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German Pages 263 [264] Year 2017
Schubert Vom Konzessions- zum Normativsystem Materialien zur Aktienrechtsnovelle 1870 ZGR-Sonderheft 21
Begründet von Marcus Lutter und Herbert Wiedemann Herausgegeben von Alfred Bergmann, Holger Fleischer, Wulf Goette, Heribert Hirte, Peter Hommelhoff, Gerd Krieger, Hanno Merkt, Christoph Teichmann, Jochen Vetter, Marc-Philippe Weller, Hartmut Wicke
Sonderheft 21
Werner Schubert
Vom Konzessionszum Normativsystem Materialien zur Aktienrechtsnovelle 1870
Prof. Dr. Werner Schubert, Universität Kiel
Zitiervorschlag: Schubert, Vom Konzessions- zum Normativsystem, S.
ISBN 978-3-11-053624-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-053875-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-053854-0 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Datenkonvertierung/Satz: Satzstudio Borngräber, Dessau-Roßlau Druck und Bindung: Druckerei Hubert & Co GmbH und Co KG, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort Vor 150 Jahren fanden im preußischen Innenministerium erste Überlegungen statt, das Erfordernis der Konzessionierung der Aktiengesellschaften aufzugeben und in diesem Zusammenhang die wenigen Normativbestimmungen des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs von 1861 zu erweitern sowie zusammen mit dem Genossenschaftsgesetz von 1868, der Gewerbeordnung von 1869 und der Übernahme des ADHGB als Bundesgesetz einen einheitlichen, denselben rechtlichen Regeln unterworfenen norddeutschen Wirtschaftsraum zu schaffen. Die Aktienrechtsnovelle kann das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, mit dem Konzessionsprinzip gebrochen zu haben. Levin Goldschmidt sprach insoweit von einem polizeilichen und juristischen „Zopfthum“, das Frankreich und England bereits überwunden hätten. Bald nach dem Inkrafttreten der aus den Beratungen unter den preußischen Ministern, des Bundesrats und des Reichstags hervorgegangenen Aktienrechtsnovelle von 1870 kam es in Deutschland zu einem beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung durch die Gründung zahlreicher Aktiengesellschaften, bald darauf aber auch zu einer Krise des Aktienmarkts. Eine Rückkehr zum Konzessionssystem wurde von keiner Seite empfohlen, wohl aber bereits 1873/74 auf längere Sicht ein Ausbau der Normativbestimmungen befürwortet. Die Aktienrechtsnovelle 1870, die dem „freiheitlichen Zug“ auf dem Gebiet des Gewerbe- und Gesellschaftsrechts folgte und zum Ausgangspunkt des modernen deutschen Aktienrechts wurde, verdient, ebenso wie bereits das Aktiengesetz von 1884 (Sonderheft 4, hrsg. von P. Hommelhoff und mir, 1985), eine eigene Quellenund Materialiensammlung. Großer Dank gebührt den Herausgebern der Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, die Sammlung der wichtigsten Materialien zur Aktienrechtsnovelle von 1870 und zu deren erster Praxis in die Sonderhefte der ZGR aufgenommen zu haben, und ebenso dem Verlag De Gruyter für die Übernahme der Quellenedition in sein Verlagsprogramm. Kiel, im Februar 2017
Werner Schubert
Inhaltsverzeichnis Einleitung I. Zum Umfang der Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Der preußische Aktiengesetzentwurf von 1869 . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 III. Die Beratungen des Bundesrats (1869/70) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 IV. Die Diskussion über eine Reform des Aktienrechts von 1870 in den Jahren 1873/74 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 V. Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 VI. Kurzbiografien der an der Aktienrechtsreform hauptsächlich beteiligten Minister und Ministerialbeamten sowie der Mitglieder des Justizausschusses des Bundesrates . . . . . . . 15 Erster Teil. Aktienrecht des ADHGB von 1861 (Art. 173–249) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Zweiter Teil . Die preußischen Entwürfe zu einer Aktienrechtsnovelle (1868/69) . . . . . . . . . 35 I. Entwurf des preußischen Handelsministers v. Itzenplitz vom 19.9.1868 zu einer Aktienrechtsnovelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Text des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Übersendungsschreiben [nur teilweise wiedergegeben] des preußischen Handelsministers vom 19.9.1868 . . . . . . . . . . . . 39 II. Stellungnahme des Justizministers Leonhardt vom 27.10.1868 . . . . 41 III. Stellungnahme des Innenministers Graf zu Eulenburg vom 14.11.1868 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 IV. Die Einbringung des preußischen Entwurfs zu einer Aktienrechtsnovelle (Bundesrats-Drucksache 86/1869 vom 31.5.1869) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Text des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Übergangsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle im Bundesrat (1869/70) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Schreiben des Hanseatischen Ministerresidenten Krüger vom 16.12.1869 über die Sitzung des Justizausschusses vom 15.12.1869 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Bericht des Ausschusses für Justizwesen des Bundesrates vom 5.3.1870 über den Entwurf eines Gesetzes über die Aktiengesellschaften im Gebiete des Norddeutschen Bundes von 1869 (BR Ds. 28/1870 vom 5.3.1870) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
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III. Einbringung des durch Preußen abgeänderten Entwurfs zu einer Aktienrechtsnovelle in den Bundesrat durch den Reichskanzler am 13.4.1870 (Nr. 56/1870 der Ds. des Bundesrates) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Text des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Zusammenstellung der Bemerkungen der Bundesregierungen zu dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktiengesell schaften im Gebiete des Norddeutschen Bundes (Nr. 56 der Drucksachen des Bundesrats) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. Anhang: Stellungnahme des Hamburger Senats vom 15.9.1869 . 114 Anlagen zur Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Gutachten der Handelskammer vom 9.7.1869 . . . . . . . . . . 116 b) Gutachten des Handelsgerichts vom 4.9.1869 . . . . . . . . . . . 118 c) Gutachten des Obergerichts vom 13.9.1869. . . . . . . . . . . . . 129 4. Schreiben des Hamburger Bevollmächtigten zum Bundesrat Kirchenpauer vom 26.4.1870 über die Beratungen des Justizausschusses des Bundesrates vom 26.4.1870 . . . . . . . . . . . . . 137 IV. Bericht des Ausschusses für Justizwesen vom 1.5.1870 über den Entwurf zu einer Aktienrechtsnovelle (Bundesrats-Drucksache 62/1870) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Bericht vom 1.5.1870 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Kommandit Gesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften . . . . . . . 151 V. Protokolle des Bundesratsplenums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Protokoll der Sitzung von 9.5.1870 (§ 193 der Protokolle von 1870) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Bericht des Hamburger Bevollmächtigten Kirchenpauer über die Beratungen am 9.5.1870 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3. Protokoll der Sitzung vom 8.6.1870 (§ 232 der Sitzung) . . . . . . . 164 Vierter Teil. Art. 173–249 a des HGB in der Fassung der Aktienrechtsnovelle vom 11.6.1870 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Fünfter Teil. Stellungnahmen zur Aktienrechtsnovelle von 1870 und Reformvorschläge (1873/74) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 I. Vorschläge der preußischen Kommission vom 12.11.1873 zur Untersuchung der Missstände im Eisenbahnkonzessionswesen 181 II. Vorschläge von Verbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Beschlüsse des Deutschen Juristentags (August 1873) . . . . . . . 186 b) Resolution des Vereins für Socialpolitik (12./13.10.1873) . . . . 186
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III. Stellungnahmen aus den Bundesstaaten (1873/74) . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Schreiben des preußischen Handelsministers Achenbach an sämtliche Handelskammern und kaufmännische Korporationen vom 28.5.1873 (Auskunftsersuchen zum Aktienrecht) . . . . . . . . . 187 2. Stellungnahme des Königreichs Sachsen vom 20.6.1873 . . . . . . . . 190 3. Stellungnahme Bremens vom 11.10.1873 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4. Stellungnahme des preußischen Handelsministers von Achenbach 28.11.1873 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 5. Stellungnahme des Hamburger Senats vom 15.4.1874 . . . . . . . . . 212 6. Votum des preußischen Justizministers Leonhardt vom 5.5.1874 220 7. Stellungnahme des Kgl. Bayerischen Staatsministeriums des Kgl. Hauses und des Äußern vom 30.5.1874 . . . . . . . . . . . . . . 233 8. Votum des preußischen Innenministers Eulenburg vom 5.8.1874 242 IV. Bericht des Ausschusses für Justizwesen vom 9.6.1874 (Zeitpunkt der Aktienrechtsreform) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Quellennachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
Einleitung I. Zum Umfang der Edition Mit der Aktienrechtsnovelle vom 11.6.1870 hat der Gesetzgeber des Norddeutschen Bundes das Konzessionssystem aufgegeben und durch ein Normativsystem ersetzt. Diese „Richtungsentscheidung“1 ist auch heute noch grundlegend für das moderne deutsche Aktienrecht, das im Aktiengesetz von 1884 eine weitere, detailliertere Ausformung erhielt. Der vorliegende Band verfolgt als Ziel die Wiedergabe der relevanten Materialien zur Aktienrechtsnovelle von 1870. Nach dem Abdruck des Aktienrechts des ADHGB (Art. 173–249) folgen im zweiten Teil der Aktienrechtsentwurf des preußischen Handelsministers Itzenplitz vom September 1868 sowie die Stellungnahmen der preußischen Minister für Justiz und Inneres. Den Abschluss des zweiten Teils bildet der am 31.5.1869 von Bismarck im Bundesrat eingebrachte „Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktiengesellschaften im Gebiete des Norddeutschen Bundes“. Im dritten Teil der Edition wird die Befassung des Bundesrats mit dem preußischen Entwurf bis zur Verabschiedung der Aktienrechtsnovelle am 7.5.1870 dokumentiert. Außer den knappen Ergebnisprotokollen des Bundesrats werden mitgeteilt der auf Wunsch des Bundesrats umgearbeitete preußische Entwurf, der in der Bundesratsdrucksache 56/1870 vom 13.4.1870 enthalten ist. Diese Drucksache vermittelt in der Zusammenstellung der Bemerkungen der Bundesregierungen zu der Vorlage von 1869 einen detaillierten Überblick über die Stellung der einzelnen Bundesstaaten zur Aktienrechtsreform. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang vor allem die ablehnende Stellungnahme Hamburgs, die zusätzlich durch den Abdruck der Hamburger Originaldokumente dokumentiert wird. Mit der Drucksache 62/1870 vom 1.5.1870 unterbreitete der Justizausschuss dem Plenum des Bundesrats seine Änderungsvorschläge zum Entwurf mit einer Neufassung der zu ändernden Regelungen. Der Bundesrat verabschiedete Aktienrechtsnovelle am 9.5.1870 nach einer kontroversen Abstimmung. Da über die Beratungen im Justizausschuss des Bundesrates und über die Beratungen im Plenum nur sehr knappe Ergebnisprotokolle vorliegen, werden zusätzlich die Berichte der Berliner Vertreter der Hansestädte über den Beratungsverlauf mitgeteilt. Nicht mehr dokumentiert werden die Beratungen im Reichstagsplenum, dessen Protokolle allgemein zugänglich sind. Die wenigen Änderungen der Vorlage durch den Reichstag sind kenntlich gemacht im Abdruck der Aktienrechtsnovelle vom 11.6.1870 im vierten Teil der Edition. Im fünften Teil der Edition wird die durch die sog. Gründerkrise ausgelöste Debatte über eine Reform des Aktienrechts von 1870 dokumentiert. Hierzu gehören einmal die Vorschläge des Deutschen Juristentages und des Vereins für Socialpolitik sowie der preußischen Eisenbahnkommission von 1873. Sodann werden mitgeteilt die 1 Jan Lieder, in: Aktienrecht im Wandel, hrsg. von Walter Bayer und Mathias Habersack, Bd. 1, Tübingen 2007, 321 (Rdn. 2), hier auch eine ausführliche Darstellung der Entstehung und zum Inhalt der Aktienrechtsnovelle von 1870; zu dieser Novelle auch Verf., ZGR 1981, 285 ff.
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Einleitung
vom Reichskanzler im April 1873 erbetenen Stellungnahmen zur Praxis und Reform des Aktienrechts von 1870, und zwar die Voten der preußischen Minister für Handel, Justiz und Inneres sowie die Stellungnahmen von Hamburg, Bayern, Sachsen und Bremen. Das vorläufige Ende der Reformdiskussion brachte der Beschluss des Bundesrates vom 22.6.1874, die Aktienrechtsreform mit der Revision des Handelsgesetzbuchs zu verbinden, für die ein Termin damals noch nicht absehbar war.
II. Der preußische Aktiengesetzentwurf von 1869 Das ADHGB erforderte für die Errichtung von Aktiengesellschaften und KGaA die staatliche Genehmigung (Art. 174, 207)2. Nach Art. 249 Abs. 1 blieb es den Landesgesetzen vorbehalten zu bestimmen, „dass es der staatlichen Genehmigung zur Errichtung von Aktiengesellschaften im Allgemeinen oder von einzelnen Arten derselben nicht bedarf.“ Außerdem blieb es den Landesgesetzen vorbehalten, die in dem Art. 222 bestimmte Höhe der Mindesteinzahlung von 40% des Nominalbetrags der Aktien durch den Zeichner der Aktie bis auf 25% herabzusetzen und die in Art. 239 bestimmte Frist zur Vorlegung der Bilanz bis zu 12 Monaten seit Ablauf des Geschäftsjahres auszudehnen. Preußen beließ es für die Aktiengesellschaften bei der Regelung des ADHGB und befreite lediglich die KGaA von dem Erfordernis der staatlichen Genehmigung. Mit dem Inkrafttreten des ADHGB traten anstelle der Bestimmungen des preußischen Aktiengesetzes vom 9.11.1843 für Aktiengesellschaften3, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens in Handelsgesellschaften bestand, die Art. 207 ff. ADHGB. Für Aktiengesellschaften, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgesellschaften bestand, erging unter dem 15.2.1864 ein eigenes Gesetz, das einige Bestimmungen des Aktienrechts des ADHGB modifizierte. Von einer Genehmigung von Aktiengesellschaften sahen „von vorn herein“ ab die Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg sowie Oldenburg, ferner Baden und Württemberg und das Königreich Sachsen. Das Hamburger Einführungsgesetz zum ADHGB vom 22.12.18654, das die Errichtung sämtlicher Aktiengesellschaften freigab, verlangte eine Genehmigung des Senats, wenn die Zeichner von Aktien nicht auf 40%, sondern nur auf 25% des Nominalbetrags der Aktien haften sollten (Art. 26). Ferner wurde die Frist auf Vorlegung der Bilanz von sechs auf zwölf Monate ausgedehnt. Die Initiative zur Aktienrechtsnovelle von 1870 ging aus vom preußischen Handelsminister Graf Heinrich Friedrich von Itzenplitz, der unter Hinweis auf die Freigabe der Aktiengesellschaften insbesondere in den norddeutschen Küstenstaaten dies
2 Zum Aktienrecht des ADHGB Louis Pahlow, aaO. (Fn. 1), 237 ff. 3 Zu diesem Gesetz Erich Kießling, aaO. (Fn. 1), 192 ff. Quellen zu diesem Gesetz bei Theodor Baums, Gesetz über die Aktiengesellschaften für die Kgl. Preußischen Staaten vom 9. November 1843, 1981. 4 Sammlung der Verordnungen der freien Hanse-Stadt Hamburg, 1866, 533 ff., 426.
II. Der preußische Aktiengesetzentwurf von 1869
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auch für Preußen vorschlug5. In seinem Votum vom 26.1.1868 schlug er seinen Ministerkollegen für Justiz, Inneres und Landwirtschaft vor, das Erfordernis der staatlichen Genehmigung für Aktiengesellschaften aufzugeben und stattdessen weitere Normativbestimmungen vor allem nach dem Vorbild des französischen Aktiengesetzes vom 24.7.1867 in das ADHGB einzufügen. Im Vorfeld hatte Itzenplitz von zwei Räten seines Ministeriums Gutachten über eine eventuelle Freigabe der Aktiengesellschaft erstatten lassen. In einem Votum vom 24.6.1867 sprach sich Paul Eck (1838–1901)6 für den Fortfall der staatlichen Genehmigung innerhalb des Norddeutschen Bundes aus. Die von Eck hierfür gegebene Begründung wurde im Wesentlichen in die Voten des Handelsministers vom 26.1.1868 sowie vom 12.9.1868 und von da in die Motive des Gesetzentwurfs übernommen. Der zweite Gutachter, der Vortragende Rat im Handelsministerium und spätere Handelsminister Karl v. Achenbach kam in seinem Gutachten vom 27.7.1867 zum gegenteiligen Ergebnis7: Preußen habe sich erst vor wenigen Jahren für die Staatsgenehmigung eingesetzt. Seitdem hätten sich die Verhältnisse nicht so grundlegend gewandelt, dass eine „zwingende Veranlassung“ vorläge, mit einer solchen Änderung voranzugehen. Es ließe sich nicht verkennen, dass die Staatsgenehmigung „bei einer gerechten und umsichtigen Handhabung dieses Rechtes, wie dies in Preußen der Fall ist, die Entwickelung und freie Entfaltung des Verkehrs weit weniger beengt, als die Aufstellung bestimmter Normen“. Auch sei die völlige Freigabe von Inhaberaktien nicht unbedenklich. v. Achenbach schlug vor, den Wegfall der Staatsgenehmigung lediglich langfristig zu planen und die dafür notwendigen Änderungen des ADHGB gründlich vorzubereiten. Für den Fall, dass man sich schon jetzt für die Freigabe der Aktiengesellschaften entscheide, solle man sich lediglich auf „Garantien der Öffentlichkeit“ beschränken, und von allzu detaillierten Normativbestimmungen absehen, durch die weder ein Fortschritt erzielt, noch eine dauernde Gesetzgebung geschaffen werde. Da die drei von Itzenplitz angeschriebenen Minister seinem Vorhaben sofort zustimmten, unterblieb in der Folgezeit eine kritische Auseinandersetzung mit den Grundsatzfragen. v. Itzenplitz beauftragte alsbald den Geheimen Oberregierungsrat Karl Jacobi mit der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs, der am 12.9.1868 an die beteiligten Ministerien übersandt wurde. Der von Jacobi aufgestellte Entwurf8 sah eine Änderung des ADHGB insofern vor, dass nur Teile des Aktienrechts dieser Kodifikation aufgehoben werden und an deren Stelle neue Bestimmungen treten sollten, die nicht in das ADHGB eingearbeitet waren. Nach § 4 des Entwurfs sollte der Gesellschaftsvertrag
5 Hierzu und zum Folgenden Verf., aaO. (Fn. 1), 292 ff. und die Aktie des preuß. Handelsministeriums im Geh. StA Berlin-Dahlem, Rep. 120 II a, 12 II a, Nr. 1 vol. 5, hier auch die im Folgenden zitierten Gutachten von Eck und Achenbach. 6 Eck trat nach dem Assessorexamen (1865) sofort in das preuß. Handelsministerium ein; danach 1866 Habilitation an der Univ. Berlin; 1872 o.Prof. in Gießen, zuletzt in Berlin (vgl. Stintzing/Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abs. 3, Hbd. 2, Noten, 1910, 360 f.). 7 Zu Achenbach unten S. 15. 8 Unten S. 35 ff. wiedergegeben.
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Einleitung
u.a. bestimmen, dass ein Aufsichtsrat von mindestens fünf Mitgliedern aus der Zahl der Aktionäre durch Wahl derselben bestellt werden sollte. Bei der Anmeldung der Aktiengesellschaft zum Handelsregister war nachzuweisen, dass mindestens 10% des von jedem Aktionär gezeichneten Betrags eingezahlt waren. Der Gesellschaftsvertrag war im Amtsblatt auf Kosten der Gesellschaft zu veröffentlichen. Inhaberaktien mussten auf einen Betrag von mindestens 200 Vereinstalern lauten. Die Nominalhöhe der Aktien sollte während des Bestehens der Gesellschaft weder verändert noch erhöht werden. Nach § 12 des Entwurfs hatte der Vorstand in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres die Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres zu veröffentlichen. Anleihen, die lediglich zur Deckung laufender Ausgaben dienten, sollte der Vorstand ohne Beschluss der Generalversammlung aufnehmen dürfen. Verstöße des Aufsichtsrats und des Vorstandes gegen die wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes waren mit Gefängnis bis zu drei Monaten zu ahnden. Der Justizminister Leonhardt stellte in seinem Antwortschreiben vom 27.10.1868 anheim, den Mindestbetrag der Inhaberaktien auf 100 Vereinstaler festzusetzen und für die Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister eine höhere Einzahlung als 10% des von jedem Aktionär gezeichneten Betrags zu verlangen. Für „sehr bedenklich“ hielt er das unbedingte Verbot einer Dividendenzahlung, solange das Grundkapital nicht vollständig eingezahlt war. Die Zulassung einer allmählichen Amortisation werde sich nicht ganz ausschließen lassen. Endlich empfahl Leonhardt entsprechend dem französischen Aktiengesetz von 1867 noch die Aufnahme einer Bestimmung, nach der eine gewisse Anzahl von Aktionären für legitimiert erklärt werden sollte, „gemeinschaftlich oder durch Mandatare die Rechte der Gesellschaft gegen Vorstand und Verwaltungsrat namentlich auch bei Gericht geltend zu machen.“ Auch der Landwirtschaftsminister v. Selchow9 billigte den Entwurf im Wesentlichen, wollte aber für gemeinnützige Aktiengesellschaften Aktien mit einer Nominalhöhe von mindestens zwanzig Talern zulassen. Auch das Verbot, die Nominalhöhe während des Bestehens einer Gesellschaft zu ändern, wollte er nicht uneingeschränkt gelten lassen. Der Innenminister schlug in seinem Votum vom 14.11.1868 zu § 13 des Entwurfs vor, der Verwaltung Anleihen zur Deckung laufender Ausgaben auf 5% des eingezahlten Grundkapitals zu beschränken. Außerdem hielt er es für geboten, bestimmte Grundsätze für die Rechnungslegung und Bilanz aufzustellen. Nach kommissarischen Beratungen zwischen den beteiligten Ministern wurde der abgeänderte Entwurf vom preußischen Staatsministerium im Dezember 1868 genehmigt10. Die Vorlage blieb in seiner äußeren Anlage – keine Einarbeitung der neuen Normativbestimmungen in das Aktienrecht des ADHGB – bestehen. Die Nominalhöhe der Inhaberaktien wurde auf 100 Vereinstaler festgesetzt. Das Verbot des Ankaufs eigener Aktien oder deren Amortisation sowie das Verbot von Dividendenzahlungen, sofern dadurch die Einlage vermindert wurde, wurde entgegen dem Vorschlag des Justizministers nicht gelockert. Die Darlehensaufnahme zur Deckung laufender 9 Werner von Selchow (1806–1884), Landwirtschaftsminister von 1862–1873; zum Folgenden Verf., aaO. (Fn. 1), 295 f. 10 Zum Folgenden Verf., aaO. (Fn. 1), 295 f.
III. Die Beratungen des Bundesrats (1869/70)
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Ausgaben wurde auf 5% des eingezahlten Grundkapitals beschränkt. Nicht übernommen wurde der Vorschlag des Landwirtschaftsministers, das Verbot, die Nominalhöhe der Aktien während des Bestehens der Gesellschaft zu ändern, einzuschränken. Das Gleiche galt für den Vorschlag des Justizministers, einer Mindestzahl von Aktionären zu gestatten, Ansprüche gegen die Verwaltung geltend zu machen. Entsprechend dem Vorschlag des Innenministers waren in § 12 des neuen Entwurfs Grundsätze für die Aufstellung der Bilanz enthalten. Statt der vorgesehenen Gefängnisstrafe von bis zu drei Monaten sollte bei mildernden Umständen auch auf eine „Geldbuße“ von bis zu 1000 Talern erkannt werden dürfen.
III. Die Beratungen des Bundesrats (1869/70) Der preußische Aktiengesetzentwurf wurde am 31.5.1869 von Bismarck im Bundesrat des Norddeutschen Bundes mit ausführlichen Motiven eingebracht11. Am 3.7.1869 forderte der Bundesrat die Bundesregierungen auf, sich über den preußischen Gesetzentwurf zu äußern12, „namentlich in der Richtung, ob die Grundsätze, auf welchen der Entwurf beruht, sowie die in dem letzteren enthaltenen speziellen Vorschriften in Rücksicht auf die in den einzelnen Staaten bestehenden Einrichtungen und geltenden Gesetze zu Bedenken Anlass geben und ob und welche Ergänzungen und Änderungen des Entwurfs dieserhalb erforderlich erscheinen“. Bis Dezember 1869 gingen zum Teil ausführliche Gutachten beim Reichskanzleramt ein, und zwar insbesondere aus den Hansestädten, dem Königreich Sachsen und den thüringischen Staaten sowie aus Braunschweig. Von besonderem Interesse ist das ablehnende Votum des Hamburger Senats zusammen mit den Stellungnahmen des Handelsgerichts, der Handelskammer und des dortigen Obergerichts13. Der Justizausschuss vertagte sich nach einer ersten Besprechung am 15.12.186914 bis zur Wiedereinberufung des Bundesrats und empfahl dem Bundesratsplenum unter dem 5.3.187015, alle auf das preußische Recht sich beziehende Vorschriften aus dem Entwurf auszusondern und im Entwurf alle Aktiengesellschaften zu berücksichtigen. Die Normativbestimmungen des ADHGB sollten beseitigt oder geändert werden, bei denen „eine Beseitigung oder Änderung nach Maßgabe der eingegangenen Bemerkungen für zulässig zu halten sei“. Die dahingehende Beschlussfassung des Bundesrats erfolgte am 9.3.187016. Bereits unter dem 13.4.1870 brachte Delbrück in Vertretung des Reichskanzlers den umgestellten und abgeänderten Entwurf im Bundesrat ein17. Die Normativbestimmungen waren, „soweit dies thunlich erschien“, auf ein „geringeres Maß“ zurückgeführt worden. Allerdings waren die Änderungen gegenüber dem Entwurf von 1869 11 Unten S. 47 ff. wiedergegeben. 12 Protokoll des Bundesrats 1869, § 319. 13 Unten S. 116 ff. abgedruckt; die weiteren Gutachten im BA Berlin, R 1401/674. 14 Hierzu den Bericht des Hanseatischen Residenten Krüger unten S. 75 ff. 15 Unten S. 77 ff. 16 Protokoll des Bundesrates von 1870, § 91. 17 Drucksache des Bundesrats 62/1870 (unten S. 77 ff. wiedergegeben).
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Einleitung
nur geringfügig. In Art. 209 a wurde neu bestimmt, dass, wenn der Gesellschaftsvertrag zwischen sämtlichen Aktionären geschlossen worden war, eine Generalversammlung nach der Zeichnung der Aktien nicht stattzufinden brauchte. Gleiches sollte auch für den Fall der Sachgründung gelten (Art. 209 b Abs. 2). Eine Amortisation eigener Aktien sollte nunmehr zulässig sein, wenn dies im Gesellschaftsvertrag zugelassen war (Art. 215 Abs. 3 S. 2). Hinsichtlich der Aufnahme von Anleihen sollte die Regelung des § 14 des früheren Entwurfs dahin erweitert werden, dass die Aufnahme von Anleihen sollte erfolgen können, wenn die Generalversammlung hierzu ein für alle Mal oder für den besonderen Fall die Genehmigung erteilt hatte (Art. 231 Abs. 2). Endlich war für einen Vertrag zwischen Mitgliedern des Aufsichtsrats und der Gesellschaft nicht mehr unbedingt eine Genehmigung der Generalversammlung erforderlich. Vielmehr sollte der Gesellschaftsvertrag bereits „ein Anderes“ bestimmen können (Art. 225 b Abs. 1). Der Justizausschuss des Bundesrates beriet über den Entwurf am 25./26.4.1870 und erstattete unter dem 1.5.1870 seinen Bericht, dem eine Neuredaktion der geänderten Bestimmungen beigefügt war18. Hamburg war im Ausschuss zwar nicht vertreten, jedoch gingen die Anträge Lübecks mit den Wünschen Hamburgs völlig konform. Der Ausschussbericht stellte zunächst die Standpunkte der Majorität und der Minorität im Allgemeinen gegenüber. Die wichtigsten Ergebnisse der Beratungen waren folgende: Mit 3 gegen 2 Stimmen wurde zu Art. 207 a Abs. 1, 2 beschlossen, dass für die Aktien kein Minimalsatz festgesetzt werden sollte. Nicht durchsetzbar war der Wunsch der Hansestädte, die Regelung des Art. 207 a Abs. 3 aufzugeben, wonach der Nominalbetrag der Aktien weder erhöht noch vermindert werden durfte. Keinen Erfolg hatte Lübeck auch mit dem Antrag, die Verpflichtung zur Bestellung eines Aufsichtsrats wegfallen zu lassen. Erreicht wurde lediglich, dass der Aufsichtsrat nicht aus mindestens fünf, sondern nur aus drei Mitgliedern sollte bestehen können. Beschlossen wurde ferner, dass die Statuten der Aktiengesellschaft nur im Auszug veröffentlicht zu werden brauchten. Dagegen verblieb es bei dem Verbot, dass eine Aktiengesellschaft keine eigenen Aktien erwerben durfte. Das Verbot für die Aufsichtsratsmitglieder, mit der Aktiengesellschaft zu kontrahieren, entfiel mit den Stimmen von Lübeck, Sachsen und Schwarzburg, ebenso entfiel das Verbot der Aufnahme von Anleihen ohne Genehmigung der Generalversammlung. Sachsen erreichte, dass der Zeichner der Aktie für die Einzahlung von nur 25% und nicht von 40% des Nominalwertes „unbedingt verhaftet“ sein sollte (Art. 222). Dagegen verblieb es bei der vorgesehenen Gefängnisstrafe als reguläre Sanktion. Das Plenum des Bundesrates verabschiedete die Aktienrechtsnovelle am 9.5.1870 gegen die Stimme Hamburgs. Die Einzelabstimmung erfolgte über die Vorlage vom 13.4.1870 in Verbindung mit den Ausschussanträgen. Preußen gelang es, mit einer geringen Majorität durchzusetzen, dass die Aktien auf Inhaber nicht unter 50 Taler lauten sollten. Der erneute Antrag Hamburgs, dass die Aufsichtsratsmitglieder nicht Aktionäre zu sein brauchten, wurde abgelehnt, dagegen wurde bestätigt, dass der Auf18 Drucksache des Bundesrats 62/1870 unten S. 85 ff. (hier auch zu den Änderungen der Vorlage vom April 1870). Zur Verabschiedung des Entwurfs im Plenum des Bundesrats unten S. 161 ff. das Protokoll vom 9.5.1870.
IV. Die Diskussion über eine Reform des Aktienrechts von 1870 in den Jahren 1873/74
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sichtsrat nur aus drei Mitgliedern zu bestehen brauchte. Der Antrag Hessen-Darmstadts, die Regelung über den Erwerb und die Amortisierung eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft zu gestatten, fand nur noch die Zustimmung der drei freien Städte und war damit abgelehnt. Dagegen wurde Art. 222 (Haftung eines Aktienzeichners auf 40%) wiederhergestellt, jedoch ausdrücklich festgestellt, dass die Landesgesetze, welche die Erhöhung der Einzahlung auf 25% des Nominalbetrags der Aktie herabgesetzt hatten, hierdurch nicht berührt würden. Die Bilanzregelung des Art. 239 a blieb unter Streichung der Ziff. 1 entgegen den Stimmen der drei freien Städte bestehen. Auch keinen Erfolg hatte Hamburg mit dem Antrag, die Strafbestimmungen der Art. 206 und 249 zu streichen oder zumindest die Gefängnisstrafe fortfallen zu lassen. Im Reichstag wurde der dort eingebrachte Entwurf in nur zwei Sitzungen beraten19. Die Differenzen, die im Bundesrat zwischen der von Preußen bestimmten Majorität und den Hansestädten aufgetreten waren, kamen nur am Rande zur Sprache. Dagegen standen zwei andere Fragen im Mittelpunkt der Diskussion: Die im Vergleich zur Aktiengesellschaft weniger günstige Stellung der KGaA, dem man zum Teil abhalf, und der Vorschlag, auch die nicht Handel treibenden Aktiengesellschaften als Kaufleute anzusehen. Ein Teil der Normativbestimmungen des Entwurfs wurde zwar von einigen Rednern als wenig passend bezeichnet; doch fand eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Entwurf insoweit nicht statt. Anträge, eine Reduzierung der Nominalhöhe der Aktien zuzulassen und die Strafbestimmung des Art. 248 Abs. 1 völlig zu beseitigen, wurden abgelehnt. Die nur geringfügig modifizierte Vorlage wurde am 20.5.1870 vom Reichstag angenommen20.
IV. Die Diskussion über eine Reform des Aktienrechts von 1870 in den Jahren 1873/74 Die parlamentarische Diskussion über eine Reform des Aktienrechts von 1870 begann mit dem Antrag der nationalliberalen Fraktion im preußischen Abgeordnetenhaus vom 8.2.187321, eine Kommission zur Untersuchung der Frage einzusetzen, „in welchem Maaße die Seitens der Staats-Verwaltung bei Ertheilung von Eisenbahnkonzessionen den Unternehmern auferlegten Nachweisungen und Bürgschaften thatsächlich die Erfüllung derjenigen Zwecke gesichert haben, welche die hierüber bestehenden Gesetze und allgemeinen Verwaltungsnormen, insbesondere Behufs authentischer Feststellung und Beschaffung des Herstellungs-Kapitals zu erreichen beabsichtigen; ob und in welchem Maaße die Verträge und Vorgänge bei der Ausführung der Bauprojekte mit den gesetzlichen Vorschriften, allgemeinen Verwaltungsnormen und den 19 Sten. Berichte über die Verhandlungen des Reichstags des Norddeutschen Bundes Bd. 1 (1870), 1055 ff. und Aktenstück 158. 20 Sten. Berichte des Reichstags, aaO. (Fn. 19), 1180 ff.; die Aktienrechtsnovelle im BGBl. 1870, 375 ff. 21 Aktenstück Nr. 160 (8.2.1873) des Hauses der Abgeordneten in: Sten. Berichte über die Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten, 1872/73, Bd. 2, 750. – Zur Einsetzung der Kommission, Sten. Berichte, aaO., Bd. 2, 1031.
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Nachweisungen der Unternehmer thatsächlich übereingestimmt haben“. Da die Eisenbahnkonzessionen fast ausnahmslos Aktiengesellschaften betrafen, ging es bei der verlangten Untersuchung auch um Fragen des Aktienrechts. Die Regierung kam einer Abstimmung über diesen Antrag zuvor, indem sie am 14.2.1873 die Einsetzung einer entsprechenden Kommission ankündigte. Der Bericht der alsbald einberufenen Kommission wurde dem Abgeordnetenhaus unter dem 12.11.1873 vorgelegt und enthielt auch Vorschläge zur Abänderung des Aktienrechts22. Da in der Kommission zur Untersuchung des Eisenbahnkonzessionswesens nur ein Teil der Mängel des Aktienrechts zur Sprache kommen konnte, hatten Lasker und zahlreiche andere Abgeordnete der Nationalliberalen Partei bereits unter dem 27.3.1873 an den Reichskanzler eine Anfrage gerichtet, ob Missbräuche, „welche im Zusammenhange mit dem jetzigen Zustande und der üblichen Handhabung der Gesetze über das Aktienwesen bei der Gründung und Verwaltung der Aktiengesellschaften obwalten und zur Schädigung der Interessen des Publikums gereichen“, zur Kenntnis der Reichsregierung gekommen seien und ob und in welcher Weise sie Abhilfe schaffen würde. Nachdem Delbrück für das Reichskanzleramt am 4.4.1873 dem Reichstag zugesichert hatte23, der Sache nachzugehen, wurden bereits am 7.4.1873 sämtliche Bundesregierungen ersucht, über etwaige Missstände, welche seitens der Novelle von 1870 „bei der Gründung, der Verwaltung und dem geschäftlichen Betriebe von Aktienunternehmungen wahrgenommen“ worden seien, „Mittheilung zu machen und hiermit allenfalsige Vorschläge zur künftigen Abschaffung derartiger Missstände auf legislativem Wege zu verbinden“. Zusätzlich richtete der preußische Handelsminister Achenbach unter dem 28.5.1873 noch eine detailliertere Anfrage an sämtliche preußische Handelskammern und kaufmännische Korporationen24. Die preußische Untersuchungskommission von 1873 unterbreitete in ihrem Gutachten auch Vorschläge zur Abänderung des Aktienrechts25. So sollte es verboten sein, vor Volleinzahlung des Aktienkapitals Inhaberaktien auszugeben. Andererseits sollte als Erleichterung unter bestimmten Voraussetzungen eine Unterpari-Emission zulässig sein. Alle Vorschriften, „welche im öffentlichen Interesse aufgestellt“ worden waren, sollten „durch ausdrückliche Bestimmungen, welche Strafe androhen oder die zivilrechtliche Verantwortlichkeit feststellen, gegen Zuwiderhandlung und Umgehung (Delikt)“ geschützt werden. Ferner hatte die Aktiengesellschaft für eine „selbständige Kontrolle Sorge zu tragen, besonders durch die Bestellung von Revisoren, welche in keinerlei Verbindung mit der Verwaltung stehen und berechtigt sind, das Einschreiten des Richters zu bestimmten Zwecken der Revision und zu Sicherheitsmaßregeln zu bewirken“. Der einzelne Aktionär sollte das Recht haben, Schadensersatzansprüche 22 Aktenstück Nr. 11 des Hauses der Abgeordneten, in: Sten. Ber. 1873/74, Anlagenband 1, 24 ff.; Vorschläge 135. – Zu den Missständen im Aktienwesen Peter Hommelhoff, in: W. Schubert/P. Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, Eine Sammlung von Texten und Quellen zur Aktienrechtsreform 1884 mit zwei Einführungen, Berlin 1985, 55 f. und das Gutachten des Reichsoberhandelsgerichts von 1877, ebd. 166 ff. 23 Sten. Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 1873, Bd. 2, 224. 24 Unten S. 187 ff. wiedergegeben. 25 Unten S. 181 ff. wiedergegeben.
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der Gesellschaft gegen die Gesellschaftsorgane geltend zu machen und bei Verdacht „gesetzwidriger Geschäftsführung“ die Einrichtung besonderer Revisoren durch den Richter zu beantragen. Weitere Reformvorschläge unterbreitete der Verein für Socialpolitik Mitte Oktober 187326. Letzterer hatte den späteren Richter am Bundesoberhandelsgericht Heinrich Wiener27, der schon auf dem Juristentag referiert hatte, Levin Goldschmidt (1870–1875 Richter am ROHG)28 sowie Jakob Behrend29 beauftragt, Gutachten zur Reform des Aktienrechts zu erstatten, die im April 1873 abgeschlossen waren30. Die drei Gutachter kamen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass die „materielle Vertragsfreiheit auch auf dem Gebiete der Aktiengesetzgebung“ unter Beibehaltung des Normativsystems bestehen bleiben sollte31. In den Verhandlungen des Vereins für Socialpolitik im Oktober 1873 setzten die von Wagner dominierten „Staatssocialisten“ insoweit durch, dass das „Gebiet der Aktiengesellschaften“ zugunsten öffentlicher Unternehmungen eingeengt werden sollte. Im Übrigen aber wurde die Aktiengesellschaft als eine „berechtigte und der modernen Volkswirtschaft vielfach unentbehrliche privatwirtschaftliche Unternehmungsform auf dem Gebiete der einzelnen Produktionszweige“ anerkannt32. Die Detailvorschläge insbesondere von Wiener, die allgemeine Zustimmung fanden, betrafen Klagerechte der Aktionäre, die Kontrolle der Geschäftsführung durch ein von den Verwaltungsorganen unabhängiges verantwortliches Organ und die „Erzwingung der Öffentlichkeit“ hinsichtlich der „wesentlichen Gründungsvorgänge“. Ähnlich hatten auch die 1. und 2 Abteilung des Deutsche Juristentags mehrere Beschlüsse zur „thunlichsten Verhinderung unsolider Begründung oder missbräuchlicher Verwaltung von Aktiengesellschaften“ mehrere Vorschläge33 unterbreitet. 26 Hierzu Verhandlungen des Vereins für Socialpolitik am 12. und 13. Oktober 1873 (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 4, Leipzig 1874). 27 Über Wiener Thomas Henne: Rechtsharmonisierung durch das „Reichsgericht“ in den 1870er Jahren. Startbedingungen, Methoden und Erfolge. Habilitationsschrift, Frankfurt a. M. 2001. 28 Über Goldschmidt Lothar Weyhe, Levin Goldschmidt. Ein Gelehrtenleben in Deutschland. Grundfragen des Handelsrechts und der Zivilrechtswissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Berlin 1996, bes. S. 92 ff., 387 ff. 29 Jacob Friedrich Behrend (1830–1907), 1870 zunächst Gerichtsassessor, 1864 Privatdozent, 1870 ord. Professor, 1889 Reichsgerichtsrat. Außer mit Werken zur deutschen Rechtsgeschichte ist Behrend vor allem durch ein unvollendet gebliebenes Lehrbuch zum Handelsrecht (1880–1896; Bd. 1) bekannt geworden. Behrend hat 1894 für das Reichsjustizamt ein Gutachten zur Revision der gesellschaftsrechtlichen Teile des ADHGB erstattet. 30 Veröffentlicht als Bd. 1 der Schriften des Vereins für Socialpolitik unter dem Titel: „Zur Reform des Aktiengesellschaftswesens“, Leipzig 1873 (insgesamt 90 Seiten). Am ausführlichsten ist das Gutachten von Behrend. „Nur am Rande“ vermerkt Henne, aaO. (Fn. 27), „dass alle drei Gutachter jedenfalls aus der heute üblichen Sicht jüdische Juristen waren“. 31 Zum Folgenden Henne, aaO. (Fn. 27), 165 ff.; Zitat bei Wiener, in: Zur Reform des Aktiengesellschaftswesens (Fn. 30), 3. 32 Zitat aus den Resolutionen des Vereins, unten S. 186; hieraus auch die folgenden Zitate. 33 Verh. 21. DJT (Hannover), Bd. 2, 71 ff., 134 ff. Referent war der bekannte Hamburger Rechtsanwalt und Reichstagsabgeordneter Isaac Wolfsson (1817–1895). 1871–1881 Abgeordneter für die Nationalliberalen und Mitglied der Justizkommission des Reichstages
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Von den vom Reichskanzler erbetenen Stellungnahmen aus den Bundesstaaten werden zunächst wiedergegeben die Voten der preußischen Minister des Handels (v. Achenbach, der Itzenplitz abgelöst hatte), der Justiz (Leonhardt) und des Innern (Graf Eulenburg)34. Das Votum von Achenbach beruhte weitgehend auf den Ergebnissen der Enquete unter den Handelskammern und „Regierungen bzw. Landdrosteien“35. Das Gutachten setzte sich zunächst mit den Bedenken auseinander, die vor allem von den Handelskammern in Hamburg und Bremen gegen eine sofortige Reform des Aktienrechts vorgebracht worden waren36. Nach Meinung dieser und anderer Handelskammern sollte man sich hüten, allein oder auch nur überwiegend die Novelle von 1870 für die Missstände verantwortlich zu machen. Vielmehr bestehe nunmehr die Gefahr, durch weitere Normativbestimmungen die „freie Bewegung des Verkehres“ zu beschränken. Achenbach sah in diesen Erwägungen lediglich eine dringende Mahnung zu vorsichtigem und maßvollem Vorgehen37: „Weder eine Rückkehr zum Concessions-System noch sonst ein principieller Bruch mit der Vergangenheit noch eine Alles umfassende Revision der Gesetzgebung über Actiengesellschaften überhaupt“ könne „schon jetzt in Frage kommen und selbst bei dem weiteren Ausbau der anzustrebenden Vervollkommnung der geltenden Normativ-Bestimmungen wird man sich auf ... wichtigere Punkte zu beschränken haben“. Die Hauptmissstände ließen sich nach Ansicht des Handelsministers darauf zurückführen, dass die Gründer die Gründung einer Aktiengesellschaft nur als Mittel zur Realisierung des Gewinns betrachteten und das Unternehmen, sobald dieser Zweck erreicht gewesen sei, preisgegeben hätten. In seinem Votum vom 5.5.187438 bezeichnete der Justizminister Leonhardt ein Vorgehen der Gesetzgebung als „nicht dringlich“. Bei der aufgeheizten öffentlichen Meinung hinsichtlich der „Übelstände“ im Aktienwesen stellte Leonhardt fest, „dass ich es nur für gerathen erachten kann, mit besonderer Vorsicht zu Werke zu gehen, damit nicht mit Beseitigung mancher Schäden, welche vielleicht auch auf anderem Wege als auf dem der Änderung bestehender Gesetze geheilt werden können, zugleich die Lebensbedingungen der Aktiengesellschaften zerstört werden, ohne deren Bildung zahlreiche Unternehmungen von hervorragender volkswirthschaftlicher Bedeutung nicht hätten ins Leben treten können“. Im Übrigen setzte Leonhardt sich – wie auch der Innenminister Eulenburg in einem Votum vom 5.8.1874 – detailliert mit den Vorschlägen von Achenbach auseinander. (1875/72), 1890–1895 Mitglied der 2. BGB-Kommission (über ihn Jahnel, in: Schubert, Die Beratungen des BGB. Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, 1978, 109 f.). 34 Die bisher unveröffentlichten Stellungnahmen sind unter S. 194 ff. wiedergegeben. 35 Die Gutachten sind in der Akte des BA Berlin R 1401 Nr. 677 enthalten; das unten S. 210 ff. teilweise wiedergegebene Gutachten der Ältesten der Berliner Kaufmannschaft auch bei Felix Hecht, Das Börsen- und Actienwesen der Gegenwart und die Reform des Actien-Gesellschaftsrechts, Mannheim 1874, S. 298 ff. Dort sind auch abgedruckt die Stellungnahmen aus Breslau, Elbing, Köln, Königsberg und Elberfeld und des Ausschusses des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen Interessen in Rheinland und Westfalen. 36 Die Stellungnahmen aus Bremen und Hamburg sind wiedergegeben bei Hecht, aaO. (Fn. 35). Dort auch die Gutachten aus Chemnitz, Augsburg, Mannheim und Leipzig. 37 Unten S. 196. 38 Unten S. 220 ff., Zitat S. 221.
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Die Stellungnahme des Hamburger Senats vom 14.4.1874 folgte nicht der Ansicht der Handelskammer Hamburg, dass nämlich ‚ihr kein Anlass vorzuliegen scheine, schon jetzt zu einer Revision‘ des Aktiengesetzes zu schreiten39. Dagegen war der Hamburger Senat der Ansicht, das Aktienrecht „schon jetzt zu revidieren“. Insbesondere sollten für die Gründer „unter Androhung von Strafen eine offene Darlegung aller zur Beurtheilung der Sache geeigneten Umstände im Prospekte der Aktiengesellschaften“ vorgesehen sein. Ferner sollten die Aktionäre besser gegen Aktienemissionen und Erhöhung des Grundkapitals, soweit diese lediglich für die Gründer und Erstzeichner von Vorteil seien, geschützt werden. Mehrere Abänderungsvorschläge unterbreitete auch Bayern in seiner unten wiedergegebenen Stellungnahme vom 30.5.1874. Sachsen, dessen Stellungnahme vom 20.6.1873 vollständig abgedruckt wird40, wollte mit seinen Bemerkungen über eine eventuelle Reform des Aktienrechts nur zur „weiteren Erwägung“ anregen, jedoch keine Änderungen empfehlen. Wenn Missbräuche und Übelstände vorgekommen seien, so war es nach der Auffassung der sächsischen Regierung unrichtig, diese „ganz oder auch nur zu einem wesentlichen Theile“ der Novelle von 1870 zuzuschreiben. Bremen verneinte in seiner Stellungnahme vom 11.10.1873, die in der Edition teilweise wiedergegeben wird41, ebenfalls die Notwendigkeit einer Reform des Gesetzes von 1870. Württemberg stellte in seinem Votum vom 10.1.1874 fest42, „dass in Württemberg die Zahl der seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 11. Juni 1870 gegründeten Aktiengesellschaften eine verhältnismäßig nicht sehr große ist, sowie dass Übelstände bei diesen Gründungen nur sehr vereinzelt zu erkennen waren. Wenn auch die Bestimmungen der Statuten mancher dieser Gesellschaften wenig Garantien zum Schutz der Rechte und Interessen der einzelnen Aktionäre gewähren, so theilen sie diesen Mangel mit den Statuten früher gegründeter Aktiengesellschaften, an denen kein Anstoß genommen wurde, weil man es als Aufgabe dessen, der sich bei einer Aktiengesellschaft zu betheiligen im Sinne hat, betrachtete zu prüfen, ob die für die Betheiligung gestellten Bedingungen ihm dieselbe als redlich erscheinen lassen. Solche Fälle aber, wobei durch versteckte Manipulationen und Täuschungen bei der Gründung von Aktiengesellschaften den Aktionären Schaden zugefügt worden wäre, sind bei den in Württemberg seit Januar 1871 gegründeten Aktien-Gesellschaften nicht erhoben worden“. Noch bevor eine Stellungnahme des preußischen Staatsministeriums vorlag, ersuchte das Reichskanzleramt am 28.4.1874 den Justizausschuss des Bundesrates, sich darüber zu äußern43, „ob die wegen eventueller Änderung des Aktienrechts eingeleiteten Verhandlungen bis zur allgemeinen Revision des Handelsgesetzbuchs zu sistieren, oder aber in separato zum Abschluss zu bringen seien“. In seinem Bericht vom 39 Unten S. 218, 215. 40 Unten S. 191. 41 Unten S. 193 f. 42 Zitiert nach der Stellungnahme Württembergs in der Akte des BA Berlin, R 1401 Nr. 470. 43 Bericht des Justizausschusses des Bundesrats Nr. 78/1874 (wiedergegeben bei W. Schubert, Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB, in: Die Beratung des BGB, hrsg. von H. H. Jakobs und W. Schubert, Berlin 1978, 196 f.).
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9.6.1874 kam der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass die Revision der Gesetzgebung über die Aktiengesellschaften mit der Revision des Handelsgesetzbuchs verbunden werden sollte. Dies billigte das Bundesratsplenum am 22.6.187444, womit eine Reform des Aktienrechts zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben war. Wohl mit Rücksicht auf den Beschluss des Bundesrates stellte Preußen seine Antwort auf die Anfrage des Reichskanzlers zurück und ergriff die Initiative zu einer Reform des Aktienrechts von 1870 erst wieder im Herbst 1876.
V. Schlussbemerkungen Im Februar 1884 stellte Levin Goldschmidt, der 1869 auf dem 9. Deutschen Juristentag für das Normativsystem eingetreten war, fest45, die Novelle sei „sicherlich kein gesetzgeberisches Kunstwerk, sondern ein in der Eile gemachtes Nothgesetz. Sie entsprang aber nicht, wie das bekannte Schlagwort lautet, liberalen oder gar freihänderischen Tendenzen, sondern sie war auch insofern ein wahres ‚Nothgesetz‘, als das bisherige System vollständig versagte“. Nicht die Börse sei es gewesen, „welche unter der Staatskonzession litt, sondern der Staat – die Administrativbehörden waren einfach außer Stande, der ihnen gestellten Aufgabe, pflichtmäßiger Prüfung der immer zahlreicher um Konzessionierung andrängenden Gesellschaften, zu entsprechen“. Die „alsbald nach dem Friedensschluss folgende Wirthschaftsepoche mit ihrer schrankenlosen Ausdehnung des Spekulationsgeistes“ habe sich nicht voraussehen lassen – „aber diese Voraussicht hätte auch schwerlich gereicht, denn der nunmehr zu bewältigenden Aufgabe hätte eine noch so gesteigerte Verwaltungsthätigkeit nicht genügt, sie wäre nominell geblieben, oder, was noch schlimmer, in die Korruption des Gründerthums verstrickt worden“. Allerdings hatte über die bei einer Freigabe der Gründung von Aktiengesellschaften notwendigen bzw. zweckmäßigen Normativbestimmungen in der juristischen Öffentlichkeit so gut wie keine Diskussion stattgefunden. Man ging stets davon aus, dass das Normativsystem, welches die „Selbständigkeit der Gesellschaft“ mit der Generalversammlung im Mittelpunkt scharf herausstellte, zugleich auch wettbewerbliche Funktionen wahrnehmen konnte46. Preußen dürfte mit seiner Initiative vor allem daran gelegen sein, wirtschaftliche Nachteile gegenüber den Hansestädten, Sachsen, Württemberg und Baden sowie gegenüber Frankreich und England, wo das Konzessionsprinzip nicht galt, abzuwenden. Da die Restriktionen für die Aktiengesellschaft möglichst schnell beseitigt werden sollten, hatte dies zur Folge, dass die Gesetzentwürfe zu einer Aktienrechtsnovelle von 1870 nicht veröffentlicht wurden. Der 8. Deutsche Juristentag hatte sich lediglich am 26.8.1869 mit „überwältigender
44 Schubert, aaO. (Fn. 43), 199. 45 Die Reform des Aktiengesellschaftsrechts. Zur Verständigung, Stuttgart 1884, 12. Über Goldschmidt L. Weyhe (Fn. 27). 46 Bernhard Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, Tübingen 1968, 142.
V. Schlussbemerkungen
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Majorität“ dafür ausgesprochen47, dass „zur Errichtung von Aktien-Gesellschaften und Aktienkommandit-Gesellschaften“ es der „staatlichen Genehmigung nicht bedürfen“ sollte, nach Referaten von Levin Goldschmidt und des Wiener Hof- und Gerichtsadvokaten Heinrich Jacques48. Goldschmidt hatte festgestellt49, man habe vor zehn Jahren „noch überaus tief in einem polizeilichen und auch in einem juristischen Zopfthum“ gesteckt. Nunmehr sei überall Gewerbefreiheit, Zinsfreiheit und vieles andere zur Geltung gelangt. Es sei aber nicht zu spät, dass, „wenn wir früher dem reaktionären Zuge der Gesetzgebung gefolgt sind, uns jetzt auch dem freiheitlichen Zuge anzuschließen und den freiheitlichen Zug, der die gegenwärtige europäische Rechtsbildung kennzeichnet, auch auf diesem Gebiete durchzuführen“. Etwas konkreter war die Diskussion über die Freigabe der Aktiengesellschaften auf dem 11. Kongress deutscher Volkswirte am 1.9.1869. Der Referent Alexander Meyer stellte, zum Teil in Anlehnung an einen Aufsatz von A. Schäffle50: „Die Anwendbarkeit der verschiedenen Unternehmungsformen“ folgende Thesen auf51: „1. Die juristische Form der Aktiengesellschaft findet eine ausreichende wirtschaftliche Begründung nur bei solchen Unternehmungen, deren Natur es mit sich bringt, dass ein erheblicher Teil des Stammkapitals in stehende, möglichst dauernde, einem festbestimmten und nicht leicht veränderlichen Zwecke dienende Anlagen verwendet wird; bei denen ferner in der Geschäftsleitung der spekulativen Tätigkeit ein weiter Spielraum nicht gegönnt ist. 2. Auf Aktienbanken ist dieses Prinzip mit der Modifikation anzuwenden, dass Gründungsbanken (crédit mobilier) sich für die Aktienform nicht eignen, wohl aber solche Banken, welche in dem regelmäßigen Diskonto- und Depositengeschäft den Hauptzweig ihrer Tätigkeit finden. 47 Zur Bewertung der Novelle auch Lieder, aaO. (Fn. 1), 381 ff., und Verf., aaO. (Fn. 1), 312 ff.; Verhandlungen des 8. DJT, Berlin 1870, 58. 48 Zur Biografie von Jacques (1831–1894) Österr. Biographisches Lexikon, Bd. 3, Wien 1962, 78. 49 Goldschmidt, Verh. des 8. DJT, 48 f. 50 Die Thesen von Schäffle lauten: „4. Die Aktiengesellschaft. Vorzüge: rasche Bildung und Ausdehnung großer Zwecke, Theilung gefährlicher und umfassender Risiken, – Loslösung von der Zufälligkeit individueller Kapitalkraft und Betriebsamkeit, – Kontinuität des Großkapitals, – umfassender und dauerhafter Kredit. Nachtheile: Hang zu maßloser dauernder Verschuldung, fortlaufende Abtretung der Kapitalerübrigungen an fremde Zwecke, – Disposition der Betriebsleitung über großes fremdes Vermögen ohne genügende privatrechtliche Verantwortlichkeit, – Schwerfälligkeit in Ausnützung der Konjunktur und im Übergang auf veränderte Unternehmungsgebiete, – Gründungsgefahren, – Vermengung der Privatgeschäfte und der Gesellschaftsgeschäfte durch Direktoren und Verwaltungsräthe, – Schwierigkeit, eine wirksame Kontrole über die Verwaltung rechtzeitig zu führen.“ (Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft, Tübingen 1869, 338). 51 Meyer, in: Vierteljahresschrift für Volkswirtschaft und Kulturgeschichte, 1869, Bd. III, 116 f. – Zu den Beratungen über das Aktienrecht auf dem Kongress deutscher Volkswirte Volker Hentschel, Die deutschen Freihänder und der volkswirtschaftliche Kongress 1858–1885, Stuttgart 1975, 178 f. Über Meyer Bernhard Mann, Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus: 1867–1918. Mitarbeit von Martin Doerry, Cornelia Rauh und Thomas Kühne, Düsseldorf 1988, 270.
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Einleitung
3. Für die Bildung von Aktiengesellschaften sollen Normativbedingungen bestehen, welche eine Ausdehnung und Modifikation des Geschäftsbetriebes, soweit dieselben nicht schon im Statut vorbehalten waren, möglichst erschweren. 4. Das Erfordernis staatlicher Konzession zur Bildung einer Aktiengesellschaft ist zu verwerfen, weil der Staat weder die Bedürfnisfrage, noch die Vertrauensfrage in ausreichender Weise zu prüfen vermag. Soweit die gesetzlichen Normativbedingungen nicht ausreichen, ist die Zurückführung der Bildung von Aktiengesellschaften auf das wirtschaftlich zulässige Maß lediglich der wachsenden wirtschaftlichen Einsicht anzuvertrauen.“52 Nach Meyer sollte das „Anlage-Kapital einer Aktien-Gesellschaft automatisch arbeiten und, wo es das nicht kann, da ist die Form der Aktien-Gesellschaft, wenn auch rechtlich zulässig, immer eine wirthschaftliche Lüge und wir sollen uns bestreben, auf dem Wege der Gesetzgebung und der wissenschaftlichen Propaganda dahin zu arbeiten, dass es keine andre Aktien-Gesellschaft gäbe, als eine solche, die automatisch zu arbeiten im Stande ist.“ In der Diskussion wurden weitere Einschränkungen gefordert. Ludwig Bamberger wollte die Gründung der Aktiengesellschaft von einem „Minimum von Kapital“ abhängig machen53. Geändert werden sollte die Organisation der „allgemeinen Generalversammlung“. Wo mehr als vier Verwaltungsräte existierten, sei „dies nur ein Mittel, um fette Posten auszutheilen“. Der Erstzeichner von Aktien sollte für die volle Einzahlung der Aktie haften. Nach Julius Faucher fand die „juristische Form der anonymen Aktien-Gesellschaft eine ausreichende Begründung nur bei solchen Unternehmungen, deren Natur es mit sich bringt, dass sie einen nicht hypothezirten Kredit nicht in Anspruch nehmen.“54 Auf Aktienbanken solle dieses Prinzip mit der Modifikation anzuwenden sein, „dass Gründungsbanken sich für die Aktienform nicht eignen, wohl aber solche Banken, welche in dem regelmäßigen Diskonto- und Vorschussgeschäft den Hauptzweig ihrer Thätigkeit finden.“ Dr. Becker (Dortmund) war der Ansicht55, dass eine Aktiengesellschaft weder Real- noch Personalkredit haben solle und dass bei Überschuldung der Gesellschaft die Mitglieder des Verwaltungsrats persönlich haften. Weitere Kongressteilnehmer wollten nicht so weit gehen. Nach Dr. Dorn (Pest/Ungarn) sollten die Normativbedingungen nur darauf ausgehen56, „in den Aktien-Gesellschaften der Überhandnahme von Betrug, die Übervortheilung, die Täuschung des Publikums nach Möglichkeit hintanzuhalten“. Dr. Dettmer (Lübeck)57 führte aus, die Unmöglichkeit des Betruges lasse sich durch das Gesetz nicht erreichen. Friedrich v. Behr-Schmoldow führte aus58: „Ich sage höchstens: Normativbedingungen, trotz der Unmöglichkeit 52 Meyer, aaO. (Fn. 51), 126. 53 Die folgenden Zitate in der Vierteljahresschrift, aaO. (Fn. 51), 132. Über Bamberger (1823–1899), NDB, Bd. 1, Berlin 1953, 572 ff. 54 Vierteljahresschrift, aaO. (Fn. 51), 140 ff. Über Faucher NDB, Bd. 5, Berlin 1961, 29. 55 Becker, Vierteljahresschrift (Fn. 51), 144. 56 Dorn, Vierteljahresschrift (Fn. 51), 138. 57 Dettmer, Vierteljahresschrift (Fn. 51), 143. 58 Vierteljahresschrift, aaO. (Fn. 51), 143. v. Behr-Schmoldow (1821–1882) war Mitglied des Preuß. Abgeordnetenhauses, ab 1871 des Reichstags und ab 1877 auch des Preuß. Herrenhauses.
VI. Kurzbiografien
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gegen Dolus zu schützen; das Statut VI. Kurzbiografien kann dazu nichts thun; gegen Dolus eines Privatmanns kann man doch auch niemand schützen; man straft nur, wen man fasst.“ Zum Schluss einigte sich der Kongress auf folgende Erklärung59: „Das Erfordernis staatlicher Konzession zur Bildung einer Aktien-Gesellschaft ist zu verwerfen, weil der Staat weder die Bedürfnisfrage, noch die Vertrauensfrage in ausreichender Weise zu prüfen vermag. Es ist die Zurückführung der Bildung von Aktien-Gesellschaften auf das wirthschaftlich zulässige Maass lediglich der wachsenden wirthschaftlichen Einsicht anzuvertrauen. Auf keinen Fall ist die staatliche Konzession kumulativ mit dem System der Normativbedingungen in Anwendung zu bringen, da beide einander prinzipiell ausschließen.“ Die kontroversen Beratungen auf dem 11. Kongress deutscher Volkswirte veranlassten weder die preußische Regierung, noch den Bundesrat, den Entwurf zur Aktienrechtsnovelle zu veröffentlichen und dessen Konzeption der Kritik der Wissenschaft und der Praxis zu unterbreiten. Eine Auseinandersetzung mit der Novelle fand dann zunächst 1873/74 statt, die aber erst 1877 zum Beschluss des Bundesrats führte, den Reichskanzler zu ersuchen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der„unabhängig von der Revision des Handelsgesetzbuchs ... den Ausschreitungen bei der Gründung, der Verwaltung und dem geschäftlichen Betriebe der Aktienunternehmungen entgegenzu wirken geeignet ist“60.
VI. Kurzbiografien der an der Aktienrechtsreform hauptsächlich beteiligten Minister und Ministerialbeamten sowie der Mitglieder des Justizausschusses des Bundesrates61 Achenbach, Heinrich (v.), Dr. iur. (geb. 1829 in Saarbrücken, gest. 1899 in Potsdam). Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses von 1867–1898. 1856 Gerichtsassessor, 1858 Hilfsjustitiar am Oberbergamt in Bonn, (1860 Oberbergrat). 1859 Habilitation a.d. Universität Bonn (1860 ao. Prof.). 1866–1869 Oberbergrat und Vortragender Rat im Handelsministerium, 1871 Oberregierungsrat im Reichskanzleramt, 1872 Unterstaatssekretär im preuß. Kultusministerium, 1873 im Handelsministerium. 1873–1878 preuß. Handelsminister. 1878 Oberpräsident der Provinz Westpreußen, 1879 der Provinz Brandenburg (bis 1882 zugleich Regierungspräsident in Potsdam). Umfangreiche sozialpolitische Aktivitäten. – Quellen: Lilla, 119 f.; Dirk Hainbuch/Florian Tennstedt, Biografisches Lexikon zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1871–1945, Bd. 1: Sozialpolitik im Deutschen Kaiserreich 1871–1918, Kassel 2010. Bertrab, Hermann Jakob (geb. 1818 in Göttingen, gest. 1887 in Rudolstadt). Bundesratsbevollmächtigter für Schwarzburg-Rudolstadt. Nach dem Studium der Rechts59 Vierteljahresschrift, aaO. (Fn. 51), 148 f. 60 Protokolle des Bundesrats 1877, § 126. 61 Im Folgenden wird grundsätzlich auf Joachim Lilla, Föderalismus in historisch vergleichender Perspektive Bd. 1: Der Bundesrat 1867–1919 – ein biographisches Nachschlagewerk, Baden-Baden verwiesen.
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Einleitung
wissenschaften 1841 Eintritt in den preußischen Justizdienst. 1850 Oberstaatsanwalt am Gemeinschaftlichen Appellationsgericht (u.a. für das Großherzogtum Sachsen) in Eisenach. 1851 Staatsminister und Chef des Gesamtministeriums von SchwarzburgRudolstadt. – Quellen: Lilla, 137. Eulenburg, Friedrich Albrecht Graf zu (geb. 1815 in Königsberg, gest. 1881 in Schöneberg). Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und Absolvierung des Referendariats zunächst 1842 Gerichtsassessor, 1844 Eintritt in das preußische Ministerium des Innern (Regierungsassessor in Oppeln, Merseburg). Ab 1849 unmittelbar im Innenministerium beschäftigt (Regierungsrat, Vortragender Rat). 1852–1862 im diplomatischen Dienst. 1862–1878 Innenminister (umfassende Verwaltungsreformen). – Quellen: Lilla, 230. Itzenplitz, Graf Heinrich Friedrich von (geb. in Groß-Behnitz bei Nauen; gest. 1883 in Kunersdorf). Nach seiner Ausbildung als Justizjurist seit 1827 im preuß. Ministerium des Innern tätig (1829 Regierungsrat in Stettin, 1838 Direktor der Generalkommission in Berlin). 1843–1845 Vizepräsident der Regierung in Posen, 1845–1848 Regierungspräsident in Arnsberg. Mitglied der ersten Kammer und des preuß. Herrenhauses (1849–1883). 1862–1873 preuß. Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. – Quellen: Lilla, 340 f. Jacobi, Karl Rudolf (geb. 1828 in Jeggau bei Gardelegen; gest. 1903 in Zinnowitz). Nach dem Studium der Rechtswissenschaften (1854 Dr. iur. in Halle) zunächst im preuß. Justizdienst beschäftigt. Von 1856–1881 (mit Unterbrechungen) im preuß. Handelsministerium, 1874 Ministerialdirektor, 1877 zugleich Vorsitzender des Kaiserlichen Patentamts, 1879–1881 Unterstaatssekretär im Handelsministerium. 1880/81 zugleich Direktor der II. (wirtschaftlichen) Abteilung im Reichsamt des Innern. 1881–1886 Präsident der preußischen Central-Boden-Kredit-AG. Mai 1886 Unterstaatssekretär im Handelsministerium. Von Dezember 1886-Oktober 1888 Staatssekretär des Reichsschatzamts. Verfasser des Aktienrechtsentwurfs von 1868/69, den er bis zur Verabschiedung durch den Reichstag betreute. Zahlreiche sozialpolitische Aktivitäten. – Quellen: Lilla, 342 f.; Hainbuch/Tennstedt, aaO., 80 f. Kirchenpauer, Gustav Heinrich (geb. 1808 in Hamburg, gest. 1887 ebd.). 1877–1880 Bevollmächtigter Hamburgs zum Bundesrat. Nach Besuch des deutsch-protestantischen Gymnasiums in Dorpat Studium der Rechtswissenschaften ebd. und in Heidelberg. 1843–1887 Senator der Freien und Hansestadt Hamburg. Zunächst bei der Kommission für die auswärtigen Angelegenheiten tätig, erhielt er 1863 den Vorsitz in der neu eingerichteten Deputation für Handel, Schifffahrt und Gewerbe. Wiederholt Erster und Zweiter Bürgermeister (von 1868 an). – Quellen: M. Möhring, Neue Deutsche Biografie, Bd. 11 (1977), 640 f.; Lilla, 360. Klemm, Heinrich Hermann (geb. 1816 in Dresden, gest. 1899 ebd.). 1869–1871 Bevollmächtigter Sachsens zum Bundesrat (1871/1872 stellv. Bevollmächtigter Sachsens).
VI. Kurzbiografien
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Nach Abschluss seiner juristischen VI. Kurzbiografien Ausbildung 1845 Advokat und Notar in Leipzig, August 1849 Stadtgerichtsrat ebd., 1856 Bezirksgerichtsrat ebd., 1859 Appellationsrat ebd., 1861–1869 Stellvertreter des Generalstaatsanwalts; 1869 Oberappellationsrat in Dresden. 1871 Präsident des Appellationsgerichts in Zwickau (1873–1886) „zur Bildung der Kollegialbehörde für Administrativ-Justizsa chen auch dem Finanzund Innenministerium beigeordnet“ (Lilla, 361). 1879 I. Rat am Oberlandesgericht Dresden. – Quellen: Lilla, 361. Krüger, Daniel Christian Friedrich (geb. 1819 in Lübeck; gest. 1896 in Berlin). 1868–1896 Bevollmächtigter Lübecks beim Bundesrat (ab 1873 auch stellv. Bevollmächtigter Hamburgs). Sohn eines Kaufmanns und Senators. Nach dem Staatsexamen am Oberappellationsgericht Lübeck 1844 Advokat in Lübeck (Prokurator am Niedergericht und am Oberappellationsgericht). Vertreter Lübecks beim Erfurter Parlament (1850) und bei den Verhandlungen der Elbschifffahrtskommission in Magdeburg (1851). 1856–1864 hanseatischer Ministerresident und Generalkonsul in Kopenhagen. Ab 1866 hanseatischer Ministerresident in Berlin; seine Berichte über die Beratungen im Justizausschusses des Bundesrates gingen auch nach Hamburg. – Quellen: Lilla, 380 f.; Wikipedia.org. m. w. Literaturnachweisen. Leonhardt, Adolf (geb. 1815 in Hannover; gest. 1880 ebd.). Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und der Promotion in Göttingen juristische Ausbildung, die Leonhardt 1842 mit der 2. juristischen Prüfung abschloss. 1842–1848 Advokat in Hannover; 1848 Eintritt in das dortige Justizministerium als Ministerialreferent (Justizrat), 1853 Oberjustizrat, 1862 Generalsekretär des Justizministeriums; Mitglied der hannoverschen Zivilprozesskommission des Deutschen Bundes; 1865–66 Justizminister Hannovers; nach der Annexion Hannovers 1866 Vizepräsident des Oberappellationsgerichts Celle, ab 1.9.1867 Präsident des Berliner Oberappellationsgerichts für die neuen preußischen Provinzen in Berlin; 5.12.1867–29.10.1879 preußischer Justizminister. Unter Leonhardt entstanden grundlegende Gesetze Preußens (Eigentumserwerbsgesetz, Vormundschaftsordnung) und des Reichs (Reichsjustizgesetze, Konkursordnung, Rechtsanwaltsordnung). – Quellen: Lilla, 397 f.; NDB Bd. 14, 253 f. (W. Schubert). Liebe, Friedrich (geb. 1809 in Braunschweig; gest. 1885 in Berlin). 1867–1885 Bevollmächtigter Braunschweigs zum Bundesrat. Nach der juristischen Staatsprüfung 1831 zunächst Advokat; nach der zweiten Staatsprüfung 1837 Eintritt in den braunschweigischen Justizdienst, 1841 in das Braunschweiger Staatsministerium. 1848 Bundestagsgesandter, 1851 braunschweigischer Geschäftsträger am preußischen Hof, 1861 wieder im braunschweigischen Staatsministerium. Ab 1867 Ministerresident in Berlin. – Quellen: Lilla, 402 f.; Braunschweigisches biographisches Lexikon, 381. Pape, Heinrich Eduard (geb. 1816 in Brilon/Westf.; gest. 1888 in Berlin). 1867– Dez. 1870 Bevollmächtigter Preußens beim Bundesrat. Nach Bestehen der letzten juristischen Staatsprüfung Richter im preuß. Justizdienst (zuletzt 1856 Rat am Ap-
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Einleitung
pellationsgericht in Königsberg; 1859–1869 Geh. Justizrat und Vortragender Rat im preuß. Justizministerium. 2.1.1870 Präsident des Bundesoberhandelsgerichts (1871 Präsident des Reichsoberhandelsgerichts). Mitglied der Kommission zur Beratung des Seerechts des ADHGB (1860/61). Ferner Mitglied der Kommission zur Revision des preuß. Zivil- und Strafprozessrechts (1861–1864) und der CPO-Kommission des Norddeutschen Bundes (1868–1870). Vorsitzender der Kommission zur Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich (1874–1888). – Quellen: Lilla, 468; NDB Bd. 20 (2001), 45 f. (H.-G. Mertens). Seebach, Richard Camillo Frhr. v. (geb. 1808 in Donndorf/Provinz Sachsen; gest. 1894 in Gotha). Von 1867–1888 Bevollmächtigter für Sachsen-Coburg und -Gotha zum Bundesrat. Nach dem Jurastudium 1829 Eintritt in den sächsischen Justizdienst (1842 Appellationsgerichtsrat in Dresden; vorübergehend auch im Justizministerium beschäftigt). 1849–1888 Staatsminister/teilweise Chef der Landesregierung von Sachsen-Coburg und -Gotha. – Quellen: Lilla, 561 f.
Erster Teil. Aktienrecht des ADHGB von 1861 (Art. 173–249) Zweiter Abschnitt. Von der Kommanditgesellschaft auf Aktien insbesondere. Art. 173. Das Kapital der Kommanditisten kann in Aktien oder Aktienanteile zerlegt werden. Die Aktien oder Aktienanteile müssen auf Namen lauten. Sie müssen auf einen Betrag von mindestens zweihundert Vereinstalern gestellt werden, wenn nicht die Landesgesetze nach Maßgabe der besonderen örtlichen Bedürfnisse einen geringeren Betrag gestatten. Aktien oder Aktienanteile, welche auf Inhaber lauten, oder welche auf einen geringeren als den gesetzlich bestimmten Betrag gestellt werden, sind nichtig. Die Ausgeber solcher Aktien oder Aktienanteile sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch von Promessen und Interimsscheinen. Art. 174. Kommanditgesellschaften auf Aktien können nur mit staatlicher Genehmigung errichtet werden. Über die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftsvertrags muss eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufgenommen werden. Zur Aktienzeichnung genügt eine schriftliche Erklärung. Art. 175. Der Gesellschaftsvertrag, dessen Genehmigung erfolgen soll, muss enthalten: 1. den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters; 2. die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat; 3. den Gegenstand des Unternehmens; 4. die Zeitdauer des Unternehmens, im Fall dasselbe auf eine bestimmte Zeit beschränkt sein soll; 5. die Zahl und den Betrag der Aktien oder Aktienanteile; 6. die Bestimmung, dass ein Aufsichtsrat von mindestens fünf Mitgliedern aus der Zahl der Kommanditisten durch Wahl derselben bestellt werden müsse; 7. die Form, in welcher die Zusammenberufung der Generalversammlung der Kommanditisten geschieht; 8. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Art. 176. Der Gesellschaftsvertrag und die Genehmigungsurkunde müssen bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden.
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Erster Teil. Aktienrecht des ADHGB von 1861 (Art. 173–249)
Der Auszug muss enthalten: 1. das Datum des Gesellschaftsvertrages und der Genehmigungsurkunde; 2. den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters; 3. die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat; 4. die Zahl und den Betrag der Aktien und Aktienanteile; 5. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Art. 177. Der Anmeldung behufs der Eintragung in das Handelsregister muss beigefügt sein: 1. die Bescheinigung, dass der gesamte Betrag des Kapitals der Kommanditisten durch Unterschriften gedeckt ist; 2. die Bescheinigung, dass mindestens ein Vierteil des von jedem Kommanditisten gezeichneten Betrages von ihm eingezahlt ist; 3. der Nachweis, dass der Aufsichtsrat nach Inhalt des Vertrages (Art. 175 Ziff. 6) in einer Generalversammlung der Kommanditisten gewählt ist. Die Anmeldung muss von sämtlichen persönlich haftenden Gesellschaftern vor dem Handelsgerichte unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden. Die der Anmeldung beigefügten Schriftstücke werden bei dem Handelsgerichte in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift aufbewahrt. Art. 178. Vor erfolgter Genehmigung und Eintragung in das Handelsregister besteht die Kommanditgesellschaft als solche nicht. Die ausgegebenen Aktien oder Aktienanteile sind nichtig. Die Ausgeber sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Wenn vor erfolgter Genehmigung und Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. Art. 179. Die Vorschriften der Art. 152 und 153 sind auch bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien zu befolgen; die Anmeldung muss die im Art. 176 Ziffer 1–5 bezeichneten Angaben enthalten. Das Handelsgericht hat die persönlich haftenden Gesellschafter zur Befolgung dieser Vorschriften von Amts wegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Art. 180. Wenn ein Gesellschafter eine Einlage macht, welche nicht in barem Gelde besteht, oder wenn er sich zu seinen Gunsten besondere Vorteile ausbedingt, so muss in einer Generalversammlung der Kommanditisten die Abschätzung und Prüfung der Zulässigkeit angeordnet und in einer späteren Generalversammlung die Genehmigung durch Beschluss erfolgt sein. Der Beschluss wird nach der Mehrheit der in der Versammlung anwesenden oder durch Vollmacht vertretenen Kommanditisten gefasst; jedoch muss diese Mehrheit mindestens ein Vierteil der sämtlichen Kommanditisten begreifen und der Betrag ihrer Anteile zusammen mindestens ein Vierteil des Gesamtkapitals der Kommanditisten
Erster Teil. Aktienrecht des ADHGB von 1861 (Art. 173–249)
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darstellen. Der Gesellschafter, welcher die Einlage macht oder sich besondere Vorteile ausbedingt, hat bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht. Ein gegen den Inhalt dieser Bestimmung geschlossener Vertrag hat keine rechtliche Wirkung. Art. 181. Für die gesellschaftlichen Kapitalanteile, welche auf die Einlagen der persönlich haftenden Gesellschafter fallen oder welche denselben als besondere Vorteile ausbedungen sind, dürfen keine Aktien ausgegeben werden; diese Kapitalanteile dürfen von den persönlich haftenden Gesellschaftern, solange die letzteren in diesem ihrem Rechtsverhältnisse zur Gesellschaft stehen, nicht veräußert werden. Art. 182. Die Aktien oder Aktienanteile sind unteilbar. Sie müssen mit genauer Bezeichnung des Inhabers nach Namen, Wohnort und Stand in das Aktienbuch der Gesellschaft eingetragen werden. Sie können, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmt, ohne Einwilligung der übrigen Gesellschafter auf andere Personen übertragen werden. Die Übertragung kann durch Indossament geschehen. In Betreff der Form des Indossaments kommen die Bestimmungen der Art. 11–13 der allgemeinen deutschen Wechselordnung zur Anwendung. Art. 183. Wenn das Eigentum der Aktie auf einen Anderen übergeht, so ist dies, unter Vorlegung der Aktie und des Nachweises des Überganges, bei der Gesellschaft anzumelden und im Aktienbuche zu bemerken. Im Verhältnisse zu der Gesellschaft werden nur diejenigen als die Eigentümer der Aktien angesehen, welche als solche im Aktienbuche verzeichnet sind. Zur Prüfung der Legitimation ist die Gesellschaft berechtigt, aber nicht verpflichtet. Art. 184. Solange der Betrag einer Aktie nicht vollständig eingezahlt ist, bleibt der ursprüngliche Zeichner zur Einzahlung des Rückstandes an die Gesellschaft verpflichtet; die Gesellschaft kann ihn dieser Verbindlichkeit nicht entlassen. Art. 185. Die persönlich haftenden Gesellschafter sind verpflichtet, dem Aufsichtsrat und des Kommanditisten spätestens in den ersten sechs Monaten jedes Geschäftsjahres eine Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres vorzulegen. Art. 186. Die Rechte, welche den Kommanditisten gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrage oder nach den Bestimmungen des vorigen Abschnitts in Beziehung auf die Führung der Geschäfte, die Einsicht und Prüfung der Bilanz, die Bestimmung der Gewinnverteilung, die Auflösung oder Kündigung der Gesellschaft und die Befugnis, das Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters zu verlangen, zustehen, werden von der Gesamtheit der Kommanditisten in der Generalversammlung ausgeübt.
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Die Beschlüsse der Generalversammlung werden durch den Aufsichtsrat ausgeführt, wenn nicht im Gesellschaftsvertrage ein Anderes bestimmt ist. Art. 187. Die Generalversammlung der Kommanditisten wird durch die persönlich haftenden Gesellschafter oder durch den Aufsichtsrat berufen, sofern nicht nach dem Gesellschaftsvertrage auch andere Personen dazu befugt sind. Art. 188. Eine Generalversammlung der Kommanditisten ist außer den im Gesellschaftsvertrage ausdrücklich bestimmten Fällen zu berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. Die Generalversammlung muss auch dann berufen werden, wenn dies von einem Kommanditisten oder einer Anzahl von Kommanditisten, deren Aktien zusammen den zehnten Teil des Gesamtkapitals der Kommanditisten darstellen, in einer von ihnen unterzeichneten Eingabe unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangt wird. Ist im Gesellschaftsvertrage das Recht, die Berufung einer Generalversammlung zu verlangen, an den Besitz eines größeren oder eines geringeren Anteils am Gesamtkapitale geknüpft, so hat es hierbei sein Bewenden. Art. 189. Die Berufung der Generalversammlung hat in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Weise zu erfolgen. Der Zweck der Generalversammlung muss jederzeit bei der Berufung bekannt gemacht werden. Über Gegenstände, deren Verhandlung nicht in dieser Weise angekündigt ist, können Beschlüsse nicht gefasst werden; hiervon ist jedoch der Beschluss über den in einer Generalversammlung gestellten Antrag auf Berufung einer außerordentlichen Generalversammlung ausgenommen. Zur Stellung von Anträgen und zu Verhandlungen ohne Beschlussfassung bedarf es der Ankündigung nicht. Art. 190. Soweit nicht der Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmt, werden die Beschlüsse der Generalversammlung der Kommanditisten mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst, und jede Aktie gewährt dem Inhaber eine Stimme. Art. 191. Der Aufsichtsrat kann das erste Mal nicht auf länger als ein Jahr, später nicht auf länger als fünf Jahre gewählt werden. Insofern die Wahl auf einen längeren Zeitraum geschieht, ist dieselbe ohne rechtliche Wirkung. Art. 192. Den Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats darf eine Vergütung für die Auflösung ihres Berufs nur durch einen nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres einzuholenden Beschluss der Generalversammlung der Kommanditisten bewilligt werden. Ist die Vergütung früher, oder in einer anderen als der vorstehenden Weise bewilligt, so ist diese Festsetzung ohne rechtliche Wirkung.
Erster Teil. Aktienrecht des ADHGB von 1861 (Art. 173–249)
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Art. 193. Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen ihrer Verwaltung; er kann sich von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten, die Bücher und Schriften derselben jederzeit einsehen und den Bestand der Gesellschaftskasse untersuchen. Er hat die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnverteilung zu prüfen und darüber alljährlich der Generalversammlung Bericht zu erstatten. Art. 194. Der Aufsichtsrat ist ermächtigt, gegen die persönlich haftenden Gesellschafter die Prozesse zu führen, welche die Generalversammlung beschließt. Jeder Kommanditist ist befugt, als Intervenient in den Prozess auf seine Kosten einzutreten. Handelt es sich um die eigene Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats, so kann letzterer ohne und selbst gegen den Beschluss der Generalversammlung gegen die persönlich haftenden Gesellschafter klagen. Art. 195. Wenn die Kommanditisten selbst in Gesamtheit und im gemeinsamen Interesse gegen die persönlich haftenden Gesellschafter auftreten wollen oder gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats einen Prozess zu führen haben, so werden sie durch Bevollmächtigte vertreten, welche in der Generalversammlung gewählt werden. Falls aus irgendeinem Grunde die Bestellung von Bevollmächtigten durch Wahl in der Generalversammlung gehindert wird, kann das Handelsgericht auf Antrag die Bevollmächtigten ernennen. Jeder Kommanditist ist befugt, als Intervenient in den Prozess auf seine Kosten einzutreten. Art. 196. Die Gesellschaft wird durch die persönlich haftenden Gesellschafter berechtigt und verpflichtet; sie wird durch dieselben vor Gericht vertreten. Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft genügt es, wenn dieselbe an einen der zur Vertretung befugten Gesellschafter geschieht. Die Bestimmung des Art. 167 in Betreff des Kommanditisten, welcher für die Gesellschaft Geschäfte schließt, findet bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien keine Anwendung. Art. 197. Die Einlagen können den Kommanditisten, solange die Gesellschaft besteht, nicht zurückgezahlt werden. Zinsen von bestimmter Höhe können für die Kommanditisten nicht bedungen noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie verteilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz, und wenn im Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Reservekapitals bestimmt ist, nach Abzug desselben als reiner Überschuss ergibt. Die Kommanditisten haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn und insoweit sie diesen Bestimmungen entgegen Zahlungen von der Gesellschaft empfangen haben; sie sind jedoch nicht verpflichtet, die in gutem Glauben bezogenen Dividenden zurückzuzahlen.
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Art. 198. Jede Abänderung des Gesellschaftsvertrages bedarf zu ihrer Gültigkeit der notariellen oder gerichtlichen Abfassung, sowie der staatlichen Genehmigung. Der abändernde Vertrag und die Genehmigungsurkunde müssen in gleicher Weise wie der ursprüngliche Vertrag in das Handelsregister eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden (Art. 176, 179). Der abändernde Vertrag hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist. Art. 199. Das Austreten eines persönlich haftenden Gesellschafters in Folge gegenseitiger Übereinkunft (Art. 123 Ziff. 4) ist während des Bestehens der Gesellschaft unstatthaft. Eine solche Übereinkunft steht der Auflösung der Gesellschaft gleich; zu derselben bedarf es der Zustimmung einer Generalversammlung der Kommanditisten. Art. 200. Wenn ein Kommanditist stirbt, oder in Konkurs verfällt, oder zur Verwaltung seines Vermögens rechtlich unfähig wird, so hat dies die Auflösung der Gesellschaft nicht zur Folge. Der Art. 126 findet in Bezug auf die Privatgläubiger eines Kommanditisten keine Anwendung. Im Übrigen gelten die Art. 123 bis 128 auch für die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Art. 201. Die Auflösung der Gesellschaft muss, wenn sie nicht in Folge der Eröffnung des Konkurses über die Gesellschaft geschieht, in das Handelsregister eingetragen werden. Diese Eintragung muss selbst dann geschehen, wenn die Gesellschaft durch Ablauf der Zeit, für welche sie eingegangen war, beendigt wird. Art. 202. Bei der Auflösung einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, welche außer dem Falle der Eröffnung des Konkurses erfolgt, darf die Verteilung des Vermögens unter die Gesellschafter nicht eher vollzogen werden, als nach Verlauf eines Jahres, von dem Tage an gerechnet, an welchem die Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist. Die aus der Handelsbüchern der Gesellschaft ersichtlichen oder in anderer Weise bekannten Gläubiger sind durch besondere Erlasse aufzufordern, sich zu melden; unterlassen sie dies, so ist der Betrag ihrer Forderungen gerichtlich niederzulegen. Das Letztere muss auch in Ansehung der noch schwebenden Verbindlichkeiten und streitigen Forderungen geschehen, sofern nicht die Verteilung des Gesellschaftsvermögens bis zu deren Erledigung ausgesetzt bleibt, oder den Gläubigern eine angemessene Sicherheit bestellt wird. Art. 203. Eine teilweise Zurückzahlung des Kapitals der Kommanditisten kann nur vermöge einer staatlich genehmigten Abänderung des Gesellschaftsvertrages erfolgen. Die Zurückzahlung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen geschehen, welche für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens im Falle der Auflösung maßgebend sind (Art. 201, 202).
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Art. 204. Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind gleich den persönlich haftenden Gesellschaftern solidarisch zur Erstattung geleisteter Zahlungen verpflichtet, wenn mit ihrem Wissen und ohne ihr Einschreiten: 1. Einlagen an die Kommanditisten zurückgezahlt oder 2. Zinsen oder Dividenden gezahlt sind, welche nicht aus dem auf die Aktien fallenden Gewinne entnommen wurden, oder 3. die Verteilung des Gesellschaftsvermögens oder eine teilweise Zurückzahlung des Kapitals der Kommanditisten ohne Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen (Art. 202, 203) erfolgt ist. Art. 205. Die Liquidation erfolgt, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht ein Anderes bestimmt, durch sämtliche persönlich haftende Gesellschafter und eine oder mehrere von der Generalversammlung der Kommanditisten gewählte Personen. Art. 206. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, zu bestimmen, dass es der staatlichen Genehmigung zur Errichtung von Kommanditgesellschaften auf Aktien im Allgemeinen oder von einzelnen Arten derselben nicht bedarf. In diesem Falle kommen die Bestimmungen dieses Abschnitts zur Anwendung, soweit sie die staatliche Genehmigung bei der Errichtung oder Abänderung des Gesellschaftsvertrages nicht zum Gegenstand haben; der Gesellschaftsvertrag muss jedoch die in dem Art. 175 verzeichneten Bestimmungen enthalten, bevor die in dem Art. 176 vorgeschriebene Eintragung in das Handelsregister erfolgen darf.
Dritter Titel. Von der Aktiengesellschaft Erster Abschnitt. Allgemeine Grundsätze Art. 207. Eine Handelsgesellschaft ist eine Aktiengesellschaft, wenn sich die sämtlichen Gesellschafter nur mit Einlagen beteiligen, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften. Das Gesellschaftskapital wird in Aktien oder auch in Aktienanteile zerlegt. Die Aktien oder Aktienanteile sind unteilbar. Dieselben können auf Inhaber oder auf Namen lauten. Art. 208. Aktiengesellschaften können nur mit staatlicher Genehmigung errichtet werden. Über die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftsvertrages (Statuts) muss eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufgenommen werden. Zur Aktienzeichnung genügt eine schriftliche Erklärung. Art. 209. Der Gesellschaftsvertrag, dessen Genehmigung erfolgen soll, muss insbesondere bestimmen: 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft;
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Erster Teil. Aktienrecht des ADHGB von 1861 (Art. 173–249)
2. den Gegenstand des Unternehmens; 3. die Zeitdauer des Unternehmens, in Falle dasselbe auf eine bestimmte Zeit beschränkt sein soll; 4. die Höhe des Grundkapitals und der einzelnen Aktien oder Aktienanteile; 5. die Eigenschaft der Aktien, ob sie auf Inhaber oder auf Namen gestellt werden sollen, ingleichen die etwa bestimmte Zahl der einen und der anderen Art, sowie die etwa zugelassene Umwandlung derselben; 6. die Grundsätze, nach welchen die Bilanz aufzunehmen und der Gewinn zu berechnen und auszuzahlen ist, sowie die Art und Weise, wie die Prüfung der Bilanz erfolgt; 7. die Art der Bestellung und Zusammensetzung des Vorstandes und die Formen für die Legitimation der Mitglieder desselben und der Beamten der Gesellschaft; 8. die Form, in welcher die Zusammenberufung der Aktionäre geschieht; 9. die Bedingungen des Stimmrechts der Aktionäre und die Form, in welcher dasselbe ausgeübt wird; 10. die Gegenstände, über welche nicht schon durch einfache Stimmenmehrheit der auf Zusammenberufung erschienenen Aktionäre, sondern nur durch eine größere Stimmenmehrheit oder nach anderen Erfordernissen Beschluss gefasst werden kann; 11. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Art. 210. Der Gesellschaftsvertrag und die Genehmigungsurkunde müssen bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden. Der Auszug muss enthalten: 1. das Datum des Gesellschaftsvertrages und der Genehmigungsurkunde; 2. die Firma und den Sitz der Gesellschaft; 3. den Gegenstand und die Zeitdauer des Unternehmens; 4. die Höhe des Grundkapitals und der einzelnen Aktien oder Aktienanteile; 5. die Eigenschaft derselben, ob sie auf Inhaber oder auf Namen gestellt sind; 6. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Ist im Gesellschaftsvertrage eine Form bestimmt, in welcher der Vorstand seine Willenserklärungen kundgibt und für die Gesellschaft zeichnet, so ist auch diese Bestimmung zu veröffentlichen. Art. 211. Vor erfolgter Genehmigung und Eintragung in das Handelsregister besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht. Wenn vor erfolgter Genehmigung und Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch.
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Art. 212. Bei jedem Handelsgerichte, in dessen Bezirk die Aktiengesellschaft eine Zweigniederlassung hat, muss dies behufs der Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Die Anmeldung muss die in Art. 210 Abs. 2 und 3 bezeichneten Angaben enthalten. Das Handelsgericht hat die Mitglieder des Vorstandes zur Befolgung dieser Vorschriften von Amts wegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Art. 213. Die Aktiengesellschaft als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben; sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden. Ihr ordentlicher Gerichtsstand ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat. Art. 214. Jeder Beschluss der Generalversammlung, welcher die Fortsetzung der Gesellschaft oder eine Abänderung der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zum Gegenstande hat, bedarf zu seiner Gültigkeit der notariellen oder gerichtlichen Beurkundung, sowie der staatlichen Genehmigung. Ein solcher Beschluss der Generalversammlung, welcher die Fortsetzung der Gesellschaft oder eine Abänderung der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zum Gegenstande hat, bedarf zu seiner Gültigkeit der notariellen oder gerichtlichen Beurkundung, sowie der staatlichen Genehmigung. Ein solcher Beschluss und die Genehmigungs-Urkunde müssen in gleicher Weise wie der ursprüngliche Vertrag in das Handelsregister eingetragen und im Auszug veröffentlicht werden (Art. 210, 212). Der Beschluss hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist. Art. 215. Die Abänderung des Gegenstandes der Unternehmung der Gesellschaft kann nicht durch Stimmenmehrheit beschlossen werden, sofern dies nicht im Gesellschaftsvertrage ausdrücklich gestattet ist. Dasselbe gilt von dem Falle, wenn die Gesellschaft durch Übertragung ihres Vermögens und ihrer Schulden an eine andere Aktiengesellschaft gegen Gewährung von Aktien der letzteren aufgelöst werden soll.
Zweiter Abschnitt. Rechtsverhältnis der Aktionäre Art. 216. Jeder Aktionär hat einen verhältnismäßigen Anteil an dem Vermögen der Gesellschaft. Er kann den eingezahlten Betrag nicht zurückfordern und hat, solange die Gesellschaft besteht, nur einen Anspruch auf den reinen Gewinn, soweit dieser nach dem Gesellschaftsvertrage zur Verteilung unter die Aktionäre bestimmt ist.
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Art. 217. Zinsen von bestimmter Höhe dürfen für die Aktionäre nicht bedungen, noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie verteilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz, und wenn im Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Reservekapitals bestimmt ist, nach Abzug desselben als reiner Überschuss ergibt. Jedoch können für den in dem Gesellschaftsvertrage angegebenen Zeitraum, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Betriebes erfordert, den Aktionären Zinsen von bestimmter Höhe bedungen werden. Art. 218. Der Aktionär ist in keinem Falle verpflichtet, die in gutem Glauben empfangenen Zinsen und Dividenden zurückzugeben. Art. 219. Der Aktionär ist nicht schuldig, zu den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten mehr beizutragen, als den für die Aktie statutenmäßig zu leistenden Beitrag. Art. 220. Ein Aktionär, welcher den Betrag seiner Aktie nicht zur rechten Zeit einzahlt, ist zur Zahlung von Verzugszinsen von Rechts wegen verpflichtet. Im Gesellschaftsvertrage können für den Fall der verzögerten Einzahlung des gezeichneten Aktienbetrages oder eines Teils desselben Konventionalstrafen ohne Rücksicht auf die sonst stattfindenden gesetzlichen Einschränkungen festgesetzt werden; auch kann bestimmt werden, dass die säumigen Aktionäre ihrer Anrechte aus der Zeichnung der Aktien und der geleisteten Teilzahlungen zugunsten der Gesellschaft verlustig gehen. Art. 221. Ist im Gesellschaftsvertrage keine besondere Form, wie die Aufforderung zur Einzahlung geschehen soll, bestimmt, so geschieht dieselbe in der Form, in welcher die Bekanntmachungen der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrage überhaupt erfolgen müssen (Art. 209 Ziff. 11). Jedoch kann in keinem Falle ein Aktionär seines Anrechts verlustig erklärt werden, wenn nicht die Aufforderung zur Zahlung mindestens dreimal in den hierzu bestimmten öffentlichen Blättern (Art. 209 Ziff. 11), das letzte Mal wenigstens vier Wochen vor dem für die Einzahlungen gesetzten Schlusstermine, bekannt gemacht worden ist. Wenn die Aktien auf Namen lauten und ohne Einwilligung der übrigen Aktionäre nicht übertragbar sind, so kann die Bekanntmachung dieser Aufforderungen durch besondere Erlasse an die einzelnen Aktionäre statt der Einrückungen in die öffentlichen Blätter erfolgen. Art. 222. Wenn die Aktien oder Aktienanteile auf Inhaber gestellt werden, so kommen folgende Grundsätze zur Anwendung: 1. Die Ausgabe der Aktien darf vor Einzahlung des ganzen Nominalbetrages derselben nicht erfolgen; ebenso wenig dürfen über die geleisteten Partialzahlungen Promessen oder Interimsscheine, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden. 2. Der Zeichner der Aktie ist für die Einzahlung von vierzig Prozent des Nominalbetrages der Aktie unbedingt verhaftet; von dieser Verpflichtung kann derselbe
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weder durch Übertragung seines Anrechts auf einen Dritten sich befreien, noch seitens der Gesellschaft entbunden werden; wird der Zeichner der Aktie, wegen verzögerter Einzahlung, seines Anrechts aus der Zeichnung verlustig erklärt (Art. 220), so bleibt er dessen ungeachtet zur Einzahlung von vierzig Prozent des Nominalbetrages der Aktie verpflichtet. 3. Im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, dass und unter welchen Maßgaben nach erfolgter Einzahlung von vierzig Prozent die Befreiung des Zeichners von der Haftung für weitere Einzahlungen zulässig sei, und dass im Falle der eingetretenen Befreiung über die geleisteten Einzahlungen Promessen oder Interimsscheine, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden dürfen. Art. 223. Wenn die Aktien auf Namen lauten, so kommen die bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien gegebenen Bestimmungen über die Eintragung der Aktien in das Aktienbuch der Gesellschaft und über die Übertragung derselben auf Andere (Art. 182, 183) auch hier zur Anwendung. Solange der Betrag der Aktie nicht vollständig eingezahlt ist, wird der Aktionär durch Übertragung seines Anrechts auf einen Anderen von der Verbindlichkeit zur Zahlung des Rückstandes nur dann befreit, wenn die Gesellschaft den neuen Erwerber an seiner Stelle annimmt und ihn der Verbindlichkeit entlässt. Auch in diesem Falle bleibt der austretende Aktionär auf Höhe des Rückstandes für alle bis dahin von der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten noch auf ein Jahr, vom Tage des Austritts an gerechnet, subsidiarisch verhaftet. Art. 224. Die Rechte, welche den Aktionären in den Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere in Beziehung auf die Führung der Geschäfte, die Einsicht und Prüfung der Bilanz und die Bestimmung der Gewinnverteilung zustehen, werden von der Gesamtheit der Aktionäre in der Generalversammlung ausgeübt. Jede Aktie gewährt dem Inhaber eine Stimme, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag ein Anderes festsetzt. Art. 225. Ist ein Aufsichtsrat bestellt, so überwacht derselbe die Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung; er kann sich von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten, die Bücher und Schriften derselben jederzeit einsehen und den Bestand der Gesellschaftskasse untersuchen. Er hat die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnverteilung zu prüfen und darüber alljährlich der Generalversammlung der Aktionäre Bericht zu erstatten. Er hat eine Generalversammlung zu berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist. Art. 226. Handelt es sich um die Führung von Prozessen gegen die Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates, so kommen die für die Kommanditgesellschaft auf Aktien gegebenen Bestimmungen (Art. 194, 195) auch hier zur Anwendung.
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Dritter Abschnitt. Rechte und Pflichten des Vorstandes Art. 227. Jede Aktiengesellschaft muss einen Vorstand haben (Art. 209 Ziff. 7). Sie wird durch denselben gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Der Vorstand kann aus einem oder mehreren Mitgliedern bestehen; diese können besoldet oder unbesoldet, Aktionäre oder Andere sein. Ihre Bestellung ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. Art. 228. Die jeweiligen Mitglieder des Vorstandes müssen alsbald nach ihrer Bestellung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Der Anmeldung ist ihre Legitimation beizufügen. Sie haben ihre Unterschrift vor dem Handelsgerichte zu zeichnen, oder die Zeichnung derselben in beglaubigter Form einzureichen. Das Handelsgericht hat die Mitglieder des Vorstandes zur Befolgung dieser Vorschriften von Amts wegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Art. 229. Der Vorstand hat in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Form seine Willenserklärungen kundzugeben und für die Gesellschaft zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so ist die Zeichnung durch sämtliche Mitglieder des Vorstandes erforderlich. Die Zeichnung geschieht in der Weise, dass die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft oder zu der Benennung des Vorstandes ihre Unterschrift hinzufügen. Art. 230. Die Gesellschaft wird durch die von dem Vorstande in ihrem Namen geschlossenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet; es ist gleichgültig, ob das Geschäft ausdrücklich im Namen der Gesellschaft geschlossen worden ist, oder ob die Umstände ergeben, dass es nach dem Willen der Kontrahenten für die Gesellschaft geschlossen werden sollte. Art. 231. Der Vorstand ist der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche in dem Gesellschaftsvertrage oder durch Beschlüsse der Generalversammlung für den Umfang seiner Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, festgesetzt sind. Gegen dritte Personen hat jedoch eine Beschränkung der Befugnis des Vorstandes, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken, oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder dass die Zustimmung der Generalversammlung, eines Verwaltungsrats, eines Aufsichtsrats oder eines anderen Organes der Aktionäre für einzelne Geschäfte erfordert ist. Art. 232. Eide namens der Gesellschaft werden durch den Vorstand geleistet.
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Art. 233. Jede Änderung der Mitglieder des Vorstandes muss bei Ordnungsstrafe zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Dritten Personen kann die Änderung nur insofern entgegengesetzt werden, als in Betreff dieser Änderung die im Art. 46 in Betreff des Erlöschens der Prokura bezeichneten Voraussetzungen vorhanden sind. Art. 234. Der Betrieb von Geschäften der Gesellschaft, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Bezug auf diese Geschäftsführung kann auch sonstigen Bevollmächtigten oder Beamten der Gesellschaft zugewiesen werden. In diesem Falle bestimmt sich die Befugnis derselben nach der ihnen erteilten Vollmacht; sie erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtshandlungen, welche die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Art. 235. Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft genügt es, wenn dieselbe an ein Mitglied des Vorstandes, welches zu zeichnen oder mitzuzeichnen befugt ist, oder an einen Beamten der Gesellschaft, welcher dieselbe vor Gericht zu vertreten berechtigt ist, geschieht. Art. 236. Die Generalversammlung der Aktionäre wird durch den Vorstand berufen, soweit nicht nach dem Gesellschaftsvertrage auch andere Personen dazu befugt sind. Art. 237. Eine Generalversammlung der Aktionäre ist, außer den im Gesellschaftsvertrage ausdrücklich bestimmten Fällen, zu berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. Die Generalversammlung muss auch dann berufen werden, wenn dies ein Aktionär oder eine Anzahl von Aktionären, deren Aktien zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals darstellen, in einer von ihnen unterzeichneten Eingabe unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangen. Ist in dem Gesellschaftsvertrage das Recht, die Berufung einer Generalversammlung zu verlangen, an den Besitz eines größeren oder eines geringeren Anteils am Grundkapital geknüpft, so hat es hierbei sein Bewenden. Art. 238. Die Berufung der Generalversammlung hat in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Weise zu erfolgen. Der Zweck der Generalversammlung muss jederzeit bei der Berufung bekannt gemacht werden. Über Gegenstände, deren Verhandlung nicht in dieser Weise angekündigt ist, können Beschlüsse nicht gefasst werden; hiervon ist jedoch der Beschluss über den in einer Generalversammlung gestellten Antrag auf Berufung einer außerordentlichen Generalversammlung ausgenommen. Zur Stellung von Anträgen und zu Verhandlungen ohne Beschlussfassung bedarf es der Ankündigung nicht. Art. 239. Der Vorstand ist verpflichtet, Sorge zu tragen, dass die erforderlichen Bücher der Gesellschaft geführt werden. Er muss den Aktionären spätestens in den ersten
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sechs Monaten jedes Geschäftsjahres eine Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres vorlegen. Zur Entlastung des Vorstandes bei Legung der Rechnungen können Personen nicht bestellt werden, welche auf irgendeine Weise an der Geschäftsführung teilnehmen. Dieses Verbot bezieht sich nicht auf die Personen, welchen die Aufsicht über die Geschäftsführung zusteht. Art. 240. Ergibt sich aus der letzten Bilanz, dass sich das Grundkapital um die Hälfte vermindert hat, so muss der Vorstand unverzüglich eine Generalversammlung berufen und dieser, sowie der zuständigen Verwaltungsbehörde davon Anzeige machen. Die Verwaltungsbehörde kann in diesem Falle von den Büchern der Gesellschaft Einsicht nehmen und nach Befinden der Umstände die Auflösung der Gesellschaft verfügen. Ergibt sich, dass das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt, so muss der Vorstand hiervon dem Gericht behufs der Eröffnung des Konkurses Anzeige machen. Art. 241. Die Mitglieder des Vorstandes sind aus den von ihnen im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen Dritten gegenüber für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich nicht verpflichtet. Mitglieder des Vorstandes, welche außer den Grenzen ihres Auftrages, oder den Vorschriften dieses Titels oder des Gesellschaftsvertrages entgegen handeln, haften persönlich und solidarisch für den dadurch entstandenen Schaden. Dies gilt insbesondere, wenn sie der Bestimmung des Art. 217 entgegen an die Aktionäre Dividenden oder Zinsen zahlen, oder wenn sie zu einer Zeit noch Zahlungen leisten, in welcher ihnen die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft hätte bekannt sein müssen.
Vierter Abschnitt. Auflösung der Gesellschaft Art. 242. Die Aktiengesellschaft wird aufgelöst: 1. durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrage bestimmten Zeit; 2. durch einen notariell oder gerichtlich beurkundeten Beschluss der Aktionäre; 3. durch Verfügung der Verwaltungsbehörde, wenn sich das Grundkapital um die Hälfte vermindert hat (Art. 240); 4. durch Eröffnung des Konkurses. Wenn die Auflösung einer Aktiengesellschaft aus anderen Gründen oder die Zurücknahme der staatlichen Genehmigung nach dem in den einzelnen Staaten geltenden Recht erfolgt, so finden die Bestimmungen dieses Abschnitts ebenfalls Anwendung. Art. 243. Die Auflösung der Gesellschaft muss, wenn sie nicht eine Folge des eröffneten Konkurses ist, durch den Vorstand, bei Ordnungsstrafe, zur Eintragung in das
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Handelsregister angemeldet werden; sie muss zu drei verschiedenen Malen durch die hierzu bestimmten öffentlichen Blätter (Art. 209 Ziff. 11) bekannt gemacht werden. Durch diese Bekanntmachung müssen zugleich die Gläubiger aufgefordert werden, sich bei der Gesellschaft zu melden. Art. 244. Die Liquidation geschieht durch den Vorstand, wenn nicht dieselbe durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluss der Aktionäre an andere Personen übertragen wird. Es kommen die bei der offenen Handelsgesellschaft über die Anmeldung und das Rechtsverhältnis der Liquidatoren gegebenen Bestimmungen auch hier zur Anwendung, mit der Maßgabe, dass die Anmeldungen behufs der Eintragung in das Handelsregister durch den Vorstand zu machen sind. Die Bestellung der Liquidatoren ist jederzeit widerruflich. Art. 245. Das Vermögen einer aufgelösten Aktiengesellschaft wird nach Tilgung ihrer Schulden unter die Aktionäre nach Verhältnis ihrer Aktien verteilt. Die Verteilung darf nicht eher vollzogen werden, als nach Ablauf eines Jahres, von dem Tage an gerechnet, an welchem die Bekanntmachung in den hierzu bestimmten öffentlichen Blättern (Art. 243) zum dritten Male erfolgt ist. In Ansehung der aus den Handelsbüchern ersichtlichen oder in anderer Weise bekannten Gläubiger und in Ansehung der noch schwebenden Verbindlichkeiten und streitigen Forderungen kommen die bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien gegebenen Bestimmungen (Art. 202 Abs. 2 und 3) zur Anwendung. Mitglieder des Vorstandes und Liquidatoren, welche diesen Vorschriften entgegenhandeln, sind persönlich und solidarisch zur Erstattung der geleisteten Zahlungen verpflichtet. Art. 246. Die Handelsbücher der aufgelösten Gesellschaft sind an einem von dem Handelsgerichte zu bestimmenden sicheren Orte zur Aufbewahrung auf die Dauer von zehn Jahren niederzulegen. Art. 247. Die Auflösung einer Aktiengesellschaft durch Vereinigung mit einer anderen Aktiengesellschaft (Art. 215) kann nur unter staatlicher Genehmigung erfolgen. Es kommen bei dieser Auflösung folgende Bestimmungen zur Anwendung: 1. Das Vermögen der aufzulösenden Gesellschaft ist solange getrennt zu verwalten, bis die Befriedigung oder Sicherstellung ihrer Gläubiger erfolgt ist. 2. Der bisherige Gerichtsstand der Gesellschaft bleibt für die Dauer der getrennten Vermögensverwaltung bestehen; dagegen wird die Verwaltung von der anderen Gesellschaft geführt. 3. Der Vorstand der letzteren Gesellschaft ist den Gläubigern für die Ausführung der getrennten Verwaltung persönlich und solidarisch verantwortlich. 4. Die Auflösung der Gesellschaft ist zur Eintragung in das Handelsregister bei Ordnungsstrafe anzumelden.
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5. Die öffentliche Aufforderung der Gläubiger der aufgelösten Gesellschaft (Art. 243) kann unterlassen oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Jedoch ist die Vereinigung der Vermögen der beiden Gesellschaften erst in dem Zeitpunkte zulässig, in welchem eine Verteilung des Vermögens einer aufgelösten Aktiengesellschaft unter die Aktionäre erfolgen darf (Art. 245). Art. 248. Eine teilweise Zurückzahlung des Grundkapitals an die Aktionäre kann nur auf Beschluss der Generalversammlung erfolgen; dieser Beschluss bedarf zu seiner Gültigkeit der staatlichen Genehmigung. Die Zurückzahlung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen erfolgen, welche für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens im Falle der Auflösung maßgebend sind (Art. 243, 245). Die Mitglieder des Vorstandes, welche dieser Vorschrift entgegenhandeln, sind den Gläubigern der Gesellschaft persönlich und solidarisch verhaftet.
Fünfter Abschnitt. Schlussbestimmungen Art. 249. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, zu bestimmen, dass es der staatlichen Genehmigung zur Errichtung von Aktiengesellschaften im Allgemeinen oder von einzelnen Arten derselben nicht bedarf. Auch in diesem Falle kommen jedoch die Bestimmungen dieses Titels zur Anwendung, ausgenommen insoweit dieselben: 1. zur Errichtung einer Aktiengesellschaft (Art. 208, 210, 211), 2. zu Beschlüssen der Generalversammlung (Art. 214), 3. zur Auflösung einer Aktiengesellschaft durch Vereinigung mit einer anderen Aktiengesellschaft (Art. 247), 4. zur teilweisen Zurückzahlung des Grundkapitals an die Aktionäre (Art. 248) die staatliche Genehmigung und deren Eintragung in das Handelsregister erfordern, und 5. die Anzeige, dass sich das Grundkapital um die Hälfte vermindert hat, sowie die hierauf zu erlassende Verfügung der Verwaltungsbehörde (Art. 240, 242 Ziff. 3) zum Gegenstande haben; der Gesellschaftsvertrag muss jedoch die in dem Art. 209 verzeichneten Bestimmungen enthalten, bevor die in dem Art. 210 vorgeschriebene Eintragung in das Handelsregister erfolgen kann. Außerdem bleibt den Landesgesetzen überhaupt vorbehalten, zu bestimmen, dass für besondere Arten von Aktiengesellschaften oder in besonderen Fällen durch den Gesellschaftsvertrag mit staatlicher Genehmigung 1. die in dem Art. 222 bestimmte Höhe der Einzahlung von vierzig Prozent des Nominalbetrages der Aktien bis auf fünfundzwanzig Prozent dieses Betrages herabgesetzt, und 2. die in dem Art. 239 bestimmte Frist zur Vorlegung der Bilanz bis auf zwölf Monate seit Ablauf des Geschäftsjahres ausgedehnt werden darf.
Zweiter Teil. Die preußischen Entwürfe zu einer Aktienrechtsnovelle (1868/69) I. Entwurf des preußischen Handelsministers v. Itzenplitz vom 19.9.1868 zu einer Aktienrechtsnovelle 1. Text des Entwurfs § 1. Zur Errichtung von Aktiengesellschaften als solcher bedarf es fortan der staatlichen Genehmigung nicht. In den gesetzlichen Vorschriften, wonach der Gegenstand des Unternehmens einer Aktiengesellschaft der Genehmigung bedarf, wird hierdurch nichts geändert. § 2 (§ 3)1. Die Bestimmung des ADHGB über die Aktiengesellschaften finden auch auf solche Aktiengesellschaften Anwendung, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgeschäften besteht. Das Gesetz vom 15. Februar 1864 (GS, S. 57) wird aufgehoben. § 3 (§ 2). Die Bestimmungen des ADHGB und des EG zu demselben vom 24.6.1861 (GS, S. 449), insoweit dieselben 1. zur Errichtung einer Aktiengesellschaft (Art. 208, 210, 211 des ADHGB), 2. zum Beschlusse der Generalversammlung (Art. 214 des ADHGB), 3. zur Auflösung einer Aktiengesellschaft durch Vereinigung mit einer anderen Aktiengesellschaft (Art. 247 ADHGB), 4. zur teilweisen Zurückzahlung des Grundkapitals an die Aktionäre (Art. 248 aaO.) die staatliche Genehmigung (Art. 12 § 1 des EG vom 24.6.1861), deren Eintragung in das Handelsregister, sowie deren Veröffentlichung in der Gesetzsammlung und in den Amtsblättern (Art. 12 § 3) erfordern und 5. die Anzeige, dass sich das Grundkapital um die Hälfte vermindert hat, sowie die hierauf zu erlassende Verfügung der Verwaltungsbehörde (Art. 240, 242 Ziff. 3 d. ADHGB, Art. 12 § 2 des EG vom 24.6.1861), zum Gegenstande haben, alle Bestimmungen der Statuten bestehender Aktiengesellschaften, welche eine landesherrliche oder sonstige staatliche Genehmigung der Aktiengesellschaften als solcher oder einer sonstigen Einwirkung und Tätigkeit der Aufsichtsbehörde auf die Aktiengesellschaften als solche vorschreiben, sodann die §§ 3, 4, 5, 7 und 8 Art. 12 des EG v. 24.6.1861 werden aufgehoben. Dagegen treten in den Landesteilen, in welchen das EG vom 24.6.1861 in Geltung steht, für die Aktiengesellschaften fernerhin folgende Bestimmungen in Kraft:
1 In Klammern ist auf die Bundesratsvorlage von 1869 verwiesen.
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Zweiter Teil. Die preußischen Entwürfe zu einer Aktienrechtsnovelle (1868/69)
§ 4 (§ 5). Der Gesellschaftsvertrag muss außer dem in Art. 209 HGB bezeichneten Inhalt die Bestimmung enthalten, dass ein Aufsichtsrat (Art. 225 des ADHGB) von mindestens fünf Mitgliedern aus der Zahl der Aktionäre durch Wahl derselben bestellt werden müsse. § 5 (§ 6). Die Anmeldung behufs der Eintragung der Aktiengesellschaften in das Handelsregister muss außer den Vorlagen, welche schon gesetzlich bestimmt sind, beigefügt sein: 1. Die Bescheinigung, dass der gesamte Betrag des Grundkapitals durch Unterschriften gedeckt ist, 2. die Bescheinigung, dass mindestens 10% des von jedem Aktionär gezeichneten Betrages eingezahlt sind, 3. der Nachweis, dass der Aufsichtsrat nach Inhalt des Vertrags eine Generalversammlung der Aktionäre gewählt ist. Die Anmeldung muss von sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes vor dem Handelsgericht unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden. Die der Anmeldung beigefügten Schriftstücke werden bei dem Handelsgericht in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift aufbewahrt. § 6. Der Gesellschaftsvertrag muss durch das Amtsblatt desjenigen Regierungsbezirks, in welchem die Gesellschaft ihren Sitz hat, bekanntgemacht werden. Die Kosten der Bekanntmachung durch das Amtsblatt trägt die Gesellschaft. Jede Abänderung oder Verlängerung des Gesellschaftsvertrags ist gleichfalls nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen bekanntzumachen. Vor dieser Veröffentlichung besteht die Gesellschaft nicht und haben die Beschlüsse über Abänderung oder Verlängerung des Gesellschaftsvertrags keine Gültigkeit. Wenn vor erfolgter Veröffentlichung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. § 7 (§ 8). Aktien oder Aktienanteile, die auf Namen lauten, müssen auf einen Betrag von mindestens 100, Aktien oder Aktienanteile, die auf Inhaber lauten, auf einen solchen von mindestens 200 Vereinstaler oder einen dem entsprechenden Betrag in anderer als Talerwährung gestellt werden. Aktien oder Aktienanteile, welche auf einen geringeren Betrag gestellt werden, sind nichtig. Die Ausgeber solcher Aktien oder Aktienanteile sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch von Promessen und Interimsscheinen. § 8. Die Aktionäre sind verpflichtet, die Beträge nach Maßgabe der in dem Gesellschaftsvertrag bezeichneten Höhe der Aktien oder Aktienanteile und ihrer Zeichnungen zu leisten. Beschlüsse und Verabredungen, wonach geringere Beiträge geleistet werden sollen, sind nichtig.
I. Entwurf des preußischen Handelsministers v. Itzenplitz
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§ 9 (§ 9). Die Nominalhöhe I. Entwurf der Aktien des preußischen oder Aktienanteile Handelsministers darf während v. Itzenplitz des Bestehens der Gesellschaft weder vermindert noch erhöht werden. § 10 (§ 5). Wenn ein Gesellschafter eine Einlage macht, welche nicht in barem Gelde besteht, oder wenn er sich zu seinen Gunsten besondere Vorteile ausbedingt, so muss in einer Generalversammlung der Aktionäre die Abschließung und Prüfung der Zulässigkeit angeordnet und in einer späteren Generalversammlung die Genehmigung durch Beschluss erfolgt sein. Der Beschluss wird nach der Mehrheit der in der Versammlung anwesenden oder durch Vollmacht vertretenen Aktionäre gefasst, doch muss diese Mehrheit mindestens ein Vierteil der sämtlichen Aktionäre begreifen und der Betrag ihrer Anteile zusammen mindestens ein Vierteil des Gesamtkapitals der Aktionäre darstellen. Der Gesellschafter, welcher die Einlage macht, oder sich besondere Vorteile ausbedingt, hat bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht. Ein gegen den Inhalt dieser Bestimmung geschlossener Vertrag hat keine rechtliche Wirkung. § 11 (§ 11). Dividenden können den Aktionären nur insoweit gezahlt werden, als dadurch die ursprüngliche Einlage nicht vermindert wird. Die Aktionäre können bis zur Wiederergänzung der durch den Verlust verminderten Einlagen keinen Gewinn beziehen. § 12 (§ 13). Innerhalb der im Art. 239 des HGB bestimmten Frist hat der Vorstand die jährliche Bilanz auch in der Form, welche für die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen angeordnet ist und durch die dafür bestimmten Blätter (Art. 209 Ziff. 11) zu veröffentlichen. § 13 (§ 14). Die Aufnahme von Anleihen kann nur von der Generalversammlung der Aktionäre gültig beschlossen werden. Ausgenommen sind solche Anleihen, welche lediglich zur Deckung laufender Ausgaben dienen. Dass dieser Fall vorliegt, wird angenommen, wenn für die Zurückzahlung der Anleihe eine bestimmte, höchstens 6monatliche Frist bedungen ist. § 14 (§ 15). Der Aufsichtsrat kann das erste Mal nicht auf länger als ein Jahr, später nicht auf länger als 5 Jahre gewählt werden. Insoweit die Wahl auf einen längeren Zeitraum geschieht, ist dieselbe ohne rechtliche Wirkung. § 15 (§ 16). Den Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats darf eine Vergütung für die Ausübung ihres Berufs nur durch einen nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres einzuholenden Beschluss der Generalversammlung der Aktionäre bewilligt werden. Ist die Vergütung früher oder in einer anderen als der vorstehenden Weise bewilligt, so ist diese Festsetzung ohne rechtliche Wirkung.
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Zweiter Teil. Die preußischen Entwürfe zu einer Aktienrechtsnovelle (1868/69)
§ 16 (§ 17). Die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes dürfen mit der Gesellschaft weder unmittelbar noch mittelbar in Bezug auf Leistungen, Lieferungen, Kauf-, Tausch- oder Darlehensgeschäfte in Vertragsverhältnisse treten, es sei denn, dass die Generalversammlung der Aktionäre hierzu ihre besondere Genehmigung erteilt hat. Ein solcher Beschluss kann nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der in der Versammlung anwesenden oder durch Vollmacht vertretenen Aktionäre gefasst werden. Auch muss diese Mehrheit mindestens ein Vierteil der sämtlichen Aktionäre begreifen und der Betrag ihrer Anteile zusammen mindestens ein Vierteil des Gesamtkapitals der Aktionäre darstellen. Die Mitglieder des Aufsichtsrats oder des Vorstandes, welche mit der Gesellschaft in Vertragsverhältnis treten sollen, haben bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht. § 17 (§ 18). Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind gleich den Mitgliedern des Vorstandes solidarisch zur Erstattung geleisteter Zahlungen verpflichtet, wenn mit ihrem Wissen und ohne ihr Einschreiten 1. Einlagen an die Aktionäre zurückgezahlt werden, 2. Zinsen oder Dividenden gezahlt sind, welche nach Maßgabe der Bestimmungen des Art. 217 des HGB oder nach § 11 dieses Gesetzes nicht gezahlt werden durften, 3. die Verteilung des Gesellschaftsvermögens oder einer teilweise Zurückzahlung des Grundkapitals ohne Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen (Art. 245, 248 des HGB) erfolgt ist. § 18 (§ 19). Die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes werden mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft: 1. wenn sie vorsätzlich behufs Eintragung des Gesellschaftsvertrags in das Handelsregister oder der Veröffentlichung in den Amtsblättern (§§ 5, 6) falsche Angaben über die Zeichnung oder Einzahlung des Grundkapitals machen, 2. durch ihre Schuld die Gesellschaft länger als drei Monate ohne Aufsichtsrat gblieben ist, oder die Ergänzung der Mitglieder des Aufsichtsrats auf gesetzliche Minimalzahl (§ 4) oder die etwa durch das Statut bestimmte höhere Zahl unterblieben ist, 3. wenn sie in ihren offiziellen Darstellungen, in ihren Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen vorsätzlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern, um auf den Kurs der Aktien oder den Kredit der Gesellschaft einzuwirken. § 19 = § 20 E. 1869. Übergangsbestimmungen § 20 = § 21 E. 1869. § 21 = § 22 E. 1869. § 22 = § 23 E. 1869. § 23 = § 24 E. 1869. § 25 = § 26 E. 1869. § 26 = § 27 E. 1869.
I. Entwurf des preußischen Handelsministers v. Itzenplitz
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2. Übersendungsschreiben I. Entwurf des preußischen [nurHandelsministers teilweise wiedergegeben] v. Itzenplitz des preußischen Handelsministers vom 19.9.1868 Eure Exzellenz haben sich in Übereinstimmung mit den sonst beteiligten Herren Ressortchefs im Prinzip damit einverstanden erklärt, dass das Erfordernis einer staatlichen Genehmigung für die Errichtung von Aktien-Gesellschaften beseitigt werde. Gemäß dem Vorbehalte in meinem ergebensten Votum vom 26. Januar d. J. [hier nicht wiedergegeben] wird nunmehr über die Bedingungen, von welchen die Aufgabe der Staatsgenehmigung abhängig zu machen ist, Beschluss zu fassen sein. In dieser Beziehung wird die Hauptaufgabe des zu erlassenden Gesetzes darin bestehen müssen, zum Schutze des Publikums gegen Übervorteilung und Täuschung einen geeigneten Ersatz zu schaffen für diejenige Fürsorge, welche bisher in der Form von Konzessionsbedingungen bei der staatlichen Prüfung und Feststellung des einzelnen Statuts geübt wurde. An die Stelle der bisher im Verwaltungswege bewirkten Sicherheit müssen gewisse ein für alle Mal maßgebende gesetzliche Normativbestimmungen treten, welche sich teils auf die Begründung, teils auf die fortlaufende Verwaltung der Gesellschaften zu beziehen haben. Einen Anhalt für die entsprechenden Erwägungen bieten, wie schon früher hervorgehoben ist, die Englische und Französische Gesetzgebung, insbesondere das – gleichfalls von der Staatsgenehmigung absehende französische Gesetz vom 24. Juli 1867 (Moniteur vom 26. August 1867; Bulletin des lois 1867 II, S. 94 ff.), die Einführungsgesetze zu dem Handelsgesetzbuch in denjenigen Staaten, welche von einer besonderen Konzessionierung der Aktien-Gesellschaften von vornherein abgesehen haben (Hamburg – Gesetz vom 22.12.1855; Löhr, Centralorgan für das Deutsche Handelsund Wechselrecht, N.F., Bd. 2, S. 473; Bremen, Gesetz vom 6.6.1864, l.c., Bd. 3, S. 132; Lübeck, Gesetz vom 2.11.1863, Lübecker Anzeiger 1863, No. 258; Löhr, l.c., Bd. 2, S. 226; Oldenburg, Gesetz vom 18.4.1864, Gesetzblatt 1864, Stück 71, Löhr l.c., Bd. 3, S. 120; Baden, Gesetz vom 6.8.1862, Großherzogliches Regierungsblatt 1862, No. 40, Löhr, Bd. 1, S. 202; Württemberg, Gesetz vom 13.8.1865, Regierungsblatt 1865, No. 27, Löhr, N.F., Bd. 2, S. 286), die Erfahrungen, welche bei der bisherigen Prüfung der Statuten der Aktien-Gesellschaften und der Ausübung des Aufsichtsrechts über dieselben gewonnen sind, und endlich die schon jetzt bestehenden Vorschriften über Kommandit-Gesellschaften auf Aktien, sowie die Materialien zu dem Deutschen Handelsgesetzbuch selbst. Die letzteren geben einen nicht unwesentlichen bestimmten Hinweis für die bei der neuen Legislatur festzuhaltenden Gesichtspunkte. Der Preußische Entwurf, welcher den Beratungen zu Nürnberg zugrunde gelegt wurde, ging von der Annahme aus, dass die Staatsgenehmigung bei Kommandit-Gesellschaften auf Aktien unbedingt ausgeschlossen, dagegen bei eigentlichen Aktien-Gesellschaften unbedingt erforderlich sein sollte. Bei der ersten Lesung in Nürnberg wurde der Antrag gestellt, die Frage, ob eine Genehmigung der Aktien-Gesellschaften vorzuschreiben sei, besonderen Gesetzen zu überlassen. Dagegen wurde geltend gemacht: ein System, welches von der staatlichen Genehmigung absehe, erheische zum Teil von dem Entwurf abweichende Bestimmungen, zwei Systeme nebeneinander könnten aber in ein und demselben Ge-
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setzbuch nicht durchgeführt werden, und müsse daher bei der Beratung an dem Einen Systeme, dem des Preußischen Entwurfs festgehalten werden. Durch eine besondere Vorschrift könne den Einzelstaaten überlassen werden, von der Genehmigung abzusehen, den Regierungen, welche davon Gebrauch machten, bleibe dann anheimgestellt, Abänderungen der Bestimmungen des Entwurfs nach Bedürfnis vorzuschreiben, wobei man jedoch das Vertrauen hege, dass davon nur in diskreter Weise Gebrauch gemacht werden würde (Protokolle, S. 315, 372). Bei der zweiten Lesung wurde die Frage in demselben Sinne debattiert und wurde zunächst beschlossen, bei der dritten Lesung zu erwägen, ob und welche besondere Bestimmungen für die Staaten erforderlich sein möchten, die eine Genehmigung der Aktien-Gesellschaften nicht vorsehen würden (Prot. S. 1074–1076). Schon im Verlaufe der zweiten Lesung kam man jedoch auf denselben Punkt zurück und wurde auf den Antrag eines Abgeordneten der jetzige Art. 249 des HGB vereinbart. Der Antragsteller erklärte ausdrücklich: er würde einem Beschlusse nicht widersprechen, der das Handelsgesetzbuch auch für diejenigen Staaten bestimmt sein lasse, welche die staatliche Genehmigung nicht erforderten, sofern die Zusätze aufgenommenh würden, welche jetzt der Art. 249 enthält (Prot. S. 1444 ff.). Die Erinnerungen, welche für die dritte Lesung in dieser Beziehung noch vorbereitet waren, wurden zurückgezogen (Beilagen-Band zu den Prot. DXLVIII – DLXXXIX, S. 37, 97). Ähnlich, nur im umgekehrten Sinne, verhielten sich die Verhandlungen über Kommandit-Gesellschaften auf Aktien bei der ersten Lesung (Prot. S. 394, 395). Bei der zweiten Lesung wurde zwar als Regel aufgestellt, dass auch für diese Kommandit-Gesellschaft staatliche Genehmigung erforderlich sein sollte, die Detailberatung entsprach aber dieser Aufstellung keineswegs überall. Diesen Vorgängen folgend enthalten die Motive zu dem Entwurf des Preußischen Einführungsgesetzes Art. 12 § 1 folgende Bemerkungen: „In dem Art. 249 wird den einzelnen Staaten zwar anheimgegeben, von der staatlichen Genehmigung (bei Aktien-Gesellschaften) Umgang zu nehmen, obschon in der Voraussicht, dass dies nur von sehr wenigen Staaten geschehen werde, die Anlage des Gesetzes auf einen solchen Fall gar nicht berechnet ist, wie bei einer Vergleichung der Vorschriften über die Kommandit-Gesellschaften auf Aktien mit denen über die Aktien-Gesellschaften sofort zutage tritt“. Es ist das unbestreitbare Resultat, dass nach den eigenen Andeutungen bei der Beratung über das HGB und nach dem Vergleich der Vorschriften über Kommanditgesellschaften auf Aktien einer-, über Aktien-Gesellschaften andererseits, die Bestimmungen über letztere einer Ergänzung bedürfen, wenn auch bei ihnen die Staatsgenehmigung aufgegeben werden soll. Einige bezügliche Bestimmungen dieser Art enthalten auch bereits die Einführungsgesetze für Hamburg und Württemberg, und wenn dieselben auch geringerer Zahl sind, wenn die anderen Staaten, welche die Genehmigung der Aktien-Gesellschaften ausschlossen, sogar ganz von ergänzenden Vorschriften abgesehen haben, so mag dies in der dermaligen Situation und in dem Bestreben, möglichst die volle Übereinstimmung in den gesetzlichen Vorschriften über Aktien-Gesellschaften zu bewahren, seinen Grund gehabt haben. Es können diese Vorgänge aber bei einer eingehenderen Erwägung und bei nachträglicher Auf-
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hebung des Erfordernisses der Staatsgenehmigung nicht unbedingt maßgebend sein. Bedenken hiergegen werden umso mehr an Gewicht verlieren, wenn auch in dieser Beziehung wiederum eine Übereinstimmung der Gesetzgebung – zunächst wenigstens für das Gebiet des Norddeutschen Bundes – erzielt wird – ein Punkt, auf den weiter unten näher zurückzukommen ich mir gestatten werde. Eine genaue Prüfung in der vorbezeichneten Beziehung ist umso mehr erforderlich, als sich voraussehen lässt, dass künftighin die Form der Aktiengesellschaft in noch stärkerem Maße als bisher, vor der der Kommanditgesellschaft auf Aktien vorgezogen werden wird. Die durch die Natur der Kommanditgesellschaft begründete Bestimmung, dass das Ausscheiden des persönlich verantwortlichen Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hat, hat noch neuerdings zu erheblichen Übelständen und Klagen Veranlassung gegeben, das ganze Institut der Kommandit-Gesellschaft auf Aktien hat überhaupt nur stellenweise Wurzel gefasst [...]
II. Stellungnahme des Justizministers Leonhardt vom 27.10.1868 Eurer Exzellenz beehre ich mich auf das gefällige Schreiben vom 12. September cr., betreffend die bei Beseitigung des Erfordernisses einer staatlichen Genehmigung für die Errichtung von Aktiengesellschaften erforderliche gesetzliche Regulierung, ganz ergebenst zu erwidern, dass ich auch meinerseits die Notwendigkeit gesetzlicher Normativbedingungen zum Schutze des Publikums gegen Übervorteilung und Täuschung anerkenne. Was die von Eurer Exzellenz hervorgehobenen allgemeinen Grundsätze betrifft, so bemerke ich Folgendes: 1. Damit, dass die Ausgabe von Aktien, welche auf den Inhaber lauten, gestattet werde, bin ich einverstanden. Ebenso damit, dass die Höhe des Minimalbetrages der Aktien fixiert werde; jedoch scheint mir ein Minimalbetrag von 100 Vereinstalern bei Aktien auf Namen und von 200 Vereinstalern bei Aktien auf Inhaber zu hoch gegriffen. Wie Eure Exzellenz anerkennen, ist namentlich zugunsten von Gesellschaften gemeinnützigen Charakters ein geringeres Minimum zugelassen worden und es ist das Zustandekommen solcher Gesellschaften nicht unnötig zu erschweren, auch andererseits die Anlage geringerer Kapitalien nicht unmöglich zu machen. Der erwähnte Ausweg, dass mehrere Personen sich zum Erwerb einer Aktie vereinigen können, wird sich schwerlich praktisch bewähren. Das französische Gesetz vom 24. Juli 1867 unterscheidet zwischen Gesellschaften, deren Grundkapital bis zu 200.000 francs beträgt, und solchen, deren Grundkapital höher ist. Bei ersteren gestattet es Aktien von 100 francs, bei letzteren nur von 500 francs. Ich würde anheimstellen, jedenfalls bei den auf Namen lautenden Aktien den Minimalbetrag auf 50 Vereinstaler festzusetzen und bei den übrigen auf 100 Vereinstaler. Ob namentlich Versicherungsgesellschaften anders zu behandeln seien, stelle ich anheim. 2. Dass die Zeichnung des gesamten Grundkapitals und die Einzahlung eines Teiles desselben nachgewiesen werde, bevor die Gesellschaft in Existenz tritt, scheint auch mir notwendig. Ob 10 Prozent genügen sollen, stelle ich anheim. Das französische
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Gesetz fordert 25 Prozent. Über die Art und Weise des zu führenden Nachweises bedarf es jedoch bestimmter Vorschriften, hinsichtlich deren ich mir das Nähere bei Erörterung des Gesetzentwurfs vorbehalte. Mit der Ansicht, dass über fernere Einzahlungen nicht füglich Bestimmung zu treffen ist, bin ich einverstanden. 3. In Betreff der Entlassung der ursprünglichen Zeichner von ihrer Verbindlichkeit scheinen auch mir die Art. 222, 223 HGB genügen. 4. Mit der Aufnahme einer dem Art. 180 HGB entsprechenden Bestimmung, welche auch das französische Gesetz enthält, bin ich durchaus einverstanden, nur vermisse ich in dem Gesetzentwurf eine zu deren Ausführung notwendige nähere Regulierung, welche bei den lediglich auf ein fixiertes Grundkapital gegründeten Aktiengesellschaften notwendiger ist als bei Kommanditgesellschaften. Es muss namentlich ausdrücklich bestimmt sein, dass die Generalversammlungen der Aktionäre oder vielmehr der Zeichner, welche die Zulässigkeit und Abschätzung der nicht in barem Gelde bestehenden Einlage genehmigen sollen, der definitiven Konstituierung der Gesellschaft vorhergehen müssen, weil solches, zur Feststellung des Grundkapitals notwendig ist (cfr. Franz. Gesetz Art. 4 und 24). 5. Damit, dass die Art. 181 und 199 HGB für Aktiengesellschaften nicht passen, bin ich einverstanden. 6. Gegen die Notwendigkeit der Bestellung eines Aufsichtsrats und die Beschränkung in der Dauer seiner Verwaltung, gegen die Aufnahme der Art. 192 und 204 HGB und Art. 11 des EG, sowie eines dem Art. 40 des franz. Gesetzes und Art. 57 des englischen Gesellschafts-Regulativs entsprechenden Verbots von Gesellschaften und Verträgen zwischen dem Vorstande und Aufsichtsrat und der Gesellschaft habe ich nichts einzuwenden. Für sehr bedenklich erachte ich aber das unbedingte gesetzliche Verbot einer Dividendenzahlung, so lange nicht das Grundkapital vollständig vorhanden oder wieder ergänzt ist, wie solches der § 11 des Entwurfs formuliert. Die Frage über die Zulässigkeit einer Dividendenverteilung aus dem Jahresgewinn, wenn durch frühere Verluste das Grundkapital oder dessen Wert vermindert worden, ist im Jahre 1862 bei Gelegenheit einer von der Berliner-Brodfabrik-Aktiengesellschaft beantragten Statutänderung zwischen unseren Herren Amtsvorgängern eingehend erörtert und von meinem Amtsvorgänger in einem Votum vom 17. Juni 1862 de lege lata bejaht. In diesem Votum, auf welches Bezug zu nehmen ich mir erlaube, sind die Gründe, welche Eure Exzellenz auch jetzt für die Verneinung jener Frage ausführen, bereits zur Sprache gekommen. Ein nicht unwesentliches Argument meines Amtsvorgängers war die an mehreren Beispielen gezeigte Unzweckmäßigkeit und Unausführbarkeit der entgegengesetzten Ansicht, und von den Amtsvorgängern Eurer Exzellenz ist in dem Votum vom 29. April 1862 zugegeben, dass die in jenen Beispielen gezeigten Folgerungen als notwendige anerkannt werden müssten und nur durch praktische Handhabung gemildert werden könnten.
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So könnten grundsätzlich Dividenden verteilt werden, wenn der Wert des aus dem Grundkapital Angeschafften sich ohne eigentliche Einnahme (durch Konjunkturen) erhöhe, nicht aber, trotz aller Jahreseinnahmen, wenn und solange der wahre Wert des für das Grundkapital Angeschafften (incl. der sonstigen Aktiva) das Grundkapital nicht erreiche. Die sich hieraus etwa ergebenden Inkonvenienzen müssten dadurch ausgeglichen werden, dass nicht jeder Wertschwankung sofort tiefgreifende Änderungen in der Bilanz zu folgen bräuchten. Von diesem Auskunftsmittel wird allerdings in der Praxis ein sehr weitgehender Gebrauch gemacht. Ich erinnere an das bei jenen Erörterungen mehrfach angeführte Beispiel der Gesellschaft Phoenix, die sich schwerlich aus ihrem Verfall wieder hätte erholen können, wenn das ganze Grundkapital durch nur einigermaßen wahrheitsgemäße Abschätzungen des Besitzes hätte gedeckt sein müssen, bevor Dividenden gezahlt werden durften. Durch bloße praktische Behandlung lassen sich z.B. die mehrfach vorgekommenen Fälle nicht erledigen, in welchen zum Betriebe eines Bergbaus verschiedene Felder angekauft wurden, von denen sich nur einzelne als betriebsfähig und die übrigen als wertlos ergeben. Um wenigstens einigen Schein für die Anrechnung des Kaufpreises auf das Grundkapital zu bewahren, durften von der Gesellschaft die ihr unnützen Felder nicht verkauft werden. – Als gesetzliche Notwendigkeit würde sonach das aufgestellte Prinzip jedenfalls große Inkonvenienzen erzeugen und überdem wegen der übrigen gesetzlichen Bestimmungen kaum zulässig erscheinen. Wenn nämlich der § 18 des Entwurf sub 3 die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes mit Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten bestraft, wenn sie in ihren offiziellen Darstellungen, in ihren Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft pp. vorsätzlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern, um auf den Kurs der Aktien oder den Kredit der Gesellschaft einzuwirken, so wird mancher Vorstand der gerichtlichen Verfolgung ausgesetzt, wenn er bei praktischer Handhabung jenes Prinzips im Interesse der Gesellschaft den Wert des aus dem Grundkapital Angeschafften über dessen offenkundigen oder leicht zu ermittelnden Betrag in die Bilanz setzt. Das französische Gesetz vermeidet eine ausdrückliche Feststellung jenes Prinzips und das englische Gesetz deutet nur auf dessen gewöhnliche Befolgung durch Hinweisung auf ein Formular für die Bilanz. Meines Erachtens kann das fragliche Prinzip nur für gewisse Arten von Aktiengesellschaften, namentlich Versicherungsgesellschaften, als unbedingt zu beachten, gesetzlich vorgeschrieben werden. Zu einer das Verbot einer Rückzahlung des Aktienkapitals ausdehnenden gesetzlichen Vorschrift ist als Regel kein Bedürfnis vorhanden. Die Gläubiger sind hinreichend durch die Vorschriften geschützt, welche die Veröffentlichung der Bilanz vorschreiben und die Rückzahlung des Grundkapitals an die Aktionäre verbieten. Die Aktionäre können sich selbst helfen. Viel eher wäre die Bilanz eines Reservefonds als notwendig vorzuschreiben. Mit den Ausführungen Eurer Exzellenz in Betreff der Unzulässigkeit eines Verkaufs von Aktien unter pari, sowie der Herabsetzung oder Erhöhung des Minimalwerts der Aktien bin ich einverstanden. Im Betreff der Amortisation der Aktien aus dem Gesellschaftsvermögen oder des Ankaufs der eigenen Aktien aus diesem Vermögen, wird sich die Zulassung einer allmähligen Amortisation nicht ganz ausschließen lassen. Sie ist häufig im gemeinnüt-
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zigen Interesse stipuliert, z.B. bei Einrichtung von Gasbeleuchtung, deren Eigentum später auf die Gemeinde übergehen soll. Ähnliches ist bei Wegebauten anzuerkennen. Es wäre zu wünschen, dass die immerhin etwas künstliche Annahme einer schon im Voraus festgestellten allmähligen Auflösung gesetzlich reguliert werde, etwa in der Weise, dass die ausgelosten Aktien auf diejenigen übergehen müssten, die später das Unternehmen erhalten soll. Im Übrigen ist kein Grund, den Ankauf eigener Aktien zu gestatten. Es kann das nicht Zweck der Gesellschaft sein und die Wahrnehmung der Rechte solcher Aktien durch den Gesellschaftsvorstand kann leicht zu Unzuträg lichkeiten führen. Wird die Bildung eines bestimmten Reservefonds gesetzlich oder auch nur statutarisch vorgeschrieben, so kann derselbe nicht durch eigene Aktien vertreten werden. Der Ankauf von nur teilweise eingezahlten Aktien fällt hinsichtlich des Erlasses des noch schuldigen Betrages unter den Begriff einer Rückzahlung an die Aktionäre. Den ferneren Ausführungen des geehrten Schreibens vom 12.9. cr. trete ich bei, erlaube mir aber noch die Aufnahme einer Bestimmung zu empfehlen, wie sie das französische Gesetz in den Art. 17 und 39 dahin gegeben hat, dass eine gewisse Anzahl von Aktionären, die einen bestimmten Teil des Grundkapitals vertreten, für legitimiert erklärt werden, gemeinschaftlich oder durch Mandatare die Rechte der Gesellschaft gegen Vorstand und Verwaltungsrat namentlich auch bei Gericht geltend zu machen. Mir würde das ein zweckmäßiger Ersatz des künftig wegfallenden Einschreitens der Aufsichtsbehörde erscheinen. – Auch stelle ich anheim, ob nicht die Anzahl von Mitgliedern, welche eine Aktiengesellschaft bilden, beziehungsweise aufrecht erhalten können, in minimo festzustellen sei. Zu dem mitgeteilten Entwurf des Gesetzes bemerke ich im Einzelnen: Im § 2 ist vor dem Wort „finden“ zuzusetzen „und dieses Gesetzes“. § 3 wäre eine prägnantere Fassung dadurch zu erreichen, dass das Wort „aufgehoben“ in den Eingang aufgenommen und die beiden letzten Vorschriften in besondere Paragraphen gebracht würden. § 4. Die in § 10 vorgesehene Abschätzung und Prüfung der Zulässigkeit einer nicht in barem Gelde bestehenden Einlage muss, als zur Feststellung des Grundkapitals gehörig, der definitiven Konstituierung der Gesellschaft vorhergehen. Auch scheint es nach dem Vorbilde des französischen Gesetzes zweckmäßig, dass die Prüfung, ob den gesetzlichen Erfordernissen genügt sei, vor Eintragung des Statuts in die Handelsregister durch eine Generalversammlung der Aktionäre oder vielmehr Aktienzeichner veranlasst würde. Der Entwurf setzt in § 5 Nr. 3 schon eine solche Generalversammlung voraus. Eine zweimalige Generalversammlung vorzuschreiben, wie das französische Gesetz, scheint nicht notwendig, da es der ersten Generalversammlung überlassen bleiben kann, ihren Beschluss auszusetzen, wenn Aufklärungen erforderlich sind. Die Kontrolle der nicht in Geld bestehenden Einlage eines Aktionärs durch die Generalversammlung der Zeichner möchte aber auch auf sonstige Übernahmen von Vermögensstücken durch die Gesellschaft auszudehnen sein, da sonst der gewöhnliche Fall, dass vorhandene Anlagen oder Betriebsfelder zu hohen Preisen einer Aktiengesellschaft übertragen werden, nicht getroffen würde. Der vielleicht fingierte Verkäufer
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dürfte nur selbst keine Aktien zeichnen. In den § 4 würde demnach etwa folgende Bestimmung aufzunehmen sein: „Der Gesellschaftsvertrag muss außer den im Artikel 209 bezeichneten Inhalt die Bestimmung enthalten, dass ein Aufsichtsrat (Art. 225 HGB) von mindestens fünf Mitgliedern aus der Zahl der Aktionäre durch Wahl derselben bestellt werden müsse. Wenn ein Aktionär eine auf das Grundkapital anzurechnende Einlage macht, welche nicht in barem Gelde besteht, oder wenn Anlagen oder sonstige Vermögensstücke von der zu errichtenden Gesellschaft übernommen werden sollen, so hat der Gesellschaftsvertrag den Wert dieser Einlage beziehungsweise des Vermögensstücks festzusetzen und die Zahl der Aktien oder den Preis zu bestimmen, welche für dieselben gewährt werden soll. Etwaige zugunsten eines Aktionärs bedungene besondere Vorteile sind ebenfalls im Gesellschaftsvertrag festzusetzen. Der Gesellschaftsvertrag ist einer Generalversammlung der Aktienzeichner vorzulegen; handelt es sich von der Wertschätzung einer nicht in barem Gelde bestehenden Einlage oder von der Bewilligung besonderer Vorteile oder von dem Preise eines für die Zwecke der Gesellschaft zu übernehmenden Vermögensstücks, so muss die das Statut genehmigende Mehrheit mindestens ein Viertel der sämtlichen Aktionäre begreifen und der Betrag ihrer Anteile mindestens ein Viertel des ganzen Grundkapitals darstellen. Der Gesellschafter, welcher die betreffende Einlage macht, oder sich besondere Vorteile bedingt, hat dabei kein Stimmrecht. Derselben Generalversammlung sind die Bescheinigungen darüber vorzulegen, dass das ganze Grundkapital gezeichnet und dass wenigstens zehn Prozent auf jede Aktie eingezahlt sind. Nachdem die Generalversammlung das Gesellschaftsstatut genehmigt, und die Erledigung der vorerwähnten Bedingungen festgestellt hat, wählt sie die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats (§ 14 des Entwurfs).“ Zu § 5. Die Vorschriften, dass auch bei der Anmeldung behufs der Eintragung in das Handelsregister nochmals die Erledigung der gesetzlichen Vorschriften zu prüfen sei, sind im Wesentlichen beizubehalten und nur event. nach den Vorschlägen ad 4 zu modifizieren. Zu § 6. Dass das Bestehen der Gesellschaft resp. der Statutänderungen nicht mehr, wie im Art. 211 HGB von der Eintragung in das Handelsregister, sondern von der Veröffentlichung des ganzen Statuts durch das Amtsblatt abhängig gemacht werden soll, scheint mir nicht unangemessen. Es muss aber die korrektere Fassung des HGB: „Besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht“ beibehalten und vorgeschrieben werden, dass die Veröffentlichung nur mit einem amtlichen Atteste über die erfolgte Eintragung in das Handelsregister erfolgen darf. Dass die Gesellschaft die Kosten trägt, da sie selbst die Veröffentlichung zu besorgen hat, versteht sich von selbst. § 10 kommt mit Rücksicht auf das zu 4 gesagte hier in Wegfall. Zu § 11 beziehe ich mich auf das im Eingange sub Nr. 6 näher Ausgeführte. § 18. Die Verhängung einer Geldstrafe statt der Gefängnisstrafe möchte nicht ganz auszuschließen sein.
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III. Stellungnahme des Innenministers Graf zu Eulenburg vom 14.11.1868 Ew. Exzellenz erwidere ich auf das geneigte Schreiben vom 12. September cr. ganz ergebenst, dass ich im Allgemeinen dem mit demselben mir übersandten, die Aktiengesellschaften betreffenden Gesetzentwurfe zustimme und zu demselben nur die folgenden Bemerkungen zu machen habe. 1. Im § 11 wird das Wort „ursprüngliche“ in Wegfall zu bringen, und durch „bar eingezahlte“ zu ersetzen sein, weil, wenn Nachschüsse sich notwendig gemacht haben, es aus demselben Grunde wie bei der ursprünglichen Einlage erforderlich ist, dass diese nicht vermindert werden. Es würde sonst eine teilweise Zurückzahlung der Einlagen stattfinden, und diese ist in allen Fällen zu vermeiden. 2. § 13 scheint es mir nicht genügend, bloß aus dem Umstande, dass die Rückzahlung des Darlehens eine kurze, höchstens 6 Monate dauernde Frist erreicht, den Schluss zu ziehen, dass die Anleihe lediglich zur Deckung laufender Ausgaben aufgenommen worden ist. Diese Vorschrift ist durch Prolongation leicht zu umgehen und sie leistet dem Bestehen einer schwebenden Schuld, für welche es an Deckungsmitteln fehlt, Vorschub. Soll dies vermieden werden, so wird einmal die Prolongation ausdrücklich zu untersagen und außerdem zu bestimmen sein, dass die Anleihe eine bestimmte Quote des Bar-Einschusses, etwa 5%, nicht übersteigen darf, sowie dass sie unter allen Umständen bis zu dem Zeitpunkte, in welchem die Bilanz zu veröffentlichen ist (§ 12), getilgt sein muss. 3. § 18. Zu 3. wird zunächst statt „offiziellen“ ein anderer Ausdruck zu wählen sein, wenn es nicht vorgezogen wird, dass Adjektivum ganz wegfallen zu lassen. Sodann wird es statt vorsätzlich wissentlich heißen müssen und endlich empfiehlt es sich, den Schlusssatz „um auf den Kurs der Aktien pp.“ zu streichen. Abgesehen davon, dass die Straffestsetzung illusorisch gemacht werden würde, wenn sie von dem kaum zu führenden Nachweise der Absicht abhängig gemacht wird, so werden durch die Fassung auch nicht alle Fälle erschöpft. Es braucht sich weder um eine Kurstreiberei, noch um die Erhöhung der Kreditfähigkeit zu handeln, es kann ebenso gut, und dies liegt den verwaltenden Organen näher, darum gehen, durch falsche Darstellung die Tantiemen zu steigern. Außer diesen besonderen, dem Gesetzentwurf in seiner jetzigen Gestalt berührenden Erinnerung halte ich es für geboten, bestimmte Grundsätze für die Rechnungslegung und die Bilanz aufzustellen. Das HGB hat Art. 209 Nr. 6 dies den statutarischen Bestimmungen überlassen, und konnte dies, weil, abgesehen von der Prüfung der Statuten, vor der landesherrlichen Bestätigung die Bezirksregierung die Bilanz mit weitgehenden Befugnissen zu prüfen hatte (Art. 240). Beides fällt in Zukunft fort, und um so notwendiger wird es, im Interesse der Gläubiger Festsetzungen zu treffen. Ich verkenne zwar nicht, dass man von einer eingehenden Spezialisierung hier abzusehen haben wird, weil diese Fragen sich je nach dem Geschäftsbetriebe verschieden gestalten und es sich hier um
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ein alle IV. Aktiengesellschaften Die Einbringung des betreffendes preußischen Entwurfs Gesetz handelt, zu einerallein Aktienrechtsnovelle gewisse allgemeine Grundsätze lassen sich dennoch aufstellen. Ich rechne hierzu: 1. Wie der Reingewinn festzustellen ist, 2. die Stellung der Organisationskosten, 3. den Ansatz der Effekten zum Tageskurse, 4. den Ansatz des Werts der Grundstücke und der Mobilien, 5. das Verbot des Erwerbes der eigenen Aktien und der Aktien anderer Unternehmungen, 6. das Verbot der Amortisation der Aktien. Diese Vorschriften rechtfertigen sich ohne weiteres und nur in Bezug auf die zu 6. habe ich noch hinzuzufügen, dass, abgesehen von dem Zusammenhange derselben mit der zu 5. dieselbe schon darum notwendig wird, um die oft auftauchende Frage zu erledigen, was aus dem Gesellschaftsvermögen werden soll, wenn sämtliche Aktien amortisiert sind. Dass bei der Rechnungslegung sämtliche Verwaltungskosten jeden Jahres in Abzug zu bringen sind, sowie dass in der Bilanz das Aktienkapital und die etwas statutarisch vorgeschriebene Reserve als Passiva aufzuführen sind, versteht sich zwar von selbst, es wird aber zur Vermeidung von Zweifeln sich empfehlen, dies besonders zu bestimmen. Endlich lege ich Wert darauf, dass die Abweichungen, welche der Gesetzentwurf, das Versicherungswesen betreffend, enthält, nicht geändert werden. Es wird dies durch kurze Festsetzungen in diesem Gesetzentwurf zu wahren sein.
IV. Die Einbringung des preußischen Entwurfs zu einer Aktienrechtsnovelle im Bundesrat (Bundesrats-Drucksache 86/1869 vom 31.5.1869) Im Namen des Präsidiums beehrt sich der unterzeichnete Bundeskanzler, den beifolgenden Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktiengesellschaften im Gebiete des Norddeutschen Bundes, nebst Motiven dem Bundesrate des Norddeutschen Bundes zur verfassungsmäßigen Beschlussnahme ganz ergebenst vorzulegen. Die im Gesetzentwurfe enthaltenen Vorschriften sind bis jetzt nur der Preußischen Gesetzgebung angepasst. Eine Umarbeitung, beziehungsweise Ergänzung derselben, unter entsprechender Berücksichtigung der in den übrigen Bundesstaaten geltenden Gesetzesvorschriften, wird, sofern der Entwurf die Zustimmung des Bundesrates überhaupt findet, Aufgabe der Beratung innerhalb des letzeren sein. Mit Rücksicht hierauf empfahl es sich, den Entwurf, obgleich er dem Reichstage erst in dessen nächstjähriger Session wird vorgelegt werden können, schon jetzt in den Bundesrat einzubringen. v. Bismarck.
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1. Text des Entwurfs § 1. Zur Errichtung von Aktiengesellschaften als solcher (Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch II, T. 3), sowie zu den Beschlüssen ihrer Generalversammlungen über eine Fortsetzung der Gesellschaft oder Abänderung der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages (Art. 214), über Auflösung einer Aktiengesellschaft durch Vereinigung mit einer anderen Aktiengesellschaft (Art. 247) und über eine teilweise Zurückzahlung des Grundkapitals an die Aktionäre (Art. 248) bedarf es fortan der staatlichen Genehmigung nicht. In den gesetzlichen Vorschriften, wonach der Gegenstand des Unternehmens einer Aktiengesellschaft der Genehmigung bedarf, wird hierdurch nichts geändert. § 2. Es werden aufgehoben: 1. alle Bestimmungen des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, des Einführungsgesetzes zu demselben vom 24. Juni 1861 (Gesetz-Sammlung S. 449) und der Gesellschaftsverträge, welche und soweit sie a) die Notwendigkeit einer staatlichen Genehmigung der Aktiengesellschaften als solcher, die Eintragung dieser Genehmigung in das Handelsregister, sowie deren Veröffentlichung in der Gesetz-Sammlung und den Amtsblättern, b) eine sonstige Tätigkeit und Einwirkung der Aufsichtsbehörde auf die Aktiengesellschaften als solche vorschreiben oder voraussetzen; 2. die in dem Art. 240 (Art. 242 Nr. 3, Art. 12. § 2 des Einführungsgesetzes) vorgeschriebene Verpflichtung des Vorstandes zur Anzeige an die Verwaltungsbehörde und die Befugnis der letzteren, eine Auflösung der Gesellschaft zu verfügen; 3. die §§ 3 bis 5, 7 und 8, Art. 12 des Einführungsgesetzes vom 24. Juni 1861. Die Bestimmungen der Gesellschaftsverträge, welche sich auf die Genehmigung des Gegenstandes des Unternehmens, auf die Bedingungen dieser Genehmigung und auf eine sonstige Tätigkeit oder Einwirkung der Behörden mit Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens beziehen, bleiben in Kraft. Ob und inwieweit derartige Bestimmungen in den Gesellschaftsverträgen enthalten sind, entscheidet die zuständige Behörde. § 3. Die Bestimmungen des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs über die Aktiengesellschaften und dieses Gesetzes finden auch auf solche Aktiengesellschaften Anwendung, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgeschäften besteht. Das Gesetz vom 15. Februar 1864 (Gesetz-Sammlung S. 57) wird aufgehoben. § 4. In den Landesteilen, in welchen das Einführungsgesetz vom 24. Juni 1961 in Geltung steht, treten für die Aktiengesellschaften fernerhin folgende Bestimmungen in Kraft: § 5. Der Gesellschaftsvertrag muss außer dem im Art. 209 des Handelsgesetzbuchs bezeichneten Inhalt die Bestimmung enthalten, dass ein Aufsichtsrat (Art. 225 des
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Allgemeinen IV. Die Einbringung Deutschen Handelsgesetzbuchs) des preußischen Entwurfs von mindestens zu einer Aktienrechtsnovelle 5 Mitgliedern aus der Zahl der Aktionäre durch Wahl derselben bestellt werden müsse. Wenn ein Aktionär eine auf das Grundkapital anzurechnende Einlage macht, welche nicht in barem Gelde besteht, oder wenn Anlagen oder sonstige Vermögensstücke von der zu errichtenden Gesellschaft übernommen werden sollen, so hat der Gesellschaftsvertrag den Wert dieser Einlage, beziehungsweise des Vermögensstücks festzusetzen und die Zahl der Aktien oder den Preis zu bestimmen, welcher für dieselben gewährt werden soll. Etwaige zugunsten eines Aktionärs bedungene besondere Vorteile sind ebenfalls im Gesellschaftsvertrage festzusetzen. Der Gesellschaftsvertrag ist einer Generalversammlung der Aktienzeichner vorzulegen; handelt es sich von der Wertschätzung einer nicht in barem Gelde bestehenden Einlage, oder von der Bewilligung besonderer Vorteile oder von dem Preise eines für die Zwecke der Gesellschaft zu übernehmenden Vermögensstücks, so muss die das Statut genehmigende Mehrheit mindestens ein Viertel der sämtlichen Aktionäre begreifen und der Betrag ihrer Anteile mindestens ein Viertel des ganzen Grundkapitals darstellen. Der Gesellschafter, welcher die betreffende Einlage macht oder sich besondere Vorteile bedingt, hat dabei kein Stimmrecht. Derselben Generalversammlung sind die Bescheinigungen darüber vorzulegen, dass das ganze Grundkapital gezeichnet und dass wenigstens zehn Prozent auf jede Aktie eingezahlt sind. Nachdem die Generalversammlung das Gesellschaftsstatut genehmigt und die Erledigung der vorerwähnten Bedingungen festgestellt hat, wählt sie die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats. § 6. Der Anmeldung behufs der Eintragung der Aktiengesellschaften in das Handelsregister muss außer den Vorlagen, welche schon gesetzlich bestimmt sind, beigefügt sein: 1. die Bescheinigung, dass der gesamte Betrag des Grundkapitals durch Unterschriften gedeckt ist; 2. die Bescheinigung, dass mindestens 10 Prozent, bei Versicherungsgesellschaften mindestens 20 Prozent des von jedem Aktionär gezeichneten Betrages eingezahlt sind; 3. der Nachweis, dass der Aufsichtsrat nach Inhalt des Vertrages in einer Generalversammlung der Aktionäre gewählt und auch im Übrigen den Vorschriften des § 5 Genüge geschehen ist. Die Anmeldung muss von sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes vor dem Handelsgericht unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden. Die der Anmeldung beigefügten Schriftstücke werden bei dem Handelsgericht in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift aufbewahrt. § 7. Der Gesellschaftsvertrag, verbunden mit einem amtlichen Atteste über die erfolgte Eintragung in das Handelsregister (§ 6), muss durch das Amtsblatt desjenigen Regierungsbezirks, in welchem die Gesellschaft ihren Sitz hat, bekannt gemacht werden. Die Kosten der Bekanntmachung durch das Amtsblatt trägt die Gesellschaft.
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Jede Abänderung oder Verlängerung des Gesellschaftsvertrages ist gleichfalls nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen bekannt zu machen. Vor dieser Veröffentlichung besteht die Gesellschaft als solche nicht und haben die Beschlüsse über Abänderung oder Verlängerung des Gesellschaftsvertrages keine Gültigkeit. Wenn vor erfolgter Veröffentlichung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. § 8. Aktien oder Aktienanteile, die auf Namen lauten, müssen auf einen Betrag von mindestens 50, Aktien oder Aktienanteile, die auf Inhaber lauten, auf einen solchen von mindestens 100 Vereinstalern oder einen dem entsprechenden Betrag in anderer als Talerwährung gestellt werden. Versicherungsgesellschaften dürfen auch solche Aktien oder Aktienanteile, die auf Namen lauten, nicht unter dem Betrage von 100 Talern oder einem den entsprechenden Betrage in anderer als Talerwährung ausgeben. Aktien oder Aktienanteile, welche auf einen geringeren Betrag gestellt worden, sind nichtig. Die Ausgeber solcher Aktien oder Aktienanteile sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch von Promessen und Interimsscheinen. § 9. Die Nominalhöhe der Aktien oder Aktienanteile darf während des Bestehens der Gesellschaft weder vermindert noch erhöht werden. § 10. Der Ankauf der eigenen Aktien oder die Amortisation derselben ist den Aktiengesellschaften untersagt. § 11. Dividenden können den Aktionären nur insoweit gezahlt werden, als dadurch die Einlage nicht vermindert wird. Die Aktionäre können bis zur Wiederergänzung der durch den Verlust verminderten Einnahmen keinen Gewinn beziehen. § 12. Für die Aufstellung der Bilanz (Art. 209 Nr. 6 des Handelsgesetzbuchs) sind folgende Vorschriften maßgebend: 1. Grundstücke dürfen höchstens zu dem Erwerbswerte, Mobilien nur mit einem jährlichen Abschlag von mindestens 5 Prozent dieses Wertes zum Ansatz kommen. 2. Kurshabende Papiere dürfen höchstens zu dem Kurswerte, welchen dieselben zur Zeit der Bilanzaufstellung haben, angesetzt werden. 3. Die Kosten der Organisation und der Verwaltung dürfen nicht unter den Aktivis aufgeführt werden, müssen vielmehr ihrem vollen Betrage nach in der Jahresrechnung als Ausgabe erscheinen. 4. Der Betrag des Grundkapitals und des etwa statutarisch vorgeschriebenen Reserve- oder Erneuerungsfonds ist unter die Passiva aufzunehmen. 5. Der aus der Vergleichung sämtlicher Aktiva und sämtlicher Passiva sich ergebende Gewinn oder Verlust muss am Schlusse der Bilanz besonders angegeben werden.
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§ 13.IV. Innerhalb Die Einbringung der im Art. 239 des preußischen des Handelsgesetzbuchs Entwurfs zu einer bestimmten Aktienrechtsnovelle Frist hat der Verstand die jährliche Bilanz auch in der Form, welche für die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen angeordnet ist und durch die dafür bestimmten Blätter (Art. 209 Ziff. 11) zu veröffentlichen. § 14. Die Aufnahme von Anleihen kann nur von der Generalversammlung der Aktionäre beschlossen werden. Ausgenommen sind solche Anleihen, welche lediglich zur Deckung laufender Ausgaben dienen. Keinenfalls darf der Gesamtbetrag solcher von der Generalversammlung nicht beschlossenen Anleihen zu irgendeiner Zeit 5 Prozent des eingezahlten Grundkapitals übersteigen. § 15. Der Aufsichtsrat kann das erste Mal nicht auf länger als ein Jahr, später nicht auf länger als fünf Jahre gewählt werden. Insoweit die Wahl auf einen längeren Zeitraum geschieht, ist dieselbe ohne rechtliche Wirkung. § 16. Den Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats darf eine Vergütung für die Ausübung ihres Berufs nur durch einen nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres einzuholenden Beschluss der Generalversammlung der Aktionäre bewilligt werden. Ist die Vergütung früher oder in einer anderen als der vorstehenden Weise bewilligt, so ist diese Festsetzung ohne rechtliche Wirkung. § 17. Die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes dürfen mit der Gesellschaft weder unmittelbar noch mittelbar in Bezug auf Leistungen, Lieferungen, Kauf-, Tausch- oder Darlehnsgeschäfte in Vertragsverhältnisse treten, es sei denn, dass die Generalversammlung der Aktionäre hierzu ihre besondere Genehmigung erteilt hat. Ein solcher Beschluss kann nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der in der Versammlung anwesenden oder durch Vollmacht vertretenen Aktionäre gefasst werden. Auch muss diese Mehrheit mindestens ein Viertel der sämtlichen Aktionäre begreifen, und der Betrag ihrer Anteile zusammen mindestens ein Viertel des Gesamtkapitals der Aktionäre darstellen. Die Mitglieder des Aufsichtsrats oder des Vorstandes, welche mit der Gesellschaft in Vertragsverhältnis treten sollen, haben bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht. § 18. Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind gleich den Mitgliedern des Vorstandes solidarisch zur Erstattung geleisteter Zahlungen verpflichtet, wenn mit ihrem Willen und ohne ihr Einschreiten 1. Einlagen an die Aktionäre zurückgezahlt, die eigenen Aktien der Gesellschaft angekauft oder amortisiert werden, 2. Zinsen oder Dividenden gezahlt sind, welche nach Maßgabe der Bestimmungen des Art. 217 des Handelsgesetzbuchs oder nach § 11 dieses Gesetzes nicht gezahlt werden durften,
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3. die Verteilung des Gesellschaftsvermögens oder eine teilweise Zurückzahlung des Grundkapitals ohne Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen (Art. 245, 248 des Handelsgesetzbuchs) erfolgt ist. § 19. Die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes werden mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft: 1. wenn sie vorsätzlich behufs der Eintragung des Gesellschaftsvertrags in das Handelsregister oder der Veröffentlichung in den Amtsblättern (§§ 6, 7) falsche Angaben über die Zeichnung oder Einzahlung des Grundkapitals machen, 2. wenn durch ihre Schuld die Gesellschaft länger als drei Monate ohne Aufsichtsrat geblieben ist, oder die Ergänzung der Mitglieder des Aufsichtsrats auf gesetzliche Minimalzahl (§ 5) oder die etwa durch das Statut bestimmte höhere Zahl unterblieben ist, 3. wenn sie in ihren Darstellungen, in ihren Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen wissentlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern. Wird in den Fällen zu 2. festgestellt, dass mildernde Umstände vorhanden sind, so ist auf Geldbuße bis zu Eintausend Talern zu erkennen. § 20. In den mit der Preußischen Monarchie durch die Gesetze vom 20. September und 24. Dezember 1866 vereinigten Landesteilen werden die folgenden Bestimmungen der nachstehenden Einführungsgesetze des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs aufgehoben: –– für die Herzogtümer Holstein und Schleswig die §§ 40 bis 48, 95 Abs. 1, 96, 97 des Gesetzes vom 5. Juli 1867 (Gesetz-Sammlung S. 1133), –– für das Königreich Hannover die §§ 20 bis 24 des Gesetzes vom 5. Oktober 1864 (Gesetz-Sammlung 1864 Abt. 1 Nr. 32), –– für das Kurfürstentum Hessen die §§ 14 bis 18 des Gesetzes vom 3. Mai 1865 (Kurhessische Sammlung von Gesetzen 1865 Nr. 4), –– für das Herzogtum Nassau die §§ 9 bis 14 des Gesetzes vom 2. Oktober 1861 (Verordnungsblatt 1861 S. 121), –– für das Großherzogtum Hessen die Art. 11 bis 15, 30 des Gesetzes vom 1. August 1862 (Regierungsblatt 1862 Nr. 34), –– für das Landgrafentum Hessen die Art. 11 bis 13 des Gesetzes vom 25. August 1863 (Regierungsblatt 1863 Nr. 7). –– für die freie Stadt Frankfurt a.M. die Art. 12, 19, 24 Nr. 3 des Gesetzes vom 17. Oktober 1862 (Gesetz- und Statut-Sammlung Band XV S. 113) und –– für das Königreich Bayern der Art. 39 des Gesetzes vom 10. November 1861 mit Ausnahme der ersten beiden Sätze, sowie die Verordnung vom 28. Mai 1862 (Regierungsblatt 1862 Nr. 27). In den Landesteilen, in welchen diese gesetzlichen Bestimmungen bisher Geltung hatten, treten die auf die Aktiengesellschaften bezüglichen Bestimmungen in Kraft,
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welche IV. das Die Einführungsgesetz Einbringung des preußischen vom 24. JuniEntwurfs 1861 (GSzu S. 449) einerenthält, Aktienrechtsnovelle mit den durch die §§ 1–19 dieses Gesetzes verordneten Abänderungen und Ergänzungen.
Übergangsbestimmungen § 21. Die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs, gemäß welcher die Handelsfirmen und die Handelsgesellschaften, sowie die Vorsteher der Aktiengesellschaften zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet und die Firmen und Unterschriften vor dem Handelsgericht gezeichnet oder die Zeichnungen in beglaubigter Form eingereicht werden sollen, müssen von den Aktiengesellschaften, welche vor dem Eintritt der Geltung dieses Gesetzes errichtet sind und bisher dazu noch nicht verpflichtet waren, ebenfalls befolgt werden. § 22. Ist bei einer solchen Aktiengesellschaft nach ihrer Errichtung eine Änderung eingetreten, welche nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist, so muss die Anmeldung zur Eintragung der Gesellschaft nach Maßgabe der eingetretenen Änderung geschehen. § 23. Die in den §§ 21 und 22 vorgeschriebenen Anmeldungen und Zeichnungen sind binnen einer Frist von drei Monaten vom Eintritt der Geltung dieses Gesetzes ab zu bewirken. Nach Ablauf dieser Frist haben die Handelsgerichte die Beteiligten zur Befolgung der obigen Anordnungen von Amts wegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. § 24. Auch die in dem Handelsgesetzbuch über die Firmen gegebenen Vorschriften, auf welche der § 21 sich nicht bezieht, haben für die Aktiengesellschaften, welche durch dieses Gesetz dem Handelsgesetzbuch unterstellt werden, ebenfalls Geltung. Jedoch kommen die Vorschriften der Art. 16, 17, 18, 20 und 21 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs in Bezug auf eine Firma, deren sich eine solche Aktiengesellschaft bereits vor Eintritt der Geltung dieses Gesetzes bedient hat, nicht zur Anwendung, sofern dieselbe innerhalb der im § 23 bezeichneten Frist zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird. Wenn in Folge der letzteren Bestimmung für mehrere Aktiengesellschaften dieselbe Firma in das Handelsregister eingetragen wird, so bleibt jeder von ihnen das Recht vorbehalten, gegen die andere, sofern diese ihr gegenüber bei Eintritt der Geltung dieses Gesetzes nicht befugt waren, diese Firma anzunehmen oder zu führen, auf Unterlassung der Führung zu klagen. § 25. Eine der in dem § 24 bezeichneten Aktiengesellschaften wird in das Handelsregister eingetragen, sollten auch die Erfordernisse nicht erfüllt sein, welche dieses Gesetz und das Handelsgesetzbuch für die Errichtung einer solchen Gesellschaft vorschreiben, und denen nach den Vorschriften derselben genügt sein muss, bevor die Eintragung der Gesellschaft geschehen kann.
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Bei der Eintragung von Aktiengesellschaften, deren Gesellschaftsvertrag, sowie dessen etwaige Abänderungen gemäß der bisher in Geltung gewesenen Gesetze bereits veröffentlicht sind, unterbleibt die Eintragung des Gesellschaftsvertrages und der etwaigen Abänderungsbeschlüsse; es genügt die Eintragung eines Auszuges, welcher die im zweiten Absatz des Art. 210 des Handelsgesetzbuchs unter Ziffer 1 bis 6 vorgeschriebenen Angaben und außerdem die Hinweisung auf die Publikationsorgane enthält, in welchen die Veröffentlichung erfolgt ist. § 26. Ist der Vorstand einer bei Eintritt der Geltung dieses Gesetzes bereits bestehenden Aktiengesellschaft in der Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, beschränkt, so kommt während des Zeitraums von fünf Jahren, von jenem Eintritt ab gerechnet, die im zweiten Absatz des Art. 231 des Handelsgesetzbuchs enthaltene Bestimmung nicht zur Anwendung; für die spätere Zeit hat die Beschränkung dritten Personen gegenüber keine rechtliche Wirkung. § 27. Wenn in Bezug auf eine bei Eintritt der Geltung dieses Gesetzes bereits bestehende Aktiengesellschaft eine Tatsache sich ereignet, welche gemäß den Vorschriften dieses Gesetzes und des Handelsgesetzbuchs zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist, so muss nicht allein diese Anmeldung gleichwie bei den erst nach dem Eintritt der Geltung dieses Gesetzes entstandenen Aktiengesellschaften geschehen, sondern es bestimmen sich auch die rechtlichen Folgen der geschehenen oder nicht geschehenen Eintragung im Verhältnis zu Dritten nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes und des Handelsgesetzbuchs; insbesondere sind die früheren Vorschriften über die rechtlichen Folgen der Veröffentlichung der Tatsache, soweit sie von denen des Handelsgesetzbuchs und dieses Gesetzes abweichen, nicht anwendbar. 2. Motive Der Art. 249 des für die Aktiengesellschaften, welche zugleich Handelsgesellschaften sind, maßgebenden Deutschen Handelsgesetzbuchs überlässt den Landesgesetzen zu bestimmen, dass es der staatlichen Genehmigung zur Errichtung von Aktiengesellschaften nicht bedarf. Aufgrund dieses Vorbehalts haben innerhalb des Norddeutschen Bundes folgende Staaten von einer Staatsgenehmigung abgesehen: Lübeck, Einführungsgesetz vom 2. November 1863, Art. 14; Oldenburg, Einführungsgesetz vom 18. April 1864, Art. 20 § 2; Bremen, Einführungsgesetz vom 6. Juni 1864, § 20 und Hamburg, Einführungsgesetz vom 22. Dezember 1865, § 25. (Löhr, Central-Organ für das Deutsche Handels- und Wechselrecht 1863 II S. 226, 1864 III S. 120, 132. Neue Folge 1866 II S. 473) Dasselbe gilt von Baden, Einführungsgesetz vom 6. August 1862 (Großherzogliches Regierungsblatt 1862 Nr. 40, Löhr Bd. 1 S. 202) und Württemberg, Gesetz vom 13. August 1865 (Regierungsblatt Nr. 27, Löhr, Neue Folge Bd. 2 S. 286). Auch England und neuerdings Frankreich (Gesetz vom 24. Juli 1867, Bulletin des lois II. S. 94 ff., Moniteur Nr. 238) haben die Staatsgenehmigung aufgegeben.
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In IV. Preußen Die Einbringung ist das Erfordernis des preußischen der landesherrlichen, Entwurfs zu einer bezüglich Aktienrechtsnovelle – was das Gebiet des ehemaligen Königreichs Hannover angeht – der ministeriellen Genehmigung für die Errichtung von (eigentlichen) Aktiengesellschaften vorgeschrieben. Die Gründe, welche die Preußische Regierung bestimmten, bei der Ausarbeitung ihres Entwurfs zum Handelsgesetzbuche die Staatsgenehmigung für die Aktiengesellschaften festzuhalten und auch bei der Einführung des Deutschen Handelsgesetzbuches von dem Vorbehalte des Art. 249 keinen Gebrauch zu machen, gehen aus den Motiven zum Preußischen Entwurf Seite 89 ff. hervor. Sie bestehen im Wesentlichen darin, dass man 1. die Kreierung einer juristischen Person ohne Staatsgenehmigung mit den bestehenden Rechtsgrundsätzen nicht für vereinbar, 2. den Schutz des Publikums und der Gesellschaftsgläubiger gegen Schwindel und Unsolidität für eine Pflicht des Staats, 3. die Sicherung des allgemeinen Wohlstandes und der Landesindustrie gegen die Geldmacht der Aktiengesellschaft für nötig hielt. Dem Bedenken ad 1 ist indes ein entscheidendes Gewicht deshalb nicht beizulegen, weil das Deutsche Handelsgesetzbuch allen übrigen, an die Staatsgenehmigung nicht geknüpften Handelsgesellschaftsformen (offene Handelsgesellschaft, Kommandit- und Kommandit-Aktiengesellschaft) alle wesentlichen Rechte einer juristischen Person in genau demselben Umfange beilegt, wie der Aktiengesellschaft (Art. 111, 164, 213 des Handelsgesetzbuchs). Dass bei letzterer ein Konglomerat von Kapitalien allein, bei den übrigen Gesellschaften ein solches von physischen Personen allein, oder von physischen Personen und Kapitalien kraft gesetzlicher Fiktion zum Rechtssubjekt wird, ändert an der rechtlichen Bedeutung dieser Fiktion offenbar nichts. Wenn ferner ad 2 der Staat dem Publikum, d.h. den Aktionären, wie den Gläubigern der Aktiengesellschaften Schutz gegen die Benachteiligung durch unsolide Unternehmungen gewähren will, so ist diese an sich höchst wohltätige Absicht – wie die Erfahrung lehrt – leider! unerreichbar. Dadurch aber, dass das Publikum auf die vom Staate ihm verheißene Fürsorge sich verlässt und in diesem Vertrauen der eigenen Mühe und Sorge sich entschlagen zu können glaubt, wirkt jene unerfüllbare Verheißung geradezu schädlich. Sie vermehrt die Opfer des Schwindels und der Unsolidität, statt sie zu verhüten. Dies haben die Abgeordneten für Hamburg auf der Nürnberger Konferenz in ihrem gegen Einführung der Staatsgenehmigung gerichteten Vortrage (S. 319 bis 323 der Protokolle [der ADHGB-Kommission]) in treffender Weise ausgeführt. Es heißt daselbst u.A.: „Je mehr die Gesetzgebung spezielle Vorschriften erlässt, um den Einzelnen gegen die Folgen eigener Unvorsichtigkeit in Schutz zu nehmen, und in seinen Privatinteressen vor geschäftlichen Verlusten zu bewahren, desto langsamer und schwächer entwickelt sich der Natur der Sache nach die erforderliche Umsicht beim Publikum, und umso mehr wird auf andere Weise schlaueren und gewissenloseren Unternehmern ihr Treiben erleichtert. Die Gesetzgebung selbst befördert also gewissermaßen gerade dasjenige, was sie verhindern will.“ In Übereinstimmung hiermit wurde im Jahre 1862 im Kommissionsbericht der Badischen II. Kammer für die Befreiung der Aktiengesellschaften von der Staatsgenehmigung geltend gemacht, dass während „einerseits jede irgend entbehrliche Hemmung
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des Privatverkehrs als schädlich zu vermeiden, andererseits die Zahl der Leichtgläubigen außerordentlich groß sei, welche die Beteiligung an einer, durch die Regierung genehmigten Gesellschaft ohne alle weitere Untersuchung für unbedenklich hielten.“ ([Achilles] Renaud, Recht der Actiengesellschaften [Leipzig 1863], S. 300). Und in dem Kommissionsbericht des Französischen Corps lègislatif vom Juni v. J. heißt es: Là, où l’état intervient, l’individu abdique, il se considère comme dispensé de tout effort, il s’endort dans une léthargie véritable, il attend tout de l’état, et par contre il l’accuse de tous ses mécomptes, comme si son initiative personnelle avait été confisquée. (Moniteur S. 695) Die Wahrheit dieses Satzes wird durch die seitherige Erfahrung auch in Preußen bestätigt. Man hat daselbst in den Jahren 1855 bis 1857 trotz der Staatsgenehmigung Zeiten des Aktienschwindels durchlebt, bei denen dem leichtgläubigen Publikum die erheblichsten Verluste vom Staate nicht erspart werden konnten. Die einzige Garantie gegen solche Verluste ist die eigene Vorsicht. Ist diese Vorsicht entweder verabsäumt oder nicht ausreichend, dann kann auch die Prüfung des Projekts und des Statuts durch den Staat gewiss nicht helfen. Bei bergbaurechtlichen Unternehmungen z.B. (Ausbeutung von soeben erst vermuteten Kohlenfeldern etc.) ist auch der Staat außer Stande, die Bauwürdigkeit der unaufgedeckten Flöze mit Sicherheit zu beurteilen. Und gewiss finden zahlreiche Aktienzeichner gerade in der, einer Bergbau-Aktiengesellschaft zuteil gewordenen, gewöhnlich auf ein vorheriges Gutachten der Königlichen Bergbehörde gestützten Staatsgenehmigung, die nach der in Preußen geltenden Ministerial-Instruktion vom 22. April 1845 Nr. I 1 und III nur dann erteilt werden soll, wenn der Zweck des Unternehmens „an sich aus allgemeinen Gesichtspunkten nützlich und der Beförderung wert erscheint“ und wenn „die Gesellschaft durch die Art ihrer Begründung eine genügende Bürgschaft gegen Täuschungen und Beeinträchtigungen des Publikums gewährt“, eine Garantie für die Lebensfähigkeit des Projekts, für die Solidität der Gründer und damit einen Anreiz zur Beteiligung. Noch misslicher ist die Lage der Regierung jetzt in den Fällen, in welchen eine finanziell bedrängte Aktiengesellschaft durch Emission von Prioritäts-Stammaktien (mit oder ohne Herabsetzung des Nominalwerts ihres Grundkapitals) gegen den Konkurs sich zu schützen sucht und dazu die Staatsgenehmigung erbittet. Wird die Genehmigung versagt, dann trifft in den Augen der ruinierten Aktionäre und der ausfallenden Gesellschaftsgläubiger die Regierung die Schuld, weil sie der Gesellschaft das letzte und nach der Behauptung des Gesellschaftsvorstandes sicher helfende Rettungsmittel vorenthielt. Erteilt dagegen die Regierung die Genehmigung, dann finden Aktionäre und Publikum darin eine Garantie für die Unverfänglichkeit der genehmigten Finanzoperation und somit einen Anreiz zur Hergabe neuer Fonds, die dann vielleicht rettungslos verloren gehen und damit die Verluste der an dem Unternehmen Beteiligten noch wesentlich steigern. Was endlich das Bedenken ad 3 (die Furcht vor der Benachteiligung des allgemeinen Wohlstandes und der Landesindustrie durch die Geldmacht der Aktiengesellschaft) anlangt, so scheint dies, abgesehen von seiner überhaupt mehr theoretischen Bedeutung, schon deshalb hinfällig, weil die Kumulation von Kapitalien für eine (ohne
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Staatsgenehmigung IV. Die Einbringung errichtete) des preußischen Kommanditgesellschaft Entwurfs zu einer auf Aktien Aktienrechtsnovelle kaum schwieriger sein wird, als für eine eigentliche Aktiengesellschaft. Dass unmittelbar nach Fortfall der Staatsgenehmigung eine Periode des Aktienschwindels eintreten werde, ist eine Befürchtung, die sich (gleich der Besorgnis vor einer in Folge der Aufhebung der Wuchergesetze befürchteten Hypothekenkrisis) ebenso wenig begründen als widerlegen lässt. Möglich ist das Eintreten solcher Übergangskrisis allerdings; sie muss dann aber eben durchgemacht werden. Überhaupt ist der Einfluss, den die Lage des Geldmarktes, die politischen Konjunkturen, das Prosperieren oder das Scheitern einzelner großer Aktienunternehmungen etc. auf das Gedeihen des Aktienschwindels ausüben, entschieden bedeutender als das Bestehen oder der Fortfall der Staatsgenehmigung. Der Credit-mobiler-Schwindel früherer Jahre hat z.B. die Länder, in denen das Erfordernis der Staatsgenehmigung bestand, nicht verschont. Mit dem Fortfall der Staatsgenehmigung für die Errichtung der Aktiengesellschaften und für deren Statute wird allerdings auch dasjenige Aufsichtsrecht über die Verwaltung jener Gesellschaften aufhören müssen, welches den Staatsbehörden durch eine den Gesellschaften vorgeschriebene Fassung ihrer Statute seither gesichert zu werden pflegte. Ein Nachteil wird indes in dieser Konsequenz keineswegs zu finden sein. Die gesetzliche Basis für das dem Staate laut der bisherigen Praxis vindizierte Aufsichtsrecht über den Geschäftsbetrieb der Aktiengesellschaften ist überhaupt sehr zweifelhafter Natur. Außer der generellen Vorschrift in der Regierungsinstruktion vom 23. Oktober 1817 § 2 Nr. 5 und § 3 Nr. 2 a, welche die Aufsichtsführung über die Korporationen, Gesellschaften und Anstalten je nach der Gewerblichkeit oder Nichtgewerblichkeit ihres Zweckes der einen oder der anderen Regierungsabteilung beilegt, finden sich nur noch im Handelsgesetzbuch Art. 240 und in dem dazu erlassenen Preußischen Einführungsgesetze Art. 12 § 7, einzelne im Wesentlichen den §§ 24 und 25 des früheren Preußischen Aktiengesetzes vom 9. November 1843 nachgebildete Vorschriften, wonach der Verwaltungsbehörde (sofern nicht eine besondere „Aufsichtsbehörde“ bestellt ist, der Bezirksregierung) für den Fall der Verminderung des Grundkapitals um die Hälfte das Recht zur Einsichtnahme in die Gesellschaftsbücher und zur Auflösung der Gesellschaft zustehen soll. Die eigentliche tatsächliche Grundlage für das vom Staate bezüglich der gesamten Geschäftsverwaltung der Aktiengesellschaften seither in Anspruch genommene Aufsichtsrecht bildet eine am 8. Juni 1852 von den Preußischen Ministerien des Handels, des Innern und für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten an die Regierungen erlassene Cirkularverfügung, welche die Aufnahme nachstehender Vorschrift in alle neu zur Feststellung gelangenden Statute von Aktiengesellschaften anordnete: die Königliche Regierung ist befugt, einen Kommissarius zur Wahrnehmung des Aufsichtsrechts für beständig oder für einzelne Fälle zu bestellen. Dieser Kommissarius kann nicht nur den Gesellschaftsvorstand, die Generalversammlung oder sonstige Organe der Gesellschaft gültig zusammenberufen und ihren Beratungen beiwohnen, sondern auch jederzeit von den Büchern, Rechnungen, Registern und sonstigen Verhandlungen und Schriftstücken der Gesellschaft Einsicht nehmen. Diese Anordnung (ergänzt durch das vor dem Worte: „Büchern“ eingeschobene Wort: „Kassen“) wird auch jetzt noch durchgeführt.
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Durch eine spätere Cirkularverfügung vom 22. Juni 1853 ist außerdem den Regierungen zur Pflicht gemacht worden, für jede auf Gewerbe- und Handelsunternehmungen gerichtete, dem Gesetze vom 9. November 1843 unterliegende Aktiengesellschaft einen Staats-Kommissarius zu bestellen. Gewöhnlich wird hierzu ein Regierungsmitglied (der Gewerbe-Departementsrat) oder – bei Gesellschaften, welche nicht am Sitze der Regierung domizilieren – der betreffende Landrat kommittiert, welcher die Jahresbilanzen von der Gesellschaft empfängt und an die Regierung weiter befördert, auch von den Generalversammlungen Kenntnis erhält und denselben nach Befinden beiwohnt. Die Wirksamkeit dieser sogenannten Staatsaufsicht ist erfahrungsmäßig eine äußerst geringe, nicht etwa, als ob die Regierungskommissarien ihre Pflicht versäumten, sondern weil für sie die Ausübung einer wirksamen Aufsicht faktisch unmöglich ist. Hat die Gesellschaft einen pflichtwidrig handelnden Vorstand, so wird derselbe vielleicht durch den Aufsichtsrat, keinenfalls aber durch den Staatskommissarius seiner Malversation zu überführen und unschädlich zu machen sein. Dazu gehört eine so sorgfältige fortgesetzte Einsicht in alle Gesellschaftsgeschäfte, wie sie der betreffende Staatskommissarius ohne Vernachlässigung seiner sonstigen Dienstobliegenheiten und ohne zu weit gehende Einmischung in den inneren Geschäftsbetrieb der Aktiengesellschaften gar nicht ausüben kann. Der Staatskommissarius muss sich daher darauf beschränken, etwaige Statut- oder Gesetzwidrigkeiten, die gelegentlich der Generalversammlungen oder sonst durch Beschwerden von Aktionären zu seiner Kenntnis kommen, zu rügen. Mittel, die Abstellung derselben zu erzwingen, besitzt er nicht. Denn den Geschäftsbetrieb der Aktiengesellschaften mittelst Anwendung der exekutivischen Strafbefugnis der Regierungen (welche § 48 der Verordnung vom 26. Dezember 1808 denselben bis auf Höhe von 100 Talern oder 4 Wochen Gefängnis beilegt) zwangsweise zu regeln, musste für unzulässig erachtet werden. Die ganze Wirksamkeit der Staatskommissarien und der Aufsichtsbehörde überhaupt besteht sonach im „Warnen“, d.h. es wird, wenn eine Ungesetzlichkeit oder Statutwidrigkeit, die der Vorstand oder die Generalversammlung begangen hat, entdeckt ist, und deren Abstellung vom Vorstande auf gütlichem Wege nicht erlangt werden kann, die Zusammenberufung einer neuen Generalversammlung veranlasst, der der Staatskommissar die Sachlage und die Ansicht der Regierung behufs nochmaliger Beschlussnahme darlegt. Solche Fälle sind wiederholt, auch noch in neuester Zeit, vorgekommen, ohne dass jedoch diese Warnung – soweit bekannt – jemals gefruchtet hätte. Die Behörden haben auch wohl in einzelnen Fällen die Ausführung illegaler Gesellschaftsbeschlüsse dadurch zu verhindern versucht, dass sie die Vorstandsmitglieder für den Fall der Ausführung derselben persönlich „verantwortlich“ machten. Da durch solche Erklärung der Aufsichtsbehörde die bereits bestehende Verantwortlichkeit des Vorstandes durchaus nicht gesteigert wird, so ist solche Verfügung rechtlich bedeutungslos und kann nur Unkundige schrecken. Die „Warner“-Funktion der Staatskommissarien ist aber nicht bloß bedeutungslos, und die Stellung derselben deshalb für den Kommissar, sowie für die Regierung selbst eine wenig würdige (ausdrücklich auszunehmen ist die Stellung der mit wesentlich anderen Befugnissen ausgestatteten Eisenbahnkommissarien, die aufgrund des
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§ 46 IV. des Eisenbahngesetzes Die Einbringung des vom preußischen 3. November Entwurfs 1838 bestellt zu einerwerden Aktienrechtsnovelle müssen), sondern sie wirkt auch geradezu schädlich, weil die Aktionäre und das Publikum mit Unrecht darauf vertrauen, dass solange der Staatskommissar schweigt, die Verwaltung der Gesellschaft in Ordnung sei. Der Fortfall des Instituts der Staatskommissarien, soweit derselbe durch die Befreiung der Aktiengesellschaften von der Staatsgenehmigung überhaupt bedingt wird, scheint daher ebenso wohl dem Interesse der Gesellschaft als demjenigen der Staatsregierung zu entsprechen. Wenn endlich die Regierung nach Aufhebung der für die Gesellschaftsstatuten seither erforderlichen Staatsgenehmigung künftig nicht mehr imstande sein wird, für eine stylistisch klare Redaktion dieser Statute, wie bisher, Sorge zu tragen, so wird hierauf ein entscheidender Wert umso weniger zu legen sein, als der Regierung auch jetzt die Mittel fehlen, die spätere Beachtung der sorgfältig redigierten Statute zu erzwingen. Ihre Einwirkung auf die Aktiengesellschaften beschränkt sich gegenwärtig auf die Beihilfe bei der Redaktion der Statuten und auf Bestellung eines Aufsichtsbeamten, der, wie die Regierung selbst, den Gesellschaften gegenüber in der Tat machtlos ist. Aus vorstehenden Gründen empfiehlt es sich, den Fortfall der Staatsgenehmigung bei der Errichtung von Aktiengesellschaften im Wege der Gesetzgebung herbeizuführen. Selbstverständlich handelt es sich dabei nur um den Fortfall derjenigen Staatsgenehmigung, welcher jede Aktiengesellschaft als solche (d.h. wegen ihrer Gesellschaftsform) zur Erlangung der rechtlichen Existenz jetzt bedarf. Es werden daher diejenigen Geschäfte, deren Beginn durch die Preußische Gesetzgebung an die Staatsgenehmigung gegenwärtig geknüpft ist (wie Eisenbahnbau, Banknoten-Emission, Auswanderungsvermittlung und bis jetzt die Versicherungsgeschäfte), gleichviel wer sie betreiben will, auch ferner konzessionspflichtig bleiben, und es wird insbesondere auch der Grundsatz des Preußischen Gesetzes vom 17. Juni 1833 (Gesetzsammlung S. 75), wonach zur Emission von Obligationen au porteur die Erteilung eines landesherrlichen Privilegiums erforderlich ist, nicht alteriert werden. Wollen Aktiengesellschaften derartige Geschäfte betreiben oder solche Papiere emittieren, so wird von den Gesichtspunkten aus, welche die Konzessionspflicht an die Hand gibt, auch künftig auf eine Prüfung der Statute zurückgegangen, bzw. von der Änderung derselben die Erteilung der Konzession oder des Privilegiums abhängig gemacht werden können. Die Einführung eines dem entsprechenden Verhältnisses ist in der Hannoverschen Gesetzgebung schon in Aussicht genommen. Nach § 21 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuche vom 5. Oktober 1864 war die ganze dortige Einrichtung nur eine provisorische. Das projektierte allgemeine Gewerbegesetz sollte über die Notwendigkeit der Staatsgenehmigung nach Maßgabe der von der Gesellschaft zu betreibenden Geschäfte entscheiden. Das Badensche und das Württembergische Einführungsgesetz vom 6. August 1862 und 13. August 1865 (Löhr, aaO. I S. 185, Neue Folge II S. 286) erfordern eine Genehmigung – gleichmäßig für Aktien- und Kommandit-Aktiengesellschaften – grundsätzlich nicht, wohl aber dann, wenn dieselben Bank- und Kreditgeschäfte, Sach- oder Lebensversicherungen einschließlich der Leibrentenverträge, oder den Bau von Eisenbahnen zum Gegenstande haben.
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Abgesehen von dem hiernach in das Gesetz aufzunehmenden Vorbehalt, bedarf es zugleich für die von der Staatsgenehmigung und Staatsaufsicht künftig zu befreienden Aktiengesellschaften einer Ergänzung der auf das Aktienrecht bezüglichen gesetzlichen Vorschriften durch Feststellung gewisser von den Aktiengesellschaften zu erfüllenden Normativbedingungen. Eine Änderung des Deutschen Handelsgesetzbuchs wird in solcher Ergänzung nicht zu finden sein. Die Befreiung der Aktiengesellschaften von der Staatsgenehmigung auszusprechen, überlässt Art. 249 des Handelsgesetzbuchs ausdrücklich der Landesgesetzgebung. An die vorgängige Erfüllung gewisser Normativbedingungen aber ist die Errichtung von Aktiengesellschaften in Preußen und anderen Staaten seither schon geknüpft worden, und ebenso wenig als dies Verfahren für eine Verletzung der Vorschriften des Handelsgesetzbuchs gelten konnte, wird künftig die gesetzliche Feststellung einiger dieser oder ähnlicher Bedingungen als dem Handelsgesetzbuch widersprechend zu betrachten sein. In den Nürnberger Verhandlungen, welche weiterhin zur speziellen Erwägung kommen werden, ist dies ausdrücklich anerkannt. Wäre aber auch wirklich ein solcher Widerspruch anzunehmen, so dürfte dies mit Rücksicht auf die Erheblichkeit der für die beabsichtigten legislatorischen Maßregeln sprechenden Gründe nicht zur Abstandnahme von letzteren Veranlassung geben können. In der beregten Beziehung wird die Hauptaufgabe des zu erlassenden Gesetzes darin bestehen müssen, zum Schutze des Publikums gegen Übervorteilung und Täuschung einen geeigneten Ersatz zu schaffen für diejenige Fürsorge, welche bisher in der Form von Konzessionsbedingungen bei der staatlichen Prüfung und Feststellung des einzelnen Statuts geübt wurde. An die Stelle der bisher im Verwaltungswege bewirkten Sicherheit müssen gewisse ein für allemal maßgebende gesetzliche Normativbedingungen treten, welche sich teils auf die Begründung, teils auf die fortlaufende Verwaltung der Gesellschaften zu beziehen haben. Einen Anhalt für die entsprechenden Erwägungen bieten zunächst die Englische und Französische Gesetzgebung. Zu bemerken ist dabei, dass diese beiden Gesetzgebungen bei ihren, die Verhältnisse der Aktiengesellschaften betreffenden Vorschriften von wesentlich verschiedenen Systemen ausgehen. Während das Englische Gesetz (The Companion act von 1862 Vict. 25, 26 Cap. LXXXIX) das hauptsächlichste Schutzmittel für Aktionäre und Gesellschaftsgläubiger in ausgedehnter Öffentlichkeit der über die Vermögenslage der Gesellschaft Aufschluss gewährenden Schriftstücke etc. (Art. 43 ff. des Gesetzes) findet, sucht das Französische Gesetz die früher vom Staate mittelst Auferlegung beliebiger, in das Statut aufzunehmender Konzessionsbedingungen bekundete Fürsorge durch Feststellung der vor der Gründung der Gesellschaft resp. bei der Verwaltung ihrer Angelegenheiten von den Gründern und Gesellschaftsvorständen zu erfüllenden Bedingungen und Obliegenheiten zu ersetzen. Insbesondere steht das letzterwähnte System sowohl mit der in Preußen bei der Konzessionierung von Aktiengesellschaften seither befolgten Praxis, als auch mit der im Handelsgesetzbuche angenommenen Behandlungsweise der Kommanditgesellschaften auf Aktien wesentlich im Einklange. Weiter kommen in Betracht die schon erwähnten Einführungsgesetze zu dem Handelsgesetzbuch in denjenigen Staaten, welche von einer besonderen Konzessio-
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nierung IV. der DieAktiengesellschaften Einbringung des preußischen von vornherein Entwurfs abgesehen zu einer haben; Aktienrechtsnovelle die Erfahrungen, welche bei der bisherigen Prüfung der Statuten der Aktiengesellschaften und der Ausübung des Aufsichtsrechts über dieselben gewonnen sind, und endlich die schon jetzt bestehenden Vorschriften über Kommanditgesellschaften auf Aktien, sowie die Materialien zu dem Deutschen Handelsgesetzbuche selbst. Die letzteren geben einen nicht unwesentlichen bestimmten Hinweis für die bei der neuen Legislatur festzuhaltenden Gesichtspunkte. Der Preußische Entwurf, welcher den Beratungen zu Nürnberg zugrunde gelegt wurde, ging von der Annahme aus, dass die Staatsgenehmigung bei Kommanditgesellschaften auf Aktien unbedingt ausgeschlossen, dagegen bei eigentlichen Aktiengesellschaften unbedingt erforderlich sein sollte. Bei der ersten Lesung in Nürnberg wurde der Antrag gestellt, die Frage, ob eine Genehmigung der Aktiengesellschaften vorzuschreiben sei, besonderen Gesetzen zu überlassen. Dagegen wurde geltend gemacht: ein System, welches von der staatlichen Genehmigung absehe, erheische zum Teil von dem Entwurfe abweichende Bestimmungen, zwei Systeme nebeneinander könnten aber in ein und demselben Gesetzbuch nicht durchgeführt werden, und müsse daher bei der Beratung an dem einen System, dem des Preußischen Entwurfs, festgehalten werden. Durch eine besondere Vorschrift könne den Einzelstaaten überlassen werden, von der Genehmigung abzusehen, den Regierungen, welche davon Gebrauch machten, bleibe dann anheimgestellt, Abänderungen der Bestimmungen des Entwurfs nach Bedürfnis vorzuschreiben, wobei man jedoch das Vertrauen hege, dass davon nur in diskreter Weise Gebrauch gemacht werden würde (Protokolle S. 315, 372). Bei der zweiten Lesung wurde die Frage in demselben Sinne debattiert und wurde zunächst beschlossen, bei der dritten Lesung zu erwägen, ob und welche besondere Bestimmungen für die Staaten erforderlich sein möchten, die eine Genehmigung der Aktiengesellschaften nicht vorsehen würden (Protokoll S. 1074–1076). Schon im Verlaufe der zweiten Lesung kam man jedoch auf denselben Punkt zurück und wurde auf den Antrag eines Abgeordneten der jetzige Art. 249 des Handelsgesetzbuchs vereinbart. Der Antragsteller erklärte ausdrücklich: er würde einem Beschlusse nicht widersprechen, der das Handelsgesetzbuch auch für diejenigen Staaten bestimmt sein lasse, welche die staatliche Genehmigung nicht erforderten, sofern die Zusätze angenommen würden, welche jetzt der Art. 249 enthält (Protokoll S. 1444 ff.). Die Erinnerungen, welche für die dritte Lesung in dieser Beziehung noch vorbereitet waren, wurden zurückgezogen (Beilagen Band zu den Protokollen DXLVIII– DLXXXIX S. 37, 97). Ähnlich, nur im umgekehrten Sinne, verhielten sich die Verhandlungen über Kommanditgesellschaften auf Aktien bei der ersten Lesung (Protokoll S. 394/395). Bei der zweiten Lesung wurde zwar als Regel aufgestellt, dass auch für diese Kommanditgesellschaft staatliche Genehmigung erforderlich sein sollte, die Detailberatung entsprach aber dieser Aufstellung keineswegs überall. Diesen Vorgängen folgend, enthalten die Motive zu dem Entwurf des Preußischen Einführungsgesetzes Art. 12 § 1 folgende Bemerkungen: „In dem Artikel 249 wird den einzelnen Staaten zwar anheimgegeben, von der staatlichen Genehmigung (bei
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Aktiengesellschaften) Umgang zu nehmen, obschon in der Voraussicht, dass dies nur von sehr wenigen Staaten geschehen werde, die Anlage des Gesetzes auf einen solchen Fall gar nicht berechnet ist, wie bei einer Vergleichung der Vorschriften über die Kommanditgesellschaften auf Aktien mit denen über die Aktiengesellschaften sofort zutage tritt“. Es ist das unbestreitbare Resultat, dass auch nach den Andeutungen bei der Beratung über das Handelsgesetzbuch und nach dem Vergleich der Vorschriften über Kommanditgesellschaften auf Aktien einer-, über Aktiengesellschaften andererseits, die Bestimmungen über letztere einer Ergänzung bedürfen, wenn auch bei ihnen die Staatsgenehmigung aufgegeben werden soll. Einige bezügliche Bestimmungen dieser Art enthalten auch bereits die Einführungsgesetze für Hamburg und Württemberg, und wenn dieselben auch von geringer Zahl sind, wenn die anderen Staaten, welche die Genehmigung der Aktiengesellschaften ausschlossen, sogar ganz von ergänzenden Vorschriften abgesehen haben, so mag dies in der dermaligen Situation und in dem Bestreben, möglichst die volle Übereinstimmung in den gesetzlichen Vorschriften über Aktiengesellschaften zu bewahren, seinen Grund gehabt haben. Es können diese Vorgänge aber bei einer eingehenderen Erwägung und bei nachträglicher Aufhebung des Erfordernisses der Staatsgenehmigung nicht unbedingt maßgebend sein. Eine genaue Prüfung in der vorbezeichneten Beziehung ist umso mehr erforderlich, als sich voraussehen lässt, dass künftighin die Form der Aktiengesellschaft in noch stärkerem Maße als bisher, derjenigen der Kommanditgesellschaft auf Aktien vorgezogen werden wird. Die durch die Natur der Kommanditgesellschaft begründete Bestimmung, dass das Ausscheiden des persönlich verantwortlichen Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hat, hat noch neuerdings bei einzelnen Preußischen Gesellschaften zu erheblichen Übelständen und Klagen Veranlassung gegeben, das ganze Institut der Kommanditgesellschaft auf Aktien hat überhaupt nur stellenweise Wurzel gefasst. Die verschiedene Behandlung der Kommanditgesellschaften auf Aktien und der Aktiengesellschaften in dem Deutschen Handelsgesetzbuch ist von vornherein im Hinblick auf das Fehlen der Staatsgenehmigung bei ersteren, auf das Eintreten dieser Genehmigung bei letzteren motiviert, dieserhalb wurden bei ersteren strengere Form-, Organisations- und Kontrollvorschriften für nötig erachtet (Preußischer Entwurf 1857, Motive S. 81, 83, Motive zu dem Entwurfe des Einführungsgesetzes Art. 10, Bericht der Kommissionen des Hauses der Abgeordneten vom 22. Mai 1861 sub rubr. „die Kommanditgesellschaften auf Aktien“). Die betreffenden Vorschriften sind nach Darlegung an den eben bezeichneten Stellen hauptsächlich folgende: 1. Die Aktien dürfen nicht auf jeden Inhaber und nicht auf einen geringeren als den gesetzlich bestimmten Betrag gestellt werden (Art. 173); 2. vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister muss die Zeichnung des gesamten Kommandit-Kapitals und die Einzahlung von mindestens einem Viertel desselben bescheinigt sein; 3. die Gesellschaft kann den ursprünglichen Zeichner der Verbindlichkeit zur Einzahlung des Rückstandes nicht entlassen (Art. 184);
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4. inIV. Ansehung Die Einbringung der Einlagen, des preußischen welche nicht Entwurfs in barem zu Gelde einer Aktienrechtsnovelle bestehen und in Ansehung des Ausbedingens von besonderen Vorteilen sind vorbeugende Bestimmungen getroffen (Art. 180); 5. durch andere Bestimmungen, welche die Ausgabe von Aktien für die Einlagen der geschäftsführenden Gesellschafter oder eine Veränderung oder Abschwächung der Beteiligung derselben untersagen (Art. 181) und dem beliebigen Austritt derselben während des Bestehens der Gesellschaft entgegentreten (Art. 199), ist das Interesse der persönlich haftenden Gesellschafter mit dem Interesse der Gesellschaft enge verknüpft; 6. besonderes Gewicht ist darauf gelegt, dass sowohl das Interesse der Kommanditisten gegenüber den geschäftsführenden Gesellschaftern, als auch für das Interesse der Gesellschaftsgläubiger durch einen aus der Zahl und Wahl der Kommanditisten hervorgehenden Aufsichtsrat gesorgt ist, dessen Bestellung bei der Aktiengesellschaft nur als fakultativ vorausgesetzt wird (Art. 225), bei der Kommanditgesellschaft dagegen als ein so wesentliches Erfordernis aufgestellt ist, dass ohne dieselbe die Gesellschaft nicht zur rechtlichen Existenz gelangen kann (Art. 175 Nr. 6, Art. 177 Nr. 3, Art. 178, 206). Dieser Aufsichtsrat, in Bezug auf dessen Zusammensetzung, Fortdauer und Wirksamkeit in mehrfacher Beziehung zweckmäßige Vorschriften gegeben sind (Art. 175, 176, 191, 192 usw.), hat die geschäftsführenden Gesellschafter zu überwachen, nimmt die Rechte gegen dieselben wahr und wird den Gläubigern der Gesellschaft nach Maßgabe des Art. 204 in den dort bezeichneten Fällen einer ungesetzlichen Behandlung des Gesellschaftsvermögens persönlich und solidarisch verantwortlich. Bezüglich der Anwendbarkeit der vorstehend unter 1. bis 6. aufgeführten Vorschriften auf die eigentlichen Aktiengesellschaften ist Folgendes zu bemerken: Ad 1. Die Ausgabe von Aktien, welche auf den Inhaber lauten, wird den Aktiengesellschaften nicht versagt werden können, obgleich dies in England geschehen ist. Es besteht in dieser Beziehung in Preußen eine landjährige Gewöhnung, und es ist nicht in Abrede zu stellen, dass Unternehmungen wirklich bedeutenden Umfangs kaum zustande kommen würden, wenn die Aktien regelmäßig auf Namen lauten müssten. Auch ist in Kommanditgesellschaften auf Aktien die Ausgabe von Inhaberaktien nicht bloß in Rücksicht darauf, dass die Staatsgenehmigung fehlen möchte, sondern zugleich aus der Rücksicht versagt, dass das innere Wesen der Kommanditgesellschaft in einem gewissen persönlichen Verhältnis der Kommanditisten zu dem persönlich haftenden Gesellschafter liege. Es ist denkbar, dass in den interessierten Kreisen eher auf den Wegfall der Staatsgenehmigung verzichtet würde, als dass die Zustimmung zu dem Ausschlusse von Inhaberaktien zu erwarten wäre. Anders stellt es sich mit der Höhe der Minimalbeträge der Aktien. Selten ist bisher in Preußen die Ausgabe von Aktien unter 100 Talern gestattet worden. Ausnahmen sind zugunsten von Gesellschaften gemeinnützigen Charakters im besonderen Sinne nachgelassen. Das Französische Gesetz vom 24. Juli 1867 unterscheidet zwischen Gesellschaften, deren Grundkapital bis zu 200.000 Franks beträgt, und solchen, deren
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Grundkapital höher ist. Bei ersteren gestattet es Aktien von 100 Franks, bei letzteren nur von 500 Franks. Die Gesetzgebung, welche von der bisherigen Prüfung in den konkreten Fällen absieht, wird gleichzeitig dahin zu streben haben, dass einerseits die Gefahren, welche mit der Ausgabe von Aktien geringeren Nominalbetrages verbunden sind, vermieden, andererseits das Zustandekommen wirklich gemeinnütziger Gesellschaften nicht unnötig erschwert und die Anlage geringerer Kapitalien nicht geradehin unmöglich gemacht werde. Dies wird geschehen, wenn bei Aktien auf Namen ein Minimalbetrag von 50 Talern, bei Aktien auf Inhaber ein solcher von 100 Talern erfordert, bzw. nachgelassen wird. Nur bei Versicherungsgesellschaften, welche der Regel nach auf Namen lautende Aktien ausgeben, die Beträge aber nicht voll einzahlen, sondern den größten Teil derselben vorläufig nur durch Wechsel decken lassen, erscheint es geboten, den Minimalbetrag von 100 Talern durchweg festzuhalten. Ad 2. Die Bescheinigung, dass der gesamte Betrag des zur ersten Emission bestimmten Grundkapitals durch Unterschriften gedeckt sei, ist in Preußen schon bisher vor Einholung der landesherrlichen Genehmigung erfordert. Es haben dabei teils praktische Rücksichten: dass das Unternehmen gesichert sei, teils rechtliche Erwägungen: dass ein Grundkapital, nur wenn es gezeichnet worden, wirklich als vorhanden angenommen werden könne, und dass das Publikum nach der gesetzlichen Bestimmung in Art. 210 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches Kenntnis über den wirklichen Bestand des Grundkapitals haben solle, obgewaltet. Das Hamburgische Einführungsgesetz vom 22. Dezember 1865, [Georg] Löhr [Central-Organ f. d. deutsche Handels- und Wechselrecht], neue Folge, Bd. 2 [Elberfeld 1866], S. 477 § 27 fordert diesen Nachweis gleichfalls. Der Nachweis einer teilweisen Einzahlung des Grundkapitals ist vor Erteilung der landesherrlichen Genehmigung bisher nicht erfordert und konnte nicht wohl erfordert werden, da die Interessenten nicht im Voraus der landesherrlichen Genehmigung der Gesellschaft sicher sein konnten und im Falle der Versagung der Genehmigung die Einzahlungen unnütz geschehen sein würden. Dagegen ist regelmäßig die Anforderung in dem Statut gestellt, dass sofort nach erteilter landesherrlicher Genehmigung mindestens 10 Prozent und innerhalb des ersten Jahres danach mindestens noch 30 Prozent der Aktienbeträge eingezahlt werden müssten. Das Gesetz möchte im Allgemeinen die Bescheinigung der Einzahlung von 10 Prozent zu erfordern haben, ehe die Gesellschaft in Existenz tritt. Von einem höheren Prozentsatz dürfte abzusehen sein, da in vielen Fällen 10 Prozent zum Beginne des Unternehmens genügen werden, und auch schon durch das Erfordernis, dass die Einzahlung von 10 Prozent nachgewiesen werden muss, der Bildung von Gesellschaften ohne alle materielle Mittel, nur aus Spekulation auf das Steigen der Aktien insoweit vorgebeugt werden wird, als dies überhaupt tunlich ist. Anders stellt sich das Verhältnis bei Versicherungsgesellschaften. Bei diesen ist von vornherein das Erfordernis eines angemessenen Deckungsfonds gegeben, auch müssen die Einrichtungskosten aus den ersten Einzahlungen bestritten werden. 20 Prozent des Grundkapitals ist – auch erfahrungsmäßig – der geringste Prozentsatz, welcher hierzu notwendig erscheint.
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Über IV. Die fernere Einbringung Einzahlungen des preußischen möchte eine Entwurfs Bestimmung zu einer nicht Aktienrechtsnovelle aufzunehmen sein, da sich die Befolgung derselben bei Wegfall des Aufsichtsrechts nicht wohl unter Kontrolle stellen lässt. Ad 3. dürften die Vorschriften der Art. 222 und 223 des Handelsgesetzbuchs für genügend zu erachten sein. Erfolgen die Einzahlungen in größeren Zwischenräumen, so kann es zu einer erheblichen Belästigung führen, wenn eine Übertragung der Aktien vor stattgehabter Volleinzahlung dennoch für unbedingt unzulässig erklärt wird. Ad 4. Die Aufnahme einer dem Art. 180 entsprechenden Bestimmung, welche sich auch in dem Französischen Recht findet, ist dringend zu empfehlen. Gerade in den Fällen, in denen schon bestehende Etablissements auf neugebildete Aktiengesellschaften übertragen wurden, haben sich sehr oft Übelstände und Benachteiligungen der Aktionäre ergeben. Die Bestimmung des Art. 180 wurde deshalb auch schon in den Motiven des Preußischen Entwurfs (S. 94, 93) von 1856 gleicher Weise für Aktiengesellschaften, wie für Kommanditgesellschaften als angemessen erachtet, und es wurde später hinsichtlich der Aktiengesellschaften von einer solchen hauptsächlich nur deshalb abgesehen, weil die Staatsgenehmigung hinreichende Garantie biete (Protokolle über die Beratungen mit kaufmännischen Sachverständigen etc., Berlin 1856 S. 49, Nürnberger Protokoll S. 329, 381). Die Bedenken, welche bei den Beratungen in Nürnberg erhoben wurden: dass die Bestimmung umgangen werden und dass unter Umständen nach anderen Seiten hin eine Ungerechtigkeit herbeigeführt werden könne, greifen teils zu weit, teils muss über dieselben in gleicher Weise hinweggesehen werden, in welcher dies seitens der Nürnberger Konferenz bezüglich der Kommanditgesellschaften aus der Erwägung geschehen ist, dass für diese eine Staatsgenehmigung nicht erforderlich sein würde. Es ist in Preußen auch schon seit längerer Zeit in den Statuten Vorsorge getroffen, dass Übertragungen der bezeichneten Art nur mit ausdrücklicher Genehmigung einer nach Erteilung der landesherrlichen Genehmigung zu berufenden Generalversammlung erfolgen dürften. Die Zusicherung besonderer Vorteile an einzelne Gesellschafter ist überhaupt nicht nachgelassen. Dem entspricht die gesetzliche Vorschrift des Art. 180, welche jedoch für den vorliegenden Fall noch der Ergänzung in einigen Beziehungen bedarf. Die Kontrolle der nicht in Geld bestehenden Einlage eines Aktionärs durch die Generalversammlung der Zeichner wird auch auf sonstige Übernahmen von Vermögensstücken durch die Gesellschaft auszudehnen sein, da sonst die ganze Vorschrift umgangen werden kann. Der vielleicht fingierte Verkäufer dürfte nur selbst keine Aktien zeichnen. Sodann bedarf es einer zur Ausführung der Bestimmungen notwendigen näheren Regulierung, welche bei den lediglich auf ein fixiertes Grundkapital gegründeten Aktiengesellschaften notwendiger ist, als bei Kommanditgesellschaften. Es muss namentlich ausdrücklich bestimmt sein, dass die Generalversammlung der Aktionäre oder vielmehr der Zeichner, welche die Zulässigkeit und Abschätzung der nicht in barem Gelde bestehenden Einlage genehmigen sollen, der definitiven Konstituierung der Gesellschaft vorhergehen muss, weil solches zur Feststellung des Grundkapitals notwendig ist (cfr. s. pl. Französisches Gesetz Art. 4, 24). Dagegen erscheint es nicht geboten, nach dem Vorgange des Französischen Gesetzes eine zweimalige Generalversammlung vorzuschreiben, da es der ersten Ge-
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neralversammlung überlassen bleiben kann, ihren Beschluss auszusetzen, wenn noch Aufklärungen erforderlich sind. Auch abgesehen von dem bisher behandelten speziellen Falle erscheint es angemessen, dass die Prüfung, ob überhaupt den gesetzlichen Erfordernissen genügt sei, vor Eintragung des Statuts in die Handelsregister, durch eine Generalversammlung der Zeichner erfolgt, wie dies das Französische Gesetz gleichfalls vorsieht. Ad 5. Der Inhalt der Art. 181 und 199 ist durch die besondere Natur der Kommanditgesellschaften auf Aktien bedingt und leidet auf die Aktiengesellschaften keine Anwendung. Ad 6. Ob die Bestellung eines Aufsichtsrats in der Praxis bisher wirklich den Wert gehabt hat, welche man bei Emanation des Deutschen Handelsgesetzbuchs dieser Einrichtung beilegte, mag dahingestellt bleiben. Dieselbe wird aber unfehlbar künftighin größere Bedeutung erlangen, wenn die Genehmigung der Aktiengesellschaften und die Staatsaufsicht beseitigt ist, die Aktionäre also ausschließlich auf eigene Wahrnehmung ihrer Interessen angewiesen sind. Jedenfalls erscheint in diesem Punkte eine gesetzliche gleiche Behandlung der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien geboten. Insbesondere die Bestimmung, dass der Aufsichtsrat das erste Mal nicht auf länger als 1 Jahr, später auf nicht länger als 5 Jahre gewählt werden darf, ist von großer Wichtigkeit. Es wird dadurch verhindert, dass die Aktionäre auf lange Zeit, insbesondere beim Beginn des Unternehmens, an einen nicht geeigneten oder etwa nur den eigenen Vorteil suchenden Verwaltungsrat gebunden werden (cf. auch Art. 58 des der Englischen Gesellschaftsakte von 1862 beigegebenen Geschäftsregulativs, Elsner, Archiv für das Versicherungswesen 1864, S. 335). Ähnlicher Weise wird durch die zu übernehmende Vorschrift des Art. 192 verhindert, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates von vornherein und in einer für längere Zeit unabänderlichen Weise mit hohen Tantiemen oder sonstigen Bezügen bedacht werden. Dieselbe Tendenz verfolgt Art. 54 des Englischen Geschäftsregulativs ([August Friedrich] Elsner, l. c. S. 334). Die Übertragung des Art. 204, betreffend die persönliche (vermögensrechtliche) Haftbarkeit, und des Art. 11 des Preußischen Einführungsgesetzes zu dem Handelsgesetzbuch, betreffend die Strafbarkeit, wird darauf hinwirken, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats die ihnen zustehenden Rechte und Pflichten wirklich ausüben. Endlich wird auch, entsprechend dem Art. 40 des Französischen Gesetzes vom 20. Juli 1867, dem Art. 57 des für die Gesellschaften Englands aufgestellten Geschäftsregulativs (Elsner aaO. S. 335) und dem Inhalt verschiedener Gesellschaftsstatute den Mitgliedern des Aufsichtsrats und ebenso des Vorstandes zu untersagen sein, unmittelbar oder mittelbar der Gesellschaft gegenüber in Bezug auf Leistungen, Lieferungen, Kauf-, Tausch- oder Darlehensgeschäfte in Vertragsverhältnis zu treten, es sei denn, dass die Generalversammlung hierzu ihre Genehmigung erteilt. Die Beschlussfassung der Generalversammlung wird überdies von Formen abhängig zu machen sein, welche ein Einwirken einseitiger und persönlicher Interessen möglichst verhindern.
IV. Die Einbringung des preußischen Entwurfs zu einer Aktienrechtsnovelle
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Abgesehen IV. Die Einbringung von den bisher des preußischen erörterten Gesichtspunkten Entwurfs zu einer gebieten Aktienrechtsnovelle die bisher in Preußen gemachten Erfahrungen, bei Gelegenheit der Freigebung der Aktiengesellschaften von der Staatsgenehmigung in dem Gesetze besondere Vorsorge wegen Gestaltung und Erhaltung des Grundkapitals zu treffen. Ausschließlich oder doch vornehmlich dieses Kapital bildet das Wesen der Aktiengesellschaften, die Gläubiger vertrauen nicht sowohl den Personen der Gesellschafter, als dem zusammengeschossenen Vermögen. Dieser Grundsatz, welcher namentlich in der Französischen Jurisprudenz seit längerer Zeit hervorgehoben ist, und in dem Satze: c’est plutôt une société de capitaux que de personnes seinen Ausdruck, in der Französischen Gesetzgebung aber nicht die entsprechende Durchführung gefunden hat, muss nach allen Seiten hin zu scharfer Geltung kommen, wenn die Aktiengesellschaften eine gedeihliche Entwicklung finden sollen und aus der Beseitigung der Staatsgenehmigung kein Schaden entstehen soll. Dem entsprechen schon die unter Nr. 2 erörterten Normen, wonach die Zeichnung des ganzen Grundkapitals und die Einzahlung eines Teils desselben nachgewiesen sein muss, ehe die Gesellschaft existent wird. Nach demselben Gesichtspunkte ist aber auch auf die dauernde Erhaltung des Grundkapitals resp. der entsprechenden Wertsobjekte, soweit dieselben nicht durch wirkliche Verluste verringert werden, Bedacht zu nehmen. Dies trifft in der praktischen Anwendung vornehmlich die Frage über Aufstellung der Bilanz. Der Art. 31 des Handelsgesetzbuchs bestimmt allgemein: Bei der Aufnahme des Inventars und der Bilanz sind sämtliche Vermögensstücke und Forderungen nach dem Werte anzusehen, welcher ihnen zur Zeit der Aufnahme beizulegen ist. Zweifelhafte Forderungen sind nach ihrem wahrscheinlichen Werte anzusetzen, uneinbringliche Forderungen aber abzuschreiben. Der Art. 165 in Betreff der Kommanditgesellschaften: Zinsen können ihm (dem Kommanditisten) von der Gesellschaft nur insoweit gezahlt werden, als dadurch die ursprüngliche Einlage nicht vermindert wird. Er kann bis zur Wiederergänzung der durch Verlust verminderten Einlage weder Zinsen noch Gewinn beziehen. Der Art. 197 in Betreff der Kommanditgesellschaft auf Aktien: Zinsen von bestimmter Höhe können für die Kommanditisten nicht bedungen noch ausbezahlt werden, es darf nur dasjenige unter sie verteilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz, und wenn im Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Reservefonds bestimmt ist, nach Abzug desselben als reiner Überschuss ergibt. Dasselbe verordnet der Art. 217 in Betreff der Aktiengesellschaften, außerdem schreibt Art. 209 Nr. 6 vor, dass die Grundsätze, nach welchem die Bilanz aufzunehmen und der Gewinn zu berechnen und auszuzahlen ist, sowie die Art und Weise, wie die Prüfung der Bilanz erfolgt, im Statut bestimmt werden müssen. Zu dem jetzigen Art. 165 (damals Art. 152) wurde in den Motiven zu dem Preußischen Entwurf (1857) S. 79 bemerkt: Bei der offenen Handelsgesellschaft hätten die Gesellschafter das gesamte Handelsunternehmen als ein Ganzes im Auge und komme daher wesentlich nur der bei Beendigung der Gesellschaft sich ergebende Gewinn in Betracht. Bei der stillen Gesellschaft handle es sich dagegen mehr um Anlegung eines Kapitals mit der Absicht, in gewissen Zwischenräumen, meist alljährlich, ein Einkom-
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men zu beziehen. Die durch Verlust verminderte Einlage müsse aber zunächst durch späteren Gewinn wieder gedeckt werden, „weil nur der Überschuss über die volle Einlage als wirklicher Gewinn erachtet werden könne.“ Zu Art. 209 Nr. 6 (früher Art. 182) wurde auf eine vorgängige Prüfung der danach zu treffenden Anordnungen durch die Staatsregierung Gewicht gelegt wegen des erheblichen Interesses, welches die Aktionäre und das Publikum an diesen Bestimmungen haben. Die Preußischen Sachverständigen (S. 31 der Protokolle) hoben besonders hervor, dass hinsichtlich der Aufstellung der Bilanz insofern ein Unterschied zu machen sei zwischen den offenen und den stillen oder Aktiengesellschaften, als bei den ersteren die Art der Aufstellung der Bilanz und die Berechnung der jährlich auszuzahlenden Gewinnanteile geringeres Interesse für die Gläubiger der Gesellschaft habe, da die einzelnen Gesellschafter denselben zugleich persönlich haften, während bei den stillen Aktiengesellschaften die aufgrund der Bilanz verteilten und ausgezahlten Gewinnanteile dem Angriffe der Gläubiger entzogen seien. Bei den Nürnberger Beratungen (S. 1045) wurde hinsichtlich der Aktiengesellschaften die Aufnahme einer dem obigen Art. 165 entsprechenden Bestimmung dahin beantragt: dass wenn durch Verluste das Stammkapital verringert worden, bis zur Wiederergänzung desselben kein Gewinn ausgezahlt werden dürfe. Der Antrag wurde zwar abgelehnt, aber nur, weil mehrere Mitglieder die Ansicht aussprachen, der Zweck werde schon durch die Vorschrift erreicht, dass das Stammkapital durch die Aktionäre nicht vermindert werden dürfe und somit in jedem Jahre zu seinem vollen Betrage angesetzt werden müsse, während andere Mitglieder die beantragte Bestimmung „nicht in allen Fällen“ – in welchen ist nicht gesagt – für gerechtfertigt hielten. Bei anderer Gelegenheit (S. 1054, 1055) wurde bei Ablehnung eines im Übrigen hier nicht weiter in Betracht kommenden Antrages gesagt: es sei ohnehin ein erhebliches, wenn auch nicht zu vermeidendes Privilegium, dass die Aktiengesellschaften schon nach jedem Geschäftsjahre aufgrund der in vielen Punkten auf unsicheren Schätzungen beruhenden Bilanzen den Gewinn definitiv berechnen und auszahlen dürften, obgleich eigentlich erst am Schlusse der ganzen Geschäftsführung mit Wahrheit ermittelt werden könnte, ob der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft Gewinn oder Verlust ergeben habe. Der Inhalt der Verhandlungen und der gesetzlichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs ist hiernach nicht durchweg vollständig klar, umso mehr ist aber eine Klarstellung durch das jetzt projektierte Gesetz erforderlich. So viel kann auch durch die früheren Verhandlungen als festgestellt angesehen werden, dass die Gläubiger bei der Bilanzaufstellung ein erhebliches Interesse haben, dass dieses Interesse am meisten bei Aktiengesellschaften, bei denen kein Teilnehmer persönlich verhaftet ist, in den Vordergrund tritt und dass daher der bei Kommanditgesellschaften (Art. 165) ausgesprochene Satz, wonach bis zur Wiederergänzung der durch Verlust verminderten Einlage weder Zinsen noch Gewinn bezogen werden dürfen, in verstärktem Maße bei Aktiengesellschaften in Geltung treten muss. Es ist dies ein Ausfluss desselben Prinzips, nach welchem das Grundkapital durch Rückzahlungen an die Aktionäre nicht vermindert werden darf und nach welchem den Aktionären keine Zinsen, im Gegensatz zu Dividenden, gezahlt werden dürfen.
IV. Die Einbringung des preußischen Entwurfs zu einer Aktienrechtsnovelle
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In IV. dem Die erwähnten Einbringung Art. 165 des preußischen sind diese sämtlichen Entwurfs zu Folgerungen einer Aktienrechtsnovelle aus dem einen Prinzip auch äußerlich zusammengestellt. Die in dem Titel über Aktiengesellschaften vorkommenden Art. 216 und 217, indem sie von „reinem Gewinn“ und „reinem Überschuss“ reden, führen gleichfalls zu dem bezeichneten Resultat, wenn man die Worte der oben zitierten Preußischen Motive vergleicht, „weil nur der Überschuss über die volle Einlage als wirklicher Gewinn betrachtet werden kann“. Bisher hat man sich – wie in den Vorverhandlungen ausgesprochen ist – auch in diesem Punkte auf die Prüfung der bezüglichen statutarischen Bestimmungen (Art. 209 Nr. 6) verlassen. Bei dieser Prüfung ist in Preußen schon früher der Grundsatz festgehalten: „Bei Feststellung der Bilanz bildet nicht der Überschuss der jährlichen Einnahmen über die jährlichen Ausgaben, sondern der Überschuss der Aktiva über die Passiva überhaupt (einschließlich des Grundkapitals) den Reingewinn.“ (cfr. Zusammenstellung einiger bei Prüfung der Statuten von Aktiengesellschaften angenommenen allgemeinen Grundsätze Nr. 44, Preußischer Staats-Anzeiger de 1856 Nr. 124), und derselbe Grundsatz ist auch seitdem regelmäßig befolgt, ohne dass von den Interessenten je ein prinzipieller oder sonst begründeter Widerspruch geltend gemacht wäre. In gleicher Weise ist die Aufstellung der Bilanz bei den Englischen Gesellschaften vorgesehen (Verwaltungs-Regulativ Art. 81 nebst Schema, [August Friedrich] Elsner, Archiv f. d. Versicherungswesen, Berlin 1867, S. 339, 342). Zugleich werden noch einige, erfahrungsgemäß besonders wichtige Grundsätze für die Rechnungslegung und die Bilanz aufzustellen sein. Das Handelsgesetzbuch hat im Art. 209 Nr. 6 dies den statutarischen Bestimmungen überlassen und konnte dies, weil, abgesehen von der Prüfung der Statuten vor der landesherrlichen Genehmigung, die Aufsichtsbehörde die Bilanz mit weitgreifenden Befugnissen zu prüfen hatte (Art. 240); beides fällt in Zukunft fort und umso notwendiger wird es, im Interesse der Gläubiger Festsetzungen zu treffen. Von einer einzigen Spezialisierung muss zwar abgesehen werden, weil die einschlagenden Fragen sich je nach dem Geschäftsbetriebe verschieden gestalten und es sich um ein alle Aktiengesellschaften umfassendes Gesetz handelt; allein gewisse allgemeine Grundsätze lassen sich dennoch aufstellen. Dahin gehört: 1. der Ansatz des Werts der Grundstücke und Mobilien, – bei letzteren namentlich sind regelmäßige Abschreibungen von den Erwerbswerten unbedingt geboten und auch bisher in den Statuten vorgeschrieben; 2. der Ansatz der Effekten höchstens bis zum Tageskurse; 3. der Ansatz des Grundkapitals und der etwa statutarisch vorgeschriebenen Reserve unter den Passivis; – der Ansatz des Grundkapitals an dieser Stelle ist die notwendige Folge des oben ausführlich erörterten Grundsatzes über die Berechnung des Reingewinnes. – Der Reingewinn ergibt sich dann auch rechnungsmäßig entsprechend jenem Grundsatze. Bei Prüfung und Feststellung der Statuten ist zwar regelmäßig noch verlangt worden, dass auch ein Reservefonds bis zur Höhe von mindestens 10 Prozent des Grundkapitals gebildet und dass diesem, so bald und so lange er unter dieser Höhe steht, alljährlich mindestens 10 Prozent des Reingewinnes überwiesen würden; ebenso
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erfordert das Französische Gesetz die Bildung eines Reservefonds. Nicht so das Englische Gesetz (Art. 74 des oben erwähnten Geschäfts-Regulativs, Elsner aaO., S. 338). Bei näherer Erwägung ist anzuerkennen, dass sich das Bedürfnis nach Ansammlung eines Reservefonds verschieden stellt und dass der Zweck, welcher durch die Bildung eines solchen Fonds erreicht werden soll, auch auf anderem Wege, z.B. durch stärkere Abschreibung von den Werten der Vermögensobjekte erzielt werden kann. Es dürfte nicht angemessen sein, dieserhalb die Gesellschaften einer bestimmten Norm zu unterwerfen. Das Handelsgesetzbuch hat den Kommanditgesellschaften auf Aktien, obgleich man deren Freilassung von der Staatsgenehmigung im Auge hatte, die Bildung eines Reservefonds gleichfalls nicht obligatorisch vorgeschrieben. Endlich kommt in Betracht, dass die Tatsache, ob und in welchem Maße ein Reservefonds gebildet wird, durch die Bilanz in die Öffentlichkeit tritt und das Publikum daher in der Lage ist, die Solidität der Gesellschaft, insoweit sie danach zu bemessen ist, zu beurteilen. Die Organisationskosten der Aktiengesellschaften sind häufig ohne alle Beschränkung nicht als Ausgaben, sondern als Aktiva betrachtet und in der Rechnung, sowie in der Bilanz als solche aufgeführt worden. Nur etwa eine allmähliche Minderung und Beseitigung derselben ist dann vorgesehen. Dies ist in Preußen seit längerer Zeit für unzulässig erklärt worden, weil die Organisationskosten an sich kein wirkliches Aktivum darstellen. Der in Gang gebrachte Betrieb hat zwar seine Bedeutung, allein diese nach einem bestimmten Werte abzumessen, dafür fehlt es umso mehr an allem Maßstabe, als dieser nicht sowohl von dem Geschäftsbetriebe, als vielmehr von dem Resultate desselben abhängig ist. Gestaltet sich das Geschäft schlecht, so sind die Ausgaben nutzlos gemacht, und selbst, wenn es einen günstigen Verlauf nimmt, lässt sich ein bestimmter reeller Wert für dieselben nicht annehmen. Ähnlich wie mit den Organisationskosten, verhält es sich mit den laufenden Verwaltungskosten. Nützlich wird es ferner sein, die Veröffentlichung der Bilanz durch die Gesellschaftsblätter vorzuschreiben, wie dies in Preußen bisher schon geschehen ist. Auch möchte zu mehrerer Sicherung einer richtigen Bilanzaufstellung die Strafbestimmung wieder aufzunehmen sein, welche das Großherzoglich Hessische Einführungsgesetz, Art. 14 Nr. 3, und das Hessen-Hamburgische Gesetz, Art. 12 Nr. 3, enthielten, und welche für die jetzt zu Preußen gehörigen Landesteile unter anderen Voraussetzungen und der Gleichmäßigkeit halber durch das Preußische Gesetz vom 24. August 1867 (Gesetz-Sammlung S. 1645), betreffend die Kommandit-Gesellschaften, aufgehoben sind. Art. 39 des Königlich Württembergischen Einführungsgesetzes vom 13. August 1865 (Regierungsblatt Nr. 27; Löhr 1. c. Neue Folge Band 2 S. 286) enthält – fast wörtlich – dieselbe dahin lautende Vorschrift: Die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft werden mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft, wenn sie in ihren offiziellen Darstellungen, in ihren Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen vorsätzlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern, um auf den Kurs der Aktien oder den Kredit der Gesellschaft einzuwirken.
IV. Die Einbringung des preußischen Entwurfs zu einer Aktienrechtsnovelle
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Im IV. Zusammenhange Die Einbringungmit desdem preußischen eben Erörterten Entwurfs stehen zu einer nochAktienrechtsnovelle folgende Punkte: Nicht selten haben Aktiengesellschaften beschlossen, die von ihnen ausgegebenen Aktien in ihrem Nominalwerte zu reduzieren, beziehungsweise zu erhöhen. Derartige Manipulationen haben sich auch unleugbar mannigfach für die Gesellschaften als nützlich erwiesen und sind deshalb in Preußen öfter, jedoch nur nach genauer Erwägung der konkreten Verhältnisse und unter gewissen, danach bemessenen Kautelen nachgelassen worden. Sollten dieselben aber künftighin ohne obrigkeitliche Prüfung und Genehmigung freigegeben werden, so könnten daraus erhebliche Missbräuche und Benachteiligungen erwachsen. Die Erhöhung des bloßen Nominalwerts der Aktien lässt das Grundkapital höher erscheinen, als es in Wirklichkeit ist. Die Reduktion des Nominalwerts erfolgt gemeinhin, wenn schon Verluste eingetreten sind, dem Nominalwert daher keine entsprechenden reellen Werte gegenüberstehen. Wird dann der Nominalwert verringert und demzufolge das Grundkapital in entsprechend geringem Betrage in der Bilanz aufgeführt, so tritt dadurch eine Verminderung der in der letzteren verzeichneten Passiva ein und hierdurch wiederum wird leichter ein Überschuss der Aktiva über die Passiva, d.h. eine Dividendenzahlung ermöglicht, während in Wirklichkeit eine Unterbilanz bestand. Derartige Manipulationen haben umso weniger einen Anspruch auf allgemeine Zulassung – um solche handelt es sich in dem Gesetze – als sie streng genommen mit der rechtlichen Bedeutung einer Aktie von vornherein in Widerspruch stehen. Die Aktien repräsentieren der Gesellschaft gegenüber nur Quoten, zu welchen der Inhaber an dem Gesellschaftsvermögen beteiligt ist, nicht aber sind dieselben die Forderungstitel für bestimmte Geldsummen oder deren Äquivalent. Treten künftighin derartige Verhältnisse ein, in denen bisher eine Hilfe in der Reduktion des Nominalwerts der Aktien gesucht wurde, so werden andere Auskunftsmittel gewählt werden müssen. Äußerstenfalls wird zu Auflösung der in ihren Vermögensverhältnissen zurückgekommenen Gesellschaft zu schreiten sein, wobei den bisherigen Aktionären die demnächstige Bildung einer neuen Gesellschaft zu gleichem Zwecke unbenommen bleibt. In gleicher Weise ist dem hin und wieder hervorgetretenen Versuche der Aktiengesellschaften, eigene Aktien, sei es aus dem Kapitalvermögen, sei es aus dem Reservefonds oder aus den Reinerträgen anzukaufen, entgegenzuwirken. Ein derartiger Ankauf steht mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht im Einklange, und die Wahrnehmung der Rechte solcher zurückgekauften Aktien durch den Gesellschaftsvorstand kann leicht zu Unzuträglichkeiten führen. Der Reservefonds kann nicht durch eigene Aktien gebildet werden. Der Ankauf von nur teilweise eingezahlten Aktien fällt hinsichtlich des Erlasses des noch schuldigen Betrages unter den Begriff einer Rückzahlung an die Aktionäre. Dasselbe ist der Fall, wenn der Ankauf aus dem nicht zu den Reinerträgen gehörigen Vermögen der Gesellschaft erfolgt. Auch eine Amortisation der Aktien wird als unstatthaft zu bezeichnen sein. Dieselbe ist in Preußen bisweilen nachgelassen, wenn das ursprüngliche Statut schon entsprechende Bestimmungen enthielt. Man nahm an, dass sich die Operation dann als eine im Voraus angekündigte allmähliche Auflösung der Gesellschaft charakterisiere. Diese Annahme ist jedoch etwas künstlich und es würde kaum zu erwarten sein, dass die Gesellschaften die hierdurch bezeichnete Grenze inne halten würden. Wo
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bisher die Amortisation in gemeinnützigem Interesse stipuliert ist, z.B. bei Aktiengesellschaften zum Zwecke städtischer Gasbeleuchtung, deren Eigentum später auf die Gemeinde übergehen soll, lässt sich der Zweck auf anderem Wege erreichen. Es kann der allmähliche Ankauf der Aktien seitens der Gemeinde vorgesehen werden, so dass dann die Gemeinde in entsprechendem Maße als Aktionär eintritt. Endlich hat die freie Befugnis der Gesellschaftsorgane, Anleihen zu Lasten der Gesellschaft aufzunehmen, häufig nicht bloß zur Benachteiligung der schon vorhandenen Gläubiger, sondern auch der Aktionäre selbst geführt, indem dadurch eine ungeordnete Geschäftsführung verursacht wurde. Es ist deshalb in Preußen für die Aufnahme eigentlicher Anleihen stets die Beschlussnahme der Generalversammlung erfordert worden (efr. das Cirkular-Reskript vom 14. Mai 1867, Ministerialblatt für innere Verwaltung S. 95). Daran festzuhalten empfiehlt sich. Ausgenommen sind bisher alle Anleihen, welche lediglich zur zeitweiligen Deckung laufender Ausgaben dienen. Bei der gesetzlichen Regulierung wird es darauf ankommen, unter Beibehaltung desselben Ziels, eine schärfere Grenze zu finden. Am ehesten lässt sich dies erreichen, wenn die ohne Genehmigung der Generalversammlung zulässigen Anleihen, eine bestimmte Quote des Bareinschusses – etwa 5 Prozent desselben – nicht übersteigen dürfen. In Konsequenz der Grundsätze, von welchen der Gesetzentwurf ausgeht, werden auch die Vorschriften der §§ 4, 5, 7 und 8 Art. 12 des Preußischen Einführungsgesetzes zu dem Handelsgesetzbuch aufzuheben sein. Dass die §§ 4 und 5 eigentlich nur mit den bisher wegen der Aktiengesellschaften angenommenen Grundsätzen (Staatsgenehmigung, Aufsichtsführung) in Beziehung stehen, ist schon in den Motiven zu dem Einführungsgesetz anerkannt. Die Natur der Aktiengesellschaften im Allgemeinen erfordert einen solchen Vorbehalt wegen Zurücknahme des „Privilegiums“ nicht, und in der Praxis sind jene Vorschriften auch nie zur Geltung gekommen. Man hat bei Emanation des Einführungsgesetzes zur Rechtfertigung der letzteren darauf hingewiesen, dass das Allgemeine Landrecht, Einleitung §§ 70 bis 72 allgemein die Zurücknahme von Privilegien gestatte und eine Gleichstellung für alle Rechtsgebiete nötig sei. Indes wird künftighin der Begriff eines Privilegiums für den vorliegenden Fall überhaupt nicht mehr anwendbar sein. Dagegen wird das Erfordernis der Veröffentlichung des Gesellschaftsstatuts durch die Amtsblätter beizubehalten sein, damit Jedermann Gelegenheit gegeben ist, auf einfachstem Wege von dem Inhalte dieses Statuts vollständige Kenntnis zu nehmen (cfr. die Motive zu dem Preußischen Entwurf de 1857 S. 85, 91, Protokolle über die Beratungen der Preußischen Sachverständigen S. 48, die Motive zu dem Entwurf des Preußischen Einführungsgesetzes S. 276). In der bisherigen Darlegung ist zunächst – der Einfachheit halber – nur dasjenige Preußische Gebiet, welches durch das Preußische Einführungsgesetz zu dem Deutschen Handelsgesetzbuch vom 24. Juni 1861 beherrscht wird, und dieses Einführungsgesetz selbst in seinen auf Handel treibende Aktiengesellschaften bezüglichen Vorschriften ins Auge gefasst worden. Die weiteren Modifikationen, welche in Rücksicht auf das Preußische Gesetz vom 15. Februar 1864, betreffend die Aktiengesellschaften, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgesetzen besteht,
IV. Die Einbringung des preußischen Entwurfs zu einer Aktienrechtsnovelle
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eventuell IV. Die nötig Einbringung sein würden, desergeben preußischen sich von Entwurfs selbst und zu einer sind nicht Aktienrechtsnovelle erheblicher Art. Es wird jedoch weiterhin die gänzliche Aufhebung dieses Gesetzes erwogen werden. Außer dem hierdurch betroffenen Gebiet der älteren Preußischen Landesteile ist die Gesetzgebung in den neuen Landesteilen in Betracht zu ziehen. In Schleswig-Holstein sind die altländischen Bestimmungen durch das Gesetz vom 5. Juli 1867 (GS S. 1133) eingeführt. In der Provinz Hannover haben neben dem Handelsgesetzbuch die §§ 20–24 des Hannoverschen Einführungsgesetzes vom 5. Oktober 1864 (GS 1864 Abt. 1 Nr. 32, Löhr aaO. neue Folge Band 1 S. 347) Geltung. Die §§ 43 und 45 daselbst enthalten nur transitorische Bestimmungen. Erheblich ist nur der § 20, welcher anordnet, dass die Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften auf alle Erwerbsgesellschaften dieser Art zur Anwendung kommen sollen, auch wenn dieselben nicht Handelsgesellschaften sind. Im ehemaligen Kurfürstentum Hessen datiert das Einführungsgesetz vom 3. Mai 1865 (Kurhessische Sammlung von Gesetzen 1865 Nr. 4, Löhr aaO. neue Folge Band 2 S. 127). Die bezüglichen §§ 14–18 entsprechen im Wesentlichen den Altpreußischen Bestimmungen, die §§ 38 ff. sind transitorischer Natur. In gleicher Weise verhält es sich mit den Vorschriften des Einführungsgesetzes für Nassau vom 2. Oktober 1861 (Verordnungsblatt 1861 S. 121, Löhr aaO. 1. Band S. 17) §§ 9–14, 21 ff.; –– des Großherzoglich Hessischen Einführungsgesetzes vom 1. August 1862 (Regierungsblatt 1862 Nr. 34, Löhr aaO. 1. Band S. 225) Art. 11–15, 30, bzw. Art. 46 ff.; –– des Landgräflich Hessischen Einführungsgesetzes vom 25. August 1863 (Regierungsblatt Nr. 7, Löhr aaO. Band 2 S. 204) Art. 11–13; –– des Frankfurter Einführungsgesetzes vom 17. Oktober 1862 (Gesetz- und Statuten-Sammlung Band XV S. 113, Amtsblatt 1862 Nr. 144, Löhr aaO. 2. Band S. 2) Art. 12, 19, 24, –– und des Bayerischen Einführungsgesetzes vom 10. November 1861 Art. 39, mit Ausnahme der ersten beiden Sätze, sowie der Verordnung vom 28. Mai 1862 (Regierungsblatt 1862 Nr. 27, Löhr aaO. Band 1 S. 114, 134). Etliche Bestimmungen, welche in den allegierten Gesetzen mit enthalten sind, sich aber auf Kommanditgesellschaften auf Aktien beziehen, sind für die jetzt zu Preußen gehörigen Landesteile schon durch die Königliche Verordnung vom 24. August v. J. (GS S. 1645) aufgehoben resp. modifiziert. Hiernach ergibt sich, dass ein Hindernis, unter Beseitigung der in den neuen Landesteilen geltenden speziellen Vorschriften, die Altpreußischen Bestimmungen mit den nach Obigem erwünschten Abänderungen auch in jenen Landesteilen zur Geltung zu bringen, nicht besteht. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Gesetzgebungen der alten und der neuen Landesteile ist nur der, dass in jenen, wie erwähnt, für Aktiengesellschaften, deren Unternehmungen sich nicht auf Handelsgeschäfte beziehen, ein besonderes Gesetz emaniert ist, während in diesen ein solches überall fehlt. Zum Teil, namentlich bezüglich der ehemals Hessischen Landesteile, ist es unklar, ob und inwieweit die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs auch auf Aktiengesellschaften der erwähnten Art
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Zweiter Teil. Die preußischen Entwürfe zu einer Aktienrechtsnovelle (1868/69)
zu beziehen sind, im Hannoverschen Einführungsgesetze § 20 sind die Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs ausdrücklich auf alle Erwerbsgesellschaften dieser Art für anwendbar erklärt. Indessen auch in dieser Beziehung erscheint eine gleichmäßige Ordnung nach der einen oder anderen Seite geboten. Auf eine besondere Behandlung derjenigen Aktiengesellschaften, deren Zweck nicht in dem Betriebe von Handelsgesellschaften besteht, wie solche in dem Preußischen Gesetze vom 15. Februar 1864 vorgesehen ist, wird dabei kein Wert zu legen sein. Es ist streitig, ob nicht jede Aktiengesellschaft ohne Rücksicht auf ihren Zweck zu den Handelsgesellschaften zu rechnen ist (Nürnberger Protokoll S. 976). Nicht bloß in Hannover, wie schon erwähnt, sondern auch in Bremen und Oldenburg hat man die Vorschriften des HGB bereits auf alle Aktien- bzw. Kommandit-Aktiengesellschaften, die Erwerbsgesellschaften sind, ausgedehnt. Auch die Motive zu dem Gesetz vom 15. Februar 1864 legen dar, dass und weshalb zwischen handeltreibenden und nicht handeltreibenden Aktiengesellschaften kein wesentlicher Unterschied besteht. Der bei weitem größte Teil der nicht Handel treibenden Aktiengesellschaften besteht aus Berg- und Hüttengesellschaften, welche entschieden einen industriellen Charakter tragen. Dass dies bei etlichen anderen Gesellschaften (Chausseebau-Gesellschaften, gemeinnützigen Baugesellschaften usw.) nicht der Fall ist, kommt hiernach schon numerisch wenig in Betracht. Zudem sind doch sämtliche Gesellschaften wesentlich denselben gesetzlichen Bestimmungen unterworfen und die Behandlung auch der letzteren als handeltreibende Gesellschaften wird ihnen kaum einen Eintrag tun. Danach ist der vorliegende, in seinen Übergangsbestimmungen den Art. 62–68 des Preußischen Einführungsgesetzes vom 24. Juni 1861 nachgebildete Gesetzentwurf aufgestellt, welcher nur die innerhalb Preußens bestehende Gesetzgebung in Rücksicht ziehen konnte, dessen Umgestaltung für das Gebiet des Norddeutschen Bundes aber leicht zu bewirken sein wird. Dass eine gleichmäßige Regulierung dieser Angelegenheit für das gesamte Bundesgebiet eintrete, erscheint – abgesehen von Zweckmäßigkeitsgründen – deshalb geboten, weil die im Art. 4 der Bundesverfassung vorgesehene Gemeinsamkeit der Bestimmungen über Gewerbebetriebe (Nr. 1) und über Handelsrecht (Nr. 13) die übereinstimmende gesetzliche Feststellung der hier in Rede stehenden und damit zusammenhängende Punkte erheischt.
Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle im Bundesrat (1869/70) I. Schreiben des Hanseatischen Ministerresidenten Krüger vom 16.12.1869 über die Sitzung des Justizausschusses vom 15.12.1869 Ew. Hochwohlgeboren habe ich mich beeilt, vertraulich zu benachrichtigen, dass die gestrige Besprechung des vom Bundeskanzler vorgelegten Entwurfes von NormativBestimmungen für Aktiengesellschaften im Justizausschusse nur zu einem vorläufigen Austausche von Ansichten geführt hat, und Beschlüsse nicht gefasst sind. Die weitere Verhandlung über diesen Gegenstand ist bis zum neuen Jahre vertagt. Herr v. Bertrab referierte aus den, über jenen Entwurf eingegangenen Erklärungen der Bundesregierungen, dass die Kompetenz der Bundesgesetzgebung in diesem Falle von keiner Seite bestritten sei, dass ferner alle Regierungen sich für die Aufhebung der staatlichen Genehmigung von Aktiengesellschaften ausgesprochen hätten. Weiter aber reiche die Übereinstimmung der Ansichten nicht, vielmehr lassen sich drei Gruppen unterscheiden. 1. Einverstanden mit der Aufhebung der staatlichen Genehmigung und der Aufstellung von Normativbestimmungen für Aktiengesellschaften seien Preußen, die Thüringischen Staaten, Hessen, Mecklenburg, Anhalt, Lauenburg, die beiden Lippe und Braunschweig. 2. Die Hansestädte und Oldenburg erblickten in der Aufstellung von Normativbestimmungen einen Rückschritt und hätten sich entschieden dagegen erklärt. 3. Königreich Sachsen habe im vorigen Jahre ein alle Genossenschaften betreffendes Gesetz erlassen, und wünsche mit Rücksicht auf die dadurch geschaffene Lage entweder, dass bundesseitig nichts geschehe oder dass das Genossenschaftswesen in umfassender Weise reguliert werde. Unleugbar habe Preußen die meisten Erfahrungen auf diesem Gebiete. Aber auch die Entwickelung der Verhältnisse in den Hansestädten und dort gemachten Erfahrungen hätten Anspruch auf Berücksichtigung. Es würde deshalb zweckmäßig erscheinen, dass das ganze Genossenschaftswesen reguliert und dabei die Wünsche der Hansestädte berücksichtigt würden. In England habe man die größte Garantie gegen die bedenklichen Zustände mancher Aktiengesellschaften in der Öffentlichkeit gefunden. Geh. Rat Pape führte aus, dass die Kommission, welche sich mit der Ausarbeitung des Handelsgesetzbuches beschäftigt habe, ursprünglich die Aktiengesellschaften und die Kommanditgesellschaften auf demselben Fuße habe behandeln wollen. Der Widerspruch der Hanseaten habe dahin geführt, dass man die ersteren unter die staatliche Genehmigung gestellt habe, jedoch mit der Befugnis der Landesgesetzgebung, von dieser Genehmigung abzusehen. Von dieser Befugnis habe Hamburg in seinem Einführungsgesetz Gebrauch gemacht. Die Kommanditgesellschaften seien der staatlichen Genehmigung nicht unterstellt, dagegen habe man für sie ausführliche
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
Normativbestimmungen im HGB aufgestellt. Wolle man die Aktiengesellschaften von der staatlichen Genehmigung entbinden, so erfordere schon die Konsequenz, dass nur auch für sie Normativbestimmungen erlassen werden müssten. Geh. Rat Jacobi aus dem Handelsministerium verteidigte den Preuß. Entwurf. Es bedürfe für die Aktiengesellschaften eines gleichmäßigen Rechts. Die zu dem Ende aufgestellten Bedingungen seien nicht theoretische Abstraktionen, sondern durch eine langjährige Erfahrung, welche man in Preußen zu machen Gelegenheit hatte, an die Hand gegeben. Die Gründe, weshalb man die staatliche Genehmigung aufgeben wolle, lägen darin, dass die letztere nicht das geleistet habe und leisten könne, was man von ihr erwartet habe. Das Gebiet dieser Gesellschaften werde zu groß, als dass es sich übersehen lasse. In Frankreich, Belgien, den süddeutschen Staaten mit Ausnahme von Württemberg beständen Normativbestimmungen. Dergleichen in England, wenn auch die dortige Gesetzgebung schwankend gewesen sei. In den von den Hansestädten und Oldenburg vorgebrachten Momenten liege kein Grund, von Normativbestimmungen abzusehen. An einem einzelnen Platze oder in einem beschränkten Gebiete ließe sich das Gebaren der Aktiengesellschaften leicht übersehen und durch die Interessenten selbst kontrollieren. Dieselben seien meist Handelsgesellschaften. In einem großen Gebiete wie Preußen seien Überblick und Kontrolle kaum möglich, zumal eine große Zahl derartiger Gesellschaften Bergwerksunternehmungen seien, deren Aktien nach allen Richtungen hin zerstreut seien. Hier müssten Garantien zugunsten der Interessenten geschaffen werden! Wenn auf die Konkurrenz auswärtiger Gesellschaften hingewiesen worden, so sei schon bemerkt, dass in den für uns wichtigsten Verkehrsgebieten die Gesellschaften an Normativbestimmungen gebunden seien. Über das Einzelne lasse sich diskutieren, und die Preuß. Regierung werde zu einem Entgegenkommen gern bereit sein. Das Prinzip des Gesetzes aber glaube man nicht aufgeben zu können. Dem gegenüber machte ich geltend, dass sich mit diesem Gesetzentwurf nur dieselbe Erfahrung wiederholen werde, die man auf dem gewerblichen Gebiete vielfach schon gemacht hätte. Wo im Verkehrsleben eine staatliche Kontrolle geübt sei, könne man sich schwer entschließen, den Beteiligten die Wahrung ihrer eigenen Interessen zu überlassen. Gleichwohl sei dies Prinzip allein das Richtige, das sich auch allenthalben mehr und mehr Bahn breche. Die Normativbestimmungen des HGB über die Kommanditgesellschaften seien in den Hansestädten und so auch in Preußen ein toter Buchstabe geblieben, weil niemand auf einer solchen Basis sich zur Bildung von Gesellschaften habe verstehen wollen. Die rechtlichen Verhältnisse der Aktiengesellschaften habe, soweit es überhaupt nötig sei, das HGB geregelt. Das Weitere müsse man der Übereinkunft der Beteiligten, sowohl den Aktionären als den Gläubigern überlassen, die schon dafür Sorge tragen würden, dass ihre Interessen nicht verkürzt würden. Gegenüber den von Preußen zu Gunsten seiner Vorschläge angerufenen Erfahrungen müsse hervorgehoben werden, dass dieselben nur die Unzulänglichkeit der staatlichen Genehmigung dargetan hätten, ein Mehreres sei daraus nicht zu folgern! Der Nutzen der Normativbestimmungen sei eine bloße Hypothese, und zwar eine unrichtige. Der Beweis des Gegenteils, nämlich dass es der Normativbestimmungen
II. Bericht des Ausschusses für Justizwesen des Bundesrates vom 5.3.1870
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nicht bedürfe, II. Bericht sei indes denAusschusses Hansestädten für und Justizwesen Oldenburg des Bundesrates vollständig erbracht, vom 5.3.1870 auf diese Erfahrung sei deshalb mehr Gewicht zu legen als auf eine Hypothese. Auch die Bemerkung des Herrn von Seebach, dass es leichter sei, von Normativbestimmungen zu gänzlicher Freiheit, als von letzterer zu ersterer überzugehen, entgegnete ich, dass es füglich jeder einzelnen Regierung überlassen werden könne, dieses Experiment durchzumachen, man aber doch nicht denjenigen, welche sich in der freien Bewegung wohlfühlten, zumuten könne, in den von ihnen geradezu für schädlich erachteten Zustand der Unfreiheit zurückzukehren. Die überwiegende Meinung schien sich dahin zu neigen, den Gesetzentwurf durchzusprechen, um danach die Prinzipienfrage zur Entscheidung zu bringen. Mit Rücksicht darauf aber, dass auch der vom Reichstag angenommene Gesetzentwurf über die privatrechtliche Stellung von Vereinen noch zur Erwägung steht, wurde die weitere Beratung bis zum Wiedereinberufung des Bundesrates vertagt.
II. Bericht des Ausschusses für Justizwesen des Bundesrates vom 5.3.1870 über den Entwurf eines Gesetzes über die Aktiengesellschaften im Gebiete des Norddeutschen Bundes von 1869 (BR-Ds. 28/1870 vom 5.3.1870) In der vorigjährigen Sitzung des Bundesrates vom 31. Mai ist vom Präsidium der Entwurf eines Gesetzes über die Aktiengesellschaften mit der Bemerkung vorgelegt, dass der Entwurf nur der Preußischen Gesetzgebung angepasst sei, und eine Umarbeitung bzw. Ergänzung unter entsprechender Berücksichtigung der in den übrigen Bundesstaaten geltenden Vorschriften – sofern der Entwurf die Zustimmung des Bundesrates überhaupt finde – Aufgabe der Beratung innerhalb des letzteren sein werde. Mit Rücksicht hierauf sei die Einbringung des Entwurfs schon jetzt erfolgt, um den einzelnen Bundes-Regierungen Gelegenheit zu geben, die nach Lage ihrer Landesgesetzgebungen wünschenswerten Ergänzungen bzw. Änderungen dem betreffenden Ausschusse durch Vermittlung des Bundeskanzleramts mitzuteilen. In seiner Sitzung vom 3. Juli v. J. § 319 hat der Bundesrat sodann beschlossen: „Die Bundes-Regierungen werden ersucht, sich über den vom Präsidium vorgelegten Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktiengesellschaften (Nr. 86 der Drucksachen) namentlich in der Richtung zu äußern, ob die Grundsätze, auf welchen der Entwurf beruht, sowie die in dem letzteren enthaltenen speziellen Vorschriften in Rücksicht auf die in den einzelnen Staaten bestehenden Einrichtungen und geltenden Gesetze zu Bedenken Anlass geben und ob und welche Ergänzungen oder Änderungen des Entwurfs dieserhalb erforderlich erscheinen.“ In Folge hiervon sind die Erklärungen der einzelnen Bundes-Regierungen eingegangen, dem Ausschusse für Justizwesen vorgelegt und von demselben näher erwogen worden. Nach der Ansicht des Ausschusses befindet sich die Sache danach noch nicht in der Lage, dass schon jetzt dem Bundesrate Vorschläge wegen Annahme oder Ablehnung des Entwurfs in seinen einzelnen Bestimmungen gemacht werden könnten. Es wird darauf ankommen, sich zunächst den Zweck und die Tendenz des Entwurfs zu vergegenwärtigen.
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
Nach dem Handelsgesetzbuche (Art. 176 und 208) ist die Errichtung der Kommanditgesellschaften auf Aktien und der Aktiengesellschaften nur mit staatlicher Genehmigung zulässig; es kann jedoch in Bezug auf beide Gesellschaften (Art. 206, 249) durch die Landesgesetze bestimmt werden, dass es der staatlichen Genehmigung nicht bedürfen solle, und danach haben die Landesgesetze das Erfordernis der Genehmigung teils aufgegeben, teils beibehalten, so dass ein verschiedener Rechtszustand in den verschiedenen Territorien entstanden ist. Nun war nach dem ursprünglichen, dem Handelsgesetzbuche zugrunde liegenden Preußischen Entwurfe die Idee die, dass bei Kommanditgesellschaften auf Aktien die staatliche Genehmigung ausgeschlossen, bei Aktiengesellschaften aber schlechthin erforderlich sein solle, und für die Kommanditgesellschaften auf Aktien waren deshalb strengere Form-, Organisations- und Kontrollvorschriften gegeben. Demgemäß ist dann auch für Preußen die Staatsgenehmigung für Kommanditgesellschaften auf Aktien in dem Einführungsgesetze vom 24. Juni 1861 Art. 10 aufgegeben und für Aktiengesellschaften beibehalten. In den übrigen Territorien ist zum Teil – wie auf S. 11 [oben S. 54 f.] der Motive zusammengestellt ist – anders verfahren. Man ist nun in Preußen aus den in den Motiven S. 12 u. flg. [oben S. 55 ff.] angegebenen, gewiss in hohem Grade beachtenswerten Gründen zu der Überzeugung gelangt, dass auch bei den Aktiengesellschaften die Staatsgenehmigung aufgegeben werden müsse. Man hat indes für nötig gehalten, alsdann in ähnlicher Weise, wie es für die Kommanditgesellschaften auf Aktien geschehen ist, strengere Vorschriften für die Aktiengesellschaften zu geben. Daneben schien es passend, die Aktiengesellschaften, welche nicht Handelsgesellschaften sind, auf welche sich das Handelsgesetzbuch also nicht bezieht und über welche sich in manchen, nicht in allen, Landesgesetzgebungen Vorschriften finden, den Handels-Aktiengesellschaften gesetzlich gleich zu stellen. Endlich sind Übergangsmaßregeln vorgeschlagen, welche sich hauptsächlich auf die Behandlung der bestehenden, künftig allgemein dem Handelsgesetzbuche zu unterstellenden Gesellschaften beziehen. Dabei ist dann zu erwägen, dass bei Aktiengesellschaften zwar die Staatsgenehmigung im Wege der Landesgesetzgebung aufgegeben werden kann, dass aber die Einführung beschränkender Bestimmungen jetzt, nachdem das Handelsgesetzbuch Bundesgesetz geworden ist, auf diesem Wege nicht weiter möglich sein wird. Der in den Motiven in dieser Beziehung S. 16, 17 [oben S. 57 f.] enthaltenen Ausführung wird schwerlich ohne Weiteres beizustimmen sein; schon aus der Fassung des Art. 249 des Handelsgesetzbuchs ergeben sich dagegen so wesentliche Bedenken, dass man damit sich offenbar einem unerwünschten Zustande von Rechtsunsicherheit aussetzen würde. Ebenso wenig würde sich der Ausweg empfehlen, dass man die Staatsgenehmigung beibehielte, sie aber in denjenigen Fällen für nicht nötig erklärte, in welchen in dem Statute gewisse Normativbedingungen erfüllt seien. Auch hier wäre eine Kollision mit Art. 249 des Handelsgesetzbuchs zu besorgen, und man behielte für eine Reihe von Fällen die an sich missliche Staatsgenehmigung bei. Es wird daher, um die dem Entwurf zum Grunde liegende Absicht zu erreichen, allerdings ein Gesetz und zwar ein Bundesgesetz nötig sein. Was nun die von den einzelnen Regierungen geltend gemachten Disiderien betrifft, so bezieht sich die Mehrzahl derselben auf Einzelheiten des Entwurfs, einige
II. Bericht des Ausschusses für Justizwesen des Bundesrates vom 5.3.1870
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wenige II. sind Bericht aberdes mehr Ausschusses prinzipieller für Justizwesen Natur unddes dieser Bundesrates ist zunächst vomzu 5.3.1870 gedenken. Es gehören hierher: 1. Die Erklärung der Königlich-Sächsischen Regierung; dieselbe geht dahin, dass viele Bestimmungen reglementärer und beengender Natur sich in dem Entwurfe fänden, mit denen man nicht einverstanden sei. In Bezug auf diese hoffe man freilich zu einer Ausgleichung gelangen zu können, müsse sich aber vorerst für eine Ablehnung des ausschließlich auf Aktiengesellschaften berechneten Entwurfs erklären. Die Sächsische Regierung – heißt es weiter – hält es für notwendig, dass entweder die Bundesgesetzgebung sich des ganzen Genossenschaftswesens bemächtige, und die privatrechtliche Stellung aller Arten von Genossenschaften – mit Ausnahme nur der dem öffentlichen Recht angehörenden und einzelner anderer, deren Verhältnisse noch eine Regelung durch Partikulargesetze notwendig erheischen, wie z.B. Berggewerkschaften usw. – in einem umfassenden, auf dem nämlichen Prinzip beruhenden Bundesgesetz normiert werde, oder, dass die Bundesgesetzgebung sich des weiteren Eingreifens in dieses Gebiet gänzlich enthalte. Die Zersplitterung der Normen für das Genossenschaftswesen in verschiedener Gesetze muss umso mehr für irrationell erachtet werden, wenn die gesetzliche Klassifizierung der Genossenschaften nicht auf deren inneres Wesen, sondern auf die äußeren geschäftlichen Zwecke, welche sie verfolgen, gegründet werden soll. Namentlich in Sachsen müsste ein weiteres Vorgehen der Bundesgesetzgebung auf dem Wege, der durch den Erlass des Bundesgesetzes vom 4. Juli 1868 eingeschlagen worden ist, zu ganz unhaltbaren Zuständen führen; denn jedes, nur einen Teil des Genossenschaftswesens behandelnde Bundesgesetz muss in Sachsen die durch das Gesetz, die juristischen Personen betreffend, vom 15. Juni 1868 bereits gewonnene umfassende Basis für das gesamte Genossenschaftswesen mehr oder weniger in Frage stellen und nach und nach zu einem für die Interessen aller Beteiligten nachteiligen verwickelten Rechtszustand voll innerer Widersprüche und Inkongruenzen führen. Im Wesen der Aktiengesellschaften aber liegt an sich durchaus kein Grund, die Ordnung ihrer Rechtsstellung und die Feststellung der Bedingungen, unter denen sie entstehen können, soweit nicht bereits das Handelsgesetzbuch das Erforderliche für Handels-Aktiengesellschaften enthält, einem besonderen Gesetze zu überweisen, vielmehr ist auch dieses Gebiet dem an und für sich wünschenswerten umfassenden Genossenschaftsgesetz zu vindizieren. 2. Oldenburg, Lübeck, Bremen und Hamburg, in deren Gebieten schon jetzt eine staatliche Genehmigung nicht erforderlich ist, ohne dass dieserhalb besondere gesetzliche Kautelen nötig erachtet sind, beanstanden in der Hauptsache die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Normativbedingungen und halten wegen Art. 249 des Handelsgesetzbuchs einen neuen Gesetzgebungsakt überhaupt nicht erforderlich. Oldenburg stellt es mehr in Frage, ob es nötig sei, in den fürsorgenden Bestimmungen so weit zu gehen, als der Entwurf, es fehle wegen der geringen industriellen Entwicklung in den Großherzoglichen Landen an genügender Erfahrung. Entschiedener ist der Widerspruch seitens Lübecks, Hamburgs und Bremens. Speziell unter Berufung auf die gewonnene Erfahrung wird das Bedürfnis zu beschränkenden Bestimmungen bestritten; dieselben könnten nur störend und verwirrend,
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
verkehrshemmend und schädlich wirken; sie würden namentlich die freie Bewegung der großen Banken und Versicherungsgesellschaften behindern; im Übrigen seien dieselben überflüssig. Sie widersprächen auf das Entschiedenste den Verkehrsbedingungen und Rechtsanschauungen der Beteiligten, gingen weiter als die einschränkenden Gesetze in Frankreich und England, und wären selbst für die Gebiete, in denen bisher die staatliche Genehmigung erforderlich war, von zweifelhaftem Werte, da manche Operationen, die bisher mit Genehmigung zulässig gewesen wären, fortan ganz untersagt werden sollten. Dass ein Aktienschwindel aus der einfachen Aufhebung der Staatsgenehmigung hervorgehen werde, sei erfahrungsmäßig nicht zu fürchten. Derartiger Schwindel sei seinerzeit in allen Staaten ohne Rücksicht auf die verschiedene Gesetzgebung hervorgetreten. Gegen die Bestimmungen des Entwurfs sprächen sonst sämtliche in den Motiven selbst gegen die Beibehaltung der Staatsgenehmigung geltend gemachten Gesichtspunkte. Der Zweck der Normativbestimmungen werde nicht erreicht, nur anscheinend gewährten sie den Aktionären und Gläubigern Sicherheit, in Wirklichkeit erschwerten sie ohne Grund die Errichtung und Geschäftsführung der Aktiengesellschaften. Dies umso mehr, als es bei der großen Verschiedenheit der Gesellschaftszwecke und Mittel niemals möglich sein werde, Normativbestimmungen aufzustellen, die für alle Gesellschaften gleich angemessen wären. Aus der Tatsache, dass ausländische Aktiengesellschaften freier gestellt wären, würden große Inkonvenienzen erwachsen, viele Kapitalien würden in Folge dessen dem Inlande entzogen werden. Hamburg betont: schon die reglementarischen Vorschriften, welche das Handelsgesetzbuch rücksichtlich der Kommandit-Aktiengesellschaften eingeführt habe, seien hinderlich gewesen, wie dies auch bei der Beratung des dortigen Einführungsgesetzes schon vorausgesehen sei (Bericht zum Einführungsgesetz edit. [Philipp] Hirsch, Die Commissionsberichte und weiteren Verhandlungen über die Einführung des ADHGB; Hamburg 1866, p. 21, 22); seit der Einführung des Handelsgesetzbuchs habe sich keine einzige solche Gesellschaft in Hamburg gebildet, wohl aber eine bedeutende Zahl eigentlicher Aktiengesellschaften. Bremen hält evtl. nur solche Vorschriften für zulässig und geeignet, welche nach Vorgang der Englischen Gesetzgebung eine ausgedehntere Offenlegung der über die Organisation und Vermögenslage der Gesellschaften Aufschluss gebenden Schriftstücke bezwecken. Speziell zu beseitigen seien die § 5 Al. 1, 4, 5, §§ 6, 8, 9, 10, 15, 16, 18 Abs. 1, § 19 Abs. 2 des Entwurfs, die § 5 Al. 2 und 3, §§ 14 und 17 Abs. 1 und 2 seien nur für solche Aktiengesellschaften anwendbar zu erklären, deren Statuten keine abweichende Bestimmungen enthielten. Hamburg (Handelsgericht) beschreibt, wie bei Wegfall der Normativbedingungen das Gesetz zu lauten haben würde. 3. Von Seiten Braunschweigs ist darauf aufmerksam gemacht, dass das neue Gesetz, wenn es als Bundesgesetz erlassen werde, auch bei Kommanditgesellschaften auf Aktien die Staatsgenehmigung ausschließen müsse. Dann sei aber auch gegen die formelle Redaktion des Entwurfs eine Erinnerung zu machen. Dieselbe empfehle sich nicht bei
II. Bericht des Ausschusses für Justizwesen des Bundesrates vom 5.3.1870
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Novellen II. und Bericht Nachtragsgesetzen des Ausschusses zu fürgrößeren Justizwesen Gesetzen des Bundesrates und ganzen vom Gesetzbüchern. 5.3.1870 Entweder müsse man den zu modifizierenden Abschnitt geradezu neu kodifizieren, oder man müsse die Änderungen so fassen, dass die vollständige neue Redaktion des betreffenden Abschnitts sich von selbst ergebe. Der letztere Modus sei vorzuziehen, um nicht die ganze Materie von Neuem zur Debatte zu stellen. Derselbe sei auch mit Erfolg schon angewendet: bei den Nürnberger Novellen zum Wechselrecht, bei den Zusätzen zum Preußischen Strafgesetzbuch vom 9. März 1853 und 14. April 1856, bei den Änderungen der Zollordnung durch das Bundesgesetz vom 18. Mai 1868. Nur auf diese Weise sei der Charakter des Handelsgesetzbuchs als eines Ganzen zu erhalten und jeder Zweifel über das Hineinschieben der neuen in die alten Bestimmungen zu vermeiden. Für den vorliegenden Fall seien dann zwei Gesetze erforderlich: a) eine Zusatz-Novelle zum Handelsgesetzbuch. Die Einführungsgesetze zu berühren sei nicht erforderlich (cfr. auch zu §§ 2, 20), dieselben würden von selbst beseitigt werden, bezüglich könnte das Erforderliche den Landesgesetzen überlassen werden; zum Überfluss könne entsprechend dem § 2 des Bundesgesetzes vom 5. Juni 1869 ausgesprochen werden, dass die Landesgesetze etwas Abweichendes nicht enthalten dürften; b) ein Gesetz über Ausdehnung der Vorschriften des Handelsgesetzbuchs und der Novelle auf nicht handeltreibende Aktiengesellschaften. Zwei derartige Gesetzentwürfe sind vorgelegt. Bei der Prüfung dieser Erinnerungen kommt ad 1, die Sächsischen Bemerkungen betreffend, in Betracht, dass in Sachsen unterm 15. Juni 1868 ein umfassendes Gesetz über die juristischen Personen erlassen ist. Dasselbe schließt sich dem Sächsischen Civilgesetzbuche an, welches in § 52 folgende Bestimmung über juristische Personen enthält: „Das Recht der Persönlichkeit steht dem Staate, sofern er in Verhältnisse des bürgerlichen Rechts eintritt, und den Personenvereinen, Anstalten und Vermögensmassen zu, welche vom Staate als juristische Personen anerkannt sind. Die juristische Persönlichkeit begreift die Fähigkeit in sich, Vermögensrechte zu haben, vorbehaltlich der besonderen Bestimmungen, welche bei Begründung der juristischen Person über den Umfang ihrer Rechtsfähigkeit getroffen worden sind.“ Das Gesetz vom 15. Juni 1868 leidet nach § 1 Anwendung auf alle juristische Personen mit Ausnahme der dem öffentlichen Rechte angehörigen und durch besondere Gesetze bereits geregelten, z.B. Gemeinden, Kreis- und Provinzialstände, Berggewerkschaften, Innungen und Unterstützungskassen. Jede juristische Person muss einen bestimmt bezeichneten Zweck haben, § 3, ob ein Personenverein gegenwärtig bereits juristische Persönlichkeit besitze, ist in jedem einzelnen Falle nach den bisher geltend gewesenen Grundsätzen zu beurteilen, § 5, für die Zukunft hängt nach § 52 des Civilgesetzbuchs die Erlangung juristischer Persönlichkeit von der Staatsanerkennung ab, und diese erfolgt für Stiftungen und Anstalten, welche zu dauernden kirchlichen oder mildtätigen oder gemeinnützigen Zwecken selbstständig errichtet sind, durch Genehmigung der Stiftung oder Anstalt und ihres Zweckes durch die Verwal-
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tungsbehörde und bei Personenvereinen (Genossenschaften) durch Eintragung in ein Genossenschafts-Register. Die Aktiengesellschaften erscheinen dann in §§ 39–55 unter den „Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht“, und es ist für dieselben eine Reihe detaillierter Vorschriften gegeben, die sich im Ganzen dem Handelsgesetzbuch konformieren. Nach § 55 bedarf es zur Errichtung von Handels-Aktiengesellschaften und Handels-Kommanditgesellschaften auf Aktien keiner staatlichen Genehmigung, wenn die von ihnen ausgegebenen Aktien der Vorschrift in § 41 entsprechen; in § 41 ist aber bestimmt, dass eine Aktie nur insoweit teilbar ist, als das Statut dieses gestattet, und dass eine Aktie oder ein Aktienanteil nicht über weniger als 100 Thlr., 25 Thlr. und 10 Thlr. lauten darf, je nachdem das Gesellschaftskapital über 100.000 Thlr., über 25.000 Thlr., oder bis zu 25.000 Thlr. beträgt. Sollen Aktien unter dem Nennwerte ausgegeben werden, so ist ein darauf abzielender Beschluss vor der Ausführung zum Eintragen in das Genossenschaftsregister anzumelden, auch in der Leipziger Zeitung und im Amtsblatt bekannt zu machen. Bei der Diskussion der Sächsischen Erklärung war der Ausschuss in seiner Majorität der Ansicht, dass die hervorgehobene Rücksicht nicht genüge, den Gesetzentwurf zurückzustellen und dafür die ganze Materie von den juristischen Personen, in welche sich das Vereins- und Genossenschaftswesen mit erstrecke, durch Bundesgesetz zu regulieren. Es komme wesentlich darauf an, bei Aktiengesellschaften die Staatsgenehmigung zu beseitigen und in Folge davon zu erwägen, welche strengeren Vorschriften formeller oder materieller Natur für diese Gesellschaften vorzuschreiben sind. Für diesen speziellen und beschränkten Zweck scheine es nicht nötig und auch nicht einmal rätlich, jenes weitere Gebiet zu betreten. Die ganze Materie sei eben erst durch das neue Sächsische Gesetz angeregt, und es sei noch die Frage, ob man mit dem in diesem Gesetze eingenommenen Standpunkte durchaus einverstanden sein könne. Vor allen Dingen sei dann eine Revision der Landesgesetzgebungen über alle die hier in Frage kommenden Einzelheiten und eine Erwägung der Desiderien der einzelnen Regierungen nötig, und damit werde das Zustandekommen des Gesetzes sehr in die Ferne gerückt. Der Bundesrat sei außerdem noch mit dem vom Reichstage votierten Gesetzentwurf über die privatrechtliche Stellung von Vereinen befasst (§ 320 der Protokolle von 1869) und müsste, wenn auf die Sächsischen Ansichten eingegangen würde, diesen Entwurf jetzt gleich mit in den Kreis seiner Erörterungen ziehen. Jedenfalls werde es sehr der Prüfung bedürfen, ob es im Interesse der Einheit der Handelsgesetzgebung wünschenswert sein könne, die Lehre von den Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften aus dem Handelsgesetzbuche herauszunehmen und in einem Gesetze über juristische Personen mit zu behandeln. Der Ausschuss war hiernach in seiner Majorität der Ansicht, dass es sich nicht empfehle, aus dem von der Königlich Sächsischen Regierung bezeichneten Grunde den ganzen Gesetzentwurf zurückzuweisen. Ad 2. Die Bedenken von Oldenburg, Lübeck, Bremen und Hamburg gehen dahin, dass man die Staatsgenehmigung aufzugeben völlig freie Hand habe, und dass dieses genüge. Weiter zu gehen und beschränkende Bestimmungen vorzuschreiben, sei nicht geraten; namentlich in den Hansestädten reichten die Vorschriften des Handelsgesetz-
II. Bericht des Ausschusses für Justizwesen des Bundesrates vom 5.3.1870
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buchs II. völlig Bericht aus, des und Ausschusses die vom Entwurfe für Justizwesen vorgeschla des gBundesrates enen Beschränkungen vom 5.3.1870 müssten als schädlich bezeichnet werden. Man verfalle, so wurde noch besonders angeführt, damit wieder in ein Bevormundungssystem, welches seinen Zweck, die Bewahrung des Publikums vor Schaden, doch nicht erreiche, und das man besser aufgebe, wenn man Geschäftsnormen, bei welchen Beschädigungen Einzelner möglich seien, zulasse. Dann müsse man den Einzelnen überlassen, sich gegen Verluste und Benachteiligungen zu sichern. Der Ausschuss war jedoch in seiner Majorität der Ansicht, dass auch hierin kein Grund liege, den Gesetzentwurf ganz aufzugeben. Das Beispiel der Hansestädte beweise für die Entbehrlichkeit jener beschränkenden Bestimmungen noch nichts: in großen Städten, wo das Publikum handeltreibend und geschäftsgewandt sei, könnten die Verhältnisse in der hier zu beachtenden Beziehung ganz anderer Art sein, als in anderen Bundesgebieten. Bestimmungen, welche die Solidität der Unternehmungen sicherten, könnten, selbst wenn sie in konkreten Fällen überflüssig wären, doch nicht allgemein schädlich sein. Jedenfalls bleibe es der Prüfung der Einzelheiten vorbehalten zu bestimmen, wie weit man in den beschränkenden Bestimmungen gehen könne. Ad 3. Hinsichtlich der von Braunschweig zur Sprache gebrachten Redaktionsweise war der Ausschuss der Ansicht, dass es vorzuziehen sei, das Nachtragsgesetz zum Handelsgesetzbuche so einzurichten, dass die einzelnen Bestimmungen in ihrer Fassung unmittelbar an die Stelle der zu ändernden Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs treten, oder sich als Zusätze denselben anschließen. Nur auf diese Weise sei die Klarheit und die Einheit der Handelsgesetzgebung zu erhalten. Es komme darauf an, ein geschlossenes Gesetzbuch zu behalten, in welchem jeder Artikel durch seine Stellung und seinen Zusammenhang seine Bedeutung bekomme. Im Ganzen entspreche der von der Braunschweigischen Regierung vorgelegte Entwurf, der im Wesentlichen das Material des Präsidialentwurfs wiedergebe, dieser Anforderung: nur im § 1 verlasse derselbe sein eigenes Prinzip und müsse eventuell hier dahin umgestaltet werden, dass er positiv ausdrücke, welche Artikel außer Kraft treten und was an ihre Stelle gesetzt werden solle. Bemerkt wurde noch, dass sich diese Methode auch wegen der formellen Lage, in welche die ganze Materie legislativ gebracht sei, empfehle. Es gälten jetzt: das Handelsgesetzbuch, daneben Einführungsgesetze verschiedenen Inhalts, dann das Bundesgesetz vom 5. Juni 1869, nach welchem die Einführungsgesetze nur so weit gelten sollten, als sie eine Ergänzung und keine Abänderung des Handelsgesetzbuchs enthielten, ferner Landesgesetze verschiedener Art über Aktiengesellschaften, die nicht Handelsgesellschaften seien, und endlich in Sachsen das oben angeführte eigentümliche Gesetz über die juristischen Personen. Es sei nicht geraten, diesen legislativen Apparat durch bloße Zusätze zu vermehren; vielmehr sei es besser, die neuen Bestimmungen so einzurichten, dass sofort formell klar werde, welche der bisherigen dadurch ersetzt würden. Die Majorität des Ausschusses war hiernach der Ansicht, dass der Entwurf des Präsidii einer Umarbeitung zu unterziehen sei, bei welcher zunächst die bezeichnete Redaktionsweise zu wählen, und alles auf die besondere Preußische Gesetzgebung Bezügliche auszuscheiden sei. Über die weitere Behandlungsweise ergab sich dabei
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aber eine neue Differenz. Einerseits wurde die Ansicht ausgesprochen, dass zunächst vom Ausschusse selbst eine neue Redaktion zu fertigen sei, wobei von einer Seite bemerkt wurde, dass dabei sogleich die zu den Einzelheiten gemachten Bemerkungen der Regierungen zu prüfen und zu berücksichtigen seien, während von andern Seiten für besser gehalten wurde, dann zunächst nur das vorhandene Material des Entwurfs nach der neuen Redaktionsweise zusammenzustellen und auf dieser Grundlage die Einzelheiten zu prüfen. Andererseits wurde dafür gehalten, dass es besser sei, dem Präsidium anheimzustellen, dass es den Entwurf samt den Erklärungen der Regierungen der Preußischen Regierung mit dem Ersuchen zurückgebe, denselben nach der bezeichneten Methode neu redigieren zu lassen und dabei die von den Regierungen im Einzelnen gemachten Erinnerungen zu erwägen und eventuell zu berücksichtigen. Für die erste Ansicht wurde angeführt, dass das Präsidium selbst in der Vorlage die Umarbeitung des Entwurfs für eine Aufgabe des Bundesrats erklärt habe. Die Arbeit sei zunächst nur eine formelle, die eben sowohl im Ausschusse gemacht werden könne, und was die Prüfung der Erinnerungen der Regierungen beträfe, so bezögen sich diese Erinnerungen meist auf bekannte und von den Preußischen Ministerien bei der Aufstellung des Entwurfs berücksichtigte Punkte. Wohl aber werde mit diesem Modus ein großer Zeitverlust verbunden sein, indem über Einzelnes Korrespondenzen oder neue Beratungen in den Ministerien nötig werden könnten. Für die zweite Ansicht wurde geltend gemacht, dass der Entwurf von Preußen ausgegangen und dass es daher konvenient sei, jetzt, wo die zum Teile tief eingreifenden Bemerkungen der Regierungen vorlägen und es auf eine neue Redaktion des vorhandenen Stoffes ankomme, sich zunächst an die Preußische Regierung zurück zu wenden. Eine Verzögerung der Sache sei bei den den Preußischen Ministerien zu Gebote stehenden Arbeitskräften nicht zu erwarten: im Gegenteil könne dem Ausschusse auf diese Weise eine erhebliche Erleichterung seiner Arbeit und somit auch eine Zeitersparnis verschafft werden. Die Majorität entschied sich zuletzt für diese zweite Ansicht, und geht sonach der Vorschlag des Ausschusses dahin: Der Bundesrat wolle beschließen: „den Herrn Bundeskanzler zu ersuchen, die zu dem Gesetzentwurfe über Aktiengesellschaften Nr. 86 de 1869 eingegangenen Bemerkungen der Regierungen der Königlich Preußischen Regierung mit dem Ersuchen zugehen zu lassen, den Entwurf einer Umarbeitung zu unterziehen, wobei zu beachten: 1. dass sich die einzelnen Artikel etwa in der bei den sogenannten Nürnberger Novellen zur Wechselordnung befolgten Weise den einzelnen Artikeln des Handelsgesetzbuchs anzuschließen hätten, 2. dass alle auf das besondere Preußische Recht sich beziehende Vorschriften ausgesondert, eventuell so weit als nötig durch Vorbehalt ersetzt würden, 3. dass diejenigen Beschränkungen (Normativbestimmungen) beseitigt, oder geändert würden, bei welchen eine Beseitigung oder Änderung nach Maßgabe der eingegangenen Bemerkungen für zulässig zu halten sei,
III. Einbringung des durch Preußen abgeänderten Entwurfs
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4. dass die Bestimmungen für Aktienhandelsgesellschaften auf alle Aktiengesellschaften anwendbar zu machen seien.“ (gez.) Pape. Klemm. v. Liebe. Seebach. Krüger. Ein dahingehender Beschluss durch das Bundesratsplenum erfolgte am 9.3.1869 (§ 91 der Protokolle).
III. Einbringung des durch Preußen abgeänderten Entwurfs zu einer Aktienrechtsnovelle in den Bundesrat durch den Reichskanzler am 13.4.1870 Berlin, den 13. April 1870. Der unterzeichnete Bundeskanzler hat dem Beschlusse im § 91 der diesjährigen Protokolle entsprechend, die zu dem Gesetzentwurfe über Aktiengesellschaften – Drucksache Nr. 86 von 1869 – eingegangenen Bemerkungen der hohen Bundesregierungen der Königlich Preußischen Regierung mit dem Ersuchen zugehen lassen, diesen Entwurf unter Beachtung der Nr. 1 bis 4 des Beschlusses bezeichneten Gesichtspunkte, einer Umarbeitung zu unterwerfen. Nachdem die Königlich Preußische Regierung diesem Ersuchen entsprochen hat, beehrt sich der Unterzeichnete, dem Bundesrate den umgearbeiteten Entwurf zur Beschlussnahme ganz ergebenst vorzulegen, indem er rücksichtlich der Gestaltung desselben überhaupt und seines Verhältnisses zu dem älteren Entwurfe insbesondere Nachstehendes bemerkt: Der neue Entwurf hat keine auf das Preußische Landrecht bezügliche Vorschriften aufgenommen. Andererseits umfasst er, während der ältere Entwurf sich lediglich mit den Aktiengesellschaften beschäftigte, insoweit in Übereinstimmung mit den von der Herzoglich Braunschweigischen Regierung vorgelegten beiden Gesetzentwürfen, zugleich die behufs der Aufhebung der staatlichen Genehmigung bei Kommanditgesellschaften auf Aktien erforderlichen Bestimmungen. Im Übrigen weicht sein Inhalt von dem Inhalt des älteren Entwurfs im Wesentlichen nur in folgenden Beziehungen ab: 1. Die Fassung des § 3 des älteren Entwurfs, welche in den Braunschweigischen Entwurf Lit. B mit übergegangen ist, gibt zu dem Zweifel Anlass, ob die in dem Handelsgesetzbuch in Betreff der Kaufleute gegebenen Bestimmungen für die Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgeschäften besteht, zur Geltung gelangen sollen. Der neue Entwurf stellt durch die aus demselben ersichtlichen Abänderungen der Art. 5, 174, 207 und 208 des Handelsgesetzbuchs die Geltung jener Bestimmung in Betreff der fraglichen Gesellschaften fest. Es kann allerdings bedenklich erscheinen, eine Gesellschaft als zu den Kaufleuten gehörig anzusehen, wenn ein Handelsunternehmen nicht vorliegt, und in solchem Fall sodann insbesondere auch die Vorschriften über die Handelsbücher, über Prokura, über Handelsgeschäfte, Zinsen, Pfandrechte etc.
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auf dieselben zur Anwendung zu bringen. Demgegenüber greifen jedoch die Erwägungen durch, welche bei dem Erlass des Gesetzes über die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 4. Juli 1868 – Bundesgesetzblatt S. 415 – dazu geführt haben, diese Genossenschaften ohne Rücksicht darauf, ob der Gegenstand ihres Unternehmens in Handelsgeschäften besteht oder nicht, als Kaufleute gelten zu lassen (§ 11 aaO.). Namentlich bietet die Unterstellung der fraglichen Gesellschaften unter die in Betreff der Kaufleute gegebenen Bestimmungen den Vorteil dar, dass ein Eingriff in das Wesen des Handelsregisters vermieden, und, da in vielfachen Fällen die Natur des Gegenstandes des Unternehmens einer derartigen Gesellschaft zweifelhaft bleiben kann ([Napoleon] Weinhagen, Das Recht der Aktiengesellschaften [Köln 1863] S. 52 ff.), die Rechtssicherheit befestigt wird. Hierzu kommt noch, dass beachtenswerte Stimmen sich dafür aussprechen, dass jede Aktienverbindung, welches auch ihr Zweck sein möge, als Handelsgesellschaft angesehen werden müsse (vgl. die Allegate bei Renaud, Das Recht der Aktiengesellschaft S. 165 Anm. 10). Die Lösung der Zweifel, welche ungeachtet der Vorschriften des Entwurfs hinsichtlich der Anwendbarkeit einiger Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs, beispielsweise der Art. 57 ff., 250 ff., 273 und 274, übrig bleiben, muss der Rechtsprechung und der weiteren Entwicklung der Doktrin überlassen bleiben. 2. Die unter Ziffer 3 des Beschlusses des Bundesrats erwähnten Beschränkungen (Normativbestimmungen) sind, soweit dies tunlich erschien, auf ein geringeres Maß zurückgeführt. Das Nähere in dieser Beziehung ergibt eine Vergleichung des Inhalts des § 5 Abs. 2 bis 4 und der §§ 10, 14 und 17 des älteren Entwurfs mit dem Inhalt der im § 1 des neuen Entwurfs enthaltenen Art. 209 a und 209 b, 215 Abs. 3, 231 Abs. 2, sowie 225 b beziehungsweise 239 Abs. 4. Der § 7 des älteren Entwurfs ist gänzlich in Wegfall gebracht, und durch eine, den Eingang des Art. 210 des Handelsgesetzbuchs abändernde Vorschrift dahin ersetzt, dass der Gesellschaftsvertrag in einem der, zur Bekanntmachung der Eintragungen in das Handelsregister bestimmten öffentlichen Blätter (Art. 13 und 14 des Handelsgesetzbuchs), seinem ganzen Inhalt nach veröffentlicht werden müsse. 3. Die unter der vorstehenden Ziffer erwähnten, dem § 5 Abs. 2 bis 4 des älteren Entwurfs entsprechenden Vorschriften der Art. 209 a und 209 b berücksichtigen auch den, dort nicht in Betracht gezogenen Fall, wenn der Gesellschaftsvertrag unter den sämtlichen Aktionären abgeschlossen worden ist. 4. Der Braunschweigische Entwurf Lit. A enthält im § 14 einige Bestimmungen, welche, abgesehen von den dort angegebenen Ausnahmen, dem Gesetz rückwirkende Kraft auf die bereits bestehenden Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften beilegen sollen. Bei den erheblichen Bedenken, welche derartigen Bestimmungen entgegenstehen, ist der neue Entwurf diesem Vorgang nicht gefolgt. Ein Erfordernis von Übergangsbestimmungen ergibt sich nur für diejenigen bereits bestehenden Gesellschaften, welche nach den gegenwärtig geltenden Gesetzen in das Handelsregister nicht einzutragen sind. Der § 4 des neuen Entwurfs fasst die hinsichtlich dieser Gesellschaften für die Übergangszeit zutreffenden Bestimmungen, zum Teil in Abweichung von den §§ 21 bis 27 des älteren Entwurfs, in möglichst vereinfachtem Inhalt zusammen.
III. Einbringung des durch Preußen abgeänderten Entwurfs
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Außerdem gibt der Inhalt des neuen Entwurfs noch zu der Bemerkung Veranlassung, dass der erste Absatz des § 2, um jedem einschlägigen Zweifel vorzubeugen, die Landesgesetze, welche eine staatliche Genehmigung und Beaufsichtigung der Kommanditgesellschaften auf Aktien oder der Aktiengesellschaften vorschreiben, ausdrücklich aufhebt, während der zweite Absatz dieses Paragraphen zur Verdeutlichung der Vorschrift des § 3 dienen soll, dass ferner die Bestimmung des ersten Absatzes des § 3 unter Berücksichtigung auch des Falls, wenn das Unternehmen der Gesellschaft der staatlichen Beaufsichtigung unterliegt, der in dem ersten Absatz des § 1 und die Bestimmung des zweiten Absatzes des § 3 der in dem Schlusssatz des § 2 des älteren Entwurfs enthaltenen Vorschrift entsprechen. Die Anordnung und die Fassung des älteren Entwurfs hat nach Maßgabe der Ziffer 1 des Beschlusses des Bundesrats eine durchgreifende Umgestaltung erlitten. In dem neuen Entwurf sind die sämtlichen Vorschriften, welche abändernd, ergänzend oder beseitigend in Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs eingreifen, im § 1 artikelweise zusammengestellt, und die einzelnen Artikel derartig gefasst und beziffert, dass sie gemäß der im Eingang des § 1 enthaltenen Bestimmung an Stelle der gleichnamig bezifferten Artikel des Handelsgesetzbuchs in das letztere eingereiht werden können. Der Kanzler des Norddeutschen Bundes. In Vertretung: Delbrück 1. Text des Entwurfs Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften. Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc. verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstages, was folgt: § 1. Die Artikel 5, 174 bis 176, 178, 198, 203, 206 bis 212, 214, 215, 217, 222, 225, 231, 239, 240, 242 und 247 bis 249 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches werden durch nachstehende, den bisherigen Ziffernzahlen entsprechende Artikel ersetzt. Artikel 5. Die in Betreff der Kaufleute gegebenen Bestimmungen gelten in gleicher Weise in Betreff der Handelsgesellschaften, insbesondere auch der Kommanditgesellschaften auf Aktien und der Aktiengesellschaften. Dieselben gelten auch in Betreff der öffentlichen Banken in den Grenzen ihres Handelsbetriebes, unbeschadet der für sie bestehenden Verordnungen. Artikel 174. Eine Kommanditgesellschaft auf Aktien gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgesellschaften besteht. Über die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftsvertrages muss eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufgenommen werden. Zur Aktienzeichnung genügt eine schriftliche Erklärung.
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Artikel 175. Der Geschäftsvertrag muss enthalten: 1. den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters; 2. die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat; 3. den Gegenstand des Unternehmens; 4. die Zeitdauer des Unternehmens, im Fall dasselbe auf eine bestimmte Zeit beschränkt sein soll; 5. die Zahl und den Betrag der Aktien oder Aktienanteile; 6. die Bestimmung, dass ein Aufsichtsrat von mindestens fünf Mitgliedern aus der Zahl der Kommanditisten durch Wahl derselben bestellt werden müsse; 7. die Form, in welcher die Zusammenberufung der Generalversammlung der Kommanditisten geschieht; 8. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Artikel 176. Der Gesellschaftsvertrag muss bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden. Der Auszug muss enthalten: 1. das Datum des Gesellschaftsvertrages; 2. den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters; 3. die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat; 4. die Zahl und den Betrag der Aktien und Aktienanteile; 5. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Artikel 178. Vor erfolgter Eintragung in das Handelsregister besteht die Kommanditgesellschaft als solche nicht. Die vor der Eintragung ausgegebenen Aktien oder Aktienanteile sind nichtig. Die Ausgeber sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Wenn vor erfolgter Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich uns solidarisch. Artikel 198. Jede Änderung des Gesellschaftsvertrages bedarf zu ihrer Gültigkeit der notariellen oder gerichtlichen Abfassung. Der abändernde Vertrag muss in gleicher Weise, wie der ursprüngliche Vertrag, in das Handelsregister eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden (Art. 176, 179). Der abändernde Vertrag hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist. Artikel 203. Eine teilweise Zurückzahlung des Kapitals des Kommanditisten kann nur vermöge einer Abänderung des Gesellschaftsvertrages erfolgen.
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Die Zurückzahlung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen geschehen, welche für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens im Falle der Auflösung maßgebend sind (Art. 201, 202). Artikel 206. Die persönlich haftenden Mitglieder und die Mitglieder des Aufsichtsrats werden mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft: 1. wenn sie vorsätzlich behufs der Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister falsche Angaben über die Zeichnung oder Einzahlung des Kapitals der Kommanditisten machen; 2. wenn durch ihre Schuld länger als drei Monate die Gesellschaft ohne Aufsichtsrat geblieben ist, oder in dem letzteren die erforderliche Zahl von Mitgliedern gefehlt hat; 3. wenn sie in ihren Darstellungen, in ihren Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen wissentlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern. Wird in den Fällen zu 2. festgestellt, dass mildernde Umstände vorhanden sind, so ist auf Geldbuße bis zu Eintausend Talern zu erkennen. Artikel 207. Eine Gesellschaft ist eine Aktiengesellschaft, wenn sich die sämtlichen Gesellschafter nur mit Einlagen beteiligen, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften. Das Gesellschaftskapital wird in Aktien oder auch in Aktienanteile zerlegt. Die Aktien oder Aktienanteile sind unteilbar. Dieselben können auf Inhaber oder auf Namen lauten. Artikel 207 a. Die Aktien oder Aktienanteile müssen, wenn sie auf Namen lauten, auf einen Betrag von mindestens fünfzig Vereinstalern, wenn sie auf Inhaber lauten, auf einen Betrag von mindestens hundert Vereinstalern gestellt werden. Bei Versicherungsgesellschaften müssen auch solche Aktien oder Aktienanteile, welche auf Namen lauten, auf einen Betrag von mindestens hundert Vereinstalern gestellt werden. Aktien oder Aktienanteile, welche auf einen geringeren Betrag gestellt werden, sind nichtig. Die Ausgeber solcher Aktien oder Aktienanteile sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Der Nominalbetrag der Aktien oder Aktienanteile darf während des Bestehens der Gesellschaft weder vermindert noch erhöht werden. Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch von Promessen und Interimsscheinen. Artikel 208. Eine Aktiengesellschaft gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgeschäften besteht. Über die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftsvertrages (Statuts) muss eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufgenommen werden. Zur Aktienzeichnung genügt eine schriftliche Erklärung.
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Artikel 209. Der Gesellschaftsvertrag muss insbesondere bestimmen: 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft; 2. den Gegenstand des Unternehmens; 3. die Zeitdauer des Unternehmens, im Falle dasselbe auf eine bestimmte Zeit beschränkt sein soll; 4. die Höhe des Grundkapitals und der einzelnen Aktien oder Aktienanteile; 5. die Eigenschaft der Aktien, ob sie auf Inhaber oder auf Namen gestellt werden sollen, ingleichen die etwa bestimmte Zahl der einen und der andern Art, so wie die etwa zugelassene Umwandlung derselben; 6. die Bestellung eines Aufsichtsrats von mindestens fünf, aus der Zahl der Aktionäre zu wählenden Mitgliedern; 7. die Grundsätze, nach welchen die Bilanz aufzunehmen und der Gewinn zu berechnen und auszuzahlen ist, sowie die Art und Weise, wie die Prüfung der Bilanz erfolgt; 8. die Art der Bestellung und Zusammensetzung des Vorstandes und die Formen für die Legitimation der Mitglieder desselben und der Beamten der Gesellschaft; 9. die Form, in welcher die Zusammenberufung der Aktionäre geschieht; 10. die Bedingungen des Stimmrechts der Aktionäre und die Form, in welcher dasselbe ausgeübt wird; 11. die Gegenstände, über welche nicht schon durch einfache Stimmenmehrheit der auf Zusammenberufung erschienenen Aktionäre, sondern nur durch eine größere Stimmenmehrheit oder nach anderen Erfordernissen Beschluss gefasst werden kann; 12. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Artikel 209 a. Nach der Zeichnung des Grundkapitals hat eine Generalversammlung der Aktionäre auf Grund der ihr vorzulegenden Bescheinigungen durch Beschluss festzustellen, dass das Grundkapital vollständig gezeichnet, und dass mindestens zehn Prozent, bei Versicherungsgesellschaften mindestens zwanzig Prozent, auf jede Aktie eingezahlt sind, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag zwischen den sämtlichen Aktionären abgeschlossen und darin die Erfüllung jener Erfordernisse anerkannt ist. Über den Beschluss ist eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufzunehmen. Artikel 209 b. Wenn ein Aktionär eine auf das Grundkapital anzurechnende Einlage macht, welche nicht in barem Gelde besteht, oder wenn Anlagen oder sonstige Vermögensstücke von der zu errichtenden Gesellschaft übernommen werden sollen, so ist in dem Gesellschaftsvertrage der Wert der Einlage oder des Vermögensstücks festzusetzen und die Zahl der Aktien oder der Preis zu bestimmen, welche für dieselben gewährt werden. Jeder zu Gunsten eines Aktionärs bedungene besondere Vorteil ist im Gesellschaftsvertrage gleichfalls festzusetzen. Nach der Zeichnung des Grundkapitals muss in den Fällen, welche in dem vorstehenden Absatz bezeichnet sind, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag zwischen den sämtlichen Aktionären abgeschlossen ist, die Genehmigung des Vertrages in einer Generalversammlung der Aktionäre durch Beschluss erfolgen.
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Die den Vertrag genehmigende Mehrheit muss mindestens ein Vierteil der sämtlichen Aktionäre begreifen und der Betrag ihrer Anteile mindestens ein Vierteil des gesamten Grundkapitals darstellen. Der Gesellschafter, welcher die betreffende Einlage macht oder sich besonderer Vorteile ausbedingt, hat bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht. Über den Beschluss ist eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufzunehmen. Artikel 209 c. Die Zusammenberufung der Generalversammlung erfolgt in den Fällen der Artikel 209 a und 209 b nach den Bestimmungen, welche der Gesellschaftsvertrag über die Zusammenberufung der Generalversammlungen enthält. Artikel 210. Der Gesellschaftsvertrag muss bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen und in einem der öffentlichen Blätter (Art. 13, 14) seinem ganzen Inhalt nach, in den übrigen im Auszuge veröffentlicht werden. Der Auszug muss enthalten: 1. das Datum des Gesellschaftsvertrages; 2. die Firma und den Sitz der Gesellschaft; 3. den Gegenstand und die Zeitdauer des Unternehmens; 4. die Höhe des Grundkapitals und der einzelnen Aktien oder Aktienanteile; 5. die Eigenschaft derselben, ob sie auf Inhaber oder auf Namen gestellt sind; 6. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Ist im Gesellschaftsvertrage eine Form bestimmt, in welcher der Vorstand seine Willenserklärungen kundgibt und für die Gesellschaft zeichnet, so ist auch diese Bestimmung zu veröffentlichen. Artikel 210 a. Der Anmeldung behufs der Eintragung in das Handelsregister muss beigefügt sein: 1. die Bescheinigung, dass der gesamte Betrag des Grundkapitals durch Unterschriften gedeckt ist; 2. die Bescheinigung, dass mindestens zehn Prozent, bei Versicherungsgesellschaften mindestens zwanzig Prozent, des von jedem Aktionär gezeichneten Betrages eingezahlt sind; 3. der Nachweis, dass der Aufsichtsrat nach Inhalt des Vertrages in einer Generalversammlung der Aktionäre gewählt ist; 4. betreffenden Falls die gerichtliche oder notarielle Urkunde über die in den Artikeln 209 a und 209 b bezeichneten Beschlüsse der Generalversammlung. Die Anmeldung muss von sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes vor dem Handelsgericht unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden. Die der Anmeldung beigefügten Schriftstücke werden bei dem Handelsgericht in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift aufbewahrt.
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Artikel 211. Vor erfolgter Eintragung in das Handelsregister besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht. Die ausgegebenen Aktien oder Aktienanteile sind nichtig. Die Ausgeber sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Wenn vor erfolgter Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. Artikel 212. Bei jedem Handelsgerichte, in dessen Bezirke die Aktiengesellschaft eine Zweigniederlassung hat, muss dies behufs der Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Die Anmeldung muss von sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes vor dem Handelsgericht unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden und die in Artikel 210 Abs. 2 und 3 bezeichneten Angaben enthalten. Das Handelsgericht hat die Mitglieder des Vorstandes zur Befolgung dieser Vorschriften von Amts wegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Artikel 214. Jeder Beschluss der Generalversammlung, welcher die Fortsetzung der Gesellschaft oder eine Abänderung der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zum Gegenstande hat, bedarf zu seiner Gültigkeit der notariellen oder gerichtlichen Beurkundung. Ein solcher Beschluss muss in gleicher Weise wie der ursprüngliche Vertrag in das Handelsregister eingetragen und veröffentlicht werden (Art. 210, 212). Der Beschluss hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe bei dem Handelsgerichte, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist. Artikel 215. Die Abänderung des Gegenstandes der Unternehmung der Gesellschaft kann nicht durch Stimmenmehrheit beschlossen werden, sofern dies nicht im Gesellschaftsvertrage ausdrücklich gestattet ist. Dasselbe gilt von dem Falle, wenn die Gesellschaft durch Übertragung ihres Vermögens und ihrer Schulden an eine andere Aktiengesellschaft gegen Gewährung von Aktien der letzteren aufgelöst werden soll. Die Aktiengesellschaft darf eigene Aktien nicht erwerben. Sie darf eigene Aktien auch nicht amortisieren, sofern dies nicht durch den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag oder durch einen, den letzteren abändernden, vor Ausgabe der Aktien gefassten Beschluss zugelassen ist. Artikel 217. Zinsen von bestimmter Höhe dürfen für die Aktionäre nicht bedungen, noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie verteilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz und, wenn im Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Reservekapitals bestimmt ist, nach Abzug derselben als reiner Überschuss über die volle Einlage ergibt. Die Aktionäre können bis zur Wiederergänzung des durch Verlust verminderten Gesamtbetrages der Einlagen, Dividenden nicht beziehen.
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Jedoch können für den in dem Gesellschaftsvertrage angegebenen Zeitraum, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Betriebes erfordert, den Aktionären Zinsen von bestimmter Höhe bedungen werden. Artikel 225. Die für den Aufsichtsrat einer Kommanditgesellschaft auf Aktien in den Artikeln 191 und 192 gegebenen Bestimmungen finden auch auf den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft Anwendung. Artikel 225 a. Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung; er kann sich von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten, die Bücher und Schriften derselben jederzeit einsehen und den Bestand der Gesellschaftskasse untersuchen. Er hat die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnverteilung zu prüfen und darüber alljährlich der Generalversammlung der Aktionäre Bericht zu erstatten. Er hat eine Generalversammlung zu berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist. Artikel 225 b. Die Mitglieder des Aufsichtsrats dürfen mit der Gesellschaft weder unmittelbar noch mittelbar einen Vertrag schließen, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmt, oder die Generalversammlung der Aktionäre die Genehmigung erteilt. Der Beschluss, durch welchen die Genehmigung erteilt wird, kann nur mit einer Mehrheit von zwei Drittteilen der in der Versammlung anwesenden oder durch Vollmacht vertretenen Aktionäre gefasst werden. Auch muss diese Mehrheit mindestens ein Vierteil der sämtlichen Aktionäre begreifen und der Betrag ihrer Anteile zusammen mindestens ein Vierteil des Gesamtkapitals der Aktionäre darstellen. Die Mitglieder des Aufsichtsrats, welche mit der Gesellschaft den Vertrag schließen wollen, haben bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht. Ein gegen den Inhalt der Bestimmungen dieses Artikels geschlossener Vertrag hat keine rechtliche Wirkung. Artikel 225 c. Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind persönlich und solidarisch zum Schadenersatz verpflichtet, wenn mit ihrem Wissen und ohne ihr Einschreiten: 1. Einlagen an die Aktionäre zurückgezahlt, oder der Bestimmung des Artikels 215 Abs. 3 entgegen eigene Aktien der Gesellschaft erworben oder amortisiert worden sind; 2. Zinsen oder Dividenden gezahlt sind, welche nach Maßgabe der Bestimmungen des Artikels 217 nicht gezahlt werden durften; 3. die Aufnahme einer Anleihe ohne Beobachtung der Bestimmung des Artikels 231 Abs. 2 erfolgt ist; 4. die Verteilung des Gesellschaftsvermögens oder eine teilweise Zurückzahlung des Grundkapitals ohne Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen (Art. 245 und 248) erfolgt ist.
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Artikel 231. Der Vorstand ist der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche in dem Gesellschaftsvertrage oder durch Beschlüsse der Generalversammlung für den Umfang seiner Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, festgesetzt sind. Soweit nicht der Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmt, darf die Aufnahme von Anleihen nur erfolgen, wenn die Generalversammlung hierzu ein für alle Mal oder für den besonderen Fall die Genehmigung erteilt hat. Ausgenommen sind solche Anleihen, welche lediglich zur Deckung laufender Ausgaben dienen. Keinenfalls darf der Gesamtbetrag solcher von der Generalversammlung nicht beschlossener Anleihen zu irgendeiner Zeit fünf Prozent des eingezahlten Grundkapitals übersteigen. Gegen dritte Personen hat jedoch eine Beschränkung der Befugnis des Vorstandes, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken, oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder dass die Zustimmung der Generalversammlung des Aufsichtsrats, eines Verwaltungsrats oder eines anderen Organes der Aktionäre für einzelne Geschäfte erfordert ist. Auch die im zweiten Absatz dieses Artikels bestimmte Beschränkung hat gegen dritte Personen keine rechtliche Wirkung. Artikel 239. Der Vorstand ist verpflichtet, Sorge zu tragen, dass die erforderlichen Bücher der Gesellschaft geführt werden. Er muss den Aktionären spätestens in den ersten sechs Monaten jedes Geschäftsjahres eine Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres vorlegen und solche innerhalb dieser Frist in der Form und in den öffentlichen Blättern, welche für die Bekanntmachungen der Gesellschaft in dem Gesellschaftsvertrage bestimmt sind, veröffentlichen. Zur Erstattung des Vorstandes bei Legung der Rechnung können Personen nicht bestellt werden, welche auf irgendeine Weise an der Geschäftsführung teilnehmen. Dieses Verbot bezieht sich nicht auf die Personen, welchen die Aufsicht über die Geschäftsführung zusteht. Die Bestimmungen des Artikels 225 b finden auch auf die Mitglieder des Vorstandes Anwendung. Artikel 239 a. Für die Aufstellung der Bilanz sind folgende Vorschriften maßgebend: 1. Grundstücke dürfen höchstens zu dem Erwerbswerte, Mobilien nur mit einem jährlichen Abschlage von mindestens für Prozent dieses Werts zum Ansatz kommen; 2. kurshabende Papiere dürfen höchstens zu dem Kurswerte, welchen dieselben zur Zeit der Bilanzaufstellung haben, angesetzt werden; 3. die Kosten der Organisation und Verwaltung dürfen nicht unter den Aktiva aufgeführt werden, müssen vielmehr ihrem vollen Betrage nach in der Jahresrechnung als Ausgabe erscheinen; 4. der Betrag des Grundkapitals und des etwa im Gesellschaftsvertrage vorgeschriebenen Reserve- oder Erneuerungsfonds ist unter die Passiva aufzunehmen;
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5. der aus der Vergleichung sämtlicher Aktiva und sämtlicher Passiva sich ergebende Gewinn oder Verlust muss am Schlusse der Bilanz besonders angegeben werden. Artikel 240. Ergibt sich aus der letzten Bilanz, dass sich das Grundkapital um die Hälfte vermindert hat, so muss der Vorstand unverzüglich eine Generalversammlung berufen und dieser davon Anzeige machen. Ergibt sich, dass das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt, so muss der Vorstand hiervon dem Gericht behufs der Eröffnung des Konkurses Anzeige machen. Artikel 242. Die Aktiengesellschaft wird aufgelöst: 1. durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrage bestimmten Zeit; 2. durch einen notariellen oder gerichtlich beurkundeten Beschluss der Aktionäre; 3. durch Eröffnung des Konkurses. Wenn die Auflösung einer Aktiengesellschaft aus anderen Gründen erfolgt, so finden die Bestimmungen dieses Abschnitts ebenfalls Anwendung. Artikel 247. Bei der Auflösung einer Aktiengesellschaft durch Vereinigung derselben mit einer anderen Aktiengesellschaft (Art. 215) kommen folgende Bestimmungen zur Anwendung: 1. Das Vermögen der aufzulösenden Gesellschaft ist so lange getrennt zu verwalten, bis die Befriedigung oder Sicherstellung ihrer Gläubiger erfolgt ist. 2. Der bisherige Gerichtsstand der Gesellschaft bleibt für die Dauer der getrennten Vermögensverwaltung bestehen; dagegen wird die Verwaltung von der anderen Gesellschaft geführt. 3. Der Vorstand der letzteren Gesellschaft ist den Gläubigern für die Ausführung der getrennten Verwaltung persönlich und solidarisch verantwortlich. 4. Die Auflösung der Gesellschaft ist zur Eintragung in das Handelsregister bei Ordnungsstrafe anzumelden. 5. Die öffentliche Aufforderung der Gläubiger der aufgelösten Gesellschaft (Art. 243) kann unterlassen oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Jedoch ist die Vereinigung der Vermögen der beiden Gesellschaften erst in dem Zeitpunkte zulässig, in welchem eine Verteilung des Vermögens einer aufgelösten Aktiengesellschaft unter die Aktionäre erfolgen darf (Art. 245). Artikel 248. Eine teilweise Zurückzahlung des Grundkapitals an die Aktionäre kann nur auf Beschluss der Generalversammlung erfolgen. Die Zurückzahlung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen erfolgen, welche für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens im Falle der Auflösung maßgebend sind (Art. 243, 245). Die Mitglieder des Vorstandes, welche dieser Vorschrift entgegen handeln, sind den Gläubigern der Gesellschaft persönlich und solidarisch verhaftet.
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
Artikel 249. Die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes werden mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft: 1. wenn sie vorsätzlich behufs der Eintragung des Gesellschaftsvertrages in Handelsregister falsche Angaben über die Zeichnung oder Einzahlung des Grundkapitals machen; 2. wenn durch ihre Schuld länger als drei Monate die Gesellschaft ohne Aufsichtsrat geblieben ist, oder in dem letzteren die erforderliche Zahl von Mitgliedern gefehlt hat; 3. wenn sie in ihren Darstellungen, in ihren Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen wissentlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern. Wird in den Fällen zu 2. festgestellt, dass mildernde Umstände vorhanden sind, so ist auf Geldbuße bis zu eintausend Talern zu erkennen. Artikel 249 a. Die Mitglieder des Vorstandes werden mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft, wenn sie der Vorschrift des Artikels 240 zuwider dem Gericht die Anzeige zu machen unterlassen, dass das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt. Die Strafe tritt nicht ein, wenn von ihnen nachgewiesen wird, dass die Anzeige ohne ihr Verschulden unterblieben ist. § 2. Die Landesgesetze, welche zur Einrichtung von Kommanditgesellschaften auf Aktien oder Aktiengesellschaften die staatliche Genehmigung vorschreiben oder eine staatliche Beaufsichtigung dieser Gesellschaften anordnen, werden aufgehoben. Auch treten für die bereits bestehenden Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften diejenigen Bestimmungen der Gesellschaftsverträge außer Kraft, welche die staatliche Genehmigung und Beaufsichtigung betreffen. § 3. Die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen der Gegenstand des Unternehmens der staatlichen Genehmigung bedarf, und das Unternehmen der staatlichen Beaufsichtigung unterliegt, werden durch den § 2 nicht berührt. Dasselbe gilt für die bereits bestehenden Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften von denjenigen Bestimmungen der Gesellschaftsverträge, welche sich auf die staatliche Genehmigung und Beaufsichtigung wegen des Gegenstandes des Unternehmens beziehen. § 4. Für diejenigen bereits bestehenden Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften, welche nach den bisherigen Vorschriften in das Handelsregister nicht einzutragen waren, gelten folgende Übergangsbestimmungen: 1. Auf die bezeichneten Gesellschaften finden die Vorschriften des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, welche die Eintragung in das Handelsregister und die bei dem Handelsgericht zu bewirkende Zeichnung der Firmen und Unterschriften oder die Einreichung der Zeichnungen betreffen, gleichfalls Anwendung.
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Die Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister und die Zeichnung der Firmen und Unterschriften oder die Einreichung der Zeichnungen sind binnen drei Monaten von dem Tage an gerechnet, an welchem dieses Gesetz in Geltung tritt, zu bewirken. Nach Ablauf dieser Frist sind die Beteiligten zur Befolgung der betreffenden Vorschriften durch Ordnungsstrafen anzuhalten. 2. Ist die Anmeldung einer Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister binnen der dreimonatlichen Frist bewirkt, so bleibt die Anwendung der Bestimmungen der Art. 17, 18, 20, 21 Abs. 2, 168 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs ausgeschlossen. 3. Eine gültig errichtete Gesellschaft ist in das Handelsregister einzutragen, auch wenn die Voraussetzungen nicht vorhanden sind, welche nach diesem Gesetze für die Errichtung der Gesellschaft erforderlich sein würden. 4. Sind die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, oder ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft in der Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, beschränkt, so finden die Bestimmungen des Art. 116 und des Art. 231 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches bis zum Ablauf von drei Monaten, von dem Tage an gerechnet, an welchem dieses Gesetz in Geltung tritt, keine Anwendung. Auch bleibt die Anwendung dieser Vorschriften noch während eines Zeitraums von fünf Jahren, von jenem Tage an gerechnet, ausgeschlossen, wenn die Beschränkung innerhalb der unter Ziffer 1 bezeichneten dreimonatlichen Frist zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet ist. 2. Zusammenstellung der Bemerkungen der Bundesregierungen zu dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Aktiengesellschaften im Gebiete des Norddeutschen Bundes (Nr. 56 der Drucksachen des Bundesrats) Sämtliche Bundesregierungen haben sich geäußert; es sind den Äußerungen beigefügt und zur Berücksichtigung empfohlen: –– der Äußerung vom Großherzogtum Sachsen, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß älterer Linie ein Gutachten des Gesamt-Ober-Appellationsgerichts für die Thüringischen Staaten zu Jena, –– der Äußerung von Braunschweig ein Gutachten des Herzoglichen Handelsgerichts, –– der Äußerung von Reuß jüngerer Linie ein Gutachten des Appellationsgerichts zu Eisenach, –– der Äußerung von Hamburg Gutachten der Handelskammer, der Deputation für Handel und Schifffahrt (welche durchweg der Äußerung der Handelskammer beitritt), des Handels- und des Obergerichts [unten S. 116 ff.], –– der Äußerung von Lauenburg das Gutachten des Hofgerichts zu Ratzeburg. –– Schwarzburg-Sondershausen hat sich neben den eigenen Bemerkungen denjenigen des Großherzogtums Sachsen angeschlossen.
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Seit der Vorlage obigen Gesetzentwurfs ist das Bundesgesetz vom 5. Juni 1869, betreffend die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, der Nürnberger Wechselnovellen und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs als Bundesgesetze, erlassen (Bundesgesetzblatt S. 379), welches insbesondere diejenigen Bestimmungen der einzelnen Einführungsgesetze zu dem Handelsgesetzbuch, welche letzterem widerstreiten, aufgehoben hat. Gegen die Anführungen der Motive wird erinnert: es sei das neue englische Gesetz von 1867 (Mittermaier und Goldschmidt, Zeitschrift, Beilageheft zu Band XII S. 40 ff.) nicht berücksichtigt. Dasselbe lasse namentlich auch Inhaber-Aktien zu, wenn deren Beträge voll eingezahlt werden. Im § 11 des Entwurfs ist „Einnahme“ statt „Einlage“ gedruckt, im § 22 „eingetragene“ statt „eingetretene“. Mehrfach ist hervorgehoben, dass der Entwurf, um für das Bundesgebiet geeignet zu werden, einer Umarbeitung bedürfe und ist dieserhalb namentlich auf die §§ 2, 3, 4, 20 hingewiesen (Mecklenburg-Strelitz cfr. Motive S. 31). Die in den Motiven aufgestellte Behauptung: der Entwurf widerspreche dem Inhalt des Handelsgesetzbuchs nicht, wird vom Obergericht zu Hamburg insofern als unzutreffend bezeichnet, als dem Art. 249 daselbst durch den Entwurf seine Wirksamkeit direkt oder indirekt entzogen werde (cfr. zu § 13). In den vorliegenden Äußerungen werden folgende Spezialgesetze als zur Sache gehörig angeführt: 1. Mecklenburg-Schwerin und Strelitz, die Einführungs-Verordnung vom 28. Dezember 1862 §§ 25, 30, 31 Nr. 1, 3, 4 (§§ 30 und 31 Nr. 1, 3, 4 derselben würden durch das vorliegende Gesetz aufgehoben werden). Instruktion zu dieser Verordnung an die Handelsgerichte, § 11 sub. I. 3, II. 2 resp. II c.f. 2. Braunschweig, Einführungsgesetz vom 14. September 1863 §§ 33–37 (ist der Äußerung beigefügt). – Gesetz vom 30. April 1867 Nr. 27, betreffend die Ausstellung von Inhaberpapieren, welches sich auch auf Aktien au porteur, deren Dividendenscheine und Talons bezieht. 3. Weimar, Gotha, Schwarzburg-Rudolstadt, Einführungsgesetz vom 18. August 1862 §§ 20 Nr. 1–5, § 21 (§ 20 Nr. 1–4 und § 21 würden aufzuheben sein.) 4. Sachsen-Meiningen, Grundgesetz vom 23. August 1829 Art. 28: Gesellschaften erhalten das Recht der Persönlichkeit nur durch Bewilligung des Staats. – Einführungsgesetz vom 25. Juni 1862, welches der Äußerung beigegeben ist. (§ 20 Nr. 1–3 des letzteren würden aufzuheben sein.) 5. Sachsen-Altenburg, Einführungsgesetz vom 21. November 1863 (Gesetz-Sammlung 1864 S. 1 ff.), Ausführungsverordnung vom 25. November 1863 (ibid. S. 215 ff.), (aufzuheben Einführungsgesetz § 20 Nr. 2, § 21 Nr. 2–5). 6. Coburg, Einführungsgesetz Art. 18 Alinea 1 und 2, Art. 19 (aufzuheben). 7. Anhalt. Für das vormalige Herzogtum Anhalt-Dessau-Cöthen Einführungsgesetz vom 1. September 1863, desgl. für Anhalt-Bernburg vom 14. Juli 1862 (der Äußerung in mehreren Exemplaren beigegeben). 8. Schwarzburg-Sondershausen, Einführungsgesetz § 21 Nr. 1–4 § 2) aufzuheben.
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9. Waldeck. Einführungsgesetz vom 11. Februar 1862, Regierungsblatt 1862 S. 13, wesentlich dem Preußischen gleich, aufzuheben wären die §§ 9 bis 13). 10. Reuß älterer Linie. Einführungsgesetz vom 26. April 1862 (Gesetz-Sammlung Nr. 7, S. 57 ff. Art. 20, 21), (liegt der Äußerung bei), (aufzuheben die Art. 20 Nr. 1–4, 21). 11. Reuß jüngerer Linie. Einführungsgesetz § 20 Nr. 1–3 und § 21 (aufzuheben § 21, soweit er sich auf § 20 Nr. 1–3 bezieht). 12. Lippe. Berg-Ordnung vom 30. September 1857 §§ 80 ff. (Landes-Verordnungen Band XI S. 715 ff.): die Bergbau-Aktiengesellschaften bedürfen der landesherrlichen Genehmigung; das Statut ist in der Gesetz-Sammlung bekannt zu machen, – dadurch erlangen diese Gesellschaften die Rechte einer juristischen Person. – Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch vom 20. April 1864 (Landesverordnungen Band XIII S. 207 ff.) §§ 11 ff. (erfordert gleichfalls landesherrliche Genehmigung). 13. Lübeck. Einführungsgesetz vom 26. Oktober 1863 (erfordert in allen im Artikel 249 des Handelsgesetzbuchs erwähnten Fällen keine staatliche Genehmigung – auch vor dem Handelsgesetzbuch konnten sich die Aktiengesellschaften, vorbehaltlich der etwa rücksichtlich des Gegenstandes des Unternehmens erforderlichen Konzession (Eisenbahn, Landstraßen, Mühlenwerke auf öffentlichen Gewässern), ohne solche Genehmigung konstituieren, sofern sie nicht die Rechte einer juristischen Person beanspruchten). 14. Bremen. Der § 22 des dortigen Einführungsgesetzes beseitigt bereits die staatliche Genehmigung. § 21 verordnet, dass die Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs auf alle Erwerbsgesellschaften Anwendung finden sollen, auch wenn sie nicht Handelsgesellschaften sind. 15. Hamburg, ebenso wie Bremen. Einführungsgesetz vom 22. Dezember 1865 §§ 24, 25. Außerdem beziehen sich die §§ 26–28 auf Aktiengesellschaften. 16. Lauenburg. Einführungsgesetz vom 21. Oktober 1868 (offizielles Wochenblatt 1868 Nr. 81 – analog dem Einführungsgesetz für Schleswig-Holstein vom 5. Juli 1867, Gesetz-Samml. S. 1133) §§ 40–48, 68 Al. 1, 69, 70, welche aufzuheben wären unter der Bestimmung, dass das Preußische Einführungsgesetz vom 24. Juni 1861 mit den Abänderungen und Ergänzungen dieses Entwurfs an die Stelle treten. 17. Großherzogtum Hessen. cfr. zu § 20 des Gesetz-Entwurfs. Sämtliche Regierungen haben sich mit Aufhebung der Staats-Genehmigung, und die nachstehend nicht besonders benannten Regierungen in der Hauptsache (vorbehaltlich der speziellen Erinnerungen) mit dem Gesetz-Entwurfe einverstanden erklärt. 1. Sachsen: Entweder muss sich die Bundes-Gesetzgebung des gesamten Genossenschafts- (Vereins-) Wesens bemächtigen und die privatrechtliche Stellung aller Arten von Genossenschaften – mit Ausnahme der dem öffentlichen Recht angehörigen und einiger anderer, deren Verhältnisse noch eine Regelung durch Partikular-Gesetze notwendig erheischen, wie z.B. der Berggewerkschaften – in einem umfassenden auf dem
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nämlichen Prinzip beruhenden Bundesgesetz regeln, oder die Bundesgesetzgebung muss auf ein weiteres Vorgehen auf diesem Gebiet überhaupt verzichten. Die Zersplitterung der Normen für das Genossenschaftswesen in verschiedenen Gesetzen ist umso mehr für irrationell zu erachten, wenn die gesetzliche Klassifizierung der Genossenschaften nicht auf deren inneres Wesen, sondern auf die äußeren geschäftlichen Zwecke, welche sie verfolgen, gegründet werden soll. Insbesondere liegt im Wesen der Aktiengesellschaften an sich kein Grund, die Ordnung ihrer Rechtsstellung und die Festsetzung der Bedingungen, unter denen sie entstehen können, soweit nicht bereits das Handelsgesetzbuch das Erforderliche für Handels-Aktiengesellschaften enthält, einem besonderen Gesetze zu überweisen. Für das Königreich Sachsen ist eine solche umfassende Basis für das gesamte Genossenschaftswesen durch das Gesetz vom 15. Juni 1868 gewonnen. Diese würde durch ein Fortschreiten auf dem durch das Bundesgesetz vom 4. Juli 1868 über die Genossenschaften eingeschlagenen Wege der Spezial-Gesetzgebung immer mehr in Frage gestellt, es würde dadurch ein für die Interessen aller Beteiligten nachteiliger, verwickelter Rechtszustand voll innerer Widersprüche und Inkongruenzen geschaffen werden. Die einzelnen Bestimmungen des Entwurfs unterliegen nicht unerheblichen Bedenken und sind zum Teil zu beengend. 2. Oldenburg, Lübeck, Bremen und Hamburg, in deren Bereich schon jetzt eine staatliche Genehmigung nicht erforderlich ist, ohne dass dieserhalb besondere gesetzliche Kautelen nötig erachtet sind, beanstanden in der Hauptsache die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Normativbedingungen und halten wegen Art. 249 des Handelsgesetzbuchs einen neuen Gesetzgebungsakt überhaupt nicht erforderlich. Oldenburg stellt es mehr in Frage, ob es nötig sei, in den fürsorgenden Bestimmungen so weit zu gehen, als der Entwurf, es fehle wegen der geringen industriellen Entwicklung in den Großherzoglichen Landen an genügender Erfahrung. Entschiedener ist der Widerspruch seitens Lübecks, Hamburgs und Bremens. Speziell unter Berufung auf die gewonnene Erfahrung wird das Bedürfnis zu beschränkenden Bestimmungen bestritten, dieselben könnten nur störend und verwirrend, verkehrshemmend und schädlich wirken, sie würden namentlich die freie Bewegung der großen Banken und Versicherungsgesellschaften behindern, im Übrigen seien dieselben überflüssig. Sie widersprächen auf das Entschiedenste den Verkehrsbedingungen und Rechtsanschauungen der Beteiligten, gingen weiter als die einschränkenden Gesetze in Frankreich und England, und wären selbst für die Gebiete, in denen bisher die staatliche Genehmigung erforderlich war, von zweifelhaftem Werte, da manche Operationen, die bisher mit Genehmigung zulässig gewesen wären, fortan ganz untersagt werden sollten. Dass ein Aktienschwindel aus der einfachen Aufhebung der Staatsgenehmigung hervorgehen werde, sei erfahrungsmäßig nicht zu fürchten. Derartiger Schwindel sei seiner Zeit in allen Staaten, ohne Rücksicht auf die verschiedene Gesetzgebung hervorgetreten. Gegen die Bestimmungen des Entwurfs sprächen fast sämtliche in den Motiven selbst gegen die Beibehaltung der Staats-Genehmigung geltend gemachten Gesichts-
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punkte. Der Zweck Normativbestimmungen werde nicht erreicht, nur anscheinend gewährten sie den Aktionären und Gläubigern Sicherheit, in Wirklichkeit erschwerten sie ohne Grund die Errichtung und Geschäftsführung der Aktiengesellschaften. Dies umso mehr, als es bei der großen Verschiedenheit der Gesellschaftszwecke und Mittel niemals möglich sein werde, Normativbestimmungen aufzustellen, die für alle Gesellschaften gleich angemessen wären. Aus der Tatsache, dass ausländische Aktiengesellschaften freier gestellt wären, würden große Inkonvenienzen erwachsen, viele Kapitalien würden in Folge dessen dem Inlande entzogen werden. Hamburg betont: schon die reglementarischen Vorschriften, welche das Handelsgesetzbuch rücksichtlich der Kommandit-Aktiengesellschaften eingeführt habe, seien hinderlich gewesen, wie dies auch bei der Beratung des dortigen Einführungs-Gesetzes schon vorausgesehen sei (Bericht zum Einführungs-Gesetz edit. Hirsch [anliegend] S. 21, 22); seit der Einführung des Handelsgesetzbuchs habe sich keine einzige solche Gesellschaft in Hamburg gebildet; wohl aber eine bedeutende Zahl eigentlicher Aktien-Gesellschaften. Bremen hält. event. nur solche Vorschriften für zulässig und geeignet, welche nach Vorgang der Englischen Gesetzgebung eine ausgedehntere Offenlegung der über die Organisation und Vermögenslage der Gesellschaften Aufschluss gebenden Schriftstücke bezwecken. Speziell zu beseitigen seien die § 5 Alinea 1, 4, 5, §§ 6, 8, 9, 10, 15, 16, 18 Abs. 1, § 19 Abs. 2 des Entwurfs; der § 5 Alinea 2 und 3, die §§ 14 und 17 Abs. 1 und 2 seien nur für solche Aktiengesellschaften anwendbar zu erklären, deren Statuten keine abweichenden Bestimmungen enthielten. Hamburg (Handelsgericht) beschreibt, wie bei Wegfall der Normativbedingungen das Gesetz zu lauten haben würde (Fol. 31 ff. des Gutachtens). 3. Braunschweig wendet sich gegen die formelle Redaktion des Entwurfs. Dieselbe empfehle sich nicht bei Novellen und Nachtragsgesetzen zu größeren Gesetzen und ganzen Gesetzbüchern. Entweder müsse man den zu modifizierenden Abschnitt geradezu neu kodifizieren oder man müsse die Änderungen so fassen, dass die vollständige neue Redaktion des betreffenden Abschnitts sich von selbst regele. Der letztere Modus sei vorzuziehen, um nicht die ganze Materie von Neuem zur Debatte zu stellen. Derselbe sei auch mit Erfolg schon angewendet: bei den Nürnberger Novellen zum Wechselrecht, bei den Zusätzen zum Preußischen Strafgesetzbuch vom 9. März 1853 und 14. April 1856, bei den Änderungen der Zoll-Ordnung durch das Bundesgesetz vom 18. Mai 1868. Nur auf diese Weise sei der Charakter des Handelsgesetzbuchs als eines Ganzen zu erhalten und jeder Zweifel über das Hineinschieben der neuen in die alten Bestimmungen zu vermeiden. Für den vorliegenden Fall seien dann zwei Gesetze erforderlich: a) eine Zusatznovelle zum Handelsgesetzbuch; – die Einführungsgesetze zu berühren, sei nicht erforderlich (cfr. auch zu §§ 2, 20), dieselben würden von selbst beseitigt werden, bezüglich könnte das Erforderliche den Landesgesetzen überlassen werden, zum Überfluss könne entsprechend dem § 2 des Bundesgesetzes vom
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5. Juni 1869 ausgesprochen werden, dass die Landesgesetze etwas Abweichendes nicht enthalten dürften. b) ein Gesetz über Ausdehnung der Vorschriften des Handelsgesetzbuchs und der Novelle ad a. auf nicht handeltreibende Aktiengesellschaften. Zwei derartige Gesetzentwürfe sind vorgelegt. Im Materiellen stimmen dieselben wesentlich mit der Vorlage überein, nur soll der Entwurf auf Kommandit-Aktiengesellschaften ausgedehnt, das Aufsichtsrecht, sowie das staatliche Recht der Auflösung der Aktiengesellschaften in der Hauptsache nicht beseitigt, die Publikation des ganzen Gesellschaftsvertrages nicht verlangt, die Verpflichtung der Aktionäre zu Lieferungen für Zwecke der Gesellschaft nachgelassen und die rückwirkende Kraft präzisiert werden (cfr. s. pl. das Nähere zu den einzelnen Bestimmungen). Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Braunschweig (Handelsgericht), Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß älterer und jüngerer Linie haben darauf aufmerksam gemacht, dass, wie in Preußen (cfr. Einführungsgesetz Art. 10 und die Motive zu demselben) und anderen Staaten schon geschehen, gleichzeitig die Beseitigung der Staatsgenehmigung bei Kommandit-Aktiengesellschaften, die gleichfalls als eigentliche Aktiengesellschaft anzusehen und von dem Handelsgesetzbuch nur äußerlich zu den Kommanditgesellschaften gestellt seien (Thöl), ausgesprochen, beziehungsweise die Bestimmungen des neuen Gesetzes auf diese Gesellschaften für anwendbar erklärt werden müssten. Es habe dies umso weniger Bedenken, als die bezüglichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs mit ihren vielfach strengeren Anforderungen im Vergleich mit den korrespondierenden Vorschriften der Aktiengesellschaften von vornherein auf partikularrechtliche Beseitigung des Requisits der staatlichen Genehmigung berechnet seien. Mecklenburg-Schwerin (ähnlich Sachsen-Coburg-Gotha) empfiehlt, durch die zu wählende Fassung jeden Zweifel darüber abzuschneiden, dass die übrigen Vorschriften des Gesetzentwurfs bei den Kommanditgesellschaften nicht zur Anwendung kommen, sondern die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches Art. 173 bis 206 rücksichtlich dieser Gesellschaften insoweit in Geltung bleiben, als dieselben nicht die Notwendigkeit einer staatlichen Genehmigung vorschreiben oder voraussetzen. Mecklenburg-Strelitz und Meinigen bemerken: nur die drei ersten Paragraphen des Entwurfs würden durch diesen Vorschlag berührt, die übrigen Paragraphen wollten nur für Aktiengesellschaften dieselben Garantien geben, die für Kommandit-Aktien gesellschaften schon das Handelsgesetzbuch erteilte. Manche Bestimmungen des Entwurfs gingen zwar darüber hinaus (cfr. z.B. § 12 Nr. 3, § 14), inwieweit sich aber deren Ausdehnung auf Kommandit-Aktiengesellschaften empfehle, sei von praktischer Erfahrung aus zu beurteilen. (§ 25 des Mecklenburgischen Einführungsgesetzes vom 28. Dezember 1863, § 21 des Weimarischen Einführungsgesetzes vom 18. August 1862 wären aufzuheben.) Auch die Einführung des Preußischen Einführungsgesetzes Art. 11 (Strafbestimmung gegen die persönlich haftenden Mitglieder, cfr. § 19 des vorliegenden Entwurfs, § 28 Nr. 2 des Mecklenburgischen Einführungsgesetzes – letzteres kennt nur Gefängnisstrafe –) ist in Anregung gebracht (Sachsen-Meiningen).
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Braunschweig bemerkt: in Folge des Inhalts der Vorlage sei die Bestimmung des Art. 173 des Handelsgesetzbuchs über die Höhe des Nominalwerts der Aktien bei Kommanditgesellschaften und die Befugnis der Landesgesetze, hierüber abändernde Vorschrift zu geben, nicht aufrecht zu erhalten. Das neue Gesetz sei auch auf Kommandit-Aktiengesellschaften, die nicht Handelsgesellschaften sind, auszudehnen.
Spezielle Erinnerungen. Zu § 1 Alinea 2. Dessau. Statt „gesetzliche Vorschriften“ soll gesagt werden „bestehende Rechtsvorschriften“, da die betreffenden Bestimmungen nicht überall in Gesetzen enthalten seien. Ähnlich bemerkt das Hofgericht zu Ratzeburg (Lauenburg): Der Ausdruck „gesetzliche Vorschriften“ werde als gleichbedeutend mit „landesrechtlichen Vorschriften“ erachtet, Spezialgesetze bezüglicher Art gäbe es in Lauenburg nicht. Weimar, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Coburg-Gotha, Schwarzburg-Sondershausen und Reuß ältere und jüngere Linie halten erforderlich bez. erwünscht, dass gleichzeitig bez. durch besonderes Bundesgesetz die Frage geregelt werde, welche nicht unter das Gewerbegesetz fallenden Unternehmungen einer Genehmigung oder sonstigen näheren gesetzlichen Regelung bedürfen (cfr. das Badische [Art. 32], das Württembergische [Art. 35] Einführungsgesetz); wenigstens müsse das Gesetz über Versicherungsgesellschaften gleichzeitig ergehen. Bisher sei dies nicht nötig gewesen und der dieserhalb bestehende Unterschied weniger zu Tage getreten, weil die betreffenden Unternehmungen (Bank- und Kreditgesellschaften, Emission von Banknoten, Sach- und Lebensversicherung, Beförderung von Auswanderern, Eisenbahnbau) meist den Aktiengesellschaften zufallen und für diese eine Genehmigung erforderlich war. Speziell wird angeführt, dass in Weimar und Reuß älterer Linie gar keine bezüglichen Vorschriften bestehen, in Meiningen von den Versicherungsbranchen nur das Feuerversicherungswesen gesetzlich geregelt sei, ein Gesetz über Ausgabe von Papieren au porteur, wie das Preußische vom 17. Juni 1833, nicht bestehe (auch nicht in Koburg-Gotha und wohl in sämtlichen Thüringischen Staaten nicht). Zu §§ 2 und 20. Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Braunschweig (Handelsgericht), Anhalt, Großherzogtum Hessen: Das Verhältnis des neuen zu den bisherigen Spezialgesetzen sei, wenn es überhaupt nötig erscheine (Ober-Appellationsgericht Jena zu § 20) möglichst allgemein auszudrücken, ein spezielles Zurückgehen auf partikularrechtliche Vorschriften tunlichst zu vermeiden, event. müssten Instruktionen oder die Landesgesetzgebungen nachhelfen, es könnten sonst leicht Omissionen vorkommen und dann umso mehr Missverständnisse eintreten. Cf. s. pl. die obigen Bemerkungen über die Landesgesetzgebung und die generellen Bemerkungen Braunschweigs über die Form des Gesetzes. Zu § 2. Meiningen, Altenburg: In Zeile 4 mit Rücksicht auf die dortige Praxis einzuschalten, „sowie der Urkunden über ihre staatliche Genehmigung“ oder „sowie der Genehmigungs-Urkunden“; sodann (Meiningen) unter Litt. a. nach „Handelsregister“: „sowie die Veröffentlichung des Gesellschaftsvertrages oder der Genehmigungsurkunde“, und unter Litt. b. nach „als solche“: „insbesondere die Auslegung der Statuten und die Befugnis zur Auflösung“.
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Zu § 2 Nr. 1 b. Braunschweig: des Aufsichtsrechts werde in dem Gesetze nicht zu gedenken sein, dasselbe habe keine gesetzliche Basis im Handelsgesetzbuche; wo es geübt sei, könne es einfach wegfallen. Andererseits führe die unbedingte Aufhebung zu weit. Es folge das Aufsichtsrecht nicht speziell aus der Natur der Aktiengesellschaften, es sei vielmehr ein allgemeines Recht des Staates, welches derselbe in Bezug auf Einzelne wie Vereine verschieden, je nach Lage der besonderen Gesetzgebung, der Natur des Unternehmens usw. ausübe. Es könne sich daher nicht um ein Aufheben, sondern nur um die Art der Ausübung handeln, und sei dies eine Frage des inneren Staatsrechts, nicht des Handelsrechts. Weimar: fraglich, ob nicht das Recht der Behörden zur Prüfung der Bilanzen aufrecht zu erhalten sei, § 19 Nr. 3 würde zum Schutze des Publikums kaum genügen. Zu § 2 Nr. 2. Braunschweig: Aus ähnlichen Gründen, wie die so eben zu Nr. 1 b angeführten, werde das Recht der Staatsregierung zur Auflösung der Aktiengesellschaften nur insoweit aufzuheben sein, als es durch die Art. 240, 242 Nr. 3, Art. 249 Nr. 5 des Handelsgesetzbuchs wegen Verminderung des Grundkapitals zugelassen sei und daher mit dem bisherigen Erfordernis der Genehmigung der Aktiengesellschaft in Verbindung stehe. Im Übrigen beruhe das Recht auch auf den Expropriationsgesetzen wegen öffentlichen Interesses und auf dem allgemeinen Rechte, Privilegien wegen Missbrauchs aufzuheben. Vom Handelsgerichte wird zur Frage gestellt, wie es nach dem Entwurf mit dem Auflösungsrecht stehe, welches die §§ 36 und 37 des Braunschweigischen Einführungsgesetzes nach Vorgang des Preußischen Einführungsgesetzes verordnen. Zu § 2 Schlusssatz. Weimar (Ober-Appellationsgericht): Es bedürfe der Verdeutlichung, ob die betreffenden Bestimmungen auch dann aufrecht zu erhalten seien, wenn die Konzession mit Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens nicht notwendig war, oder nur in diesem Falle. Braunschweig (Handelsgericht): es dürfte zu bestimmen sein, welche Behörden in den einzelnen Staaten zuständig sein sollen. Hamburg (Handelsgericht): In Zeile 1 vor „Genehmigung“ dürfte „staatliche“ einzurücken sein. Zu § 3. Bremen: Die Vorschrift des § 3 sei entsprechend dem § 21 der Bremer Einführungs-Verordnung auf Erwerbsgesellschaften zu beschränken, für Aktiengesellschaften, die nur wohltätigen und gemeinnützigen Zwecken dienten, passten die Bestimmungen des Gesetzes nicht, jedenfalls dürften letztere nicht auf schon bestehende Gesellschaften der beregten Art bezogen werden (cfr. §§ 21–24), da sonst deren Auflösung die unvermeidliche Folge sein könne. Umgekehrt beanstandet Hamburg (Handelsgericht), wo bisher die Gesetzgebung in diesem Punkte ebenso liegt, wie in Bremen, ausdrücklich eine derartige Beschränkung, da „Erwerbsgesellschaften“ eine eigentlich technische Unterscheidung nicht bilden und eine solche Unterscheidung für die allgemeine Gesetzgebung kein Fortschritt sein würde. Die Zahl der Nichterwerbs-Gesellschaften sei nicht groß. Mecklenburg-Schwerin und Strelitz: Es werde auszusprechen sein, beziehungsweise wenn jede Bezugnahme auf partikularrechtliche Vorschriften aus dem Gesetz beseitigt, würde sich von selbst verstehen, dass nicht nur das Handelsgesetzbuch und
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das neue Gesetz, sondern auch die Bestimmungen der Einführungsgesetze, die sich auf Aktiengesellschaften beziehen (§§ 26, 27, 29, 31 Nr. 2, § 32 der Mecklenburgischen Verordnung vom 28. Dezember 1863, § 11 der zugehörigen Instruktion), auf nicht handeltreibende Aktiengesellschaften Anwendung finden. Braunschweig (Handelsgericht): Zufolge § 3 dürften sich die Nicht-Handelsgesellschaften in Braunschweig gleichfalls bei den Handelsgerichten, nicht mehr bei den Kreisdirektionen (Gesetz vom 30. April 1867 Nr. 26) anzumelden haben. Auch Weimar (Ober-Appellationsgericht) erachtet die Eintragung in das Handelsregister und sonstige Behandlung als Handelssachen für eine notwendige Folge. Zu § 5 Al. 1 §§ 18, 19. cf. im Allgemeinen: Bremen in den generellen Bemerkungen. Braunschweig (Handelsgericht): vielleicht sei ein Aufsichtsrat nur bei größeren Unternehmungen, etwa bei einem Grundkapital von über 200.000 Talern zu fordern; es gäbe kleine Aktiengesellschaften (z.B. für Zuckerfabriken), die einen Aufsichtsrat nicht brauchen und zu dessen Konstituierung nicht die nötige Zahl Mitglieder haben. Keinenfalls dürfe dieser Bestimmung rückwirkende Kraft beigelegt werden. Bremen erklärt sich gegen das Gebot der Bestellung eines Aufsichtsrats, – Gesellschaften, die einer Kontrollbehörde bedürften, würden dieselbe in der geeigneten Zusammensetzung von selbst bestellen; am nachdrücklichsten und eingehendst begründet ist derselbe Widerspruch von Hamburg (Handelskammer, Handels- und Obergericht): der Hinweis in den Motiven auf die entsprechenden Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs über Kommanditgesellschaften passe nicht; der Komplementar der letzteren stehe anders als der Vorstand der Aktiengesellschaften, jener wechsle nicht und führe allein die gesamte Verwaltung, seine ganze Existenz hänge an der Gesellschaft, er könne sich daher leichter verleiten lassen, einen schlechten Stand der geschäftlichen Verhältnisse zu verdecken; die Aktiengesellschaften hätten bei größerem Betriebe noch technische Direktoren, die der Vorstand seinerseits kontrolliere, während der Art. 234 des Handelsgesetzbuchs, auf welchen sich dieses Verhältnis stütze, für Kommanditgesellschaften nicht gelte. Eine Überschwänglichkeit des Vertrauens der Aktionäre sei ohnehin nicht anzunehmen, sie würden daher in den nötigen Fällen durch Bestellung von Revisoren oder sonstigen Kontrollpersonen von selbst sorgen. Höchstens könne die Vorschrift für größere Aktiengesellschaften aufrecht erhalten werden (Renaud über Aktiengesellschaften S. 550) und könnte – da es keine Minimalzahl der Aktionäre gebe – nicht unbedingt eine Mitgliederzahl von 5 Personen vorgeschrieben werden, z.B. die Hamburg-Brasilianische Dampfschifffahrts-Gesellschaft zähle überhaupt nur 3 Aktionäre. Event. wäre der Fall vorzusehen, dass unter den Aktionären sich keine hinreichende Zahl von Mitgliedern für den Aufsichtsrat findet, oder die Gewählten ablehnen oder sonst keine Wahl zu Stande kommt. Welche Behörde dann eintreten soll und aus welchem Kreis von Personen (Geschäftstreibenden) der nötige Ersatz geschafft werden sollte, müsste bestimmt, diese Personen müssten zur Annahme der Wahl gesetzlich verpflichtet werden. Die strengen Vorschriften der §§ 18 und 19 könnten leicht ein zu tiefes Eingreifen des Aufsichtsrats veranlassen und so Schwankungen und Unsicherheit in die Verwaltung bringen; dem § 19 wäre event. dessen Quelle, der Art. 39 des Württembergischen
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
Einführungsgesetzes (Motive S. 27) vorzuziehen, jedenfalls sei eine Gefängnisstrafe nicht anzudrohen, da es sich um bloße culpa handle. Zur Unterstützung wird auf die französische und englische Gesetzgebung verwiesen: Das französische Gesetz vom 24. Juli 1867 sur les sociétés unterscheide dem Namen und der Sache nach den conseil de surveillance bei Kommandit-Gesellschaften auf Aktien (Art. 5 bis 11) und die commissaires bei Aktiengesellschaften. Der englische audit der Companies Act 1862 (cf. Art. 84 bis 94) des Regulativs für Aktiengesellschaften enthalte der Sache nach nicht viel mehr als der Art. 225 des Handelsgesetzbuchs. Insbesondere sei die selbständige Berichterstattung der französischen Kommissaire (Art. 32 al. 1. Gesetz vom 24. Juli 1867) und der englischen auditors (Art. 94 1 c) an die Generalversammlung über die Bilanz usw. im Wesentlichen auch durch jenen Art. 225 des Deutschen Handelsgesetzbuchs angeordnet, wenn auch nicht „a correct view of the state of the company’s affairs“ oder „un rapport sur la situation de la société“ erfordert sei. Das französische Gesetz (Art. 23) und das englische (Art. 6 der Companies Act) erfordern eine Minimalzahl von 7 Aktionären, dennoch verlangen dieselben nur un ou plusieurs commissaires, einen oder mehrere auditors bei gewöhnlicher Aktiengesellschaft; in Frankreich sei selbst die frühere 5 Zahl des conseil de surveillance bei Kommandit-Gesellschaften auf 3 herabgesetzt (Art. 5). Ein audit committee von 5 Personen erfordere das englische Gesetz nur bei einer company limited by guarantee; diese Bestimmung sei aber ein toter Buchstabe geblieben (Mittermaier und Goldschmidt, Zeitschrift, Beilageheft zu Band XII S. 42 Note 12 am Ende). Strafbestimmungen für den Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften (im Gegensatz zu dem Vorstande) kenne weder Frankreich noch England (Art. 34, 13, 16 des französischen Gesetzes, Art. 164–169 der Companies Act 1862), nur bezüglich des Aufsichtsrats der Kommandit-Gesellschaften bestimmt Art. 9 des französischen Gesetzes: chaque membre du conseil de surveillance est responsable de ses fautes personnelles dans l’écécution de son mandat, conformément aux régles du droit commun. Hinsichtlich der event. amtlichen Bestellung von Aufsichtspersonen bestimmt das französische Gesetz Art. 32 al. 3: il est procédé à leur nomination ou à leur remplacement par ordonnance du président du tribunal de commerce du siège de la société à la requête de tout interessé. (Die commissaires können associés ou non sein), und nach der joint stock companies Act of a. 91 des Regulativs hat der board of trade unter gewissen Voraussetzungen auf 1 Jahr einen auditor zu bestellen. Zu § 5 al. 2 und 3. Bremen will diese Bestimmungen nur aufrecht erhalten wissen, wenn im Statut nichts Anderes vorgesehen ist. Das Hamburger Obergericht ist überhaupt dagegen, das Handelsgericht daselbst dafür, nur würden die Bestimmungen leicht zu umgehen sein. Zu § 5 Al. 4 und § 6 Nr. 2. Nach Erfahrung meint Bremen, dass auch diese Bestimmung leicht umgangen werden könne. Hamburg (Handelsgericht) weist auf § 27 des dortigen Einführungsgesetzes hin, welcher bereits den Nachweis der Zeichnung noch vor Beginn der Tätigkeit unter solidarischer Haft der Handelnden und Strafandrohung, die der Zeit auf Gutachten des
III. Einbringung des durch Preußen abgeänderten Entwurfs
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Ober-Appellationsgerichts [Lübeck] noch erhöht sei (Motive zu dem Einführungsgesetz edit. Hirsch S. 24), fordere. Diesem Gesetz entsprechend sei der Entwurf dann noch dahin zu ergänzen: „Wenn es zur Kunde des Handelsgerichts kommt, dass vor erfolgter Eintragung einer Aktiengesellschaft im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so hat das Handelsgericht von Amts wegen mit Verboten bei Ordnungsstrafen bis zum Betrage von 1000 Talern gegen die Handelnden unbeschadet der persönlichen und solidarischen Haftung derselben einzuschreiten“, da die Bestrafung und Veröffentlichung derselben oft mehr nütze, als die persönliche Haftbarkeit insolventer Schwindler. Auch die Anforderung, dass vor Beginn der Tätigkeit der Gesellschaft ein Teil des Grundkapitals eingezahlt sein müsse, sei zu billigen, nur werde eine Dispensation seitens der Landesregierungen für bestimmte Zeiten und Fälle nachzulassen sein. Während der Handelskrisis 1857 habe sich der Garantie-Diskontoverein gebildet, der gut gewirkt habe, der aber, wenn der Nachweis von 20 Prozent Einzahlung zu erbringen gewesen wäre, kaum zu Stande gekommen sein würde. Das Hamburger Obergericht findet nur darin ein Bedenken, dass hierdurch das soeben erst zu einem Bundesgesetz erklärte Handelsgesetzbuch geändert werde. Meiningen erachtet die Quote der Einzahlung von 10 Prozent für zu gering, der Zeichner könne sich leicht veranlasst finden, den Verlust des Anrechtes aus der Zeichnung der ferneren Einzahlung vorzuziehen, Art. 222 Z. 2 des Handelsgesetzbuchs gewähre dagegen keine genügende Sicherheit, da in der Regel auf die Zahlungsunfähigkeit der Zeichner keine Rücksicht genommen werde. Es würde, um den Zweck zu sichern, wenigstens 20 Prozent oder, behufs der Übereinstimmung mit Art. 249 Abs. 2 Nr. 1 des Handelsgesetzbuchs, 25 Prozent Einzahlung zu erfordern sein. Nur zu Gunsten der Gesellschaften, welche Aktien auf Namen ausstellen und Wechsel hinterlegen, könne eine Ausnahme gemacht werden. Zu § 6. cfr. Bremen in den generellen Bemerkungen. Zu § 7. Braunschweig (Handelsgericht) und Hamburg (Handelskammer, Handelsund Obergericht) halten die Publikation eines Auszugs aus dem Gesellschafts-Statut für ausreichend, insbesondere Hamburg erachtet die Vorschrift des Art. 210 des Handelsgesetzbuches für genügend, wenigstens sei die Bestimmung des Entwurfs dahin zu modifizieren: soweit nicht von dem zuständigen Handelsgericht eine Abkürzung der Veröffentlichung für zweckmäßig erachtet wird. Das Publikum werde ohnehin mit Publikationen überhäuft, die nötigen seien sachgemäß einzuschränken. Allzu lange Mitteilungen verfehlten den Zweck, die Statuten, namentlich die der Versicherungsgesellschaften, wären oft sehr ausführlich, namentlich, wenn sie die Versicherungsbedingungen in sich schließen. Ausländische Gesellschaften müssten in diesem Punkte gleichgestellt werden, wie dies auch durch das Hamburger Einführungsgesetz § 28 geschehen sei. Nun seien aber namentlich die englischen Statuten bekanntlich sehr umfassend (beispielsweise 45 Folioseiten, 98 gedruckte Oktavseiten), sie müssten wohl gar in Ursprache und Übersetzung publiziert werden. Es genüge für alle Fälle, wenn die Einsicht der Statuten beim Gericht jederzeit freistehe. Weimar und Meiningen: es sei eine für alle Bundesländer gleich passende Form vorzuschreiben, etwa „durch das offizielle Nachrichtenblatt in demjenigen Handels-
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
gerichtsbezirk etc. (Weimar), Regierungsbezirke kämen nicht einmal in Preußen (Hannover) überall vor, oder: es sei nur die Publikation im Allgemeinen zu verordnen, den einzelnen Regierungen aber die Bezeichnung der geeigneten Blätter zu überlassen (Mecklenburg-Strelitz, Altenburg). Braunschweig (Handelsgericht), Meiningen, Bremen: es sei nicht deutlich, ob die Bekanntmachungen von der Gesellschaft selbst oder von dem Handelsgericht zu veranlassen wären, werde das Handelsgericht – auf Kosten der Gesellschaft – hierzu verpflichtet, so behebe sich zugleich der jetzige Widerspruch, der darin liege, dass die Eintragung in das Handelsregister nicht genüge. Der Passus „vor dieser Veröffentlichung“ bis „Gültigkeit“ könne dann gestrichen werden. Zu §§ 7 und 13. Meiningen: Bei Versicherungs-Gesellschaften möchte die Veröffentlichung des Status und der Bilanz durch die Blätter aller Bezirke, in denen Agenturen bestehen, vorzuschreiben sein, da die sogenannten Gesellschafts-Organe nur zum geringeren Teil denjenigen zugänglich sind, welche Versicherungen nehmen. Hinsichtlich der speziellen Publikations-Organe der einzelnen Lande bemerken: Mecklenburg-Schwerin und -Strelitz: die betreffenden Bekanntmachungen müssten dort in dem Mecklenburgischen Anzeiger erfolgen, die Bestimmung eines anderen Blattes sei aber der Regierung vorzubehalten. Thüringische Staaten (Ober-Appellationsgericht): bisher geschah die Publikation durch die Gesetz-Sammlung (Einführungsgesetze von Weimar, Gotha, Reuß, Rudolstadt § 20 Nr. 3, Coburg Art. 19, Sondershausen § 21 Nr. 3). Braunschweig (Handelsgericht): durch besonderes Gesetz vom 14. Januar 1864 Nr. 2 ist die Bekanntmachung eines Auszugs in der Gesetz- und Verordnungsversammlung für ausreichend erklärt, da sich die durch das Einführungs-Gesetz zum Handelsgesetzbuch verordnete Bekanntmachung der ganzen Statuten als zu weitläufig ergeben hatte. Dies sei auch fernerhin genügend. Sollte dennoch die Publikation des ganzen Statuts vorgeschrieben werden, so genüge solche in den Braunschweigischen Anzeigen. Altenburg erwähnt, dass dort nur ein Amtsblatt und keine Behörde unter dem Namen „Regierung“ existiere. Zu § 8. Cfr. Bremen in den generellen Bemerkungen. Weimar, Braunschweig (Handelsgericht), Meiningen: In Betreff des zulässigen Nominalwerts der Aktien seien die französischen Bestimmungen des Gesetzes sur les sociétés du 24 Juillet 1867 art.1, 8, 24 vorzuziehen (Motive S. 20), bei kleineren und gemeinnützigen Gesellschaften erwachse aus dem niedrigen Nominalwert keine Gefahr, während die Vorschrift des Entwurfs ein oft wünschenswertes Zustandekommen erschwere, deshalb sei nach dem Worte „müssen“ etwa einzuschalten: „oder das Grundkapital 100.000 Taler übersteigt“ (Weimar, Ober-Appellationsgericht). Ähnlich äußert sich das Handels- und Obergericht zu Hamburg im Interesse der Beteiligung Unbemittelter und kleinerer Kapitalien an gewinnbringenden Unternehmungen. Es wird auf Art. 21, 22 der Companies Act von 1867 hingewiesen, welche die Unterteilung von Aktien in kleinere Beträge auf Spezialbeschluss und gehörige Veröffentlichung gestatten (Mittermaier l. c. pag. 45), während der Art 207 des Handelsgesetzbuchs eine Unterteilung der Aktien verbietet und dadurch in der beregten Beziehung schon vorgebeugt wird.
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Weimar (Ober-Appellationsgericht) stellt in Frage, ob die Interimsscheine selbst auf die betreffenden Beträge lauten sollen, oder nur die Aktien, auf welche sich jene beziehen. Cfr. zu § 8 noch Schwarzburg-Sondershausen §§ 9 bis 11. Zu §§ 9 bis 11 (cf. § 18): Diese Bestimmungen, sämtlich oder einzelne, sind von Braunschweig (Handelsgericht §§ 9 bis 11), Meiningen (§ 9), Schwarzburg-Sondershausen (§§ 9 bis 11, auch § 8), Großherzogtum Hessen (§§ 9, 10), Bremen und Hamburg (§§ 9, 10) als zu hart und einschränkend beanstandet; es sei fraglich, ob zweckmäßiger Weise die betreffenden Fragen absolut in dem Gesetz zu entscheiden seien und nicht wenigstens die Abweichung unter gewissen Bedingungen zu gestatten sei; aus der bisherigen Freiheit in den beregten Beziehungen seien keine Nachteile erwachsen; nach den Motiven hätten auch bisher die betreffenden Operationen, die jetzt durch §§ 9 und 10 verboten werden sollten, nach Befinden zugelassen werden müssen und werde deren Nützlichkeit für gewisse Fälle zugegeben; die in den Motiven bezeichneten Auskunftsmittel reichten nicht aus. Schwarzburg-Sondershausen fügt hinzu: eine Ausnahmen gestattende Kasuistik lasse sich zwar nicht in das Gesetz einführen, aber es könne ein landesherrliches Dispensationsrecht statuiert werden, oder es lasse sich, da dies bei Weimar auf gehaltene Rückfrage Anstand gefunden, ein strengerer Abstimmungsmodus feststellen. Speziell: Zu § 9. Braunschweig (Handelsgericht): Verminderung des Nominalwertes müsse wenigstens unter Berücksichtigung der Vorschrift des Art. 248 des Handelsgesetzbuchs zulässig sein. Meiningen findet einen Widerspruch zwischen § 9 und Art. 248 des Handelsgesetzbuchs. Hamburg (Handelsgericht, Obergericht, Handelskammer): die Gesellschaften würden durch § 9 schlechter gestellt als jetzt. Unter Umständen könne die Herabsetzung des Nominalwerts in der Tat nützlich sein, wie sich dies bei der HamburgAmerikanischen Packetfahrt-Aktiengesellschaft, die ihre Aktien von 2000 auf 1000 herabsetzt, gezeigt hat. Diese habe den Nominalwert ihrer Aktien nicht herabgesetzt, weil etwa das entsprechende Vermögen nicht mehr vorhanden gewesen wäre, sondern um einen vermehrten Begehr nach Aktien auch seitens kleiner Kapitalisten herbeizuführen. Bei Betrüglichkeit der Gesellschafter gegen die Gläubiger, welcher schon durch die Notwendigkeit der Beschlussfassung der General-Versammlung vorgebeugt sei, würde auch gerichtlicher Schutz eintreten. Zu § 10. Braunschweig (Handelsgericht): Die Bestimmung erscheint an sich richtig, es werden aber viele Aktiengesellschaften davon betroffen werden, welche in Verbindung damit, dass die Aktionäre Rüben, Cichorien, Spargel etc. an die Gesellschaft zu liefern haben und dass daher nur Aktionäre zugelassen werden können, die einen qualifizierten Grundbesitz haben, entgegenstehende statutarische Vorschriften besitzen. Das Verbot ließe sich etwa dahin einschränken: falls ein solcher Ankauf nicht unter besonderen Umständen in dem Statut gestattet ist. Aktiengesellschaften der bezeichneten Art können eine derartige Bestimmung kaum entbehren, sie haben auch schon selbst Vorsichtsmaßregeln angewendet, z.B. dass der Ankauf nur aus den Reinerträgen geschehe, dass der Wiederverkauf möglichst bald bewirkt werden solle.
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
Hamburg: Eine entsprechende Bestimmung ist bei der letzten Revision der Gesetzgebung sowohl in Frankreich abgelehnt. (Mittermaier und Goldschmidt Zeitschrift, Beilageheft zu Band XII 1868, pag. 45, 124). Während der Beratung der revidierten Companies Act (1867) ist „mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass es dringend erforderlich sei, Vorkehr gegen das Ankaufen von Aktien durch die Gesellschaft selbst zu treffen, weil dadurch zum Schaden der Gläubiger die Zahl der beitragpflichtigen Aktien vermindert werde.“ Eine entsprechende Vorschrift in aber nicht aufgenommen. Ebenso ist ein ähnlicher Antrag bei Beratung des französischen Gesetzes vom 24. Juli 1867 abgelehnt, weil der Rückkauf oft in redlicher Absicht geschehe, um flüssige Gelder gut anzulegen und das Aktienkapital zweckmäßiger Weise zu amortisieren. Der Ankauf der eigenen Aktien kann sich allerdings als Verminderung des Grundkapitals darstellen oder zur Agiotage benutzt werden, wie dies z.B. beim crédit mobilier geschehen; – ebenso kann die Amortisation zur Benachteiligung der Gläubiger oder Verkürzung der Aktionäre in ihren Dividenden gereichen. Dagegen prosperiert z.B. die Norddeutsche Bank, die mit einem zu hohen Kapital arbeitete, seitdem sie einen erheblichen Teil ihrer Aktien aufkaufte und diese von den Dividenden ausschloss. Eventuell würden die betreffenden Operationen wenigstens unter gewissen Bedingungen zuzulassen sein, etwa der Ankauf der eigenen Aktien bis zu einem bestimmten Teil des Grundkapitals (1/3), ebenso die Amortisation, letztere auch zu Gunsten eines Dritten, der den Aktionären eine Gegenleistung gibt (z.B. wenn der Staat einer Eisenbahngesellschaft eine hohe Dividende garantiert und die Aktien amortisiert werden, damit die Bahn auf den Staat übergeht. Hamburg-Bergedorfer Eisenbahngesellschaft.) Zu § 11. Hamburg: Das Obergericht findet diese Bestimmung schon im Art. 217 des Handelsgesetzbuchs, das Handelsgericht erklärt sich ausdrücklich für den § 11. Zu § 12. Hamburg (Ober- und Handelsgericht): Teils sind die Vorschriften des § 12 selbstverständlich, teils ist schwer zu übersehen, ob sie für alle Fälle passend sind, es kann dies den Gesellschaften und ihren Revisoren überlassen werden. Meiningen: Wird der Nominalbetrag des Grundkapitals unter die Passiva gestellt, so gehört der nicht eingezahlte Teil desselben unter die Aktiva. Es entsteht dadurch leicht eine Täuschung über die Höhe des namentlich bei Versicherungsgesellschaften zum Teil nur papiernen Grundkapitals. Es wäre etwa vorzuschreiben, dass nur der Betrag des wirklich eingezahlten Grundkapitals unter die Passiva aufzunehmen und wäre die Einstellung der nicht eingezahlten Beträge unter die Aktiva zu verbieten. Zu Nr. 1. Weimar (Ober-Appellationsgericht) und Schwarzburg-Sondershausen: Die Bestimmung bezüglich des Werts-Ansatzes der Grundstücke kann zu weit gehen, statt „höchstens zu dem Erwerbszwecke“ ist besser zu sagen: „nur im wahren Werte“. Hamburg (Handelsgericht): Es ist ungerecht, dass Grundstücke, die z.B. zu Bauplätzen verwendet werden, nur zum Erwerbszwecke angesetzt werden sollen, es passt dies namentlich nicht für Gesellschaften, welche den An- und Verkauf von Grundstücken zum Zwecke haben. In anderen Fällen kann der Wert der Grundstücke bedeutend gesunken sein. (Speicher- und ähnliche Anlagen). Der Steuerwert oder Sachverständigentaxe, auch Sachkunde der Direktoren und Revisoren genügt. – 5 Prozent Abschreibung möchte z.B. für Schiffe, die nach dem Handelsgesetzbuch Mobilien sind, nicht genügen (Obergericht).
III. Einbringung des durch Preußen abgeänderten Entwurfs
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Zu Nr. 2. Meiningen: Es möchte noch zu bestimmen sein, dass die Papiere auch nicht höher als der Einkaufspreis anzusetzen sind, da, solange dieselben nicht realisiert worden, der Gewinn aus der Kursdifferenz kein wirklicher sei. Zu Nr. 3. Hamburg: Statt „Kosten der Organisation“ (zu denen auch z.B. die Kosten einer Schienen-Anlage gehören würden) besser „Gründungskosten“. Die Bestimmung selbst wird vom Obergericht gutgeheißen, das Handelsgericht will die Verteilung der Einrichtungskosten auf mehrere Jahre zulassen. Mecklenburg-Strelitz regt in gleichem Sinne an, ob die Bestimmung nicht mit Rücksicht auf Art. 217 Al. 2 des Handelsgesetzbuchs zu weit gehe. Zu § 13. Hamburg: Das Handelsgericht hält die Veröffentlichung der Bilanz bei kleinen Gesellschaften für unnötig. Außerdem lasse der § 13 den Art. 249 Nr. 2 des Handelsgesetzbuchs, wonach die Landesgesetze die Frist zur Aufstellung der Bilanz auf zwölf Monate verlängern können (cfr. die Anordnungen im § 26 des Hamburger Einführungs-Gesetzes) unberücksichtigt. Die Frist sei namentlich bei Seeassekuranz-Gesellschaften wichtig, eine allzu zeitige Aufstellung der Bilanz nicht zu empfehlen, es liefen dann noch die Gegensätze der Einnahmen: die gegen die Prämien übernommenen Risiken, die Schäden für Havariefälle seien noch nicht liquidiert, die Verschollenheitsfrist noch nicht expiriert. Das Beste wäre, die Vorschrift des Art. 249 allgemein an Stelle der Art. 222, 239 treten zu lassen, event. würden die Fälle, für welche eine Fristverlängerung eintreten könne – für bestimmte Gesellschaften, für Zeiten der Handelskrisis – in dem Gesetz zu präzisieren sein. Das Obergericht legt diesem Monitum ein gleiches Gewicht nicht bei, da nicht abgewickelte Geschäfte einer approximativen Schätzung unterworfen werden könnten, rügt aber ebenfalls, dass indirekt der Art. 249 cit. abgeändert würde. Zu § 14. Mecklenburg-Strelitz regt an, ob § 14 nicht zu einschränkend sei. Hamburg (Ober- und Handelsgericht) ebenso. Die Vorschrift passe namentlich nicht für Banken, deren Depositen-Geschäfte ungestört sein müssten; sie passe auch nicht für andere Gesellschaften, insbesondere, wenn schleunig Geld beschafft werden müsse, z.B. bei Schiffsbauten. Bei anderen Gesellschaften seien Anleihen überhaupt nicht nötig und die Bestimmung werde dann die Verwaltung leicht zur Aufnahme unnötiger Anleihen induzieren. Bremen verlangt eine andere Fassung, weil der § 14 sonst leicht auch auf solche Geschäfte gedeutet werden könne, welche schon die Verfolgung der Gesellschaftszwecke mit sich bringe, z.B. auf die Annahme von Depositen seitens einer Bank. Auch dürfte der Prozentsatz von 5 Prozent zu erhöhen sein. Die statutarisch-abweichende Bestimmung müsse zulässig sein. (cfr. die generellen Bemerkungen Bremens.) Zu § 15. cfr. Bremen in den generellen Bemerkungen. Großherzogtum Hessen: Im Interesse der Aktiengesellschaften dürfte eine periodische Erneuerung des Aufsichtsrats liegen und deshalb die Dauer der Wahl auf sechs Jahre zu bestimmen sein. Es könnte dann je nach zwei Jahren ein Drittel der Mitglieder austreten. Zu § 16. cf. Bremen in den generellen Bemerkungen.
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
Zu § 17. Dem Inhalt des Paragraphen ist widersprochen seitens Braunschweigs (Handelsgericht), Bremens und Hamburgs (Handelskammer und Obergericht). Die Hamburger Handelskammer bezeichnet den § 17 als den bedenklichsten des Gesetzentwurfs. Die Gesellschaftsorgane könnten danach mit ihren Gesellschaften keine Bank-, keine Versicherungsgeschäfte machen, keine Frachtverträge schließen; die Bestimmung passe auch nicht für Zucker-, Stärkefabriken usw., deren Aktionäre statutmäßig Rüben, Kartoffeln usw. zu liefern hätten. In Wirklichkeit würden die Bank- und Versicherungs-Aktien-Gesellschaften hauptsächlich von großen Handelshäusern gegründet, damit dieselben zugleich dem Gründer als Hilfsinstitute dienten. Der Eintritt der Gründer in die Verwaltung bilde die Bürgschaft für das Gedeihen der Gesellschaften. Bleibe § 17 bestehen, so würden die Gesellschaften leicht auf die tüchtigsten Verwalter oder auf die einträglichsten Geschäfte verzichten müssen. Die Gesellschaften müssten ja ohnehin ihren Verwaltern großes Vertrauen schenken und möchten selbst bestimmte Geschäfte dieser Verwalter mit ihren Gesellschaften ausschließen, wenn sie dies für nötig erachteten. Sollten Missbräuche bei einzelnen bestimmten Arten von Gesellschaften ausgeschlossen werden, so möge dies speziell bestimmt werden (Hamburg). Braunschweig wünscht eine nähere Präzisierung des an sich wichtigen Verbots. Die Geschäfte, welche Zweck der Gesellschaft sind, und die sie mit Jedermann unter bestimmten Bedingungen eingeht, dürften auch mit den Mitgliedern des Vorstandes und des Aufsichtsrats zulässig sein. Bremen will die Ausschließung des § 17 Al. 1 und 2 durch statutarische Bestimmungen für statthaft erklären, für die übrigen Fälle genüge Al. 3. Weimar und Schwarzburg-Sondershausen: Das 1/4 der „sämtlichen Aktionäre“ werde sich, namentlich bei Inhaber-Aktien schwer konstatieren lassen; im Art. 180 des Handelsgesetzbuchs, wo eine ähnliche Bestimmung vorkomme, handele es sich nur um Nominal-Aktien. Bei der Abstimmung würden der Regel nach Aktionäre mit einer größeren Zahl Aktien beteiligt sein, die nicht Beteiligten könnten aber gerade die große Masse Besitzer einzelner oder einer geringen Zahl von Aktien sein, so dass die abstimmende Mehrheit bei Weitem nicht den vierten Teil der Aktien ausmache, ohne dass man jedoch im Stande sei, diese Tatsache oder die umgekehrte zu konstatieren. Hinsichtlich der Fassung moniert Braunschweig: die Worte „besondere Genehmigung“ (Zeile 4) gäben der Deutung Raum, es müsse die Genehmigung für jeden speziellen Fall erfolgen; Schwarzburg-Sondershausen will am Schluss des Al. 2 statt „Gesamtkapitals der Aktionäre“ setzen: „des gesamten Aktienkapitals“. Zu §§ 18, 19 cf. Die Bemerkungen zu 5. Al. 1. Zu § 18. Zu Abs. 1 cf. Bremen in den generellen Bemerkungen. Das Hamburger Obergericht beanstandet den ganzen Paragraphen. Der Inhalt desselben führe dahin, dass die Aktionäre zu Schaden ihrer Verwalter doppelten Vorteil erlangten, sie hätten die Dividende erhalten (Art. 218 des Handelsgesetzbuchs), und durch die Zahlungen der Verwalter werde überdies der Wert ihrer Aktien erhöht. Es genüge, dass der widerrechtlich Handelnde nach allgemeinen Gesetzen den Scha-
III. Einbringung des durch Preußen abgeänderten Entwurfs
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den zu ersetzen habe, der § 32, Hamburger Einführungsgesetz, enthalte einige die Feststellung dieses Schadens erleichternde Bestimmungen. Dagegen vermisst Weimar (Ober-Appellationsgericht) neben dem § 18 eine den Art. 241 Al. 2 des Handelsgesetzbuchs im Hinblick auf das neue Gesetz ergänzende Vorschrift über die civilrechtliche Haftbarkeit des Vorstandes; § 18 decke nicht alle Fälle, so könne durch Nichtbeachtung der §§ 12, 13, 16, 17 resp. durch Zuwiderhandeln gegen dieselben Schaden entstehen. Desgleichen fehle eine solche allgemeine Bestimmung für die Mitglieder des Aufsichtsrats, deren Hauptfunktionen Art. 225 des Handelsgesetzbuchs enthalte, denen aber auch noch besondere Funktionen durch den Gesellschaftsvertrag übertragen werden könnten. Es werden daher folgende Vorschriften empfohlen: § 17 a. Die Mitglieder des Vorstandes, welche den Bestimmungen dieses Gesetzes entgegenhandeln, haften persönlich und solidarisch für den dadurch entstandenen Schaden. § 17 b. Die Mitglieder des Aufsichtsrats, welche die ihnen durch das Handelsgesetzbuch (Art. 225), durch dieses Gesetz oder durch den Gesellschafts-Vertrag auferlegten Verpflichtungen vernachlässigen oder diesen Bestimmungen zuwider handeln, haften persönlich und solidarisch für den dadurch entstandenen Schaden. Der § 18 werde dadurch nicht überflüssig, er hebe, wie auch im Art. 241 Al. 2 des Handelsgesetzbuchs geschehen, die hauptsächlichsten Pflichtverletzungen hervor und verpflichte zu Ersatzleistungen, ohne Rücksicht darauf, ob ein wirklicher Schaden entstanden sei. Meiningen: Der Vorstand und der Aufsichtsrat müssen im Falle des § 18 solidarisch haften (Art. 204 des Handelsgesetzbuchs). Zu § 19. Das Hamburger Obergericht hält die allgemeinen Strafgesetze für genügend. Bremen hält § 19 namentlich bei unbedeutender Entstellung der Wahrheit für zu hart. Gefängnisstrafe habe nur bei vorhandener gewinnsüchtiger Absicht einzutreten, sonst genüge Geldstrafe (vgl. § 19 Nr. 2 – cf. Bremer generelle Bemerkungen). Meiningen: mildernde Umstände, welche dem thüringischen Strafrechte unbekannt seien, wären auszuschließen. Braunschweig (Handelsgericht) erwähnt, dass § 19 das dortige Einführungsgesetz in seinen §§ 34 und 35 ändere. Zu den Übergangsbestimmungen §§ 21 ff. cf. Bremen zu § 3. Das Hamburger Handelsgericht vermisst eine Bestimmung über die rückwirkende Kraft des Gesetzes, dem § 5 Al. 2–4, § 7 Al. 1 und 4, § 8 könne eine solche nicht beilegt werden. Fraglich sei, ob auch von den bestehenden Gesellschaften ein Aufsichtsrat bestellt werden müsse und wie es mit den Strafbestimmungen bezüglich der Gesellschaftsorgane bestehender Gesellschaften zu halten sei. Das Obergericht zu Hamburg teilt diese Bedenken nicht, es müsse davon ausgegangen werden, dass eine rückwirkende Kraft nicht eintreten solle, wie § 5 der Übergangsbestimmungen des Hamburger Einführungsgesetzes ausdrücklich bestimmt habe. Braunschweig schlägt nähere – in dem dortseits aufgestellten Gesetzentwurf präzisierte – Übergangsbestimmungen bezüglich der rückwirkenden Kraft vor. Letztere soll
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
im Interesse der Gleichheit im Allgemeinen eintreten, nur sollen Aktien, die unter der jetzt bestimmten Minimalhöhe ausgegeben sind, bleiben; der Aufsichtsrat soll von bestehenden Gesellschaften, welche nicht die nötige Zahl Aktionäre haben, nicht bestellt werden. Weimar (Ober-Appellationsgericht) empfiehlt eine auch von dem Handelsgericht zu Hamburg angeregte Bestimmung über die Bestellung eines Aufsichtsrates bei schon bestehenden Gesellschaften etwa dahin: § 28. Aktien-Gesellschaften, welche vor dem Eintritt der Geltung dieses Gesetzes errichtet sind, haben binnen einer Frist von drei Monaten den Bestimmungen des § 5 Abs. 1, §§ 15, 16 nachzukommen. Nach Ablauf dieser Frist haben die Handelsgerichte die Beteiligten zur Befolgung dieser Anordnungen von Amts wegen durch Ordnungsstrafe anzuhalten. Außerdem finden die Bestimmungen des § 19 Nr. 2 auf die Mitglieder des Vorstandes Anwendung. – Ist die Gesellschaft schon länger als ein Jahr errichtet, so kann der Aufsichtsrat auch das erste Mal auf länger als 1 Jahr gewählt (§ 15) und es darf den Mitgliedern desselben sofort eine Vergütung bewilligt werden (§ 16). Waldeck: es würde sich allenfalls empfehlen, in dem Gesetz anzudeuten, dass die Übergangsbestimmungen der §§ 22 ff. des Waldeckischen Einführungsgesetzes vom 11. Februar 1862, welche sich auf Handelsgesellschaften beziehen, durch die §§ 21 ff. des vorliegenden Entwurfs nicht alteriert werden (siehe insbesondere § 26 des Entwurfs verglichen mit § 27 al. ult. des gedachten Einführungsgesetzes). Zu §§ 24, 25. Hamburg (Handelsgericht). Im Al. 2 des § 24 ist der Art. 16 des Handelsgesetzbuchs, der sich nicht auf Aktiengesellschaften bezieht, nicht zu erwähnen. Alinea 3 des § 24 erscheint überflüssig und selbstverständlich, sofern das Gesetz nicht eine Lösung der möglichen Konflikte gibt. Eine solche werde z.B. sein: Vorrecht der älteren oder der früher eingetragenen Gesellschaften – mit event. Vorbehalt des Rechtsweges. Alinea 1 des § 24 und Al. 2 des § 25 dürften kaum in ein Bundesgesetz gehören. 3. Anhang: Stellungnahme des Hamburger Senats vom 15.9.1869 ... Der Senat hat in Anbetracht der Wichtigkeit des Gegenstandes zunächst die beikommenden Gutachten und Behörden zur Begutachtung des Entwurfes aufgefordert und glaubt die Beantwortung der Anfrage nicht vollständiger und befriedigender beschaffen zu können, als dadurch, dass er den unveränderten und unverkürzten Inhalt der eingegangenen Gutachten in Abschrift derselben anfügt. ... Der Senat tritt aus voller Überzeugung dem übereinstimmenden Resultat der unabhängig voneinander abgegebenen Gutachten dahin bei, dass die in dem Entwurf enthaltenen Vorschläge 1. erledigt sind für Hamburg durch § 25 des EG vom 22.12.1865, insoweit sie gerichtet sind auf Aufhebung des Erfordernisses der staatlichen Genehmigung zur Errichtung von Actien-Gesellschaften, während es für diejenigen Staaten, wo die Staatsgenehmigung noch erfordert wird, wegen des Art. 249 HGB eines neuen Bundesgesetzgebungs-Actes nicht bedarf;
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2. als ein Rückschritt in der Gesetzgebung zu erachten und für Hamburg auf Grund der unter den jetzt geltenden freieren Gesetzen und Einrichtungen gemachten Erfahrungen als verkehrshemmend und schädlich zu bezeichnen sind, insofern die freie Bewegung der Actiengesellschaften durch zwingende Verbote und Gebote beschränkt werden soll, Vorschriften, welche die Verkehrsbedingungen und Rechtsanschauungen der Beteiligten aufs Entschiedenste widersprechen; 3. als überflüssig gelten müssen in Bezug auf alle nicht unter 1. und 2. fallenden Bestimmungen, so dass derentwegen keine Veranlassung vorliegen dürfte, ein Bundesgesetz zu erlassen. Angesichts der mitgeteilten ausführlichen Gutachten, in welchen der Entwurf ebensowohl vom merkantilen als juristischen Standpunkt beleuchtet wird und zwar unter teilweiser Bezugnahme auf hiesige praktische Vorkommnisse, glaubt der Senat seinerseits eines detaillierteren Eingehens in den Entwurf sich enthalten zu können, doch mögen auch von dieser Stelle zwei Punkte noch hervorgehoben werden. Erstens hat sich die Voraussage der hamburgischen Kommission, dass Kommandit-Gesellschaften auf Actien wegen der im Handelsgesetzbuch dafür vorgeschriebenen polizeilichen Reglementierung in Hamburg schwerlich Eingang finden würden, so dass durchaus als richtig bestätigt, dass auch nicht eine einzige derartige Gesellschaft während der vier Jahre, welche seit Einführung des HGB dahier verflossen sind, errichtet worden ist, während doch in dieser Zeit eine bedeutende Zahl anderer Actiengesellschaften sich etablierten, die zu keinen bedenklichen Zuständen geführt, sondern gut floriert haben. Zweitens ist wohl in Erwägung zu ziehen, dass viele auswärtige Actiengesellschaften in Hamburg mittelst Agenturen Geschäfte treiben, auf welche doch die beschränkenden Vorschriften des Entwurfes, auch wenn letztere zum Bundesgesetz erhoben werden würden, keine Anwendung finden könnten. Alsdann würden solche auswärtige Gesellschaften durch die nach ihrem Landesgesetze ihnen gestattete freiere Bewegung gegenüber den inländischen eine günstigere Position haben und letzteren die Konkurrenz erschweren. Das ist am Schluss des handelsgerichtlichen Gutachtens mit Recht betont und die Tragweite solcher differenzieller Stellung auswärtiger und inländischer Gesellschaften für einen Welthandelsplatz wie Hamburg ist nicht zu unterschätzen, vielmehr zu besorgen, dass eintretenden Falls viele Capitalien dem Inlande entzogen und dem Auslande für Actienunternehmungen zugewendet werden würden. Aus allen diesen Gründen muss der Senat aufs dringendste davon abraten, auf den vorgelegten Gesetzentwurf einzugehen und er gibt sich der Hoffnung hin, dass der Entwurf entweder möge der ihm entgegenstehenden Bedenken zurückgezogen oder von dem Bundesrat abgelehnt werde. Nur für den unerwarteten Fall, dass der Entwurf in einer alsdann wesentlich zuvor modificierenden Gestalt zum Gesetz erhoben wurden sollte, würden diejenigen Abänderungen zu empfehlen sein, welche in den obigen Gutachten in omnen eventum in Vorschlag gebracht sind. gez. Kirchenpauer
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Anlagen zur Stellungnahme a) Gutachten der Handelskammer vom 9.7.1869 ... Vom praktischen kommerziellen Standpunkte aus, und dieser muss selbstverständlich für die Handelskammer maßgebend sein, ist das beabsichtigte Gesetz für den hiesigen Platz nicht nur als kein Bedürfnis noch nutzenversprechend, sondern vielmehr als Rückschritt und positiv nachteilig zu erachten. Die hiesige Gesetzgebung in Betreff der Aktiengesellschaften beschränkt sich auf die allgemeinen Bestimmungen in den Art. 207–249 HGB und auf die §§ 24–28 des diesseitigen EG zum HGB. Diese Vorschriften haben sich für Hamburg als durchaus genügend erwiesen und die Handelskammer wüsste wirklich nicht anzugeben, welchen bestehenden tatsächlichen Übelständen oder auch nur Unzuträglichkeiten am hiesigen Platze das neue Gesetz abhelfen sollte. Wenn sich jetzt auch in anderen norddeutschen Bundesstaaten die Zweckmäßigkeit einer Aufhebung der bisherigen staatlichen Bevormundung bei Aktiengesellschaften herausstellt und man dort die hiesige spezielle Konzessionserteilung durch strenge allgemeine Normativbestimmungen künftig zu ersetzen für ratsam hält, so möge dies den einzelnen Landesgesetzgebungen überlassen bleiben, nicht aber sollte deshalb unnötigerweise ein Bundesgesetz herbeigeführt werden, welches anderen Bundesstaaten, wo man mit den besonderen Gesetzen ausreicht und ganz zufrieden ist, diese zu ändern zwingt. Wenn irgendwo berechtigte Eigentümlichkeiten auf schonende Berücksichtigung Anspruch erheben dürften, sind es gewiss wirtschaftliche und rechtliche Verhältnisse der in Rede stehenden Art. Die Handelskammer muss es daher principaliter empfehlen, dass der Bundesrat den vorliegenden Gesetzentwurf in Betreff der Aktiengesellschaften ablehne. Die vorgeschlagenen Bestimmungen sind fast alle ähnlicher Art wie die für Kommanditgesellschaften auf Aktien im HGB vorgeschriebenen, von denen der Bericht der für das HGB hier wiedergesetzt gewesenen gemischten Kommission vom 31.8.1864 treffend bemerkte: „Es sind die rechtlichen Grundzüge des Instituts, wie sie im HGB enthalten sind, in außerordentlich starkem Grade mit sozusagen polizeilichen Geboten und Verboten durchflochten, d.h. mit solchen durch die Vertragswillkür der Beteiligten nicht abzuändernden Vorschriften, welche für geeignet gehalten worden sind, teils die Kommanditisten gegen Ausbeutung durch die selbsthaftenden Gesellschafter, teils das Publikum gegen schwindelhafte Errichtung solcher Gesellschaften behufs bloßer Agiotage oder zu sonstigen unsoliden Zwecken zu schützen. – Als derartige Vorschriften, die dem Bestreben, einen soliden Geschäftsbetrieb zu erzwingen, ihre Entstehung verdanken, sind zu nennen: die Bestimmung, dass die Aktien (welche stets auf Namen lauten) wenigstens 200 Rth. betragen müssen bei Strafe der Nichtigkeit, die notarielle Beglaubigung des Aktiengesellschaftsvertrags, der obligatorische Inhalt desselben, durch welchen unter Anderem ein Aufsichtsrat konstituiert wird, die Vorschrift, dass die KG vor der Eintragung in die Handelsregister als solche nicht besteht, die Formalitäten, die zu beobachten sind, wenn ein Gesellschafter eine nicht in Geld bestehende Einlage macht oder sich besondere Vorteile ausbedingt, die Unfähigkeit der Gesellschaft, den ursprünglichen Zeichner seiner Verhaftung für den vollen Betrag der Aktien zu entbinden, die Vorschriften wegen Vorlegung der Bilanz, wegen der zulässigen Amtsdauer des Verwaltungsrats, wegen der Zulässigkeit einer Vergü-
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tung für denselben, das Verbot für die Kommanditisten, Zinsen von bestimmter Höhe auszubedingen oder zu bezahlen, endlich die für verschiedene Fälle vorgeschriebene persönliche Verhaftung der Mitglieder des Aufsichtsrates. – Wenn es auch nicht zu verkennen ist, dass alle diese Vorschriften unter Umständen sich als nicht brauchbar für den angegebenen Zweck erweisen können, so wird man doch kaum einen Fehlschluss tun, wenn man annimmt, dass diese Masse von beengenden Vorschriften mit den Schwindlern auch die redlichen Unternehmer abschrecken, und somit die KG auf Aktien bei unserem mehr an freier Bewegung gewöhnten Publikum nur sehr schwer Eingang finden wird.“ Aus gleichen Gründen, wie oben angeführt, erscheint es im hohen Grade ratsam und wünschenswert, dass der ganze vorliegende Gesetzentwurf abgelehnt werde; sollte jedoch eine hierauf gerichtete Bestrebung hamburgischerseits den gewünschten Erfolg nicht haben, glaubt die Handelskammer dann doch jedenfalls nachstehende Abänderungen des Entwurfs aufs Nachdrücklichste beantragen zu müssen. Sie geht dabei von der Voraussetzung aus, dass, wenn auch die Absicht des BundeskanzlerAmts obwaltet, in Bezug auf Banken und Kreditanstalten so wie auf Versicherungsgesellschaften noch besondere Normativbestimmungen oder Verordnungen von Bundeswegen herbeizuführen, nichts desto weniger jetzt der Meinung ist, den vorliegenden Gesetzentwurf in allen seinen Vorschriften auch für Aktiengesellschaften dieser Arten maßgebend sein zu lassen; wenigstens findet sich im Entwurf eine dahin gehörende Ausnahme nicht erwähnt. Grade für die hiesigen großen Aktien-Banken und die Seeversicherungsgesellschaften erscheinen die vorgeschlagenen neuen Vorschriften am störendsten und bedenklichsten. Zu §§ 5 und 19. Jeder Gesellschaftsvertrag soll künftig die Bestimmung enthalten, dass ein Aufsichtsrat und mindestens fünf Mitglieder aus der Zahl der Aktionäre durch Wahl derselben bestellt werden müsse, und die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes der Gesellschaft werden mit Gefängnisstraße bis zu 3 Monat (unter mildernden Umständen mit Geldbußen bis zu 1000 Rth.) bedroht, wenn durch ihre Schuld die Gesellschaft länger als 3 Monate ohne Aufsichtsrat geblieben oder die Ergänzung der Mitglieder des Aufsichtsrats auf die gesetzliche Minimalzahl unterblieben ist. – Nach Ansicht der Handelskammer sollten alle Bestimmungen über die Zahl und die Funktionen des Aufsichtsrats lediglich der Feststellung durch die Statuten der einzelnen Aktiengesellschaften überlassen bleiben. – Jedenfalls aber sollte die Minimumzahl der Mitglieder nicht auf 5 gesetzt werden, sondern auch eine geringere Zahl genügen. Die Androhung von Gefängnisstrafe (in § 19), wenn die rechtzeitige Ergänzung des Aufsichtsrats unterblieben ist, erscheint nicht passend. § 7 enthält die Vorschrift, dass der Gesellschaftsvertrag und die beschlossenen Veränderungen und Verlängerungen desselben, durch das Amtsblatt gekannt gemacht werden sollen. – Man wird dies unbedenklich dahin beschränken können, dass, wie bisher hier üblich gewesen und auch im HGB zugelassen ist, ein Auszug des Gesellschaftsvertrags veröffentlicht wird. Die ausführlichen Dokumente können dann in der Kanzlei des Gerichts von Jedermann eingesehen werden. Zu §§ 9 und 17. Die Bestimmungen, wonach die Nominalhöhe der Aktien und Anteile weder vermindert noch erhöht werden darf, und den Aktiengesellschaften
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
der Ankauf der eigenen Aktien oder die Amortisation derselben untersagt wird, erscheinen unnötig und können unter Umständen, ohne Anderen irgend zu nutzen, den Interessen der Aktionäre zum Nachteil gereichen. Es ist principaliter zu empfehlen, dass beide Paragraphen wegfallen. Jedenfalls aber sollte, wenn solche Vorschriften vielleicht auch als Regel angeordnet werden mögen, doch die Möglichkeit bleiben, in dazu geeigneten und unbedenklichen Fällen, nach Erfüllung vorzuschreibender Bedingungen zur Verhütung von Missbrauch, ausnahmsweise durch Beschluss der General-Versammlung einen Rückkauf oder Amortisation der eigenen Aktien vornehmen zu können. Der bedenklichste Paragraph des vorliegenden Gesetzentwurfs ist aber § 17. Diesen Bestimmungen zufolge würde es künftig den Mitgliedern der Verwaltungsräte respektive der hiesigen Norddeutschen Bank und der Vereinsbank untersagt sein, mit diesen Banken Geschäfte zu machen, die Directoren der Seeversicherungsgesellschaften wären verhindert, bei diesen zu versichern etc. etc. Es wird hinreichen, diese beispielsweisen Konsequenzen hinzustellen, um die evidente Unzulässigkeit solcher Bestimmungen darzutun, welche dem praktischen Bedürfnis des Verkehrslebens widerstreiten. Vermutlich hat durch den Entwurf nur bestimmten, bei einzelnen Arten von Aktiengesellschaften etwa zur Erscheinung gekommenen Missbräuchen vorgebeugt werden sollen, dann müssten aber Spezialvorschriften erlassen und von einer Generalisierung derselben jedenfalls abgesehen werden. Wenn nun zur Erschwerung von divergierenden besonderen Beschlüssen der General-Versammlungen überdies noch vorgeschrieben wird, dass die beschließende Mehrheit mindestens ein Viertel der sämtlichen Aktionäre begreifen müsse, deren Anteile mindestens ein Viertel des Gesamtkapitals der Aktionäre darstellen, so liegt das Unpraktische solcher Bestimmungen für große Aktiengesellschaften, welche mehreren Tausende von Interessenten und Millionen Taler Kapital zählen, klar vor Augen. Dieser Paragraph erfordert, wenn er nicht gänzlich beseitigt wird, was vor Allem zu wünschen, jedenfalls eine gründliche Umarbeitung. [Die Deputation für Handel und Schiffahrt schloss sich dem Gutachten der Handelskammer an.] gez. G. A. Schön (Präses)
b) Gutachten des Handelsgerichts vom 4.9.1869 ... Der Entwurf zerfällt ersichtlich in zwei Teile: 1. Die Ausdehnung der Vorschriften des HGB über Aktiengesellschaften, welche Handelsgeschäfte betreiben (und dieses Gesetzes) auf alle Aktiengesellschaften nebst den hierzu erforderlich gemachten Übergangsbestimmungen, 2. in die Aufhebung der staatlichen Genehmigung zur Errichtung, Veränderung und Aufhebung der Aktiengesellschaften, wogegen den Aktiengesellschaften eine Reihe von Beschränkungen auferlegt werden: namentlich die obligatorische Bestellung eines Aufsichtsrates, die Beobachtung gewisser Formen, wenn bei der Errichtung Einlagen von Einzelnen nicht in Gelde gemacht, oder ihnen sonst besondere Vorteile stipuliert werden; die Deckung des Grundkapitals durch Unter-
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schriften und dessen teilweise Einzahlung vor Beginn der Tätigkeit; die vollständige Publikation der Statuten und deren Abänderungen; die limitierte Niedrigkeit der Aktien; die Unabänderlichkeit ihrer Nominalhöhe; das Verbot des Ankaufs eigener Aktien und deren Amortisation; die Berechnung und Auskehrung des Gewinnes; die Formation der Bilanz und deren Veröffentlichung in bestimmter Frist; die Form für Aufnahme von Anleihen. Übergangsbestimmungen, wie sie zum Teil nötig sein möchten, finden sich für die Einführung dieser Vorschriften nicht. ad. 1. (§ 3 d.E.): In Betreff der Ausdehnung der bezüglichen Bestimmungen des HGB (und dieses Gesetzes) auf alle Aktiengesellschaften, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgeschäften besteht, hat das Handelsgericht die Frage erwogen, ob es nicht genüge, bei der Bestimmung des § 24 unseres EG z. HGB zu verbleiben, zufolge dessen die handelsgesetzbuchlichen Normen auf alle Erwerbsgesellschaften dieser Art extendiert sind, in Übereinstimmung mit einer Reihe anderer Einführungsgesetze (vgl. Motive). Die Übergangsbestimmungen des Entwurfes würden in solchem Falle für uns bedeutungslos sein. Das Handelsgericht pflichtet aber der weiteren Ausdehnung des Gesetzentwurfes bei, namentlich in der Erwägung, dass „Erwerbsgesellschaften“ eine eigentlich technische Unterscheidung nicht bilden, und dass es für die allgemeine Gesetzgebung kein Fortschritt sein würde, Aktiengesellschaften, welche Handelsgeschäfte treiben, solche, welche Erwerbsgeschäfte, aber keine Handelsgeschäfte zum Gegenstand des Unternehmens haben, und solche, welche Aktiengesellschaften ohne diese Kennzeichen sind, zu distinguieren. – Auch bei uns ist die Zahl derjenigen Gesellschaften, welche weder durch Handel noch sonst Erwerb bezwecken, und doch über ein in Aktien geteiltes Kapital zu anderen Zwecken disponieren, gering (z.B. die patriotische Gesellschaft, die Harmonie, der Verein für Kunst und Wissenschaft); es steht dahin, ob man sie richtig als Aktiengesellschaften bezeichnet; und bei anderen Gesellschaften könnte die Abgrenzung Schwierigkeiten bieten, indem – wie z.B. bei der zoologischen Gesellschaft – der Erwerb eine untergeordnete Rolle eingenommen hat. – Hiernach würden die Übergangsbestimmungen für uns nicht ganz irrelevant sein. Zum Verständnis derselben scheint die Bemerkung unerlässlich, dass sie sich unterscheiden, je nachdem für Aktiengesellschaften, welche keine Handelsgeschäfte betreiben, in Preußen das Gesetz vom 15.2.1864 galt (dessen Beseitigung der § 3 anordnet), oder nicht. Für Hamburg trifft natürlich nur der letztere Fall zu. § 24 al. 1 und § 25 al. 2 dürften danach für uns bedeutungslos sein, aber auch kaum in ein Bundesgesetz gehören. Im Übrigen geben die §§ 21–25 (zu vgl. mit §§ 2, 3 und 5 unserer Übergangsbestimmungen) zu folgenden Ausstellungen Anlass: ... § 24 al. 2. Die Bezugnahme auf Art. 16 HGB, welcher nur von offenen Handelsgesellschaften redet, ist hier unverständlich; während sie bei einem Zusammenfassen der Bestimmungen über alle Gesellschaften – wie im § 9 unseres EG eine richtige Bemerkung enthält. § 24 al. 3: Wenn die Gesetzgebung es unterlässt, Konflikte zu lösen, welche durch ihre Anordnungen entstehen können (eine solche Lösung würde z.B. sein: Vorrecht der älteren Gesellschaften oder Vorrecht der früher eingetragenen Gesellschaften auf
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die gemeinsame Firma – mit evtl. Vorbehalt des Rechtsweges), so erscheint es überflüssig, die Betroffenen darauf zu verweisen, dass sie gegen einander klagen können, da der Rechtsweg an sich ihnen nicht wohl abgeschnitten sein kann. – Der § 26 enthält sodann eine Norm, welche sich in unseren früheren Übergangsbestimmungen nicht findet, welcher aber beigepflichtet wird; und die Bestimmung des § 27 wird, wenn sie sich nicht von selbst verstehen sollte, hoffentlich keinen Schaden verursachen. ad. 2: Der wichtigste Teil des Gesetzentwurfs ist die Beseitigung der staatlichen Genehmigung, welche in den Art. 208, 214, 242, 247 und 248 des HGB (und entsprechend in den Gesellschaftsverträgen) angeordnet ist. – Hamburg hat seiner Zeit diese Staatsvormundschaft energisch bekämpft. Es hat wesentlich dazu beigetragen, dass den Landesgesetzen die partikulare Beseitigung nachgesehen ist. Es hat von der betreffenden Befugnis sofort im § 25 unseres EG Gebrauch gemacht. Das Hamburger Handelsgericht kann also keine Veranlassung haben, den höheren Behörden sein Einverständnis im Prinzip breiter auseinanderzusetzen, zumal die Motive des Entwurfes über diesen Punkt alles Erforderliche enthalten. Dagegen soll die Wohltat der Selbstbeherrschung der Aktiengesellschaften verkümmert werden durch eine Reihe von Vorschriften, welche unserem Rechtsleben fremd, als ein Fortschritt in der sorgfältigen Entwicklung zweckmäßiger Bestimmungen, welche das Gedeihen gesunder Aktiengesellschaften sicher zu stellen geeignet sind, nicht betrachtet werden können. Einen großen Teil der einzelnen Normen findet man bereits im HGB Art. 179–206 in dem Abschnitt über die KGaA, bei welcher ursprünglich die staatliche Genehmigung nicht in Aussicht genommen war, und dagegen eine Anzahl Gebote und Verbote in das Zivilrecht aufgenommen und sodann in demselben verblieben sind, welche als den hiesigen Verhältnissen wenig angemessen bereits gekennzeichnet worden im Bericht z. EG, ed. Hirsch, p. 21 u. 22. – Je weniger die KGaA praktisch hieselbst zur Existenz gelangte, je weniger Bedenken mochte man solchen Beschränkungen s.Zt. im Einzelnen entgegensetzen: je mehr die Aktiengesellschaften zu einer blühenden und weitverbreiteten Geschäftsbranche sich hierorts entwickelt haben, je ernster wird man vor einer die Entwicklung verkümmernden Gesetzgebung warnen dürfen. Die beabsichtigten Neuerungen sind: a. ein obligatorischer Aufsichtsrat (vgl. § 5 al. 1, § 6 al. 3, § 15–19). Der Begriff und Zweck eines Aufsichtsrats findet sich in den Art. 193 u. 225 HGB; die weitere Norm in Art. 226 korrespondiert den Art. 194 und 195. Für Aktiengesellschaften gab es bislang nur den fakultativen Aufsichtsrat des Art. 225. – Von den neuen Normen des Gesetzes für den Aufsichtsrat sind fast wörtlich entlehnt (weshalb es hier denn auch auf redaktionelle Bemerkungen nicht ankommen kann) Entwurf §§ 5 al. 1, 6 al. 3, §§ 15–19. Das Handelsgericht glaubt es nicht stark genug betonen zu können, dass die Stellung des Komplementärs gegenüber der KGaA eine prinzipiell verschiedene ist, von der Stellung der Direktoren oder des Vorstandes zu einer Aktiengesellschaft. Jener wechselt nicht, diese wechseln; jener führt allein die getrennte Verwaltung, diese leiten das Unternehmen gemeinschaftlich; diese haben bei größerem Betriebe technische Direktoren, welche der Vorstand kontrolliert, während die KGaA einen Art. 234 nicht
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kennt; vor Allem: der Komplementär, weil er solidarisch haftet und allein handelt, ist mit seiner ganzen Existenz an die KG gebunden, er wird sich leicht verleiten lassen, einen ungünstigen Stand der Gesellschaft zu kaschieren, um seine Stellung nicht einzubüßen; eine solche Befürchtung trifft bei persönlich haftenden Direktoren durchaus nicht in gleichem Maße zu. Wenn daher dem Komplementär gegenüber ein zahlreicher Aufsichtsrat mit besonderen Garantien für seine Wahl, mit einer Beschränkung seiner Remuneration, mit besonderen Pflichten und besonderer Verantwortlichkeit sich verteidigen lässt: so ist prinzipiell nicht das gleiche Bedürfnis bei einer AG vorhanden, die Revisoren der Abrechnung zu einer ähnlichen Kontrollbehörde umzugestalten. – Das französische Gesetz vom 24.7.1867 sur les sociétés unterscheidet dann auch sowohl dem Namen wie der Sache nach den conseil de surveillance der KGaA (Art. 5–11) von den commissaires der Aktiengesellschaft (Art. 32); und der englische audit der Companies Act 1862 (vgl. Art. 89–94 des Regulativs für Aktiengesellschaften) enthält der Sache nach nicht viel mehr als der Art. 225 HGB. Während bisher bei uns, wo der Umfang der Geschäfte und Interessen es sachgemäß erscheinen ließ, einen Aufsichtsrat entsprechend dem Art. 225 des HGB einzurichten (zu erinnern ist hier an die Revisoren der hiesigen Banken, der Hamb. Amerik. Paketfahrt-Aktiengeses. und anderer), solches geschehen, ist bei manchen kleinen Aktiengesellschaften mit wenig Aktionären und wenig Kapital ein Bedürfnis für eine derartige Einrichtung nicht geltend geworden. Und wiederum, wo das Rechnungswesen einer jährlichen Kontrolle der angesehensten Aktionäre unterzogen ist, hat sich keine Notwendigkeit herausgestellt, durch zivil- und kriminalrechtliche Bestimmungen dafür zu sorgen, dass sie die Pflichten eines Ehrenamtes mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes erfüllen. Die selbständige Berichterstattung der französischen Commissäre (Art. 32 al. 1 des franz. Gesetzes) und der englischen Auditors (Art. 94 l.c.) an die Generalversammlung über die Bilanz u.w.d.m. ist im Wesentlichen auch im Art. 225 HGB bereits enthalten, wenngleich nicht ausdrücklich „a correct view of the state of the company’s affairs“ oder „un rapport sur la situation de la société“ neben der Bilanzprüfung vorgeschrieben ist. Das Handelsgericht ist hiernach der Ansicht, dass eine Streichung der angezogenen Paragraphen, eine Belassung des fakultativen Aufsichtsrates des Art. 225 HGB unseren Verhältnissen am meisten entspricht. Er würde event. den Aufsichtsrat des Art. 225 als obligatorisch für Aktiengesellschaften mit zahlreichen Aktionären und großen Kapitalien (Zahlen lassen sich hier leicht finden), vgl. Renaud, Actien-Recht, p. 550 nicht als unangemessen bezeichnen. Es erlaubt sich nur ganz eventuell zu den Bestimmungen des Entwurfs auf einige auffällige Unzuträglichkeiten aufmerksam zu machen: a) § 5 al. 1: Die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrates gesetzlich auf mindestens 5 zu stellen, erscheint wenig geeignet für uns, welche Aktiengesellschaften (wenn auch nur ausnahmsweise, z.B. die Hamburg-Brasilianische Dampfschifffahrt-Gesellschaft) mit nur 3 Aktionären kennen, und welche eine Minimalzahl der Aktionäre gesetzlich nicht haben (nach französischem wie englischem Rechte – Art. 23 des Gesetzes von 1867, Art. 6 der Companies Act ist die Minimalzahl der Aktionäre 7). Es darf darauf verwiesen werden, dass nach englischem Recht einer oder mehrere Auditors
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zur Kontrolle der Direktoren bei der gewöhnlichen Aktiengesellschaft genügen, und dass ein audit committee von 5 Personen sich nur findet bei einer company limited by guarantee, welche praktisch in toter Buchstabe geblieben ist (vgl. Mittermaier in Goldschmidt, Zeitschrift, Beilagenheft zu Bd. XII, p. 42, N. 12 a.E.). Ebenso hat das französische Gesetz Art. 32 un ou plusieurs commissaires, und hat sogar für den conseil de surveillance der KGaA die frühere 5-Zahl nunmehr beschränkt auf drei (Art. 5 des Gesetzes von 1867). b) § 19: Das Handelsgericht ist ferner der Ansicht, dass die allgemeinen Strafgesetze gegen verbrecherische Direktoren und Aufsichtsräte genügen, wie wohl es nicht verkennt, dass die westeuropäische Gesetzgebung einzelne Normen gegen das schlechte Verhalten von Vorständen der Aktiengesellschaften aufgestellt hat, während wenigstens die Aufsichtsräte als solche (die commissaires und auditors) in den Strafbestimmungen nicht bezeichnet sind, vgl. Art. 45 mit Art. 13–16 des franz. Gesetzes von 1867 und Art. 164–169 der Companies Act 1862, im franz. Gesetz über den Aufsichtsrat der KGaA findet sich ausdrücklich sonst nur die Bestimmung: Art. 9: „Chaque membre du conseil de surveillance est responsable de ses fautes personelles dans l’exécution de son mandat, conformément aux règles des droit commun.“ Eine geeignetere Fassung als die des § 19 des Entwurfes erscheint dem Handelsgericht mindestens die Quelle derselben, ausweise der Motive des Art. 39 des Württ. EG. Ganz besonders anstößig ist dem Gerichte § 19 al. 2 erschienen, indem die dort besagte culpa, die Unterlassungssünde der Bestellung oder Ergänzung des Aufsichtsrates, in der Regel mit Gefängnisstrafe bedroht wird, während eine Geldstrafe unter allen Umständen genügen möchte. c) Sollte indes sowohl die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrates beantragtermaßen beschlossen werden, wie ferner die Strafbestimmung namentlich im Fall der Nichtergänzung der geforderten Zahl aufrecht erhalten bleiben: so würde eine Bestimmung unentbehrlich sein dürfen, welche Sorge trägt für die nötigen Ernennungen, falls unter den Aktionären keine hinreichende Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern sich findet, oder falls die Gewählten die Annahme des peinlichen Amtes ablehnen, oder sonst eine Wahl resp. Ergänzung nicht zustande kommen sollte. In dem französischen Gesetz findet sich darüber die Bestimmung (Art. 32 al. 3): „il est procédé à leur nomination ou à leur remplacement par ordonnance des président du tribunal de commerce du siège de la société, à la requête de tout interessé“, und nach der joint stock companies act (cf. a. 91 des Regulativs) hat der board of trade unter gewissen Voraussetzungen auf ein Jahr einen „auditor“ zu bestellen. Es wird hier natürlich anheimgegeben, ob die Handelskammer oder welche Behörde in Hamburg event. die Ernennung vorzunehmen hätte, und mag auch darauf verwiesen werden, dass die franz. commissaires associés ou non sein können. Dagegen würde wohl gesetzlich ein bestimmter Kreis von Gewerbetreibenden bezeichnet werden müssen, welche die amtliche Ernennung unter Präjudiz anzunehmen gezwungen würde – ein renitenter Aktionär könnte jeden Tag seine Aktien verkaufen und wäre dann nicht mehr Aktionär –, wenn man nicht schließlich ganz gegen den Geist solcher Gesellschaften auf Subaltern-Beamte oder Fallitenbuchhalter zu rekurieren sich gemüßigt sehen soll. Bestraft man den Mangel an Aufsichtsräten, so ist es nur konsequent, für hinreichende Suppleanten zu sorgen.
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d) Es versteht sich schließlich von selbst, dass der Inhalt des § 18 event. zu modifizieren sein würde nach den über die voraufgehenden Paragraphen des Entwurfs (z.B. §§ 10, 12) etwa zu beschließende Abänderungen. b. Die Beobachtung besonderer Formen, wenn bei der Errichtung Einlagen von Einzelnen nicht in Gelde gemacht, oder ihnen sonst besondere Vorteile stipuliert werden. Die hier entworfenen Bestimmungen (§ 5 al. 2 u. 3) sind eine sorgfältigere Ausarbeitung des Art. 180 HGB. Das Handelsgericht ist mit deren Inhalt einverstanden. Es glaubt sich aber darüber nicht zu täuschen, dass ein besonderer Schutz der Aktionäre durch solche Normen nicht gewährt wird. Entweder kontrahiert der Besitzer einer Anlage mit den Unternehmern der Aktiengesellschaft zu festem Verkaufspreise und die Bestimmungen kommen gar nicht zur Anwendung; oder wenn er für die Überlassung seiner Anlagen den Kaufpreis teilweise in Aktien anzunehmen hat, so wird erfahrungsmäßig von den Gründern der Aktiengesellschaft, welche bei der Übernahme nicht ohne gute Meinung von dem Unternehmen zu sein pflegen, die erforderliche Stimmenzahl in der ersten Generalversammlung zusammengebracht (Lauenstein’sche Wagenfabrik). c. Die Deckung des Grundkapitals durch Unterschriften und dessen teilweise Einzahlung vor Beginn der Tätigkeit (nebst der zugebehörigen Eintragung in das Handelsregister resp. Veröffentlichung; Entwurf § 5 al. 4; § 6 al. 1 u. 2). Im hamburgischen EG § 27 ist bereits die im HGB omittierte Bestimmung über die Deckung des Grundkapitals durch Unterschriften vor Beginn der Tätigkeit einer Aktiengesellschaft (welcher sich für KGaA im Art. 177 sub. 1 findet) hieselbst eingeführt, und die Nichteinhaltung nicht bloß bedroht mit der solidarischen Haft der Handelnden (§ 7 al. alt. des Entwurfs, vgl. HGB Art. 178 S. 2 a 211 S. 2), sondern mit besonderer, wie Ein Hochpreisliches Obergericht sich erinnern wird, auf das Gutachten des Ober-AppellationsGerichts erhöhter, Strafbestimmung. Die traurige Geschichte der „Hammonia“ hatte wohl den ersten Anlass zu solcher Verfügung geboten, aber auch abgesehen von derselben, ist das Unterfangen von Bevollmächtigten von Assekuranzgesellschaften vor der Deckung des Kapitals durch Unterschriften Policen zu zeichnen, ein nicht seltenes gewesen. Das Handelsgericht kann der beregten Anordnung unter Verweisung auf die Motive zu unserem EG (ed. Hirsch, p. 24) nur beipflichten und darf den Wunsch nicht unterdrücken, dass das hamburgische Gesetz, wenn es zur Kunde des Handelsgerichts kommt, dass vor erfolgter Eintragung einer Aktiengesellschaft im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so hat das Handelsgericht von Amtswegen mit Verboten bei Ordnungsstrafen bis zum Betrage von 1000 Rth. gegen die Handelnden, unbeschadet der persönlichen und solidarischen Haftung derselben, einzuschreiten, allgemeine verbindliche Kraft erlange, weil dem Publikum mit der persönlichen und solidarischen Haft insolventer Schwindler weit weniger gedient sein kann, als mit deren Bestrafung und der gehörigen Veröffentlichung derselben. Weniger unbedenklich erscheint dagegen die Verfügung der Einzahlung von 10 resp. 20% bei Versicherungsgesellschaften, vor der Eintragung usw. Das Handelsgericht hält zwar im Allgemeinen eine solche Bestimmung nicht für unangemessen, erachtet es aber doch als Pflicht,
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darauf aufmerksam zu machen, dass zu Zeiten von Handelskrisen mit entschiedenem Erfolge hieselbst Kredit-Versicherungs-Vereine (z.B. der Garantie-Disconto-Verein von 1857) ins Leben getreten sind und gewirkt haben, welche in der Nachschussverbindlichkeit angesehener Zeichner ihre Hauptstütze fanden und welche schwerlich bei 20% Einschuss zu einer prompten und segensreichen Wirksamkeit gelangt wären. Anheimgegeben mag es daher werden, ob nicht der Landesregierung eine Disposition von dieser Vorschrift wenigstens für eine bestimmte Zeit oder für bestimmte Fälle im Gesetz nachgelassen werden sollte. d. Die vollständige Publikation der Statuten, der Abänderung oder Verlängerung derselben und zwar bei Strafe der Nichtigkeit (§ 7 d.E. al. 1, 2 u. 3). So wenig das Handelsgericht einer angemessenen Veröffentlichung der wichtigsten Grundlagen einer Aktiengesellschaft entgegentreten kann – auch gegen das Präjudiz nicht moniert –, so glaubt es doch darauf aufmerksam machen zu müssen, dass, wenn die im Allgemeinen ausreichenden Bestimmungen des Art. 210 HGB beseitigt werden sollen, es wünschenswert sein möchte, dem § 7 d.E. eine derartige Klausel: „so weit nicht von dem zuständigen Handelsgerichte eine Abkürzung der Veröffentlichung für zweckmäßig erachtet wird“, beizufügen und möchte für solche Abkürzungen der Art. 210 HGB normativ bleiben. In unserer Zeit, in welcher das Publikum mit Publikationen überbürdet wird, dürfte es zur Aufgabe des Staates gehören, die notwendigen Veröffentlichungen sachgemäß einzuschränken, weil die allzulangen Mitteilungen ihren Zweck, gelesen und behalten zu werden, verfehlen. Dass das Handelsgericht nicht gern eine entsprechende Verantwortlichkeit übernimmt, ist ein Gesichtspunkt, der nicht ins Gewicht fallen kann. Es mag aus früheren Zeiten u.a. darauf aufmerksam gemacht werden, dass in den Statuten der hiesigen Patriotischen Assecuranz-Compagnie von 1820 sich ein ziemlich umfänglicher Codex der See-Versicherungsbedingungen – des späteren Planes – findet, so dass die Statuten ein gedrucktes Quartheft von 18 Seiten einnehmen. In Bezug auf die Veröffentlichungen sind ferner durch den § 28 EG die Zweigniederlassungen auswärtiger Aktiengesellschaften den hiesigen gleichgestellt und werden bei dem großen Umfang ihrer hiesigen Geschäfte – man erinnere sich nur der Feuerund Lebensversicherungsgesellschaften – denselben in diesem Punkte gleichgestellt bleiben müssen. Deponiert auf dem Firmen-Büro sind u.a. das Deed of settlement of the english Widow’s fund (Lebensversicherungsgesellschaft 1847) ein enggedruckter Folioband von 45 Seiten, und die Statuten der British and foreign Reliance Assurance Company 35 enggeschriebene Halblängen lang. Die Extension der Northern Assurance Company London 1865 allein bildet eine Schrift von 98 gedruckten Oktavseiten; und die Verfassung der Feuerversicherungsbank für Deutschland (Gothaer Bank) dürfte ein gewöhnliches Amtsblatt ausfüllen. Sollte wirklich das Publikum mehrere Beilagen zum „Correspondenten“ über eine Gesellschaft lesen und aufbewahren? Genügt dann nicht die jeder Zeit mögliche Inspektion auf dem Gerichte? Und wie soll es hier mit der Sprache gehalten werden? Beglaubigte Übersetzungen sind für feinere Fragen bislang ein bekanntlich unzureichendes Auskunftsmittel, und doch wird die Behörde dem Publikum eine Mitteilung nicht in fremder Sprache machen dürfen. Man geriete also in die Lage, diese Veröffentlichungen, ähnlich den Staatsverträgen,
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in der Ursprache und in der Übersetzung dem Publikum zu bringen: ein das Maß des Zweckmäßigen noch weiter überschreitendes Verfahren. Das Handelsgericht glaubt daher unter der vorgeschlagenen Klausel das mannigfaltige Leben mit den wohlmeinenden Intentionen des Gesetzgebers vereinigen zu können. e. § 8 des Entwurfes. Der gesetzliche Minimal-Betrag der Aktien. Die hier aufgestellte Vorschrift hat dem Handelsgerichte zu einem Bedenken auf Grund unserer Verhältnisse keinen Anlass gegeben. Da durch den Art. 207 HGB Aktien oder Aktienteile schon für unteilbar erklärt sind, so ist bereits dafür gesorgt, dass die sonst leicht mögliche Umgehung dieser Bestimmung dadurch, dass mehrere Personen eine Aktie nehmen, nicht in’s Werk gesetzt werden kann. f. (§ 9 d.E.) Die Unabänderlichkeit der Nominalhöhe der Aktien. Ein Bedürfnis für eine gesetzliche Beschränkung der entgegenstehenden Freiheit, soweit solche nicht bereits durch den § 8 d.E. gegeben ist, vermag das Handelsgericht nicht zu erkennen. Es erinnert sich, dass ohne Unzuträglichkeiten für die Aktionäre und nicht zum Schaden der betreffenden Unternehmungen hiesige Aktiengesellschaften die Nominalhöhe der Aktien herabgesetzt haben (z.B. die Hamb. Amerik. Paketfahrt Aktien-Gesellschaft von 2000 auf 1000 RTh.), es glaubt, dass durch die zutreffenden Vorschriften über Abänderung der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages (Art. 214 HGB) die Gesetzgebung hinreichende Fürsorge auch in der hier fraglichen Richtung bereits getroffen hat. Übrigens unterdrückt das Handelsgericht zu diesem und dem voraufgehenden Paragraphen die Bemerkung nicht, dass durch Art. 21 und 22 der Companies Act von 1867 die Unterteilung von Aktien in kleinere Beträge (einen Spezialbeschluss und gehörige Veröffentlichung vorausgesetzt) vollständig erlaubt werden (Mittermaier, l.c., p. 45). g. (§ 10 d.E.). Das Verbot des Ankaufs eigener Aktien und deren Amortisation. Bedenken wird es erregen, dass eine entsprechende Bestimmung bei der letzten Revision sowohl der englischen wie französischen Gesetzgebung über Aktiengesellschaften abgelehnt ist. Nach der Mitteilung von Dr. F. Mittermaier (ZHR Bd. XII, Beilagenheft, 1868, p. 45) ist während der Beratung der revidierten Companies Act (1867) „mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass es dringend erforderlich sei, Vorkehr gegen das Ankaufen von Aktien durch die Gesellschaft selbst zu treffen, weil dadurch zum Schaden der Gläubiger die Zahl der beitragspflichtigen Aktien vermindert werde“. Eine entsprechende Vorschrift ist aber nicht in das Gesetz aufgenommen. Nach derselben Quelle (loco cit. p. 124) ist 1867 ein ähnlicher Antrag gelegentlich des Gesetzes vom 24.7.1867 sur les sociétés im französischen gesetzgebenden Körper gestellt, zur Verhütung häufig vorkommender betrügerischer Verminderung des den Gläubigern haftenden Vermögens. Der Antrag ist jedoch abgelehnt, nachdem geltend gemacht war, „dass sehr oft solcher Rückkauf der eigenen Aktien in redlicher Absicht geschehe, um brachliegende Gelder gut anzulegen oder das Aktienkapital zu amortisieren, dass man somit diesen Ankauf nicht allgemein verbieten könne“. Der Ankauf eigener Aktien kann allerdings, weil es eine indirekte Verminderung des Grundkapitals sein kann
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(die Aktien können ja auch wieder begeben werden) die Gläubiger benachteiligen, er kann zu einer Agiotage in den eigenen Aktien führen (und solche ist wohl nicht allein beim credit mobilier vorgekommen), welche dem Zweck der Gesellschaft fern liegt, oder fern liegen sollte. Die Amortisation der eigenen Aktien kann in gleicher Richtung durch Verminderung des Grundkapitals die Gläubiger der Gesellschaft beeinträchtigen; sie kann außerdem, wenn der Amortisationsfond nicht vom Grundkapital genommen wird, die Aktionäre benachteiligen, indem sie einen Teil des sonst zu verteilenden Gewinnes den Aktionären entzieht und solchen auf den Ankauf eigener Aktien und deren Vernichtung verwendet. Dennoch glaubt das Handelsgericht, dass die betreffende Vorschrift in der gegebenen Allgemeinheit ebenso schädlich wie nützlich sein dürfte. Die allgemeinen Strafgesetze, wie die zivilrechtlichen Bestimmungen über Abänderung des Gesellschaftsvertrages dürften ausreichen, wirklichem Unrecht genügend zu begegnen. Nach unserer Erfahrung datiert dagegen z.B. die Norddeutsche Bank – welche ursprünglich anscheinend mit einem zu hohen Kapital arbeitete – ihren Aufschwung wesentlich von der Zeit her, da sie einen erheblichen Teil ihrer Aktien aufkaufte und diese von der Dividende ausschloss. Die Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn-Gesellschaft hat gegen die Garantie einer bestimmten hohen Dividende vom Staate, die Verbindlichkeit übernommen, aus ihren etwa höheren Gewinnen einen gewissen Anteil zur Amortisation ihrer Aktien zu seinem hohen Kurse zu verwenden, wobei die schließlich amortisierte Bahn sodann dem garantierenden Staate anheimfällt. Staat und Aktionäre haben beide keinen Nachteil von solchem Übereinkommen gehabt. Wenn ein Ankauf der eigenen Aktien nur bis zu einem gewissen Teil des Grundkapitals (z.B. ein Drittel derselben), wenn die Amortisation nur unter gleicher Beschränkung, oder vollständig nur zu Gunsten eines Dritten, welcher den Aktionären eine Gegenleistung gibt, durch Beschluss der Generalversammlung ins Werk gesetzt werden kann: so dürfte, will man die Bestimmung nicht ganz fallen lassen, wie in England und Frankreich geschehen, besorgten Gemütern alle Rechnung getragen sein; ob wohl auch dann schwer zu übersehen ist, in welche nicht beabsichtigte Verstrickung die eine oder andere Gesellschaft durch die Gesetzgebung gebracht werden kann. Darüber wird man sich nicht täuschen dürfen, dass durch das erste Verbot der Agiotage ein wirklicher Damm nicht entgegengesetzt wird. h. (§ 11 d.E.). Die Berechnung Auskehrung des Gewinnes. Placet. Das Wort „Einnahme“ ist ein sinnentstellender Druckfehler für „Einlagen“. i. (§ 12 d.E.). Die Vorschriften über die Bildung der Bilanz. Wenn die Bestimmungen des § 12 – mit der unten aufzuführenden Ausnahme – als richtig gelten mögen, so erscheinen sie doch selbstverständlich und ein Bedürfnis zur Regulierung für die Gesetzgebung liegt nach der Ansicht des Handelsgerichts um so weniger vor, als es schwer zu übersehen sein möchte, ob sie in allen Fällen als zutreffend anzusehen sein werden. Die Bestimmung jedoch, „Grundstücke dürfen höchstens zu dem Erwerbswerte zum Ansatz kommen“ (§ 12 S. 1 d.E.), ist nach der Ansicht des Handelsgerichts ver-
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kehrt mit Rücksicht auf die enormen Steigerungen, welche der Kulturboden erfährt, wenn er zum städtischen Baugrund accessiert, verkehrt mit Rücksicht auf das Sinken von Speicher- und ähnlichen Anlagen, wenn eine künstliche Schöpfung die Lebenskraft verliert, wobei in erstem Fall gar nicht an Hamburg, und im zweiten gar nicht an Harburg gedacht zu werden braucht. Eine solche Norm kann ferner für eine Gesellschaft, welche sich den An- und Verkauf von Grundstücken, deren Parzellierung usw. erlaubter Weise zum eigentlichen Geschäftsbetriebe gesetzt hat, schwerlich als maßgebend angesehen werden sollen. Ob man den Steuerwert oder nicht vielmehr eine Sachverständigen-Taxe oder welche sonstige Norm hier zu suppeditieren hat, wird natürlich anheimgegeben. Die Sachkunde der Direktoren und Revisoren sollte wohl in der Regel zu einer richtigen Schätzung ausreichen. Die Kosten der Verwaltung sind sodann gleichfalls als Ausgabe zu behandeln. Nach der Fassung von al. 3 des § 12 werden von der laufenden Verwaltung, die ersten Einrichtungsgegenstände derselben nicht getrennt. Diese gehören indessen eigentlich in die erste Jahresrechnung, und nicht in jede spätere abermals, wobei übrigens nicht abzusehen ist, dass es unzulässig sein sollte, – was häufig nach statutenmäßiger Anordnung geschieht – die ersten Einrichtungskosten in der Bilanz einer bestimmten Zahl der ersten Geschäftsjahre zu amortisieren, um nicht das erste Jahr übermäßig zu belasten. Der Ausdruck „die Kosten der Organisation“ ist unglücklich gewählt und verleitet zu Missverständnissen. Unter Organisation würden auch Ausgaben für Arbeit zu begreifen sein, z.B. bei einer Pferdebahn, welche keinen Bahnkörper eigentümlich besitzt, die große Auslage für die Legung der Schienen. Ersichtlich kann nicht diese Ausgabe und das Grundkapital auf derselben Seite der Bilanz figurieren, oder jene lediglich als Verlust des ersten Jahres behandelt werden, auch wenn es indiziert sein mag, diese Ausgabe allmählich in der Bilanz er amortisieren, und mit der Zeit nur die Schienen als activum aufzuführen. k. (‚§ 13 d.E.). Die Veröffentlichung der Bilanz. Gegen die Veröffentlichung der Bilanz hat das Handelsgericht keine Einwendung zu erheben, wenn sich diese Verbindlichkeit auf die Aktiengesellschaft mit großen Kapitalien beschränkte. Für die Gesellschaften mit geringem Betriebe erscheint sie wenig passend. – Die Fassung des § 13 unterlässt aber bei Bezugnahme auf den Art. 239 HGB eine Bezugnahme auf Art. 249 S. 2 a.E., wodurch den Landesgesetzen vorbehalten ist, die Frist zur Vorlegung der Bilanz bis als 12 Monate seit Ablauf des Geschäftsjahres für besondere Arten von Aktiengesellschaften oder in besonderen Fällen durch den Gesellschaftsvertrag mit staatlicher Genehmigung auszudehnen, eine Befugnis, für welche der § 26 EG die nötigen Anordnungen getroffen hat. Die Motive schweigen. Die §§ 1 und 2 d.E., weil den preußischen Gesetzen angemessen gearbeitet, enthalten vom Art. 249 nichts, mutmaßlich weil der Art. 249 HGB in Preußen nicht zur Anwendung gekommen ist. Das regelmäßige Bedürfnis für die Beibehaltung der 12monatlichen Frist besteht aber bekanntlich für die Assekuranz, namentlich die See-Versicherungs-Gesellschaften. Natürlich soll darüber nicht gestritten werden, dass täglich eine Bilanz aufgenommen werden kann, namentlich über ein abgelaufenes Geschäftsjahr an jedem Tage, nachdem es verflossen ist. Man kann aber eine allzu zeitige Bilanz auch nicht annähernd gebrauchen, um ein
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richtiges Resultat zu ziehen. Teils laufen die Gegensätze der Einnahmen, die gegen die Prämien übernommener Risikos noch, weil die Reisen noch nicht beendet sind, teils sind in Havariefällen die Schäden nicht liquidiert, teils ist die Verschollenheitsfrist nicht expiriert, wenn die Bilanz innerhalb 6 Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres vorgelegt werden soll. Wenn nun die staatliche Genehmigung für die 12monatliche Bilanzfrist der Art. 249 mitbeseitigt werden soll, so würden doch diejenigen Arten von Aktiengesellschaften, oder diejenigen Fälle nunmehr gesetzlich namhaft zu machen sein, bei welchen eine Veröffentlichung der Bilanz innerhalb 12 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres zu publizieren ist, es würde der Art. 239 HGB dementsprechend einer Umarbeitung unterliegen müssen und wird hier deswegen zugleich auf die Schlussbemerkung über den Art. 249 a.E. (überhaupt, natürlich auf ad. 1) verwiesen. l. (§ 14 d.E.). Die Aufnahme von Anleihen nur auf Beschluss der Generalversammlung. So harmlos der § 14 d.E. sich ausnimmt, wenn man an eine wohlbehaltene und gutsituierte Lebensversicherungsgesellschaft denkt, so erscheint er doch in seiner jetzigen Fassung unhaltbar, wenn man die große Kategorie der Aktien-Gesellschaften, welche die Banken bilden, ins Auge fasst. Deren Geschäfte bestehen denn doch ganz wesentlich nicht nur im Verleihen ihres Grundkapitals, sondern auch in der täglichen Annahme von Anleihen und irregulären Depositis. Abgesehen von denselben, ist es aber auch nicht unbedenklich, in kritischen Zeiten einer Direktion zu verbieten, ohne Generalversammlung eine Geschäftsstockung durch ein Anlehen zu vermeiden. Auch die Lizenz, 5% des Grundkapitals für laufende Ausgaben zu borgen, dürfte zu eng bemessen sein, wenn man sich erinnert, dass die Terminzahlungen auf im Bau begriffenes großes, zur transatlantischen Fahrt bestimmtes Dampfboot, weit über 50.000 Rth. betragen, während das Grundkapital z.B. unserer Hamb. Amerik. PaketfahrtAktien-Gesellschaft bis vor Kurzem nur 1 Million ausmachte. Eine Streichung des § 14 wenigstens in vorliegender Redaktion dürfte das allein Angemessene sein. Zum Schluss erlaubt sich das Handelsgericht einige allgemeine Bemerkungen: Es ist bereits in dem Begleitschreiben des Entwurfes hervorgehoben, dass die Redaktion des Gesetzes sich den gegenwärtigen preußischen Zuständen anschließe. Für ein Bundesgesetz wäre nach der Ansicht des Handelsgerichts die Aufhebung der staatlichen Genehmigung, welche die Art. 208, 214, 242, 247 und 248 HGB und dem entsprechend die Statuten von Aktiengesellschaften enthalten, auszusprechen, unter Beibehaltung des letzten Satzes von § 2, in welchem (Zeile 1) vor Genehmigung das Wort „staatlich“ wohl kaum fehlen dürfte. In einen Schlussparagraphen, ähnlich dem § 20 würden sodann diejenigen im Norddeutschen Bunde geltenden Landesgesetze einschließlich des preußischen und incl. des Gesetzes vom 15.2.1864 (§ 3 al. ult.), zu verweisen sein, welche durch das neue Gesetz außer Kraft treten. Hieran schließt sich mit Notwendigkeit das Erfordernis einer Umarbeitung der Art. 222 und Art. 239 HGB. Es kann nicht die Absicht der Proponenten des neuen Gesetzes sein, die größere Freiheit, welche in Bezug auf beide Artikel den Landesgesetzen im Art. 249 a.E. gewährt ist, zu beseitigen. Es darf ebenso wenig angenommen werden, dass die hier (Art. 249) gesetzliche staatliche Genehmigung aufrecht erhalten werden soll. Die natürlichste Lösung dürfte immerhin eine solche sein, welche den
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Inhalt des Art. 249 i.f. an die Stelle der betreffenden Vorschriften der Art. 222 und Art. 239 HGB treten ließe. Wenn man aber voraussetzen darf, dass eine so weit gehende Änderung den Beifall der Bundesbehörden nicht erlangen wird, so erscheint es doch unerlässlich, die „besonderen Arten von Aktiengesellschaften“ – also z.B. die Assekuranzgesellschaften, für welche beide Abteilungen des Art. 249 a.E. zutreffen, oder „die besonderen Fälle“ – also z.B. eine Handelskrisis, welche die momentane Bilanzziehung als untunlich erscheinen ließe – gesetzlich zu normieren, für welche die Regeln des Art. 249 maßgebend sein sollen. Anderenfalls würde man entweder diese nützlichen Bestimmungen abschaffen, oder die staatliche Genehmigung für deren Anwendung beibehalten müssen, weil man beim Wegfall der letzteren im Art. 249 sonst zwei widersprüchliche Bestimmungen, einerseits die Art. 222 und 239, andererseits den Art. 249 a.E. besitzen würde. [...] Das Handelsgericht schließt mit dem Bedauern, dass ein ersichtlicher Fortschritt der Gesetzgebung für die Mehrzahl unserer Bundesgenossen, Hamburg mit einem Rückschritt bedroht. Es hat natürlich in seinem Berichte ganz vorzugsweise die hiesigen Zustände im Auge behalten, bittet aber, die etwa zu große Ausführlichkeit derselben mit der lebhaften Besorgnis vor ungeschickten Eingriffen in unsere Lebens- und Handelsverhältnisse entschuldigen zu wollen, indem es ganz besonders darauf hinweist, dass am hiesigen Platze ganze Geschäftszweige überwiegend in den Händen von Zweigniederlassungen auswärtiger Aktiengesellschaften sich befinden, welche den beengenden Normen der beanstandeten Gesetze nicht unterworfen sind, und welchen daher die Konkurrenz nur erleichtert wird durch derartige den deutschen Gesellschaften vorschriftlich verordnete Fesseln. Das Handelsgericht, gez. W. Stammann, Dr. (Actuar).
c) Gutachten des Obergerichts vom 13.9.1869. ... Unter dem Vorbehalte, auf die Bestimmungen von untergeordneter Bedeutung, welche sich auf Gleichstellung beziehen der Aktiengesellschaften, die nicht Handelsgesellschaften und auch nicht Erwerbsgesellschaften sind, mit den Handelsgesellschaften, am Schlusse mit wenigen Worten zurückzukommen, wendet sich das Obergericht sofort zu dem eigentlichen Kern des Gesetzentwurfs, der scheinbaren Emanzipation der Aktiengesellschaften von der staatlichen Bevormundung, an deren Stelle eine, in ihren Wirkungen noch mehr zu beklagende Einengung in gesetzliche Normativ-Bestimmungen treten soll. Das Obergericht erachtet sich verpflichtet, sich von vornherein dahin auszusprechen, dass es in dem Entwurfe, erlangte derselbe für alle Staaten des Norddeutschen Bundes Gesetzeskraft, nicht allein eine verderbliche Reaktion zu Lasten derjenigen Einzelstaaten erblicken würde, welche sich bisher der durch Art. 249 HGB gestatteten Entfesselungen erfreuet haben, dass vielmehr auch für die Staaten, in welchen der Art. 249 nicht zur Geltung gekommen, durch den Entwurf ein wirklicher Fortschritt nicht in Aussicht gestellt, sondern die scheinbare Entfreiung durch sehr eingreifende Präventiv-Maßregeln, wenn nicht überwogen, doch jedenfalls aufgewogen worden
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wird. Eine Anzahl nützlicher, ja, unter Umständen notwendiger Beschlussnahmen, zu welchen die Aktiengesellschaften dem bisherigen System noch unter Vorbehalt staatlicher Genehmigung schreiten durften, wird durch den Entwurf einem absoluten Verbote unterzogen. Dazu kommen neue Normativvorschriften, deren Tragweise bei Entwerfung des Gesetzes-Projektes unmöglich zur klaren Anschauung gekommen sein kann. Kurzum, der Geist, den der Entwurf atmet, ist ein so beengter, dass auch von einer Umarbeitung desselben Gedeihliches nicht zu erwarten steht, vielmehr nur bei einer Zurückweisung desselben in seiner Gesamtheit Schutz gegen entschiedenen Rückschritt zu erblicken ist. Zu einem ganz anderen Ergebnisse hätte notwendig gelangt werden müssen, wenn die Prämissen, welche die Motive als leitende Grundsätze aufstellen, festgehalten, und konsequent durchgeführt worden wären. In den Motiven wird, behufs Rechtfertigung der Aufhebung des staatlichen Bevormundungs-Systems Bezug genommen auf die Erörterungen der hamburgischen Abgeordneten zur Nürnberger Konferenz. Wenn dieselben in den Motiven als zutreffend anerkannt werden, so hätte der Entwurf es vermeiden sollen, sich mit denselben in diametralen Widerspruch zu setzen. Die hamburgischen Abgeordneten redeten der freiesten Entwicklung, wie des Handelsverkehrs im Allgemeinen, so dem fessellosen Selbstgouvernement der Aktiengesellschaften das Wort. Wenn bei Abfassung des Entwurfes und den Motiven anerkannt worden ist, dass die hamburgische Ansicht jener Zeit im Gegensatz zu dem von dem Königl. Preußischen Vertretern zur Geltung gebrachten Systeme, das Richtige getroffen hat, so wird man der zuversichtlichen Erwartung Raum geben dürfen, dass der entschiedene Widerspruch, den die Normativ-Bestimmungen des neuen Projektes in allen urteilsfähigen hamburgischen Kreisen hervorrufen, der bedauerlichen Eventualität vorbeugen wird, welche, träte der Entwurf in Kraft, nach abermaligen betrüblichen Erfahrungen, zu einer verspäteten Beachtung rechtzeitiger Warnungen führen müsste. Die Erfahrungen, welche in den Staaten gemacht worden, in welchen der Art. 249 zur Geltung gekommen, werden in den Motiven als berücksichtigungswert in Beziehung auf die neue Gesetzgebung bezeichnet. Wären aber diese Erfahrungen wirklich berücksichtigt worden, so würde die Wahrnehmung nicht unbeachtet geblieben sein, dass die Gründe des Aktienschwindels, welche die Motive als eine vielleicht unvermeidliche Folge des beabsichtigten Hinwegfalls der staatlichen Genehmigung in Aussicht nimmt, in jenen Staaten nicht eingetreten ist. In Hamburg namentlich sind seit dem totgeborenen Aktienschwindels des Jahres 1844, der überall in den norddeutschen Staaten und nicht in geringem Grade auch in den Königl. Preußischen Staaten bezüglich der für die Herzogtümer Schleswig-Holstein projektierten Eisenbahnen hervorbrach, und alsbald unschädlich verendete, irgend auffällige Erscheinungen im Gebiete des Aktiengesellschaften nicht zu beklagen gewesen, mit alleiniger Ausnahme des Falles der Lebensversicherungsgesellschaft Hammonia, der nicht eingetreten sein würde, wenn die gesetzlich bestehende Kontrolle, welche der § 12 des Firmengesetzes vom 28.12.1835 [Sammlung der Verordnungen der Hansestadt Hamburg, Bd. 14, Hamburg 1837, 307 ff.] angeordnet, in Ausübung gebracht worden wäre. Die Motive nehmen ferner die, in den König. Preußischen Staaten gemachten Erfahrungen in Bezug. Wenn sie nun bekennen müssen, dass das Institut der KGaA,
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ungeachtet dasselbe der staatlichen Genehmigung schon bisher nicht bedurfte, nur stellenweise Wurzel geschlagen hat (in Hamburg hat es auch nicht eine einzige Wurzel geschlagen), so hätte es nahe gelegen, die Nichtlebensfähigkeit dieses Institutes den einengenden Normativ-Bestimmungen beizumessen, welches dasselbe durch den zweiten Titel des zweiten Buches des HGB unterzogen worden ist. Und genau dieselben Normativ-Bestimmungen, welche jenes Institut aufzukommen verhindert haben, sind es, die jetzt, und dabei in vermehrter und verschärfter Auflage, den nominell zu emanzipierenden reinen Aktiengesellschaften aufgedrängt werden sollen! Wenn endlich auch die französische und die englische Gesetzgebung in den Motiven in Mitbeziehung genommen sind, so darf hinsichtlich dieser Bezugnahme nicht übersehen werden, dass es den Motiven nur in einzelnen Ausnahmsfällen gelungen ist, für die Normativ-Bestimmungen des Entwurfs Analogien aus jenen Gesetzgebungen zu entlehnen, obwohl die Gesetzgebungen des französischen Polizeistaates, und Englands, in welchem erst seit 1862 eigentliche Aktiengesellschaften zu gesetzlichen Anerkennung gelangt sind, begreiflicher Weise einer genügenden Entfreiung der Aktiengesellschaften nicht zuneigen konnten. Eine kluge Beleuchtung der projektierten Normativ-Bestimmungen wird die vorstehende Beurteilung derselben zu rechtfertigen haben. Zu den bisher nicht existenten Verboten oder gebietenden Normativbestimmungen gehören u.a. § 9. Die Nominal-Höhe der Aktien oder Aktienteile darf während des Bestehens der Gesellschaft weder vermindert noch erhöht werden, und § 10: der Ankauf der eigenen Aktien oder die Amortisation derselben ist den Aktiengesellschaften untersagt. Die Regierung freilich hatte es in der Hand, Maßregeln dieser Art, zu denen ein Beschluss der Generalversammlung erheischt wurde, welcher eine Abänderung des Gesellschafts-Vertrages zum Zwecke hatte, und mithin nach Art. 214 der staatlichen Genehmigung bedurfte, durch Versagung der Genehmigung unmöglich zu machen. Allein, absolut abgeschnitten waren doch derartige Maßregeln nicht. In den Motiven wird zugegeben, dass Beschlüsse dieses Inhalts unter Umständen dem verständigen Interesse der Aktionäre entsprechen können, ohne die etwaigen Gläubiger der Gesellschaft irgendwie zu gefährden. Es wird ferner angeführt, dass die Genehmigung der Regierung in Beziehung auf § 9 öfter, und in Beziehung auf § 10 bisweilen erteilt sei. Beide Bestimmungen stellen demnach die Aktiengesellschaften künftighin schlechter als sie unter dem Systeme der staatlichen Genehmigung standen. Die Motive enthalten freilich die tröstende Weisung, dass beide Bezweckungen durch andere Mittel erreicht werden können, allein, wenn man gewahr wird, dass diese Mittel hinsichtlich des § 9 (gewissermaßen auch hinsichtlich des § 10) in einer Auflösung der Gesellschaft bestehen, deren Aktionäre sich ja demnächst neu konstituieren können, und wenn man ferner erwägt, mit welchen Weitläuftigkeiten die Auflösung nach Buch 2 Titel 3 des HGB verknüpft ist, und wie lange Zeit verstreicht, bevor die Aktionäre der aufgelöseten Gesellschaft zu ihren Anteilen gelangen, so wird man wirklich Tröstliches in diesen Hinweisungen nicht erblicken können. Im Berichte des Handelsgerichts ist hervorgehoben, dass zwei unserer blühendsten Aktiengesellschaften, die Hamburg-Amerikanische Paketschifffahrts-Gesellschaft und die Norddeutsche Bank gerade in Folge solcher Beschlüsse zu hohem Flor gedie-
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hen sind, mittelst welcher die eine dem Verbote des § 9, die andere dem Verbote des § 10 zuwider handelte. – Keineswegs soll bestritten werden, dass beide Maßregeln den beabsichtigten Erfolg verfehlen und nachteilig anstatt vorteilhaft für die Aktionäre ausfallen können. Das Verbot einer Beschlussnahme rechtfertigt sich aber nicht dadurch, dass dieselbe nicht im Voraus für unfehlbar erachtet werden kann. Der freien Entschließung der Gesellschaft muss darum nicht minder Raum gegeben werden. Anlangend aber eine durch jene Maßregeln herbei zu führende Gefährdung der Gläubiger der Gesellschaft, so dürfte dieselbe, wenn überhaupt, so doch nur unter der Voraussetzung betrügerischen Verfahrens, nicht bloß des Gesellschaftsvorstandes, sondern der Gesellschaft selbst, mittelst Beschlussnahme in einer Generalversammlung zu konstruieren sein, und als Sicherungsmittel gegen ein derartiges Verfahren wird den Gläubigern der Schutz der Gerichte nicht entgehen. – Die Reduktion des Nominalwertes der Aktien der Paket-Gesellschaft erfolgte übrigens nicht, weil – wie die Motive als Regel für derartige Maßregeln voraussetzen – dem Nominalwerte entsprechende reelle Werte nicht mehr gegenüber standen, sondern sie bezweckte, durch Reduzierung der Aktienbeträge um die Hälfte, einen vermehrten Begehr herbeizuführen, und die Beteiligung an dem Unternehmen auch den kleineren Kapitalien zugänglich zu machen. § 17 macht die Zulässigkeit des Kontrahierens der Gesellschaft mit Vorstandsmitgliedern von besonderer Genehmigung der Generalversammlung abhängig. Ein erster Blick auf den Betrieb der Banken und der Versicherungsgesellschaften, und zwar nicht bloß der in Hamburg florierenden, wird die absolute Unzulässigkeit dieser Anordnung erkennen lassen. Die Banken werden vorzugsweise von großen Handlungshäusern begründet, nicht allein, weil sie den Aktionären Gewinn in Aussicht stellen, sondern zugleich um dem Publico, einschließlich der Gründer, als Hilfsinstitute im Verkehr nutzbar zu sein. Die Assekuranzgesellschaften treten unter der Ägide hervorragender Handlungshäuser in das Leben, obwohl die Aussicht auf Gewinn ein sehr problematischer ist, sie treten ins Leben, weil der Bedarf des Platzes eine Vermehrung dieser Institute erheischt. Der Eintritt der Gründer in den Vorstand bildet die unerlässliche Empfehlung für das Institut. Das wird aufhören müssen, wenn die Banken mit den Vorstandsmitgliedern nicht ohne besonderen Konsens der Generalversammlung kontrahieren; Wechsel, bei welchen dieselben beteiligt sind, [?] Diskontnehmen, auf Depots derselben nicht vorschießen, wenn die Assekuranzgesellschaften Versicherungen ihrer Vorsteher nicht übernehmen dürfen. Voranfragen bei den Generalversammlungen sind unzulässig, wenn nicht etwa die Generalversammlungen für die ganze Geschäftszeit aller Geschäftstage in Permanenz treten sollen. Es wird also eines Teils der Verkehr gerade mit den solidesten Handlungshäusern derartigen Aktiengesellschaften verschlossen, und anderen Teils dem Inslebentreten solcher für den Verkehr unentbehrlichen Aktiengesellschaften vorgebeugt werden, wenn der § 17 Gesetzeskraft erlangt. Missbräuche in dieser Richtung können allerdings vorkommen. Allein, ein besseres Präventivmittel, als es in dem Vertrauen liegt, welches die Gesellschaft ihren Vorstehern durch Ermächtigung derselben betätigt hat, gibt es eben nicht, wenn nicht das Kind mit dem Bade verschüttet werden soll, wie es der § 17 erheischt. Im Übrigen
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bleibt es ja den Gesellschaftsverträgen unbenommen, den Geschäftsverkehr mit den Vorstehern, so weit es ohne Gefährdung des Gesellschaftszweckes geschehen kann, einzuschränken, zu bedingen, oder ganz zu untersagen. § 14 macht die Zulässigkeit von Anleihen, so weit dieselben die Deckung laufender Ausgaben, zum Maximalbetrage von 5% des Gründungskapitals, übersteigen, von einem vorherigen Beschlusse der Generalversammlung abhängig. Im Berichte des Handelsgerichts ist bereits hervorgehoben worden, dass gewisse Klassen von Aktiengesellschaften, die Banken, geradezu auf Anleihen angewiesen sind. Der Betrieb derselben mit unentgeltlich in irregulären Verwahrsam genommenen, oder gegen geringe Zinsvergütung deponierten (dargeliehenen) Gelde, gehört zu den einträglichsten Geschäftsquellen dieser Institute, zu den umso mehr einträglicheren, je ergiebiger diese Quellen fließen, und je weiter sie die 5% des § 14 hinter sich zurücklassen. Dass auch der Betrieb anderer Aktiengesellschaften erhebliche Anleihen unter Umständen nicht so lange entbehren kann, bis schwerfällige Beschlüsse der Generalversammlung eingeholt sein werden, ist ebenfalls vom Handelsgerichte hervorgehoben worden. Bei manchen Aktiengesellschaften dagegen wird der Betrieb das Bedürfnis der Anleihen ganz ausschließen, die, wenn der naturwichtige Verlauf des Geschäftes sie nicht erheischt, vom Übel sind. Die gesetzliche Befugnis der Vorstandschaft, bis zu 5% vom Grundkapital auszuleihen, kann zu Missbräuchen incitieren, die bisher vermieden worden, und denen vorzubeugen, durch absolutes Verbot oder Restriktion des zulässigen Prozentsatzes, der freien Vereinbarung der Gesellschaftsstatuten vorbehalten bleiben muss. Das Verbot des § 11 in Betreff der Dividenden-Zahlung, durch welche die Einlage vermindert werden konnte, ist überflüssig, weil es schon Art. 217 HGB enthalten ist. Von eingreifender Bedeutung wird es indessen durch den § 12, welcher für die Aufstellung der Bilanz normierte Bestimmungen aufstellt, unter denen sich die erste als eine zweckwidrige kennzeichnet, während die übrigen als selbstverständlich der besonderen Einschärfung nicht bedürftig erscheinen. – Dass es unter nicht ungewöhnlichen Umständen durchaus unzutreffend sein kann, Grundstücke zu dem Erwerbswerte in die Bilanz aufzunehmen, gleichviel ob der Wert derselben sich seit dem Erwerbe verdoppelt oder um die Hälfte oder mehr verringert hat, ist bereits vom Handelsgerichte hervorgehoben worden. Dagegen ist der jährliche Absatz von 5%, an welchen sich der § 12 sub 1 für Mobilien genügen lässt, für Schiffe, welche im Handelsgesetzbuch als Mobilien behandelt werden, keineswegs genügend. Reedereien, denen es um eine richtige Bilanz zu tun ist, werden bei Schiffen alle Male einen größeren Abschlag vornehmen. – Beide Beispiele zeigen, welche Bewandtnis es mit derartigen Normativen hat. In dem Bestreben, auch da zu regulieren, wo es für feste, alle Verhältnisse nivellierende Normen, an den erforderlichen Unterlagen gebricht, verfehlen sie nur allzu oft das Richtige. Für die Aufmachung der Bilanz lassen sich nun einmal gemeingültige Regeln nicht in allen Beziehungen aufstellen. Wohl aber wird sich bei Prüfung der Bilanz zu deren Vornahme jede Aktiengesellschaft von einiger Bedeutung spezielle, von der Gesellschaft zu wählende Revisoren zu bestellen im Statute Fürsorge treffen wird, erkennen lassen, ob dieselbe den gegebenen Verhältnissen entsprechend aufgemacht ist oder der Berichtigung bedarf. Betrüglich aufgemachte Bilanzen unterliegen der
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strafrechtlichen Verfolgung, ohne dass zu dem Ende eine spezielle Strafgesetzgebung für Aktiengesellschaften erforderlich wäre. Unter dem, vom Handelsgerichte gerügten Ausdruck „Organisations-Kosten“ werden namentlich die Gründungskosten zu verstehen sein, die allerdings nicht unter die Aktiva gehören. – Weniger bedenklich als die sonstigen Beschränkungen erscheint das Verbot des § 8 in Betreff der Aktien oder Aktienanteile von geringerem Betrage als 50 und bzw. 100 Rth. Ersichtlich bezweckt diese Anordnung Schutz der kleinen Vermögen, allein es dürfte sehr zu bezweifeln sein, ob die kleinen Vermögen mit diesem, ihnen zugedachten Schutze einverstanden sein, nicht vielmehr in der Anordnung eine Ausschließung ihrer von ergiebigen Erwerbsquellen zu Gunsten der größeren Kapitalien erblicken werden. Unter den Verfügungen des § 6 ist die unter 1 aufgeführte auch im hamburgischen EG enthalten. Es ist für die Einhaltung derselben durch Androhung einer ernsten Ordnungsstrafe für den Fall Fürsorge getroffen, dass Namens der Gesellschaft vor deren, durch Deckung des Grundkapitals bedingten Eintragung in das Handelsregister, gehandelt werden sollte. Das zweite Erfordernis der erfolgten Einzahlung von mindestens 10% würde dem Obergerichte an und für sich nicht unangemessen erscheinen. Bedenken aber muss es erregen, zu diesem Zwecke schon jetzt eine Änderung der Bestimmungen des HGB vorzunehmen, nachdem dasselbe allererst im Laufe dieses Jahres als Bundesgesetz publiziert worden ist. § 5. Über den obligatorischen Aufsichtsrat und über die unübersteiglichen Schwierigkeiten, welche einer Formierung desselben nach Maßgabe des Entwurfs entgegenstehen, hat sich das Handelsgericht in erschöpfender Weise ausgesprochen. Der Entwurf lässt auch hier außer Augen, dass die Aktionäre, welche zur Begründung einer Gesellschaft zusammentreten, präsumtiv die besten Beurteiler und Vertreter ihrer eigenen Interessen sein werden, die ja mit den Interessen der Gesellschaft identisch sind. Wenn es ihnen überhaupt jemals beikommen sollte, einem einzigen Individuo eine Absolut-Herrschaft bezüglich der Verwaltung der Gesellschafts-Interessen zu übertragen, so würde sich vom rechtlichen Standpunkt aus nichts, und vom praktischen Standpunkte aus nur das dagegen einwenden lassen, dass sie sich möglicherweise in Spendung eines allzu uneingeschränkten Vertrauens täuschen können. Aber auch das wäre lediglich ihre Sache! In der Wirklichkeit wird indessen eine derartige Überschwänglichkeit des Vertrauens sich schwerlich betätigen. Der Vorstand wird aus mehreren, von der Gesellschaft gewählten oder doch adoptierten Persönlichkeiten bestehen, die zur gegenseitigen Kontrolle wie durch das eigene Interesse, so durch die Verantwortlichkeit veranlasst werden, welche ihnen als Mandataren der Gesellschaft schon nach den allgemeinen Grundsätzen obliegt, die dem Mandanten die Aufwendung des höchsten Fleißes zur Pflicht machen. – Verkennen lässt es sich jedoch nicht, dass es bei allen derartigen Gesellschaften von erheblicher Bedeutung geraten sein wird, dem verwaltenden Vorstande eine speziell zur Kontrolle desselben bestimmte Behörde gegenüberzustellen. In der weitaus größten Mehrzahl der Statuten wird dafür durch die Bestellung von Revisoren gesorgt sein, deren Beruf indessen beschränkter zu sein pflegt, als es der
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Beruf der Aufsichtsräte nach dem Entwurfe und den Anordnungen des Handelsgesetzbuches in Betreff der Aufsichtsräte ist, welche sich, namentlich, wenn die Verantwortlichkeits-Androhungen und Strafandrohungen der §§ 18 und 19 in Kraft treten, nur allzu leicht und störend in die Verwaltung einzugreifen und durch allzu häufige Einberufung von Generalversammlungen Unsicherheit und Schwankungen in den Geschäftsbetrieb zu bringen. Jeglicher Art der Bevormundung der Interessen gesetzlich als dispositionsfähig anerkannter Privaten abhold, sofern es sich eben nur um die eigenen Interessen, im Gegensatze zu Eingriffen in die Rechte Dritter handelt, glaubt das Obergericht, dass auch in Betreff der Einsetzung, der Organisation und des Berufes der Kontroll-Behörden, mögen sie Revisoren, Aufsichtsräte oder wie sonst immer betitelt werden, der freien Selbstbestimmung der Gesellschaft Alles überlassen bleiben muss. – Damit erledigen sich dann zugleich die Beschränkungen der §§ 15 und 16 in Betreff der Wahl und der Retribution der Aufsichtsräte. Gegen die, im § 7 vorgeschriebene Veröffentlichung des ganzen Tenor des Gesellschaftsvertrages durch die Amtsblätter, im Gegensatze zu der, im Art. 210 HGB für genügend erachteten auszüglichen Veröffentlichung, hat sich das Handelsgericht aus so überzeugenden, durch unabweisliche Beispiele belegten Gründen ausgesprochen, dass dem Obergerichte in dieser Beziehung nichts zu bemerken übrigbleibt. Wenn der § 13 d.E. die Veröffentlichung der Bilanz innerhalb der ersten 6 Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres anordnen, ohne dabei der ausnahmsweise staatlich zu gestattenden Ausdehnung dieser Frist auf 12 Monate des Art. 249 zu gedenken, so dürfte diese Omission, sollte sie eine beabsichtigte sein, des Anspruches auf Beachtung entbehren. Das Obergericht vermag jedoch dieser ausnahmsweisen Ausdehnung das Gewicht nicht beizulegen, welches ihr das Handelsgericht beigemessen hat. Unabgewickelte Geschäfte aus dem letztverwichenen Geschäftsjahre werden nicht allein in den Bilanzen der Assekuranzgesellschaften, sondern auch in den Bilanzen anderer Aktiengesellschaften, wie nach 6 Monaten, so auch nach 12 Monaten nur einer approximativen Schätzung unterzüglich sein. Den im § 5 mitenthaltenen Vorschriften über gesetzliche Kautelen, bezüglich der Wertannahme anderer Einschussleistungen als der Geldeinzahlungen, steht, eben wie der weit überwiegenden Mehrzahl der übrigen Normativvorschriften, die Erwägung entgegen, dass den Beteiligten die Beurteilung ihrer eigenen Interessen anheim gegeben bleiben muss. – Ganz besonders verfehlt erscheint dem Obergerichte der § 18, sofern er die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates solidarisch zur Erstattung geleisteter Zahlungen verpflichtet, wenn mit ihrem Wissen und Willen die unter 1 bis 3 in Erinnerung gebrachten Vorschriften überschritten worden sind. Wenn damit, wie nicht anders angenommen werden kann, gemeint sein soll, dass sie die unbefugt aus der Gesellschaftskasse ausgezahlten Gelder wiederum in dieselbe einzahlen sollen, so wird dadurch weit über das Ziel hinausgereicht. Es wird dadurch das Ergebnis herbeigeführt, dass die Aktionäre, denen die widerrechtlichen Auszahlungen zu Gute gekommen sind, und von denen sie nach Art. 218 HGB keinesfalls kondiziert werden können, sofern sie in gutem Glauben bezogen wurden, sich mit dem Schaden der Wiedereinzahlenden positiv bereichern. Das Wiedereingezahlte vermehrt den Wert ihrer Aktien um eben so viel, als sie bereits bezogen
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
haben, so dass sie desselben doppelt, einmal mit Recht und einmal mit Unrecht genießen. Der widerrechtlich Handelnde hat nach allgemeingültigen Rechtsgrundsätzen den, durch seine Widerrechtlichkeit verursachten Schaden zu ersetzen. Dabei wird es auch für die hier beregten Fälle sein Bewenden haben müssen. – Es trifft auch die etwaige Einwendung nicht zu, dass es eine allzu schwierige Aufgabe sei, den verursachten Schaden in zuverlässiger Weise zu ermitteln. Schon das gemeine Recht facilitiert den Schadensbeweis gegenüber dem dolus, die culpa lata eingeschlossen. Das hamburgische EG z. HGB enthielt in § 32 in dieser Richtung wesentlich erleichternde Normen. Es wird demnach von den Ausnahmsverfügungen des § 18 abzusehen, und der schädigende Gesellschaftsvorstand nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes zu behandeln sein. Anlangend endlich die Strafbestimmungen des § 19, so dürften die Strafandrohungen der Strafgesetzbücher bezüglich Betruges und Vertrauensmissbrauchs ebenfalls ausreichen, und es geraten erscheinen lassen, von einer Ausnahmsgesetzgebung für die erkennbar strafbaren Handlungen der Vorstandsmitglieder oder Aufsichtsräte der Aktiengesellschaften zu abstrahieren. In den vorstehenden Bemerkungen glaubt das Obergericht seine, im Eingange ausgesprochene Beurteilung des Entwurfes so weit gerechtfertigt zu haben, dass es sich aller eventuellen Beantragungen auf Abschwächung oder sonstige Modifikation des in seinen Augen absolut verwerflichen Entwurfes enthalten muss. Nur zwei Bemerkungen seien ihm noch gestattet. Die erste bezieht sich auf den Versuch der Motive, den Entwurf als wohlvereinbar mit dem HGB darzustellen. Einen interpretierenden Teil des HGB bildet aber der Art. 249, den durch den Entwurf gerade in seinen wesentlichsten Beziehungen die Wirksamkeit bald auf direktem, bald auf indirektem Wege, gezeigter Maßen entzogen wird. Die Motive erachten freilich auch einen, eventuell einzuräumenden Widerspruch des Entwurfes im Verhältnisse zum HGB für gerechtfertigt durch die Erheblichkeit der, für den Entwurf sprechenden Gründe. Ist aber die Hinfälligkeit dieser Gründe zur Anschaulichkeit gebracht, so wird umso mehr an dem allererst neuerdings mit Gesetzeskraft bekleideten HGB festzuhalten sein, mittelst dessen § 249 die Minderzahl der Bundesstaaten das Institut der Aktiengesellschaften in früherer Blüte zu erhalten gewusst hat, und auf den zu rekurrieren die Mehrzahl der Bundesstaaten, welche bisher an der staatlichen Genehmigung mit ihrem direkten und indirekten Konsequenzen festhielt, unbenommen ist. Die zweite Schlussbemerkung bezieht sich auf die vom Handelsgerichte, nach Ansicht des Obergerichts mit Unrecht, vermissten Übergangsbestimmungen, bezüglich des wichtigsten Teiles des Entwurfes. Es erklärt sich diese Unterlassung ganz einfach dadurch, dass es nicht die Meinung des Entwurfes gewesen sein kann, noch nur einen Teil seiner Normativ-Bestimmungen auf die bereits bestehenden Aktiengesellschaften angewendet zu wissen, so fern dieselben dadurch ungünstiger gestellt werden würden, als sie unter der Gesetzgebung standen, unter der, und im Verlass auf deren Schutz sie ins Leben traten. Derartige rückwirkende Kraft würde dem Entwurfe zu versagen sein, aber wie sie dem HGB versagt worden ist durch den unbeanstandet gebliebenen § 5 der Übergangsbestimmungen unseres EG, welcher die zur Zeit der Einführung des
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HGB bestehenden Aktiengesellschaften den in die Organisation und den Betrieb der Gesellschaften betreffenden Anordnungen und Verboten, sofern dieselben von den Statuten der Gesellschaften abweichen, nicht unterzüglich erklärte. – In Beziehung auf die Gleichstellung aller Aktiengesellschaften, welchen Zweck sie auch verfolgen mögen, gibt der Bericht des Handelsgerichts dem Obergerichte zu Beanstandungen oder weiteren Ausführungen keine Veranlassung. gez. Ed. Mohr 4. Schreiben des Hamburger Bevollmächtigten zum Bundesrat Kirchenpauer vom 26.4.1870 über die Beratungen des Justizausschusses des Bundesrates vom 26.4.1870 Heute begann der Justizausschuss des Norddeutschen Bundesrates die Beratung über das Aktiengesetz. Herr Senator Weber privatim mir zugestellte Bemerkungen (Entwurf einer Instruktion) erhielt ich ein paar Stunden früher, also noch zeitig genug, um Abschrift für Krüger machen zu lassen, der Mitglied des Ausschusses ist. Obgleich Hamburg nicht Mitglied ist, konnte ich doch, als allein anwesendes Nichtmitglied, an der Diskussion teilnehmen, wenn auch ohne Votum. – Die Stimmenden waren Preußen, Sachsen, Braunschweig, Schwarzburg-Rudolstadt und Lübeck. Für Preußen war außer dem Präsidenten Pape (der jetzt von Preußen immer in der dritten Person spricht), der Geh. Rat Jacobi gegenwärtig, als Verfasser des früheren und des jetzigen Entwurfs und als eigentlicher Vertreter des preußischen Standpunktes. Dieses aber lässt sich im Allgemeinen dahin charakterisieren, dass man zwar die Verkehrtheit des Prinzips staatlicher Genehmigung für Aktienunternehmen anerkannt hat, sich aber doch zum Aufgeben desselben nicht entschließen kann, ohne eine Reihe beschränkender Normativbedingungen an die Stelle zu setzen. Den Gegensatz hierzu bilden die Hansestädte, welche nicht nur die staatliche Genehmigung, sondern auch alle Beschränkungen für überflüssig und verwerflich halten. Zwischen diesen beiden Extremen stehen Sachsen, das sich mehr an unsere liberale Auffassung anschließt, Schwarzburg, welches bald nach der einen, bald nach der anderen Seite neigt, und der Braunschweigische Bevollmächtigte Herr v. Liebe, welcher aber – wie schon mehrfach erwähnt – so wenig Braunschweigischer Bevollmächtigter ist, dass er sich fast in allen Dingen Preußen und dem Preußischen Entwurfe anschließt, während doch die von Braunschweig eingegangenen Bemerkungen fast überall mit denen Hamburgs übereinstimmen. Sind nun auch in dem neuen Preußischen Entwurfe eine Anzahl von Beschränkungen, welche der frühere Entwurf enthält, weggeblieben, so sind doch noch eine erhebliche Anzahl stehen geblieben und der Preußische Kommissar (nicht Pape, sondern Jacobi) schien sehr unglücklich darüber, dass auch von diesen noch ein paar heute weggestrichen wurden. Hoffentlich streicht der Reichstag noch einige mehr. Über die heutigen Abstimmungen in Betreff der einzelnen Beschränkungen ist Folgendes zu berichten: 1. Preußen will, dass die Aktien auf einen Betrag von mindestens 50 resp. 100 Thl. lauten sollen (Art. 207 a Alinea 1 und 2 des neuen Entwurfs). Gegen die Festset-
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zung irgend eines Minimalsatzes stimmten Sachsen, Schwarzburg, Lübeck; in der Minorität Preußen und Braunschweig. 2. Der Nominalbetrag der Aktien darf nicht erhöht oder vermindert werden (Art. 207 a Al. 3); für diese Beschränkung stimmten Preußen, Braunschweig, Schwarzburg; dagegen Sachsen, Lübeck. Übrigens ist hinzuzufügen: „Vorbehaltlich der Vorschriften des Art. 215.“ 3. Der Gesellschaftsvertrag muss die Einsetzung eines Aufsichtsrats bestimmen (Art. 209 Nr. 6): Dafür Preußen, Braunschweig, Schwarzburg; dagegen Sachsen, Lübeck. Die eventuellen Anträge Hamburgs: a) dass die Mitglieder des Aufsichtsrats nicht aus der Zahl der Aktionäre genommen zu werden brauchen, verworfen; b) dass die Zahl der Mitglieder nicht bestimmt werde, verworfen, doch einigte man sich dahin, dass 3 Mitglieder (statt 5) genügen sollten. 4. Außer dem Auszug aus den Statuten soll in einer Zeitung ein vollständiger Abdruck erscheinen (Art. 210). Dafür Preußen und Schwarzburg, dagegen Sachsen, Braunschweig, Lübeck. 5. Die Aktiengesellschaft darf eigene Aktien nicht erwerben (Art. 215 Al. 3). Alle stimmten dafür außer den Hanseatischen. Unser eventueller Antrag, statt „erwerben“ zu setzen „durch Kauf erwerben“ gleichfalls verworfen. Man meinte, wer seine Aktien der Gesellschaft schenken wolle, könne sich dadurch helfen, dass er auf sein Aktienrecht verzichte. 6. Die Gesellschaft darf nicht Zinsen bestimmen, sondern nur Dividenden verteilen (Art. 215 Al. 3). Alle dafür außer Lübeck. 7. Die Mitglieder des Aufsichtsrats dürfen mit der Gesellschaft nicht kontrahieren (Art. 225). Dafür Preußen und Braunschweig; dagegen Sachsen, Schwarzburg, Lübeck. 8. Die Gesellschaft darf keine Anleihen aufnehmen ohne Genehmigung der Generalversammlung (Art. 231 Al. 2–3). Dafür Preußen und Braunschweig, dagegen die drei Anderen. Weiter als bis zu Art. 231 sind wir heute nicht gelangt. Ich habe nur noch nachträglich zweier Anträge Sachsen zu erwähnen, nämlich: 1. dass der Aufsichtsrat gesetzlich befugt werde, dem Gesellschaftsvorstand gegenüber für die Gesellschaft vor Gericht aufzutreten. – Dieser Antrag wurde verworfen und 2. dass im Art. 222 HGB sub 2 statt 40% eine geringere Zahl gesetzt werde. Die Majorität erklärte sich für 25%. [...]
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IV. Bericht des Ausschusses für Justizwesen vom 1.5.1870 über den Entwurf zu einer Aktienrechtsnovelle (Bundesrats-Drucksache 62/1870) 1. Bericht vom 1.5.1870 In Bezug auf den im vorigen Jahr vorgelegten Gesetzentwurf über die Aktiengesellschaften hat der Bundesrat in der Sitzung vom 9. März d.J., § 91 der Protokolle, beschlossen: –– den Bundeskanzler zu ersuchen, die zu dem Gesetzentwurf über Aktiengesellschaften Nr. 86 de 1869 eingegangenen Bemerkungen der Regierungen der Königlich Preußischen Regierung mit dem Ersuchen zugehen zu lassen, den Entwurf einer Umarbeitung zu unterziehen, wobei zu beachten: 1. dass sich die einzelnen Artikel etwa in der bei den sogenannten Nürnberger Novellen zur Wechselordnung befolgten Weise den einzelnen Artikeln des Handelsgesetzbuchs anzuschließen hätten, 2. dass alle auf das besondere Preußische Recht sich beziehende Vorschriften ausgesondert, eventuell so weit als nötig durch Vorbehalt ersetzt würden, 3. dass diejenigen Beschränkungen (Normativbestimmungen) beseitigt oder geändert würden, bei welchen eine Beseitigung oder Änderung nach Maßgabe der eingegangenen Bemerkungen für zulässig zu halten sei, 4. dass die Bestimmungen für Aktien-Handelsgesellschaften auf alle Aktiengesellschaften anwendbar zu machen seien. Der in Gemäßheit dieses Beschlusses umgearbeitete Entwurf liegt jetzt in Nr. 56 vor. Derselbe entspricht den in dem gedachten Beschlusse des Bundesrats empfohlenen Rücksichten; es ist eine Redaktionsweise gewählt, durch welche neue Artikel an die Stelle der zu modifizierenden Artikel des Handelsgesetzbuchs gesetzt werden, die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs werden für alle Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens kein Handelsgeschäft ist, anwendbar gemacht, und an der Strenge der in dem früheren Entwurfe enthaltenen Bestimmungen ist – wie die dem Entwurfe vorangestellten Bemerkungen zeigen – hin und wieder eine Milderung eingetreten. Hinsichtlich des Zweckes und der Tendenz des Entwurfs erkannte die Majorität des Ausschusses an, dass die Erlassung eines Gesetzes ein Bedürfnis sei. Aus den in den Motiven zu dem ersten Entwurfe näher entwickelten Gründen ist es nötig, die Staatsgenehmigung, sowie die fortdauernde staatliche Überwachung der Aktiengesellschaften aufzugeben: eine Konsequenz hiervon ist es aber, dass alsdann etwas strengere Vorschriften bezüglich der Entstehung, der Organisation und der Geschäftsführung solcher Gesellschaften nötig sind. Diese strengeren Vorschriften, zum Teil aus den für die Kommanditgesellschaften auf Aktien geltenden Bestimmungen entnommen, finden sich in dem Entwurfe aufgestellt. Es ist gleich hier zu erwähnen, dass sich im Ausschusse bei der Beurteilung der Richtung des ganzen Entwurfs zwei Ansichten gegenüber standen, welche bei der Erörterung der Einzelheiten zu Tage traten und sich in den Abstimmungen aussprachen.
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Mit dem Hinwegfall der Staatsgenehmigung und Staatsaufsicht war man allgemein einverstanden. Während indes von der einen Seite als Konsequenz dieser größeren Freiheit auch eine größere Strenge in denjenigen Bestimmungen gefordert wurde, welche zur Sicherung gegen Leichtsinn und Gewinnsucht dienen, wurde von der anderen Seite kein so großes Gewicht auf die größere Strenge gelegt, und mehr die Notwendigkeit der Freiheit und Beweglichkeit betont. Es sprach sich in dieser Beziehung die Ansicht aus, dass Alles, was die freie Bewegung hindere, vom Übel sei. Zum Gedeihen der Unternehmungen sei es nötig, dieselben soviel als tunlich sich selbst zu überlassen und jede irgend vermeidliche Einschränkung fern zu halten. Dergleichen Einschränkungen würden den gehofften Zweck ebensowenig erreichen als Staatsaufsicht und Genehmigung. In der Natur der Aktiengesellschaft liege nichts, was eine Abweichung von dieser natürlichen Regel notwendig mache. Die beschränkte Haftpflicht sei völlig gerechtfertigt, da es Jedermann freistehen müsse, zu bestimmen, wie weit er überhaupt verantwortlich sein wolle, die Ausgabe der Aktien au porteur sei ebenfalls nichts Außerordentliches. Durch die ganze Geschäftsform würde die Vereinigung zerstreuter Kräfte für größere Unternehmungen erreicht; die Aktiengesellschaften seien volkswirtschaftlich von großem Wert und hätten wesentliche Fortschritte, Wohlstand und folgeweise Zivilisation hervorgebracht: man müsse sich also hüten, sie durch einschränkende Maßregeln in der Entwicklung zu stören. Man könne sehr wohl die Genehmigung und Beaufsichtigung von Staats wegen fallen lassen, und es alsdann in der Hauptsache den Aktionären sowie den Gläubigern überlassen, sich gegen Schaden zu sichern. Man dürfe, um deren Interessen zu wahren, nicht allgemeine volkswirtschaftliche Interessen verletzen. Andererseits wurde gerade in der Natur der Aktiengesellschaften ein Grund gefunden, nach Hinwegfall von Staatsgenehmigung und Staatsaufsicht etwas strengere Vorschriften zu erlassen. Die beschränkte Haftbarkeit der Mitglieder, die Stellung der Aktien au porteur führten dahin, dass der eigentliche Sinn der Sache sehr verdunkelt werde. Die Gründer hätten oft weniger das Unternehmen selbst, als die Unterbringung der Aktien im Auge. Die Aktionäre aber sähen sich nicht als Mitglieder einer Gesellschaft an und wollten nicht in erster Linie das Unternehmen fördern: der Erwerb der Aktie sei ihnen eine vorteilhafte Geldbelegung, welche nach der Beschaffenheit der Aktie als eines Inhaberpapieres sehr leicht mit einer anderen vorteilhafteren vertauscht werden könne. Das am nächsten liegende Interesse gehe dahin, dass die Dividende und der Kurs der Aktie hoch sei, und dieses Interesse gerate mit dem Interesse an dem soliden und nachhaltigen Fortgange des Unternehmens selbst leicht in Kollision. Der Aktionär teilt den vollen Gewinn des Unternehmens, während er den Schaden nur bis zu einer gewissen Grenze trägt. Die eigene Aufmerksamkeit des Aktionärs oder des Gläubigers würde nicht ausreichen, den Stand des Unternehmens so genau zu beobachten, dass sich sagen lässt, wie nahe oder fern in jedem Augenblicke jene Grenze liegt. Zu beachten bleibe, dass die Form der Aktiengesellschaften kaum für alle Arten von Unternehmungen geeignet sei, dass es aber schwer sein würde, in dieser Beziehung durch positive Vorschrift eine Grenze zu ziehen. Es sei also legislativ völlig richtig, eine missliche und gefährliche Geschäftsform, wenn man sie Allen frei gibt, mit strengen Formen, ja
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selbst mit Strafvorschriften auszustatten. Letzteres sei gerade hier geboten, weil sich die oft mit Scharfsinn und Geschäftsgewandtheit erfundenen Versuren, durch welche der wahre Stand der Sache verdunkelt und die Höhe der Dividenden und des Kurses der Aktien gesteigert wird, trotz ihrer Schädlichkeit und Verwerflichkeit selten unter die gemeinen Strafgesetze subsumieren ließen. Für die Beurteilung der Frage, ob man mehr nach Strenge oder mehr nach Freiheit zu streben habe, ist eine Vergleichung fremder Legislationen nicht ohne Interesse: es mag daher erlaubt sein, hier die folgenden Notizen einzuschalten. In England hatte früher jeder Gesellschafter mit seinem ganzen Vermögen für die Schulden der Gesellschaft zu haften, und ebenso war die Rechtsfähigkeit der Handelsgesellschaft als solcher sehr beschränkt. Erst ein Gesetz von 1844 gewährte volles Körperschaftsrecht für Handelsgesellschaften (mit Ausnahme der Banken), welche in ein Register eingetragen wurden und ihre Statuten veröffentlichten. Durch die späteren Gesetze von 1855,1856 und 1857 wurde die Beschränkung der Haftbarkeit auf bestimmte Beträge zugelassen, und zuletzt blieben nur noch die Versicherungsgesellschaften von dem Rechte einer solchen Beschränkung ausgeschlossen. Das Gesetz vom 7. August 1862, welches durch ein neueres Gesetz vom 20. August 1867 nur in Einzelheiten geändert ist, fasst endlich alle bis dahin vereinzelten Bestimmungen zusammen, und bezieht sich auf alle Gesellschaften, welche eine juristische Person darstellen, auch diejenigen, welche keine Erwerbszwecke verfolgen. Mindestens sieben Personen sind zu einer nach dem Gesetz zu beurteilenden Gesellschaft nötig: zwangsweise unterliegen derselben alle Vereinigungen von mehr als zehn Personen zum Betriebe von Bankgeschäften und von zwanzig Personen zum Betriebe auf Gewinn gerichteter Geschäfte. Die Gesellschaften sind solche mit unbeschränkter oder mit beschränkter Haftbarkeit der Mitglieder. Bei letzteren ist die Haftbarkeit der Mitglieder entweder auf den Betrag der Aktie beschränkt (companies limited by shares) oder die Mitglieder sind ohne Aktienteilung nur verpflichtet, bis zu einem gewissen höchsten Betrage für die Schulden zu haften (companies limited by guarantee). Beides kann auch verbunden werden (company limited by guarantee and having a capital divided into shares). Dann muss in den Firmen, Anzeigen, Bekanntmachungen und anderen Schriftstücken immer das Wort limited gebraucht sein. Aktien auf den Inhaber wurden früher nicht anerkannt und deshalb finden sich keine Vorschriften über Haftung des Zeichners für die Einzahlung, und über die Notwendigkeit einer teilweisen Einzahlung vor Konstituierung der Gesellschaft. Diese Beschränkung fällt nach dem Gesetze vom 20. August 1867 hinweg, und es können für voll eingezahlte Aktien Inhaberaktien ausgegeben werden. Auch die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist gestattet, indem ausgemacht werden kann, dass bloß die Direktoren solidarisch haften. Nach dem neuen Gesetz muss jeder Aktionär auch den Betrag seiner Aktien bar einzahlen, wenn das Gegenteil nicht durch schriftlichen, dem Anmeldeamt mitgeteilten Vertrag ausgemacht ist. Über den Zusammentritt der Gesellschafter ist ein memorandum zu vollziehen, und außerdem die Statuten, articles of association. Für Beide gibt es spezielle Vorschriften, über die darin aufzunehmenden Punkte: ist ein Statut nicht vereinbar, so gilt ein dem Gesetze beigegebenes Musterstatut. Diese Dokumente werden dem Anmeldeamt eingereicht und in ein Register
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
eingetragen; sobald dieses geschehen und attestiert ist, erlangt die Gesellschaft Korporationsrechte. Dann ist das Geschäftslokal oder dessen Verlegung, die etwaige Vergrößerung des Aktienkapitals anzumelden und ein jährliches Verzeichnis der Mitglieder einzureichen, bei 5 Pfund Strafe für jeden Verzögerungstag, ebenso jede durch Generalversammlungsbeschluss herbeigeführte Statutenänderung bei 2 Pfund Strafe für jeden Verzögerungstag. Anzumelden ist, wenn eine Gesellschaft das Aktienkapital über den registrierten Betrag oder die Mitgliederzahl vermehrt, bei 5 Pfund Strafe für jeden Verzögerungstag. Nach dem neueren Gesetze vom 20. August 1867 ist auch – unter genau bestimmten Bedingungen – eine Verminderung des Aktienkapitals durch gerichtlich zu bestätigenden Beschluss zulässig. Ebenso ist die Unterteilung der Aktien in kleinere Beträge durch Spezialbeschluss zulässig. Werden die Geschäfte sechs Monate lang fortgesetzt, nachdem die Mitgliederzahl unter sieben gesunken ist, so haftet jedes Mitglied, welches dieses weiß, persönlich für die weiter kontrahierten Schulden. Säumnis in der Führung des Mitgliederverzeichnisses, in der Führung und Einreichung einer Jahresliste der Mitglieder, wofür bestimmte Vorschriften über Inhalt und Frist zur Einreichung gegeben sind, hat ebenfalls Geldstrafen für jeden Tag der Versäumnis zur Folge. Das Mitgliederverzeichnis muss im Geschäftslokal jedem Mitgliede umsonst und jedem Dritten gegen eine Gebühr vorgelegt werden. Es muss in den Schriftstücken der Gesellschaft deutlich die vollständige Firma bei Strafe angegeben und ein die Firma enthaltendes Siegel benutzt werden. Es ist ein besonderes Buch zu führen, in welchem unter Beschreibung des belasteten Gegenstands alle Ansprüche Dritter an dem Gesellschaftseigentum verzeichnet sind, ebenfalls bei 50 Pfund Strafe, und bei Weigerung der Vorlegung an Gesellschafter oder Gläubiger bei Strafe für jeden Tag der fortgesetzten Weigerung. Zweimal im Jahre, im Februar und August sind Vermögensübersichten aufzustellen, in den Geschäftslokalen auszuhängen und die dabei Interessierten können gegen eine geringe Gebühr Abschriften verlangen, hier finden ebenfalls Tagesstrafen von 5 Pfund statt. Die Aufstellung der Übersichten über die Vermögenslage muss Aktiva und Passiva unter bestimmten Titeln enthalten. Mindestens jährlich ein Mal muss eine Generalversammlung stattfinden: für die Geschäftsbehandlung und die Form der Beschlussfassung sind genaue Vorschriften gegeben. Nach dem neueren Gesetze vom 20. August 1867 muss innerhalb vier Monaten von der Eintragung an gerechnet eine Generalversammlung gehalten werden, bei Strafe von 5 Pfund für jeden Tag der Versäumnis. Die Geschäfte der Gesellschaft werden von Direktoren besorgt; ein Verzeichnis derselben muss im Geschäftslokal ausgehängt sein. Bei Gesellschaften mit Aktienkapital ist jährlich einmal der Geschäftsbetrieb durch Revisoren, welche Gesellschaftsmitglieder sein können, zu untersuchen. Sind Mitglieder gegen die Verwaltung misstrauisch, so kann auf ihren Antrag das Handelsamt, board of trade, durch Kommissare eine genaue Untersuchung vornehmen lassen. Den Kommissaren sind alle Bücher und Schriften vorzulegen; sie können die Beamten und Agenten eidlich vernehmen, und erstatten dem Handelsamt Bericht über das Resultat. Auch kann die Gesellschaft selbst durch Beschluss Kommissare mit gleichen Befugnissen ernennen. Alle gegebenen Vorschriften gehen in ein sehr genaues und umständliches Detail und sind durch Geldstrafen eingeschärft. Eine Durchsicht
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der Einzelheiten zeigt, dass es an minutiösen Formvorschriften nicht fehlt. Besonders beachtenswert sind die in der Darstellung des neuesten Englischen Gesetzes im Beilagehefte zum 12. Bande der Zeitschrift für Handelsrecht S. 40 gemachten Angaben über Zweck und Entstehung des Gesetzes. In Frankreich war die Möglichkeit einer Beschränkung der Haftbarkeit der Gesellschafter bereits im Code de commerce anerkannt. Es scheint, dass die Scheu vor Einmischung des Staats die Bildung von Kommanditgesellschaften auf Aktien beförderte, eine Form, die wenig Begünstigung verdient und bei richtiger Entwicklung der Aktiengesellschaften entbehrt werden kann. Man gab also zunächst das Gesetz vom 17. Juli 1856 über die Kommanditgesellschaften auf Aktien, welches durch Anordnung der Öffentlichkeit, strenge Haftung der Geschäftsführer und Einführung von Aufsichtsräten den bei diesen Gesellschaften eingegriffenen Unordnungen abhelfen sollte. Wichtiger aber war das Gesetz vom 23. Mai 1863 über Aktiengesellschaften, welches die Staatsgenehmigung aufhob, und dafür strengere und auf Beseitigung alles Schwindels berechnete Vorschriften über die Errichtung der Gesellschaften, die Geschäftsführung usw. aufstellte, die teils dem vorgedachten Gesetze, teils dem Englischen Rechte nachgebildet waren. Das neueste Gesetz vom 24. Juli 1867, bei dessen Beratung Emile Ollivier einen ziemliches Aufsehen machenden Gegenentwurf gebracht hatte, der alle Formen und Einschränkungen über Bord warf, hebt die beiden eben genannten Gesetze auf und gibt neue in einzelnen Punkten abweichende und mildernde Vorschriften über Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften. Für letztere bedarf es der Staatsgenehmigung nicht, Art. 21. Beide Arten von Gesellschaften können keine Aktien unter 100 Franks ausgeben, wenn das Grundkapital 200.000 Franks nicht übersteigt, und wenn dieses der Fall ist, keine Aktien unter 500 Franks. Sie können nur definitiv konstituiert werden, wenn das ganze Kapital gezeichnet, und von jedem Aktionär ein Vierteil des Betrages seiner Aktien eingezahlt ist. Erst alsdann sind die Aktien negoziabel, Art. 1, 2, 24. In den Statuten kann bestimmt sein, dass die Aktien, nachdem die Hälfte darauf eingezahlt ist, durch Beschluss der Generalversammlung in Aktien au porteur verwandelt werden können, doch haften die Unterzeichner noch zwei Jahre lang für die volle Einzahlung. Früher waren Inhaber-Aktien nur nach voll eingezahltem Betrage zulässig, Art. 3. Einlagen, die nicht im Gelde bestehen, sind von der ersten Generalversammlung abzuschätzen und auf Geldwert zu reduzieren, Art. 4. Für die Kommanditgesellschaften auf Aktien ist dann noch besonders bestimmt, dass von der Generalversammlung ein aus wenigstens drei Aktionären bestehender Aufsichtsrat gewählt werden muss, der die Bücher, Kassen und Effektenbestände revidiert, jährlich an die Generalversammlung berichtet, und diese zu berufen ermächtigt ist, Art. 5, 10, 11. Jeder Aktionär kann mindestens vierzehn Tage vor der Generalversammlung Mitteilung der Bilanz, der Inventarien und des Berichts des Aufsichtsrats verlangen, Art. 12. Außerdem können Aktionäre, welche wenigstens den zwanzigsten Teil des Gesamtkapitals repräsentieren, Mandatare ernennen, und gegen die Geschäftsführer oder Mitglieder des Aufsichtsrats Prozesse führen, unbeschadet der Rechte jedes einzelnen Aktionärs, Art. 17. Die gegebenen Vorschriften über die Bildung der Gesellschaft und die Wahl des Aufsichtsrats sind bei Strafe der Nichtigkeit
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
zu beobachten. Sonst sind für die Verletzung der gegebenen Vorschriften Geld- und Gefängnisstrafen angedroht. Die Emission von Aktien, die auf unzulässige Beträge lauten, Anfang der Verwaltung vor Ernennung des Aufsichtsrats, Missbrauch des Verleihens von Aktien und des Gebrauchs geliehener Aktien bei den Beratungen der Generalversammlung sind mit 500–10.000 Frcs. Geldstrafe bedroht, wozu noch vierzehntägiges bis sechsmonatliches Gefängnis kommen kann. Negozierung von Aktien, die materiell oder formell nicht in Ordnung, oder auf welche noch nicht ein Vierteil eingezahlt ist, zieht dieselbe Geldstrafe nach sich. Nach Art. 405 des Code pénal wegen escroquerie wird bestraft, wer durch simulierte Zeichnungen oder Zahlungen Leute zum Zeichnen oder Zahlen bewegt, falsche Angaben dahin macht, dass gewisse Personen mit der Gesellschaft in näherer Verbindung sein würden, ingleichen ein Verwalter, der ohne Inventar oder auf Grund falscher Angaben fingierte Dividenden zur Verteilung bringt. Für die Aktiengesellschaften gelten bezüglich der Konstituierung der Höhe des Betrages der Aktien, der Einzahlungen auf die Aktien und der nicht in Gelde bestehenden Einlagen gleiche Bestimmungen wie für die Kommanditgesellschaften auf Aktien. Zur Bildung der Aktiengesellschaften, sowie zu ihrer Fortdauer sind mindestens sieben Mitglieder nötig, Art. 23, 38. Nach der Zeichnung des Grundkapitals und Einzahlung eines Vierteils in Geld hat eine Generalversammlung die ersten Verwalter und die Aufsichtskommissäre für das erste Jahr zu ernennen. Sobald durch das Protokoll der Sitzung konstatiert ist, dass Verwalter, welche eine bestimmte Anzahl Aktien besitzen müssen, und Kommissäre die Ernennung angenommen haben, ist die Gesellschaft konstituiert, Art. 25. Jedes Jahr findet eine Generalversammlung statt, in welcher nach Majorität beschlossen wird: über die Zahl der Aktien, die repräsentiert sein muss, finden sich detaillierte Vorschriften, Art. 27–31. Die Generalversammlung ernennt einen oder mehrere Kommissäre, die nicht Gesellschafter zu sein brauchen, welche der nächsten Generalversammlung über die Lage der Gesellschaft und die Bilanz und Rechnungen zu berichten haben: die Genehmigung der Bilanz und der Rechnungen ist ohne diesen Bericht nichtig. Hat die Generalversammlung keine Kommissäre gewählt oder haben die Gewählten abgelehnt oder sind behindert, so kann der Präsident des Handelstribunals auf Antrag jedes dabei Interessierten durch Ordonnanz Kommissäre ernennen, Art. 22. In dem Vierteljahr vor dem Zusammentritt der Generalversammlung können die Kommissäre die Bücher der Gesellschaft einsehen und deren Geschäfte prüfen, auch in dringenden Fällen die Generalversammlung berufen, Art. 33. Alle halbe Jahr muss eine summarische Übersicht der Aktiva und Passiva der Gesellschaft aufgestellt und den Kommissarien zugänglich gemacht, dann aber das in Art. 9 des Code de commerce vorgeschriebene Inventar aufgestellt werden. Inventar, Bilanz und Berechnung des Gewinnes und Verlustes sind den Kommissaren spätestens vierzig Tage vor der Generalversammlung zur Disposition zu stellen und der Generalversammlung vorzulegen. Mindestens fünfzehn Tage vor der Generalversammlung kann jeder Aktionär das Inventar und die Liste der Aktionäre einsehen und Abschrift der Bilanz und des Berichts der Kommissare fordern, Art. 34, 35. Vom Gewinn wird mindestens 1/20 zum Reservefonds gezogen, welcher bis auf 10 Prozent des Grundkapitals wachsen kann,
IV. Bericht des Ausschusses für Justizwesen vom 1.5.1870 über den Entwurf
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Art. 36. Wenn drei Vierteile des Grundkapitals verloren sind, so haben die Verwalter die Generalversammlung zu berufen, um über die Auflösung der Gesellschaft zu beraten, Art. 37. Einzelne Gesellschafter, welche mindestens 1/20 des Grundkapitals repräsentieren, können auch Mandatare zur unmittelbaren Rechtsverfolgung gegen Administratoren und Kommissäre bestellen (cfr. hierüber Renaud in Goldschmidts Zeitschrift für Handelsrecht Bd. 12 S. 31). Die Administratoren dürfen weder direkt noch indirekt ohne Konsens der Generalversammlung an den mit der Gesellschaft oder für Rechnung derselben geschlossenen Geschäften beteiligt sein, Art. 40. Die Strafandrohungen sind die für die Kommanditgesellschaften auf Aktien geltenden. Über die nötigen Veröffentlichungen finden sich spezielle, auf alle Gesellschaften bezügliche Vorschriften: Gesellschaftsvertrag, Nachweis der Unterzeichnung des Grundkapitals und der Einzahlung eines Vierteils, und bei Aktiengesellschaften die Liste der Unterzeichner werden bei dem Friedensgerichte und dem Handelsgerichte niedergelegt und im Auszuge in öffentlichen Blättern veröffentlicht. In gleicher Weise werden die Beratungen über Statutsänderungen, Auflösung der Gesellschaft oder Veränderung der Firma veröffentlicht. Die bei den Behörden niedergelegten Schriftstücke sind Jedermann zur Einsicht offen. In allen Akten, Fakturen, Annoncen, Bekanntmachungen und anderen gedruckten oder autographierten Dokumenten muss bei der Bezeichnung der Gesellschaft deutlich die Angabe: société anonyme oder société en commndite par actions und außerdem die Angabe des Gesellschaftskapitals gemacht werden, Übertretungen kosten 50 bis 1000 Franks Strafe, Art. 55–65. – Im dritten Titel lässt das Gesetz auch Gesellschaften mit veränderlichem Kapital zu, worunter die kooperativen Gesellschaften, Genossenschaften begriffen sein werden. Nicht ohne Interesse ist endlich die Italienische Gesetzgebung. Nach Art. 156 des im Jahre 1865 publizierten Codice di commercio bedürfen die Aktiengesellschaften zu ihrer Entstehung der Autorisation durch Königliches Dekret. Man kam aber auch zu einer dauernden sehr genauen staatlichen Oberaufsicht, welche in einem Dekrete vom 30. Dezember 1865 vorgeschrieben und durch Kommissariate geübt wurde. Durch ein ferneres Dekret vom 27. Mai 1866 wurde dann an die Stelle der Kommissariate eine Zentralbehörde, ein mit dem Finanzministerium verbundenes ufficio del sindicato gesetzt, bestehend aus einem censore generale, einem inspettore generale, elf Inspektoren und einer Anzahl von officiali locali delegati. Ein sehr bemerkenswertes Dekret vom 5. Sept. 1968 hat dann diese Organisation wieder vereinfacht. Der Bericht des Ministers Minghetti an den König scheint die bisherige etwas umständliche und kostspielige Einrichtung, sowie überhaupt die Staatsgenehmigung und Aufsicht wenig zu billigen: es soll indes ein zu rascher Sprung vermieden werden. Es wird deshalb an eine Bestimmung des Englischen Gesetzes von 1862 angeknüpft, und unter Abschaffung der vorbezeichneten Ämter die Errichtung von Provinzialaufsichtsbehörden angeordnet. Jede dieser Behörden besteht aus dem Präfekten und zwei Mitgliedern, welche die Handelskammern auf zwei Jahre ernennen. Sie werden nur tätig auf Anrufen der Gesellschafter, Aktionäre, der Versicherten oder des Depositengläubigers, sofern dieselben behaupten, dass statutenwidrige Operationen gemacht, Vorschriften des Handelsgesetzbuchs verletzt, oder die publizierten Ausweise und Prospekte unrichtig sind.
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Es ergibt sich hieraus, dass man in England wie in Frankreich sehr umständliche Formvorschriften für Aktiengesellschaften notwendig gehalten hat, durch welche bei der ihnen überlassenen Selbstverwaltung Missbräuchen vorgebeugt werden soll. Beide Gesetzgebungen haben eine Kontrolle durch dazu designierte Mitglieder; in England und Italien hat man außerdem noch das Anrufen und die Einmischung der Staatsbehörde gestattet. Im Ausschusse war hiernach die Ansicht vertreten, dass der Entwurf im Ganzen an keinem Übermaße einengender Formen leide. Was das Einzelne betrifft, so sind in § 1 die einzelnen Artikel, auf welche sich die vorgenommenen Änderungen erstrecken, und welche an die Stelle der entsprechenden Artikel des Handelsgesetzbuchs treten, aufgeführt. Durch die Art. 5, 174, 207, 208 werden die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs für alle Kommanditgesellschaften auf Aktien und alle Aktiengesellschaften anwendbar, bei denen nicht Handelsgeschäfte Gegenstand des Unternehmens sind. Es ist allerdings auffallend, dass dergleichen Gesellschaften als Kaufleute betrachtet und den für diese geltenden Regeln des Handelsgesetzbuchs unterstellt werden sollen (Renaud, Recht der Aktiengesellschaften S. 164–170). Immerhin bleibt aber das Wesen der Aktienverbindung das nämliche, welches auch deren Zweck sein mag. Die nicht speziell auf Handelsgeschäfte gerichteten Verbindungen müsste man – wenn man hier die Form der Aktiengesellschaft nicht gradezu ausschließen will – der Beurteilung nach gemeinem Rechte oder nach Landesgesetzen überlassen. Es sprechen aber überwiegende Gründe dafür, ihr Verhältnis auch legislativ festzustellen, und dieses geschieht am einfachsten, wenn man sie unter das Handelsgesetzbuch stellt und mit den Handels-Aktiengesellschaften gleich beurteilt. Oft mag überdies die Grenze nicht leicht zu finden sein, zumal mitunter Einzelheiten eingemischt werden, welche den Charakter von Handelsgeschäften haben, bloß um die Behandlung nach dem Handelsgesetzbuche zu erlangen. Dann aber lässt sich wohl annehmen, dass das Zusammenbringen des Kapitals auf die besondere, ursprünglich für Handelsunternehmungen gebräuchliche Weise und die besonderen Rechtsfolgen und Einrichtungen, welche sich hieran knüpfen, das Unternehmen auch in die Kategorie der Handels-Assoziationen stellt. Der Ausschuss fand also gegen den Entwurf in dieser Beziehung nichts zu erinnern. In den Art. 175–203 ist Alles hinweggelassen, was sich auf die staatliche Genehmigung bezieht. In Art. 206 finden sich Strafbestimmungen gegen die persönlich haftenden Mitglieder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Mitglieder des Aufsichtsrats: es wird von denselben im Zusammenhange mit den Vorschriften in Art. 249 die Rede sein. In Art. 207 a findet sich eine Bestimmung über die Höhe der Beträge, auf welche die Aktien lauten müssen. Einerseits wurde geltend gemacht, dass durch Zulassung von Aktien zu geringen Beträgen eine Beteiligung derjenigen Volksklassen an Aktienunternehmungen hervorgerufen oder erleichtert werde, welche solchen Unternehmungen besser fern blieben. Auf die Vereinigung kleinerer Summen komme es weder zum Zwecke einer sicheren Belegung von Ersparnissen, noch zum Zwecke der Gewinnung von Mitteln für nützliche Unternehmungen an. Man habe dann auch keine
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Mittel, zu verhindern, dass solche Aktien schlechthin als Papiergeld zirkulierten: sie könnten über ganz kleine Beträge lauten und die Gesellschaften könnten für ihre beständige Einlösung Einrichtung treffen. Der Sache nach lasse man ganz unbeschränkte Noten-Emissionen zu. Ganz besonders wichtig seien aber die im Entwurfe angenommenen Beschränkungen bei Versicherungsgesellschaften, welche ihre Geschäfte meist auf Grund sehr geringer barer Einzahlungen anfingen. Die Majorität des Ausschusses hielt indes eine andere Rücksicht für überwiegend. Viele nützliche Unternehmungen – so wurde bemerkt – beruhten gerade auf der Beteiligung ganz kleiner Kapitalbeträge. Diese Unternehmungen könne man nicht hindern und die Unternehmer auch nicht füglich auf andere Geschäftsformen verweisen. Es kam noch in Frage, ob nicht wenigstens für größere Gesellschaften, deren Grundkapital 200.000 Taler und mehr betrage, die Bestimmungen des Entwurfs beizubehalten seien. Die Majorität entschied sich indes auch gegen diese Auskunft und für die Streichung der beiden ersten Absätze. Die im dritten Absatze enthaltene Bestimmung, dass der Nominalbetrag der Aktien und Aktienanteile während des Bestehens der Gesellschaft nicht vermindert und nicht erhöht werden darf, ist in den Motiven des ersten Entwurfs gerechtfertigt; es hängt eine solche Prozedur mit der Aufstellung der Bilanz zusammen: das Grundkapital erscheint entweder höher, als es wirklich ist, oder es wird verringert, um bei eingetretenen Verlusten eine Dividendenverteilung möglich zu machen. Ratsam schien jedoch die Bestimmung in Art. 248 dabei ausdrücklich zu wahren. Der Ausschuss schlägt in seiner Majorität daher vor, den Art. 207 a folgendermaßen zu fassen: Der Nominalbetrag der Aktien oder Aktienanteile darf während des Bestehens der Gesellschaft weder vermindert noch erhöhet werden, vorbehältlich der Bestimmung in Art. 248. – Dasselbe gilt auch von Promessen und Interimsscheinen. Eine Minorität beantragte die Streichung der ganzen Bestimmung, da sie überflüssig und auf unnütze Weise belästigend sei: eventuell könne bestimmt werden, dass entweder durch das Statut eine Abweichung vorbehalten werden dürfe, oder Dispensation seitens der Regierung erfolgen könne. In Art. 209 wird unter Nr. 6 die Bestellung eines Aufsichtsrats von fünf aus der Zahl der Aktionäre zu wählenden Mitgliedern vorgeschrieben. Es wurden im Ausschusse die gegen eine solche Einrichtung bereits von verschiedenen Regierungen erhobenen Bedenken geltend gemacht. Wo man bisher keine Staatsgenehmigung vorgeschrieben und gleichwohl keine Inkonvenienzen wahrgenommen, könne es entschieden kein Bedürfnis sein, dieses Novum einzuführen, welches eben nur mit Rücksicht auf das Aufgeben jener in anderen Ländern bisher beibehaltenen Staatsgenehmigung für notwendig gehalten werde. Manche Gesellschaften hätten durch Konzentrierung der Aktien in wenigen Händen ohnehin so wenige Mitglieder, dass ein Aufsichtsrat von fünf Personen gar nicht zu bilden sei: man könne nicht füglich die Absicht haben, solche Gesellschaften geradezu zu verbieten. Eventuell führe es zu weit, wenn man verlange, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats Aktionäre sein und bleiben müssen. Andererseits wurde Folgendes erwogen: Gibt man die Staatsgenehmigung und Staatsaufsicht auf, und will man den Gesellschaften selbst die Beaufsichtigung des
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Vorstandes überlassen, so ist es nötig, sie so zu organisieren, dass eine solche Beaufsichtigung mit Erfolg geübt werden kann. Fehlt ein bestimmtes aus der Gesellschaft selbst hervorgegangenes Organ mit bestimmten, auf jenen Zweck berechneten Attributionen, so ist das Selbstbeaufsichtigungsrecht der Gesellschaft illusorisch. Wenn bei manchen Gesellschaften, die aus sehr wenigen Mitgliedern bestehen, die Stellung eines Aufsichtsrats von fünf Personen nicht möglich ist, so folge daraus – da das Gesetz nicht in gleicher Weise wie das Englische Recht eine bestimmte Personenzahl vorschreibt – keine Aufhebung der Gesellschaft. Es wurde indes, um die hier möglichen Zweifel zu vermeiden, für angemessen gehalten, die Zahl von fünf Mitgliedern zu beschränken, und der Ausschuss beantragt: in Art. 209 sub. 6 anstatt fünf zu setzen: drei aus der Zahl der Aktionäre zu wählenden Mitgliedern. Art. 209 a, b und c wurden nicht beanstandet; es wurde indes zu diesem und den folgenden Artikeln in Bezug auf den erhobenen Zweifel, dass nach Art. 211 die Gesellschaft erst durch die Eintragung existent werde, während doch vor der Anmeldung bereits Generalversammlung und nach Art. 210 auch Aufsichtsrat vorhanden seien, bemerkt, dass vor der Eintragung der Gesellschaftsvertrag jedenfalls die Mitglieder untereinander binde und für die interna der Gesellschaft Folgen haben könne, während diese erst durch die Eintragung nach außen hin zu existieren anfange. Zu Art. 210 wurde bemerkt, dass die Veröffentlichung des ganzen Gesellschaftsvertrags nicht für notwendig zu halten und oft bei sehr weitläufigen Verträgen lästig sei. Andererseits wurde auf die Publikation des ganzen Vertrages Wert gelegt. Die Majorität des Ausschusses pflichtete der ersten Meinung bei und schlägt vor: in Art. 210 in der zweiten und dritten Zeile zu setzen: eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden. Die Art. 210 a bis 214 wurden nicht beanstandet. Zu Art. 215 wurde das Verbot des Ankaufs oder der Amortisation eigner Aktien bedenklich gefunden; es liege darin eine nicht notwendige Beschränkung (cfr. Renaud aaO. S. 681 ff.). Dagegen wurde andrerseits erwogen, dass die Aktien die Berechtigung des einzelnen Teilhabers an der Gesellschaft darstellen, und es nicht im Sinne des Geschäfts liege, dass die Gesellschaft einmal als von den Aktionären zu unterscheidende Persönlichkeit und dann auch selbst als Aktionär erscheine. Meist führe der Ankauf oder die Amortisation eigner Aktien zu Missverhältnissen. Wo das nicht der Fall sei, und die Maßregel der besonderen Natur des Gesellschaftsunternehmens entspreche, könne die Ausnahme durch den Vertrag oder einen besonderen vor der Ausgabe der Aktien gefassten Beschluss zugelassen werden. Die Majorität entschied sich sonach für die Beibehaltung der im Entwurfe vorgeschlagenen Bestimmung. Auch der Antrag: vor „Erwerben“ einzuschalten „durch lästigen Titel“ wurde abgelehnt, indem man annahm, dass dadurch der Zweck der Vorschrift vereitelt werden könne; dass es zulässig sei, dass ein Aktionär zu Gunsten der Gesellschaft auf seine Berechtigung verzichte, wurde übrigens nicht bezweifelt. Zu Art. 217 wurde bemerkt, dass die gemachten Zusätze den Sinn des Handelsgesetzbuchs vor jedem Zweifel sicherten, indem jetzt bloße Ertragsbilanzen mit voller Bestimmtheit ausgeschlossen seien. Bei fehlender Staatsgenehmigung und Aufsicht sei
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es ein wesentlicher Gesichtspunkt, dafür zu sorgen, dass das Grundvermögen konserviert bleiben müsse. Es wurde an dieser Stelle noch beantragt, eine Modifikation des Art. 222 des Handelsgesetzbuchs aufzunehmen. Nach diesem Artikel haften die Zeichner auch nach Verlust ihres Anrechts aus der Zeichnung für die Einzahlung von 40 Prozent, und es kann ausgemacht werden, dass nach Einzahlung von 40 Prozent der Zeichner von der Haftung für weitere Einzahlungen befreit werden kann und über die Einzahlungen Promessen oder Interimsscheine ausgestellt werden. Nach Art. 249 können landesgesetzlich diese 40 Prozent herabgesetzt werden. Wo dieses geschehen ist, würde durch das jetzt zu erlassende Gesetz diese mildere Bestimmung wieder aufgehoben werden. Es wurde also beantragt, in Art. 222 anstatt 40 Prozent zu setzen 25 Prozent. Andrerseits wurde bemerkt, dass eine Begünstigung nach dieser Richtung ihre Bedenken habe. Man bringe eine Gesellschaft mit einem sehr großen Kapital zusammen: es würden aber nur 40 oder 25 Prozent eingezahlt, dann wären die Anteilsscheine bereits negoziabel, und das Geschäft selbst würde mit viel kleineren Mitteln begonnen. Außerdem werde durch eine Erleichterung des Verkehrs mit Aktien oder Promessen in diesem Stadium der Sache der Auffassung Vorschub geleistet, nach welcher es viel weniger auf das Unternehmen selbst ankomme, als auf den Vorteil beim Börsenverkehr mit den Aktien oder Promessen. Die Majorität entschied sich indes für die beantragte Modifikation des Art. 222 und es wird daher vorgeschlagen, nach Art. 217 noch eine danach zu modifizierende Fassung des Art. 222 aufzunehmen. Die im Art. 225 b und 239 im letzten Alinea enthaltene Vorschrift, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes mit der Gesellschaft keine Verträge schließen dürfen, fand Widerspruch, der auf die in der Vorlage [oben S. 112] angeführten Gründe gestützt wurde. Die Vorschrift gehe viel weiter als die im Französischen Gesetze vom 24. Juli 1867 Art. 40 enthaltene und könne zu den schwersten Übelständen führen. Nichtigkeit der betreffenden Verträge lasse sich nicht wohl androhen. Die Majorität entschied sich für diese Ansicht und es wird daher beantragt: den Art. 225 b und das letzte Alinea des Art. 239 zu streichen. Ebenso wurden zu Art. 231 die im zweiten, dritten und fünften Alinea enthaltenen Bestimmungen für zu beschränkend erklärt, da sie bei vielen Unternehmungen nicht ausgeführt werden könnten, ohne diese Unternehmungen ganz zu stören. Dagegen wurde geltend gemacht, dass es auf kein absolutes Verbot ankomme, sondern nur die Absicht sei, eine Mitwirkung der Generalversammlung möglich zu machen, die ein für allemal oder im einzelnen Falle ihre Genehmigung aussprechen könne. Die Majorität entschied sich indes für die zuerst angeführte Ansicht. Mit dem Hinwegfall der bezeichneten drei Absätze würde, da sich im ersten und vierten Alinea nur die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs finden, der ganze Art. 231 und folgeweise auch die Nummer 3 aus Art. 225 c hinwegfallen. Es wird also beantragt: Art. 231 zu streichen, ebenso in Art. 225 c Nr. 3, und Nr. 4 als Nr. 3 zu bezeichnen. In Art. 239 wurde beantragt, die Frist, innerhalb welcher die Bilanz des abgelaufenen Geschäftsjahres den Aktionären vorgelegt und publiziert werden muss, auf zwölf Monate zu erweitern. Gegen den Antrag kam in Betracht, dass die Frist von sechs
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Monaten eine geräumige ist, die innegehalten werden kann, dass auf das Bekanntwerden des Zustandes im Sinne der Kontrolle der größte Wert zu legen ist, und dass die Veröffentlichung in dem Maße an Wert und Bedeutung verliert, als sie verspätet und verzögert wird. Der Antrag erhielt also im Ausschusse nicht die Majorität. In Art. 239 a sind bestimmte Grundsätze über die Bilanz aufgestellt, zu deren Motivierung die Anführungen auf S. [oben S. 69 f.] der ersten Vorlage Nr. 86 von 1869 dienen. Von einer Seite wurden diese Vorschriften viel zu ängstlich und minutiös gefunden: sie lähmten die freie Bewegung und sicherten doch nicht gegen die Schäden, die man abwenden wolle. Gleichwohl fand der Antrag, den ganzen Artikel fortzulassen, nicht die Zustimmung der Majorität. Man erwog, dass für die Erhaltung des Grundkapitals zu sorgen und der Tendenz, große Dividenden zu verteilen und die Bilanz demgemäß einzurichten, entgegen zu wirken sei. In Bezug auf die Einzelheiten wurde zu Nr. 1 angeregt, dass bei Grundstücken nicht bloß der Erwerbswert entscheidend sein könne: bei vielen Unternehmungen, bei denen es auf Erwerb und Verwertung von Grundstücken ankomme, könne der Wert der erworbenen Grundstücke so steigen, dass durch den Ansatz des Erwerbswerts in der Bilanz überhaupt keine richtige Darstellung von dem Vermögenszustande gegeben werde (Renaud, aaO. S. 495). Jedenfalls könne der Aufsichtsrat, der die Bilanz zu prüfen habe, seine Erinnerungen gegen übertriebene Wertangaben geltend machen. Diese Ansicht wurde von der Majorität des Ausschusses gebilligt, welche demgemäß aus Nr. 1 die Bestimmung wegen der Grundstücke wegzulassen beantragt. Zu Nr. 3 wurde die hinsichtlich der Organisationskosten gegebene Vorschrift als zu strenge angesehen, und für billig erachtet, dass dieselben als Aktiva betrachtet und allenfalls deren jährliche Abminderung vorgesehen würde. Es kam dagegen in Betracht, dass dieselben in der Tat kein Aktivum darstellen (cfr. Motive des ersten Entwurfs Nr. 86 [oben S. 69 f.]. Die Majorität erklärte sich daher mit der Bestimmung des Entwurfs einverstanden. Zu Nr. 4 wurde anerkannt, dass der bloß vorgeschriebene, aber noch nicht angesammelte Reservefonds noch kein Teil des Grundkapitals sei. Der Ausschuss war daher der Ansicht, dass besser zu sagen sei: der Betrag des Grundkapitals und des Reserve- oder Erneuerungsfonds. Es wird sonach beantragt: in Art. 239 a sub. 1 zu setzen: Mobilien dürfen nur zu ihrem Erwerbswerte und mit einem jährlichen Abschlage von mindestens fünf Prozent dieses Werts zum Ansatz kommen. sub. 4 zu setzen: der Betrag des Grundkapitals und des Reserve- oder Erneuerungsfonds ist usw. Zu Art. 240 und 242 ist zu bemerken, dass die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Anzeige der Verminderung des Grundkapitals unter die Hälfte und die alsdann im Verwaltungswege zu verfügende Auflösung der Gesellschaft ausgefallen sind. In Art. 249, 249 a und Art. 206 finden sich Strafbestimmungen. Von einigen Seiten wurden diese Bestimmungen zu strenge gefunden, und beantragt, dass an Stelle der Gefängnisstrafen Geldstrafen angedrohet würden. Namentlich sei die Bestimmung in Art. 249 Nr. 2 eine sehr harte. Die Majorität des Ausschusses war indes für Beibehal-
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tung der Bestimmungen des Entwurfs. Ohne Strafbestimmungen bleibe das Gesetz erfolglos. Zu strenge seien die Strafen nicht, da es sich in allen vorgesehenen Fällen um Versuren handle, die oft nicht grade als Betrügereien unter das Kriminalgesetz fielen, aber doch sicher nicht milder zu beurteilen seien. Bei den Fällen sub. 2 komme in Betracht, dass mildernde Umstände zugelassen und beim Vorhandensein derselben Geldstrafen anwendbar seien. Rücksichtlich der in §§ 2–4 enthaltenen Übergangs-Bestimmungen fand es der Ausschuss völlig gerechtfertigt, dass der Entwurf nähere Bestimmungen über die Anwendung der gegebenen Vorschriften auf schon bestehende Gesellschaften nicht enthält, sondern die sich in dieser Beziehung möglicher Weise aufwerfenden Fragen der Interpretation und eventuell der gerichtlichen Entscheidung überlässt. Zu § 3 wurde angeregt, dass die staatliche Genehmigung und Beaufsichtigung nicht bloß aus der Natur des Unternehmens, sondern auch daraus folgen könne, dass einzelnen Gesellschaften ausnahmsweise besondere Vergünstigungen, z.B. Ausgabe von Papieren auf den Inhaber gestattet würden, die Genehmigung und Kontrollierung voraussetzten. Es wird daher vorgeschlagen, am Schlusse des § 3 noch hinzuzusetzen: oder in Verbindung mit besonderen, der Gesellschaft bewilligten Privilegien stehen. Zu § 4 kam in Frage, ob nicht in Nr. 1 der erste Absatz ganz entbehrlich sei, und ob nicht in Nr. 4 der Fall des Art. 227 mit zu berücksichtigen und die gegebene fünfjährige Frist abzukürzen sei. Der Ausschuss einigte sich indes über keine in dieser Beziehung vorzuschlagende Abänderungen. Der Schlussantrag des Ausschusses geht dahin: der Bundesrat wolle dem vorgelegten Gesetzentwurf, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften mit den sich aus dem Vorstehenden ergebenen Modifikationen, die Zustimmung erteilen. Eine neue Redaktion des Entwurfs ist diesem Bericht sub. A beigefügt. gez. Pape – Klemm – v. Liebe – v. Bertrab – Krüger 2. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Kommandit-Gesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften § 1. Die Art. 5, 174 bis 176, 178, 198, 203, 206 bis 212, 214, 215, 217, 222, 225, 239, 240, 242 und 247 bis 249 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches werden durch nachstehende, den bisherigen Zifferzahlen entsprechende Artikel ersetzt. Artikel 5. Die in Betreff der Kaufleute gegebenen Bestimmungen gelten in gleicher Weise in Betreff der Handelsgesellschaften, insbesondere auch der Kommanditgesellschaften auf Aktien und der Aktiengesellschaften. Dieselben gelten auch in Betreff der öffentlichen Banken in den Grenzen ihres Handelsbetriebes, unbeschadet der für sie bestehenden Verordnungen.
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Artikel 174. Eine Kommanditgesellschaft auf Aktien gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgeschäften besteht. Über die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftsvertrages muss eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufgenommen werden. Zur Aktienzeichnung genügt eine schriftliche Erklärung. Artikel 175. Der Gesellschaftsvertrag muss enthalten: 1. den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters; 2. die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat; 3. den Gegenstand des Unternehmens; 4. die Zeitdauer des Unternehmens, im Fall dasselbe auf eine bestimmte Zeit beschränkt sein soll; 5. die Zahl und den Betrag der Aktien oder Aktienanteile; 6. die Bestimmung, dass ein Aufsichtsrat von mindestens fünf Mitgliedern aus der Zahl der Kommanditisten durch Wahl derselben bestellt werden müsse; 7. die Form, in welcher die Zusammenberufung der Generalversammlung der Kommanditisten geschieht; 8. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Artikel 176. Der Gesellschaftsvertrag muss bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden. Der Auszug muss enthalten: 1. das Datum des Gesellschaftsvertrages; 2. den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters; 3. die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat; 4. die Zahl und den Betrag der Aktien und Aktienanteile; 5. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Artikel 178. Vor erfolgter Eintragung in das Handelsregister besteht die Kommanditgesellschaft als solche nicht. Die vor der Eintragung ausgegebenen Aktien oder Aktienanteile sind nichtig. Die Ausgeber sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Wenn vor erfolgter Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. Artikel 198. Jede Abänderung des Gesellschaftsvertrages bedarf zu ihrer Gültigkeit der notariellen oder gerichtlichen Abfassung.
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Der abändernde Vertrag muss in gleicher Weise, wie der ursprüngliche Vertrag, in das Handelsregister eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden (Art. 176, 179). Der abändernde Vertrag hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist. Artikel 203. Eine teilweise Zurückzahlung des Kapitals der Kommanditisten kann nur vermöge einer Abänderung des Gesellschaftsvertrages erfolgen. Die Zurückzahlung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen geschehen, welche für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens im Falle der Auflösung maßgebend sind (Art. 201, 202). Artikel 206. Die persönlich haftenden Mitglieder und die Mitglieder des Aufsichtsrats werden mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft: 1. wenn sie vorsätzlich behufs der Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister falsche Angaben über die Zeichnung oder Einzahlung des Kapitals der Kommanditisten machen; 2. wenn durch ihre Schuld länger als drei Monate die Gesellschaft ohne Aufsichtsrat geblieben ist, oder in dem letzteren die erforderliche Zahl von Mitgliedern gefehlt hat; 3. wenn sie in ihren Darstellungen, in ihren Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen wissentlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern. Wird in den Fällen zu 2. festgestellt, dass mildernde Umstände vorhanden sind, so ist auf Geldbuße bis zu eintausend Talern zu erkennen. Artikel 207. Eine Gesellschaft ist eine Aktiengesellschaft, wenn sich die sämtlichen Gesellschaften nur mit Einlagen beteiligen, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften. Das Gesellschaftskapital wird in Aktien oder auch in Aktienanteile zerlegt. Die Aktien oder Aktienanteile sind unteilbar. Dieselben können auf Inhaber oder auf Namen lauten. Artikel 207 a. Der Nominalbetrag der Aktien oder Aktienanteile darf während des Bestehens der Gesellschaft weder vermindert noch erhöht werden, vorbehaltlich der Bestimmung in Art. 248. Dasselbe gilt auch von Promessen und Interimsscheinen. Artikel 208. Eine Aktiengesellschaft gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgesellschaften besteht. Über die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftsvertrages (Statuts) muss eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufgenommen werden.
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Zur Aktienzeichnung genügt eine schriftliche Erklärung. Artikel 209. Der Gesellschaftsvertrag muss insbesondere bestimmen: 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft; 2. den Gegenstand des Unternehmens; 3. die Zeitdauer des Unternehmens, im Falle dasselbe auf eine bestimmte Zeit beschränkt sein soll; 4. die Höhe des Grundkapitals und der einzelnen Aktien oder Aktienanteile; 5. die Eigenschaft der Aktien, ob sie auf Inhaber oder auf Namen gestellt werden sollen, ingleichen die etwa bestimmte Zahl der einen und der anderen Art, sowie die etwa zugelassene Umwandlung derselben; 6. die Bestellung eines Aufsichtsrats von mindestens drei, aus der Zahl der Aktionäre zu wählenden Mitgliedern; 7. die Grundsätze, nach welchen die Bilanz aufzunehmen und der Gewinn zu berechnen und auszuzahlen ist, sowie die Art und Weise, wie die Prüfung der Bilanz erfolgt; 8. die Art der Bestellung und Zusammensetzung des Vorstandes und die Formen für die Legitimation der Mitglieder desselben und der Beamten der Gesellschaft; 9. die Form, in welcher die Zusammenberufung der Aktionäre geschieht; 10. die Bedingungen des Stimmrechts der Aktionäre und die Form, in welcher dasselbe ausgeübt wird; 11. die Gegenstände, über welche nicht schon durch einfache Stimmenmehrheit der auf Zusammenberufung erschienenen Aktionäre, sondern nur durch eine größere Stimmenmehrheit oder nach anderen Erfordernissen Beschluss gefasst werden kann; 12. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Artikel 209 a. Nach der Zeichnung des Grundkapitals hat eine Generalversammlung der Aktionäre auf Grund der ihr vorzulegenden Bescheinigungen durch Beschluss festzustellen, dass das Grundkapital vollständig gezeichnet, und dass mindestens zehn Prozent, bei Versicherungsgesellschaften mindestens zwanzig Prozent, auf jede Aktie eingezahlt sind, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag zwischen den sämtlichen Aktionären abgeschlossen und darin die Erfüllung jener Erfordernisse anerkannt ist. Über den Beschluss ist eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufzunehmen. Artikel 209 b. Wenn ein Aktionär eine auf das Grundkapital anzurechnende Einlage macht, welche nicht in barem Gelde besteht, oder wenn Anlagen oder sonstige Vermögensstücke von der zu errichtenden Gesellschaft übernommen werden sollen, so ist in dem Gesellschaftsvertrage der Wert der Einlage oder des Vermögensstücks festzulegen und die Zahl der Aktien oder der Preis zu bestimmen, welche für dieselben gewährt werden. Jeder zu Gunsten eines Aktionärs bedungene besondere Vorteil ist im Gesellschaftsvertrage gleichfalls festzusetzen.
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Nach der Zeichnung des Grundkapitals muss in den Fällen, welche in dem vorstehenden Absatz bezeichnet sind, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag zwischen den sämtlichen Aktionären abgeschlossen ist, die Genehmigung des Vertrages in einer Generalversammlung der Aktionäre durch Beschluss erfolgen. Die den Vertrag genehmigende Mehrheit muss mindestens ein Vierteil der sämtliche Aktionäre begreifen und der Betrag ihrer Anteile mindestens ein Vierteil des gesamten Grundkapitals darstellen. Der Gesellschafter, welcher die betreffende Einlage macht oder sich besondere Vorteile ausbedingt, hat bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht. Über den Beschluss ist eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufzunehmen. Artikel 209 c. Die Zusammenberufung der Generalversammlung erfolgt in den Fällen der Art. 209 a und 209 b nach den Bestimmungen, welche der Gesellschaftsvertrag über die Zusammenberufung der Generalversammlungen enthält. Artikel 210. Der Gesellschaftsvertrag muss bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden. Der Auszug muss enthalten: 1. das Datum des Gesellschaftsvertrages; 2. die Firma und den Sitz der Gesellschaft; 3. den Gegenstand und die Zeitdauer des Unternehmens; 4. die Höhe des Grundkapitals und der einzelnen Aktien oder Aktienanteile; 5. die Eigenschaft derselben, ob sie auf Inhaber oder auf Namen gestellt sind; 6. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Ist im Gesellschaftsvertrage eine Form bestimmt, in welcher der Vorstand seine Willenserklärung kundgibt und für die Gesellschaft zeichnet, so ist auch diese Bestimmung zu veröffentlichen. Artikel 210 a. Der Anmeldung behufs der Eintragung in das Handelsregister muss beigefügt sein: 1. die Bescheinigung, dass der gesamte Betrag des Grundkapitals durch Unterschriften gedeckt ist; 2. die Bescheinigung, dass mindestens zehn Prozent, bei Versicherungsgesellschaften mindestens zwanzig Prozent, des von jedem Aktionär gezeichneten Betrages eingezahlt sind; 3. der Nachweis, dass der Aufsichtsrat nach Inhalt des Vertrages in einer Generalversammlung der Aktionäre gewählt ist; 4. betreffenden Falls die gerichtliche oder notarielle Urkunde über die in den Art. 209 a und 209 b bezeichneten Beschlüsse der Generalversammlung. Die Anmeldung muss von sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes vor dem Handelsgericht unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden. Die der An-
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meldung beigefügten Schriftstücke werden bei dem Handelsgericht in Urschrift oder in beglaubigter Form aufbewahrt. Artikel 211. Vor erfolgter Eintragung in das Handelsregister besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht. Die ausgegebenen Aktien oder Aktienanteile sind nichtig. Die Ausgeber sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Wenn vor erfolgter Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. Artikel 212. Bei jedem Handelsgerichte, in dessen Bezirke die Aktiengesellschaft eine Zweigniederlassung hat, muss dies behufs der Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Die Anmeldung muss von sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes vor dem Handelsgericht unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden und die in Art. 210 Abs. 2 und 3 bezeichneten Angaben enthalten. Das Handelsgericht hat die Mitglieder des Vorstandes zur Befolgung dieser Vorschriften von Amts wegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Artikel 214. Jeder Beschluss der Generalversammlung, welcher die Fortsetzung der Gesellschaft oder eine Abänderung der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zum Gegenstande hat, bedarf zu seiner Gültigkeit der notariellen oder gerichtlichen Beurkundung. Ein solcher Beschluss muss in gleicher Weise wie der ursprüngliche Vertrag in das Handelsregister eingetragen und veröffentlicht werden (Art. 210, 212). Der Beschluss hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe bei dem Handelsgerichte, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist. Artikel 215. Die Abänderung des Gegenstandes der Unternehmung der Gesellschaft kann nicht durch Stimmenmehrheit beschlossen werden, sofern dies nicht im Gesellschaftsvertrage ausdrücklich gestattet ist. Dasselbe gilt von dem Falle, wenn die Gesellschaft durch Übertragung ihres Vermögens und ihrer Schulden an eine andere Aktiengesellschaft gegen Gewährung von Aktien der letzteren aufgelöst werden soll. Die Aktiengesellschaft darf eigene Aktien nicht erwerben. Sie darf eigene Aktien auch nicht amortisieren, sofern dies nicht durch den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag oder durch einen, den letzteren abändernden, vor Ausgabe der Aktien gefassten Beschluss zugelassen ist. Artikel 217. Zinsen von bestimmter Höhe dürfen für die Aktionäre nicht bedungen, noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie verteilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz und, wenn im Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Reservekapitals bestimmt ist, nach Abzug desselben als reiner Überschuss über die volle
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Einlage ergibt. Die Aktionäre können bis zur Wiederergänzung des durch Verlust verminderten Gesamtbetrages der Einlagen, Dividenden nicht beziehen. Jedoch können für den in dem Gesellschaftsvertrage angegebenen Zeitraum, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfang des vollen Betriebes erfordert, den Aktionären Zinsen von bestimmter Höhe bedungen werden. Artikel 222. Wenn die Aktien oder Aktienanteile auf Inhaber gestellt werden, so kommen folgende Grundsätze zur Anwendung: 1. Die Ausgabe der Aktien darf vor Einzahlung des ganzen Nominalbetrages derselben nicht erfolgen; ebenso wenig dürfen über die geleisteten Partialzahlungen, Promessen oder Interimsscheine, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden. 2. Der Zeichner der Aktie ist für die Einzahlung von 25 Prozent des Nominalbetrags der Aktie unbedingt verhaftet; von dieser Verpflichtung kann derselbe weder durch Übertragung seines Anrechtes auf einen Dritten sich befreien, noch seitens der Gesellschaft entbunden werden; wird der Zeichner der Aktie wegen verzögerter Einzahlung seines Anrechtes aus der Zeichnung vorläufig verlustig erklärt (Art. 220), so bleibt er dem ungeachtet zur Einzahlung von 25 Prozent des Nominalbetrages der Aktie verpflichtet. 3. Im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, dass und unter welchen Maßgaben nach erfolgter Einzahlung von 25 Prozent die Befreiung des Zeichners von der Haftung für weitere Einzahlungen zulässig sei, und dass im Falle der eingetretenen Befreiung über die geleisteten Einzahlungen Promessen oder Interimsscheine, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden dürfen. Artikel 225. Die für den Aufsichtsrat einer Kommanditgesellschaft auf Aktien in den Art. 191 und 192 gegebenen Bestimmungen finden auch auf den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft Anwendung. Artikel 225 a. Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung; er kann sich von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten, die Bücher und Schriften derselben jeder Zeit einsehen und den Bestand der Gesellschaftskasse untersuchen. Er hat die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnverteilung zu prüfen und darüber alljährlich der Generalversammlung der Aktionäre Bericht zu erstatten. Er hat eine Generalversammlung zu berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist. Artikel 225 b. Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind persönlich und solidarisch zum Schadenersatz verpflichtet, wenn mit ihrem Wissen und ohne ihr Einschreiten: 1. Einlagen an die Aktionäre zurückgezahlt, oder der Bestimmung des Art. 215 Abs. 3 entgegen eigene Aktien der Gesellschaft erworben oder amortisiert worden sind; 2. Zinsen oder Dividenden gezahlt sind, welche nach Maßgabe der Bestimmungen des Art. 217 nicht gezahlt werden durften;
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3. die Verteilung des Gesellschaftsvermögens oder eine teilweise Zurückzahlung des Grundkapitals ohne Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen (Art. 245 und 248) erfolgt ist. Artikel 239. Der Vorstand ist verpflichtet, Sorge zu tragen, dass die erforderlichen Bücher der Gesellschaft geführt werden. Er muss den Aktionären spätestens in den ersten sechs Monaten jedes Geschäftsjahres eine Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres vorlegen und solche innerhalb dieser Frist in der Form und in den öffentlichen Blättern, welche für die Bekanntmachungen der Gesellschaft in dem Gesellschaftsvertrage bestimmt sind, veröffentlichen. Zur Entlastung des Vorstandes bei Legung der Rechnung können Personen nicht bestellt werden, welche auf irgend eine Weise an der Geschäftsführung Teil nehmen. Dieses Verbot bezieht sich nicht auf die Personen, welchen die Aufsicht über die Geschäftsführung zusteht. Artikel 239 a. Für die Aufstellung der Bilanz sind folgende Vorschriften maßgebend: 1. Mobilien dürfen nur zu ihrem Erwerbswerte und mit einem jährlichen Abschlage von mindestens fünf Prozent dieses Werts zum Ansatz kommen; 2. kurshabende Papiere dürfen höchstens zu dem Kurswerte, welchen dieselben zur Zeit der Bilanzaufstellung angesetzt werden; 3. die Kosten der Organisation und Verwaltung dürfen nicht unter den Aktiva aufgeführt werden, müssen vielmehr ihrem vollen Betrage nach in der Jahresrechnung als Ausgabe erscheinen; 4. der Betrag des Grundkapitals und des Reserve- oder Erneuerungsfonds ist unter die Passiva aufzunehmen; 5. der aus der Vergleichung sämtlicher Aktiva und sämtlicher Passiva sich ergebende Gewinn oder Verlust muss am Schlusse der Bilanz besonders angegeben werden. Artikel 240. Ergibt sich aus der letzten Bilanz, dass sich das Grundkapital um die Hälfte vermindert hat, so muss der Vorstand unverzüglich eine Generalversammlung berufen und dieser davon Anzeige machen. Ergibt sich, dass das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt, so muss der Vorstand hiervon dem Gericht behufs der Eröffnung des Konkurses Anzeige machen. Artikel 242. Die Aktiengesellschaft wird aufgelöst: 1. durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrage bestimmten Zeit; 2. durch einen notariellen oder gerichtlich beurkundeten Beschluss der Aktionäre; 3. durch Eröffnung des Konkurses. Wenn die Auflösung einer Aktiengesellschaft aus anderen Gründen erfolgt, so finden die Bestimmungen dieses Abschnitts ebenfalls Anwendung.
IV. Bericht des Ausschusses für Justizwesen vom 1.5.1870 über den Entwurf
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Artikel 247. Bei der Auflösung einer Aktiengesellschaft durch Vereinigung derselben mit einer anderen Aktiengesellschaft (Art. 215) kommen folgende Bestimmungen zur Anwendung: 1. Das Vermögen der aufzulösenden Gesellschaft ist so lange getrennt zu verwalten, bis die Befriedigung oder Sicherstellung ihrer Gläubiger erfolgt ist. 2. Der bisherige Gerichtsstand der Gesellschaft bleibt für die Dauer der getrennten Vermögensverwaltung bestehen; dagegen wird die Verwaltung von der anderen Gesellschaft geführt. 3. Der Vorstand der letzteren Gesellschaft ist den Gläubigern für die Ausführung der getrennten Verwaltung persönlich und solidarisch verantwortlich. 4. Die Auflösung der Gesellschaft ist zur Eintragung in das Handelsregister bei Ordnungsstrafe anzumelden. 5. Die öffentliche Aufforderung der Gläubiger der aufgelösten Gesellschaft (Art. 243) kann unterlassen oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Jedoch ist die Vereinigung der Vermögen der beiden Gesellschaften erst in dem Zeitpunkte zulässig, in welchem eine Verteilung des Vermögens einer aufgelösten Aktiengesellschaft unter die Aktionäre erfolgen darf (Art. 245). Artikel 248. Eine teilweise Zurückzahlung des Grundkapitals an die Aktionäre kann nur auf Beschluss der Generalversammlung erfolgen. Die Zurückzahlung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen erfolgen, welche für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens im Falle der Auflösung maßgebend sind (Art. 243, 245). Die Mitglieder des Vorstandes, welche dieser Vorschrift entgegen handeln, sind den Gläubigern der Gesellschaft persönlich und solidarisch verhaftet. Artikel 249. Die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes werden mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft: 1. wenn sie vorsätzlich behufs der Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister falsche Angaben über die Zeichnung oder Einzahlung des Grundkapitals machen; 2. wenn durch ihre Schuld länger als drei Monate die Gesellschaft ohne Aufsichtsrat geblieben ist, oder in dem letzteren die erforderliche Zahl von Mitgliedern gefehlt hat; 3. wenn sie in ihren Darstellungen, in ihren Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen wissentlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern. Wird in den Fällen zu 2. festgestellt, dass mildernde Umstände vorhanden sind, so ist auf Geldbuße bis zu eintausend Talern zu erkennen. Artikel 249 a. Die Mitglieder des Vorstandes werden mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft, wenn sie der Vorschrift des Art. 240 zuwider dem Gericht die Anzeige zu machen unterlassen, dass das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt.
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
Die Strafe tritt nicht ein, wenn von ihnen nachgewiesen wird, dass die Anzeige ohne ihr Verschulden unterblieben ist. § 2. Die Landesgesetze, welche zur Einrichtung von Kommanditgesellschaften auf Aktien oder Aktiengesellschaften die staatliche Genehmigung vorschreiben oder eine staatliche Beaufsichtigung dieser Gesellschaften anordnen, werden aufgehoben. Auch treten für die bereits bestehenden Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften diejenigen Bestimmungen der Gesellschaftsverträge außer Kraft, welche die staatliche Genehmigung und Beaufsichtigung betreffen. § 3. Die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen der Gegenstand des Unternehmens der staatliche Genehmigung bedarf, und das Unternehmen der staatlichen Beaufsichtigung unterliegt, werden durch den § 2 nicht berührt. Dasselbe gilt für die bereits bestehenden Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften von denjenigen Bestimmungen der Gesellschaftsverträge, welche sich auf die staatliche Genehmigung und Beaufsichtigung wegen des Gegenstandes des Unternehmens beziehen oder in Verbindung mit besonderen der Gesellschaft bewilligten Privilegien stehen. § 4. Für diejenigen bereits bestehenden Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften, welche nach den bisherigen Vorschriften in das Handelsregister nicht einzutragen waren, gelten folgende Übergangsbestimmungen: 1. Auf die bezeichneten Gesellschaften finden die Vorschriften des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, welche die Eintragung in das Handelsregister und die bei dem Handelsgericht zu bewirkende Zeichnung der Firmen und Unterschriften oder die Einreichung der Zeichnungen betreffen, gleichfalls Anwendung. Die Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister und die Zeichnung der Firmen und Unterschriften oder die Einreichung der Zeichnungen sind binnen drei Monaten von dem Tage an gerechnet, an welchem dieses Gesetz in Geltung tritt, zu bewirken. Nach Ablauf dieser Frist sind die Beteiligten zur Befolgung der betreffenden Vorschriften durch Ordnungsstrafen anzuhalten. 2. Ist die Anmeldung einer Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister binnen der dreimonatlichen Frist bewirkt, so bleibt die Anwendung der Bestimmungen der Art. 17, 18, 20, 21 Abs. 2, 168 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs ausgeschlossen. 3. Eine gültig errichtete Gesellschaft ist in das Handelsregister einzutragen, auch wenn die Voraussetzungen nicht vorhanden sind, welche nach diesem Gesetze für die Errichtung der Gesellschaft erforderlich sein würden. 4. Sind die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, oder ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft in der Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, beschränkt, so finden die Bestimmungen des Art. 116 und des Art. 231 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches bis zum Ablauf von drei Monaten, von dem Tage an gerechnet, an welchem dieses Gesetz in Geltung tritt, keine Anwendung. Auch bleibt die Anwendung dieser Vorschriften noch während eines Zeitraums von fünf Jahren, von jenem Tage an gerechnet, aus-
V. Protokolle des Bundesratsplenums
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geschlossen, wenn die Beschränkung innerhalb der unter Ziffer 1 bezeichneten dreimonatlichen Frist zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet ist.
V. Protokolle des Bundesratsplenums 1. Protokoll der Sitzung von 9.5.1870 (§ 193 der Protokolle von 1870) Über die Vorlage Preußens, betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Kommandit-Gesellschaften auf Aktien und die Aktien-Gesellschaften (Nr. 56 der Drucksachen), hat der VI. Ausschuss Bericht erstattet (Nr. 62 der Drucksachen). Referent: Geheimrat von Liebe. [...] Sodann wurde der Beratung der Gesetzentwurf in der Fassung der Vorlage (Nr. 56 der Drucksachen) zum Grunde gelegt und Folgendes beschlossen: Der Eingang des § 1 wurde mit dem Vorbehalt angenommen, dass die darin enthaltene Aufzählung der durch den Gesetzentwurf zu ändernden Artikel des Handelsgesetzbuchs erst nach Beendigung der Beratung über den weiteren Inhalt des § 1 festzustellen sein wird. Artikel 5 wurde angenommen. Ebenso die Artikel 174, 175, 176, 178, 198 und 203. Zu den Artikeln 206 und 249 stellte der Bürgermeister Dr. Kirchenpauer den Antrag, prinzipaliter die beiden Artikel zu streichen, eventualiter wenigstens die darin enthaltene Androhung von Gefängnisstrafe in Fortfall zu bringen. Beide Anträge wurden gegen die Stimmen der drei freien Städte abgelehnt und es erfolgte die Annahme des Artikel 206. Artikel 207 wurde angenommen. Vom Artikel 207 a [oben S. 89] wurden Alinea 1 und 2 mit einer Mehrheit von 24 Stimmen angenommen; ebenso erfolgte die Annahme des Alinea 3 gegen die Stimmen Hessens und Hamburgs. – Alinea 4 wurde angenommen. Artikel 208 wurde angenommen. Zum Artikel 209 Ziff. 6 stellte Bürgermeister Dr. Kirchenpauer den Antrag: die Worte „aus der Zahl der Aktionäre zu wählenden“ zu streichen. Dieser Antrag wurde gegen die Stimmen der drei freien Städte abgelehnt und der Art. 209 wurde mit der Maßgabe angenommen, dass unter Ziff. 6 statt „fünf“ zu setzen ist „drei“. Die Artikel 209 a, 209 b und 209 c wurden angenommen. Der Artikel 210 wurde mit der Maßgabe angenommen, dass in Zeile 2 und 3 desselben die Worte: „in einem der öffentlichen Blätter (Art. 13, 14) seinem ganzen Inhalt nach, in den übrigen“ zu streichen sind. Die Artikel 210 a, 211, 212 und 214 wurden angenommen. Zum Artikel 215 stellte der Geheime Legationsrat Hofmann [Großherzogtum Hessen] den Antrag auf Streichung des Alinea 3. Der Antrag wurde gegen die Stimmen Hessens und der drei freien Städte abgelehnt. Die Artikel 215 und 217 wurden darauf angenommen.
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
Sodann wurde beschlossen, als Artikel 222 folgende Vorschrift hier einzuschalten: Wenn die Aktien oder Aktien-Anteile auf Inhaber gestellt werden, so kommen folgende Grundsätze zur Anwendung: 1. Die Ausgabe der Aktien darf vor Einzahlung des ganzen Nominalbetrages derselben nicht erfolgen; ebenso wenig dürfen über die geleisteten Partialzahlungen Promessen oder Interimsscheine, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden. 2. Der Zeichner der Aktie ist für die Einzahlung von vierzig Prozent des Nominalbetrages der Aktie unbedingt verhaftet; von dieser Verpflichtung kann derselbe weder durch Übertragung seines Anrechts auf einen Dritten sich befreien, noch seitens der Gesellschaft entbunden werden; wird der Zeichner der Aktie wegen verzögerter Einzahlung seines Anrechtes aus der Zeichnung verlustig erklärt (Art. 220), so bleibt er dessen ungeachtet zur Einzahlung von vierzig Prozent des Nominalbetrages der Aktie verpflichtet. 3. Im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, dass und unter welchen Maßgaben nach erfolgter Einzahlung von vierzig Prozent die Befreiung des Zeichners von der Haftung für weitere Einzahlungen zulässig sei, und dass im Falle der eingetretenen Befreiung über die geleisteten Einzahlungen Promessen oder Interimsscheine, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden dürfen. Diejenigen Landesgesetze, welche die Höhe der Einzahlung (Art. 222 Ziffer 2 und 3) auf fünfundzwanzig Prozent des Nominalbetrages der Aktie herabgesetzt haben, werden hierdurch nicht berührt. Der Artikel 225 b wurde gestrichen. Artikel 225 c wurde unter Streichung des Absatzes unter Ziffer 3 angenommen. Derselbe erhält nun die Überschrift: Artikel 225 b und der letzte Absatz desselben erhält die Ziffer 3. Artikel 231 wurde gestrichen. Artikel 239 wurde unter Streichung des Schluss-Alinea angenommen. Artikel 239 a wurde mit der Maßgabe gegen die Stimmen der drei freien Städte angenommen, dass der Absatz unter Ziffer 1 zu streichen ist, wodurch sich dann die Ziffern der folgenden Absätze entsprechend ändern. Die Artikel 240, 242 und 247 wurden angenommen. Zum Artikel 248 stellte der Bevollmächtigte für Hessen den Antrag, im Alinea 1 nach dem Worte „Aktionäre“ die Worte einzuschalten „oder eine Herabsetzung desselben“ und im Alinea 2 hinter dem Worte „Zurückzahlung“ – die Worte einzuschalten „oder Herabsetzung“. Dieser Antrag wurde mit Stimmenmehrheit angenommen und mit der hierdurch bedingten Änderung erfolgte die Annahme des Artikels 248. Man war darüber einverstanden, dass durch die nunmehr dem Artikel 248 gegebene Fassung auch ein entsprechender Zusatz in Artikel 225 Ziffer 3 notwendig werde. Es sollen nämlich dort hinter dem Worte „Zurückzahlung“ die Worte eingeschaltet werden „oder eine Herabsetzung“. Demnächst erfolgte die Annahme der Artikel 249 und 249 a.
V. Protokolle des Bundesratsplenums
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§ 2 des Gesetzentwurfs wurde angenommen, ebenso § 3 mit der Maßgabe, dass demselben am Schlusse die Worte hinzutreten: „oder in Verbindung mit besonderen der Gesellschaft bewilligten Privilegien stehen“. § 4 wurde angenommen. Nach Maßgabe der vorstehend gefassten Beschlüsse wurde die Aufzählung der Artikel des Handelsgesetzbuchs im Eingange des § 1 der Vorlage dahin geändert, dass zwischen den Zahlen 217 und 225 die Zahl 222 einzuschalten, die Zahl 231 dagegen zu streichen ist. Die Annahme des ganzen Gesetzentwurfs erfolgte gegen die Stimme Hamburgs. Zum Kommissarius des Bundesrats für die Beratung des Gesetzentwurfs im Plenum des Reichstags wurde auf den Vorschlag des Vorsitzenden der Königlich Preußische Geheime Regierungsrat Dr. Jacobi ernannt. 2. Bericht des Hamburger Bevollmächtigten Kirchenpauer über die Beratungen am 9.5.1870 Die meiste Zeit nahm das Gesetz über die Aktiengesellschaften in Anspruch, welches jetzt also für den Reichstag fertig ist. Verschiedene Paragraphen führten eine längere Diskussion herbei, in der Regel aber keine Änderung der von dem Ausschusse empfohlenen Fassung. Nur in Art. 207 a bewirkte Preußen, dass die vom Ausschuss gestrichene Bestimmung, wonach die Aktien auf Inhaber nicht kleiner als 50 Thl. sein sollen, wieder aufgenommen wurde. Für diese von Delbrück beantragte reformatio in pejus erhoben sich zwar außer ihm nur v. Harbou und v. Liebe, der letztere war aber für einige Thüringische Staaten substituiert, so dass eine ganz kleine Majorität herauskam. Was die mir in dem geehrten Schreiben vom 27. April committierten Anträge anlangt, so wird das Protokoll ergeben, dass sie sämtlich zur Abstimmung gebracht, aber bis auf einen oder zwei verworfen worden sind. Nur hinsichtlich des ersten Punktes: „Der Aufsichtsrat ist zu beseitigen (Art. 209 b)“ verzichte ich auf Abstimmung, weil von allen Seiten der Aufsichtsrat als unerlässliche Bedingung angesehen wurde. Die Beschränkung der Statuten-Publikation auf einen Auszug (Art. 210) wurde genehmigt. Der 7. oder letzte Punkt der Instruktion: „Streichung des Art. 239, event. des Passus 1“ soll sich, wenn ich recht verstehe, auf den Art. 239 a (Details über die Bilanz) beziehen; hier wurde die beantragte Streichung des ganzen Artikels zwar verworfen, der erste auf die Taxation der Grundstücke bezügliche Passus aber allerdings gestrichen, wie auch schon der Ausschuss empfohlen hat. – Was die Verbote des Ankaufs eigener Aktien und die Veränderung des Nominalwerts derselben anlangt, so haben die betreffenden Artikel eine wenigstens etwas bessere Gestalt dadurch angenommen, dass zu beiden Artikeln 207 a und 215 Al. 3 die Bezugnahme auf Art. 248 HGB hinzugefügt wurden; dieser Art. 248 selbst aber durch einen Zusatz erläutert worden ist. Dieser Artikel besagt: „dass auf Beschluss der Generalversammlung eine teilweise Zurückzahlung des Grundkapitals an die Aktionäre erfolgen kann“; es soll hinzugefügt werden: „oder eine Herabsetzung desselben.“ Übrigens gibt der ganze Gesetzentwurf zu so vielen handelsrechtlichen Fragen und Erörterungen Anlass, dass
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Dritter Teil. Die Beratungen über den Entwurf einer Aktienrechtsnovelle
derselbe, obgleich er in diesen Tagen an den Reichstag gelangen wird, doch schwerlich in der gegenwärtigen Session wird erledigt werden können. 3. Protokoll der Sitzung vom 8.6.1870 (§ 232 der Sitzung) § 232. Der Vorsitzende legt ein Schreiben des Präsidenten des Reichstags vor, wonach der Reichstag beschlossen hat, dem Gesetzentwurfe über die Kommandit-Gesellschaften auf Aktien und die Aktien-Gesellschaften in veränderter Fassung die Zustimmung zu erteilen. Es wurde man allen gegen die Stimme Hamburgs beschlossen, dem Gesetzentwurfe in der vom Reichstage demselben gegebenen Fassung die Zustimmung zu erteilen. Der substituierte Bevollmächtigte für Hamburg bezog sich zur Motivierung seiner Abstimmung auf die bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs im Bundesrate bereits geäußerten Bedenken. Das Gesetz wird nunmehr zur Allerhöchsten Vollziehung vorgelegt werden. Außerdem wurde beschlossen, den Bundeskanzler zu ersuchen, die Regierungen der Süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen von der durch das vorliegende Gesetz eintretenden Änderung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs mit dem Ersuchen in Kenntnis zu setzen, zur Erhaltung der Gemeinschaftlichkeit des Deutschen Handelsrechts die Tunlichkeit der Einführung jener Änderung in ihren Staaten in Erwägung zu nehmen.
Vierter Teil. Art. 173–249 a des HGB in der Fassung der Aktienrechtsnovelle vom 11.6.1870*1 Zweiter Abschnitt. Von der Kommanditgesellschaft auf Aktien insbesondere. Art. 173.* Das Kapital der Kommanditgesellschaften kann in Aktien oder Aktienanteile zerlegt werden. Die Aktien oder Aktienanteile müssen auf Namen lauten. Sie müssen auf einen Betrag von mindestens fünfzig Vereinstalern gestellt werden, wenn nicht die Landesgesetze nach Maßgabe der besonderen örtlichen Bedürfnisse einen geringeren Betrag gestatten. Aktien oder Aktienanteile, welche auf Inhaber lauten, oder welche auf einen geringeren als den gesetzlich bestimmten Betrag gestellt werden, sind nichtig. Die Ausgeber solcher Aktien oder Aktienanteile sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachen Schaden solidarisch verhaftet. Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch von Promessen und Interimsscheinen. Art. 174.* Eine Kommanditgesellschaft auf Aktien gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgeschäften besteht. Über die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftsvertrages muss eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufgenommen werden. Zur Aktienzeichnung genügt eine schriftliche Erklärung. Art. 175.* Der Gesellschaftsvertrag muss enthalten: 1. den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters; 2. die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat; 3. den Gegenstand des Unternehmens; 4. die Zeitdauer des Unternehmens, im Fall dasselbe auf eine bestimmte Zeit beschränkt sein soll; 5. die Zahl und den Betrag der Aktien und Aktienanteile; 6. die Bestimmung, dass ein Aufsichtsrat von mindestens drei [RT-Vorlage: fünf] Mitgliedern aus der Zahl der Kommanditisten durch Wahl derselben bestellt werden müsse; 7. die Form, in welcher die Zusammenberufung der Generalversammlung der Kommanditisten geschieht; * Entnommen aus: R. Schröder [Hrsg.], Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch und
die Allgemeine Deutsche Wechselordnung, 6. Aufl., 1884, S. 34–53. – Die durch dieses Gesetz geänderten oder neu eingefügten Artikel sind durch ein Sternchen gekennzeichnet. – Die Änderungen durch das Reichstagsplenum sind gesondert kenntlich gemacht. – Zu den Übergangsbestimmungen vgl. S. 160 f., 163.
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Vierter Teil. Art. 173–249 a des HGB in der Fassung der Aktienrechtsnovelle
8. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Art. 176.* Der Gesellschaftsvertrag muss bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden. Der Auszug muss enthalten: 1. das Datum des Gesellschaftsvertrages; 2. den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesellschafters; 3. die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat; 4. die Zahl und den Betrag der Aktien und Aktienanteile; 5. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Ist in dem Gesellschaftsvertrage bestimmt, dass das Austreten eines oder mehrerer persönlich haftender Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft nicht zur Folge habe (Art. 199), so ist auch diese Bestimmung zu veröffentlichen [Abs. 3 von RT eingefügt]. Art. 177. Der Anmeldung behufs der Eintragung in das Handelsregister muss beigefügt sein: 1. die Bescheinigung, dass der gesamte Betrag des Kapitals der Kommanditisten durch Unterschriften gedeckt ist; 2. die Bescheinigung, dass mindestens ein Vierteil des von jedem Kommanditisten gezeichneten Betrages von ihm eingezahlt ist; 3. der Nachweis, dass der Aufsichtsrat nach Inhalt des Vertrages (Art. 175 Ziff. 6) in einer Generalversammlung der Kommanditisten gewählt ist. Die Anmeldung muss von sämtlichen persönlich haftenden Gesellschaftern vor dem Handelsgerichte unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden. Die der Anmeldung beigefügten Schriftstücke werden bei dem Handelsgerichte in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift aufbewahrt. Art. 178.* Vor erfolgter Eintragung in das Handelsregister besteht die Kommanditgesellschaft als solche nicht. Die vor der Eintragung ausgegebenen Aktien oder Aktienanteile sind nichtig. Die Ausgeber sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Wenn vor erfolgter Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. [Art. 179–197 gegenüber dem ADHGB unverändert] Art. 198.* Jede Abänderung des Gesellschaftsvertrages bedarf zu ihrer Gültigkeit der notariellen oder gerichtlichen Abfassung.
Vierter Teil. Art. 173–249 a des HGB in der Fassung der Aktienrechtsnovelle
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Der abändernde Vertrag hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist. Art. 199. [Neufassung durch den RT] Eine Übereinkunft, durch welche das Austreten eines oder mehrerer persönlich haftender Gesellschafter bestimmt wird, steht der Auflösung der Gesellschaft gleich. Zu derselben bedarf es der Zustimmung einer Generalversammlung der Kommanditisten. Es kann jedoch durch den Gesellschaftsvertrag oder durch einen denselben abändernden Vertrag (Art. 198) bestimmt werden, dass das Austreten eines oder mehrerer persönlich haftender Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft dann nicht zur Folge habe, wenn mindestens noch ein persönlich haftender Gesellschafter bleibt. In Ansehung der Eintragung in das Handelsregister finden die Bestimmungen des Art. 129 Anwendung. [Art. 200–203 gegenüber dem ADHGB unverändert] Art. 203.* Eine teilweise Zurückzahlung des Kapitals der Kommanditisten kann nur vermöge einer Abänderung des Gesellschaftsvertrages erfolgen. Die Zurückzahlung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen geschehen, welche für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens im Falle der Auflösung maßgebend sind (Art. 201, 202). [Art. 204, 205 gegenüber dem ADHGB unverändert] Art. 206. Die persönlich haftenden Mitglieder und die Mitglieder des Aufsichtsrates werden mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft: 1. wenn sie vorsätzlich behufs der Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister falsche Angaben über die Zeichnung oder Einzahlung des Kapitals der Kommanditisten machen; 2. wenn durch ihre Schuld länger als drei Monate die Gesellschaft ohne Aufsichtsrat geblieben ist, oder in dem letzteren die zur Beschlussfähigkeit [vom Reichstag eingefügt] erforderliche Zahl von Mitgliedern gefehlt hat; 3. wenn sie in ihren Darstellungen, in ihren Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen wissentlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern. Wird in den Fällen zu 2 und 3 [vom RT eingefügt] festgestellt, dass mildernde Umstände vorhanden sind, so ist auf Geldstrafe bis zu eintausend Talern zu erkennen.
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Dritter Titel. Von der Aktiengesellschaft Erster Abschnitt. Allgemeine Grundsätze Art. 207.* Eine Gesellschaft ist eine Aktiengesellschaft, wenn sich die sämtlichen Gesellschafter nur mit Einlagen beteiligen, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften. Das Gesellschaftskapital wird in Aktien oder auch in Aktienanteile zerlegt. Die Aktien oder Aktienanteile sind unteilbar. Dieselben können auf Inhaber oder auf Namen lauten. Art. 207 a.* Die Aktien oder Aktienanteile müssen, wenn sie auf Namen lauten, auf einen Betrag von mindestens fünfzig Vereinstalern, wenn sie auf Inhaber lauten, auf einen Betrag von mindestens einhundert Vereinstalern gestellt werden. Bei Versicherungsgesellschaften müssen auch solche Aktien oder Aktienanteile, welche auf Namen lauten, auf einen Betrag von mindestens einhundert Vereinstalern gestellt werden. Aktien oder Aktienanteile, welche auf einen geringeren Betrag gestellt werden, sind nichtig. Die Ausgeber solcher Aktien oder Aktienanteile sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Der Nominalbetrag der Aktien oder Aktienanteile darf während des Bestehens der Gesellschaft weder vermindert noch erhöht werden. Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch von Promessen und Interimsscheinen. [Abs. 4 vom RT eingefügt] Art. 208.* Eine Aktiengesellschaft gilt als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handelsgesellschaften besteht. Über die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftsvertrages (Statuts) muss eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufgenommen werden. Zur Aktienzeichnung genügt eine schriftliche Erklärung. Art. 209.* Der Gesellschaftsvertrag muss insbesondere bestimmen: 1. die Firma und den Sitz der Gesellschaft; 2. den Gegenstand des Unternehmens; 3. die Zeitdauer des Unternehmens, im Falle dasselbe auf eine bestimmte Zeit beschränkt sein soll; 4. die Höhe des Grundkapitals und der einzelnen Aktien oder Aktienanteile; 5. die Eigenschaft der Aktien, ob sie auf Inhaber oder auf Namen gestellt werden sollen, ingleichen die etwa bestimmte Zahl der einen oder der anderen Art, sowie die etwa zugelassene Umwandlung derselben; 6. die Bestellung eines Aufsichtsrates von mindestens drei, aus der Zahl der Aktionäre zu wählenden Mitgliedern; 7. die Grundsätze, nach welchen die Bilanz aufzunehmen und der Gewinn zu berechnen und auszuzahlen ist, sowie die Art und Weise, wie die Prüfung der Bilanz erfolgt;
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8. die Art der Bestellung und Zusammensetzung des Vorstandes und die Formen für die Legitimation der Mitglieder desselben und der Beamten der Gesellschaft; 9. die Form, in welcher die Zusammenberufung der Aktionäre geschieht; 10. die Bedingungen des Stimmrechts der Aktionäre und die Form, in welcher dasselbe ausgeübt wird; 11. die Gegenstände, über welche nicht schon durch einfache Stimmenmehrheit der auf Zusammenberufung erschienenen Aktionäre, sondern nur durch eine größere Stimmenmehrheit oder nach anderen Erfordernissen Beschluss gefasst werden kann; 12. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Art. 209 a.* Nach der Zeichnung des Grundkapitals hat eine Generalversammlung der Aktionäre aufgrund der ihr vorzulegenden Bescheinigungen durch Beschluss festzustellen, dass das Grundkapital vollständig gezeichnet, und dass mindestens zehn Prozent, bei Versicherungsgesellschaften mindestens zwanzig Prozent, auf jede Aktie eingezahlt sind, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag zwischen den sämtlichen Aktionären abgeschlossen und darin die Erfüllung jener Erfordernisse anerkannt ist. Über den Beschluss ist eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufzunehmen. Art. 209 b.* Wenn ein Aktionär eine auf das Grundkapital anzurechnende Einlage macht, welche nicht in barem Gelde besteht, oder wenn Anlagen oder sonstige Vermögensstücke von der zu errichtenden Gesellschaft übernommen werden sollen, so ist in dem Gesellschaftsvertrage der Wert der Einlage oder des Vermögensstücks festzusetzen und die Zahl der Aktien oder der Preis zu bestimmen, welche für dieselben gewährt werden. Jeder zugunsten eines Aktionärs bedungene besondere Vorteil ist im Gesellschaftsvertrage gleichfalls festzusetzen. Nach der Zeichnung des Grundkapitals muss in den Fällen, welche in dem vorstehenden Absatz bezeichnet sind, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag zwischen den sämtlichen Aktionären abgeschlossen ist, die Genehmigung des Vertrages in einer Generalversammlung der Aktionäre durch Beschluss erfolgen. Die den Vertrag genehmigende Mehrheit muss mindestens ein Vierteil der sämtlichen Aktionäre begreifen und der Betrag ihrer Anteile mindestens ein Vierteil des gesamten Grundkapitals darstellen. Der Gesellschafter, welcher die betreffende Einlage macht oder sich besondere Vorteile ausbedingt, hat bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht. Über den Beschluss ist eine gerichtliche oder notarielle Urkunde aufzunehmen. Art. 209 c.* Die Zusammenberufung der Generalversammlung erfolgt in den Fällen der Art. 209 a und 209 b nach den Bestimmungen, welche der Gesellschaftsvertrag über die Zusammenberufung der Generalversammlung enthält.
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Art. 210.* Der Gesellschaftsvertrag muss bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen und im Auszuge [von RT eingefügt] veröffentlicht werden. Der Auszug muss enthalten: 1. das Datum des Gesellschaftsvertrages; 2. die Firma und den Sitz der Gesellschaft; 3. den Gegenstand und die Zeitdauer des Unternehmens; 4. die Höhe des Grundkapitals und der einzelnen Aktien oder Aktienanteile; 5. die Eigenschaft derselben, ob sie auf Inhaber oder auf Namen gestellt sind; 6. die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind. Ist im Gesellschaftsvertrage eine Form bestimmt, in welcher der Vorstand seine Willenserklärungen kundgibt und für die Gesellschaft zeichnet, so ist auch diese Bestimmung zu veröffentlichen. Art. 210 a.* Der Anmeldung behufs der Eintragung in das Handelsregister muss beigefügt sein: 1. Die Bescheinigung, dass der gesamte Betrag des Grundkapitals durch Unterschriften gedeckt ist; 2. die Bescheinigung, dass mindestens zehn Prozent, bei Versicherungsgesellschaften mindestens zwanzig Prozent, des von jedem Aktionär gezeichneten Betrages eingezahlt sind; 3. der Nachweis, dass der Aufsichtsrat nach Inhalt des Vertrages in einer Generalversammlung der Aktionäre gewählt ist; 4. betreffenden Falls die gerichtliche oder notarielle Urkunde über die in den Artikeln 209 a und 209 b bezeichneten Beschlüsse der Generalversammlung. Die Anmeldung muss von sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes vor dem Handelsgericht unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden. Die der Anmeldung beigefügten Schriftstücke werden bei dem Handelsgericht in Urschrift oder in beglaubigter Abschrift aufbewahrt. Art. 211.* Vor erfolgter Eintragung in das Handelsregister besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht. Die vor der Eintragung [„vor der Eintragung“ von RT eingefügt] ausgegebenen Aktien oder Aktienanteile sind nichtig. Die Ausgeber sind den Besitzern für allen durch die Ausgabe verursachten Schaden solidarisch verhaftet. Wenn vor erfolgter Eintragung in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch. Art. 212.* Bei jedem Handelsgerichte, in dessen Bezirk die Aktiengesellschaft eine Zweigniederlassung hat, muss dies behufs der Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Die Anmeldung muss von sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes vor dem Handelsgericht unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden und die in Art. 210 Abs. 2 und 3 bezeichneten Angaben enthalten. Das Handelsgericht hat die
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Mitglieder des Vorstandes zur Befolgung dieser Vorschriften von Amts wegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Art. 213. Die Aktiengesellschaft als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben; sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden. Ihr ordentlicher Gerichtsstand ist bei dem Gerichte, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat. Art. 214.* Jeder Beschluss der Generalversammlung, welcher die Fortsetzung der Gesellschaft oder eine Abänderung der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zum Gegenstande hat, bedarf zu seiner Gültigkeit der notariellen oder gerichtlichen Beurkundung. Ein solcher Beschluss muss in gleicher Weise wie der ursprüngliche Vertrag in das Handelsregister eingetragen und veröffentlicht werden (Art. 210, 212). Der Beschluss hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, in das Handelsregister eingetragen ist. Art. 215.* Die Abänderung des Gegenstandes der Unternehmung der Gesellschaft kann nicht durch Stimmenmehrheit beschlossen werden, sofern dies nicht im Gesellschaftsvertrage ausdrücklich gestattet ist. Dasselbe gilt von dem Falle, wenn die Gesellschaft durch Übertragung ihres Vermögens und ihrer Schulden an eine andere Aktiengesellschaft gegen Gewährung von Aktien der letzteren aufgelöst werden soll. Die Aktiengesellschaft darf eigene Aktien nicht erwerben. Sie darf eigene Aktien auch nicht amortisieren, sofern dies nicht durch den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag oder durch einen, den letzteren abändernden, vor Ausgabe der Aktien gefassten Beschluss zugelassen ist. Zweiter Abschnitt. Rechtsverhältnis der Aktionäre Art. 216. Jeder Aktionär hat einen verhältnismäßigen Anteil an dem Vermögen der Gesellschaft. Er kann den eingezahlten Betrag nicht zurückfordern und hat, solange die Gesellschaft besteht, nur einen Anspruch auf den reinen Gewinn, soweit dieser nach dem Gesellschaftsvertrage zur Verteilung unter die Aktionäre bestimmt ist. Art. 217.* Zinsen von bestimmter Höhe dürfen für die Aktionäre nicht bedungen, noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie verteilt werden, was sich nach der jährlichen Bilanz und, wenn im Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Reservekapitals bestimmt ist, nach Abzug desselben als reiner Überschuss über die volle
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Einlage ergibt. Die Aktionäre können bis zur Widerergänzung des durch Verlust verminderten Gesamtbetrages der Einlagen Dividenden nicht beziehen. Jedoch können für den im Gesellschaftsvertrage angegebenen Zeitraum, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Betriebes erfordert, den Aktionären Zinsen von bestimmter Höhe bedungen werden. Art. 218. Der Aktionär ist in keinem Falle verpflichtet, die in gutem Glauben empfangenen Zinsen und Dividenden zurückzugeben. Art. 219. Der Aktionär ist nicht schuldig, zu den Zwecken der Gesellschaft und zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten mehr beizutragen, als den für die Aktie statutenmäßig zu leistenden Betrag. Art. 220. Ein Aktionär, welcher den Betrag seiner Aktie nicht zur rechten Zeit einzahlt, ist zur Zahlung von Verzugszinsen von Rechts wegen verpflichtet. Im Gesellschaftsvertrage können für den Fall der verzögerten Einzahlung des gezeichneten Aktienbetrages oder eines Teils desselben Konventionalstrafen ohne Rücksicht auf die sonst stattfindenden gesetzlichen Einschränkungen festgesetzt werden; auch kann bestimmt werden, dass die säumigen Aktionäre ihrer Anrechte aus der Zeichnung der Aktien und der geleisteten Teilzahlungen zugunsten der Gesellschaft verlustig gehen. Art. 221. Ist im Gesellschaftsvertrage keine besondere Form, wie die Aufforderung zur Einzahlung geschehen soll, bestimmt, so geschieht dieselbe in der Form, in welcher die Bekanntmachungen der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrage überhaupt erfolgen müssen (Art. 209, Ziff. 12). Jedoch kann in keinem Falle ein Aktionär seines Anrechts verlustig erklärt werden, wenn nicht die Aufforderung zur Zahlung mindestens dreimal in den hierzu bestimmten öffentlichen Blättern (Art. 209, Ziff. 12), das letzte Mal wenigstens vier Wochen vor dem für die Einzahlungen gesetzten Schlusstermine, bekannt gemacht worden ist. Wenn die Aktien auf Namen lauten und ohne Einwilligung der übrigen Aktionäre nicht übertragbar sind, so kann die Bekanntmachung dieser Aufforderungen durch besondere Erlasse an die einzelnen Aktionäre statt der Einrückungen in die öffentlichen Blätter erfolgen. Art. 222.* Wenn die Aktien oder Aktienanteile auf Inhaber gestellt werden, so kommen folgende Grundsätze zur Anwendung: 1. Die Ausgabe der Aktien darf vor Einzahlung des ganzen Nominalbetrages derselben nicht erfolgen; ebenso wenig dürfen über die geleisteten Partialzahlungen Promessen oder Interimsscheine, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden. 2. Der Zeichner der Aktie ist für die Einzahlung von 40 Prozent des Nominalbetrages der Aktie unbedingt verhaftet; von dieser Verpflichtung kann derselbe weder durch Übertragung seines Anrechts auf einen Dritten sich befreien, noch seitens der Gesellschaft entbunden werden; wird der Zeichner der Aktie, wegen verzöger-
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ter Einzahlung, seines Anrechts aus der Zeichnung verlustig erklärt (Art. 220), so bleibt er dessen ungeachtet zur Einzahlung von 40 Prozent des Nominalbetrages der Aktie verpflichtet. 3. Im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, dass und unter welchen Maßgaben nach erfolgter Einzahlung von 40 Prozent die Befreiung des Zeichners von der Haftung für weitere Einzahlungen zulässig sei, und dass im Falle der eingetretenen Befreiung über die geleisteten Einzahlungen Promessen oder Interimsscheine, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden dürfen. Diejenigen Landesgesetze, welche die Höhe der Einzahlung (Art. 222, Ziff. 2 und 3) auf 25 Prozent des Nominalbetrages der Aktie herabgesetzt haben, werden hierdurch nicht berührt. Art. 223. Wenn die Aktien auf Namen lauten, so kommen die bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien gegebenen Bestimmungen über die Eintragung der Aktien in das Aktienbuch der Gesellschaft und über die Übertragung derselben auf Andere (Art. 182, 183) auch hier zur Anwendung. Solange der Betrag der Aktie nicht vollständig eingezahlt ist, wird der Aktionär durch Übertragung seines Anrechts auf einen Anderen von der Verbindlichkeit zur Zahlung des Rückstandes nur dann befreit, wenn die Gesellschaft den neuen Erwerber an seiner Stelle annimmt und ihn der Verbindlichkeit entlässt. Auch in diesem Falle bleibt der austretende Aktionär auf Höhe des Rückstandes für alle bis dahin von der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten noch auf ein Jahr, vom Tage des Austritts an gerechnet, subsidiarisch verhaftet. Art. 224. Die Rechte, welche den Aktionären in den Angelegenheiten der Gesellschaft, insbesondere in Beziehung auf die Führung der Geschäfte, die Einsicht und Prüfung der Bilanz und die Bestimmung der Gewinnverteilung zustehen, werden von der Gesamtheit der Aktionäre in der Generalversammlung ausgeübt. Jede Aktie gewährt dem Inhaber Eine Stimme, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag ein Anderes festsetzt. Art. 225.* Die für den Aufsichtsrat einer Kommanditgesellschaft auf Aktien in den Art. 191 und 192 gegebenen Bestimmungen finden auch auf den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft Anwendung. Art. 225 a.* Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung; er kann sich von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten, die Bücher und Schriften derselben jederzeit einsehen und den Bestand der Gesellschaftskasse untersuchen. Er hat die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnverteilung zu prüfen und darüber alljährlich der Generalversammlung der Aktionäre Bericht zu erstatten. Er hat eine Generalversammlung zur berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist.
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Art. 225 b.* Die Mitglieder des Aufsichtsrates sind persönlich und solidarisch zum Schadensersatz verpflichtet, wenn mit ihrem Wissen und ohne ihr Einschreiten: 1. Einlagen an die Aktionäre zurückgezahlt, oder, der Bestimmung des Art. 215 Abs. 3 entgegen, eigene Aktien der Gesellschaft erworben oder amortisiert worden sind; 2. Zinsen oder Dividenden gezahlt sind, welche nach Maßgabe der Bestimmungen des Art. 217 nicht gezahlt werden durften; 3. die Verteilung des Gesellschaftsvermögens oder eine teilweise Zurückzahlung oder eine Herabsetzung des Grundkapitals ohne Beobachtung der gesetzlichen Bestimmungen (Art. 245 und 248) erfolgt ist. Art. 226. Handelt es sich um die Führung von Prozessen gegen die Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates, so kommen die für die Kommanditgesellschaft auf Aktien gegebenen Bestimmungen (Art. 194, 195) auch hier zur Anwendung. Dritter Abschnitt. Rechte und Pflichten des Vorstandes Art. 227. Jede Aktiengesellschaft muss einen Vorstand haben (Art. 209 Ziff. 8). Sie wird durch denselben gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Der Vorstand kann aus einem oder mehreren Mitgliedern bestehen; diese können besoldet oder unbesoldet, Aktionäre oder Andere sein. Ihre Bestellung ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. Art. 228. Die jeweiligen Mitglieder des Vorstandes müssen alsbald nach ihrer Bestellung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Der Anmeldung ist ihre Legitimation beizufügen. Sie haben ihre Unterschrift vor dem Handelsgerichte zu zeichnen, oder die Zeichnung derselben in beglaubigter Form einzureichen. Das Handelsgericht hat die Mitglieder des Vorstandes zur Befolgung dieser Vorschrift von Amts wegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Art. 229. Der Vorstand hat in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Form seine Willenserklärungen kundzugeben und für die Gesellschaft zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so ist die Zeichnung durch sämtliche Mitglieder des Vorstandes erforderlich. Die Zeichnung geschieht in der Weise, dass die Zeichnenden zu der Firma der Gesellschaft oder zu der Benennung des Vorstandes ihre Unterschrift hinzufügen. Art. 230. Die Gesellschaft wird durch die von dem Vorstande in ihrem Namen geschlossenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet; es ist gleichgültig, ob das Geschäft ausdrücklich im Namen der Gesellschaft geschlossen worden ist, oder ob die
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Umstände ergeben, dass es nach dem Willen der Kontrahenten für die Gesellschaft geschlossen werden sollte. Art. 231. Der Vorstand ist der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche in dem Gesellschaftsvertrage oder durch Beschlüsse der Generalversammlung für den Umfang seiner Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, festgesetzt sind. Gegen dritte Personen hat jedoch eine Beschränkung der Befugnis des Vorstandes, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken, oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder dass die Zustimmung der Generalversammlung, eines Verwaltungsrates, eines Aufsichtsrates oder eines anderen Organes der Aktionäre für einzelne Geschäfte erfordert ist. Art. 232. Eide namens der Gesellschaft werden durch den Vorstand geleistet. Art. 233. Jede Änderung der Mitglieder des Vorstandes muss bei Ordnungsstrafe zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Dritten Personen kann die Änderung nur insofern entgegengesetzt werden, als in Betreff dieser Änderung die im Art. 46 in Betreff des Erlöschens der Prokura bezeichneten Voraussetzungen vorhanden sind. Art. 234. Der Betrieb von Geschäften der Gesellschaft, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Bezug auf diese Geschäftsführung kann auch sonstigen Bevollmächtigten oder Beamten der Gesellschaft zugewiesen werden. In diesem Falle bestimmt sich die Befugnis derselben nach der ihnen erteilten Vollmacht; sie erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtshandlungen, welche die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Art. 235. Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft genügt es, wenn dieselbe an ein Mitglied des Vorstandes, welches zu zeichnen oder mitzuzeichnen befugt ist, oder an einen Beamten der Gesellschaft, welcher dieselbe vor Gericht zu vertreten berechtigt ist, geschieht. Art. 236. Die Generalversammlung der Aktionäre wird durch den Vorstand berufen, soweit nicht nach dem Gesellschaftsvertrage auch andere Personen dazu befugt sind. Art. 237. Eine Generalversammlung der Aktionäre ist, außer den im Gesellschaftsvertrage ausdrücklich bestimmten Fällen, zu berufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. Die Generalversammlung muss auch dann berufen werden, wenn dies ein Aktionär oder eine Anzahl von Aktionären, deren Aktien zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals darstellen, in einer von ihnen unterzeichneten Eingabe unter Angabe
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des Zwecks und der Gründe verlangen. Ist in dem Gesellschaftsvertrage das Recht, die Berufung einer Generalversammlung zu verlangen, an den Besitz eines größeren oder eines geringeren Anteils am Grundkapital geknüpft, so hat es hierbei sein Bewenden. Art. 238. Die Berufung der Generalversammlung hat in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimmten Weise zu erfolgen. Der Zweck der Generalversammlung muss jederzeit bei der Berufung bekannt gemacht werden. Über Gegenstände, deren Verhandlung nicht in dieser Weise angekündigt ist, können Beschlüsse nicht gefasst werden; hiervon ist jedoch der Beschluss über den in einer Generalversammlung gestellten Antrag auf Berufung einer außerordentlichen Generalversammlung ausgenommen. Zur Stellung von Anträgen und zu Verhandlungen ohne Beschlussfassung bedarf es der Ankündigung nicht. Art. 239.* Der Vorstand ist verpflichtet, Sorge zu tragen, dass die erforderliche Bücher der Gesellschaft geführt werden. Er muss den Aktionären spätestens in den ersten sechs Monaten jedes Geschäftsjahres eine Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres vorlegen und solche innerhalb dieser Frist in der Form und in den öffentlichen Blättern, welche für die Bekanntmachungen der Gesellschaft in dem Gesellschaftsvertrage bestimmt sind, veröffentlichen. Zur Entlastung des Vorstandes bei Legung der Rechnung können Personen nicht bestellt werden, welche auf irgendeine Weise an der Geschäftsführung teilnehmen. Dieses Verbot bezieht sich nicht auf die Personen, welchen die Aufsicht über die Geschäftsführung zusteht. Art. 239 a.* Für die Aufstellung der Bilanz sind folgende Vorschriften maßgebend: 1. kurshabende Papiere dürfen höchstens zu dem Kurswerte, welchen dieselben zur Zeit der Bilanzaufstellung haben, angesetzt werden; 2. die Kosten der Organisation und Verwaltung dürfen nicht unter die Aktiva aufgeführt werden, müssen vielmehr ihrem vollen Betrage nach in der Jahresrechnung als Ausgabe erscheinen; 3. der Betrag des Grundkapitals und des etwa im Gesellschaftsvertrage vorgeschriebenen Reserve- oder Erneuerungsfonds ist unter die Passiva aufzunehmen; 4. der aus der Vergleichung sämtlicher Aktiva und sämtlicher Passiva sich ergebende Gewinn oder Verlust muss am Schlusse der Bilanz besonders angegeben werden. Art. 240.* Ergibt sich aus der letzten Bilanz, dass sich das Grundkapital um die Hälfte vermindert hat, so muss der Vorstand unverzüglich eine Generalversammlung berufen und dieser davon Anzeige machen. Ergibt sich, dass das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt, so muss der Vorstand hiervon dem Gericht behufs der Eröffnung des Konkurses Anzeige machen.
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Art. 241. Die Mitglieder des Vorstandes sind aus den von ihnen im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen Dritten gegenüber für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich nicht verpflichtet. Mitglieder des Vorstandes, welche außer den Grenzen ihres Auftrages oder den Vorschriften dieses Titels oder des Gesellschaftsvertrages entgegen handeln, haften persönlich und solidarisch für den dadurch entstandenen Schaden. Dies gilt insbesondere, wenn sie der Bestimmung des Art. 217 entgegen an die Aktionäre Dividenden oder Zinsen zahlen, oder wenn sie zu einer Zeit noch Zahlungen leisten, in welcher ihnen die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft hätte bekannt sein müssen. Vierter Abschnitt. Auflösung der Gesellschaft Art. 242.* Die Aktiengesellschaft wird aufgelöst: 1. durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrage bestimmten Zeit; 2. durch einen notariell oder gerichtlich beurkundeten Beschluss der Aktionäre; 3. durch Eröffnung des Konkurses. Wenn die Auflösung einer Aktiengesellschaft aus anderen Gründen erfolgt, so finden die Bestimmungen dieses Abschnitts ebenfalls Anwendung. Art. 243. Die Auflösung der Gesellschaft muss, wenn sie nicht eine Folge des eröffneten Konkurses ist, durch den Vorstand, bei Ordnungsstrafe, zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden: sie muss zu drei verschiedenen Malen durch die hierzu bestimmten öffentlichen Blätter (Art. 209 Ziff. 12) bekannt gemacht werden. Durch diese Bekanntmachung müssen zugleich die Gläubiger aufgefordert werden, sich bei der Gesellschaft zu melden. Art. 244. Die Liquidation geschieht durch den Vorstand, wenn nicht dieselbe durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluss der Aktionäre an andere Personen übertragen wird. Es kommen die bei der offenen Handelsgesellschaft über die Anmeldung und das Rechtsverhältnis der Liquidatoren gegebenen Bestimmungen auch hier zur Anwendung, mit der Maßgabe, dass die Anmeldungen behufs der Eintragung in das Handelsregister durch den Vorstand zu machen sind. Die Bestellung der Liquidatoren ist jederzeit widerruflich Art. 245. Das Vermögen einer aufgelösten Aktiengesellschaft wird nach Tilgung ihrer Schulden unter die Aktionäre nach Verhältnis ihrer Aktien verteilt. Die Verteilung darf nicht eher vollzogen werden, als nach Ablauf eines Jahres, von dem Tage an gerechnet, an welchem die Bekanntmachung in den hierzu bestimmten öffentlichen Blättern (Art. 243) zum dritten Male erfolgt ist. In Ansehung der aus den Handelsbüchern ersichtlichen oder in anderer Weise bekannten Gläubiger und in Ansehung der noch schwebenden Verbindlichkeiten und
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streitigen Forderungen kommen die bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien gegebenen Bestimmungen (Art. 202 Abs. 2 und 3) zur Anwendung. Mitglieder des Vorstandes und Liquidatoren, welche diesen Vorschriften entgegen handeln, sind persönlich und solidarisch zur Erstattung der geleisteten Zahlungen verpflichtet. Art. 246. Die Handelsbücher der aufgelösten Gesellschaft sind an einem von dem Handelsgerichte zu bestimmenden sicheren Orte zur Aufbewahrung auf die Dauer von zehn Jahren niederzulegen. Art. 247.* Bei der Auflösung einer Aktiengesellschaft durch Vereinigung derselben mit einer anderen Aktiengesellschaft (Art. 215) kommen folgende Bestimmungen zur Anwendung: 1. das Vermögen der aufzulösenden Gesellschaft ist solange getrennt zu verwalten, bis die Befriedigung oder Sicherstellung ihrer Gläubiger erfolgt ist. 2. Der bisherige Gerichtsstand der Gesellschaft bleibt für die Dauer der getrennten Vermögensverwaltung bestehen; dagegen wird die Verwaltung von der anderen Gesellschaft geführt. 3. Der Vorstand der letzteren Gesellschaft ist den Gläubigern für die Ausführung der getrennten Verwaltung persönlich und solidarisch verantwortlich. 4. Die Auflösung der Gesellschaft ist zur Eintragung in das Handelsregister bei Ordnungsstrafe anzumelden. 5. Die öffentliche Aufforderung der Gläubiger der aufgelösten Gesellschaft (Art. 243) kann unterlassen oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Jedoch ist die Vereinigung der Vermögen der beiden Gesellschaften erst in dem Zeitpunkte zulässig, in welchem eine Verteilung des Vermögens einer aufgelösten Aktiengesellschaft unter die Aktionäre erfolgen darf (Art. 245). Art. 248.* Eine teilweise Zurückzahlung des Grundkapitals an die Aktionäre oder eine Herabsetzung desselben kann nur auf Beschluss der Generalversammlung erfolgen. Die Zurückzahlung oder Herabsetzung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen erfolgen, welche für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens im Falle der Auflösung maßgebend sind (Art. 243, 245). Die Mitglieder des Vorstandes, welche dieser Vorschrift entgegen handeln, sind den Gläubigern der Gesellschaft persönlich und solidarisch verhaftet. Fünfter Abschnitt. Schlussbestimmungen Art. 249.* Die Mitglieder des Aufsichtsrates und des Vorstandes werden mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft: 1. wenn sie vorsätzlich behufs der Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister falsche Angaben über die Zeichnung oder Einzahlung des Grundkapitals machen;
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2. wenn durch ihre Schuld länger als drei Monate die Gesellschaft ohne Aufsichtsrat geblieben ist, oder in dem letzteren die zur Beschlussfähigkeit [von RT eingefügt] erforderliche Zahl von Mitgliedern gefehlt hat; 3. wenn sie in ihren Darstellungen, in ihren Übersichten über den Vermögensstand der Gesellschaft oder in den in der Generalversammlung gehaltenen Vorträgen wissentlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern. Wird in den Fällen zu 2 und 3 [„und 3“ eingefügt durch den RT] festgestellt, dass mildernde Umstände vorhanden sind, so ist auf Geldstrafe [in der Vorlage: Geldbuße] bis zu eintausend Talern zu erkennen. Art. 249 a.* Die Mitglieder des Vorstandes werden mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft, wenn sie der Vorschrift des Art. 240 zuwider dem Gericht die Anzeige zu machen unterlassen, dass das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden deckt. Die Strafe tritt nicht ein, wenn von ihnen nachgewiesen wird, dass die Anzeige ohne ihr Verschulden unterblieben ist.
Fünfter Teil. Stellungnahmen zur Aktienrechtsnovelle von 1870 und Reformvorschläge (1873/74) I. Vorschläge der preußischen Kommission vom 12.11.1873 zur Untersuchung der Missstände im Eisenbahnkonzessionswesen A. Missstände 1. Bei dem Mangel eines fixierten Planes für den Ausbau bestimmter Linien sind allgemein leitende Grundsätze für die Gewähr oder die Versagung der Erlaubnis zu den Vorarbeiten, wie der Konzession nicht erkennbar geworden. 2. Es fehlte an einem fest geordneten Verfahren, in welchem die Bewerber und Beteiligten nach einer gewissen Regel gehört und beschieden wurden. 3. Beide Mängel hatten zur Folge: a) dass eine Ungleichmäßigkeit der Entscheidungen sich nicht vermeiden ließ; b) dass die Gründe abweichender oder anscheinend widersprechender Entscheidungen nicht immer zu ermitteln sind; c) dass Beschwerden über Ungleichmäßigkeit entstanden. 4. Tatsächlich verschaffte, im Gegensatze zu einem häufig wiederholten Grundsatze, die Erlaubnis zu den Vorarbeiten oft schon die Erörterung von Projekten, durch Anschluss der Konkurrenz einen Anspruch auf die Konzession. In Folge dessen wurde: a) zuweilen die Erlaubnis zu den Vorarbeiten missbräuchlich ausgebeutet; b) die Ausführung wünschenswerter Projekte gefährdet. 5. Die abweichenden Grundsätze über die Ausführung des Baues, die bald gestattete, bald untersagte General-Entreprise, bald leichtere, bald strengere Prüfung der Finanzierung haben unter anscheinend gleichartigen Verhältnissen verschiedenartige Entscheidungen herbeigeführt und eine feste Praxis verhindert. 6. Die mangelnde Kontrolle über die vor der Konzession erörterten Voraussetzungen derselben, insbesondere, soweit die Art der Bauausführung und die Finanzierung in Betracht kommen, hat in der Praxis bei der Bildung neuer Eisenbahngesellschaften eine weitgreifende Differenz zwischen dem Programm und der Ausführung bewirkt und zur Folge gehabt: a) Es wurde ein System herangebildet, welches die Ausgabe von Eisenbahnaktien unter pari gegen die ausdrückliche Vorschrift des Gesetzes zur Regel machte. b) Es wurde Anlass zu der vielfach verbreiteten Meinung gegeben, dass die Staatsregierung das gesetzlich verbotene Verfahren gestattete. c) Es entstand in weitem Umfange die Praxis, untaugliche Zeichnungen vorzulegen und die Staatsregierung wie das Publikum über den Wert der finanziellen Grundlagen und Vorbereitungen zu täuschen.
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d) Die Bauausführung und die Finanzierung wurden in eine für die Solidität des Unternehmens durchaus nachteilige Verbindung gebracht; heimliche und Scheinverträge wurden zur Regel, und die Organe der Gesellschaft (Generalversammlung, Vorstand, Aufsichtsrat) wurden der ihnen vom Gesetz und Staat zugewiesenen Aufgabe entrückt. e) Der Eisenbahnbau wurde in einer, der Natur des Unternehmens nicht entsprechenden bedenklichen Weise von den Schwankungen der Börsengeschäfte abhängig gemacht. 7. Das Vertrauen auf völlig unparteiische Entscheidungen wurde beeinträchtigt durch die Vereinigung der Konzessions- und Aufsichtsinstanz in der Hand derselben Behörde, welcher die Verwaltung der Staatsbahnen im Interesse des Fiskus und einzelner Privatbahnen im Interesse von Privatgesellschaften obliegt. B. Vorschläge I. 1. In einem allgemeinen, im Laufe der Zeit zu ergänzenden Plane ist ein Netz derjenigen Eisenbahnen zu entwerfen, deren Ausführung als nützlich angesehen wird. 2. Für die in dieses Netz aufgenommenen Linien sind in tunlichster Beschleunigung die generellen Vorarbeiten auf Staatskosten anzufertigen. 3. Soweit die allgemeinen Landesinteressen eine Einschränkung nicht erfordern, ist Anträgen auf Erteilung der Erlaubnis der Vorarbeiten stattzugeben, auch für solche Linien, welche nicht in den allgemeinen Plan aufgenommen sind. Verschiedenen Bewerbern ist diese Erlaubnis zugleich zu erteilen. Die durch Erteilung der Erlaubnis zu Vorarbeiten begründeten Befugnisse sind durch das Expropriationsgesetz festzustellen. Die Erteilung dieser Erlaubnis ist abhängig zu machen: a) von einer, die Interessen des Grundbesitzes sichernden Kaution; b) von Übernahme der Verpflichtung, auf Erfordern die angefertigten Vorarbeiten gegen Kostenerstattung dem Staate zu überlassen. Die Erteilung der Erlaubnis und deren Erlöschen ist zu veröffentlichen. 4. Die vom Staate gefertigten Vorarbeiten sind in geeigneten Fällen für den öffentlichen Gebrauch zugänglich zu machen und Bewerbern um die Bauausführung zu überlassen. 5. Jedes Anrecht aus den Vorarbeiten auf die Konzession selbst ist auszuschließen. II. In technischer Beziehung werden die Vorarbeiten insbesondere so beschaffen sein müssen, dass sie eine möglichst sichere Grundlage für Bemessung des Anlage-(Bau-) Kapitals gewähren und durch möglichst genaue Feststellung der leitenden Punkte der Bahnlinie solche Abänderungen nach der Konzessionierung tunlichst ausschließen, welche die Finanzierung wesentlich beeinflussen würden.
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III. 1. Die Konzession ist durch die Staatsregierung zu erteilen, deren Entscheidung vorzubereiten ist: a) durch Mitteilung der Bewerbungen an das Reich; b) durch Veröffentlichung derselben, c) durch Einholung gutachtlicher Äußerungen der beteiligten Kreis- und Provinzialbehörden und Vertretungen (Ausschüsse), welche vorher erforderlichen Falles die Beteiligten zu hören haben; d) durch Vorlegung des gesamten Materials an eine kollegialisch organisierte Verwaltungsbehörde zum Zweck gutachtlicher Beurteilung. 2. Mit der Bewerbung um die Konzession ist zu verbinden: a) die Verfolgung geeigneter Vorarbeiten; b) die allgemeine Darlegung der beabsichtigten Art der Finanzierung mit dem Erbieten, die bewirkte Finanzierung innerhalb einer bestimmten Frist nach Erteilung der Konzession nachzuweisen; c) das Anerbieten einer, die Innehaltung dieser Frist sichernden Kaution. 3. Das Statut muss entsprechen: a) den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über Aktiengesellschaften und insbesondere über Eisenbahn-Aktiengesellschaften; b) den generell und den für den speziellen Fall dem Gesetze gemäß besonders aufgestellten Konzessionsbedingungen. Das Statut ist mit dem Nachweis der Finanzierung der Staatsbehörde zur Erklärung vorzulegen, ob in diesen Beziehungen Erinnerungen zu machen sind. Eine weitere staatliche Genehmigung ist nicht erforderlich. 4. Die Gesetzgebung hat Fürsorge zu treffen, dass bei Erteilung von Konzessionen die Möglichkeit künftigen Erwerbs der Bahn durch den Staat gewahrt werde. 5. Die Herstellung von Lokalbahnen, für welche die Kommunalverbände ihre Teilnahme betätigen und Beisteuern der Adjazenten und Kommunen vorliegen, ist durch Staatssubventionen möglichst zu fördern. IV. 1. Die Eintragung der Eisenbahn-Aktiengesellschaften in das Handelsregister darf erst erfolgen, wenn der Verwaltungsbehörde die Finanzierung des Unternehmens, insbesondere die Beschaffung des in den Konzessionsbedingungen vorgesehenen Anlage-(Bau-)Kapitals durch volle Zeichnung des Grundkapitals (Art. 209 des Handelsgesetzbuchs) nachgewiesen ist. 2. Das Anlage-(Bau-)Kapital muss als effektiver Geldbetrag in seiner vollen Höhe zur Kasse der Gesellschaft gelangen. 3. Es ist nicht unbedingt auszuschließen, dass zur Beschaffung dieses Anlage(Bau-)Kapitals Aktien in einem dasselbe übersteigenden Gesamtbetrage ausgefertigt und an die ersten Zeichner zu einem entsprechenden Kurse unter ihrem Nennbetrage ausgegeben werden, sofern hierbei folgende Vorschriften beobachtet sind: a) Gleichwertige und gleichbezeichnete Aktien desselben Unternehmens dürfen nur zu einem und demselben Kurse (Emissionskurse) an die Zeichner begeben werden;
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b) der Prozentsatz, zu welchem die Ausgabe der Aktien erfolgt (Emissionskurs) ist α) in der für Bekanntmachungen der Gesellschaft vorgesehenen Art zu veröffentlichen und ferner: β) in den durch Prospekte oder in sonstiger Weise erfolgenden Aufforderungen zur Zeichnung, γ) in den Zeichnungsscheinen, und δ) auf der Aktie selbst anzugeben. 4. Die gesetzliche Bestimmung, dass die einzelne Aktie nicht unter einem bestimmten Betrage ausgefertigt werden darf, ist festzuhalten; für den gesetzlich festgestellten Mindestbetrag kommt bei solchen Aktien, welche unter dem Nennbetrage ausgegeben werden, nicht der Letztere, sondern der Emissionskurs in Betracht. 5. Bauzinsen sind zu gestatten. Die Zeit, für welche Bauzinsen versprochen werden dürfen, ist zu begrenzen. Die Zinsen dürfen einen höchsten, nach dem Emissionsbetrage zu bemessenden Prozentsatz nicht übersteigen. 6. An den Bestimmungen des Art. 210 a 1 und 2 des Handelsgesetzbuchs, die Vollzeichnung des Grundkapitals und die Einzahlung von mindestens 10 Prozent betreffend, ist festzuhalten. 7. Keine Aktie darf ausgegeben werden, ehe nicht der volle, dem Emissionskurse entsprechende Betrag zur Gesellschaftskasse gezahlt ist. 8. Das Verhältnis der Gründer zur Gesellschaft ist gesetzlich zu regeln und hierbei davon auszugehen: a) die Gründer können alle auf die Finanzierung bezüglichen Verträge abschließen; b) der definitive Abschluss der Bauverträge ist der konstituierten Aktiengesellschaft vorzubehalten; c) alle auf die Finanzierung, Geldbeschaffung und außergewöhnlichen Unkosten bezüglichen Abmachungen, insbesondere auch diejenigen, welche den Gründern Vorteile zuwenden, sowie ferner diejenigen, welche die Beteiligung der von den Gründern in Aussicht genommenen Bauunternehmer an der Beschaffung des Anlage-(Bau-)Kapitals berühren, müssen den Aktienzeichnern offen dargelegt werden. 9. Die Finanzierung ist von der Bauausführung zu trennen. Sofern danach nicht die Bauausführung gegen Hingabe von Aktien erfolgt, ist das System der Generalentreprise nicht zurückzuweisen. 10. Ein Bedürfnis zur gesetzlichen Beschränkung des Stimmrechts der Aktionäre ist nicht vorhanden, ebenso wenig empfiehlt es sich, auf die Aufnahme einer dahin gehenden Bestimmung in die Statuten im Verwaltungswege einzuwirken. Soweit die Statuten bestimmte Vorschriften über die Ausübung des Stimmrechts enthalten, sind letztere dadurch zu schützen, dass ihre Umgehung bei Strafe verboten wird. 11. Alle Vorschriften, welche im öffentlichen Interesse aufgestellt werden, sind durch ausdrückliche Bestimmungen, welche Strafe androhen oder die zivilrechtliche Verantwortlichkeit feststellen, gegen Zuwiderhandlung und Umgehung (Delikt) zu schützen.
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12. Für alle Fälle des Delikts ist die Verantwortlichkeit auf diejenigen Personen auszudehnen, welche zur gesetzmäßigen Ausführung jener Vorschriften berufen sind (Gründer, Vorstand, Aufsichtsrat). 13. Die Gesellschaft hat für eine selbständige Kontrolle dieser Ausführung Sorge zu tragen, besonders durch Bestellung von Revisoren, welche in keinerlei Verbindung mit der Verwaltung stehen und berechtigt sind, das Einschreiten des Richters zu bestimmten Zwecken der Revision und zu Sicherheitsmaßregeln zu bewirken. 14. In Betreff der Verantwortlichkeit aus Delikten soll das Gesetz je nach der Beschaffenheit des in Frage kommenden Delikts, entweder einem einzelnen Aktionär, oder einer Anzahl vereinigter Aktionäre die Befugnis geben: a) trotz der von der Generalversammlung geleisteten Decharge seine oder die Gesellschaftsrechte geltend zu machen, sofern der betreffende Aktionär in der Generalversammlung anwesend gewesen ist und den Anspruch geltend gemacht hat; b) die Einsetzung besonderer Revisoren bei dem Richter zu beantragen, wenn die gesetzwidrige Geschäftsführung wahrscheinlich gemacht wird und die bestehende Revision als lässig sich erweist. 15. Die Rechte der Minderheit sind auf Anrufen durch den Richter zu schützen, wenn dargetan wird, dass die Mehrzahl in der Generalversammlung durch solche Manipulationen vorbereitet worden ist, welche das Gesetz oder das Statut ausdrücklich ausschließt. V. 1. Die staatliche Aufsicht hat sich während der Bauzeit auf die nachhaltige Solidität des gesamten Baues einschließlich der Ausrüstung der Bahn zu erstrecken. 2. Durch das Gesetz ist dem Staate die Ausübung einer Aufsicht über die Beobachtung und Erfüllung aller derjenigen gesetzlichen Verwaltungsvorschriften zu ermöglichen, welche die Voraussetzung der Erteilung der Konzession bilden; insbesondere gilt dies, soweit die Geldbeschaffung, die Einzahlungen und die Ausgabe der Aktien in Betracht kommen. VI. 1. Die mit Erteilung der Erlaubnis zu Vorarbeiten und mit dem Konzessionsverfahren befasste, sowie die mit der Aufsicht über die Eisenbahnen beauftragte Behörde ist von derjenigen zu trennen, welcher die Verwaltung der Staatsbahnen und einzelner Privatbahnen obliegt. 2. Es erscheint wünschenswert, die Aufsicht über die Eisenbahnen in Ausführung der Bestimmungen der Reichsverfassung (Art. 41 bis 47) dem Reiche zu übertragen, dieselbe durch Erlass eines Reichseisenbahngesetzes zu regeln und eine Reichs rekursinstanz einzusetzen.
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II. Vorschläge von Verbänden a) Beschlüsse des Deutschen Juristentags (August 1873) Zur tunlichsten Verhinderung unsolider Begründung oder missbräuchlicher Verwaltung von Aktiengesellschaften empfiehlt es sich, die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen namentlich in folgenden Punkten zu ändern: a) die Gründer einer Aktiengesellschaft zu verpflichten, die für die Begründung wichtigsten Angaben, namentlich diejenigen über nicht in Geld bestehende Einlagen mittelst unterschriftlich vollzogener Prospekte kund zu geben; b) die Gründer für jede veranlasste Täuschung in Bezug auf die Angaben des Prospekts, das Vorhandensein und den Wert der Aktienzeichnungen, sowie in Bezug auf die geleisteten Einzahlungen solidarisch verhaftet zu erklären; c) die Bestimmungen aufzuheben, nach welcher es gestattet ist, nach erfolgter Einzahlung von 40 Prozent die Zeichner von Inhaberaktien von der Haftung für fernere Einzahlungen zu befreien; d) die Gerichte zu ermächtigen, jederzeit auf Antrag einzelner Aktionäre, wenn wichtige Gründe vorliegen, die Mitteilung einer Bilanz oder sonstiger Aufklärungen nebst Vorlegung der Bücher und Papiere anzuordnen, auch eine Untersuchung der Geschäftsführung zu veranlassen; e) auch dem einzelnen Aktionär, soweit es sein Interesse erheischt, ein Klagerecht auf Innehaltung der gesetzlichen und statuarischen Vorschriften über die Geschäftsführung zu gewähren.
b) Resolution des Vereins für Socialpolitik (12./13.10.1873) I. Zur Steuer der Missstände im Aktiengesellschaftswesen ist außer auf die Reform des Aktienrechts auf eine Einengung des Gebiets der Aktiengesellschaften Wert zu legen, indem an die Stelle der letzteren öffentliche Unternehmungen des Staats, der Provinz, des Bezirks, des Kreises, der Gemeinde treten. Dies ist besonders wünschenswert auf dem Gebiete allgemeiner volkswirtschaftlicher Angelegenheiten, namentlich im Verkehrswesen und bei den Anstalten für lokale wirtschaftliche Gemeinschaftsbedürfnisse, wo die öffentliche Unternehmung möglichst ausschließlich statt jeder privatwirtschaftlichen anzuwenden ist. Außerdem findet dieselbe auch im Bank- und Versicherungswesen neben Erwerbsgeschäften und Genossenschaften oft eine passende Tätigkeit. II. Die Aktiengesellschaft ist sonst eine berechtigte und der modernen Volkswirtschaft vielfach unentbehrliche privatwirtschaftliche Unternehmungsform auf dem Gebiete der einzelnen Produktionszweige. Sie soll deshalb ein Gegenstand des gemeinen Rechts und ihre Erreichung nicht von besonderer Staatsgenehmigung, sondern bloß von der Erfüllung von Normativbedingungen sein. Obgleich die Aktiengesellschaft nur für gewisse Unternehmungen wirtschaftlich zweckmäßig zu sein pflegt, so soll doch im Allgemeinen ihre Anwendung überall rechtlich zulässig sein, wo nicht bestimmte Gebiete der öffentlichen Unternehmung vorbehalten bleiben. Die wirtschaft-
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liche Verschiedenartigkeit der Unternehmungen ist jedoch auch im Aktienrecht durch Spezialbestimmungen zu berücksichtigen. III. Es bedarf einer Revision der Deutschen Aktiengesetzgebung im Sinne der Herstellung voller Öffentlichkeit und Verantwortlichkeit; insbesondere sind hierbei folgende Grundsätze aufzustellen: 1. Erzwingung voller Öffentlichkeit, in Betreff der wesentlichen Gründungshergänge, und Herstellung voller Verantwortlichkeit der Gründer der Aktiengesellschaft gegenüber für falsche Angaben; 2. Aufhebung der Bestimmung, wonach die Zeichner nach Zahlung von 40 Prozent der ferneren Verbindlichkeit entlassen werden können; 3. Kontrolle der Geschäftsführung durch ein von den Verwaltungsorganen unabhängiges verantwortliches Organ; 4. Anspruch der Minorität auf Untersuchung der Geschäftsführung durch den Richter bei bescheinigtem Verdacht von Unregelmäßigkeiten; 5. Anerkennung eines Klagerechts des einzelnen Aktionärs bei Verletzung der gesetzlichen und statutarischen Gesellschaftsnormen; 6. Eine Erhöhung des Grundkapitals darf vor Volleinzahlung der alten Aktien nicht stattfinden; 7. Es ist unstatthaft, dass bei der Emission neuer, sog. junger Aktien den Gründern irgendein mit der gleichen Berechtigung aller jeweiligen Aktionäre im Widerspruch stehendes Vorrecht gewährt werde.
III. Stellungnahmen aus den Bundesstaaten (1873/74) 1. Schreiben des preußischen Handelsministers Achenbach an sämtliche Handelskammern und kaufmännische Korporationen vom 28.5.1873 (Auskunftsersuchen zum Aktienrecht) Die Gründung und weitere Entwicklung der in die Form der Aktiengesellschaft gekleideten gewerblichen Unternehmungen ist im Laufe der letzten Jahre nicht ohne erhebliche Ausschreitungen vor sich gegangen. Ein Teil dieser Vorgänge darf unbedenklich auf das Zusammentreffen solcher, mehr oder minder vorübergehender Verhältnisse zurückgeführt werden, die in keinem Zusammenhange mit der speziellen Assoziationsform stehen und ihrer Natur nach einer Einwirkung seitens der Gesetzgebung sich entziehen. In anderen Beziehungen ist durch jene Erscheinungen aber auch die Frage nahe gelegt, ob nicht die durch das Gesetz vom 11. Juni 1870 gegen Umgehungen, Täuschungen und andere Missbräuche aufgerichteten Garantien – unbeschadet der freien Bewegung des Verkehres – einer Erweiterung fähig und bedürftig sind. Indem ich die Mitwirkung der Organe des Handelsstandes zur Vorbereitung der Entscheidung über diese Frage in Anspruch nehme, habe ich vor allem dem Wunsche Ausdruck zu geben, dass die Rückäußerung tunlichst eng an bestimmte tatsächliche Vorgänge innerhalb des dortigen Bezirks angeknüpft werden möge und dass damit
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etwaige positive Vorschläge zur Änderung der bestehenden Gesetze ebenfalls nur insoweit verbunden werden, als dieselben auf eigene Erfahrungen gegründet sind und eine unmittelbare praktische Verwertung gestatten. Demgemäß sehe ich auch davon ab, vorweg in erschöpfender Weise die Fragen zu bezeichnen und zu formulieren, welche für den Inhalt und die Richtung der gewünschten Äußerung als maßgebend anzusehen wären. Gleichwohl will ich nicht unterlassen, wenigstens in allgemeinen Umrissen die wichtigeren derjenigen Punkte hervorzuheben, in welchen schon nach dem zur Zeit vorliegenden Material eine Reform in Erwägung zu nehmen sein würde. – Dahin rechne ich zunächst die Frage, ob und inwieweit etwa der spezielle Zweck der Kapitalsvereinigung, der Gegenstand des Unternehmens Veranlassung bietet, je nach der besonderen Natur desselben auch in den Bestimmungen über Gründung, Verwaltung und Geschäftsbetrieb der Aktiengesellschaft als solcher Unterscheidungen eintreten zu lassen. Nachdem in dieser Beziehung, insoweit das Eisenbahnwesen in Betracht kommt, die erforderliche Vorbereitung bereits anderweit gesichert ist, handelt es sich vorzugsweise noch um die Unterscheidung zwischen sonstigen Bau-, Bank-, Versicherungs-, Bergbau-, Hüttenund allgemeinen Handels-Unternehmungen. Besondere Aufmerksamkeit verdient sodann, wenn auch vielleicht nicht gleichmäßig in Ansehung aller dieser Unternehmungen, die weitere Frage, ob nicht die der formellen Errichtung der Gesellschaft vorausgehenden Operationen der sog. Gründer und der mit ihnen meist verbundenen ersten Aktienzeichner im Interesse der dieser Gemeinschaft gegenüberstehenden späteren Aktionäre einer weiteren als der bisher gesicherten Publizität und zugleich einer entsprechenden Verantwortlichkeit zu unterwerfen sein werden. Insbesondere ist in dieser Beziehung von verschiedenen Seiten befürwortet, dass die illegitimen, mehrfach mittelst allerlei Scheinoperationen maßlos gesteigerten und der Öffentlichkeit entzogenen Gründergewinne auf eine dem Risiko wenigstens annähernd entsprechende, jedenfalls aber dem öffentlichen Urteil unterworfene Prämie zurückgeführt werden und dass andererseits, wenn Anlagen oder sonstige Vermögensstücke von der zu errichtenden Gesellschaft übernommen werden sollen oder wenn ein Aktionär eine auf das Grundkapital anzurechnende, nicht in barem Gelde bestehende Einlage macht, das Verhältnis der festgesetzten Kauf- oder Illationspreise zu dem darin mit enthaltenen Vorteile der Gründer und anderer Zwischenpersonen und, soweit tunlich, auch zu dem realen Werte der Objekte für die Prüfung und Beurteilung seitens des Publikums zugänglich gemacht wird. Weiter steht in Frage: ob etwa die Gewährung von Zinsen während des zur Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Betriebes erforderlichen Zeitraumes weiterer als der schon durch Art. 217 ADHGB vorgesehenen Beschränkungen bedarf –– ob die Richtigkeit der im Art. 210 a ADHGB besonders unter No. 1 vorgeschriebenen Bescheinigungen durch andere als die im Art. 249 enthaltenen strafrechtlichen, vielleicht auch durch zivilrechtliche Bestimmungen gegen Schein- und Nebenverträge und andere Verträge und andere Umgehungen sicherzustellen sein möchte
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–– ob das Verbot der Ausgabe von Aktien vor Einzahlung des ganzen Nominalbetrages derselben (Art. 222 No. 1) lediglich aufrecht zu erhalten und die strikte Durchführung derselben möglichst vorzusehen oder ob und evtl. inwieweit von diesem Verbote abzugehen ist –– ob es ferner bei den Bestimmungen darüber bewenden soll, dass der Zeichner der Aktien für die Einzahlung von nur 40% des Nominalbetrages unbedingt verhaftet ist, dagegen nach dieser Einzahlung seine Befreiung von der Haftung für weitere Einzahlungen zugelassen werden kann (Art. 222 No. 2 und 3) –– ob etwa die Erhöhung des Grundkapitals mittelst Ausgabe weiterer Aktien davon abhängig zu machen sein möchte, dass der Nominalbetrag der Aktien erster Emission ganz oder doch zum größten Teile bereits eingezahlt ist –– ob den für den Fall solcher Kapitals-Erhöhungen häufig zu Gunsten der Gründer oder ersten Aktionäre stipulierten Vorrechten entgegengetreten werden soll –– ob für die Aufnahme von Anleihen beschränkende Bestimmungen vorzuschreiben sind –– ob die über die innere Organisation der Aktiengesellschaften disponierenden Bestimmungen überhaupt und insbesondere etwa nach den Richtungen hin einer Änderung bedürfen, dass einerseits die Kontrolle der Geschäftsführung – sei es mittelst Erweiterung der Verpflichtungen und der Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats, sei es mittelst Einfügung eines neuen, außer jeder Beziehung zur laufenden Verwaltung stehenden Organs – verschärft, andererseits die GeneralVersammlung aus der ihr oftmals angewiesenen Rolle eines willenlos dienenden Werkzeuges zu der ihr gebührenden unabhängigen und selbständigen Stellung erhoben und zu dem Ende vor allem der Vorschiebung fingierter Aktionäre und dem sog. Pachten von Aktien vorgebeugt wird –– ob die Stimmbefugnis der als Gesellschafts-Organ tätigen oder der sonst in besonderer Weise bei einem bestimmten Beratungsgegenstande beteiligten Aktionäre eingeschränkt werden soll –– ob endlich die Sonderrechte des einzelnen Aktionärs oder doch die einer noch nicht die Majorität herstellenden Mehrzahl von Aktionären in der Art zu erweitern, dass sie einen Schutz gegen willkürliche oder künstlich herbeigeführte Majoritäts-Beschlüsse und gegen gröbere Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung gewähren (Art. 224). Auch in Ansehung dieser Fragen lege ich besonderen Wert darauf, mit den in der Praxis etwa gewonnenen Erfahrungen bekannt gemacht zu werden. Weitere in Betracht kommende Gesichtspunkte ergeben sich von selbst aus den der Handelskammer bekannt gewordenen parlamentarischen Kundgebungen und den Besprechungen dieser Angelegenheit in den öffentlichen Blättern. gez. Dr. Achenbach.
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2. Stellungnahme des Königreichs Sachsen vom 20.6.1873 ... Wenn die Übelstände und Missbräuche, welche der genannte Abgeordnete im Reichstage [Lasker] zur Sprache gebracht hat, unverkennbar auch in Sachsen zutage getreten sind, so würde es doch nach der Auffassung der Kgl. Sächsischen Staatsregierung unrichtig sein, dieselben ganz oder auch nur zu einem wesentlichen Teile dem durch das Reichsgesetz vom 11. Juni 1870 hinsichtlich des Aktienwesens eingeführten Änderungen zuzuschreiben. Ähnliche Vorgänge sind vielmehr, wenn auch vereinzelt, schon aus der Zeit, in der zu Begründung von Aktiengesellschaften noch staatliche Genehmigung erforderlich war, zu konstatieren; und muss man dies z.B. bei der Sächsischen Hypothekenbank in Leipzig anerkennen. Andrerseits sind dergleichen, obschon in Sachsen bereits das Gesetz, die juristischen Personen betreffend, vom 15. Juni 1868 das Erfordernis einer staatlichen Genehmigung beseitigt hatte, weder in den darauf folgenden Jahren, noch in der ersten Zeit nach Publikation des Reichsgesetzes häufiger bemerkt worden, vielmehr hauptsächlich erst dann hervorgetreten, als nach siegreicher Beendigung des französischen Kriegs mit dem Aufschwunge fast aller Gewerbe eine sich überstürzende Unternehmungslust erwachte. Überhaupt wird man die fraglichen Missbräuche nicht außer Zusammenhange mit den Erscheinungen auf anderen Gebieten des öffentlichen und sozialen Lebens zu betrachten haben. Die Klage, dass eine flachere Lebensauffassung, eine gesteigerte Genusssucht und damit eine geringere Achtung vertragsmäßiger oder sonstiger positiver Normen, sowie das Streben nach rascherem und leichterem Erwerb mehr und mehr überhand nehmen, dass insbesondere die öffentliche Moral im Halten von Treu und Glauben, im Stolze auf tüchtige Leistung gesunken sei, wird aus allen Kreisen und von allen Seiten nicht ohne Grund mehr als sonst gehört, und die beim Aktienwesen gerügten Übelstände sind mit diesen Klagen nahe verwandt. Es handelt sich bei denselben, wenn man die verschiedenen Missbräuche in ihre Wurzeln verfolgt, immer um Täuschungen, die, wenn sie geradezu in falschen Vorspiegelungen bestehen, vielleicht von den meisten missbilligt werden, während, wenn dabei nur Tatsachen verschwiegen werden, den durch andere Umstände begründeten Voraussetzungen nicht widersprochen wird, viele darin nur ein im Handel und Verkehr erlaubtes Verfahren zu erblicken geneigt sind. Der Unterschied, weshalb ein z.B. beim Handel ohne Tadel bleibendes Anpreisen unsolider Waren, bei dem Aktienwesen weit gefährlicher wird, liegt in dem vielen Undurchsichtigen und Geheimen, welches bei letzterem vorkommt. Eine Abhilfe der gerügten Übelstände scheint daher auch zumeist nur dadurch angestrebt werden zu können, dass einerseits für gewisse Gegenstände der hierher gehörigen Art eine größere Öffentlichkeit vorgeschrieben, andererseits durch Strafandrohungen von dem Versuche der Hinterziehung abgeschreckt und zugleich auf Berichtigung der geltenden Anschauungen, auf Verbesserung der öffentlichen Moral hingewirkt werde. Dass man hierbei nicht etwa an eine Rückkehr zu dem Systeme der früheren Staats-Kuratel, zu einem Prüfungs- und Konzessions-Wesen denken dürfe, hält die Kgl. Sächsische Staatsregierung für völlig zweifellos. Ja es ist sogar die Befürchtung nicht ausgeschlossen, dass Maßregeln der vorhin angedeuteten Art das auf Staats-
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schutz und Staatsaufsicht rechnende Publikum wieder zu vertrauensselig machen und ihm einen Schutz vorzuspiegeln geeignet sein können, den sie in Wahrheit doch nicht zu leisten imstande sind. Die im Nachstehenden im Einzelnen zu machenden Bemerkungen sollen daher auch zunächst nur zur weiteren Erwägung gestellt werden und nicht Vorschläge enthalten, die die Kgl. Sächsische Staatsregierung ohne weiteres zu empfehlen gemeint wäre. Unter den geübten Missbräuchen, welche bei Begründung von Aktiengesellschaften vorgekommen sind, nimmt eine der ersten Stelle 1. die Tatsache ein, dass Personen von vertrauenerweckender Stellung sich gegen Gewährung einer Provision dazu hergeben, ihre Namen bloß zum Schein unter den Gründern aufführen zu lassen, während sie sich durch ausgestellte Reverse gegen die Realisierung ihrer Aktien-Zeichnung sichern. Dass solche Reverse dieselben Dritten gegenüber nicht von der gesetzlichen Verbindlichkeit zur Einzahlung von mindestens 40% befreien können, scheint zwar außer Zweifel zu beruhen, dennoch könne durch solches Verfahren das Publikum geschädigt werden, indem das Vertrauen auf die angebliche Mitbeteiligung dieser Personen zum Kauf der Aktien verlockt. Dann aber, wenn dadurch der Kurs der letzteren gestiegen ist, auch die zum Schein gezeichneten Aktien leicht verkauft und die bis dahin bestehende Haftpflicht der Schein-Zeichner beseitigt werden kann. Es ist, wie immer, auch hier schwer, die Vorspiegelung von Scheingeschäften wirksam zu hindern. Insoweit die angebliche Zeichnung zunächst zur Beteiligung des großen Publikums vor der förmlichen Konstituierung der Aktiengesellschaft (Art. 209 a) anlocken soll, könnte eine Vorschrift nützlich sein, dass bei jedem Aufrufe zur Aktienzeichnung diejenigen, welche sich als bereits dabei beteiligt angeben, zu Anzeige der Zahl ihrer Aktien verpflichtet seien, wodurch es wenigstens unmöglich gemacht würde, das letztere ihre angekündigte Beteiligung bei ungünstigem Verlaufe der Zeichnung auf eine geringe Aktienzahl zurückziehen. Nach der Konstituierung der Gesellschaft muss die Aktienzeichnung aller Einzelnen jedes Mal dem Gericht vorgelegt werden, denn es ist dies in Art. 210 a sub. 1 unbedingt vorgeschrieben, dieser Nachweis kann also nicht durch den Art. 209 a gedachten Beschluss der General-Versammlung ersetzt werden, welcher nach Art. 210 a sub. 4 zwar gleichfalls, aber neben der Inzident-Aktien-Zeichnung (Nr. 1) nachgewiesen werden muss. Insoweit Scheingeschäfte der eben betrachteten Art nicht bereits nach dem Strafgesetzbuche zu ahnden sind, wären sie besonders mit Strafe zu bedrohen. 2. Es ist darüber gestritten worden, ob die Begebung von Aktien unter dem Nennwert erlaubt sei, und ist deren Zulassung ebenso von der einen Seite als unstatthaft, als von Anderen für unentbehrlich erklärt worden. Die Kgl. Sächsische Staatsregierung muss der ersteren Ansicht beitreten, und zwar sowohl vom Standpunkte der bestehenden Gesetzgebung, als wenn es sich um Erlass neuer Vorschriften handelte. Der Gesellschaftsvertrag hat die Höhe der einzelnen Aktien oder Aktien-Anteile zu bezeichnen und die mit der Gesellschaft kontrahierenden Personen sind hiernach sowie nach Art. 207 a Abs. 3 zu der Annahme berechtigt, dass die Verpflichtung zur Einzahlung
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dieses Nennwerts bis zu 40% unbedingt (Art. 222 Nr. 2) und darüber hinaus wenigstens bei Vermeidung des Verlustes aller Rechte (Art. 220) bestehe. – Freilich können gerade diese Vorschriften dadurch teilweis umgangen werden, dass ein Zeichner seine Aktien unter dem Nennwerte an Andere verkauft, die ihm, als Zeichner, verbleibende Haftpflicht aber eintretenden Falls nicht realisiert werden kann. 3. Bei der Umwandlung bestehender Etablissements in Aktien-Unternehmungen tritt öfter eine Täuschung des Publikums insofern ein, als der Preis, zu welchem ein Etablissements erworben wird, falsch angegeben wird, oder dass der Besitzer des letzteren dasselbe zu einem schwindelhaften Werte an Zahlungsstatt für Aktien einwirft. Ein ganz ähnliches Manöver findet auch dadurch statt, dass die Kosten künftiger Erwerbungen und Herstellungen in den Prospekten höher angegeben werden, als sie aufzuwenden sind – ein Verfahren, das namentlich in Verbindung mit später fortgesetzten unrichtigen Buchungen dazu dienen kann, eine Zeit lang künstliche Gewinne und Dividenden vorzuspiegeln. Es wird eine Abhilfe gegen solche immer verschleierte und schwer ganz aufzudeckende Operationen nur etwa daran zu hoffen sein, dass die Veröffentlichung der hier fraglichen Tatsachen stets und selbst dann, wenn der Gesellschaftsvertrag von Anfang an zwischen sämtlichen Aktionären abgeschlossen worden ist (also alle Aktien von den Gründern gezeichnet sind) vorgeschrieben und jede ungenaue oder falsche Angabe streng bestraft wird. 4. Das Ausbedingen gewisser Vorteile für die Gründer oder ursprünglichen Aktienzeichner bei neuen Aktien-Emissionen wird an sich nicht füglich missbilligt werden können. Doch erscheint es gerechtfertigt, auch hier vorzuschreiben, dass dergleichen Stipulationen öffentlich bekannt gemacht werden müssen, also nicht bloß im Statut enthalten sein dürfen, und zwar selbst dann, wenn keine öffentliche Aufforderung zur Aktienzeichnung stattfindet, weil das Unternehmen früher oder später stets auf die Teilnahme des großen Publikums berechnet, letzteres also von Anfang an als an der Sache beteiligt zu betrachten ist. 5. Als einen weiteren Übelstand hat man es von mehreren Seiten bezeichnet, dass oft Personen, welche nicht Eigentümer von Aktien sind, in den Generalversammlungen als Besitzer erborgter fremder Aktien erscheinen. Bei Aktien, welche auf den Inhaber lauten, scheint die Klage kaum gerechtfertigt; eine Abhilfe dagegen ist in der Vorschrift mancher Statuten gesucht worden, dass die Aktien bereits einige Zeit vor der Generalversammlung deponiert werden müssen; doch hat diese Einrichtung auch ihre bedenkliche Seite, indem die Weitläufigkeiten resp. die Kosten der Deposition viele Aktionärs von der Teilnahme an den Generalversammlungen ganz abhalten und so einen Übelstand vermehren, der überhaupt bei den Aktiengesellschaften die Quelle vieler anderer ist, – die Teilnahmslosigkeit und Sorglosigkeit der meisten Aktionärs und Aktienkäufer, welche sich um den Stand der Gesellschaftsangelegenheiten wenig anders, als durch Einsicht von den Kursnotierungen und von der Höhe der verteilten Dividenden zu kümmern pflegen. Am wenigsten scheint es ratsam, in der sub 5 bemerkten Beziehung auf dem Wege der Gesetzgebung einzuschreiten.
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6. Die öftere Veröffentlichung von Geschäftsübersichten würde an sich jedenfalls geeigneter sein, die Aktionärs, wie das Publikum über den jeweiligen Stand der Gesellschaftsangelegenheiten besser zu unterrichten und würde sich in dieser Hinsicht der Erlass einer gesetzlichen Vorschrift wohl empfehlen. Nur ist zu bedenken, dass nicht alle Unternehmungen eine oft wiederkehrende Bilanz (selbst nur eine teilweise) gestatten und dass andererseits es bekanntlich nicht schwer ist, eine täuschende Bilanz aufzustellen, ohne dass der Verfasser sich deshalb sofort den in Art. 249 sub 3 angedachten Strafen aussetzen muss. Endlich lässt sich 7. die Frage aufwerfen, ob es zweckmäßig sei, durch das Gesetz auch eine gewisse Minorität von Aktionärs zu Durchführung bestimmter (von der Majorität der Generalversammlung vielleicht abgelehnten) Maßregeln z.B. zum Antrag auf obrigkeitliche oder gerichtliche Untersuchung des Vermögens und sonstigen Geschäftsstandes, zu ermächtigen, um so die Allmacht einer in wenig Händen konzentrierten und unredlichen Aktien-Majorität zu brechen. Nur darf dabei nicht außer Acht bleiben, dass ein solcher Antrag auch wohl in unredlicher Absicht gestellt, z.B. von einer auf baisse spekulierenden Anzahl von Aktionärs gemissbraucht werden, oder auch, auf Übereilung beruhend, den Kredit und das Gedeihen des Unternehmens wesentlich gefährden kann, während andererseits ein Einschreiten des Gerichts dann, wenn ein strafbares Gebaren auf Seiten des Vorstandes mehr oder weniger nachweisbar ist, nicht von den Anträgen einer gewissen Quote der Aktionärs abhängig ist. Dresden, den 20. Juni 1873. Kgl. Sächsisches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten. 3. Stellungnahme Bremens vom 11.10.1873 Auf das gefällige Schreiben des Hochlöblichen Reichskanzleramts vom 7. April d. J. betreffend die auf dem Gebiete der Aktienunternehmungen gemachten Erfahrungen usw. beehren wir uns, mit der Bitte, die eingetretene Verzögerung der Beantwortung geneigtest entschuldigen zu wollen, ganz ergebenst zu erwidern, dass die Missstände, von welchen der Abgeordnete Lasker Anlass zu einer Interpellation vom 4. April d. J. genommen hat, am hiesigen Platze sich nicht gezeigt haben, die seit 1870 hier gegründeten Aktienunternehmungen vielmehr durchweg in die Kategorie der soliden und ernsthaft gemeinten Geschäfte gerechnet werden dürfen. Nicht ohne Einfluss dürfte dabei der Umstand gewesen sein, dass das Reichsgesetz vom 11. Juni 1870, soweit es den Konzessionszwang für Aktiengesellschaften etc. beseitigte, für Bremen keinen neuen Zustand begründete, da hier ein solcher Zwang auch vorher nicht bestanden hatte, und dass mithin die mit einem plötzlichen Übergange von einem System zum anderen häufig verknüpfte fieberhafte Aufregung des Unternehmungsgeistes keine Nahrung fand. Auch bei der Verwaltung und dem Betriebe der älteren und neueren Aktienunternehmungen sind hieselbst keine Übelstände hervorgetreten, welche das Bedürfnis legislativer Abhilfe hervortreten ließen. Wir würden deshalb Anstand nehmen, auf die in dem gefälligen Schreiben gestellte Anfrage näher einzugehen, wenn
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nicht das Hochlöbliche Reichskanzleramt den Wunsch zu erkennen gegeben hätte, unsere Ansicht über das Verhältnis der in Deutschland auf diesem Gebiete zutage getretenen Missbräuche und Missstände zu dem Gesetze von 1870 zu vernehmen. Nach unserem Dafürhalten hat das Gesetz im Allgemeinen wohltätig gewirkt und die Ausführung zahlreicher nützlicher Unternehmungen ermöglicht oder doch erleichtert. Die unleugbaren und umfangreichen Ausschreitungen der Spekulation, welche gleichzeitig stattfanden, dürften teilweise auf den Übergang zu einer bis dahin ungekannten Freiheit der Bewegung, teilweise auf die durchaus exzeptionellen Geldverhältnisse der letzten Jahre zurückzuführen sein. Die Wahrnehmung, dass ähnliche Erscheinungen in nicht geringerem Umfange selbst da vorgekommen sind, wo das Prinzip der beschränkten Haftbarkeit überhaupt nicht bestand, wie früher in England, scheint den Schluss zu rechtfertigen, dass dieselben in der Hauptsache aus Ursachen entspringen, welche von der Gesetzgebung unabhängig sind. Jedenfalls erscheint die seit dem 11. Juni 1870 verflossene Zeit einesteils zu kurz, anderenteils zu anormal, als dass man nach den vorliegenden Erfahrungen bereits die Revisionsbedürftigkeit des damals erlassenen Gesetzes aussprechen könnte. Sollte aber gleichwohl eine Revision für notwendig erachtet werden, so würden wir von unserem Standpunkte aus das Ziel derselben nicht in einer strengeren Einschränkung, sondern einer freieren Bewegung des Verkehrs finden. Unseres Erachtens würde die Aufgabe der Gesetzgebung weniger darin bestehen, durch scharfe, auf das Materielle der Geschäfte gerichtete Kautelen und Vorschriften den Missbrauch abzuwenden, als durch formelle, namentlich die größte Durchsichtigkeit der Transaktionen bezweckende und Rechtshilfe sichernde Bestimmungen dem Publikum die Mittel zum Selbstschutze zu gewähren. In dieser Ansicht können die Wahrnehmungen der letzten Zeit uns nur bestärken. Denn diejenigen Vorschriften des Gesetzes vom Jahre 1870, welche den Zweck verfolgen, dem Materiellen des Verkehrs unabänderliche Bedingungen aufzuerlegen, haben nicht allein nicht vermocht, das Publikum vor Übervorteilung zu sichern, sondern sie haben auch, indem sie mit wirklichen Bedürfnissen in Widerspruch treten, zu gefährlichen Gesetzesumgehungen angeregt. Wir würden daher eine Reform immer nur dann befürworten, wenn dieselbe die Normativbestimmungen lediglich aus der rechtlichen Natur der Aktiengesellschaften herleitete, die Publizität der Betriebsbewegung sicherstellte und die absichtliche Täuschung unter das Strafgesetz stellt. Hält man diese allgemeinen Gesichtspunkte fest, so ergibt sich die Stellung leicht, welche zu den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes vom 11. Juni 1870 und zu den laut gewordenen, insbesondere auch von dem Abgeordneten Lasker in seiner bekannten Rede aufgestellten Verbesserungsvorschlägen einzunehmen ist. [...] 4. Stellungnahme des preußischen Handelsministers von Achenbach 28.11.1873 Das Kgl. Staats-Ministerium ist in dem an die bekannte Interpellation des Abgeordneten Lasker anknüpfenden, dem Herrn Justiz-Minister und mir vorgelegten Schreiben des Reichskanzleramts vom 7.4. d.J. um ausführliche Mitteilung derjenigen Übel-
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stände ersucht, welche seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 11.6.1870 in Preußen bei der Gründung, der Verwaltung und dem geschäftlichen Betriebe von AktienUnternehmungen etwa wahrgenommen sind. Zugleich wird eine Äußerung darüber als erwünscht bezeichnet, auf welche Ursachen die Übelstände zurückzuführen sind, inwiefern sich ihnen gegenüber die Vorschriften jenes Gesetzes für den Schutz der Rechte und Interessen der Beteiligten als unzulänglich erwiesen haben und in welchen Richtungen und mit welchen Mitteln Abhilfe zu erstreben sein wird. Bereits unter dem 13. d.M. gestattete ich mir, dem Kgl. Staatsministerium Abschrift eines Erlasses vom 28.5. d.J. mitzuteilen, mittelst dessen ich zunächst den Organen des Handelsstandes, den Regierungen und den Landdrosteien zu einer Äußerung über den Gegenstand der Anfrage des Reichskanzleramts Gelegenheit gegeben hatte. Die Berichte sind auch jetzt noch nicht sämtlich eingegangen. Insoweit sie mir bereits vorliegen, lasse ich sie in zwei Heften, von denen das erste die Berichte der Handelskammern pp., das zweite die der Regierungen pp. enthält, beifügen. Dem ersteren Heft ist eine summarische Inhaltsübersicht vorangeschickt. In Beziehung auf die Berichte der Regierungen und Landdrosteien habe ich die Aufstellung einer solchen Übersicht für entbehrlich erachtet, weil die überwiegende Mehrzahl weder tatsächliches Material von erheblicher Bedeutung, noch eingehende gutachtliche Äußerungen enthält. Selbst die beigefügten statistischen Aufstellungen sind teilweise so mangelhaft angelegt, und so wenig erschöpfend, dass sie – zumal bevor die Berichte sämtlich beisammen sind – eine praktische Verwertung kaum gestatten und überhaupt kein besonderes Interesse bieten. Ausnahmsweise verdienen hervorgehoben zu werden die Berichte der Regierungen, resp. Landdrosteien zu Cöln, Minden, Erfurt, Stralsund, Hildesheim, Breslau, Schleswig, Merseburg (nebst Anlagen), insofern darin einzelner Gründungsexzesse nähere Erwähnung geschieht, zum Teil auch – wie besonders von den 6 letztgenannten – wichtigere Fragen der legislativen Reform mehr oder minder eingehend erörtert werden. Ich stelle ganz ergebenst anheim, behufs Beantwortung des ersten Teiles der Requisition des Reichskanzleramtes zunächst auf das durch diese Berichte gewonnene Material Bezug zu nehmen. Einer eigenen Äußerung darüber, welche Übelstände – sei es aufgrund dieses Materials, oder nach sonstigen Wahrnehmungen – als die bemerkenswertesten und bedenklichsten hervorzuheben sein möchten, glaube ich an dieser Stelle mich enthalten zu dürfen. Die speziellen Vorschläge, welche ich weiter unten dem Kgl. Staatsministerium zu unterbreiten mir gestatte, bieten Gelegenheit, hierauf zurückzukommen. Indem ich unter diesen Vorbehalten nunmehr auf den zweiten Teil der Requisition übergehe, werden zunächst die neuerlich von mehreren Seiten, u.a. von den Handelskammern in Hamburg und Bremen, zum Teil auch in den vorliegenden Berichten erhobenen Bedenken gegen die Opportunität eines sofortigen Vorgehens auf legislativem Wege bis zu einem gewissen Grade nicht als völlig unberechtigt zu bezeichnen sein. Wenn in irgendeiner Beziehung unter der Herrschaft des Gesetzes vom 11.6.1870 Ausschreitungen vorgekommen sind, und auf Abhilfe Bedacht genommen werden muss, so steht dabei obenan, das Unwesen der s.g. Gründungen. Grade auf diesem Gebiet aber ist schon bald nach den dagegen gerichteten parlamentarischen Verhandlungen des vorigen Winters und vollends mit der inzwischen hereingebro-
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chenen Börsenkrisis ein Stillstand eingetreten, der nicht nur für den Augenblick einer Fortsetzung der Gründungen – selbst in Ansehung legitimer Unternehmungen – unüberwindliche Schwierigkeiten entgegengesetzt, sondern voraussichtlich auch noch auf längere Zeit hinaus wirksamerer Garantien gegen die Wiederkehr der früheren Exzesse gewährt, als sie irgendein Gesetz zu bieten vermag. [Werden] von diesem Gesichtspunkt aus nur die Dringlichkeit des Bedürfnisses, und auch diese nur mit Rücksicht auf die jeweiligen Verhältnisse des Geld- und Kapitalmarkts und nicht über die nächste Zukunft hinaus in Abrede gestellt, so gehen andere Bedenken erheblich weiter. Es ist zunächst daran erinnert, dass man schon bei der Vorbereitung und dem Erlasse des Gesetzes von 1870, wie die Motive zu der damaligen Vorlage ausdrücklich bestätigen, sich dessen klar und voll bewusst gewesen sei, wie der plötzliche Bruch mit dem Konzessionssystem zunächst zu einer unerwünschten Übergangskrisis, zu der Periode eines förmlichen Aktienschwindels führen könne. Nun möge immerhin das Maß dessen, was man hierbei vorausgesetzt und erwartet habe, inzwischen weit überschritten sein. Nimmermehr aber dürfe für dieses Übermaß allein oder auch nur überwiegend das Gesetz verantwortlich gemacht werden. Mit den nächsten Folgen des letzteren seien andere hiervon völlig unabhängige wirtschaftliche Vorgänge der ungewöhnlichsten Art, vor allem der beispiellose Aufschwung, den der Verkehr alsbald nach der Beendigung des Krieges auf allen Gebieten genommen habe, zeitlich zusammengetroffen und ein sicheres, unbefangenes Urteil darüber, inwieweit jeder einzelne dieser beiden Faktoren oder auch nur deren Zusammentreffen gewirkt habe, sei zur Zeit noch kaum möglich, keinesfalls aber tatsächlich allgemein anzutreffen. Die Unsicherheit dieses Urteils in Verbindung mit der Entrüstung über die stattgehabten Ausschreitungen mit den unklaren Vorstellungen und Wünschen in Betreff der Möglichkeit einer dauernden Abwehr und mit dem frischen Eindruck einer noch nicht überwundenen, zum Teil dem Gesetze schuld gegebenen Krisis, lege die Gefahr nahe, dass eine schon jetzt in Angriff kommende Revision der bestehenden Gesetzgebung zu weit über das berechtigte Ziel hinausreichenden Beschränkungen der freien Bewegung des Verkehrs führen werde. Umso näher liege die Gefahr, als gerade die bei dem Systeme der Normativbestimmungen gegen den Missbrauch und Übergriffe aufzurichtenden Schranken bei der geringsten Überschreitung des unbedingt nötigen Maßes ohnehin in derartige, den Verkehr hemmende und schädigende Fesseln ausarteten und überhaupt solche Schranken nur mehr oder minder normalen Verkehrsverhältnissen, nicht den extremen Erscheinungen des Augenblicks angepasst und darauf bemessen werden dürften. Meinerseits kann ich indes diese Erwägungen nur insoweit für berechtigt erachten, als in ihnen eine dringende Mahnung zu vorsichtigem und maßvollem Vorgehen liegt. Weder eine Rückkehr zum Konzessionssystem, noch sonst ein prinzipieller Bruch mit der Vergangenheit, noch eine alles umfassende Revision der Gesetzgebung über Aktiengesellschaften überhaupt, kann meines Dafürhaltens jetzt in Frage kommen und selbst bei dem weiteren Ausbau und der anzustrebenden Vervollkommnung der geltenden Normativbestimmungen wird man sich auf diejenigen wichtigeren Punkte zu beschränken haben, deren unzulängliche Regelung durch die bisherigen Erfahrungen außer Zweifel gestellt ist. Es mag sein, dass die Bestimmungen, zu denen man auf
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diesem Wege gelangt, in gewissem Sinne den ihnen schon zur Zeit von den Gegnern prognostizierten Charakter eines bloßen Gelegenheitsgesetzes an sich tragen und in nicht zu ferner Zeit ebenfalls wieder als reformbedürftig sich erweisen werden, indem das Bedürfnis entweder nicht erschöpft, oder auch wohl in einer oder der anderen Beziehung überschritten wird. Dem ungeachtet wird man, sei es auch nur um dem schwergekränkten allgemeinen Rechtsbewusstsein auch von dieser Seite her die verlangte Genugtuung zu gewähren, flagranten Missständen gegenüber alsbald den allein möglichen Weg der Gesetzgebung zu beschreiten haben, und nicht erst eine weitere Klärung der Bedürfnisfrage, eine günstigere Situation der nächstbeteiligten Verkehrskreise und ein unbefangeneres Urteil des Publikums, abwarten dürfen. Auch in England und Frankreich hat die Gesetzgebung in dieser Materie nur Schritt für Schritt, oft wechselnd und schwankend, bis zu den heute daselbst bestehenden Rechtszuständen vordringen können. Zum Teil erklärt sich dies dort, wie bei uns, aus den Schwierigkeiten, welche die Natur des Gegenstandes bietet, zum Teil aber auch gerade aus der besonderen Natur des Systems der Normativbestimmungen überhaupt. Erst die Erfahrungen, welche sich aus der praktischen Handhabung solcher Gesetze ergeben, wird hier die freiere Grenzlinie zwischen einem Zu-Wenig und einem Zu-Viel nach allen Seiten hin so klar gelegt, dass das Richtige überall sicher getroffen werden kann, und von diesem Gesichtspunkt aus wird auch der beliebte Vorwurf einer experimentierenden Gesetzgebung im vorliegenden Falle nicht gescheut werden dürfen. I. Unter den einzelnen Punkten, in welchen das Gesetz vom 11.6.1870 sich als unzulänglich erwiesen hat, steht nach meiner Ansicht, wie bereits bemerkt, allen übrigen weit voran das Gründungswesen und innerhalb dieses Gebietes wieder erblicke ich die Hauptquelle der meisten Übelstände darin, dass diejenigen Personen, welche den ersten Keim zu einem projektierten Aktienunternehmen legen und die Entwicklung desselben tatsächlich leiten, bis durch den Abschluss der sämtlichen Vorverhandlungen die formale äußere Lebensfähigkeit hergestellt ist, hierbei – unbekümmert um die wirtschaftliche Berechtigung und das spätere Schicksal des Unternehmens – von keinem anderen Motive, als dem der Sicherung des eignen Gründerlohnes und der Abwendung jeder weiteren Verantwortlichkeit sich leiten lassen. Mit anderen Worten: die „Gründer“ – um mit diesem vagen Ausdruck bis auf weiteres die oben bezeichneten ersten Unternehmer zu treffen – werden nicht von der Überzeugung und der Absicht geleitet, einem bestehenden dauernden Verkehrsbedürfnis entgegenzukommen; ihnen dient vielmehr die Gründung nur als ein Mittel zur Realisierung des Gründergewinnes und geben sie das Unternehmen selbst, sobald dieser Zweck erreicht ist, je eher, je lieber preis. Daneben scheinen mir vorzugsweise die Formen und die Mittel und Wege, welche einer versteckten oder sonstigen missbräuchlichen Liquidierung des Gründerlohns benutzt werden, Aufmerksamkeit zu verdienen. (1) In ersterer Beziehung gestatte ich mir zunächst eine Abänderung des Art. 222 ADHGB zu empfehlen. Für den daselbst vorgesehenen regelmäßigen Fall, dass die Aktien auf Inhaber gestellt werden, verpflichtet der Art. 222 den Primitivzeichner nur in Höhe von 40% oder gar 25% des Nominalbetrages der Aktien dergestalt unbedingt, dass derselbe von der Verpflichtung weder durch Übertragung seines Anrechtes
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auf einen Dritten sich befreien, noch seitens der Gesellschaft entbunden werden kann, während im Übrigen dem Gesellschaftsvertrage die Bestimmung vorbehalten ist, dass nach Einzahlung 40 oder 25% der Zeichner von der Haftung für weitere Einzahlungen befreit werden und im Falle der eingetretenen Befreiung auch die bis dahin nicht gestattete Ausgabe von auf den Inhaber lautenden Promessen oder Interimsscheinen erfolgen darf. Die Statuten machen regelmäßig von diesem Vorbehalt Gebrauch und die dazu berufenen Gesellschaftsorgane unterlassen ebenso wenig die Befreiung, sobald sie zulässig ist, eintreten zu lassen. Diese nahe und sichere Aussicht auf eine über die Hälfte der übernommenen Verpflichtung hinausreichende Befreiung befördert auf das Bedenklichste die Leichtfertigkeit in der Gründung neuer Unternehmungen und insbesondere in der Zeichnung neu aufgelegter Aktien. Auch lehrt die Erfahrung, dass die Börse gerade an die leichte Ware dieser massenhaften, nicht voll gezahlten, sog. „liberierten“ Aktien bei hoch gegriffenen und nicht zur Verwendung gelangenden Grundkapitalien die ordentliche Agiotage anknüpft. Es steht zu erwarten, dass eine zunächst dem Umfange, indirekt aber auch der Zeit nach erweiterter Haftung der Primitivzeichner zu einer gründlicheren vorsichtigeren Prüfung nicht nur der Grundlagen und der Zukunft des Unternehmens, sondern auch der Solvenz und der Solidität der Zeichner Veranlassung geben wird. Allerdings ist der Vorschlag, - zumal unter den Handelskammern – bereits manchem Widerspruch begegnet. In den beteiligten Kreisen ist man wenig geneigt, oft auch nicht in der Lage, so weit aussehende, in Beziehung auf den Fälligkeitstermin unbestimmte Verbindlichkeiten einzugehen, wie sie die empfohlene Bestimmung in vielen Fällen mit sich bringen würde. Wird ferner, wie das in der Konsequenz des Vorschlages liegt, die Ausgabe von auf den Inhaber lautenden Promessen und Interimsscheinen verboten, so tritt eine Erschwerung der Übertragbarkeit hinzu, welcher der Verkehr ebenfalls nur unwillig sich fügen wird. Für durchgreifend erachte ich indes diese Bedenken gleichwohl ebenso wenig, wie den ferneren Einwand, dass der dem Inhaber im Falle der Nichteinzahlung der späteren Raten gegenwärtig drohende Verlust der geleisteten PartialZahlungen und der Anrechte aus der Zeichnung als eine mindestens ebenso wirksame Bürgschaft angesehen werden müsse, wie die Vollhaftung des ersten Zeichners, wenn man die Möglichkeit eines über diesem in der Zwischenzeit hereinbrechenden Vermögensverfalles mit in Anschlag bringe. Der letztere Einwand berührt überhaupt nicht die zunächst nur gegen leichtfertige Gründungen und Aktienunternehmungen gerichteten Intentionen meines Vorschlages. Von jenen beiden Verkehrserschwerungen aber wird die erste, zum Teil mittelst besonderer zwischen dem Zeichner und dessen Rechtsnachfolger zu vereinbarender Bedingungen der Übertragung abgewendet werden können und im Übrigen darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Prinzip der Vollhaftung des Primitivzeichners in mehreren auswärtigen Staaten bereits gesetzliche Anerkennung gefunden hat, ohne meines Wissens den Verkehr geschädigt zu haben. Es gilt dies insbesondere von Holland, England, Amerika und Belgien, während man allerdings in Frankreich (Ges. vom 23. Juni 1863 und vom 24. Juli 1867, Art. 3, 24) für geboten erachtet hat, jenes früher dort ebenfalls anerkannte Prinzip demnächst wieder aufzugeben, ohne indes dabei die Befreiung des ersten Zeichners in dem Umfange zuzulassen, welchen das ADHGB statuiert. Soweit, wie das letztere, ist hierin
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wohl überhaupt keine andere Gesetzgebung gegangen. Auch das preußische Gesetz vom 3.11.1838 (§ 2) enthielt engere Bestimmungen. In Frage könnte endlich kommen, ob nicht im Zusammenhange mit der befürworteten Änderung des Art. 222 auch für den im Art. 223 vorgesehenen Fall, dass die Aktien auf Namen lauten, abweichende Bestimmungen zu treffen sein werden. Meinerseits würde ich indes dies insofern nicht gerade für geboten erachten, als ein hinlänglicher Schutz schon in der Schlussbestimmung des Art. 223 zu liegen scheint, wonach der ausscheidende Aktionär noch ein Jahr lang in Höhe des Rückstandes subsidiarisch verhaftet bleibt. (2) Eine weit verbreitete und sehr beliebte Form, in welcher ein Teil des Gründergewinnes realisiert wird, besteht in dem in die Statuten aufgenommenen Vorbehalt, dass bei demnächst stattfindender Ausgabe neuer – sog. „junger“ – Aktien die ersten Zeichner einen beträchtlichen Teil, meistens die Hälfte, al pari vorweg zu übernehmen berechtigt sind – gleichwohl, ob sie alsdann noch die zuerst gezeichneten Aktien besitzen oder nicht. Zur Ausbeutung dieses Vorbehalts mittelst künstlich in die Höhe geschraubter Kurse werden demnächst, noch bevor die alten Aktien voll eingezahlt sind, weitere Emissionen herbeigeführt, über die in der Regel der leicht zugängliche und auch wohl selbst dabei interessierte Aufsichtsrat zu beschließen hat. Es ist immerhin denkbar, dass unter besonderen Umständen – wie z.B. wenn schon während der Bauzeit bei günstiger Lage des Marktes das Grundkapital als zu niedrig gegriffen sich erweist – ein solches Vorgehen berechtigt wäre. In der weit überwiegenden Mehrzahl aller Fälle wird jedoch der richtigere, den wahren Interessen des Geschäftsbetriebes entsprechende Weg jedenfalls der sein, dass zunächst die noch auf die erstgezeichneten Aktien rückständigen Einzahlungen eingefordert würden. Vor allem aber gilt es, der an jene Vorbehalte und die vorzeitigen weiteren Emissionen sich anknüpfenden maßlosen Agiotage entgegenzutreten, und die Bedeutung dieses Zieles gestattet, jene seltenen Ausnahmefälle überhaupt unberücksichtigt zu lassen. In Übereinstimmung mit fast allen Organen des Handelsstandes empfehle ich demnach, fortan allgemein weder eine Erhöhung des Grundkapitals mittelst Ausgabe „junger Aktien“ vor Vollzahlung des gesamten Betrages der früher ausgegebenen Aktien, noch die erwähnten Vorbehalte zugunsten der Primitivaktienzeichner zuzulassen. Einer etwaigen Beschränkung auf das erstere Verbot möchte die Erwägung entgegenstehen, dass auch eine Umgehung mittelst zu niedriger Fixierung des ersten Grundkapitals vorgebeugt werden muss. Im Übrigen bin ich davon ausgegangen, dass die gedachten Vorbehalte, insoweit daran gleichzeitig alle ersten Zeichner partizipieren, nicht zu denjenigen „zugunsten eines Aktionärs“ bedungenen besonderen Vorteilen gehören, gegen welche Art. 209 b ADHGB gerichtet ist. Doch besteht in dieser Beziehung allerdings Meinungsverschiedenheit ([Hugo] Keyssner, Die Aktiengesellschaften [Berlin 1873], S. 157, 205; [Wilhelm] Auerbach, Das Aktienwesen [Frankfurt a. M., 1869/73], S. 92; Hartmann, Centralorgan für Handelsrecht, Bd. VIII, S. 1 ff.). Endlich behalte ich die Frage, ob nicht zur Beschlussnahme über neue Emissionen ausschließlich die Generalversammlung zu berufen sein möchte, späterer Erörterung vor. Zu 1 und 2: Sowohl in Beziehung auf die Einführung der Vollzahlung des Primitivzeichners, wie in Beziehung auf die Beschränkung in Emission junger Aktien treffen die vorstehenden Ausführungen, wie auch schon mehrere Handelskammern
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geltend gemacht haben, bei Versicherungsgesellschaften nicht überall zu. Der Grund liegt darin, dass bei Unternehmungen dieser Art regelmäßig nur ein Teil des Grundkapitals dem eigentlichen Betriebe, der Rest dagegen, welcher gegen Wechsel ausstehend bleibt, Garantiezwecken dient (Goldschmidt, ZHR, Bd. XV, S. 352; Schriften des Vereins für Sozialpolitik I, S. 34). Der Gegenstand berührt zunächst das Ressort des Herrn Ministers des Innern. Insoweit auch mein Ressort beteiligt ist, würde ich es für zweckmäßig, zugleich aber auch für ausreichend halten, in Beziehung auf die unter 2. empfohlene Beschränkung eine Ausnahme zugunsten der Versicherungsgesellschaften eintreten zu lassen. Ohnehin ist die erste Frage für Unternehmungen dieser Art insofern überhaupt von geringerer Bedeutung, als bei denselben die Aktien gewöhnlich auf Namen lauten (Goldschmidt, aaO.). Auch sind auf dem Gebiete des Versicherungswesens meines Wissens nur verhältnismäßig selten größere Exzesse in Gründungen vorgekommen. (3) Für diejenigen Unternehmungen, bei welchen die Gründer darauf angewiesen sind, den beabsichtigten Gewinn, wenn nicht ausschließlich, doch zunächst und vorzugsweise mittelst Ausbringung der Aktien über pari zu realisieren, habe ich weitere gegen Missbrauch und Ausschreitungen bei Gründungen gerichtete Vorschläge nicht zu machen. Einen über jene Grenze erheblich hinausgehenden Emissionskurs zu bewilligen, ist das Publikum im Allgemeinen wenig geneigt. Vor allem aber – und das dürfte entscheidend sein – liegt in der Bestimmung eines solchen Kurses die Nötigung, mit dem Verlangen des Gründergewinnes und mit dem projektierten Umfange desselben von vornherein unumwunden hervorzutreten. Will das Publikum mit dem vollen Bewusstsein von der ihm zugunsten der Gründer angesonnenen Leistung dennoch auf die Offerte eingehen, so hat die Gesetzgebung so wenig die Macht wie den Beruf, dem zu wehren. Auf weitere Mittel der Abwehr scheint mir erst für diejenigen Fälle Bedacht genommen werden zu müssen, wenn: –– entweder nicht in barem Gelde bestehende, auf das Grundkapital anzurechnende Einlagen – sog. Apports – von einem Aktionär gemacht werden – –– oder Anlagen oder sonstige Vermögensstücke von der zu errichtenden Gesellschaft übernommen werden sollen – –– oder zugunsten eines Aktionärs ein besonderer Vorteil bedungen wird. (ADHGB Art. 209 b). Die größere Gefahr liegt hier meines Dafürhaltens darin, dass diese besonderen Stipulationen die mannigfaltigste Gelegenheit bieten, den Gründergewinn – in des Wortes weitester Bedeutung – bis in das Unangemessene zu steigern und zugleich dem Publikum gegenüber zu verschleiern. Erfahrungsmäßig knüpfen sich denn auch erst an diese Fälle, welche ich als die der „qualifizierten“ Gründung bezeichnen möchte, die weitaus gefährlichsten Operationen der Gründer. Einer speziellen Darlegung derselben wird es nicht bedürfen. Notorisch sind, um nur einige der nächstliegende Fälle als illustrierende Beispiele zu erwähnen, die maßlosen Übertreibungen, welche das Publikum von Seiten der Gründer bei der Anwendung besonderer Einzelunternehmungen – besonders Fabriken – in die Form der Aktiengesellschaft erfahren hat, nicht minder notorisch die bis zu dem Doppelten und Dreifachen des Warenwertes künst-
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lich hinaufgeschraubten Summen, zu welchen besonders Grundstücke von Bau- und anderen Aktiengesellschaften zum unabwendbaren Ruin der Aktionäre übernommen oder in Anrechnung auf das Grundkapital eingebracht sind. Es wäre ungerecht, für diese Vorgänge, in denen ich einen gleich schweren Missstand in wirtschaftlicher, wie in sozialer Bedeutung erblicke, allein die Gründer verantwortlich machen zu wollen. Das Publikum kam ihnen auf halbem Wege entgegen und die Motive waren auf seiner Seite sichtlich kaum minder verwerflich, wie auf Seiten der Gründer. Die Gesetzgebung kann indes direkt nur den letzteren, von welchen als Offerenten die Initiative ausging, entgegentreten – und zwar wird die Aufgabe darin zu bestehen haben, dass dem Publikum möglichst umfassende, sichere und rechtzeitige Gelegenheit gegeben wird, die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens, vor allem den gesamten wirklichen Inhalt jener besonderen Stipulationen – einschließlich der den Gründergewinn betreffenden Bedingungen – kennen zu lernen, und über den wahren Wert der Proposition sich schlüssig zu machen. Zu dem Ende kommt es zunächst darauf an, aus dem schwankenden vieldeutigen Begriffe des „Gründers“ (Preuß. Entwurf eines HGB, Art. 181; Lutz, Prot. 316, S. 1034 ff.) einen greifbaren, verantwortlichen Faktor zu gestalten. Ein solches Beginnen wäre freilich wohl ein überhaupt vergebliches, wenn man auf einer förmlichen Definition bestehen wollte, wodurch unter allen Umständen diejenigen Personen und nur diejenigen zu treffen wären, welche gewissermaßen die Seele des Unternehmens bilden und moralisch vor allen anderen Teilnehmern verantwortlich gemacht werden müssten. Wenn dies, wie ich annehme, gegenüber den unendlich mannigfaltigen Gestaltungen der einzelnen Fälle doch nicht und auch nicht einmal für die Mehrzahl derselben mit Sicherheit erreichbar ist, so erscheint es mir richtiger, hierauf von vornherein ganz zu verzichten und lediglich den Interessenten die Bestimmung darüber zu überlassen, welche Teilnehmer als Gründer zu gelten und für die Erfüllung der mit dieser Stellung verbundenen Pflichten aufzukommen haben. a) Demgemäß wäre etwa zu bestimmen, dass in den Fällen der qualifizierten Gründung (ADHGB Art. 209 b) der Gesellschaftsvertrag von mindestens 7 Personen, welche als „Gründer“ im Sinne des Gesetzes zu gelten hätten, geschlossen werden müsste, dass übrigens zwar auch eine Beteiligung mehrerer Kontrahenten zulässig sei, dann aber alle übereinstimmend sieben aus ihrer Mitte zu bezeichnen hätten, welchen damit die Verantwortlichkeit der Gründer zufällt. Freilich liegt hierbei der Einwand nahe, dass eine solche von den Interessenten selbst ausgehende Bestimmung regelmäßig nur vorgeschobene Persönlichkeiten treffen werde, welche dem Unternehmen mehr oder minder fern ständen und weder moralische, noch finanzielle Garantien von einigem Werte böten. Ich teile indes diese Besorgnis nicht, wenn daneben, worauf ich später zurückkomme, bestimmt wird, dass jene 7 „Gründer“ unter ihrem Namen das Unternehmen in die Öffentlichkeit einzuführen haben. Träten hierbei ausschließlich völlig unbekannte oder gar Persönlichkeiten von zweifelhaftem Rufe hervor, so wäre damit dem Unternehmen von vornherein eine Signatur aufgeprägt, welcher die wirklichen Interessenten dasselbe auszusetzen schwerlich geneigt sein würden. Im Übrigen bemerke ich zu der empfohlenen Bestimmung nur noch, dass es an sich weder notwendig, noch zweckmäßig sein dürfte, unter allen Umständen nur sie-
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ben Personen an dem Vertragsabschluss teilnehmen zu lassen. Ich würde aber auch bei einer stärkeren Beteiligung einer Beschränkung der Haftung auf sieben der Kontrahenten den Vorzug geben vor einer Haftung aller, indem ich davon ausgehe, dass ersteren Falles das Bewusstsein der Verantwortlichkeit in jedem Einzelnen sich wirksamer erweisen wird, als bei einer gleichmäßigen Verteilung über sämtliche Glieder eines größeren Kreises. Nachdem hiermit die Grundlage für alle weiteren gegen die qualifizierten Gründungen meines Erachtens zu richtenden Bestimmungen gewonnen ist, fasse ich diese, selbst in ihren allgemeinen Umrissen, wie folgt zusammen: b) Alle für die Beurteilung der Grundlagen, des Vermögensstandes und der Gewinnaussichten des Unternehmens wesentlichen Vereinbarungen, alle für etwaige Wertangaben maßgebenden tatsächlichen Unterlagen und alle direkt oder indirekt für Rechnung des Unternehmens irgend einem Beteiligten zugestandenen Leistungen, insoweit sie auf Apports, Übernahme von Vermögensstücken oder Bevorzugung einzelner Aktionäre sich beziehen oder hiermit im Zusammenhange stehen, sind dreimal in Intervallen von etwa je 8 Tagen unter der Namensunterschrift sämtlicher Gründer durch diejenigen öffentlichen Blätter bekannt zu machen, welche in dem Gerichtsbezirke des demnächstigen Gesellschaftssitzes zu den im Art. 13 ADHGB vorgeschriebenen Bekanntmachungen benützt werden. c) Bevor dies geschehen, darf weder von irgendeiner anderen Seite eine Aufforderung zur Beteiligung bei dem Unternehmen an das Publikum gerichtet, noch die im Abs. 2 des Art. 209 b vorgeschriebene Generalversammlung abgehalten, noch der Gesellschaftsvertrag in das Handelsregister eingetragen werden. Auch haben alle späteren öffentlichen Aufforderungen zur Beteiligung an dem Unternehmen, sowie die Einladungen zu jener Generalversammlung diejenigen öffentlichen Blätter speziell zu bezeichnen, welche den obligatorischen Prospekt (b) enthalten. d) In den gemäß Art. 210 ADHGB zu veröffentlichenden Auszug aus dem Gesellschaftsvertrage ist zugleich der in letzterem angegebene Wert der Apports und der zu übernehmenden Vermögensstücke, sowie die Zahl der Aktien und der Preis, welche für dieselben gewährt werden, desgleichen jeder zugunsten eines Aktionärs bedungene besondere Vorteil aufzunehmen. e) Ein gleichartiger Prospekt (b) hat unter der Namensunterschrift und Verantwortlichkeit sämtlicher Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats zu ergehen, wenn binnen Jahresfrist nach der Eintragung des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister Vermögensstücke übernommen werden sollen. f) Die Unterzeichner der obligatorischen Prospekte haften für die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zivil- und kriminalrechtlich. Über etwaige Schadensersatzansprüche entscheidet der Richter nach freiem Ermessen. Eine Entlassung von der Haftung für dieselben findet vor Ablauf von etwa drei Jahren nicht statt. g) Endlich wäre eine Strafbestimmung auch gegen diejenigen außerhalb der vorgeschriebenen Prospekte ergehenden öffentlichen Aufforderungen zur Beteiligung bei Aktienunternehmungen zu richten, welche entweder vor dem Prospekt erlassen oder verbreitet werden (c) oder mittelst Vorspiegelung falscher oder Unterdrückung wah-
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rer Tatsachen irrtümliche Vorstellungen über die Grundlagen, den Vermögensstand und die Gewinnaussichten des Unternehmens zu erregen oder zu unterlassen geeignet sind. Ich verhehle mir nicht, dass die weitere Ausführung und Formulierung der hier nur kurz skizzierten Bestimmungen noch erhebliche Schwierigkeiten bieten und manchen Zweifel hervorrufen wird. Gleichwohl glaube ich für jetzt auf Vorstehendes mich beschränken und die Lösung der etwa offen gelassenen Fragen den weiteren Stadien der Beratung vorbehalten zu dürfen. 4. Im Anschluss an die korrespondierenden Bestimmungen des zur Zeit in der Vorbereitung begriffenen preußischen Gesetz-Entwurfes über die Anlage von Eisenbahnen muss ich an dieser Stelle endlich noch befürworten, das Kgl. Staatsministerium wolle für Unternehmungen dieser Art die Aufnahme einer Bestimmung des Inhalts in Anregung bringen und empfehlen: dass die Statuten und die Nachträge zu denselben, insoweit landesgesetzlich, vor Erteilung der Konzession oder vor Aushändigung der Konzessionsurkunde einem Verwaltungsorgane durch Vorlegung der Zwischenscheine die erfolgte Zeichnung des Grundkapitals nachzuweisen ist, in das Handelsregister erst eingetragen werden dürfen, nachdem dieselben Scheine nebst einem Zeugnis jenes Organes darüber, dass aufgrund ihrer das Anlagekapital als nachgewiesen angenommen sei, dem Richter vorgelegt sind. Die Bestimmung soll verhüten, dass der Verwaltungs-„Behörde“ etwa andere, als die demnächst dem Richter zu unterbreitenden, durch die Strafbestimmung des Art. 249 ADHGB getroffenen Angaben über die Zeichnung des Grundkapitals gemacht werden oder wohl gar die Eintragung in das Handelsregister erfolgt, bevor die Verwaltungsbehörde über den ihr zu führenden Nachweis befunden hat. – Ebenso würde zu bestimmen sein, dass, wenn landesgesetzlich den Verwaltungsbehörden behufs Konzessionierung eines Eisenbahnunternehmens der Prospekt desselben vorgelegt werden muss, letzterer von Eintragung der Gesellschaft in die Handelsregister durch die Konzessionsbewerber zu veröffentlichen ist, welche ihrerseits für die Richtigkeit des Prospectus kriminal- und zivilrechtlich haften. Die Zahl der mir unterbreiteten oder anderweit bekannt gewordenen, an sich allenfalls annehmbaren Vorschläge, welche gegen das Gründungsunwesen gerichtet sind, ist hiermit noch bei weitem nicht erschöpft. Meinerseits würde ich indes die vorstehend befürworteten Bestimmungen wenigstens zur Zeit für ausreichend erachten und gestatte ich mir nur noch zwei Punkte zu berühren, ohne übrigens an dieselben weitere Vorschläge zu knüpfen. (5) Der erste betrifft die Ausgabe von Aktien unter pari. Die Meinungen hierüber stehen einander ziemlich schroff gegenüber. Ich will auf das Für und Wider nicht näher eingehen, vielmehr nur im Allgemeinen erklären, dass meinerseits dem im bestehenden Rechte begründeten Verbote nicht entgegengetreten werden soll. Anzuerkennen ist freilich, dass dieses Verbot den Gesellschaften kaum zu überwindende Schwierigkeiten wenigstens in dem Falle bereiten muss, wenn bei niedrigem Kursstande der alten Aktien mit einer weiteren Emission vorgegangen werden soll. Der Regel nach wird dies geradezu unausführbar sein, sofern nicht die jungen Aktien etwa in der Form von Stammprioritäten ausgegeben werden. Andernfalls würde nur übrig bleiben, die
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zur Fortsetzung des Unternehmens erforderlichen Mittel im Wege einer Anleihe zu beschaffen. Bezüglich der Eisenbahngesellschaften verweise ich auf den Bericht der Eisenbahn-Untersuchungskommission Nr. 2, 3, 4, S. 191 (Nr. 11 der Drucksachen des Hauses der Abgeordneten). (6) Sodann hatte ich schon in dem eingangs erwähnten Erlasse vom 28.5. c. die Frage angeregt, ob etwa die Richtigkeit der im Art. 210 a ADHGB vorgeschriebenen Bescheinigungen, insbesondere derjenigen über die erfolgte Vollzeichnung des Grundkapitals, durch noch andere als die in Art. 249 enthaltenen Bestimmungen gegen Schein- oder Nebenverträge und andere Umgehungen sicherzustellen sein möchten. Die Frage ist bald bejaht, bald verneint. Meinerseits würde ich es nicht für geboten erachten, über die bestehenden Bestimmungen hinauszugehen. Allerdings aber setze ich dabei voraus, dass die Gegenreverse, mittelst welcher die formale Aktienzeichnung zuweilen als ein bloßer Scheinakt anerkannt und den Zeichnern die materielle Unverbindlichkeit der durch ihre Unterschrift eingegangenen Verpflichtung bezeugt wird, der Gesellschaft und den Gläubigern gegenüber rechtlich unwirksam sind. Die Praxis des Reichsoberhandelsgerichts dürfte mir hierin zur Seite stehen (Goldschmidt und Behrend in den „Schriften des Vereins für Socialpolitik“, I, S. 30, 56). II. Die Anfrage des Reichskanzleramts bezieht sich, nachdem darin der die Gründung betreffenden Übelstände gedacht ist, ferner auf die Verwaltung von Aktienunternehmungen. Zunächst kommt hierbei die Zulässigkeit der Bestimmungen über die innere Organisation in Frage. Im Allgemeinen halte ich dafür, dass der aus dem Vorstande, dem Aufsichtsrat und der Generalversammlung sich zusammensetzende Organismus zweckmäßig angelegt und dass an demselben bis auf weiteres festzuhalten ist. Insbesondere würde es nicht unbedenklich sein, dem u.a. von dem (Eisenacher) Verein für Sozialpolitik und auch der Eisenbahnuntersuchungskommission ausgegangenen Vorschlage, dass die Bestellung eines außerhalb jeder Beziehung zur laufenden Verwaltung stehenden Kontrolloder Revisionsorganes vorgeschrieben werden möge, Folge zu geben. Eine etwaige Einführung in den bestehenden Organismus scheint, wenn dieser nicht mehr oder minder untergraben oder doch in einzelnen Teilen lahm gelegt werden soll, nicht wohl tunlich. Sollen aber die empfohlenen Revisoren oder eine Revisionskommission etwa an die Stelle des Aufsichtsrates treten, so reduziert sich die hiermit angeregte Frage darauf, ob und nach welchen Richtungen hier die Einrichtung des letzteren umzugestalten sein möchte und diese Frage, auf die ich demnächst noch zurückkomme, verdient allerdings in weitere Erwägung genommen zu werden. Nur scheint darauf verzichtet werden zu müssen, den Aufsichtsrat in der Art umzugestalten oder auch ein neues Kontrollorgan mit der Beschränkung ins Leben zu rufen, dass demselben jede Beziehung zur laufenden Verwaltung versagt wird. Dies dürfte nicht wohl durchführbar sein, einmal, weil in Beziehung auf jene Verwaltung dem zu derselben zunächst berufenen Vorstande mit Rücksicht auf die Schwerfälligkeit der Aktion der Generalversammlung nicht die letztere allein ohne jede Zwischenschaltung gegenübergestellt sein darf, sodann aber auch, weil bei größeren Unternehmungen und komplizierten Verwaltungen eine vollkommen erschöpfende und zuverlässige Revi-
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sion kaum möglich sein möchte, ohne dass der Revisor mehr oder minder bleibende Fühlung mit der Verwaltung behält. Im Übrigen unterliegt es meines Dafürhaltens keinem Zweifel, dass die Missstände, über welche das Reichskanzleramt Auskunft verlangt, auch in der Verwaltung hervorgetreten sind, - und dass in einem Umfange, welcher auch hier alsbald auf Abhilfe bedacht zu nehmen nötigt. Dabei kann indes das Organisationssystem des HGB im Wesentlichen unberührt bleiben und wird nur darauf hinzuwirken sein, dass jedes einzelne Organ den Intentionen des Gesetzes gemäß auch faktisch funktioniert, vor allem eines Hinausgehens über die ihm angewiesenen Grenzen seiner Aufgabe und eines Übergriffes in die Funktionsgebiete der übrigen Organe sich enthält. Die hiermit bereits angedeuteten Vorwürfe treffen in erster Reihe den Aufsichtsrat. Sein Beruf besteht gesetzlich in der Überwachung der Geschäftsführung. Tatsächlich aber gestaltet sich das Verhältnis meist dahin, dass entweder die Mitglieder eine über den Bezug der Tantieme hinausgehende Tätigkeit überhaupt kaum entwickeln oder der Aufsichtsrat sowohl dem Vorstande wie der Generalversammlung gegenüber soweit übergreift, dass in seinen Händen der Schwerpunkt der gesamten Leitung des Unternehmens liegt und damit eine der Verwaltung selbständig und unbefangen gegenüberstehende Kontrolle überhaupt aufhört. 5. Nach der einen wie nach der anderen Richtung hin verspreche ich mir einen günstigen Erfolg zunächst von einer Verschärfung derjenigen Bestimmungen, welche die zivilrechtliche Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrats regeln – und sei es auch nur, indem in diesen dadurch das Bewusstsein der Verantwortlichkeit geweckt und gestärkt wird. Ohnehin dürfte der gegenwärtige Umfang jener Haftung nicht hinlänglich klargestellt sein. Das ADHGB (Art. 225 b) statuiert für die Mitglieder des Aufsichtsrats eine persönliche und solidarische Haftung nicht mittelst Aufstellung eines allgemeinen Grundsatzes, wie solcher den Mitgliedern des Vorstandes gegenüber wenigstens an die Spitze der dann folgenden Spezialbestimmungen gestellt ist (Art. 241, 248), sondern lediglich in drei speziellen Fällen und auch in diesen nur unter der Voraussetzung, dass mit Wissen und ohne Einschreiten der Mitglieder gegen die bezüglichen Bestimmungen gehandelt wird. Wie sich hierzu die allgemeinen Rechtsgrundsätze von der Haftung des Mandatars verhalten, ist zweifelhaft und bestritten (Schriften des Vereins für Socialpolitik I, S. 35, 88; [Achilles] Renaud, Das Recht der Aktiengesellschaften [Leipzig 1863], S. 357; [Alwin] Strey, Handelsgesellschaftsrecht [Berlin 1873], S. 253 ff.; [Wilhelm] Auerbach, aaO., S. 297 ff.). Abgesehen aber auch hiervon ist es meines Erachtens selbst für jene speziellen Fälle nicht gerechtfertigt, die Mitglieder des Aufsichtsrats nur da haften zu lassen, wo sie wissentlich eine Gesetzesverletzung zulassen. Die Pflicht zur Überwachung bietet strengere Anforderungen auch gegenüber dem Einzelnen. Ich empfehle demnach eine allgemeine Bestimmung des Inhalts, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft gegenüber wegen jeder selbst kulposen Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten persönlich und solidarisch mit der Maßgabe haften, dass der Richter auch hier nach freiem Ermessen über etwaige Schadensersatzansprüche zu entscheiden hat. Letzteres würde dann allerdings auch für Ansprüche gegen die Mitglieder des Vorstandes zu bestimmen sein.
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6. Was die strafrechtliche Haftung anlangt, so regelt sich dieselbe zur Zeit für die Mitglieder des Aufsichtsrats nach Art. 249, für die des Vorstandes nach eben diesem und dem folgenden Art. des ADHGB. Auch diese Bestimmungen scheinen mir nicht weit genug zu gehen. Sie werden auszudehnen sein auf alle Fälle einer das öffentliche Interesse berührenden Gesetzesverletzung. Für jetzt will ich nur beispielsweise an das Verbot des Erwerbes und der Amortisation eigener Aktien erinnern (ADHGB Art. 215). Dasselbe wird zur Zeit als eine lex imperfecta angesehen werden müssen ([Hugo] Keyssner, aaO., S. 227; [Wilhelm] Endemann, Das Bundesgesetz vom 11.6.1870 [Berlin 1870], S. 41). 7. Eine allgemein erweiterte Verantwortlichkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats kann indes in Beziehung auf die oben als besonders wünschenswert bezeichnete schärfere Trennung zwischen Verwaltung und Kontrolle nur indirekt und unvollkommen wirken. Andererseits tragen die etwa unmittelbar hierauf sich richtenden Mittel mehr oder minder sämtlich zugleich die Gefahr in sich, dass sie zu dem entgegengesetzten Extreme führen, dass nämlich der Aufsichtsrat alsdann nur da aufhört, in die Verwaltung sich zu immiszieren, wo ausnahmsweise sein Eingreifen in dieselbe nicht ohne Schädigung der Gesellschaftsinteressen unterbleiben dürfte. Nur eines möchte unbedingt und ohne diese Gefahr untersagt werden können und müssen – das ist: die Delegation von Aufsichtsratsmitgliedern in den Vorstand. Es kommt vor, dass auf diesem Wege der Vorstand als selbständiges Organ geradezu verschwindet und der Aufsichtsrat schließlich nur noch seine eigene Verwaltung „überwacht“, dass – mit anderen Worten – der „Aufsichtsrat“ allen Intentionen und der ganzen Anlage des Gesetzes zuwider, sich zu einem förmlichen „Verwaltungsrat“ gestaltet. 8. Es gilt ferner, die Stellung des Aufsichtsrats auch gegenüber der Generalversammlung tunlichst an die vom Gesetze beabsichtigten Grenzen zu binden. Dies führt zu einer Frage, an die sich mehr fast, als an alle anderen dieser Materie Unzuträglichkeiten und Ausschreitungen der schwersten Art anknüpfen, ohne dass der Gesetzgebung die Möglichkeit gegeben oder auch nur der Beruf zuzuerkennen wäre, mit entschiedenen durchgreifenden Mitteln der Abhilfe einzuschreiten. Ich meine die Unfähigkeit und Bedeutungslosigkeit der Generalversammlungen. Der Grund des Übels liegt vorzugsweise in der maßlosen unüberwindlichen Indolenz der Aktionäre, deren Mehrzahl in der Aktie nur eine Anweisung auf mühelosen Bezug der entfallenden Dividende erblickt und im Übrigen – bewusst oder unbewusst – von jedem eigenen Zutun, von aller und jeder aktiven Teilnahme an dem Schicksale des gemeinschaftlichen Unternehmens sich fernhält. Selbst insoweit der Gesetzgebung hiergegen aufzukommen möglich ist, wird dennoch nur ein äußerst vorsichtiger und sparsamer Gebrauch von den sich darbietenden Mitteln gemacht werden dürfen. Es könnten andernfalls die Aktionäre nur zu leicht in jener stumpfen Sorglosigkeit, in der blinden Überschätzung des ihnen durch das Gesetz zugedachten und gesicherten Schutzes noch bestärkt werden, während gerade nach Einführung des Systems der Normativbestimmungen, soweit irgend möglich, das Bewusstsein geweckt und gehoben werden muss, dass der Aktionär, wie jeder andere Teilnehmer an einem Handelsgeschäft, seine Interessen zunächst selbst wahrzunehmen hat.
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Von einigem Erfolge nach dieser Richtung hin wird vielleicht auch dasjenige Mittel begleitet sein, durch welches ich allerdings zunächst nur den Aufsichtsrat in seinen Beziehungen zur Generalversammlung auf die in seinen gesetzlichen Funktionen begründeten Schranken zurückzuweisen beabsichtige. Das Mittel besteht in einer Bestimmung des Inhalts, dass die naturgemäß der Generalversammlung gebührende Entscheidung in gewissen, für die finanziellen Schicksale des Unternehmens besonders wichtigen Fragen unter allen Umständen in den Händen dieses Organes zu belassen ist und weder durch Statut, noch durch besonderen Beschluss dem Aufsichtsrat übertragen werden darf. Zu solchen Fragen rechne ich vor allem die Erhöhung des Grundkapitals, die Bestimmung des dabei einzuhaltenden Emissionskurses und die Aufnahme von Anleihen, in zweiter Linie etwa noch die Dispositionen über den Reservefonds und die Fixierung der den Vorstandsmitgliedern und den Gesellschaftsbeamten zuzubilligenden Tantiemen. Wegen der Eisenbahngesellschaften verweise ich auf den Bericht der Eisenbahnuntersuchungskommission, insbesondere S. 192 IV, Nr. 8. 9. Im Übrigen wird, wenn die obigen Andeutungen über den eigentlichen Sitz des Übels Zustimmung finden sollten, nur Weniges getan werden können, um die Stellung der Generalversammlung – abgesehen von den speziellen Beziehungen zum Aufsichtsrat – zu heben und überhaupt diesem Organe zu der ihm gebührenden Geltung zu verhelfen. Durch die meinerseits vorzuschlagenden Bestimmungen soll hauptsächlich nur dahin Vorkehrung getroffen werden, dass der in der Generalversammlung vertretene Mehrheitswille nicht gefälscht, dass er ferner ausreichend formell konstatiert und endlich für alle Beteiligten jederzeit leicht erkennbar gemacht werde. Die beiden letzteren Punkte hängen zum Teil mit denjenigen Vorschlägen zusammen, welche demnächst in Beziehung auf die Erweiterung der Individualrechte der Aktionäre gemacht werden sollen. Besonders von diesen Gesichtspunkten scheint es mir wünschenswert, dass die Beurkundung der Beschlüsse der Generalversammlung in gerichtlicher oder notarieller Form erfolge und die Veröffentlichung der Protokolle – sei es auch nur mittelst Niederlegung derselben bei dem Handelsrichter und Zulassung der Einsicht seitens jedes Beteiligten – als Regel vorgeschrieben werde. Gegen die Fälschung des Mehrheitswillens aber empfehle ich nach den Vorgängen des neuesten belgischen (Art. 131) und des französischen Gesetzes von 1867 (Art. 13, 45) den Erlass einer Strafbestimmung gegen diejenigen, welche in den Generalversammlungen als Eigentümer von Aktien, die ihnen nicht gehören, auftreten oder ihre eigenen Aktien zu diesem Zwecke anderen überlassen, obschon bei Einführung der für die Generalversammlungsprotokolle empfohlenen Form schon die §§ 271, 272 StGB im Wesentlichen zu demselben Ergebnisse führen möchten. Die Strafe, wie Wiener (Schriften des Vereins pp. I, S. 24) im Anschluss an das französische Gesetz vorschlägt, nur in dem Falle eintreten zu lassen, wenn jene Stimmen den Ausschlag geben, halte ich nicht für zweckmäßig oder ausreichend. Dass übrigens der in solcher Art zustande gekommene Generalversammlungsbeschluss zivilrechtlich unverbindlich ist, dürfte schon in dem bestehenden Rechte begründet sein (Keyssner, aaO., S. 192; Renaud, aaO., S. 417).
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Die erfahrungsmäßig sehr häufigen und weitgehenden Missbräuche, welche mittelst Vorschiebung von fingierten Aktionären und ähnlicher Umgehungen getrieben werden, haben noch eine große Anzahl anderer dagegen gerichteter Vorschläge hervorgerufen, die ich bei der Bedeutung des Gegenstandes wenigstens nicht unerwähnt lassen darf. Die Mehrzahl will indirekt durch anderweite Vorschriften entweder über die Bedingungen der Ausübung des Stimmrechts oder über die Zahl der den einzelnen Aktionären einzuräumenden Stimmen dem Übel gesteuert wissen. Bei näherer Erwägung habe ich indes keinen dieser Vorschläge annehmbar befunden (vgl. auch S. 192 IV Nr. 10 des Berichtes der Eisenbahnuntersuchungskommission). 10. Endlich gebe ich noch anheim, für eine Bestimmung des Inhalts sich auszusprechen, dass etwa 14 Tage vor der ordentlichen Generalversammlung jedem Aktionär – wenn auch nur auf Verlangen – die Inventur und die Bilanz nebst etwaigem Revisionsbericht zugänglich gemacht werden müssen (Franz. Gesetz von 1867, Art. 35). Erfolgt die Mitteilung dieser Vorlagen erst in der Generalversammlung selbst, so ist es in den seltensten Fällen den Aktionären möglich, daraus alsbald die Grundlagen für ein sicheres Urteil zu gewinnen. Diesem Mangel an Information und an Gelegenheit dazu wird umso mehr vorgebeugt werden müssen, als denselben die übrigen Gesellschaftsorgane nur zu oft zur Geltendmachung ihrer Sonderinteressen auf Kosten der Gesamtheit ausbeuten. Nur erwähnt sei schließlich noch ein auf die Zusammenberufung der Generalversammlung bezüglicher Vorschlag – dahin gehend, dass diese Berufung dem Richter übertragen werden möge für den Fall, dass die zunächst dazu berechtigten und verpflichteten Gesellschaftsorgane einen bezüglichen gesetz- oder statutmäßigen Antrage überhaupt nicht oder nicht rechtzeitig Folge geben. Die bestehende Gesetzgebung dürfte allerdings kein Mittel bieten, einen widerwilligen Vorstand oder Aufsichtsrat zur ordnungsmäßigen und rechtzeitigen Einberufung einer Generalversammlung anzuhalten. Es ist mir indes nicht bekannt geworden, dass in der Praxis – zumal seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 1.11.1870 – hieraus Inkonvenienzen erwachsen wären und scheint mir der gegenwärtige Anlass zur Ausübung der Lücke nicht gerade geeignet. III. Der letzte Gegenstand, über welchen ich mich zu äußern habe, betrifft die Individualrechte der Aktionäre. Das ADHGB gewährt in dieser Beziehung nur ein Minimum und die Rechtsprechung geht in Übereinstimmung mit der Theorie, obschon die Meinungen geteilt sind, doch im Allgemeinen nicht erheblich weiter zugunsten der einzelnen Aktionäre (Goldschmidt, Zeitschrift für Handelsrecht, Bd. XII, S. 1, Bd. XVII, S. 473; Auerbach, aaO., S. 220 ff.). Dieser Standpunkt ist auch an sich als eine logische Konsequenz der Struktur des Aktienvereins anzuerkennen. Die Beschränkung der Individualrechte bildet das natürliche Korrelat der Beschränktheit der Haftung. Auch mahnt bei demnach in Frage kommender Erweiterung eine praktische Erwägung mindestens zur Vorsicht, insofern als die Aussicht des Einzelnen auf eine schließliche Geltendmachung seiner Sonderrechte leicht zu fernerer Abschwächung der ohnehin viel zu geringen Neigung, den in erster Reihe sich darbietenden Weg einer Anrufung der Generalversammlung zu betreten, führen könnte.
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Dem ungeachtet glaube ich, nach einigen Richtungen hin eine Erweiterung der Individualrechte befürworten zu müssen. Der innere Grund der Beschränkung scheint nämlich da aufzuhören und muss folgeweise auch die Beschränktheit selbst ihre Grenzen finden, wo die Gemeinschaft nur als Mittel zu einem materiellen Eingriff in solche Rechte des Einzelnen benutzt wird, welche das Band der Gemeinschaft überhaupt nicht berührt und umfasst. 11. Von diesem Gesichtspunkte aus möchte ich den einzelnen Aktionären das Recht zugestanden wissen, in allen Fällen der Verletzung gesetzlicher oder statutarischer Bestimmungen Ersatzansprüche wegen des ihnen aus vertretbarer Verschuldung der Gesellschaftsorgane erwachsenen Schaden gegen diese – wenn auch erst nach vergeblich erfolgter Anrufung der Generalversammlung – selbständig geltend zu machen. 12. Zur Ausgleichung zwischen dem formalen Gesichtspunkt der Personeneinheit und der Rücksicht auf das materielle Interesse des Einzelnen erachte ich es ferner für zulässig und wünschenswert, dass auch für diejenigen Fälle, in denen eine Verletzung des Gesetzes oder Statutes zwar noch nicht positiv behauptet werden kann, doch aber nach Lage der Umstände als wahrscheinlich anzunehmen ist, ein Individualrecht auf nähere Feststellung des Tatbestandes statuiert werde. Ähnliche Bestimmungen finden sich bereits in mehreren ausländischen Gesetzgebungen – u.a. in der englischen (Comp. Act von 1862, Sect. 56 ff.) und in der belgischen (Ges. vom 18.5. c. Art. 124). Im Anschluss an diese Vorgänge würde das Verfahren etwa in der Art zu regeln sein, dass der Antrag von einem 1/5 des Grundkapitals vertretenden Teile der Aktionäre zu stellen und durch nähere Angabe eventl. auch Bescheinigung derjenigen Tatsachen, auf welcher die Annahme der Verletzung des Gesetzes oder Statuts beruht, zu begründen wäre, dass demnächst das Gericht nach summarischer Prüfung und vorläufiger Anhörung des Vorstandes über die Einleitung der Untersuchung zu beschließen, im Falle der Einleitung Richtung und Ziel der Untersuchung zu bezeichnen und einen Kommissar, welchem die Befugnis zur Einsicht der Bücher pp., zur Vernehmung der Zeugen usw. eingeräumt, eventl. auch Sachverständige beigeordnet werden müssten, mit der Ausführung zu beauftragen hätte, dass endlich nach Abschluss der Untersuchung von dem Kommissar über das Ergebnis Bericht zu erstatten und dieser, soweit das Gericht ihn dazu geeignet findet, öffentlich auszulegen wäre. Übrigens stehen auch diese beiden Vorschläge keineswegs außer Zusammenhang mit denjenigen vorzugsweise im Laufe der letzten Jahre hervorgetretenen Erscheinungen, welche für jetzt den Ausgangspunkt der angeregten Gesetzesrevision bilden haben möchten und wenigstens für mich überall in erster Linie maßgebend gewesen sind. Der Zusammenhang liegt in den derzeitigen Beziehungen zwischen der Generalversammlung und den übrigen Gesellschaftsorganen, vermöge derer jene als ein meist ziemlich willenloses Werkzeug von diesen zum Schaden der Gesamtheit wie der Einzelnen mehr oder minder beherrscht zu werden pflegt. Gegen die nachteiligen Folgen dieses Übergewichts zunächst des Aufsichtsrats wünsche ich auch den einzelnen Aktionär, soweit tunlich, geschützt zu sehen (vgl. auch IV, Nr. 14 und 15 des Berichtes der Eisenbahnuntersuchungskommission, S. 192, 193).
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Anhang: Bericht der Aeltesten der Kaufmannschaft zu Berlin [Allgemeine Gesichtspunkte] Reskript vom 28.5.1873 Ew. Exzellenz haben im Eingange des obenstehend bezeichneten hohen Reskriptes ausdrücklich betont, dass durch die in Aussicht zu nehmenden Änderungen des Bundes-Gesetzes vom 11. Juni 1870 die freie Bewegung des Verkehrs nicht beeinträchtigt werden dürfe. Hierdurch können wir uns in der völlig offenen Äußerung unserer Ansichten nur bestärkt finden, obschon dieselben wie der Verfolg dieses ehrerbietigen Berichts zeigen wird, von denjenigen Meinungen, die von anderen Korporationen, Vereinen und Schriftstellern durch die Presse kundgegeben sind, vielfältig und wesentlich abweichen. I. Die Veranlassung zu der von Ew. Exzellenz ergangenen Aufforderung anlangend, so möchten wir vorweg darauf aufmerksam machen, dass von denjenigen Personen, welche sich in ihren Erwartungen von dem Vorteil ihrer Beteiligung bei Aktiengesellschaften oder bei Kommanditgesellschaften auf Aktien getäuscht fanden, die Natur des Rechtsverhältnisses, in welches sie durch die Zeichnung oder den Erwerb von Aktien eintraten, vielfältig verkannt worden ist. Wir brauchen hier nur darauf hinzuweisen, dass die genannten Gesellschaften hauptsächlich den Betrieb von Handelsgeschäften (im gesetzlichen Sinne des Wortes) zum Zweck haben oder doch, sofern sie andere Ziele verfolgen, den ersteren durch Art. 207 des cit. Gesetzes von 1870 gleichgestellt sind. Diejenigen, welche sich bei den genannten Gesellschaften beteiligen, sind lediglich Sozien derselben und müssen mithin bei richtiger Würdigung der Verhältnisse darauf gefasst sein, die Konjunkturen, welche derartige Geschäfte zu laufen haben, ihrerseits mitzutragen; sie können auf Gewinn bei dem Geschäft, an dem sie teilnehmen, rechnen, sie müssen aber unter Umständen auch auf Verlust bei demselben gefasst sein. Dieser Gesichtspunkt ist sicher den wenigsten Personen, welche sich in den letzten Jahren bei Aktienunternehmungen beteiligen, überhaupt oder doch in genügender Schärfe klar geworden; die meisten rechneten entweder auf eine hohe, den üblichen Zinsfuß übersteigende feste Dividende bei gleichzeitiger vollkommener Sicherheit des Kapitals, oder suchten in dem Spekulieren mit Aktien einen mühelosen Gewinn. Dass diese Erwartungen getäuscht werden mussten, liegt auf der Hand; sie waren eben nach der Natur der Verhältnisse völlig unberechtigt; allein dies Fehlschlagen getäuschter Hoffnungen berechtigt allein noch nicht, die Aktiengesellschaften selbst oder die für solche zur Zeit bestehende Gesetzgebung anzugreifen. Dies vorausgeschickt, gehen wir näher auf die erhobenen Klagen ein. Für die Gesetze, welche die Rechtsverhältnisse der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien regeln, sind hauptsächlich zwei Gesichtspunkte maßgebend: die Stellung der Gläubiger der Gesellschaft zu dieser letzteren und die Stellung der einzelnen Sozien, der Aktionäre, zur Gesellschaft als solcher, beziehentlich zu den Gründern der Gesellschaft. In Betreff des ersten Punktes sind Fälle nicht bekannt geworden, welche zu besonderen, aus der eigentümlichen Natur der in Rede stehenden Gesellschaften herzuleitenden Klagen Veranlassung gegeben hätten und deshalb eine Änderung der bestehenden Vorschriften wünschenswert erscheinen ließen.
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In Bezug auf den zweiten Punkt haben sich allerdings mannigfache Klagen erhoben. Allein diese Klagen beruhen zum Teil auf einer falschen Anschauung des geschäftlichen Verkehrs überhaupt, zum Teil auf Unkenntnis der Schutzmittel, welche schon das bestehende Gesetz dem Aktionär gewährt oder auf einer gewissen Trägheit, sich dieser Schutzmittel zu bedienen; zumeist aber, wie im Eingange bereits hervorgehoben worden, auf getäuschten Hoffnungen eines an sich ganz ungerechtfertigten Dranges nach Erwerb ohne Arbeit bei Verkennung der eigentlichen rechtlichen Natur einer Beteiligung an Aktiengesellschaften. Das Risiko, welches diejenigen eingehen, die eine Gesellschaft begründen, wird ebenso unrichtig beurteilt, wie die Arbeit und Mühe gering angeschlagen wird, welche in den allermeisten Fällen der Begründung vorhergehen muss. Es lässt sich ferner nachweisen, dass nur ein ganz geringer Prozentsatz derjenigen, welche sich bei einem Aktienunternehmen beteiligen, sich die Mühe nimmt, von den Statuten der Gesellschaft Kenntnis zu nehmen. Ebenso ist es Tatsache, dass die Generalversammlungen im Großen und Ganzen von einem ganz verschwindenden Prozentsatz der Aktionäre besucht werden. Endlich darf geradezu behauptet werden, dass die erhobenen Klagen hauptsächlich von solchen Personen ausgegangen oder doch indirekt hervorgerufen sind, welche Aktien gekauft oder gezeichnet haben, nicht um sich mit einem Kapital bei einem wohlgeprüften Handelsunternehmen zu beteiligen, sondern von solchen, von welchen ohne jede Prüfung, ja ohne Kenntnis des Unternehmens und der Statuten, Aktien in der Hoffnung genommen worden sind, um dieselben mit einigen Prozenten Nutzen wieder loszuschlagen. Dies kritiklose, unüberlegte Verfahren, das wir nur als eine Spielwut zu bezeichnen vermögen, lässt sich durch gesetzliche Vorschriften weder beseitigen noch einschränken. Andererseits kann nicht geleugnet werden, dass bei der Gründung einiger Gesellschaften, vielleicht auch bei der Verwaltung solcher, nicht zu rechtfertigende, zum Teil auch strafbare Unregelmäßigkeiten vorgekommen sein mögen, namentlich bei einer Kategorie von Gesellschaften, über die wir uns später noch besonders äußern werden (die Terrain-Erwerbs-Gesellschaften). Demgegenüber steht die bei weitem größere Zahl der seit Erlass des Bundesgesetzes von 1870 gegründeten Gesellschaften, deren korrekte Gründung und Verwaltung von Beschwerden irgendeiner Art Veranlassung nicht gegeben hat und nicht hat geben können. Dieser Umstand auf der einen Seite und die geschilderte Leichtfertigkeit bei der Beteiligung, sowie bei Ausübung der statutenmäßigen und gesetzlichen Rechte auf der anderen Seite führen uns zu dem Schluss, dass jede Restriktion, welche die Freiheit der Bewegung hemmt und zum vermeintlichen Schutze des Publikums in das Gesetz aufgenommen werden soll, schädlich wirken und neue Übelstände dauernd hervorrufen müsste. Als Motiv für die Aufhebung der staatlichen Konzession – deren dauernde Beseitigung wir als selbstverständlich betrachten – wurde seinerzeit hauptsächlich geltend gemacht, dass die staatliche Genehmigung eines Aktienunternehmens den irrigen Glauben einer staatlichen Prüfung der Güte des Unternehmens erwecke, welche unmöglich ist. Soll jetzt eine Änderung der Gesetzgebung vorgenommen werden, so darf sie nur in der Richtung weitergehen, welche durch Beseitigung der staatlichen Konzession eingeschlagen ist, d.h. es sind alle diejenigen beengenden Vorschriften
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aufzuheben, welche bei dem Publikum die irrige Vorstellung erwecken könnten, das Gesetz beziehentlich der Richter in Ausübung des Gesetzes sorge für einen sachlich korrekten Hergang bei Gründung von Aktiengesellschaften. Jede Vorschrift, welche darauf hinzielt, dass durch das Statut oder durch die mit dem Statut zu veröffentlichenden Aktenstücke die der formellen Gründung vorausgegangenen Operationen behufs einer amtlichen Prüfung offengelegt werden, kann nur dahin führen, dass die eigene Kritik, die selbständige Tätigkeit desjenigen, der sich bei einem Aktienunternehmen zu beteiligen beabsichtigt, eingeschläfert wird. Abgesehen hiervon halten wir es aber auch nicht für möglich, im Wege der Gesetzgebung Schutzmittel zu erfinden, welche einerseits geeignet sind, dem Publikum eine eingehende selbständige Prüfung zu ersparen, oder auch nur dieselbe zu erleichtern, ohne andererseits Hemmnisse im Gefolge zu haben, die zu einer Umgehung der Gesetze verleiten oder überhaupt das Unternehmen unmöglich machen. Wer daher bei einem auf Aktien begründeten Handelsunternehmen als Sozius eintreten will, mag sich auf denselben Wegen informieren, die denen offen stehen, welche als stille oder offene Sozien bei einem Handelsunternehmen, das nicht auf Aktien gegründet wird, sich beteiligen wollen. Können sie eine ihnen zuverlässig erscheinende Auskunft nicht erlangen, so mögen sie sich der Beteiligung enthalten. Nur dadurch, dass das Publikum auf seine eigene Tätigkeit angewiesen wird, können schlechte Unternehmungen verhindert und gute gefördert werden. Wäre es möglich, das Publikum zu einer selbsttätigen, fleißigen Prüfung gesetzlich zu verpflichten, so würde damit das rechte Heilmittel gefunden sein. Da dies indessen nicht angeht, so muss die Gesetzgebung ihre Reform darauf richten, dass sämtliche restriktiven Bestimmungen beseitigt werden, welche das Publikum zu verleiten imstande sind, vor Eintritt in ein Aktienunternehmen von einer selbständigen Prüfung Abstand zu nehmen. [...] 5. Stellungnahme des Hamburger Senats vom 15.4.1874 [Bericht darüber,] auf welche Ursachen jene Übelstände [bei der Gründung, der Verwaltung und dem geschäftlichen Betriebe] zurückzuführen sind – inwiefern sich ihnen gegenüber die Vorschriften des Gesetzes vom 11. Juli 1870 für den Schutz der Rechte und Interessen der Beteiligten als unzulänglich erwiesen haben und in welcher Richtung und mit welchen Mitteln Abhilfe zu erstreben sein werde. Der Senat hatte zunächst weitere Ermittlungen angestellt und Gutachten eingezogen, in welcher Veranlassung die Erwiderung auf jenes Schreiben bis jetzt verzögert wurde. Nunmehr beehrt sich der Senat, die gewünschte Auskunft in folgendem zu erteilen: Insoweit die gestellten Fragen die KGaA betreffen, wird der Senat sich auf die Mitteilung zu beschränken haben, dass bis zum 13.3. v. J. durchaus keine derartige Gesellschaft hier bestanden und an jenem Tage die erste Eintragung einer solchen stattgefunden hat, welche auch bisher die einzige geblieben ist, und dass es nicht zur Kunde gekommen ist, der Verwaltung und dem Geschäftsbetriebe dieser, hier bestehenden einzigen KGaA Übelstände oder Unzuträglichkeiten hervorgetreten sind.
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Was die Aktiengesellschaften anbetrifft, so hat die hiesige Handelskammer in einem von ihr abgegebenen Gutachten sich in erster Linie dahin ausgesprochen, dass ihr kein Anlass vorzuliegen scheine, schon jetzt zu einer Revision des fraglichen Gesetzes zu schreiten und hat hierfür die folgenden Gründe angeführt: 1. Das Gesetz habe seinen positiven Hauptzweck, den Gläubigern von Gesellschaften mit beschränkter Haftbarkeit genügende Garantien zu verschaffen, so spät erfüllt, wie irgendeine andere Gesetzgebung. 2. Die Interessen der Aktionäre erscheinen im Allgemeinen durch die im Gesetze gewährte Vertragsfreiheit gewahrt und ein Gesetz, welches die Aktionäre vor den Folgen der eigenen Vernachlässigung ihrer Interessen mehr als das bestehende schütze, sei nicht wünschenswert. 3. Unter den erleichternden Bedingungen des Gesetzes sei eine große Zahl nützlicher Produktiv-Einrichtungen und Arbeitsgelegenheiten aller Art geschaffen worden. 4. Wenn die große wirtschaftliche Bewegung, welche das Gesetz erleichtert habe, vielfach durch Verstöße gegen die Moral entstellt worden sei, so liege darin allein kein Grund, weil im Zivilrechte kein Gesetz zu hindern vermöge, dass die durch dasselbe zur Beförderung des allgemeinen Nutzens erteilten Befugnisse auch von allen Einzelnen in ehrbarer Weise ausgeübt werden. Das hiesige Obergericht hat dagegen, gestützt auf Erfahrungen aus hiesigen Vorkommnissen, schon jetzt eine Revision nach der unter sub I bis III angegebenen Richtung des Gesetzes für zeitgemäß erachtet und der Senat schließt sich dieser Ansicht an, indem er aus den ihm zugegangenen Mitteilungen das Folgende hervorhebt: I. In dem Konkurse einer hiesigen, ein Fabrikunternehmen betreffenden Aktiengesellschaft ist von Gläubigern einigen Mitgliedern des früheren Vorstandes der Gesellschaft vorgeworfen worden, dass sie bei dem durch sie bewerkstelligten Ankaufe der Fabrik sich einer Vergütung von dem früheren Eigentümer hätten zahlen lassen. Diese Mitglieder des Verwaltungsrats waren auch die eigentlichen Gründer und blieben bis zum eröffneten Konkurse in jener Funktion. Die Gratifikation für die Bewerkstelligung der Überleitung des Instituts in eine Aktiengesellschaft betrug für die fünf ursprünglichen Gründer je Mark Banco 10.000 (5000 Thaler), zusammen also Mark Banco 50.000 (25.000 Thaler). Wenn nun auch nicht vorausgesetzt wird, dass jene Gratifikation auf die Auffassung der Gründer in Betreff der Güte des Unternehmens und auf die Behandlung der Sache von Einfluss gewesen, so bleibt dennoch jene Erscheinung ein Übelstand, dessen Wiederkehr unter ähnlichen Verhältnissen soweit vorzubeugen sein dürfte, dass derartige, im Interesse der Gründer abgeschlossene Nebenverträge bei Auslegung der Aktienzeichnung nicht vorenthalten werden dürfen. Ersichtlich hatte der Fabrikinhaber im vorliegenden Falle den der Aktiengesellschaft auszubedingenden Kaufpreis, wäre jene Gratifikation nicht erfolgt, um den Betrag der Gratifikation niedriger stellen können. Die Bekanntschaft mit jenem Nebenvertrage wird mithin für die Aktienzeichnung von der Bedeutung gewesen sein, dass die Zeichner inne geworden wären, sich bei einer Gesellschaft zu beteiligen, welche die zu übernehmenden Gegen-
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stände um 25.000 Thaler über denjenigen Wert bezahle, den der Verkäufer ohne jenen Nebenvertrag sich ausbedungen haben würde. Wenn schon der angeführte Fall eine Gesetzesbestimmung als wünschenswert erscheinen lässt, welche den Gründern die Pflicht der Deklaration aller Nebenverträge auferlegt, so tritt das Erfordernis einer solchen Gesetzesbestimmung durch die Anführung eines anderen Falles, welcher sich hier zugetragen hat, noch umso entschiedener hervor. Dieser Fall ist der folgende: A. und B. erwarben von 29 Grundeigentümern ebenso viele Parzellen Landes für den Kaufpreis von 550.000 Thalern und ließen sich dieselben in den öffentlichen Eigentumsbüchern zuschreiben. Unter Reservierung von 14 Morgen verkauften sie die übrigen Grundflächen bedingungsweise an C. für 1.530.000 Thaler, und wurde die Perfektion des Kontrakts davon abhängig gemacht, dass bis zu einem bestimmten Tage eine Aktiengesellschaft unter einer ausdrücklich namhaft gemachten Firma in die Rechte und Verbindlichkeiten des C. eintrete. Der Kaufpreis sollte alsdann ausgeglichen werden mit: 1. 140.000 Thalern Barzahlung, 2. 1.030.000 Thalern nach Wahl des C. entweder bar oder in voll eingezahlten Aktien der zu begründenden Gesellschaft im Nominalwerte; 3. durch Kreditierung von 360.000 Thalern. C. verpflichtete sich zur Übertragung seiner Rechte an die zu konstituierende Aktiengesellschaft. Die Bedingung der Gründung jener Aktiengesellschaft wurde erfüllt und die von X., Y. und Z. gegründete Gesellschaft trat dem A. und B. gegenüber, nach Maßgabe des zwischen diesen abgeschlossenen, nunmehr perfekt gewordenen Kontrakts in die Rechte und Verbindlichkeiten des C. ein. Die Bilanz der gedachten Aktiengesellschaft für das Jahr 1872 wurde der Gesetzesvorschrift gemäß veröffentlicht. Dieselbe führt als prinzipales Activum der Gesellschaft den Immobilienbesitz auf, als dessen Kaufpreis 1.530.000 Thaler angegeben werden, bezeichnet das Aktienkapital als voll eingezahlt, erwähnt eine aufgenommene Hypothek von 460.000 Thalern und schließt auf Gewinn- und Verlustkonto mit einem Verluste von ca. 12.500 Thalern. Dieser Bilanz zufolge hätten demnach die Aktien am Schlusse des Jahres 1872 einen Wert von nahezu 99% gehabt, während der wirkliche Wert, berechnet nach dem Kaufpreise, zu welchem der Immobiliarbesitz kurz zuvor an A. und B. übergegangen unter Mitberücksichtigung der von denselben reservierten 14 Morgen zum Preise von 60.000 Thalern noch nicht 33% erreicht. Darin liegt eine unzweideutige Kontravention gegen die Strafandrohung des im Gesetze vom 11.6.1870 veränderten Art. 249 zu 3. des HGB abseiten der Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes, wenn sie in ihren Darstellungen und ihren Übersichten über die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft wissentlich den Stand der Verhältnisse der Gesellschaft unwahr darstellen oder verschleiern. Es bedarf nicht erst der Hervorhebung der augenfälligen Gefährdung, welcher die Gläubiger einer solchen Gesellschaft bloßgestellt sein würden, wenn sie derselben aufgrund der Bilanz Kredit gegeben haben sollten. Auch dieser Vorgang dürfte ganz besonders dazu geeignet sein, die Notwendigkeit angemessenen Einschreitens der Gesetzgebung bezüglich dessen zu illustrieren, was von den Gründern von Aktiengesellschaften bei Auflegung zur Zeichnung kund zu
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geben ist. Wenn in der Öffentlichkeit auch die relativ beste Schutzwehr des Publikums gegen ungebührliche Verleitung und Übervorteilung seitens der Gründer zu suchen ist, so wird es doch der Gesetzgebung obliegen, für Herstellung einer wirklichen ehrlichen Öffentlichkeit zu sorgen. Vorgänge der angeführten Art tun kund, dass die Strafbestimmungen des Art. 249 HGB nicht genügen. Solange die Gründer nicht gezwungen sind, zugleich bei Auflegung ihrer Projekte oder der die Stelle derselben vertretenden Ankündigungen die wirklichen Sachverhältnisse, insbesondere sofern sich dieselben auf Einbringungen und Nebenverträge beziehen, klarzulegen, werden sie sich der Hoffnung hingeben, die gesetzlich bedrohte Verschleierung dem Einblicke der strafenden Gerechtigkeit ebenso wie den etwa zu ergebenden Zivilansprüchen entziehen zu können. Mit Bezug auf die beiden angeführten Fälle darf daher die Aufnahme einer Gesetzesbestimmung empfohlen werden, durch welche für die Proponenten eines Aktienunternehmens, ähnlich wie in dem durch das Gesetz vom 11.6.1870 veränderten Art. 249, 3 HGB für die Mitglieder des Aufsichtsrats unter Androhung von Strafe eine offene Darlegung aller zur Beurteilung der Sache geeigneten Umstände im Prospekte der Aktiengesellschaften vorgeschrieben wird. Auch die Handelskammer hat eine derartige Verfügung empfohlen, wenn überhaupt gegen ihre prinzipale Ansicht eine Revision des Gesetzes einzutreten habe. II. Die Statuten der Mehrzahl der in den letzten Jahren gestifteten Aktiengesellschaften enthalten die Bestimmung, dass, wenn eine Erhöhung des Grundkapitals oder eine Emission nicht gleich bei der Gründung emittierter Aktien, sei es durch den Vorstand der Gesellschaft, sei es durch die Generalversammlung derselben beschlossen und in Ausführung gebracht wird, den Gründern, bzw. ersten Zeichnern, die Berechtigung gesichert wird, die weiter auszugebenden Aktien in ihrer Gesamtheit oder zum Teil zum Parikurse zu übernehmen. Die Statuten einer hiesigen Bank z.B. bestimmen das Grundkapital zu 15 Millionen Thalern, von denen ursprünglich nur die Hälfte ausgegeben worden, behalten aber dem Verwaltungsrate den Beschluss über weitere teilweise oder erschöpfende Emission von Aktien vor und sichern demselben für den Fall, dass die weitere Emission innerhalb der ersten 10 Jahre erfolgt, während welcher der Verwaltungsrat unwandelbar bleibt, die Hälfte der zu emittierenden Aktien zum Parikurse. Abgesehen von analogen Prozeduren anderer Banken hat nun der Verwaltungsrat der gedachten Bank von seinen Befugnissen Gebrauch gemacht, die Emission der reservierten zweiten Hälfte zu dekretieren, obwohl auch die zuerst emittierte Hälfte erst 40% eingezahlt waren, sowie die Hälfte der neu emittierten Aktien zum Parikurse zu übernehmen. Da die neu emittierten Aktien unmittelbar nach der Emission einen Kurs von ca. 119% erreichten, so lässt sich die Summe des außerordentlich beträchtlichen Gewinnes, welchen der Verwaltungsrat sich durch dieses Verfahren aneignet, leicht berechnen. Die Emission weiterer, ursprünglich nicht begebener Aktien wird selbstverständlich nur dann beschlossen und ausgeführt werden, wenn die emittierten Aktien zu einem Kurse über Pari zu begeben sind, wenn mithin die Gesellschaft der allgemeinen
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Annahme nach vorteilhaft operiert hat und die jüngste Bilanz ein günstiges Ergebnis darlegte. Dieses günstige Ergebnis wird aber der Regel nach nur dadurch erzielt werden, dass Aktienkapital, also das Vermögen sämtlicher Aktionäre in mehr oder minder gewagten Unternehmungen angelegt wird. Misslingen dieselben, so sind es die Aktionäre, die den Verlust zu tragen haben. Vorstand und Verwaltungsrat, früher als die Aktionäre imstande, ungünstige Abwicklungen eingeleiteter Unternehmungen vorauszusehen, werden sich bis auf das verhältnismäßig geringe Minimum ihrer deponierten Aktien zeitig aus der Affäre ziehen. Gelingen dagegen die auf Gefahr der Aktionäre gemachten Unternehmungen in dem Grade, dass weitere Emissionen Gewinn bringen, so steht der durch dieselben erzielte Gewinnanteil des Vorstandes und der Aktionäre infolge der oben beregten statutarischen Bestimmung außer allem Verhältnis zu dem Risiko, dem diese und jener ausgesetzt waren. Darin liegt ein ganz außerordentlicher Reiz für die Verwaltung, gewagte Unternehmungen einzuleiten und dieser Reiz ist es, welchem die Gesetzgebung die Spitze abzubrechen berechtigt erscheint, wo der Wagende außer Verhältnis zu der von ihm selbst übernommenen Gefahr, auf die Gefahr seiner Kommittenten große Gewinne zu machen, die Aussicht hat. Der Einwurf, dass es ja der freie Wille der Aktionäre sei, die sich unter solchen Bestimmungen zur Aktienzeichnung oder aber zum Erwerbe der Aktien herbeigelassen haben, kann nicht für durchgreifend erachtet werden. Es ist vielmehr die Absicht, das Publikum gegen die Ausbeutungen zu schützen, die sich in ihrer Tragweite im Voraus nicht übersehen lassen, in den Vorschriften der bestehenden Gesetzgebung in mehr als einer Beziehung ausgeprägt. Die angeregte Erscheinung zählt aber gerade zu denjenigen, welche bei Zeichnungen von Aktien der Beachtung entgehen, weil sie nicht unmittelbar ins Auge fallen. Auch hier erscheint daher ein Einschreiten der Gesetzgebung angezeigt – und zwar nicht allein für die Fälle, in denen dem Vorstande die Befugnis erteilt ist, ohne Anfrage bei der Generalversammlung weitere Emissionen zu dekretieren, sondern auch für die Fälle, in denen die weitere Emission von der Zustimmung der Generalversammlung abhängig ist. Das für diese Beschränkung oben geltend gemachte Motiv bleibt unter beiden Voraussetzungen zu treffend. Unzulässig endlich muss die gerügte Prozedur alsdann erscheinen, wenn es sich um weitere Emissionen handelt, bevor die ursprünglich emittierten Aktien voll eingezahlt sind. III. Der § 66 des Gesetzes, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 4.7.1868 bestimmt unter anderem, dass das Handelsgericht den Vorstand der Genossenschaft, bzw. die Liquidatoren von Amts wegen durch Ordnungsstrafen dazu anhalten kann, die im § 26 GenG vorgeschriebene Verpflichtung der Veröffentlichung der Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres usw. spätestens in den ersten sechs Monaten eines jeden Geschäftsjahres zu veröffentlichen. Der im Gesetz vom 11.6.1870 veränderte Art. 239 HGB schreibt dieselbe Verpflichtung für die Vorstände der Aktiengesellschaften vor, ohne dass auch das Gericht
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verpflichtet wird, von Amts wegen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im Betreff der zeitigen Veröffentlichung der Bilanzen zu überwachen. In der Erwägung, dass die Ausdehnung des Art. 239 HGB eine praktisch nahezu bedeutungslose bleiben würde, wenn die Vorschrift desselben wegen Veröffentlichung der Bilanzen der öffentlichen Überwachung des Handelsgerichts nicht unterbreitet wird, weil eine von den Aktionären aufgrund solcher Unterlassung zu erhebende Schadensklage, wenn überhaupt, so doch nur ausnahmsweise und unter großen Schwierigkeiten zu konstruieren und durchzuführen sein würde, erscheint es wünschenswert, dass im HGB eine Bestimmung Aufnahme fände, welche das Handelsgericht befugt, auf die rechtzeitige Veröffentlichung der Bilanzen der Aktiengesellschaften ex officio sowohl zu achten als eventuell gegen Kontravenienten mit Ordnungsstrafen einzuschreiten. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg. Der Präsident des Senats. gez. Gossler, Dr. Anhang: Gutachten der Hamburgischen Handelskammer vom Oktober 1873 (Teilabdruck) Die hiesige Handelskammer hat sich auf gegebene Veranlassung über die augenblicklich vielfach ventilierte Frage der Revision des Aktiengesellschaftsrechtes im Wesentlichen folgendermaßen geäußert: Der in Hamburg auf Grundlage unseres topischen Rechtes lange Zeit herrschend gewesene Rechtszustand, nach welchem beinahe vollkommene Vertragsfreiheit bei Gründung von Aktiengesellschaften herrschte, so dass für uns sowohl die Einführung des HGB, als auch das Gesetz vom 7. Juli 1870 wesentlich als beschränkende Neuerungen erschienen – während diese beiden Kodifikationen im größten Teile des übrigen Deutschlands mehr oder weniger befreiende Wirkung übten –, hat nach Meinung der Handelskammer die bis auf den heutigen Tag zu verspürende vortreffliche Wirkung gehabt, dass hierorts das Publikum zum Selbstdenken, Selbstprüfen, zur Vorsicht und zum Misstrauen gegenüber Aktiengesellschaften erzogen worden ist. Hieraus erklärt es sich, dass die Hamburger Börse, wenn sie auch von Agiotagetreiben, von missbräuchlichen Gründungen, von übertriebener Fondspekulationen in den letzten beiden Jahren nicht völlig verschont bleiben konnte, doch von diesen krankhaften Erscheinungen des Verkehrs lange nicht in dem Maße heimgesucht und mitgenommen worden ist, wie es anderswo der Fall gewesen und bei der starken Kapitalansammlung an unserem Platze bei einem anderen Temperamente des Publikums auch hier möglich gewesen wäre. Besonders erfreulich aber ist es, dass in Folge der wirtschaftlichen Schulung des Publikums das Eindringen eines Hauptübelstands unter welchem die deutsche Volkswirtschaft im Allgemeinen jetzt schwer leidet, beinahe gänzlich vermieden worden ist. Als solchen Übelstand bezeichnen wir die Plazierung unsicher fundierter Aktien aleatorischer Unternehmungen jenseits des Kreises der handeltreibenden Klasse, zum Teil bis in die Schicht der mit den Händen arbeitenden Bevölkerung hinein, mit welcher, wo sie stattfindet, regelmäßig nicht nur die traurigsten wirtschaftlichen Einbu-
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ßen, sondern unheilvolle moralische Schäden notwendig sich verbinden. Solche in jeder Beziehung ungesunde Ausdehnung des Aktienhandels ist bei uns auch heute noch so gut wie unbekannt; und wohl nur deshalb, weil bei uns durch die Gesetzgebung die Bevölkerung niemals an den Genuss scheinbarer und trügerischer gesetzlicher Garantien gewöhnt gewesen ist, und statt zum blinden Vertrauen auf schützende Gesetze, zum erprobten Unternehmen angeleitet worden ist. Es gibt daher auch, was Hamburg betrifft, durchaus keinen Grund, sich irgendwie bei Revision des Aktiengesetzes dem Mitgefühl mit geschädigten Aktionären hinzugeben. Dieses Gefühl muss aber die Handelskammer auch ganz im Allgemeinen als ein solches bezeichnen, welchem vom Gesetzgeber nicht der allermindeste Einfluss eingeräumt werden darf. Wenn auch anderswo die Übertölpelung Unerfahrener sehr viel häufiger sein mag, als gerade hier, so bleibt doch im großen Durchschnitte überall wahr, dass, wer durch Zeichnung oder Kauf von Aktien Agiogewinne sucht, Kredit zu diesen Operationen in Anspruch nimmt, kurz sich an der Spekulation beteiligt, im Allgemeinen sehr wohl weiß, welchen Gefahren er sich damit aussetzt, und im Durchschnitt durchaus nicht mehr und nicht anders übervorteilt wird, als er Andere zu bevorteilen gedachte. Daher erachtet die Handelskammer es für eine durch und durch ungesunde Richtung, wenn von manchen Seiten die Revision des Aktiengesetzes deshalb angestrebt wird, um, wie man sich ausdrückt, den kleinen Aktionär gegen den großen, das Publikum gegen die Bankiers, den Außenstehenden gegen die Eingeweihten besser als bisher zu schützen. Die Handelskammer ist vielmehr der Meinung, dass kein Gebiet der Gesetzgebung so sehr als dasjenige des inneren Aktiengesellschaftsrechtes eine strenge Durchführung des Grundsatzes, dass das Recht für die Wachsamen geschrieben wird, erfordert. Indem aber die Handelskammer prinzipiell behauptet, dass aus den Erlebnissen der Aktionäre oder gewisser Klassen derselben kein genügender Anlass herzunehmen sei, zu einer Revision des fraglichen Gesetzes zu schreiten, leugnet sie ferner in erster Linie überhaupt die Opportunität einer Revision im gegebenen Augenblicke, es sei denn, dass in Bezug auf den technischen Apparat desselben, d.h. die Vorschriften über Eintragungen, Publikationen, Stellung des Registerrichters, Bescheinigungen vor dem Registerrichter, nach Ansicht der Gerichte erhebliche Mängel sich ergeben hätten, welche sofortiger Abhilfe bedürftig wären. Abgesehen von derartigen Fragen, über welche der Handelskammer ein Urteil nicht zusteht, ist ohne weiteres klar, dass eine sofortige Revision des Gesetzes sich schon deshalb wenig empfiehlt, weil die wirtschaftlichen und merkantilen Folgen der Gesetzgebung von 1870 bis jetzt nur sehr zum Teil sich übersehen lassen. Denn dieselben waren bis heute mit Vollständigkeit zu beobachten nur während einer Periode, in welcher eine Reihe übermächtiger Ursachen, unter welchen die Milliardenzahlung voransteht, nicht bloß auf den deutschen Geldmarkt, sondern auch auf den des ganzen Kontinents, mit Ausnahme Frankreichs, einen Einfluss übte, der zu einer kolossalen Steigerung der Unternehmungslust, der industriellen Unternehmungen, des Unternehmergewinnes, der Preise für die Rohstoffe, für die Industrie und der industriell erzeugten Waren, und damit auch der Löhne führte und führen musste. Die aus dem gesteigerten Begehr folgende kolossale Steigerung der Preise, diese
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„Konjunktur“ hat in Deutschland, Österreich, Dänemark und Italien, unter Herrschaft sehr verschiedener Gesetzgebungen zum Aktienschwindel geführt, der den diverganten Legislationen durch etwas verschiedene Formen gerecht ward, in der Sache selbst aber überall dasselbe war und bedeutete: „nämlich eine Überproduktion von neuen selbständigen Unternehmungen industrieller und merkantiler Natur.“ Diese Überproduktion hat nicht vor sich gehen können ohne Überspannung des Kredits; und eben diese ist es, durch welche jetzt die Aktien, diese Anteile an dem Schicksal der Unternehmungen, und nicht minder die Preise und Löhne geworfen werden. – In dieser Situation können wir bis jetzt die Wirkungen des Gesetzes eigentlich nur einigermaßen genau erkennen, sofern sie in einer Zeit zum Teil überhasteten Aufschwunges der produktiven und merkantilen Tätigkeiten zutage treten können, aber durchaus nicht die vollen Wirkungen des Gesetzes während der darauf gefolgten Reaktion. Gerade diese letztere Reihe von Folgen des Gesetzes aber muss naturgemäß die Hauptsorge des Gesetzgebers bilden. Denn erst die Nachwehen der Baisse bringt die Frage in den Vordergrund: Wie steht es mit der Sicherheit, dem Schutze, den Rechten der Gläubiger von Aktiengesellschaften? – Eine Frage, welche um deswillen der Kardinalpunkt des Aktiengesellschaftsrechtes ist, weil jede solche Gesellschaft ein vom Staate künstlich geschaffenes vermögensrechtliches Subjekt ist, dessen Schöpfung ihm die erste und vornehmste Pflicht auferlegt, dafür zu sorgen, dass die übrigen Rechtssubjekte mit dieser seiner Schöpfung mit Sicherheit kontrahieren können. So lehrt denn auch die für uns in so vielen wirtschaftlichen Dingen vorbildliche Erfahrung Englands, dass die Gesetze über die Liquidation und das wiuding[winding?]-up der Akiengesellschaften, – zu welchen Teilen der Gesetzgebung wir jetzt eben beginnen, die ersten Erfahrungen zu sammeln – für die Stellung der Aktiengesellschaft im Verkehr mindestens ebenso wichtig sind, als Vorschriften über die beste Art, Aktiengesellschaften zu gründen, zu organisieren und zu verwalten, mit deren Verbesserung man sich in Deutschland noch fortdauernd theoretisch beschäftigt, während die Zeit besonders mahnt, auch dahin zu sehen, ob unser Recht hinsichtlich der Liquidation und der Einschränkung des Aktienkapitals den Erfordernissen des modernen Verkehrs genüge. Falls es zu einer Revision des Gesetzes von 1870 schon jetzt kommen sollte, so hält die Handelskammer, was die teilweise Liquidation von Aktiengesellschaften betrifft, für eine praktisch wichtige Forderung, die zu stellen wäre; die Aufhebung des erst durch das Gesetz vom 11. Juni geschaffenen dritten Satzes des Art. 215: „Die Aktiengesellschaft darf eigene Aktien nicht erwerben.“, durch welche die Einschränkung eines Aktienkapitals ausschließlich auf den äußerst langsamen Weg der Statutenänderung verwiesen ist, während sie noch nach dem Handelsgesetzbuch durch bloßen Generalversammlungsbeschluss betreffend Rückkauf von Aktien geschehen konnte. Der zitierte Satz des Gesetzes wirkt, in Zeiten wie die gegenwärtige, ohne für die Sicherheit der Gläubiger notwendig zu sein, vielfach dahin, dass, wo eine Missleitung von Kapitalien in eine Aktiengesellschaft hinein stattgefunden hat, der Wiederabfluss aus derselben über Gebühr verlangsamt wird; was bei der Großartigkeit der stattgehabten
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Missleitung das Gesunden des Verkehrs wesentlich erschwert und verzögert. Es versteht sich, dass man diesen Satz gegenwärtig nicht aufheben kann, ohne gewisse Schutzmaßregeln gegen Missbrauch der Befugnis zur Verkleinerung des Aktienkapitals durch Rückkauf von Aktien zu treffen. Als solche Schutzmaßregeln dürften sich empfehlen: 1. Verpflichtung, jeden Generalversammlungsbeschluss, durch welchen die Befugnis zum Rückkauf von Aktien erteilt wird, 6 Wochen vor Beginn seiner Ausführung zu publizieren; 2. Befugnis der Gläubiger der Gesellschaft, aus dem Richter genügend erscheinenden Gründen ein Inhibitorium gegen die Ausführung zu erwirken; 3. Verpflichtung der Gesellschaft, in ihren Bilanzen „eigene Aktien in ihrem Besitz“ stets unter dieser Bezeichnung „speziell aufzuführen“. Die beiden ersten dieser vorgeschlagenen Schutzbestimmungen erklären sich von selbst. Die dritte stellt klar, dass eine Aufführung der eigenen Aktien unter „Fonds“ in der Bilanze [!] unter die Bestimmungen des Art. 249 sub. 3 fallen würde. Was die Zweckmäßigkeit der Erleichterung des Rückflusses von Kapitalien aus Aktiengesellschaften in den Markt und der Einschränkung übertriebener (namentlich Aktienbank) Kapitale betrifft, so reden die Tatsachen so laut, dass darüber kein Wort zu verlieren ist. Die Ungefährlichkeit dieser Neuerung aber ergibt sich evident aus der Tatsache, dass ein – nicht einmal wie vorgeschlagen – beschränktes Recht zum Rückkauf eigener Aktien in Deutschland früher bestanden hat, ohne zu praktischen Inkonvenienzen zu führen. – Eventuell würde auch schon eine Bestimmung, wie die im Art. 117 des Belgischen Gesetzes von 1872, ein wesentlicher Fortschritt gegen den jetzigen Zustand sein, da sie wenigstens Beschleunigung der Liquidation erlaubt. Nach eingeleiteter Liquidation sind die Liquidatoren in folgender Stellung: Ils peuvent, moyennant l’autorisation (de l’assemblée générale) racheter les actions de la société soit à la bourse, soit par souscription ou soumission, auxquelles tous les sociétaires seraient admis à participer. Der Mangel an genügender Erfahrung zwingt, von weiteren Vorschlägen hinsichtlich der Liquidation von Aktiengesellschaften abzusehen. Es scheint nur so viel klar, dass die Länge der gesetzlichen Liquidationsfristen (in Österreich hat die Krisis zu einer Abkürzung derselben geführt) das Zustandekommen erschwert, und den Verwaltungsräten die Opposition gegen Auflösungsbestrebungen der Aktionäre wesentlich erleichtert. Offenbar aber ist es nicht gerade konsequent, dass die Gesetzgebung von 1870 die Verwandlung von Geld in Aktien („Gründungen“) bis an die Grenze des Möglichen erleichterte, die im Umschwunge der Dinge aber ebenso notwendige Verwandlung der Aktien in Geld (Liquidation) bedeutend verzögerte. [...] 6. Votum des preußischen Justizministers Leonhardt vom 5.5.1874 Die von dem Herrn Reichskanzler in dem Schreiben vom 7.4. v. J. gewünschte ausführliche Mitteilung derjenigen Übelstände, welche seit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 11.6.1870 in Preußen bei der Gründung, der Verwaltung und dem geschäftlichen Betriebe von Aktienunternehmungen etwa wahrgenommen sind, würde m.E. aus den
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von dem Herrn Handelsminister vorgelegten Berichte der Handelskammern und Verwaltungsbehörden pp. zu entnehmen sein. Ich kann deshalb gleichfalls nur ganz ergebenst anheimstellen, dieses Material dem Herrn Reichskanzler mitzuteilen. Soweit ich die Sache zu übersehen vermag, lassen sich die hervorgetretenen Übelstände darauf zurückführen, dass in mehr oder minder zahlreichen Fällen Aktiengesellschaften nur zu dem Zwecke gegründet oder erweitert worden sind, um ohne Rücksicht auf den Betrieb eines Erwerbsgeschäfts durch die Gesellschaft aus der Gründung und aus dem Aktienhandel Gewinn zu erzielen und dass der Geschäftsbetrieb bestehende Aktiengesellschaften zu Gunsten einzelner die Gesellschaft beherrschender Aktionäre ausgebeutet wird. Diese Ursachen der Übelstände, und die möglichen Mittel zur Abhilfe derselben glaube ich meinerseits nur insoweit in nähere Erwägung ziehen zu sollen, als sie das Gebiet der Gesetzgebung berühren. Für dieses Gebiet möchte ich vor allem bemerken, dass ein Vorgehen mir nicht dringlich erscheint. Die Neubegründung von Aktiengesellschaften stockt, wie auch der Herr Handelsminister bestätigt, zur Zeit ganz und begegnet unüberwindlichen Schwierigkeiten oft selbst in solchen Fällen, in welchen die Herstellung von Anlagen durch eine Aktiengesellschaft im allgemeinen Interesse wünschenswert sein würde. Die hervorgetretenen Übelstände aber, für welche eine Abhilfe im Wege der Gesetzgebung in Anspruch genommen wird, haben die öffentliche Stimmung in solcher Weise aufgeregt, dass ich es nur für geraten erachten kann, mit besonderer Vorsicht zu Werke zu gehen, damit nicht mit Beseitigung mancher Schäden, welche vielleicht auch auf anderem Wege als auf dem der Änderung bestehender Gesetze geheilt werden können, zugleich die Lebensbedingungen der Aktiengesellschaft zerstört werden, ohne deren Bildung zahlreiche Unternehmungen von hervorragender volkswirtschaftlicher Bedeutung hätten ins Leben treten können. Auch die bei der Geschäftsführung bestehender Aktiengesellschaften hervorgetretenen Übelstände scheinen mir, abgesehen von der eingehend zu erörternden Frage, inwieweit die Gesetzgebung in die Rechtsverhältnisse bestehender Gesellschaften eingreifen kann, eine schleunige Hilfe der Gesetzgebung nicht zu erfordern, da diese Übelstände vorzugsweise mit den unberechtigten Ansprüchen der sog. Gründer zusammenhängen, insbesondere auch die angeregte Aufmerksamkeit der Aktionäre zur Zeit wenigstens in den Hintergrund gedrängt zu sein scheinen. In der Sache selbst bin ich mit dem Herrn Handelsminister dahin einverstanden, dass der durch das Gesetz von 1870 eingeschlagene Weg, welcher im Allgemeinen als das Aufgeben der Konzessionierung und der Konsequenzen derselben bezeichnet werden kann, nicht wieder verlassen wird. Beachtliche Interessen sind danach in keinem Falle durch ein von den Organen des Staats zu übende Kontrolle und aufgrund derselben zu erteilenden Ermächtigungen zu wahren, sondern nur durch bestimmte Gebote und Verbote, welche für alle Fälle gegeben und durch zivilrechtliche Folgen der Übertretung oder durch Strafbestimmungen gesichert werden. Die Interessen, welche Berücksichtigung beanspruchen, sind von sehr verschiedener Bedeutung. Unabweisbar ist der Anspruch aller derjenigen, welche mit einer Aktiengesellschaft in Geschäftsverbindung treten, der Gläubiger, dass eine Abweichung des Inhalts des Handelsregisters von der Wirklichkeit oder der Wirklichkeit
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von den Bedingungen der Existenz der Gesellschaft nicht gestattet wird, und dass jede Abweichung die Verantwortlichkeit der Handelnden begründet. Die weiter zunächst Interessierten sind die Aktionäre. Diejenigen, welche den Gesellschaftsvertrag mit abschließen, können keinen Schutz gegen die ungünstigen Bedingungen desselben erwerben, soweit nicht allgemeine Rechtsgrundsätze ihnen zu Hilfe kommen. Sie haben aber einen begründeten Anspruch auf Gewährung der Mittel, welche zum Schutze ihrer Rechte in der Gesellschaft geeignet sind. Ihnen stehen diejenigen gleich, welche, aufgrund des Gesellschaftsvertrages zeichnend, zur Konstituierung der Gesellschaft mitwirken. Diejenigen dagegen, welche Aktien der konstituierten Gesellschaft erwerben, haben wenigstens insofern eine andere Stellung, als die Rechts- und Vermögensverhältnisse der Gesellschaft seit deren Errichtung sich verändert haben und diese Veränderungen ihnen unbekannt geblieben sein können. Im Übrigen sind sie nur Rechtsnachfolger der ersten Zeichner und es kann nur in Frage kommen, ob man ihnen weitere Mittel an die Hand geben muss, sich von der Lage der Gesellschaft Kenntnis zu verschaffen; das Handelsregister reicht hierbei nicht aus, weil die inneren Vorgänge der Gesellschaft für diese auch ohne Eintragung in das Handelsregister entweder vollständig wirksam sind oder durch die Eintragung jederzeit wirksam werden können. Überhaupt aber ist es nicht auszuschließen, dass Maßregeln getroffen werden, einem üblich werdenden Verfahren, dessen betrügerischer Charakter im einzelnen Falle schwer aufzudecken ist, zum Schutze sowohl erster Zeichner als der späteren Erwerber von Aktien präventiv entgegenzutreten. Ich rechne hierzu insbesondere auch Maßregeln gegen Missbrauch des Stimmrechts der Aktionäre zur Verfolgung unberechtigter Sonderinteressen. Endlich kann ein öffentliches Interesse die Untersagung gewisser Geschäfte oder Geschäftsformen auch trotz vollständiger Offenheit derselben und gegen den Willen aller unmittelbar Beteiligten fordern. Die Zulässigkeit eines dermaligen Verbots kann ich nicht prinzipiell in Abrede stellen. Allein es wird der ernstesten Prüfung unterliegen müssen, ob es möglich ist, den Missbrauch der wirtschaftlich so wichtigen Einrichtungen der Aktiengesellschaften von dem rechtmäßigen Gebrauche derselben zu sondern, und ob es zulässig ist, wegen des Missbrauchs auch den rechtmäßigen Gebrauch derselben zu untersagen. Ein gewisses Maß der Berechtigung für alle Aktionäre als Bedingung für die Errichtung der Aktiengesellschaft zu fordern, lässt sich allerdings auch schon dadurch rechtfertigen, dass die Aktien ihrer Natur nach zu einem mehr oder weniger leichten Umlauf bestimmt sind, und hiermit in gewissem Maße eine mangelhafte Prüfung derselben stets verbunden sein wird. Diese Grundsätze möchte ich im Allgemeinen bei Prüfung der Frage, inwieweit zum Zweck des Schutzes gegen hervorgetretene Übelstände die Gesetzgebung anzurufen sei, zur Geltung kommen lassen. Mit dem Herrn Handelsminister bin ich ferner dahin einverstanden, dass, um den berechtigten Interessen zu genügen, nicht das gesamte Aktiengesellschaftsrecht in Frage zu stellen, oder, wenn auch von dem festzuhaltenden Prinzip der Normativbedingungen aus, einer neuen Bearbeitung zu unterwerfen ist, dass vielmehr aufgrund der gemachten Erfahrungen nur bessernd in die bestehenden Vorschriften einzugreifen sei. Meines Erachtens wird jedoch jede Änderung in das Bestehende organisch einzufügen sein, so dass man sich nicht enthalten kann, dem Prinzip entsprechende Än-
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derungen auch da eintreten zu lassen, wo das Bedürfnis der Änderung sich vielleicht weniger stark herausgestellt hat. Es gilt dies insbesondere für die Beteiligung einiger Reste der Staatsaufsicht, welche, nachdem diese aufgegeben ist, nur noch als schädlich angesehen werden können. Der von dem Herrn Handelsminister ausgesprochenen Ansicht, dass die im Prinzip angenommene Aufstellung von Normativbedingungen im Laufe der Zeit und aufgrund der gemachten Erfahrungen voraussichtlich noch zu weiteren Änderungen führen wird, kann ich nur beistimmen, ohne darin einen Vorwurf für die jetzt etwa herbeizuführenden Änderungen des Gesetzes zu finden. Bei der weiteren Erörterung von Einzelheiten will ich mich zur Erhaltung der Übersicht an die in dem Votum des Herrn Handelsministers vom 28.11. v. J. angenommene Reihenfolge anschließen. I. 1. Die Möglichkeit der Entlassung der ersten Zeichner der auf den Inhaber auszustellenden Aktien aus der durch die Zeichnung übernommenen Verbindlichkeiten (Art. 222) halte ich in Übereinstimmung mit dem Herrn Handelsminister in mehrfacher Beziehung für gefährlich. Der Herr Handelsminister hat hervorgehoben, in welcher Weise die Möglichkeit dieser Entlassung schwindelhafte Gründungen begünstigt. Ich möchte daneben auch die streng rechtliche Seite der Sache geltend machen. Die Entlassung erfolgt nach Art. 222 ohne Rücksicht darauf, ob der bisher Verpflichtete aufhört, Aktionär zu sein und ob ein Nachfolger desselben mit dem aus der Zeichnung entstandenen Rechten auch die aus derselben entsprungenen Verpflichtungen übernimmt. Es dahingestellt bleiben, ob sie eine Herabsetzung des Grundkapitals enthält oder nicht; die Beantwortung dieser Frage kann nach den Umständen des Falles verschieden ausfallen. In jedem Falle enthält die Entlassung eine Beeinträchtigung des Grundkapitals, welche durch die wirkliche Einzahlung des gezeichneten Betrages von Seiten des Inhabers des Interimsscheins zwar wieder ausgeglichen werden kann, aber, wenn dies nicht geschieht, erst aus etwaigen Überschüssen der Verwaltung eine Ausgleichung erwarten darf. Die Entlassung des Zeichners kann daher in ihrer Wirkung der Herabsetzung des Grundkapitals gleichstehen und gefährdet wie diese die Rechte der Gläubiger der Gesellschaft. Sie steht außerdem mit dem Inhalte des Handelsregisters und mit der Eintragung der Gesellschaft in dasselbe überhaupt in Widerspruch, da sie mindestens die Zeichnung des Aktienkapitals aufhebt, welche Voraussetzung der Eintragung ist. Dass die Möglichkeit der Entlassung gem. Art. 222 in dem Gesellschaftsvertrage vorgesehen ist, steht dieser Auffassung meines Erachtens nicht im Wege, da die Entlassung als Herabsetzung des Grundkapitals gedacht, sich durch jenen Vorbehalt von anderen Änderungen des Gesellschaftsvertrages nur in den Voraussetzungen, aber nicht in den Wirkungen unterscheidet, bei anderer Auffassung aber der Widerspruch mit den Voraussetzungen der Existenz der Gesellschaft durch die Offenlegung desselben nicht gehoben wird. Unterstützt durch die von dem Herrn Handelsminister vorgetragenen Gründe glaube ich daher nur empfehlen zu können, dass die erwähnte Entlassung der Zeichner nur unter gleichen Voraussetzungen wie die Herabsetzung und Rückzahlung des Grundkapitals (Art. 248) erfolgen soll, wobei vorbehalten bleibt, dass die nur nach Vollzahlung des Nominalbetrages und deshalb mit einem geringeren Nominalbetrage
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auszugebenden Aktien die vorgeschriebene Minimalhöhe behalten. Dem Bedenken, dass die Zeichner oft nicht in der Lage sind, so weitaussehende Verpflichtungen zu übernehmen, kann ich keine Bedeutung beilegen, da die Entlassung nur als eine demnächst erfolgende zulässig ist, also die Verpflichtung zur Zahlung von vornherein übernommen werden muss, und andererseits nichts im Wege steht, die Zahlungstermine fest und kurz zu bestimmen. Die bisher gestattete Ausstellung von Interimsscheinen auf den Inhaber, äußerlich und innerlich mit der Entlassung der Zeichner zusammenhängend, würde hiernach gleichfalls in Wegfall kommen können. Von diesen Grundsätzen glaube ich auch für Versicherungsgesellschaften, sofern deren Aktien auf Inhaber lauten sollten, keine Ausnahme zulassen zu können, wogegen für diejenigen Gesellschaften, deren Aktien auf Namen lauten, nach Art. 222 überhaupt andere Grundsätze gelten. 2. Das Verbot, das Grundkapital durch Ausgabe neuer Aktien zu erhöhen, bevor das zuerst bestimmte Aktienkapital voll eingezahlt worden, wird nur empfohlen im Zusammenhange mit der Ausschließung des zugunsten der ersten Zeichner oder einzelner Gründer zu machenden Vorbehalts der Übernahme der neu auszugebenden Aktien. Neben dieser Ausschließung ist das Verbot meines Erachtens überhaupt entbehrlich, da es in der Tat Fälle gibt, in denen eine sofortige Erhöhung des Grundkapitals gerechtfertigt ist, überdies bei solchen Aktiengesellschaften, welche ihre auf Namen lautenden Aktien nicht voll einzahlen lassen, einen Teil des Betrags vielmehr nur als Garantiekapital behandeln, jedenfalls nur der statutenmäßig einzuzahlende Betrag gezahlt zu sein braucht. Ebenso halte ich aber auch das Verbot des Vorbehalts der weiteren Beteiligung für die ersten Zeichner nicht für gerechtfertigt. Ich gehe davon aus, dass es nicht ungerechtfertigt ist, denjenigen, welche durch ihr Geschick, ihre Bemühungen und Aufwendungen ein Unternehmen ins Leben rufen, besondere Vorteile neben der nach Verhältnis ihrer Aktienbeteiligung zustehenden zu gewähren. Ist dies richtig, dann erscheint es mir ferner weit angemessener, die Gewährung dieser Vorteile von einer günstigen Entwicklung des Unternehmens abhängig zu machen, als dieselben von vornherein zu fixieren, und richtiger, sie durch weitere Beteiligung an dem Unternehmen zu gewähren, als durch eine aus dem Grundkapital zu entnehmende Summe. Es muss freilich zugegeben werden, dass die fraglichen Vorbehalte in der Weise missbraucht werden können, dass die Erhöhung des Grundkapitals ohne genügende Veranlassung herbeigeführt wird, nachdem der Kurs der Aktien lediglich zu diesem Zwecke in die Höhe getrieben ist. Allein die Haftung des Zeichners für den ganzen gezeichneten Betrag steht an sich schon der allzu leichtfertigen Benutzung des Vorbehalts hindernd im Wege. Außerdem aber scheint es mir richtiger, dem Missbrauch dadurch entgegenzutreten, dass die Erhöhung des Grundkapitals dem einseitigen Einflusse der Beteiligten entzogen wird. Es kommen hierbei die unbedingte Übertragung gewisser Geschäfte an die Generalversammlung der Aktionäre und die allgemeine Ausschließung aller für sich Interessierten von den Beschlussfassungen der Generalversammlung in Frage, auf welche ich weiter unten zurückzukommen mir vorbehalte.
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3. Dem Herrn Handelsminister stimme ich darin bei, dass für die Fälle der von ihm sog. qualifizierten Gründungen (Art. 209 b) andere Maßregeln als die bisher getroffenen erforderlich sind, um schwere Missstände zu vermeiden. Dass durch die in § 209 b erwähnten Bestimmungen der Gründergewinn realisiert werden soll, ist selbstverständlich; es kann dies m.E. auf andere Weise überhaupt nicht geschehen, wenn der Gründergewinn etwas anderes ist als der Gewinn des Unternehmens. Einer Steigerung des Gründergewinns überhaupt entgegenzutreten, ist m.E. nicht Aufgabe der Gesetzgebung. Ein gewisser Schutz der Beteiligten, welche ihre Rechte im Übrigen selbst wahrnehmen mögen, scheint mir nur insofern geboten zu sein, als regelmäßig der wahre Sachverhalt in ein gewisses Dunkel gehüllt wird, welches zum großen Schaden der Beteiligten sich später aufklärt, ohne dass in allen Fällen oder auch nur regelmäßig eine absichtliche Täuschung sich nachweisen lässt. Die nach Art. 209 b erforderlichen Beschlüsse der Generalversammlung haben ihren Zweck nicht erfüllt. Sie sind ohne Wert, wenn die Generalversammlung die nötige tatsächliche Aufklärung nicht erhält, und überflüssig, wenn diese Aufklärung den Zeichnern der Aktien rechtzeitig gegeben ist. Dass eine Generalversammlung die Genehmigung des Vertrages versagt habe, ist wohl in keinem Falle vorgekommen. Der Herr Handelsminister hat vorgeschlagen, dass in den Fällen der qualifizierten Gründung bei Errichtung der Gesellschaft bestimmte Personen einen Prospekt aufstellen und veröffentlichen und erst danach zur Zeichnung öffentlich aufgefordert, zur Abhaltung der nach Art. 209 b erforderlichen Generalversammlung und zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geschritten werden darf. Die bestimmten Personen sollen sodann für den Prospekt zivil- und strafrechtlich haften. Diese Vorschläge zielen auf dasjenige ab, was auch ich für erforderlich halte, auf Aufklärung der Tatsachen; im Übrigen aber kann ich mich mit denselben nicht einverstanden erklären. Dass bestimmte Personen als diejenigen hervortreten, welche für die bei der Aktienzeichnung den Zeichnern gemachten Offerten und tatsächlichen Angaben einstehen, ist gewiss in hohem Grade erwünscht, und wenn solche Personen vorhanden sind, so können sie ohne Zweifel für den von ihnen angerichteten Schaden zivilrechtlich verantwortlich gemacht werden. Der obligatorischen Aufstellung eines Prospekts vermag ich jedoch keinen Wert beizulegen, wenn nicht zugleich mit Effekt vorgeschrieben werden kann, dass derselbe mehr enthält, als nach Art. 209 und 209 b Abs. 1 der Gesellschaftsvertrag enthalten muss. Wie ein solcher Prospekt erzwungen werden soll oder ob etwa die Errichtung der Gesellschaft von einer gewissen Ausführlichkeit des Prospekts abhängig gemacht werden kann, vermag ich nicht einzusehen. Ebenso wenig kann es sich m.E. empfehlen, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit dieser Personen auf etwas anderes zu gründen als auf die nach dem allgemeinen Strafrechte entscheidenden Momente, zu denen die freiwillige Übernahme der Verantwortlichkeit nicht gehört. Das Verbot, öffentliche Aufforderungen zur Aktienzeichnung vor Bekanntmachung des Prospekts zu erlassen, würde gleichfalls nicht leicht wirksam werden, da es durch Zeitungsnachrichten, welche keine unmittelbare Aufforderung enthalten, allzu leicht umgangen werden kann. Welcher Zusammenhang endlich zwischen der Bekanntmachung des Prospekts und der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister besteht, vermag ich nicht für alle Fälle zu erkennen, da der Prospekt
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nur für den Fall der öffentlichen Aufforderung zur Aktienzeichnung bekannt gemacht werden soll, und die nach Art. 209 b zu berufende Generalversammlung nur dann erforderlich ist, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht zwischen sämtlichen Aktionären geschlossen ist. Ich würde es daher vorziehen, die Vorschriften des Art. 209 b in anderem Sinne weiter zu entwickeln. Nach Abs. 1 desselben sind die hier fraglichen Verabredungen in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen. Es mag sich darüber streiten lassen, welche Folgen für die Verbindlichkeit der Aktienzeichnungen eintreten, wenn derartige Verabredungen getroffen, aber nicht in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen sind, und nichts desto weniger nach Errichtung der Gesellschaft von dem Vorstande zur Ausführung gebracht werden. Jedenfalls aber scheint mir der unter Aufnahme der Verabredungen geschlossene Vertrag auch für die Aktienzeichner nicht einer nochmaligen Genehmigung zu bedürfen, wenn nur die Aktienzeichnung wirklich als Beitritt zu dem Vertrage angesehen werden kann. Dies ist m.E. nur zulässig, wenn die Genehmigung eine bestimmte Bezugnahme auf den Vertrag enthält. Ohne diese aber kann m.E. auch der Beschluss einer Generalversammlung, deren Befugnisse nur auf dem geschlossenen Vertrage beruhen, die Zustimmung des Zeichners zu dem Vertrage nicht ersetzen, am wenigsten die Zustimmung zu den hier fraglichen außergewöhnlichen Vertragsbestimmungen. Es scheint mir hiernach zweckentsprechender, statt des in Art. 209 b erforderten Beschlusses der Generalversammlung zur Gültigkeit der Aktienzeichnung zu verlangen, dass die Zeichenscheine eine Bezugnahme auf den vorher festzustellenden Gesellschaftsvertrag und außerdem wörtlich den Inhalt desselben bezüglich der hier fraglichen Verabredungen enthalten. Diese Art der Sicherung der Aktienzeichner gegenüber Übereilung und Verheimlichung verhindert zugleich die vielfach beliebte Trennung des Gesellschaftsvertrages in mehreren Verhandlungen und erstreckt sich in keinem Falle auf diejenigen Aktionäre, welche den Gesellschaftsvertrag mit abgeschlossen haben und gegenwärtig nach Art. 209 b dennoch imstande sind, sich durch Abstimmung in der Generalversammlung von demselben wieder zu befreien. Die Aufnahme der bezüglichen Verabredungen in das Handelsregister und in den bekannt zu machenden Auszug des Vertrages würde sich hieran leicht anschließen. Selbstverständlich kann auf diesem Wege eine Sicherung nur gegen solche Verabredungen erzielt werden, welche Bedingung des Gesellschaftsvertrages sind. Dagegen wird insbesondere die Übernahme von Vermögensstücken nach Errichtung der Gesellschaft auf diesem Wege nicht betroffen. Der Herr Handelsminister will für solche Übernahmen, wenn sie innerhalb Jahresfrist nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister erfolgt, dieselben Erfordernisse stellen, wie für den Abschluss des Gesellschaftsvertrages unter Aufnahme der Übernahmebestimmungen denselben. M.E. muss dieser Vorschlag schon daran scheitern, dass sich nicht feststellen lässt, was ein „Vermögensstück“ i.S. dieser Vorschrift ist, da doch nicht jeder Erwerb hierher gerechnet werden kann. M.E. lässt sich eine Sicherung gegen derartige Übernahmen nur i.V.m. den gegen Beschlüsse der Gesellschaft überhaupt dem einzelnen Aktionär überhaupt etwa zu gebenden Schutzmitteln finden. 4. Die der Errichtung von Aktiengesellschaften mit Rücksicht auf die Konzessionierung von Eisenbahnen aufzuerlegenden Beschränkungen würden m.E., wenn sie
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überhaupt für angemessen erachtet werden und die definitive Entscheidung über Erteilung der Konzession nicht der Zeit nach hinter die Konstituierung der Gesellschaft gelegt werden soll, auch auf Gesellschaften zu gewissen anderen der Konzessionierung unterworfenen Unternehmungen auszudehnen sein, z.B. auf Gesellschaften zu Kanalbauten oder Versicherungen. Rücksichtlich der Gründung von Aktiengesellschaften hat der Herr Handelsminister weitere Vorschläge nicht gemacht. Von den in seinem Votum berührten Punkten möchte ich jedoch zunächst noch die Ausgabe der auf den Inhaber lautenden Aktien unter dem Nominalbetrage in nähere Erwägung nehmen. Sollte nur eine vorzeitige Ausgabe der Aktien erfolgen, bei welcher die Nachzahlung des noch fehlenden Betrages vorbehalten wäre, so würde die Ausgabe der nicht voll eingezahlten Aktien, wenn die Verhaftung der ersten Zeichner festgehalten wird, der zulässigen Ausgabe der auf Namen lautenden nicht voll eingezahlten Aktien ziemlich nahe kommen, aber dennoch jeden Erwerber der Aktien, da aus ihnen die ungenügende Einzahlung nicht ersichtlich ist, gefährden und ein leichtes Mittel zu betrügerischen Geschäften bieten. Um ein solches Verfahren handelt es sich aber bei dem Streite über die Zulässigkeit der Ausgabe von Aktien unter dem Nominalbetrage nicht. Es handelt sich vielmehr darum, Aktien auszugeben, ohne dass irgend jemand die Verpflichtung für Einzahlung des vollen Nominalbetrages derselben übernimmt. An dem Verbote der Ausgabe von Aktien auf den Inhaber vor Einzahlung des ganzen Nominalbetrages in beiden Bedeutungen glaube ich umso mehr festhalten zu sollen, als ich die Schwierigkeiten der Emission neuer Aktien bei niedrigem Kurse der alten Aktien keineswegs für unüberwindlich halte. Dem bestehenden Rechtsverhältnisse der Aktiengesellschaften würde es streng genommen nur entsprechen, wenn die Aktien überhaupt keinen Nominalbetrag hätten, sondern auch äußerlich nur eine Quote des Vermögens der Gesellschaft bezeichneten. Ich gebe jedoch zu, dass die Durchführung dieses Gedankens gegenüber dem abweichenden Standpunkte der Gesetzgebung aller Nationen nicht möglich ist. Für ebenso unzulässig muss ich es aber halten, den Aktien einen Nominalbetrag zu geben, welcher dem in der Gesellschaft zusammengebrachten Vermögen nicht entspricht. Durch ein solches Verfahren werden Täuschungen nicht nur herbeigeführt, sondern vielfach bezweckt, und die oft gehörte Entschuldigung, dass jedermann den wahren Zusammenhang der Sache kenne, kann m.E. nur geeignet sein, dem Verfahren selbst den Schein der Rechtfertigung zu entziehen. Es ist mir auch nicht verständlich, wie vor Beschaffung des ganzen Nominalbetrages des Grundkapitals eine Gewinnverteilung ohne Verletzung der klaren und unentbehrlichen Vorschriften des Art. 217 sollte erfolgen können; ist derselbe nicht eingezahlt oder mit voller Wirksamkeit gezeichnet, so ist er zunächst durch Zurückbehaltung des erzielten Gewinnes zu ergänzen; aber gerade dies ist nicht die Absicht derer, welche die Ausgabe der Aktien unter pari verteidigen. Dass die Emission neuer Aktien bei niedrigem Kurse der alten Aktien nicht ohne Begünstigung der neuen Aktien erfolgen kann, ist gewiss. Die Form der Begünstigung kann die der Prioritätsstammaktie sein, bei welcher der zu verteilende Gewinn der neuen Aktien bis zu einem gewissen Grade vorweg zu Statten kommt. Die Begünstigung kann auch ohne Einräumung einer Priorität, durch Gewährung eines größeren Gewinnanteils für die
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neuen Aktien bei gleichem Nominalbetrage aller Aktien oder durch Gewährung eines gleichen Gewinnanteils für alle Aktien bei geringerem Nominalbetrage der neuen Aktien erfolgen. Diese letztere Form entspricht der Sache nach genau der Emittierung neuer Aktien unter dem Nominalbetrage, nur ist der den Betrag des Grundkapitals ergebende Emissionskurs fest und ersichtlich. Doch würde vielleicht die Verschiedenheit des Nominalbetrages oder der Berechtigung der neuen Aktien dem Umlaufe derselben hinderlich sein und bei Bestimmung eines geringeren Nominalbetrages die gesetzliche Grenze desselben (Art. 207 a) im Wege stehen. Man würde deshalb m.E., um den Umgehungen des bestehenden Rechtes vorzubeugen, für der Fall der Erhöhung des Aktienkapitals gestatten können, dass der entsprechende Betrag des Grundkapitals in eine größere Zahl mit den älteren Aktien gleichberechtigte Aktien zerlegt wird, auf welche ohne Angabe eines Nominalbetrages nur die Zahl auf die Erhöhung des Kapitals ausgefertigten Aktien und deren Gleichberechtigung mit den älteren Aktien anzugeben wäre. Für solche Aktien bedürfte selbstverständlich das Verbot der Ausgabe vor Einzahlung des Nominalbetrages einer Modifikation, welche über die schon durch die Zahlung anderer als in Geld bestehender Einlagen der Aktionäre (Art. 209 b) erforderlich wird. Sowie die Volleinzahlung des Nominalbetrages aber nicht einer Beaufsichtigung unterliegt, sondern nur zivile oder strafrechtliche Folgen nach sich zieht, so ist m.E. auch die Kontrolle über die Einzahlung von 10 resp. 20% des Nominalbetrages (Art. 210 a) aufzugeben. Diese Kontrolle ist als eine wenn auch beschränkte Prüfung der Solidität der Gesellschaft m.E. ein Rest des Konzessionssystems, welcher ebenso wie dieses überhaupt nur schädlich wirken kann. Der das Handelsregister führende Beamte ist auch zu einer Führung dieser Kontrolle außer Stande und wird allzu leicht durch nichtssagende Bescheinigungen hintergangen. Im besten Falle findet er, dass die zu gründende Gesellschaft den einzuzahlenden Betrag in den Büchern eines oder mehrerer Bankhäuser hat, wobei dann noch immer fraglich bleibt, ob hiermit dem Gebote der Einzahlung wirklich Genüge geschehen ist. Ebenso gewährt m.E. der Beschluss der Generalversammlung, durch welchen festgestellt werden soll, dass die vorgeschriebene Einzahlung erfolgt sei (Art. 209 a), nicht eine wirkliche Kontrolle, sondern nur den schädlichen Schein einer solchen. Soll die Einzahlung der Gesellschaft nur auf der Grundlage einer wirklich geleisteten Einzahlung erfolgen, so ist es m.E. richtiger, den Vorstand, welcher ohne diese Einzahlung den Geschäftsbetrieb beginnt, oder die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister herbeiführt, verantwortlich zu machen und allenfalls die Eintragung der Gesellschaft in das Register von der bloßen Erklärung, dass die Einzahlung erfolgt sei, abhängig zu machen. Die Vorschriften über den Nachweis der Zeichnung des Grundkapitals zu verschärfen, halte ich wenigstens insoweit für wünschenswert, dass im Zusammenhange mit der unbedingten Verhaftung der Zeichner für den einzuzahlenden Betrag die Vorlegung der Zeichenscheine und eines von dem Vorstand unterzeichneten und bei dem Handelsregister verbleibenden Verzeichnisses für erforderlich erklärt wird, welches über Namen, Stand und Wohnort der Zeichner sowie über die gezeichneten Beträge Auskunft gibt. Im Übrigen kann zwar m.E. die Wirksamkeit eines gegen die Zeichnung von Aktien ausgestellten Gegenreverses allerdings dann zweifelhaft werden,
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wenn eine bereits bestehende Gesellschaft ihr Grundkapital erhöhen will und der Revers dem Zeichner von der Gesellschaft selbst ausgestellt wird; hieraus entsprungene Übelstände sind mir jedoch nicht bekannt geworden, werden aber vielleicht hervortreten, wenn für den Fall der Erhöhung des Grundkapitals die Vorschriften des Art. 210 a zur Anwendung gebracht werden, was aufgrund des mangelhaften Zitats in Art. 214 nicht immer geschehen zu sein scheint. II. Dem Herrn Handelsminister stimme ich darin bei, dass die Geschäftsführung der Aktiengesellschaften nicht minder Schäden offengelegt hat. Die gesetzliche Organisation der Aktiengesellschaften durch den Vorstand, den Aufsichtsrat und die Generalversammlung will ich gleichfalls im Allgemeinen nicht bemängeln und finde ebenso wie der Herr Handelsminister einen Hauptgrund der vorhandenen Schäden teils in der Geschäftsunkenntnis, teils in der Indolenz der Aktionäre, welcher im Wege der Gesetzgebung nicht abgeholfen werden kann. Andererseits ist aber auch nicht zu verkennen, dass den Aktionäre vielfach die Möglichkeit abgeht, berechtigte Interessen zur Geltung zu bringen, wenn einmal Sonderinteressen Einzelner zur Herrschaft gelangt sind, und die Beseitigung dieser Missstände erfordert m.E. das Eingreifen der Gesetzgebung. Das gesetzliche Gebot der Bildung eines Aufsichtsrats bildet für die hierauf bezüglichen Maßregeln den gesetzlichen Vorgang. Der Aufsichtsrat ist bereits als ein nicht auszuschließendes Grundrecht der Aktionäre gebildet. Man braucht auf dem damit eingeschlagenen Wege nur fortzufahren, um den Interessen der Aktionäre gegen die ihnen von den eigenen Organen der Gesellschaft drohenden Gefahren zu Hilfe zu kommen. Ich will auch hier im Einzelnen dem Votum des Herrn Handelsministers folgen, obgleich m.E. erst die Stellung des Aufsichtsrats näher präzisiert werden sollte, ehe die Verantwortlichkeit der Mitglieder desselben zu erörtern ist. 5. Die von dem Herrn Handelsminister gewünschte Verhaftung der Mitglieder des Aufsichtsrates für die Versäumung der Aufsichtspflichten der Gesellschaft gegenüber ist m.E. bereits vorhanden. Auch rücksichtlich der Vorstandsmitglieder ist in Art. 241, 248, abgesehen von einer in Art. 241 enthaltenen Abweichung nur über deren Verhaftung gegen Dritte Bestimmung getroffen, wie in Art. 225 b rücksichtlich der Mitglieder des Aufsichtsrates. Für beide aber folgt die Haftung gegen die Gesellschaft aus der vertragsähnlichen oder wirklich vertragsmäßigen Übernahme der Pflichten als Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrates. Ob daneben eine Bestimmung über die prozessualische Festsetzung des von ihnen zu ersetzenden Schadens gegeben werden soll, bleibt zu erwägen. Bedenklich erscheint es mir dagegen, in den Art. 225 b bestimmten Fällen eine Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gegen dritte Personen, und nur von dieser ist hier die Rede, schon aus dem Mangel schuldiger Aufsicht entstehen zu lassen, da selbst die Vorstandsmitglieder in den entsprechenden Fällen nur soweit haften, als sie selbst gehandelt haben. 6. Rücksichtlich der Ergänzung der Strafvorschriften bin ich mit dem Herrn Handelsminister einverstanden.
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7. Die richtige Abgrenzung der Tätigkeit des Aufsichtsrates hat ihre besondere Schwierigkeit, weil eine fortlaufende Kenntnisnahme von der Verwaltung eine erhebliche Erleichterung gehöriger Aufsicht bildet, diese Kenntnisnahme allzu leicht in eine wirkliche Teilnahme an der Verwaltung in der Art ausschlägt, dass der Vorstand an die Zustimmung des Aufsichtsrates sich bindet oder gebunden wird. Es kann deshalb m.E. in der Tat in Frage kommen, ob nicht die Aufsicht in der Art geübt werden soll, dass die Verwaltung nur in bestimmten Zeitabschnitten revidiert wird, also statt der Bestellung des Aufsichtsrats die Ernennung von Revisoren zugelassen werden kann. Diese Art der Beaufsichtigung gewährt außerdem den Vorteil, dass die Wahl der Personen nicht vor dem beaufsichtigenden Zeitabschnitte, sondern nach Ablauf desselben, also zu der Zeit erfolgt, zu welcher man bereits wissen kann, welche Interessen in Frage kommen. Wie bekannt, hat bei den seit dem Gesetze von 1870 gebildeten Aktiengesellschaften der Aufsichtsrat sich vielfach als Verwaltungsrat gestaltet, welcher einerseits den Vorstand in seiner Aktion beschränkt und andererseits wichtige Funktionen der Generalversammlung an sich zieht. Bei der Beratung des Gesetzes von 1870 waren die Anschauungen über die Bedeutung des Aufsichtsrates nicht völlig klar gewesen; es ergibt sich dies insbesondere aus dem Beschluss des Reichstages zu Art. 249 Nr. 2 wie zu Art. 206 Nr. 2 gemachten Zusatze „zur Beschlussfähigkeit“. Irgendeine beschlussfähige Zahl sollte für ein bloßes Aufsichtsorgan m.E. niemals erforderlich sein. Schon damals aber wurde der Aufsichtsrat vielfach als Verwaltungsrat aufgefasst. Der Aufsichtsrat bestand bekanntlich schon vor dem Gesetze von 1870 bei den KGaA. Bei diesen beruhte er auf dem Gedanken, dass der persönlich haftende Gesellschafter, welcher ein selbständiger Teil der Gesellschaft ist, sich eine fortdauernde Aufsicht gefallen lassen muss. Ist nun auch bei der Aktiengesellschaft keineswegs mehr derselbe Gedanke zugrunde zu legen, da der Vorstand ebenso wie der Aufsichtsrat nur Organ der Gesellschaft ist, so bleibt doch immer dies, dass neben dem Vorstande ein Aufsichtsorgan bestehen soll. Konnte man sich bei der KGaA denken, dass der Aufsichtsrat auch an der Verwaltung teilnehmen solle, so entsprach dies immer noch dem Gedanken der Einschränkung des persönlich haftenden Gesellschafters, wenn auch die von der Verwaltung getrennte Aufsicht fortfiel. Für die Aktiengesellschaft, in welcher Verwaltung und Aufsicht ihre Befugnisse aus derselben Quelle herleiten, ist die Teilnahme des Aufsichtsrats an der Verwaltung nichts weiter als das Aufgeben der Aufsicht. Der Gedanke des Gesetzes, nach welchem die Bildung des Aufsichtsrats obligatorisch ist, gelangt daher nur dann zur Ausführung, wenn der Aufsichtsrat von der Verwaltung gänzlich ausgeschlossen wird, so dass der Vorstand frei von der Zustimmung des Aufsichtsrats zu handeln befugt ist, und wenn er in gewissen Fällen nicht mit der im Allgemeinen gestalteten Selbständigkeit handeln soll, ihm für diese Fälle andere Personen, etwa ein Verwaltungsrat beigegeben werden müssen. Um dies praktisch auszuführen, ist gleichzeitig das Verhältnis des Aufsichtsrats zur Generalversammlung festzustellen, was zugleich durch andere Rücksichten geboten wird. 8. Dass eine Ersetzung der Generalversammlung durch den Aufsichtsrat nicht in dem Gedanken des Gesetzes gelegen hat, ist m.E. ohne weiteres klar. Diese Übertragung der Rechte der Generalversammlung ist es vorzugsweise, welche das nur zur
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Aufsicht bestellte Organ unwillkürlich zur Teilnahme an der Verwaltung treibt, indem der Vorstand in dem Widerspruche des Aufsichtsrats den Widerspruch der Generalversammlung, und noch mehr in der Zustimmung des Aufsichtsrats zu einzelnen Verwaltungsakten die Zustimmung der Generalversammlung zu finden glaubt, und sich selbst durch Gehorsam gegen die „Beschlüsse“ des Aufsichtsrats zu decken sucht. Schon aus diesem Grunde halte ich es für notwendig, die Mitglieder des Aufsichtsrats von der Übertragung irgendwelcher Rechte der Generalversammlung grundsätzlich auszuschließen. Die Übertragung von Rechten der Generalversammlung an irgendein anderes Organ der Gesellschaft halte ich aber überhaupt für bedenklich. Diese Übertragung ist, wie auch der Herr Handelsminister anerkennt, als eines der Mittel üblich geworden, um unberechtigte Sonderinteressen dauernd zur Herrschaft in der Gesellschaft zu bringen. Sie hat dem Handelsgesetzbuche von vornherein durchaus fern gelegen, da auch der Vorstand nur zur Vertretung der Gesellschaft nach außen berufen ist. Abweichend von dem Herrn Handelsminister möchte ich, nicht durch die größere oder geringere Wichtigkeit des Gegenstandes, sondern durch die Natur des Gegenstandes, ob derselbe unter die Vertretung der Gesellschaft nach außen oder zu den inneren Angelegenheiten derselben gehört, die ausschließliche und unabänderliche Zuständigkeit der Generalversammlung bestimmen. Ich rechne zu den inneren Angelegenheiten nur die Verfassung der Gesellschaft und das Rechtsverhältnis der Gesellschaftsorgane. Diese Zuständigkeit möchte ich ferner auch dem Vorstande und allen anderen denkbaren Organen gegenüber aufrecht erhalten, so dass diese rücksichtlich innerer Angelegenheiten der Gesellschaft nur noch zur Ausführung der von der Generalversammlung gefassten Beschlüsse ermächtigt werden können. Durch eine solche Bestimmung wird nicht bloß bei der Errichtung der Gesellschaft ein Damm gegen ungünstige Vertragsschlüsse aufgerichtet, sondern auch ein Schutz gegen Änderungen des Statuts gewährt, dessen insbesondere ältere Gesellschaften umso mehr bedürfen, als den Minoritäten derselben der in dem Erfordernis landesherrlicher Genehmigung liegende Schutz ohne jedes Äquivalent verloren gegangen ist. 9. Gegen die Vorschläge des Herrn Handelsministers über Beurkundung der Beschlüsse der Generalversammlung und die Niederlegung derselben bei dem Handelsregister finde ich nichts zu erinnern. Diese Maßregeln dienen jedoch m.E. weniger den Interessen der Aktionäre als den Interessen Dritter, welche Aktionäre werden oder mit der Gesellschaft in Geschäftsverbindung treten wollen. Ebenso bin ich einverstanden damit, dass Maßregeln gegen den Missbrauch des Stimmrechts getroffen werden, welcher durch Verkauf der Stimmen oder durch Vorschieben anderer Personen betrieben wird. Das letztere verstehe ich dahin, dass, wenn die Stimmenzahl des einzelnen Aktionärs beschränkt oder das Stimmrecht desselben ausgeschlossen ist, nicht durch Verteilung oder Übertragung seines Aktienbesitzes die Vorschriften des Statuts oder des Gesetzes umgangen werden dürfen. Dagegen kann m.E. die Abgabe von Aktien an andere behufs Ausübung des Stimmrechts für sich allein nicht verboten werden, solange die Bevollmächtigung anderer Personen zulässig ist. Die Grundlage der Strafbarkeit wird immer nur in einer nicht bloß formellen Widerrechtlichkeit gefunden werden können. Die §§ 271, 272 StGB kann ich in keinem
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Falle für ausreichend erachten, da gewiss nicht das Eigentum an den Aktien überall statutgemäße Bedingung des Stimmrechts ist. 10. Die von dem Herrn Handelsminister in Vorschlag gebrachte Verpflichtung des Vorstandes, den Aktionären rechtzeitig vor der ordentlichen Generalversammlung Inventur und Bilanzen zugänglich zu machen, erachte ich gleichfalls für wünschenswert. Dasselbe nehme ich aber auch an für die Berechtigung einer gewissen Quote der Aktionäre, die Berufung einer Generalversammlung durch den Richter zu veranlassen, sei es, dass diese zu der Berufung ermächtigen oder die Organe der Gesellschaft zu derselben nötigen soll. Durch die in der Praxis hervorgetretene Beherrschung der Aktiengesellschaften durch Koterien, welche sich der Organe der Gesellschaft bemächtigt haben, ist m.E. auch die Ausfüllung dieser auch von dem Herrn Handelsminister anerkannten Lücke des Gesetzes genügend gerechtfertigt. Nur als eine Ergänzung dieser Maßregel betrachte ich sodann die Wahl des Vorsitzenden jeder Generalversammlung durch diese unter Leitung desjenigen, welcher die Versammlung berufen hat. III. 11. Die richtige Abgrenzung der Individualrechte der einzelnen Aktionäre gegenüber der Gesellschaft hat nicht bloß juristische Schwierigkeiten. Vom juristischen Standpunkte aus lässt es sich verteidigen, dass nach außen zwar neben den Rechten der Gesellschaft Individualrechte überhaupt nicht existieren, im Inneren der Gesellschaft aber, insbesondere in dem Verhältnisse zu den Organen der Gesellschaft jeder Aktionär für sich allein und ohne Rücksicht auf den Willen der Gesamtheit die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit aller Akte der Gesellschaft in Frage ziehen kann. Es ist jedoch m.E. klar, dass die äußerste Konsequenz, wenn sie auch für die in ihren Rechtsverhältnissen ähnlichen Gewerkschaften zugelassen ist (§ 115 des Berggesetzes vom 24.6.1865), mindestens für die handeltreibenden Aktiengesellschaften die denselben nötigen Kraft der Aktion aufs Äußerste gefährden würde. Die Einzelrechte werden daher m.E. nicht über das von dem Herrn Handelsminister angedachte Maß hinaus erweitert werden dürfen, so dass nur Ansprüche aus der Verletzung gesetzlicher oder statutarischer Bestimmungen des Gesellschaftsrechts zu den Einzelrechten zu rechnen sind und Beschlüsse der Gesellschaft nicht aufgehoben werden können. Ich halte selbst hierbei noch gewisse formelle Beschränkungen in der Verfolgung dieser Ansprüche für wünschenswert. Dagegen ist eine Berücksichtigung der Aktionäre als einzelner Personen im Gegensatz zu der Gesellschaft m.E. auch nach einer anderen Seite für erforderlich, welche im HGB bisher nur eine gelegentliche Beachtung gefunden hat. Die Beschlüsse der Gesellschaft sind nicht Beschlüsse der Aktionäre, sondern der Gesellschaft, kommen aber durch die Mitwirkung der Aktionäre zustande. Wenn hiernach formell eine solche Personenverschiedenheit zwischen der Gesellschaft und den Aktionären besteht, dass die Gesellschaft aufgrund eines von den Aktionären gefassten Beschlusses mit den einzelnen Aktionären kontrahieren kann, sofern es nur gelingt, andere physische Personen als Vorstand der Gesellschaft hinzustellen, so ist doch nicht zu verkennen, dass es nichts weiter als ein grobes Mittel widerrechtlicher Benachteiligung der Gesellschaft ist, wenn einzelne Aktionäre ihr Stimmrecht benutzen, um sich selbst Sonderrechte zu verschaffen. Das HGB schließt die Beteiligten nur im Falle des Art. 209 b von der Beschlussfassung aus und befördert hierdurch die An-
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nahme, dass im Übrigen der Missbrauch des Stimmrechts zu eigenem Vorteil erlaubt sei. Ich würde es hiernach für wünschenswert erachten, allgemein festzustellen, dass kein Aktionär in der Generalversammlung oder im Vorstande der Gesellschaft durch Teilnahme an der Abstimmung zur Dechargeleistung für seine eigene Verwaltung oder zu Statutänderungen, welche ihm einen besonderen Vorteil gewähren oder zu dem Abschlusse eines Vertrages mitwirken darf, bei welchem er selbst als Mitkontrahent oder durch Teilnahme an den Vorteilen eines Mitkontrahenten außer der Gesellschaft selbst beteiligt ist, und dass ein Zuwiderhandeln gegen diese Vorschrift abgesehen von den Strafvorschriften gegen das Vorschieben anderer Personen zur Stimmabgabe und von der Anfechtbarkeit des gefassten Beschlusses für allen daraus entstandenen Schaden verantwortlich, vielleicht auch strafbar macht. 12. Auch das von dem Herrn Handelsminister in Vorschlag gebrachte Recht der Besitzer einer gewissen Quote der Aktien, eine Untersuchung von Tatsachen zu verlangen, bei welchen eine Verletzung gesetzlicher oder statutarischer Vorschriften wahrscheinlich ist, kann ich nach den gemachten Erfahrungen nur für wünschenswert erachten. Besonders erwünscht würde es mir scheinen, wenn es gelänge, hierbei sowohl der Majorität als der Minorität der Aktionäre eine genügende Mitwirkung zu sichern. Dagegen möchte ich hierbei nicht dazu übergehen, für bloße Privatinteressen eine Art gerichtliche Untersuchung mit Vernehmung von Zeugen oder anderen Beweisaufnahmen eintreten zu lassen. Ich gestatte mir im Allgemeinen die Bemerkung, dass ich im gegenwärtigen Stadium der Verhandlungen auf eine eingehendere Erörterung der einzelnen Punkte noch verzichten zu sollen glaube und will schließlich nur noch die Frage berühren, inwieweit durch die Gesetzgebung in die Rechtsverhältnisse bereits bestehender Aktiengesellschaften eingegriffen werden kann. Als Grundsatz ist m.E. festzuhalten, dass die Rechtsverhältnisse jeder bestehenden Gesellschaft eine vertragsmäßige Grundlage haben und dass, soweit diese in Frage kommt, die Gesetzgebung nicht eingreifen soll. Ebenso glaube ich aber, dass die Gewährung der Mittel zur Geltendmachung bestehender Rechte diese vertragsmäßige Grundlage nicht berührt und dass der gesetzliche Ausschluss des Missbrauchs gesetzlicher Rechte als bloße Deklaration des Gesetzes zugelassen werden kann. Inwieweit hiernach die einzelnen zur Erörterung gezogenen Vorschläge auch auf bestehende Aktiengesellschaften anzuwenden sind, wird bei einem jeden besonders zu erwägen sein. 7. Stellungnahme des Kgl. Bayerischen Staatsministeriums des Kgl. Hauses und des Äußern vom 30.5.1874 ... I. In Bayern hat sich glücklicherweise nur spärliche Gelegenheit geboten, über Missstände im Gebiete des Aktienwesens Erfahrungen zu sammeln, indem seit Einführung des Gesetzes vom 11.6.1870 verhältnismäßig nur wenige Aktiengesellschaften entstanden sind, von welchen wiederum nur ein geringer Bruchteil hinsichtlich der Gründung und der Geschäftsführung einigermaßen zu Bedenken Anlass gegeben hat. Gleichwohl ist die Bayerische Regierung den während der letzten Jahre zutage ge-
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tretenen Erscheinungen hinsichtlich des Aktienwesens mit Aufmerksamkeit gefolgt, wobei sie sich der Überzeugung nicht verschließen konnte, dass sich eine Abänderung der bestehenden Gesetzgebung in mehrfacher Hinsicht empfehlen dürfte, wenn auch durch legislatorische Maßregeln allein die aufgetretenen Übelstände nicht vollständig ferne gehalten werden können, wie sich schon aus dem Umstande ergibt, dass trotz der prinzipiellen Verschiedenheit der deutschen und der bisherigen österreichischen Gesetzgebung in beiden Ländern im Wesentlichen die gleichen Wahrnehmungen zu machen waren. II. Bevor das unterzeichnete k. Staatsministerium sich gestattet, seine Vorschläge auf Abänderung der bestehenden Gesetzgebung zu formulieren, glaubt es zunächst einige Arten von Aktienunternehmungen erwähnen zu sollen, welche spezielle wirtschaftliche Merkmale an sich tragen und daher einer besonderen Würdigung bedürfen. Hierher gehören insbesondere die Eisenbahnen und die Bankanstalten. 1. Was die Eisenbahnunternehmen anlangt, so sind auf diesem Gebiete seit Geltung des Gesetzes vom 11.6.1870 in Bayern keine Übelstände hervorgetreten. Die Gründung neuer Eisenbahngesellschaften ist nämlich unter der Herrschaft des erwähnten Reichsgesetzes noch nicht vorgekommen; was aber die bereits vorher bestandenen Privateisenbahnunternehmungen anlangt, welche sich – abgesehen von der unbedeutenden Nürnberg-Fürther und der demnächst zur Auflösung gelangenden Deggendorf-Plattlinger Bahngesellschaft – auf die beiden großen Aktiengesellschaften der bayerischen Ostbahnen und der fusionierten pfälzischen Bahnen beschränken, so befinden sich die beiden letzteren in einer exzeptionellen Stellung zur Staatsregierung, indem der Staat denselben Zinsgarantie gewährt, andererseits aber unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Teilnahme an den Erträgnissen besitzt. Dieses Verhältnis bedingt weitgehende, in den Statuten und den Konzessionsbedingungen festgesetzte Aufsichtsbefugnisse des Staates sowohl hinsichtlich des Baues als des Betriebes fraglicher Bahnen, welche sich namentlich in einer fortwährenden Kenntnisnahme der hierfür aufgestellten Regierungskommissäre von dem Stande der Verwaltung und in einer eingehenden Revision der Bau- und Betriebsrechnungen durch die für die Revision der Staatsfondsberechnungen eingesetzten Organe äußern. Hierdurch und durch die in den Statuten vorgesehenen eventuellen Zwangsbefugnisse wäre die Staatsregierung gegebenen Falles in den Stand gesetzt, etwaigen Missbräuchen wirksam zu begegnen und namentlich die anderwärts häufig vorkommenden Täuschungen und Übervorteilungen des Publikums bei dem Bau neuer Bahnen ferne zu halten. Auch gegenüber allenfallsigen neuen Eisenbahnunternehmungen erachtet die bayerische Regierung die für sie aus der Konzessionspflicht derselben hervorgehenden Befugnisse für ausreichend, um durch geeignete Bestimmungen in den Konzessionsurkunden etwaigen Versuchen zu Missbräuchen genügend vorzubeugen und würde daher von diesem Standpunkte aus eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften nicht für dringend notwendig erachten; immerhin dürften sich die im Nachfolgenden zu erörternden Modifikationsvorschläge auch im Gebiete des Eisenbahnwesens als zweckmäßig erweisen.
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2. Hinsichtlich des Aktienbankwesens fehlte der bayerischen Regierung früherhin jede Gelegenheit, vielseitige Erfahrungen zu sammeln, da die mit dem Privilegium beschränkter Notenemission versehene, unter fortdauernder Kontrolle eines k. Kommissärs stehende und als äußerst solides Institut bekannte bayerische Hypotheken- und Wechselbank in München lange Zeit das einzige auf Aktien gegründete Bankunternehmen in Bayern war. In neuerer Zeit sind verschiedene Aktienbanken hinzugetreten, welche jedoch vor Einführung der Gewerbeordnung vom 21.6.1869 in Bayern gegründet wurden und der bis dahin geltenden Gesetzgebung zufolge einer Konzession bedurften. Hinsichtlich der Gesichtspunkte, von welchen die bayerische Regierung bei Konzessionierung derartiger Institute ausging, erlaubt sich das unterzeichnete k. Staatsministerium Nachfolgendes ganz ergebenst zu bemerken: a) In allmählicher Entwicklung der bezüglichen Grundsätze wurden Bankanstalten schließlich nur dann konzessioniert, wenn auf das Aktienkapital sofort wenigstens 40% einbezahlt wurden. Es war in Aussicht genommen, auf Volleinzahlung aller zur Emission gelangenden Aktien der zu konzessionierenden Bankanstalten zu dringen, doch musste dies unterbleiben, da nach der infolge zur Einführung gelangten deutschen Gewerbeordnung die Konzessionspflicht der Bankanstalten wegfiel. b) Die Entwürfe der Bankstatuten enthalten meist die Bestimmung, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates eine Vergütung erhalten sollen, deren Höhe nur bezüglich des ersten Aufsichtsrates die Generalversammlung bestimme. Diese Fassung schien mit der Absicht des Art. 192 HGB nicht im Einklange zu stehen, weshalb in den Bankinstituten regelmäßig folgende Fassung Aufnahme fand: „Ob und welche Vergütung den Mitgliedern des Aufsichtsrates zu bewilligen sei, bestimmt die Generalversammlung.“ c) In den Entwürfen der Bankstatuten waren meist Gründerrechte in Aussicht genommen; die ersten Aktienzeichner und deren Rechtsnachfolger sollten bei weiteren Emissionen einen bestimmten Teil der Aktien al pari beziehen können. Derartigen Bestimmungen wurde die Genehmigung versagt. d) Zur Ausgabe von Inhaberpapieren ist in Bayern staatliche Genehmigung nicht erforderlich. Da die Emission von Inhaberpapieren vorzugsweise von Bankanstalten betrieben wird und der unbeschränkten Ausgabe derselben entgegengetreten werden wollte, wurde bei der Erteilung der Konzession bestimmt, dass Bankobligationen auf den Inhaber nur ein bestimmtes Vielfaches des eingezahlten Aktienkapitales, höchstens das Zehnfache, meist das Sieben- oder Fünffache betragen dürfen und dass die Reglements, nach welchen die Gewährung der Pfandbriefdarlehen und die Ausgabe der Inhaberpapiere erfolgt, der staatlichen Genehmigung unterliegen. Zur Beseitigung der dem Realkredite aus kündbaren Hypothekendarlehen drohenden Gefahren wurde angeordnet, dass die Bankanstalten ihre Hypothek darlehen aufgrund der von ihnen ausgehenden Pfandbriefe unkündbar gegen annuitätenweise Tilgung zu gewähren haben. e) Die Bestimmung, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates zeitweilig in die Direktion einer Bankanstalt abgeordnet werden können und dass ein Aufsichtsrat wegen seiner hervorragenden Beteiligung an der Gesellschaft mehr als eine Stimme führen dürfe, wurde die Genehmigung nicht erteilt.
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Außer den Eisenbahnen und Banken dürfte noch das Versicherungswesen einer besonderen gesetzlichen Regelung bedürfen. Die übrigen Aktienunternehmungen lassen nach Dafürhalten der bayerischen Regierung eine gleichartige Behandlung in legislativer Hinsicht wohl zu und es dürfte hierfür noch die Rücksicht sprechen, dass eine zu weit gehende kasuistische Spezifikation nur geeignet wäre, die natürliche Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens zu hemmen und einzuengen, ohne dessen Mannigfaltigkeit erschöpfen zu können. III. Bezüglich der vorzuschlagenden Abänderungen an den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen erlaubt sich das unterzeichnete k. Staatsministerium Nachstehendes ganz ergebenst zu bemerken: 1. Die größten Missbräuche bei Gründung von Aktiengesellschaften sind in denjenigen Fällen hervorgetreten, in welchen die Gesellschaft Anlagen oder sonstige Vermögensstücke von den Gründern übernahm oder wo letzteren besondere Vorteile bewilligt wurden. Es wird schwer sein, allen Missbräuchen in dieser Richtung zu begegnen, da die Verdunklung der Wahrheit in stets neuer Form versucht werden wird. Hauptsächlich bediente man sich zur Verdeckung des wahren Sachverhaltes des Mittels, dass die Gründer den nominalen Kaufpreis der Einlage in Aktien zum Nennwerte berichtigten, diese Aktien sofort unter dem Nennwerte zurückkauften und über dem Nennwerte öffentlich zum Verkaufe brachten, wodurch die Meinung begründet wurde, als bestehe der Gründergewinn lediglich in dem durch Verkauf der Aktien über dem Nominalwerte erzielten Gewinne. Fast von allen Autoritäten, welche sich in neuerer Zeit mit der Reform der Aktiengesetzgebung beschäftigt haben, ist anerkannt, dass diesen und ähnlichen auf Erlangung eines Gründergewinnes abzielenden Missbräuchen nur dadurch tunlichst begegnet werden kann, dass einerseits für die der Gründung vorausgehenden Vorbereitungshandlungen eine größere Publizität, als bisher, zur Vorschrift erhoben und andererseits die Verantwortlichkeit der an der Gründung beteiligten Personen erweitert und schärfer präzisiert werden. Auch die bayerische Regierung glaubt sich dieser Ansicht anschließen zu sollen; denn nach Wegfall der Staatsaufsicht über die Aktiengesellschaften dürfte es Aufgabe der Gesetzgebung sein, dem Publikum die Möglichkeit, selbst die erforderliche Kontrolle und Prüfung zu üben, tunlichst zu sichern. Für die hiernach vorzunehmende Abänderung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen dürften folgende Grundsätze aufzustellen sein: a) Der Wert der von einer Aktiengesellschaft zu übernehmenden Einlagen muss durch die Statuten bei Vermeidung der Nichtigkeit der bezüglichen Verträge in Reichswährung festgesetzt und durch Auszug aus dem Handelsregister veröffentlicht werden. Die Bestimmung des Gesetzes vom 1.6.1870, wonach der Preis auch in Aktien ausgedrückt werden kann, hätte in Wegfall zu kommen, da sie zur Verdunkelung des wahren Sachverhaltes geeignet ist. Wenn nämlich auch die Aktien auf eine bestimmte Summe lauten, so empfangen sie doch in solchem Falle ihren eigenen Wert erst wieder aus dem Werte der Einlagen, so dass den Beschwerden über zu hohe Bemessung des letzteren die Behauptung entgegengesetzt werden kann,
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der Einleger habe den Wert des Apports in Aktien deshalb so hoch stellen müssen, weil er die Aktien nur unter dem Nennwerte wieder habe veräußern können. b) In gleicher Weise sind die besonderen Gründervorteile im Gesellschaftsvertrage festzusetzen und zu veröffentlichen. c) Die Übertretung dieser Bestimmung begründet eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit und Strafbarkeit. Diese Grundsätze hätten sowohl bei KGaA als bei Aktiengesellschaften in Geltung zu treten, da die gleichen Verhältnisse bei beiden Gesellschaftsformen vorkommen können. 2. Die Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe neuer Aktien, bevor der Nominalwert der bereits emittierten Aktien voll einbezahlt ist, dürfte als unzulässig zu erklären sein, da derartige Operationen jedenfalls in der überwiegenden Mehrzahl von Fällen lediglich auf unsolide Spekulation abzielen. Verhältnisse, unter welchen durch ein derartiges Verbot die Interessen einer Gesellschaft geschützt werden können, sind ohne Zweifel selten, dass die Gesetzgebung hierauf keine Rücksicht zu nehmen hat, indem das Kapitalbedürfnis einer Gesellschaft sich fast immer zeitig voraussehen lassen wird, dass bis zu dem Zeitpunkte, in welchem eine neue Emission einzutreten hat, auch allen restigen (!) Einzahlungen auf die älteren Aktien eingerufen sein können und somit der neuen Emission aus diesem Grunde kein Hindernis im Wege steht. 3. Für den Fall späterer Aktienemissionen dürfte ein besonderes Vorrecht der Gründer und ersten Aktienzeichner als solcher auf den Bezug der neuen Aktien grundsätzlich auszuschließen sein. Abgesehen davon, dass derartige Vorrechte dazu verleiten, von Anfang an das Grundkapital zu niedrig zu normieren, erscheint es billig, dass im Falle eines günstigen Geschäftsergebnisses der aus neuen Emissionen erwachsende Vorteil nur den jeweiligen Aktionären nach Maßgabe ihres Aktienbesitzes zufalle, da dieselben auch die Gefahr des Unternehmens tragen. 4. Die Emission neuer Aktien und die Aufnahme von Prioritätsanlehen erscheint als eine so wichtige Angelegenheit, dass die Beschlussfassung hierüber gesetzlich der Generalversammlung vorzubehalten sein dürfte. 5. Was die Frage anlangt, ob die Verleihung von Aktien zum Zwecke der Ausübung des Stimmrechtes in der Generalversammlung zu verbieten sei, so glaubt sich die k. bayerische Regierung hierfür in denjenigen Fällen aussprechen zu sollen, in welchen die Verleihung in der Absicht geschieht, die Vorschriften des Gesellschaftsvertrages über die Ausdehnung des Stimmrechtes zu umgehen. 6. Dass die Mitglieder des Aufsichtsrates und Vorstandes für allen durch ihre Schuld verursachten Schaden haftbar sind, dürfte sich schon aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben; gleichwohl möchte es aber zweckmäßig sein, ihre Verpflichtung zur Anwendung oder Sorgfalt eines guten Kaufmannes ausdrücklich durch Gesetz festzustellen. 7. Das von mehreren Seiten in Anrechnung gebrachte Verbot der Verzinsung des Aktienkapitales während der Zeit, welche die Vorbereitung des Unternehmens fordert, hat zwar theoretische Gründe für sich, dürfte aber in der Praxis dazu führen, den nützlichsten Unternehmungen Schwierigkeiten zu bereiten. Die Zulässigkeit sogenannter Bauzinsen dürfte daher nicht auszuschließen, sondern nur durch den Ge-
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sellschaftsvertrag auf eine bestimmte Quote des Aktienkapitales zu beschränken und diese Bestimmung zu veröffentlichen sein, damit das Publikum einerseits darauf aufmerksam gemacht werde, dass die Verzinsung des Aktienkapitales während der Vorbereitungszeit einen Teil des Grundkapitales absorbiere und andererseits zu beurteilen vermöge, inwieweit etwa die Zusage einer derartigen Verzinsung lediglich darauf berechnet sei, zur Aktienzeichnung anzulocken. IV. Die nach vorstehenden Grundsätzen vorzunehmenden Abänderungen des HGB und des Gesetzes vom 11.6.1870 finden sich in der ergebenst angefügten Beilage zusammengestellt und das unterzeichnete k. Staatsministerium erlaubt sich hierzu noch erläuternde Bemerkungen: 1. Die Art. 173 a und 173 b in Verbindung mit Art. 173 c Abs. 4 erscheinen als Konsequenz der oben unter Ziffer III, 1 angegebenen Grundsätze. Da letztere gleichmäßig für KGaA und für Aktiengesellschaften maßgebend sein sollen, wären die bezüglichen Bestimmungen in Buch 2 Titel 2 Abschnitt 2 des HGB einzustellen und durch einen Zusatz zu Art. 207 auch auf Aktiengesellschaften anwendbar zu erklären. Behufs Vereinfachung der einschlägigen Vorschriften dürfte es sich auch empfehlen, entsprechend dem in Art. 173 a enthaltenen Vorschlage den Minimalbetrag für die verschiedenen Aktiengattungen gleichmäßig auf 200 Mark festzusetzen. Der nur für KGaA anwendbare Art. 173 hätte sich alsdann auf die Bestimmung zu beschränken, dass die Aktien der Kommanditgesellschaften bei Vermeidung der Nichtigkeit auf Namen zu stellen seien. 2. Der Art. 173 c, welcher nach dem zu Art. 207 vorgeschlagenen Zusatze nicht nur für KGaA, sondern auch für Aktiengesellschaften Geltung haben soll, enthält in seinem ersten Absatze eine für Aktiengesellschaften bereits bestehende Vorschrift, in den folgenden Absätzen die Anwendung der unter Ziff. III, 2 und 3 ausgesprochenen Grundsätze. 3. Der vorgeschlagene Zusatz zu Art. 175 Ziff. 9, 176 Ziff. 6, 209 Ziff. 13, 210 Ziff. 7, die Abänderung des Art. 180, der Zusatz Ziff. 4 zu Art. 204 und 225 b, die Modifikation und Ergänzung der Art. 206 und 249, der Wegfall des Art. 207 a, und endlich die Abänderung des Art. 207 b erweist sich als Konsequenz teils der unter Ziffer III, 1 angegebenen Grundsätze, teils der vorgeschlagenen Formulierung des Art. 173 a. 4. Die Abänderung des Art. 188 und 237 Abs. 1 ist durch die unter Ziffer III, 4 enthaltene Bemerkung bedingt; der Zusatz zu Art. 189 und 238 erhält seine Erläuterung durch Ziffer III, 5; die Vorschläge unter Art. 204 und 225 b Abs. 2 und zu Art. 241 finden in den Erörterungen unter Ziffer III, 6 ihre Begründung und endlich erscheinen die Vorschläge zur Art. 210 und 217 als der praktische Ausdruck der unter Ziffer III, 7 enthaltenen Ausführungen. V. Nachdem im Vorstehenden die Abänderung der bestehenden Gesetzgebung entwickelt wurde, welche die k. bayerische Regierung für geboten erachtet, erlaubt sich das unterzeichnete k. Staatsministerium noch auf einige von verschiedenen Seiten gemachte Vorschläge, welchen dieselben nicht beitreten zu können glaubt, näher einzugehen.
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1. Grundsätzlich dürfte alles auszuschließen sein, was mit dem früheren Systeme der staatlichen Bevormundung im Zusammenhang steht; von einer speziellen Überwachung der Aktiengesellschaften in größerem oder geringerem Umfange, sei es durch richterliche oder Administrativbeamte, wurde daher bei vorstehenden Vorschlägen vollständig abgesehen. Wenn auch das frühere Konzessionssystem bei entsprechender Erfüllung der dem Staate zugefallenen Aufgabe der Entstehung von Aktiengesellschaften vorbeugte, welche von Anfang an nur auf unredliche Ausbeutung des Publikums berechnet waren, so konnte dasselbe doch keine Garantie für die finanzielle Prosperität der zugelassenen Unternehmungen gewähren und ebenso wenig vermochte die staatliche Aufsicht, wenn sie nicht aus besonderen Gründen durch spezielle Kommissäre unausgesetzt geübt wurde, einer unsoliden Ausartung des Geschäftsbetriebes im Verlaufe der Zeit zu begegnen. Das Publikum, geneigt, die in der staatlichen Konzessionierung und Oberaufsicht liegende Garantie zu überschätzen, zeigte sich in der eigenen Prüfung und Kontrolle lässig und bürdete im Falle eintretender Verluste der Regierung die Verantwortlichkeit für Dinge auf, welche dieselbe nicht zu verhindern in der Lage war. Eine Wiederkehr derartiger Zustände dürfte gewiss umso weniger wünschenswert erscheinen, als bei der steigenden Entwicklung des Aktienwesens die Regierung weniger als je imstande wäre, eine einigermaßen befriedigende Kontrolle zu üben. Bei diesen Verhältnissen dürfte nicht nur von einer Rückkehr zum Konzessionssystem, welches ohnehin mit den maßgebenden Grundsätzen des modernen Staatslebens nicht in Einklang steht, sondern auch von andern verwandten Maßregeln, z.B. einer causae cognitio durch staatliche Behörden über das zulässige Maß des Gründergewinnes, über den Wert der Apports, über die Verzinsung des Aktienkapitales während der Vorbereitung usw. prinzipiell abzusehen sein. 2. Der mehrfach aufgetauchte Vorschlag, dass der Zeichner einer Aktie in jedem Falle für den vollen Betrag derselben haftbar bleiben solle, würde eine schwere Schädigung des Aktienwesens zur Folge haben. Entweder würden hiernach die Aktiengesellschaften vielfach genötigt sein, volle Kapitaleinzahlung zu einer Zeit zu verlangen, wo der Stand des Unternehmens eine nutzbringende Verwertung des gesamten Kapitales noch nicht zulässt, oder die Aktien blieben lange Zeit unverkäuflich und die Zeichner sowie eventuell ihre Rechtsnachfolger mit einer Haftung von einer vielleicht im Voraus gar nicht berechenbaren Zeitdauer belastet. 3. Von einer gesetzlichen Beschränkung der Aktiengesellschaften in der Aufnahme von Prioritätsanleihen auf eine bestimmte Quote des Aktienkapitales dürfte schon deswegen Umgang zu nehmen sein, weil die Verschiedenartigkeit der Unternehmungen auch eine verschiedene Größe der ohne Beeinträchtigung der Solidität der Fundierung zulässigen Kapitalaufnahme begründet und weil die Nominalhöhe des Aktienkapitales hinsichtlich des Wertes des Gesellschaftsvermögens nicht für alle Zeiten entscheidend ist. 4. Eine gesetzliche Bestimmung, wonach jede Aktie eine Stimme in der Generalversammlung gewährte, würde bei großen Aktiengesellschaften erhebliche praktische Schwierigkeiten hervorrufen; auch ist nicht zu verkennen, dass die in vielen Statuten vorgesehene Beschränkung der von einem Aktionär abzugebenden Stimmen auf eine
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gewisse Maximalziffer unter Umständen einen wohltätigen Schutz der kleinen Aktionäre gegen rücksichtslose Ausbeutung durch das Großkapital gewährt. 5. Die Einführung eines neuen Kontrollorganes in den sog. Revisoren dürfte den gehegten Erwartungen voraussichtlich nicht entsprechen. Sollen die Revisoren ihre Aufgabe erfüllen, so genügt hierfür nicht eine in den Zeitraum von wenigen Wochen zusammenhängende Rechnungsrevision am Jahresabschlusse, vielmehr müssten dieselben in fortlaufender Berührung mit der Verwaltung bleiben, um sich eine ununterbrochene Kenntnis der gesamten Geschäftsgebarung und einen steten Einblick in die Buchführung zu verschaffen. Diese fortwährende Kontrolle durch ein außerhalb der Verwaltung stehendes Organ könnte aber nur lähmend auf den Gang der Geschäfte einwirken, während andererseits ohne dieselbe die Tätigkeit der Revisoren über eine formelle Rechnungsprüfung nicht wohl hinausgehen könnte. Die k. bayerische Regierung glaubt daher, dass von einer gesetzlichen Einführung des Institutes der Revisoren – unbeschadet etwaiger statutarischer Bestimmung – Umgang zu nehmen sei. 6. Die Ausgabe von Aktien unter pari legt die Möglichkeit einer Täuschung des Publikums allzu nahe, als dass dieselbe ohne dringendes Bedürfnis zuzulassen wäre. Ein solches Bedürfnis dürfte schwerlich als vorhanden anzunehmen sein, da ein Steigen der Aktien über den Emissionskurs unter Voraussetzung entsprechender Rentabilität des Unternehmens ebenso gut bei Ausgabe derselben zum Nennwert als bei der Emission unter pari eintreten kann. Dass übrigens die im praktischen Resultate allerdings gewissermaßen zur Emission unter dem Nennwerte führende Gewährung sogenannter Bauzinsen nicht für entbehrlich zu erachten sei, wurde oben unter Ziff. III, 7 bemerkt. Vorschläge, die Abänderung einzelner Bestimmungen des HGB und des Gesetzes vom 11.6.1870 betr. Art. 173. Das Kapital der Kommanditisten kann in Aktien oder Aktienteile zerlegt werden, welche auf Namen lauten müssen. Dieselben sind, wenn sie auf Inhaber lauten, nichtig. Art. 173 a. Die Aktien müssen auf mindestens 200 Mark gestellt werden. Aktien oder Aktienanteile, welche auf einen geringeren Betrag gestellt werden, sind nichtig. Die Einzahlung auf das Aktienkapital ist in Reichswährung auszudrücken. Wenn von einer Kommanditgesellschaft auf Aktien Anlagen oder sonstige Vermögensstücke übernommen oder wenn zugunsten einer Person besondere Vorteile ausbedungen werden sollen, so muss deren Wert in Reichswährung festgesetzt werden. Die Einzahlung auf das Aktienkapital muss in den Beträgen erfolgen, auf welche die Aktien lauten. (*An den Bestimmungen in Art. 222 Z. 2 u. 3, wonach der Zeichner durch den Gesellschaftsvertrag nach Einzahlung von 40% von der Haftung für weitere Einzahlungen befreit werden kann, wird hierdurch nichts geändert.) Vorstehenden Bestimmungen zuwider abgeschlossene Verträge sind nichtig. Art. 173 b. Jede Einladung zur Aktienzeichnung muss den Namen des Einladenden und die in Art. 176 Ziff. 6 bezeichnete Bekanntgabe enthalten. Wer diese Bestimmung übertritt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft.
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Art. 173 c. Der Nominalbetrag der Aktien darf während des Bestandes der Gesellschaft weder erhöht noch vermindert werden. Solange nicht vollbezahlte Aktien vorhanden sind, ist die Ausgabe neuer Aktien verboten. Das vorzugsweise Bezugsrecht auf die neuen Aktien darf sich nur nach dem Besitze der bereits emittierten Aktien bemessen. Wer den Bestimmungen dieses Abschnittes zuwider zur Zeichnung auf das Aktienkapital einladet, Aktien ausgibt oder durch Dritte ausgeben lässt, ist für allen hierdurch entstandenen Schaden haftbar. Wird eine derartige Handlung von Mehreren gemeinschaftlich verübt, so haften dieselben solidarisch. Die Vorschriften dieses Abschnittes gelten auch von Aktienanteilen, Promessen und Interimsscheinen. Art. 175 Z. 9; 176 Z. 6; 209 Z. 13; 210 Z. 7 ... Den Wert der von der Aktiengesellschaft zu übernehmenden Anlagen oder sonstigen Vermögensstücke, sowie den Betrag der zugunsten einzelner Personen ausbedungenen besonderen Vorteile. Art. 180. Wenn die von der Gesellschaft zu übernehmenden Anlagen oder sonstigen Vermögensstücke von einem Gesellschafter herrühren oder wenn ein Gesellschafter pp. Art. 188, 237 Abs. 1 ... zu berufen, wenn es sich um die weitere Ausgabe von Aktien oder um die Aufnahme eines Prioritätsanlehens oder um die Belastung der Gesellschaft mit dinglichen Rechten handelt oder wenn die Berufung im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint. Art. 189, 238. Zusatz: Wer die Vorschriften des Gesellschaftsvertrages über die Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung umgeht, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft. Art. 204, 225 b. Zusatz: 4. oder Einzelnen, den ausdrücklichen Bestimmungen gegenwärtigen Gesetzes zuwider, aus der Gesellschaftskasse Vorteile zugewendet worden sind. In gleicher Weise sind dieselben zum Ersatze jenes Schadens verpflichtet, welcher entsteht, wenn sie bei ihren Geschäften nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anwenden. Art. 206, 249. 1) wenn ... Angaben machen über die Zeichnung oder Einzahlung des Kapitals der Kommanditisten (des Grundkapitals) über den vertragsmäßig festgesetzten Wert der von der Aktiengesellschaft zu übernehmenden Anlagen oder sonstigen Vermögensstücke oder über den Betrag des zugunsten einer Person bedungenen besonderen Vorteils. Art. 206, 249. Zusatz: Mit Gefängnis bis zu einem Jahre werden, soferne nicht eine höhere Strafe aufgrund des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich einzutreten hat, die persönlich haftenden Mitglieder (die persönlich haftenden Mitglieder sind im Art. 206 den Mitgliedern des Aufsichtsrats bei Kommanditgesellschaften gleichgestellt) und die Mitglieder des Aufsichtsrates (die Mitglieder des Aufsichtsrates und des Vorstandes) bestraft, welche sich den Bestimmungen gegenwärtigen Gesetzes zuwider, bei
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der Gründung oder dem Betriebe der ihrer Überwachung und Leitung anvertrauten Aktiengesellschaften die Vorteile zuwendeten oder zuwenden ließen. Art. 207. Zusatz: Die in den Art. 173 a–c gegebenen Bestimmungen finden auch auf Aktiengesellschaften Anwendung. Art. 207 a fällt aus. Art. 209 b Abs. 1 fällt aus. Abs. 2 lautet: Wenn von der Aktiengesellschaft Anlagen oder sonstige Vermögensstücke übernommen oder wenn zugunsten einer Person besondere Vorteile ausbedungen werden, muss der nach Zeichnung, soferne pp. Art. 210. Zusatz: Ist im Gesellschaftsvertrage für den Zeitraum, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Betriebes erfordert, den Aktionären behufs der Gewährung von Zinsen eine bestimmte unüberschreitbare Quote des Aktienkapitals zugesichert worden, so ist auch diese Bestimmung zu veröffentlichen. Art. 217 Abs. 2. Jedoch kann für den im Gesellschaftsvertrage angegebenen Zeitraum, welchen die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Betriebes erfordert, den Aktionären behufs der Gewährung von Zinsen eine im Gesellschaftsvertrage zu bestimmende unüberschreitbare Quote des Aktienkapitales nach Maßgabe des landesüblichen Zinsfußes zugesichert werden. Art. 225 b. Ersatz statt Schadensersatz. Art. 241. Die Mitglieder des Vorstandes müssen bei ihren Geschäften die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anwenden. Dieselben sind aus den von ihren pp. 8. Votum des preußischen Innenministers Eulenburg vom 5.8.1874 I. Inhalt der dem Kgl. Staatsministerium vorliegenden Vota des Herrn Handels- und des Herrn Justizministers vom 28.11. v. Js. beziehentlich 5.5. d. Js., die Reform des Aktiengesellschaftsrechts betreffend, sind die gedachten Herren Ressortchefs darüber einig, dass dem Herrn Reichskanzler in Erwiderung auf dessen Schreiben vom 7.4. v. Js. folgende legislativen Vorschläge zu empfehlen sein möchten. 1. Eine Verschärfung der jetzt nur bis zu 40% gehenden unbedingten Haftung der Primitivzeichner von Inhaberaktien (Art. 222 HGB) dergestalt, dass dieselben für die volle Summe des gezeichneten Nominalbetrages verhaftet sind und dass eine Liberierung von dieser Verhaftung, weil in derselben eine – die Rechte der Gesellschaftsgläubiger zu gefährden geeigneten – Beeinträchtigung des Grundkapitals liegen würde, nur in den Formen und mit den Wirkungen des Art. 248 HGB erfolgen kann. 2. Für Aktiengesellschaften, welche die Anlagen von Eisenbahnen bezwecken – und nach dem Vorschlage des JM auch für andere einer staatlichen Konzessionierung bedürftige Unternehmungen, z.B. Gesellschaften zu Kanalbauten oder Versicherungen die Aufnahme einer Bestimmung des Inhalts:
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dass die Statuten und deren Nachträge, insoweit bundesgesetzlich vor der Konzessionserteilung oder vor Aushändigung der Konzessionsurkunde einem Verwaltungsorgan durch Vorlegung der Zwischenscheine die erfolgte Zeichnung des Grundkapitals nachgewiesen werden muss, in das Handelsregister erst eingetragen werden dürfen, wenn dieselben Scheine nebst einem Zeugnis jenes Organs darüber, dass aufgrund ihrer das Anlagekapital als nachgewiesen angenommen sei, dem Richter vorgelegt worden sind. 3. Eine Verschärfung der Vorschriften über den Nachweis der Genehmigung des Grundkapitals in der Richtung: dass neben der Vorlegung der Zwischenscheine auch eine von dem Vorstand unterzeichnetes und bei dem Handelsregister aufzubewahrendes Verzeichnis für erforderlich erklärt wird, welches über Namen, Stand und Wohnort der Zeichner sowie über die gezeichneten Beträge Auskunft gibt, und dass etwaige Gegenreverse, mittels deren die formale Zeichnung mitunter als ein bloßer Scheinakt anerkannt und dem Zeichner die materielle Unverbindlichkeit der unterschriftlich eingegangenen Verpflichtung bezeugt wird, der Gesellschaft und den Gläubigern gegenüber rechtlich unwirksam sind. 4. Eine Ausdehnung der strafrechtlichen Verhaftung des Vorstandes und des Aufsichtsrates, welche sich nach Art. 249, 249 a auf die Fälle a) der Seitens des Vorstandes schuldbar unterlassenen Anzeigen über die eingetretene Insuffizienz der Gesellschaft, b) vorsätzlich falscher Angaben über die Zeichnung oder Einzahlung des Grundkapitals, c) schuldbarer Nichtkonstituierung oder Nichtkomplettierung des Aufsichtsrats während 3monatlicher Frist, d) wissentlich falscher Geschäftsdarstellungen in den Übersichten oder Inhaltsberichten, beschränkt, auf alle Fälle einer das öffentliche Interesse berührenden Gesetzesverletzung (z.B. Erwerb oder Amortisierung eigener Aktien, Art. 215). 5. Eine obligatorische Beurkundung der Verhandlungen der Generalversammlungen in gerichtlicher und notarieller Form und Veröffentlichung derselben durch Niederlegung bei dem Handelsrichter, bei welchem jedem Beteiligten Einsicht der Verhandlungen zu gestatten sein würde. 6. Emanierung einer Bestimmung des Inhalts: dass etwa 14 Tage vor der ordentlichen Generalversammlung jedem Aktionär – wenn auch nur auf Verlangen – die Inventur und die Bilanz nebst etwaigem Revisionsbericht zugänglich gemacht werden soll und dass auf Antrag von etwa einem Fünftel der Aktionäre die Berufung der Generalversammlung dem Richter übertragen werden möge, für den Fall, dass die hierzu zunächst berechtigten oder verpflichteten Gesellschaftsorgane einem bezüglichen gesetz- oder statutmäßigen Antrage überhaupt nicht oder nicht rechtzeitig Folge geben.
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7. Ausdehnung der Individualrechte der einzelnen Aktionäre dahin: dass dieselben in allen Fällen der Verletzung gesetzlicher oder statutarischer Bestimmungen Ersatzansprüche wegen des ihnen aus vertretbarer Verschuldung der Gesellschaftsorgane erwachsenen Schadens gegen diese – wenn auch erst nach vergeblich erfolgter Anrufung der Generalversammlung – selbständig geltend machen zu können. Meinerseits ist gegen die vorgedachten legislativen Vorschläge ein Bedenken nicht zu erheben. II. Bezüglich der von dem HM und dem JM verschieden beantworteten Reformfragen erlaube ich mir folgende wesentliche Punkte hervorzuheben: 1. Der HM empfiehlt ein (jedoch nicht auf die Versicherungsgesellschaften zu beziehendes) Verbot, das Grundkapital durch Ausgabe neuer Aktien zu erhöhen, bevor das zuerst bestimmte Aktienkapital voll eingezahlt worden, und gleichzeitig eine Ausschließung des zugunsten der ersten Zeichner oder einzelner Gründer üblichen Vorbehalts der prioritätischen Übernahme von neu auszugebenden Aktien. Der JM ist gegen beiderlei Neuerungen. Aus den von demselben geltend gemachten Gründen habe ich zwar keine Bedenken, den Primitivzeichnern der alten Aktien, wenn solche noch in ihrem Besitze befindlich sind, als praemium für die im Wesentlichen gerade von ihnen herbeigeführte glückliche Entwickelung des Unternehmens ein Vorzugsrecht auf junge Aktien zu gewähren. Dagegen muss ich mich mit dem HM – mit bereits von ihm befürworteten Ausnahmen hinsichtlich der Versicherungsgesellschaften, bei welchen der über 20% hinausgehende, nur durch Wechsel gedeckte Teil des Grundkapitals überhaupt nur die Funktion einer außerordentlichen Reserve hat – für Einführung eines Verbots der Ausgabe neuer Aktien vor Volleinzahlung der alten aussprechen. Es handelt sich um erforderlich werdende Vergrößerung des Betriebskapitals. Die zu dieser Vergrößerung nötigen Barmittel sind, je nachdem das Unternehmen bisher reüssierte und das Kapital momentan flüssig ist oder nicht, unter dem Titel der Ratennachzahlung auf alte Aktien ebenso leicht resp. schwer in den beteiligten Kreisen zu beschaffen, wie unter dem Titel der Primitiveinzahlung auf neue Aktien. Der reellen Natur der Sache aber entspricht es jedenfalls mehr, zur Emission neuer Aktien nur dann zu schreiten, wenn der voll eingezahlte Nominalbetrag der alten Aktien sich als unzureichendes Grundkapital erwiesen hat. 2. Um für die Fälle der sog. qualifizierten Gründungen (Art. 209 a) die schweren Misstände möglichst zu beseitigen, welche sich unter Herrschaft des bisherigen Rechts nicht selten ereignet haben, empfiehlt der HM Einführung einer dahin gehenden Vorschrift: dass bestimmte Personen – mindestens sieben – einen von ihnen unterzeichneten Prospekt, der nicht nur die für die Beurteilung der Grundlagen, des Vermögensstandes und der Gewinnaussichten des Unternehmens wesentlichen Vereinbarungen und Wertsangaben im Allgemeinen, sondern insbesondere auch über die sogenannten Apports, über die von der Gesellschaft zu übernehmenden Anlagen oder sonstigen Vermögensstücke und über das hierfür bar oder in Aktien zu gewährende Äquivalent vollständige Auskunft gibt und für dessen Richtigkeit sie solidarisch
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verhaftet sind, aufzustellen und zu veröffentlichen haben und dass erst, nachdem diese Publikation mehrmals erfolgt ist, zur Zeichnung öffentlich aufgefordert, zur Abhaltung der ersten Generalversammlung geschritten und die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bewirkt werden darf. Diesem Vorschlage gegenüber hofft der JM, die wünschenswerte Sicherung der Aktienzeichner gegen Übereilung und Verheimlichungen ab Seiten der Gründer dadurch zu erreichen, dass für die Zeichenscheine eine Bezugnahme auf den vorher im Detail festzustellenden Gesellschaftsvertrag verlangt werde und dass demselben, dessen Inhalt bezüglich der hier fraglichen Stipulationen wörtlich wiederzugeben haben. Ich würde vorziehen, in dieser Beziehung den Ausführungen und Vorschlägen des JM zuzustimmen, indem ich übrigens der Bemerkung des HM beipflichte, dass, da bei der Reform auf dem vorliegenden Gebiete die Innehaltung der schmalen Grenzscheide zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig sehr schwierig ist, die intendierte Gesetzgebung in gewissem Sinne sich auf ein bloßes Experimentieren beschränken wird. 3. Um in den Mitgliedern des (nach der Intention des Gesetzes nicht zur unmittelbaren Verwaltung, sondern zur sorgsamen Kontrolle berufenen) Aufsichtsrats das Bewusstsein der Verantwortlichkeit zu wecken und zu stärken, wünscht der HM eine präzise Klarstellung des Umfangs ihrer vermögensrechtlichen Haftpflicht. Derselbe empfiehlt daher eine allgemeine Bestimmung des Inhalts: dass die Mitglieder des Aufsichtsrats der Gesellschaft gegenüber wegen jeder selbst kulposen Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten persönlich und solidarisch mit der Maßgabe haften, dass der Richter nach freiem Ermessen über etwaige Schadensersatzansprüche zu entscheiden hat. Der JM hat dann, ohne übrigens gegen das prozessualische Moment etwas zu erinnern, entgegnet: dass die Verhaftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder für dolose und kulpose Versäumung ihrer Obliegenheiten der Gesellschaft gegenüber bereits aus der vertragsmäßigen oder vertragsähnlichen Übernahme diesen Pflichten folge, dass bezüglich dieser Verhaftung Dritten gegenüber die Art. 225 b über den Aufsichtsrat und die Art. 241, 248 über den Vorstand ausreichende Bestimmungen enthielten, und dass, da selbst die Vorstandsmitglieder in dieser Richtung nur aus eigenen Handlungen haften, es bedenklich erscheine, eine Verhaftung der Aufsichtsratsmitglieder schon aus dem Mangel schuldiger Aufsicht entspringen zu lassen. Ich schließe mich diesen Ausführungen an. 4. Der HM wünscht, hinsichtlich der inneren Angelegenheiten der Aktiengesellschaften an den bestehenden Vorschriften nichts zu ändern und dem unter anderem auch von der Untersuchungskommission ausgegangenen Vorschlage: dass die Bestellung eines außerhalb jeder Beziehung zur laufenden Verwaltung stehenden Kontroll- oder Revisionsorganes vorgeschrieben werden möge, nicht Folge zu geben. Hierfür sind insbesondere 2 Gründe angeführt, einmal die Notwendigkeit, dem zur Verwaltung zunächst berufenen Vorstande nicht lediglich die –
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schwer in Tätigkeit zu bringende – Generalversammlung ohne jede Zwischeninstanz gegenüberzustellen, zum anderen der Umstand, dass bei größeren Unternehmungen und komplizierten Verwaltungen eine vollkommen erschöpfende und zuverlässige Revision kaum möglich ist, wenn der Revisor nicht in der Lage ist, mit der Verwaltung bleibende Fühlung zu behalten. Diese Gründe sprechen zugleich meines ganz ergebensten Dafürhaltens gegen den von Herrn JM angeregten Vorschlag: die Verwaltung nur in bestimmten Zeitabschnitten zu revidieren, also statt der Bestellung eines permanenten Aufsichtsrats die Ernennung von jeweiligen Revisoren zuzulassen, welche erst zu einer Zeit zu wählen sein würden, in welcher man bereits wissen könne, welche speziellen Interessen in Frage kommen würden. Ich schließe mich in dieser Beziehung den Ausführungen des HM an. 5. Darüber einverstanden, dass ein wesentlicher Grund der vorhandenen Übelstände in den Übergriffen des Aufsichtsrats sowie in der Indolenz der Aktionäre zu suchen ist, wünschen der HM und der JM gemeinschaftlich die Emanierung einer gesetzlichen Bestimmung des Inhalts: dass die naturgemäß der Generalversammlung gebührende Entscheidung in gewissen Fragen diesem Organe auch unter allen Umständen zu belassen ist und dass weder durch das Statut, noch durch besonderen Beschluss dem Aufsichtsrate übertragen werden darf. Nur über das bezügliche Unterscheidungsmerkmal differieren die beiden Herren Minister. Der HM will die Bestimmung auf den für die finanziellen Schicksale des Unternehmens besonders wichtigen Punkte beschränken (Erhöhung des Grundkapitals, Bestimmung des Emissionskurses, Aufnahme von Anleihen, Disposition über den Reservefonds, Fixierung der Tantiemen); der JM dagegen wünscht das Kriterium in der Natur des bezüglichen Gegenstandes zu finden, so dass die Beschlussfassung über Punkte, welche die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft – im Gegensatze zur Form und Wirkung der Vertretung derselben nach außen – betreffen, unabänderlich und ausschließlich der Kompetenz der Generalversammlung vorbehalten bleiben soll. Der Vorschlag des HM scheint mir der praktisch empfehlenswertere. 6. Um die Möglichkeit einer Fälschung des Mehrheitswillens, der nach Absicht des Gesetzes in der Generalversammlung zum Ausdruck kommen soll, zu verhindern, empfiehlt der HM den Erlass einer Strafbestimmung gegen diejenigen, welche in der Generalversammlung als Eigentümer von Aktien auftreten, die ihnen nicht gehören, oder welche zu dem Zwecke ihre Aktien an andere überlassen. Der JM hält es für unzulässig, die Bevollmächtigung anderer mit Stimmabgabe zu verbieten und wünscht daher, die vorgeschlagene Strafbestimmung dahin zu beschränken, wenn die Stimmenzahl eines einzelnen Aktionärs statutarisch beschränkt oder das Stimmrecht desselben (z.B. da, wo es sich um Fälle des eigenen Interesses handelt) ausgeschlossen ist, die Vorschriften des Gesetzes oder Statuts nicht durch Verteilung oder Übertragung des Aktienbesitzes umgangen werden dürfen. Ich schließe mich der zuletzt gedachten Auffassung an.
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7. Für die Fälle, in welchen eine Verletzung des Gesetzes oder des Statuts ab Seiten der Gesellschaftsorgane zwar noch nicht positiv behauptet werden kann, aber nach Lage der Umstände als wahrscheinlich anzusehen ist, wünscht der HM ein Individualrecht auf nähere Feststellung des Tatbestandes zu statuieren, Kraft dessen Aktionäre, welche zusammen 1/5 des Grundkapitals repräsentieren, beim Richter eine Untersuchung von Tatsachen extrahieren können, die sich unter Assistenz von Vertretern sowohl der Majorität als der Minorität auf Einsichtnahme der Bücher, eidliche Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zu erstrecken habe und nach Befinden des Gerichts zur Publikation des betreffenden Befundes führen würde. Der JM hat hier das Bedenken geäußert, dass die intendierte Maßregel leicht dazu führen könne, für bloße Privatinteressen eine Art gerichtlicher Untersuchung mit Vernehmung von Zeugen oder anderen Beweiserhebungen eintreten zu lassen. Ich glaube, diesen Bedenken erhebliches Gewicht nicht beilegen zu sollen. Nach dem Vorschlage des HM muss der bezügliche Antrag substantiiert und bescheinigt sein und das Gericht hat darüber zu befinden, ob und in welcher Richtung und Ausdehnung ihm stattzugeben sein möchte. Eine in gewissem Grade wahrscheinlich gemachte Gesetz- oder Statutverletzung ist unbedingte Voraussetzung des gerichtsseitigen Vorgehens. Da die Grenzlinie, welche die zivile Responsabilität der Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte von der kriminellen Haftbarkeit derselben scheidet, nur eine ganz schmale ist, so halte ich – dem sehr wesentlich beteiligten öffentlichen Interesse gegenüber – den Eintritt einer Untersuchung, deren gesetzliche Statuierung hier erstrebt wird, für etwas durchaus Empfehlenswertes, selbst auf die Gefahr hin, dass die eingeleiteten Untersuchungen ausnahmsweise oder unter besonderen Umständen einmal nur mit dem Resultat einer Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtnis endigen sollte, statt den Beschuldigten nach den Intentionen der Antragsteller auf die Anklagebank zu führen. III. Dem schließlich von dem JM ausgesprochenen Wunsche, dass auch noch die dem Konzessionssysteme entnommenen letzten Überreste der Staatsaufsicht über die Aktiengesellschaften als schädlich beseitigt werden möchten, vermag ich mich nicht anzuschließen. Ein näherer Nachweis der behaupteten Schädlichkeit ist nicht erbracht und der Annahme, dass die Staatsaufsicht ein Ausfluss des bereits aufgegebenen Konzessionssystems sei, kann nicht ohne weiteres beigetreten werden. Insofern das diesseitige Ressort beteiligt ist, also bezüglich der Versicherungsgesellschaften, Hypothekenbanken usw. ist das Konzessionssystem – nach der klaren Vorschrift des § 3 des Gesetzes vom 11.6.1870 – nicht aufgegeben. Abgesehen hiervon hat meines ganz ergebensten Dafürhaltens die Staatsaufsicht nicht sowohl in der Form, in welcher die Aktiengesellschaft in die Erscheinung tritt, als vielmehr in dem Gegenstande des Unternehmens und in dem nahen Zusammenhange, welcher zwischen dem Unternehmen und allgemeinen polizeilichen resp. volkswirtschaftlichen Interessen von erheblicher Bedeutung besteht, endlich in dem diesen Gesellschaften beizulegenden Charakter juristischer Personen ihren Grund. Hieraus glaube ich folgern zu müssen, dass die hier in Rede stehende Reform des Aktiengesellschaftsrechts nicht der geeignete Ort sein dürfte, den Fortbestand des zur Zeit unbestrittenen staatlichen Oberaufsichtsrechts in Frage zu stellen. Es kommt hierzu, dass es vermöge der
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Staatsaufsicht doch in einigen nicht unerheblichen Fällen gelungen ist, die „Warnerfunktion“ auszuüben und das Publikum vermöge eines Hinweises darauf, dass die Geschäftslage einer Gesellschaft sich als unsicher darzustellen anfange, von weiterer Beteiligung bei einem ungesunden Unternehmen abzuhalten. gez. Eulenburg.
IV. Bericht des Ausschusses für Justizwesen vom 9.6.1874 (Zeitpunkt der Aktienrechtsreform) [...] In Nr. 30 der Drucksachen des Reichstags von 1873 findet sich eine in der Sitzung des Reichstags vom 4.4.1873 umständlich motivierte Interpellation des Abgeordneten Lasker, welche den Herrn Reichskanzler um Auskunft darüber ersucht: ob ihm die im Aktienwesen bemerkbar gewordenen Missbräuche bekannt seien, und ob eine Remedur erwartet werden könne? In der erteilten Antwort ist enthalten, dass der Gegenstand wohl bemerkt und Gegenstand der ernsten Beratung geworden sei, dass man auch beabsichtige, die einzelnen Regierungen um Mitteilung der gemachten Erfahrungen und der wünschenswert scheinenden Maßregeln zur Abhilfe zu ersuchen. Die demgemäß eingeforderten Äußerungen der Regierungen liegen jetzt vor. Das Reichskanzleramt hat in einem Schreiben vom 28.4. c. den Ausschuss ersucht, sich bei der Beratung über Plan und Methode für die Ausarbeitung des Civilgesetzbuchs zugleich auch darüber schlüssig zu machen und einen Beschluss des Bundesrats herbeizuführen, ob die wegen eventueller Änderung des Aktienrechts eingeleiteten Verhandlungen bis zur allgemeinen Revision des Handelsgesetzbuchs zu sistieren, oder aber in separato zum Abschluss zu bringen seien. Der Ausschuss wird sich daher auch über diesen Punkt zu äußern haben. Es ist zu diesem Ende nicht nötig, genauer auf die notorische Sachlage oder das Materielle der Aktiengesetzgebung und die zu deren Verbesserung gemachten Vorschläge einzugehen. Die neuere Aktiengesetzgebung, welche durch Aufhebung des Konzessionszwanges und der staatlichen Beaufsichtigung eine größere Freiheit gewährt, hat damit nicht gerade ein neues Experiment gemacht, sondern ist nur einem an sich richtigen Gesichtspunkt und dem Vorgange anderer Gesetzgebungen gefolgt. Es hat indessen in Verbindung mit dem erwachten regeren Treiben auf dem Gebiete der materiellen Interessen nicht an schlimmen Erfahrungen fehlen können, und im Ganzen hat sich die Rechnung, die auf den Satz jura vigilantibus gemacht werden musste, nicht bestätigt. Gleichgültig kann sich die gesetzgebende Gewalt diesem Zustande gegenüber allerdings nicht verhalten und nicht erwarten, dass das Publikum durch Schaden klug und vorsichtig gemacht werde. Auch hat die Erfahrung gezeigt, dass hier die Sitte nicht mächtiger ist als das Gesetz. So sehr nun aber der Gegenstand der Aufmerksamkeit wert ist, so wenig scheint es geraten, jetzt mit besonderen gesetzlichen Maßregeln einzuschreiten. Die eingetretenen schlimmen Folgen sind jetzt nicht mehr rückgängig zu machen, und nach der
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hoffentlich in der Hauptsache überstandenen Krisis ist die Lage im Augenblick nicht der Art, dass rasche Maßregeln nötig wären. Es kann sich ohnehin nicht empfehlen, gerade unter dem Eindrucke einer überstandenen Kalamität ein gesetzgeberisches Werk zu unternehmen. Man wird nicht daran denken, das Institut der Aktiengesellschaft, welches immer neben seinen Lichtseiten auch seine Schattenseiten haben wird, zu beseitigen. Ebenso wenig wird sich die nachteilige Lage, in der sich Gewinnsucht und Leichtgläubigkeit einer komplizierten Geschäftsform gegenüber befinden, ganz beseitigen lassen. Es wird also für den Gesetzgeber immer auf eine Vermittlung zwischen der zu gestattenden Freiheit im Gebrauche jener Geschäftsform und der notwendigen Rücksicht auf Beschränkung des Missbrauchs ankommen. Hier mag sich die Grenze unter Beachtung der gemachten Erfahrungen finden und die Frage näher erörtern lassen, ob die Abhilfe mehr vom Zivilrechte oder vom Strafrechte zu erwarten ist. Ein Bedürfnis zu schleuniger Abhilfe und zu außerordentlichen Maßregeln – und solche würden im jetzigen Augenblicke in einer neuen Regulierung des Aktienwesens zu erkennen sein – ist sonach nicht vorhanden. Man kann einstweilen auch wohl darauf rechnen, dass eine strenge Handhabung der Strafgesetze gegen den Missbrauch der aus der Gesetzgebung über das Aktienwesen herzuleitenden Rechte von Einfluss sein werde. Sonach ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Revision der Gesetze über Aktiengesellschaften mit der Revision des Handelsgesetzbuchs zu verbinden sein. Der Bundesrat beschloss am 22.6.1874: Die Revision der Gesetzgebung über die Aktiengesellschaften ist mit der Revision des Handelsgesetzbuchs zu verbinden (§ 328 der Protokolle des Bundesrats 1874, S. 230).1
1 Fortsetzung der Quellen bis zum Aktiengesetz von 1884 im Sonderheft 4 (hrsg. von W. Schubert/P. Hommelhoff) und ergänzend in: Quellen zum Aktiengesetz vom 18. Juli 1884, hrsg. von W. Schubert, Frankfurt a. M. 2017.
Register Aktienbanken 235 Aktienbuch 29, 21, 173 Aktiengesellschaft 2 ff., 19 ff., 35 ff., 48 ff., 87 ff., 151 ff., 165 ff. – als juristische Person 27, 55, 171 – Einengung des Gebiets der AG 186, 222 – gemeinnützige AG 41 – nicht Handel treibende AG 72 f., 78, 85 f., 87, 104, 139, 146, 153, 168, 208 Aktionär, Rechtsverhältnis 27 f., 171 f., 206, 222 Amortisation eigener Aktien durch die Gesellschaft (Verbot) 50, 71, 92, 109 f., 118 f., 125 f., 131, 163, 171, 206, 219 f. Anleihen, Aufnahme durch die Gesellschaft (Verbot) 37, 51, 72, 94, 111, 119, 128 f., 138, 149, 162, 189 Auflösung einer AG (auch Übereignung einer AG auf eine andere AG) 32 f., 95, 150, 158 f., 177 f. Aufsichtsrat 29, 36 ff., 51 f., 66 f., 90, 93 f., 105, 116 f., 118, 120 f., 138, 157, 163, 168 f., 173 f., 189, 205, 206 f., 229 – Delegation von AR-Mitgliedern in den Vorstand 206 – Haftung von AR-Mitgliedern 51, 93, 157 f., 174, 189, 205 f., 229, 237, 245 – Mindestmitgliederzahl 36, 49, 90, 121, 147 f., 154, 161, 168 – Vergütung 37, 51, 111 Baden 56 Bayern 233 ff. Behrend, Jacob Friedrich 9 belgisches Aktienrecht 207, 209, 220 Bezugsrechte/Vorteile der Gründer s. unter Gründer Bilanz 31 f., 37, 50 f., 67 f., 69 ff., 90, 94 f., 104, 110 f., 119, 121, 126, 133 f., 148 f., 158, 162 f., 176, 193, 220 – Grundstücke 47, 50, 69, 70, 94, 126, 133, 150, 158, 163 – Kosten der Organisation 47, 50, 70, 94, 126 f., 134, 150, 158, 176 – Veröffentlichung 70, 127, 134, 148, 216 f. Braunschweig 80 f., 83 f., 86, 98, 101 f., 103 Bremen 11, 99 f., 193 f.; s. auch unter Hamburg
Bundesrat 5 ff., 75 ff., 85 ff., 139 ff., 161 ff., 164, 248 f. Deutscher Juristentag 186 Eisenbahn-AG 7 ff., 181 ff., 203 f., 226 f., 234 f., 243 englisches Aktienrecht 60, 66, 69, 75 f., 80, 100, 106 f., 121 f., 125 f., 141 ff., 131, 209, 219 französisches Aktienrecht 41, 56, 60, 64, 76, 80, 100, 105, 108 f., 121, 125 f., 131, 143 ff., 149, 197 f., 207 f. Generalversammlung 29, 31, 82, 91, 154, 175 f., 206 f., 230 f., 246 – Beurkundung von Beschlüssen 231, 243 – Einberufung einer Generalversammlung (auch auf Verlangen einer Minderheit) 29, 31, 175 f., 232, 243 – erste Generalversammlung zur Gründung einer AG 90, 154, 169 – Stimmabgabe 239 f., 246 – Stimmrechtsmissbrauch 231 f., 222 Gesellschaftsvertrag (Statut) 25 f., 49 f., 59, 89 f., 90 f., 154 – Abänderung des V. 27, 43, 91 f., 155 f., 161, 171 – Anmeldung beim Registerrichter und Eintragung der AG in das Handelsregister 26, 36, 49, 91 f., 155 f., 170, 183, 188, 191, 229, 243 – notarielle Beglaubigung 20, 36, 49, 91, 116, 155, 170, 207 – Veröffentlichung des G. 26, 36, 50, 72, 86, 91, 107 f., 117, 119, 124 f., 138, 155, 161, 163 Goldschmidt, Levin 9, 12 f. Gründer 184, 191 f., 195, 187, 200 f., 211, 214 f., 221, 236 f. Grundkapital (auch Erhöhung) 26, 67 f., 90, 154, 168, 187, 189, 224, 228, 237 Hamburg 11, 62, 64, 76 f., 82 f., 99 ff., 105 f., 108, 114–136, 137 f., 163 f., 212 ff. – Handelsgericht 118 ff. – Handelskammer 116 ff., 217 ff. – Obergericht 129 ff.
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Register
Individual- und Minderheitenrechte 185, 186 f., 189, 193, 207, 208 ff., 232 f., 243, 244, 247; s. auch unter Generalversammlung (Einberufung einer GV) Inhaberaktie 25, 29, 36, 50, 63, 89, 108, 153, 168, 172 f., 240 – Mindestzahlung bei Anmeldung zum Handelsregister 36, 64, 107, 118, 123, 170, 228 – Befreiung des Zeichners nach Einzahlung von 25/40 % 28 f., 116, 157, 162, 172 f., 199 f., 223, 239, 242, 244 – Mindestnominalhöhe 36, 41, 50, 64, 89, 116 f., 119, 125, 134, 146 f., 168, 184, 238 – Neuedition von Aktien mit/ohne Bevorzugung der Gründer 215 – Neuedition von Aktien vor Volleinzahlung 199 f., 244 – Unabänderlichkeit der Nominalhöhe 37, 50, 71, 109, 125, 131, 138, 147, 153, 163, 168 Interimsscheine s. unter Promessen Italienisches Aktienrecht 145 Kaduzierung 28, 172 Kaufmannschaft Berlin 210 ff. Kommanditgesellschaft auf Aktien 39 f., 57, 61 ff., 68 f., 75 f., 78, 80 f., 87 ff., 102, 105, 115 ff., 120 f., 131 f., 146, 151 ff., 165–167, 212, 230, 238, 240 Konkurs der AG 32, 95, 158, 177 Kontrahierungsverbot s. unter Verträge der Gesellschaft Konzessionierung der AG, Wegfall bzw. Beibehaltung 25, 35, 39 ff., 54 ff., 57 f., 59, 62, 75 ff., 116, 118, 130, 139 f., 196, 239 Liquidation der AG 33, 178, 220 Lübeck 99 f.; s. auch unter Hamburg Mecklenburg 98, 102 Meyer, Alexander 13 f. Nachgründung 226 Namensaktie 25, 28 f., 36, 50, 63 f., 89, 168, 173, 200; s. auch unter Inhaberaktie – Mindestnominalhöhe 36, 50, 63, 89, 168, 200 Normativsystem (neue Normativbestimmungen) 36 ff., 49 ff., 60 f., 76 f., 78 f., 82 f., 86, 89, 100 f., 115, 120, 129 f., 137, 139 f., 163, 186 f., 196, 211, 222
Organisationskosten s. unter Bilanz Preußen 2 ff., 35 ff., 41 ff., 46 ff., 55 ff., 75 ff., 87 ff., 187 ff., 190 ff., 220 ff., 242 ff. – Handelsminister 35 ff., 187 ff., 190 ff. – Innenminister 46, 242 ff. – Justizminister 4 f., 41 ff., 220 ff. Prioritätsstammaktien 56, 204, 227 f. Promessen/Inhaberscheine 28, 89, 105, 168, 172, 198, 224 Prospekt (-haftung) 186, 187, 192, 202 f., 225 f., 244 f. Quotenaktie 227 Reichstag 7, 165 ff. (passim) Reservefonds 70, 94, 150, 158, 176 Revisoren 105, 134, 185, 187, 204 f., 240, 245 f. Sacheinlagen (Sukzessivgründung) 37, 49, 65 f., 90 f., 116, 118, 123, 135, 154 f., 169, 188, 200 ff., 225, 236 f., 242 Sachsen 11, 79, 81 f., 99 f., 137, 190 ff. Schäffle, Albert 13 Strafbestimmungen 38, 52, 70, 95 f., 106, 113, 122, 136, 141, 150 f., 159 f., 161, 179, 206, 214, 241 f., 243 Thüringische Staaten 98 f., 102 Unterpariemission 191, 203 f., 227, 240 Verbot des Erwerbs eigener Aktien durch die Gesellschaft 50, 70 f., 92, 109 f., 125 f., 161, 171, 206, 220 Verein für Socialpolitik 186 f. Verträge der AG mit Mitgliedern des Vorstands/Aufsichtsrats (Verbot) 38, 51, 93, 112, 118, 132, 138, 149 Vor-AG 26, 12, 156, 170 Vorstand 30 ff., 51 f., 90, 93 f., 158, 174 ff. – Eintragung in das Handelsregister 31, 175 – Haftung 32, 38, 51 f., 112 f., 135 f., 237, 242, 245 Wiener, Heinrich 9 Württemberg 60, 62, 70, 71 Zeichnung von Aktien/Zeichner 25, 89 f., 106, 123, 154, 191, 203, 204, 226, 228, 243, 245
Register
Zinszahlung/Gewährung von Vorteilen an Aktionäre, Verbot 28, 92 f., 133, 156 f., 171, 184, 188, 192 f., 232 f., 242
Zweigniederlassung 27, 92, 156, 170 f.
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Quellennachweis S. 19–34:
Verhandlungen über die Entwürfe eines ADHGB und eines EinführungsGesetzes zu demselben in beiden Häusern des Landtags im Jahre 1861, Berlin 1861, S. 39–57 S. 35–47: Geh.StA PK Berlin, Rep. 120 II a, 12 II a, Nr. 1 vol. 5 S. 47–74: Drucksachen zu den Verhandlungen des Bundesrathes des Norddeutschen Bundes, Session 1869, Nr. 86 S. 75–77: Staatsarchiv Hamburg, 132-5/4-VI 5 S. 77–85: Drucksachen des Bundesrathes, Session 1870, Nr. 28 S. 85–115: Drucksachen des Bundesrathes, Session 1870, Nr. 56 S. 116–137: Bundesarchiv Berlin R 1401/674 (= StA Hamburg, 111-1/13851) S. 137–138: StA Hamburg 132-5/4-VI 5 S. 139–161: Drucksachen des Bundesrathes, Session 1870, Nr. 62 S. 161–163: Verhandlungen des Bundesrates, Session 1870, § 193 S. 163–164: StA Hamburg, 132-5/4-VI 5 S. 165–179: R. Schröder (Hrsg), Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch und die Allgemeine Deutsche Wechselordnung, 6. Aufl., Mannheim 1884, S. 34–53 S. 181–187: Annalen des Deutschen Reichs 1874, Sp. 359–365, 376–378 S. 187–209: BA Berlin, R 3001/2859 S. 210–212: Felix Hecht, Das Börsen- und Actienwesen der Gegenwart und die Reform des Gesellschaftsrechts, Mannheim 1874, S. 298–304 S. 212–217: BA Berlin, R 3001/2859 S. 217–220: Hecht, aaO., S. 230–237 S. 220–248: BA Berlin, R 3001/2859 S. 248–249: Drucksachen des Bundesraths, Session 1874, Nr. 78 Die Quellen werden unter Beibehaltung des Lautstandes in der gemäßigten neuen Rechtschreibung und mit einigen Abkürzungen (u.a. ADHGB, KGaA, HM = Handelsminister) wiedergegeben.