durch § 117 Abs. 2 zugelassenen Ausnahmen *) So auch vom Landgericht Essen im Urt. Lange und Gen./Krupp boni 25. November 1909. ') Urteil vom 13. Juni 1895 (EntschStrS. S. 27, 289). Loewenseld, Pensionskassen und Arbeitsvertrag. 5

66

I. Teil.

nur soweit gelten, als sie mit § 115 a verträglich sind.

Daß

Bundesrat und Reichstag bei Aufnahme des § 115a eine andere

Ansicht und Absicht hatten, ist im Gesetz selbst nicht zum Ausdruck

gekommen und daher für die Auslegung seines klaren Textes un­ verbindlich.

Dem hat das Landgericht Essen a. a. O. nichts entgegenzuhalten,

als daß „§ 115a, da er dem System der GO. eingegliedert worden

ist, nicht als lex posterior gelten kann gegenüber dem § 117" und

daß er deshalb nicht den Vorzug vor § 117 verdienen kann. kämpft damit, wie aus dem Vorstehenden ersichtlich, wiederum

Es gegen

eine Meinung, die gar nicht vertreten worden ist.

Von Interesse ist dagegen die Feststellung des Landgerichts Essen

an derselben Stelle, daß „die Meinung, daß auch Verabredungen im Sinne des § 117 Abs. 2, wenn sie dem

§ 115a zuwiderlaufen, un­

wirksam seien, bis zu einem gewissen Grad von der Entscheidung des Reichsgerichts unterstützt" wird. Wie Kohlers) so fühlt sich aber auch das Landgericht Essen verpflichtet, die Bedeutung dieser von Lotmar

als Präjudiz angezogenen Entscheidung abzuschwächen, indem es sagt,

daß das „Reichsgericht zu der hier interessierenden Frage nur beiläufig und in keineswegs unzweideutiger Weise Stellung genommen

hat",

ohne daß es jedoch angibt, worin die Zweideutigkeit der für jeden

Juristen klaren Stelle liegt. Richtig ist dagegen, daß eine Anzahl von Kommentatoren der GewO, (so Landmann, Schicker, Nelken, Neukamp)

die Auffassung vertreten, daß § 117 durch den § 115 a gar nicht berührt werde.

ß) Selbst für denjenigen aber, der in dieser Auslegungsfrage der Meinung der genannten Kommentatoren, insbesondere den nicht un­ gewichtigen historischen Gründen Neukamps beitritt,*) ist damit noch

nicht bewiesen, daß die Ausnahme des § 117 Abs. 2 wirklich für die *) „Fabrikpensionskasse und § 138 BGB." Arch. f. bürgert Recht Bd. 32 S. 7. Kohler spricht von „einigen recht anfechtbaren Bemerkungen über die Tragweite des § 115a und sein Verhalten zu § 117*, ohne gegen die zitierte Stelle Gegengründe vorzubringen. ’) In der Gerichtspraxis scheint indes die Lotmarsche Anschauung allmäh­ lich Einfluß zu gewinnen. Insbesondere hat das Landgericht Trier im Februar 1910 mit großem Nachdruck ausgesprochen, daß der Arbeitgeber den Arbeiter nach GO. 117 wohl verpflichten könne, einen Teil seines Verdienstes zum Zwecke

67

Mitgliedschaft. Beiträge.

Denn § 117 Abs. 2

fragliche Vereinbarung des Lohnabzugs zutrifft.

gestattet ja nur Abzüge für „Einrichtungen zur Verbesserung der Lage

der Arbeiter oder ihrer Familien", also für wirkliche Wohlfahrts­ einrichtungen.

Es ist Landmann beizustimmen, wenn er1) die

Frage, ob eine solche Einrichtung vorliegt,

in der Regel nur nach

Prüfung der Verhältnisse des konkreten Falls entschieden wissen will und bemerkt, daß diese Prüfung eventuell Sache des Zivilrichters ist.

Zweifellos ist, wie auch das Landgericht Stuttgart2) treffend ausgeführt hat, mit der „Verbesserung der Lage der Arbeiter" in § 117 Abs. 2

die Verbesserung der ökonomischen und sozialen

Lage der Gesamt­

heit der Arbeiter gemeint, allerdings nicht in dem Sinn, daß jedes

Pensionskassenmitglied auch tatsächlich Pension bekommen müsse, da ja

bei vielen die statutenmäßigen Voraussetzungen der Pensionierung nicht eintreten, aber doch wenigstens in dem Sinn,

daß „tatsächlich jeder,

der sich an der Einrichtung beteiligt, im Falle der Not auf ihre Unter­ stützung rechnen darf und zwar in einer Weise,

daß

diese Hoffnung

oder Anwartschaft gewissermaßen einen Posten seines Gesamteinkommens darstellt".

Daß die

Voraussetzungen

numerischen

für

das

Eingreifen der Ausnahme be8 § 117 in allen untersuchten Betrieben nicht vorliegen, daß Zehntausende, die im Laufe der Jahre abgegangen

sind, die Versicherungsprämien für einige wenige bezahlt haben, ist

bereits gezeigt.

(S. Tabelle S. 62.)

Daß aber auch für die wenigen,

die schließlich etwas bekommen haben, diese Gabe ein reiner Zufalls­ vorteil war, daß die Hoffnung auf Erreichung des durch Eingehung

des Versicherungsvertrags gesteckten Ziels, den Bezug einer Rente, für jeden Lohn- und Gehaltsempfänger außerordentlich gering ist, zeigt vor allem ein Blick auf die Länge der vorgesehenen Karenzzeiten. So ist Voraussetzung für den Pensionsbezug im Fall der Dienst­

unfähigkeit oder im Fall hohen Alters

eine Dienstzeit von 5 Jahren z. B. bei dem

Gebr. Arnhold'schen

Pensionsverein, der Arbeiter-Pensions- und Unterstützungskasse der

einer Wohlsahrtseinrichtung zu verwenden, aber nach § 2 des Lohnbeschlagnahme­ gesetzes und 115 a der GO. müsse es dem Arbeiter ein für allemal Vorbehalten bleiben, seinen dritten Gläubiger selbst aus dem empfangenen Lohn zu befriedigen. *) Komm. z. GewO. Bem. 6 zu § 117.

’) Urt. vom 24. November 1908 in Sachen Maschinenfabrik Eßlingen/Balz und Gen.

68

I. Teil. Hohenlohewerke, der Arbeitervereinigung Falkenau, der Pensions­

kasse des

Eisenwerks Herminenhütte Laband,

der Pensionskasse

für die Angestellten der Allg. Berliner Omnibus AG., der Pen­

sionskasse für die Angestellten von Wolf Netter & Jacobi-Straß­ burg, den Beamtenpensionskassen der Gute Hoffnungshütte-Oberhausen, der Gasmotorenfabrik Köln-Deutz, der Badischen Anilin-

und Sodafabrik, der Röchling'schen Eisen- und Stahlwerkc-Völklingen, der Firmen Kalle & Co. AG. Biebrich a. Rh.,

& Boch, Mettlach, der Lokomotivenfabrik Henschel

und

Villeroy

Sohn-

Cassel, der Pensionsanstalt der städtischen Kapelle zu Mainz;

eine Dienstzeit von 6 Jahren bei der Pensionskasse für die AngefteÖten1) der Hamburg-Amerik. Paketfahrt AG.;

eine Dienstzeit von 8 Jahren bei der Versorgungskasse für die An­ gestellten der Firma M. Du Mont Schauberg; eine Dienstzeit von 10 Jahren bei der Hildegard Bleichert-Kasse-

Leipzig-Gohlis, der Pensionskasse für die Beamten und Arbeiter der Chemischen Fabrik auf Aktien (vorm. E. Schering) Berlin,

der Arbeiterpensionskasse der Vereinigten Königs-

und Laura­

hütte, bei Hoffmanns Pensions- und Unterstützungskassen Salzuflen,

bei der Arbeiterpensionskasse des Hörder Bergwerks- und Hütten­ vereins, bei den Beamtenpensionskassen der Bergischen Stahlin­ dustrie-Remscheid, der Maschinenfabrik I. M. Voith-Heidenheim,

bei der Ruhegehaltskasse des städtischen Orchesters Magdeburg,

des stöbt. Orchesters Augsburg;

eine Dienstzeit von 15 Jahren bei der Arbeiterstiftung der Firma Ed. Laeis & Co., Trier;

eine Dienstzeit von 20 Jahren (bei „besonders schwerer Arbeit" von

15 Jahren) bei der Arbeiterpensionskasse für die Gußstahlfabrik

von Friedrich Krupp AG. Essens) *) Vorstandsmitglieder, mit Jahresgehalt angestellte Beamte, Inspektoren, Kapitäne, Offiziere, Maschinisten, Proviantmeister rc.

*) Diese abnorm lange Karenzzeit soll nach den Angaben der Firnia Krupp (vgl. Heinemann a. a. O. S. 18) deshalb von geringerer Bedeutung sein, weil bei der Firma auch eine einseitig vom Arbeitgeber betriebene Arbeiter­ und Jnvalidenstistung besteht, die in Notfällen auch schon bei kürzerer Dienst­ zeit Hilfe leistet. Da aber mangels eines Arbeiterbeitrags zur Stiftung auch kein Rechtsanspruch auf eine derartige Unterstützung besteht, stellt sich die Unter-

Mitgliedschaft.

5 jährige Zugehörigkeit

69

Beiträge.

zum Orchester,

aber

29 jährige Beitrags­

leistung fordert das Statut der Orchesterpensionsanstalt Chemnitz.

Nur vereinzelt finden sich geringere Karenzzeiten?) so z. B. von 3 Jahren bei der Arbeiterpensionskasse der Donnersmarckhütte, oder

Abstufung der Pension nach dem Dienstalter ohne

eine Karenzzeit,

wobei dann freilich gewöhnlich die Pensionssätze für die ersten Jahre geradezu lächerlich gering sind.

Drahtwerke

Gleiwitz

So

bei der Pensionskasse der

hat

einem

z. B. ein Arbeiter mit

Jahresverdienst

von 1100 M, von dem er 3°/o Beiträge an die Kasse

hat,

nach 3 jähriger Dienstzeit

für

den

zu leisten

der Dienstunfähigkeit

Fall

einen Rentenanspruch von 33 M pro Jahr, ein Arbeiter mit 900 M Jahresverdienst

nach

2 jähriger

Dienstzeit

im

gleichen

Fall

einen

Anspruch auf 18 M Jahresrente. Man vergleiche nun mit der Länge der Karenzzeiten die Länge

der Dienstzeiten in den verschiedenen Betrieben, und es zeigt sich, daß schon

eine

Dienstzeit

anzusehen ist.

von

fünf Jahren

als

etwas

Exzeptionelles

Schon in der Begründung der Petition des Christl.

Metallarbeiterverbands an den deutschen Reichstag vom Januar 1909 ist daraus aufmerksam gemacht, wie viel für die Arbeitnehmer infolge

des vielfach überaus starken Wechsels der Arbeitsplätze verloren geht und auf die umfangreichen Erhebungen der Gewerberäte für die Regierungs­ bezirke Düsseldorf,

Köln, Essen rc. aus dem Jahre 1907 verwiesen.

Aus ihnen geht z. B. hervor, daß im Aufsichtsbezirk Essen von 3 großen Werken der Eisenindustrie die Summe des Arbeiterwechsels in

den 12 Monaten des Jahres 1907 40, 61 und 73°/» der Belegschaft stützung

als

ein

Almosen dar.

vollkommen

vom

Ermessen

des

Arbeilgebers

abhängiges

Daß nur gewisse Arbeiter mit einem solchen bedacht werden,

ist gezeigt worden. *) Nach Laporte (a. a. O. S. 21) ist die Grenze einer versicherungstechnisch

gerechten Karenzzeit (worunter er nur die Zeil des Versicherungsverhältnisses versteht, in der eine Gegenleistung nicht gewährt wird, im Gegensatz zur Warte­

zeit, d. h. der für die Pensionsberechtigung geforderten Dienstzeit) mit drei oder

ausnahmsweise, bei sehr niedrigen Prämien, mit fünf Jahren gegeben. Laporte meint (a. a. O. S. 23), rechtlich stehe es natürlich jedem Unternehmer frei, seine

Pensionskasse mit möglichst langen Wartezeiten einzurichten, dann solle er aber

die Prämien völlig aus der eigenen Tasche zahlen, weil es sich sonst nicht mehr um sozial-ethische Versicherungsunternehmungen handle, sondern um Kassen, die unter Mißbrauch des Bersicherungsgedankens lediglich den Zwecken des Unter­

nehmers dienen.

70

I. Teil.

betrug. Für manche Fabriken wird (so vom Gewerberat für den Landes­

polizeibezirk Berlin) ein Arbeiterwechsel in 5- und 10 facher Höhe der

Belegschaft

gemeldet.

Diese Zahlen

haben

mich

zu

Umfragen

bei

den Betriebsleitungen angeregt, deren Resultate ergeben, daß die An­

gaben der befragten Arbeitgeber x) mit denen der Gewerberäte überein­

stimmend)

Es darf in der Tat selbst die Erreichung einer 5 jährigen

Karenzzeit als relativ selten bezeichnet

Gesamt­ abgang 1909

Firma

Dr. Heinr. Traun Söhne.......................... Drahtwerke Gteiwitz..................................... Donnersmarckhütte..................................... Bismarckhütte................................................ Laurahütte..................................................... Fr. Karcher & Cie., Beckingen .... München-Dachauer A.-G. für Maschinenpapierfabrikation..................................... Julienhütte, Bobrek..................................... Arenberg'sche A.-G. für Bergbau- und Hüttenbetrieb, Essen........................... Herminenhütte, Laband.......................... Eisenwerk Baildonhütte.......................... Bergische Stahlindustrie, Remscheid . . Siemens-Schuckerttverke, Nürnberger Werk

An

der Hand dieser

werden.

So betrug bei der Davon hatten eine Dienstzeit von weniger als 1 Jahr

von weniger als 5 Jahren

414 774 556 3087 1034 256

235 384 301 2372 211 144

155 314 183 583 912 81

303 2189

147 1853

130 307

4477 175 429 232 635

2932 86 322 114 322

1120 68 107 98 258

Tatsachen kann es als festgestellt erachtet

werden, daß regelmäßig die Erlangung einer Pension oder Unterstützung sich als reiner Zufallsvorteil erweist, nicht weit entfernt von dem Vorteil,

den ein Lotteriespieler erhoffen kann. Sicher aber kann die Erwartung eines derartigen Vorteils nicht einen Posten

des Gesamteinkommens

darstellen. Mit dieser Feststellung ist aber bewiesen, daß die Ausnahme

des 8 117 GO. für alle derartigen Betriebe nicht zutrifft, daß somit

der Lohnabzug

unwirksam, die Vereinbarung desselben nach

8 117 Abs. 1 GO. nichtig ist.

Nicht unwesentlich, aber sicher nicht ausschlaggebend für die Be­

urteilung

einer

Pensionskasse

als

Wohlfahrtseinrichtung im

Sinne

*) Eine größere Anzahl von Firmen hat diese Fragen nicht beantwortet. ') Bgl. auch Tabelle S. 43.

71

Mitgliedschaft. Beiträge.

des 8 117 GO. ist die zahlenmäßige Höhe dessen, was

insgesamt

eine Kasse im Laufe der Jahre geleistet hat, ferner der Beträge, die demjenigen zuteil werden, der sich wirklich zum

Genuß einer Pension

durchgearbeitet hat, endlich das Verhältnis, in dem diese Pension zu dem Beitrag des

steht.

einzelnen Kassemitglieds

Einzelne

Firmen,

speziell die Firma Krupp, pflegen, sobald der Charakter ihrer Kassen als Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des 8 117 GO. angezweifelt wird, in

diesen Richtungen einen wahren Wohlfahrtsprunk zu entfalten, indem sie Gesamtbeträge und Durchschnittsbeträge der geleisteten Pensionen für eine große Anzahl von Jahren und folgemäßig mit einem stark

flimmernden Zahlenapparat vorführen. Gemüt des

Unkundigen

hinwegtäuschen, steuern

mußten,

wie

bewegen

viele

einigen

So mächtig diese Zahlen das

mögen,

sie können

Tausende wider

wenigen

Lebensabend zu ermöglichen.

nicht darüber

ihren Willen

Schmiegsamen einen

dazu

bei­

angenehmen

Darüber aber setzen sich die einschlägigen

Firmen meist mit dem Gemeinplatz hinweg,

es gehöre zum „Wesen

der Versicherung", daß viele für wenige Opfer bringen müßen.

Eine

derartige Behauptung ist doch nur in dem Sinne richtig, daß nicht jeder von dem Unglück betroffen wird, gegen das die Versicherung schützen

will, nicht jeder das hohe Alter erreicht, für das eine Versorgung gewährt

werden soll.

Aber sicher kann es doch nach den sozialethischen Grund­

gedanken des Versicherungswesens nur der Zufall sein, der die Aus­

lese derjenigen trifft, die in den Genuß der Versicherung kommen sollen,

und nicht etwa die Willkür eines Vertragsteiles des mit dem Ver­ sicherungsvertrag verkoppelten Arbeitsvertrags.

Es ist Laporte') beizu­

stimmen, wenn er von der in dieser Richtung herrschenden Begriffsver­

wirrung eine Gefahr für die Grundbegriffe des Versicherungswesens befürchtet. Daß übrigens der Beitragsverlust durchaus nicht zum Wesen *) Laporte, „Die Mißstände in den Theaterpensionskassen und ihre Be­ kämpfung". In „Der Neue Weg" 39. Jahrg. Heft 47 (vorn 26 November 1910). Am deutlichsten wird seine Meinung durch folgenden Passus charakterisiert: „Man vergesse nicht, daß es sich bei einer Versicherung nicht um Sammlung von Beiträgen mit völlig unbestimmten und unberechenbaren Gewinnchancen handelt, wie beim Lotterievertrag, den ein Spieler durch Kauf eines Loses ab­ schließt, sondern um einen Vertrag, durch den man im Falle irgend eines zu­ fällig eintretenden wirtschaftlichen Bedarfs gedeckt sein will. Wird aber diesezufällige Eintreten gar nicht abgewartet, so liegt kein Versicherungsvertrag, sondern ein verkapptes Lotteriespiel vor, das meiner Ansicht nach gegen die guten Sitten verstößt, weil es unter falscher Flagge segelt."

72

I. Teil.

der hier behandelten Pensionseinrichtungen gehört, geht aus den im vorigen Kapitel

angeführten vielen Fällen hervor, in denen Kassen

der überwiegenden Mehrzahl aller Ausscheidenden die Beiträge erstatten. Als juristisches

Kohlers dadurch

geltend

Kuriosum

macht.

Nach

sei ein

Gegengrund

ihm hat der

angeführt, den

Versicherte

nicht

nur

einen Vorteil, daß er im Fall des Versicherungsereignisses

eine Geldentschädigung bekommt, sondern auch dadurch, daß er in der Zwischenzeit versichert ist — auch wenn er nachher nichts bekommt. Denn der Zustand des Gesichertseins selbst ist schon wertvoll.

„Die

ganze andere Stellung der Familie des Pensionsberechtigten, das sorg­

losere Dasein und infolgedessen die solidere Familiengründung ist auch

etwas wert und muß berücksichtigt werden."

Dies mag psychologisch zutreffen, juristisch ist es unrichtig.

Das

wird für diejenigen, denen das Arbeitsverhältnis durch den Arbeit­ geber gekündigt worden ist, durch ein Analogon illustriert: Ein wohl­

habender junger Mann verführt ein armes Mädchen dadurch, daß er ihm

durch Versprechen der Ehe eine sorglose Zukunft vormalt.

Nachdem ihm

sein Plan gelungen ist und er keine Miene macht, das Mädchen zu heiraten, klagt es nach § 1298 BGB. auf Ersatz der Aufwendungen,

die es in Erwartung der Ehe gemacht hat.

Der junge Mann wendet

ein, diese Aufwendungen seien dem Mädchen schon ersetzt durch den ökonomischen Vorteil, den es durch die Erwartung einer

gesicherten

Zukunft hatte.

Kohler

hätte

also

bemerken

müssen, daß nur die Illusion

einer Versicherung vorliegt, wenn das angebliche Gesichertsein durch einen Willkürakt, der mit dem Wesen der Versicherung nichts zu tun

hat, jederzeit beseitigt werden kann?) *) A. a. O. S. 8. 2) Der Hinweis darauf bedeutet, wie einem Aufsatz R. v. Erdberg's in den „Kritischen Blättern für Sozialwissenschaften" gegenüber festzustellen ist, im Hinblick auf die in dieser Schrift vielfach erwähnten praktischen Fälle nicht bloß eine Diskreditierung des angeblichen Werts solcher Versicherung wegen der Möglichkeit des Mißbrauchs. Besonders ist in diesem Zusammenhang der Arbeiterentlassungen im großen zu gedenken, die nicht selten im Anschluß an wirtschaftliche Krisen erfolgen. (Vgl. Verhandlungen d. Vereins f. Soz. Politik 1905 S. 195. Nach den Angaben der Firma Krupp wurden 1902 664 Arbeiter aus Anlaß einer Krise entlassen, darunter sieben mit einer Dienstzeit von über 10 Jahren.) Ferner ist daran zu erinnern, daß fast nirgends sich eine Aus-

Mitgliedschaft.

73

Beiträge.

2. Der Lohn- oder Gehaltsempfänger opfert einen beträchtlichen

Teil seines Einkommens einem Zwecke, der ihm mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfremdet wird?) Er hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht sich,

sondern anderen, bezw. der Kasse, eine

Bereicherung durch seine Beitragsleistung

verschafft?)

Er wird zu­

gunsten der Kasse besteuert.

3. Bei zweiseitigen Kaffen gilt ferner das oben (S. 45 f.) für einseitige Kassen Gesagte in erhöhtem Maße.

Auch hier werden die

nähme von der Bettragspflicht für diejenigen Arbeiter findet, die von vornherein nur vorübergehend eingestellt werden, z. B. zwecks rascher Erledigung einiger großer Aufträge. T) So Lotmar in „Die Kruppsche Pensionskasse vor Gericht" S. 35, 36. 2) Als Beleg dafür, daß der Arbeitnehmer mit seinem Abgang die Kasse bereichern hilft, führt Lotmar eine Tabelle aus den Schriften des Vereins für Sozialpolitik Bd. 114 S. 146 an, die der Bearbeiter dieses Bandes, Dr. Ad. Günther, wiederum aus der Schrift „Wohlfahrtsplage" von Wilhelm Düwell S. 31 übernommen hat. Der Autor dieser Tabelle, in der berechnet wird, daß die Einnahmen der Kruppschen Arbeiterpensionskasse aus Arbeiterbeiträgen, Zinsen, verfallenen Lehrlingslöhnen,nicht erhobenen Rabattbeträgen,aber ohne die Beiträge des Arbeit­ gebers für die Jahre 1895—1901 einen Überschuß gegenüber den gezahlten Pensionen aus Arbeitermitteln zwischen 40371 und 335 097 M, also durchschnittlich 195 281M ergeben, übersieht, daß in Spalte 2 der Tabelle auch alle Überschüsse aus Kapital­ zinsen angeführt werden, obwohl das Vermögen der Kasse zum größeren Teil aus den Leistungen der Firma entstanden ist. Die Zahlen, bei denen der Ur­ sprung der Kapitalzinsen berücksichtigt wird, ergeben nach einer ausführlichen Tabelle von Heinemann (a. a. O. S. 12), daß die Einnahmen aus Arbeitermitteln seit 1893 nur dreimal die Pensionszahlungen deckten. Die Feststellung dieses Irrtums benützt Heinemann, um dem Autor der Tabelle und denen, die sie übernommen haben, in emphatischen Ton bewußte Fälschung vorzuwerfen und die erwähnte „sozialdemokratische" Tabelle als ein „geradezu klassisches Beispiel dafür, mit welchen Mitteln gegen die Pensionskasse gearbeitet wird", zu bezeichnen. Er fügt hinzu: „Was lehrt nun diese Tabelle? Daß die Pensionskasse, wenn man die Firmenbeiträge außeracht läßt, im Jahre 1903 hätte ihre Zahlungen einstellen müssen. Daß die Arbeiterschaft der Gußstahlfabrik in den Jahren 1885—1907 14,3 Millionen in die Pensionskasse eingezahtt hat und daß in der­ gleichen Zeit pensionierten Arbeitern bzw. Arbetterwitwen und Waisen 18,2 Milli­ onen aus der Pensionskasse zugeflossen sind." Beide Behauptungen sind richtig. Es muß aber die Gegenfrage erhoben werden: Was lehrt diese Belehrung? Doch sicher nichts, als daß der satzungsmäßige Firmenbettrag satzungsmäßig zur Auszahlung von Pensionen verwendet worden ist und sich dabei ein noch viele Millionen betragender Überschuß ergab. Sicher aber nicht, daß die Rück­

zahlung der Beiträge nicht möglich sei. Und zur Widerlegung dieser letzteren Behauptung war doch die Tabelle in wissenschaftlichen Werken nur benützt worden.

74

I. Teil.

Produktionskosten der Arbeit nicht gedeckt. einseitigen

Kassen, wie gezeigt,

durch

Arbeitgeber

den

war,

die

nur

die

den

Während es aber bei den

Hoffnung

aus Versorgung

veranlaßte, die

Arbeitnehmer

Deckung der Selbstkosten aus freien Stücken zu unterlassen, ist er bei zweiseitigen Kassen infolge des Beitragszwangs zur Unterlassung dieser Deckung genötigt.

Wird ihm nun beim Ausscheiden

nichts

zurückerstattet, so hat er weder die Fürsorge, für deren Erlangung er die Kassenbeiträge

geopfert

hat, noch eine andere.

Mit den zurück­

Beiträgen dagegen wäre er in der Lage, sich eine ander­

gezahlten

weitige Deckung zu beschaffen, z. B. durch

Einkäufen bei einer Ver­

sicherungsgesellschaft.

4. Nur der Arbeitnehmer erleidet durch die Beendigung des Dienst­ verhältnisses eine Einbuße infolge des Beitragsverlustes?) Dem Arbeit­

geber steht dagegen für den Ausgetretenen Ersatz zur Verfügung. länger der

Arbeitnehmer dient, desto

Je

mehr Beiträge verliert er mit

der Beendigung des Dienstverhältnisses.

Der Verlust der

Beiträge

wirkt also so, wie wenn auf die Beendigung des Dienstverhältnisses,

die,

wie

erwähnt,

vom Arbeitgeber jederzeit einseitig

herbeigesührt

kann, eine immer steigende Konventionalstrafe

gesetzt toäre.2) Hierin ist eine Ungleichheit im Kündigungsrecht zu erblicken, überall werden

aber, wo in Reichsgesetzen Abweichungen von der gesetzlichen Kündi­

gungsfrist gestatten, verlangen sie Kündigungsgleichheit für beide Kontrahenten des Arbeitsvertrags?) 5.

Dabei

wahllos jeden

scheiden trug.

trifft

diese

Konventionalstrafe

gleich

schwer

und

Ausscheidenden, gleichviel, wer Schuld an dem Aus­ Ob der Arbeitnehmer wegen Krankheit, wegen Arbeits­

mangels in Krisenzeiten, wegen Zugehörigkeit zur Organisation, wegen Teilnahme an einer Lohnbewegung, oder wegen schwerer Über*) Ehrenbergs Einwand (a. a. O. S. 49), die Beiträge seien bereits längst entrichtet, ihr Verlust sei daher schon verschmerzt, und außerdem wisse der Ar­ beiter, daß er jeden Tag sterben könne und dann seine Beiträge au fond perdu geleistet habe, ist zu wenig haltbar, um einer Widerlegung zu bedürfen. Ehren­ berg bringt an derselben Stelle aber noch ein interessantes Gegenargument: ,5)ie Aussicht auf Pension ist ohnehin gering, weil sie eben durch eine Kündigung von Seite der Firma jederzeit zerstört werden kann." Hier gibt also auch Ehrenberg zu, daß die Erreichung einer Pension ein Lotterie vorteil ist. *) So Lotmar in „Die Kruppsche Pensionskasse vor Gericht" S. 37. ') BGB. § 621, HGB. § 67, GO. § 122, SeemannsO. § 27.

75

Mitgliedschaft. Beiträge.

tretung der Arbeitsordnung, Gefährdung von Arbeitskameraden, Dieb­ stahls rc. entlassen wurde, ob er austrat, weil sich ihm eine günstigere

Stellung bot oder weil ihn sein Meister mißhandelte, immer greift dieselbe Strafe ein, und zwar je treuer er war, desto empfindlicher.

dem

Neben

wird,

Schaden,

konstatiert

schriften

daher

der

dem

Lotmar

Arbeitnehmer

die

durch eine solche Verquickung

Verletzung

dadurch zweier

zugefügt

Moralvor­

des Arbeitsvertrags mit der

Verficherung:

a) Es werden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Schuldige und Unschuldige im Gegensatz zu den Forderungen der Moral

mechanisch gleich behandelt,

b) mit der Abnahme des Grundes, aus dem gegen einen Arbeit­ nehmer eingeschritten wird, nimmt der Nachteil zu, der durch

die Entlaffung über ihn verhängt wird.

6. Besondere Bedeutung aber gewinnen diese Umstände durch ihren allgemeinen Einfluß

auf die Gestaltung des Arbeits­

verhältnisses: Das wichtigste Recht, das dem Arbeitnehmer durch

§ 152 GO. zur Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen gewährt ist,

Arbeit.

ist

das

Recht

auf

straflose

Einstellung

der

Ist aber auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom

Arbeitgeber der Verlust der Pensionskassenbeiträge gesetzt, so kann der

Arbeitnehmer von dem ihm gesetzlich gewährleisteten Recht niemals Ge­ brauch machen, ohne sehr empfindlichen Schaden dadurch zu erleiden,

während umgekehrt anerkanntermaßen mancher Streik dem Arbeitgeber zur Hinauftreibung der Preise erwünscht und von Vorteil ist.1)

ES

wäre ja verfehlt, aus den Bestimmungen des § 152 GO. mehr folgern

zu wollen, als Abwesenheit von Strafe und folgemäßig Koalitions­ freiheit auf Grund des Gesetzes, immerhin aber ist diese Freiheit

ein Stück staatsbürgerlicher Freiheit, so gut wie Religionsfreiheit, Preß­

freiheit, Freizügigkeit rc. Wenn auch der Gesetzgeber unter dem Druck

mächtiger wirtschaftlicher Interessenten sich nicht hat entschließen können, diese Freiheit mit den nötigen Garantien zu umgeben, so würde ja

die Arbeit des Gesetzgebers zur reinen Farce herabsinken, wollte man ’) Vgl. z. B. das Steigen der Kohlen- und Kokspreise zur Zeit des großen Bergarbeiterstreiks von 1889. S. Vogelstein, Die Industrie der Rheinprovinz 1888-1900 S. 53 ff.

76

I. Teil.

nicht annehmen, daß eine willkürliche Beschränkung dieser gesetzlichen Freiheit durch Private gegen die guten Sitten verstößt?) Dabei ist noch zu bedenken, daß vielerorten die Pensionskassen nur ein Bruchstück eines wohldurchdachten Wohlfahrtssystems darstellen, das

eingestandenermaßen dem

Arbeitgeber eines der willkommensten

Mittel zur Schwächung der Solidarität der Gegeninteressenten ist. Dieses System,

das

es sich zum Ziel setzt, unter formeller Wahrung des

geltenden Rechtszustands auf dem Wege des psychologischen Zwangs dem Arbeitnehmer die ihm gesetzlich garantierten Rechte aus freie Be­

rufswahl, auf freie Vereinbarung der Arbeitsbedingungen, auf Frei­ zügigkeit, auf gleiche Kündigungsfristen, auf strafloses Sich-Koalieren

tatsächlich zu nehmen, ist so ausführlich Gegenstand Kritik gewesen?)

erübrigt.

Es

mehrere Arten

der öffentlichen

daß sich ein Eingehen auf dasselbe an dieser Stelle

muß

von

aber

darauf

hingewiesen werden,

daß da,

wo

Wohlfahrtseinrichtungen in einem Unternehmen

Vorkommen, die Pensionskassen nicht losgelöst von dem übrigen Wohl*) Ob es auch einen Verstoß gegen die guten Sitten bar stellt (wie N e ukamp annimmt), daß der Austritt aus den Diensten der Firma unter allen Umständen und, gleichviel aus welchen Gründen, den Verlust der Mitglied­ schaftim Gefolge hat, ist an dieser Stelle nicht zu erörtern. Immerhin mag darauf hingewiesen werden, daß Einrichtungen, wie die privaten Pensionskassen, doch ihrem Wesen nach nur für Angehörige eines Unternehmens vorhanden sein können, ferner aber, daß diejenigen Arbeitnehmer, die im Falle des Vorhandenseins der Veitragserstattung infolge längerer Dienstzeit bei Ausscheiden größere Beträge zurückerhalten würden, imstande wären, sich mit diesen Beträgen eine ander­ weitige Altersfürsorge, z. B. durch Einkäufen bei einer Versicherungsgesell­ schaft, zu verschaffen (vgl. oben S. 73). Auch bei solchen Arbeitnehmern, die wenig zurückerstattet bekämerl, wäre die Beilragserftattung ein wenn auch nicht ganz ebenbürtiges Äquivalent für den Verlust der Mitgliedschaft, da sie imstande

wären, bei einer anderen Penstonskasse ihre Beiträge aus diesem Betrag zu bestreiten. 2) Das meiste und beste Material zu seiner Beurteilung wird geboten in der schon erwähnten Schrift von Günther „Die Wohlfahrtseinrichtungen der Arbeitgeber". Neuerdings reiht auch ein mit dem Arbeitgeberinteresse so bewußt schonend umgehender Beurteiler, wie Adolf Weber (Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, Tübingen 1910) die Wohlfahrtseinrichtungen unter die „Kampf­ mittel der Arbeitgeber" und zwar unter die zur „Förderung der Arbeitswillig­ keit" und „Schwächung der Solidarität der Gegner" ein, ohne freilich in seiner Kritik der Pensionskassenfrage, abgesehen von einer gänzlich unbegründeten, dem Autor unwissenschaftliche Absichten unterschiebenden Diskreditierung Günthers, Neues beizubringen.

77

Mitgliedschaft. Beiträge.

fahrtssystem beurteilt werden können.

Eine derartige Loslösung bringt

den Richter auf eine falsche Bahn. B. Gegen diese Anschauungen sind nun eine Reihe von Einwen­

dungen laut geworden, von denen

an erster Stelle die unwesent­

lichsten behandelt werden sollen: 1. Es ist bedeutungslos, daß Statuten von Pensionskassen be­ hördlicherseits genehmigt worden sind, was Kohler a. a. £). § 4

einwendet.

Denn

daß

die

Genehmigung

eines

Kassestatuts

durch

staatlichen Verwaltungsakt die zivilrechtliche Nichtigkeit einer Bestimmung dieses Statuts nicht beseitigen kann, gehört zu den juristischen Funda­

menten.

Speziell für das Stiftungsgeschäft hat das Reichs­

gericht mit großem Nachdruck ausgesprochen, daß bei Ungültigkeit des

Geschäfts trotz

staatlicher

Genehmigung

entsteht, ebenso wie die Stiftung

keine

Stiftung

rechtsfähige

anfechtbar ist und trotz staatlicher

Genehmigung anfechtbar bleibt, wenn sie etwa in fraudem creditorium

errichtet wurde?)

Die vom Reichsgericht angeführten Gründe können

auch bei Beurteilung der Gültigkeit von Pensionskassenstatuten unbe­ denklich angewendet werden.

daß

Abgesehen davon ist es leicht zu belegen,

die Genehmigungsbehörden

eine

durchaus schwankende

aufweisen und nicht immer ihrer eigenen Meinung sind?)

Praxis

Auch sind

’) Vgl. RGEntsch. ZivS. Bd. 5 Nr. 37. 2) So besagt der 2. Geschäftsbericht des Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung (abgedruckt in den Veröffentlichungen des Kaiser!. Aufsichts­ amts 3. Jahrg. S. 84): „Nach Möglichkeit hat das Aussichtsamt bei Umgestaltung der Kassenstatuten darauf gedrungen, daß vorzeitig ausscheidende Mitglieder der gezahlten Beiträge nicht verlustig gehen. Bisher enthielten die Statuten in ihrer überwiegenden Mehrzahl die Bestimmung, daß ausgeschlossene oder austretende Mitglieder keinerlei Ansprüche auf das Vermögen der Kasse erheben könnten. Hierin hat das Aussichtsamt eine unbillige Härte erblickt, und zwar bei solchen Kassen, welche für bestimmte Betriebe errichtet sind, nament­ lich auch um deswillen, weil sich die Mitglieder, denen bei dem Ausscheiden aus der Kasse keinerlei Rückgewähr von Beiträgen zu gesichert ist, hiedurch naturgemäß in der freien Wahl der Arbeitsstelle beeinträchtigt fühlen. Von den Kassevorständen wird gegenüber den entsprechenden Forde­ rungen des Aussichtsamts häufig darauf hingewiesen, daß durch vorzeitiges Ausscheiden von Mitgliedern der Gesamtheit finanzielle Vorteile erwachsen, die sie ohne Steigerung der Beiträge nicht entbehren können. Diese Auffassung erscheint versicherungstechnisch und in sozi­ aler Hinsicht bedenklich. Das Aussichtsamt hat vielmehr daran festgehalten,

78

I. Teil.

zweifellos ungültige Satzungsbestimmungen schon von Aufsichtsbehörden genehmigt worden?) 2. Nicht minder unwichtig ist der Hinweis Kohlers und anderer darauf, daß auch bei der staatlichen Arbeiterversicherung die Beitrags­ erstattung vielfach unterbleibt. Denn mit dem Ende eines bestimmten

Dienstverhältnisses verliert der Arbeitnehmer bei der staatlichen Ver­ sicherung nicht seinen Pensionsanspruch, da der Beitritts­ zwang zur Arbeiterversicherung nicht Arbeit in einem bestimmten Unternehmen, sondern nur die allgemeine Eigenschaft als Arbeiter zur

Voraussetzung hat. Arbeitgebers

Es ist

folglich nicht nur jegliche Willkür des

ausgeschlossen, sondern

der

Beitragsverlust

fügt

auch

daß es bei richtiger Festsetzung der Leistungen, also bei Einführung gleichbleibender, nach Altersklassen abgestufter Beiträge in jedem Falle ohne Schädigung der Kasse möglich ist, den Ausscheidenden für die bereit- ge­ zahlten Beiträge einen entsprechenden Gegenwert zu gewähren. Auf der anderen Seite ist das mit Recht von den Kassevorständen betonte Moment nicht unberücksichtigt geblieben, daß man durch eine Erleichterung des vorzeitigen Ausscheidens, namentlich jüngerer Personen, den Zusammenhang zwischen den Mitgliedern lockert. Mit Rücksicht hierauf hat das Aufsichtsamt es gebilligt, daß den Ausscheidenden von den gezahlten Beiträgen weder etwas zurückgewährt, noch in anderer Weise gutgebracht wird, sofern sie nicht bereits eine Reihe von Jahren (wenigstens 5 Jahre) der Kasse angehört und für diese Zeit Beiträge entrichtet haben." Trotz der hier geäußerten Anschauungen hat das Aufsichtsamt hinterher wieder eine Reihe von Kassenstatuten genehmigt, die gänzlichen Verfall der Beiträge festsetzen. Ein Verzeichnis von solchen ist abgedruckt in „Die Krupp'sche Pensionskasse vor Gericht" S. 22. Und Prof. Ehrenberg, Mitglied des Beirats desselben Aufsichtsamts, behauptet in seinem Gutachten für die Firma Krupp mit großem Nachdruck unter Bezugnahme auf die Praxis des Aufsichtsamis, die Nichtrückzahlung der Beiträge sei eine versicherungstechnische Notwendigkeit.

Aus alledem folgert das Landgericht Essen (Uri. in Sachen Lange/Krupp vom 25. November 1909 nur, daß „auf dem Gebiete des Versicherungsrechts noch vieles in Fluß ist, und daß Aufgaben, an die man früher wenig oder gar nicht gedacht haben kann, erst in neuester Zeit ihrer Lösung entgegengeführt worden sind." Und diese Folgerung genügt dem LG. Essen, um einer folge­ richtigen Untersuchung über die Frage des Verstoßes gegen die guten Sitten aus dem Wege zu gehen. !) Überdies ist es bestritten, ob das Kassestatut der Firma, der diese

Behauptung Kohlers besonders gilt, der Firma Krupp, gültig genehmigt ist. S. oben Anm. 3 S. 20.

79

Mitgliedschaft. Beiträge.

dem Arbeitnehmer keinen Schaden zu, da er ja im neuen Arbeits­ verhältnis weiterklebt und als Äquivalent für den Fall der Arbeits­ unfähigkeit seine Unterstützung erhält. In den Fällen jedoch, in denen für den Beitragsverlust ein Äquivalent nicht geboten würde/)

findet eine teilweise

Rückerstattung der Beiträge

bei der staatlichen

Arbeiterversicherung statt. Ganz allgemein ist hier hinzuzufügen: Es ist etwas gefährlich, zum Beweis der Übereinstimmung mit den guten Sitten eine analoge

Gesetzesbestimmung Landesgesetzen

anzuführen.

Denn

Ausnahmebestimmungen

lange in

so

Reichs-

und

einzelne Bevölkerungs­

gegen

schichten möglich sind,

wird eine solche Beweisführung immer etwas

problematisch bleiben.

Speziell hinsichtlich

gesetzgebung

der

Arbeiterversicherungs­

ist z. B- darauf hinzuweisen, daß ein deutsches Landes­

gesetz, nämlich das sächsische Berggesetz (in seinem § 80), in bezug auf die in Knappschaftsvereinen

kraft Gesetzes

versicherten

Bergarbeiter

zwar die Möglichkeit der Aufrechterhaltung der Ansprüche abkehrender

Bergarbeiter vorsah, diese Möglichkeit jedoch versagte, wenn die

Abkehr

bei

Streik

erfolgt

war.

Es

ist

bekannt,

daß diese landesgesetzliche Bestimmung, die in eklatanter Weise gegen

das verfassungsmäßig dem Landesrecht vorgehende, auch für Bergarbeiter geltende Reichsrecht des § 152 GO. verstieß, das Scheitern jeder Lohn­ bewegung in den sächsischen Gruben zur Folge hatte.

Trotzdem

be­

durfte es schwerer Kämpfe im sächsischen Landtag, bis diese Ausnahme­ bestimmung im Jahre 1908 verschwand.

Demgemäß möchte ich es

auch gar nicht als ein sonderlich beweiskräftiges Argument ansehen, daß das hessische Gesetz vom 19. Juli 1908 bett, die Fürsorgekassen der

Beamten

und Bediensteten

der

Landgemeinden und

Kommunalver­

bände (Art. 36) den Mitgliedern solcher Institute bei Auflösung oder

Nichterneuerung des Dienstverhältnisses, ohne daß diese freiwillig oder durch eigenes Verschulden herbeigeführt ist,

die Erstattung

der Ein­

trittsgelder und Beiträge ohne Zinsen zusagt.

3. Auch die Tatsache, daß bei sehr vielen Kassen der Bei­ tragsverlust festgesetzt ist, kann nicht zur Rechtfertigung desselben dienen. Es ist mit Lotmar daran festzuhalten, daß die Frequenz eines Vor­ kommnisses nicht seine

moralische und rechtliche Zulässigkeit verbürgt.

*) Jnv.Vers.G. §§ 42, 43, 44.

80

I. Teil.

Maßgebend für diese Zulässigkeit ist vielmehr, wie das Reichsgerichts und mit ihm übereinstimmend das Landgericht Essens treffend auSsührt, das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wobei

nicht ausgeschlossen ist, daß auf die Sittenanschauung eines bestimmten Volkskreises, wenn sich in ihr die herrschende Sitte ausprägt, Rück­ sicht genommen wird. Daß eS sicher verfehlt wäre, die Nichtrückerstattung

der Beiträge als „herrschende Sitte eines bestimmten Volkskreises" an­ zusprechen, ist bereits gezeigt.

4. Kohler machta) mit Recht darauf aufmerksam, daß eine Pensions­

kasse bis zu einem gewissen Grad einen genossenschaftlichen Charakter

hat, also ihrem Wesen nach nur für Arbeitnehmer eines Unternehmens bestimmt sein kann.

Damit kann er aber höchstens etwas gegen die

Ansicht Neukamps beweisen, daß der Verlust der Mitgliedschaft bei Ausscheiden aus dem Dienste der Firma das Moment der Unsittlichkeit

ergebe/) nichts dagegen gegen die Behauptung, daß die Verbindung

von Beitragszwang und Beitragsverfall gegen die guten Sitten verstößt.

5. Ferner hat Kohlers als Gegengrund angeführt, daß die Ein­

richtung „wie alles Menschliche zwei Seiten habe und auf Erden niemals etwas Vollkommenes erreicht werden kann".

Gegen dieses Argument

läßt sich schwerlich etwas entgegnen.

6. Teilweise widerlegt ist bereits der Einwand Ehrenbergs?) daß

der Verfall der Beiträge

unter Umständen eine versicherungs­

technische Notwendigkeit sei. Einmal ist schon darauf hingewiesen,

daß ein solches Argument methodisch nicht geeignet ist, die Ergebnisse

der vorliegenden Untersuchung zu entkräften.

ergeben,

daß die Verbindung

Die Untersuchung hat

von Beitragszwang

auf Grund des

Arbeitsvertrags und Beitragsverlust bei Ausscheiden aus dem Betrieb

in sechsfacher Weise gegen die guten Sitten verstößt. Wenn Ehrenberg

sich einem derartigen Ergebnis gegenüber darauf beruft, daß die Ver­ sicherungstechnik einen derartigen groben Verstoß gegen die guten Sitten

erfordere, so nennt er damit höchstens die Erwägungen, aus denen die ‘) 2) 8) *) 6) 6)

Entsch. d. RG. Bd. 48 S. 124. Urteil in Sachen Lange und Gen./Krupp vom 25. November 1909. A. a. O. S. 7. Vgl. oben Anm. 2 S. 75. A. a. O. S. 8. S. „Die Krupp'sche Pensionskasse vor Gericht" S. 60.

Mitgliedschaft.

81

Beiträge.

dergestalt unsittliche Verkoppelung des Beitrittszwangs und Beitragsver­

lusts vom Arbeitgeber vorgenommen wird, er beweist aber nicht ihre moralische Zulässigkeit. Wäre es wahr, daß ohne die Verbindung von Bei­

trittszwang und Beitragsverfall manche Kassen in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht zu existieren vermögen, so könnte daraus kein anderer Schluß ge­

zogen werden, als daß die versicherungstechnischen Grundlagen dieser Kassen,

wenn sie dem geltenden Recht entsprechen sollen, geändert werden müßten. Selbst von dem Aufsichtsamt für Privatversicherung ist, wie eben gezeigt,

die Heranziehung der versicherungstechnischen Notwendigkeit als „versiche­ rungstechnisch und in sozialer Hinsicht bedenklich" gekennzeichnet worden.

Mindestens müßte jedoch verlangt werden, daß Ehrenberg das

Vorliegen Dieser

Beweis

mißlungen

aufgeführt,

Notwendigkeit

solchen

einer

kann

aller

werden.

deutlich

zeigen,

Denn es

sind

eine

daß

nachweist.

zwingend

Erörterung

theoretischen

bezeichnet

die

wirklich

gegenüber

als

schon Tatsachen

solche

versicherungstech ­

nische Notwendigkeit gar nicht existiert, daß vielmehr die Beitrags­ erstattung

nischen

ohne

eine

Gefährdung

der

Grundlagen

versicherungstech­

der

Kasse vor

sich

gehen kann.

Es ist

bereits eine Reihe von Kassen erwähnt, die für den Regel­ fall

Beiträge

die

dem

Ausscheidenden

Daß diese Kassen sich dabei finanziell geht

aus

ihren

Berichten

hervor.

So

guiilder statten.1)

sehr wohl

ist

das

fühlen,

Vermögen

der

Pensionskasse für Arbeiter und Beamte der Chemischen Fabrik auf Aktien-Berlin, die für den Regelfall 9U der Beiträge zurückerstattet,

nach

den

633 000 M

auf

Die Hildegard-Bleichert-Kasse

(für

Jahresberichten

817072 M

gestiegen.

von

1905—1910

von

Arbeiter, Monteure und Beamte der Firma Bleichert & Co.-Leipzig)

hat bei voller Beitragserstattung an Ausscheidende ihr Vermögen 1902 bis 1909 von

81152,60 M auf 266630,19 M vergrößert.

Die

Pensionskasse für die Arbeiterschaft der Lokomotivenfabrik Henschel &

Sohn, Kassel, erstattet nach 5 jähriger Wartezeit 2/s der Beiträge an Ausscheidende zurück.

Sie erzielte dabei im Geschäftsjahre

eine Einnahmesumme von

345 677,62 M,

während

die

1908/09

Ausgaben

*) Damit ist auch der Versuch Jacobsohns (a. a. O. S. 45 ff.), die BeitragSrückgewähr als eine wegen oersicherungstechnischer Schwierigkeiten praktisch nicht erwähnenswerte Ausnahme zu charakterisieren, hinreichend gekennzeichnet. Jacob­ sohn hätte an Stelle seiner hochtrabenden Polemiken gegen Günther besser nach Kassestatuten, di« die Beitragserstattung vorschreiben, geforscht. Loewenfeld, Pensionskassen und Arbeitsvertrag.

82

I. Teil.

176 672,95 M betrugen.

Die Pensionskasse silr die Angestellten der die im Regelfall

Firma Schäffer & Budenberg - Magdeburg - Buckau,

3li der Beiträge zurückerstattet, verzeichnet von Ende 1904 bis Ende 1908 ein Anwachsen ihres Vermögens von 366426,31 auf 690721,89 M. Das Vermögen der Angestelltenpensionskasse der Deutschen Continentalgasgesellschaft-Dessau, die die Beiträge an ausscheidende Mitglieder m i t

3°/o Zinsen zurückerstattet, wuchs von 1111808,27 M am 31. De­

zember 1904 auf 1514 240,47 M am 31. Dezember 1909.

Der Gebr.

Arnhold'sche Pensionsverein erstattet die Beiträge, Eintrittsgelder und

Gehaltserhöhungsbeiträge an ausscheidende Mitglieder mit den ange­

gebenen geringzähligen Ausnahmen voll zurück. von 374364,77 M am 31. Dezember 1909. die

hohe

Unter den genannten Kaffen befinden sich solche,

Mitgliederzahlen

haben.

So

Sein Vermögen wuchs

31. Dezember 1905 auf 927 723,29 M am

betrug

bei

und der

Fluktuation

starke

der

Arbeiterpensionskasse

Mitglieder

der

Firma

Henschel & Sohn Ende 1909 die Mitgliederzahl 5231, davon 1349,

die bereits die Wartezeit zurückgelegt hatten. Mitgliederwechsel

nach

1907 bezifferte sich der

den Angaben der Firma

auf einen Zugang

von 2888 und einen Abgang von 2039 Mitgliedern?) Die Pensions­ kaffe

der

Preußisch-Hessischen

Eisenbahngemeinschaft,

Arbeiterpensionskaffe in Deutschland,

die

größte

erstattet nach Laporte (a. a. O.

S. 39) nach 5 jähriger Dienstzeit bis auf geringe Risikogebühr die ge­

sogar meist selbst bei strafweiser Entlassung

leisteten Beiträge zurück, entgegen dem Statut.

1908 schieden

12 295

Mitglieder aus,

von

denen nur an 131 die Beiträge nicht zurückgewährt wurden, und zwar auch bei diesen fast ausschließlich aus dem Grunde, um ihnen und ihren

Angehörigen die bis zum Ausscheiden erworbenen Ansprüche auf Zusatz­ rente (zur Reichs-Jnv.-Vers.) und Witwen- und Waisengeld zu erhalten.

Es Kaffen,

kann

auch

die Beiträge

versicherungstechnisch

an

Ausscheidende

nachgewiesen nur teilweise

werden,

daß

erstatten, zur

*) Erwähnt sei auch hier, daß eine der größten Pensionskassen, bei der die Fluktuation ganz außerordentlich ist, die Arbeilerinvalidenkasse der HamburgAmerikalinie (eint 1. Januar 1910 13 913 Mitglieder) milden erwähnten Ausnahmen die Beiträge an Ausscheidende anfangend von 7O°/o im ersten Jahre der Mit­ gliedschaft, jährlich um 5% steigen b bis 100°/oim 15. Jahre der Mitgliedschaft erstattet. Da die Kasse, wie ich aus einer brieflichen Mitteilung der sozialpoli­ tischen Abteilung der Hamburg-Amerikalinie ersehe, keine Jahresberichte heraus­ gibt und ich andere Angaben nicht erlangen konnte, fehlt mir leider ein Ein­ blick, wie sich dieses System finanziell bewährt hat.

83

Mitgliedschaft. Beiträge.

vollen Beitragserstattung in der Lage wären. Einzelne Firmen resp. Kassen hatten die Freundlichkeit, das für diesen Nachweis notwendige wendige Material zur Verfügung zu stellen. Als Beispiel diene die

Privatunterstützungskasse von Dr. Heinrich Traun & Söhne Dorrn. Harburger Gummi Kamm Co., Hamburg und Harburg. Sie erstattet 50 °/o der Beiträge zurück, wenn der Ausscheidende mindestens 5 Jahre zur Kasse beigetragen hat, ist aber versicherungstechnisch sehr wohl zur Rückerstattung der vollen Beiträge an alle Ausscheidenden imstande.

Als Beweis dienen die von mir für den Durchschnitt eines Jahrfünfts berechneten gedruckten und schriftlichen Angaben der Firma: 1. Einnahmen der Kasse.

a) Mitgliederbeiträge. 1905

M 17 358,30

1906

20 022,35

1907 1908

23 102,10 25 555,05

1909

25 420,33

b) Firmenbeiträge. — 100 % der Mitglieder­

beiträge = 22 291,63 Hf.

Summe 111 458,13 : 5 Durchschnitt für 1 Jahr — 22 291,63 M. c) Ersatz für Versäumnisse.

1905 1906

1907 1908 1909

Hf 3134,17 „ „

3551,75 4110,84

„ „

4369,36 3842,74

d) Zinsen.

1905

M 13 188,00

1906

14 418,25

1907 1908

16 205,66 17 062,83 18 902,23

1909

Summe 19 008,86 : 5 Durchschnitt für 1 Jahr =

Summe 79 776,97 : 5 Durchschnitt für 1 Jahr —

3801,77 M.

15 955,39 M.

Demnach Durchschnitt der Gesamteinnahmen für 1 Jahr — 64340,42 M. Dazu: Einmalige außerordentliche Zuwendung der Firma von 20 000 M. Durchschnitt 4000 As = 68 340,42 M.

2. Ausgaben der Kasse.

a) Krankengeld. 1905

1906

M 3254,60 „

2968,67

Summe M 6223,27

b) Witwenunterstützung. 1905 1906

M 2132,00 „

3860,00

Summe M 5992,00

6*

84

I. Teil.

Übertrag : M 6322,27 „ 2415,65 1907 1908 „ 1284,31 „ 1108,66 1909

Übertrag:: M 5992,00 1907 „ 4288,00 1908 „ 4380,00 1909 „ 5276,00

11 031,89 : 5 Summe Durchschnitt für 1 Jahr — M 2206,38.

19 936,00 : 5 Summe Durchschnitt für 1 Jahr = M 3987,20.

c) Sterbegeld.

1905 1906 1907 1908 1909

M „ „ „ „

4085,50 4350,00 4330,00 3450,00 3360,00

d) Pensionen. 1905 1906 1907 1908 1909

M „ „ „ „

11551,28 11 932,22 13 328,47 14 231,33 16 572,12

Summe 19 575,50 : 5 Durchschnitt für 1 Jahr — M 3915,10.

67 615,42 : 5 Summe Durchschnitt für 1 Jahr — M 13 523,08.

e) Krankenhaus­ verpflegung. M 2512,00 1905 „ 2443,80 1906 1907 „ 1960,90 „ 2584,90 1908 1909 „ 2520,70

f) Rückgewähr von Beiträgen. 1905 1906 1907 1908 1909

M 1268,79 „ 859,00 ,, 1009,57 „ 1290,03 „ 675,05

12 022,30 : 5 Summe Durchschnitt für 1 Jahr — M !2404,46.

Summe 5102,44 : 5 Durchschnitt für 1 Jahr — M 1020,50.

g) Sonstiges.

Also Durchschnitt der Gesamtausgaben für ein Jahr: M 28 656,87.

1905 1906 1907 1908 1909

M 1994,79 „ 1914,59 „ 2555,07 „ 897,00 „ 639,50

8000,95 : 5 Summe Durchschnitt für 1 Jahr — M 1600,15.

Demnach Durchschnitts­ überschuß für 1 Jahr: 68 340,42 — 28 656,87 M 39 683,55.

85

Mitgliedschaft. Beiträge.

Es betrug also der jährliche Durchschnitt der Gesamteinnahmen in

dem vorbezeichneten Jahrfünft 68 340,42 M, der der Gesamtausgaben 28 656,87 M.

Nun schieden im Jahre 1909 nach den Angaben der Da das Statut der Kasse

Firma 414 Arbeiter aus deren Dienst aus.

bestimmt, daß nur diejenigen Arbeiter ausgenommen werden, die zu dauern­

der Beschäftigung engagiert sind und die sich zur Aufnahme eignen, so ist zweifelhaft, ob alle 414 Ausscheidenden Mitglieder der Kasse waren. Aber

selbst angenommen, daß das der Fall war ergibt sich die versicherungstech­ nische Möglichkeit der Rückzahlung der Beiträge an dieselben: Nach den

Angaben der Firma waren von den 414 Ausscheidenden 235 weniger als

1 Jahr, 155 weniger als 5 Jahre im Dienst der Firma.

Die Beiträge

zur Kasse richten sich nach dem Wochenlohn (§ 3 des Statuts) und

betragen zwischen 10 und 35 Pfg. pro Woche, bei verheirateten Mit­ gliedern in allen Stufen

Nimmt man demnach

15 Pfg. mehr.

Durchschnitt des Beitrags 30 Pfg. pro Woche, so ergibt das

Jahresbeitrag von 15,60 M pro Mitglied.

als

einen

Nimmt man nun nach

den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung an, daß von den 235

Ausgeschiedenen, die weniger als 1 Jahr im Dienste der Firma waren, alle genau

Jahr beschäftigt waren, so ergibt sich ein Beitrag von

7,80 M pro

Mitglied,

1833,00 M

also eine Summe von 235 mal 7,80 —

an Rückzahlungen, die an

diese Mitglieder notwendig

wären. Nimmt man ebenso nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeits­

rechnung an, daß die 155 Mitglieder, die zwischen 1 und 5 Jahren

im Dienste der Firma waren,

alle nach 3 jähriger Dienstzeit ausge­

schieden sind, so ergibt sich ein Beitrag von 15,60 mal 3 mal 155 = 7254,00 M.

Angenommen, daß auch diejenigen Ausscheidenden, welche

5 Jahre und darüber im Dienste der Firma gestanden waren, ihre Beiträge statt zu 50 % voll zurückerstattet bekämen, würde das noch­ mals eine Mehrleistung von 675,05 M ergeben.

der

Gesamtbetrag

der

zurückzuzahlenden

Es beliefe sich also

Beiträge

auf

1833,00

+ 7254,00 + 675,05 M = 9762,05 M. Das aber ist eine Summe, die die Kasse bei einem jährlichen Durchschnittsüberschuß von 68 340,42 — 28 656,87 M = 39 683,55 M nicht nur zu leisten imstande ist, sondern nach deren Leistung ihr noch beträchtliche jährliche Über­ schüsse verbleiben.

Berechnungen gleicher Art und mit gleichen Resultaten habe ich auch für Beamtenpensionskassen angestellt.

So z. B. für die Beamten­

pensionskasse der Röchlingschen Eisen- und Stahlwerke in Völklingen

86

I. Teil.

a. Saar, die an die Mehrzahl der Ausscheidenden die Beiträge zurück­ erstattet, aber erst nach 5 jähriger Mitgliedschaft.

Die Prüfung ihrer

Berichte und Mitgliederzahlen ergibt die versicherungstechnische Mög­ lichkeit der Rückzahlung von Anfang an.

Sogar Kassen, die keine

Arbeitgeberbeiträge erhalten, sind bei richtiger Bemessung von Leistung

Gegenleistung

und

zur Erstattung in

Musikerversorgungskasse Lübeck,

der

Lage.

So erstattet

die

bei der nicht einmal Beitrittszwang

existiert, Mitgliedern, die ihren Wohnsitz in Lübeck aufgeben, 75°/o der

Beiträge zurück.

Bei Monatsbeiträgen von 5—10,20 M ist die Kasse

trotzdem in der Lage, nach 10 jähriger Mitgliedschaft Jnvaliditätsrenten

von 450—900 M (je nach dem Grade der Invalidität), und nach dreijähriger Mitgliedschaft Sterbegelder von 500 M zu zahlen. Nach dem Gezeigten ist es klar,

sammenhang mit

dem Beitragsverfall

technischer Notwendigkeit zu reden.

daß es deplaziert ist,

überhaupt von

im Zu­

versicherungs­

Es kann nicht eingewendet werden,

daß die Zahl der Ausscheidenden in gewissen Großbetrieben ganz er­

heblich größer ist, als in den hier gezeigten Fällen, daß also auch in

solchen Großbetrieben die Summe der zurückzuerstattenden Beiträge ge­

waltig größer ist. Denn dementsprechend größer sind in solchen Betrieben

dann auch die Zugänge und Mitgliederzahlen, Einnahmen der Kasse.

folglich also auch die

Und selbst angenommen, bei irgend einer

Kasse würde sich nach Abzug der zurückzuerstattenden Beiträge kein Überschuß ergeben: würde daraus die Lehre hervorgehen, daß der Beitragsverfall eine versicherungstechnische Notwendigkeit ist?

nicht!

Es würde sich höchstens die Notwendigkeit ergeben,

Sicherlich die ver­

sicherungstechnischen Grundlagen der Kasse so zu ändern, daß die wohl­ erworbenen Rechte der Mitglieder keinen Abbruch erleiden. Das kann, wenn die Kassemitglieder

einverstanden sind, durch Reduzierung der

Leistungen an die Pensionierteil oder durch Erhöhung der Kassenbeiträge geschehen, das kann ferner, auch o h n e die Einwilligung der Arbeitnehmer, geschehen durch eine Erhöhung des Arbeitgeberbeitrags/) die ja dem Arbeitgeber als versicherungstechnisches Sanierungsmittel zur Ver­

fügung steht. Es begnügen sich viele Arbeitgeber mit dem für die staatliche

Invalidenversicherung und deren Ersatzinstitute gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbeitrag von 50%,2) andere gehen darüber hinaus und zahlen *) Die letztere Möglichkeit erwähnt Lotmar in „Die Krupp'sche Pensions­ kasse vor Gericht" S. 64. ’) So z. B. Chemische Fabrik von Th. Goldschmidt, Essen; Bismarckhütte

Mitgliedschaft.

bis 100% der Arbeiterbeiträge?)

Beiträge.

87

Daß jedoch eine derartige Leistung

nicht die Grenze der Möglichkeit darstellt, zeigt das Beispiel vieler

Arbeitgeber, die ganz erheblich mehr^) zu ihren Kassen beitragen. Sollte

den erstgenannten Arbeitgebern, unter denen sich überaus mächtige und finanzkräftige befinden, nicht möglich sein, was viele andere leisten?

Nur wer sich nichts beweisen lassen will, wird mit Nein antworten. Hier liegt insbesondere für Kapitalgrößen vom Schlage

Krupp die

einfache Lösung des Problems.

Aber warum kommt es dazu nicht? Warum kommt es selbst da, wo (wie bei der Essener Firma Goldschmidt) die Arbeitnehmer ihre

Bereitschaft erklären, im Falle der Beitragserstattung höhere Kassen­

beiträge zu zahlen, nicht zu einer befriedigenden Lösung des Problems? Die Antwort ist klar: Es würde dann ein Interesse der be­

treffenden Firmen fehlen, den Kassenbetrieb noch fort­

zusetzen.

Es würde dann nicht mehr der Arbeitnehmer, der von seinem

Koalitionsrechte Gebrauch macht, mit seiner Stelle auch seine Beiträge verlieren; es könnte nicht mehr ein nach über 17 jähriger Dienstzeit

von seinem „loyalen Arbeitsherrn" (Kohler) wegen einer „erheblichen Beschädigung der von ihm bedienten Drehbank"^) entlassener Arbeiter

seine Beiträge, da eine Erstattung bei der betreffenden Kasse satzungSA.-G.; Eisenwerk Herminenhütte; Donnersmarckhütte A.-G. (Arbeiterpensions­ kasse); Hamburg-Amerikanische Paketfahrt-A.-G. (Angestelltenpensionskasse). *) z. B. 662/s70 Oberschlesische Eisenbahnbedarss-A.-G. Friedenshütte; 80 % Vereinigte Königs- und Laurahütte (Arbeiterpensionskasse); 100 % von Tiele-Winkler'sche Jnvalidenkasse; Drahtwerke Gleiwitz; Dr. Heinr. Traun Söhne, Hamburg und Harburg; Arbeitcrinvalidenkasse der Hamburg-Amerikalinie; Ärbeiterpensionskasse der Gußstahlfabrik Friedr. Krupp A.-G. Essen; Beamten­

pensionskasse der Bergischen Stahlindustrie Remscheid; Beamtenpensionskasse der Terrakottafabrik Villeroy & Boch, Mettlach; Fr. Karcher & Cie., Beckingen; Wols Netter & Jacobi, Straßburg; Deutsche Spiegelglas-A.-G. Freden-GrünenPlan; Beamtenpensionskasse der Bad. Anilin- und Sodafabrik. ’) z. B. 180 7» Arbeiterpensionskasse der Herrschaft Beuten Siemianowitz (für die in den Zinkhütten beschäftigten Arbeiter 240 7o); 200% Pensionskasse für Arbeiter und Beamte der Chem. Fabrik auf Aktien (Dornt. E. Schering) Berlin; 300 7» die Beamtenpensionskassen der Lokomotivenfabrik A. Borsig, Berlin, der Vereinigten Königs- und Laurahütte, die Pensionskasse für Arbeiter und Beamte der Firma Adolf Bleichert & Co., Leipzig-Gohlis; 400°/„ der Gebr. Arnhold'sche Pensionsverein.

’) Zufällig war der betreffende Arbeiter auch „ohne Wissen der Firma" als Vorstandsmitglied der Fabrikkrankenkasse um Reformen derselben bemüht.

88

I. Teil.

mäßig nicht zulässig ist, auf dem Wege der Gnade zurückersiattet bekommen, aber erst, nachdem er ausdrücklich erklärt hat, der an seine Entlassung geknüpften Zeitungspolemik sernzustehen; x) es könnte nicht

mehr ein Arbeiter wenige Tage vor Ablauf seiner 20 jährigen Karenz­ zeit unter Verlust von 339 M Beiträgen mit der Begründung ent­

um damit

lassen werden, er habe wiederholt Butterbrote gestohlen,

Schweine zu füttern;2) es müßte selbst „ein an dem Wohl und Wehe der Arbeiter nicht interessierter Agitator" — soll heißen: ein gewerkschaft­ lich organisierter Arbeiter — auf Grund seines wohlerworbenen Rechts entweder Pension bekommen oder seine Beiträge zurückerhalten.

Daß

es nicht um die Wohlfahrt als solche, sondern um den Gebrauch der

Wohlfahrtseinrichtung als Machtmittel sich handelt, wenn sich gewisse

Arbeitgeber hinter versicherungstechnischen Schwierigkeiten verschanzen, das hat der heutige Reichskanzler von Bethmann-Hollweg als Staatssekretär des Innern im Reichstag deutlich genug ausgesprochen.

Er sagte:3)

„Das Unternehmertum hat in den Pensionskassen gar keine reinen Versicherungseinrichtungen schaffen wollen, bei denen, wie bei den

im allgemeinen Verkehre stehenden Versicherungsgesellschasten,

sich

die Ansprüche des Versicherungsnehmers lediglich nach dem formalen Rechte des Versicherungsvertrags bestimmen. Das Unternehmertum

will mit seinen Kassen gar nicht jedem beliebigen Arbeiter die Ge­ legenheit geben, ohne Rücksicht auf seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Werke sich gegen Zahlung einer Prämie zu versichern.

Das ist nicht die Absicht des Unternehmertums.

Die Absicht,

die der Unternehmer mit diesen Pensionskassen verfolgt, geht, ab­ gesehen von dem Wunsche der Betätigung sozialer Fürsorge, in

einem geschäftlichen und, wie ich behaupte, durchaus legitimen Bestreben dahin, sich einen festen Stamm von Arbeitern

zu

schaffen.

Nur

Unternehmer die

dem

Wohltat

Werksangehörigen

will

seiner Pensionskasse

kommen lassen, und zwar im wesentlichen —

der

zugute

das bitte ich zu

beachten — auf Grund des Arbeitsvertrags. Das Ver­

sicherungsrecht

spielt dabei

nur insoweit

eine Rolle,

als sich der Unternehm er der Form des Versicherungs­ vertrags bedient." *) Vgl. Heinemann a. a. O. S. 30. *) Vgl. Heinemann a. a. O. S. 31. ') RT. 251. Sitzung vom 29. April 1909 S. 8277.

Mitgliedschaft.

89

Beiträge.

Und an einer anderen Stelle:

„Versucht man sich hierüber klar zu werden, so muß man meines Dafürhaltens in erster Linie

bedenken,

daß die Pensionskassen

freiwillige Einrichtungen des Unternehmertums sind.

Man muß

also bei der Betrachtung auch den Zweck mit in Rechnung stellen,

den die Unternehmerschaft mit der Begründung von Pensions­ kaffen verfolgen will.

Tut man das nicht, sondern berechnet rein

vom theoretischen Standpunkt, wie die Pensionskaffen so zu ge­ stalten seien, um den Arbeitern

ein

größtmögliches Maß von

Vorteil zuzuwenden, und richtet man seine Maßregeln ohne Rück­

sicht darauf ein, ob das Unternehmertum noch zu seiner Rechnung kommt, dann wird das Ergebnis sein,

daß

das

Unter­

nehmertum die bestehenden Pensionskassen auflöst und keine neuen begründet."

Es ist also auch gegenüber dem Schlagworte von versicherungs­ technischer

Notwendigkeit

daran

festzuhalten,

daß

die

Ver­

bindung von Beitrittszwang und Beitragsverlust bei Ausscheiden aus

dem Betrieb einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellt, der die Nichtigkeit einer derartigen Bestimmung zur Folge hat?)

Besonders bemerkenswert ist, daß Ehrenbergs Argument selbst in den Kreisen fast einmütige Ablehnung findet, die mit ihm prinzipiell

auf dem Standpunkt stehen, daß Pensionskassen der hier in Frage

stehenden Art Unternehmungen darstellen, die „ein Anrecht darauf haben, Berücksichtigung ihrer

eigenen Lebensbedingungen zu fordern, sobald

sie in Konflikt mit anderen Rechtsinstitutionen geraten", die also das ganze Problem selbst unter versicherungstechnischen Gesichtspunkten be­

trachten. So führt L a p o r t e in der schon erwähnten Schrift auf Grund sorgfältiger versicherungstechnischer Spezialstudien vernichtende Beweise

gegen Ehrenberg.

Ausgehend von den sozial-ethischen Grundgedanken

des Versicherungswesens erläutert er, wie die versicherungstechnischen l) Eine Stützung des Herausgabeanspruchs auf § 812 BGB. (ungerecht­ fertigte Bereicherung) erklärte Mantel auf dem Verbandslag deutscher Gewerbeund Kaufmannsgerichte (17. September 1910) für unangebracht, da zumeist nicht die Kasse, sondern die Firma verklagt wird, während einen pekuniären Vorteil durch den Beitragsverfall nur die Kasse hat. Dies trifft für Privatbeamte, auf die das Recht der Gewerbeordnung nicht anwendbar ist, zu. Der Arbeiter dagegen kann im Hinblick auf die erwähnten Bestimmungen des Gewerberechts auf Auszahlung vorenthaltenen Lohnes gegen den Arbeitgeber klagen.

90

I. Teil.

Grundlagen der Pensionskassen im Einklang mit dem geltenden Recht

und der herrschenden Moral gebracht werden können.

Kommt er schon

für die Versicherung im allgemeinen zu dem Schlüsse, daß „aus tech­ nischen Gründen eine prinzipielle Unmöglichkeit nicht vorliegt,

Aus­

scheidende für ihren Chanceverlust zu entschädigen"?) daß „der Gesetz­ geber (int Gesetz über den Versicherungsvertrag von 1908) ein völliges

Verfallen aller Ansprüche beim Ausscheiden als ungerecht anerkannt hat und daß deshalb in diesem Fall die Alternative nur lauten kann, ob Umwandlung oder

Barentschädigung eintreten soll, daß aber ein

Verweigern von beiden gegen die guten Sitten verstößt"?) so formuliert er

diese

seine

aus

Erwägungen

versicherungstechnischen

gewoitnene

Meinung noch schärfer für die Pensionsversicherung und besonders für Arbeiterpensionskassen, indem er als die „einzig mögliche Schlußfol­ gerung ein uneittziehbares Recht der Ausscheidenden auf eine Barent­

schädigung, sobald eine Weiterversicherung in Form der Umwandlung oder Fortsetzung mit Prämienzahlungen nicht tunlich erscheint"?) be­ zeichnet.

Als das Höchstmaß dessen,

was

der

Versicherer

halten darf, bezeichnet er die Hälfte der Beiträge?)

zurückbe­

Zusammenfassend

stellt er als Ergebnis seiner versicherungstechnischen Studien fest?) „daß

die eigenartigen Verhältnisse der Arbeiterpensionskassen die Anwendung strengrationeller versicherungstechnischer Grundlagen auch beim gewöhn­

lichen Prämienverfahren nicht zulassen und daß deshalb ein einwand­ freies Jnbeziehungsetzen von individuellen Leistungen der Versicherten

und Gegenleistung der Kasse noch

völlig

ausgeschlossen

ist.

Damit

fehlt aber auch jede Möglichkeit, ein auf der Verhältnismäßigkeit von

Vor- und Nachteil basierendes gerechtes Urteil abzugeben über die Höhe

der Beiträge und der Renten, die Berechtigung und Nichtberechtigung von Rückerstattungen, über die technische Notwendigkeit langer Karenz­ zeiten usw.

Natürlich besteht zwischen allen diesen Dingen im kon­

kreten Fall ein Abhängigkeitsverhältnis, aber dasselbe hat mit indivi­ dueller

Leistungsgerechtigkeit

nichts

zu

tun.

Wo

aber

dieses

Prinzip im Versicherungswesen nicht angewendet werden

kann, da müssen notwendigerweise alle Bestimmungen

') 2) ') 4) 5)

A. a. O. A. a. O. A. a. O. A. a. O. A. a. O.

S. S. S. S. S.

16. 17. 27. 31. 52.

Mitgliedschaft.

über Leistung und Prinzipien

Fall

diesem

Gegenleistung nach

vorgenommen Fordern

das

werden, von

der

Arguments,

daß

Versicherungstechnik, nicht

sozial-ethischen

sich

weil

Opfern

nur

in

Aller für Alle

Er begründet seine Ablehnung des

sittlich rechtfertigen läßt."

Ehrenbergschen

91

Beiträge.

die

Frage

ganze

Frage

eine

der

nur eine

Frage

sei,

damit,

Moral

daß die kapitalistische Vcrsicherungstechnik auf soziale Zwangskassen in ihrer reinen Form nicht angewendet werden kann, daß vielmehr in

erster Linie bei Bemessung von Leistung und Gegenleistung hier sozial­

Selbst einer allenfalls

politische Gesichtspunkte maßgebend sein müssen.

notwendig zugunsten

werdenden

Verminderung

der

der gerechten Behandlung der

Pensionsbeträge

redet

er

Gesamtheit der Mitglieder

das Wort. Ähnlich äußerte sich der Präsident des kaiserl. Aufsichtsamts für

Privatversicherung, Gruner, auf der 13. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen*): „Die Frage, wie kann man den Mit­

gliedern kleiner, räumlich oder personell

gewisse

Freizügigkeit sichern,

ist von

gehört aber gleichzeitig zu denen, kleineren, können.

freiwilligen

und

eng

begrenzter Kassen eine

eminenter

sozialer Bedeutung,

die am allerschwierigsten bei den

privaten

Organisationen

gelöst

werden

Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß eine aus­

reichende Lösung in einer Rückgewähr der Beiträge beim Ausscheiden

eines Mitglieds aus der Kasse erblickt werden könnte.

Ich muß ge­

stehen, daß eine solche Rückgewähr der Beiträge doch nur eine sehr mangelhafte Lösung dieser Frage ist, gebe aber zu, daß, wenn sie auch

mangelhaft ist, sie immerhin das Mindestmaß dessen dar­ stellt, was gefordert werden muß, wobei ich allerdings auch nur die Rückgewähr eines Teiles der Beiträge im Sinne habe."

Auch

andere Versicherungstechniker, so Direktor Dr. Foehr, ferner der Syn­

dikus der

Siemens

Schuckert-Werke Dr. Zimmer sprachen sich auf

diesem Kongreß in demselben Sinne aus?)

Ehrenberg selbst zitiert")

eine Aeußerung von Professor Dr. Bernstein (Göttingen), der zufolge es auch mathematisch zulässig ist, daß dem bei Lebzeiten ausscheidenden

Versicherten stets eine Abfindung bezahlt wird, welche dem Betrag der

sämtlichen von ihm entrichteten Prämien *) Siehe Bericht S. 266. Siehe Bericht S. 232 ff., 259 ff. ’) A. a. O. S. 448.

gleichkommt.

Dem gegen-

92

I. Teil.

über kann die Aeußerung von Rosin?) daß die Rückerstattung dem

Prinzip der Versicherung widerspreche, weil schon in dem Versichertsein

eine Gegenleistung zu erblicken ist, nicht ins Gewicht fallen. Rosin denkt auch bei dieser Äußerung nicht etwa an eine Versicherung vom Schlage der hier zu behandelnden Pensionsversicherung, sondern an die staatliche Arbeiterversicherung,

bei der, wie gezeigt, jede Willkür im

Zusammenhang mit dem Beitragsverlust ausgeschlossen ist.

Für eine

Pensionskasse vom Schlage der Krupp'schen, bei der nach den Berech­ nungen von Laporte?) im Jahre 1906 die Wahrscheinlichkeit,

in den

mathematisch ausgedrückt,

gleich

0.012 war, würde er diese Behauptung sicher nicht aufstellen.

Auch

Genuß einer Pension

zu kommen,

das ähnlich lautende Urteil von Pilotyh bezieht sich auf die staatliche

Arbeiterversicherung. Es ist nun aber noch die Frage zu erheben, ob die Nichtigkeit

bei Verbindung von Kassenzwang und Beitragsverlust eine unbedingte

ist, ob sie stets vorliegt, wenn ein Kassenstatut die beiden genannten Elemente miteinander verbindet, oder ob es nicht Ersatzmittel für

die Beitragserstattung gibt, die es nach geltendem Recht als zulässig erscheinen lassen, dem aus dem Betriebe ausscheidenden Arbeitnehmer nichts

von den

geleisteten

Beiträgen

Die Haupt­

zurückzuerstatten.

gründe für die eben behauptete Nichtigkeit waren die Beeinträchtigung

der

Koalitionsfreiheit,

steigende Besteuerung

sowie

die

mit

des Austritts aus

der

Länge

der

dem Betrieb.

Dienstzeit

Nur

wenn

diese beiden Hauptmängel beseitigt sind, kann überhaupt die Gültigkeit

einer statutarischen Bestimmung, die bei Zwangsbeitritt Beitragsverfall

vorsieht, diskutabel sein.

Beseitigt aber sind diese Mängel im wesent­

lichen, wenn die Anwartschaft auf Pension ohne sonstige un­ billige Beschränkung von Koalitionsfreiheit und Freizügigkeit dem aus

dem Betrieb ausscheidenden Arbeitnehmer erhalten bleibt oder Mittel gewährt werden, um Fürsorge bei einer anderen Kasse zu

ermöglichen. Ersatz

geführt,

Eine derartige Sicherung des Rechts Ausscheidender als

der Beitragserstattung und

zwar

ist bei verschiedenen

gewöhnlich in Form

der

lichen oder fortgesetzten Mitgliedschaft.

Betrieben

durch­

sog. außerordent­

Nicht überall stellt

sich eine solche Sicherung wirklich als Ersatz für den Beitragsverlust *) Das Recht der Arbeiterversicherung Bd. II S. 966. ') A. a. O. S. 30. *) Jnv.Bers.G. II. Auflage 1900 S. 16.

Mitgliedschaft.

dar.

93

Beiträge.

Vor allem ist das nicht der Fall in denjenigen Betrieben, die

von dem Arbeitnehmer nicht nur die Fortzahlung seines eigenen Beitrags, sondern auch die Bezahlung des Arbeitgeberbeitrags zur Aufrecht­

haltung der Anwartschaft auf Pension fordern?)

Denn zu so hohen

Leistungen sind nur die allerwenigsten Arbeitnehmer in der Lage, die

meisten ziehen es in solchen Fällen noch vor, ihrer Beiträge verlustig zu gehen.

Aber auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer nur

seinen eigenen bisherigen Beitrag fortbezahlen soll, stellt sich die Sicherung nicht als ausreichender Ersatz für den Beitragsverfall dar.

Denn, wie

schon erwähnt, besteht in manchen Branchen in fast jedem bedeutenderen

Betrieb eine Wohlfahrtskasse, so daß der Arbeitnehmer vielfach in diesem Fall auch noch zu Doppelzahlung gezwungen ist?)

Von der Un­

beliebtheit dieses Systems bei den Arbeitnehmern legt vorzüglich

die Tatsache Zeugnis ab, daß da, wo es alternativ mit der Erstattung der Beiträge vorkommt, von der Möglichkeit der freiwilligen Mitglied­

schaft nur wenig Gebrauch gemacht wird?)

Gänzlich unbrauchbar ist

die Weiterversicherung als Ersatz für den Beitragsverlust da, wo die Möglichkeit

der Weiterversicherung

erst nach mehrjähriger Dienstzeit

gewährt wird und bis zum Eintritt dieser Möglichkeit die ausscheidenden

Kassemitglieder ihrer Beiträge schlechthin verlustig gehen?)

Nur durch

*) Vorschriften dieser Art bestehen z. B. bei den Arbeiterpensionskassen des Eisenwerks Herminenhütte, der Drahtwerke Gleiwitz, der Donnersmarckhütte-A.-G. *) Dies gilt vor allem für Theaterbetriebe. s) So betrug z. B. nach dem Jahresbericht 1903/04 der Beamtenpensionskasse der Röchling'schen Eisen- und Stahlwerke, deren Statuten dem Gehalts­ empfänger die Wahl zwischen freiwilliger Fortversicherung und Beitragserstattung lassen, die Summe der zurückgewährten Eintrittsgelder und Beiträge 1169,08 M, während die Beiträge von außerordentlichen Mitgliedern nur 48 M betrugen. Bei derselben Kasse betrugen 1905 die zurückgewährten Beiträge 4830,75 M, bie Beiträge der außerordentlichen Mitglieder 462 M, 1909 die zurückgewährten Bei­ träge 6001 M, die Beiträge der außerordentlichen Mitglieder 1032 M. Ähnliche

Ergebnisse zeigt ein Blick in die Geschäftsberichte des Gebr. Arnhold'schen Pensions­ vereins und der Pensionskasse für die Arbeiter und Beamten der chemischen Fabrik auf A. (vorm. F. Schering) Berlin, die ebenfalls dem Arbeitnehmer nach längerer Dienstzeit die Wahl zwischen Fortsetzung der Mitgliedschaft und Erstattung der Beiträge lassen. 4) So z. B. bei den Hostheatern zu Hannover, Koburg-Gotha, den Stadt­ theatern zu Straßburg, Bremen, der chem. Fabrik von Th. Goldschmidt, Essen. Der Inhaber dieser letzteren Fabrik bezeichnet in der mehrfach erwähnten Bro­ schüre die Tatsache, daß von dieser Einrichtung in seinem Betrieb fast gar kein Gebrauch gemacht wird, daß es die Arbeiter vielmehr vorziehen, ihre Beiträge

94

I. Teil.

ein

Opfer der Versicherten kann der

Beitragsverlust hintangehalten

werden, wenn zu dem bisherigen Beitrag von dem außerordentlichen (inaktiven) Mitglied noch ein Zuschlag erhoben wird?)

Dagegen stellt sich als ein z u r e i ch e n d e r E r s a tz für den Beitrags­

verlust dar das System der beitragsfreien Prämie, d. h. die Weilerversicherung in der Weise, daß beim Ausscheiden des Arbeitnehmers

die bisher bezahlten Beiträge so behandelt werden, als wäre der Arbeiter mit ihnen als einer einmaligen Kapitalprämie (mise) der Ver­

sicherungsanstalt beigetreten?)

Dies gilt auch dann, wenn für die Um­

wandlung in eine beitragsfreie Versicherung von dem Versicherten eine

mäßige Gebühr erhoben wird.

Prinzipiell hat sich gegen jede Weiterversicherung die Firma Krupp in ihren Veröffentlichungen gewendet.

Während sie in der Denkschrift

über den Pensionskassenprozeß Sobkowski u. Gen./Krupp diese Stellung­ nahme damit begründet, daß es „ganz allgemein der inneren Berech­

tigung entbehre, daß Arbeiter, deren Verbindung mit dem Werke gelöst

ist, noch weiter die Vorteile einer Einrichtung genießen sollen, die ihrer ganzen Bedeutung nach nur für den Angehörigen des Werks bestimmt

ist" (ohne daraus die Konsequenz der Beitragserstattung an den aus­

scheidenden Arbeiter zu ziehen) hat ihr Wortführer Heinemanns diese

Stellung anscheinend aufgegeben und verschanzt sich hinter der „Unsicher­

heit des Fortbestands eines solchen Verhältnisses", sowie hinter „schier unüberwindlichen

Schwierigkeiten der praktischen Durchführung

einer

solchen Regelung, namentlich was Beitragserhebung, Stammrollenführung

und nicht in letzter Linie die Pensionierung weit entfernt wohnender Miteinzubüßen, in scheinbarer Naivität als „ein Zeichen, wie leicht es ein großer Teil der Arbeiter nimmt, die durch Beitragsleistung erworbenen Ansprüche auf ihre alten Tage bzw. ihrer Hinterbliebenen aufzugeben". Aber auch die Schön­ rederei, es sei „ein glücklicher Gedanke in der Organisation derartiger Pensions­ kassen, daß die jüngeren, in der Blüte ihrer Kraft stehenden, das Werk ver­ lassenden Arbeiter, ein gewisses Opfer bringen zugunsten der Älteren", kann nur bei denjenigen Verständnis finden, die etwas bekommen, nicht bei den­ jenigen, die etwas verlieren. *) Den doppelten Satz verlangt z. B. das Hoftheater zu Koburg-Gotha, den I V» fachen Satz die Sladttheater zu Köln und Bremen, ll/s des bisherigen Beitrags das Hoftheater zu Mannheim. Die Hälfte des bisherigen Beitrag­ verlangen dagegen nur Hoffmanns Pensions- und Unterstützungskaffen, Salzuflen. a) Vgl. Ehrenberg, Arbeiterpensionskassen und Arbeilsvertrag, Jhering's Jahrb. XVII S. 445. ') A. a. O. S. 28.

Mitgliedschaft.

glieder selbst anbetrifft".

95

Beiträge

Bei der Firma Krupp scheint eben alles

Schwierigkeiten zu machen, was sich anderwärts als wohl durchführbar erwiesen hat.

Einen besseren Ausgleich bietet die Begründung eines Gegen­

seitigkeitsverhältnisses zwischen den verschiedenen Kaffen, in der

Weise, daß der Beitrag, der bei der einen Kaffe geleistet worden ist, bei Übertritt in einen anderen Betrieb auf die Kasse dieses Betriebs umge­

schrieben wird oder durch Gründung einer Zentralpensionsanstalt. Wertlos ist jedoch dieser Ausweg, wenn das Gegenseitigkeitsverhültnis

nicht mindestens die Mehrzahl der Pensionskassenbetriebe eines Gewerbs­

oder Industriezweigs umfaßt, und ungangbar wird er, wenn durch ein

organisiertes System

von Verrufserklärungen die Nichtannahme uner­

wünschter Arbeiter bei den im Gegenseitigkeitsverhältnis Wenden Werken zwar rechtswidrig,

wird?)

aber tatsächlich

mittels

Privatstrafen

erzwungen

Daß bereits bestehende Einrichtungen jener Art wegen ihrer

Wertlosigkeit nicht benützt werden, ist bereits gezeigt?) brauchbare

Gegen wirklich

Freizügigkeitskartelle oder Zentralpensionsanstalten

haben

sich aber bisher die Unternehmer mit allen Mitteln gewehrt. *) So z. B. nach den Statuten des Zechenverbandes im Ruhrgebiet, der Arbeitgeberverbände für den Bezirk Duisburg-Oberhausen und für den Bezirk Duisburg-Ruhrort, des Arbeitsnachweises der Industrie Mannheim-Ludwigs­ hafen rc. *) Siehe oben S. 23.

Anhang. Die Beantwortung der Frage nach einer gesetzlichen Regelung der

Arbeiterpensionskassen, welche deren im vorigen geschilderte Mißstände beseitigt,

gehört

eigentlich

an den Schluß der ganzen Arbeit.

Ich

möchte indes diese Blätter nicht veröffentlichen, ohne mich wenigstens mit einigen Worten über diesen Punkt zu äußern?)

Es sind dabei zwei Fragen zu erheben:

1. Besteht Anlaß zu einer gesetzlichen Regelung? 2. Ist eine solche durchführbar und wie müssen ihre Grundzüge be­

schaffen sein?

ad 1. sich

aus

Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergibt

der

Natur

des

vorliegenden

Rechtsstoffs.

Die

Pensionskassenfrage ist eine der schwierigsten und wichtigsten Fragen Sie setzt ein Verständnis des Richters für diesen

des Arbeitsrechts.

besonderen Rechtszweig voraus, das nicht in allen Fällen zu finden sein

wird.

Durch

die

erregten

öffentlichen Diskussionen,

durch

die

politische Färbung, die den Pensionskassenstreitigkeiten vielfach anhaftet, wird nur zu leicht die Meinung des Richters beeinflußt.

Die guten

Sitten, nach denen sich die Gültigkeit der Statuten der Pensionskassen

richtet, haben, wie die Erfahrung lehrt,

verschiedene Gebote.

für verschiedene Richter sehr

Zudem sind die einschlägigen Bestimmungen des

geltenden Rechts so unpräzis gefaßt, daß es möglich war, ihnen einen

Sinn beizulegen, der sie des Charakters sozialer Schutzbestinimungen

entkleidet.

Das

gilt

insbesondere für den Begriff der Wohlfahrts­

einrichtung nach GO. 117.

Wenn es angeht, daß ein Gericht eine

Kasse lediglich deshalb als Wohlfahrtseinrichtung anerkennt, weil sie

dem Interesse einer verschwindenden Minderheit der Arbeit­

nehmer eines Unternehmens, wenn auch in noch so ausgiebiger Weise, zu dienen bestimmt ist, so kann es auch vorkommen, daß der Arbeit*) Vgl. auch meinen Aufsatz

„Gesetzliche Regelung des Pensionskassen­

wesens" in „Der neue Weg" 39. Jahrg. Heft 52 vom 31. Dezember 1910.

Anhang.

97

nehmer, der für eine Kasse Jahre hindurch hat Opfer bringen müssen, statt eines Äquivalents für seine Leistung sich eine Schmähung gefallen lassen muß?) Nur ein Gesetz, das die versicherungstechnische Privatrache des Arbeitgebers für arbeitsvertragliche Meinungsverschiedenheiten mit dem Arbeitnehmer in unzweifelhafter und unabdingbarer, weder durch advokatorische Trickst noch durch „wissen*) Zu welch unhaltbaren Zuständen das führen kann, wird deutlich illustriert durch ein Urteil, das kürzlich das Gewerbegericht Sulzbach gefällt hat: Ein Glasbläser K. und ein Glasbläser H. arbeiteten bereits 20 bzw. 18 Jahre bei der Glasfabrik Bopelius-Sulzbach (Pfalz). In der Fabrik besteht eine Pensionskasse, auf deren Leistungen die Kassemilglieder nach der Satzung einen Rechtsanspruch haben. Der Arbeitgeber machte nun den Versuch, das Kassen­ statut in der Weise umzugestallen, daß die Arbeiter keinen Rechtsanspruch mehr haben sollten. Dagegen wandten sich die beiden Glasbläser im Interesse ihrer Arbeilskameraden, und sie erreichten auch, daß die Kassemitglieder diese Um­ wandlung, durch die sich der Arbeitgeber dem Aufsichtsrecht der Regierung, den Garantien für noch später auszuzahlende Pensionen re. zu entziehen ge dachte, verhinderten. Für die beiden Glasbläser, die also bei der Verhinderung einer Rechtsverschlechterung milgewirkt hatten, hatte die Firma nun bald »lerne passende Arbeit mehr", sie wurden entlassen. Beide klagten vor dem Gewerbe­ gericht Sulzbach auf Rückerstattung der gezahlten Beiträge in Höhe von 874,87 M, wurden indes abgewiesen. Dafür bekamen sie noch den Vorwurf vom Gewerbegericht, daß sie das Wesen der Pensionskasse als einer sozialen Einrichtung vollständig verkennten und für sich selbst in eigennütziger Weise eine Bereicherung zum Schaden ihrer Arbeilsgenossen verlangten. 2) Z. B. den Trick, durch den in Pensionskassenprozessen mit einem Streit­ wert unter 100 M, in denen die Gewerbegerichte endgültig zu entscheiden haben, die Sachen dadurch berufungsfähig gemacht wurden, daß gegen die betreffenden Arbeitnehmer Widerklagen auf Schadensersatz in Höhe von über 100 M wegen fingierter Talb estände erhoben wurden. So hat z B. die Hütte „Phoenix" eine solche Widerklage erhoben 1. wegen ungerechtfertigter Lösung des Arbeitsvertrags — trotzdem dem betreffenden Arbeiter von Seite der Firma bescheinigt worden war, daß er ordnungsmäßig entlassen sei; 2. wegen Schadens, den der Arbeiter während seiner Tätigkeit der Firma zu­ gefügt hatte — trotzdem ihm von einem derartigen Schaden während seiner Dienstzeit kein Wort gesagt worden war. Das Landgericht Dortmund wies zwar die Firma mit ihrer Widerklage auf Schadensersatz ab. Der Zweck der Aktion war aber ttotzdem erreicht, indem auch das Urteil des Gewerbegerichts Dort­ mund vom Landgericht aufgehoben und der Arbeiter mit seiner Klage auf Beitragserstattung abgewiesen wurde. (Vgl. Verbandstagschrift des »Gewerbeund Kaufmannsgerichts" S. 501.) 7 Lvewenfetd, Pensionskassen und Arbeitsvertrag.

98

I. Teil.

sch östliche" Arbeiten') zu verdunkelnder Weise ausschließt,

kann hier Abhilfe schaffen. Jahren

durchgedrungene

Das gilt um so mehr, als die in den letzten gesetzgeberische

Tendenz,

den Anspruch

auf

oberstrichterliche zivilprozeffuale Judikatur zu einem Privilegium der

Besitzenden werden zu lassen, die Hoffnungen auf Remedur durch das Reichsgericht zerstört hat.

Wenn demgegenüber aus gewissen Kreisen der Industrie, und zwar gerade aus denen, die gegen die Grundlagen der geltenden Gewerbe­

gesetzgebung einen, wenn auch ost geräuschlosen, so doch höchst erbitterten Kampf

die

führen,

Koalitionsfreiheit,

freien

Arbeitsvertrag,

Frei­

zügigkeit, Freiheit der Berufswahl stets als „Verirrungen einer zügellos

demokratischen Richtung" gekennzeichnet haben, darauf hingewiesen wird, daß hier ein gesetzgeberischer Eingriff unnötig, ja unzulässig sei, weil die Pensionskassen „private freie Anstalten", „Werke der privaten Wohl­

tätigkeit"

des

gingen,")

so

Arbeitgebers wird

tätigkeitsanstalten

dem

seien,

die

den

absichtlich vergessen, Arbeitnehmer

Gesetzgeber daß

nichts an­

diese privaten Wohl­

beträchtliche Teile

seines

Ein­

kommens zwangsweise abnehmen und besonders, daß für den Arbeit­

nehmer, wie gezeigt, infolge der Verkoppelung von Versicherungsvertrag und Arbeitsvertrag auch hohe immaterielle Interessen auf dem Spiel stehen.

Während dieselben Kreise der Industrie sich wegen der „Be-

*) Vgl. z. B. Jacobsohn, Der Kampf um die Wohlfahrtseinrichtungen in Großbetrieben. I. gibt übrigens selbst zu, daß der Beitragsversall gegen die guten Sitten verstößt, wenn das statutenmäßig sestgestellte Verhältnis zwischen Beiträgen und Pensionen ein derartiges ist, daß ohne Gefahr für die Sicherheit der Pensionskasse den Ausscheidenden eine Abgangsvergütung ge­ währt werden kann (a. a. O. S. 55). Er argumentiert aber sehr einfach weiter: „Da beide Fälle überhaupt nicht Vorkommen oder doch wenigstens bisher nie­ mals sestgestellt wurden, ist die Behauptung für den Regelfall die, daß der Beitragsverfall nicht gegen die guten Sitten verstößt." Was für eine Be­ wandtnis es mit der in diesem Satz enthaltenen tatsächlichen Behauptung und der daraus gezogenen Schlußfolgerung hat, ist bereits gezeigt. Es muß aber hier auf die Gefahr hingewiesen werden, die sich daraus ergibt, daß diese Behaupiung auch von einzelnen Gerichten in ihren Urteilsbegründungen übernommen worden ist, daß die Beurteilung der Frage, ob ein Tatbestand einen Verstoß gegen die guten Sitten enthält, lediglich von der Gründlichkeit oder Ungründlichkeit einer Arbeit abhängig sein soll, deren Autor es nötig hat, im Vorwort seine Unparteilichkeit ausdrücklich zu versichern. ’) So z. B. der Arbeitgebervertreter auf dem Kölner Berbandstag der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte «September 1910).

99

Anhang.

der Industrie"

lastung

nicht

genug

bemitleiden

durch

die

können,

staatliche fühlen

Sozialversicherung

sie

sich

durch die

gar

starken

finanziellen Lasten, die ihnen das private Pensionskassenwesen auserlegt?)

nicht im mindesten bedrückt.

Im Gegenteil, sie sind sogar gerne bereit,

eine Erhöhung dieser Lasten auf sich zu nehmen, wenn dadurch gleich­ zeitig den Hintergedanken, die sie mit ihrer „privaten Wohltätigkeit" Der Anlaß zur Ergreifung der

verbinden, Rechnung getragen wird?)

Initiative auf dem Gebiete der sozialen Fürsorge ist also hier für den

Arbeitgeber die Hoffnung, durch diese Tätigkeit eine wirksame auf

dem Prinzip der Gleichberechtigung von Arbeitgeber und Arbeit­ nehmer beruhende Fürsorge vereiteln zu können.

Dieselbe patri­

archalische Richtung des Arbeitgebertums, die seinerzeit den Anstoß zur

Einführung der deutschen Arbeiterversicherungsgesetzgebung gab, in dem

Glauben, durch diese würden die Arbeiterorganisationen zerschmettert werden?) sucht nun, da sich die Sozialversicherung als ein ungeeignetes Mittel zur Verwirklichung ihrer Wünsche erwiesen hat, ihr Heil in den privaten Wohlfahrtseinrichtungen und fühlt sich in ihrem „Recht" der

Wohltätigkeit"

„freien

durch

den

Ruf

bestimmungen aufs äußerste bedroht.

nach

zwingenden

Schutz­

Damit dürste gezeigt sein, was

von den eben gekennzeichneten Einwänden gegen eine gesetzliche Regelung

des Pensionskassenwesens zu halten ist. Dagegen muß Gegenstand der Erwägung die Frage sein, ob nicht

an Stelle von Gesetzesmaßnahmen Verwaltungsmaßnahmen ge­ nügen, wie mehrfach in beachtenswerten Ausführungen behauptet worden

ist?)

Beinahe alle diese Ausführungen haben aber das gemeinsam,

daß sie

nicht die größere Wirksamkeit der Verwaltungsmaßnahmen

gegenüber einer gesetzlichen Regelung beweisen, sondern nur darzutun

suchen, aus welchen Gründen eine Regelung durch Gesetz nicht an­ gezeigterscheint, während Verwaltungsmaßnahmen ausreichen würden. ’) Vgl. über die Höhe der Aufwendungen der deutschen Aktiengesellschaften für Pensions- und Unterstützungsfonds, Soziale Praxis vom 12. Januar 1911 S. 472. ’) Tille hat kürzlich jeden Ausbau der staatlichen Versicherung mit der Begründung bekämpft, daß dem Bersicherungsbedürfnis der Arbeitnehmer durch Werkpensionskassen hinreichend entsprochen werde. ’) Vgl. Brentano, Der Arbeiterversicherungszwang, seine Voraus­ setzungen und seine Folgen, Berlin 1881. *) So z. B. Potthoff in der „Sozialen Praxis" vom 12. Mai 1910; Laporte a. a. O. S. 82.

100

I. Teil.

Die Gründe nun, die gegen ein Pensionskassengesetz ins Feld ge­ führt worden sind, sind nicht stichhaltig.

Einmal ist behauptet worden,

die zu erfassenden Verhältnisse seien zu vielgestaltig, als daß sie durch ein Gesetz geregelt werden könnten. greift das Problem von hinten an,

Eine derartige Argumentation

denn gerade durch ein Gesetz

könnte ja diese zweifellos vorhandene Vielgestaltigkeit,

eine der Haupt­

quellen der Rechtsunsicherheit auf dem Gebiete des Kassenwesens, be­ seitigt werden.

Es besteht nicht der mindeste Anlaß,

ängstlich jede

kleine Eigentümlichkeit jeder Pensionskasse zu konservieren. Insbesondere wenn gute Übergangsvorschriften erlassen werden, die eine Überhastung der bei einzelnen Kassen eventuell notwendig werdenden organisatorischen

Veränderungen verhindern, kann sich die Umgestaltung deS Kassenwesens

ohne jede Gefahr für den Bestand der einzelnen Kasse vollziehen.

Als

zweiter Grund wird von ängstlichen Gemütern, denen sich auch die Reichsregierung x) angeschlossen hat, die Möglichkeit betrachtet, daß im

Fall einer gesetzlichen Regelung eine größere Anzahl von Unternehmern kein Interesse mehr an der Wohlfahrtspflege haben werde und

Bestärkt werden solche Befürch­

folgemäßig dieselbe aufgeben werde.

tungen durch die Drohungen, die gewisse Jndustrievertreter ausstoßen,

sobald die Frage eines Pensionskassengesetzes Gegenstand der Diskussion

wird.

Dazu ist zu sagen, daß gerade ein Gesetz eine ausgezeichnete

Orientierung

ermöglichen

würde,

daß

es

diejenigen

Firmeninhaber,

denen es wirklich um soziale Versicherung ihrer Arbeitnehmer zu tun

ist, klar von denen scheiden würde,

erwünschtes Mittel sich vom Schauplatz

denen die Penfionskassen nur ein

zur Machtentfaltung sind.

ihrer

Würden die letzteren

sozialen Tätigkeit zurückziehen,

so würde

wohl das Bedauern in Arbeitnehmerkreisen nicht groß sein.

Schon

die Klugheit würde aber doch wohl die Mehrzahl der Arbeitgeber ver­ anlassen, in einem solchen Fall zur „sozialen Gruppe" gehören zu wollen. Zeigt sich also, daß die Gründe, die gegen gesetzliche Regelung geltend gemacht worden sind, nicht überzeugend sind, so kann dasselbe auch von denen behauptet werden, die für die Überlegenheit der

Verwaltungsmaßnahme angeführt werden.

Vor allem soll es

die Unterstellung allerKassen unter das kaiserliche Auf­ sichtsamt für Privatversicherung oder doch wenigstens unter ein­ heitliche, vom kaiserlichen Aufsichtsamt zu erlassende Verwaltungs*) Vgl. auch oben S. 87 die Beantwortung der Interpellation Albrecht und Gen. durch den damaligen Staatssekretär v. Bethmann Hollweg.

101

Anhang.

Werden nun diese Ver­

Maximen sein, der der Vorzug gebührt.

waltungsmaximen in Form von allgemein verbindlichen Verwaltungs­

verordnungen verkündigt,

ist eS also möglich,

alle Kassen

bezüglich

gewisser Mindestforderungen unter einheitliche Gesichtspunkte zu bringens)

so ist nicht einzusehen, warum diese Maximen nicht mit gesetzgeberischen

Garantien umgeben werden könnten. aber

gerade

die

Praxis

des

Ganz

kaiserlichen

abgesehen

Aussichtsamts

davon

den

bietet

Beweis

dafür, daß mit Verwaltungsmaßnahmen eine durchgreifende Sanierung des Pensionskassenwesens

Tätigkeit

einer

nicht

Aufsichtsbehörde

zu sich

erreichen ist. im

Einmal kann die

wesentlichen nur bei Neu­

gründung von Kassen äußern, während ein Eingreifen bei bereits be­ stehenden nur in ganz besonders schweren Fällen möglich ist.

Ferner

aber hat das Amt stets bei der Behandlung der Pensionskassenprobleme

die versicherungstechnischen und versicherungspolitischen Erwägungen in den Vordergrund gestellt zuungunsten der allgemein

rechtspolitischen und sozialpolitischen,

denen bei der engen Ver­

knüpfung des Pensionskassenwesens mit dem Arbeitsvertragsrecht un­ bedingt der Vorrang gebührt.

Denn brächte es das kaiserliche Auf­

sichtsamt durch seine Tätigkeit auch fertig, alle Pensionskaffenstatuten im Reich auf versicherungstechnisch vollständig einwandfreie Grundlagen

zu stellen, so hätte es damit noch nicht einer Einrichtung ihre Daseins­

berechtigung gegeben, die sich als soziale Zwangswohlfahrt geriert. Diese Daseinsberechtigung kann das Pensionskassenwesen nur durch Überein­ stimmung mit dem allgemeinen Rechtsempfinden des Volks,

nicht allein mit dem der Versicherungssachverständigen bekommen.

Die

Versuche des kaiserl. Aufsichtsamts, auf dem Wege der Verwaltungs­ maßnahme in das Pensionskassenwesen einzugreifen, dauern nun bereits

mehrere Jahre.

Die erzielten Erfolge aber sind ganz minimal und

haben es insbesondere nicht vermocht, die allgemeine und berechtigte Mißstimmung aller Arbeitnehmerkreise über die Zustände im Pensions­ kassenwesen aus der Welt zu schaffen.

ad 2.

In den vorstehenden Argumenten ist bereits die zweite

der aufgestellten Fragen teilweise beantwortet:

Gesetzliche Maßnahmen

sind nicht nur nötig, sie sind auch wohl durchführbar, wenngleich

gewisse Schwierigkeiten, die sich durch die Buntscheckigkeit der zu er­ fassenden Verhältnisse ergeben, nicht geleugnet werden können.

’) Das gibt auch Lap orte (a. a. O.