Neueste phytochemische Entdeckungen zur Begründung einer wissenschaftlichen Phytochemie: Lieferung 2 Materialien zur Phytologie [Reprint 2019 ed.] 9783111440989, 9783111074832


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German Pages 287 [292] Year 1821

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Table of contents :
Vorrede
Inhalt
Berichtigungen
Erstes Kapitel. Die Phytologie und das Verhältniß der Botanik und der Phytochemie zu ihr
Zweytes Kapitel. Die Metamorphose der Pflanzen
Drittes Kapitel. Die Pflanzenstoffwelt
Viertes Kapitel. Zur Zerlegungsweise der Pflanzen
Fünftes Kapitel. Reagentien
Anhang
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Neueste phytochemische Entdeckungen zur Begründung einer wissenschaftlichen Phytochemie: Lieferung 2 Materialien zur Phytologie [Reprint 2019 ed.]
 9783111440989, 9783111074832

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Materialien jut

Phytologle

Zweyte Lieferung, herausgegeben von

Ferdinand Runge.

Berlin 1821, Gedruckt und verlegt bei G. Reimer.

Neueste

Mtochemische Entdeckungen zur Begründung

einer wissenschaftlichen Phytochemie.

Zweyte Lieferung von

Ferdinand

Runge,

Dr. der Heilkunde.

Das Pflanzenreich ist in der Idee eine Einheit, in der Er­ scheinung ein unendlich Mannigfaches.

(Mit vier Kupsertafeln.)

Berlin

1821.

Gedruckt und verlegt bei G. Reimer.

3. W. Döbereiner, dem

irnermüdlichen Förderer

chemischer Forschungen

hochachtungsvoll

Vorrede.

Ueber ein Jahr ist seit Erscheinung der ersten Liefe» rnng verflossen; eine Frist länger als billig, da diese zweyte Lieferung, dem Versprechen nach, schon in ei­ nem halben Jahre nachfolgen sollte.

Es liegt daher

dem Verfasser ob, Rechenschaft wegen dieser Zöge­ rung zu geben. Nachdem (i« der ersten Lieftr.) die in der Phyto« chemie zu befolgenden Prinzipien entwickelt, das We­ sen und eine Anwendung der Reagentien in einem aus­ gedehnteren Sinne wissenschaftlich gewürdigt, die Nothwendigkeit einer doppelten Zerle­ gungsweise — einmal in Salze durch Lösung, dann in Base und Säure durch Scheidung — den Grundzügen nach dargethan und durch einzelne, beygebrachte empirische Thatsachen veranschaulicht worden, also im Allgemeinen die Pflanzenstoffwissen-

VI

schüft (Phytochemie) vorwaltend nach der ideellen, spekulativen Seite hin sich zu gestalten begonnen hat» te, schien nichts nothwendiger, ersprießlicher und fol­ gewichtiger für ihre fernere Fortbildung zu seyn, als nun den empirischen Weg derselben mit gleicher Beharrlichkeit zu verfolgen, um so dem spekulativen Pol durch ein gleichmäßiges Entgegentreten des em­ pirischen, Halt und wissenschaftlichen Werth zu ver­ leihen. — Es war daher des Vers, ernster Vorsah, diese zweyte Lieferung dem Inhalte nach vorzugsweise mit empirischen Thatsachen anö Licht treten zu lassen, wozu dann die angekündigte Widerlegung der Annah­ me eines f. g. Extraktivstoffs rc. Materialien genug an die Hand gab. Schon durch frühere, vorläufige Versuche über das Verhältniß dieses problematischen Stoffs im All­ gemeinen unterrichtet und dadurch zu der Ueberzeu­ gung gekommen, daß durch eine umfassende Untersu­ chung desselben der Wissenschaft wichtige Entdeckun­ gen zu Theil werden würden, unternahmen wir um so muthiger und freudiger seine Bearbeitung, die uns wegen der vielfältig einzuschlagenden Wege und Abänderungen im Gange der Analyse, die jede ver­ schiedene Pflanze wegen ihrer Eigenthümlichkeit nö­ thig machte, »über Sin Jahr lang anhaltend beschüftigt hat. Eine große Menge s. g. Ertraktivstoff ent­ haltender Pflanzen wurden zerlegt, um in diesem wei­ ten Felde phytochemischer Untersuchungen, das schon die Thätigkeit so vieler Forscher ln Anspruch genom­ men, nur erst zurecht zu finden und den Standpunkt zu erringen, von welchem aus die täuschenden und

mißverstandenen, dem s. g. Extraktivstoff beygelegten Eigenschaften und Erscheinungen zu beurtheilen und durch Gegenverfuche aufzuklären waren. Wie aber dem Realen ein Ideales entgegentritt, und das Ideale das Reale hervorruft, so auch hier. Je weiter wir auf analytischem Wege vorwärts dran­ gen, desto klarer wurde uns das pflänzliche Stoffver­ hältniß und je mehr wir über dieses fpekulirten, um so leichter wurde uns die experimentelle Forschung, so daß sich aus den zerstreuten und heterogenen Objek­ ten des f. g. Extraktivstoffs bald ein Ganzes gestal­ tete, das zu den schönsten Hoffnungen berechtigte. — Was auf solche Weise in uns, durch Wechselwir­ kung mit der realen, stoffigen Erscheinungsweise der Pflanzen sich gestaltet hatte, das sollte nun aber her­ vor- und hinaustreten ins Aeußere, in, auch für An­ dere erkennbarer und beschaulicher Gestalt, sollte auch in Anderen zum Ganzen sich bilden: es mußte also dergestalt, versinnlicht, kurz beschriebe» werden. — Hier gab es nun unsägliche Schwierigkeiten. Die alten Formen waren durch die neuern Forschungen zertrümmert, die alten Begriffe und Ansichten aus­ getilgt, zernichtet, die frühere Sprache zur Darstel­ lung und Verdeutlichung des Gefundenen also un­ brauchbar. Was war hier nun zu machen, um ver­ ständlich in Beschreibung des Neuen zu werden? Es gab hier einen Ausweg. Wir mußten uns wieder in uns selbst versenken, von der Besonderheit ins allge­ meinere Gebiet der Wissenschaft zurückkehren, die Pflanze in ihren universelleren Beziehungen und Er-

VKI

scheinungSweisen anschauen, dieses alles an das Be­ sondere anknüpfen und nun durch Wort und Zeiche» verkörpern (beschreiben) um Andere gleichsam von vorne herein auf das Nachfolgende vorzubereiten und ihnen die Kenntnißnahme von demselben zu erlelchtern. So entstand dann die genetische Darstellung der Phytologie (im I. Cap.), die Entwicklung der Pflanzenmetamorphose (im II. Cap.), und end­ lich aus dieser die Stoffsystematik (Cap. in.), die durch die Supplemente zur ZerlegungSwcise (Cap. IV.) und die Entwicklung der bey Anwendung der Reagentien zu befolgenden Prinzipien (Cap. V.), end­ lich zum rein Faktischen sich harmonisch hinbewegten, das in den kritischen Untersuchungen über die An­ nahme eines f. g. Extraktivstoffs re. zu Tage kom­ men sollte; so daß in Bezug auf diesen Gegenstand alles Vorhergehende nur Vorbereitung und Einlei­ tung war, um diese Untersuchungen mit Erfolg zu handhaben und ihre Resultate zu versinnlichen, zu beschreiben. Zu diesen Vorbereitungen gehört dann vorzugsweise die im (III. Cap.) vorgeschlagene neue Bezeichnungsart der Pflanzenstoffe, die aber ohne eine Deutung der PflanzenbildungStheile, die wieder­ um die Entwicklung und Darstellung des pflänzlichen Metamorphosenganges voraussetzte, nicht zu geben war. So forderte eins das andere und wir wurde« auf solche Art genöthigt, unsere p h y t o ch emische Zeitschrift zu einer phytologischen um­ zuwandeln, worin nicht blos der Pflanzenstoff be­ trachtet wird, sondern auch das pflänzliche Leben und die pflänzliche Form. Ein solcher Inhalt machte

«litt auch die vorgenommene Titeländerung noth­ wendig. Durch diese Seitenblicke ins Reich der Form und -es Lebens der Pflanze wurde nun nothwendig ein längerer Zeitraum in Anspruch genommen als sonst geschehen seyn würde, und daher das Erscheinen die­ ser zweyten Lieferung bis jetzt verzögert, die nun aber doch nicht enthält, was sie anfangs bringen sollte, indem die Extraktivstoffabhandlung wegen ihres gro­ ßen Umfangs, dieser zweyten Lieferung, die selbst schon in etwas die einmal gesteckte Gränze überschrit­ ten hat, nicht mehr einzuverleiben war, so daß diese Lieferung nur als das Vorbereitende, Einleitende zu diesem empirisch > Faktischen der Pflanzenstoffwissenfchaft angesehen werden kann, da in diesem Fall die Lebens- und Formwissenschaft der Pflanze als die­ nend erscheint. Die Wissenschaft verliert durch diese Verspäterung wenig, ja sie gewinnt dabey, indem uns nun Zeit gegeben ist, das Ganze noch einmal durchzuarbeiten, um Mängel zu ergänzen und Feh­ ler ju beseitigen. Was nun den Inhalt vorliegender Lieferung betrifft, so ist er keineswegeö, wie schon bemerkt, rein phytochemisch und kann es auch in Zukunft nicht wieder werden, weil, wie aus dem ersten Ca­ pitel zur Genüge hervorgeht, das gänzliche Lostren­ nen der Stoffwissenschaft von der der Form und des Lebens zu einer Einseitigkeit führt, die der Pflan­ zenwissenschaft (Phytologie), welche doch einmal als

ein DreyeinigeS von Leben-, Stoff« und Formwis« senschaft sich gestalten muß, in ihrer Entwicklung und Ausbildung nur hinderlich seyn kann. Wir entbieten daher den Botanikern und Pflanzenphy­ siologen hiemit unsern herzlichen Gruß und ersuchen Sie durch Ihre Mithülfe dem begonnenen Werke Gedeihen zu bringen und durch Beachtung des im Vorliegenden nur aus rein wissenschaftlichem An­ triebe, Gesagten mit der Pflanzenchemie in eine nä­ here Verbindung zu treten.

Sie werden dann ge­

wiß die Ueberzeugung gewinnen, daß dieselbe Ih­ nen sehr hülfreich werden kann, wie umgekehrt die Pflanzenchemie es kein Hehl hat, daß sie nur durch treuliche Benuhuug botanischer und physiologischer Hülfsmittel sich aus dem Stande ihrer bisherigen Erniedrigung erheben könne. Was an uns ist, so werden wir auf dem betretenen Wege fortgehen, aber wir wünschten, daß auch Andere uns, wenn nicht begleiteten, doch dann und wann begegneten, um durch gegenseitigen freundlichen Gruß, oder wo es Noth thut, ernste Warnung vor Faßlichkeiten des kommenden zu durchwandelnden Weges, neue Aufmunterung zu gewinnen, neue Verbindungen zu knüpfen, neue Ansichten zu schaffen und neue Wege zu bahnen.

Wer also inneren Antrieb spürt, die

Pflanzenwiffenschast zu fördern, der schließe sich an diese Zeitschrift an, und bewirke durch wissenschaft­ liche Beyträge (die natürlich original seyn müssen, da Übersetzungen als das Alte nur der Form, nicht dem Inhalte nach erneuet wiedergebend, hier wo es sich gerade um das Neue handelt, nicht zu gestat-

(eit sind) das öftere Erscheinen derselben als es durch die Bearbeitung eines Einzelnen möglich ist. — Al­ les was sich individualisiren und als ein Selbststän­ diges hinstellen will, mnß sich durch Kampf bewäh­ ren, es werden uns daher Beurtheilungen unserer hier dargelegten Ansichten sehr willkommen seyn, in so fern sie nur das Gebot der Wissenschaft: Gleich­ heit der Waffen heiligen. Gemäß diesem weitern Umfange und mannig­ faltigeren Stoff, der diesen Lieferungen durch eine solche Mithülfe erwachsen würde, wäre nun auch ein anderer Plan in Anordnung der Gegenstände zu befolgen, dessen Auffindung nicht viel Mühe macht, indem er durch die Phytologie, der die Bearbeitung gilt, selbst vorgezeichnet ist. Die wis­ senschaftlichen Beyträge werden sich nemlich, je nachdem sie dem Leben, dem Stoffe oder der Form der Pflanze gewidmet sind, unter die folgenden drey Abtheilungen vertheilen, nemlich 1. Phyto.Biologie (Pflanzenphysiologie), 2. Phyto-Stöchiologie (Pflanzenchemie), 3. Phyto.Morphologie (Botanik, Anato­ mie ic.) *). Mittelst einer solchen Abtheilung findet ein Je­ der leicht, was ihn vorzugsweise anspricht, und kann dann nach Gefallen sich auch in die andern Gebiete verlieren. *) Vergleiche das erste Capitel.

xn Um den Zusammenhang dieser zweyten Liefe, rung mit der ersten nicht zu unterbrechen, mußte, ungeachtet der vorgenommenen Titeländerung, doch der eine: „Neueste phytochemische Entdeckungen" rc. beybehalten werden. Er ist auch eben nicht am unrechten Ort, da diese Lieferungen (waS uns be­ trifft)

vorzugsweise

phytochemische

Entdeckungen

bringen werden, nur nehme man es nicht so ge­ nau und lasse neben diesem auch phytobiologtsche und phytomorphologische Entdeckungen hier ihre Stelle finden, was durch den neueren Titel auch hin­ länglich angedeutet ist. Es möchte hier nicht unnöthig seyn zu bemerken, daß wir überhaupt den Be­ griff des Wortes „Entdeckung" in einem allgemei. Stern, wissenschaftlichen Sinne nehmen, obwohl man von jeher gewohnt ist, dabey nur an rem faktische, empirische Handgreiflichkeiten zu denken. Es giebt

nach unserer Ansicht, gleichwie der Weg zur Wissen­ schaft ein dreyfacher ist, auch dreyerley Entdeckun­ gen, nehmlich empirische, spekulativeund ma­ thematische. Wer eine neue Idee zeugt, d. h. sver sich der geistigen Thathandlungen feines Innern bewußt wird, also gleichsam das in ihm selbst Vor­ gehende gewahrt, der macht eine spekulative Entdekkung; wer diese Idee in der Natur realisirt wieder­ findet, auf dem

Wege der Erfahrung nachweist,

ber hat eine empirische Entdeckung gemacht, und wer endlich diesen Fund gegen anderes Gefundene in das richtige Licht stellt, ihr gegenseitiges, speci­ fisches Verhältniß auSmittelt, also seinen relativen Werth in Bezug auf Anderes bestimmt, der hat ein

Gesetz gefunden, hak eine mathematische Entdeckung errungen. Die spekulativen Entdeckungen kommen zunächst aus dem Menschen selbst, die empirischen sind ihr Wiederschein in der äußern Natur und die mathematischen sind das Mittel von beyden. — Diese Ansicht, die sich auS dem Verhältniß des Menschen zur Natur ganz ungezwungen ergiebk, wird daS Zusammenfassen spekulativer Betrachtun­ gen, empirischer Forschungen und mathematischer Berechnungen unter dem Namen „Entdeckungen" rechtfertigen. Einmal machte es die ausgedehntere Bearbei­ tung, die diese Lieferung erheischte, und dadurch unsere Thätigkeit anderweitig in Anspruch nahm, und dann unsere dem Aeußern nach etwas be­ schränkte Lage es unm-glich, mehreren Anforderun­ gen zu genügen, wozu Aussprüche in der ersten Lie­ ferung berechtigen. So konnten bey unserm jetzi« gen Aufenthalt in Berlin, die auch für i>ie Mate­ ria medica so wichtigen Versuche mit dem Katzen­ auge nicht fortgesetzt werden. Möchten Physiolo­ gen sie aufnehmen und erkennen, daß es kein siche­ reres und einfachereres Mittel giebt, die specifi­ schen Antidota des Tollkraut«, der Bilse und des Stechapfels auszumiktel« als das Katzenauge. Die Versuche sind nicht schwierig, indem man nichts weiter zu thun hat, als die reinen Basen oder ihre Verbindungen mir Säuren, welche nach der örtlichen Applikation aufs Auge die Pupille er­ weitern (Belladonnabase rc.), mit Basen uns Sal«

XIV

zen anderer, nicht so aufs Auge wirkender narko­ tischer Pflanzen, z. B. des Aconits, der Digitalis, des Solanum, des Tabacks, des Schierlings rc. in steigender Dose zumischen und aufs Auge zu brin­ gen, wo dann durch nicht erfolgende Puprllenerweiterung sich das Veygemifchte als ein jenen Basen und ihren Wirkungen Entgegen­ gesetztes, kurz als ihr Antidot sich kunv giebt. Bekanntlich sind die specifischen Heilmittel der durch Belladonna, HyoscyamuS und Datura bey Ver« giftungsfällen hervorgerufenen Krankheitöprozejse noch unbekannt, so daß solche Unglücklichen selten mit dem Leben davon kommen. Hier ist nun daS Mittel gegeben, das bey diesen Vergiftungsfallen anzuwendende Heilmittel ausfindig zu machen und abgesehen von dem, was die höchste Pflicht, die gegen die Menschheit erheischt, werden diese Ver­ suche noch dadurch wichtig und wünschenSwerth, weil, da alles gegenseitig gilt, mit dem Auffinden des Antidots zugleich auch das Mittel gegen die Wirkungen dieses Antidots gefunden ist. Gesetzt ein Gemisch aus dem narkotischen Belladonnaund Aconitsalze *) zu gleichen Theilen, brächte aufs Katzenauge gebracht, keine Pupillenerweiterung hervor, so würde daraus folgen, daß wenigstens in Bezug auf die Pupillenerweiterung das Aco­ nitsalz ein Antidot de- Belladonnasalzes sey, seine Wirkungen aufhebend, umgekehrt folgt aber auch, -aß in andern Fällen Belladonna die Wirkunr ') SÖercn Basen beyde die narkotische Wirksamkeit besitzen.

gen des AconitS aufheben werde, eben weil jpte die feinden aufhebt. Die Zeit, wo die Bosheit (ich mineralischer Gifte bediente, um ihre Plane auszuführen, ist vorbey. Sie ist durch das Em­ porkommen der Oryktochemie, der es jetzt eine Kleinigkeit ist, Arsenik, Bley, Kupfer rc. zu ent­ decken und durch die eben nur hiedurch mögliche Wachsamkeit der Polizey vorübergeführt, und so möchte dann jetzt das Vergiften mit pflänzlichm Stoffen seinen Anfang nehmpn, einmal weil es bey dem jetzigen Zustande der Pflanzenchsmie in den allermeisten Fällen unmöglich ist, ihr Daseyn zu entdecken, so daß man das so färb- form-, ja gleichsam materienlose Fürchterlichwirksame narkoti­ scher Pflanzen (die narkotische Base) Quentchen­ weise dem Kaffe, dem Gemüse, dem Bier rc. bey­ mischen kann, ohne daß Gesicht, Mund, Nase et­ was Auffallendes entdecken und doch bringt es hin­ untergeschluckt, sogleich den Tod — und dann zweyten- durch die Leichtigkeit sich Giftpflanzen zu verschaffen, die man nicht wie den Arsenik rc. un­ ter polizeiliche Aufsicht bringen kann, weil sie über­ all herum wild wachsen. Es möchte daher wohl nichts wichtiger seyn als die von der Zeit gefor­ derte Lösung der Aufgabe: untrügliche Reagentien für das Tödtlichwirkfame aller wildwachsenden narkotischen Pflanzen auszumitteln. Daß solche da sind, also ge­ funden werden können, ist keine Frage, man be­ trachte nur das Thier- und Pflanzenreich und be­ denke, daß ein jedes Pflanzen- und Thierorgau so

XVI

wie jeder in demselben enthaltene Stoff ein solche« Reagens seyn kann, e« kommt nur auf durchgreisende Versuche an, um e« zu finden. Eine solche Untersuchung wird dadurch er» schwert, daß fie in ein ganz neues Gebiet, in da« der Zoochemie hinüberschlägt, was auch noch, ein wüstes, unbebauete« Land, erst urbar zu machen ist. Durch den Standpunkt, den die Phytochemie jetzt erlangt, wird auch diese« möglich werden, da das ganze Thierstoffreich --- dem des Mineral« und Pflanzenreichs in die polaren Gegensätze von Base und Säure zerfallen muß, so daß auch hier dem Forscher dasselbe, aber versteht sich, auf thierischer Potenz wiederkehrt. Wir sind durch unsere phytochemischen Entdeckungen geleitet, so glücklich ge­ wesen, diese« vom wissenschaftlichen Standpunkt aus sich als nothwendig ergebende polare 'Auftre­ ten der Thierstoffe, auch durch vorläufige Versuche im Empirischen aufzufinden, namentlich ergab sich uns das Wirksame de« Moschus, des Castoreums, der Canthariden rc. als ein basisches, dem eine eigenthümliche thierische Saure gegenüber steht. Der Hauptbestandtheil des Harns (der f. g. Harn­ stoff), der der Galle (s. g. Pikromel), der des Mus­ kelfleisches (s. g. Osmazome) und viele andere sind nichts Einfaches, sondern au« Base und Saure zu­ sammengesetzte thierische Salze. Nach solchen Ergebnissen können wir nun dem inneren Andränge nicht fe-ner widerstehen, auch der Zoochemie un­ sere Kräfte zu widmen und sie einer ähnlichen Be-

arbeitlmg wie die Pflanzexchemie zu unterwerfen. Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten, die hie« mit verknüpft sind, allein der feste Wille vermag viel, und so ist denn der Entschluß in uns gereift, eine ähnliche Zeitschrift wie die vorliegende, für die Zpochmie herauszugeben, die wie diese in Lieferun­ gen zwanglos erscheinen wird. Doch davon mehr an einem andern Ort. Um einzelne Spannungen, die durch zu große Freymüthigkeit von unserer Seite (in der ersten Sie« fer.) und durch zu engherziges Deuten und Miß­ verstehen andererseits, entstanden find, und der Phytochemie keinesweges Gedeihen bringen können, wie­ der auszugleichen, bemerken wir hier schließlich, daß uns in der Wissenschaft Persönlichkeiten völlig fremd sind. Es giebt für uns in ihrem heiligen Gebiete keine „Herrn", keine „Doktoren,"keine„Pro­ fessoren" rc., sondern völlig gestalt- und prädikqrlose Geister, die offen, frey und rückhaltslos mit sich reden lassen, und auch ein mit unterlaufen­ des hartes Wörtchen nicht übel deuten. Zwischen den Vertretern der Wissenschaft muß überhaupt nie die leiseste Ahnung von etwas Persönlichem auf­ kommen, es entehrt und stellt das wissenschaftliche For­ schen dem egoistischen Treiben der bewußtlosen Na­ tur gleich, wo alles mit Selbstsucht gegen einander auftritt. Wir ergreifen daher mit Freuden die Gele­ genheit, eineR. Brandes (wie wir lpäter gesehen haben) unverdienterweise gemachte Beschuldigung (in

XVIII

der ersten Lieferung S. 97.) hiemit zurückzunehmen und fügen die kaum nöthige Versicherung bey, daß wir den phytochemischen Arbeiten dieses tr ffirchen )orr scherö unsere ganze Aufmei ksamkeit sch nken, und nur wünschen, daß sich derselbe dem Studium der Psiam zenchemie ganz hingeben möchte. Berlin, am ersten Pfingsttage 1821. Der Verfasser.

Inhalt. Erstes CLprtel.

Die Phytologie und das Verhältniß der Botanik und ber Phytochemle ju ihr. Einleitung. §. i —12. ♦ . . . . Seite 1 Eintheilung der Phytologie nach den Erscheinungsweisen

der Pflanze. §. 13. 14......................................... — I. Phyto - Biologie: Lebenslehre des Pflanzen­ reichs. §. iß. ...... H. Phyto-Stöchiologie, Stofflehre des Pflan­ zenreichs. §. 16. 4 IIJ. Phyto - Morphologie: Formlehre des Pflanzenreichs. §. 17. . . . . Eintheilung der Phytologie nach dem Verhältniß der Pflanze zurp Aeußern. ...... I. Cosmo-Ph ytologre. §. 37. 1. Photo-Phytologie. . . « 2. Thermo-Phytologie. ♦ . 3. Skoto - Phytologie. ♦ ♦ . 4. Kryo - Phytologie. II. Planeto-Phytologie. §. 23. 1. Aero - Phytologie. 2. Hydro-Phytologie. . ♦ 3. Geo-Phytologie............................. III. CoSmo-Planeto-Phytologis. §. 29* 1. Orykto - Phytologie. . 2 Phyto-Phytologie. . . . 3. Zoo - Phytologie. , . .

4* Anthropo-Phytologie»

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.

3 —

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7 13

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- 1?

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Beurtheilung der Leistungen von 1. Oken. §.38 35 2. Kiefer. §.39........................................... — 37 3. Rees von Esenbeck. §. 40. 41. . — 38 Zweyte- Capitel.

Die Metamorphose der Pflanzen. .

— 44

Positive Hälfte des pflanzlichen Leben-laust: Evolution-» Periode. §. 7—22. 4? Das Kraut - oder Laubpflänzchen und seine Systeme. §. 7—11. .... — — DaS Blütenpflänzchen und seine Systeme. §. 12—22...................................................... — 50 AntiPSfitive Hälfte de« pflänzliche» Leben-laust: Revo­ lution-periode. Da« Fruchtpflünzchen mit seinen Systemen.

§. 23—27...................................... — 5? Das Samenpflänzchen mit feinen Systemen. §.27 — 34. . . . . • . — Polares Verhalten der vier Pflänzchen der Pflanze. ff. 35—50. . Analogie zwischen dem pflänzlichen und planetaren Le­ ben-lauf. §. ...................................................... — 77 Wiederkehr des Metamorphosengange- der Pflanze in ihren Bestandformen. §. 51..................................— So Wissenschaft von der Metamorphose. §. 52. — I. Wissenschaft vom Kraul - oder Laubpflänzchen: Poälogie. §. 53. . . . . . . — lf. Wissenschaft vom Blütenpflänzchen: Anthologie. — III. Wissenschaft vom Fruchtpflünzchen: Carpologie. — IV. Wiffenschaftvom Samenpfiänzchen rSpermatologie. — Beurtheilung- der Leistungen von 1. G ö-t h t. §. 55. . .... — 2. Kiese«. $.56. 3. Oken. $. 57. 58. . . . . — Die Metamorphose der Pflanzenreich«. . . . — Parallelirwus zwischen Pflanze und Pflanzenreich. §. 60—64...................................................... — 95

62 66

Sr 83 83 — 86 87 89 yr 94

Pflanzensyflem. §. 64. Seite Positive Hälfte des Metamorphosengangs des Pflan­ zenreichs. Laubpflanzengruppe und ihre drey Fa­ milien §.66.......................................... — 93 Dlütenpflanzengruppe mit ihren drey Familien. §.63....................................... — 100 Antipositive Hälfte des Metamorphosengangs des Pflanzenreichs. Fruchtpflanzengruppe mit ihren drey Familien. §. 70...................................... — 103 Samenpflanz engruppe mit ihren drey Familien. §. 72..................................... — 105 Beurtheilung der Leistungen' Oken s und Kie­ — 103 fers. §.76.77............................................ Drittes Capitel.

D i e Pflanzenstoffwelt. A. Stoffsystematik nach der natürlichen Ab­ stammung der Stoffe. Stoffgruppen. § 6 — 9. Stofffamilien. §. 10. 11................................... Stoffgattungen. §. 12 — 15. ♦ , . . Sroffarten. §. 16—19 . Verhältniß dieser Stoffabtheilungen gegen einan­ der. § 20. Phytochemische Ansicht der Pflanzenstoffwelt. §. 21—25.................................. ........ Jerlallen der Stoffe in drey Reihen: 1. gleichzeitige Stvffreihe. §. 30. . 2. vorzeitige, und 3. nachzeilige Stoffreihe. §. 31. B. Stoffeintheilung nach der künstliche» Auseinanderlegung brr Stoffe (Analyse.) Einth ilung der Stoffe in 7 (Salz-) «lassen» §. 46—48. . ......................................... zerfallen der Pflanzensalze in natürliche und künstliche. §. 50. . . ♦ •

— HZ — 116 — 118 — 120

— 123

— 124 — 136 — 137 — 143 —

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XXII

Naturgemäß* Bezeichnung der Pstanzensalze. §. 51 — 67......................................... . . Seite 154 Viertes Capitel.

Zur Zerlegungswelfe der Pflanzen. Zurückführung des -Lösungsprozeffes auf den Akt der chemisch-polaren Scheidung. §. 2 — 5. . . Aufeinanderfolge der LösungS- oder Extraktionsmittel. §. 5. Werth des AetherS in analytischer Hinsicht. §* 6. Verbesserte Luftpresse behufs pflanzlicher Extraktio­ nen. §.7............................................................. — Zubereitung der zu extrahirenden Pflanzentheile. §. 9.

— 176 i8i — 183 186 — 194

Fünftes 6 a p i te t.

Reagentien. Wesen deS Reagens. §. i — 3..................................... Leitendes Prinzip für die Anwendung der Reagentien. § 4 8 Reagentien für Pflanzensäuren. §. 9. . Reagentien für Pflanzenbasen. §. 12. Farben als Reagentien: Versuche, das Bräunen dev Curcuma- und Rha­ barberfarbe durch Laugen betreffend. Darstellung dev Curcuma- und Rhabarberfarbe. §.17. ....... Charakteristik dieser Farben. § 20. Zerlegung der Farben in Base und Säure §.22. Charakteristik der Curcuma-Farbenbase und Säu­ re. § 23 ................................................. Charakteristik de- Basischen und Sauren der Rha­ barberfarbe. §.26......................................... Bemerkungen über den weingeistigen und alkoholischen Chemismus. $. 18. . . . . . Gerhfalze als Reagentien. §. 33. . . Darstellung de- Gerbsalzes aus I Gail. turt. §. 34. . . . . . 2. Quercus rob. §. 35. . . . . 3 Arbut. uva urs, §. 36...............................



197

— 200 — 208 —

212



215

— 216 —

222



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229



233



237

— 239 — 242 —

243

xxm 4. Eugen, caryophyll.

5.

Rfaeum.

6.

Catechu.

7. S.

Kino.

§. 38. §. 39.

§. .

37.

. . . » . • Gramer tnand, §. 41. . 9. Salix fragilis. §. 42. ♦ IO. Vitis vinifera. §. 43. . . . II. Punica granatum. §. 44. . . ♦ 12. Tormentilla erect. §. 45. . Ueber das quantitative Verhältniß von Agens und Reagens. §. 46. 47.................................... DaS Aufbewahren pflänzlicher und thierischer Reagentien. §. 48............................................................... Tabellarische Darstellung de- Verhaltens der 12 Gerbsalze gegen Reagentien. Resultate aus den ReaktionSversuchcn: große Verschie­ denheit der Gerbsalzc, §. 50. . §.

...

40........................................

Anhang. Ueber Extraktivstoff und die Darstellung der Pflanzen­ basen und Pflanzensäuren. .....

— — — -r— — — —

245 245 245 246

247 247

247 24S

248

_ 249 __

251

— 253 — 253

Berichtigungen. Seite 26 Zeile 9 v. u. statt Blattfall l. Blattformwechsel. ~ 34 ~ ii v. 0. statt Verzweigung l. Belaubung. — 37 — 13 v. 0. streiche „Phytognosie" weg. — 43 — 11 v. 0. statt S. 29 lies S. 22. — 59 — 4 v. u. statt Fülle lies Hülle. — 73 — 9 v. u streiche „die" weg. — 8r — 8 u. 9. v. fetze „werden" nach Laub. — 147 - 4 v. 0 statt der lies oder (Extraktionsmethode.) 6 v. 0. statt Salze lies Salzen. — 147 — — 164 — 8 v. 0. l. mit den Organen der Krautwurzel rc. — 173 — 5 v. 0. statt inhaltschweres lies: inhaltschwere Gebiet. — 173 12 v. 0. st. Geschichtspunkten l. Gesichtspunkten, — iSi — ii v. 0 streiche die Klammer und setze ,,zerlegt" nach „Pflanzenstoffverbindungen." — 189 — ii v. u. statt erreicht l. erweicht. — 190 — 8 v. 0. statt gereinigte lies gereinigter.

Erstes Capitel.

Die Phytologie und das Verhältniß

-er Botanik und -er Phytochemie zu ihr. §. i. ie Pflanze ist eia Mineral mit solarer oder mit Ge* fchlechtsbifferenz, und «in Thier, dem Bewegung und Empfindung mangelt; sie ist also «in Mittelding zwi­ schen beyden.

§.

.

2

Die Gesammtheit der Pflanzen heißt das Pflan­ zenreich.

§. Z.

Das Pflanzenreich ist ein Ganze-, ist eine Pflanze im größer» Maßstabe und darum ein Organismus, Hem Systeme (Sippschaften oder Familien), Organe (Gattungen) und Individuen (Arten) wesentlich sind, Nt sich

zu ihm wie seine integrirenden Theile verhalten. §» 4»

Die Wissenschaft vom Pflanzenreichs-OrganiSmus ist dir Phytologie.

§. 5.

Der Theil ist Abbild des Ganzen oder wiederholt das Ganze in sich auf seiner Stufe der EntwichZweyte Lieferung-

A

2

kung.

So die Pflanze das Pflanzenreich; dieses die

große, jene die kleine Pflanze (fuzQotpvzov, fiaxQo(stnov.) Die Phytologie ist daher auch Wissenschaft von der Pflanze, dem Theile des Pflanzenreichs-Or­ ganismus.

$. 6.

Da Wissenschaft einerseits nur die geistige Wie­ derholung des Objekts im Menschen und andererseits nur die reale Manifestation der Idee dieses Objekts in der Wirklichkeit seyn kann, so muß sie fljrejtt Ob­ jekte congrurnt, sie muß mit ihm eins seyn; und folg­ lich auch die Phytologie mit dem der Pflanze.

Pflanzenreich und

§. 7. Das Pflanzenreich theilt die Natur aller irdischen Dinge: es hat die irdischen Erscheinungsweisen wie diese, und tritt nicht nur zeitlich oder handelnd, sondern auch räumlich, mit Bestand in der Wirk, lichkeit auf. §.



Das pflänzliche Handeln ist pflänzliche Thä­ tigkeit, das pflänzliche Bestehen ist die pflanzliche Materie. §» 9» Beyde sind an sich Realitätslos. Sie werben erst real durch Einigung. Die Thätigkeit in Einung mit der Materie wird real als handelnde Materie. Die Materie verbunden mit Thätigkeit, ist bestehende (räumliche) Thätigkeit. Die erstere Combination giebt

sich kund als pflänzliches Leben, die letztere mairtfeflirt sich als p flä nz ltch er S toff(vergl.Cap.II. §.4.) §. 10. Beide verwirklichen einen Gegensatz.

Das pflänz-

siche, Leben ist pflänzliche Materie mit vorwaltender Thätigkeit; der pflänjliche Stoff hingegen ist pflänzliche Thätigkeit mit einem Ueberwiegen des Materiellen. Rur relativ, nicht absolut find fie sich entgegengesetzt Wie alles Irdische. K. ii. Diese Pole gleichen sich aus wie alles Polare. Thätigkeit und Materie gelangen irgendwo zu einem relativen Gleichgewichte, das sich auf besondere Weise verwirklicht und Form heißt. In der Form neutralisirrn sich Handels und Bestehen, keines waltet vor. §.

12.

Mehr Erscheinungsweisen der Psianze als diese drey - Leben, Stoff und Form giebt es nicht. Sie sind verschieden und doch eins: einer Urquelle entspros­ sen. Das Leben ist Stoff, thätig gedacht, und der Stoff ist Leben mit relativer Ruhe hingestellt ($. io.). $♦

13*

Da diese drei Erscheinungsweisen dem Pflanzen­ reich wie der Pflanze wesentlich find, so giebt die Wis­ senschaft beider letzter» zugleich die wissenschaftliche Er­ kennung derselben, so daß die Phytofogie mit der Wis­ senschaft von diesen drei Erscheinungsweisen zusammen­ fällt, oder mit ihnen eins ausmacht. Hiemit ist nun die wissenschaftliche Eiutheilung der Phytologie noth­ wendig als ein Dreyfaches gegeben. Die Phytologie besteht daher: I. aus der Wissenschaft vom pflänzltchenLeben: Phytd-Biologie, II. aus der Wissenschaft vom pflänjlichen Stoff: Phyto-Stöchiologie,

Aa

4 III. au- -er Wissenschaft von der pflänzltchen Form: Phyto-Morphologie. A nm.

Aus mehr Wissenschaften denn aus diesen dreyen kann

die Phytologie nicht bestehen, da Pflanze und Pflanzenreich nicht auf mehrfache Weise erscheinen (§. 7. f.). §.

14.

Jede dieser Wissenschaften ist Abbild des Ganze», dem sie angehören.

Wie daher die Phytologie eine

ideelle Seite hat in der Phyto-Biologie, eine reale in der Phpto-Stöchiologie und endlich eine ideal­ reale in der Phyto-Morphologie ($. 13») so kommt die entsprechende Triplijltät auch jeder einzelnen der­ selben zu.

Ihre ideale Richtung ist bezeichnet durch

die Spekulation, ihre reale durch die Empirie, und ihre ideal-reale als die Indifferenz beyder durch die Mathesis.

Auch sind diese Richtungen Gegen­

sätze wie Leben und Stoff (§. 10.), die in einem drit­ ten sich ausgleichend versöhnen. dieser Gegensatz

der

Zugleich ist aber auch

Relativität

unterworfen.

Die

Spekulation ist Empirie mit vorwaltendem ideellem oder geistigem Pol, die Empirie dagegen ist Spekulation, die vom Realen überboten wird.

In der Mathesis kom­

men beyde zum harmonischen Gleichgewicht. Wir entwickeln jetzt diese Wissenschaften in ihrer polare» Zerfallung.

I. Phyto - Biologie, Lebenölehre des Pflanzenreichs. §.

15.

Die Biologie des Pflanzenreichs beschreibt wie jede Wissenschaft (§. 6.) in ihren Entwicklungsmomentea zwey fich geradezu

entgegengesetzte

Richtungen: die

Erscheinungen und Aeußerungen des pflänzltchen Lebens

5 gehen auf dem Sinnenweg kn den Menschen «in und gelangen in ihm zum Dewußtfeyn: Induktion — oder der Mensch wird sich als Compler aller NaturLußerungen und Naturqualitäten des Pflanzenleiens, wie es in ihm liegt, durch innere, lntrllektuelle Anschauung bewußt, wodurch er die Idee dessklben zeugt und bereit Eongruenz mit dem Leben, wie es in der Pflanze real geworden, nachweist- Speku­ lation. Läge nicht im Menschen der ganze Pflanzenorganismus mit allen seinen Theilen, so könnte er sich dessen nie wissenschaftlich bewußt werden. — Was du geistig auffassen und erkennen willst, muß dem getreuesten Abbild nach leiblich in dir liegen! Das Thier wird sich des Menschen als Menschen nicht bewußt, weil ihm der Menschenleib fehlt, die Pflanze kann aus demselben Grunde vom Thiere nichts wissen. Was durch die Sinne in unS eingeht, und wie man sich ausdrückt „empirisch er­ kannt w i r d" ist nichts Ursprüngliches, sondern fin­ det seinen Wiederschein schon praexistirend im mensch­ lich-geistigen Organ, das dadurch nur zu einem freythätigern Hervortreten in seinen Produktionen an­ geregt wird. Diesen beyden entgegengesetzten Wegen der Forschung und ihrer Indifferenz entsprechend, zer­ fällt demnach die Biologie in die folgenden drei Theile: 1. Empirischer Theil: Phyto»Bioscopie. Faßt die Lebensäußerungen der Pflanzen, wie sie sich in der Erscheinung den Sinnen darstellen, auf, und leitet Versuche ein, deren Resultate Erfahrungen und Entdeckungen sind. 2. Spekulativer Theil: Phyto-Diogenie. Deduzirt aus der Idee des Pflanzrnlebens (pflänz.

6 licheß Urleben) die Nothwendigkeit feiner Realen Manifestation, kurz giebt dieGenesiS desselben. z. Mathematischer Theil:

Phyto-Diome-

trie. Tritt einigend und ausgleichend zwischen beyde Pole. Die Resultate der empirischen Forschung knüpft dieser Theil der Wissenschaft an höhere Gesichtspunkte, indeß er die spekulativen in einm mehr realen Kreis herunterzieht, ihr Ver­ hältniß zu einander und zu andern Lrbensverhaltnissen abwagt und sich seiner Obliegenheiten in dem mathematischen Formalgewande ideell und plastisch zugleich entledigt.

II. Phyto-Stöchiologie, Stofflehre deö Pflan­ zenreichs. §. 16, Der Stoff ist das Leben real gesetzt (§.7. 8. 9.), die Stofflehre wird daher der Lebenslehre analog, den­ selben Entwicklungsgang befolgen und auf stoffiger Potenz in dieselben drey Abtheilungen zerfallen. Es wird daher geben i. Einen empirischen Theil:

Phyto-Stöchio-

scopie. Er faßt dir Erscheinungen auf, die stch vorwal­ tend am realen Pol der Pflanze« manifestiren. Seine Aufgabe ist Zerlegung der Pflanze,. Son­ derung ihrer Stoffe und Ausmittlung ihrer ma­ teriellen Verhältnisse zu einander durch Versuche a*

und Beobachtung. Einen spekulativm Theil: Phyto-Stöchiogenie.

Die Nothwendigkeit des Pflanzenstoffs auS der Idee der räumlichen Eristenz der Pflanz« abzuleiten, ist Aufgabe dieses Theils. Was die Etöchioscopie ihrer Aufgabe gemäß zerlegt und gesondert hat, das bringt die Stöchiogenie wieder zur Einheit sie synthesirt und rekonstruirt in der Idee, was jene analyflrte und destrulrte. Die Stöchiogenie sicht mit der Biogenie im innigsten Zusammenhan­ ge und beyde müssen sich auf einander beziehen. 3. Einen mathematischen Theil:

Phyto-Stöchio-

metrie. Auch in der Stofflehre wird die Mathefis bas vermittelnde Glied. Dieser mathematische Theil verknüpft daher die Thatsachen der Sinnes»»schauung mit denen der intellektuellen. Das Stoffverhältniß, wie es einerseits die Empirie durch dte Analyse und andererseits die Spekulation durch Lie Synthese auf ideellem Wege giebt, ist ein b e, stiMmtes, welches auszumitteln, durch Zahienverhältnisse und Formeln auszudrücken, die Anfor­ derung an diesen Theil ist. III. Phyco-Morphologie, Formwissenschaft des Pflanzenreichs. §.

17»

In der Pflanzenform gelangt der auf die thä­ tige Seite hin abgewichene Pflanzenstoff (daS pflänzliche Leben $. 10.) und die von der Materialität be­ herrschte Pflanzenthätigkeit (der Pflanzenstoff §. 10.) zur relativen Auegleichung. Eie enthalt daher die (tos* figen und lebendigen Verhältnisse der Pflanze in sich, und deshalb kann di« Phyto Morphologie nur Ab,

8 bild der Lebens- und Stofflehre seyn.

Ihr Zerfglle«

Ist demnach gleich diesen nothwendig ein dreifaches, i. Empirische Formlehre: Phyto-Morphoscopie. Ihr Objekt ist äußere und innere Form, die sie auf dem Wege brr stnnlichen Anschauung und deExperimrnts jum Gegenstände ihrer Forschungen macht. In so fern die Form ihrer Genefis und ihrer realen Manifestation nach der äußern Wahr­ nehmung am nächsten liegt, in so fern ist fie vor­ zugsweise geeignet, nach ihr die Bestandformen der Pflanze und die Individuen des Pflanzenreichs zu ordnen und systematisch aufzufassen. Daher die vorzügliche Ausbildung dieser Lehre auf dem Wege der Induktion, wie sich bald zeigen wird ($. so.), s. Spekulative Formlehre: Phyto - Morphogenie. Diese Lehre verfährt ihrem Grundprinzip gemäß genetisch und deduzirt das Wesen der Form und ihren nothwendigen Zusammenhang mit dem Le­ bens» und Stoffverhältniß der Pflanze. 4. Mathematische

Formlehre:

Phyto,Mor­

phometrie. Die Pflanzenform muß wie die Mkneralform eine mathematisch - construirbare seyn; auch in jener walten Gesetze wie kn dieser, die dem Calkul zu unterwerfen, Aufgabe dieser kehre ist.

§. iS. Dies hier Entwickelte giebt nun die ganze Phytologiein ihrer Erscheinung als Wissenschaft. Nichts ist hier zufällig oder willkührlich, sondern alle 3*3 Theile sind innig verbunden durch das Band der

9 Nothwendigkeit; waS allein den Prüfstein für Las ächt-Wissenschaftliche giebt.

Man glaube »brr nicht,

baß diese Theile so neben einander stehe«, wie fie hier dargestellt worben, nein in der Idee dnrchdringen fie fich und stellen das Ganze: die Phytologie, dar. Dem beschränkten Auffassungsvermögen des Menschen zu genügen, mußte diese Form der successiven Darstel­ lung gewählt werden, indem es auf sinnlichem Wege nur das Nacheinander erfaßt und die Fähigkeit für das Erkennen des Durch- und Ineinanderseyns der Naturdinge tiefer im Geistigen gesucht werden muß, was aber beym gewöhnlichen Studium der Natur eben nicht sehr in Anspruch genommen zu werden pflegt. Aber der Forscher, der tiefer in die Natur eindringen will, muß es wissen, daß ihm höhere Mittel zu Gebote stehen, daß ihm ein geistiges Auge verliehen ist, wo­ durch er sein Objekt nicht successive, sondern zu­ mal in seiner innigsten Durchdringung, auffaßt.

Als

solches stellt sich auch die Phytologie dem geistigen Auge dar, denn Pflanzenleben, Pflanzenstoff und Pflanzenform sind — Zeit, Raum und Existenz durchaus eins (dreyeinig) und untrennbar und nur ihre irdische Erschei­ nungsweise giebt die relative Differenz derselben; und darum müssen es ihre Wissenschaften als das treuest« Abbild von ihnen gleichfalls seyn.

Es kann und darf

daher in der Stöchiologie der Pflanze nie allein vom Stoss, in der Phyto,Biologie nie allein vom Leben, und endlich in der Phyto,Morpholo­ gie nie allein von der Form die Rede seyn, son­ dern immer von allen dreyen zumal; eben weil fie nur scheinbar (in der Erscheinung) verschieden sind. Die Pflanzenstoffe find ja nur körperlich gewordene Pflan-

zenthätigkeiken (§. 9. und 10.), und das Pflanzenlebm ist nur das thätig gewordene pflanzlich * Materielle (K. 9. und io.), es ist daher schirr unmöglich, de» Stoff zu handhaben, ohne sich gleichzeitig mit seiner Leben­ digkeit zu befassen, und wiederum ist eS undenkbar, daß man mit dem Pflanzrnleben rxperimenlire und sein Wesen erforsche,, ohne daß man sich zugleich an den Stoff vergreife. §.

19-

Alle drey hier als geschieden aufgeführte Wissen­ schaften: die Biologie, die Stöchiologie und Morpho­ logie der Pflanzen sind eS daher in der Idee eben so wenig als es ihre spekulativen, empirischen und mathe­ matischen Setten sind: in der einen kehren immer die andern wieder, wiewohl auf einer untergeordneteren Weise. Der Phyto-Biologe findet die Stütz - und An­ haltpunkte für seine Lehre im Stöchiologischen und Morphologischen. Die Stöchiologie muß Bio, und Morphologie und die letztere die beyden erster» zu Hülfe Nehmen.

So arbeiten sie alle einem Ziele entgegen.

§. 20. Wenden wir uns nun von der Entwicklung desje­ nigen, was die philosophische Ansicht giebt,

und was

nach dieser geschehen muß, zu dem was gesche­ hen ist, so ergiebt sich uns das höchst unerfreuliche Resultat, daß man noch sehr weit von einer Phytologte als Wissenschaft entfernt ist. In der Stofflehre der Pflanzen ist wenig, ln der Lebenslehre fast gar nichts, in der Formlehre einerseits sehr viel, andererseits hingegen nichts gethan.

Was man neai->

lich jetzt „Botanik" nennt, ist nur ein Drikthril der wissenschaftlichen Morphologie, nemlich die

Morpho,

scopie (§, 17. r.). An eine Pflanzenformgenesis und att eine mathematische Auffassung derselben Form ist noch nicht gedacht. Die Botaniker thun auch wirklich, alS gehöre beydes nicht mit ju ihrer Wissenschaft. Sie haschen immer, nur nach neuen Formen, suchen «tue Pflanzen ju entdecken, und wenn sie dergleichen habhaft geworden, so ist eine empirische Auffassung und Bes fchreibung der Form die ganze Arbeit, die sie damit vornehmen. So darf es nicht bleiben! Die Botani­ ker müssen ihr Obsekt auch genetisch und mathematisch erfassen, um so endlich einmal die Morphogrnie und Morphometrie zu begründen und auszubilden. Zu ei­ nem solchen Unternehmen gehört aber Mehr als zur jetzi­ gen beschreibenden Botanik« Cs wird dazu neben der Stoffkenntniß der Pflanzen auch die Kenntniß ih­ rer kebensverhältnisse erfordert, die weil beyder keh­ ren selbst kaum da sind, schwer und nicht, ohne selbst Hand ans Werk zu legen, erworben werden. Die Stosslehre darf sedoch freymüthig das Bekenntniß von sich ablegen, hier der Formlehre mit Beyspiel voran­ gegangen zu seyn, indem sie bereits öffentlich unter dem Namen „Phytochemie" als ein Dreyeiniges von Spekulation, Empirie und Mathesis aufge­ treten ist *) und sich auf dem Wege befindet, sich als solches zu beglaubigen. So muß es auch mit der Mor­ phologie werden und wir wünschen von Herzen, daß recht bald ein Phyto-Morphologe (Botaniker), der der Sache gewachsen ist, die Prinzipien der Morpholo­ gie, die die Formbefchauung und Beschrrlbung( Morphvscopie) §. 17. 1.), die Formzeugung (Morphogenie *) Vergl. erste Lieferung: ,,pbytechemische Prinzipien."

13 §. i7. 2.) und Fsrmmessung (Morphometrie §. 17.;.) abhandeln, aus der Idee der Urform der Pflanze ent­ wickle, und selbst durch Beyspiel die Möglichkeit einer solchen dreyfachen Behandlung der Pflanzenformen dar­ lege. — Wir können nicht leugnen, daß uns hier die Namen eines Cassel und eines Nees von EsenHeck mit freudigen Hoffnungen erfüllen!

§.

21.

Das Verhältniß der jetzigen Botanik zur ganze» Phytologie und Phytochemie ist nun auch klar. Sie ist ein Drittel des Drittheils der Phytologie, also ein Neuntel derselben. — Zur Phytochemie verhält sie sich wie 1: 3. Denn die Phytochemie, obgleich frü­ her auch bloß empirische Stoffbeschauuug (Scöchiofto, pie §. 16. 1.) hat jetzt die spekulative und mathema­ tische Betrachtungsweise, wenn nicht ausgebildet, doch als ihr wesentlich erkannt (§. 20.), und besitzt somit zwey Theile mehr als dle jetzige Formlehre (Botanik). aCnm. In der Hoffnung, daß die Botaniker weniger vom Ei­ gendünkel als gewisse Chemiker geplagt sind, haben wir auch hier unsere Meinung unterboten und frey geäußert, und bit­ ten Sie, das Gesagte als ein, uns von der Wissenschaft ab« gezwungene-, Bekenntniß zu betrachten.

§.

.

22

Dl« Phyto-Biologie ist leider noch fast unbekannt und unbearbeitet. DaS Pflanzenlebcn, das alS «in immaterielles, untastbares Ding „Lebenskraft" genannt, als ein gleichsam über der Pflanze Schwe­ bendes oder ihr nur oberflächlich Adhärirendes betrach­ tet ward, hat noch niemand mit Erfolg zu handhabe» gewagt noch verstanden. Das Lebendige und Stoffige der Pflanze erschien den meisten Forschern als absolute Entgegensetzung, die zueinigen freventlich schien. Uns

1(1 bas pflänzliche Leben ein mit dem pflänzliche» Stoff

Identisches und umgekehrt; nemlich einmal vorwal­ tend handelnd, ein andermal vorwaltend beharrend ge­ fetzt (§. 9. io,)*

Die Stoffleh» wird zur Lebenslehre,

wenn man sie von der idealen Seite her, auffaßt und umgekehrt wird die Lebenslehre zu jener, wenn man dem materiellen Substrate des Lebens (dem Stoff vor­ zugsweise feine Aufmerksamkeit schenkt.

Was Saus-

sure, Schräder, Link, John, Kiefer, Oken, Gri schow u. a. herrliches und folgenreiches für eine künftige Phyto»Biologie geleistet haben, davon ein an­ dermal bey experimentellen Veranlassungen; denn Ver­ suche find es hauptsächlich, die hier fürs erste Noth thun. Von den innern Verhältnissen der Phytologie wen­ den wir «ns nun zu den äußern derselben. §. 2;. Die Pflanze und der Complex der Pflanzen, das Pflanzenreich, ist Glied der großen, unendlichen Kette, Natur genannt.

Es wird wichtig und nöthig für die

Pflanze und ihr geistiges Abbild

die Phytolo­

gie seyn, ste auch in dieser Gliederung zu betrachten, «m so die Grenz- und Endpunkte der letztern fester zu begründen und ihr Verhältniß zu andern Individuen und ihren Betrachtungsweisen (Wissenschaften) näher zu bestimmen. §. 24. Kein Ding ist an sich, ober etwas für fich BefiehendeS, sondern fein Entstehen und Beharren alS solches ist nur in Bezug und auf Kosten anderer Dinge möglich. Eins geht zu Grunde, indem ein anderes fich gestaltet und dies Gestaltete wird sterbend wieder der

i4 Anfang für ein Neues, in welchem es gleichsam feine Auferstehung, auf anderer. Stufe der Entwicklung, ftyrrt. Urberall ist Leben und Tod zugleich vorhanden, Siegen oder Unterliegen, Verzehren oder Verzehrtwerden tjt LaS Treiben und das Loos aller irdischen Dinge. Zwischeu diesen beyden Extremen des Seyns und des Nichtseyns (Andersfeyns), schwankt die unabsehbare Körperwelt im nimmer ruhenden und nimmer aufhörenden Wechsel auf und ab. Aus dem Veralteten bildet ein Neues sich hervor, um den Grundstein für ein noch Jüngeres abzugeben. Dies Verhältniß, das überall dem Äuge des Forschers sich offenbart, stellt die 92a# turdinge in ewiger Feindschaft einander gegen­ über und begründet einen Egoismus, der in jeder so­ genannten Naturerscheinung sich auf besondere Weise manifestirt. Seinen Grund hat er in der Fortbesiyhungstendenz des Entstandenen, das nur durch Aneig­ nung von Anderem fortbestehen kann. Was nicht frißt, wird selbst gefressen, was nicht un­ terwirft, wird selbst unterworfen! — Dies sacht immerwährende Kriege unter den Naturkörpern an, die der ruhige, nicht mit in dem Kampfe selbst verflochtene, Zuschauer mit Wohlgefallen betrachtet, und mit dem Namen „Naturerscheinungen" bezeich­ net. Sie sind ihrem Wesen nach Kämpfe, um das Höchste der Kämpfer, um ihre fernere Eristenz. Es siegt entweder der eine oder der andere, oder sie zernichten sich beyde partlaliter, wenn sie sich mit gleichem Kampswerthe entgegentreten. Diese Ver­ hältnisse beruhen, «eil jedem Dinge schon wegen sei­ nes Daseyns Fortbestehungsstreben, also Vernichtungs-

15

streben des andern zukommen muß, auf wechselseitige Einwirkung: Wechselwirkung. §.

2$.

Solchen Wechselwirkungen ist nun auch das Pflan­ zenreich als ein individuell Bestehendes Preis gegeben und giebt dadurch Anlaß zur Entstehung von Erschei­ nungen, die nach den in Wechselwirkung tretenden Fak­ toren verschieden sind. Die Kenntniß der Faktoren muß daher der Kenntniß der durch sie erzeugt werden­ den Verhältnisse vorangehen. Das Pflanzenreich wech­ selwirkt aber wie jedes Ding mit dem ganzen Univer­ sum und das Produkt hieraus muß, nach den verschie­ denen universellen Faktoren, verschieden seyn. $. 26»

Das Sonnensystem als der uns am nächsten ste, hende Bestandtheil des Universums ist im centro-- pe­ ripherischen Gegensatze als Sonne und Planet real geworden. Licht, Wärme, Finsterniß und Käl­ te sind die Hauptprobukte dieser in fortwährender Wech­ selwirkung begriffenen Gegensätze. Diese mehr im Ideel­ len befangenen solar»planetaren Prozesse wiederholen stch auf eine realere Weise als der Planet selbst in seinen Uranfängen oder Elementen: Erde, Wasser, L »ft und ihren Combinationen: M i n e r a l i e n, P fl a nzen, Thiere und Menschen« Wir unterscheiden die «rstern als kosmische, die mittlern alö planetare und die letzter» als cosmifch-planrtare Agen­ tien bey der Betrachtung der Wechselwirkung des Pflan­ zenreichs mit ihnen, das denselben als ein Reagirendrs entgegentritt, und benennen die Wissenschaften oder Lehren, die den hieraus hervorgehenden Erscheinungen gewidmet find, nach de« sie zeugenden Faktoren.

I. Wechselwirkung der cosmischen Agentien mit der Pflanze und dem Pflanzenreich. §. 27. Da- aus einer solchen Wechselwirkung hervorge­ hende Produkt ifl cosmifch-pflänzlicher Natur die Wissenschaft derselben heißt demnach CoSmo-Phytologie. Sie zerfällt ihren Faktoren gemäß in vier Wis­ senschaften: 1. In die Photo-Phytologie.

Handelt von de«

Lichteinwirkungen auf die Pflanzen und von den Pflanzeagegenwirkungen aufs Licht.

Ein

unabsehbare-

Feld von Forschungen, die es mit dem Tag, oder solaren Leben der Pflanzen, also mit ihrem sogenann­ ten „Wachen" zunächst zu thun haben.

Dann ge­

hört hieher die Verbreitung der Pflanzen, in so fern sie vom Licht abhängig ist, und endlich im speciel­ ler« das Leben der Blüte, des solaren Organismus der Pflanze rc.

Hieher wäre auch

die Chroms,

Phytologie, die den Einfluß des polarisirten (ge­ färbten) Lichts auf die Pflanzen zum Gegenstand hat, zu rechnen, wenn ihr bey künftiger Ausbildung nicht billiger eine besonder« Stelle gebührte. 2. Thermo,Phytologie.

Faßt die Wärmeeinwir­

kungen auf die Pflanze und ihre Reaktionen gegen dieselben-wissenschaftlich auf.

Hier steht die Verbrei­

tung der Pflanzen, in so fern sie von der Wärme abhängt, oben an. Licht und Wärmrintenfltät haben zu einander die innigste Beziehung, daher auch die Verbreitung nach dem Lichte zu der nach der Warme (Jsothermlinirn: von Humboldt.).

Luch fürs 9516,

tenlebey kommt die Wärme al- eine wichtige Potenz ln Betracht.

z.

-»Hkoro-Phytologke. HateS mit der wissenschaft­ lichen Auffassung dev Einwirkungen der Finster­ niß auf die Pflanzen und aufS Pflanzenreich zu thun und findet wegen des hier als thätig auftretenden dem Lichte entgegengesetzten Faktors ihren Gegenschein in der Photo-Phytologie.

Wie letztere das solare

ober Tagleben der Pflanzen, das „Wachen" zu ei­ nem Hauptgegenstaüde ihrer Forschungen machte, so diese das planerare oder Nachtleben- daS „Schla­ fen" derselben.

Ein Verhältniß, bas als ein posi­

tiver, dem Pstanzenwachen geradezu entgegengesetzter Zustand noch von Niemand ist gewürdigt worden» Diese Wissenschaft ist eine der wichtigsten der gan­ zen Cosmo - Phytologie:

sie

enthält

den

Schlüssel für das Nachtleben bei Thiers und des Menschen. Die Laubpflanze und von den Brstandfokmen dieser, ist vorzüglich die Wur­ zel (der fchroffeste Gegensatz der Blüte) der Finster­ niß Unterthan, daher ihre Lebensvtrhältnisse nicht ohne diese mächtige Potenz erkannt werden können» Nothwendig hak auch sie an der Verbreitung btt Pflanzen Antheil, namentlich derjenigen, bey denen das Niedere, Plauetare: die Wurzel -c. vorwaltet (Eryptogamen).

4.

Kryo »Phytologie» Macht sich gleich der vor­ hergehenden alS eine ganz neue, noch völlig uner­ kannte Lehre geltend und behauptet mit der Nachwrlflrng der Kälte als ein« Position *) einen Gea tzensatz gegen die Thermo-Phytolögie»

*) Wen bat Aufführen ist Finsterniß tmi der Kälte als po­ sitive tem Licht und der Wärme entgegengesetzt« Fak­ toren besternten sollte, itn ersuchen wir bett »iffeüschastlichtN Sieegie Liefern««,

B

i8

II. Wechselwirkung der planetaren Agentien mit dem Pflanzenreich. §. 28.

Da hier statt der kosmischen planetare Agen­ tien in Wechselwirkung treten, so muß das Resultat auch ein mit planetarem Charakter seyn; die Wissenschaft dieser Verhältnisse heißt daher Planeto- Phytologie. Sie besteht, weil es nur drey planetare Agentien giebt, aus dreyen: 1. Aero- Phytologie. Erfaßt die Verhältnisse der Luft zur Pflanze und umgekehrt. Da die Luft über­ all lebendige Verhältnisse anfacht, die wir als elek­ trische **) unterschieden haben, so könnte diese Wis­ senschaft im allgemeinen Sinn auch Electro-Phytologie heißen. Wir find nemlich weit entfernt, es den Physikers zu glauben, daß eS nur ein E. oder höchstens zwey E. E. gäbe, sondern getrauen vielmehr mit Hülfe des indirekt dynamischen Rea­ gens, der Nase eine Unzahl von E. E. nachzuwei­ sen. Im Geruch stellt sich die Vielheit der Clektrismen oder Luftprozesse, wie im Geschmack die Vielheit der Chemismen ober Wasserprozesse, dem Gefühle dar. — Oken gebührt der Ruhm, die Funktion dieser Organe zuerst richtig gedeutet zu ha­ ben» — Daß das Athmen der Pflanze und andere Beweis hrefük, wie wir ihn in Kiesers Archiv für den tliier. Magn. 3vo. 2le- Stück, Leipzig 182I. gegeben, näher SU würdigen. *) Dergl. „Phytochemische Prinzipien" in Ferd. Runge neueste phytochem. Entdeckungen rc., erste Lieferung. Berlin 1820.

19 kuftprozesse auch vor das Forum dieser Wissenschaft gehöre, versteht sich von selbst. 2, Hydro, PH ytologie.

Handelt die Einwirkung

deS Wassers auf den Pflanzenorganismus «yd seine Bestandformen ab.

Diese Wissenschaft hat ein eben

so großes Gebiet als die vorhergehende, indem sie die Unzahl der zwischen den Pflanzen und ihren Be­ standtheilen möglichen Wasserprozesse,

d. i. Che­

mismen, wissenschaftlich erkennen soll und hienach Chemico-Phytologie genannt werden

könnte.

Nimmt man hier den Wasserbegriff in einem allge­ meiner» Sinn, nehmlich in dem des Flüssigen, so wird man die Wichtigkeit der hier zu lösenden Auf­ gabe ermessen können, denn die Pflanze taucht einer­ seits immer im Flüssigen, wie sie andererseits im­ mer vom Gasigen umgeben ist.

Die ganze Phyto,

chemie osclllirt zwischen den drey Aggregatzuständen: gasig, flüssig und fest, aber das Fluidisiren ist ihr doch das wichtigste Geschäft. —

Wie der Aero-

Phytologie die Betrachtung des Lustaneignrns (Ath­ men) anheim fiel, so der Hydro -Phytologie die deS Flüssigen (Verdauen und Einfaugen).

Außer diese«

besondern Verhältnisse» des Wassers betrachtet diese Wissenschaft auch die allgemeiner» desselben, die dem Botaniker (z. B. bey den Wasserpflanzen) von vor­ züglichem Interesse sind. Z. Geo-Phytologie. holt

das

Diese Wissenschaft wieder­

im Vorhergehenden

scher Sphäre.

Gesagte in

irdi­

Der organische Zusammenhang der

Pflanze mit dem Erdboden im Allgemeinen und Be­ sondern, die Wechselwirkungen derselben mit den Re­ präsentanten des Erdelements, mit Mineralien und B 2

20

anderem Festen ist ihr Objekt. Die Aktionen des Festen find uns magnetische Aktionen. Es giebt so viele Magnetismen, alS es feste verschiedene Kör­ per giebt, die kn Wechselwirkung treten, und daher auch eine unzählbare Menge pflänzlicher Magnetis­ men, die h» der Geo-Phytvlvgie abgehandelt, ihr auch den Namen einer Magneko-Phytologie vindkzkren könnten. Genauer angesehen ist jedoch dies Gebiet viel zu weit gesteckt, indem Erdelement und Mineralreich zwey ganz von einander verschie­ dene Faktoren find, die nicht verwechselt werden dür­ fen. Aber das Erdelement ist der unmittelbaren For­ schung, bedeckt von der Mineralkruste, fast gänzlich entrückt und beurkundet nur noch sein Daseyn ver­ möge des, durch das Mineralreich hindurch wirken­ den, allgemeinen Erdmagnetismus. Bey diefem kommen daher die Einwirkungen deS Mineralreichs immer mit ins Spiel, so, daß die Lehre von der Einwirkung des letzter» auf die Pflanzen: Orykto-Phytologie (§. 29.) mit der Geo-Phytologte abgehandelt werden muß. III. Wechselwirkung der cosmisch - planetaren Agen­

tien mit dem Pflanzenreich. §. 39. Die Mineralien, die Pflanzen, die Thiere vnd die Menschen zahlen wir zu diesen Agentien. Sie find Zeugungen von Sonne und Planet, Produkte der oben (§. 26.) angeführten Faktoren, also in Wahr­ heit eosmifch-planetarer Abkunft. Auf ihre Genefis können wir uns hier nicht einlassen, sondern ha-

Jen dazu efttett andern Ort *) bestimmt, wo sie zun» Theil schon gegeben worden. Daß das Pflanzenreich in Wechselkampf mit diesen Faktoren gleichfalls eigene thümliche Verhältnisse probucire, die in der Erschei­ nung sich auf eine ihnen entsprechende Weise darstel­ len, ist an sich klar, wenn man bedenkt, baß nichts ru­ hend neben einander, sondern alles wechselwirkend durch­ einander gedacht werden nutffe. Es verräth sehr geringe Einsichten vom Wesen und Wirken der Dinge, zu meynen, daß die Wand, woran z. B. die Pflanze emporrankt, oder das Mineral, das ihren Stamm oder ihre Wurzel berührt, oder das Thier, das auf ihr sei­ nen Wohnort nimmt — daß alle diese bloß mechanisch auf sie einwirkten und ihr keine anderen als grobsinnliche Veränderungen beybrächten. Die polaren Ver­ hältnisse, die sich dem Forscher im VoltakSmus offen­ baren, in welchem sich die Natur mit ihrer ganzen Le­ bendigkeit entfaltet, und auch nicht bas Geringste sich berühren darf, ohne polare Verhältnisse gegenseitig an­ zuregen — belehren den, der nur sehen will, genugsam eines andern. Es darf, von diesen Ansichten ausge­ hend, also nicht befremden, wenn wir dies Capitel hier zur Sprache bringen, und außer dem Mineralreich auch den Thieren und den Menschen eine höhere Einwir­ kung auf das Pflanzenreich zuschreiben als man ge­ wöhnlich zu thun pflegt. Die Wissenschaft, die dies aues zusammenzufassen hat, bekommt nothwendig ihren Namen nach den Faktoren, die dieses ihr Objekt ins Daseyn rufen; sie heißt demnach *) Kiasers cic. Atclnv £uV deu tluer Magnetismus. Sr Bd, jtes S*.

LiPip i£ bc\

Heiln." 1821

22

Co Smo-Planeto-Phyto logte. ©ie besteht auS einer Dlerzahl von Wissenschaften, die wir in ihren Grundjügen jetzt zeichnen wollen. i. Orykto-Phytologie.

Giebt die Beziehun­

gen deS Minerals zur Pstanze und umgekehrt in einem der Wissenschaft angemessenen Gewände. Ihr Gebiet ist nothwendig sehr groß, weil die Pflanze vermöge ih­ res natürlichen Verhältnisses mit einem großen Theil ihres Organismus dem Mineralreich anheim gegeben ist. Eines Theils fährt die Wurzel ein rein mineralisch»pflanzliches Leben, das nur durch eine richtige Würdigung derjenigen Wechselverhältnisse, die das Mineral anzufachen im Stande ist, erkannt wer­ den kann. Die Wurzel ist unterirdische Pflan­ zenkrone, die gleich der überirdischen dem Lichte entgegenwächst— aber einem dem Sonnenlichte entgegengesetzten Lichte. —

Frucht und Sa­

me» als der revolvirenben, der dem Planeten fich wie­ der zuwendenden andern Lebenshälfte der Pflanze (Cap. II. $* 37* 39*) angehörig, streife» auch vorzugsweise ins Gebiet dieser Wissenschaft mit hinüber und finden hier erst die vollkommene Deutung ihres merkwürdigen Le­ benslaufs. Der dem pflänzlichen Wachen fich als Ge­ gensatz gegenüberstellende pflänzliche Schlaf, so wie das dem sommerlichen entgegengesetzte winterliche pflänzliche Lrbensstadium, gehört gleichfalls hieher, wie nicht minder auch der Hauptsache nach alles dasjenige, was man unter Pstanzengeograph ie begreift, die, in so fern sie vom Boden (dem Mineralreich) abhängt, in ihren Grundvrrhältnissen nichts anderes ist als (um uns einer vom Menschen hergenommenen Bezeichnung zu bedienen) — Pflanzenrhabdomantie.' Die

Pflanze ist »Hier allen organischen Wesen der beste Erd-, Stein- und Metallfühler! Da Erdelement und Mineralreich sich erweislich wie.Mutterpflanze und Parasit verhalten *), und folg­ lich das Mineralreich so sehr ins Erdelement eingreift, daß ihr« Wirkungen nirgend geschieden auftreten, so findet, wie schon oben (§. ag. 3.) angeführt, daS nicht zu verhindernde Eingreifen der Geo-Phytologie in die Orykto - Phytologie und umgekehrt statt. 2. Phyto-Phytologke. Ist die Wissenschaft vom Wechselverhältniß der Pflanzen miteinander. DaS Pflanzenreich muß als ein großer Organismus angese­ hen werden, dessen constituirende Theile die Pflanzenfamilien, Gattungen und Arten sind» In jeder concreten Pflanze findet dieser Pflanzenreichs - Organismus fein Ebenbild, so, daß letzterer im Großen wiederholt, was plastisch die Pflanze im Miniatür darstellt. Der organische Zusammenhang, das sympathetisch« und anta­ gonistische Verhältniß der Bestandformen der klei­ nen Pflanze, kehrt daher auch in der großen Pflanz«(Pflanzenreich) wieder. Die wissenschaftliche Erkennung beyder, ist die Aufgabe der Phyto-Phytologle. Sie ist, was den organischen Zusammenhang der Theile der großen Pflanze (Pflanzenreich) betrifft, noch bey­ nahe völlig unerkannt nnd unbearbeitet, weil eines Theils die meisten Pstanzeuforscher die Identität der­ selben mit der kleinen. Pflanze nicht erkannten und man andern Theils noch zu sehr beschäftigt war, den chao­ tischen Haufen der Pflanzen fürs erste in kleinere Gruppen (natürliche Familien) zu ordnen. DieS ist

24 nun

zwar, (b weit es Lee Mangel eines ordnenden Prinzips gestattete, geschehen, aber die Hauptsache fehlt »och:

die

systematische

Zusammenstellung

der natürlichen Familie». Alle natürlichen Pflanzenfysteme fink btS auf das Okeusche willkührltch, al­ so prinziplos (zweites Cap. §. 76.).

Oken hat baS

Verdienst, hie Aufführung des wissenschaftlichen PfiangensystemS, «yzu Kiefer den Grund gelegt, »ersucht zu haben, obwohl wir zugleich behaupten müsse«, haß «s Ihm nur halb gelungen. weise Mißkeonung des

Dies brachte die thril-

pflLnzlichen

laufs mit fich. (Cap. II. §. 57.) —

MetamorphosenMit der richti­

gen Erkennung der Metamorphose der kleinen Pflanze und der wissenschaftlichen Würdigung deS Verhältnis­ ses und Zusammenhangs der Theile derselben (was bisher Objekt der Pflanzen, Physiologie war, jetzt aber richtiger der Phyto-Phytologte

überlassen

seyn

muß) kurz mit der systematischen Auffassung der klei­ ne« Pflanze, ist auch alles dieS: der Metamorphofengang des Pflanzenreichs, das Verhältniß und dev Zu­ sammenhang seiner Theile (Familien, Gattungen, Ar­ ten), kurz das

Pflanzenreich-System gegeben.

(Dergl. Cap. JJ. „ die Metamorphose, der Pflanzen re." §. 60 f.) Das gegenseitige Verhältniß der Pflänzchen, Sy­ steme, Organe rc. der kleine» Pflanze, was man in der Pflanze« , Physiologie wohl als Antagonismus Und sym­ pathetische Uebereinstimmung unterschied z. B. das Stei­ ger» der Blüte auf Kosten des Laubpflänzchen« das der Frucht auf Kosten der Blüte und das des Sa­ mens auf Kosten der Frucht. Das Vorbilden der Kelch, blätter in den Wurzelblättern, bas Entstehen von grö-

S5

ßerem und reifem Samen beym verhinderten Wuchern -er Wurzel rc.; das wechselseitige Herausschießen der Blätter (folia opposita), die Aststellung, der Bluten­ stand rc., alles dies gehört der Phyto -Phytolögie an, die es, rein von allen Beymischungen, blos mit dem zu thun hat, was die Pflanze und das Pflanzenreich in ihren inneren Verhältnissen angeht. Sie hat daher die Pflanze in allen ihren Entwicklungsmomen­ ten zu belauschen, um die Zeichen zu deuten, die in jeglicher Form real worden, und um die Sprache ver­ stehen zu lernen, womit die Pflanze Jeden anredet, der fich ihr nähert. Denn jede Pflanzensorm ist ein B u chstab, ein Wort. Aber ein hleroglyphifcher Buchstab, und ein hieroglyphisches Wort, nur dem Eingeweihten verständlich; Der ganze Pflanzenotganisnms ist ein Nothwendiges, durch fich selbst in allen feinen Theilen Bedingtes. Kein Bildungsthril desselben steht außer Zusammenhang mit den übrigen. Es waltet durchaus rin Durch - und Jnelnanderseyn zwischen allen feinen Theilen. Mit einem Theil find daher alle Theile der Möglichkeit nach, gegeben. Eine knollige Wurzel, ein knotenloser Schaft, ein gefieder­ tes Blatt, eine apetale Blume rc. setzten entbrechende Unterschiede in den übrigen Pflanzentheilen, die anS ihnen entstehen. Von einer entstandenen Form aus müßte man daher die kommende vorherbestimmen und vorhersagen können, wenn man in dem gegebenen Frll im Staude wäre, die gegenwärtige in ihrer ganzen Wesenheit aufzufassen. Allein wir wissen za kaum vom Daseyn dieser Pflanzensprache, die bisher nur ins einzelnen, abgebrochene« Lauten sich vernehmen ließ. Hier spricht rin acotvledonischer Same: ,.in mir ist



keine Kraft, den ganzen Mrtamorphofencyklus, wie ihn mein dicotyledonischer Bruder aus fich herausbildet, zu beschreiben, ich bringe es daher nur bis zum Laub, das mein Höchstes ist."

Dort läßt sich ein Monoco-

tyle.don vernehmen, daß er in vielen Fällen im Stande sey, die Blätenmetamorphose zu erringe», aber er ist bescheiden genug, sein Produkt kein vollkommnes zu nennen. Ein gefiedertes Blatt redet dich an und ver­ spricht dir in kurzer Zeit einen Blätenschmetterllng

(flos papilionaceus) entschlüpfen zu lassen, den es unter seinen Fittigen birgt; ein Kätzchen-Blümchen erinnert dich vorbedeutend an die Nuß, die da kommen soll und diese Kreuzblume sagt: „in Schoten sollst du den Sa­ men, der meine Wiedergeburt möglich macht, einern­ ten," indeß jene Frucht durch ihr saftiges, fleischiges Laub (Schale) warnend den harten, steinigen Inhalt verkündet, der der Einwirkung der sie verzehrenden Ge­ walt trotzt.

Solche Laute der Vorbedeutung verstehen

wir wohl, aber sie verschwinden in nichts, wenn man an die Millionen im Pflanzenreich dem Forscher zur Enträthselung aufgegebenen Hieroglyphen

denkt,

die

jede Blattform, jede eigenthümliche Blütenbildung, jede Zahl der Fruchttheile, kurz jeder Pflanzrntheil verkör­ pert.

Was weissagt der frühe Blattfall bey der Aca-

cia?

Welche Beziehungen vermittelt das Delta beym

Dianthns (Delt.), die sieben Purpurstreifen bey Viola tricolor? Worauf deuten die gestielten Drüsen bey Parnassia, das eine kleinere Blumenblatt bey Veronica, die braunen (brandfarbenen) Kelchspitzen bey Sepecio, und alle jene unzählbaren Phänomene, die stündlich und täglich dem aufmerksamen Pflanzenbeobachter voräberschreiten? —

Wenn die Phyto-Pbnto-

27

logte über alles dieses erst Rede und Antwort stehen sann, dann ist fie, was sie seyn soll: Semiotik der Pflanze! z.tzoo-Phytologke. Handelt das Verhältniß des Thiers zur Pflanze und der Pflanze zum Thker und ihr wechselseitiges Jneinanderwirken ab. Hier kommen schon höhere, dynamische Verhältnisse zum Vorschein, die beym Wechselwirken zwischen Pflanze und Pflanze (Phyto - Mykologie) schon angedeutet waren. Vor al­ lem hat diese Wissenschaft jene merkwürdigen Bezie­ hungen zu entrathseln, die durch den sogenannten In­ stinkt der Thiere, eine bestimmte Pflanze vorzugsweise zu ihrer Nahrung zu wählen oder zu verabscheuen, sich kund geben. Der Grund für diese Erscheinungen muß in der Pflanze ebensowohl als im Thier gesucht wer­ den, ein einseitiges Handeln findet auch hier nicht statt. Könnte man dem Gras, in dem Moment, da fich das Rindvieh ihm nähert, Locomotivität ertheilen, so würde es sicher davon laufen, gleichwie dieses fich abwendet, wenn man ihm statt des Grases ein Tollkraut vorhält. Im erstern Fall ist die Pflanze mehr passiv, im letzter» Mehr aktiv, das Sinnorgan des Thiers auf ganz ei­ genthümliche, einmal wehr harmonische, ein andermal mehr disharmonische Weife affizirend. Hiemit in na­ her Beziehung stehend sind die Fakta über das Vor­ kommen vieler eigenthümlichen Insekten auf bestimm­ ten Pflanzen, an deren Entstehen auch das ihrige ge­ kettet ist, und so auch an deren Vergehen das ihrige. Nach einer höhern Ansicht verhalten sich diese Insek­ te» zu den Pflanzen, die sie bewohnen, wie die Pflanze tum Boden: sie find Pflanzenparafiten, die nach Willkühr ihre Wurzel da und dorthin

23

senken

und

den Ruin ihrer Herberge

be­

gründe«. — Im Specielle« kehrt etwas Aehnliches atrf unter­ geordnete Welse wieder.

Es ist die Wahl der Nah­

rung von Seiten der Pflanze. Ihre Haupttendenz geht auf Mist, das Produkt des niedersten Systems im Thier. Thierwurzel (Darm) und Pflanzendarm (Wur­ zel) greifen hier wechselwirkend in einander und bezeu­ gen durch Produzlren des Mistes einerseits und durch Assimilation derselben andererseits den merkwürdigen Zusammenhang, der zwischen ihnen statt findet.

Die

wahre Natur des Mistes ist noch gänzlich unbekannt, und kann nur nach dieser Idee, mit Hülfe der Pflan­ zen gefunden werden, die dafür unersetzliche Reagen­ tien abgeben. Wir zeichnen das Feld dieser Wissenschaft nicht weiter; aus dem Angeführten sieht man schon, welche Ausdehnung es hat und was zu leiste« ist. 4. Anthropo-Phytologie. Fallt, in so fern der Mensch auch Thier ist, mit der Zoo-Phytolvgie zusammen. Aber der Mensch ist ein sich seiner be­

Wis­

wußtes Thier mit Willensfreyheit. Die senschaft von der Einwirkung des bewußten Wil­ lens des Menschen auf die Pflanze würde also hier ihre wahre Stelle finden und mit der Anthropo-Phy­ tologie zusammenfallen. Ueber das Daseyn einer sol­ chen Einwirkung ist man noch streitig, wie vielmehr muß man es nicht noch über die Wissenschaft von dersel­ ben seyn. Wir können über beydes hier nicht entschei­ den, wollen aber doch die Gegner bitten, die Verfahrungsarten, die man „K ul ti Viren" nennt, etwas we­ niger mit mechanischem und mehr mit menschlich-dn

uamifchen Blick anzusehen, sie werben dann die un­ zweifelhafte, für ihre Ansicht sehr wichtige Erfahrung machen: daß es manchem Gärtner in der Erzielung vieler Gewächse ungemein glückt, indeß sich «in ande­ rer ceteris paribas umsonst müht. Daß bey einer Wissenschaft von der Cultur der Pflanzen durch de» Menschen, vorzüglich hier, wo matt die freythätige Willensäußerung mit in Anschlag bringt, alle übrigen Verhältnisse, Boden, Nahrung, Klima, Atmosphäre rc. zu berücksichtigen sind, versteht sich von selbst. Ein Hauptkapltel dieser Wissenschaft ist noch die Einwirkung der Pflanze auf den Menschen, einmal mehr realiter (stoffig), ein andermal mehr idealiter (gei­ stig). Das Erstere giebt jeder zu, die ernährenden, vergiftenden und arzneyenden Pflanzen im Gedanken habend, das letztere möchte jeder bezweifeln, auf den magnetischen Baum als eine Charlatanerie hindeutend. Es ist hier der Ort nicht, über diese Sache ins Ein­ zelne zu gehen, jedoch ersuchen wir die Zweifler, sich vor allen Dingen die Frage zu beantworten: ob «$ möglich sey, daß zwey Dinge sich neben ein­ ander befinden, ohne nicht auch zugleich in einander zu seyn, d. h. ohne auf einander einzuwirken? Mit unserer Ansicht ist ein Ruhrndes, Unthätiges als irrational unverträglich. Alles ist wechselwirkend, desto schwächer, je ferner, desto stär­ ker, je näher sich die Faktoren kommen; und so be­ gründen auch Pflanze und Mensch eine Wechselwirkung, deren Wesen darin besieht, daß die Pflanze den Menschen sich aneignen und zur Pflanze ma­ chen will. —

30

§. 30» Mit dem Menschen schließt die Kette der Wesen, und somit auch die Pflanze ihre Wechselvrrhältnisse. In der Anthropo - Phytologl« ist das Pflanzliche mit dem Höchsten, dem Menschlichen, gepaart.

Etwas hö­

heres giebt es' für sie nicht, daher steht auch die Ent­ stehung der Wissenschaften mit der Erzeugung jener an ihrem Ziele.

§. 3l. Alle hier durch Wechselwirkung der Pflanze mit Len drey Agentien erzeugten Verhältnisse und ihre Wis­ senschaften stehen nun nicht wie Einzelhekten neben ein­ ander, wie fie hier Behufs der Darstellung aufgeführt worden, sondern durchdringen sich zu einem Ganzen, und dieses Ganze ist die Phytologle, die nach den drey Erscheinungsweisen der Pflanze entwickelt, in die drey

Wissenschaften:

Phyto - Biologie, Morphologie

und Stöchiologie zerfiel (§. 13.), hier aber «ach de» Wechselvrrhaltnlssen mit den cosmischen, mit den planetarrn und mit den cosmisch-planetaren Agentien in einer Vielheit von Wissenschaften sich reallsirte. Ungeachtet der hieraus scheinbar hervorgehen­ den Verschiedenheit der auf zwey so entgegengesetzten Wegen erhaltenen Resultate in beyden Fällen, find ste doch kelnesweges verschieden, sondern sich völlig congruent, dergestalt, daß die aus Bio-, Morpho- und Stöchiologie bestehende Phytologle ganz dieselbe ist wie die deren Bestandtheile alS Photo-, Thermo-, Sko, to-, Kryo-, (§. 27. 1. 2. z. 4.) Geo-, Hydro-, Arro-, (§. 28. i. 2. z.), Orykto-, Phyto-, Zoovnd Anthropo-Phptologte (§. 29. i. 2. 3. 4.) aufgeführt wurden.

Es kommt zur wissenschaftlichen

31 Begründung bisset Anficht mit darauf an, daß man das Prinzip bet Phytologie konsequent verfolge, und vom Allgemeinen ausgehend, zum Einzelnen gelange, oder mit dem Einzelnen beginnend, zur Allgemeinheit, zur Idee fich erhebe.

Auf solche Weift treten dann

die scheinbar sich fremd gegenüber stehenden Wissen­ schaften zu einer Einheit zusammen, die dem Forscher die Phytologie in dem Bilde eines fich vielfach ver­ zweigenden Baums (vergleiche die Tafel I.) sehen laßt. §. 32.

Alles empirische Forschen ist nemlich zunächst nichts weitet als die Beobachtung derjenigen Phänomenen, welche die Naturkörper, mit einander wechselwirkend, zeugen.

Die Qualität und Quantität dieser Ausgebur­

ten der Naturkörper („Naturerscheinungen") richtet fich daher nach ihren Aeltern, so daß mit der Combinirung aller möglichen Wechselverhältnisse, zu deren Zeugung die Naturkörper fähig find, auch das Quantum des durch empirisches Forschen möglicher Weise zu Beob­ achtenden gegeben ist. —

Jeder Forscher hat fich da­

her, damit er die Gränzen seiner Wissenschaft übersehe, um die Anzahl bet daseyenden Faktoren zu bekümmern, die alle mit dem Objekte seiner Wissenschaft wechsel­ wirkend, und dadurch Naturerscheinungen zeugend, auf­ treten können.

Hiedurch angeregt, lag es nun auch

uns ob, der Naturkörper und ihrer Einflüsse auf die Pflanze und aufs Pflanzenreich zu gedenken, wodurch *n8 denn die (von §. 27. an) genannten Wissenschaf­ ten entstanden.

Aber bey jenen Untersuchungen wurde

bas Pflanzenreich und die Pflanze nur im Allgemeinen, nur der Idee nach, ohne ihre drey Erscheinungsweisen: Leben, Stoff und Form — nur als der eine Fak-

32

tot aufgeführt, und da- Resultat War auch nur für jeglichen Fall eine Einheit, die aber real werdend, sich als ein Dreyeiniges von Bio -, Stöchto- und Morpho­ logie manifestirea muß, was auch schon durch den Bey­ satz „Phytologie" (z. D. Photo-, Thermo-, Geo-rc. Phytologie, die selbst jene Dreyheit in sich enthalt, angedeutet ist.

§. ES wird sonach eine jede der genanttten Wissen­ schaften ihrem phytologischen Vorbilde gemäß in drey Theile zerfallen, wovon der erster« bas Leben, der zweyte den Stoff, und der dritte di« Form zum Gegenstände seiner wissenschaftlichen Aufgabe hat. Als Beyspiel führen wir hier die Photo-Phytologle ($. 27. 1.) an, die sich dlesemnach folgendermaßen abtheilt: 1. in die Wissenschaft, welche den Lichteinfluß auf baS Leben der Pflanze abhandelt, sie könnte heißen: Photo-Biologie; 2. in die Wissenschaft, die den Lichteknfluß auf den Pflanz «n st off zum Gegenstände hat: Photo-Stöchiologie; 3. in die Wissenschaft, die den Lichteknfluß auf die Pflanze «form zum Objekt ihrer Forschun­ gen hat- Photo-Morphologie.

§.

34.

Daß diese drey Wissenschaften nun erst dadurch zu Wissenschaften «erden, baß sie wiederum in die Dreyheit von Spekulation, Empirie und Mathesis zrr, fallen, ergiebt lich als nothwendig aus allem Vorher­ gehenden.

Auch diese wollen wir al- Beyspiele noch

Namentlich aufführen r i. die

i. Die Photo-Biologie hak a. eine empirische Seite: Photo-Dioscopke. Beobachtet die Lichteinflässe aufs Lebe». b. Eine spekulative: Photo-Biogenie. Deduzirt ihre Nothwendigkeit. c. Eine mathematische: Photo-Biometrie. Wägt ihre Verhältnisse gegen einander ab. 8. Die Photo-Stöchiologie besteht auch a. aus Photo-Stöchioscopie. Sie wandelt den empirischen Weg. b. Aus Photo-Stöchiogenie. Erhebt sich in die Regionen der Spekulation» c. Aus Photo-Stöchiometrie. Mißt und zählt die Resultate beyder vorherge­ henden. Photo-Morphologie ist gleichfalls: a. Photo-Morphoscopie. Die Wechselwirkung zwischen Licht uuh Förch - efchauend. b. Pchoto-Morphogeaie. Dieselbe Wechselwirkung in der Idee zeugend: ge­ netisch entwickelnd. c. Photo-Morphometrie. Sie Produkte der Beschauung «nd die Produkte der Genefis messend und auf Verhältnisse reduzirend. 6e zerfällt nun auch die Thermo- rc. Phytologie. — §- 35*

.

f

Jetzt wird das Schema (die Tafel I.), durch wel­ ches fich die scheinbar getrenntrn Gliedes der Phytolo8ie z« einem organischen Ganzen fügen, verfiändllch seyn. In diesem ist die Phytologie als «m

34-

Damn versinnlicht und so wie dessen Theile innig zu­ sammenhangen und aus einander entstehen, so auch bey jener. Das Ganze entwickelt sich auS der Wurzel der Phytologie, die gleichwie die Baumwurzel Stamm nebst Besten, Blattern und Blüten re. in sich enthält und aus sich «volvirt, gleichfalls Stamm, Beste, Blätter und Blüten treibt, die sich als die genannten Wissenschaften real!» siren. Zuerst zerästelt sie sich dreyfach: in die Bio,, Stöchio- und Morphologie. Jeder dieser Beste treibt wie­ der drey: Spekulation, Empirie und Mathematik und endlich kommt es zur Verzweigung und so zur Blüte; womit denn der phytologischeBaum sein Endziel erreicht. §. ?6.

Dies alles giebt uns nun die Phytologie, wie sie sich im Allgemeinen der Idee nach entwickelt. Es sollte hiedurch vorzüglich ihr Umfang und der innige, nothwendige Zusammenhang ihrer Theile gezeigt und gleichzeitig in beschaulicher Begränzung dem Forscher das zu bearbeitende Feld vor den Sinn gestellt werben. Alles in dieser Beziehung Vor­ gebrachte stellt nun die Phytologie als eine unbe­ stimmte Größe dar; ist dieselbe in abstracto, wobey uns denn zugleich die Frage in den Weg kommt, wie sich denn die Phytologie in concreto mache, oder, ob mit andern Worten diese Phytologie auf eine bestimmte Pflanze bezogen, sich gleichfalls auf die dargestellte Weise verwirkliche? Die Phytologie kann als die Wissen­ schaft oder als das Wissen von der Pflanze nur das geiDge Abbild, der geistige Reflex der Pflanze im Men­ schen seyn, so daß die Lehre von der Pflanze mit der Pflanze selbst zu einer Einheit zusammenfließe, indem sie sich wie Ideales zum Realen verhalten und als- nur ver-

fthiedette Ausdrücke und Forme« für ein und dasselbe sind, einmal auf geistig« Weise (PflanzeNwissensch-rft), ein andermal auf reale (Pflanze als solche).

Es kann

daher gar keinem Zweifel unterworfen seyn, wie die Phytologie in concreto, d. h. als die Wissenschaft v»n ei­ ner bestimmten Pflanze fich gestalte? Ach wie die Pflanze selbst»

Sie gestaltet

Wenn nun aber diese ih­

ren Metamorphosengang in der Form einer Ellip­ se beschreibt (wie sich im folgenden II. Cap. zeigen wird), so wird auch die Phytologle auf gleiche ellip­ tische Weise rotiren und im geistigen Abdruck die Entvicklungs- und Räckwlcklungsmomente der Pflanze Wiederholen. In dieser phytologischen Pflanzenellipse kehrt dann daS (Tafel I.) gegebene Schema auf mehr­ fache Weise und zu einer Ellipse innig verschlungen wieder, so daß man das Ganze füglich als mehrere, aus einem Mittelpunkt entspringende, fich vielfach ver­ zweigende und in dieser Verzweigung das Bild der El­ lipse wiederholende, die verschiedenen Wissenschaften dev Pflanzentheile gleichsam verkörpernde, Bäume fich vor­ stellen kann (stehe die Tafel III. und vergleiche Cap. II» „Metamorphose der Pflanze").

§. Die Lehre von der Pflanze zur Wissenschaft zu ge­ stalten, ist schon das Streben mehrerer Forscher ge­ wesen.

Diese find Oke«, Kiefer und neuerdings

Ares von Efenbeck.

$♦ 38. Oken nennt die Wissenschaft von der Pflanze und dem Pflanzenreich- Phytsssphie. Diese zerfallt ihmr C 2

36 1. in die Phytogenie. „Stellt die Entwickln«--, geschichte der einzelnen Pflanzen dar"*); 2. in die Phytologie. Ist demselben Pflanzen, Physiologie **); Z. in die Phytognosie. „Handelt die Gestaltung ab, wodurch das Pflanzenreich entsteht" ***). Hier sind die Entwicklung oder Entstehung, das Leben und die Gestaltung zu Einthellungsprinzipien gewählt, wonach nie ein wissenschaftliches Ganzes sich gestalten kann, wenn dieses — was Oken gewiß zugiebt — das treueste Abbild des Objektes auf ideale, geistige Weife wiedergeben feil*5. 6). Nach diesen Forderungen kann die Wissenschaft von der Pflanze rc. nur nach ihren drey Erscheinungsweisen (§.7—14) dargestellt werden, und dann fällt die zweyte Abthei­ lung bey Oken: die P hytologie mit unserer PhytoeÄellen Nachweisung fehlte Oken, weil Ihm nicht der Same in seiner organischen Integrität, sondern der veränderte, gekeimte Same vor Augen stand. her nennt

Oken

auch das

Blattfederchen

Da­ den

ganzen Stamm (des Samens) sammtAesten und Blättern ').

Wo aber ein Blattfederchen erscheint,

daist kein Same mehr,

sondern rin in die Laub­

pflanze sich verwandelt habender Same. ES ist also diesem ganz fremd und kann nicht sein Blattbedeutendes seyn.

Endlich können wir der von Oken

gemachte« Unterscheidung und Eintheilung der Hauptbrstandformen der Pflanze (die Oken Organe nennt) nach den von demselben angenommenen vier Elemen­ ten: Erde, Wasser, Luft und'Feuer **), durchaus nicht *) A. a. O. p. 97. §. 1318. '*) Qbenbas. x. 6*. 64. 70, Uttb p. ?fi.

s4 beypflichten,

Erstlich hat Oke« hier feinem eignen

Prinzipe: daß „das Vorhergehende de« Einrheitungsgrund für das Nachfolgende ent­ halte" selbst zuwider gehandelt, da Cr nach diesem nicht die Elemente, sonder« die Mineralien zück Eintheilungsgrund hatte wählen müssen, weil sie es find, die

der

Pflanzenevolution

vorbereitend

vorangehen.

Zweytens entspricht diese Eintheilüng nicht den For­ derungen det Wissenschaft, wie das Resultat derselben hinlänglich zeigt, indem Hirt Unter eir.er Abtheilung nicht gleichwerthige (wie es doch billig seyn sollte), sondern ungleichwerthige Faktoten kommen, dergleichen Wurzel, Stengel, Laub, in Bezug auf die Blüte find, die ja zusammen nur (= Kraut oder Laubpsiättjchen §. 7. 8.) Blätenwerth haben. Endlich drittens stimmt es nicht mit der empirischen Forschung, die an der Pflanze auch Frucht und Samen bemerkt, die bey der Okenschen Eintheilüng aber schlecht wegkommen. —

Möge

Oken durch das Gesagte bewogen werden, unsere in diesem Aufsatze entwickelte Ansichten näher zu prüfen und zu würdigen.

§. Wir können

59*

nicht umhin,

schließlich «och einen

Blick auf die Gesammtheit der Pflanzen, aufs Pflan­ zenreich zu werfen, um in diesem großen Organis­ mus den merkwürdigen Metamorphofengang der ein­ zelnen Pflänzchen der kleinen Pflanze wieder zu erkennen.

Ist das Pflanzenteich ein Ganzes, eine kolossale

Pflanze, dir alles das iu einem größern Styl« wieder darstellt, was bey der einzelnen kleine» Pflanze sich vorfand, so wird auch der Metamorphofencyclus die­ ses großen Ganzen etn dem der kleinen Pflanze ana-

SS loget seyn, dergestalt, daß da- von dieses Bewiesene auch das Grundschema für die Metamorphose deSPflan­ zenreichs abgiebt. §.

60,

Die vollendete kleine Pflanze zerfiel uns zunächst kn Hauprformrn: Pflänzchen, z. B. Laub-, Blüten-, Frucht-, Samenpflanzchen rc. Jede dieser Pflänzchen theilte sich wieder, wir nannten diese Abtheilungen Sy­ steme (§. 8. und 14.), z. B. Wurjel, Stengel, Blatt. — Das System (dessen Zerfallung wir oben nicht wei­ ter nachsuchten) ist nun wieder zusammengesetzt, seine Drstandformen nennen wir Organe; so sind z. B. die Organe des Stengels: Rinde, Bast und Holz, die des Blattes Oberfläche, Unterfläche, Stiel *). Ein jedes solches Organ besteht unläugbar wieder aus Organen (niederer Ordnung), nemlich aus Zelle, Spi­ ral, Gefäß ober Gang (JntercellulargangX Wir nennen diese, in Ermangelung eines paffenden Eollekttvnainens Gewebe, weil das Dimiuutivum von Or­ gan ohne Verletzung des Gehörs sich hier nicht gut gebrauchen laßt, und die von Kiefer gebrauchte Be­ nennung „Formation" uns in den Zusammensetzun­ gen etwas zu lang scheint. Das Holzorgan z. D. bestände sonach aus Zellgewebe, Spiralgewebe Und Gang oder Gefäßgewebe (daß Zell-und Gang­ gewebe in den meisten Fallen zusammenfallen, samt hier Nicht irre machen.) Anm.

Wir denken hier gar wühl daran, daß Niedern Pflan-

zentheilen und vielen Pflanzen der unvollkümnmern Entwick­ lung di« Spiralfasern fehlen^ w» dirs ist, treten andere ana*) Bergt. Kiefer Anatomie der Pflanzen.

93- p. 25.

Lena 1815. §

9L

9« loge Bildungstheile auf, die die Spiralfasern vtcariiren, und sind dann für solche zu nehmen.

§♦ 61. Man muß sich» da in Bezug auf jede Lebenshälfte bas Nachfolgende immer die Wiederholung des Vor­ hergehenden auf höherer Potenz darstellt, das gegensei­ tige Verhältniß dieser verschiedenen Bestandformen der kleinen Pflanze als aus einer

Urform hervorgehend,

Lenken und kann sie sich so versinnlichen, daß man eine Form als die ursprüngliche setzt und die andern die potenziellen Steigerungen derselben seyn laßt.

Wählt

man für diese Urform, um das lebendige, stoffige und formelle Verhältniß mit einem Worte zu bezeichnen, die Benennung Organ, so erscheint die Pflanze, wenn man Zelle, Spiral und Gefäß oder Gang (die Grän­ zen der Phytotomie) als ihre ursprünglichen Or­ gane oder Elementarorgane setzt, als eine vierfache Potenjiirung dieser Organe, nach folgender Bezeichnung: 1. Organ (Elementarorgan) --- Gewebe: Zell-, Spiral-, Gang rc. 2. Organ - — Organ (im engem Sinn): Rinde, Bast, Holz rc. z. Organ 1 — System: Wurzel, Stengel, Blatt rc. 4. Organ» = Pflänzchen: Laub -, Blüten-, Frucht- und Samenpflänzchen m 5. Organ' — kleine Pflanze. Anm.

Rach einer entsprechenden Darstellung des gegenseitigen

Verhältnisses der PflanzenbildungStheile (Organe) haben wir uns vergebens umgesehen; es herrscht hier noch große Unbe­ stimmtheit aus Mangel einer richtigen Deutung der Pstan-entheile ie.

Fast allgemein findet man Wurzel,

Stengel,

Laub, dem Range nach, der Blüte, der Frucht und dem Sa

97 wen gleichgestellt, La sie doch augenscheinlich alle drey zu­ sammen ( = Kraut - oder Bkütenpflänzchen §. 9.) erst z« «iaem jenen gleichwerthigen Faktor sich erheben.

§» 62« Diese fünf Brstandformen der Pflanze find nun auch im Pflanzenreich real geworden, so daß, wenn die Pflanze aus Pflänzchen, daS Pflänzche« aus Syflemen, das System aus Organen und endlich das Organ aus Geweben besteht (§. 60.); das Pflanzen­ reich ähnlichen Einthrilungen gehorcht und in Pflanzrngruppen, Familien, Gattungen und Ar­ ten zerfällt, die den Bestandformen der Pflanze folge», dermaßen entsprechen: Pflanze — Pflanzenreich; Pflänzchen = Pflanzengruppe; System = Pflanzenfamilie (Sippschaft); Organ — Pflanzeugattung (genus); Gewebe — Pflanzenart (epeciea.) §»

6g»

Denn auch das Pflanzenreich manifestkrt sich ge­ rade so wie die Pflanze (§. 61.) als ein vom Niedern »um Hähern hinauf strebender Organismus, dessen inttgrirenden Theile Potenzen von einander sind. Setzen mir uemlich die Pflanzenart als dasjenige, womit das Pflanzenreich beginnt, so lassen sich alle andere Brstandformen desselben als Pflanzen arten höhe­ rer Ordnungen betrachten und als „Art" mit dem Msprechendenden Exponenten folgendermaßen bezeichnen: 1. Art =s: (Art im engern Sinn,) Speeles; 2. Art* --- Gattung (genus); 3. Art* ---- Familie; Bietete ettfetune.

G

SS 4. Art* --- Gruppe; 5. Art» ---- Pflanzenreich. In diesen Ausdrücken liegen zugleich die Wissenschaftllchen Definitionen für diese Abtheilungen, die «icht genügend find gegeben worden,

noch

§. 64. Hkewit ist nun, wie jeder leicht ermißt, für die Entwicklung der Metamorphose des Pflanzenreichs und für die wissenschaftliche Aufstellung seiner integxirende« Theile Alles: es ist damit die Grundlage zu ei­ nem Pflanzensystem im strengsten Sinne des Wor­ tes gewonnen; denn man braucht nur den elliptischen Metamorphosengang, wie ihn die kleine Pflanze

be,

schrieb, auf entsprechende Weise mit beharrlicher Consequenz aufs Pflanzenreich, die große Pflanze zu übertragen und die Sache ist gemacht. — §»

65.

Aber dies ist «ine Riesenarbeit, die eine Undicht und einen Ueberblick des Pflanzenreichs erfordert, wie fie nur von seltenen Talenten erworben werden'

Um

aber diese äußerst wichtige Sache mehr zur Sprache zu bringe«, und vielleicht Männer vom Fach anzure­ gen, derselben ihre Aufmerksamkeit zu schenken, so wol­ len wir es versuchen, hier in leichten Strichen,

be«

Grundzägen nach, den Metamorphosengang und bat damit gegebene System des Pflanzenreichs zu zeichne« und di« Prinzipien kurz zu entwickeln, die bey der sy­ stematischen Stellung seiner Theile zu befolgen find.

§.

66.

Wie die Pflanze, so beginnt auch das Pflanzen­ reich mit dem Niedern.

Die dem Laubpflänzche«

entsprechende Pflanzrngruppe (.etwa die Hälfte der so-

99 genannten Cryptogamen) ist das Fundament des gan­ zen Pflanzenreichs, aus welchem die andern Gruppen sich hervor- und zurückbilden, je nachdem das Pflan­ zenreich auf fortschreitendem oder rücksckreiteudem Wege Hegriffen ist.

Wir nennen diese Gruppe die Laud-

pflanzengruppe.

Ihr Charakteristisches bestehtdax,

in, daß sie nach einem größer» Maßstabe im treuesten Abbild das wiederholt, was das Laubpflanzchen der kleinen Pflanze im engern Kreise gleichsam vorzeichnett.

Sie hat daher, wenn letztere drey Systeme reali-

sirte (§. 7.) sich gleichfalls in drey analoge Familien geschieden; nemlich: 1. in die Wnrzelpflanzenfamilie: Diese Familie entspricht dem Wurzelspstem Laubpstänzchens.

des

Sie ist der Anfang deS Pflan­

zenreichs und darum die niederste von allen.

In

ihr erscheinen die Gattungen, wie die Arten auf der Potenz der Wurzel.

DaS Blatt fehlt ganz,

der Stengel ist bloß (in den höhern Gattungen rc.) angedeutet.

Sie umfaßt Wurzelpfianzen.

a. In die Stengelpflanzenfamilie: Hier kommt zur Wurzel noch Stengel hinzu.

ein ausgebildeter

Das Blatt erlangt noch nicht feine

Vollendung, sondern seine Bildung wirb in ein­ zelnen Formen nur vorbereitet.



Stengel-

pflanzen. 3. In die Laubpflanzenfamilie: Diese Familie zeichnet sich durch vollständige Aus­ bildung aller drey Systeme aus. Familie

gehörenden Pflanzen

Wurjel, Stengel und Blätter.

Alle zu dieser

haben

vollkommne

Zugleich wird das

Streben nach dem Höhern in der wiewohl noch

10O

unvollkommen

erscheinenden

Blüte

sichtbar.

Laubpflanzen. §. 67. Das LaubpflLnzchen geht durch die Blütenknospe hindurch zur Blüte über (§. 12.).

Die Blüten-

knospe ist eine Uebergangsmetamorphose, die auch im Pflanzenreich, wenn die kaubpflanzengruppe zur Dlötenpflanzengruppe sich potenziiren will, real gewor­ den seyn muß.

Wir nennen diese Realisirung, die ein

Abbild der Dlücenknospe im großem Sryle darstellt, und alS vermittelndes Glied zwischen Laub- und Blütenpflanzengruppe auftritt: Laub-Blütenpflanzengruppe.

Auch diese Gruppe zerfallt = der vorigen

in drey Familien, die sich durch relative Indifferenz und durch nicht vorherrschend ausgebildet Seyn be­ stimmter Charaktere auszeichnen.

Laub- und Blüten­

pflanzengruppe kämpfen hier gleichsam um den Rang und zeugen dadurch 1. die Dlütenpflanzenfamilie

auf Laub-

pflanzenpotenz: Hier will schon die Blüte frey hervortreten, aber die Laubpflanze überwiegt noch und unterjocht fit. 2.

Die Laubpflanzenfamilie auf Blütenpotenz: In dieser Familie gewinnt die wenn gleich noch unvollkommene Blüte die Oberhand, und die Laub­ pflanze erscheint mehr untergeordnet.

3. Die Uebergangsfamilie halt das Mittel zwischen beyden.

§.

6g.

Durch diesen, drey Pflanzenfamilke» als Resultat gebenden, Kampf hindurch gelangt nun endlich die dem

Alütenpflänzche« dev kleinen Pflanze congrulrende 95tu» keapflanzengruppe zur Evolution. Sie entspricht vollkommen der Blüte, und hat, gleichwie diese das hrnbpflänzchen zur Basis voraussetzt, die Laubpflanzengruppe zur Grundlage, die hier unter der Herrschaft der Blüte wiederkehrt. Diese Gruppe kann ihrem Vor­ tilde, der Blüte, gemäß sich nur so wie sie eintheilen Md wird daher aus so vielen Familien bestehen als jene Systeme (§. 14.) auszuweisen hatte, nemlich: 1. Dlätenwurzelpflanzenfamilie: Vollendete kaubpflanze mit vollendeter Blüte ist die Auszeichnung der Individuen bieftr Familie. Aber ihre Blüte steht unter den Blüten höherer .Ord­ nung noch auf niederer Stufe, indem cm Ungleich­ gewicht der Systeme, nemlich ein Vorherrschen des Niedern, der Blütenwurzel (Kelch und Corolle, Re­ cept) auf Kosten des weiblichen und männlichen Systems, sich in dieser Familie verwirklicht hat. r. Blütenstengelpflanzenfamilie: Diese Familie ist charakterisirt durch das Herrsche» des Weiblichen oder des Blüten- (Stengel-' systems auf Kosten des Männlichen.

Das Pistill hat sich

die Stamina untergeordnet und disponier gleich­ sam über sie.

Uebrigens ist die Blüte schon sehr

ausgebildet und ihrer Vollendung nahe, auch- ist Harmonie zwischen der Blütenwurzel und dem Biütenstengel.

Früchte und Samen sind in dieser wie

in allen vorhergehenden Familien höchst unterge­ ordnet und kommen nicht zur höchsten Ausbildung, welche Vergünstigung ihnen erst in den Frucht- und Samenpflar.zengruppen zu Theil wird.

102

3. Blütenlaub Pflanzenfamilie: Ist di« höchste Pflanzenfamilie, wozu es da- Pflan« zeNreich auf der Evolutionsperiode bringt. Wie die Blüte mit der vollkommenen Ausbildung ihres Laubbedeutenden (des männlichen Systems) ihre Akme erreicht, so hier die Blütenpflanzengruppe mit der durchs freye Hervortreten de- männlichen Systems fich gestaltenden Blätenlaubpflanzenfami'lie. Die Blüten dieser Familien gewähren den reinsten Ausdruck der Vollkommenheit, indem Wur­ zel- und Stengelsystem der Blüte sich dem männlichen unterordnen und ihm dienend sind. In der vorigen Familie regierte das Weib, hier aber der Mann und die Akme ist erreicht, etwas Höheres giebt es hier nicht.

§. 69. Mit der Vollendung der Blütenlaubpflanzenfamilke ist bas Pflanzenreich auf seinen höchsten Punkten angelangt, von welchen aus es nun zurück und abwärts schreitet, eben so wie die Pflanze nach Vollendung der Blüte. Dies geschieht durch die Realistrung einer neuen Pflanzengruppe, die die Frucht ii» Großen und in einem sehr vorwaltenden Verhältniß darstellt. Ehe jedoch eine solche zur Entwicklung kommt, must rin der Frucht knospe (Fruchtknoten) tntfprt* ehender Uebergang Durchschritten werden. Die Frucht, die in den Familiengruppen der Evolution-periode mit unvollkommen und meistens nur angedeutet war, tviß hier die Oberhand gewinnen, aber die Blüte tritt noch reagirend auf und zeugt, weil jeder Kampf drey A«^ gänge haben kann, drey Familien:

103

r. Die Fruchtpflanjenfamkli« auf Blütenpotenz: Hier wird die Frucht schon selbstständig, aber die Blüte hat die Herrschaft noch nicht ganz aufgegeben.

2. Die Blütenpflanzenfamilie aufFrucht, potenz: Die Frucht hat gesiegt, die Blüte unterjocht. 3. Uebergangsfamtlien.

Indifferent bey­

der.

§. Nach

diesen

70*

Ergebnissen

tritt nun

Fruchtpflanzengruppe hervor.

endlich die

Diese Gruppe,

womit die andere Lebenshälfte des Pflanzenreichs die Revolutionspertode beginnt,istcharakterisirtdurch die Frucht, welcher, als dem Vorwaltenden alles andere dienend und Unterthan erscheint. die Laub

*

Daher werben auch

und die Blüteopffanze immer mehr zurück­

gedrängt und verschwinden am Ende ganz. Der Same kommt vorzüglich in den spätern Familien dieser Gruppe sehr ausgebildet vor.

Wenn die Frucht das Charak-

teriflrende dieser Gruppe ist, so kann ihre Abtheilung in Familien auch nur von der Frucht hergenommen werden; es giebt daher i. Eine Fruchtlaubpflanzenfamilie: Diese Familie hat noch am meisten von den Laub, und

Blütenpflanzenfamilien

beybehalten, aber

beyde find den ungeheuren Fruchtproduktionen, in welche—Masse aufMasse zu Haufen—sich hieb das Pflanzenleben erschöpft, untergeordnet und ihnen dienend. Was die Frucht der Individuen dieser Gruppe selbst betrifft, so ist die äußere

Laubbebeutenbe Schale, Fleisch rc. (CarpophylIon) besonders ausgebildet. 2. Eine Fruchtstengelpflanzenfamllke: Bey den einzelnen Pflanzen dieser Familie tre­ ten Blüten- und Laubpflanze noch mehr zurück. Ueberhaupt wird es hier schon deutlich wie die hieher gehörigen Pflanzen ganz das Umgekehrte, die Revolution der Laubpflanzenstengelfamllie ($♦ 66. 2.) darstellen. Das Blatt bekommt Stengelform, die Blüte verschwindet fast ganz, aber die Frucht tritt mächtig auf und zwar auf Stengelpotenz wie das Prädominiren deS Har­ ten und Holzigen derselben beweist. 3» Fruchtwurzelpflanzeyfamilie: Das unmittelbar auf die Produktion des Sa­ mens fich beziehende (die Samenhülle: Peri­ sperma) ist hier das herrschende System der Frucht, kaub- und Blutenpflanze sind in dieser Familie erloschen und man steht aus ihrem ganzen Ha­ bitus, daß sie am Rande einer neuen Metamor­ phose sich befinde, dle dem Pflanzenreich «och bevorsteht. §. 71. Endlich kommt es zum Beschluß. Es entsteht die Gamenpflanzengruppe, dle mit der Laubpflanzengruppe ($. 66.) zusammen fließend die Ellipse vollen­ det, die das ganze Pflanzenreich beschreibt. Bevor aber die Samenpflanzengruppe frey hervortritt, sind wie bey frühern Evolutionen und Revolutionen (§. 67. 69.) noch Kämpfe zu bestehen, die sich als vermittelnde Glieder zwischen beyde stellen und der Samenknosve (dem Em-

io5

Keys) entsprechen. Diese Uebergangsgruppe hat drey Familien: i. Samenpflanzenfamilie auf Fruchtpotenz; 2» Fruchtpflanzenfamilie auf Samenpotenz; ?. den Uebergang vermittelnde Familie. §. 72. Nach diesem Kampfresultat kann nun die Samenpflanzengruppe in reinster Form hervortre­ ten. Alles ist abgestreift. In dieser Gruppe findet fich nichts mehr von der Laub- und Blütenpflanze und end­ lich entäußert sie fich auch der Frucht, dem Samen die Alleinherrschaft vlndizirend. Diese ganze Pflan­ zengruppe bildet daher auf kolossale Weise alles das nach, was beym Samen im Kleinen sich vorfindet, sie hat daher gleich seinen Systemen dieselben drey Fa­ milien. 1, Samenlaubpflanzen famtlie: Diese Familie entspricht dem Samenlaub: Cotyledon (Spermatephyllon), und ihre Individuen stellen sich wie große Cotyledonen dar. Ihr Le­ benscyklus ist» ein sehr beschränkter, der dem Ein­ fluß der Planeten und feiner Finsternißaktion an­ heim gegeben, aber der Sonne fast gänzlich ent­ rückt ist. 2. Samenstengelpflanzenfamilie: Hier tritt das zweyte System des Samens, der Stengel (Spermatostelech08 §. 33.), als das die Familie charaktensirende auf. Das Laubige ist schon zum Theil abgestreift und wird in den letz­ ter» Pflanzen «och mehr zurückgedrängt. Sie find

k>6



noch mchr als die vorigen der Finsterniß und dem Kalten und Nassen anheim gegeben. 3. Samen wurzelpflanzenfamilie. Diese Familie beschließt die Revolutionspertode. Sie charakterifirt sich durch die vorwaltende Aus­ bildung deS Samen - Wurzelsystems (Spermatorhiza §. 33.) auf Koste» der beyden andern, die untergeordneter erscheinen. Die einzelne« Pflan­ zen dieser Familie stellen, wenn die der erster» gleichsam nur Cotyledonen waren, sich als eine bloße Wurzel dar; aber als Wurzel im umge­ kehrten, der RevolutionSperiodr entsprechenden Sinn. Es sind Wurzeln, die in die Höhe, in die Luft hineinwachsen, also ganz entgegengesetzt den Wurzelbedeuteaden Pflanzen der Laubpflanzenwurzelfamilie (§. 66. 1.), die hinunterwärts in die Erde sich zerästeln. §♦ 73» Mit dieser Pflanzengruppe hat nun das Pflanzen­ reich seine Ellipse beschrieben, wie die kleine Pflanze mit dem Samen (§. 46.). ES ist wieder da angelangt, von wo aus es begann —bey derWurzelpflanzenfamilte. Beyde Familien: die Samen- und Laubpflanzenwurzelfamilien berühren sich und ver­ schmelzen durch einige Uebergangsmetamorphofen, die der Laubpflanzenknospe (dem keimenden Samen) ent­ sprechen, in einander, und machen so ein neues Evolviren und Revolviren, eia Erblühen und Entblähen des Pflanzenreichs möglich.

§. 74» Wir gestehen, daß uns die Resultate der Anwen* düng der Pflanzenmetamorphose auf die Clasfifikation

107 lks Pflanzenrelchs selbst überraschend gewesen

sind,

indem sich bey einer nur vorläufig unternommenen Ein­ schiebung der bekannten natürlichen Familie» in die angeführten Facher der Gruppen und Familien, Er­ scheinungen ergaben, die uns das scheinbar in seine» Theilen so heterogene Pflanzenreich als ein harmo­ nisches Ganze, wie es die kleine Pflanze so anschau­ lich verwirklicht, erblicken ließ (besonders bekommen die Zapfenbaume und die Pilze diese bisher so räthselvollen Formen mit ihrer rechten Stellung auch die Deu­ tung ihres Lebenslaufs.) Wir enthalten uns hier je­ doch noch aller Specialia, um nicht durch unreife Ar­ beiten den Jdeengang Anderer, die diese Sache beach­ ten wollen, zu stören.

§. 75Sieht man das bisher in der Pflanzenreichsfystematik Geleistete unparthryifch an, so ist es eben nicht geeignet, den Forscher mit Freuden zu erfülle«: Denn nur Zwey giebt eg unter den Dielen, die ei« rein wissenschaftliches System des Pflan­ zenreichs zu gründen bemühtwaren. Esfind Kiefer und Oken, die Männer, die in Allem, was das tiefere Forschen in der Natur anbetrifft, in den herrlichsten Beyspielen vorangegangen. Alle bisheri­ gen sogenannten natürlichen und künstlichen Systeme find prinziplos, denn es herrscht eine ÄLlllkühr darin, die die Familien nicht nach nothwen­ digen Prinzipien, sondern nach willkührlich gewählten Merkmalen aneinander reiht. Daher der Mangel an innern» organischen Zusammenhang, der in den soge­ nannten Systemen von Bätsch, Iussien, Spren­ gel :r. fich so deutlich kund giebt. Wir achten und

mg ehren diese Arbeiten wie irgend einer, aber sie find nicht, was sie sollen: Systeme, sondern Zusammen­ stellungen, die man für das wahre System, das die Pflanze zur Grundlage hat, als treffliche Vorarbeiten bsuutzen kann.

§. 76. Kiefer gebührt der Ruhm, den Grundstein zum wissenschaftlichen Pflanzensystem gelegt zu haben. Oken folgte derselben Idee und begann wirklich den Bau des Systems.

Er betrachtete das Pflanzenreich als

die anatomirte Pflanze, und gründete sein Sy­ stem auf das gegenseitige Verhältniß und die Bedeu­ tung der Organe der Pflanze.

Das Grundprinzip,

««mach Oken verfuhr, war also auch das von uns (§. 62 f.) alS richtig erkannte und in sofern stimme» wir mit Oken völlig überein, aber gleich beym Bau des Systems zeigen sich Abweichungen zwischen dem Okeuschen und dein Unserigen, die ganz natürlich ih­ ren Grund darin haben, daß Oken den Verlauf der Pflanzenmetamorphose nicht in feiner ganzen elliptischen Gliederung erkannte (§. 57. und 58.), daher derselbe auch das Pflanzenreich — der Pflanze eine gerade Linie beschreibend, darstellte.

Auch ist Oken bey

der fernern Ausführung nicht seinem leitenden Prin­ zip getreu geblieben.

Denn wenn inan die Pflanze in

Ihrer organischen Zerfallung als Eintheilungsgrund hin­ stellt, so ist die Eintheilung des Pflanzenreichs in zwey Lander: „Geschlechtslose und Geschlechtspflanzen",*) darum unrichtig, weil die vollendete Pflanze (deren Me­ tamorphose wir oben gezeichnet haben) nicht in diese

*) Oken Lehrbuch der Naturphilosophie. Iena i8io.il. p. 126.

log beyden Lyell«: den geschlechtslosen und -efchlechtigen, sondern in vier Theile: Kraut, Blüte, Frucht und Samen zerfällt, also statt der Oken scheu zwey Haupt­ abtheilungen („Lander"), deren vier« herauskommen, die wir „Gruppen" genannt haben. Ueberdies ist dasjenige, was Oken als untere Abtheilung („Kreise") hinstellt, sehr ungleichen Werthes: „Die drey ersten Kreise (umfassend die Wurzel-, Stengel-, Laubpflanzen) stellen nur ein einfaches Organ vor, dagegen der vierte Kreis (die Blumenpflanzrn) die Wiederholun­ aller Organe in der Blüte" *). Diese Einsicht, die Oken von dem Inhalt seiner Kreise selbst hat, hätte densktben schon darauf fähren müssen, die drey ersten Kreise als einen Kreis zusammen zu fassen, um so dem Kreis der Blumenpflanzrn ein Gleichwerthiges gegen­ über zu stellen. §. 77. Kiefer ist mit der Aufführung seines Pflanzeufystems nicht ins Specielle gegangen, sonst würde der­ selbe gewiß gefunden haben, daß die Eintheilung des Pflanzenreichs in drey große Klassen: Wurzelpflanzen, Stengelpflanzen, Blattpflanzen**) eine viel zu beschränkte sey, der die Acotyledonen, Monoco, tyledonen und Dicotyledonen sich keinesweges so un­ terordnen als es beym ersten Anblick scheint. Das Kiesersche Prinzip: „die ganze Vegetation sey als eine große Pflanze anzusehen, welche wie die einzelne Pflanze nach polaren Ge*) Oken Lehrbuch der Naturphilosophie. H. p. 128. **) Kieset Aphorismen aus der Physiologie der Pflanzen. Göktingen 1L03.

110

setzen zerfalle*), Ist auch das Unferlge (§. 58f.), aber die Anwendung desselben und die Ausführung des Systems nach demselben ist nicht der unsern identisch. Es giebt in der Pflanze ja höhere Bestandformen, als Wurzel, Stengel, Blatt: eS sind das Kraut, die Blüte, die Frucht und der Samen. Nach diesen muß bas Pflanzenreich zunächst zerfallen, weil die Pflanze in concreto in die, sen vier Formen die Hauptmomente ihrer Metamor­ phose feyerk, womit Kiefer gewiß übereinstimmt,wenn Er der Pflanze und ihren Metamorphosen, die densel­ ben von Ihm schon so oft mit großem Erfolg zu Theil gewordene Aufmerksamkeit von Neuem schenkt. Schlußbemerkung. Wir wollen nicht verhehlen, daß manches in der vorstehenden Abhandlung Gesagte mit bekannten bota, nischen, anatomischen und physiologischen Thatsachen im Widerspruch zu stehen scheint — konnten uns hier aber unmöglich darauf einlassen, dieses alles zu erör, tern, um die Zweifel zu beseitigen. Hoffentlich wird jetzt die Metamorphose der Pflanzen bey den Botani­ kern mehr zur Sprache kommen, wo wir dann hinläng­ lich Gelegenheit finden werden, einzelne Ansichten und Behauptungen näher zu erläutern und Zurechtweisun­ gen, wo wir fehlten, mit Dank anzuerkennen. Nachtrag zn §. 14. und 15. Erst nachdem diese Abhandlung schon vollendet war und es an die specielle Nachwrisung der das Blüten*) Äie(t*6 Grundzüge der Anatomie der Pflanzen. 1815. p- S27. 5. 475.

Zen»

wurzelsystem constituirenben Organe Behufs der Stossbezeichnungen (Cap III. 5.66.) ging, wurde uns bas wahre Verhältniß dieses Systems, das wir bisher nur zum Theil erkannt hatten, klar und gelangte« zu der Aeberzeuguug, daß Kelch und Corolle wesentliche Theile der Dlütenwurzel seyen, und daß beyde dasselbe hier rcprasentireu, was Staubfaden und Griffel, Anthere und Narbe auf höherer Potenz, so daß also nicht das Rezeptakulum allein, sondern dieses sammt dem Kelche und der Corolle erst das Blütenwurzelsystem darstellt, und allen dreyen der Rang, Organe dieses Systems zu seyn, zukommt, (yergl. Cap. III. §. üß.). Wir ersu­ chen daher unsere Leser, dies zu bemerken, und überall wo Rezeprakulum vorkommt, des Kelchs und der Co­ rolle mit zu gedenken. Hiedurch befestigt sich eine Nichtübereinstimmung des Metamorphosenganges bey­ der Lebenshälften der Pstanze, die uns schon früher aufsiieß, aber noch nicht zu lösen war. §. 15. wurden eemlid) Kelch und Corolle als Uebergangsstufen und Zwischensysteme vom Laub- zum Blütenpflänzchen be­ zeichnet; eine Metamorphose, deren Ebenbild wir auf der antiposttiven Hälfte bey der Frucht- und Samendusbildung vergebens suchten. Ein wichtiger Grund, hie Wahrheit der gegebenen Deutung zu bezweifeln, was sich jetzt, da das Rezeptakulum, dev Kelch und die Corolle erweislich zusammen nicht mehr Werth haben als ein System des Krauts, der Frucht und des Samens auch deutlich beurkundet, weu« man diese drey Theile des Blütenwurzelsystems nur mit denen de« Kraute«, des Bläkenstengelsystems »ad de« Dlütenlaubfystem« vergleicht (Cap. in. §. 64.)

118

Drittes Capitel.

Die Pflanzenstoffwelt s. »ach ihrer natürlichen Abstammung (Dignität); b. »ach ihrer künstlichen AuSeinanderlegung (Analyse) systematisch dargestellt.

A. Sroffsystematik, nach der natürlichen Abstam­ mung der Stoffe. §. i. rÖfe Pflanzenmetamorphose, wie sie vorzugsweise in formeller Beziehung ist dargestellt worden (Cap. II.), enthält daS Prinzip für die Stoffmetamorphose, in­ dem Form und Stoff dem Wesen nach eins, und nur in der Erscheinungsweise verschieden sind (Cap. II. $♦ 5*)«

§.

.

2

Der Stoff ist die sinnliche Manifestation der Form nach der realen Seite hin; er ist ihr beharrliches Sub­ strat. Ein« Formerscheinung ohne eine entsprechende Stofferscheinung, ist eine Unmöglichkeit. Andere For­ men setzen nothwendig andere Stoffe, und umgekehrt begründen andere Stoffe wiederum andere Formen, eben well beyder Entstehung ein durcheinander Be­ dingtes ist (Cap. II. §. 4. u. 5 ). — Wie demnach z.B. Blüte und Wurzel formell nicht identisch find, so kön­ nen sie es auch nicht stoffig seyn» §» 3* Der Grund der verschiedenen Forme» liegt also (wenn wir hier vom Leben absehen (Cap. II. §. 4. u. 5.) im Stoffigen; «nb umgekehrt liegt daS stoffzeu-

zeugende Prinzip (wenn wir hier gleichfalls den Thätigkeitseinfluß außer Acht lassen) in der Form: der Stoff kann nur auf Form-Potenz erscheinen, und umgekehrt wird die Form realitätslos, wenn ihr die stoffige Basis entzogen wird. §♦

4*

Mit diesem Wenigen ist nun die ganze Pflanzen­ stoffwelt, das Objekt der Stöchiologie (I. §. 16. u. f.) gegeben. — Der Nnermrßltchkekt der Pflanzenformen geht eine eben solche Unermeßlichkeit der Pflanzenstoffe parallel. Einfachheit der einen, neben Vielfachheit der andern ist eben so unmöglich als ein realer Würfel ohne kubische», oder ein reales Tetraeder ohne trtraedrischen Inhalt. §. 5* Eine systematische EIntheilung der Pflanzenstoffe kann sonach nur eine genetische seyn, die stets des Stof­ fes Gleichbild: die Form vor Augen hat und in Be­ zug auf diese sich entwickelt. Für eine Formsystematik gilt dasselbe. Stande die Pflanzenstoffwelt schon als ein in sich vollendetes Ganze da (als welches uoS die Pflanze in ihrer Formmetamorphose wirklich erschie­ nen ist (Cap. II.), s» würde sich die Form nach der­ selben entwickeln lassen, und eine Formeintheilung dar­ aus hervorgehen, die der Stoffrintheilung congruent wäre. Und so ist eS auch nothwendig mit dem pflanz? lichen Leben. §. 6, Ist nun die Pflanzenformmetamorphof« leitendes Prinzip bey der genetischen Entwicklung der Pflanzenstoffsystematik, und destrht die vollendete Pflanze auS vier Haupt- und vier Uebergangsformen (PflänzZwiykk tiefmmg.

H

chen), so haben wir uns zuerst nach den diesen Formlndivldualifirungen entsprechenden Stoffen umzusehen. Es muß älso geben: A. Nach den Hauptformen: I. Stoffe der Laubpflänzchen; II. Stoffe der Blütenpflänzchen; III. Stoffe der Fruchtpflänzchen; IV. Stoffe der Samenpflänzchen. B. Nach den Uebergangsformen: I. Stoffe der Laubpflanzchenknospe (der keimende Same); II. Stoffe der Blätenknospe; III. Stoffe der Fruchtknospe (Fruchtknoten); IV. Stoffe der Samenknospe (Embryo). §. 7.

Die Stoffe jeglicher Abtheilung befinden stch un­ ter einander im innigsten Zusammenhinge und haben vermöge ihrer Abstammung etwas gemelnschaftlich-Verwandtschaftliches. Die Laübpflanzenstoffe charaktrristrt ein laubpflanzenartiges, die Blütenstoffe ein blütenarriges Gepräge und so fort. Wem das nothwendig In- und Durcheinanderseyn alles Exlstirenben klar geworden, den kann dies nicht befremden. Die Ausbildung dieses oder jenes Blüten -, Fruchtstoffs rc. zieht die Entstehung der übrigen als nothwendig nach fich. Ein farbiges Pünktchen am Blumenblatts ein besonderes Abzeichen an der Frucht, hat seinen Eatflchungägruftd im innersten Skoffverhaltniß der Blüte und der.^rucht selbst, mechanische Absetzungen und Zu, fälligkelm» gfetit es nirgend! §.

8.

Wie die „kleine Pflanze" in ihrer achtfachen

US

Wederung sich Int Pflanzenreich, „der großen Pflanze", auf eine colossale Weise wieder verwirk­ lichte (Cap. II. §. 62.), so werben auch ihre Stoffe kn diesem großen Organismus wiederkehren müssen, derHestalt, daß dem Formverhältniß im Großen auch ein Stoffoethaltniß entspricht. Es find demnach aufzusuchen A. Nach den Hauptgruppen des Pflanzen­ reichs (Cap. II. §. 66. 68. 70. und 72.): I. Stoffe der Laubpflanzengruppe; II. Stoffe der Blütenpflanzeugruppe; III. Stoffe der Fruchtpflauzengruppe; IV. Stoffe der Samenpflanzengruppe. B. Nach den UebergangsgruppendeSPflan­ zenreichs (Cap. II. §. 67. 69. 71. 73.): I. Stoffe der Samen-Laubpflanzengruppe; II. Stoffe der Laub-Blütenpflanzengruppe; III. Stoffe der Blüten - Fruchtpflanzengruppe; IV. Stoffe der Frucht» Samenpfianzengruppe. §. 8.

Die Stoffe jeder dieser Gruppen verhakten sich zu Mander wie die Stoffe der DestandformeN der kleinen Pflanze zu einander, nur im größern Style Es kommt auch ihnen etwas gemeinschaftlich - Charakteristisches zu, das ihr Verhältniß gegen einander begründet und ihnen vermöge ihrer gemeinsamen organischen Abstam­ mung verliehen ist. Durch dieses Gemeinsame find fie ausgezeichnet und verbunden und bilden gleich den Pflan­ zen, denen sie angehören, „Gruppen", die «tot große Anzahl Stoffe umfassen. §. 9.

Hientit ist nun schon die Haupkrintheilung der Pflanzenstoffwelt gewonnen. Wie die kleine Pflanze in H 2

acht Pflänzchen und dle große Pflanze (Pflanzenreich) in acht, jenen congrulrende Pflanzengruppen zerfiel, so thun es auch beyde dem Stoff nach. Es giebt daher acht große Stoffabtheilungen, die wir im kleinen und großen Pflanzrnorganismus (§. 6. u. 8.) als nothwen­ dig daseyn müssend zu zeigen versuchten, und gemäß ihrer Genefis als „Stoffgruppen" aufführen. Es giebt solcher Stoffgruppen, wie aus dem vorhergehen­ den erhellt, eigentlich sechszehn: acht in der kleinen, acht in der großen Pflanze, da aber beyde nach einer Hähern Ansicht schon der Form nach in eins verschmel­ zen, so geschieht dies ln einem, System der Stoffwelt auch mit ihrer realen, stoffigen Manifestation.

§. io. Aber das Pflänzchen der kleine« Pflanze zerfällt zunächst in Systeme (Cap. II. §. 8. §. 14. rc.); dle Gruppe der großen in Familien (Cap. II. §. 66. f.); daher müssen diesen gemäß auch die Stoffgruppen zerfallen. Dirs giebt Unterabtheilungen, die wir, weil fie den Familien des Pflanzenreichs zur Basis dienen, alS Stofffamllien aufführen. Sie find für die kleine Pflanze folgende: I. Die Stoffgruppe der Laubpflänzchen (§. 6. I.) zerfällt in drey Stofffamilien: 1. Stofffamilie des Wurzelsystems; 2. Stofffamilie des Stengelsystems; 3. Stofffamilie des Blattfystems. II. Die Stoffgruppe der Blütenpflänzchen (§. 6. II.) besteht auch aus drey Familien: 1. Stofffamilke des Blütenwurzelsystems; 2. Stofffamilie des Blätenstengelsystems; 3. Stofffamilie des Blütenlaubsystems.

ii7

III. Die Stoffgruppe der Fruchtpflänzchev (§. 6. III.) zerfallt gleichfalls t» 1. Stofffamilie des Fruchtlaubsystems; 2. Stofffamilie des Fruchtstengelsystems; 3- Etofffamilie des Fruchtwurzelsystems. IV. Die Stoffgruppe der Samenpflänz­ chen (§.6. III.) ist auch nothwendig aus drey Familien zusammengesetzt: 1. Etofffamilie des Sämenlaubsystems; 2. Stofffamilie des Samenstengelsystem-; 3 Stofffamilie des SamenwnrzelsystemS. *

2tn m. Ganz so wie diese Hauptgruppen zerfallen die Uebergangsgruppen der Laubpflanzen-, Blüten-, Frucht- und Sa­ menknospe. Leder kann sich diese selbst leicht versinnlichen, daher lassen wir sie hier, wo nur ein kurzer Umriß gegeben werden soll, weg. §♦

II*

Dieselben Stofffamilien kehren nutt auch in der großen Pflanze wieder auf eine entsprechende Weise. Was in der kleinen Pflanze System war, das ist in der großen Pflanze Familie (Cap. II. §. 62.). Beyder Form liegt eine Idee zum Grunde, und so auch dem materiellen Substrate beyder. Die oben (§. io.) namhaft gemachten Stofffamilien find daher auch in den Pflanzen gruppen des Pflanzen­ reichs aufzusuchen, wobey fich ergeben wird, daß die Laubpflanzenstoffgruppe (§. 8. I.) in drey Abtheilungen: „Stofffamilien" (§. io.) zerfalle, nemlich 1. Stofffamilie der Wurzelpflanzen, Familie; 2. Stofffamilie der Stengelpflanzen-Familie; 3. Stofffamilie der Laubpflanzen - Familie.

ii3

Auch die Blüten-, Frucht- und Samenpflanzemstoffgruppen ($. 8. II- m IV.) theilen fich, der Anzahl der Pflanzengruppen-Abtheilyngen ge­ mäß jede in drey Familien (die, weil fie sich Jeder selbst vor den Sinn stellen kann, hier, um unnütze Weit­ schweifigkeit zu vermeiden, nicht einzeln aufgeführt werden). §. 12. Das System der kleinen Pflanze besteht aus Or­ ganen (Cap. II. §. 5-6.) und bte Familie der großen gleichfalls; welche colossale Organe hier Gattungen heißen. Organ und G a t tun g sind zwey ganz gleich­ bedeutende Ausdrücke, ersterer für die kleine, letzterer für die große Pflanzenwelt. Daß es auch Organeniittb Gattungsstoffe gäbe, oder daß die eben aufgeführ­ ten Stofffamilien (§. io. und n.) wieder Zusammen­ setzungen niederer Ordnungen sind, leuchtet wegen der nothwendigen Congruenz zwischen Form und Stoff ($. a. u. f.) von selbst rin. Die Stofffamilien theilen sich also wieder ab. Wir nennen diese Stdffabthellungea ihrer Herkunft eingedenk: Skoffgattuugen. §.

Die Stoffgattungrn bilden das materielle Funda­ ment der Bestandformen der wahren Pflanzensysteme (Cap. II. §. 8. Anm.), nemlich der Organe (Cap. II. §. 6o,). Ein jedes Pflanzrnsystem hat seine eigenthüm­ lichen, der Form nach sehr unterschiedenen Organe und so auch in stoffiger Rücksicht. So sind im Stengel, dem System des Laubpflanzchens (Cap. II. §.8.) Rin­ de, Bast und Holz; im männlichen Geschlechtstheil, dem die Bedeutung eines Blütensystems (Cap. II. §. 14. 3.) zukommt,Anthere, Filamentum und----die Organe; für alle übrigen Systeme der Laub -, Dlü-

je«-, Frucht- und Samenpflänzche» gilt dasselbe: auch sie zerfallen in Organe, die der Aufenthaltsort besiimmter Stosse sind. Diefen Organen entspricht nun, wie gesagt, in der großen Pflanze die Gattung (ge­ nas), deren stoffige Grundlage — denen der Organenflösse ei» Eigenthümliches, die Gattung und daS Or­ gan Auszeichnendes zukommt. §. 14. In wie viele Organe und Gattungen die Pflanzensysteme und Pflanzenreichsfamilien der Form nach zerfallen, in so viele theilen sie sich auch dem Stoff nach. Es zerfallt daher 1. die Stofffamilie des Wurzelsystems: a. in die Stoffgattung der Wurzelrlnde; b. in die Stoffgattung des Wurzelbastes; c. in die Stoffgattung des Wurzelholzes. 2. Die Stofffamilie des Stengelsystems: a. in die Stoffgattung der Stengelrinde; b. in die Stoffgattung des Stengelbastes; c. in die Stoffgattung des Stengelholzes. z» Die Stofffamilie des Laubsystems: a. in die Stoffgattung der obern Blattfläche; b. in die Stoffgattung der untern Blattfläche; c. in die Stoffgattung des Blattstiels. Mit den Blüten-, Frucht- und Samenpflanzenfy» flemstoffen (Stofffamilien ($. 10, u. 11.) sinket dasselbe statt. Wir erwähnen ihrer nicht im Speciellen, da sie sich mit der Betrachtung des organischen Baues der Systeme ganz ungezwungen ergeben. §.

15»

Man fleht, hier geht die Verzweigung der Stoff.metamorphose schon ungemein weit. Mancher mag

120

zurückschrecken vor bet unendlichen Stoffmenge der Pflanzen, und uns der Clasfifikationssucht beschuldigen. Beym flüchtige» Anblick mag es allerdings so schei­ nen. Allein «er nur tiefer geht und dem todten Buch­ staben Gehalt und Leben abzugewinnen vermag, wird «ns beypflichten, daß beydes den nicht flöten kann, der in der Natur eine Unendlichkeit erblickt und das Gebot der Wissenschaft heiligt: diese Unend­ lichkeit mit eiserner Consequenz zu verfol­ gen. Diese erkennt nun noch eine neue Stoffverzweigung, die in der kleinen Pflanze den Bestandformen der Organe, in der großen den Abtheilungen der Gattungen entspricht. §. 16. Die Organe der kleinen Pflanze und die Gattun­ gen der großen bestehen nemlich wiederum aus Orga­ nen und Gattungen niederer Ordnung. Wir haben fie genannt: „Gewebe" (Cap. LI. §. 60.) und Art (Cap. II. §. 62.). Beyde haben einerley Bedeutung und ent­ sprechen fich wie das Pflänzchen der Gruppe (§. g.), das System der Familie ($. 10.) und das Organ der Gattung (§. iS.). Diese durch die Form unterscheid­ baren Theile , der Organe und Gattungen müsse» es auch stoffig seyn. Diese stosfigen Unterschiede der Pflanzevgewrbe und der Pflanzenreichsarten können wie fle selbst nur Abtheilungen des Vorhergehenden, nemlich der Stoffgattungen sey«, die wir daher als „S t off­ arten" der Zerfallung der Pflaozengattungen in Pflanzenarten gemäß, bezeichnen.

§. 17.

Diese Stoffarten werden, wenn man nur stets bas leitende Prinzip, die Form vor Augen hat, leicht er-

karint. Sie ergeben sich bey der kleinen Pflanze mit­ telst der Anatomie der Organe, bey der großen durch Etntheilung der Gattungen in Arten; denn sie haben ihren Sitz in den sogenannten anatomischen Sy­ stemen der Pflanze und in den diesen entsprechenden Arten der großen Pflanze. Die als anatomische Sy­ steme unterschiedenen Brstandformen der kleinen Pflanze sind nemlich weiter nichts als die Combination den Grund- oder Urorgane von den im engern Sinne „Or­ gane" genannten Brstandformen der Pflanzensy­ stem e (Cap. II. §. 8. Anm.) Ein jedes Organ hat solche Grundorgane, anatomische Systeme, die wie (Cap. II. §. 60.) unter dem kürzern Namen Gewebe aufgeführt. §»

i8.

Die diese Gewebe constituirenden Stoffe müssen nothwendig für ein jedes Pflanzenokgaü eigenthümlich seyn, eben weil ihre Gesammtheiten, die Organe, es sind. Wer eine vollkommene StofflbentitiK des Zell­ gewebes, der Splralgefäße und der Zwischenzellengänge der ganzen Pflanze anzunehmen wagt, der geräth in Widersprüche, die der Botaniker und Phykotom auf die unendlichfache Verschiedenheit der äußern und innern Form hindeutend, ihm auf jeden Schritt, den er vor­ wärts schreitend zurücklegt, nachweist. Was unterschei­ det die Wurzelorgane von den Lauborzanen? Doch wohl nicht bloß das Quantum der Zellen, Spiralen und Gänge? — Nein! sie müssen es auch qualitativ seyn, und diese qualitative Verschiedenheit liegt eben im Stoff, der in der Form sich manifestirt. §. 19. Als Beyspiele von Stoffartrn geben wir hier bloß einige von denen, den Laubpflänzchenorgan-n der klei­ nen Pflanze eigenthümlichen'

122

a.

Die

Stoffg-attung

drr

Wurzelrlndr

theilt sich.-

aa. in die Stoffatten des Zellgewebes; ab. in die ©iofforteu der Spiralgefäße *); ac. in dir Stoffatten der Zwischenjellengänge. b. Die Stvffgattung des Wurjelbaßes be­ steht aus: aa. Stoffarten des Zellgewebes; ab. Stoffarten der Spiralgefäße **);

ac. Stoffarte» der Zwischenjellengänge. c. Dte-Stoffgattung des WurzelholzeS ist zufanunengefetzt aus aa. Stoffarten des Zellgewebes; ab. Stoffarten der Spiralgefäße; ac. Stoffarten der Zwischenjellengänge. '

Dies geht nun durch Stengel und Laub und durch

die Gewebe her Blüten-, Frucht- und Samenpflänzchen-OrgaW kurz durch die -ganze Pflanze, und wie sich von selbst prrsteht, im größer» Maßstabe durchs ganze Pflanzenreich.

Es würde ermüdend seyn, diese

leeren Fächer hier aufzuführen, da es noch gänzlich an Aalten sehst, sie auszufüllen.

Möge daher bas Gege­

bene hinreichen, den Blick des Forschers zu orientiren, und ihm die an das Unendliche gränzende Mannigfal­ tigkeit der Wanzenstoffwelt vor den Sinn stellen. Wie viel Jahrhunderte noch darauf hingehen werden, ehe ein solches System der Pflanzeustoffwelt sich seiner Vol­ lend«.«- nsthert, ist nicht zu bestimmen/ denn das sitzrrk ist ja noch nicht einmal begonnen; aber erkayvt ist es in seiner ganzen Fülle und Ausdehnung, und des wol*)

**) Oder ihr Gleichbedeutendes und das dieselben in der Ri»de rc $icamnHibe.

123 len wir uns freuen und gern alles daran fetzen, um nur wenigstens den Grundstein zu legen, sollte dieses kühne Unternehmen auch unser ganzes Leben in An­ spruch nehmen. — §.

20.

Fasse» wir nun diese Stoffeintheilungen nach den Hähern genetischen Prinzipien zusammen, so erscheinen sie — den Bestandformm her kleinen und großen Pflanze (ffap. II. §. 6i. 63.) als Positionen eines als Einheit angenommenen Stoffs mit folgenden durch die Expo«fiten zu bezeichnenden Werthen. 1. Stoff (Elemeetarstoff) — Stoffart. Zell-, Spiral- und Gangstoffe. Stoffe der Species. 2. Stoffe — Stoffgattung. Umfaßt die Stoffe der Organe der kleine« Pflanze (Rinden-, Bast- und Holzstoffe) und die die Gat­ tungen charaktertsireyden der großen. Schließt die Stoffarten mit in sich. 3. Stoff' — Stofffamilie. Enthält die Stosse der Systeme der kleine» Pflanz ze: Wurzel-, Stengel-, Laub-rc. .flösse und die der Familien des Pflanzenreichs. Diese Stoffab­ theilung nimmt die - Stoffarten und StoffgattUngen in sich auf. 4- Stoff" = Stoffgruppe. Wie das Pflänzchen der Pflanze die Gewebe, Or­ gane und Systeme und wie ferner die Gruppe« des Pflanzenreichs die Arten, Gattungen und Fa­ milien in sich schließt, so diese Stoffgruppen alle .vorhergehenden Abtheilungen, hier nach Hähern dem Pflänzchen und der Pfl-nzengruppe entsprechenden Merkmalen sich aneinander reihend« Die Idee der

124 Gruppe und die Idee de- Pflänzchens find hier leitendes Prinzip. 5, Stoff'

=3

Stoffwelt.

Endlich ordnen sich diese Glieder unter noch hö­ here, allgemeinere Gestchtspunkte zu dem großen schöne» Ganzen, wie es die Pflanze und das Pflan­ zenreich mit ihren Bestanbformen formaliter ver­ wirklichen.

Das

Clasfiffkationsprinzlp,

welches

hier, um das System der Pflanzenstoffwrlt zu vol­ lenden, als Wegweiser dient, ist aus der Idee der Pflanze und aus der Idee des Pflanzenreichs alLotalktäten zu abstrahiren und anzuwenden, so daß das wahre, wissenschaftliche Pflanzenstoffsystem das treueste Abbild der formalen Erscheinungs­ weise der Pflanze und des Pflanzenreichs aufstoffigrr Potenz darstellt (vergl. §. 5.).

§.

.

21

Wer dies alles mit chemischen Augen ansteht, wird wenig Freude daran haben, um so mehr, da es scheinbar mit dem durch chemisches Forschen Geleistetem i« Widerspruch steht.

Man bedenke aber nur, daß hier

die reale Manifestation des Pflanzenreichs

(die Ge­

sammtheit der Pflanzenstoffe) nicht einseitig nach irgend einer chemischen oder physikalischen Qualität, sondern allseitig, systematisch aufzufassen die Aufgabe war, was nur auf organische, die Herkunft der Stoffe stets vor Augen habende, Weise geschehen konnte. Dem Phytologen im allgemeinsten Sinn erscheint der Pfianzenstoff als organisches Ganze; nicht minder so die Form und das Leben der Pflanze. Dagegen aber schaut der Phyto-Stöchiologe (das ist der Phytologe als be­ stimmter, den Stoff betrachtender, gesetzt, also der

tyty'

tochemiker) den Stoff auf sehte stöchkologifche Weife an, die dann mit der phytochemlschen Anficht zusammenfallt. Um nun auch hier dieser zu genügen, so unternehmen wir es , den Grundzügen nach, das Ob­ jekt der Phyto-Stöchiologie (Phytochrmie), in feiner systematischen Verbindung anzudeuten. K. 22. Das Urgefetz alles Lebens und Seyns, bas Ge­ setz der Polarität, das flch dem Phytologen bey seiner Stoffsystematik nur in einer allgemeinen Form dar­ stellte, tritt dem Phyto-Stöchiologen (Phytochemiker) überall in concreter Form und in den bestimm­ ten Gegensätzen da entgegen, wo er irgend nur stöchiologische Anfragen an bestimmte Bestandformen der Pflanze richtet. Diese bestimmten Gegensatze heißen ihm Base und Säure, deren Verbreitung so weit reicht als die Stoffwelt der Pflanze und des Pflanzen­ reichs, die nur im Durcheinander (polar) fich reati fiten und fortbilden kann. Dieses Durcheinandersr yn der Pflanzenstoffe im Flug der polaren Wechselverhältnisse derselben festgehalten und als Selbst­ ständiges hingestellt, erscheint dem Phytochemiker als ein Neues, Drittes, in welchem die Pole, Base «nd Säure ihre gegenseitigen Differenzen ausgeglichen — er nennt es „Salz". Salz ist der allgemeinste Ausdruck für alles chemisch Erforsch - und Anschau­ bare. Mit der Salzidee ist auch die Grundidee der ranzen Phytochrmie gefunden, deren realer Inhalt im Grunde nichts weiter ist als eine unendliche Reihe von Salzen, die nach allen Seiten hin fich unendlichfach verzweigt, dergestalt, daß sie in ihrer ganzen unüber­ sehbaren Gliederung dennoch ihren Grundprinzipen nach

die höchste Einfachheit verwirklicht unb ihr ganzes ln# haltschweres Gebiet nichts weiter als die Wiedrrho# lang der Urldee (Salzlder) auf den verschiedenen Stu­ fen der Pokenziirung ist.

Dieses.nachzuweisen und zu

zeigen, wie aus einem Ursalze alle andern Salze se­ kundärer Art entstanden, ist Aufgabe des Phytochemikers, die zur Zeit, wo man noch nicht einmal erkannt hat, daß der Charakter der ganzen Pflanzenstoffwelt «in salziger sey, also die Salzindividuen noch ganz außer Acht läßt, noch ungelöst bleiben muß.

Um aber

auch hier zu leisten, was in unsern Kräften steht, ft unternehmen wir es, wenn gleich nur mit leichten Zü­ gen, ein phytochemisches Salzschema auf combinatorischem Wege zu versuchen. §.

23.

Mit dem GeltendmLchen der Salzidee als Grund­ prinzip der ganzen Phytochemie, heben fich die Zwei­ fel und lösen sich die Widerspräche über das Wie der pflanzlichen Verbindungen.

Sind fie Salze (Pflanzen-

salze), so können sie nur binare seyn, da das Salz als die verkörperte Polarität, als die gleichsam fix gewördene Ausgleichung chemischer Pole, das gletchwer thige Mitwirken eines dritten und vierten Pols noth­ wendig ausschließt. —

Berzelius, der die Anficht

von den ternären und quaternären Verbindungen in der Phyto- und Zoochemie als ein Unterscheidendes von den allein binär seyn sollenden Mineralstoffverblndüngen geltend zu machen suchte, hat da6 Grundgesetz jeder wissenschaftlichen Naturforschung, Verhältniß, außer Acht gelassen.

baS polare

Denn nach solchem

ist es unmöglich, daß A, B und C fich mit gleichem Kraftwerthe verbinden können.

B müßte — C seyn,

wenn die Verwandtschaft von A jit B a der Ver^ «andtschaft von A jü C wäre. Nun ist aber B nicht ---- 0; folglich auch die Verwandtschaft von 6 zu A nicht — der von B zu A. Woraus stch ergiebt, daß, wenn A, B und C zusammen mit einander in Contakt kommen, diese stch zu einander — eben weil sie nicht gleich sind und die Verwandtschaftsanßerung nichts mechanisch-Adhärirendes, sondern die eigenthümli­ che Lebensäußerung eines jeden bestimmten che­ mischen Faktors ist und folglich so viel« verschiedene Verwandtschaftsaußerungrn als entschiedene Faktoren eristiren — nicht gleichwerthig verhalten, und darum keine Verbindung zu constituiren im Stande sind, wor­ in sie alle drey gleichen Rang behaupteten. Eine Annahme, die man mit der Aufführung ternärer Verbindungen geltend machen will, die aber in sich selbst zerfällt, weil sie irrational ist. Denn verhalten sich B und C gleichwerthig jti A, so sind sie auch unter sich gleich; repräsenliren daher nicht zwey, sondern nur einen Faktor und ihre Verbindung mit A ist folglich eine binare. Sind sie aber unter sich nicht gleich, so können sie stch auch nicht gleich ge« gen A verhalten und folglich wird, wenn sich B und C mit A einigen sollen, dies nur successive geschehen können, so daß je nach dem Grade der Verwandtschaft entweder A mit B oder A mit C stch zurrst bkrbindet ttitb dann erst der andere Faktor an die Reihk kommt, der nun aber nicht mit A allein, sondern fiiit einem -anz neuen Faktor, nemlich mit A-f-B, oder mit A + c, welche Verbindungen hier als Einheiten auf» Keren, sich vereinigt, weil A nach der Voraussetzung stch schon mit einem derselben verbunden -Kt. Gesetzt,

128

es verbänden sich nun diese drey Faktoren mit einan­ der, so kaun es immer nur auf die angegebene Weise geschehen: daS Produkt ist ein binäres, ein Salz im Wissenschaftlich chemischen Sinne. Anm- i. Bischof ist, vom elektro-chemischen Standpunkt aus, Lu demselben Resultate: daß die Pflanzenstoffverbindungen nur binäre seyn köpnten, gelangt (Nees v. E., Bischof unb Rothe: die Entwicklung der Pflanzensubstanz rc. Erlan­ gen 1819. p. 47). — Ein für unsere Ansicht höchst erfreuli­ ches Zusammentreffen mit diesem trefflichen Forscher, von einer so entgegengesetzten Seite aus. Anm.?!. Döbereiner hat schon früher durch beygebrachte Thatsachen diesen Ansichten eine wichtige Stütze gegeben. Wir erinnern hier nur an dessen herrliche Untersuchungen über die Zusammensetzung der Kleesäure (Schweigger Journ. 1816. B. XVI. p. 105.), des Zuckers und Alkohols (am angef. O. B. XVI. p. i38). §.

24.

Nach dieser Einleitung wird es mit» möglich, die verschiedenen Salzposttionen des pflanzlichen Ursalzes anzudeuten. Die Salzidee bezeichnen wir mit dem all­ gemeinen Ausdruck A + B. A bedeutet den ariden, B den basifchen Pol. Beyde find unzähliger quan­ titativ und qualitativ verschiedener Combinationen fä­ hig, die sich, obwohl auS einem Urgegensatz entsprun­ gen, unter den Händen des Chemikers als eben so viele verschiedene Pflanzensalze individvalisiren, und die, weil Ihre Werthe mit dem Grad der Combinlrung wachsen, am besten nach der Vielheit der Glieder, woraus ste bestehen, aufgeführt werden könnten, «rnns hier nicht wegen der Benennungen Schwierigkeiten gäbe, denen wir dadurch auszuweichen glauben, daß wir neben jeder Salzabtheilung mit anderm Gllederbau eine Unterscheid dungsziffye setzen, die man Klasse rc. nennen mag. Pole

Polr beS UrfaljrA. B.

I. (A + B) = Ursalz. II. ( A -j- B) 4™ A CA + B) + B III. [(A + B) + A] + A C(A + B) -f A] + B C(a + b) + B] + a [(A + B) + B] + b IV. [(A 4* B) 4™ A] 4* (A 4™ ®) f(A4-B) 4- B] + (A 4- B) V. [(A+B) 4- Aj 4- t(A 4- B) 4- B] VI. j [(A4-B) 4- A] 4- A| 4- A \ [(A4*B) 4- A] 4- A| 4- B ^ s(A 4“®) 4* A] 4~ b ^ 4* A j C(a4“B) 4* a]4* bj 4-B 5 [(A4-B) 4-B] 4-Aj 4-A \ [(A 4-B) 4- B] 4- Aj 4-B j [(A4-B)4-B]4-Bj 4-A j[(A4-B)4-B]4-Bj 4-B mj[(A4-B) 4- A] 4-Aj4-[A4-BJ j[(A4-B)4-A]4-Bj4-[A4-B] }[(A4-B)4-B]4-A|4-[A4-B]

\ [(A4- B) 4- B] 4- Bj 4-CA4-BJ VIII.| [(A4- B) 4" A] 4- A j.4- [(A+B) +A3 Zweyte Lteferim-.

2

j [(A + B) + A] + A j + [(A + B)+B] j[(A + B) +A] + ßj + [(A+B)+A] j[(A + B) + A] + Bj + [(A+B)4B1 \ [CA + B) + B] + Aj + [CA+B)+A] j [(A + B) + B] + Aj + [(A+B)+B] j[(A + B) + B]+ Bj + [(A + B)+AJ j[(A + B) + BJ + Bj + [fA+B) + B) IX.

j[(A+B) + A] + Aj +j[(A+B)+AJ+Bj |[(A+B)+A]+Aj +j[(A+B)+B3+Aj j[(A+B)+A]+Aj +j[(A+B) + B]4-Bj j[(A+B)+A]+Bj +j[(A+B) + B]+Aj j[(A+B) + A]+Bj +j[(A+'B)+BJ+Bj j[(A+B)+B]+Aj +j[(A+B)+B]+Bj

X.

g[(A+B)+AJ-l-[A + B)j + A j[(A+B)+A]+[A+Bjj +B |[(A+B)+B]+[A+B]j +A j[(A+B)+"B]+[A+B]j +B

XL

j [ (A + B)+A] + [ A+B] j + { A-fB j j[(A+B) + B]+[A+B]j + | A+B j

XII. |[(A+B)+A) + [A+Bj| + |(A4-B)+a| I [(A+B)+A]+[A+B]| -f- j(A-j-B)-f-Bj |[(A+B)+B]+ [A+Bjj + ^(A+B)+Aj

i3i

j[(A+B)+B]+[A+B]| + {(A+B)+b| XIII. { [(A+B)+A]+[A+B]j + |[(A+B)+A]+A | | [(A+B)+A]+[A+BJ | + | [ (A+B)+A]+B j

und so weiter. §. 25.

Run zur Deutung dieser Ausdrücke. Aus Grün­ den, die hier zu entwickeln zu weitläuftig seyn würde, setzen wir die Bestandtheile des Wassers als die Ele­ mente (Uranfange, Urstoffe) der Pflanze und das Was­ ser als das Urlalz, von welchem alle andern pflanzli­ chen Salze nur Positionen und Potenziatioaen vorstel­ len. Cs ist daher: A = Oxygen, Wafferfüure; B = Hydrogen, Wasserbase; A + B = Wasser; (A + B +) + A ist die erste Oxydation des Was­ sers; vielleicht Kohlenstoff; (A + B) -{- B ist die erste Hydrogenisation des Wassers; vielleicht Stickstoff; [(A + B) + A] + A i(I die zweyte Oxydation des Wassers oder oxydirter Kohlenstoff; vielleicht Kohlenoxyd; [(A + B) + B] 4- B ist die zweyte Hydrogeni­ sation des WasserS; ober hydogenirter Stickstoff; vielleicht Ammonium oder irgend eine noch «nentdeckte Pflanzenbase; j [(A+B) + A] + A | + A ist die dritte Oxy­ dation bti Wassers; vielleicht oxydirtes Kohlen­ oxyd - Kohlensäure;

132 | [(A + B) + B]+b| 4-B ist die dritte Hydro­ genisation des Wassers; vielleicht hydogenirtes Ammonium: eine noch ju entdeckende Pflanjrnbase rc. rc. Hiezwischen liegen nun, wie auch schon daS obige Schema zeigt, mehrere Combinationen, deren Deutung wir hier aber eben so wenig versuchen als wir willens find, hier etwas Ausführliches zu geben, indem daS Gegebene zur Orientirung des Forschers hinreicht, und das Mehr von dieser Sache, die noch gänzlich der empirischen Nachweisungen ermangelt, wenigstens hier am unrechten Orte ist. Man nehme daher daS Gesagte nur für einen Versuch, um zu zelgen, wie in Zukunft einmal die Unzahl der Pflanzenstoffe behufs der Phyto-Stöchiologie aus einem Prinzip abzuleiten wäre. 2Cnm.

Wir können uns das Vergnügen nicht versagen, hier

einer Arbeit zu gedenken, die sich unter unsern Augen gestal­ tete: die math ematische Grund lag e eines künfti­ gen Systems der Oryktochemie,

die Freund Pog-

gendorf aus den Verbindungen der bekannten 52 oryktochemischen Elemente nach den Grundsätzen der Combinationslehre mit einem Erfolg herleitete, daß eine baldige Bekannt­ machung dieser die Erfahrungen (deren die Oryktochemie so reich ist) zu einem großen Ganzen verknüpfenden Arbeit sehr wünschenswerth ist.

Wann wird es in der Pflanzenchemie so

weit kommen? —

§.

26.

Wir kehren nun zurück zu unserer organischen Stoffsystematik. Sie zeigt unverkennbar, welchen Ein­ fluß künftig einmal die Pflanzenanatomie (Phyto-Morphoscopie Cap.I. $. 17* i.) auf die Phytochemie aus­ üben wird. Der Phytochemiker muß auch Phytotom

werben und seyn, wenn feilte Arbeiten der Wissenschaft frommen sollen» —

Die bisherigen Pflauzenanalysen

sind im Grunde nur rohe Versuche, um mit de« Pflan­ zen umgehen zu lernen.

Die wahre phytochemische Ana­

lyse ln die innersten Tiefen der.Pflanze eröffnet, fehlt noch ganz und kann erst dann entstehen, wenn die Form­ analyse (Phytotomie — Morphoscopie) der Stoffana­ lyse vorangeht, die Stoffe gleichsam in ihrer geheime» Werksiätte überrascht, um sie dem Chemiker zu über­ liefern.

Dann wird auch die Zeit kommen, wo die

Phytochemie mit Erfolg in die

Phyto«Morphologie

(Botanik) eingreift, and ihr bey der Stellung der Fa­ milien, der Unterscheidung der Gattungen und der Auf­ zahlung der Arten hülfreiche Hand leistet, um ihren'Ärbeiten auch von der andern, stoffigen Seite her die wU senschaftliche Bestätigung zu verleihen. ' Es giebt der Falle so viele, namentlich bey de» Blüten- und Geschlechtslosen Pflanzen (Laubpflanzenlgruppe (Cap. II. §. 62.), wo der Botaniker, blos die Form betrachtend, Pflanzen unter einst Gattung ober einem Namen zusammenbringt, die stoffig sehr verschkeiden sind, wiewohl sie es formell, wegen des nicht AüK gebildetseyns der Form nicht zu'seyn scheinen. Anm.

So faßt man ^ B. mehrere Staubpilze, die aufhdchst

verschiedenen Pflanzen vorkommen, unter die Namen „wei­ ßen und gelben Roßbrand" zufamnten, meynend, der äußern Form nach urtheilend, sie seyen identisch. „Densel­ ben weißen Rostbrand", sagtSprengel *> findet man auf dem Täschelkraut, wie auf Winterlevkojcn und auf Alyssum incanum: denselben gelben auf mehrern Weiden, auf Alchemilla vulgarir, auf Pyrola rotunJifolia, ans vec*) Kurt Sprengel Anleitung zur Kenntniß der Gewächse, rte Aufl. II. Th.

Halle I8i?- p. 9.

134 schieden-» Euphorbien, auf Flachsblättern, auf Potentilla argentea u. s. f." — Wir sind fast überzeugt, daß eine phytochemische Untersuchung bey diesen dem Ansehn nach so gleid)cn Pilzarten eine große Verschiedenheit in ihrem Stoffver­ hältniß ergeben möchte, und ersuchen daher die Botaniker, uns dergleichen bey vorkommenden Fällen in natura mitzu­ theilen Mit großer Freude werden wir dann ihrem Wun­ sche, dieselben zu untersuchen, nachkommen *). — Ueberhaupt werden uns Fragen, die Pflanze tri stofsiger Hinsicht betref­ fend, stets willkommen seyn. §.

27.

Alle bisher angedeuteten Stoffabtheilungen sind tU vesthrtls charakterisier durch den Ort ihres Vorkom­ mens : die Stoffgruppen durch die Pflanzengruppen, die Stofffamilien durch die Pflanzenfamilien, die Stoffgat­ tungen durch die Pflanzengattungen; die Stoffarten durch die Psianjenarten oder durch die diesen großen Abtheilungen entsprechenden kleinern Abtheilungen der kleinen Pflanze; — anderntheils charakterlfiren sie öder auch ihren Wohnsitz, das von ihm auf sioffige Weise repräsentirend, was sich im äußer« in der Form dar­ stellt. Die Wurzel wäre nimmer Wurzel der Form »ach, wenn sie nicht Wurzelsioffe enthielte. Sten­ gel und Laub wären solches gleichfalls nicht, wenn ihr Stoffverhältniß nicht ein stengeliges und laubi­ ges wäre. Die Pflanzenarten, Gattungen, Familien und Gruppen wären es nicht formaliter, wenn das ©tos# fige in ihnen der Form nicht den Leih liehe, um als die bestimmte zu erscheinen. §. 28.

Diese Stoffe find demnach die Verleiblichung *) Es bedarf dazu nicht der Pfunde, sonder« einige Drachmen sind zu einer vergleichenden Untersuchung hinreichend,

-ec Pflanzen« und Pflanzenreichsabthellungen, ihrer vollendeten Darstellung ihre höchsten

die in

bebensak-

tfonen feyrrn und eben dadurch zur höchst-möglichen Formausbildung, deren sie fähig find, gelange«.

Alle

drey Momente: Atme der Lebensaktionen, vol­ lendete Stoffzeugung und

höchst-mögliche

Formausbildung treffen hier in einem Punkt zu­ sammen: im Culmtnationspunlt deü zu durchlaufenden kebenscyklus.

Er realtstrt das erreichte Streben.

Vor ihm liegt Fortschritt (Streben

nach Errei­

chung eines andern), hinter ihm Rückschritt (Able­ gung und Entäußerung des Erreichten). —

In der

Blütenknospe stellt z. B. daS Laubpflänzchen das Stre­ ben dar Blütenstoffe zu produziren, in der Blütenaushilbung ist dirs Streben erreicht, aber in der Evolu­ tion des Fruchtknotens entäußert fich die Blüte neben der Form auch ihrer Stoffe und tritt den Rückschritt «n.

Von diesen drey Stvffproduktionen find die Blü­

tenstoffe das die Blüte Charakterifirende ihr Gleich­ bild; die Stoffe her Blütenknospe find nur das Vor­ bild, die des Fruchtknotens nur das Nachbild der­ selben: sie können nur beziehungsweise,

teineswegeS

aber im engern Sinne „Dlütenstoffr" genannt werden. §. 29. Diesen Bildungsmomenten der Stoffe gemäß, er­ geben fich demnach für jede Destandform der Pstanze und des Pflanzenreichs drey verschiedene Stoffreihen, uemlich: 1. eine Stoffceihe, di« ausgebildet und vollen­ det erscheint; 2. «ine Stoffreihe, die vorbildet; 3. eine Stoffreihe, die nachbildet.

156

Wir «ennen dke erste die gleichzeitige,

die

zweyte vie vorzeitige und die letztere die nachzeitige Skoffreihe. Diese Stoffrekhen sind zu jeder Zeit in einer jeglichen pflanzlichen Bestandform (System, Organ, oder Familie, Gattung rc.), aber nach dem Grade -er Entwicklung und Ausbildung in dem verschiedenstet Verhältniß zu einander, da. Die gleichzeitige Stoffreihe. §♦

Diese Stoffreihe ist das Charakteristrende und dke Hauptreihe eines jeden Pflanzentheils. Die ganze in dem Obigen ftizzirte Stofffystematik bezieht sich auf diese in der Pflanze und im Pflanzenreich vollendet auftretende Stvffreihe. Die Laubpstänzchenstoffe deLaubpfiänzchens, die Blätenstoffe der Blüte, die Fruchtsioffe der Frucht, dke Samrnstvffe des Samens rc. sind unter andern die zu dieser Stoffreihe zu zählenden Stoffe. Ueberhaupt schließt sie alle die Stoffe in sich, die das realiter oder stoffig darstellen, waS der Pflanzentheil in dem Augenblick ist, da hingegen daS, waS er war und das was er seyn wird, durch die andern beyden Stoffreihen rückwärts oder vorwärts zeigend, angedeutet wird. Die gleichzeitige Stoffreihe ist daher die vorwaltendste und die ihr angehörigen Stoffe find kn solcher Menge vorhanden, daß man al, leS andere neben ihr noch Daseyende fast übersteht. Sie bildet daher den Centralpunkt für die beyden an­ dern Reihen, die mit ihr genetisch verbunden, als ihre Anfangs- und Endpunkte zu betrachten find. Den Anfangspunkt bezeichnet nrmlich die vorzeitige, den End­ punkt die nachzeitlge Stoffreihe.

*57 Oie vorzeitige und nachzeitige Stoffreihe.

§. Z i. Die erstere beutet das Kommende, die letztere bas Vergangne an.

Wenn das Laubpflänzchen sich

ans dem Samen «volvirt, so nimmt sie Sa men ar­ tig es in sich auf, selbst nichts weiter als Samenme­ tamorphose seyend. Je mehr sie sich nun ihrer voll­ kommener» Ausbildung nähert, desto mehr entledigt sie sich dieses Samenartigen zu Gunsten der freyer her­ vortretenden eigentlichen Laubpflänzchenstoffe, die hier die gleichzeitige Stoffreihe repräsentiren, indeß die (wenck gleich im höchst untergeordneten Zustande) noch vor­ handen seyenden Samenstoffe, an das Vergangne, a» die Entstehung der Laubpflanze aus dem Samen noch erinnernd, die nachzeitige Stoffreihe andeuten. —> Aber daS Laubpflänzchen verwirklicht auch das Stre­ ben, Blüte zu werden in der Blütenknospe, die sich aus ihr evolvirend, schon stvffig vorgebildet seyn muß. DaS Laubpflänzchen trifft gleichsam Vor­ bereitungen, sammelt Materialien zur Blütenerzeugung und so entsteht in ihr die vorzeitige Stoffreihe. Diese bereitet vor, was kommen soll und findet sich = der gleich- und nachzeitigen Reihe auch nothwendig in jedem Pflanzentheil, weil nirgend Stillstand, sondern überall Fortbildung oder Rückbildung statt hat. .Eine ähnliche B.ewandtniß hat es mit der Blüte, in der noch stoffige Ueberbleibsel von dem Laubpflänzchen her zu erkennen, und schon Vorausbilbungen fär die künf­ tige Frucht wahrzunehmen seyn müssen. Mit der Ent­ wicklung der Blütensyfleme (Cap. 2. §. 14.) ist zugleich schon die Möglichkeit zur Entstehung der Fruchtsysteme

133 gegeben, welche fich auch kalb l« Fruchtknoten zu realiftrett beginnen. So geht es bey allen Pflanzentheilen.

Daß vom

Pflanzenreich dasselbe gilt, versteht sich von selbst. Wie in demselben bey den.verschiedenen Familien, Gattun­ gen und Arten, die eine immer organisch (formell) davorbildet, was die andere erst erreicht — z. B. das Farrenkraut Blüte und Frucht schon vorgebildet hat, das Gras, das vorbildet, was in den spätern Fa­ milien „Kelchs heißt, die Lilie die Covolle, deren voll­ kommene Ausbildung erst in höher» Pflanze» zu Stande fommt — so muß es auch dem Stoff nach seyn. Wäre die Phytochemie schon so weit, daß sie vergleichend durchgeführte Analyse» der Arten, Gattungen und Fa­ milien aufweisen könnte, so würde es sich zeigen, daß die eine immer die Stoffe angedeutet enthält, die erst in der andern zur völligen Ausbildung kommen; und umgekehrt sich die Reste von den Stoffen in denselben «ach vorfinden, die in der Familie, woraus sie sich ml» virten, die herrschenden waren.

§. Z2. Mit der wissenschaftliche» Erkennung des Daseyns diefer drey Stoffreihen in jedem pflanzlichen Blldungstheil sind dem Phytochemiker ungeheure Probleme aufgegeben, deren faktisch - empirische Lösung noch man­ cherley menschliche Kräfte in Anspruch nehmen wird. Aber möglich ist sie, man verzage nur nicht!

Die Na­

tur hat uns auch hier deutliche Fingerzeige gegeben, die wir nach und nach verstehen lernen müssen. Das Höhere, das sich aus dem Niedern entwickelt, ist nur die Wiederholung dieses Niedern auf einer höher« Po­ tenz.

Es muß daher in diesem Niedern selbst entste-

139

he», in ihm gebildet werden, ehe es felbststHldkg alS bas Höhere hervortritt. In der Zwiebel lassen sich schon formell (anatomisch) Stengel und Laub nachwei­ sen. Im Samen ist das künftige Laubpflänzchen schon erkennbar, wenn er gleich noch unveränderter Same ß seyn scheint. WaS aber der Form nach schon da ist, das ist es avch dem Stoff nach und so sind die Wurzel-, Stengel- und Laubstosse schon im Samen vorgebildet und so fort. Dies ist die wahre Einfchachtelungs- und Evolutionstheorie, die in dem Vorhandenen das Kommende und das Dagewe­ sene vorher- und zurücksieht! — $*

35

*

Wie ist nun dieses aus der Genesis der Bestandformen der kleinen und großen Pflanze als nothwen­ dig sich ergebende Stoffverhältniß empirisch nachzuwei­ sen? Wie wird man in den Stand gesetzt mit Gewiß­ heit auszumitteln, welche Stoffe der gleichzeitigen, bet bdrzeitlgeu und der nachzeitigrn Reihe angehören? — Dies ist nur auf pflänzlich-lebendigem Wege möglich, auf welchem man die Pflanze in ihren verschiedenen kebensperioden und Entwicklungsepochen phytochemisch untersucht. Zuerst hat diese Untersuchung auszuma­ chen, was die gleichzeitige Stoffreihe sey, ihre Merk­ male und Eigenthümlichkeiten; indem sie nach dem Obi­ gen (§. 30.) das Hauptsächlichste und Wesentlichste ei­ nes jeden Theils, das was seinem vollkommene« Entwicklungszustand parallel geht, ist. Die Wurzelstoffe der Wurzel, die Stengelstoffe des Stengels- die Blatt­ stoffe des Blatts müssen erst ausgemittelt und bestimmt werden, ehe man sich um die, nach der auf- oder ab­ steigenden Lebenshälste hin abweichenden Stoffe, (vor-

u\o onb nachzeitkge Reihe) z. B- um die Wurzelstoffe im Stengel und Blatt, um die Stengelstoffe im Blatt oder mdltch um die Stengel- und Blattstoffe in der Wurzel bekümmern kann. Hiezu ist aber nicht nur eine große Menge von Analysen gleichbedeutender Systeme, Organe rc. nöthig, sondern auch eine vergleichende Un­ tersuchung der diesen Bestandfovmen-der Leinen Pflanze entsprechenden des Pflanzenreichs, und Parallelistvung des dort Gefundene« mit.dem hier Gefundenen. Nur

so wird es möglich seyn, das Problem zu lösen« Wenn erst einige hundert Wurzeln, Stengel und Blätter, und Blüten-, Frucht-, Samensysteme rc. analystrt find, dann wird man im Stande seyn, mit einiger Wahr­ scheinlichkeit die Charakteristik der Wurzel-, Stengel-, Dlattstoffe rc. zu geben und zu bestimmen, welche Stoffe der gleichzeitigen Reihe angehören. — An solche Ar­ beiten ist noch nicht gedacht, weil man das Bedürfniß ihres Daseyns noch nicht fühlte und in dem Wahn stand, daß hier wohl formelle, aber keinesweges stoffige Unterschiede zu finden seyen.

§. 34» Um die vorzeitige Stoffreihe auszumitteln, wäre etwa folgendermaßen zu verfahren. Gälte es z. B. die in der Wurzel schon vorgebildeten Stengel­ stoffe ausfindig z'u machen, so wäre die Wurzel zu un­ tersuchen i) vor dem Stengeltriebe, 2) nach dem Strngeltrtebe und seiner völligen Ausbildung, und endlich 3) nach dem Absterben des Stengels. Aus der qualitati­ ven und quantitativen Verschiedenheit der Stoffe in Liesen drey Fällen, verbunden mit der durch die ver­ gleichende Gtengelanalyse gefundenen Qualität und Quantität der Stengelstoffe ließe sich nun

über die W u c-

»4» zelstengelstoffe, die vielleicht vor und «ach dem Stengeltriebe in größerer Menge als während seiner vollendeten Evolution aus der Wurzel da find, urtheilen. Um die, aus den erörterten Gründen im Stengel Uls vorhanden vorauszusetzenden kaubstoffe empirisch nachzuweisen, wäre dieser auf ähnliche Weise wie die Wurzel zu analyfiren, nemlich einmal vor der völligen Blattentwicklung, ein andermal nach dem Blatttrieb, und aus der Differenz in beyden Fällen mit Berückfichtigung der Blattanalyse selbst das Resultat zu zie­ hen. Und so mit allen Pflanzentheilen. §♦

35*

Nach dieser genetischen Beziehung brr pflänzlichen Stoffe gestaltet fich das dargestellte System nun noch anders, indem jede Stoffgruppe, Stofffamille, Stoff­ gattung und Stoffart in die Dreyfachheit der gleichvor» und nachzeitigea Reihe zerfällt, wovon wir als Beyspiel nur die Zerfallung einiger Stoffgruppen der Keinen Pflanze (§. 6.) hier anführen. I. Die Laubpflänzchenstoffgruppe zerfällt A. in die gleichzeitige Reihe: eigentliche Laubpflänzchenstoffe; B. in die vorzeitige Stoffreihe: Laubpflänzchenblütenstoffe; C. in die nachteilige Reihe:

Samenlaubpflänz«

chenstoffe. II. Die Blütenpflänzchenstoffgruppe theilt sich: A. in die gleichzeitige Stoffreihe: ekgentliche Blütenpflänzchenstoffe; B. in die vorzeitige Stoffreihe: Blütrnpflänzchenftuchtstoffez

i4&

C. ht die nachzeitkge Stoffceihe: Laubpflänzchenblüteüstoffe. III. Die Fruchtpflänzchen stoffgruppe besteht gleich flrlls*aus A. der gleichzeitigen Stoffceihe: eigentliche Fruchtpfiänjchenstoffe; B. der vorzeitigen Stoffreihe: Fruchtpflänzchensamenstoffe; C. der nachzeitigen Stoffreihe: Dlütenfruchtstoffe. IV. Die Saurenpflanzchenstoffgtuppe hat nicht minder A. eine gleichzeitige Stoffceihe: eigentliche Samenpflänzchenstoffe; B. eine vorzeitige Stoffreihe: Samenlaubpflänzchenstoffe; C. eine nachzeitige Stoffreihe: Fruchtsamenp-änzchenstoffe rc. rc. §. gt>« Alle diese Dinge mögen auf den ersten Blick hin höchst paradox erscheinen, und manchen abschrecken, tiefer einzudringen. Sie sind es aber wirklich nicht, son­ dern ergeben sich sehr natürlich und konsequent aus dem Metamorphosengang der Pflanze, wie er oben au einmal beginnen soll, alles gehörig vorbereitet, leicht zu finden und herbeyzuschaffen sey, und der ordnende Geist des Systematikers die Haupthindernisse schon aus dem Wege geräumt findet. Durch diese Aufgabe wird vor­ zugsweise die empirische Sekte der Phytochemie (Stöchtoscopke) in Anspruch gekommen: sie soll der Idee iüit Thatsachen entgegenkommen, damit jene (die Idee) ln diesen ihren realen Wtederschein finde; waS nur allein dem Endziel der ganzen Phytochemie: dem System seiner Stoffwelt näher bringen kann.

*44 $♦

38*

Daß ein« gründliche phytochemische Untersuchung der Pflanzen nicht nur (die man alle noch, we­ gen der Unvollkommenheit der bisherigen Analystrmethobe, als gar nicht untersucht ansehen muß), sondern auch ihrer Systeme, Organe rc. hiezu verhelfe, wird jeder leicht ermessen, der nur etwas weiter steht. Aber welch' eine ungeheure Aufgabe! — Noch ist man nicht, ungeachtet der großen Menge entdeckter Pflanzen, mit dem Entdecken fertig — wann wird also das Analyftren, wenn eS auch jetzt begönne, enden? —

Mil­

lionen von Stoffen *) bietet das Pflanzen­ reich dar und noch ist kaum ein Halbhundert erkannt! —

Man tröste fich hier nur nicht wie bis­

her mit der Einfachheit der Natur, die mit wenigem Alles zu machen verstehe und bürde ihr nicht das UnLegreiflichste auf, was es nur geben kann, nemlich Sin# fachhelt des Stoffs neben einer Unendlichkeit der Form. Was berechtigt die jetzigen Pflanzenanalytiker zu einer solchen Ansicht, der sie überall dadurch huldigen, wenn sie z. B. Apfelsaure, Kleesäure, Gerbstoff, thierisch-vege^bilische Materie rc. in allen Pflanzen als daseyend annehmen, wenn das essigsaure Bley, das Kalkwasser, die Etsensalze und die Gallustinktur rc. von solchen ge­ färbt und gefällt werden, oder aus Furcht „die An­ zahl der nähern Pflanzenbestandtheile zu sehr zu ver­ mehren," alles reduziren und durch Zufammenwerfung des Heterogensten scheinbare Einfachheit hervorzubringra bemüht sind?

So etwas bringt die Sache nicht

weiter, sondern verzögert sie, und hat sie verzögert, wie *) Combinationen niederer und höherer Ordnungen,

»45 leie der Augenschein lehrt, indem man nach einer höchst beschrankten Anficht die Stoffresultate der Analysen zusammenstellte und nun in den verschiedenartigsten Substanzen doch immer dasselbe erblickte. So hat man, um nur ein Beyspiel anzuführen, den weder durch Fakten (denn die beweisen gerade das Gegentheil) noch durch Spekulation zu rechtfertigenden Satz ausgespro­ chen: „das Quassia bitter finde sich außer der Quas­ sia in den verschiedenen Gentianaarten, im Carduus

benedictus, Trifolium fibrinum, Polygala amara, Fumaria off. etc. *). — Abgesehen davon, daß solche Behauptungen von gewinnsüchtigen Apothekern zur Ent­ schuldigung ihrer gui pro quo benutzt werden können, schaben sie ungemein der Wissenschaft, die bis auf den heutigen Tag noch nicht im Stande ist, die pflanzli­ chen Arzneyprodukte — den Mineralpräparaten che­ misch zu prüfen; sondern der Arzt muß alles so hin­ nehmen, wie es ihm geboten wird. — Alles Folge« der Willkähr, womit man den Umfang der Wissenschaft bestimmen will.

§. 39* Der sowohl spekulativ als auch (beym gewissen­ haften Analysiren) empirisch zu erweisende Satz: daß jede durch die Form (also botanisch) unterschie­ dene Pflanze eS auch stoffig fey, erheischt nun eine Unzahl von Analysen, deren Durchführung und Darstellung aber eben wegen ihrer Menge, einfacher, kürzer und doch vollständiger als die bisherige Art zn arbeiten und zu beschreiben seyn muß. Hiezu, beson­ ders was die schriftliche Darstellung der analytischen *) Bergt. 8. ffimtlin Handbuch b$r Chemie, III.Band. I8»y. P- »3?o. Awryre Lirf-rima-

^

146

Resultate betrifft, einige Vorschläge und eine zu die­ sem Behuf nöthige, gleichsam empirische, Stoffeintheilung zu geben, ist unser Vorsatz. Mögen es alle Me beherzigen, denen darum zu thun ist, daß man die Be­ schreibung ihrer analytischen Versuche mit Lust und Nutzen lese, und nicht durch die langweiligsten, scheu so oft vorgekommenen Beschreibungen von Versuchen der Leser ermüde, wodurch sie sich selbst die Genug­ thuung für ihre Anstrengungen rauben, verstanden und beachtet zu werden. §. 40. Der Phytologe mag immerhin ln seinem Stoff­ system den Pflanzenstoff als ein Ganzes, Unzertheil-tes betrachten — eben so wie der Naturphilosoph die Elemente: Erde, Wasser und Luft als untrennbare Ein­ heiten ansteht, obwohl beyde unter den Händen des Chemikers in die chemischen Pole: Base und Säure zerfallen. Er streift dieses einigende Band ab; er er­ kennt auch den Pflanzenstvss als ein zusammengesetztes pflanzlicher Pole und nennt ihn „Salz" (§. 22.). Der Phytochemiker hat es nur mit Salzen zu thun, alle ander­ weitigen Stoffunterschiede anerkennt seine Wissenschaft nicht, dfe wie jede Wissenschaft in der unendlichfachen Repetition ihrer Grundidee besteht, die eben die Salzidee ist. Alles Analyfiren gründet sich'daher auf ein Salzzerlegen und Salzbilden: um diesen Stoff abzuscheiden, muß der Analytiker jenen damit vereint, gen, Und um diese Verbindung zu bilden, jene trennen. §» 41. Wenn sich nun die Analyse (weil sie nothwendig auch zugleich Synthese ist) um das Salzbilden und Salzzerlegen in weitern oder engern Kreisen herum-

dreht, so ist bas Salz ihr einziges LosuugSwort, und selbst die früher *) als das Einleitende der haloche­ mischen oder Präcipitationsmethobe geltend

gemachte

„hydrochemische der Extractionsmethode" verkennt auch in ihren Agentien, den Lösungsmitteln, den Ealzcharakter nicht, der ihnen als Salze höherer Ordnung auch in einem höhern Sinne beygelegt werden muß. §.

42.

Betrachtet man nemlich die Wirkung der Lösungs­ mittel (Aether, Alkohol, Wasser) auf die Pssanzentheile näher, so ergiebt sich dies von selbst. —

Die Stoffe

find in den Geweben der Organe nicht mechanisch ent­ standen und niedergelegt, sondern beydes auf polare Weise.

Ihre Abscheidung von diesen durch

die Lö­

sungsmittel kann daher auch nur eine phytochemifchpolare seyn.

Wenn das Wasser den mit der Zellfa­

ser verbundenen Farbstoff oder das in der Zelle Ent­ haltene aufnimmt (löst), so muß es, um dies jv voll­ bringen, die Rolle eines chemischen Pols (Base oder Säure) übernehmen, so daß es, wenn der Farbstoff oder der Zellstoff mehr auf die saure Seite hinneigte, sich gegen diese als eine Base verhält, und die Faser, «der die Zelle, womit beyde verbunden waren, gleich­ sam austreibt und abscheidet, sich mit dem In­ halt verbindend.

§. 43» So muß jede Lösung, gleichviel welche Lösungs­ mittel dabey thätig sind, angesehen werden, sonst ist baS specifische Verhalten der

Lösungsmittel

unerklärlich.

Wäre das Lösen ein mechanisches Aufnehmen und die Lösung ein eben solches Nebeneinanderseynjdes kösungö-

*) Erste Lieferung iSro- f. 85 f-

148 mittels und des zu Lösenden, so würde alles ohn« Un­ terschied in jedem Lösungsmittel lösbar seyn und eS folglich gar keine

verschiedene Lösungsmittel

geben.

So aber find es wirkliche chemische Verbindungen, die pe mit den Stoffen eingehen: es sind Salze, die wie viele andere (Mineral, und Pflanzen-) Salze wiederum aus Salzen bestehen.

§. 44» Die Lösungsmittel find daher für den Pflanzenanalytiker von der größten Wichtigkeit, indem er durch dieselben ein« Menge Pflanzensalze z« scheiden und ken­ nen zu lernen im Stande ist, und so die Zerlegung in Base und Säure (Pflanzensalze niederer Ordnungen) möglich macht.

Mit der Extraktionsmethode beginnt

die Analyse, deren ganzer Ausgang und Erfolg von der richtigen Anwendung der Lösungsmittel abhängt.

§. 45Ist nun daS Produkt der Lösungs, oder EptraktionSmethode als ein SalzartigeS erkannt, und giebt man zu, daß die drey vorzugsweise angewendet wer­ denden Lösungsmittel: Aether, Alkohol, Wasser sich ge, gen jegliches Pflanzrnsalz specifisch verhalten, dieses an­ ziehend und aufnehmend, jenes abstoßend und ausschei­ dend, und beachtet man endlich den Werth, den diese Agentien (die ganze hydrochemische Zerlegungsweise mög­ lich machend) für die Analyse haben, so muß eine auf daS Verhalten der Lösungsmittel sich gründende Stoffeintheilung und Stoffbenennung für die leichtere Ueber­ sicht und Verständlichmachung des Gefundenen dem Forscher sehr willkommen seyn, dem es nicht um Dogenfüllen, sondern um das rein Wissenschaftliche zu thun ist. —

Es herrscht jetzt ein ungeheurer Wtrwarr und

H9 «ine unausstehliche Weitschweifigkeit in der Befchrekbungsart des durch die Lösungsmittel Dargestellten (worauf die meisten Analysen sich noch immer beschrän­ ken), daß es ein höchst trostloses Geschäft ist, fich durch solche Beschreibungen, die selten unter 40—60 Oktav­ felten lang find, hindurch zu arbeiten, zumal wenn man steht, daß das Ganze unbeschadet der Deutlichkeit auf höchstens 15 bis 20 Seiten hätte dargestellt werden können. — Doch zur Sache. §. 46. Wenn man einen Pflanzentheil mit den drey Haupt­ agentien der hydrochemischen Analysirmethode: Aether, Alkohol und Wasser*) successive behandelt, so kann die Ausbeute an hiedurch zu erhaltenden Stoff im All­ gemeinen eine fiebenfache seyn; man wird nemlich ab­ scheiden: 1. Stoffe, die sich mit jedem der drey Lösungsmit­ tel verbinden lassen: die in Aether, Alkohol und Wasser löslich sind. 2. Stoffe, die nur in Aether und Alkohol fich lösen, im Wasser aber unlöslich sind. 3. Stoffe, die in Aether und Wasser lösbar sind, in Alkohol nicht. 4. Stoffe, die nicht mit Aether, aber wohl mit Alkohol und Wasser sich einigen. 5. Stoffe, die bloß in Aether sich lösen. 6. Stoffe, die bloß der Alkohol aufnimmt. *)

Wir bemerken hier «in für alle mal, daß unter Aether Alkohol und Wasserfreyer Aether, unter Alkohol wasserfreyer Alkohol und endlich unter Wasser reine», destillirtc» Wasser verstanden werde.

150 7. Stoffe, die nur das Wasser sich aneignen kann. §.

46»

Gesetzt nun es fänden sich in jedem Pflanzrntheile durch die Behandlung mit den genannten Lösungsmit­ teln solche Stoffe, so zerfiele die hydrochemische Zerle, gungsweife ganz.natürlich in 7 Abschnitte, von denen eftt jeder zur Aufgabe hatte: den bestimmten, mit den entsprechenden Lösungsmitteln verein­ baren Stoff darzustellen, und man könnte diese erste Hälfte der Analyse in diese sieben Abschnitte ein­ getheilt darstellen, was leicht durch Ueberschrift mit Ziffern ins Werk zu richten wäre. Bey einer fotchen Darstellung würde sich der Leser ungemein leicht orientire«, und er wüßte auf den ersten Blick, in welcher Sphäre sich der Analytiker auf jedem Blatt bewegt, ob in der ätherischen, alkoholischen oder wässerigen. Besser wäre es aber ohne Zweifel, da der LösungSprozeß doch eigentlich nur um deS Produktes oder des Zulösenden willen angestellt wird, dieses Produkt (das Pflanzensalz) durch bestimmte Zeichen (Ziffern) zu un­ terscheiden, dergestalt, daß duLch dieses Zeichen sogleich auch der Weg angegeben würde, auf welchem Wege man daS Salz erhalten. — Wir schlagen, zu dem Ende vor, die Produkte der hydrochemischen Zerlegung-weise (die durch die Lösungsmittel abgeschiedenen Pstanzensalze) in sieben Classen nach der Lösbarkeit (vergl. §»

450

zu vertheilen. Es kämen sonach in die Erste Klasse: in Aether, Alkohol und Wasser lös­ bare Salze. Zweyte Klasse: in Aether und Alkohol lösliche, in Wasser unlösliche Salze.

i5i

Dritte Klasse: in Aether und Wasser lösbare, in Alkohol unlösliche Salze. Vierte Klasse: in Alkohol und Wasser lösliche, in Aether nicht lösliche Salze. Fünfte Klaffe: blos in Aether lösliche Salze. Sechste Klasse: blos in Alkohol lösliche Salze. Siebente Klasse: blos in Wasser lösliche Salze. §. 47.

Diese Klassen werden, sobald die Analyse nur erst genauer und ausgebreiteter seyn wird, und das quantitative Verhältniß des Lösenden zum Gelösten be­ rücksichtigt werden kann, in Ordnungen und Un­ terordnungen zerfallen, die wir aber unserer jetzigen Betrachtung zu fern liegend, hier übergehen. §. 48.

Blickt man auf das in der Stoffeinthellung und Ctoffbenennung von Andern Geleistete zurück, so er» Klebt sich, baß man immer darnach gestrebt hat, dle Stoffeintheilung nach den bey der Analyse angewand­ ten Agentien, vorzüglich den Lösungsmitteln zu grün­ de», aber unbegreiflicher Weise hat niemand sich die Möglichen Hauptfalle, wie es oben (§. 45.) geschehen, rombinirt, sondern man hat gleichsam nur zufällig ein­ zelne aufgefunden, wovon die Benennungen „Harz, Ex­ traktivstoff, Schleim" zeugen. Das Harz als bloß im Alkohol löslich, fallt unter die Salze 6. Kl., die Extractlvstoff genannten Stoffe find zur 4. Kl., und der Schleim, als bloß vom Wasser aufnehmbar, zur 7. Kl. gehörig. Alle andern Abtheilungen find nicht erkannt und Stoffe, die zu ihnen gehören würden, sind nach anderweitigen Eigenschaften benannt und unterschieden.

152 §'

49*

Ein Hauptfehler bey dieser von Andern versuchten Unterscheidung der Stoffe nach der Lösbarkeit war aber, daß man sie zu weit ausdehnte und ihr durch die ganze Reihe der Pflanzen hindurch allgemeine Gül­ tigkeit beylegte, meinend, das im Wasser und Alkohol oder bloß im Alkohol, oder bloß im Wasser Lösliche sey, auch in den der Form und Herkunft nach sehr He­ terogenen Pflanzen doch ein und dasselbe, daher man sich denn in den allermeisten Analysen darauf beschrank­ te, auszutnitleln, ob der Stoff Harz, Extraktivstoff, Schleim ic. sey, und damit das chemische Stoffverhält­ niß einer analyflrten Pflanze erfaßt zu haben glaubte. Dies heißt die Sache zu weit ausdehnen und ins Ober­ flächliche hinüberführen. Was würden dieselben Chemiker, die diesen Mißgriff gethan haben,, dazu sagen, wenn man die in Alkohol, Acther oder Wasser löslichen Mi­ neralsalze unter einem Namen zusammenbringen wollte, ohne alle anderweitigen Unterschiede zu beachten? — Man muß daher unserer oben gegebenen Unterschei­ dung der Stoffe nach der Lösbarkeit keinen größer» Werth als den des Nothbehelfs zur leichtern Orients# rung beym Gang und der Darstellung der Analyse beylegen. Von einem so untergeordneten Criterium, als es die Lösbarkeit im Ganzen ist, kann eine wissen­ schaftliche Stoffeintheilung, die die Totalität des Stoffs stets als Prinzip vor Augen haben muß, nie herge­ nommen werden. — Uebrigens bewahren wir uns vor der Einseitigkeit, die die frühere Unterscheidung der Stoffe nach der Lösbarkeit mit fich führte, dadurch, daß wir so viele Salzklassen unterscheiden, als es botanisch verschiedene Pflanzen und

153

Pflanzentheile giebt, uns auf Len Satz, daß Stoff mit Form congruire, stützend, so daß in jeder Bit stimmten Pflanze und ihren Bestandformen die ge­ nannten fieben Salzklassen auf der Potenz dieser be­ stimmten Pflanze wiederkehren können, wie man dies in den unten anzuführenden Analysen, wo China, Tri­ folium- Absinthium- Gentiana- etc. Salje Itcr, sftr, Zter rc. Klasse aufgeführt «erben, steht. Jetzt zur nä­ hern Bezeichnung der Salze. §. 5®. Die Pflanzenfalze zerfallen zunächst in zwey Ab­ theilungen: i) in natürliche, 2) in künstliche. Die natürlichen Salje sind die neutralen, sauren oder basischen Verbindungen von Pfianzenbasen und Pflanzcnsauren/ die man durch Behandlung eines Pflanzenthcils mit den Lösungsmitteln erhalt. So extrahier der Aether aus der China, de« Galläpfeln, der Quas­ sia rc. unter andern Salze, die außerdem auch in Al­ kohol und Wasser löslich sind, und durch die haloche-mische oder Pracipitationsmethode in Base und Säure geschieden werden können, und sonach Chinabase und Chinasäure, Gallusbase und Gallussäure, Quassiabafe und Quassiasaure enthalten, also aus dem Sauren und Basischen eines und desselben Pflanzentheiles bestehen, und wahrscheinlich in den meisten Fällen in solchem Anstande auch in der Pflanze selbst vorhan­ den sind. Solche Salze nennen wir natürliche Salze. Künstliche Salze dagegen sind solche, die gleichfalls den basischen und sauren Pol zu einem neuen dritten verbunden enthalien, aber als solche nicht ge­ bildet in den Pflanzen vorkommen, sondern theils durch die Analyse, theils durch die Prüfung ge-

154 gen pflänzlkche Reagentien erst gebildet werben,

also

aus dem Sauren und Basischen »er sch irdener Pflanzentheile zusammengesetzt sind.

So ist z. B. der Nie­

derschlag, den das Gallussalz itec Kl. im China- und Quassiensalz iker Kl. hervorbringt, ein künstliches Salz, bestehend aus China - und Quassienbase mit Gallussäure itrr Kl. 3t nm. Die durch Erhitzen, Gefrieren, Kaulen, Gähren :c. erzeugten und als künstlich aufgeführten Verbindungen sind Lies strenge genommen nicht, sondern vielmehr natürliche Verbindungen in ihrer individuellen Sphäre, zu künstlichen werdend, sobald man andere nicht dahin gehörige und nicht auf dieselbe Weise gleichzeitig entstandene, sich mit ihnen ver­ bindende, Pflanzensalze hinzubringt. §.

51»

Wählt man nun zur Bezeichnung einer phytochemifchen Verbindung oder eines pflänzlichen Salzes den für einen Bruch gebräuchlichen Ausdruck und läßt die Säure den Zähler, die Base den Nennerplatz einneh­ men, so sind die eben (§. 50.) angezogenen natürlichen und künstlichen Salze sehr einfach durch folgende Aus­ drücke darzustellen: i. Beyspiele von natürlichen Salzen: Chinasalz



Quassiensalz = Gallussalz

Cbinasäure Chlnadase. Quafsiensäure

Quaisienbase. Gallussäure — eaßuf$baf>i

Beyspiele von künstlichen Salzen: Gallussäure Chlnabase —

Gallussäure Chinabase.

HS Chinasäure Kaffebase.

Chinasaure Kaffebase Essigsaure Quassienbase —



Quajsienvase.

Man kann bey den natürlichen Salzen, weil ihre Faktoren hinsichtlich der Abstammung gleichnamig sind, den einen Namen weglassen und statt dessen bloß........... setzen, j. B. Chinasäure > Chinasäure * • ' base a * Chinadase Quassien säure ♦ ♦ ♦ ♦ base

Quassien säure 0 1 Quasstenbase.

Auch könnte das Anhängsel „säure" und „base" wegbleiben und bloß

f\U-; v* geschrieben wer­

den, wenn man ein für alle Mal die Saure an die Stille des Zählers, die Base an die des Nenners setzte und daher auch bey den künstlichen Salzen z. B.

l>°« ssSfT s'6'"

UmM'

li,f‘ D---

rlnfachung der Schreibart nicht für die Zukunft zu Ir­ rungen Anlaß gäbe, indem ja Fälle nicht selten sind, daß zwey in ihrer natürlichen Verbindung als Sauren auftretende Faktoren sich zu einander wiederum wie Base und Säure, und zwey Basen sich gleichfalls so zu einander verhalten, sich zu einem Salze vereinigend, wo dann die Weglassung der Bezeichnung der ursprüng­ lichen Polarität eine Verwechselung der Faktoren mit sich bringt. Gesetzt z. V> es verbänden sich Chinabase und Quasfienbase zu einem Salze, in welchem die Cbi nabase die Säure, die Quasfienbase die Base reprasrntlrte, so würde der beste Ausdruck für die Verbindung folgender seyn:

156

Chinabafe Quassienbase. Setzte man dagegen:

so würde eine Verwech­

selung der wahren, ursprünglichen Chinasäure mit der hier nur die Säure reprafentirenden Chinabase unver­ meidlich seyn. Man behält also sehr zweckmäßig die vom gegenseitigen Verhältniß, der, das natürliche Salz constituirenden, Pol« hergenommene chemischen Polbe­ zeichnung für die Bezeichnung der künstlichen Salze bey, kann jedoch statt „säure" f., statt „base" b. setzen. §.

52.

Diese Ausdrücke für die Pflanzensalze gewähren nun die größte Bequemlichkeit, indem die Klaffe und Las quantitative Verhältniß der mit einander verbun­ denen Faktoren leicht durch Ziffern angemerkt werden kann. Man drücke die Klasse durch die arabischen, das Quantum durch die römischen Ziffern aus und setze letztere vorne hin, erstere aber hinten an die Stelle ei­ ne- Exponenten — Gesetz;, um das Gesagte durch ein Beyspiel zu erläutern, das Chinasalz iter Klasse be­ stände aus i Antheil Chinasäure und 2 Antheil Chinabase, so wäre der Ausdruck folgender: I. Chinas

U. * " ♦ * Bey natürlichen Salzen, wo Base und Säure ei­ ner Klasse angehören, kann der eine Exponent wegfal­ len und der andere den Platz in der Mitte einnehmen: zum Beyspiel: I. China. II...........T‘

§«

Eine vorzügliche Beachtung verdient nun noch die -eyaue Bezeichnung der Herkunft und Abstammung der psfanzliche» Salze. Die Stoffe nach dem Ort ihres Vorkommens zu nennen, haben wir schon früher *) — um der Verwirrung, die eine willkührliche prinziplose Nomenklatur nothwendig mit sich bringt, Grenzen zu setzen — vorgeschlagen und müssen es auch hier wie­ derholen, daß nur in der Befolgung dieser Grundsätze Heil für die Wissenschaft zu finden sey.

Man wähle

daher den Linneischen oder sonst gebräuchlichen und ein­ geführten Namen der Pflanze mit gleichzeitiger Bemer­ kung des Pflänzchens, System-, Organs rc., worin daS Salz sich findet, zur

Bezeichnung.

Meide dagegen

den Gebrauch aller deutschen Pflanzennameu, die einestheils nicht für alle Pflanzen vorhandru und nicht we­ sentlich zum Studium der Botanik gehören, Vielen un­ bekannt sind und anderntheils nicht gut Abkürzungen zulassen, die so bequem sind, wo es sich um Zeit- und Raumersparung handelt. Die oben Beyspiel- halber aufgeführten Salze würden demnach so zu bezeichnen seyn:

Cinchona cordifolia Quassia excclsa Gallae turticae**)

*) Erste Lieferung: Viertes Kapitel j>. yz. **) Die Galläpfel sind, wie alle Pflanzenkrankheiten, andere Pflanzen niederer Ordnung.

Es fehlt also noch der ek

gentliche Name für diese Parasiten, die ein Insekt ins Da­ seyn ruft.

158

Diese Bezeichnungen können nun abgekürzt werden in Cinch. cord. Quass. excels. Gail, ttirt.

Bey Pflanzennamrn, die fthr unbekannt sind, oder von denen noch nicht entschieden ist, ob ft« bleiben werden, thut man besser, sich des allgemein gebräuch­ lichen zu bedienen, j. B. statt Cinch. cordifolia: Chi­ na regia; statt Cinch. condaminea: China fusca statt Cinch. longifolia: China rubra etc. §. 54Da wir es, wenn nicht bewiesen, doch wahrschein­ lich gemacht zu haben glauben, daß jedem eigenthüm­ lichen Dildungstheil der Pflanze eigenthümliche Stoffe parallel gehen, so erheischt die Wissenschaft die orga­ nische Abstammung oder den Fundort des Stoffs ge­ nau im Auge zu behalten, und jedesmal, wenn man des letztern gedenkt, auch das erstere, als eine gleich­ sam durch den Geburtsort verliehene Charakteristik mit zu bemerken. — Nur dadurch, daß man der chemi­ schen Analyse stets die anatomische vorangehen laßt und nicht Systeme oder Organe, sondern nur ein Organ rc. untersucht, und wo es angeht, noch mehr ins Einzelne geht — nur dadurch ist auf diesem Ge­ biete Heil zu finden und die Beziehung zwischen Form und Stoff, die die spekulative Forschung gebietet, auch empirisch zu bewähren. §. 55.

In dem oben gegebenen Grundriß «ine- Stoffs--

159

stcms hab«» wir diesen Forderungen schon dadurch ge­ nügt, daß wie den Stoffabtheilungen die Namen des Pflanzentheils gaben, worin sie ihren Sitz haben; es ist daher hier dasselbe in Bezug auf die Analyse und die schriftliche Darstellung ihrer Resultate zu wiederholen, §. 56«

Zuerst ist zu bemerken, welcher Hauptabtheilung (Pflänzchen) der Stoff angehört, ob dem Kraut, der Blüte, der Frucht oder dem Samen. Wir schlagen hiezu die von der oben angemerkten griechischen Be­ nennung dieser Theile herzunehmende Bezeichnung vor, zu welchem Ende man den Anfangsbuchstaben jedes Pflänzchens (mit groß lateinischer Schrift) dem Namen der Pflanze vorsetzt, deren Stoffe man nahmhaft ma­ chen will. Es wird sonach unterschieden: 1. Kraut, poa durchP, 3, Blüte, antbos durch A. 3. Frucht, carpos durch 0. 4. Samen, Sperma durch 8. Beyspiele: n Menyanth. trif.

P..... ".Tr: heißt Stoff ober Salz aus dem Kraut des Fieberklees.

mont. A..Arnic. .-.ttttt heißt Salz

^

aus de» Wohlverlty-

Llumen. Cucum coloc. C. rTTTTTTT

heißt Salz aus der Koloquln-

tenfrucht. S. r~v7r: — Salz aus Schwarzbilfeasamen.

§. 57»

Diese allgemeinen Bezeichnungen fordern aber noth­ wendig besondere, den« es fragt sich zunächst, aus wel­ chem System des Krauts, der Blüte, der Frucht und des Samens ist das Salz. §. 58»

Wir haben zur Bezeichnung der drey Systeme ei­ nes jeden Pflänzchens drey Benennungen eingeführt (vergl. II. Cap.), die in jedem Pflänzchen wiederkeh­ ren; es sind rhiza, stelechos und phyllon. Diese finden auch hier Anwendung und erleichtern die Be­ zeichnung dadurch ungemein, daß man die Abkürzun­ gen von diesen Wörtern nur hinter P, A, C, S zu setzen braucht, um sogleich das System eines bestimm­ ten Pflänzchens namhaft zu machen. Man verkürze zu diesem Endzweck rhiza zu rh, stelechos zu st, phyl­ lon zu phy und schreibe diese Abkürzungen hinter die das Pflänzchen anzeigenden großen Buchstaben folgendergestalt: P. rh. = Poaerhiza, Krautwurzel. P. st. — Poaestelechos, Krautstengel. P. phy. ss Poaephyllon, Krautblatt. A. rb. = Anthorhiza, Blütenwurzel (Rezeptakulum rc.) A. st. ss Anthostelechos, Blütenstengel, Pistill. A. phy. s=5 Antophyllon, Blütenblatt, Stamen. Eben f» verfährt man mit C und Beyspiele. Menyanth. trif. P • phy. . . . . 7............Salz aus dem Blatt des

Fieberkleekrautes.

A.

16i

Arnic. monf. A • rb— Salz

aus dem Fruchtboden rc. (Blütenwurzel) der Wohlverleyblumen.

Cucum. co!oc. C . Phy- r~~;. . . .

— Salz aus der Kolo­

quintenfruchtschale. Hyosc. nigr. S . phy. — . . . — =

Salz aus de» Cotyledenen (Laub) des Dllseufamens. §. 59»

Wir halten diese Beziehungsart für die einfachste die nur möglich ist. Durch die Metamorphose der Pflanze ist sie vorbereitet worden — und jetzt möge der Leser, der uns ob der oben (Cap. II.) neugemachtrn Wörter vielleicht zürnte, Gelegenheit finden, sich wieder mit uns auszugleichen — indem wir hoffen, daß Er sich jetzt von der Nothwendigkeit, hier einen Gewaltstreich zu thun, und einzelne Benennungen (als rhiza, stelechos, phyllon) für alle Falle als unabän­ derlich festzustellen, überzeugt haben wird. In welche Verirrungen würde man gerathen, wenn man hier die gebräuchlichen botanischen Kunstwörter gewählt hätte? Wie viele Ausdrücke giebt es nicht für die Wurzel und den Stengel des Krautes, für das Laub- und Sten» gelbedeutende der Frucht rc. ? Wohin würde also ihre Einführung in die stöchiologische Wissenschaft ander» geführt haben als zu unzähligen Mißverständnissen? Davor sind zwar unsere Bezeichnungen auch nicht ganz geschützt, indem man noch bey vielen Systemen der Pflänzchen über ihre wahre Bedeutung zweifelhaft ist — hier möge sich der Forscher zusammen nehmen, die 3wt»te Eiefmmi.

L

wahre Bedeutung zu geben und kann einstweilen, um Irrthümer zu vermeiden, den anderweitigen gebräuch­ lichen Namen mithinzufügen. §.

6o.

Aber das System besteht aus Organen, wenn matt also von System- (Wurzel-, Stengel rc.) Stoffen redet, so fragt es sich, aus welchem Organ sie stammen. Es find also noch mehr ins Einzelne gehende Bezeichnun­ gen nöthig. Die Organe der Krautwurzel und des Krautstengels find Rinde, Bast und Holz (§. 13.); die des KrautlaubsOberflache, Unterfläche,Stiel (Cap.II.§. 60). Formell, botanisch find diese Organe verschieden, dar­ um müssen sie es auch stoffig seyn. Es wird also auch eine Bezeichnung für die diesen Organe durch die Ana­ lyse entnommenen Stoffe nöthig; und die Conseijuenj erheischt es, hier der einmal angenommenen Norm fer­ ner «achzuhandeln und gleichfalls von griechischen Wör­ tern hergenommene Bezeichnungen in Vorschlag zu brin­ gen. Nemlich 1. für Holz, lignum, xylon> abgekürzt zu xy; 2. für Bast, alb'urnum: biblos: abgekürzt zu bib. 3. für Rinde, cortex: phloios; abgekürzt zu phlo. Beyspiele.

P • rh.

Quassia, excels.

xy- - ; - 7 7—.-77 heißt Salz aus dem Wurzelholze des QuasflenkrauteS.

Chin. reg. P . st; bib. tttttt: heißt Salz aus dem Sten­

gelbast der China reg. Atrop. bell. P • rh. phlo .......

rlnbensalz.

heißt Belladonnawurzel-

i6g Anm. Man könnte xy. bib. phlo. zut Unterscheidung von rb. st. und phy mit kleinen griechischen Buchstaben schreiben, wenn sie nicht schon durch den dritten Platz, den sie erünshmen, genugsam Unterschieden waren.

§. 6i.

Für die Kraukwurzel- und Kräukstengelorgane paßt tiefe Bezeichnung ganz vortrefflich, weit man sie we, gen ihres von einander räumlich geschiedenen Seyns leicht isollrt darstellen und handhaben kann, Weshalb Luch die bestimmten Namen für dieselben vorhanden find. Sieht man nun aber die Organe des Laubs und der Systeme der andern Pflänzchen ott, so kommt matt wahrlich in nicht geringe Verlegenheit, wenn man fit genau bezeichnen soll und doch Muß es geschehen, wenn man endlich einmal zur Stoffkenntniß aller Bildungstheile der Pflanze gelangen will. Was Ist hier Nun zu machen? Soll für jedes Organ eines jeglichen Sy­ stems (der Blüte, der Frucht Und des Samens ) ritt Neues Wort erfunden und eingeführt werden? Dazu können wir uns Nicht verstehen, weil wir Unserm PrinGe untreu werbend, in große Noth gerathen jwÜrden, wrnns wirklich ans Namenmachea ginge. Es giebt hier einen Ausweg. — Er besteht in der Verfolgung der Genesis der Organe, womit ihre Bedeutung Und Mit dieser der Name gegeben ist. Wir fanden bey brk Darstellung des pflänzlichen Metamorphdsenganges den Satz von det ewigen Wiederkehr (Wiederholung) des Alten im Neuen, des Vorhergehenden im Nachfolgenden so weit bestätigt als wir in Unsern llaiersuchungen vorwärts drangen. Die Systeme des kaubpflänzchrnS kehrten in Blüte» Frucht und Samen wieder auf eine diesen tzfläUzchen entsprechende Weise.

164

Wenn aber diese Wiederkehr im Großen, in Bezug auf die Systeme statt hat, so muß sie auch im Kleinen (in den Organen) sich ereignen, weil das Große aus dem Kleinen (das System aus den Organen) besteht. Wenn daher das Wurzel - und Stengelsystem des Laubpflanzchens oder Krautes in der Blüte, in der Frucht und im Samen auf Blüten-, Frucht- und Samenpotenz sich repetirt, so muß dasselbe auch mit den Organen, Krautwurzel- und Krautsteugelsystemrn vor sich gehen, dergestalt, daß Holz, Bast und Rinde (oder vielmehr ihr Gleichbedeutendes) in jeglichem System der andern drey Pflänzchen sich wiederfinden und nachzuweisen sind. Mit welcher Nachweisung dann eine höchst einfache Be­ zeichnung aller dieser Organe und ihrer Stoffe sich von selbst ergiebt. §. 6a»

Zuvörderst ist der Werth und die polare Bezie­ hung der Krautwurzel- und Krautstengelorgane: Rinde, Bast und Holz naher zu bestimmen, ehe die Deutung der andern beginnen darf. Unverkennbar wiederholen sie den Gegensatz, der in den drey Systemen deö Kraut- oder Laubpfläuzchens so anschaulich ist (Cap. II. §. 8—ix.). Ein Organ tritt als Niederes, Wurzeli­ ges, ein anderes als Höheres, Blättriges, und ein drit­ tes als Vermittelndes, Stengeliges in dieser Sphäre wieder auf. Betrachten wir nun die Organe des Krautstengels hinfichtllch ihrer Funktionen und Beziehungen zur Außenwelt, so erscheint offenbar das Holz, das im Centralen, Finstern zurückgezogen, kaum noch Zeichen pflanzlicher kebensthätigkeiten giebt, in Bezug auf die Rinde, die der Luft und dem Lichte hingegeben, den Laubcharaktrr nicht verkennen läßt, als das Niedere,

i65 Wurzelige.

Zwischen beyde stellt sich dann der Bast

als Las Vermittelnde, wodurch er sich die Stengelbe­ deutung erringt. 2tnm. Kiefer

ist über den Rang dieser „innern Organe"

anderer Meinung.

„Der Holzkörper ist das Luft- und Licht-

organ der innern Pflanze" und der Rindenkörper ist daö Erdund Wafferorgan" sagt derselbe *), sich vorzüglich

auf die

phytotomische Untersuchung stützend, die den Holzkörper aus Spiralgefäßen und langgestreckten Zellen, den Rindenkörper aus Rindenzellen bestehend, nachweist.

Dies ist allerdings

ein wichtiger Grund, das Holz höher als die Rinde zu stel­ len.

Allein was hat das Holz mit der Luft und dem Lichte

zu thun?

Diesen beyden ist offenbar die Rinde, wenigstens

die des Stammes hingegeben, und insofern entspricht sie dem Laub, gleich diesem auch Luft- und Lichtstoffe (Farben, Ge­ würze, sogenannte Harze, ätherische Oele rc.) zeugend. müssen daher

dieser Analogie mit

Wir

dem Blatte halber die

Rinde höher als das Holz achten, zumal wenn die Rinde, was wahrscheinlich ist, auch athmet und das Holz nur ein­ saugt.

Die Pflanzenchemie mag es bey der Phytotomie, die

nicht ohne Grund die Spiralfaser als den edelsten Pflanzenhildungstheil ansieht, in Zukunft verantworten. — §♦

6?.

Nun läßt sich die Bedeutung der Organe des Blatt­ systems des Laubpflänzchens geben. In seinem Nieder­ sten wird der Wurzel- und Holzcharakter, in feinem Hähern die Laub- und Rindenfunktion wiederkehren. In seiner UnterflLche ist das erstere, inftiner Ober­ fläche das letztere verwirklicht. (Man denke hier an die entgegengesetzte Funktion beyder Flachen.) Der Blattstiel vermittelt durch seine ripplgen Verzweigun­ gen beyde Pole und ist daher das Stengelige und Va*) Elemente der Phytonomie. I. LH. 107. und 108.

Jena i8i5« !>•

3*-

§»

,66 stige In dieser Sphäre *).

Wegfq der Bezeichnung

der Stoffe aus den Blattoxganen sind wir also schon außer Sorge«: man wählt dieselbe, die sie oben (§. 67.) säe

die

Krautwurzel«

und Krautstengelorganenstoffe

gebraucht worden, mit Voranfetzung des fürs Blattsysiem schon In Anwendung gebrachten Ausdrucks: phy

(pbyllon.)

Es wird daher bezeichnet: 1. die Blattunterfläche, wegen der ihr zukommenden Holjbedeutung mit pby. xy. (phyllo- xylon);

2. der Blattstiel, als das die Indifferenz vermittelnde Bastbedeutende mit pby. bib. (phyllo.biblos.) und endlich 3. die Blattoberfläche, das Rindige des Blatt- mit

phy. phlo. (phyllo - phloios). Beyspiele.

Menyanth. trif. . pby. xy. - - t heißt Salz aus der

P

Blattunterfläche des Fieberkleekrautes.

,

Dätur str*

L , phy. phlo ; ;

, —; heißt Salz aus

der

Oberblattflache des StechapfelkrauteS. $*

64»

Dev männliche Theil der Blüte, (BlÜtenlaubfysiem, Stamen) scheidet sich ganz naturgemäß in drey Theile, sie find 1) die Anthere, 2) der Staubfa­ den, 3) das Wurzelende des Staubfadens (die De*) Dieses polare Verhalten der Blattorgan» hat Kieser(Ele­ mente der Phytonomie re. p. 34. §. 118 ) schon früher gcg«; den, es so darstellend: Llatt

i6?

Nennung hkefür fehlt). Wie betrachten sie als die Or, gane dieses Systems, über deren Rang kein Zweifel obwalten kann und somit auch nicht über ihre Bedeu­ tung. Die Anthere ist das Höchste, sie entspricht dem Blatt des Laubpflänzchrns und der Rinde des Wurzelund Stengelsystems eben dieses Pflänzchens. Die Stavbfadenwurzel, die sich in die Blüt-nwurzel (Rezeptakylum, Kelch oder Corolle) versenkt und also alS der Träger und das Ernährende des ganzen Blütenlaub­ systems erscheint, ist das Niederste und wiederholt das Wurzelige und Holzige auf dieser Stufe. Der Staub­ faden vereinigt wiederum beyde wie der Krautstengel, Wurzel und Blatt, wie der Bast Holz und Rinde. Er hat also Bastbedeutung. Der weibliche Blütentheil (Blütenstengelsystem, Pistillum) muß sich als das. Vorbild des männlichen Theils, als das seine Entstehung vorbereitende, die pflänzlich - männliche Vollendung nicht erreicht habende System, gleichfalls dem Auge des Forschers als ein dreyorganigeü enthüllen. Der untere Theil des Griffels — wofür man fälschlich immer den Frucht­ knoten ansteht, der aber als „Fruchtknospe" (Cap. II. §. 24.) nichts mit den Organen des pflänzlich-weibli­ chen Systems zu schaffen hat — ist — der Staubfadenwurzel und theilt daher die gleiche Bedeutung mit dieser. Die Narb« ist der Gegensatz dieses Wurzelunb Holzbedeutenden; sie entfaltet sich ---- der Anthere der Luft und dem Lichte, ist daher daS Höchste, das Blatt- und Rindenbedeutende unter den Organen des weiblichen Systems. Der Griffel übernimmt auch hier wie der Staubfaden Stengelfunktion und verschmäht die Bastbedeutung nicht.

i68

§» 6?»

Auf diese Deutungen gestützt, find nun die Stoffe dieser Organe — an die doch auch einmal die Reihe kommen muß, analysirt und phytochrmisch untersucht zu werden — leicht zu bezeichnen, indem man die oben ($. 60. u, 63.) gebrauchten Ausdrücke xy. bib. und plilo. auch hier wieder in Anwendung bringt und durch Voransrtzen des das Pflänzchen und das System*) Be­ zeichnenden allen Forderungen genügt. Die Organe des männlichen Systems werden daher so bezeichnet: 1. das Holzbedeutende Organ (die Staubfadenwurzel mit A. phy. xy. (Antho - phyllo - xylo»); 2. das Bastbedeutende Organ (der Staubfaden) mit

A. phy.

-

-

;

bib. (Antho phyllo biblos)

3. das Rindenbedeutenbe Organ (die Anthere) mit A. phy. phlo. (Antho - phyllo - phloios);

Die Organe des weiblichen Systems folgen mit Namhaftmachung der weiblichen Abstammung **) dem­ selben Beyspiele: 1. das Holzbedeutende Organ (die Griffelwurzel): A. st. xy. (Antho - stelecho - xylon);

2. das Bastbedeutende Organ (der Griffel): A, st. bib. (Antho - stelecho - biblos);

Z. das Rindenbedeutende (die Narbe): A. st. phlo. (Antho - stelecho - phloios).

§. 66. Die Blütenwurzel hat uns wegen der Auffindung und Deutung ihrer Organe viele Mähe gemacht. End*) Man bemerk« hier, daß früher (Cap. II. §. 14 ) das m5nn.lidj)« Blütensystem mit: Anthophyllon bezeichnet wurde. **) Anthostelechos wurde oben das stengelbedcutende weibliche System genannt.

*6g lkch ist es uns ktar geworden, baß Kelch- und Blu­ menblätter (Corolle) wesentlich zu derselben gehören wd zwey ihrer Organe vorstellen, und daß das früher als Blätenwurzel aufgeführte Rezeptakulum (Cap. II. §. 14.) nicht die ganze Blätenwurzel, sondern nud ein Organ derselben ist. Die Deutung dieser Theile kann nicht schwer seyn, da hier die Gegensätze sich sehr klar auf plastische Weise ausgesprochen haben. Das Rezeptakulum und die Corolle sind der Form und den or­ ganischen Verrichtungen nach sich streng entgegenge­ setzt. Im Rezeptakulum waltet Stoff und Masse, eS ist das Ernährende für die andern auf ihm wuchern­ den Organe und Systeme, und verbirgt sich im Fin­ stern. Die Corolle, von ihm getragen wie die Narbe durch die Griffel-, die Anthere durch die Staubfaden­ wurzel (§, 64.) hat mit Form und Farbe eine höhere Ausbildung errungen und laßt nur noch aus ihre»; organischen Zusammenhange mit dem Rezeptakulum, den meistens der Kelch, dieses indifferrnziirende Glied beyder Pole, vermittelt, ihre ursprüngliche Beziehung erkennen.

DaS Blütenwurzelsystem bildet also ein eben

solches Ganze wie alle andern Systeme, es hat wie diese drey Organe und theilt auch eine denselben gleiche Bedeutung. Es ist daher 1. das Rezeptakulum als das Niederste der ganzen Blätenwurzel, dasjenige Organ, das der Wurzel des Laubpflanzchens und dem holzigen Organ der Laubpflänzchensysteme entspricht. Die Bezeich­ nung für die Stoffe des Rezeptakulums ist also diese:

A.

rh. xy. (Antho. rhizo- *) xylon) j

*) Man erinnere sich, daß für die Blütenwurzel der SunftauS» druck Antholing gegeben wurde (Cap. 17. §. 14)

17»

s. di« Corolle, das Organ, worin die Laub- und Riudenbedeutung auf Blätenwurzelpotenz wie­ derkehrt. Die Unterscheidung der Corollenstoffe kann daher auch nur eine ihrer Bedeutung ent­ sprechende seyn; sie bekommen daher den Ausdruck: j\. rh, phlo, (Antho- rhizso- phloios);

z der Kelch als Mittelglied, als daS die Stengel­ und Dastbedeutung habende; seine Stosse zeich­ nen sichrh. bib- (Antho- rhizo- bibloe.)

Beyspiele: Papav. somn. A .rh. phlo. 77-7-7-7-7—; heißt Salz aus den

Blumenblättern des Schlafmohns. Lilii halb. A . et. phlo. 777777-77;

heißt Salz aus der

Narbe der Feuerlilie.

A• phy.

Solan, tuber. phlo. ^TTTTTTTl > hktßt Salj ÜU$

-en Antheren der Erdtoffel. §. 67. Die Organe der Frucht- und Samrnsysteme fu* H«n sich, weil letztere eine mit den Systemen der an­ dern Pflänzchen gleiche Bedeutung theilen, denselben Gesetzen, indem auch in ihren organigen Zerfallungen ein Rindiges, Bastiges und Holziges wiederkehrt, so daß man ihre Stoffe eben so mit der von ihrer Be­ deutung hergenommenen Benennung bezeichnen kann. Es findet daher auch hier das phlo. bib. unb«xy. seine Anwendung, nur, wie sich von selbst versteht, mit gleich" zeitiger Bemerkung der fruchtigen oder sämigen Ab­ stammung durch die Zeichen: C und S t§. 56.)

*7* Ma« möge uns aber für dieses Mal die sperlrlle Anführung und Deutung der Frucht- und Samensy­ stemorgane erlassen, da diese verwickelten Bildungen sin sehr emsiges Studium erfordern, «he man es wa­ gen darf, über sie zu entscheiden. Anm. Ueber die Bezeichnung der den Geweben sCap.il. §. j6f.) eigenthümlichen Stoffe sagen wir hier nichts, indem noch man­ ches Jahrzehend hingehen mag, ehe es möglich teirb, die im isolirten Zustande zu analysiren.

§.

68.

Sehen wir nun am Schlüsse dieser Abhandlung «och einmal aufdas Vorhergegangene zurück, so dräng­ ten sich uns und vielleicht Jedem, der uns gefolgt ist, allerley Bedenken auf, die auf die Beantwortung der Frage bringen, wohin denn dies alles führen werde? Wir sind es unserer Wissenschaft,

über deren Stand

Im Reiche der Naturkunde man durchaus noch nicht im Klaren ist, schuldig zu antworten.

DemOrykto»

Chemiker mag bey solcher Erweiterung der Pflan­ zenchemie, die es sich als Gesetz vorschreibt, dem Stoff» Verhältniß

eines jeden,

noch so winzig scheinenden,

Pflanzentheils nachzuspüren, allerdings etwas unheim­ lich zu Muthe werden, denn sie droht, ihn, der an dev East der Unendlichkeit der oryktochemischen Objekte er, wenn auch fürs erste nur in der spekulativen Betrachtung btgin# neu, |gtntt man Rechenschaft über fein ExtraktionSvers *) «ether bedeutet immer TchwefelLther. Stoeott titfwinfl.

M

178 fahren von ihm fordert. —

Behandelt man irgend

«inen Pflanzrnthril mit den drey Lösungsmitteln, so wird ein sehr beträchtlicher Theil von denselben auf, genommen (ausgezogen), aber ein eben so beträchtlicher bleibt als sogenannte Faser rc. zurück.

Diese

Faser

hat man in Bezug auf den Lösungsprozeß ganz ver­ kannt, und ihre Bedeutung für die Theorie des kösens nicht geahnet.

Die Faser rc. ist aber das für den Lö-

fungs-, was der Koth für den Dauungsakt, nicht ein indifferent «nd todt Zurückbleibendes, sondern ein Produkt.

Die Faser rc. ist nicht bas, was die Lö­

sungsmittel ungelöst liegen lassen, also gleichsam umgehe», sondern bas von denselben durch Wahlver­ wandtschaft

Abgeschiedene,

Ausgestoßene;

eben weil beyde Theile, das Gelöste und Ungelöste (dir Stoffe und die Faser rc.) in dem behandelten Psianzentheil ursprünglich als Einheit innig verbunden, betrach­ tet werden müssen.

Die Zellwände eines Pflanzenor­

gans habe« keinen wtllkährktchen oder zufälligen In­ halt, sondern einen

bey ihrer Entstehung durch die

Wände selbst geforderten, durch sie beding­ ten; und umgekehrt ist, weil alles wechselseitig gilt, die Zellwand abhängig von ihrem Inhalt, ein durch ihn Bestimmtes.

Wenn nun ein Lösungsmittel auf

den Zellinhalt wirkt und diese« kn sich aufzunehmen strebt, so muß es nothwendig, wegen des genetischen Zusammenhangs desselben mit der Zelle, auch auf diese einwirken, um den Einfluß, den dieselbe auf ihren In­ halt Übt, aufzuheben, gerade so, wie wenn eine Säure der ander« die Base nehmen will, sie nicht blos auf die anzueignende Base, sondern auch auf die Saure einwirken, sie abstoßen muß, die diese Base an sich H1*'

179 Das Stiftn des Zellinhalt- wird daher nur durch gleichzeitiges Abscheiden und Austreiben des

Gegen­

satzes, der Zellwand möglich wie bey Zerlegung jeder andern chemischen Verbindung.

Noch klarer und an­

schaulicher kehrt dasselbe bey der Zellfaser wieder, die kn ihrem Vorkommen an der Peripherie der Pflanze meistens in schönen Farben erscheint.

Die Farbstoffe

stehen nun gleichfalls mit der Faser in genetischer Be­ zeichnung und stellen mit ihr Verbindungen dar, deren Wesen nur durch die Namhaftmachung derselben als Pflanzensalze bezeichnet werden kann.

Die- bestä­

tigt sich auch gleich bey näherer Betrachtung ihres che­ mischen Verhaltens.

Aus einer gefärbten Pflanzen­

faser kann man nur mit Wasser, aus der andern nur mit Alkohol, aus der dritten nur mit Saure oder Saugen die Farbe herausziehen, die einmal ausgezogen, sich nun nicht selten in den Mitteln löst, die zu ihrer Extraktion unfähig waren.

So lösen sich viele, nue

durch Säuren oder Laugen abscheidbare Farbstoffe, ein­ mal abgeschieden und von der Saure oder der Lauge befreyt, auch im Wasser, Alkohol rc., was früher nicht anging.

Diese Thatsachen, die sich jedem Experimen­

tator ohne Weiteres ergeben, zeugen nun offenbar von dem wichtigen Einfluß der (unlösbaren) Faser auf den (lösbaren) Farbstoff. In Fällen, wo nur Säuren ober Laugen die Farbe abscheiden,

ist die Verwandtschaft (die wechselseitige

Einwirkung) zwischen Faser und Farbe größer al- die der Farbe zu Wasser oder Alkohol, so daß letztere di« Faser nicht austreibr« und sich mit der Farbe nicht derbindrn können; ist aber durch Säure oder

Lauge

(differentere chemische Faktoren) die Faser-, FarbverM a

180

bkndung erst zerlegt, dann üben Alkohol und Wasser ihren Einfluß auf die Farbe (lösen sie), weil die ihnen früher entgegengesetzt gewesene Faser nun entfernt ist. — Dasselbe gilt nun auch von allen übrigen (unge­ färbten) Pflanzenstoffvrrbindungen. Wer erkennt nicht, daß mit diesem wenigen zugleich die ganze Theorie der Färberey ausgesprochen ist, indem der Färber nichts weiter thut, als daß er von den Lösungsmitteln rc. unzerlegbare (in ihnen unlösliche, also „ächte) ge­ färbte Pflanzen- und Thierfasersalze bildet. Die getrappte Leinwand ist daher ein Salz im streng­ sten Sinne des Wortes, erzeugt durch Wahlverwand­ schaft: die Flachsfaser stößt, sich färbend, die Krapp­ faser ab, die entfärbt, aus ihrer ursprünglichen Ver­ bindung mit der Krappfarbe, ausgeschieden wird. So findet auch hier nur ein Austausch statt, der durch Beizen (andere Salze) mannigfaltig unterstützt und mo, difizirt wird. (Vergl. Cap. v. Curcuma - und Rhabarbrrfarbe.) §»



Hienach ist nun jeder zu eptrahirenbe Pflanzentheil zu betrachten als «ine Aggregation verschiedener Zell-, Spiral- rc. Faserfalze, die alle, um zerlegt, d. i. extrahirt zu werden, ihre specifischen Faktoren fordern. Dort weicht die Faser nur dem Wasser, hier auch dem Alkohol, und jene Verbindung laßt sich außer durch diese beyde auch durch Aether zerlegen — oder was damit gleichzeitig gegeben ist, ist dieser Stoff nur al­ lein bezwingbar durch Wasser, jener unterwirft sich ne­ ben dem Wasser auch dem Alkohol, und endlich fügt sich ein dritter allen dreyen, nemlich auch dem Aether. — Auf dies specifische Verhältniß, wozu die Thatsa-

i8i

ch