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German Pages 320 Year 1990
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht
Band 8
Neuere Entwicklungen im Gentechnikrecht Rechtliche Grundlagen und aktuelle Gesetzgebung für gentechnische Industrievorhaben
Von
Dr. Andreas Pohlmann
Duncker & Humblot · Berlin
ANDREAS POHLMANN
Neuere Entwicklungen im Gentechnikrecht
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wolfgang Graf Vitzthum in Gemeinschaft mit Martin HeckeI, Ferdinand Kirchhof Hans von Mangoldt, Thomas Oppermann Günter Pütlner sämtlich in Tübingen
Band 8
Neuere Entwicklungen im Gentechnikrecht Rechtliche Grundlagen und aktuelle Gesetzgebung für gentechnische Industrievorhaben
Von Dr. Andreas Pohlmann
Duncker & Humblot . Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Pohlmann, Andreas: Neuere Entwicklungen im Gentechnikrecht: rechtliche Grundlagen und aktuelle Gesetzgebung für gentechnische Industrievorhaben / von Andreas Pohlmann. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht; Bd. 8) Zug!.: Tübingen, Univ., Diss., 1989/90 ISBN 3-428-06936-6 NE:GT
D 21
Alle Rechte vorbehalten
© 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41
Satz: TecDok Angelika März, Tübingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-06936-6
Vorwort Die vorliegende Arbeit habe ich im Dezember 1989 abgeschlossen. Sie wurde im Winter-Semester 1989/90 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur konnten bis einschließlich Mai 1990 eingearbeitet werden. Herzlich danken möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Graf Vitzthum, der die Arbeit betreut und immer mit großem Interesse begleitet hat. Er hat mich beim Schreiben mit Rat und Tat unterstützt und mit Anregung und Kritik ermuntert und gefördert. Ihm habe ich auch die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe zu verdanken. Daneben danke ich auch Herrn Prof. Dr. Günter Püttner für seine so zügige und wohlwollende Erstattung des Zweitgutachtens zu dieser Arbeit. Mein besonderer Dank gilt ferner Herrn Rechtsanwalt Dr. Peter Schuster, der mein Interesse an diesem Thema geweckt und die Untersuchung angeregt und in vielfältiger Weise gefördert hat. Für die stete Bereitschaft zum Gespräch und wertvolle Unterstützung und Informationshilfe möchte ich mich auch bei Herrn Rechtsanwalt Mario Senfl bedanken. Ebenso danke ich auch Herrn Stefan Hilger, der durch unermüdliche technische Hilfen zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Am meisten Dank aber schulde ich meiner Frau Ursula und meinem kleinen Sohn Moritz, ohne deren Aufmunterung und Nachsicht diese Arbeit nicht verwirklicht worden wäre. Ihnen ist dieses Buch gewidmet.
Königstein im Taunus, im Mai 1990
Andreas Pohlmann
Inhaltsverzeichnis Einführung
15
Erster Teil Gentechnik: Tatsächlicher Ausgangspunkt und Einordnung in das Recht der technischen Sicherheit Erstes Kapitel: grund
Geschichtlicher und
naturwissenschaftlicher Hinter-
20
20
Zweites Kapitel: Chancen und Risiken der Gentechnik . . . . . . .
24
I. Perspektiven industrieller Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . .
24
11. Risiken bei der Anwendung gentechnischer Verfahren
27
Drittes Kapitel: Gentechnische Vorhaben als Regelungsgegenstand des Rechts der technischen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
I. Technische Sicherheit als staatliche Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
11. Rechtliche Instrumentarien des technischen Sicherheitsrechts Ergebnis des Ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
31 33
Zweiter Teil Die Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben vor dem neuen Gentechnikgesetz Erstes Kapitel: Die rechtliche Regelung gentechnischer Forschung und Produktion im geschlossenen System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die "Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neu kombi-
nierte Nukleinsäuren" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. Die
Guidelines des US-amerikanischen National Institute of Health als Vorbild der deutschen Regelungsbestrebungen ...
2. Regelungsgegenstand der deutschen Richtlinien . . . . . . . . . .
34
36 36 36 38
8
Inhaltsverzeichnis II. Gentechnik und Seuchenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
1. Bundes-Seuchengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
43
2. Tierseuchenerreger-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
III. Die Genehmigung gentechnischer Anlagen nach dem Immissionsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
46
1. Der Spezialtatbestand der Nr. 4.11 des Anhangs zur 4. BImSchV.
46
2. Zum Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers bei der Regelung der Genehmigungsbedürftigkeit gentechnischer Anlagen ....
49
3. Förmliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung .
51
4. Anwendbarkeit der Störfall-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
5. Der Entwurf einer "Technischen Anleitung zum Schutz vor gentechnisch verllnderten Mikroorganismen" (TA Gentechnik) . . . . ..
55
6. Risikoermittlung und Risikobewertung durch die Genehmigungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
IV. Gentechnische Verfahren und Abwassereinleitung
66
V. Gentechnische Verfahren und Abfallbeseitigung . . . . . . . . . . . . . ..
67
VI. Umgang mit gentechnisch verllnderten Organismen und Gefahrstoffverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
68
VII. Unfallverhütungsvorschrift "Biotechnologie"
.................
69
VIII. Gentechnische Vorhaben in der Umweltvertrllglichkeitsprüfung . . . ..
71
IX. Der Transport gentechnisch verllnderter Organismen
73
Zweites Kapitel: Die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen als Regelungsgegenstand des Sicherheitsrechts .. . . . . . . . . . . . . . . ..
75
I. Besondere Risikobewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . "
75
II. Die Regelung der Freisetzung durch die "Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitra neu kombinierte Nukleins1luren" . . . . . . . . .
76
III. Freisetzung und Immissionsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
77
IV. Freisetzung und naturschutzrechtlicher Artenschutz
79
V. Freisetzung gen technisch verllnderter Organismen in der Umweltverträglichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
Inhaltsverzeichnis
9
Drittes Kapitel: Sicherheitsrechtliche Erfassung biologischer Produktrisiken
81
I. Das Inverkehrbringen gen technisch hergestellter Arzneimittel ......
82
11. Gentechnisch hergestellte Pflanzenschutzmittel in Verkehr und Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
III. Zulassung gen technisch hergestellter Düngemittel . . . . . . . . . . . . ..
86
.......................
87
Viertes Kapitel: Die Haftung für Schäden aus gentechnischer Forschung und Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
I. Risikosteuerung durch Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
89
11. Die Haftung für Gentechnik-ScMden im geltenden Schadens recht . ..
91
IV. Gentechnik und Lebensmittelrecht
1. Die Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB für ScMden aus der An-
wendung gentechnischer Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
2. Die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines "Schutzgesetzes" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
3. Die Haftung für Gentechnik-ScMden wegen Verletzung des Arbeitsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
4. Die Haftung nach § 22 WHG für die Einleitung biologischen Materials in ein Gewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
Ergebnis des Zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
99
Dritter Teil Aktuelle Gesetzgebung für den Bereich gen technischer Industrievorhaben Erstes Kapitel: Weiterer Regelungsbedarf der Gentechnik?
100 100
I. Die grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates . . . . . . . . . . . . . .
100
11. Die Regelungskompetenz der Exekutive unter Berücksichtigung von Gesetzesvorbehalt und Wesentlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . .
105
1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
105
2. Atomtechnik und Gentechnik: Vergleichbarkeit der Risiken?
107
3. Komplementärfunktion der Exekutive
112
...................
10
Inhaltsverzeichnis
III. Gesetzessystematische und rechtspolitische Gründe für ein Gentechnik-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119
Zweites Kapitel: Die rechtliche Regelung der Gentechnik im internationalen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
121
I. Vereinigte Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
121
II. Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
126
III. Dänemark
128
IV. Norwegen
129
V. Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
129
VI. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130
VII. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .....
131
VIII. Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
132
IX. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
134
X. Luxemburg
135
XI. Schweiz
135
XII. Spanien
136
XIII. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
136
Drittes Kapitel: Die Gentechnik als Gegenstand der Gesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
137
I. Die Referentenentwürfe eines Gentechnikgesetzes von 1978/1979 . ..
137
II. Die Empfehlungen der Enquete-Kommission. . . . . . . . . . . . . . . ..
141
III. Die Initiative des Landes Baden-Württemberg für eine "Entschließung des Bundesrates zur Gentechnologie" . . . . . . . . . . . . . . . . ..
143
IV. Der "Eckwerte-Beschluß" der Bundesregierung ... . . . . . . . . . . ..
147
V. Die Richtlinienvorschläge der EG-Kommission . . . . . . . . . . . . . . ..
150
1. Inhalt der RichtiinienvorschWge
.......................
150
2. Art. 100 a versus Art. 130 s EWGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
154
11
Inhaltsverzeichnis
157
3. Die Kritik des Bundesrates an den Richtlinien Viertes Kapitel: Das neue Gentechnikgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
159
I. Die Frage der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes . . . . . . . . . .
161
11. Die Konzeption und Struktur des Gentechnikgesetzes . . . . . . . . . ..
163
1. Risikoeinschätzung und Risikodifferenzierung . . . . . . . . . . . . . ..
163
2. Der Gesetzeszweck als Ausdruck der Ambivalenz staatlicher Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
165
3. Der Regelungsgegenstand des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169
4. Die Konzentrationswirkung der Anlagengenehmigung und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
172
5. Zur Vollzugszuständigkeit der Ulnder und des Bundesgesundheitsamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
174
5.1 Bundeszuständigkeit versus Ulnderzuständigkeit
..........
174
5.2 Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit . . . . . . ..
176
6. Rechtsverordnungen im Gentechnikrecht
.................
177
6.1 Die Regelungsdichte des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177
6.2 Wichtige Verordnungen im Überblick. . . . . . . . . . . . . . . ..
178
6.2.1 Gentechnik-Sicherheitsverordnung
179
6.2.2 Gentechnik-Verfahrensverordnung
179
6.2.3 Gentechnik-Anhörungsverordnung
180
6.2.4 Gentechnik-Aufzeichnungsverordnung . . . . . . . . . . . . ..
181
6.2.5 ZKBS-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
181
7. Abgrenzung gentechnischer Arbeiten zu Forschungs- und gewerblichen Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
182
8. Übergangsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184
8.1 Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes . . . . . . . . . .
184
8.2 Umstellung der Altgenehmigungen und Fortführung von begonnenen Genehmigungsverfahren .... . . . . . . . . . . . . . ..
184
9. Änderung bestehender Regelungen des Umweltrechts . . . . . . . ..
187
Ergebnis des Dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189
Zusammenfassung der Untersuchung
190
12
Inhaltsverzeichnis Anhang 1 Richtlinien zum Schutz vor den Gefahren in-vitro neu kombinierter Nukleinsäuren in der 5. Fassung vom 28.5.1986 (BT-Drs. 10/6775)
193
Anhang 2 Eckwerte-Beschluß der Bundesregierung vom 30.11.1988 (BT -Drs. 11 / 3908)
214
Anhang 3 Richtlinie des Rates der EG vom 23.4.1990 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen (AbI. L 117/1-14)
225
Anhang 4 Richtlinie des Rates der EG vom 23.4.1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (AbI. L 117/15-27)
239
Anhang 5 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik vom 12.7.1989 (BT-Drs. 11 / 5622)
252
Anhang 6 Gesetz zur Regelung von Fragen der Gentechnik vom 20.6.1990 (BGBI. I S. 1080)
293
Literaturverzeichnis
309
Abkürzungsverzeichnis
a.A., A.A. AbI. Az.
BG BR-Drs. BSCC BT-Drs. DNA, DNS EPA EUVPG F.A.Z. FDA FFDCA FIFRA FPPA GILSP Gz.
HSE HSW Act LT-Drs. MAFF MHW MIT! Ms. NIH NZZ OSHA OSTP PHSA
= = = = = = = = = = = = =
anderer Ansicht
= = = = = = = = = = = = = = =
Federal Plant Pests Act (USA)
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Aktenzeichen Berufsgenossenschaft Bundesrats-Drucksache Biotechnology Science Coordinating Committee (USA) Bundestags-Drucksache Desoxyribonukleinsäure Environmental Protection Agency (USA) Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (Entwurf) Frankfurter Allgemeine Zeitung Food and Drug Administration (USA) Federal Food, Drug and Cosmetics Act (USA) Federal, Insecticide, Fungicide and Rodenticide Act (USA) Good Industrial Large Scale Practice Geschäftszeichen Health and Safety Executive (GB) Health and Safety at Work Act (GB) Landtags-Drucksache Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei (Japan) Ministerium für Gesundheit und Wohlfahrt (Japan) Ministerium für Handel und Technologie (Japan) Manuskript, maschinenschriftlich National Institute of Health Neue Züricher Zeitung Occupational Health and Safety Administration (USA) Office of Science and Technology Policy (USA) Public Health Service Act (USA)
14 Rdnr. s.
S.
Abkürzungsverzeichnis
= Randnummer = siehe
=
Seite, Satz
SKBS
= =
STA
=
StörfallVO
= Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissi-
TA
= Technische Anleitung
s.a.
TSCA u.a. USDA
UVV z.B.
siehe auch Schweizerische Interdisziplinäre Kommission für Biologische Sicherheit Amt für Wissenschaft und Technologie (Japan) onsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung)
=
= = =
=
Toxic Substances Control Act (USA) und andere, unter anderem, und anderswo United States Department of Agriculture Unfallverhütungsvorschrift zum Beispiel
ZefU
=
ZKBS
= Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit
Zentralstelle für Unfallverhütung und Arbeitsmedizin
Im übrigen wird auf Hildebert Kirchner / Fritz Kastner (Bearb.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 3. Aufl. Berlin / New York 1983 verwiesen.
Einführung Es gehört zu den Eigenheiten einer neuen Technik, daß sich ihre Entwicklung in rascher Bewegung befindet. Die Gentechnik ist in diesem Punkt keine Ausnahme. Es steht zu erwarten, daß die Gentechnik in wenigen Jahren den hohen Stellenwert einer Schlüsseltechnologie einnehmen wird, vergleichbar etwa der Bedeutung, die die Mikroelektronik heute hat. Mit der technischen Entwicklung einher geht die Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen, in die sich gentechnische Vorhaben einzufügen haben. Obwohl bestehende Regelwerke gerade erst um für die Gentechnik einschlägige Vorschriften ergänzt worden sind, ist die Rechtssetzung in diesem Bereich des technischen Sicherheitsrechts längst nicht abgeschlossen, sondern vielmehr im Umbruch begriffen. Angesichts der außerordentlichen Dynamik der gentechnischen Entwicklung wird die Abwägung von Chancen und Risiken an immer neue Erkenntnisse angepaßt, werden die Prognosen über Ereigniswahrscheinlichkeiten laufend korrigiert!. Eigentlich noch gar nicht richtig etabliert, befindet sich das "Recht der Gentechnik" bereits im stürmischen Wandel. Mit enormer Eile hat die Bundesregierung ein Gesetzgebungsvorhaben vorangetrieben, durch das die Grundsätze der industriellen Nutzung der Gentechnik festgeschrieben werden sollen 2• Das Inkrafttreten des neuen Gentechnikgesetzes ist bereits für den l. Juli 1990 vorgesehen 3• Die weitere Ausformung der für die Praxis wichtigen Einzelheiten soll Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften überlassen werden. Die Rechtsetzung wird infolgedessen auch nach dem Erlaß des sog. Stammgesetzes die Gentechnik vorerst bestimmen.
Wenig Aufmerksamkeit wird indessen den geltenden Vorschriften des technischen Sicherheitsrechts und ihrer Anwendbarkeit auf gentechnische Vorhaben geschenkt. Kennzeichnend für die derzeitige DiskusVgl. Graf Vitzthum, Gentechnik und Grundgesetz, S. 198. 2 Vgl. Bundesminister für Forschung und Technologie (Hrsg.), Genforschung Gentechnik, S. 59; Schuhert, Regelungsfragen der Biotechnologie, resilmiert bei Pohlmann, Regelungsprobleme, S. 150 ff., 154. Filr den Bereich der Humangenetik, der im Rahmen dieser Untersuchung außer Betracht bleiben soll, hat der Gesetzgeber inzwischen ein Embryonenschutzgesetz verabschiedet (BT-Drs. 11/ 5460). 3 Vgl. Artikel 8 Gentechnikgesetz (s. unten Anhang 6). !
16
Einführung
sion über den Regelungsbedarf der Gentechnik und die Regelungsinhalte eines Gentechnikgesetzes ist vielmehr die oftmals unreflektierte Behauptung, die bestehenden Regelungen seien als Rechtsgrundlagen für die Nutzung der Gentechnik unzureichend 4• Die Anwendung der Gentechnik sei allein der Regelung durch unverbindliche Richtlinien unterworfen, was der Bedeutung der Gentechnik nicht gerecht werdes. Hierbei wird zum einen der faktische Verbindlichkeitsanspruch normkonkretisierender Richtlinien, Empfehlungen und anderer technischer Regeln verkannt 6• Zum anderen wird zumeist nicht berücksichtigt, daß - soweit nicht bereits gentechnikspezifische Vorschriften existieren mittels einer "kreativen Interpretation" bestehende Regelungen des technischen Sicherheitsrechts auf die Gentechnik angewendet werden können 7• Beispielhaft für die Bejahung eines Regelungsdefizits kann der Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 6.11.19898 angesehen werden. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hatte der Hess. VGH entschieden, daß es eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Errichtung und den Betrieb gentechnischer Anlagen nicht gebe. Infolge des besonderen Gefahrenpotentials der Gentechnik dürften gentechnische Anlagen solange nicht errichtet und betrieben werden, bis eine nur vom Gesetzgeber zu treffende Grundentscheidung für die Nutzung der Gentechnik vorhanden sei. Wenngleich der Beschluß unmittelbare Wirkung nur zwischen den am Verfahren Beteiligten entfaltet, hat er über das konkrete Verwaltungsstreitverfahren hinaus praktische Bedeutung für andere staatliche Stellen, die mit gentechnischen
4 Vgl. zutreffend auch Fluck, Grundrechtliche Schutzpflichten, S. 81 ff., 84 mit Hinweis auf den Beschluß des Hess. VGH vom 6.11.1989 (Az.: 8 TII 685/ 89). S So etwa Nicklisch, Rechtsfragen der modernen Bio- und Gentechnologie, S. 1; Weigel, Regelbedarf zur Risikoverwaltung, S. 401 ff.; Hofmann, Biotechnik, S. 253 ff.; Groth, Die gentechnische Herausforderung, S. 247 ff., 258; kritisch gegenüber einer unreflektierten Bejahung des Regelungsbedarfs im Bereich der Gentechnik insbesondere Lukes, Gentechnologie, S. 1221 ff., 1224.
6 Vgl. hierzu auch Motor-Columbus / Booz, Allen & Hamilton, Biotechnologie, S. 13. 7 Vgl. zu den Möglichkeiten anforderungsgerechter Regelungen für neue Technologiefelder auch Motor-Columbus / Booz, Allen & Hamilton, Biotechnologie, S. 4l. 8 Beschluß des Hess. VGH vom 6.11.1989 8 TII 685/89, BB 1989, S. 2285 ff. = DVBI. 1990, S. 63 ff. = NVwZ 1990, S. 276 ff. = UPR 1990, S. 33 ff.
Einführung
17
Genehmigungsverfahren befaßt sind. Betroffene Bereiche sind zunächst die drei weiteren, bereits begonnenen Genehmigungsverfahren der Behringwerke AG, Marburg, der Grünenthai GmbH, Stolberg, sowie der BASF AG, Ludwigshafen. Insbesondere für den hessischen Raum liegt es nahe, daß die Genehmigungsbehörden ihre Entscheidung bis zum Erlaß des Gentechnikgesetzes zurückstellen. Darüber hinaus können sich u.U. auch Auswirkungen des Beschlusses auf bestandskräftige Genehmigungen zum Betrieb gentechnischer Anlagen ergeben. So ist nicht auszuschließen, daß sich die zuständigen Behörden durch die Entscheidung veranlaßt sehen zu prüfen, ob gegen die Durchführung gentechnischer Vorhaben - auch soweit bestandskräftige Genehmigungen vorliegen - einzuschreiten ist 9• Neben der Anwendung der Gentechnik zu gewerblichen Zwecken könnte auch der Bereich der gentechnischen Forschung betroffen sein, fordert doch der Hess. VGH eine vom Gesetzgeber zu treffende Grundentscheidung für jegliche Nutzung der GentechniklO• Schließlich sind auch negative Folgewirkungen des Beschlusses auf die Vergabe von staatlichen Mitteln zur Forschungsförderung im Bereich der Gentechnik möglich. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung wird deshalb zunächst die Frage sein, ob es für die Genehmigung gentechnischer Vorhaben ohne ein Gentechnikgesetz tatsächlich an einer Rechtsgrundlage fehlt. Ausgehend von einer Standortbestimmung des zu regelnden Technikbereichs nach seiner bisherigen historischen Entwicklung sowie den mit der Gentechnik verbundenen Chancen und Risiken werden die zur Regelung dieser Schlüsseltechnologie ll einschlägigen Rechtsvorschriften nach ihrer jeweiligen Zwecksetzung und in ihrem gegenseitigen Zusammenwirken erörtert. Der Blick gilt dabei insbesondere den im geltenden technischen Sicherheitsrecht bislang vorhandenen speziellen Vorschriften zur Gentechnik, insbesondere den anlagen- und vorhabenbezogenen Regelungen. In diesem Zusammenhang widmet sich die Untersuchung der Frage, ob sich die Nutzung der Gentechnik ohne spezialgesetzliche Regelung jenseits normativer Risikosteuerung vollzieht und inwieweit das geltende Recht eine in der Verantwortung der Verwal9 Vgl. zu den Auswirkungen des Beschlusses auch Bizer, VGH Kassel stoppt Gentechnik, S. 127 ff. 10 Vgl. hierzu auch Ronellenfitsch, Stellungnahme; Frankfurter Rundschau vom 14.11.1989: "Forschungslabors von Gen-Urteil betroffen?" 11 Vgl. nur Nicklisch, Rechtsfragen der modernen Bio- und Gentechnologie, S. 1, der die Bedeutung der Gentechnik neben der Kernenergie, der Mikroelektronik und der Raumfahrt als eine der Basisinnovationen des 20. Jahrhunderts betont.
18
Einführung
tung liegende Technikkontrolle in diesem Bereich gewährleistet. Vor dem Hintergrund des erwähnten Beschlusses des Hess. Verwaltungsgerichtshofes beleuchtet die Arbeit sodann das Problem feld des gesetzlichen Regelungsbedarfs der Gentechnik. Ansatzpunkt dieser Prüfung ist die sich aus den Grundrechten ergebende Pflicht des Staates, seine Bürger vor Schädigungen durch die Anwendung risikobehafteter Techniken zu schützen. Hiermit gekoppelt ist die vom VGH erhobene Forderung nach einer parlamentarischen Leitentscheidung für die Anwendung der Gentechnik, die - würde man ihr folgen - im Ergebnis die Voraussetzungen des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehaltes gegenüber der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Richtung eines demokratischen Totalvorbehalts erweitern würde!2. Die Arbeit geht deshalb auch der Frage nach, ob die nunmehr erfolgte formalgesetzliche Zulassung der Gentechnik verfassungsrechtlich tatsächlich erforderlich war und welche Konsequenzen sich grundsätzlich für den Übergangszeitraum bis zum Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes ergeben. Mit der Erörterung dieser Problemkreise schließt die Untersuchung an allgemein relevante Fragen des Technikrechts an, die sich bei der Gentechnik gegenüber etwa der rechtswissenschaftlichen Diskussion um die friedliche Nutzung der Kernenergie mit veränderter Akzentuierung neu stellen. Die Arbeit vermag damit einen weiterführenden Beitrag zur rechtswissenschaftlichen Erfassung der Gentechnik zu leisten. Unabhängig von dem verfassungsrechtlichen Problem eines Regelungsbedarfs der Gentechnik können - wie zu zeigen sein wird - auch gesetzessystematische oder rechtspolitische Gründe für das Gentechnikgesetz sprechen. Die vorliegende Untersuchung soll auch für die Beantwortung der bei der künftigen Anwendung des neuen Gentechnikgesetzes auftretenden Fragestellungen Anregungen geben sowie die Aspekte aufzeigen, die im Rahmen des Gesetzesvollzugs berücksichtigt werden müssen, um einerseits den berechtigten Sicherheitserwägungen Rechnung zu tragen, andererseits die Nutzung der in dieser Technik liegenden Chancen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik in dem Bereich der Hochtechnologie zu gewährleisten. Insbesondere der Blick über die nationalen Grenzen vermag hier zu einem Erkenntnisgewinn beizutragen. Dem Rechnung tragend werden die Regelungen der Gentechnik in den USA, Japan sowie verschiedenen europäischen Ländern im Überblick dargestellt. 12 So zu Recht Graf Vitztl!wn / Geddert-Steinacher, Der Zweck im Gentechnikrecht, S. 35.
Einführung
19
Die Arbeit behandelt sodann eingehend das Gentechnik-Gesetzgebungsverfahren der Bundesregierung. Ausgangspunkt ist hierbei der Entwurf eines Gentechnikgesetzes vom 12.07.198913, der mit dem nunmehr verabschiedeten Gentechnikgesetz wesentliche Änderungen erfahren hat. Die Untersuchung enthält ferner eine erste Übersicht über die Regelungsstruktur des aktuellen Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik. Mit dieser ausführlicheren Dokumentierung und Kommentierung des bislang geltenden und künftigen Rechts der Gentechnik weist die Arbeit über die aktuellen, derzeit stattfindenden Erörterungen zum Gentechnikgesetz hinaus und versucht eine Grundlage für die zu erwartende weitere eingehende Befassung der Rechtswissenschaft mit dieser Regelungsmaterie des technischen Sicherheitsrechts zu bieten 14 •
BR-Drs. 387/89; BT-Drs. 11 /5622 (s. unten Anhang 5). Vgl. zu den zu erwartenden künftigen Problemen der Rechtsanwendung nur Lukes, Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik, S. 273 ff., 278. 13
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Erster Teil
Gentechnik: Tatsächlicher Ausgangspunkt und Einordnung in das Recht der technischen Sicherheit Erstes Kapitel
Geschichtlicher und naturwissenschaftlicher Hintergrund Die Gentechnik ist ein Teilgebiet der Biotechnologie l 5, mit deren Hilfe biotechnische Prozesse ermöglicht oder verbessert werden können. Unter dem Begriff der Gentechnik versteht man die Gesamtheit der Methoden zur Charakterisierung und Isolierung von genetischem Material, zur Bildung neuer Kombinationen genetischen Materials sowie zur Wiedereinführung und Vermehrung des neukombinierten Erbmaterials in anderer biologischer Umgebung16. Die Gentechnik erweist sich dabei als ein Bündel von Techniken, die sich aus der Molekularbiologie entwickelt haben. Von der Gentechnik scharf zu trennen ist die sog. Reproduktionstechnik. Hierunter werden die Bemühungen verstanden, Fertilität und Sterilität, den Beginn des Lebens und die Fortpflanzung insbesondere beim Menschen zu beeinflussen, ohne daß es jedoch eines Eingriffs in das natürlich gegebene Keimmaterial bedarfl7 • Seit der Entstehung der Naturwissenschaften versucht der Mensch, die in der Natur entdeckten Gesetze zu seinem Nutzen anzuwenden,
15 Nach der allgemein gültigen BegriffserIauterung der Europäischen Föderation Biotechnologie ist die Biotechnologie "die integrierte Anwendung von Biochemie, Mikrobiologie und Verfahrenstechnik mit dem Ziel, die technische Anwendung des Potentials der Mikroorganismen, Zell- und Gewebekulturen sowie Teilen davon zu erreichen". 16 Vgl. Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie", S.7. 17 Vgl. hierzu instruktiv Feick, Rechtliche und ethische Grenzen, S. 449 f.
1. Kap.: Hintergrund der Gentechnik
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d.h. in Innovationen umzusetzen. Eigentliche Innovationsschübe sind immer dann zu erwarten, wenn sich der Erkenntnishorizont auf einem Gebiet der Grundlagenforschung erweitert. In der biologischen Grundlagenforschung hat sich in den letzten 40 Jahren Revolutionäres abgespielt 18• Bis in das 19. Jahrhundert hinein entwickelte sich die Biologie zunächst als eine beschreibende Wissenschaft 19• Sozusagen nebeneinander, ohne große gegenseitige Beeinflussung, entstanden die Biologie der höheren Lebewesen und dank der Erfindung des Mikroskopes durch A. van Leeuwenhoeck (1632-1723) die Biologie der Kleinlebewesen, die Mikrobiologie. Drei Prinzipien standen am Anfang der Entwicklung der Biologie von einer beschreibenden zu einer experimentellen Wissenschaft: die Zelltheorie (Schleiden und Schwann, 1839), die Mendelsche Vererbungslehre (von Mendel 1865 entdeckt, wurde sie vergessen und 1900 durch die Pflanzenzüchter de Vries, Correns und Tschermak wiederentdeckt) und Darwins Theorie der Evolution (ca. 1870). Im Gegensatz dazu prägten die Fragen der spontanen Urzeugung der Lebewesen und die Ursache der Infektionskrankheiten die Entwicklung der Mikrobiologie. Louis Pasteur (1822-1895), dem eigentlichen Begründer der Molekularbiologie und Biotechnologie, gelang es, die Theorie der spontanen Entstehung von Lebewesen aus toter Materie experimentell eindeutig zu widerlegen 20• Robert Koch (1843-1910) legte seinerseits den Grundstein zum Verständnis der Ursachen der Infektionskrankheiten. Durch Kochs und Pasteurs Arbeiten wurde es möglich, eine der größten Geißeln der Menschheit, die durch Mikroorganismen verursachten Infektionskrankheiten, zu verstehen und schließlich zu bekämpfen. Noch weit ins 20. Jahrhundert hinein entwickelten sich die Biologie der höheren Lebewesen und die Mikrobiologie getrennt. Die fortlaufende Erweiterung des Wissens über die chemischen Vorgänge in den lebenden Zellen führte zur Bildung der Disziplin Biochemie. Diese wies experimentell nach, daß viele chemische Reaktionen den Zellen der verschiedensten Lebewesen gemeinsam sind. Die Einsicht über das Vorhandensein universeller Prinzipien nahm stetig zu und kulminierte in der Entdeckung von Beadle und Tatum (1941) über genetische Vorgänge in einem Pilz, dem Brotschimmel Neurospora. 1943 wiesen Delbrück und Luria zum ersten Mal bei Bakterien genetische Vorgänge So auch Afting, in: Hoechst AG, Wissenschaftliches Symposium, S. 140. 19 Vgl. auch Gallwitz, Biologie im Zeitalter gentechnischer Möglichkeiten, in: Hoechst AG, Wissenschaftliches Symposium, S. 142 f. 20 Vgl. Demain / Solomon, Industrielle Mikrobiologie, S. 10 ff., 12. 18
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1. Teil: Ausgangspunkt und Einordnung der Gentechnik
nach und legten die Grundlage für die Genetik der Bakterien. Von größter Bedeutung war die Entdeckung eines als Transformation bezeichneten Prozesses bei Bakterien zur Übertragung genetischer Informationen von einem Bakterienstamm auf einen anderen, ohne direkten Zell-zu-Zell-Kontakt, mit Hilfe eines Zellextraktes. Die chemische Natur des genetischen Informationsprinzips erwies sich als Desoxyribonukleinsäure (DNS). In den Jahren 1940-1945 kam die Isolation der Mikrobiologie zu einem Ende. Die erstaunlichen Fortschritte im Verständnis der Zellbiologie, der Genetik und der Biochemie führten zu einem Zusammenschluß der biologischen Disziplinen in der Molekularbiologie. Diese modernste Entwicklung der biologischen Wissens~haften versucht, Lebensvorgänge auf der molekularen Ebene zu erklären. Als Ausdruck der äußerst dynamischen Entwicklung dieser neuen wissenschaftlichen Disziplin steht die Aufklärung der Struktur und Funktion des genetischen Code im Vordergrund. Im Jahre 1954 wiesen Watson und Crick (USA/England) aufgrund von Röntgenkristallographiestudien nach, daß die genetische Information aller Lebewesen als DNSDoppelhelix strukturiert ise1. Bereits 1960 stellten Jacob und Monod (Frankreich) Modelle über die Funktion spezifischer Abschnitte auf dem DNS-Molekül vor, die sie Gene nannten. Sie erkannten die grundlegenden Funktionszusammenhänge der regulatorischen An- und Abschaltmechanismen dieser Gene. Die Übersetzung der genetischen Information in Proteine entschlüsselten Nirenberg und Ochoa (USA/Spanien) im Jahre 1961. Sie konnten nachweisen, daß die Bausteine der DNS, die Basen, in ihrer Folge als Triplet-Raster abgelesen und in die Bausteine der Proteine, die Aminosäuren, übersetzt werden. 1972 gelang es P. Berg (USA), die erste Klonierung mit dem tierischen Tumorvirus SV 40 durchzuführen. Im Jahre 1973 entdeckte man, daß es möglich ist, DNA-Moleküle mit
21 Die DNA hat die Struktur einer Helix aus zwei anti parallelen Strängen, deren Grundbausteine die Nucleotide sind, die wiederum eine der vier Basen, Adenin, Thymin, Guanin oder Cytosin enthalten. Die Stränge sind komplementär, wobei Adenin mit Thymin, und Guanin mit Cytosin durch Wasserstoffverbindungen Basenpaare bilden. Gene sind funktionelle Abschnitte von langen DNAMolekülen und können Z.B. die Information für die Struktur eines Proteins enthalten, das aus 20 verschiedenen Aminosäuren zusammengesetzt ist. Der Informationsfluß vom Gen zum Protein läuft über eine einzelsträngige Ribonukleinsäure, die messenger RNA (mRNA), die als Kopie der beiden DNA-Stränge an den Ribosomen als Matrize der Übertragung von der Nucleotid- in eine Aminosäuresequenz dient (vgl. Gallwitz, Biologie im Zeitalter gentechnischer Möglichkeiten, S. 143).
1. Kap.: Hintergrund der Gentechnik
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Restriktionsenzymen zu spalten22• Wenig später stellten Boyer / Cohen (USA) die Plasmide2J als mögliche Vektoren vor, mit deren Hilfe fremde Gene in Bakterien eingeschleust werden können 24 • Damit war der Weg zur Neukombination von DNA gefunden: Nach der Spaltung der DNA-Moleküle werden die DNA-Teilstücke mit Hilfe eines anderen Enzyms (DNA-Ligase) verknüpft und schließlich die neu kombinierte DNA wieder in das damals schon verwendete Bakterium Escherichia coli eingeführt, wobei ein Plasmid als Vehikel die Übertragung vermittelt25 • D~mit war die Grundlage für die "neue" oder "moderne" Biotechnologie, zu der die Gentechnik gehört, gegeben. Zugleich wurde damit auch die Möglichkeit eröffnet, Produkte mit Hilfe gentechnisch veränderter Organismen herzustellen. So konnte W. Gilbert im Jahre 1978 als erster die Synthese von Ratteninsulin in Bakterien nachweisen 26• Heute ist es möglich, durch den stabilen Einbau menschlicher Gene in Bakterien Bakterienstämme zu erhalten, aus denen menschliche, medizinisch verwertbare Proteine isoliert werden können. Die Vorteile sind offenkundig: Das relativ einfache und billige Kulturmedium und die geringe Generationszeit der Bakterien lassen die Produktion von Proteinen zu, die sonst nur sehr schwer oder gar nicht zugänglich sind. Damit ist die Gentechnik in das Stadium der industriellen Nutzung getreten.
Demain / SoJomon, Industrielle Mikrobiologie, S. 10 ff., 18. 2J Ein Plasmid ist ein ringförmiges, meist kleineres Nukleinsauremolekill in Bakterien und niederen Eukaryonten, das neben dem Genom dieser Organismen vorliegt und sich selbstandig reduplizieren kann. Plasmide tragen oft Gene filr Resistenzen, z.B. Antibiotika-Resistenzgene. Es gibt natilrliche Plasmide und solche, die durch Rekombination von DNS-Systemen erzeugt werden (hybride Plasmide). 24 Vgl. ZEIT-Magazin vom 11.3.1988: "Gentechnik Die Welt nach Maß", S. 24 ff., 43. 25 Vgl. Demain / SoJomon, Industrielle Mikrobiologie, S. 10 ff., 18. 26 Vgl. dazu ViIla-Komaroff u.a., A Bacterial Clone Synthesizing Proinsulin, S. 3727 ff. 22
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1. Teil: Ausgangspunkt und Einordnung der Gentechnik
Zweites Kapitel
Chancen und Risiken der Gentechnik I. Perspektiven industrieller Entwicklung Biotechnische Verfahren wie die industrielle Mikrobiologie sind seit langem etablierte Faktoren der Weltökonomie. Bereits vor 6000 Jahren nutzten die BabyIonier und Sumerer Hefen zum Bierbrauen, die Ägypter setzten dem Brot Kohlendioxid produzierende Hefen zu, um den Teig locker zu machen. In neuerer Zeit steht insbesondere die nach der Entdeckung des Penicillins einsetzende Produktion von Antibiotika für einen neuen Aufschwung der industriellen Mikrobiologie. Der Weltmarktanteil der Penicilline, Cephalosporine, Tetrazykline und des Erythromycin umfaßt derzeit jährlich ca. 10 Milliarden Dollar27• Die Erfolge dieser Produkte führten zu einer Perfektionierung der mikrobiologischen Techniken, in deren Folge sich auch die Produktion anderer Naturstoffe durch Mikroorganismen als den chemischen Syntheseverfahren überlegen erwies. Auf mikrobiologischem Weg werden heute beispielsweise Fungizide, Sulfonamide, Verdauungsenzyme, Vitamine und essentielle Aminosäuren produziert. Durch die Fortschritte der Gentechnik können biotechnische Produktionsverfahren entscheidend rationalisiert werden. Konstruktive Veränderungen durch gentechnische Eingriffe in die Regulation der Genexpression eines Mikroorganismus führen zu Ausbeutesteigerungen. Die gentechnische Modifikation von Strukturgenen verändert die Art des entstehenden Produkts. Außerdem lassen sich auf gentechnischem Weg Artgrenzen überspringen: Eukaryontische28 Proteine wie Insulin oder Interferon können in Bakterien produziert werden. Die industrielle Nutzung der Gentechnik steht gegenwärtig jedoch erst am Beginn ihrer Entwicklung. Kurz- bis mittelfristig sind die größten Erfolge der modernen Biotechnologie einschließlich Gentechnik im Bereich Gesundheit, d.h. in der pharmazeutischen Industrie zu erwar-
Vgl. Gassen / Martin / Sachse, Der Stoff aus dem die Gene sind, S. 95. 28 Eukaryonten sind Zellen mit einem Zellkern, der von einer Zellmembran umschlossen ist und den Hauptteil des genetischen Materials enthalt. Von den Eukaryonten werden die Prokaryonten als Zellen ohne Zellkern unterschieden. Die Erbinformation ist bei letzteren nicht in Chromosomen organisiert. 27
2. Kap.: Chancen und Risiken der Gentechnik
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ten 29• Bereits heute werden weltweit mehr als 100 gen technisch hergestellte körpereigene Proteinwirkstoffe bearbeiteeo. Etwa 20% der bislang gentechnisch hergestellten Proteine mit möglicher therapeutischer Anwendung befinden sich in der klinischen Prüfung. Einige derartige Produkte sind bereits auf dem Markt, z.B. menschliches Insulin zur Diabetes-Therapie, menschliches Wachstumshormon zur Behandlung des Zwergwuchses bei Kindern, Alpha-Interferon zur Therapie der Haarzell-Leukämie, der Blutbildungswirkstoff Erythropoeitin und der menschliche Gewebe-Plasminogenaktivator (tP A) zur Therapie des Herzinfarktes. Ein monoklonaler Antikörper zur Unterdrückung der Immunabwehr und ein Hepatitis-B-Impfstoff gehören ebenfalls dazu. Darüber hinaus kann die Bedeutung der Gentechnik für die biologische und medizinische Grundlagenforschung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Hieraus ergeben sich zweifellos Anregungen für neue Therapiekonzepte, die auch Möglichkeiten zur Bekämpfung der Immunschwäche AIDS aufzeigen können 3!. Mittel- bis längerfristig sind die Erwartungen im Bereich Ernährung mit Landwirtschaft, Pflanzenschutz, Pflanzen und Tierzüchtung anzusetzen 32• Ferner ist mit der Entwicklung von Mikroorganismen zu rechnen, die die Fähigkeit besitzen, Öl und andere Abfallstoffe abzubauen, Minerale zu reinigen, Metall zu konzentrieren oder Biomasse zu konvertieren 33 • Auch in der chemischen Industrie, in der die Gentechnik bislang nur eine untergeordnete Rolle spielt, liegt ein künftiger Einsatzbereich der gentechnischer Verfahren. Mit Hilfe der Gentechnik wird es
Vgl. etwa Afting, Gentechniken, S. 53 ff. Siehe dazu die Aufstellung in: Bundesminister ßir Forschung und Technologie (Hrsg.), Genforschung - Gentechnik, S. 35 f., die die wichtigsten Proteine aus gentechnischen Entwicklungen mit möglicher therapeutischer Anwendung nennt. 3! Vgl. Bundesminister für Forschung und Technologie (Hrsg.), Genforschung - Gentechnik, S. 34. 32 Zu den Möglichkeiten der Gentechnik speziell im Bereich der Pflanzenzüchtung s. Schell, Gentechnik und Pflanzenzüchtung, S. 25 ff.; Faust, Biotechnologie, S. 255 ff. 33 Ausführlich zu Chancen und Stand der Bio- und Gentechnologie auch das Programm der Bundesregierung: "Angewandte Biologie und Biotechnologie", BT-Drs. 10/3724 vom 14.8.1985, S.8 ff.; Faktenbericht 1986 zum Bundesbericht Forschung, BT-Drs. 10 / 5298 vom 9.4.1986, S. 113; vgl. auch Gareis, Anwendungsfelder, S. 7 ff.; Nicklisch, Rechtsfragen der Anwendung der Gentechnologie, S. 113, 115 ff. 29
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1. Teil: Ausgangspunkt und Einordnung der Gentechnik
möglich sein, chemische Synthesen zunehmend durch biochemische zu ersetzen34 • Da neue wissenschaftliche Erkenntnisse gerade im Bereich der Gentechnik schnell in die industrielle Anwendung umgesetzt werden, ist zu erwarten, daß die entsprechenden Produktionsbereiche stark expandieren und insbesondere auch in der Bundesrepublik Deutschland erhebliche wirtschaftliche Bedeutung gewinnen 35 • Während der Weltmarkt für gentechnisch hergestellte Arzneimittel 1988 rund 1,1 Mrd. DM umfaßte, gehen Prognosen von einer Verzehnfachung dieses Marktvolumens bis 1995 aus. Dies würde dann rund 3% des gesamten Pharmaweltmarktes entsprechen36 • Bis Mitte der neunziger Jahre werden voraussichtlich über 50% der neu auf den Markt kommenden pharmazeutischen Wirkstoffe direkt oder indirekt gentechnisch hergestelle1• Für Produktgruppen, die mittels gentechnischer Verfahren hergestellt werden, werden insgesamt Umsatzsteigerungsraten von 20% jährlich erwartee8• Nach Untersuchungen der OECD wird die Zahl der Unternehmen, die im Bereich der Gentechnik forschen, entwickeln und produzieren, in den kommenden Jahren deutlich zunehmen 39• Das tatsächliche Marktvolumen wird jedoch weitgehend davon abhängen, wie weit es in den einzelnen Anwendungsbereichen der Gentechnik gelingt, die vorhandenen Kenntnisse über die biochemischen und genetischen Grundlagen der verwendbaren Organismen zu verbessern, um sie großtechnisch und industriell nutzen zu können. Von besonderer Bedeutung für den Markterfolg der Gentechnik wird aber auch die Frage sein, inwieweit es gelingen wird, außerhalb des Marktes liegende innovationshemmende Faktoren, wie mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung und Rechtsunsicherheit, zu überwinden.
34 Vgl. Bundesminister für Forschung und Technologie (Hrsg.), Genforschung - Gentechnik, S. 37. 35 So Truscheit, Chancen der Gentechnik; vgl. auch Frankfurter Rundschau vom 11.8.1989: "Biotechnologie im Dschungel". 36 Vgl. Handelsblatt vom 11.5.1989. 31 Vgl. ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, Biotechnologie, S. 10. 38 Vgl. Blick durch die Wirtschaft vom 22.5.1989; Wirtschaftswoche vom 20.10.1989, Special: "Biotechnik - Auf Wachstum eingestellt". 39 Vgl. OECD, Biotechnology, S. 34; dazu auch Lukes, Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik, S. 273.
2. Kap.: Chancen und Risiken der Gentechnik
27
11. Risiken bei der Anwendung gentechnischer Verfahren Die Anwendung der Gentechnik hat zwar bislang zu keinen negativen Folgen für Mensch und Umwelt geführt 40 • Auch birgt der Umgang mit Mikroorganismen in Forschung und Industrie keine neuen Gefahren 41, hat man doch schon bisher erhebliche Erfahrungen im Umgang mit Krankheitserregern und bei der Herstellung von Impfstoffen aus pathogenen Materialien sammeln können. Dennoch ist die gegenwärtig stattfindende Diskussion um eine umfassende gesetzliche Regelung der Gentechnik sicherlich zu Recht gekennzeichnet durch die gedankliche Vorwegnahme möglicher gentechnikspezifischer Risiken und den Versuch der Formulierung von Regelungen, die bereits den ersten Schadenseintritt verhindern 42• Regelungspolitisch geht es um die Abwägung der dargestellten Chancen mit etwaigen Risiken. Graf Vitzthllm hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, daß ein pauschales Bewerten hier regelmäßig ein falsches Bewerten darstellt 43 • Die pauschale Einstufung einer Technik in bezug auf ihr Gefährdungspotential ist inadäquat und berücksichtigt weder Wissenszuwachs noch den Stand der Technik. Risiken technischer Verfahren sind nur nach konkreter Würdigung des jeweils genutzten technischen Verfahrens mit seinen spezifischen Eigenheiten zu bewerten 44 • Dementsprechend werden bei dem Versuch, denkbare Gefahrensituationen des Gentechnik-Bereichs zu systematisieren, gemeinhin zwei große Fallgruppen unterschieden, innerhalb derer weitere Differenzierungen notwendig sind. Einerseits ist daran zu denken, daß sich gen technisch veränderte Mikroorganismen unkontrolliert in der Umwelt verbreiten und aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften Schäden an Menschen, Tieren oder in der Natur verursachen könnten. Derartige Geschehnisse sind denkbar bei dem Entweichen von gentechnisch veränderten Mikroorganismen aus geschlossenen Laboratorien oder Produktionsstätten, aber auch bei einem Außer-Kontrolle-Geraten oder unvorhergesehenen Verlauf einer absichtlichen Freisetzung gen-
40 Dies wird selbst von Kritikern der Gentechnik eingeräumt, vgl. nur Kollek, Natur im Griff?, S. 7 ff., 9; s.a. Gassen / Martin / Bertram, Gentechnik, S. 349. 41 Vgl. etwa Biotechforum 6 (1989), S. 1: "BMFf-Statusseminar Biologische Sicherheitsforschung" . 42 Vgl. auch Richter, Gentechnologie als Regelungsgegenstand des technischen Sicherheitsrechts, S. 9 ff. 43 Vgl. Graf Vitzthum, Gentechnik und Grundgesetz, S. 198 f. 44 So auch mit Recht die Stellungnahme der Bundesregierung vom 23.11.1989 zu dem Beschluß des Hess. VGH vom 6.11.1989, in: Graf Vitzthwn / GeddertSteinacher, Der Zweck im Gentechnikrecht, S. 77 ff., 81.
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1. Teil: Ausgangspunkt und Einordnung der Gentechnik
technisch veränderter Organismen. Ebenso birgt auch die Beförderung gentechnisch veränderten Materials Risiken in sich, die zu Schädigungen Außenstehender führen könnten 45 . Die zweite Fallgruppe betrifft denkbare Schäden aus dem Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die mittels gentechnisch veränderter Organismen hergestellt wurden oder aus solchen bestehen. Innerhalb der ersten Fallgruppe, die hier im Vordergrund steht, sind wie oben bereits angedeutet drei Bereiche voneinander zu unterscheiden: 1. das Labor, 2. die groß technische Produktion und 3. die Umwelt. Insbesondere bei Arbeiten im Labor und in der Produktion verfügen öffentliche und private Forschungseinrichtungen bzw. die Industrie bereits über vielfältige Erfahrungen. Ebenso wie bei der Impfstoffherstellung oder in mikrobiologischen Laboratorien von Krankenhäusern sicher mit pathogenen Mikroorganismen und Viren gearbeitet werden kann, ist dies auch mit gentechnisch veränderten Organismen möglich. Die Industrie wendet im Bereich der konventionellen Biotechnologie seit langem Fermentations- und Aufarbeitungsprozesse an. Schon allein aus Gründen des Produktschutzes und eines störungsfreien Ablaufs des Fermentationsprozesses muß oft unter sterilen Bedingungen in geschlossenen Systemen gearbeitet werden. Dieser Schutz wirkt nach beiden Seiten, er wirkt gleichzeitig einem Entweichen der Organismen in die Umwelt entgegen. Ohne weiteres lassen sich derartige Produktionsbedingungen auf die Verwendung gentechnisch veränderter Organismen übertragen 46• Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Mehrzahl der gentechnischen Experimente mit apathogenen Empfänger- und Spenderorganismen durchgeführt wird. Dies ist insoweit von Bedeutung, als man in der Sicherheitsbetrachtung der Gentechnik derzeit überwiegend davon ausgeht, daß sich das Gesamtrisiko als Summe der Einzelrisikopotentiale von Spenderorganismus, Empfängerorganismus und der spezifischen Eigenschaften der übertragenen Nukleinsäure, d.h. der auf ihr codierten biologischen Funktion oder des Produktes ergibt (additives Modell)47.
45 Vgl. zu den Risiken bei der Anwendung gentechnischer Verfahren den Bericht der Arbeitsgruppe Biotechnik des Arbeitskreises Umweltschutz der Wirtschaftsministerkonferenz zur Lage der Biotechnischen Industrie vom 9.5.1989, S. 17 ff. 46 So auch Mieschendahl, Gentechnisch verllnderte Organismen in Labor, Produktion und Umwelt, S. 46 ff., 47. 47 Vgl. etwa Brunner / Gassen / König / Piepersberg / Wemer, Zur Begriffsklllrung Biologisch aktiver rekombinanter Nukleins1lure; Hauer, Freisetzung von gentech-
3. Kap.: Gentechnische Vorhaben und technische Sicherheit
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Hieraus ergibt sich ein weiterer Ansatzpunkt für eine differenzierte Betrachtungsweise der Gentechnik. Unterstellt man nämlich die Richtigkeit des additiven Modells, so muß eine Evaluierung der Risiken der Gentechnik in erster Linie die Eigenschaften der für das jeweilige gentechnische Experiment verwendeten Spender- und Empfängerorganismen berücksichtigen. Sind beide und der verwendete Vektor apathogen, so soll auch eine Pathogenität des gentechnisch veränderten Organismus ausscheiden. Verringert wird das Risiko des Entweichens gentechnisch veränderter Organismen in einigen Fällen auch dadurch, daß die Organismen außerhalb der durch das Labor vorgegebenen Lebensbedingungen nicht oder nur für kurze Zeit überlebensfähig sind.
Drittes Kapitel
Gentechnische Vorhaben als Regelungsgegenstand des Rechts der technischen Sicherheit I. Technische Sicherheit als staatliche Aufgabe Dem Staat obliegt es, durch Rechtssetzung, Verwaltung und Rechtsprechung geeignete Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß bei der Anwendung neuartiger Technologien die erforderliche Sicherheit gewährleistet ist. Das folgt einmal aus dem Ziel der Rechtsordnung, das Sozialleben unter den Wertanforderungen des Gemeinwohls und der Gerechtigkeit zweckangemessen zu regeln. Es ergibt sich aber ferner aus dem Wertgehalt der Verfassung 48• Eine spezielle Technikrege-
nisch modifizierten Organismen in die Umwelt, S. 23 ff., 24; Mieschendahl, Gentechnisch veränderte Organismen in Labor, Produktion und Umwelt, S. 46 ff., 49; a.A. Riedel / Führ / Tappeser, Stellungnahme des Öko-Instituts Freiburg / Darmstadt zum Regierungsentwurf eines Gentechnikgesetzes, S. 349 f., die auf die Möglichkeit hinweisen, daß bei der Veränderung einzelner Erbanlagen auch andere Eigenschaften von diesen Veränderungen mitbetroffen werden können oder sogar neue Eigenschaften entstehen können (synergistisches Modell); siehe hierzu auch BOll/na / Lenski, Evolu tion of a bacteria / plasmid association, S. 351 f.; Frankfurter Rundschau vom 1.8.1989: "Nach 500 Bakterien-Generationen plötzliCh im Vorteil"; Buckel, Ein Irrtum der Gentechniker, S. 1. 48 Marburger, Rechtliche Grenzen technischer Sicherheitspflichten, S. 241 f.
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1. Teil: Ausgangspunkt und Einordnung der Gentechnik
lung enthält das Grundgesetz zwar nicht 49• Für die Frage, wie sich der Gesetzgeber im Hinblick auf die Regelung der Gentechnik zu verhalten hat, kann jedoch insbesondere auf die Grundrechte zurückgegriffen werden. Diese haben sich aus den im 18. Jahrhundert proklamierten Rechten der Freiheit und Gleichheit entwickelt. Ihr Grundgedanke war der Schutz des einzelnen gegen den als allmächtig und willkürlich gedachten Staat50• Heute erschöpft sich die Funktion der Grundrechte indessen nicht mehr darin, eine staatsfreie Sphäre zu formieren 51 • Vielmehr fOlgt darüber hinaus aus ihrem objektivrechtlichen Gehalt eine Schutzpflicht der staatlichen Organe für das geschützte Rechtsgut, die auch die Pflicht zur Risikoabwehr umfaßt und es gebietet, die Gefahr von Grundrechtsverletzungen einzudämmen52• Das Bundesverfassungsgericht hat im Zuge einer umfangreichen Rechtsprechung die These entwickelt, der Staat sei insbesondere aufgrund des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet, sich schützend und fördernd um die Erhaltung des Lebens zu bemühen, d.h. vor allem es auch vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten anderer zu bewahren. Allgemein gilt dabei, daß die SChutzpflicht umso gewichtiger ist, je höher der Rang des in Frage stehenden Rechtsguts innerhalb der Wertordnung des Grundgesetzes anzusehen und je umfangreicher der drohende Schaden ist 53 • Für den Bereich der Technik bedeutet dies die Pflicht des Staates zur legislativen und administrativen Risikosteuerung. Die rechtliche Regelung muß so gestaltet sein, daß sie die erforderliche Sicherheit im Umgang mit der Technik gewährleistet, daß also Gefahren vermieden und die verbleibenden Risiken so weit reduziert werden, daß Grundrechtsverletzungen nach realistischer Einschätzung nicht zu befürchten sind 54• Dem Staat obliegt es daher, durch nachbessernde und nachfas-
49
Vgl. etwa MlIrswiek, Technische Risiken als verfassungsrechtliches Problem,
S. 315.
Vgl. BVerfGE 53, 30 (57). 51 So zuletzt BVerfGE 79, 174 (201 f.). 52 BVerfGE 39, 1 (42 ff.); 46, 160 (164); 49, 89 (142); 56, 54 (73); s.a. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 350; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III /1, S. 736 f.; MlIrswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 127 f. S3 Vgl. Marbllrger, Rechtliche Grenzen technischer Sicherheitspflichten, S. 241 ff., 248 mit umfangreichen Nachweisen. 54 So auch Marbllrger, Rechtliche Grenzen technischer Sicherheitspflichten, S. 241 ff., 245. 50
3. Kap.: Gentechnische Vorhaben und technische Sicherheit
31
sende Rechtsetzung, Verwaltung und Rechtsprechung immer wieder von neuem geeignete Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß bei der Anwendung neuartiger Techniken die erforderliche Sicherheit gewährleistet bleibt55 • Ausgehend von der Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch56 waren es vor allem Fälle aus dem Bereich des Umweltrechts und des Rechts der technischen Sicherheit, anhand derer das Bundesverfassungsgericht seine Schutzpflichtjudikatur entwickelt hat 57• Jede neue, mit gewissen Risiken behaftete Technik stellt aber aufs Neue einen Prüfstein dar, an dem sich erweisen muß, ob es dem Staat gelingt, die staatliche Ordnung und Verantwortung, den sozialen Ausgleich, die Kontinuität normativer Verhaltensregeln sowie die Sicherheit des Güterschutzes zu gewährleisten58•
11. Rechtliche Instrumentarien des technischen Sicherheitsrechts Von jeher hat sich der Staat seiner Schutzaufgabe auch angenommen. Einsetzend mit der preußischen Dampfkesselgesetzgebung in der Frühphase der Industrialisierung hat sich das Recht der technischen Sicherheit inzwischen zu einem umfassenden, aus zahlreichen Gesetzen, Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften bestehenden Rechtsgebiet entwickelt, das sowohl den Unfallschutz wie auch den Umweltschutz und den Schutz vor gefährlichen Stoffen erfaßt59• Es bezweckt die Steuerung der Risiken, die u.U. mit der Herstellung oder Verwendung technischer Systeme (Anlagen und Geräte) verbunden sind und für deren Nichtrealisierung der Staat aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflicht eine besondere Verantwortung trägt. Dementsprechend gehört auch das Recht der Gentechnik in die Gesamtsyste-
55 Vgl. Pitschas, Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht, S. 785 ff., 786. 56 Vgl. BVerfGE 39, 1 ff. 57 Vgl. BVerfGE 49, 89 (Kalkar); 53, 30 (Mülheim-Kllrlich); 56, 54 (Düsseldorf-Lohausen); zur Entwicklung dieser Rechtsprechung sowie zur dogmatischen Herleitung der grundrechtlichen SChutzpflichten siehe Klein, Grundrechtliche Schutzpflichten des Staates, S. 1633 ff. 58 Vgl. zum Inhalt der staatlichen Rechtssetzung auch Breller, Gerichtliche Kontrolle der Technik, S. 104. 59 So auch Pitschas, Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen EntwiCklungen durch das Verwaltungsrecht, S. 785 ff., 786.
32
1. Teil: Ausgangspunkt und Einordnung der Gentechnik
matik des technischen Sicherheitsrechts60• Dieses stellt die Maßstäbe auf, die das Ziel der möglichst gefahrlosen Anwendung technischer Verfahren konkretisieren und mit gegenläufigen Zielen abstimmen, die zu vermeidenden Risiken und Gefahren zu rechtsstaatlich handhabbaren Tatbeständen machen und auch dem Normadressaten die freiheitliche Sicherheit im Rahmen des Tatbestands der Rechtsnorm belassen. Eine Diskrepanz zwischen erwünschter Anwendung einer Technik und unerwünschten Auswirkungen vermeidet das technische Sicherheitsrecht dadurch, daß es auch schädliche Anwendungsweisen zwar billigt, den Technikanwender aber zugleich zu schadens mindernden Vorkehrungen verpflichtet61 • Dies kann beispielsweise seinen Ausdruck darin finden, daß der Betreiber einer groß technischen Anlage auf den Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge festgelegt wird62• Ferner setzen an potentiell umweltgefährliche Vorhaben u.a. Eigenüberwachungspflichten (z.B. §§ 7 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG, 19 i, k WHG) und Störfallvorsorgepflichten (z.B. §§ 3 f. StörfallVO) an. Hierbei kommt dem technischen Sicherheitsrecht die Aufgabe zu, die öffentlichrechtlichen Sicherheitsstandards zu definieren und die Vorausetzungen dafür zu schaffen, daß diese mit ordnungsrechtlichen Mitteln durchgesetzt werden können. Die Mittel, deren sich der Staat zur Steuerung der Technikrisiken bedient, sind in erster Linie die Statuierung von Anzeigepflichten, Untersagungsermächtigungen sowie den im Vordergrund stehenden Verboten mit Erlaubnisvorbehalt63 , die der präventiven Gefahrenabwehr und dem vorsorgenden Umweltschutz dienen. Durch letztere wird unter Aufstellung näher geregelter Zulassungsvoraussetzungen eine Genehmigungspflicht geschaffen, die die Grundlage einer als Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren ausgestalteten Eröffnungskontrolle potentiell umweltgefährdender Vorhaben darstellt. Die verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahren haben zunächst die Funktion, der Verwaltung zutreffende Entscheidungsgrundlagen zu verschaffen. Darüber hinaus sollen sie aber auch insbesondere über die 60 So auch Richter, Gentechnologie als Regelungsgegenstand des technischen Sicherheitsrechts, S. 42 f. 61 Vgl. Kirchhof, Kontrolle der Technik als staatliche und private Aufgabe, S. 97 ff., 99. 62 Vgl. z.B. BVerfGE 49, 89 (139) (Kalkar); BVerfGE 53, 30 (58 f., 75) (MÜlheim -Kärlich). 63 Vgl. etwa Ipsen, Die Genehmigung technischer Großanlagen, S. 259 ff.; Kloepfer, Instrumente des staatlichen Umweltschutzes in der Bundesrepublik Deutschland, S. 3 ff., 8; Graf Vitzthum / Geddert-Steinacher, Der Zweck im Gentechnikrecht, S. 18.
Ergebnis des Ersten Teils
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Einbeziehung der Öffentlichkeit im förmlichen Genehmigungsverfahren und im Planfeststellungsverfahren bestehende Interessenkonflikte verfahrensmäßig ausgleichen, die sich gerade aus der Anwendung neuer und umstrittener Techniken wie der Gentechnik ergeben. In Anbetracht der schnellen Veränderungen im Bereich technischer Entwicklungen und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit einer größtmöglichen Flexibilität technischer Regelwerke sind die Gesetzestatbestände des technischen Sicherheits rechts vielfach fragmentarisch, entwicklungsoffen und weiterverweisend64• Große Teile der an die Durchführung umweltgefährdender Vorhaben zu stellenden, materiellen Sicherheitsanforderungen werden einer Regelung unterhalb der Gesetzesebene überlassen, um auf diese Weise die gebotene Anpassung an die sich ständig verändernden Bedingungen, insbesondere die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die mit der Anwendung der betreffenden Technik einhergehenden Risiken zu ermöglichen.
Ergebnis des Ersten Teils Die Gentechnik ist ein Bündel von Techniken, die sich aus der Molekularbiologie entwickelt haben. Sie steht am Beginn einer vielversprechenden industriellen Nutzung. Obgleich die Anwendung der Gentechnik bislang zu keinen negativen Folgen für Mensch und Umwelt geführt hat, ist die gedankliche Vorwegnahme möglicher gentechnikspezifischer Risiken der zentrale Punkt in der Diskussion um eine gesetzliche Regelung dieses Technikbereichs. Das Recht der Gentechnik ist dem technischen Sicherheitsrecht zuzuordnen. Dieses hält auch für die Erforschung und Nutzung neuartiger Techniken wie der Gentechnik rechtliche Rahmenbedingungen bereit, die von ihrem Regelungsmodell her grundsätzlich zu einer Risikosteuerung beitragen können.
64 Vgl. Kirchhof, Kontrolle der Technik als staatliche und private Aufgabe, S. 97 ff., 101.
Zweiter Teil
Die Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben vor dem neuen Gentechnikgesetz Wie aber sehen die konkreten rechtlichen Rahmenbedingungen aus, in die sich gentechnische Vorhaben bislang einzufügen hatten? Waren sie unter Beachtung der dem Staat obliegenden Schutzpflicht als ausreichend anzusehen? Der Blick richtet sich im folgenden auf die rechtlichen Regelungen, die unter Beachtung der spezifischen Besonderheiten der Gentechnik ein Instrumentarium zur Erfüllung der dem Staat obliegenden Schutzpflicht darzustellen vermochten. Dabei sei zunächst hervorgehoben, daß die Anwendung gentechnischer Verfahren keineswegs in einem gewissermaßen rechtsfreien Raum erfolgte65 • In Bezug auf die Gentechnik bestanden und bestehen auch nach Inkrafttreten des neuen Gentechnikgesetzes vielmehr zahlreiche Regelungen, die allerdings in den verschiedensten Rechtsgebieten verstreut sind und jeder Systematik entbehren66• Neben den allgemeinen Normen des Technik- und Umweltrechts, des Arbeitsstätten- und Arbeitsstoffrechts sowie des Chemikalienrechts waren mittlerweile auch spezielle Vorschriften zur Regelung gentechnischer Vorhaben geschaffen worden. Was das Inverkehrbringen von Produkten anlangt, die mittels gentechnischer Verfahren hergestellt werden bzw. aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder solche enthalten, so sind die allgemeinen produkt- und stoffbezogenen Regelungen z.B. des Arzneimittelrechts, des Lebensmittelrechts, des Pflanzenschutzrechts sowie des
65 So aber ein Teil der Literatur, vgl. nur Groth, Die gen technische Herausforderung, S. 247, 258; Weigel, Regelbedarf zur Risikoverwaltung, S. 401 ff.; Koch / Weber, Sicherheits- und Umwelt fragen in der Gentechnologie, S. 187 ff. 66 Vgl. auch Gentechnologie und Umwelt: Bericht des Umweltbundesamtes an den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Bericht der Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie", Stand 1.12.1988, S. 44 ff.
2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
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Saatgutrechts einschlägig67• Darüber hinaus bedarf auch die Anwendbarkeit des allgemeinen Haftungsrechts der Erwähnung. Wenn es auch vielerorts für den Bereich der ökologischen Schäden für unzureichend gehalten wird68, so bietet es doch dem durch den Betrieb einer gentechnischen Anlage Geschädigten ein Mindestinstrumentarium zum Ausgleich des erlittenen Schadens. In den folgenden Kapiteln wird das bislang geltende Recht der Gentechnik in seinem Gesamtzusammenhang dargestellt 69• Ansatzpunkte der Untersuchung sind einerseits die mit unterschiedlichem Risikopotential behafteten Einsatzgebiete der Gentechnik in Forschung und Produktion (Arbeiten im geschlossenen System und beabsichtigte Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen), andererseits das nicht mehr vorhabenbezogene Inverkehrbringen gentechnischer Produkte. Komplementär gilt der Blick auch dem Haftungsrecht.
67 Siehe zur Anwendbarkeit bestehender Gesetze auf die Gentechnologie auch Richter, Gentechnologie als Regelungsgegenstand des technischen Sicherheitsrechts, S. 69 ff. 68 Vgl. zuletzt Ganten / Lemke, Haftungsprobleme im Umweltbereich, S. 1 ff., 2 f. 69 Die bislang geltenden Regelungen sind durch das Gentechnikgesetz nur zum Teil aufgehoben worden. Eine der entscheidenden Fragen des künftigen Vollzugs des Gentechnikgesetzes wird die der Abgrenzung zu den bereits bestehenden Vorschriften des Technik- und Umweltrechts sein.
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
Erstes Kapitel
Die rechtliche Regelung gentechnischer Forschung und Produktion im geschlossenen System I. Die "Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren"7o 1. Die Guidelines des US-amerikanischen National Institute of Health als Vorbild der deutschen Regelungsbestrebungen
Als Anfang der 70er Jahre die ersten Experimente zur Neukombination von Nukleinsäuren und deren Klonierung gelangen, war die Situation selbst in Wissenschafts kreisen von einer Unsicherheit über das in der neuen Technik liegende Gefahrenpotential geprägt. Auf Veranlassung führender amerikanischer Molekularbiologen fand im Februar 1975 in Asilomar /USA eine Konferenz statt, auf der die Einführung eines Systems biologischer und physikalischer Sicherheitsvorkehrungen bei der Durchführung gentechnischer Arbeiten zum Zwecke der Gefahrenvorsorge befürwortet wurde 71 • Die Wissenschaftler kamen damals zu dem Schluß, daß ein generelles Moratorium für gentechnische Versuche nicht notwendig sei, sondern mit gezielten Sicherheitsrnaßnahmen das Risiko gentechnischer Experimente eingegrenzt werden könne 72• Dementsprechend forderten sie, über die bereits aus der traditionellen Arbeit mit pathogenen Organismen oder toxischen Wirkstoffen bekannten technischen Einschlußmaßnahmen (sog. containment) hinaus ein biologisches Containment-Konzept zu entwickeln, um so durch die
70 Nukleinsäuren sind Makromoleküle, die die Erbinformationen in sich tragen. Neukombinierte Nukleinsäuren sind Nukleinsäuremoleküle, die durch die Anwendung der Methoden der Gentechnik, d.h. durch Schneiden, Inserieren, Ligieren, gezielt zu neuen Molekülen zusammengebaut wurden. Die dabei benutzten hochspezifischen Reagenzien (z.B. Restriktionsnukleasen, Ligasen, Polymerasen) sind hochgereinigte Enzyme, die natürlicherweise in diversen Bakterien oder niederen Pflanzen (Algen) vorkommen und von dort isoliert werden können. 71 Ausführlich dazu Berg u. a. , Summary Statement of the Asilomar Conference on Recombinant DNA Molecules, S. 1981-84; vgl. auch ausführlich Binder, Richtlinien für die Genforschung im Spannungsfeld zwischen Gefahrenschutz und Forschungsfreiheit, S. 125 ff. 72 Siehe auch Bundesminister für Forschung und Technologie (Hrsg. ), Genforschung - Gentechnik, S. 37.
1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
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Verwendung von "behinderten", nicht über den Versuch hinaus lebensund entwicklungsfähigen Wirt-Vektor-Systemen die Gefahr einer Verbreitung neuer Erbinformationen in gesundheits- oder umweltschädigender Weise bereits im Ansatz zu bannen 73• Diesem Aufruf der "science community" folgend erließ das National Institute of Health (NIH) in den USA im Jahre 1976 sehr ausführliche Richtlinien für die Forschung im Genbereich, die eine genaue Klassifizierung von Forschungsaktivitäten in Gefahrenkategorien und entsprechende containment-Maßnahmen vorsahen 74• Die Richtlinien schrieben ein abgestuftes System von Sicherheitsmaßnahmen vor, welches aus unterschiedlichen Kombinationen eines biologischen und pysikalischen Containment bestand. Gene durften danach zunächst nur in solche Empfängerorganismen übertragen werden, die als Sicherheitsstämme ausdrücklich zugelassen waren. Dies sind spezielle Stämme, die das aufgenommene genetische Material nicht weiter übertragen können. Sie vermögen nur in der künstlichen Umgebung des Labors zu überleben und können sich außerhalb des Labors nicht verbreiten. Um zu verhindern, daß die in der Forschung Beschäftigten oder die weitere Umwelt mit den veränderten Organismen in Kontakt kommen können, mußte nach den Richtlinien des NIH zusätzlich im geschlossenen System gearbeitet werden 75 • Bis heute wurden die in Asilomar definierten Sicherheitsstandards mehrfach modifiziert und den Veränderungen des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes angepaßt. Gemäß den Richtlinien des NIH werden Bundesmittel für die Forschung nur dann vergeben, wenn die Sicherheitsvorschriften eingehalten werden. Verwendung findet das sog. Community Review System. Danach hat ein Ausschuß das Forschungsprogramm zunächst zu prüfen und zu bewilligen 76• Nahezu alle amerikanischen Hochschulen haben die Richtlinien für die Forschung übernommen. Die Industrie hat sich ihn~n ebenfalls im Wege der freiwilligen Selbstbindung unterworfen.
73 Vgl. Berg u. a, Summary Statement of the Asilomar Conference; Malzro, Rechtliche Regelung der Umwelt- und Gesundheitsrisiken in der Gentechnik, S. 261, 269. 74 Vgl. auch Kloepfer / Delbrück, Gentechnikrecht zum Schutze der Umwelt, S. 281 ff., 283. 75 Vgl. dazu auch Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie", S. 195. 76 Vgl. dazu Deutsch, Zur Arbeit der Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie", S. 76 ff., 80.
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gen technische Industrievorhaben
2. Regelungsgegenstand der deutschen Richtlinien Nach dem Erlaß der Richtlinien des NIH in den USA wurden von einer Vielzahl gentechnisch forschender Industrieländer staatliche Vorsorgeregelungen geschaffen. Insbesondere in Europa gab die European Science Community Empfehlungen an die einzelnen Mitglieder, dem Beispiel der USA folgend Richtlinien zu erlassen. Der Aufforderung der European Science Community kam die Bundesregierung am 15.2. 1978 mit dem Erlaß der "Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren" nach, die der Bundesminister für Forschung und Technologie am 21.3.1978 veröffentlichte77• Diese sog. Gen-Richtlinien liegen nunmehr seit dem 28.5.1986 in ihrer fünften Fassung vor 78• Sie sind kennzeichnend für die erfolgreiche Bewältigung wissenschaftlich-technischer Entwicklungen in der Verwaltungspraxis 79• Wenngleich ihr weitgehend fehlender unmittelbarer Verbindlichkeitsanspruch beharrlich als Argument für das behauptete Regelungsdefizit im Bereich der Gentechnik gebraucht wirdso, kommt doch gerade den Gen-Richtlinien eine zentrale Bedeutung unter den für die Gentechnik geltenden Bestimmungen zu. In den Anwendungsbereich der Richtlinien fallen zwar zunächst allein die unmittelbar oder mittelbar vom Bund geförderten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bereich der Gentechnik. Da die Richtlinien den Stand von Wissenschaft und Technik widerspiegeln, sind sie jedoch auch für alle übrigen Einrichtungen, in denen Nukleinsäuren neukombiniert werden oder von denen entsprechende Forschungsarbeiten gefördert werden, maßgeblich. Den Richtlinien kann die Bedeutung einer antezipierten Sachverständigen-Aussage oder eines im Rahmen der Amtsermittlung zu beachtenden Hinweises beigemessen werden 8!. Ihre Funktion, die dem Stand
Bundesanzeiger Nr. 56 vom 21.03.1978. Bundesanzeiger Nr. 109 vom 20.6.1986 (Anhang 1); die früheren Fassungen sind veröffentlicht in Bundesanzeiger Nr. 137 vom 26.7.1979 (2. Fassung), Bundesanzeiger Nr. 129 vom 17.7.1980 (3. Fassung) und Bundesanzeiger 169 a vom 11.9.1981, Beilage 3181 (4. Fassung). 79 Vgl. zur Gewährleistung eines hinreichenden Gefahrenschutzes durch die Gen-Richtlinien auch Binder, Richtlinien für die Genforschung im Spannungsfeld zwischen Gefahrenschutz und Forschungsfreiheit, S. 125 ff., 139. so Vgl. etwa Bock, Schutz gegen die Risiken und Gefahren der Gentechnik?, S. 24; Groth, Die gentechnische Herausforderung, S. 247 ff., 258. 8! Vgl. Pohlmann, Gentechnische Industrieanlagen und rechtliche Regelungen, S. 1205 ff., 1206; Schwab, Gentechnologie und Immissionsschutzrecht, S. 1012 ff., 1015. 77
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1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
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von Wissenschaft und Technik entsprechenden Anforderungen an ein gentechnisches Vorhaben zu konkretisieren, ist unabhängig von ihrer rechtlichen Qualifikation und ihrer begrifflichen Einordnung in den Formenkanon des Verwaltungsrechts82• Dies wird offenkundig in den Verfahren zur Genehmigung gen technischer Anlagen, in denen die Gen-Richtlinien den Maßstab für die Entscheidung der Behörde bilden und als Grundlage der administrativen Einzelentscheidung rechtsverbindlich festgehalten werden83• Nicht zu unterschätzende Rechtswirkungen entfalten die Gen-Richtlinien auch im Haftungsrecht. Kommt es beispielsweise infolge gentechnischer Arbeiten durch ein privatwirtschaftliches Unternehmen zur Schädigung eines der von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter, so stellt sich die Frage nach der Beachtung der erforderlichen Sorgfalt durch den Betreiber der gentechnischen Anlage. In der Regel wird diesem jedoch dann kein Schuldvorwurf gemacht werden können, wenn er sich so verhalten hat, wie es ihm von kompetenten Fachleuten empfohlen worden ist bzw. es dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht84 • Die Gen-Richtlinien beanspruchen insofern zumindest mittelbar Geltung über die staatlich geförderten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben hinaus 85 • Zudem haben sich dem Vernehmen nach alle im Verband der Chemischen Industrie, im Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie sowie im
82 Vgl. Degenhart, Die Bewaltigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht, S. 2435 ff., 2439. 83 In allen bisherigen Verfahren zur Genehmigung gentechnischer Anlagen wurden die generalisierenden Verhaltens- und Beschaffenheitsanforderungen der Gen-Richtlinien auch von den Einwendern als Maßstab der behördlichen Entscheidung anerkannt. Der Widerspruchsbescheid in dem Genehmigungsverfahren um die Humaninsulinanlage der Hoechst AG enthält z.B. folgende behördliche Auflage: "Die Fermentation ... ist so zu errichten und zu betreiben, daß die Einhaltung der Produktionssicherheitsmaßnahmen LP 2 im Sinne der ,Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch invitro neukombinierte Nukleinsauren' i.d.F. d. Bek. des Bundesministers für Forschung und Technologie (Az.: 321-7221-2-7/ 86) vom 28.5.1986 sichergestellt ist" (vgl. 1.2.1.1 der Entscheidungsformel des Widerspruchsbescheids vom 7.7.1988). 84 Vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB § 276 Anm. 4 B b; MünchKomm-Hanau, BGB § 276 Rdnr. 93 f.; siehe auch Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie", S. 293; Marburger, Technische Regeln im Recht, S. 427 ff.; Nicklisch, Wechselwirkungen zwischen Technologie und Recht, S. 2633, 2636; Deutsch, Das Recht der Gentechnologie, S. 305, 307. 85 So auch die Antwort des Hessischen Ministers für Umwelt und Reaktorsicherheit auf die Kleine Anfrage der Abg. Dr. Streletz (SPD) betreffend Genehmigung der Insulin-Produktion bei der Hoechst AG, LT-Drs. 12/1733; zu eng wohl Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie", S. 210.
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gen technische Industrievorhaben
Industrieverband Agrar zusammengeschlossenen privatwirtschaftlichen Unternehmen, in denen gentechnisch gearbeitet wird, den Gen-Richtlinien im Wege der freiwilligen Selbstbindung untcrworfen 86• Zweck der Richtlinien ist es, - Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen sowie die Umwelt vor Gefahren zu schützen, die von biologisch aktiven invitro neukombinierten Nukleinsäuren sowie von Spender und Empfängerorganismen ausgehen können, - die Erforschung, Entwicklung und Nutzung der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten der Neukombination von Nukleinsäuren zu fördern, und - die Erfüllung internationaler Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Neukombination von Nukleinsäuren zu gewährleisten. Zum Zwecke der Minimierung der denkbaren Gentechnikrisiken sehen die Gen-Richtlinien ein abgestuftes System von Sicherheitsmaßnahmen vor, die zum einen labor- bzw. produktionsbezogen sind und zum anderen an biologische Kriterien anknüpfen. Die Labor- oder Produktionssicherheitsmaßnahmen umfassen bestimmte experimentelle Techniken und legen die Ausstattung von Laboratorien und Produktionsbereichen fest. Sie unterscheiden zwischen vier verschiedenen Sicherheitsstufen (Laborsicherheitsmaßnahmen L 1 - L 4 und Produktionssicherheitsmaßnahmen LP 0 - LP 3). Ihr wesentliches Ziel ist die Trennung der verwendeten Mikroorganismen von Mensch und Umwelt. Hierzu kann man auf erprobte Techniken zurückgreifen, die bereits seit langem in der konventionellen Biotechnik wie etwa der Vakzineherstellung mit Hilfe hochpathogener Mikroorganismen verwendet werden. Das Spektrum der Sicherheitsmaßnahmen reicht hier bekanntermaßen von der Verwendung geschlossener Apparaturen und Auffangwannen über die Einrichtung spezieller Abzüge bis hin zu dem von der Umwelt hermetisch abgeschlossenen Hochsicherheitslabor mit aufwendiger Lüftungstechnik. Ferner umfassen die Maß-
86 Vgl. Hasskarl, Rechtsfragen gentechnologischer Arzneimittel, S. 269, 271; Schwab, Gentechnologie und Immissionsschutzrecht, S. 1012 ff., 1014; Hirsch / Schmidt-Didczuhn, Gentechnik-Gesetz - ein Schritt in gesetzgeberisches Neuland, S. 458; Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie", S. 210; die Verbindlichkeit dieser Selbstverpflichtung der Industrie verneinend Witte, Staatshaftung bei gentechnisch veranderten Mikroorganismen, S. 93 ff.
1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
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nahmen z. B. das Arbeiten mit Handschuhen und mit automatischen Pipetten, das Autoklavieren87 von Versuchsmaterial usw. Neben den technischen stehen die biologischen Sicherheitsrnaßnahmen. Sie beruhen darauf, daß man für die Einführung fremder Gene nur solche biologischen Systeme verwendet, die sich außerhalb einer künstlichen, nur im Labor zu schaffenden Umgebung (z.B. in einem Fermenter) nicht vermehren können. Ferner sollen für gentechnische Arbeiten nur solche Empfängerorganismen ausgewählt werden, deren Eigenschaften, Stellung im biologischen System und Verhalten in verschiedenen Ökosystemen hinreichend bekannt sind. Der besonderen Berücksichtigung bedürfen folgende Kriterien : - Unschädlichkeit des Organismus für Menschen, Tiere und Pflanzen, - Eignung, in der Natur als Spender oder Empfänger von Nukleinsäuren zu fungieren, - Vorkommen und Wahrscheinlichkeit des Überlebens im umgebenden natürlichen Ökosystem, - Entdeckbarkeit und Beherrschbarkeit im Ökosystem (z.B. durch gezielte Vernichtung) sowie die Rückholbarkeit. Zur Übertragung der Erbinformation stehen Sicherheitsplasmide zur Verfügung, die unter Umweltbedingungen inaktiv sind. Bei der Weiterverarbeitung gentechnisch erzeugter Produkte können schließlich alle biologischen Risiken durch Inaktivierung wie etwa Hitzesterilisation ausgeschlossen werden. So hat sich beispielsweise die Inaktivierung durch Sattdampf bei 120 oe und einer Einwirkungszeit von 20 Minuten sogar beim Umgang mit Krankheitserregern im Sinne des Bundesseuchengesetzes als sichere Maßnahme bewährt. Es ist insofern davon auszugehen, daß auch biologisch aktive rekombinante Nukleinsäuren mit Gefährdungspotential damit ausreichend inaktiviert werden. Darüber hinaus haben sich alternative chemische oder physikalische Methoden, jeweils abgestimmt auf die entsprechenden Organismen oder Vektoren, als taugliche Mittel zur vollständigen Inaktivierung bewährt88• Die Richtlinien stellen Anforderungen an die berufliche Qualifikation der im Labor und in der Produktion Beschäftigten, und zwar einmal bezüglich des einzelnen Experiments oder Produktionsvorgangs und zum anderen allgemein bezüglich des Betreibens eines gentechnischen
87
Unter Autoklavieren versteht man Sterilisationsmethoden mit Dampf von
ca. 120 oe.
88 Vgl. Brunner/Gassen/König/Piepersberg/Wemer, Zur Begriffsklärung Biologisch aktiver rekombinanter Nukleinsäure.
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
Labors oder einer gentechnischen Produktionsanlage im Rahmen des Registrierungsverfahrens. Als spezialisierte oder allgemeine Anforderungen unterscheiden sie sich im Grad und in der Breite der erforderlichen Sachkenntnisse und ihres Nachweises. Zusätzlich stellen die Richtlinien Anforderungen an die Fortbildung der Beschäftigten und deren Gesundheitsüberwachung. Gentechnische Laboratorien und entsprechende Forschungs-, Technikums- und Produktionsbereiche unterliegen seit der Neufassung der Gen-Richtlinien im Jahre 1986 einer Registrierung durch die Zulassungsstelle für biologische Sicherheitsrnaßnahmen beim Robert-KochInstitut des Bundesgesundheitsamtes (BGA). Für die Registrierung einer gentechnischen Anlage wird geprüft, ob die Anlage gemäß den Bestimmungen der Gen-Richtlinien geeignet ist, die geforderten Sicherheitsrnaßnahmen im Umgang mit den zur Fermentation vorgesehenen gentechnisch veränderten Organismen bzw. Zellen einzuhalten. Soweit bestimmte gentechnische Arbeiten in Einzelvolumina größer als 10 I durchgeführt werden, bedürfen sie der Zustimmung der Zulassungsstelle für biologische Sicherheitsrnaßnahmen. Der Entscheidung über die Zustimmung zu den Arbeiten geht eine Sicherheitsüberprüfung des geplanten Vorhabens durch die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS), die als fachlich beratende und begutachtende Institution beim BGA eingerichtet ist, voraus. Durch die Sicherheitsüberprüfung werden die Arbeiten begutachtet und in Abhängigkeit von den verwendeten Organismen die einzuhaltenden Sicherheitsrnaßnahmen festgelegt. Mit der Registrierung der gentechnischen Laboratorien einerseits und der Sicherheitsüberprüfung der gentechnischen Arbeiten andererseits ergänzen sich Zulassungsstelle und ZKBS und arbeiten kooperativ zusammen. Nach den Gen-Richtlinien ist die Übertragung von antibiotikaresistenten Genen auf bestimmte Empfängerorganismen, die Herstellung von neukombinierten Nukleinsäuren für die Biosynthese von bestimmten hochwirksamen Toxinen und die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen nicht zulässig. Allerdings kann das BGA - Zulassungsstelle für biologische Sicherheitsrnaßnahmen - nach Anhörung der ZKBS und - soweit über Freisetzungsvorhaben zu entscheiden ist - im Einvernehmen mit der Biologischen Bundesanstalt Ausnahmen von diesen Verboten zulassen. Einem absoluten Verbot unterfällt dagegen die Einführung von neukombinierten Nukleinsäuren in Keimbahnzellen des Menschen.
1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
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11. Gentecbnik und Seucbenrecbt 1. Bundes-Seuchengesetz
Zentrale Rechtsvorschriften für das Arbeiten und den Verkehr mit Krankheitserregern finden sich in dem "Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen" (BundesSeuchengesetz - BSeuchG) Ld.F. d. Bek. vom 18.12.197989, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.12.198690• Angesichts der vom Umgang mit Krankheitserregern ausgehenden Gefahren unterwirft § 19 BSeuchG entsprechende Tätigkeiten einer generellen Erlaubnispflicht, die auch eingreift, wenn bei gentechnischen Arbeiten humanpathogene Mikroorganismen als Spender- oder Empfängerorganismen bzw. Vektoren benutzt werden. Die Erlaubniserteilung ist geknüpft an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Durch § 22 BSeuchG wird sichergestellt, daß beim Arbeiten und beim Verkehr mit Krankheitserregern alle persönlichen und sachlichen Voraussetzungen vorliegen, um dabei eine Verbreitung von Krankheitserregern zu verhüten. Die Erlaubnis ist bei fehlender Sachkenntnis und bei Unzuverlässigkeit des Antragstellers in bezug auf die erlaubnispflichtigen Tätigkeiten sowie beim Fehlen geeigneter Räume und Einrichtungen zu versagen. Die Behörde ist bei ihrer Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nicht frei, sondern sie muß die Erlaubnis versagen, wenn die im Gesetz festgelegten Voraussetzungen nicht vorliegen. Es handelt sich um einen gebundenen Verwaltungsakt. Andererseits hat der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis, wenn keiner der genannten Versagungsgründe vorliegt. Gemäß § 21 BSeuchG bedürfen der Erlaubnis nach § 19 nicht alle Personen, die mit Krankheitserregern arbeiten, sondern nur der für die Arbeiten Verantwortliche91 • Dies muß nach § 22 Abs. 2 S. 1 BSeuchG nicht unbedingt derjenige sein, der die unmittelbare Leitung der Tätigkeiten übernimmt. Erlaubnisinhaber kann vielmehr auch eine juristische Person sein (§ 22 Abs. 2 S. 2 BSeuchG). Diese Möglichkeit wird für die Durchführung gentechnischer Arbeiten durch Nr. 22 Abs. 1 der Gen-Richtlinien ausgeschlossen. Hier bedarf der nach Nr. 22 Abs. 2 a
89
90 91
BGBI. I S. 2262. BGBI. I S. 2555. Vgl. Schumacher / Meyn, Bundes-Seuchengesetz, Erläuterungen zu § 21.
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2. Teil: Rechtsgrundlagen filr gentechnische Industrievorhaben
der Gen-Richtlinien unmittelbar aufsichtsführende Projektleiter einer Erlaubnis nach §§ 19 ff. BSeuchG, falls in seinem Zuständigkeitsbereich mit humanpathogenen Spenderorganismen bzw. Vektoren oder toxinbildenden Spenderorganismen gearbeitet wird. Eine Erlaubnis ist nur für das Arbeiten mit vermehrungsfähigen Erregern erforderlich. Die verschiedentlich aufgeworfene Frage, ob das BSeuchG auch dann eingreift, wenn die Pathogenität der bei gentechnischen Arbeiten eingesetzten Biomaterialien nicht nachgewiesen ist92 , ist praktisch kaum relevant. Die Pathogenität und Vermehrungs fähigkeit der bei gentechnischen Arbeiten zu verwendenden Mikroorganismen stellen nämlich nicht nur die tatbestandlichen Eingriffsvoraussetzungen des § 19 BSeuchG dar, sondern sind zudem wichtige und klärungsbedürftige Kriterien bei der Auswahl der nach den Gen-Richtlinien zu treffenden (Labor- bzw. Produktions- sowie biologischen) Sicherheitsrnaßnahmen. Es ist insoweit davon auszugehen, daß die Eigenschaften der zu verwendenden Mikroorganismen, ihre Stellung im biologischen System und Verhalten in verschiedenen Ökosystemen vor Aufnahme der gentechnischen Arbeiten hinreichend bekannt sind. Fraglich ist indessen, ob § 19 BSeuchG auch in den Fällen eingreift, in denen zunächst zwar nur mit apathogenen Ausgangsorganismen umgegangen wird, durch die gentechnische Veränderung aber Krankheitserreger entstehen können. Ist aufgrund früherer Versuche bereits bei Aufnahme der gentechnischen Arbeiten bekannt, daß der mittels der Gentechnik zu erzeugende Mikroorganismus humanpathogen sein wird, so unterfällt die entsprechende Arbeit von Beginn an der Erlaubnispflicht nach § 19 Abs. 1 BSeuchG. Um dem Ziel des BSeuchG, die Verbreitung von übertragbaren Krankheiten zu verhindern, hinreichend Rechnung zu tragen, ist es nämlich erforderlich, nicht allein auf das Vorliegen pathogener Organismen zu Beginn der Arbeiten abzustellen, sondern vielmehr auch die im Verlauf der Arbeiten entstehenden Erreger als tatbestandliche Eingriffsvoraussetzungen des § 19 Abs. 1 BSeuchG anzusehen. Anderes könnte indessen gelten, wenn es zu Beginn der gentechnischen Arbeiten an einem Nachweis der Pathogenität des zu erzeugenden Organismus fehlt. Der Wortlaut des § 19 BSeuchG legt die Interpretation nahe, daß der Umgang mit Mikroorganismen, deren Pathoge-
92 Vgl. nur Richter, Gentechnologie als Regelungsgegenstand des technischen Sicherheitsrechts, S. 73 f.; Witte, Staatshaftung bei gentechnisch verSnderten Mikroorganismen, S. 66 f.
1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
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nität ungeklärt ist, nicht unter die Erlaubnispflicht fällt 93 • Auch die gesetzessystematische Betrachtung führt zu keinem anderen Ergebnis. § 2 BSeuchG dokumentiert, daß dem Gesetzgeber der Unterschied zwischen der Gefahr und dem Gefahrenverdacht bewußt war. Sonst wäre die Differenzierung zwischen "kranken" und "krankheitsverdächtigen" Personen in § 2 Nr. 1 und Nr. 2 BSeuchG unverständlich. Auch § 10 Abs. 1 BSeuchG unterscheidet zwischen Gefahr und Gefahrenverdacht. So ist die zuständige Behörde bereits dann befugt, präventive Maßnahmen gegen die Ausbreitung übertragbarer Krankheiten zu ergreifen, wenn "anzunehmen ist", daß Tatsachen vorliegen, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können. Demgegenüber ist in § 19 BSeuchG von einer Verdachtssituation im Hinblick auf die Existenz vermehrungsfähiger Krankheitserreger keine Rede. Im Umkehrschluß kann dies nur bedeuten, daß die mögliche Pathogenität gentechnisch veränderter Mikroorganismen keine Erlaubnispflicht nach §§ 19 ff. BSeuchG begründet 94• Wenngleich das BSeuchG insoweit die spezifischen Besonderheiten der Gentechnik nicht umfassend zu berücksichtigen scheint, bieten doch die Gen-Richtlinien in diesem Punkt einen gewissen Regelungsausgleich. Um dem Vorsorgegesichtspunkt im Hinblick auf mögliche, nicht von vornherein erkennbare Gefahrenpotentiale des bei gentechnischen Arbeiten anfallenden Materials Rechnung zu tragen, bestimmen die Richtlinien, daß auch in den Fällen, in denen im Verlauf der Versuche in einer bestimmten Anzahl von Fällen Krankheitserreger entstehen können, die Projektleiter schon vor Beginn der Arbeiten zwar keine Erlaubnis nach § 19 BSeuchG, jedoch die von § 22 BSeuchG geforderte Qualifikation nachweisen müssen 9S • Dies entspricht jahrzehntelangen Erfahrungen in der Mikrobiologie, nach denen Gefahren, die beim Arbeiten und dem Umgang mit Krankheitserregern entstehen können, am sichersten dadurch' begegnet werden kann, daß das eingesetzte Personal über eine qualifizierte Ausbildung verfügt und zudem bereits praktische Erfahrung im Umgang mit Mikroorganismen hat.
93 Vgl. auch Witte, Staatshaftung bei gentechnisch veranderten Mikroorganismen, S. 67.
94 So auch Wilte, Staatshaftung bei gentechnisch veranderten Mikroorganismen, S. 68. 9S Vgl. Gen-Richtlinien M. Erlauterungen, zu Nummer 18 (Anhang 1).
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
2. Tierseuchenerreger-Verordnung
Wie das BSeuchG sieht auch die auf § 79 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Nr. 16 des Tierseuchengesetzes i.d.F. d. Bek. vom 28.3.198096 gestützte Verordnung über das Arbeiten mit Tierseuchenerregern (Tierseuchenerreger -Verordnung) vom 25.11.1985 97 eine Erlaubnispflicht für das Arbeiten und den Verkehr mit Tierseuchenerregern vor (§ 2 Abs. 1 der VO). Als Arbeiten mit Tierseuchenerregern nennt die Verordnung beispielhaft Versuche, mikrobiologische oder serologische Untersuchungen zur Feststellung übertragbarer Tierkrankheiten oder eine Fortzüchtung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung). Die Tierseuchenerreger-Verordnung erfaßt gemäß § 1 sowohl vermehrungsfähige Erreger als auch Teile von Erregern. Insoweit hat der Verordnungsgeber hier ausdrücklich klargestellt, daß auch der Umgang mit fragmentierter DNA in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt. Die Voraussetzungen der Erlaubniserteilung nach der Tierseuchenerreger-Verordnung (§ 4) entsprechen denen des BSeuchG (§ 22). Es kann daher an dieser Stelle auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
III. Die Genehmigung gentechnischer Anlagen nach dem Immissionsschutzrecht 1. Der Spezialtatbestand der Nr. 4.11 des Anhangs zur 4. ßlmSchV
Innerhalb der industrieanlagenbezogenen Regelungen gilt der Blick zuvorderst dem Immissionsschutzrecht. Anlagen mit einem durch ihre Beschaffenheit oder ihren Betrieb bedingten besonderen Umweltgefährdungspotential bedürfen gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 15.3.197498, zuletzt geändert am 26.11.198699, einer Genehmigung. § 4 Abs. 1 S. 3 BImSchG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates den Kreis der genehmigungsbedürftigen Anlagen näher zu bestimmen.
96 97
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99
BGBI. BGBI. BGBI. BGBI.
I I I I
S. S. S. S.
386. 2123. 721, 1193. 2089.
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Die Bundesregierung hat von dieser Ermächtigung dadurch Gebrauch gemacht, daß sie einen Katalog genehmigungsbedürftiger Anlagen im Anhang zur 4. BImSchV zusammengestellt hat. Mit der Begründung, es bestehe ein vordringliches, keinen weiteren Aufschub duldendes Regelungsbedürfnis, aber auch in der Erwartung, daß Regelungen zur Gentechnik vom Bundesrat ohnehin eingebracht worden wären, hat sich die Bundesregierung 1987 dazu entschlossen, alle Anlagen zum fabrikmäßigen Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen gesondert in die 4. BImSch V aufzunehmen. Die Bundesregierung hatte dabei in ihrem Entwurf eine nach dem Gefährdungspotential der gen technisch veränderten Mikroorganismen differenzierende Regelung vorgesehen 100: "Anlagen zum fabrikmäßigen Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen, von denen erwiesen ist oder die im begründeten Verdacht stehen, daß sie bei Menschen, Tieren oder Pflanzen Krankheiten hervorrufen oder die Umwelt gefährden", sollten nach dem Entwurf der Bundesregierung unter Nr. 4.11 in Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV aufgenommen und damit dem färmlichen Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG unterworfen werden. Sonstige "Anlagen zum fabrikmäßigen Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen" sollten dagegen der Spalte 2 des Anhangs zugeordnet werden und insoweit im vereinfachten Verfahren zu genehmigen sein. Auf Vorschlag des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit änderte der Bundesrat den Entwurf der Bundesregierung dergestalt, daß "Anlagen zum Umgang mit a) gentechnisch veränderten Mikroorganismen, b) gentechnisch veränderten Zellkulturen, soweit sie nicht dazu bestimmt sind, zu Pflanzen regeneriert zu werden, c) Bestandteilen oder Stoffwechselprodukten von Mikroorganismen nach a) oder Zellkulturen nach b), soweit sie biologisch aktive, rekombinante Nukleinsäure enthalten, ausgenommen Anlagen, die ausschließlich Forschungszwecken dienen",
ohne Differenzierung nach dem Gefährdungspotential der zu verwendenden gentechnisch veränderten Mikroorganismen unter NT. 4.11 der Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV zugeordnet wurden l01 • Der Bundesrat begründete seine strikte Haltung mit dem neuartigen Gefährdungspotential, das keine klare und zuverlässige Vorausbeurteilung von
BR-Drs. 585/87 vom 18.12.1987, S. 26. 101 Nr. 4.11 des Anhangs zur 4. BImSchV wird durch Art. 2 des Gentechnikgesetzes gestrichen. 100
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
vornherein erwarten lasse und mit der grundsätzlichen Schwierigkeit zwischen "gefährlichen" und "weniger gefährlichen" gentechnisch veränderten Mikroorganismen bzw. Zellkulturen zu differenzieren. Die Zuordnung zur Spalte 1 des Anhangs entspreche auch der Bedeutung der Gentechnik, der Vielfalt der dadurch aufgeworfenen Fragen und dem öffentlichen Charakter der Diskussion um die Gentechnik, wie dies auch in dem Bericht der Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie" zum Ausdruck komme l02 • Durch die Änderungsverordnung vom 19.5.1988103 bedurften insoweit die Errichtung und der Betrieb gentechnischer Anlagen seit dem 1.9. 1988 ausdrücklich einer im förmlichen Verfahren erteilten Genehmigung nach dem BImSchG, soweit den Umständen nach zu erwarten war, daß sie länger als sechs Monate nach Inbetriebnahme an demselben Ort betrieben werden und sie gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen verwendet werden (§ 1 Abs. 1 4. BImSch V). Durch die Einschränkung "soweit sie nicht dazu bestimmt sind, zu Pflanzen regeneriert zu werden" wurden Anlagen ausgegrenzt, in denen aus gen technisch manipulierten pflanzlichen Zellkulturen Pflanzen großgezogen werden lO4 • Die Einschränkung bezüglich der Bestandteile und Stoffwechsel produkte "soweit sie biologisch aktive, rekombinante Nukleinsäure enthalten" war notwendig, um Anlagen auszugrenzen, in denen lediglich mit biologisch inaktiven Stoffen, die mit Hilfe gen technisch veränderter Mikroorganismen bzw. Zellkulturen hergestellt worden sind, zwecks weiterer Ver- oder Bearbeitung umgegangen wirdlOs. Bedeutung gewann diese Einschränkung der Nr. 4.11 des Anhangs zur 4. BImSchV beispielsweise bei der Herstellung von Humaninsulin mittels gentechnisch veränderter Mikroorganismen. Die Humaninsulinherstellung bedarf folgender Verfahrensschritte: 1. Fermentation (Anzucht der Mikroorganismen und anschließende Abtötung durch Desinfektionsmiuel), 2. Gewinnung des Fusionsproteins (Separieren der Zellmasse, Aufschluß der Zellen, Abtrennung der Zellreste und Isolierung des sog.
102 103
104 lOS
BR-Drs. BGBI. I BR-Drs. BR-Drs.
585/l /87 vom 16.2.1988, S. 33. S. 608. 585/87 vom 26.2.1988. 585/87 vom 26.2.1988.
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Fusionsproteins, das eine Humaninsulin-Vorstufe enthält), und schließlich 3. chemische und / oder biochemische Aufarbeitungs- und Reinigungsschritte (Anreicherung und Isolierung der Insulinvorstufe, reduktive Faltung, enzymatische Spaltungen, Kristallisation) bis zur Gewinnung des eigentlichen Wirkstoffs Humaninsulin. Es wird insofern deutlich, daß neben der Fermentation, die den eigentlichen Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen darstellt, auch Verfahrensschritte erfolgen, bei denen lediglich mit biologisch inaktiven Stoffen umgegangen wird.
2. Zum Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers bei der Regelung der Genehmigungsbedürftigkeit gentechnischer Anlagen Die undifferenzierte Aufnahme gen technischer Anlagen in den Katalog der unter Öffentlichkeitsbeteiligung genehmigungsbedürftigen Anlagen des Anhangs zur 4. BlmSchV begegnete im Vorfeld dieser Regelung, aber auch heute noch der Kritik der Industrie. Anknüpfungspunkt der Kritik ist die in der Regelung zum Ausdruck kommende pauschale Bewertung des Risikopotentials der Gentechnik durch den Verordnungsgeber. Es stellt sich insofern die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Aufnahme gentechnischer Anlagen in den Katalog des Anhangs zur 4. BlmSchV und ihrer undifferenzierten Einordnung in die Spalte 1 dieses Anhangs. Gemäß Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG war die Aufnahme gentechnischer Anlagen in den Anhang zur 4. BlmSchV nur dann zulässig, wenn sich die Bundesregierung im Rahmed der Verordnungsermächtigung des § 4 Abs. 1 S. 3 BlmSchG gehalten hat. Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung gemäß Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG werden durch § 4 Abs. 1 S. 1 und 2 LV.m. § 3 Abs. 1 und 2 und § 3 Abs. 5 sowie durch § 19 Abs. 1 BImSchG näher bestimmt 106• Aus diesen Vorschriften folgt, daß Voraussetzung für die Aufnahme von Anlagen in den Katalog des Anhangs zur 4. BlmSchV das durch die Beschaffenheit oder den Betieb bedingte besondere Umweltgefährdungspotential der betreffenden Anlage ist. Anlaß für die Aufnahme gentechnischer Anlagen in den genannten Katalog waren Befürchtungen hinsichtlich der Auswirkungen, die 106 Vgl. Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 1 A, Abschnitt 1.2, § 4 Anm. 17; Landmann / Rohmer / Kutscheidt, § 4 BImSchG, Rdnr. 7.
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
sich aus dem Freiwerden gentechnisch veränderter Mikroorganismen, Zellkulturen oder biologisch aktiver, rekombinanter Nukleinsäuren für Mensch und Umwelt ergeben können l07 • Dies begründet Zweifel an der hinreichenden Ermächtigung des § 4 Abs. 1 S. 3 BImSchG, ist nach dieser doch eine subsumtionsgebundene Feststellung des Gefährdungspotentials gentechnischer Anlagen erforderlich lO8• Bloße Befürchtungen hinsichtlich bestimmter Umwelteinwirkungen sind dagegen nicht geeignet, klare und zuverlässige Beurteilungen dahingehend zu treffen, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 S. 1 und 2 BImSchG erfüllt sind. Sie sind in der Regel in der Nähe von Spekulationen angesiedelt, die für die Frage der tatsächlichen Gefährlichkeit des Anlagentyps nichts hergeben. Obgleich jedoch der Verordnungsgeber nur innerhalb der Grenzen handeln kann, die die Verordnungsermächtigung setzt, kommt ihm nach allgemeiner Auffassung ein begrenzter Gestaltungsspielraum zu 109, der politische Entscheidungen zuläßt. Daß es sich bei der Aufnahme gentechnischer Anlagen in den Katalog des Anhangs zur 4. BlmSch V und insbesondere bei ihrer Einordnung in Spalte 1 des Anhangs letztlich um eine solche politische Entscheidung der Bundesregierung handelte, wird durch die Begründung des Bundesrates offenkundig. Bundesregierung und Bundesrat sahen zwar ein vordringliches, keinen weiteren Aufschub duldendes Regelungsbedürfnis llO, was zunächst auf die Feststellung eines besonderen Gefährdungspotentials der Gentechnik und einer daraus folgenden rechtlichen Handlungsverpflichtung des Gesetz- oder Verordnungsgebers schließen läßt. Bei näherer Betrachtung der weiteren Begründung werden die überwiegend politischen lmplikationen der Verordnungsänderung aber deutlich. So entspreche die Zuordnung gentechnischer Anlagen zur Spalte 1 des Anhangs zur 4. BlmSchV und die daraus folgende Unterwerfung unter ein förmliches Genehmigungsverfahren der Bedeutung der Gentechnik, der Vielfalt der dadurch aufgeworfenen Fragen und dem öffentlichen Charakter der Diskussion um die Gentechnik, wie dies auch in dem Bericht der Enquete-Kommission des
107 Vgl. Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band 1 B, Abschnitt 2.4, zu Nr.4.11. 108 Vgl. Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rdnr. 16. 109 Vgl. filr das Immissionsschutzrecht nur Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 1 A, Abschnitt 1.2, § 4 Anm. 17; Landmann / Rohmer / Kutscheidt, § 4 BlmSchG, Rdnr. 7, 10. 110 BR-Drs. 585/87.
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Deutschen Bundestages "Chancen und Risiken der Gentechnologie" zum Ausdruck komme lll . Aus der Ergänzung des Anhangs zur 4. BlmSchV um die Nr. 4.11 kann dementsprechend nicht geschlossen werden, daß gen technische Anlagen vor dem 1.9.1988 nicht in den Katalog der genehmigungsbedürftigen Anlagen fielen. Die Aufnahme der Nr. 4.11 erfolgte nicht, weil eine Regelungslücke bestand, sondern weil derartige Anlagen zuvor in jeweils verschiedene Nummern der Anlage zur 4. BlmSchV eingeordnet werden mußten, ohne daß ein ausdrücklicher Hinweis auf die Anwendung gentechnischer Verfahren vorhanden gewesen wäre. Vor der Neufassung kam es darauf an, ob es sich um chemische Umwandlungsprozesse (Nr. 4.1) oder um die fabrikmäßige Herstellung von Arzneimitteln oder Arzneimittelzwischenprodukten handelte, soweit dabei (natürliche oder gentechnisch veränderte) Mikroorganismen verwendet wurden (Nr. 4.3). Gentechnische Anlagen bedurften danach der Genehmigung nach verschiedenen einzelnen Ziffern der 4. BlmSch V1l2• Die materiell-rechtlichen Betreiberpflichten blieben davon unberührt. Sie richten bzw. richteten sich nach wie vor der Neufassung der 4. BlmSchV ausschließlich nach § 5 BlmSchG. 3. Förmliches Genehmigungsverfahren mit ÖfTentlichkeitsbeteiligung
Da die gentechnischen Anlagen in Spalte 1 des Anhangs zur 4. BlmSchV genannt waren, bedurfte es gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 a 4. BImSch V eines förmlichen Genehmigungsverfahrens nach § 10 BlmSchG. Die normative Regelung begnügte sich insoweit nicht damit, die Genehmigungsbehörde an strenge materiell-rechtliche Genehmigungsvoraussetzungen zu binden. Sie machte die Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb gen technischer Anlagen vielmehr von einem formalisierten Genehmigungsverfahren abhängig, in dem die Genehmigungsvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen und an dem alle Behörden zu beteiligen waren, deren Zuständigkeitsbereich berührt wurde. Zum anderen sieht das Immissionsschutzrecht eine eigene Beteiligung des von der Anlage betroffenen Bürgers am Genehmigungsverfahren vor. Bereits im behördlichen Verfahren können Einwendungen BR-Drs. 585/87. Vgl. auch Sendler, Gesetzes- und Richtervorbehalt im Gentechnikrecht, S. 231 ff., 234. 111
112
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gegen das gentechnische Vorhaben erhoben werden. Diese hat die Genehmigungsbehörde in einem besonderen Termin zu erörtern, nachdem zuvor das Vorhaben bekannt gemacht worden ist. Dieser Erörterungstermin dient nach der KlarsteIlung in § 14 der 9. BImSchV dazu, die rechts zeitig erhobenen Einwendungen zu erörtern, soweit dies für die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen von Bedeutung sein kann. Bezüglich des derzeitigen Hauptanwendungsgebietes der Gentechnik, nämlich der Arzneimittelproduktion, lag in der Durchführung des förmlichen Genehmigungsverfahrens wohl der bedeutsamste Unterschied zur Rechtslage vor dem 1.9.1988. Während gentechnische Anlagen zur fabrikmäßigen Herstellung von Arzneimitteln oder Arzneimittelzwischenprodukten vor der Neufassung der 4. BImSchV einem vereinfachten Genehmigungsverfahren nach §§ 4, 19 BImSchG unterworfen waren (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 der 4. BImSchV), war nunmehr auch für sie ein förmliches Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG vorgeschrieben. Für die Industrie bedeutete dies zunächst eine längere Dauer des Genehmigungsverfahrens und damit eine Verzögerung der Produktionsaufnahme. Eine Ausnahme bildeten die in Nr. 4.11, Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV genannten Anlagen, die ausschließlich oder überwiegend der Entwicklung und Erprobung neuer Verfahren, Einsatzstoffe oder Erzeugnisse dienen (Versuchsanlagen). Für sie wurde das vereinfachte Verfahren (§§ 4 und 19 BImSchG) durchgeführt, wenn die Genehmigung für einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren nach Inbetriebnahme der Anlage erteilt werden sollte; dieser Zeitraum konnte auf Antrag bis zu einem Jahr verlängert werden (§ 2 Abs. 3 der 4. BImSchV). Von der Genehmigungspflicht waren allein solche gentechnischen Anlagen ausgenommen, "die ausschließlich Forschungszwecken dienen" (vgl. Spalte 1 Nr. 4.11 des Anhangs zur 4. BImSchV). Für die Genehmigungspraxis gewann damit die Grenzziehung zwischen Forschung und Produktion große Bedeutung113 • Zweifels frei zur Forschung gehören zunächst Universitäten und staatliche Forschungseinrichtungen. Diese unterliegen nur den Betreiberpflichten nach 22 BImSchG 114 • Auch soweit die gen technische Anlage im Auftrag eines gewerblichen Unternehmens an einer Universität betrieben wird, kann man in der Regel von einer Forschungstätigkeit
113 Die Abgrenzung von Forschungs- und gewerblichen Vorhaben ist auch im neuen Gentechnikrecht von besonderer Bedeutung; dazu naher unten S. 182 ff. 114 Vgl. Winter, Gentechnik als Rechtsproblem, S. 585, 590.
1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
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ausgehen, die gemäß Nr. 4.11 letzter Teilsatz immer von der Genehmigungspflicht ausgeschlossen ist 115 • Abgrenzungsprobleme entstehen jedoch dort, wo gewerbliche Unternehmen eigene Forschung betreiben. Mit Schreiben vom 21.3.1989 an die hessischen Regierungspräsidien als zuständige Genehmigungsbehörden für gen technische Anlagen hat das Hessische Ministerium für Umwelt und Reaktorsicherheit klargestellt, daß es für die Frage der Genehmigungsfreiheit nicht darauf ankommt, ob es sich um Grundlagenforschung oder um angewandte Forschung (Zweckforschung) handelt. Nach den Hinweisen des Ministeriums sind die Zwecke des gentechnischen Vorhabens auf Forschung gerichtet, wenn Erkenntnisse über naturgesetzliehe Zusammenhänge wie Beschaffenheit, Wirkungsweise, Reaktionsverhalten oder sonstige bestimmte Eigenschaften eines Stoffes oder Produktes gewonnen werden sollen. Dies gelte auch, wenn bereits Erkenntnisse vorliegen, für bestimmte wichtige Teilschritte aber immer noch Erkenntnisbedarf über naturwissenschaftliche Zusammenhänge besteht und die Teilschritte aus diesem Grunde aus der Verfahrenskette herausgenommen werden. Lägen dagegen diese Erkenntnisse vor, d.h. sei das Produkt bereits im wesentlichen abzuschätzen und diene die weitere Versuchsreihe der Optimierung zum Zwecke einer wirtschaftlich rentablen Produktion, etwa hinsichtlich der Größenordnung, so handele es sich nicht mehr um Forschung, sondern bereits um die Phase des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Versuchsanlage. Ferner komme es für die Einordnung unter die Forschungszwecke nicht auf die Größe einer Anlage an. Eine Anlage könne außerdem dann ausschließlich Forschungszwecken dienen, wenn beabsichtigt sei, sie nach Abschluß der Erkenntnisgewinnung über naturgesetzliehe Zusammenhänge als Versuchs- oder Produktionsanlage zu nutzen. Schließlich diene die Herstellung von Produktmengen zur Erprobung im klinischen Bereich ausschließlich Forschungszwecken, wenn die dort gewonnenen Erkenntnisse Voraussetzung für die Zulassung des Produktes als Medikament sind. Diese Kriterien können als hinreichende Konkretisierung des Begriffs "Forschungszwecke" der NT. 4.11 des Anhangs zur 4. BlmSchV angesehen werden, so daß auch in der Praxis die Frage der Genehmigungspflicht bzw. -freiheit einer gen technischen Anlage beantwortet werden konnte.
115
4.11.
Vgl. Feldhaus, Bundesimmisionsschutzrecht, Bd. 1 B, Abschnitt 2.4, zu Nr.
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2. Teil: Rechtsgrundlagen filr gentechnische Industrievorhaben
4. Anwendbarkeit der Störfall-Verordnung
An die Genehmigungsbedürftigkeit gentechnischer Anlagen können auch die Pflichten anknüpfen, die den Betreiber nach der Störfall-Verordnung 116 treffen. Gentechnische Anlagen sind zwar keine Anlagen, die dem Anhang I der StörfallVO unterfallen 117• Ebensowenig sind gentechnisch veränderte Mikroorganismen keine Stoffe nach Anhang 11 zur StörfallVO. Allein der Umgang mit diesen Organismen erlegt daher dem Anlagenbetreiber noch nicht die besonderen Pflichten auf, die die StörfallVO statuiert. Es wurde jedoch bereits angesprochen, daß wie in fast allen industriellen Produktionsanlagen auch in gen technischen Anlagen vielfach mehrere Verfahrensschritte zur Herstellung des Endproduktes durchgeführt werden. Dementsprechend können auch 'in gentechnischen Anlagen Stoffe nach Anhang 11 zur StörfallVO "im bestimmungs gemäßen Betrieb vorhanden sein oder bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs entstehen" (vgl. § 1 Abs. 1 der 12. BlmSch V) 118.
116 12. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 27.6.1980 (BGBI. I S. 772) i.d.F. d. Änd. vom 1.11.1985 (BGBI. I S. 1586) und 1.9.1988 (BGBI. I S. 626). 117 Einer im Rahmen der Novellierung der Störfall-VO im Jahre 1988 von dem Ausschuß filr Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrates abgegebenen Empfehlung, in den Anhang I zur Störfall-VO auch "Anlagen zum Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen einschließlich Zellkulturen sowie deren Bestandteile oder Stoffwechselprodukte, sofern die Ansatzvolumina 100 I überschreiten", aufzunehmen, widersprach der federfilhrende Ausschuß filr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Ebenso lehnte dieser es ab, den Anhang 11 der Störfall-VO um "Ansätze mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen einschließlich Zellkulturen sowie deren Bestandteile oder Stoffwechselprodukte" zu ergänzen. Zur Begründung filhrte der Ausschuß filr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit aus, die Störfall-VO und die Verwaltungsvorschriften zu dieser Verordnung böten keine geeignete Handhabe zur Bekämpfung der neuartigen Gefahren aus dem Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen. Die Ansatzvolumina an Mikroorganismen oder Zellkulturen seien im übrigen kein geeignetes Abgrenzungskriterium filr die Einbeziehung gentechnischer Anlagen in den Anhang I zur Störfall-VO. Das Gemhrdungspotential solcher Anlagen werde durch die Art der gehandhabten Mikroorganismen oder Zellkulturen und nicht durch die jeweiligen Ansatzvolumina bestimmt. Deshalb sei es auch nicht sachgerecht, Mikroorganismen oder Zellkulturen ohne nähere Spezifizierung in die Stoffliste des Anhangs 11 zur Störfall-VO aufzunehmen. (BR-Drs. 585/l /87 vom 16.2.1988, S. 25 f.). 118 In Betracht kommen etwa Bromcyan oder Chlorcyan (Nr. 52 und 58 des Anhangs 11 zur 12. BImSchV).
1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
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5. Der Entwurf einer "Technischen Anleitung zum Schutz vor gentechnisch veränderten Mikroorganismen" (TA Gentechnik) Parallel zum Gentechnikgesetzgebungsverfahren beabsichtigte der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit den Erlaß einer die Genehmigung gentechnischer Anlagen betreffenden Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BlmSchG (TA Gentechnik). Wenngleich sich dieses Regelungsvorhaben aufgrund der Verabschiedung des Gentechnikgesetzes inzwischen wohl erledigt hat, soll der vorliegende Entwurf dieser Verwaltungsvorschrift (Stand November 1989) im folgenden in die Betrachtungen einbezogen werden. Die sog. TA Gentechnik sollte nach ihrer ausdrücklichen Zielsetzung dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch a) gentechnisch veränderte Mikroorganismen, b) gentechnisch veränderte Zellkulturen, soweit sie nicht dazu bestimmt sind, zu Pflanzen regeneriert zu werden oder c) Bestandteile oder Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen nach a) oder Zellkulturen nach b), soweit sie biologisch aktive, rekombinante Nukleinsäure enthalten, sowie der Vorsorge gegen derartige schädliche Umwelteinwirkungen dienen. Sie sollte nur für Anlagen nach Nummer 4.11, Spalte 1 des Anhangs zur 4. BlmSchV gelten, soweit jene gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen verwendet werden. Damit bezog sich der vorgesehene Geltungsbereich der TA Gentechnik nicht auf Universitäten und staatliche Forschungseinrichtungen. Ebensowenig bezog er sich auf Anlagen, die ausschließlich Forschungszwecken dienen 119.
119 "Für die Zuordnung bestimmter T~tigkeiten zur Forschung kommt es überwiegend auf die mit den einzelnen Verfahrensschritten verfOlgten Zwecke an. Sind diese darauf gerichtet, Erkenntnisse zu gewinnen über naturgesetzliche Zusammenhange wie Beschaffenheit, Wirkungsweise oder sonstige bestimmte Eigenschaften eines Stoffes oder Produkts oder auch das Reaktionsverhalten, um möglicherweise weitere Stoffe hervorzubringen, so ist diese T~tigkeit noch der Forschung und nicht der gewerblich wirtschaftlichen Bet~tigung zuzurechnen; dies gilt auch dann, wenn bereits Erkenntnisse vorliegen, für bestimmte wichtige Teilschritte aber immer noch Erkenntnisbedarf besteht und diese Teile aus diesem Grund aus der Verfahrenskette herausgenommen werden. Liegen dagegen diese Erkenntnisse vor, d.h. ist das Produkt bereits im wesentlichen abzuschatzen und dient die weitere Versuchsreihe nur noch der Optimierung zum Zwecke einer wirtschaftlich rentablen Produktion etwa hinsichtlich Größe nord-
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
Die TA Gentechnik sollte die im Bundes-Immissionsschutzrecht vorhandenen Regelungen hinsichtlich der Genehmigung gen technischer Anlagen konkretisieren. Die in der TA Gentechnik enthaltenen Vorschriften wären von der Behörde bei a) der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 BImSchG, b) der wesentlichen Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer gentechnischen Anlage (§ 15 BImSchG), c) der Prüfung der Voraussetzungen zur Erteilung einer Teilgenehmigung oder eines Vorbescheids (§§ 8, 9 BImSchG) und d) nachträglichen Anordnungen (§ 17 BImSchG) zu beachten gewesen. Für die Prüfung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen im Sinne des § 6 BImSchG erfüllt sind, hatte die Behörde nach dem Entwurf zu berücksichtigen, daß Art und Ausmaß einer möglichen Beeinträchtigung von Menschen, Tieren und Pflanzen durch den Betrieb einer gentechnischen Anlage von den Eigenschaften, der Art und der Menge der in der Anlage verwendeten gentechnisö veränderten Mikroorganismen oder Zellkulturen abhängig ist. Zum Schutz und zur Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen hatte die Behörde ferner die Sicherheitsanforderungen, die sie an die gentechnische Anlage stellt, den Eigenschaften der verwendeten gentechnisch veränderten Organismen und Zellkulturen anzupassen. Diese Grundsätze hatte sie auch bei der Erteilung einer Teilgenehmigung oder eines Vorbescheids zu beachten. Korrespondierend mit der Anweisung an die Behörde, die Sicherheitsanforderungen an die gentechnische Anlage am Gefährdungspotential der zu verwendenden gen technisch veränderten Organismen und Zellkulturen auszurichten, sah der Entwurf der TA Gentechnik eine Einstufung der gentechnisch veränderten Organismen und Zellkulturen in vier Risikogruppen vor. Diesen Risikogruppen wurden bestimmte Sicherheitsanforderungen zugeordnet. Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen der Risikogruppe I hätten nach den "Grundregeln guter mikrobiologischer Technik" ausgeführt werden müssen. Ferner wären die Regeln GLISP (Good Industrial Large-Scale Practice)120 zu beachten gewesen. Für Arbeiten mit gen technisch veränderten Organis-
nung oder Temperaturbereich, so handelt es sich nicht mehr um Forschung, sondern bereits um die Phase des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Versuchsanlage" (Entwurf einer Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BImSchG, Stand November 1989). 120 Vgl. OECD, Recombinant DNA Safety Considerations.
1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
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men der Risikogruppen 11 bis IV wären nach dem Entwurf darüber hinaus bestimmte, dem unterschiedlichen Gefährdungspotential entsprechende technische und organisatorische Sicherheitsrnaßnahmen erforderlich gewesen. Ab Risikogruppe III sah der Entwurf der TA Gentechnik auch Notfallmaßnahmen, eine Umweltüberwachung sowie die Verpflichtung zur Unfallmeldung an die zuständige Behörde vor. Die Sicherheitsrnaßnahmen für die Risikogruppe IV beinhalteten neben den bereits genannten Maßnahmen einen Sicherheitsbericht, der in Anlehnung an die Sicherheitsanalyse nach § 7 der 12. BImSch V (StörfallVerordnung)12I die systematische Betrachtung aller für die Sicherheit relevanten Maßnahmen in der Anlage und in der Umgebung der Anlage umfaßte. 6. Risikoermittlung und Risikobewertung durch die Genehmigungsbehörde
Errichtung und Betrieb einer gentechnischen Produktionsanlage bedurften bis zum Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes nach § 4 Abs. 1 BImSchG und § 2 Abs. 1 Nr. 1 ader 4. BImSchV der Genehmigung. Die Genehmigung war nach § 6 Nr. 1 BImSchG zu erteilen, wenn außer den in Nr. 2 genannten Voraussetzungen sichergestellt war, daß die sich aus § 5 (und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung) ergebenden Pflichten erfüllt werden. Die Vorschrift des § 5 BImSchG bestimmt in den hier maßgebenden Nm. 1 und 2 die Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen dahingehend, daß diese Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, daß 1. schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können, und 2. Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung.
Der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen ist der Zentralbegriff des BImSchG 122 und erlangte als solcher auch für die Genehmigung gen technischer Anlagen besondere Bedeutung. Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen solche Immissionen, die
121
Vgl. Fn. 116.
122
So auch Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 3 BlmSchG Anm. 6.
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Eine Legaldefinition der "Immissionen" findet sich in § 3 Abs. 2 BImSehG. Danach sind Immissionen LS.d. Gesetzes "auf Menschen sowie Tiere, Pflanzen oder andere Sachen einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen. Zu den ähnlichen Einwirkungen zählt auch biologisch aktive Materie 123, insbesondere soweit es sich dabei um pathogene Keime und Mikroorganismen handelt l24 • Ob der Betreiber einer gentechnischen Anlage schädliche Umwelteinwirkungen verursacht, ist eine Frage, deren richtige Beantwortung besondere Fachkenntnisse auf zahlreichen Gebieten außerhalb des Rechts, insbesondere auf dem weiten Gebiet der Naturwissenschaften erfordert. Unabhängig davon, welche Rechtsgrundlagen auf gentechnische Vorhaben Anwendung finden, müssen diese Fachkenntnisse in die Entscheidungen der Genehmigungsbehörden eingehen und diesen in geeigneter Weise vermittelt werden 12S • Gerade bei der noch jungen, erst am Beginn ihrer Entwicklung stehenden Gentechnik kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß bei allen Genehmigungsbehörden der erforderliche Sachverstand auf den einschlägigen Wissensgebieten (Gentechnik, Mikrobiologie, Ökotoxikologie u.a.) bereits vorhanden ist. Die Zahl der verfügbaren Gentechnik-Experten ist vielmehr allgemein und vor allem bei den Behörden begrenzt und derzeit auch nicht beliebig vermehrbar. Auch fehlte es für den Bereich der Gentechnik bislang an Technischen Anleitungen, die als normkonkretisierende Allgemeine Verwaltungsvorschriften aufgrund ihres naturwissenschaftlich-technischen Aussagegehaltes zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und zur Ziehung der Schädlichkeitsgrenze im Sinne der §§ 6, 5 BImSchG hätten beitragen können l26• Der Mangel an konkreten Handlungsanweisungen für die im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zuständigen Behörden betraf insbesondere
123 Vgl. Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 1 B, Abschnitt 2.4, zu Nr. 4.11. 124 So auch Bender / Sparwasser, Umwelt recht, Rdnr. 198; Jarass, BImSchG, § 3 Rdnr. 47; ders. , Umweltvertrllglichkeitsprüfung bei Industrievorhaben, S. 15; Wirte, Staatshaftung bei gentechnisch verlInderten Mikroorganismen, S. 78. 125 BVerwGE 55, 250 (254).
126 Zur Bedeutung sog. Technischer Anleitungen BVerwG, NJW 1978, S. 1450 ff.; Breuer, Die rechtliche Bedeutung der Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG im Genehmigungsverfahren, S. 34 ff.
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a) die Feststellung des Genehmigungserfordernisses gemäß § 1 der 4. BImSchV, b) die Zuordnung zu den Verfahrensarten gemäß § 2 der 4. BImSchV, c) die Prüfung der Anträge auf Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage (§ 6 BImSchG), d) die wesentliche Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer Anlage (§ 15 BImSchG), e) die Prüfung der Anträge auf Erteilung einer Teilgenehmigung oder eines Vorbescheids (§§ 8, 9 BImSchG), und f) nachträgliche Anordnungen (§ 17 BImSchG). Die auf § 48 BImSchG gestützte Technische Anleitung zur Genehmigung von Anlagen zum Umgang mit gen technisch veränderten Mikroorganismen (sog. TA Gentechnik) sollte diese Punkte zwar aufgreifen und zur Konkretisierung der bei der Genehmigung gen technischer Anlagen zu beachtenden Vorschriften beitragen. Bis zu dem beabsichtigten Erlaß der TA Gentechnik waren die Genehmigungsbehörden sowie die nach § 10 Abs. 5 BImSchG beteiligten Fachbehörden 127 jedoch gehalten, in eigener Verantwortung mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln das Gefährdungspotential einer Anlage und die notwendigen Schutzmaßnahmen festzustellen und anzuordnen. Im Mittelpunkt der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gentechnischer Anlagen stand, wie schon der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.Y.m. § 3 Abs. 1 BImSchG zeigt, die Abwehr von (immissionsbedingten oder sonstigen) Gefahren. Ausgehend vom polizeirechtliChen Gefahrbegriff, der grundsätzlich auch im Immissionsschutzrecht gilt 128, herrscht Gefahr, wenn der Eintritt eines Schadens bei ungehindertem Geschehensablauf hinreichend wahrscheinlich ist 129• Dabei erfordert die im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht anerkannte Relativität des Gefahrbegriffs im Immissionsschutzrecht (und noch mehr im Atomrecht) besondere Beachtung: Je größer und folgenreicher der drohende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen an den Grad seiner Eintrittswahrscheinlichkeit. Namentlich wo Leben oder Gesundheit des Menschen auf dem Spiel stehen, kann deshalb u.U. schon eine nur
127 Folgende Aufgabenbereiche werden i.d.R. durch gentechnische Vorhaben berührt: Arbeitsschutz, Immissionsschutz, Baurecht, Gesundheitsschutz, Gewässerschutz, Abwasser- und Abfallbeseitigung, Naturschutz. 128 Vgl. nur Drews / Wacke / Vogel / Martens, Gefahrenabwehr, S. 159; Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rdnr. 23 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 129 Vgl. Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen Rdnr. 24.
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geringe Eintrittswahrscheinlichkeit die Annahme einer - Abwehrpflichten erzeugenden - Gefahr begründen 130• Für die Bejahung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 6 Nr. 1 BlmSchG kommt es mithin darauf an, ob nach dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Entscheidung die Möglichkeit eines Schadens ein tritts mit ausreichend ho her Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann \31. Die Genehmigungsbehörde hat dabei vor allem bei neuen Technologien die Wissenschaft zu Rate zu ziehen. Hier gelten die Grundsätze entsprechend, die das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Vorsorge im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG entwickelt hat: Die Risikoermittlung und Risikobewertung sind primär Sache der Exekutive. Unsicherheiten bei der Risikoermittlung und Risikobewertung hat die Behörde nach Maßgabe des sich daraus ergebenden Besorgnispotentials durch hinreichend konservative Annahmen Rechnung zu tragen. Sie hat dabei alle vertretbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse in Erwägung zu ziehen 132, ohne allerdings jede noch so fernliegende Gegenmeinung, die theoretisch zwar nicht widerlegbar, aber doch praktisch auszuschließen ist, ermitteln zu müssen 133. Da sich der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand für die Sicherheitsbeurteilung gentechnischer Laboratorien bislang aus den Gen-Richtlinien (5. Fassung vom 28.5.1986) ergab 134, hatten die Genehmigungsbehörden die Richtlinien insoweit zumindest als Hinweise heranzuziehen!35. Darüber hinaus wird die Behörde zur Gefahrenbeurteilung in der Regel Sachverständige einschalten müssen. Die immissionsschutzrechtliche Grundlage dafür findet sich in § 13 der 9. BlmSch V. Soweit Fragen der biologischen Sicherheit gentechnischer Anlagen zu beurteilen
130 Allgemeine Ansieht, vgl. z.B. BVerfGE 49, 89 (141 f.); BVerfGE 53, 30 (56 ff.); BVerwGE 47, 31 (40); BVerwG, NJW 1970, S. 1890, 1892; BVerwG, DVBI. 1973, S. 857 (858 f.); 1974, S. 297 (300); 1974, S. 842, 845; siehe auch Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rdnr. 26 m.w.N. 131 Vgl. Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rdnr. 25 m.w.N. 132 BVerwGE 72, 300, 315 f.; vgl. auch Sellner, Gestuftes Genehmigungsverfahren, S. 616, 618 ff.; Jarass, Rechtlicher Stellenwert, S. 1225; Gusy, Administrativer Vollzugsauftrag, S. 497; Ladeur, Planerischer Charakter, S. 253; Dolde, Bestandsschutz von Altanlagen, S. 873, 877 f. 133 Vgl. zuletzt BVerwG, NVwZ 1989, S. 1169. 134 Vgl. nur die Vorbemerkung der Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neu kombinierte Nukleinsauren (Anhang 1). 135 So Schwab, Gentechnologie und Immissionsschutzrecht, S. 1012 ff., 1015.
1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
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sind, konzentriert sich der natUIwissenschaftlich-technische Sachverstand in erster Linie bei der Zulassungsstelle für biologische Sicherheitsrnaßnahmen beim Robert-Koch-Institut des Bundesgesundheitsamtes sowie deren Beratergremium, der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS). Beide Stellen, die bereits nach den Gen-Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung bzw. die Erteilung der Zustimmung zur Durchführung bestimmter gentechnischer Arbeiten zuständig sind, können insofern als kompetente Ansprechpartner der Genehmigungsbehörden in Fragen der biologischen Sicherheit gelten. Für die Beurteilung etwaiger mit der Freisetzung gen technisch veränderter Organismen einhergehender Risiken ist darüber hinaus die Biologische Bundesanstalt als sachverständige Stelle zu nennen. Diese selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 06 ist auch nach den Gen-Richtlinien (Nr. 19/2) vom Bundesgesundheitsamt bei der Entscheidung über die ausnahmsweise Zulassung von Freisetzungen zu beteiligen. Dem Vernehmen nach hatte der Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit auf Anregung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit den Länderbehörden die Beteiligung des Bundesgesundheitsamtes als gutachterliche Behörde im Genehmigungsverfahren angeboten 137. Der Umfang der gutachterlichen Stellungnahme wurde im Einzelfall zwischen der Genehmigungsbehörde und dem BGA abgestimmt. Dabei entschied das BGA, ob es erforderlich ist, auch die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit zu beteiligen. Ebenso konnte es gegebenenfalls auch notwendig werden, neben den Fragen der Gentechnik die damit zusammenhängenden Fragen der Emissionsbegrenzung durch andere Sachverständige (z.B. TÜV) begutachten zu lassen. Grundsätzlich stand den Genehmigungsbehörden damit für die Beurteilung der für die Genehmigung gentechnischer Anlagen erforderlichen Voraussetzungen LS.v. §§ 6 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 BlmSchG hinreichender Sachverstand zur Verfügung. Zum Zwecke einer umfassenden, kritischen Beurteilung möglicher, mit dem Betrieb der gen technischen Anlage einhergehender Risiken und insbesondere zur Verbesserung der Akzeptanz der Gentechnik in der Bevölkerung hätte es sich darüber hinaus empfohlen, auch ausgewiesene Sachverständige aus der Wissenschaftsöffentlichkeit frühzeitig
136
137
Vgl. § 33 Abs. 1 Pflanzenschutzgesetz. Vgl. Neufeldt, Genehmigung von Anlagen der Gentechnologie, S. 176 f.
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
gutachterlich am Genehmigungsverfahren zu beteiligen. Insoweit ist der Meinung Ladeurs zu folgen, für den Umgang mit Technologien, über deren Wirkungen es weniger praktische Erfahrungen als theoretische subjektive SChätzungen auf probabilistischer Grundlage gebe, seien neue, komplexere Konzepte erforderlich, was u.a. auch zu einer Veränderung der Kooperation von Experten und öffentlicher Verwaltung zwinge 138• Doch ist nicht nur eine Kooperation von Wissenschaftsöffentlichkeit und Verwaltung denkbar. Erfolgversprechend erscheint vielmehr auch eine im Vorfeld des Genehmigungsverfahrens erfolgende Einbeziehung von Wissenschaftlergruppen durch das antragstellende Unternehmen. Letztere Möglichkeit mag zwar bei den im Bereich der Gentechnik engagierten Unternehmen zunächst auf Unverständnis stoßen. Die bislang in immissionsschutzrechtlichen Verfahren zur Genehmigung gentechnischer Anlagen gewonnenen Erfahrungen belegen aber, daß eine umfassende Risikobewertung gentechnischer Vorhaben nicht allein auf die Stellungnahme der ZKBS gestützt werden sollte. Als nützlich kann sich vielmehr auch die Einbringung weiteren, möglichst kritischen Sachverstands, aufgrund dessen das antragstellende Industrieunternehmen und die Genehmigungsbehörde mit einem erhöhten Argumentationszwang belastet werden. Insbesondere Erfahrungen aus der amerikanischen Regierungs- und Verwaltungspraxis bieten geeignete Ansätze für eine entsprechende Veränderung der Kooperationsbedingungen. In den USA geschieht die Einbindung der Wissenschaftsöffentlichkeit in die Risikobeuneilung technischer Anlagen in Form der Vergabe von Aufträgen zu "peer reviews", in denen wissenschaftliche Expertisen durch eine andere Wissenschaftlergruppe "gegengelesen" werden!39. Neben der größeren Gewähr für die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung sollte die hierdurch in der Bevölkerung erzielte Akzeptanzverbesserung für den Bereich der Gentechnik nicht gering geschätzt werden. Im übrigen ist davon auszugehen, daß eine Stellungnahme der betreffenden Experten aus der Öffentlichkeit im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung des förmlichen Genehmigungsverfahrens ohnehin erfolgt. Diese Tatsache birgt das Risiko, daß für die Genehmigung der Anlage bedeutsame Aspekte erst in dem Erönerungstermin erläutert wer-
138 Vgl. Ladeur, Rechtliche Steuerung der Freisetzung von gen technologisch manipulierten Organismen, S. 60 ff., 62. 139 Vgl. Lewis, The Safety of Fission Reactors, Nr. 3, 33.
1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
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den, was mit schwerwiegenden Nachteilen für den Antragsteller verbunden sein kann. So zeigt die Praxis etwa, daß es aufgrund der fehlenden Konkretisierung zum Umfang der vom Antragsteller vorzulegenden Unterlagen immer wieder zu Auseinandersetzungen über die Vollständigkeit der Antragsunterlagen zwischen Einwendern und Unternehmen kommt. Als Rechtsfolge einer tatsächlich gegebenen Unvollständigkeit der ausgelegten Unterlagen kommt der Abbruch des Erörterungstermins und eine erneute Auslegung der vervollständigten Unterlagen in Betracht. Für das Industrieunternehmen wird dies in der Regel eine Verzögerung der Genehmigungserteilung und damit der Produktionsaufnahme bedeuten. Diese Fehler der AntragsteIlung ließen sich unter Umständen bei einer frühzeitigen, außerhalb des eigentlichen Verwaltungsverfahrens erfolgenden Erörterung vermeiden. Ein Beispiel für eine konstruktive Beteiligung der Wissenschaftsöffentlichkeit bietet die sachverständige Beteiligung des Öko-Instituts e.V. Freiburg in dem Erörterungstermin um die Genehmigung der gentechnischen Anlage zur Herstellung von Erythropoeitin der Behringwerke AG, Marburg, im September 1989. Wenngleich die Sachverständigen des Öko-Instituts in diesem Erörterungstermin als Sachbeistände einer Einwenderin fungierten, sie insofern gerade nicht von der Genehmigungsbehörde oder dem antragstellenden Industrieunternehmen beauftragt worden waren, trug deren sachverständige Mitwirkung insbesondere zu Fragen der biologischen Sicherheit wesentlich zur Schaffung einer umfassenden Beurteilungsgrundlage für die Genehmigungsbehörde bei 14O• Wenngleich insoweit der Vollzug der Nr. 4.11 des Anhangs zur 4. BlmSch V grundsätzlich sichergestellt war, mangelte es dennoch an der für eine zügige Durchführung der Genehmigungsverfahren notwendigen Rechtssicherheit. Dies führte in der Genehmigungspraxis jedoch keineswegs zu einer verminderten Anlagensicherheit. Im Gegenteil zeigt die Erfahrung, daß die Genehmigungsbehörde den das Immissionsschutzrecht beherrschenden "Stand der Technik" verläßt und den im Atom-
140 Vgl. die gutachterlichen Stellungnahmen des Öko-Instituts Freiburg zu den technischen und biologischen Sicherheitsaspekten der Produktionsanlage zur Herstellung von Erythropoeitin (EPO) der Behringwerke AG Marburg vom September 1989; zutreffend insoweit auch Bund filr Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. - BUND, Memorandum zum Gentechnikgesetz, in: Deutscher Bundestag, Ausschuß filr Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Unterausschuß Gentechnikgesetz, Ausschußdrucksache 11!1 vom 10.1.1990, S. 97.
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anlagenrecht geltenden strengeren "Stand von Wissenschaft und Technik" als Maßstab heranzog l41 • Beispielhaft dafür, daß die Genehmigungsbehörden Unsicherheiten bei der Risikoermittlung und -bewertung durch hinreichend konservative Annahmen ausgleichen, sei hier das Genehmigungsverfahren um die Anlage der Hoechst AG, Frankfurt, zur Herstellung von Humaninsulin aus gentechnisch veränderten Escherichia coli K 12-Bakterien l42 genannt. In diesem Genehmigungsverfahren beteiligte die zuständige Genehmigungsbehörde zwar die Zulassungsstelle für biologische Sicherheitsrnaßnahmen des Bundesgesundheitsamtes sowie die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit an der Beurteilung der die Anlage betreffenden biologischen Sicherheitsfragen. Mit dem Genehmigungsbescheid setzte sich die Behörde jedoch über die sachverständige Stellungnahme der ZKBS hinweg und hielt an einem physikalischen Containment der erhöhten Sicherheitsstufe LP 2143 auch dann noch fest, als die ZKBS für die Sicherheitsstufe LP 1 votierte und hinsichtlich der Plasmide keinerlei Sicherheitsvorkehrungen für erforderlich hielt. Welch hoher Sicherheitsrnaßstab der behördlichen Entscheidung in diesem Fall zugrunde lag, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die ZKBS in ihrem Gutachten nicht nur die herrschende Auffassung unter den Praktikern der Technik ermittelt hat ("allgemein
141 Vgl. zu den Anforderungen an die Prüfung der Genehmigungsvorausetzungen bei neuen Technologien zutreffend Sendler, Rechtssicherheit bei Investitionen und normative Anforderungen des modernen Umweltschutzrechts, S. 41 ff., 48. 142 Bei dem Bakterium Escherichia coli K 12 - W 3110 handelt es sich um einen aus dem Isolat des Darmbakteriums Escherichia coli (E. coli) gewonnenen Sicherheitsstamm, der über viele Jahrzehnte in Laboratorien weitergezüchtet wurde. Dementsprechend sind seine genetischen und physiologischen Eigenschaften außerordentlich gut bekannt. So fehlen dem K 12-Stamm bestimmte, für die Pathogenitat essentielle Merkmale, insbesondere auch die spezifischen Anhaftungsfaktoren, die Voraussetzung einer Besiedelung von Dünndarm, Urogenitaltrakt oder Gehirnhaut sind. E. coli K 12 überlebt nicht dauerhaft im menschlichen oder tierischen Körper, sondern stirbt ab oder wird etwa bei oraler Aufnahme mit dem Stuhl ausgeschieden. Dieser Ausscheidevorgang wird üblicherweise nicht als Besiedeln bezeichnet. E. coli K 12 ist ferner in der natürlichen Umwelt (Boden, Flußwasser, Klärschlamm usw.) nicht dauerhaft überlebensfähig und nicht vermehrungsfähig. Diese Beschränkungen verhindern, daß siCh E. coli K 12 in der Umwelt etabliert oder gar in neuen Lebensräumen ausbreitet. 143 Vgl. zu den einzelnen Produktions-Sicherheitsmaßnahmen die Gen-Richtlinien Abschnitt E. I. 8 (s. unten Anhang 1).
1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
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anerkannte Regeln der Technik")144 und auch nicht nur in den Meinungsstreit der Techniker eingetreten ist ("Stand der Technik") 145, sondern sich vielmehr entsprechend dem Anspruch der Gen-Richtlinien l46 an die Spitze neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse gestellt hat ("Stand von Wissenschaft und Technik")!47. Die Genehmigungsbehörde ließ insoweit nicht einmal die Vorsorgemaßnahmen genügen, die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für gentechnische Vorhaben mit apathogenen Mikroorganismen für erforderlich gehalten werden. Was die Schäden an Leben, Gesundheit und Sachgütern anbelangt, so gingen die Genehmigungsbehörden auch unter Anwendung des Immissionsschutzrechts vom Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge aus. Danach wurden Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb gentechnischer Anlagen nur dann erteilt, wenn es nach dem Stand von Wissenschaft und Technik praktisch ausgeschlossen erschien, daß solche Schadensereignisse eintreten werden. Ebensowenig wie in anderen Bereichen des Rechts der technischen Sicherheit kann es jedoch auch im Immissionsschutzrecht völlige Risikofreiheit geben. Selbst bei den umfassendsten Vorsorgemaßnahmen verbleibt auch bei der Genehmigung gentechnischer Anlagen eine minimale, aber endliche Wahrscheinlichkeit, daß biologisch aktives Material infolge nicht vorhersehbarer technischer Störungen oder menschlicher Fehlleistungen auf Mensch und Umwelt einwirkt. Wenn auch Schäden hinsichtlich der menschlichen Gesundheit oder der Integrität ökologischer Systeme - etwa infolge noch lückenhafter Kenntnisse über die Schädlichkeit bestimmter Immissionen gentechnisch veränderten Materials, Langzeitwirkungen auf die Umwelt oder mögliche synergistische Effekte - nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden können, ist ein Restrisiko dieses Typs jedoch grundsätzlich sozialadäquat auch gesetzlich akzeptiert l48 •
Vgl. BVerfGE 49, 89 (135). Vgl. BVerfGE 49, 89 (135 f.). 146 Vgl. Vorbemerkung zu den Gen-Richtlinien (s. unten Anhang 1). 147 Vgl. BVerfGE 49, 89 (136). 148 BVerfGE 49, 89 (136 ff., 143); 53, 30 (57 ff.); BVerwGE 55, 250 (254); 69, 37 (43); Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rdnr. 26. 144 145
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
IV. Gentechnische Verfahren und Abwassereinleitung In Einrichtungen der gentechnischen Forschung und entsprechenden Produktionsstätten fällt Abwasser mit Mikroorganismen (z. B. Hefen, Bakterien, Pilzen, Algen), Vektoren (z.B. Viren, Plasmide), Sporen und Zellkulturen, die in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren enthalten, an. Gemäß § 7 ades Wasserhaushaltsgesetzes Ld.F. d. Bek. vom 23.9. 1986149 darf eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer jedoch nur erteilt werden, wenn die Schadstoffracht des Abwassers so gering gehalten werden kann, wie dies bei Anwendung der jeweils in Betracht kommenden Anforderungen möglich ist. Welche Anforderungen für die Abwasserbehandlung mindestens zu stellen sind, wird durch allgemeine Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt. Hierbei ist in § 7 a Abs. 1 S. 3 WHG eine Bindung mindestens an die allgemein anerkannten Regeln der Technik vorgesehen. Soweit gefährliche Stoffe im Abwasser enthalten sind, müssen die Anforderungen dem strengeren Stand der Technik entsprechen. Gefährliche Stoffe enthält das Abwasser nach der Konzeption des Gesetzes immer dann, wenn das Abwasser bestimmten Herkunftsbereichen zugeordnet werden kann. Da aus gentechnischen Arbeiten eine Gefährdung der Umwelt im weitesten Sinne erwachsen kann (Besorgnisgrundsatz des § 7 a WHG), bestimmte die auf § 7 a Abs. 1 S. 4 WHG beruhende Verordnung über die Herkunftsbereiche von Abwasser (Abwasserherkunftsverordnung) vom 3.7.1987 150 unter Nr. 10 h auch die "Herstellung und Verwendung von Mikroorganismen und Viren mit in-vitro neukombinierten Nukleinsäuren" als Herkunftsbereich für gefährliche Abwässer l51 • Dies bedeutete, daß das Abwasser aus gentechnischen Anlagen entsprechend dem Stand der Technik zu reinigen war, d.h. es sollte so (vor-)behandelt werden, daß gentechnisch verändertes oder reaktivierbares Material weder in nachfolgende konventionelle Reinigungsstufen hineingelangte noch aus der Behandlung insgesamt austrat. Verfahrenstechnisch können die Anforderungen an die Abwasserbehandlung, die sich nach dem neuen Gentechnikrecht aus § 13 der Gentechnik-Sicherheitsverordnung l52 ergeben, durch eine Kombination von
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BGBI. I S. 1529. BGBl. I S. 1578.
Gestrichen durch Art. 3 des GenteChnikgesetzes (s. unten Anhang 6). über die Sicherheitsstufen und Sicherheitsrnaßnahmen bei gentechnisehen Arbeiten in gentechnischen Anlagen, BR-Drs. 226/90 vom 29.3.1990. 151
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thermischer Behandlung in Autoklaven bei geeigneter Temperatur und Verweilzeit sowie einer zusätzlichen chemischen Inaktivierung erfüllt werden. Die chemische Inaktivierung ist notwendig zur Zerstörung von hitzebeständigen Sporen sowie zur Zerstörung (Oxidierung) von DNARestbruchstücken aus der Autoklavierung, die auch als Bruchstücke von Bakterien aufgenommen und unter günstigen Bedingungen wieder in das Genom eines Bakteriums eingebaut und vererbt werden können. Als geeignete Chemikalie wird Peressigsäure diskutiert, die einerseits hochwirksam und andererseits in nachfolgenden biologischen Abwasserreinigungsstufen biologisch abbaubar ist. Eine Verwaltungsvorschrift, die den Stand der Technik bei der Reinigung des aus genteChnischen Anlagen stammenden Abwassers konkretisieren soll, war lange Zeit in Vorbereitung, ist jedoch vor Verabschiedung des Gentechnikgesetzes nicht mehr erlassen worden.
V. Gentechnische Verfahren und Abfallbeseitigung Bei vielen gentechnischen Verfahren ist das Stoffwechselprodukt von Interesse, nicht die Zellmasse selbst. Letztere wird in der ersten Aufarbeitungsstufe ab filtriert und separiert. Soweit die Reststoffe nicht über das Abwasser entsorgt werden, kommen sie als Abfall i.S.d. § 1 Abfallgesetz in Betracht. Beseitigungspflichtig sind in diesem Fall grundsätzlich die nach Landesrecht zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts l53 , meist Städte und Landkreise l54 • Nach § 2 Abs. 2 AbfG sind an die Beseitigung von Abfällen aus wirtschaftlichen Unternehmen, die in besonderem Maße gesundheitsgefährdend sind oder Erreger übertragbarer Krankheiten enthalten, zusätzliche Anforderungen zu stellen. Praktisch bedeutet dies, daß auch mit gentechnisch verändertem Material kontaminierte Abfälle einer Behandlung zu unterziehen sind, die zur vollständigen Zerstörung genetisch aktiven oder reaktivierbaren Materials führt. Je nach Konsistenz und Gefährlichkeit der Abfälle ist insoweit eine der Abwasserreinigung vergleichbare Technologie anzuwenden oder die thermische Zerstörung des Abfalls durch Verbrennen herbeizuführen. Dabei können vergleichbare Grundsätze und Technologien wie bei der Behandlung pathogener Krankenhausabfälle angewendet werden.
Vgl. § 3 Abs. 2 AbfG. Siehe im einzelnen: § 1 LAbfG BW, Art. 2 LAbfG Bay., § 8 StrG Berl., § 1 LAbfG Brem., Hamb., Hess., Nds., SchiH. 153
154
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
Die 2. Verordnung zur Bestimmung von Abfällen nach § 2 Abs. 2 des Abfallbeseitigungsgesetzes vom 24.5.1977 155 enthält zwar für Abfälle aus gentechnischen Anlagen keine spezielle Bestimmung, nach der diese Abfälle als Sonderabfälle anzusehen sind. Die Verordnung erfaßt jedoch Abfälle aus Verfahren zur Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen. Die Rechtsordnung stellt damit auch für den derzeit primären Anwendungsbereich gentechnischer Verfahren, die Pharmaproduktion, eine schadlose Abfallbeseitigung sicher. VI. Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und Gefahrstoffverordnung Arbeitnehmer sind beim Umgang mit gefährlichen Stoffen ihren Einwirkungen zwangsläufig zuerst, unmittelbar und in erhöhtem Maße ausgesetzt. Soweit im industriellen Forschungs- und Produktionsbereich mit sog. Gefahrstoffen umgegangen wird, stellen daher die auf die Ermächtigung in § 19 Abs. 1, 2 des G"!setzes zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz - ChemG) vom 16.9.1980156 gestützten Vorschriften des Dritten Abschnitts (§§ 14-36) der Gefahrstoffverordnung vom 26.8.1986 157 den Schutz der Arbeitnehmer sicher158• Durch die 1. Änderungsverordnung vom 16.12.1987159 ist nunmehr auch "das bei der Bio- und Gentechnik anfallende gefährliche biologische Material" ein Gefahrstoff i.S.d. Verordnung l60• Gemäß § 19 Abs. 1 GefStoffV bedeutet dies für die betriebliche Praxis, daß das gen technische Arbeitsverfahren entsprechend dem Stand der Technik so zu gestalten ist, daß mit gefährlichem biologischem Material kontaminierte Gase, Dämpfe oder Schwebstoffe nicht frei werden. Ferner ist das Arbeitsverfahren nach dem Stand der Technik so zu gestalten, daß die Arbeitnehmer nicht mit gefährlichen biologischen Stoffen oder Zubereitungen in Hautkontakt kommen. Verletzt der Arbeitgeber diese Pflichten, so ist die zuständige Behörde befugt, die erforderlichen Anordnungen selbst
155 156 157
BGBl. I S. 773. BGBI. I S. 1718. BGBl. I S. 1470.
158 § 1 GefahrstoffVO; siehe auch die Begründung zur GefahrstoffVO, BRDrs. 610 / 85, S. 2. 159 BGBI. I S. 2721. 160 Die Regelungen der Gefahrstoffverordnung werden durch das neue Gentechnikgesetz nicht berührt.
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zu treffen (§ 23 ChemG) oder auch ein Bußgeldverfahren einzuleiten (§ 42 GefStoffV).
VII. Unfallverhütungsvorschrift "Biotechnologie" Nach § 708 RVO erlassen die mit Rechtsetzungsbefugnissen für den Arbeitsschutz ausgestatteten Berufsgenossenschaften für ihre Mitglieder und Versicherten Unfallverhütungsvorschriften. Nach über dreijähriger Beratungszeit hat der Fachausschuß Chemie der "Zentralstelle für Unfallverhütung und Arbeitsmedizin" (ZefU) des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (BG) unter Leitung der BG der chemischen Industrie im Jahre 1987 den Musterentwurf einer Unfallverhütungsvorschrift "Biotechnologie" vorgelegt. Die Vertreterversammlungen der BG Chemie, Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege sowie Nahrungsmittel und Gaststätten haben die UVV "Biotechnologie" inzwischen beschlossen und nach Genehmigung durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zum 1. Januar bzw. 1. Februar und 1.4.1988 in Kraft gesetzt. Damit wurde auch der Empfehlung der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Chancen und Risiken der Gentechnologie" entsprochen l61 • Regelungsgegenstand der UVV "Biotechnologie" ist der Umgang mit biologischen Agenzien einschließlich der Tätigkeiten in ihrem Gefahrenbereich (§ 1). Biologische Agenzien LS.d. UVV sind gemäß § 2 Abs. 1 lebensfähige Zellen, Zellverbände sowie Viren oder replikationsfähige Genomelemente. Die Unfallverhütungsvorschrift unterscheidet biologische Agenzien mit und ohne Gefährdungspotential. Herkömmliche biotechnische Verfahren fallen auch unter den Geltungsbereich der UVV "Biotechnologie", sind jedoch von zusätzlichen Auflagen ausgenommen l62 • Derartige herkömmliche Verfahren, deren Unbedenklichkeit sich durch langjährige Anwendung erwiesen hat, sind z.B. die Lebensmittelproduktion unter Nutzung biologischer Agenzien, wie das Verwenden von Bäckerhefe, das Herstellen von Joghurt, Käse, Bier und Wein, sowie die Produktion von Zitronensäure, Enzymen und Antibiotika.
Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie", S. 210. Vgl. Merkblatt M 057: Sichere Biotechnologie, Teil 3 "Betrieb" der BG der chemischen Industrie, Vorwort. 161
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
Nach § 5 Abs. 1 der UVV hat der Unternehmer beim Umgang mit biologischen Agenzien zum Schutz von Leben und Gesundheit der Versicherten mindestens die nach den allgemein anerkannten sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen und hygienischen Regeln erforderlichen Maßnahmen zu treffen sowie die sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zu beachten. Die "Grundregeln guter mikro biologischer Technik" und die sonstigen sicherheitstechnischen Regeln sind insbesondere in den Merkblättern "Sichere Biotechnologie" (Teile 1-3) niedergelegt 163 • Hinsichtlich der Ausstattung von biotechnischen Laboratorien knüpft § 7 der UVV an die gemäß § 3 der UVV vorzunehmende Beurteilung von biologischen Agenzien nach ihrem Gefährdungspotential an. Konkrete Hinweise für die Ausstattung der Arbeitsbereiche und die zu treffenden organisatorischen Maßnahmen finden sich wiederum in den Merkblättern "Sichere Biotechnologie" (Teil 2 und Teil 3), die entsprechend der Einstufung des Umgangs mit biologischen Agenzien in Risikogruppen bestimmte Anforderungen an die Ausstattung und die organisatorischen Maßnahmen für Laboratorien und Produktionsbereiche stellen. Ferner sind das "Merkblatt für das Arbeiten an und mit mikrobiologischen Sicherheitswerkbänken" (ZH 1/48) und die "Richtlinien für Laboratorien" (ZH 1/119) zur Bestimmung der Anforderungen an die Ausstattung der Arbeitsbereiche heranzuziehen. Nach der UVV "Biotechnologie" hat der Unternehmer ferner dafür zu sorgen, daß die Arbeitsbereiche, in denen mit biologischen Agenzien umgegangen wird, leicht und möglichst gefahrlos zu reinigen und, soweit erforderlich, auch chemisch oder physikalisch zu desinfizieren sind (§ 11 der UVV). Muß in Bereichen gearbeitet werden, die mit biologischen Agenzien mit Gefährdungspotential verunreinigt sind, hat der Unternehmer dafür Sorge zutragen, daß diese biologischen Agenzien vorher in Bezug auf ihr Gefährdungspotential inaktiviert werden. Ist dies nicht möglich, dürfen die Arbeiten nur unter Anwendung technischer Sicherheitsrnaßnahmen oder Verwendung persönlicher Schutzausrüstungen durchgeführt werden (§ 13 der UVV). Weitere Vorschriften über die Hygiene-
163 Titel der Merkblätter: - M 055 Sichere Biotechnologie - Teil 1 (z.zt. im Entwurf). Beurteilungskriterien für die Einstufung natürlicher und gentechnisch veränderter biologischer Agenzien in Risikogruppen; - M 056 Sichere Biotechnologie - Teil 2 Laboratorien-Ausstattung und organisatorische Maßnahmen; - M 057 Sichere Biotechnologie - Teil 3 Betrieb-Ausstattung und organisatorische Maßnahmen.
1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
anforderungen beim Umgang mit biologischen der UVY. Damit soll sichergestellt werden, daß nen der in gentechnischen Laboratorien oder schäftigten mit biologischen Agenzien über die ten bestehen bleiben.
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Agenzien enthält § 15 etwaige KontaminatioProduktionsstätten BeBeendigung der Arbei-
Zusammenfassend weist die UVV "Biotechnologie" dem Unternehmer zum Zwecke des Schutzes der Beschäftigten folgende Pflichten zu. So hat er Sorge zu tragen für -
die Beurteilung der biologischen Agenzien (§ 3), die Auswahl möglichst ungefährlicher Agenzien (§ 4), das Treffen von Sicherheitsvorkehrungen (§§ 5-7), die Auswahl sachkundiger Verantwortlicher (§ 8), die Bestellung eines Beauftragten für die Biologische Sicherheit (§ 16), - die Unterweisung der Beschäftigten (§ 10), - die Registrierung des Gen-Laboratoriums bei der BG (§ 17), und - die Anzeige des Arbeitsverfahrens an die BG (§ 18). Die Einhaltung dieser Pflichten wird von technischen Aufsichtsbeamten der BG kontrolliert. Widerspricht die BG innerhalb von 6 Wochen nach Anzeige dem angezeigeten Arbeitsverfahren, so darf der Unternehmer das Arbeitsverfahren gemäß § 18 Abs. 4 nur anwenden, wenn die BG ihren Widerspruch aufgrund der Stellungnahme eines von der BG benannten und vom Unternehmer beauftragten Sachverständigen zurückzieht. Werden Verstöße gegen die Bestimmungen der UVV .,Biotechnologie" festgestellt, so kann dies gemäß § 710 Abs. 1 RVO i.Y.m. § 19 der UVV zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens führen.
VIII. Gentechnische Vorhaben in der Umweltverträglichkeitsprüfung AIs Ergänzung bereits bestehender verwaltungsbehördlicher Zulassungs- und Genehmigungsverfahren ist die nunmehr vom Gesetzgeber beschlossene gesetzliche Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu sehen, die an dieser Stelle ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben soll. Nach über fünfjähriger Vorarbeit hatte der Rat der Europäischen Gemeinschaften am 27.6.1985 eine Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
verabschiedet, die bis zum 2.7.1988 in deutsches Recht hätte umgesetzt werden müssen 164. Die Bundesregierung hat am 29.6.1988 den Entwurf eines "Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung" (EUVPG) vorgelegt165 • Auf die Empfehlung des Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, den Gesetzentwurf vom 29.6.1988 nach Maßgabe seiner Änderungsbeschlüsse anzunehmen l66, hat der Bundestag das UVP-Gesetz am 12.2.1990 verabschiedet 167• Das Gesetz tritt am 1.8. 1990 in Kra ft 168. Ziel des Gesetzes ist die Sicherstellung der Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen bestimmter enumerativ aufgezählter Vorhaben sowie die frühe BerÜCksichtigung des Ergebnisses dieser Umweltverträglichkeitsprüfung bei allen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit jener Vorhaben 169• Gemäß der - derzeit noch im UVP-Gesetz enthaltenen - Nr. 17 des Anhangs zu Nr. 1 der Anlage zu § 3 UVPG ist die Umweltverträglichkeitsprüfung auch durchzuführen für "Anlagen zum fabrikmäßigen Umgang mit a) gentechnisch veränderten Mikroorganismen, b) gentechnisch veränderten Zellkulturen, soweit sie nicht dazu bestimmt sind zu Pflanzen regeneriert zu werden, c) Bestandteilen oder Stoffwechselprodukten von Mikroorganismen nach a) oder Zellkulturen nach b), soweit sie biologisch aktive, rekombinante Nukleinsäure enthalten ... ". Da Nr. 17 im Anhang zu Nr. 1 der Anlage zu § 3 UVPG mit Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes am 1.7.1990 gestrichen wird (Art. 4 Gentechnikgesetz), kommt die Anwendung des UVP-Gesetzes auf gentechnische Anlagen praktisch nur in Betracht, wenn die gentechnische Anlage zugleich einem anderen der im Anhang aufgezählten Vorhaben un terfäll t. Auch nach der zunächst verabschiedeten Regelung des UVP-Gesetzes wäre die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für
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Richtlinie 85/337/EWG, ABI. EG Nr. L 175/40. BT-Drs. 11 /3919 (Anlage 1). Vgl. BT-Drs. 11/5532, S. 3. BGB!. I S. 205. Vgl. Art. 14 Abs. 1 UVPG. Vgl. § 1 UVPG.
1. Kap.: Gentechnik im geschlossenen System
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gentechnische Anlagen nur erforderlich gewesen, wenn diese im Zusammenhang mit "Anlagen zur fabrikmäßigen Herstellung von Stoffen durch chemische Umwandlung, die mit anderen chemischen Anlagen in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen", betrieben worden wären (Nr. 17 LV.m. Nr. 14 der Anlage zu § 3 UVPG). In seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 23.9.1988 hatte der Bundesrat die Angleichung der Nr. 17 der Anlage zu § 3 UVPG an die Nr. 4.11 des Anhangs zur 4. BImSchV vorgeschlagen l7o• Er hatte dies damit begründet, daß gerade im Bereich der Gentechnologie die Definitionen beibehalten werden sollten, die bereits Eingang in Rechtsvorschriften gefunden haben. Im übrigen werde die Eingrenzung der Anwendbarkeit des UVPG auf Anlagen zum fabrikmäßigen Umgang dem Risikopotential gentechnischer Anlagen nicht gerecht. Dem hatte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung vom 24.1.1989 die Zustimmung versagt 171 • Sie hatte ausgeführt, die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung sei derzeit nur für fabrikmäßig betriebene gentechnische Anlagen gerechtfertigt, soweit sie im Zusammenhang mit Anlagen nach Nr. 14 betrieben werden. Ferner hatte die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auf die von ihr beabsichtigte Gesetzgebung zur Gentechnik hingewiesen. Daran anknüpfend hat der Bundestagsausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit dem Bundestag empfohlen, die Bundesregierung aufzufordern, Nummer 17 des Anhangs zu Nummer 1 der Anlage zu § 3 UVPG (Gentechnische Anlagen) an die jeweiligen Anforderungen der betreffenden EG-Richtlinien und des neuen Gentechnikgesetzes anzupassen J72 •
IX. Der Transport gen technisch veränderter Organismen Zu den Normen, denen beim Umgang mit gen technisch veränderten Organismen im geschlossenen System Rechnung zu tragen ist, zählen das Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter vom 6.8.1975 173 i.d.F. der Änderungen vom 28.3.1980 174 und 18.9.1980175 und die auf
170 171 172 173
174
BR-Drs. 335/88 vom 23.9.1988. BT-Drs. BT-Drs. BGBI. I BGBI. I
11 /3919 (Anlage 1). 11/5532, S. 3. S. 2121. S. 373.
74
2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
seiner Grundlage ergangenen Rechtsverordnungen. Das Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter, welches nach seinem § 1 Abs. 1 S. 1 für Transporte auf dem Schienen, Straßen, Wasser und Luftweg gilt, hat zum Ziel, das Risiko, das mit einem Transport gefährlicher Güter verbunden ist, "so gering wie möglich" zu ha lten 176. Es will jegliche Schäden an Leib oder Leben einzelner Dritter ausgeschlossen und im übrigen die mit einer Beförderung gefährlicher Güter verbundenen Gefahren für die durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Rechtsgüter durch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen auf ein hinnehmbares Restrisiko begrenzt wissen. Nach § 4 Abs. 1 der aufgrund des Gefahrgutgesetzes ergangenen Gefahrgutverordnung Straße (GGVS) vom 22.7.1985 177 Ld.F. der Änderungsverordnung vom 21.12.1987 178 trifft die an der Beförderung gefährlicher Güter Beteiligten die Pflicht, "die nach Art und Ausmaß der vorhersehbaren Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Schadensfälle zu verhindern" und "bei Eintritt eines Schadens dessen Umfang so gering wie möglich zu halten". Darüber hinaus sind die an der Beförderung von Gefahrgut Beteiligten verpflichtet, die in den Anlagen zur GGVS aufgeführten Beförderungsvorschriften zu beachten. Die Anlage A zur GGVS unterscheidet dabei verschiedene Klassen gefährlicher Güter (Randnr. 2002 Abs. 2). In die Klasse 6.2 "Ekelerregende oder ansteckungsgefährliche Stoffe" fallen nach Randnr. 2651 auch "a) Organismen mit neukombinierten Nukleinsäuren; b) Tierkörper, Tierkörperteile sowie von Tieren stammende Erzeugnisse, die Organismen mit neukombinierten Nukleinsäuren enthalten" (Nr. 11 A). Diese Stoffe sind nach Randnr. 2650 unter bestimmten Bedingungen zur Beförderung zugelassen. So stellt die GGVS zunächst allgemeine Anforderungen an die Dichtheit und Widerstandsfähigkeit der Verpackung der Versandstücke (Randnr. 2652 Abs. 1 und 2 der Anlage A zur GGVS). Nach Randnr. 2652 Abs. 3 dürfen den Versandstücken zudem außen keine Spuren des Inhalts anhaften. Randnr. 2662/1 enthält sodann besondere Vorschrif-
175 176
177 178
BGBI. I BR-Drs. BGBI. I BGBl. I
S. 1729. 525/73, S. 9. S. 1550. S. 2858.
2. Kap.: Freisetzung gentechnisch veranderter Organismen
75
ten für die Verpackung des genannten gentechnisch veränderten Materials. Kraft § 5 Abs. 2 Nr. 2 GGVS dürfen Abweichungen von dem nach der Verordnung einzuhaltenden Sicherheitsstandard lediglich unter Sicherheitsvorkehrungen zugelassen werden, die nach den von dem zu transportierenden Gut ausgehenden Gefahren erforderlich sind und dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Entsprechen die Sicherheitsvorkehrungen nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik, muß die zugelassene Ausnahme im Hinblick auf die verbleibenden Gefahren als vertretbar angesehen werden können.
Zweites Kapitel
Die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen als Regelungsgegenstand des Sicherheitsrechts I. Besondere Risikobewertllng Die absichtliche Freisetzung gen technisch veränderter Organismen spielt für die künftige Nutzung der Gentechnik eine entscheidende Rolle. Zahlreiche Chancen der Gentechnik lassen sich nur durch den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen außerhalb geschlossener Systeme, in der Umwelt verwirklichen. Während man jedoch über viel Erfahrung bezüglich des Verhaltens von Organismen im Labor oder bei der Produktion verfügt, ist dies in bezug auf die Umwelt nur teilweise der Fall. Innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion existieren eine Reihe von unterschiedlichen Positionen bezüglich der mit der Freisetzung von gen technisch veränderten Organismen verbundenen Risiken. Während die einen die Wahrscheinlichkeit nachteiliger Auswirkungen für Mensch und Umwelt gering einschätzen und die Meinung vertreten, die Natur sei so flexibel, daß eine Störung der ökologischen Balance durch Freisetzungen nahezu ausgeschlossen werden könne J79 , betonen andere, daß das Ergebnis einer Freisetzung solcher Organismen nicht vorhersagbar sei, da es keine hinreichende Kenntnis der relevanten
179 Vgl. BrilI, Safety concerns and genetic engineering in agriculture, S. 381 ff.; Klingma/ler, Die Sicherheitsproblematik bei der Freisetzung gentechnisch veranderter Bakterien, S. 249 ff., 250.
76
2. Teil: Rechtsgrundlagen für gen technische Industrievorhaben
Einflußfaktoren gebe l80• Generell ist zu sagen, daß das vorhandene Wissen über ökologische Zusammenhänge noch unzureichend ist, um so klare und eindeutige Aussagen machen zu können wie z.B. über ein mögliches Laborrisiko l81 • Da es gerade zu den Chancen der Gentechnik gehört, daß erwünschte Neukombinationen in vorläufig nicht übersehbarer Vielzahl denkbar sind, kann eine auch nur annähernd vollständige Erfassung möglicher Umweltauswirkungen wohl auch in naher Zukunft nicht erwartet werden 182.
11. Die Regelung der Freisetzung durch die "Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neu kombinierte Nukleinsäuren" Der weitgehend ungeklärten Problematik einer absichtlichen Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ist in den "Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren" Rechnung getragen worden: Die Freisetzung solcher Organismen ist auch nach der 5. Fassung der Richtlinien nicht zulässig. In Nr. 19/1 heißt es: "Folgende gen technologischen Experimente dürfen nicht durchgeführt werden: a) ... , b) ... , c) die Freisetzung gentechnologisch veränderter Organismen". Von diesem grundsätzlichen Verbot der Freisetzung kann das Bundesgesundheitsamt (BGA) - Zulassungsstelle für biologische Sicherheitsmaßnahmen - nach Anhörung der ZKBS und im Einvernehmen mit der Biologischen Bundesanstalt Ausnahmen zulassen l83 (Nr. 19/2). Eine solche Ausnahme hat das BGA inzwischen für einen beabsichtigten Freilandversuch des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung
Vgl. etwa Kollek, Natur im Griff?, S. 7 ff., 12. In diesem Sinne auch die ZKBS in ihrem "Bericht über die zurückliegende Amtsperiode der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit, ZKBS (29.09.81 bis 30.06.88)", S. 10. 182 Ebenso Domsch u.a. , Überlegungen zur Freisetzung gentechnisch ver3nderter Mikroorganismen in die Umwelt, S. 475 ff., 476. 183 Vgl. Nr. 19/2 der Gen-Richtlinien (s. unten Anhang 1). 180
181
2. Kap.: Freisetzung gentechnisch vertlnderter Organismen
77
in Köln zugelassen 184. Hierbei handelt es sich um das erste Freisetzungsvorhaben in der Bundesrepublik. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit geht davon aus, daß künftig zunehmend Anträge auf Erlaubnis zur Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen gestellt werden 185. Dementsprechend hat eine Arbeitsgruppe der ZKBS einen sehr detaillierten "Fragenkatalog zur Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen (GVO)" erarbeitet, mit dem eine umfassende Sicherheitsbeurteilung des jeweiligen Freisetzungsvorhabens ermöglicht werden SOIlI86. Nach Verabschiedung durch die ZKBS hat das Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (BMJFFG) den Katalog am 17.3.1988 bekanntgemacht. Inhaltlich war der Fragenkatalog zwar in erster Linie auf die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen anwendbar. In der Bekanntmachung hatte das BMJFFG jedoch bereits darauf hingewiesen, daß er zu gegebener Zeit auf andere gentechnisch veränderte Organismen ausgedehnt werde. Mit der Implementierung des neuen Gentechnikrechts wurde diese Ausdehnung nunmehr realisiert. In Anlehnung an den Fragenkatalog vom 17.3.1988 enthält die Gentechnik-Verfahrensverordnung l87 in ihrer Anlage 2 nunmehr umfassende Anforderungen an die Angaben, die fortan in den Antragsunterlagen zur Erteilung einer Freisetzungsgenehmigung zu machen sind.
III. Freisetzung und Immissionsschutzrecht Weithin verbreitet ist die Auffassung, die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen - seien es Mikroorganismen oder Pflanzen oder Tiere - habe bislang nur im Rahmen der Gen-Richtlinien einer Kontrolle unterlegen, wohingegen es an einer rechtlich verbindlichen
184 Siehe Frankfurter Rundschau vom 2.3.1989: "Genetisch ver~nderte Petunien werden ges~t"; VDI-Nachrichten vom 3.3.1989: "Das Restrisiko liegt in der Wechselwirkung mit der Umwelt"; Frankfurter Rundschau vom 6.6.1989: "Die springenden Gene sind der Motor der Evolution"; F.A.Z. vom 3.6.1989: "Wenn Gene springen".
185 Vgl. "Bericht über die zurückliegende Amtsperiode der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit, ZKBS (29.09.81 bis 30.06.88)", S. 9.
186 Vgl. Anhang zum "Bericht über die zurückliegende Amtsperiode der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit, ZKBS (29.09.81 bis 30.06.88)". 187 VO über Antrags- und Anmeldeunterlagen und über Genehmigungs- und Anmeldeverfahren nach dem Gentechnikgesetz, BR-Drs. 229/90; vgl. dazu unten S. 179 f.
78
2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
Regelung gefehlt habe l88 • Hierbei wird jedoch außer Acht gelassen, daß die Freisetzung nach alter Rechtslage zumindest partiell den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzrechtes unterlag 189• Gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG finden die anlagenbezogenen Bestimmungen des Bundes-Immissionsschutzrechtes nämlich auch auf Grundstücke Anwendung, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können. Der Begriff der Anlage ist also im weitesten Sinne zu verstehen 190. Voraussetzung für die Qualifizierung eines Grundstücks als Anlage ist zwar, daß die emittierende Tätigkeit bzw. der emittierende Zustand wesentlicher Inhalt der Zwecksetzung des Grundstücks ist, also von einem Betreiben überhaupt gesprochen werden kann 191. In der Regel wird die Freisetzung gen technisch veränderter Organismen jedoch den wesentlichen Zweck des Grundstücks darstellen. Da biologische Maßnahmen zur Einschränkung der Vermehrungsfähigkeit der gentechnisch veränderten Organismen zumeist dem Zweck der Freisetzung widersprechen, sich die gentechnisch veränderten Organismen vielmehr jedenfalls zeitweilig gegen bestehende Organismenpopulationen bzw. Wild typen durchsetzen müssen, konnte auch von einer hinreichenden Nachhaltigkeit der auf dem Grundstück durchgeführten Tätigkeit gesprochen werden 192• Soweit das Grundstück, auf dem die Freisetzung vorgenommen werden soll, dem Anhang zur 4. BImSch V unterfällt, bedurfte die Freisetzung einer Genehmigung nach dem BImSchG. Dies war etwa der Fall, wenn Mikroorganismen nach NT. 4.11 des Anhangs zur 4. BImSchV freigesetzt werden sollten. Für nicht genehmigungsbedürftige Freisetzungsvorhaben galten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts des BlmSchG (Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen).
188 Vgl. nur Mahro, Rechtliche Regelung der Umwelt und Gesundheitsrisiken in der Gentechnik, S. 292. 189 So auch Gentechnologie und Umwelt. Bericht des Umweltbundesamtes an den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zum Bericht der Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie", S. 46.
Vgl. die amtliche Begründung zum BlmSchG, BT-Drs. 7/179, S. 29. 191 Vgl. Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 1: Kommentar zum BImSchG, § 3 Anm. 14; Jarass, BlmSchG, § 3 Rdnr. 52. 192 Vgl zu diesem Erfordernis Jm"ass, BImSchG, § 3 Rdnr. 52. 190
2. Kap.: Freisetzung gen technisch verllnderter Organismen
79
IV. Freisetzung und naturschutzrechtlicher Artenschutz Als schädliche Wirkungen, die von freigesetzten gentechnisch veränderten Organismen ausgehen können, sind bereits toxische und pathogene Wirkungen auf natürliche Umweltorganismen sowie die damit einhergehende Verdrängung anderer Tier- und Pflanzenarten genannt worden. Dieses mit der Freisetzung verbundene Risiko unterfällt den Regelungen des Naturschutzrechts, in deren Mittelpunkt das Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) Ld.F. d. Bek. vom 12.3.1987 193 steht, jedenfalls insoweit, als bislang keine Risikosteuerung durch Spezialgesetze wie etwa das BundesImmissionsschutzgesetz, das Wasserhaushaltsgesetz oder neuerdings das Gentechnikgesetz erfolgt l94 • Von besonderer Bedeutung für das hier angesprochene Freisetzungsrisiko ist der zum traditionellen Bestand des Naturschutzrechts gehörende Schutz der wildwachsenden Pflanzen und wildlebenden Tiere (Artenschutz). Die Artenschutzbestimmungen der §§ 20 ff. BNatSchG zielen darauf ab, die Artenvielfalt als Teil des Naturhaushalts in ihrer natürlichen Umgebung zu erhalten 195. Allgemeine Vorschriften zum Arten- und Biotopschutz finden sich in § 20 d BNatSchG. Nach Absatz 2 ist das Ansiedeln von gebietsfremden Pflanzen in der freien Natur nur mit Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörde zulässig. Eine Genehmigungspflicht gilt auch für das Aussetzen von gebietsfremden Tieren, unabhängig davon, ob dies in der freien Natur oder im besiedelten Bereich erfolgt l96• Als "gebietsfremd", also nicht in der konkreten natürlichen Umwelt vorkommend, sind auch gentechnisch veränderte Organismen anzusehen. Da die Freisetzung gen technisch veränderter Organismen in der Regel darauf abzielt, daß sich diese Organismen zumindest zeitweilig gegen bestehende Organismenpopulationen bzw. Wild typen durchsetzen, liegt in der Freisetzung zugleich ein Ansiedeln bzw. Aussetzen i.S.d. BNatSchG. Wenngleich der Genehmigungsvorbehalt des § 20 d Abs. 2 S. 1 BNatSchG nur die Frcisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen in die freie Natur betrifft 197, der Anbau von Pflanzen in der
193
BGBI. I S. 889.
Instruktiv zu der lückenfüllenden Aufgabe des BNatSchG Bickel, Der Eingriffstatbestand in § 8 Bundesnaturschutzgesetz, S. 937 11., 939. 195 Vgl. K1oepfer, Umweltrecht, § 10 Rdnr. 70. 194
Vgl. die amtliche Begründung, BT-Drs. 10 / 5064, S. 19. Vgl. zu dem Begriff der "freien Natur" Bernatz!...}'! Böhm, Bundesnatur· schutzrecht: Kommentar zum BNatSchG, § 20 d Rdnr. 6. 196
197
80
2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
Land- und Forstwirtschaft hingegen der Ausnahmeregelung des Abs. 2 S. 2 unterfällt, wird doch zumindest die weithin als problematisch angesehene Freisetzung von gen technisch veränderten Mikroorganismen von der Bestimmung erfaßt l98 • § 20 d Abs. 2 S. 3 BNatSchG legt fest, daß die Genehmigung zum Aussetzen gebiets fremder Tiere bzw. Ansiedeln gebietsfremder Pflanzen zu versagen ist, wenn die Gefahr einer Verfälschung der heimischen Tier- und Pflanzenwelt nicht auszuschließen ist. Dies ist in der Regel schon der Fall, wenn durch die Maßnahme der Bestand oder die Verbreitung einzelner heimischer wildlebender Populationen oder Arten gefährdet werden kann. Angesichts der fehlenden praktischen Erfahrungen über die Auswirkungen des Eindringens gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt erleichtert dieser weite Versagungsgrund der zuständigen Behörde die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer Freisetzung und eine sachgerechte Entscheidung.
Über diesen Genehmigungsvorbehalt hinaus ermächtigt § 20 d Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BNatSchG den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Handlungen oder Verfahren zu beschränken oder zu verbieten, die zum Verschwinden oder zu sonstigen erheblichen Beeinträchtigungen von Populationen wildlebender Tier und Pflanzenarten führen können. Als derartige Handlungen oder Verfahren kommt auch die Freisetzung gen technisch veränderter Organismen in Betracht. Von dieser Ermächtigung hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bislang keinen Gebrauch gemacht l99• Die in § 20 Abs. 6 BNatSchG enthaltene Ermächtigung an die Länder hat daher ihre praktische Bedeutung auch für die Risikosteuerung der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen nicht verloren.
Mikroorganismen werden in der Biologie den Pflanzen zugeordnet. Mit der Bundesartenschutzverordnung vom 19.12.1986 (BGEI. I S. 2705) hat der Minister bisher lediglich von der Ermächtigungsgrundlage des 20 d Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BNatSchG Gebrauch gemacht. 198 199
3. Kap.: Biologische Produkt risiken und Sicherheitsrecht
v.
81
Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in der UmweItverträglichkeitspriifung
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung hatte der federführende Bundesratsausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit dem Bundesrat auch empfohlen, die Bundesregierung aufzufordern, die Freisetzung von gen technisch veränderten Organismen in die Umwelt der Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterwerfen. Der Bundesratsausschuß sah die Notwendigkeit, die mit Freisetzungen möglicherweise einhergehenden medienübergreifenden umweltrelevanten Auswirkungen zu untersuchen 2°O. Drittes Kapitel
SicherheitsrechtIiche Erfassung biologischer Produktrisiken Die durch die Gentechnik eröffneten Chancen sind vielfältiger Art. Mit Hilfe der Gentechnik können neue und bessere Arzneimittel (Diagnostika, Therapeutika, Sera und Impfstoffe) für die Human- und Veterinärmedizin entwickelt und in ausreichender Menge kostengünstig produziert werden. Ferner zielt die industrielle Nutzung der Gentechnik auf die Herstellung neuer Nahrungs- und Futtermittel und komplizierter chemischer Stoffe wie etwa für den Bereich Pflanzenschutz. Mit der gentechnischen Herstellung von Produkten stellt sich die Frage nach einer rechtlichen Regelung des Inverkehrbringens und Umgangs mit derartigen Erzeugnissen. Eine Bestandsaufnahme der existierenden produktbezogenen Vorschriften ergibt, daß die derzeit geltenden Regelungen für die mit herkömmlichen Verfahren hergestellten Produkte weitestgehend auch auf gentechnische Erzeugnisse anwendbar sind 20I •
200
BR-Drs. 687/1/89 vom 11.12.1989.
Vgl. dazu auch Richter, Gentechnologie als Regelungsgegenstand des technischen Sicherheitsrechts, S. 81. 201
82
2. Teil: Rechtsgrundlagen für gen technische Industrievorhaben
I. Das Inverkehrbringen gentechnisch hergestellter Arzneimittel Gentechnisch hergestellte Arzneimittel unterfallen dem Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) i.d.F. des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24.8.1976 202, zuletzt geändert durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 20.7.1988203 • Dies ergibt sich bereits aus dem weiten Arzneimittelbegriff des § 2 AMG 204 • Danach sind Arzneimittel alle Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmte, in § 2 Abs. 1 AMG näher beschriebene Eigenschaften zu haben. Eine Definition des Stoffbegriffs enthält § 3 AMG, der unter Nr. 4 auch "Mikroorganismen einschließlich Viren sowie deren Bestandteile oder Stoffwechselprodukte" einbezieht, ohne danach zu unterscheiden, ob es sich um natürliche oder gen technisch veränderte Stoffbestandteile handelt. Aus dem zuvor Gesagten fOlgt, daß auch die für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln bestehenden Zulassungsnormen (§§ 21-37 AMG) auch auf gentechnisch hergestellte Arzneimittel anwendbar sind 2os • Die Entscheidung über die Zulassung trifft gemäß § 25 Abs. 1 AMG die zuständige Bundesoberbehörde, also das BGA oder das PaulEhrlich-Institut. Die Behörde darf die Zulassung nach § 25 Abs. 2 AMG u.a. dann versagen, wenn das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder bei dem Arzneimittel der begründete Verdacht besteht, daß es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Die in § 1 AMG programmatisch definierte "Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit" muß insofern auch für gen technisch hergestellte Arzneimittel geWährleistet sein 206•
202 203
EGBI. I S. 2445, 2448. BGBI. I S. 1050.
204 So die ganz h.M., vgl. nur Hasskarl, Rechtsfragen gentechnologischer Arzneimittel, S. 269, 274; Dellfsch, Ethische und rechtliche Probleme bei Arzneimitteln aus der Gentechnologie, S. 44, 46; Witte, Staatshaftung bei gentechnisch ver1inderten Mikroorganismen, S. 86; Richter, Gentechnologie als Regelungsgegenstand des technischen Sicherheitsrechts, S. 8I. 20S Vgl. hierzu ausführlich Hasskarl, Rechtsfragen, S. 274. 206 Vgl. Hasskarl, Rechtsfragen, S. 274.
3. Kap.: Biologische Produktrisiken und Sicherheitsrecht
83
Die Frage, ob aufgrund dieser Anforderungen des Gesetzes ergänzende Regelungen für die mittels gentechnischer Verfahren produzierten Arzneimittel notwendig sind, ist im Hinblick auf deren stoffliche Qualität und sich daraus für den Anwender etwa ergebende Gefahren zu diskutieren. Die Qualität eines Arzneimittels ist als Begriff in § 4 Abs. 15 AMG wie fOlgt definiert: "Qualität ist die Beschaffenheit eines Arzneimittels, die nach Identität, Gehalt, Reinheit, sonstigen chemischen, physikalischen, biologischen Eigenschaften oder durch das Herstellungsverfahren bestimmt wird". An diese Kriterien knüpft § 22 AMG hinsichtlich der Zulassungsunterlagen an, die vor dem Inverkehrbringen eines Arzneimittels beim BGA mit dem Zulassungsantrag eingereicht werden müssen. § 22 AMG bestimmt in Abs. 1, daß dem Antrag auf Zulassung sowohl kurzgefaßte Angaben über die Herstellung des Arzneimittels (Nr. 11) als auch Angaben über die Methode zur Qualitätskontrolle des Arzneimittels (Nr. 15) beigefügt werden müssen. Darüber hinaus beschreibt § 22 Abs. 2 die Ergebnisse analytischer Prüfungen, die vorzulegen sind. Es heißt unter Nr. 1: "Es sind ferner vorzulegen: die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung)." Entsprechend den vom BGA im Jahre 1978 herausgegebenen amtlichen Erläuterungen 207 beziehen sich die nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 AMG vorzulegenden Ergebnisse der analytischen Prüfung auf alle während der Herstellung des Fertigarzneimittels verwendeten Bestandteile sowie auf solche Ausgangsstoffe, die keine Bestandteile des Fertigarzneimittels sind (Rdnr. 63-67). Da hier auch die biologischen und mikrobiologischen Versuche, von denen § 22 AMG spricht, mit angesprochen sind, ergibt sich zwangsläufig, daß im Rahmen der Zulassung von gentechnisch hergestellten Arzneimitteln auch die Inhaltsstoffe der verwendeten gentechniSCh veränderten Mikroorganismen analytisch zu prüfen sind 208• Über diese bei der Zulassung (gen technischer) Arzneimittel vorzulegenden analytischen Daten hinaus muß für Bestandteile, die nicht in einem Arzneibuch aufgeführt sind, jeweils eine Monographie erstellt werden. In dieser sind die Methoden so ausführlich abzufassen, daß
207 Amtliche Erlauterungen zu dem Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels nach den §§ 22-24 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln vom 22. August 1976.
208 Vgl. Eickstedt, Behördliche Kontrolle gentechnisch entwickelter Therapeutika, S. 75 ff., 77 f.
84
2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
eine Nacharbeitung an anderer Stelle möglich ist (Rdnr. 64 der amtlichen Erläuterungen). Ferner ist für alle Ausgangsstoffe, für die eine Monographie erstellt wurde, der Syntheseweg oder Isolationsprozeß anzugeben, sofern er nicht allgemein bekannt ist (Rdnr. 66 der amtlichen Erläuterungen). Letzteres ist insbesondere für gen technisch hergestellte Arzneimittel von Bedeutung, ist doch nicht davon auszugehen, daß Syntheseweg oder Isolationsprozeß allgemein bekannt sind. Es kann deshalb festgestellt werden, daß das AMG weiterer Ergänzungen hinsichtlich der auch für gen technisch hergestellte Arzneimittel zu gewährleistenden Sicherheit nicht bedarf.
11. Gentechnisch hergestellte Pflanzenschutzmittel in Verkehr und Anwendung Risiken, die sich aus dem Verkehr und der Anwendung von gentechnisch hergestellten Pflanzenschutz- bzw. Pflanzenstärkungsmitteln ergeben können, werden durch das Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PfiSchG) vom 2.10.1975 209 Ld.F. vom 15.9. 1986210 begrenzt. Pflanzenschutzmittel dürfen gemäß § 11 PfiSchG nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie von der Biologischen Bundesanstalt zugelassen sind 2l1 • Es bestehen keine Zweifel, daß das PfiSchG auch auf gentechnisch hergestellte Pflanzenschutzmittel bzw. Pflanzenstärkungsmittel anwendbar ist 212 • Sowohl Pflanzenschutz als auch Pflanzenstärkungsmittel werden in § 2 Abs. 1 Nrn. 9 und 10 PfiSchG als "Stoffe" bezeichnet. Die Fassung des Pflanzenschutzgesetzes vom 2.10.1975 213 enthielt auch für den Begriff "Stoffe" eine Definition. Gemäß § 2 Nr. 6 c PfiSchG 1975 waren Stoffe u.a. "Mikroorganismen, Viren sowie ihre Bestandteile oder Stoffwechselprodukte". In die Neufassung des Gesetzes nahm der Gesetzgeber die Definition des Begriffes "Stoffe" nicht mehr auf, da er ohnehin umfassend zu
209 210
BGBI. I S. 2591. BGBI. I S. 1505.
Unzutreffend ist insoweit der Hinweis von Bock, Schutz gegen die Risiken und Gefahren der Gentechnik?, S. 25 f., das PflSchG enthalte für die Risikosteuerung im Bereich der Gentechnik keine praktikablen Instrumente, da es an einem Genehmigungszwang fehle. 211
212 Vgl. Richter, Gentechnologie als Regelungsgegenstand des technischen Sicherheitsrechts, S. 82; Stonn, Art. Pflanzenschutzrecht, in: Götz / Kroeschell / Winkler, Handwörterbuch des Agrarrechts, Bd. II, Berlin 1982, Sp. 612-620. 213 Siehe Fn. 209.
3. Kap.: Biologische Produkt risiken und Sicherheitsrecht
85
verstehen war und damit keine Abgrenzungsschwierigkeiten bot. Dem entspricht, daß der Begriff "Stoffe in den Begriffsbestimmungen für Düngemittel in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Düngemittelgesetz und für Futtermittel in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Futtermittelgesetz ebenfalls ohne eine Definition verwendet wird 214 • Auch nach der geltenden Fassung des PflSchG unterfallen damit Mikroorganismen, Viren sowie ihre Bestandteile und Stoffwechselprodukte dem Stoffbegriff und können mithin als Pflanzenschutz bzw. Pflanzenstärkungsmittel qualifiziert werden. Gemäß § 11 Abs. 1 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel grundsätzlich nur in den Verkehr gebracht oder eingeführt werden, wenn sie von der Biologischen Bundesanstalt zugelassen sind. Diese erteilt dem Antragsteller die Zulassung nur dann, wenn "die Prüfung des Pflanzenschutzmittels ergibt, daß 1. das Pflanzenschutzmittel nach dem Stande der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Technik hinreichend wirksam ist, 2. die Erfordernisse des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier beim Verkehr mit gefährlichen Stoffen nicht entgegenstehen, und 3. das Pflanzenschutzmittel bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung oder als Folge einer solchen Anwendung a) eine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier und auf Grundwasser hat und b) keine sonstigen Auswirkungen, insbesondere auf den Naturhaushalt, hat, die nach dem Stande der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht vertretbar sind" (§ 15 Abs. 1 PflSchG). Die Biologische Bundesanstalt hat insofern vor der Entscheidung über die Zulassung Vor- und Nachteile des gen technisch hergestellten Pflanzenschutzmittels im Hinblick auf Gewässer, Boden, Luft, Tier und Pflanzenarten sorgfältig abzuwägen. Die Vertretbarkeit schädlicher Auswirkungen ist dabei dann nicht gegeben, wenn eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist. Beispielsweise hat die BBA auch zu prüfen, ob die Zulassung zu versagen ist, wenn ein gen technisch hergestelltes Pflanzenschutzmittel größere nachteilige Auswirkungen erwarten läßt als ein auf herkömmlichem Weg produziertes, bereits zugelassenes Pflanzenschutzmittel, das für das gleiche Anwendungsgebiet vorgesehen ist 215 • Bei der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels durch die BBA sieht das PflSchG die Herstellung des
214 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen, BR-Drs. 355/83. 215 BR-Drs. 355/83.
86
2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
Einvernehmens mit dem Bundesgesundheitsamt sowie mit dem Umweltbundesamt vor (§ 15 Abs. 2 PflSchG). Auch hinsichtlich der Zulassung gen technisch hergestellter Pflanzenschutzmittel kommt es somit zur Einbindung umfangreichen Sachverstandes. Wie herkömmliche dürfen auch gentechnisch hergestellte Pflanzenschutzmittel nur nach guter fachlicher Praxis angewandt werden (§ 6 Abs. 1 S. 1 PflSchG). Die Anwendung nach guter fachlicher Praxis hat im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz auch zum Inhalt, daß die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, die Pflanzen- und Tierwelt sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft nachhaltig gesichert sind. "Gute fachliche Praxis" schließt auch die Prüfung ein, ob die Anwendung des Pflanzenschutzmittels erforderlich ist 216• Das PflSchG stellt sicher, daß bei Gefahr im Verzuge sofort Anwendungsverbote und -beschränkungen erlassen werden können. § 7 Abs. 4 PflSchG gibt dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Möglichkeit, in Fällen, in denen zur Abwendung bedeutender Schäden für den Naturhaushalt sofortige Maßnahmen zu treffen sind, auch ohne Zustimmung des Bundesrates und ohne Einvernehmen mit anderen Bundesministern entsprechende Rechtsverordnungen zu erlassen.
III. Zulassung gentechnisch hergestellter Düngemittel Düngemittel sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Düngemittelgesetzes vom 15.11.1977 217 Stoffe, die dazu bestimmt sind, unmittelbar oder mittelbar Nutzpflanzen zugeführt zu werden, um ihr Wachstum zu fördern, ihren Ertrag zu erhöhen oder ihre Qualität zu verbessern. Wie bereits ausgeführt ist der Begriff der "Stoffe" weit zu verstehen, so daß als Düngemittel i.S.d. Gesetzes auch gentechnisch veränderte Mikroorganismen in Betracht kommen. Hierzu zählen zum Beispiel die zur Zeit in Entwicklung befindlichen rekombinanten Bakterien, die im Wurzelbereich von Pflanzen Stickstoff aus der Luft binden 218• Wie alle anderen Düngemittel dürfen auch solche, die gentechnisch veränderte Mikroorganismen enthalten oder aus solchen bestehen,
BR-Drs. 355/83. m BGBI. I S. 2134.
216
218
Vgl. Winter, Gentechnik als Rechtsproblem, S. 585, 592.
3. Kap.: Biologische Produkt risiken und Sicherheitsrecht
87
gewerbsmäßig nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn sie einem Düngemitteltyp entsprechen, der durch die Düngemittelverordnung vom 19.12.1977219, zuletzt geändert am 24.6.1988 220, zugelassen ist. Die in der Anlage zur Düngemittelverordnung enthaltene Typenliste bezeichnet in Abschnitt 3 Typen organischer und organisch-mineralischer Düngemittel. Dabei unterscheidet die Typenliste nicht zwischen gentechnisch veränderten und natürlichen Stoffen. Dementsprechend ist für die Zuordnung eines Stoffes zu den genannten Typen allein entscheidend, daß allgemeine, näher bestimmte Kriterien wie etwa Mindestgehalte an einzelnen Substanzen oder das Aufbereiten bestimmter Stoffe als Art der Herstellung erfüllt sind. Aufbereiten im Sinne des Abschnitts 3 der DüngemittelVO ist das Aufbereiten zu seuchenhygienisch unbedenklichen Produkten, die frei von Krankheitserregern sind. Organische Stoffe sind damit nur insoweit als Düngemittelvorstufen zugelassen, als die in ihnen enthaltenen gentechnisch veränderten Mikroorganismen apathogen sind.
IV. Gentechnik und Lebensmittelrecht Seit Jahrhunderten werden Lebensmittel unter Zuhilfenahme der Biotechnologie hergestellt bzw. veredelt. Auch heute werden biotechnische Verfahren noch überwiegend bei der Nahrungs und GenußmitteIhersteHung angewendet 221 • Als Beispiele seien hier Backminelzusätze. Fisch- und FIeischprodukte, Getränke wie Wein und Bier. Lebensmittelzusätze (Antioxidantien, Farb- und Geschmackstoffe). Vitamine. Stärkeprodukte, modifizierte Proteine, Gemüsekonservierung u.a. genannt. Die konventionelle Biotechnologie macht zwar Gebrauch von natürlichen Organismen. Der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen ist jedoch auch in diesem Bereich vielversprechend!!!. Eine höhere Qualität und Präzision in der mikrobiologischen Produktion von Nahrungsmitteln und Getränken sind hier durch die Gentechnik zu erwarten 223•
219 220
BGBI. I S. 2845. BGB!. I S. 92l.
221 Vgl. Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie". S. 24l. 222 A.A. die Fraktion der GRÜNEN, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel und Bedarfsgegenstandegesetzes. BT-Drs. 11/ 565l. 223 Vgl. dazu ausführlich Rose. Speisen und Getrllnke, S. 72 ff.
88
2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
Soweit gentechnisch veränderte Organismen bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden oder in Lebensmitteln vorhanden sind, werden die hieran zu stellenden Anforderungen vom Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz - LMBG) vom 15.8.1974224 festgelegt. Besondere Bedeutung kommt dem 2. Abschnitt des Gesetzes zu, der den Verkehr mit Lebensmitteln regelt. Als eine Art Grundsatznorm verbietet § 8 LMBG, Lebensmittel für andere derart herzustellen, daß ihr Verzehr geeignet ist, die Gesundheit zu schädigen (Nr. 1). Ferner untersagt die Vorschrift, Stoffe als Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, die zur Schädigung der Gesundheit geeignet sind. Auch im übrigen sind es in erster Linie Verbote, die der Gesetzgeber als Mittel zum Zwecke des Gesundheitsschutzes eingesetzt hat. Ergänzt werden diese Verbote durch die in vielen Vorschriften enthaltenen Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen, mittels derer der Gesetzgeber der Exekutive die Möglichkeit geschaffen hat, ohne ein langjähriges Gesetzgebungsverfahren abwarten zu müssen flexibel auf den Einsatz eventuell gesundheitsgefährdender Stoffe in der Lebensmittelherstellung reagieren zu können. Zum Zwecke des Gesundheitsschutzes wird der Verordnungsgeber etwa durch § 9 LMBG ermächtigt, die Verwendung bestimmter Stoffe oder auch Verfahren bei der Herstellung oder der Behandlung von Lebensmitteln zu beschränken oder insgesamt zu verbieten (Nr. 1 a). Ferner können durch Rechtsverordnung die Herstellung, die Behandlung oder das Inverkehrbringen bestimmter Lebensmittel verboten (Nr. 4 a), von einer Genehmigung oder einer Anzeige abhängig gemacht (Nr. 4 b) oder der Nachweis bestimmter Fachkenntnisse verlangt werden (Nr. 4 c). Ebenso können aufgrund des Gesetzes für bestimmte Stoffe Warnhinweise sowie Sicherheitsvorkehrungen vorgeschrieben werden. Der Umgang mit gen technisch veränderten Mikroorganismen bei der Herstellung und Behandlung von Lebensmitteln wird zudem durch die Ermächtigung zum Erlaß von Hygienevorschriften nach § 10 LMBG erfaßt. Die Vorschrift dient der Vorbeugung der Gefahr einer ekelerregenden oder sonst nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln, u.a. auch durch (gentechnisch veränderte) Mikroorganismen oder bestimmte, Behandlungs oder Zubereitungsverfahren. Als letztere kommen nicht zuletzt gentechnische Verfahren in Betracht. Einem grundsätzlichen Verbot unterliegt nach § 11 Abs. 1 LMBG die Verwendung von Zusatzstof-
224
BGBI. I S. 1945.
4. Kap.: Haftung für gentechnische ScMden
89
fen 225 bei der Herstellung von Lebensmitteln. § 2 Abs. 3 LMBG gibt dem Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit die Möglichkeit, Stoffe oder Gruppen von Stoffen den Zusatzstoffen gleichzustellen und damit das generelle Verwendungsverbot des § 11 LMBG in Kraft zu setzen226• Gentechnisch veränderte Mikroorganismen (z.B. als Starterkulturen) oder StoffWechselprodukte von gentechnisch veränderten Mikroorganismen (z. B. Enzyme) sind gemäß § 11 Abs. 3 S. 1 LMBG als solche Zusatzstoffe zwar ausdrücklich von dem Verbot des § 11 Abs. 1 LMBG freigestellt. Hinzuweisen ist jedoch auf die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 3 LMBG, wonach Enzyme oder Mikroorganismenkulturen von der Freistellung des § 11 Abs. 3 S. 1 LMBG wieder ausgenommen werden können.
Viertes Kapitel
Die Haftung für Schäden aus gentechnischer Forschung und Produktion I. Risikosteuerung durch Haftungsrecht Wenngleich die Intention des technischen Sicherheitsrechts dahin geht, denkbaren Gefahren bei der Anwendung der Gentechnik vorzubeugen, sein Ziel also in erster Linie die Prävention von Schäden ist, verbleiben doch gewisse Risiken, die in Schädigungen der verschiedensten Rechtsgüter umschlagen können. In diesen - wie in allen Bereichen der Technik - nicht mit letzter Sicherheit auszuschließenden Schadensfällen bedarf es nach allgemeiner Auffassung eines effizienten Haftungsrechts als die notwendige Kompensationsfunktion erfüllendes, unverzichtbares Korrektiv 227 • Rechtspolitisch wird dies damit begründet, daß es nicht vertretbar sei, durch Zulassung gentechnischer Vorhaben die Bürger dem verbleibenden Risiko auszusetzen, ohne zugleich für den Schadensfall durch eine sachgerechte Haftungsregelung einen Schadensausgleich anzuordnen. 225 Siehe hierzu die Legaldefinition in § 2 LMBG; vgl. auch Rabe, Neuartige Lebensmittel, S. 1 ff. 226 Vgl. Rabe, Neuartige Lebensmittel, S. 1 ff., 4. 227 Vgl. nur Nicklisch, Rechtsfragen der modernen Bio- und Gentechnologie, S. 1 ff., 6.
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
Das Haftungsrecht kann indessen nicht nur als Instrument der Schadenskompensation gesehen werden. So ist unverkennbar, daß jede auf den Ausgleich eines Schadens bezogene Zahlungsanordnung zugleich bestimmte Verhaltensanreize auslösr228• Als Sekundärfunktion der deliktischen Ausgleichspflicht ergibt sich jedenfalls im Bereich der organisierten und organisierbaren Verkehrssicherung eine Präventionsfunktion des Deliktsrechts, die tendenziell umso stärker ist, je mehr die Vermeidung deliktischer Haftung zu Kostenvorteilen führt 229• Diese Erkenntnis läßt das Haftungsrecht geeignet erscheinen, das technische Sicherheitsrecht in seiner Präventionswirkung zu ergänzen 230• Besonders erfolgversprechend ist dabei der Ansatz, über die Drohung einer Ersatzpflicht für die von der zu regulierenden Tätigkeit verursachten Schäden den potentiellen Schädiger zu veranlassen, sich das zur Schadensvermeidung erforderliche Wissen zu verschaffen und sich der notwendigen Sorgfalt im Umgang mit der Schadensquelle zu bedienen23!. Insbesondere in Technologiebereichen wie dem der Gentechnik, in denen sich noch vieles im Stadium der Forschung und Entwicklung befindet, kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, daß Behörden bereits über das zur jeweiligen sicherheitsrechtlichen Einzelfallbeurteilung notwendige Fachwissen verfügen. Häufig wird das optimale, für die Sicherheitsbeurteilung erforderliche Wissen nur bei denjenigen vorhanden sein, deren Vorhaben die Behörde zu beurteilen hat. Es sind dies in der Regel Unternehmen oder Wissenschaftseinrichtungen, die sich intensiv mit der Forschung und Entwicklung gentechnischer Verfahren befassen oder die Technik bereits anwenden. Ein sachgereChtes Haftungsrecht könnte somit dazu beitragen, daß die Anwender der Gentechnik ihr vorhandenes und gegebenenfalls durch Sicherheitsforschung noch zu erweiterndes Wissen zum Einsatz bringen.
2~8 So MiinchKomm-Mertens, vor §§ 823-853 Rdnr. 41; vgl. auch Kirchhof, Kontrolle der Technik als staatliche und private Aufgabe, S. 1 ff., 15. 229 So MiinchKomm-Mertens, vor §§ 823-853 Rdnr. 44. 2-'0 Vgl. Nicklisch, Rechtsfragen der modernen Bio- und Gentechnologie, S. 7; Salje, Reform des Umwelthaftungsrechts, S. 153 ff., 154; a.A. wohl Damm, Gentechnologie und Haftungsrecht, S. 561. 231 So Assmann, Rechtsfragen des prognostischen und nachtraglichen Kausalitatsbeweises.
4. Kap.: Haftung für gentechnische Schäden
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11. Die Haftung fiir Gentechnik-Schäden im geltenden Schadens recht Das Instrumentarium der für den Ausgleich von Gentechnikschäden auch vor Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes nutzbar zu machenden zivilrechtlichen Haftungsnormen findet sich sowohl im allgemeinen Bürgerlichen Recht (§§ 823 ff. BGB)232 als auch in einigen spezialrechtlichen Regelungen (§§ 22 WHG, 3 HPflG, 84 AMG). Entgegen der wohl überwiegenden Auffassung decken die vorhandenen Regelungen einen weiten Bereich des Schadensausgleichs bei denkbaren Gentechnik-Schäden ab und sind durchaus geeignet, die von einem sachgerechten Haftungsrecht erwartete Präventionswirkung zu erfüllen. Hinsichtlich des Verursachungsbereichs ist zwischen der Haftung für Schäden aus der Anwendung gentechnischer Verfahren in Forschung und Produktion und der Haftung für das Inverkehrbringen schädigender gentechnischer Produkte zu unterscheiden. Letzterer Bereich unterfällt entweder dem speziellen Haftungstatbestand des § 84 AMG oder den allgemeinen Grundsätzen über die Produkthaftung und soll hier unberücksichtigt bleiben. 1. Die Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB für Schäden aus der Anwendung gentechnischer Verfahren
Der Verschuldenshaftung nach § 823 BGB kommt keineswegs die ihr von vielen Seiten immer wieder beigelegte geringe Bedeutung bei der Vermeidung und dem Ausgleich von Gentechnik-Schäden zu. Sicherlich gehen einige der modernen Unfallschäden beim Einsatz neuer Technologien und Technologieanwendungen nicht auf ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten im Sinne des § 823 BGB zurück, sondern auf die nicht gänzlich ausschließbaren Gefahren erlaubter Betriebsmittel, Unternehmungen, Anlagen und dgl. Diese Schadensfälle können damit grundsätzlich nur mittels einer Gefährdungshaftung erfaßt und denjenigen zugewiesen werden, die die betreffende GefahrenqueUe eröffnet haben.
232 Vgl. auch Deutsch, Gefährdungshaftung für Mikroorganismen im Labor, S. 751, der entgegen der wohl derzeit noch überwiegenden Auffassung die Tierhalterhaftung gem3ß § 833 BGB als weiteren einschl3gigen Haftungstatbestand ansieht.
92
2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
Ob diese bei aller Vorsorge stets vorhandenen Restrisiken in der Praxis von großer Bedeutung sind, erscheint jedoch zweifelhaft. Weitaus bedeutsamer dürfte der weite Bereich der Haftung aufgrund der Verletzung von Verkehrspflichten sein 233• Nach ständiger Rechtsprechung234 und herrschender Meinung235 im Zivilrecht hat derjenige, der eine Gefahr für andere schafft oder eröffnet, die Verpflichtung, diese Gefahr in engen Grenzen zu halten, also nach Möglichkeit dafür zu sorgen, daß sich die Gefahr nicht verwirklicht. Die Zielrichtungen dieser Verkehrspflichten können unterschiedlich sein. Einmal können sie dahin gehen, daß Dritte die Möglichkeit haben, sich eigenverantwortlich auf die Gefahr einzustellen und ihr zu begegnen. Hierzu gehören die Warnpflichten, die Verbots- und Instruktionspflichten. Die Verkehrspflichten können aber auch dahin gehen, den Gefahrenherd zu verändern und zu entschärfen. Dies geschieht durch Gefahrenkontrollpflichten, Überwachungspflichten, die Auswahl- und Aufsichtspflichten, die Organisationspflichten, die Erkundigungs- und Benachrichtigungspflichten sowie die Obhuts- und Fürsorgepflichten 236• Ein bestimmtes Verhalten sowie ein bestimmter Zustand können nach der Rechtsordnung erlaubt oder verboten sein. FOlgt aus dem Verhalten oder dem Zustand aber eine bestimmte Gefahr, so können sich zu ihrer Steuerung Verkehrspflichten ergeben, wobei es nicht darauf ankommt, ob das Verhalten oder der Zustand als solcher erlaubt oder verboten war. Diese Verkehrspflichten bestehen nicht nur hinsichtlich gefährlicher Wege und Baulichkeiten oder gefährlicher Sportanlagen und der -arten, sondern sie betreffen auch Wissenschaftseinrichtungen, insbesondere gefährliche Forschungsprojekte, und vor allem gewerbliche und Industrieanlagen. Verkehrspflichten werden von einer bestimmten Gefahr ausgelöst. Freilich muß (und kann) nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden, weil eine Verkehrssicherheit, die jede Gefahr ausschließt, nicht erreichbar ist. Würde man ein absolutes Schutzgebot postulieren, dann dürfte eine gentechnische Arbeit ebenso wie viele andere Technikanwendungen niemals durchgeführt werden. Welchen Inhalt aber haben die Verkehrspflichten der gentechnisch forschenden und arbeitenden Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen? Grundsätzlich bestim-
Vgl. hierzu auch Damm, Gentechnologie und Haftungsrecht, S. 562. Vgl. nur BGHZ 92, 143 ff. - Kupolofen. 235 Vgl. nur Palandt-Thomas, BGB § 823 Anm. 8 A a.; Soergel-Zeuner, BGB § 823 Rdnr. 156. 236 Geigel, Der Haftpflichtprozeß, S. 345; von Bar, Verkehrspflichten, S. 83 ff. 233
234
4. Kap.: Haftung filr gentechnische Schaden
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men Größe und Ausmaß der Gefahr den Umfang und die Intensität der Verkehrspflichten 237 • Ohne eine weitere Konkretisierung bliebe diese Feststellung allerdings weitgehend eine Leerformel. Größe und Ausmaß der Gefahr sind gerade für neue und erst am Beginn ihrer Entwicklung stehende Technologien oftmals umstritten. Daraus ergibt sich bereits, daß die Verkehrspflichten bei Anwendung der Gentechnik vor allem durch Regelungen des technischen Sicherheitsrechts konkretisiert werden. Wie die Erfahrungen aus anderen technischen Bereichen zeigen, greift die Rechtsprechung sowohl zur Konkretisierung der erforderlichen äußeren Sorgfalt im Umgang mit technischen Anlagen oder Geräten als auch zur Feststellung der Vorhersehbarkeit und des Kennenmüssens bestimmter technischer Gefahren sowie der zur Gefahrsteuerung gebotenen Maßnahmen (innere Sorgfalt)238 ständig auf kodifizierte technische Regeln zurück 2J9• Eine besondere Bedeutung für die Operationalisierbarkeit der Verkehrssicherung kommt dabei den als Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu qualifizierenden "Richtlinien zum Schutz vor den Gefahren von in-vitro neu kombinierten Nukleinsäuren" (5. Fassung vom 28.5.1985) sowie der seit 1988 in Kraft befindlichen Unfallverhütungsvorschrift "Biotechnologie" zu. Für die nahe Zukunft ist mit einer weiteren Ausfüllung des Pflichteninhalts durch die TA Gentechnik und die sog. Abwasserverwaltungsvorschrift zu rechnen. Es kann hier dahinstehen, ob Allgemeine Verwaltungsvorschriften und Unfallverhütungsvorschriften Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind 240• Keinerlei Zweifel bestehen nämlich darüber, daß sie zumindest eine wichtige Erkenntnisquelle für die hintanzuhaltenden
237 Vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozeß, S. 345. 238 Zur Unterscheidung von tlußerer und innerer Sorgfalt n~her Larenz,
Schuld recht I, § 20 IV; von Bar, Verkehrspflichten, S. 172 ff. 239 Vgl. Marburger, Die haftungs- und versicherungsrechtliche Bedeutung technischer Regeln, S. 597 ff., 600 mit Rechtsprechungsnachweisen. 240 Allgemeine Verwaltungsvorschriften erzeugen nur eine interne Bindung der Behörden und sind daher nach wohl einhelliger Auffassung keine "Schutzgesetze", vgl. nur MiinchKomm-Mmens, BGB § 823 Rdnr. 158. Umstritten ist der Schutzgesetzcharakter der berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften; ablehnend Rechtsprechung und herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. nur RGZ 95, 180; 95, 238; BGH VersR 1955, S. 105; 1957, S. 584; 1961, S. 160; 1969, S. 827; NJW 1968, S. 641; BayObLG VersR 1976, S. 585; OLG Düsseldorf VersR 1982, S. 501; MiinchKomm-Mmens, BGB § 823 Rdnr. 158; Palandt-T7lOmas, BGB § 823 Anm. 9 g; bejahend Soergel-Zellner, BGB § 823 Rdnr.269.
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
Gefahren darstellen. Insbesondere die "Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitra neukombinierte Nukleinsäuren" geben die Anforderungen wieder, die den Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen bei gentechnischen Arbeiten im geschlossenen System zum Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen sowie der Umwelt obliegen. Wie bereits ausgeführt, regeln sie die sicherheitstechnischen und arbeitsorganisatorischen Maßnahmen, die mit dem Begriff des "physikalischen containment" umschrieben werden. Ferner sehen die Richtlinien auch biologische Sicherheitsmaßnahmen vor. Zwar regeln die Richtlinien nicht ausreichend präzise die technische Konstruktion des Arbeitsbereichs und enthalten hinsichtlich der Dekontamination und Desinfektion überhaupt keine Vorschriften 241 • Dieser Bereich unterfällt jedoch der Unfallverhütungsvorschrift "Biotechnologie", deren Regelungsgegenstand - wie bereits dargestellt - der Umgang mit biologischen Agenzien, einschließlich der Tätigkeiten in deren Gefahrenbereich ist. Die Zusammenschau der in den Richtlinien und der UVV enthaltenen Regelungen ergibt, daß an das Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen bereits derzeit höchste Anforderungen gestellt werden. So enthalten die "Richtlinien zum Schutz vor Gefahren beim Umgang mit in-vitra neukombinierten Nukleinsäuren" in der ihrer Vorbemerkung den ausdrücklichen Hinweis, daß sie "den Stand von Wissenschaft und Technik widerspiegeln ... ". In ihrer Einführung heißt es weiter: "Bei der Anwendung dieser Technik sind Risiken aber nicht mit Sicherheit auszuschließen. Risiken können entstehen, wenn Organismen, die Tr1lger neukombinierter Nukleins1luren sind, das mit den Versuchen betraute Personal infizieren oder sich außerhalb des Labors verbreiten. Es kann nicht immer vorausgesehen werden, wie sich die durch die neuen Nukleins1lurekombinationen veränderten Organismen verhalten werden, wenn sie in die Umwelt gelangen. Deshalb ist es notwendig, daß die Arbeiten unter sorgfllltigen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt werden, um die beteiligten Menschen und die Allgemeinheit vor unerwünschten Folgen zu schützen. Die Richtlinien sollen in angemessenen Zeitabst1lnden dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik neu angepaßt werden."
Damit ist aber auch der Inhalt der Verkehrspflichten vorgegeben. Mit dem Maßstab des "Standes von Wissenschaft und Technik" wird ein Zwang zum Fortschritt ausgeübt 242• Durch die Verwendung dieses
241
102.
Vgl. den Hinweis bei Hart, Rechtspolitik und Gentechnologie, S. 99 ff.,
w BVerfGE 49, 89 ff. (135 f.); vgl. auch Ereuer, Direkte und indirekte Rezeption technischer Regeln durch die Rechtsordnung, S. 46 ff., 51 ff., 58.
4. Kap.: Haftung für gentechnische Schäden
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unbestimmten Rechtsbegriffes werden die Anwender der Gentechnik auf den Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge festgelegt. Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen müssen diejenige Vorsorge gegen Schäden treffen, die nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten wird. Läßt sie sich technisch nicht verwirklichen, hat der Gentechnik-Anwender für die Verkehrssicherung durch Einstellung der gentechnisChen Arbeiten Sorge zu tragen. Die erforderliche Vorsorge wird mithin nicht durch das technisch Machbare begrenzt 243 • Gerade daran zeigt sich, daß mit dem Institut der Verkehrspflichten ein sachgerechtes Instrument zur Begründung einer Schadensersatzpflicht gegeben ist. Es ist zwar noch der traditionellen Verschuldenshaftung zuzurechnen, kann aber auch je nach Ausmaß und Intensität der betreffenden Verkehrs pflicht Züge der Gefährdungshaftung tragen. Für den Bereich der Gentechnik werden wie dargestellt - bereits heute gesteigerte Anforderungen an die Sicherheits- und Sorgfaltsstandards gestellt 244 • Die Verkehrspflichten setzen insofern auf hohem Niveau ein, sind aber aufgrund ihrer Anlehnung an die öffentlichrechtlichen Standards geeignet, dem unterschiedlichen Gefährdungspotential der einzelnen genteChnischen Arbeiten Rechnung zu tragen. Die Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB ist zwar von vornherein auf die Verletzung bestimmter subjektiver Rechte und Rechtsgüter beschränkt. Der durch diese Vorschrift normierte Schutz von Leben, Körper, Gesundheit und Eigentum erfaßt jedoch einen weiten Teil der Rechtsgüter, bei denen es aufgrund eines möglichen Gefährdungspotentials gentechnisch veränderter Organismen zu Schädigungen kommen kann 24s • Zumindest die im Vordergrund stehenden subjektiven Integritätsinteressen Dritter sind insofern einem hinreichenden Schutz anheimgestellt. An dieser Stelle wird vielfach eingewendet, aufgrund der Beweislastverteilung greife die deliktische Haftung des § 823 Abs. 1 BGB faktisch nicht ein. Dieser Einwand wird darauf gestützt, daß es nach Formulierung und Konzeption des § 823 Abs. 1 BGB Sache des GeSChädigten ist, die Voraussetzungen seines Ersatzanspruches darzulegen und zu
243 Vgl. BVerfGE 49, 89 ff. (136); BVerwG DVBI 1972, S. 680; Leche/er, Zur Reform der atomrechtlichen Anlagenbau- und -betriebsgenehmigung, S. 243; VG Freiburg NJW 1977, S. 1647. 244 Vgl. etwa auch MünchKomm-Mertens, BGB § 823 Rdnr. 213, der für den Umgang mit mikrobiologischen Organismen "höchste Vorsicht" für angebracht h~!lt.
245
Vgl. dazu auch Damm, Gentechnologie und Haftungsrecht, S. 562.
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2. Teil: Rechtsgrundlagen für gentechnische Industrievorhaben
beweisen. Die Zugrundelegung der gesetzlichen Beweislastverteilung berücksichtigt indessen in keiner Weise die mittlerweile durch richterliche Rechtsfortbildung begründete tatsächliche Rechtslage 246• So hat die Rechtsprechung schon sehr früh erkannt, daß der Geschädigte im Rahmen der gesetzlichen Beweislastverteilung des § 823 Abs. 1 BGB grundsätzlich dort in Beweisnot gerät, wo er keinen Einblick in die Verhältnisse seines mutmaßlichen Schädigers hat. Sowohl bei der Arzt als auch bei der Produkthaftung gewährt die Rechtsprechung daher seit längerem Beweiserleichterungen, die bis zur Umkehr der Beweislast reichen 247• Doch auch in dem Bereich der Umwelthaftung hat die Rechtsprechung versucht, die bestehende Beweisnot zu beheben. Grundlegende Ausführungen finden sich vor allem in der sog. "Kupolofen-Entscheidung" des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1984248• Insbesondere was das Verschulden angeht, verkehren sich nach der Rechtsprechung des BGH die Darlegungs- und Beweislast. Nicht der Geschädigte hat den Pflichtenverstoß des Schädigers zu belegen, sondern es ist grundsätzlich Sache des Betreibers der Anlage, darzulegen und zu beweisen, daß alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, eine Schädigung Dritter zu vermeiden 249• Es bestehen keine Zweifel, daß diese Grundsätze, die unverkennbar dazu beigetragen haben, die Wirksamkeit des § 823 Abs. 1 BGB im Umwelthaftungsrecht zu erhöhen, auch im Falle einer Schädigung Dritter durch den Betrieb gentechnischer Forschungseinrichtungen oder Produktionsanlagen Anwendung finden. Mithin bietet § 823 Abs. 1 BGB im Ergebnis ein differenziertes Haftungssystem, das zwar rechtsdogmatisch der Verschuldenshaftung zugehört, nicht zuletzt aber wegen der vom BGH vertretenen Umkehr der Beweislast für das Verschulden praktisch eine Gefährdungshaftung mit Exkulpationsmöglichkeit für den Schädiger darstellt.
246 Vgl. zuletzt BGH NJW 1989, S. 2947 f. zum Nachweis einer behaupteten Infektion mit Viren aus dem Forschungsbereich einer tierärztlichen Hochschule. 247 Vgl. für die Arzthaftung BGHZ 85, 212 (216 ff.), für die Produzentenhaftung grundlegend BGHZ 51, 91 (103 ff.) - Hühnerpest. 248 BGHZ 92, 143 ff.
249
BGHZ 92, 143 ff. (151).
4. Kap.: Haftung für gentechnische Schäden
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2. Die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines "Schutzgesetzes"
Neben § 823 Abs. 1 BGB vermag § 823 Abs. 2 BGB eine weitere umfassend anwendbare Haftungsnorm für durch Gentechnik verursachte Schäden abzugeben. Öffentliches Recht und Strafrecht stellen auch für die Anwendung gentechnischer Verfahren die verschiedensten Ge- und Verbote auf; als "Schutzgesetze" können die betreffenden Normen über § 823 Abs. 2 BGB zugleich haftungsrechtliche Funktionen übernehmen. Zwar wird eine Rechtsnorm "Schutzgesetz" im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB erst, wenn sie nach Zweck und Inhalt wenigstens auch dazu dienen soll, Individualinteressen vor einer näher bestimmten Art ihrer Verletzung zu schützen25o• Dies ist für eine Reihe von Vorschriften bereits bejaht worden. Schutznormen aus dem Bereich des öffentlichen Rechts finden sich beispielhaft im -
Bundes-Immissionssch u tzgesetz 251 , Abfallgesetz 252, Chemikaliengesetz253 , Pflanzenschutzgesetz2.'4 und Gefahrgutgesetz2..1 Vgl. die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik vom 12.7.1989, BT-Drs. 11 /5622, S. 23 (unten Anhang 5). 565 Vgl. Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie", S.207. 566 Vgl. dazu auch ausführlich Goden, Produktionsverfahren, S. 38 ff., 42.
4. Kap.: Das neue Gentechnikgesetz
183
Verfahren erhält man mittels solch einer Zwischenstufe zusätzliche Erkenntnisse über das Verhalten von Mikroorganismen im großen Maßstab. Dies ist deshalb erforderlich, weil sich infolge von Mengensteigerungen auch Änderungen qualitativer Art ergeben können. Ferner unterscheiden sich die Bedingungen der Produktions- und Laborfermentationen auch dadurch, daß aufgrund der größeren Reaktionsvolumina in der Produktion mit anderen Materialien und Werkstoffen umgegangen wird, um den technischen Anforderungen wie etwa Druckfestigkeit gerecht werden zu können. Gerade für mikrobiologische Verfahren sind derartige Änderungen der Fermentationsbedingungen häufig mit Nachteilen für das Kulturmedium verbunden: Läßt sich eine chemische Synthese vom Forschungs- auf den Produktionsmaßstab mit 99%iger Reproduzierbarkeit übertragen, liegt dieser Wert für eine RoutineFermentation . bei maximal 90%567. Fehlgeschlagene Fermentationen erhöhen jedoch einerseits die Produktionskosten und belasten andererseits die Abwässer mit der Fermentationsbrühe. Ein anderer Gesichtspunkt, der einer Grenzmenge von 10 Litern Kulturvolumen für die gentechnische Forschung entgegensteht, ist die für die Entwicklung neuer Arzneimittel erforderliche Gewinnung klinischer Prüfware568• Substanzen zur prä klinischen oder klinischen Prüfung im Sinne des Arzneimittelgesetzes werden in der Regel im Forschungsbereich, aber mittels eines Kulturvolumens hergestellt, das die Menge von 10 Litern bei weitem übersteigt. Die Beschränkung des Forschungsbereichs auf den kleinen Maßstab würde insofern große Teile der Arzneimiuelforschung und -entwicklung der gleichen staatlichen Ingerenz unterwerfen wie die Arzneimiuelproduktion. Das Gesetz vermeidet diese Nachteile, indem es zumindest für industrielle Vorhaben ausschließlich auf die Zwecksetzung abstellt 569. Vgl. Gassen / Mm1in / Sachse, Der Stoff aus dem die Gene sind, S. 95 f. Vgl. Verband der Chemischen Industrie, Stellungnahme der chemischen Industrie für die Anhörung zum Gentechnik-Gesetz (17.-19.1.1990), in: Deutscher Bundestag, Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Unterausschuß Gentechnikgesetz, Ausschuß-Drs. 11/3, S. 225 ff., 227. 569 Von der Notwendigkeit der Festlegung einer zuWssigen Höchstgrenze für das einsetzbare Gesamtvolumen biologischer Agenzien in Labor, Technikum und Produktionsanlage geht demgegenüber der Ausschuß für Forschung und Technologie in seiner Beschlußempfehlung zum Bericht der Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie" aus (vgl. BT-Drs. 11/5320, S. 23); ebenso Umweltbundesamt, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik, in: Deutscher Bundestag, Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Unterausschuß Gentechnikgesetz, Ausschuß-Drs. 11/3, S. 217 f. 567
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3. Teil: Gesetzgebung für gentechnische Industrievorhaben 8. Übergangsregelungen 8.1 Änderung des Bundes-Immissionsscbutzgesetzes
Der Bundestag hat am 15.3.1990 den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des BImSchG570 in der vom Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfohlenen Fassung571 angenommensn. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Hess. VGH vom 6.11.1989 ist für den Bereich der Gentechnik vor allem die Anfügung eines Absatzes 6 in § 67 BlmSchG von Bedeutung. Dieser lautet: "Eine nach diesem Gesetz erteilte Genehmigung für eine Anlage zum Umgang mit 1. gentechnisch veränderten Mikroorganismen, 2. gentechnisch veränderten Zellkulturen, soweit sie nicht dazu bestimmt sind, zu Pflanzen regeneriert zu werden, 3. Bestandteilen oder Stoffwechselprodukten von Mikroorganismen nach 1. oder Zellkulturen nach 2., soweit sie biologisch aktive, rekombinante Nukleinsäure enthalten, ausgenommen Anlagen, die ausschließlich Forschungszwecken dienen, gilt auch nach dem Inkrafttreten eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik fort. Absatz 4 gilt entsprechend.,,573 Die Vorschrift dient der erforderlichen KlarsteIlung. Sie macht deutlich, daß für die Genehmigung genteChnischer Anlagen bereits vor dem Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes eine hinreichende Rechtsgrundlage bestand und die erteilten Genehmigungen auch unter dem Gentechnikgesetz fortgelten. Dabei läßt § 67 Abs. 6 BImSchG offen, ob die erteilte Genehmigung nach Immissionsschutzrecht fortgilt oder auf die neue Grundlage des Gentechnikgesetzes umgestellt wird. Die Regelung dieser Frage trifft das Gentechnikgesetz. 8.2 Umstellung der A1tgenebmigungen und Fortführung von begonnenen Genehmigungsverfabren
Die Frage, ob eine Rechtsänderung vom Gesetzgeber sofort in Kraft gesetzt werden kann oder eine abmildernde Übergangsregelung erfor-
570 BT-Drs. 11 /4909. 571 BT-Drs. 11 /6633. 572 BR-Drs. 205/90 vom 16.3.1990. 573 BR -Drs. 205 / 90 vom 16.3.1990.
4. Kap.: Das neue Gentechnikgesetz
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derlich ist, wird vom Bundesverfassungsgericht in Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beurteilt. Abzuwägen ist insofern zwischen dem Vertrauen auf den Fortbestand des Rechtszustandes nach der bisherigen gesetzlichen Regelung und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der A1lgemeinheit 574• Im Fall des Gentechnikgesetzes ist damit eine Abwägung zwischen dem schutzwürdigen Vertrauen der aufgrund einer nach Immissionsschutzrecht erteilten Genehmigung bereits in diesem Technikbereich tätigen Unternehmen bzw. dem Vertrauen der Unternehmen, die vor Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes eine Genehmigung nach Immissionsschutzrecht beantragt haben, an dem ungeschmälerten Fortbestand der bestehenden Rechtsposition einerseits und dem möglicherweise vorhandenen öffentlichen Interesse an einer sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts andererseits geboten. Zwischen diesen Extrempositionen sind vielfache Abstufungen denkbar575 • Unter Zugrundelegung der im Teil 11 gemachten Feststellung der hinreichenden Risikosteuerung gentechnischer Vorhaben durch die Regelungen des bestehenden Technik- und Sicherheitsrechts ist ein öffentliches Interesse an einer übergangslosen, sofortigen Inkraftsetzung der neuen gentechnikrechtlichen Bestimmungen nicht ersichtlich. Es geht insofern um die Frage der Ausgestaltung der Übergangsregelungen des Gentechnikgesetzes. Um den Weiterbetrieb gentechnischer Anlagen sicherzustellen, die bereits aufgrund der vor dem Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes geltenden Rechtslage genehmigt worden sind, bedarf es einer Umstellung der Altgenehmigungen auf die neuen Rechtsgrundlagen des Gesetzes. Die Übergangsrege\ung des § 34 Abs. 2 des Gesetzentwurfs vom 12.7.1989 erfüllte diese Aufgabe nur teilweise. Die Vorschrift führte nicht zu einer Umstellung der Genehmigungen, die aufgrund der Rechtslage vor Inkrafttreten der Änderung der 4. BImSchV vom 19.5. 1988576 erteilt worden sind. Hierzu zählen insbesondere die Genehmigungen für gentechnische Anlagen, in denen Arzneimittel und Arzneimittelzwischenprodukte fabrikmäßig hergestellt werden. Soweit in diesen Anlagen gen technisch veränderte Mikroorganismen, deren Bestandteile oder Stoffwechselprodukte verwendet werden, unterfielen sie der Nr. 4.3 des Anhangs zur 4. BImSchY. Wohl bekanntestes Beispiel einer
574 575 576
BVerfGE 53, 224 (253); 67, 1 (15) m.w.N. BVerfGE 53, 224 (253). BGBI. I S. 608.
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3. Teil: Gesetzgebung für gentechnische Industrievorhaben
nach Nr. 4.3 des Anhangs zur 4. BlmSchV genehmigten gentechnischen Produktionsanlage ist die Anlage der Firma Karl Thomae GmbH, einer Tochtergesellschaft von Boehringer Ingelheim, zur Herstellung von tPA (Tissue Plasminogen Activator)577. Eine Beschränkung der Übergangsregelung auf nach Nr. 4.11 des Anhangs zur 4. BlmSchV erteilte Genehmigungen hätte den Bestandsschutz für diese Anlagen gefährdet, die nach Inkrafttreten der Änderung der 4. BImSchV nur gemäß § 67 BlmSchG anzuzeigen waren 578• Das Gentechnikgesetz vermeidet diese Rechtsfolge durch eine umfassende Umstellung aller bislang aufgrund des BlmSchG erteilten Genehmigungen für gentechnische Anlagen 579• Von ebenso großer praktischer Bedeutung ist die gesetzliche Behandlung der bereits begonnenen Verfahren zur Genehmigung gentechnischer Anlagen, ist doch zu erwarten, daß diese bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gentechnikgesetzes zum großen Teil noch nicht abgeschlossen sein werden. AIs Folge der Entscheidung des Hess. VGH vom 6.11.1989580 läßt sich nämlich zumindest für Hessen feststellen, daß Genehmigungsanträge von den Behörden nicht beschieden werden, bis eine spezialgesetzliche Grundlage vorhanden ist. Beispielhaft für die sich hier abzeichnende Problematik ist das Genehmigungsverfahren um die gentechnische Anlage zur Herstellung von Erythropoeitin (EPO) der Behringwerke AG, Marburg. Nachdem Anfang September 1989 bereits der Erörterungstermin stattgefunden hat, stellt sich nunmehr die Frage, ob wesentliche Teile des Genehmigungsverfahrens nach dem Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes wiederholt werden müssen oder ob an den Stand des Verfahrens angeknüpft werden kann und es unter Umständen lediglich einzelner Ergänzungen bedarf. Der Wortlaut des § 34 Abs. 3 des Gesetzentwurfs vom 12.7.1989, wonach bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften des Gentechnikgesetzes hätten zu Ende geführt werden müssen, deutete darauf hin, daß jedenfalls bei der abschließenden Entscheidung der Behörde alle Voraussetzungen des Gesetzes und der auf dieses gestützten Rechtsverordnungen hätten
577 Ygl. hierzu etwa Mannheimer Morgen vom 19.12.1986: "Chancen und Risiken der Gentechnik (Folge 12),- Dem Herzinfarkt zu Leibe gerückt". 578 Ygl. auch Brauer, Kommentar zum Entwurf des Gentechnik-Gesetzes i.d.F. vom 9.11.1989, in: Deutscher Bundestag, Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Unterausschuß Gentechnikgesetz, Ausschuß-Drs. 11/3, S. 25 ff., 36. 579 Ygl. § 41 Abs. 2 Gentechnik-Gesetz (s. unten Anhang 6). 580 Hess. YGH NYwZ 1990, S. 276 ff.
4. Kap.: Das neue Gentechnikgesetz
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erfüllt sein müssen 581 • Soweit das Bundesimmissionsschutzrecht in formeller oder materieller Hinsicht geringere Anforderungen als das Gentechnikrecht stellt, hätte dies zur Folge gehabt, daß ergänzende Verfahrenshandlungen notwendig geworden wären. So ist etwa daran zu denken, daß im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren bislang nicht berücksichtigte, aber nach Gentechnikrecht relevante Aspekte eine ergänzende Öffentlichkeitsbeteiligung hätten erforderlich machen können 582• Das Gentechnikgesetz geht nunmehr einen anderen Weg. Auf begonnene Genehmigungsverfahren finden gemäß § 41 Abs. 3 S. 1 Gentechnikgesetz grundSätzlich die Vorschriften des BImSchG auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes Anwendung. Dem Antragsteller wird jedoch ein Wahlrecht bezüglich des verfahrensleitenden Rechts eingeräumt. Nach § 41 Abs. 3 S. 2 Gentechnikgesetz können bereits begonnene Verfahren nach Wahl des Antragstellers auch nach dem neuen Gentechnikrecht zu Ende geführt werden. Die Ausübung des Wahlrechts bedeutet jedoch nicht, daß auf gentechnische Anlagen, für die ein Genehmigungsverfahren vor Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes eingeleitet wurde, die materiellen Anforderungen des Gentechnikrechts keine Anwendung finden. Vielmehr kann die zuständige Behörde gegenüber dem Betreiber einer solchen Anlage gemäß § 41 Abs. 4 Gentechnikgesetz die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen des Gentechnikrechts mit nachträglichen Auflagen durchsetzen 5&.'. 9. Änderung bestehender Regelungen des Umweltrechts
Mit dem Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der neuen Regelungen zu den bislang anwendbaren Vorschriften des allgemeinen Technik und Umweltrechts. Das Gentechnikgesetz bezeichnet in seinen Artikeln 2 bis 5 diejenigen Vorschriften, die bei Inkrafttreten des Gesetzes außer Kraft treten oder
581 Vgl. auch Graf von Schlieffen, Anhörung des Gesetzentwurfs Gentechnik 11/5622 am 17.-19. Januar 1990, in: Deutscher Bundestag, Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, Unterausschuß Gentechnikgesetz, Ausschuß-Drs. 11 /3, S. 128 f. 582 Vgl. BVerwG DVBI. 1982, S. 958 f. 583 Vgl. die Empfehlungen in BR-Drs. 387/1/89 vom 12.9.1989, Nr. 247, 248.
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3. Teil: Gesetzgebung für gen technische Industrievorhaben
geändert werden sollens84 • Ihre Bedeutung für das Gentechnikrecht werden die Vorschriften des Umwelt und Technikrechts aufgrund der von ihrer Änderung bzw. Aufhebung unabhängigen gegenseitigen Verzahnung der Rechtsgebiete allerdings weitgehend behalten. Beispielhaft sei an dieser Stelle zunächst auf Artikel 2 des Gentechnikgesetzes hingewiesen. Wenngleich nach dieser Vorschrift im Anhang der 4. BImSchVs85 die unter Nr. 4.11 verzeichneten gentechnischen Anlagen gestrichen werden, wird dem Immissionsschutzrecht für gentechnische Vorhaben auch künftig besondere Bedeutung zukommen. Neben der oben bereits diskutierten Schnittstellen problematik der unterschiedlichen Anlagenbegriffe des Gentechnik- und des Immissionsschutzrechts 586 wird dies auch durch § 18 Abs. 1 Gentechnikgesetz deutlich. Danach bedarf es einer Beteiligung der Öffentlichkeit im Verfahren zur Genehmigung einer gentechnischen Anlage zwar grundsätzlich nur dann, wenn in der Anlage gentechnische Arbeiten der Sicherheitsstufen 2, 3 oder 4 zu gewerblichen Zwecken durchgeführt werden sollen. Von dieser Privilegierung ausgenommen sind jedoch Verfahren zur Genehmigung gentechnischer Anlagen, in denen Arbeiten der Sicherheitsstufe 1 zu gewerblichen Zwecken durchgeführt werden sollen, wenn für diese zugleich ein Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG erforderlich ist 587• In diesem Fall ist auch für gentechnische Anlagen der Sicherheitsstufe 1 zu gewerblichen Zwecken im Genehmigungsverfahren die Öffentlichkeit zu beteiligen. Ebenso bedeutsam wie das Immissionsschutzrecht wird sicherlich auch das allgemeine Wasserrecht für gentechnische Vorhaben weiterhin bleiben. Gemäß Artikel 3 des Gentechnikgesetzes wird zwar in der Abwasserherkunftsverordnung der oben bereits dargestellte Buchstabe h in § 1 Nr. 10588 gestrichen. Gleichzeitig beabsichtigt jedoch der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eine weitere Änderung der genannten Verordnung, im Zuge derer die wasserrechtlichen Anforderungen nach § 7 a WHG an Abwässer aus dem Bereich der "Herstellung und Verwendung von Mikroorganismen und Viren 584 Die Artikel 2 bis 5 des Gentechnikgesetzes betreffen Änderungen der 4. BImSchV, der Abwasserherkunftsverordnung, des UVP-Gesetzes sowie des Tierschutzgesetzes. 585 4. BImSchV vom 24.7.1985 (BGBI. I S. 1586), zuletzt geandert durch Verordnung vom 15.7.1988 (BGBI. I S. 1059). 586 Siehe oben S. 172 ff. 587 Vgl. § 18 Abs. 1 S. 2 Gentechnikgesetz (s. unten Anhang 6). 588 Siehe zu dessen Wortlaut oben S. 66.
Ergebnis des Dritten Teils
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und anderer biotechnischer Verfahren"s89 für solche gefährlichen Stoffe festgeschrieben werden sollen, die nicht aus der gentechnischen Veränderung und den davon ausgehenden Risiken stammen 590•
Ergebnis des Dritten Teils Gesetzessystematische und rechtspolitische Gründe sprechen für das neue Gentechnik-Gesetz. Keineswegs ist es jedoch aus verfassungs rechtlichen Gründen zwingend geboten. Gentechnische Anlagen sind vielmehr auch nach Immissionsschutzrecht genehmigungsfähig gewesen. Ein Blick über die nationalen Grenzen zeigt, daß bislang allein Dänemark über ein Spezialgesetz zur Regelung der Gentechnik verfügt. In den übrigen Ländern unterfällt die Anwendung der Gentechnik dem allgemeinen Recht der technischen Sicherheit, das zumeist durch gentechnikspezifische Richtlinien konkretisiert wird. Mit dem neuen Gentechnikgesetz übernimmt die Bundesrepublik insofern neben Dänemark eine Vorreiterrolle. Wichtige Stationen auf dem Weg zur gesetzlichen Regelung der Gentechnik waren die Gesetzentwürfe von 1978 und 1979, die Arbeit der Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie", die Initiative des Landes Baden-Württemberg und die Richtlinienentwürfe der EG-Kommission. Der Eckwerte-Beschluß der Bundesregierung vom 30.11.1988 kennzeichnet den Beginn eines turbulenten Gesetzgebungsverfahrens, das nunmehr mit Vehemenz zu Ende geführt wurde.
589 Vgl. das Schreiben des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 2.4.1990 an die zu beteiligenden Kreise (Gz.: WA I 4 521 110/4). 590 Beispielhaft nennt der mittlerweile vorliegende Verordnungsentwurf bei der Hygienisierung, Konservierung oder Sterilisierung möglicherweise verwendete oder entstehende adsorbierbare organische Halogenverbindungen (AOX), Formaldehyd, Aromaten, Phenole, Hydrazin, Fischgiftigkeit und verschiedene Schwermetalle.
Zusammenfassung der Untersuchung Sicherheitsüberlegungen spielten bei der Entwicklung der Gentechnik und der sie betreffenden rechtlichen Regelungen von Anfang an eine entscheidende Rolle. Ausgehend von der Konferenz im amerikanischen Asilomar im Jahre 1975 formierte sich auch in Europa und insbesondere in der Bundesrepublik ein "Recht der Gentechnik" als Bestandteil des allgemeinen Rechts der technischen Sicherheit. Keimzelle dieses sich dynamisch entwickelnden Ausschnitts aus dem allgemeinen Technik- und Umweltrecht sind die erstmals im Jahre 1978 verkündeten "Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren", die heute in ihrer 5. Fassung vorliegen. Ihre Bestimmungen, die nach der überwiegenden Auffassung in Politik, Wissenschaft und Industrie ihre Schutzfunktion bislang erfüllt haben, sind auch nach über 10 Jahren praktischer Bewährung noch immer das zentrale Regelwerk zur Risikosteuerung bei der Durchführung gentechnischer Vorhaben. Entgegen einer immer wieder und vielfach vertretenen Ansicht kommt den Richtlinien eine quasi alle übrigen Vorschriften überspannende und konkretisierende Funktion zu. Unabhängig davon, ob es sich bei den Richtlinien um unverbindliche Allgemeine Verwaltungsvorschriften mit einem nur eingeschränkten Geltungsbereich handelt oder sich die gentechnisch forschende und produzierende Industrie ihnen freiwillig unterworfen hat, beanspruchen die Richtlinien mit der Wiedergabe des "Standes von Wissenschaft und Technik" für die Durchführung gentechnischer Experimente eine faktische Verbindlichkeit, die sowohl auf das Recht der technischen Sicherheit als auch auf das komplementäre Haftungsrecht ausstrahlt. Über die Richtlinien hinaus sind in der jüngeren Vergangenheit auch im unmittelbar geltenden Technik- und Umweltrecht eine Reihe spezieller Gentechnik-Vorschriften geschaffen worden. Sie finden sich im Bundes-Immissionsschutzrecht, im Wasserrecht, im Chemikalienrecht, aber auch im Arbeitsschutzrecht und im Gefahrgutrecht. Das "Recht der Gentechnik" setzt sich damit aus Vorschriften der verschiedensten Regelungsebenen zusammen, die sich gegenseitig ergänzen bzw. konkretisieren und in ihrem Zusammenwirken und ihrer Verzahnung mit den Richtlinien zu einer Vernetzung der einzelnen Regelungsebenen führen.
Zusammenfassung der Untersuchung
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Der zuletzt vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 6.11.1989 geforderten gesetzgeberischen Leitentscheidung über das "Ob" der Nutzung gentechnischer Verfahren bedurfte es auch ohne das Gentechnikgesetz nicht. Der Staat ist seiner Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG dadurch nachgekommen, daß die Exekutive auf die technische Entwicklung mit Regelungen reagiert hat, die zu einer weitgehenden Risikosteuerung beitragen. Nach den bisherigen Erfahrungen mit der Anwendung der Gentechnik, insbesondere. auch im Ausland, kann nicht davon ausgegangen werden, daß gentechnische Vorhaben in hohem Maße grundrechtsrelevante Bereiche der Bürger betreffen. Ein Vergleich mit den Risiken der friedlichen Nutzung der Kernenergie trifft nicht. Während bei dieser tatsächlich von der grundsätzlichen Gefährlichkeit radioaktiven Materials ausgegangen werden muß, ist bei der Bewertung der möglichen Gefahren der Gentechnik nach den jeweiligen Anwendungsfeldern, den benutzten Methoden und den verwendeten Organismen zu unterscheiden. Entgegen der Auffassung des Hess. VGH unterlagen gentechnische Vorhaben bis zu einer positiven Grundentscheidung des Gesetzgebers keineswegs einem Moratorium. Ein solches Verbot wäre bei einer entsprechenden Risikoeinschätzung überhaupt nur dann in Betracht gekommen, wenn der Gesetzgeber die Gentechnik bislang völlig außer Acht gelassen hätte oder sich eine entsprechende Willensäußerung des Parlaments bereits abzeichnen würde. Das Gegenteil ist indessen der Fall. Dem Deutschen Bundestag war die Frage einer gesetzlichen Regelung der Gentechnik zumindest seit der Vorlage der beiden Gesetzentwürfe der Jahre 1978 und 1979 durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie bewußt. Dies wird auch durch die parlamentarische Einsetzung der Enquete-Kommission "Chancen und Risiken der Gentechnologie" dokumentiert. Darüber hinaus lag bereits in der Bewilligung von Haushaltsmitteln für die Genforschung eine grundsätzliche Entscheidung des Parlaments für die Zulässigkeit gen technischer Vorhaben. Jedenfalls für eine Übergangszeit war deshalb weiterhin von der Genehmigungsfähigkeit gentechnischer Vorhaben auszugehen. Rechtspolitisch ist die Schaffung des Gentechnikgesetzes zu begrüßen. Indem der Vollzug der rechtlichen Regelungen zur Gentechnik auf einheitlicher gesetzlicher Grundlage erfolgt, kann ein solches Spezialgesetz zu einer Erhöhung der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in diesem Bereich beitragen. Ebenso ist mit der Verabschiedung des Gesetzes eine Verbesserung der Akzeptanz der Gentechnik in der Bevölkerung zu erwarten. Schließlich lassen sich auch unerwünschte Regelungslücken leichter vermeiden, da eine Zersplitterung des die Gen-
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Zusammenfassung der Untersuchung
technik betreffenden Rechts vermieden wird und bereits verabschiedete oder noch zu erwartende Regelungen der Europäischen Gemeinschaft, die in deutsches Recht übernommen werden müssen, wirksam umgesetzt werden können. Der Blick über die nationalen Grenzen zeigt, daß es mit Ausnahme von Dänemark bislang weltweit keine spezialgesetzliche Regelung der Gentechnik gibt. Gentechnische Vorhaben unterliegen wie in der Bundesrepublik zumeist den allgemeinen Vorschriften des Technik- und Umweltrechts sowie des Arbeitsschutzrechts. Soweit die einzelnen staatlichen Bestimmungen allgemein nur eine unzureichende Risikosteuerung bewirken, setzen sich diese Defizite auch bei der Regelung der Gentechnik fort. Insbesondere für die Staaten der Europäischen Gemeinschaft ist jedoch in Anbetracht der bereits verabschiedeten bzw. im Entwurf vorliegenden Richtlinien "contained use" und "deliberate release" mit umfassenden Regelungen für den Bereich der Gentechnik zu rechnen. Für die Nutzung der in der Gentechnik liegenden Chancen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik in dem Bereich der Hochtechnologie ist es entscheidend, ob das neue Gentechnikrecht die Anforderungen erfüllt, die an das moderne Recht der technischen Sicherheit als Ausschnitt des Wirtschaftsverwaltungsrechts gestellt werden. Im Ergebnis geht es dabei um einen angemessenen Ausgleich zwischen den berechtigten Sicherheitserwägungen und der Realisierung der in der Gentechnik liegenden Chancen.
Anhang 1
Richtlinien zum Schutz vor den Gefahren in-vitro neukombinierter Nukleinsäuren in der 5. Fassung vom 28.5.1986 (BT-Drs. 10/6775) Bekanntmachung der Neufassung der Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren Vom 21. Mai 1118
Die Bundesregierung hat am 28. Mai 1986 einer Neufassung (5. überarbeitete Fassung) der Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren des Bundesministers für Forschung und Technologie zugestimmt. Die Richtlinien sind für die unmittelbar oder mittelbar vom Bund geförderten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten verbindlich eingeführt worden. Die Anwendung der Richtlinien wird damit zur Bedingung für die institutionelle und die Projektförderung des Bundes gemacht. Da die Richtlinien den Stand von Wissenschaft und Technik widerspiegeln. wird darüber hinaus erwartet. daß sie auch bei allen übrigen Einrichtungen. in denen Nukleinsäuren neukombiniert werden oder von denen entsprechende Forschungsarbeiten gefördert werden. Anwendung finden. Im Hochschulbereich können die Richtlinien durch die Kultusministerien der Länder eingeführt werden. Es wird davon ausgegangen. daß die Richtlinien im Bereich der Industrieforschung und in den sonstigen betroffenen Bereichen im Wege der erklärten freiwilligen Selbstbindung eingeführt werden. Die für die Durchführung bestimmter gentechnologischer Experimente erforderliche Registrierung der Genlaboratorien muß bei Neuvorhaben vor Aufnahme der Arbeiten erfolgen. Für bereits bei der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) gemeldete oder durch sie begutachtete Forschungsvorhaben ist dies möglichst umgehend. spätestens bis zum 31. Dezember 1986. zu beantragen. Die für eine Registrierung notwendigen Unterlagen können vom Bundesgesundheitsamt - Zulassungsstelle -. Am Nordufer 20. 1000 Berlin 85. bezogen werden. Durch eine entsprechende umfassende Anwendung der Richtlinien soll ein System ausreichender Sicherheitsvorkehrungen eingerichtet werden. Bonn. den 28. Mai 1986 321 - 7221 - 2 - 7/88 Der Bundesminister für Forschung und Technologie Im Auftrag Dr. Bin der
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Anhang 1: Gentechnik-Richtlinien vom 28.5.1986
Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinllluren lohat. A. Einführung ....................................... . ............. . ...............
B. C. D. E.
Zweckbestimmung ....... . ..................... . ................................ Anwendungsbereich .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsbestimmungen ....... . ................................................... Sicherheitsmaßnahmen ............................ . ...... . ...................... I. Laborsicherheitsmaßnahmen ................................................. 11. Biologische Sicherheitsmaßnahmen ................................... . ... . ... 1lI. Maßnahmen bei der Haltung von Versuchstieren und -pfanzen ................... F. Registrierung der Genlaboratorien ................................................ G. Klassifizierung von Experimenten ................................................ H. überprüfung der Durchführung von gentechnologischen Arbeiten .................... I. Gesundheitsüberwachung ........................................................ J. Beschäftigunglvoraussetzungen .................................................. K. Beförderung ................................................. .. .. . .............. L. übergangsbestimmungen ........................................................ M. Erläuterungen .................................................................. Anlage 1 Merkblatt für Personen, die bei Arbeiten zur Neukombination von Nukleinsäuren ab der Sicherheitsstufe L2 B2 beschäftigt werden ............................................. Anhans. Vorläufige Empfehlungen für den Umgang mit pathogenen Mikroorganismen und für die Klassifikation von Mikroorganismen und Krankheitserregern nach den im Umgang mit Ihnen auftretenden Gefahren .........................................................
Seite 383 383 383 383 384 384 386 387 387 387 388 389 390 390 390 390 392
393
Anhang 1: Gentechnik-Richtlinien vom 28.5.1986
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Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren A. Einführung Die Technik zur künstlichen Herstellung neuartiger Nuklein·
säurekombinationen
- erlaubt die Gewinnung wichtiger Erkenntnisse über Lebensvorgänge und - läßt auflängere Sicht praktische Anwendungen. vor allem in Medizin und Landwirtschaft, erhoffen. Deshalb wird diese neue Technik in der Bundesrepublik Deutschland, wie auch in anderen Ländern, benutzt und fortentwickelt. Bei der Anwendung dieser Technik sind Risiken aber nicht mit Sicherheit auszuschließen. Risiken können entstehen, wenn Organismen. die Träger neukombinierter Nukleinsäuren sind, das mit den Versuchen betraute Personal infizieren oder sich außerhalb des Labors unkontrolliert verbreiten. Es kann nicht immer vorausgesehen werden. wie sich die durch die neuen Nukleinsäurekombinationen veränderten Organismen verhalten werden. wenn sie in die Umwelt gelangen. Deshalb ist es notwendig, daß die Arbeiten unter sorgfältigen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt werden, um die beteiligten Menschen und die Allgemeinheit vor unerwünschten Folgen zu schützen. Die Richtlinien sollen irl angemessenen Zeitabständen dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik neu angepaßt werden. Rechtsvorschriften, insbesondere solche über Arbeiten, Beförderung und Umgang mit Krankheitserregern, Bestimmungen des Strahlenschutzes und Unfallverhütungsvorschriften, bleiben von diesen Richtlinien unberührt.
B. Zweckbestimmung 1. Zweck dieser Richtlinien ist. (1) Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren und
Pflanzen sowie die Umwelt vor Gefahren zu schützen, die von biologisch aktiven in-vitra neukambinierten Nukleinsäuren sowie von Spender- und Empfängerorganismen ausgehen können, (2) die Erforschung, Entwicklung und Nutzung der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten der Neukombination von Nukleinsäuren zu ermöglichen und zu fördern, (3) die Erfüllung internationaler Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Neukombination von Nukleinsäuren zu gewährleisten. C. Anwendungsbereich
2.
3.
(1) Diese Richtlinien gelten für die vom Bund geförderten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Ihre Anwendung ist Bedingung für die instituionelle und die Projektförderung. (2) Die in den Richtlinien enthaltenen Schutzmaßnahmen geben den Stand von Wissenschaft und Technik wieder. Sie sollen daher darüber hinaus bei allen übrigen Einrichtungen, in denen Nukleinsäuren im Sinne der Nummer 3 (l) neukombiniert werden oder die Arbeiten im Sinne der Nummer 3 (2) durchführen. Anwendung finden. D. Begriffsbestimmungen (1) Neukombination im Sinne dieser Richtlinien ist die in vitro-Verknüpfung von Nukleinsäure-Molekülen zu einem neuen vermehrbaren Molekül. (2) Ein gentechnologisches Experiment ist die Einführung solcher Moleküle, z. B. mittels geeigneter Vektoren. wie Plasmide oder Viren, in einen geeigneten Empfängerorganismus, welcher in der Lage ist, solche Nukleinsäure-Moleküle nach Vermehrung weiterzugeben. Auch das Arbeiten mit Organismen, die durch ein gentechnologisches Experiment Träger heterologer
Nukleinsäuren geworden sind, ist als gentechnologisches Experiment anzusehen. (3) Als pathogen im Sinne dieser Richtlinien gelten Spender- und Empfängerorganismen sowie Vektoren. von denen erwiesen ist oder die im begründeten Verdacht stehen. daß sie bei Menschen. Tieren oder Pflanzen Krankheiten hervorrufen. Hiermit gleichzusetzen sind in diesem Zusammenhang auch solche Spender, Empfänger und Vektoren. von denen eine Gefährdung der Umwelt erwiesen oder zu vermuten ist. (4) Spenderorganismus im Sinne dieser Richtlinien ist der ~~ae~:~au~'m~~m die Sequenzinformation ursprüng(5) Selbstklonierungen im Sinne dieser Richtlinien sind gentechnologische Experimente unter Verwendung genetisch gleicher oder verschiedener Formen nur einer Spezies einschließlich seiner Viren und Plasmide als Spender- und Empfängerorganismus. (6) Hochwirksame Toxine im Sinne dieser Richtlinien sind Toxine, die eine LD 50 von weniger als 100 ng/kg Körpergewicht bei parenteraler Gabe in Ratten besitzen. (7) Hochwirksame Substanzen im Sinne dieser Richtlinien sind Moleküle. die im Organismus Signalfunktionen haben. z. B. Hormone oder Lymphokine. (8) Ein geschlossenes System im Sinne dieser Richtlinien umfaßt das allseits geschlossene Kulturgefäß mit seinen notwendigen Zu- und Ableitungen sowie eine mit dem Kulturgefäß verbundene Einrichtung zur Abtrennung, wenn diese so beschaffen ist. daß lebende Zellen und KulturflüssigkeHen nicht unkontralliert austreten können. (9) Unter genetischer Therapie im Sinne dieser Richtlinien sind ausschließlich solche Therapieformen zu verstehen. bei denen durch Einbringen eines funktionstüchtigen Gens über somatische Zellen oder andere geeignete Träger in den menschlichen Körpe~ die krankhaften Folgen eines defekten Gens gelindert oder kompensiert werden. Eine Einbringung in Keimbahnzellen darf hierdurch nicht erfolgen. (10) Genlaboratorien im Sinne dieser Richtlinien sind Laboratorien und Einrichtungen, in denen Neukombinationen im Sinne der Nummer 3 (1) und/oder gentechnologische Arbeiten im Sinne der Nummer 3 (2) durchgefUhrt werden. (11) Der Betreiber eines Gen-Laboratoriums ist diejenige juristische oder natürliche Person. die für den Betrieb des Genlabors nach den Vorschriften des öffentlichen oder bürgerlichen Rechtes verantwortlich ~st. (12) Projektleiter im Sinne dieser Richtlinien sind die mit der unmittelbaren Planung. Leitung bzw. Beaufsichtigung von Arbeiten im Sinne der Nummer 3 (1) und (2) beauftragten Personen. (13) Biologische Sicherheitsrnaßnahmen (B) im Sinne dieser Richtlinien umfassen die Verwendung anerkannter Empfängerorganismen und Vektoren. Es dürfen hierfür nur solche Empfängerorganismen ausgewählt werden, die sich nur unter Bedingungen vermehren können, die außerhalb des Laboratoriums kaum oder überhaupt nicht angetroffen werden bzw. deren Ausbreitung außerhalb des Laboratoriums zu jedem Zeitpunkt durch geeignete Maßnahmen unter Kontrolle gehalten werden kann, die nicht pathogen sind, und von denen experimentell erwiesen ist, daß sie nicht im Austausch mit tier- oder pflanzenassoziierten Organismen stehen. (14) Laborsicherheitsmaßnahmen (L) oder Produktionssicherheitsrnaßnahmen (LP) im Sinne dieser Richtlinien umfassen bestimmte experimentelle Techniken und eine festgelegte Ausstattung von Laboratorien und Produktionsbereichen. Es weriien vier verschiedene Stufen von Laborsicherheitsmaßnahmen und vier verschiedene Produktionssicherheitsmaßnahmen unterschieden, wobei die auf L oder LP folgende anstei-
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Anhang 1: Gentechnik-Richtlmien vom 28.5.1986
gende Zahlenreihe den ansteigenden Grad der Sicherheitsvorkehrungen anzeigt. (15) Sicherheitsstufen im Sinne dieser Richtlinien sind unterschiedliche Kombinationen von Laborsicherheitsmaßnahmen bzw. Produktionssicherheitsmaßnahmen uQ,d biologischen Sicherheitsrnaßnahmen. I-Uerbei kann eine Erniedrigung der biologischen Sicherheitsmaßnahmen durch eine Erhöhung der Labor- bzw. Produktionssicherheitsmaßnahmen ausgeglichen werden. Dies gilt auch umgekehrt.
E. Sicherheitsmaßnahmen I. Laborsicherheitsmaßnahmen 4. Laborsicherheitsmaßnahmen LI
(1) LI-Laborsicherheitsmaßnahmen sind die in der Unfallverhütungsvorschrift .. Allgemeine Vorschriften" (VBG 1) und die betreffenden, in der Unfallverhütungsvorschrift "Gesundheitsdienst" (VBG 103) vorgesehenen Maßnahmen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3, §§ 2, 6, 7, a, 12, 13, 21, 24). Weiter ist zu berücksichtigen § 7 der Verordnung über Arbeitsstätten und zugehörige Richtlinien. Ebenso ist die "Vorläufige Empfehlung für den Umgang mit pathogenen Mikroorganismen und für die Klassifikation von Mikroorganismen und Krankheitserregern nach den im Umgang mit ihnen auftretenden Gefahren" (Bundesanzeiger vom 07. 08. 1981) sinngemäß zu beachten. Das Gen-Laboratorium ist als solches zu kennzeichnen. (2) Abfälle, die Mikroorganismen odel' neukombinierte Nukleinsäuren enthalten. sind unschädlich zu beseitigen.
5. Laborsicherheitsmaßnahmen L2
(1) L2-Laborsicherheitsmaßnahmen schließen die L1-Laborsicherheitsmaßnahmen ein und darüber hinaus die in den §~ 9, 10. 11, 23 der Unfallverhütungsvorschrift "Gesundheitsdienst" (VBG 103) vorgesehenen Maßnahmen. (2) Bei Arbeiten. bei denen Aerosole entstehen können, muß in einer typengeprüften Arbeit.shank oder unter einem Abzug gearbeitet werden, bei denen ein Luftstrom vom Experimentator zur Arbeitsöffnung hin gerichtet ist. Die Abluft aus diesem Gerät muß durch einen Hochleistungsschwebstoffilter geführt oder durch ein anderes geprüftes Verfahren keimfrei ~emacht werden. (3) Ein Autoklav muß im Laboratorium vorhanden oder innerhalb desselben Gebäudes verfügbar sein. (4) Die Labortüren sind während der Arbeit geschlossen zu halten. Zutritt zum Labor haben außer den an den Experimenten Beteiligten nur durch den Beauftragten für die biologische Sicherheit (BBS) autorisierte Personen. 6. Laborsicherheitsmaßnahmen L3 (1) L3-Laborsicherheitsmaßnahmen schließen die Ll- und L2-Laborsicherheitsmaßnahmen ein. (2) Das Labor muß von seiner Umgebung abgeschirmt sein. (3) Es muß eine zweitürige Schleuse vorhanden sein, über die das Labor zu betreten und zu verlassen ist. Die Schleuse muß ein Handwaschbecken mit Ellenbo~en-. Fuß- oder Sensorbetätigung enthalten. In der Schleuse ist eine Schutzkleidung, die mindestens Schuhe und hinhm zu schließende Mäntel umfassen muß. anzulegen. Beim Arbeiten sind Einweghandschuhe zu tragen. (4) Alle Arbeiten müssen unter den in Nummer 5 (2) beschriebenen Bedingungen durchgeführt werden. (5) Bei Arbeiten. bei denen Aerosole entstehen können, muß durch eine zweckentsprechende Führung des Luftstroms oder eine Schrankumbauung sichergestel:t sein, daß Aerosole nicht in den übrigen Arbeitsbereich gelangen. (6) B.ei Arbe.~ten. unter L3-Bedingungen ist das Labor unter f'mem standlgen Unterdruck zu halten. so daß eine gerichtete Luftströmung von außen nach innen gewährleistet ist. Der Unterdruck muß durch ein von außen und innen rlblcsbares Meßgerät mit akustischem Alarmgeber überprüfbar sein. (7) Die gesamte Abluft ist durch ein bakteriendichtes Filter zu filtrieren. Nach Auswechseln des Filters muß
384
dieses entweder zuerst sterilisiert oder zwecks späterer Sterilisierung unmittelbar in einem luftdichten Beutel verpackt werden. (8) Das Labor darf entweder keine Wasserversorgung enthalten. oder es mÜssen Einrichtungen für eine Abwasserdesinfektion vorhanden sein. Im ersteren Fall muß eine Einrichtung zur Desinfektion der Hände vorhanden sein. Eine Abdichtung des Labors zwecks eventueUer Raumdesinfektion muß möglich sein. (9) Zutritt zum Labor haben nur besonders autorisierte Personen. Eine Person darf nur dann allein im Labor arbeiten. wenn eine von innen zu betätigende Alarmanlage vorhanden ist. (10) Vor Inbetriebnahme des Laboratoriums ist eine den örtlichen Gegebenheiten angepaßte Benutzungs- und Betriebsanleitung zu erstellen. Alle im Laboratorium tätigen Personen haben schriftlich zu bestätigen. daß sie von dieser Anleitung Kenntnis haben und mit ihrem Inhalt vertraut sind. Belehrungen über den Inhalt dieser Anleitung sind in halbjährigem Abstand zu wiederholen. 7. Laborsicherheitsmaßnahmen L4 (1) IA-Laborsicherheitsmaßnahmen schließen die Ll- bis L3-Laborsicherheitsmaßnahmen ein. (2) Das Laboratorium muß entweder ein selbständiges Gebäude oder. als Teil eines Gebäudes, durch einen Flur oder Vorraum deutlich von den allgemein zugänglichen Verkehrsflächen abgetrennt sein. Das Laboratorium soll nach Möglichkeit keine Fenster haben. Sind Fenster vorhanden. müssen sie dicht. nicht brechbar und dürfen nicht zu öffnen sein. Es müssen Maßnahmen getroffen werden, die jedes unbeabsichtigte oder unerlaubte Retreten des Laboratoriums verhindern. Alle Türen des Laboratoriums müssen selbstschließend sein. Die Arbeitsräume des Laboratoriums dürfen nur durch eine dreikammerige Schleuse betreten werden können. Die Schleuse muß gegen den Vorraum und die Arbeitsräume mit einer entsprechenden Druckstaffe-
!~~I~e~~:~eL~tto~~!rl ~:; v~~hi~d~~~.ttD~~n~'i~t~e~~sK~~
mer der Schleuse muß eine Personendusche enthalten. Eine Einrichtung zum Einbringen großräumiger Geräte oder Einrichtungsgegenstände ist vorzusehen. (3) Wande. Decken und Fußböden des Laboratoriums müssen nach außen dicht sein. Alle Durchtritte von V~r- und Entsorgungsleitungen müssen abgedichtet sem. (4) Alle Innenflächen des Laboratoriums. einschließlich der Oberfläche der Labormöbel. müssen desinfizierbar und gegen in diesem Laboratorium benutzte Säuren. Laugen und organische Lösungsmittel widerstandsfähig sein. (5) Das Laboratorium muß mit einem Durchreicheautoklaven ausgerüstet sein. dessen Türen wechselseitig verriegelbar sind. Zum Ein- und Ausschleusen von Geräten und hitzeempfindlichem Material ist ein Tauchtank oder eine begasbare Durchreiche mit wechselseitig verriegelbaren Türen vorzusehen. (6) Das Laboratorium muß durch ein eigenes Ventilationssystem belüftet werden. Dieses ist so auszulegen. daß bei Arbeiten unter L4-Bedingungen im Laboratorium gegenüber der Außenwelt ein Unterdruck ständig aufrechterhalten wird. Die Luft darf nicht wieder verwendet werden. Der Unterdruck soll vom Vorraum bis zum Arbeitsraum jeweils zunehmen. Druckunterschiede von 3 mm Wassersäule zwischen den verschiedenen Stufen sind zweckmäßig. Der in der letzten Stufe tatsächlich vorhandene Unterdruck muß von innen wie von außen leicht kontrollierbar und überprüfbar sein. Unzulässige Druckveränderungen müssen durch einen hörbaren Alarm angezeigt werden. Sofort anlaufende Reserveventilatoren müssen installiert sein. Das Ventilationssystem muß eine Notstromversorgung haben. Die Steuerung der Ventilation muß verhindern, daß bei Ausfall von Ventilatoren ein Überdruck entsteht oder die Luft sich in eine nicht vorgesehene Richtung bewegt. Die Abluft aus dem Laboratorium muß so aus dem ~i~~~~~~t;e~~a~~~~'n~aß eine Gefährdung der Umwelt Zu- und Abluft des Laboratoriums müssen durch HEPA-Filter geführt werden. Die Filter sind so anzu-
197
Anhang 1: Gentechnik-Richtlinien vom 28.5.1986
anderfolgende HEPA·Filter geschützt sind. Die Abluft der Arbeitsbänke wird durch einen eigenen Kanal nach außen geführt. Bei Normalbetrieb haben die Arbeitsbänke im Vergleich zum Arbeitsraum einen Unterdruck von 10 rnrn Wassersäule. Es muß sichergestellt sein, daß bei einem totalen Ausfall des Stromnetzes Alarm gegeben wird. Wenn auch das Notstromaggregat ausfällt, muß für mindestens 4 Stunden in den Werkbänken ein Unterdruck von 3 mm Wassersäule aufrechterhalten werden. Die Arbeitsbänke müssen eine Vorrichtung für das gefahrlose Ein- und Ausschleusen von Material und Geräten enthalten. Zum Zweck der Desinfektion der Arbeitsbänke muß eine von außen zu bedienende Begasungsanlage vorgesehen werden. Zentrifugen, in denen Organismen zentrifugiert werden, mit denen nur unter L4-Bedingungen gearbeitet werden darf, dürfen nur in vergleichbaren Arbeitsbänken betrieben werden oder sind entsprechend zu umbauen. Eine Alternative zu den geschlossenen. gasdichten Arbeitsbänken ist die Verwendung einteiliger, luftdichter, unter Überdruck stehender Sicherheitsanzüge, die es erlauben, die unter den L2-Sicherheitsmaßnahmen beschriebenen Arbeitsbänke zu benutzen. Vor Verwendung dieses Systems ist die Zustimmung der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) einzuholen.
ordnen, daß ihre einwandfreie Funktion in situ überprüft werden kann. Zu· und Abluftleitungen müssen hinter den Filtern mechanisch dicht verschließbar sein. um ein gefahrloses Wechseln der Filter zu ermöglichen.
(7) Abwasser aus Laboratorien, Dusche und das Kondens· wasser des Autoklaven müssen thermisch oder chemisch desinfiziert werden. bevor sie in die allge-
~e~~n~n~~dna~~er~~~uC~n~Ö~nn~~nci ru~~hh He~p~l1i:~;
gesicherte Entfüftungsventile sind diese Desinfektionsanlagen gegen Fehlfunktion zu schützen.
(8) Alle Ver· und Entsorgungsleitungen sind durch geeig· nete Maßnahmen gegen Rückfluß zu sichern. Gasleitungen sind durch HEPA·Filter, Flüssigkeitsleitungen durch ketmdichte Filter zu schützen. Das Laboratorium darf nicht an ein allgemeines Vakuumsystem angeschlossen werden. (9) Arbeiten, die L4·Bedingungen erfordern, dürfen nur in geschlossenen. gasdichten Arbeitsbänken .durchgeführt werden. Die Arbeitsöffnungen dieser Banke sind mit armlangen, luftdicht angebrachten Gummihandschuhen zu versehen. Die Belüftung dieser Arbeitsbänke erfolgt durch indio viduelle Zu· und Abluftleitungen, die auf der Zuluft· seite durch ein. auf der Abluftseite durch zwei aufein-
(tO) Vor Arbeiten im Laboratorium sind alle Kleidungsstücke im Raum vor der Dusche abzulegen. Eine be-
sondere Schutzkleidung ist anzuziehen. Gummihandschuhe sind zu tragen. Im Labor muß ein mit Ellbogen, Fuß oder Sensor zu betätigendes Handwaschbecken mit Desinfektionseinrichtungen oder ein besonderes Becken mit Desinfektionslösung zum Desinfizieren der Hände vorhanden sein. Eine laborinterne Arbeitsvorschrift für die notwendigen Desinfektionsmaßnahmen ist zu erlassen. (11) Vor Verlassen des U-Laboratoriums ist in dem Teil der Schleuse, der unmittelbar an die Arbeitsräume angrenzt, die Arbeitskleidung in autoklavierbare Behälter abzulegen. Die Straßenkleidung darf erst nach Duschen mit Abseifen angezogen werden. Die abgelegte Kleidung verbleibt in der Schleuse und wird beim nächsten Betreten des Laboratoriums nach Autoklavieren ausgeschleust. (t2) Im Laboratorium darf niemals eine Person allein tätig sein, wenn unter L4-Bedingungen gearbeitet wird. Eine Wechselsprechanlage nach draußen oder eine Telefonverbindung muß vorhanden sein. 8. Produktionssicherheitsmaßnahmen (LP) (1) Für Arbeiten mit gentechnologisch veränderten Organismen in Volumina mit mehr als 10 Litern gelten die Sicherheitsrnaßnahmen LPI - LP3. Unter bestimmten in Punkt 18 (1) festgelegten Voraussetzungen kann die Sicherheitsmaßnahme LPO (vgl. 8 (4]) ange· wandt werden. (2) Für die Sicherheits maßnahmen LPI - LP3 sind die unter Nr. 4-6 dargestellten allsemeinen Sicherheitsrnaßnahmen für L1 - L3 sinngemäß anzuwenden. (3) Darüber hinaus gelten folgende Besonderheiten: (s. Tabelle I) Tabelle 1 LPt
t. Arbeiten mit lebenden Organismen sind in einem geschlossenen System durchzuführen 2. Aus dem geschlossenen System austretende Gase und Dämpfe sind so zu behandeln, daß eine Freisetzung lebender Organismen 3. Probenentnahme, Medienzugabe und überführungsvorgänge zwischen geschlossenen Systemen sind so durchzuführen. daß eine Freisetzung lebender Organismen 4. Der Inhalt der geschlossenen Systeme darf nur geerntet werden. wenn lebende Organismen durch anerkannte chemische oder physikalische Methoden inaktiviert werden. 5. Es ist sicherzustellen. daß Kulturflüssigkeiten und Aufarbeitungsrückstände. die lebende Organismen oder biologisch aktive rekombinante Nukleinsäuren enthalten. vor der abschließenden Entsorgung durch anerkannte chemische oder phsysikalische Methoden inaktiviert werden. 6. Dichtungen, auch an bewegten Teilen, müssen so beschaffen sein. daß eine Freisetzung lebender Organismen 7. Das geschlossene System ist in einem besonderen Kontrollbereich zu installieren. a) Der Zutritt zum Kontrollbereich ist nur autorisierten Personen erlaubt. b) Es muß Schutzkleidung getragen werden.
c)
~~di~~~~~\~~:~;::~i~e\~~f:lli~~:,ersonenreinigung
d) Vor Verlassen des Kontrollbereichs müssen die Personen duschen .
Sicherhei tsma ßna h men LP,
LP'
ja
ja
ja
auf ein Mindestmaß reduziert wird
verhindert wird
verhindert wird
auf ein Mindestmaß reduziert wird
verhindert wird
verhindert wird
fallweise')
ja
ja
fallweise')
ja
ja
auf ein Mindestmaß reduziert wird entfällt
verhindert wird
verhindert wird
fallweise)
ja
entfällt
fallweise')
ja (Arbeitskleidung)
ja
ja
ja
ja durch eine Schleuse vollständiger Kleidungs· wechsel ja
entfällt
entfällt
ja
• ) muß von der Zulassungsstelle am Bundesgesundheitsamt von Fall zu Fall festgelegt werden
385
198
Anhang 1: Gentechnik-Richtlinien vom 28.5.1986 Sicherheitsmaßnahmen
LPl
e) Abwasser aus Duschen und Waschbecken ist vor der Entsorgung zu sammeln und zu inaktivieren. f) Die Belüftung des Kontrollbereichs ist so zu regulieren, daß eine Kontamination der Außenluft vermieden wird. g) Im Kontrollbereich muß ein Unterdruck gewährleistet sein. h) Für den Kontrollbereich ist die Zu- und Abluft über Hochleistungsschwebstoffilter zu führen. i) Die technische Konstruktion des Arbeitsbereichs ist so auszule~n, daß auch bei Austreten des gesamten Inhalts des gese lossenen Systems dieser innerhalb des Arbeitsbereichs aufgefangen werden kann. j) Der Kontrollhereich muß abdichtbar sein, um eine Raumdekontamination durch Begasen zu ermöglichen. k) Kennzeichnung als biologischer Gefahrenbereich ist vorzunehmen
LP2
LP3
entfällt
entfällt
entfällt
fallweise")
ja
entfällt
entfällt
ja
entfällt
entfällt
ja
ja
ja
ja
entfällt
entfällt
ja
fallweise")
ja
ja
ja
*j muß von der Zulassungsstelle am Bunde!lgesundheitsaml von Fall zu Fall festgelegt werden.
(4) Die Sicherheitsmaßnahme LPO umfaßt die Einhaltung des für die biotechnologische Produktion gültigen technischen Standards sowie weiterer für den Einzelfall durch die Zulassungsstelle· am Bundesgesundheitsamt festzulegende Maßnahmen. Anwendung finden kann die Sicherheitsmaßnahme LPO nur nach dem in Punkt 18 (1) festgelegten Vorgehen. 11. Bio log i s ehe Sie her he i t s maß nah m e n 9. Kriterien für die Auswahl von Empfängerorganismen und Vektoren (1) Für gentechnologische Experimente sollen nur Empfängerorganismen ausgewählt werden. deren Eigenschaften. Stellung im biologischen System und Verhalten in verschiedenen Ökosystemen zureichend bekannt sind. Darüber hinaus sind folgende Kriterien bei der Sicherheitsbewertung zu berücksichtigen: - Unschädlichkeit des Organismus für Menschen. Tiere und Pflanzen. - Eignung in d~r Natur als Spender oder Empfänger von Nukleinsäuren zu fungieren. - Vorkommen und Wahrscheinlichkeit des Überle-
~:~t~~~~dguer~hnddei~ n:~~~;~~enns~~eosb:~eD~l;;k~~
mutationen kleiner 10-7), - Entdeckbarkeit und Beherrschbarkeit im Ökosystem (z. B. durch gezielte Vernichtung) sowie die Rückholbarkeit. (2) Bei der Auswahl und Sicherheitsbewertung der bei gentechnologischen Experimenten verwendeten Vektoren sind folgende Kriterien zu berücksichtigen: - eine zureichende Charakterisierung ihrer Genome. - eine definierte Wirtsspezifität. - das Fehlen eines eigenen Transfer-Systems, - eine geringe Co-transfer-Rate, - eine geringe Mobilisierbarkeit. (3) Erfüllen Empfängerorganismen oder Vektoren die unter 9 (1) und 9 (2) genannten Kriterien nicht. müssen gegebenenfalls entsprechend höhere Laborsicherheitsmaßnahmen angewendet werden. 10. Biologische Sicherheitsrnaßnahmen BI und B2 (1) Es werden bei den anerkannten EmpfängertJo6dnismen zur Zeit zwei biologische Sicherheitsmaßnahmen (BI, B2) angewendet, wobei die .mf B folgende ansteigende Zahlrenreihe den ansteigenden Grad der biologischen Sicherheit anzeigt. (2) Biologische Sicherheitsmaßnahmen BI a) Als BI-Sicherheitsmaßnahmen können die Bakterienstämme Escherichia coh K 12, asporogene, thymin-abhängige Mutanten des Bacillus subtilis Stamm 168 und haploide Laboratoriumsstämme von Saccharomyces cerevisiae als Empfängerorganismen sowie die Bacteriophagen und Plasmide und andere Vektoren dieser Organismen unter Beachtung der in Nummer 3 (13) und 9 (2) enthaltenen Forderungen benutiZt werden.
386
b) Zellkulturen höherer eukaryotischer Organismen, unter Beachtung der in der Gewebekultur üblichen Sicherheits vorkehrungen. (3) Biologische Sicherheitsmaßnahmen B2 a) Als B2-Sicherheitsmaßnahmen können die Hakterienstämme Escherichia co li x 1776 und E.coli MRC 1 als Empfängerorganismen und die Bacteriophagen und Plasmide dieser Stämme unter Beach ... tung der in Nummer 3 (13) und 9 (2) enthaltenen Forderungen benutzt werden. b) Zellkulturen höherer eukaryotischer Organismen, von denen erwiesen ist, daß sie frei von Helferviren sind, unter Beachtung der in der Gewebekultur üblichen Sicherheitsvorkehrungen. In B2-Wirt.Vektor-Systemen sollen nur solche Vektoren benutzt werden, aal die keine infektiösen Nachkommen bilden können, z. B. defekte SV -40·Virus·Genome oder defekte Genome der Adenoviren 2 und 5 oder bb) die ökologisch unbedenklich und für den Menschen apathogen sind, z. B. Polyomavirus. 11. Die genetische Einheitlichkeit der in gentechnologischen Arbeiten verwendeten Organismen ist regelmäßig zu überprüfen. Verunreini$ungen mit anderen Organismen sind auszuschließen. Bel Experimenten der Sicherheitsstufe L2 B2 und höher hat dies während jedes einzelnen gentechnologischen Experiments zu erfolgen. 12. (1) Die Liste der biologischen Sicherheitsmaßnahmen zu Nummer 10 kann entsprechend dem in Nummer 13 festgelegten Verfahren erweitert werden. (2) Die ZKBS kann auf Antrag Forschungsarbeiten zulassen, die zum Ziel haben, neue und noch nicht zugelassene Empfängerorganismen und Vektoren auf ihre Eignun8 als biologische Sicherheits maßnahmen hin zu prüfen. Sie kann zusätzlich Sicherheitsauflagen machen. Die Zulassung ist zeitlich befristet. Sie endet mit dem Zeitpunkt des Nachweises der Eignung des neuen Wirt-Vektor-Systems als biologischer Sicherheitsmaßnahme. Anschließende gentechnologische
~cx?ee;iS~h~rh~?t~~a~~:he~~~naü~f~~ ~~tenna~~l~~:
schluß des unter der Nummer 13 beschriebenen Anerkennungsverfahrens durchgeführt werden. 13. Anerkennung biologischer Sicherheitsmaßnahmen (1 )
~~:~~:ß~~fh~~~r~r~d':ib~rn~i:rz~~~~~f!SK~%~:~~~r~
für Biologische Sicherheit (ZKBSI an das Bundes· gesundheitsamt zu stellen. Sie sol en eine Beschreibung der neuen biologischen Sicherheitsrnaßnahmen unter Beachtung der unter Nummer 9 aufgeführten Sicherheitskriterien enthalten. (2) Die ZKBS wird. ggf. unter Hinzuziehung externer Sachverständiger. eine Expertise über die Eignung der neuen biologischen Sicherheitsmaßnahmen sowie ggf, über die Testergebnisse. die bei vorbereitenden Forschungsarbeiten experimentell ermittelt worden sind. anfertigen.
Anhang 1: Gentechnik-RichtIinien vom 28.5.1986
14.
(3) Das Bundesgesundheitsamt kann nach Anhörung der ZKBS neue biologische Sicherheitsmaßnahmen anerkennen. Die Anerkennung wird im Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Anträge auf Anerkennung. die Expertise der ZKBS. ggl. vorliegende weitere Gutach· ten und die Begründung für die Anerkennung können veröllentlicht oder der Öffentlichkeit zugänglich gc· macht werden. III. Maß nah m e n bei der Hai tun g von Versuchstieren und -pflanzen (I) Für die Haltung von Versuchstieren gelten die Unlall· verhütungsvorschrift Gesundheitsdienst (VBG 103) und das Tierschutzrecht. Tierkörper sind nach den Vorschriften des Tierkörperbeseitigungsrechtes. Pflanzen nach denen des Ablallbeseitigungsrechtes zu be· seitigen. (2)
~:~~~~~:~i~r~~w~~ltl~~~~~u~:rif:~rh~h~gna,n~~~n~~~~
kombinierte Nukleinsäuren Versuchstieren oder Versuchspflanzen zu applizieren. müssen die Tiere bzw. die Pflanzen unter IsoJierbedingungen gehalten werden, die der dem betreffenden Experiment zugeordneten Sicherheitsstufe nach diesen Richtlinien ent· sprechen und für den Einzellall von der ZKBS bzw. der Zulassungsstelle am Bundesgesundheitsamt fest· gelegt werden. (3) Bei Experimenten ab der Sicherheitsstufe L2 BI oder L1 B2 müssen erforderlichenfalls die Tiere bzw. die Pflanzen unter isolierten Bedingungen bei Unterdruck gehalten werden. Das Eindringen von Insekten,
~:~e:V~rd~~. ~~r:l~bfäl~. i~i=~k!~~~:: ~:}S~n"ae~~!~~
Töpfe und die Erde müssen in luftdichten Behältnis· sen gesammelt werden und dürfen nur luftdicht ver· packt aus dem Raum entfernt werden. Danach müssen sie autoklaviert oder verbrannt werden. Ablaufendes Wasser muß desinfiziert werden, bevor es nach außen abgeleitet wird. (4) Bei Experimenten. die unter Bedingungen der Sicher· heitsstufen L3 BI und höher durchgeführt werden. müssen die Tiere in einem Raum und die Pflanzen in einer Gewächshauseinrichtung oder in Phytotronen mit Abluftsterilisation und in Isoliereinrichtungen. die den Laborsicherheitsmaßnahmen L3 entsprechen. gehalten werden. Das Eindringen von Insekten, Nagern und Vögeln muß in geeigneter Weise verhindert werden. um eine unbeabsichtigte Übertragung von neu· kombinierten Nukleinsäuren zu vermeiden. Abfälle, Tierkadaver. Pflanzen. Töpfe und die Erde dürlen nur luftdicht verpackt aus dem Raum entlernt werden. Ihre Sterilisierung muß durch Autoklavieren oder durch Extraktion, bei der eine Sterilisierung gewährleistet sein muß. in laboreigenen Einrichtungen erfol· gen. Autoklaviertes Material muß verbrannt werden. Ablaufendes Wasser muß desinfiziert werden. bevor es nach außen abgeleitet wird. Die Beseitigung der Abfälle und Tierkadaver bzw. der Versuchspflanzen ist zu protokollieren. F. Regiltrierung der Gen-Laboratorien 15.
(I) Gen-Laboratorien und entsprechende Produktionsbereiche sind beim Bundesgesundheitsamt über das Sekretariat der ZKBS registrieren zu lassen. Für die Registrierung sind lolgende Angaben mitzuteilen: - Name der Institution und des Betreibers, Name des Leiters des Gen-Labors und Nachweis der in Nr. 22 aufgeführten erlorderlichen Sachkenntnis, Beschreibung des Laboratoriums insbesondere der sicherheitsrelevanten Einrichtungen CZ. B. Autoklaven, Sicherheitswerkbänke. Vorrichtungen zur Sterilisation von Abluft oder Abwasser usw.). Name des Beauftragten für die Biologische Sicher· heit oder Liste der Mitglieder des Ausschusses für Biologische Sicherheit und Nachweis der erforder· lichen Sachkenntnis. (2) Die Registrierung ist zu versagen. wenn in Nr. 22 aul·
~d~h~i~d~s~:~~n~~~s d~crhtS~~h~~;rl:~eaß:~h~~nti
entsprechenden Sicherheitsrnaßnahmen nicht gewährleistet sind, es sei denn, daß eine Herabstufung nach Nr. 18 (I) erfolgt. (3) Die Zulassungsstelle am BGA oder die von ihr beauftragten Personen können jederzeit Gen-Laboratorien besichtigen und bei Feststellung von Mängeln die Registrierung widerrufen.
16.
199
G. KI8 ••ifizierung von Experimenten (I) Aul der Basis vorhandener oder vermuteter Risiken lassen sich gentechnologische Experimente Kategorien mit unterschiedlichen Sicherheitsanforderungen zu· ordnen. Für die Klassifizierung sind zu berücksichti· gen: - Eigenschaften der Spender und Emplängerorganis· men (z. 8. Pathogenität) - Zweck des Experiments (z. B. Herstellung hoch· wirksamer Substanzen) - Umfang des Experimentieransatzes (z. B. Kultur· Volumina größer als 10 It) (2) Folgende Arbeiten dürfen nur unter Laborsicherheits· maßnahmen von mindestens Ll in bei dem BGA regi· strierten Gen·Laboratorien durchgeführt werden. Einer Anzeige und Sicherheitsüberprüfung einzelner ir~~bl:~fo:~~~ceht ~ne{egistrierten Labors durch die a) Selbstklonierungsexperimenten apathogener Orga· nismen und gen technologischen Experimenten unter Verwendung von Nukleinsäuren aus einpm apathogencn Spenderorganismus. der in nahir-liehem genetischem Austausch mit dem apatha· genen Empfängerarganismus steht, b) gentechnologischen Arbeiten unter Verwendung von apathagenen Prokaryonten (z. B. Risikogruppe I) und apathoRenen niederen Eukarvonten Cz. B. Risikogruppe I) als Spender· und Emplängerorga· nismen sowie deren apathogenen Viren und repli· kationsfähigen Genomelementen (z. B. Plasmide) als Vektoren. c) gentechnologischen Arbeiten mit apathogenen Pro· karyonten (z. B. Risikogruppe 1) als Spender und im Kulturmedium gehaltenen eukaryoten Zellen. die nicht zu Organismen regeneriert werden kön· nen. als Empfänger sowie deren apathogenen Viren Ci. B. Risikogruppe I) und replikationsfähigen Genomelementen als Vektoren, d) gentechnologischen Arbeiten mit Eukaryonten als Spender und im Kulturmedium ~ehaltenen euka· ryoten Zellen, die nicht zu OrganIsmen regeneriert werden können. als Empfänger sowie deren apathogenen Viren (z. B. Risikogruppe I) oder charakterisierten subgenomischen Fragmenten, die nachgewiesenermaßen kein pathogenes Potential besitzen. von Viren der Risikogruppe 11 als Vekto· ren, e) gentechnologischen Arbeiten mit Eukaryonten sowie deren apathogenen Viren (z. 8. Risikogruppe I) als Spender und Prokaryonten als Empfänger sowie deren Viren und replikationsfähigen Genomelementen als Vektoren. I) gentechnologischen Arbeiten mit charakterisierten subgenomischen Fragmenten. die nachgewiesenermaßen kein pathogenes Potential besitzen. von Viren der Risikogruppe 11 als Spender und Proka· ryonten als Empfänger sowie deren Viren und replikationsfähigen Genomelementen als Vektoren. Abweichend hiervon bedürfen gentechnologische Arbeiten mit dem Ziel. Organismen zur Produktion biologisch hoch wirksamer Substanzen herzustellen. der Sicherheitsüberprüfung und Zustimmung der ZKBS nach Nr. 17 (2). (3) Für den Fall. daß nicht als biologische Sicherheits· maßnahme anerkannte Empfängerorganismen verwendet werden sollen. ist dieses der ZKBS anzu· zeigen. I", Falle eines Widerspruchs durch die ZKBS. der in· nerhalb von 6 Wochen erfolgen muß. dürfen die Expe· rimente nicht durchgeführt werden.
17. Folgende Arbeiten müssen in registrierten Labors unter den angegebenen Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden unQ bedürfen der Sicherheitsüberprüfung und ZlI~timmung derZKBS: (I) a) Selbstklonierungsexperimente. soweit sie nicht unter Nr. 16 (2a) fallen. b) Gentechnologische Experimente mit Nukleinsäu· ren aus Spenderorganismen, die ein pathogenes Potential besitzen, müssen bis zur eindeutigen genetischen Charakterisierung der klonierten Nukleinsäure mindestens unter den Laborsicher· heitsmaßnahmen L2 durchgeführt werden. Die bei diesen Experimenten verwendeten Wirt·VektorSysteme müssen mindestens die Bedingungen der biologischen Sicherheit.maßnahme BI erfüllen.
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Anhang 1: Gentechnik-Richtlinien vom 28.5.1986
c) Produzieren die Spenderorganismen ein hochwirksames Toxin, so müssen mindestens die Sicherheitsstufen L31Bl oder L2IB2 angewandt werden. d) Wird bei Arbeiten entsprechend Nr. 17 (1) a). b) oder c) klonierte Nukleinsäure erhalten, deren Charakterisierung kein pathogenes Potential erkennen läßt. kann die ZKBS auf Antrag die biologischen Sicherheitsmaßnahmen und/oder die geforderten Lahorsicherheitsmaßnahmen herabsetzen. (2) Gentechnologische Arbeiten mit dem Ziel. biologisch hochwirksame Substanzen zu gewinnen. müssen mindestens unter Einhaltung biologischer Sicherheitsmaßnahmen entsprechend 81 durchgeführt werden. Die Lahorsicherheitsmaßnahmen müssen L2 entsprechen. Alternativ sind auch die Sicherheitsstufen tl/82 möglich. (3) Arbeiten mit dem Ziel, aus gentechnologisch veränderten eukaryoten Zellen einen vielzelligen Organismus zu generieren, dürfen nur unter den unter Nr. 14 2) beschriebenen Sic:herheitsmaßnahmen durchgeührt werden, durch die eine unbeabsichtigte Freisetzung dieser Organismen verhindert wird.
1
18. Folgende Arbeiten bedürfen einer Sicherheitsüberprüfung durch die ZKRS und der Zustimmung der Zulassungsstelle am Bundesgesundheitsamt und müssen unter den angegebenen Sicherheitsrnaßnahmen durchgeführt werden: (1) Gentechnologische Arbeiten in Volumina von mehr als 10 Litern oder die Vermehrung von gentechnologisch vp.ränderten Organismen in Volumina von mehr als 10 Litern. Die Klassifizierung der erforderlichen Sicherheitsrnaßnahmen für Produktionsbereiche (LP1- LP3) folgt sinngemäß den Kriterien bei der Klassifizierung der Laborsicherheitsmaßnahmen. Die Zulassungsstelle am Bundesgesundheitsamt kann auf Antrag die einzuhaltenden Sicherheitsmaßnahmen herabsetzen. Mindestvoraussetzung für eine Herabsetzung auf LPO (vg!. Nr. 8 [4J) ist. daß: - der Empfängerorganismus und der daraus hervorgegangene neukombinierte Organismus nicht pathogen sind - der neukombinierte Organismus die biologischen Eigenschaften wie ein als biologische Sicherheitsmaßnahme entsprechend des Abschnitts E II anerkannter Empfängerorganismus hat - ausreichende Erfahrungen im Umgang mit dem Empfängerorganismus in großen Volumina vorliegen. (2) Gen-Transfer in somatische Zellen des Menschen.
~:; 1;:n~~nH~~t~il~Jhf:{ea!~et~~~n ~d dj:~s~~:~~fu~
eines oder mehrerer 'Cene in menschliche Zellen die entsprechenden Nummern dieser Richtlinien (Nr. 9. 10.16. 17). Darüber hinaus muß sichergestellt sein. daß die mit Hilfe eines Vektors oder durch Transplantation von isolierten. durch in~vitro neukombinierte Nuklein· säure veränderten ZeHen in einen menschlichen Körper eingebrachte genetische Information umgesetzt wird und daß dem Pdtienten dadurch kein Schaden zugefügt wird. Eine Vererbung der übertragenen Erbinformation auf nachfolgende Generationen darf nicht e~folgen, Bestehende medizinische Regeln und Vorschriften sind unabhängig von diesen Richtlinien zu befolgen. Alle Gen-Therapien in somatischen ZeUen am Menschen bedürfen auch der vorhergehenden Beratung und Zustimmung durch die lokale Ethikkommission. Die medizinischen Gründe für solche genetischen Therapie-Maßnahmen müssen in einem ausführlichen Gutachten dargelegt werden. 19.
388
(1) Folgende gentechnologische Experimente dürfen nicht
durchgeführt werden: a) die Übertragung von Genen. die Resistenz gegen ein therapeutisch einsetzbares Antibiotikum hervorrufen. gegen das Resistenz in dem Empfängerstamm bisher noch nicht nachgewiesen wurde. und zwar zwischen Mikroorganismen, die natürlicherweise keinen genetischen Austausch durchführen.
b) die Herstellung von neukombinierten Nukleinsäuren für die Biosynthese von hochwirksamen bakteriellen Exotoxinen wie Botulinustoxin. Tetanustoxin. Diphtherietoxin sowie Schlangengiften. c) die Freisetzung gentechnologisch veränderter Organismen. (2) Das Bundesgesundheitsamt kann auf Antrag nach Anhörung der ZKBS und für die Nummer 19 (lc) im Einvernehmen mit der zuständigen Biologischen Bundesanstalt Ausnahmen zulassen und den Katalog der Experimente. die nicht durchgeführt werden dürfen. nach der Entwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik erweitern oder verringern. Im Falle einer Abweichung von der Empfehlung der ZKBS hat das Bundesgesundheitsamt die Abweichung schriftlich zu begründen. (3) Die Einführung von neukombinierten Nukleinsäuren in Keimbahnzellen des Menschen ist nicht zulässig. 20. Abweichend von den unter in den Nummern 16 bis 17 fest-
gelegten Sicherheitsstufen kann die ZKBS die Laborsicherheitsmaßnahmen und/oder die biologischen Sicherheitsmaßnahmen in jedem Durchführungsstadium der Arbeiten erhöhen, z. B. wenn hochwirksame Gen-Produkte zur Expression kommen. oder herabsetzen. wenn z. 8. angereicherte oder gereinigte Nukleinsäurefragmente verwe:1det werden. H. Überprüfung der Durchführung von gentechnologischen Arbeiten
21. Verantwortlichkeiten des Betreibers eines Gen-Laboratoriums Der Betreiber eines Genlaboratoriums ist verantwortlich a) für die Benennung von ProjektJeitern. die die erforderliche Sachkenntnis besitzen. b) für die Benennung von Beauftragten für die Biologische Sicherheit (BBSl oder Ausschüssen für die Biologische Sicherheit (ABS . c) dafür. daß die gen technologischen Arbeiten erst nach erfolgter Registrierung aufgenomme.n werden, d) für die Umsetzung von Auflagen und Empfehlungen des Bundesgesundheitsamts zur Registrierung als Gen-Laboratorium. e) dafür. daß der Zulassungsstelle am Bundesgesundheitsamt der ZKBS oder den von ihr beauftragten Personen eine Inspektion des oder der Gen-Laboratorien ermöglicht wird. 22. Befähigungen und Verantwortlichkeiten des Projekt leiters (1) der ProjektIeiter muß a) nachweisbare Kenntnisse in klassischer und molekularer Genetik. praktische Erfahrungen im Umgang mit Mikroorganismen und die erforderlichen Kenntnisse einschließlich der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen über das Arbeiten im mikrobiologischen Labor sowie über die sachgerechte Ausstattung von mikrobiologischen Laboratorien besitzen. b) die seuchenrechtlichen, tierseuchenrechtlichen, tierschutzrechtlichen und pflanzenschutzrechtHchen Vorschriften beachten, c) ab der Sicherheitsstufe L2 B2 die Sachkenntnis haben. wie sie in § 22 Abs. 3 des Bundes-Seuchengesetzes bzw. § 4 Abs. 2 der Tierseuchenerreger-
~::or:rl~~~nf~s ~~au~sr~:;:~~ ~it di~r~~ke~~~~~
erregern genannt ist. d) eine Erlaubnis zum Arbeiten mit Krankheitserregern nach § 19 ff. Bundes-Seuchengesetz oder § 2 ff. der Tierseuchenerreger-Verordnung bzw. der pflanzenschutzrechtlichen Vorschriften haben. falls in. seinem Zuständigkeitsbereich mit human-. tier- oder pflanzenpathogenen Spenderorganismen bzw. Vektoren oder toxinbildenden Spenderorganismen gearbeitet wird. (2) Der Projektleiter ist verantwortlich a) für die Planung und Durchführung der Forschungsarbeiten. die FestIegung ihrer tatsächlichen oder die Abschätzung ihrer potentiellen Risiken und die Auswahl der diesen Risiken entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen.
Anhang 1: Gentechnik-Richtlinien vom 28.5.1986 b) für die Durchführung der notwendigen medizini-
schen Vorsorge- und regelmäßigen sowie eventuell vorzeitigen Nachuntersuchungen sowie für die sachgerechte Belehrung des beschaftigten Personals. c) für die ausführliche Unterrichtung des Beauftrag· ten für die Biologische Sicherheit und ggf. des Aus· schusses für die Biologische Sicherheit sowie, soweit vorgeschrieben. der ZKBS über den Inhalt der Forschungsarbeiten und die vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen. d) für die Umsetzung von Empfehlungen und Aufla· gen der Zulassungsstelle am Bundesgesundheitsamt oder der ZKBS und für die Berichterstattung an die ZKBS. e) dafür. daß mit überprüfungs· oder zustimmungs· pflichtigen Experimenten erst dann begonnen wird. wenn die Entscheidung der ZKBS oder Zustimmung der Zulassungsstelle 3m Bundesgesundheitsamt vorliegt und ggf. deren Auflagen erfüllt sind. f) für die Protokollierung der durchgeführten Sicher· heitsbelehrungen für das Laborpersonal, der eventuell eingetretenen Laborunfälle sowie der durchgeführten medizinischen Vorsorgemaßnahmen. g) für die ausreichende Ausbildung bzw. Einweisung des Laborpersonals. h) dafür. daß die ZKBS und der BBS unverzüglich davon in Kenntnis gesetzt werden, wenn während des Verlaufs der Arbeiten angereicherte oder gereinigte Nukleinsäurefragmente verwendet werden, die entgegen der Planung für hochwirksame Gen· Produkte oder solche mit pathogenem Potential ko· dieren.
24. Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) (1) Für die Beurteilung von Sicherheitsfragen bei der in· vitra Neukombination von Nukleinsäuren ist eine Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit einge~ richtet worden:
(2) Die Mitglieder der ZKBS werden durch den Bundes· minister für Forschung und Technologie im Einvernehmen mit den betroffenen Bundesministerien und den Bundesländern berufen.
(3) Die ZKBS
a) berät alle gentechnologisch tätigen Institutionen und Projektleiter bei der Errichtung von Labora-
torien. der Bestellung von BBS oder ABS und bei
der Einrichtung von Ausbildungskursen,
b) begutachtet alle Arbeiten mit gentechnologisch veränderten Organismen entsprechend Nr. 17 und
18 der Richtlinien. c) kann Vorschläge für die Anpassung der Richtlinien
an den jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik machen.
(4) Die ZKBS kann einzelne ihrer wissenschaftlichen Mit· arbeiter ermächtigen, die Begutachtung von gentechnologischen Vorhaben bis zur Sicherheitsstufe L2 82
für die ZKBS zu übernehmen. über das Ergebnis ist die ZKBS zu unterrichten. (5) Besetzung der ZKBS Die ZKBS soll besetzt werden mit: a) vier Sachverständigen. die auf dem Gebiet der Neukombination von Nukleinsäuren arbeiten,
b) vier Sachverständigen. die über besondere Erfah· rungen in der Durchführung von biologischen Forschungsarbeiten, namentlich in der Mikrobiologie,
Zellbiologie. Hygiene sowie Ökologie verfügen.
c) vier weiteren Personen z. 8. aus den Bereichen der Gewerkschaften. der Industrie, des Arbeitsschutzes und der forschungsfärdernden Organisationen. Für jede der vier Personen ist ein Stellvertreter zu be-
23. Aufgaben des Beauftragten für die Biologische Sicherheit BBS) und des Ausschusses für die Biologische Sicherheit ABS). (1) Der Betreiber eines Gen·Laboratoriums muß b.i Expe· rimenten ab der geforderten Sicherheitsstule LI B2IL2
l
stellen. (6) Die Mitglieder der ZKBS werden lür die Dauer von
BI einen BBS benennen, soweit er nicht nach Absatz 3 und 4 einen ABS errichtet bzw. errichten muß. Der
3 Jahren berufen.
BBS soll Erfahrungen im Umgang mit Mikroorganil·
men und über das Arbeiten in mikrobiologischen Laboratorien sowie die erforderlichen Kenntnisse über die Ausstattung mikrobiologischer Laboratorien besitzen.
Falls im Zuständigkeitsbereich des BBS mit human·.
tier- oder pflanzenpathogenen Spenderorganismen bzw. Vektoren oder mit toxinbildenden Spenderorganismen gearbeitet wird, soH der BBS eine Erlaubnis zum Arbeiten mit Krankheitserregern nach § 19 ff. Bundes-Seuchengesetz bzw. § 2 ff. der Tierseuchenerreger-Verordnung bzw. der pflanzenschutzrechtlichen Vorschriften besitzen.
I. Geoundheitsüberwachung 25. Der Gesundheitszustand der Beschäftigten, die in Gen-Laboratorien ab der Sicherheitsstufe L2 82 tätig sind, ist durch arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen (Erstuntersu-
chung vor Aufnahme der Beschäftigung und Nachuntersu·
chung während dieser Beschäftigung) zu überwachen. Erstuntersuchung
26.
sehen werden. wenn eine Bescheinigung über eine
eines BBS einen ABS einsetzen, der die Erfüllung der
gleichartige. von einem Atzt durchgeführte arbeitsrne·
Aufgaben des Projektleiters überprüft. Die Mitglieder des ABS sollen die in Absatz 1 gefor·
dizinische Vorsorgeuntersuchung vorliegt und das für die nächste Nachuntersuchung vorgesehene Datum nach Nummer 27 (1) nocht nicht überschritten ist. (3) Bei der Erstuntersuchung ist Blut zu entnehmen. Das Serum ist bis mindestens zehn Jahre nach Beendigung der Tätigkeit im Gen-Laboratorium bzw. nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses dort aufzubewahren. (4) Bei Tätigkeiten in Gen-Laboratorien an verschiedenen Orten genügt es, wenn die Erst- und notwendigen Nachuntersuchungen an nur einem Ort durchgeführt werden. Die BBS sind darüber zu unterrichten. wo die
derten fachlichen Voraussetzungen erfüllen.
Falls im Zuständigkeitsbereich des ABS mit human·.
tier- oder pflanzenpathogenen Spenderorganismen bzw. Vektoren oder mit toxinbildenden Spenderorganismen gearbeitet wird, soll mindestens 1 Mitglied des ABS eine Erlaubnis zum Arbeiten mit Krankheitserregern nach § 19 ff. Bundes·Seuchengesetz bzw. § 2 ff. der Tierseuchenerreger-Verordnung bzw. der pflanzenschutzrechtlichen Vorschriften besitzen.
(4) Der Betreiber eines Gen·Laboratoriums muß bei Forschungsarbeiten ab der Sicherheitsstule L4 BI einen ABS einsetzen. der die Erfüllung der Aufgabe des Projektleiters überprüft. Die Mitglieder des ABS
Falls im Zuständigkeitsbereich des ABS mit human·. tier- oder pflanzenpathogenen Spenderorganismen bzw. Vektoren oder mit toxinbildenden Spenderorga-
nismen gearbeitet wird. solhe mindestens 1 Mitglied des ABS eine Erloubnia zum Arbeiten mit Kronkheits· erregern nach \ 19 ff. Bundes.Seuchen~esetz bzw. § 2
~~:se:h!~~~~h~li~h:~:~~hr~ft::b~:itz~~: der pOan-
(1) Es dürfen nur Personen beschäftigt werden, die innerhalb der letzten beiden Monate vor Beginn der Beschäftigung von einem Arzt untersucht worden sind und eine von diesem Arzt ausgestellte Bescheinigung
darüber vorliegt. daß gesundheitliche Bedenken nicht bestehen. (2) Von einer Erstuntersuchung nach Absatz 1 kann abge·
(2) Der BBS überprüft die Erfüllung der Aufgaben des Projektleiters. (3) Der Betreiber eines Gen·Laboratoriums kann an Stelle
sollen die in Absatz 1 geforderten fachlichen Voraussetzungen erfüllen.
201
laufende Gesundheitsüberwachung stattfindet. Nachuntersuchungen
27.
(1) Die Untersuchung nach Nummer 26 (1) soll regelmä· ßig im Abstand von einem Jahr, gerechnet vom Zeitpunkt der Erstuntersuchung an, durch einen Arzt wie-
derholt werden. Nach Ablauf dieser Frist kann der Be· schäftigte nur weiterbeschäftigt werden, wenn eine
vom Arzt ausgestellte Bescheinigung darüber vorliegt. daß für die ausgeübte Tätigkeit weiterhin gesundheit. liehe Bedenken nicht bestehen.
389
202
Anhang 1: Gentechnik-Richtlinien vom 28.5.1986
(2) Abweichend von der vorgeschriebenen Frist für Nach· untersuchungen hat sich ein Beschäftigter vorzeitig einer Nachuntersuchung zu unterziehen, wenn aufgrund einer zwischenzeitlich durchgemachten Erkrankung oder einer anderen körperlichen Beeinträchti-
gung Bedenken gegen die Fortsetzung der Beschäftigung bestehen. (3) Bei Beendigung der Tätigkeit in Gen-Laboratorien bzw. bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ist Blut zu entnehmen. Das Serum ist mindestens zehn
,ahre aufzubewahren.
28. Ist ein Beschäftigter nach geltenden Rechtsvorschriften innerhalb eines halben Jahres mehr als einmal einer Nachuntersuchung zu unterziehen, so können diese Nachuntersuchungen an einem Termin vorgenommen werden.
29. Erkrankt der Beschäftigte während seiner Tätigkeit und ist ein Zusammenhang mit dieser Tätigkeit nicht auszuschlie-
ßen. muß der Projekt leiter dem behandelnden Arzt Mitteilung über die besondere Art der Beschäftigung machen.
30. Werden bei Arbeiten pathogene Mikroorganismen verwendet, gegen die eine Immunisierung möglich ist. muß vor
Aufnahme der Arbeit eine Immunisierung durchgeführt
werden. Der spezifische Immunstatus muß in angemessener Weise kontrolliert werden. Ggf. muß eine erneute Immunisierung erfolgen,
,. Be.chlftigunl·vorau...tzuDpn 31. Vor Aufnahme der Tätigkeit und danach jährlich einmal sind die Beschäftigten über die Arbeitsmethoden. die denk-
baren Gefahren und die anzuwendenden Sicherheitsrnaßnahmen zu unterweisen, über den Inhalt und den Zeitpunkt der Unterweisung sind Aufzeichnungen zu führen, die von der unterwiesenen Person zu unterzeichnen sind. Im
Rahmen der Unterweisung ist das Merkblatt nach Anlage 1
dieser Richtlinien auszuhändigen. 32. Alle Beschäftisten in Gen-Laboratorien müssen ihrer TätiSkeit ansemessene Kenntnisse über den Umsang mit sentechnisch veränderten Organismen besitzen. Diese Kenntnisse müssen durch eine besondere Ausbilduns bzw. Einweisuns erworben sein.
K. Beförderu... 33. Organismen, die nach einem gentechnologischen Experiment zu Trägem neukombinierter Nukleinsäuren geworden sind und deren Umgang eine Sicherheitsüberprüfung nach Nr. 17 und Nr. 18 der Richtlinien erfordert. dürfen nur unter e~~~~~:tre:~~r:~~dtr!'~~d~~~n nachstehend aufseführten
- Gefahrgutverordnung Straße.
- Gefahrgutverordnung Eisenbahn,
Zu Nummer 2 (2):
Soweit die Richtlinien den Stand von Wissenschaft und Technik wiedergeben. kann eine Nichtbeachtung in eventuellen
Schadensfällen den Vorwurf der Fahrlässigkeit begründen. Zu Nummer 5 (2): Die Arbeitsbänke. die den Standards der USA oder des IlK entsprechen. sind gleicherweise akzeptabel. Die "Empfehlungen
zum Einsatz von mikrobiolosischen Sicherheitskabinen" der Deutschen Forschungsgemeinschaft sollen beachtet werden (Klinische Chemie. 1I [2].1980. S. 55-80).
Zu Nummer 9: Es wird davon ausgegangen, daß nur ein als biologische Sicherheitsmaßnahme zuselassener Empfängerstamm für gentechni-
sche Experimente verwendet wird. Sollte dies in Ausnahmefällen nicht möglich sein. so ist dies nach Nr. 16 (3) der ZKBS anzuzeigen bzw. bedarf der Sicherheitsüberprüfung und Zustimmung der ZKBS. Diese wird gegebenenfalls entsprechend höhere Laborsicherheitsmaßnahmen festlegen (nach Nr. 9 [3]).
Zu Nummer 18: Nach § 19 Bundes-Seuchensesetz bedarf einer Erlaubnis, wer mit lebenden Erregern von auf den Menschen übertragbaren
Krankheiten arbeiten will. Nach § 19 Abs. 1 wird dabei unter-
schieden zwischen lebenden Erresern bestimmter im einzelnen
aufgeführter Krankheiten und der anderen auf den Menschen
übertragbaren Krankheiten (ausgenommen Maul- und Klauenseuche und Rotz), Die fachlichen Voraussetzungen für die
Erteilung dieser Erlaubnis sind in § 22 Bundes-Seuchengesetz genannt. Auch für das Einführen. Ausführen. Aufbewahren usw. ist die Erlaubnis erforderlich.
Bei strenger Auslegung des § 19 Bundes-Seuchengesetz ist
jedoch eine Erlaubnis nur in jedem der einzelnen Fälle erfor· derlich. in denen Krankheitserreser als Spenderorganismen oder Vektoren benutzt werden oder in denen Krankheitserreger entstehen. Wenn bei einem Versuch keine Krankheitserreger benutzt werden oder entstehen. ist eine Erlaubnis nicht erfor-
derlich. Um aber dem Schutzzweck der Richtlinien voll gerecht
zu werden, erfordern es Sinn und Zweck ihrer vorbeugenden
Funktion. daß auch in den Fällen. in denen im Ablauf der Ver·
suche in einer bestimmten Anzahl von Fällen Krankheitserreger entstehen können, die Projektleiter schon vor Besinn der Arbeiten zwar keine Arbeitserlaubnis. jedoch eine entsprechende Qualifikation nachweisen müssen. wie sie von § 22 Bundes-
Seuchengesetz gefordert wird. Entsprechend sind auch die tier-
seuchen- und pflanzenschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten.
lahrzehntelange Erfahrung in der Mikrobiologie hat erwiesen. daß den Gefahren. die beim Arbeit.n und dem Umgang mit Krankheitserregern entstehen können. am sichersten dadurch begegnet werden kann. daß das entsprechende Personal eine
- Gefahrgutverordnung See. - Gefahrgutverordnung Binnenschiffahrt.
qualifizierte Ausbildung und Erfahrung hat. Sie kann durch
fährlicher Güter auf der Straße (ADR). - internationale Ordnung für die Beförderung gefährlicher Güter mit Eisenbahn (RIO). - IATA-Dangerous Goods Regulations (IATA-DGR). - ICAO-Technicallnstructions (ICAO·T1)
Zu Nummer 17 und 18: Anträge an die ZKBS müssen unter Verwendung eines von der Kommission erarbeiteten Formblatts gestellt werden.
- europäisches übereinkommen über die Beförderuns ge-
- Bestimmungen der Postordnuns, - Verträge des Weltpostvereins,
- Empfehlungen der WHO.
L Übellan••bfttimmu ....D Die Richtlinien gelten vom Datum ihrer Bekanntmachung im Bundesanzeiger an auch für alle Forschunssarbeiten, die sich bereits vor diesem Zeitpunkt im Stadium der Durchführung befunden haben. Anträge auf Registrierung der Gen·Laboratorien müssen in den ersten 6 Monaten nach Bekanntgabe dieser Richtlinien bei der Zulassu .... stelle am Bund,.gesundheitsamt gestellt werden. Hierzu ist ein Formblatt zu verwenden. wie es bei der Zulassungsstelle erhältlich ist. M. ErlluteruDJeD
ZuA: Rechtsvorschriften. die unberührt bleiben. sind z. B.: Bundes· Seuchengesetz. Tierseuchenge.etz. POanzenschutzgesetz.
390
Arbeitsschutzvorschriften. Bundes-Immissionsschulzgesetz und tierschutzrechtliche Bestimmungen.
keine noch so perfekten technischen Einrichtungen ersetzt werden.
Zu Nummer 23: Da der Projektleiter bei Arbeiten mit human·. tier· und pOanzenpathogenen oder toxinbildenden prokaryotischen Spender.
organismen oder Vektoren einer Erlaubnis zum Arbeiten mit Krankheitserregern nach § 19 ff. Bundes·Seuchenge.etz oder den entsprechenden tierseuchen- und pftanzenschutzrechtli-
ehen Vorschriften bedarf. sollte auch der BBS. der den Projekt-
leiter insoweit beaufsichtigen und die strikte Einhaltung der
notwendigen Sicherheit.maßnahmen überwachen soll (oder.
falls ein ABS eingesetzt ist. mindestens eines seiner Mitglieder) eine derartise Erlaubnis besitzen.
Zu Nummer 25: Die Gesundheitsüberwachung soll verhindern. daß Personen. die durch Krankheitserreger besonders gefährdet .ind. oder bei
denen für andere Personen harmlose Keime zu Krankheiten
führen können. bei gentechnologischen Arbeiten beschäftigt
werden. Eine verbindliche Liste von Krankheiten. die zum Ausschluß
von gentechnololi.chen Arbeiten führen muß. läßt sich zur Zeit nicht erstellen. Aufgrund klini.cher Erfahrung ist jedoch bei einer Reihe von Syndromen Zurückhaltung geboten. Beispielhaft seien hier genannt:
Anhang 1: Gentechnik-Richtlinien vom 28.5.1986 - Immunopathien, - Anamnese mit häufigen oder schwerer als üblich verlaufe· nen Infekten. - Diabete. mellitus. - chronische Colitis und Diverticulitis. - Anacidität de. Masen •. - I.anszeitbehandIuns mit z. B. a) Antiinfectiva (z. B. Akne). b) Chemotherapeutica (z. B. Immunosuppressiva). c) Corticoide und - AUersien.
203
Zu Nummer 32: Ober ausreichende Kenntnis im Umgang mit Mikroorganismen müssen alle Beschäftigten in Gen-Laboratorien verfügen. Die
Zustimmuns der ZKBS zur Durchführuns von sentechnolosi. sehen Experimenten geht gfundsatzlich davon aus. daß solche Erfahrungen vorliegen oder bisher unerfahrenen Mitarbeitern vor Aufnahme der Arbeiten vermittelt worden sind. Es wird erwartet. dan die Pro i e k t lei t e r diese Pflicht sorsfä1tiS wahrnehmen. Es ist unbestritten. daß die wichtigsten und effektivsten Sicherheitsmaßnahmen eine umfassende Ausbildung in mikrobiologischen Sicherheitstechniken und die regelmäßige und disziplinierte Befolgung der Regeln guter mikrobiologischer Technik sind.
391
204
Anhang 1: Gentechnik-Richtlinien vom 28.5.1986
AIII.... 1
Merkbl.tt filr P.nonen, die bei Arbeiten zur Neukombin.Uon von Nukleinllluren .b der Sicberbeil ••tufe L2 B2 be.cblftilll werden Die Technik der künstlichen Herstellung neuartiger Nuklein~ säurekomhinationen verspricht die Gewinnung wichtiger Erkenntnisse über biologische Vorgänge. Von der praktischen Anwendung dieser Technik werden bedeutsame Entwicklungen vor allem in der Medizin und der Landwirtschaft erwartet. Ob !liese neue Technik Gefahren für die Gesundheit bringt. ist zur Zeit schwer abzuschätzen. Denkbare Risiken sollen durch die in den "Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch neukombinierte Nukleinsäuren" festgelegten Sicherheitsbestimmungen ausgeschlossen werden. Eine sorgfältige, gewissenhafte Beachtung dieser Bestimmungen ist die wirksamste Methode. Risiken für Beschäftigte und Umwelt auszuschalten. Eine ärztliche Untersuchung vor Beginn und in regelmäßigen Abständen während einer Tätigkeit bei der Neukombination von Nukleinsäuren soU sicherstellen, daß nur ungefährdete Personen beschäftigt werden. Vor Beginn der Tätigkeit wird eine Blutprobe genommen und das Serum aufbewahrt. Dies soll die Möglichkeit geben. u. U. den möglichen Kontakt mit einem Mikroorganismus zu entdecken. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird eine zweite Serum probe gewonnen und zusammen mit der ersten für mindestens zehn 'ahre aufbewahrt, um bei vermuteten Folgekrankheiten eine Zuordnung zu ermöglichen. Den Anweisungen des Projektleiters und des Beauftragten für die biologische Sicherheit ist Folge zu leisten. Für Laboratorien der Sicherheitsstufe L3 und U existieren schriftliche Benut·
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zungs- und Betriebsanleitungen. Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit ebenso wie Unfälle oder Verstöße gegen die Sicherheitsbestimmungen sind dem Projektleiter oder dem Beauftragten für die biologische Sicherheit zu melden. Werden bei der Arbeit pathogene Mikroorganismen verwendet. gegen die eine Immunisierung möglich ist. muß diese vor Aufnahme der Arbeit erfolgen und die Wirksamkeit in geeigneten Zeitabständen kontrolliert werden. Aus Gründen der Vorsorge ist der Projektleiter gehalten. bei Erkrankung, bei denen ein Zusammenhang mit der Arbeit nicht auszuschließen ist, den behandelnden Arzt über die Art der Tätigkeit des Patienten zu unterrichten. Der Beschäftigte hat Erkrankungen, bei denen ein Zusammenhang mit seiner Tätigkeit nicht auszuschließen ist. umgehend dem Projektleiter oder dem Beauftragten für die biologische Sicherheit anzuzeigen und dem behandelnden Arzt die Art seiner Tätigkeit mitzuteilen. Hierdurch soll sichergestellt werden, daß eventuell tätigkeitsbedingte Erkrankungen erkannt werden können. Eine Schwangerschaft ist zum frühestmöglichen Zeitpunkt anzuzeigen. Bei strikter Beachtung dieses Merkblattes sind nach heutigem Wissen die Risiken bei Arbeiten zur Neukombination von Nukleinsäuren als gering anzusehen.
Anhang 1: Gentechnik-Richtlinien vom 28.5.1986
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Anhang Vorläufige Empfehlungen für den Umgang mit pathogenen Mikroorganismen und für die Klassifikation von Mikroorganismen und Krankheitserregern nach den im Umgang mit ihnen auftretenden Gefahren erarbeitet vom Bundesgesundheitsamt. Berlin. und der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere. Tübingen
Vom 7. Augustt98\
Vorwort
Diese .. Vorläufigen Empfehlungen für den Umgang mit pathogenen Mikroorganismen und für die Klassifikation von Mikroorganismen und Krankheitserregern nach den im Umgang mit ihnen auftretenden Gefahren" wurden vom Bundesgesundheitsamt und der BundesfOlschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Abstimmung mit in· und ausländischen Experten erarbeitet. Durch die Bezeichnung "Vorläufige Empfehlungen·· soll ausgedrückt werden. daß die Erfahrun· gen bei der Anwendung dieser Empfehlungen bei der Erstellung einer endgültigen Richtlinie be· rücksichtigt werden sollen. Entsprechend richten wir daher die Bitte an alle Beteiligten. ihre Er· fahrungen und ihre ergänzenden Anregungen dem Bundesgesundheitsamt mitzuteilen. Der Präsident des Bundesgesundhei tsam tes In Vertretung Kierski
Der Präsident der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere Mussgay
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Anhang 1: Gentechnik-Richtlinien vom 28.5.1986
Inb.ltlveneichni. Seite Einleitung .. Kriterien für die Klassifikation von Mikroorganismen und Krankheitserregern nach den im Umgang mit ihnen auftretenden Gefahren Klassifizierung der Viren Klassifizierung der Bakterien Klassifizierung der PHze Klassifizieruns der Parasiten Grundregeln guter mikrobiologischer Technik Anforderungen an Laboratorien für Arbeiten mit Viren. Bakterien, Pilzen und Parasiten Anforderungen an Räume für Tierexperimente .. Kennzeichnung der Lahoratoriumsräume und der Räume für Tierexperimente Anhang I: Sicherheitswerkbänke . Anhang 11: Dekontamination und Desinfektion Anhanglll:
Kriterien für die JO .. slllk~lIon VOD Mlkroorg~DbmeD und Krankhelberregern n~cb den Im Umgilßg mit Ihnen ~ullretenden GeI~breD
Die Klassifikation lehnt Sich an das von der Weitgesundheitsorganisation vorgeschlagene Schema an, das vier Risikogruppen beschreibt: Rlslkogruppe I Feohlendes oder georinges RiSiko [ür die BeschäHigten, die Bevöl· keorung und Haustiere. Rlslkogruppe 11 Mäßiges RIsiko [ür die Beschäftigten - geringps Risiko für die Bevölkerung und Haustiere. Rlslkogruppe 111 Hohes Risiko für die BeschäftIgten - geringes Risiko für die Be· völkrrung. Nicht heimische Erreger für Haustiere mit unbe· kanntem Risiko in Mitteleuropa.
394
394 395 396
397 397 397 398 398 399 399
400
~ib~~i~t~~~~~~r~~~~~i~.~~ ~.~~ .~i.c~.t~i.~i~.n.' .~i.e. ~~~~. ~.~~~.n.8. ~i.t .~~~~~~.e.i~~~r.~~~~~ ..
Einleitung Pathogene Mlkroorganismen werden seit mehr als 100 Jahren weltweit untersucht. Es ist bemerkenswert, daß diese intensive Beschäftigung mit zum Teil hochgeflhrlichen Krankheitserregern nur in relativ wenigen Fällen zu Infektionen und Erkrankungen bei den hier beteiligten Personen geführt hat. Die sorgfältige Ausbildung aller Beschäftigten und die strikte Be· achtung erprobter Sicherheitsmaßnahmen haben zu dieser ins· gesamt günstigen EntwickJung beigetragen. Moderne Methoden der Diagnostik und die stürmische EntwickJung der Biologie haben dazu geführt, daß der Kreisder Personen, die heute mit Krankheitserregern umgehen, sich sprunghart vergrößert hat und weiter anwachsen wird. Gleichzeitig WIrd mit ungewöhnlich hohen ErregerkonzeQtrationen gear· bettet und/oder es werden die Erreger auch au.8erhalb weniger Speziallaboratorien in großen Volumina vermehrt. Manche der heute mit path.ogenen Mikroorganismen arbeitenden Personen sind hierfür mcht ausreichend ausgebildet. andere haben nur ungenaue Vorstellungen von den möglichen Gefahren. Diese Klassifikation und diese Empfehlungen versuchen, die Zuordnung angemessener Sicherheitsmaßnahmen zu bestimmten Krankheitserregern zu erleichtern. Die wichtigsten und eUektivsten Sicherheitsma8nahmen sind eine umfassende Ausbildung in mikrobiologischen Sicherheitstechnilc.en und die disziplinierte Befolgung der Regeln guter mikrobiologischer Technik. Dies kann durch aufwendige apparative SIcherheitsmaßnahmen allenfalls ergänzt, aber nie ersetzt werden.
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Rlslkogruppe IV Hohes Risiko für die Beschäftigten - hohes oder unbekanntes Risiko für die Bevölkerung und Haustiere. Diese Risikoabschätzung gilt, wenn ohne hinreichende Ausbildung und ohne Beachtung der angemessenen. Sicherheitsmaßnahmen mit Krankheitserregern gearbeitet wird. Bei der Einordnung in die verschiedenen Risikogruppen wur· den folgende Faktoren berücksichtigt: a) Natürliche Virulenz und/oder Pathogenität der Krankheits· erreger, z.B. Häufigkeit apparenter Infektionen und Schwere des Krankheitsbildes; b) Art der Obertragung, z.B. durch Aerosole, direkten und indirekten Kontakt. durch Verletzungen, Vektoren; c) Epidemiologische Situation, z.B. Vorkommen und Verbreitung des Erregers, Ausmaß der Populations-Immunität. Rolle von Vektoren und Reservoirs; d) Tenazität der Erreger: Uberleben des Erregers unter üblichen Laboratoriumsbedingungeni e) Verfügbarkeit von wirksamen Impfstoffen und/oder Therapeutika. Die üste umfaßt vor allem die Mikroorganismen oder Krankheitserreger, die häufig auftreten oder Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten sind. Hier nicht genannte Erreger sind entsprechend den Einordnungskriterien zu kJassifizieren. In der Regel ist es nicht möglich, übliches diagnostisches Material einer der Risikogruppen zuzuordnen Bei gewissenhafter Einhaltung der Grundregeln guter mikrobiologischer Technik beim Umgang mit Krankheitserregern (s. S. 18-19) kann solches Material, das meist nur geringe Konzentrationen der Erreger enthält, gefahrlos unter den der Risilc.ogruppe 11 zugeordneten Bedingungen bearbeitet werden. Nach diagnostischer Klärung und/oder Vermehrung der Erreger müssen die dem Erreger entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. Zusätzliche oder über das übliche Maß hinausgehende Risiken gehen aus von Arbeiten - mit hohen Erregerkonzentrationen - mit großen Volumina (> 100 ml) - bei denen in größerem Umfang Aerosole entstehen, und - bei denen eine Verletzungsgefahr besteht. Bel diesen Arbetlen muß durch geeignete Maßnahmen, z.B. Einsatz von Sicherheitswerkbänken, das mögliche außeror-
Anhang 1: Gentechnik-Richtlinien vom 28.5.1986 dentliche Risiko ausgeschaltet werden. Ist dies nicht möglich, dürfen solche Arbeiten nicht durchgeführt werden.
Wegen der besonderen Natur der Experimente müssen gen-
technologische Arbeiten mit pathogenen Mikroorganismen in
jedem Fall mindestens unter den Bedingungen durchgeführt werden, denen die bearbeiteten Erreger zugeordnet sind.
Für die Herstellung, Prüfung und Lagerung von Sera, Impfstof· fen und Antigenen gelten besondere Vorschriften. Klassifizierung der Viren
RIsikogruppe I') Viren, die tür gesunde Erwachsene apathogen sind, z. S.: Virusstämme. die zur Lebendimpfung gegen Mumps, Masern,
Röteln, Gelbfieber, Poliomyelitis, eingesetzt werden, vorausgesetzt, daß nicht mehr als drei weitere Passagen erfolgen und zur Vermehrung keine anderen als die, die bei der Impfstoffherstellung verwendeten Zellsubstrate benutzt werden.
RIsikogruppe II') Adenoviren: (alle Serotypen)" Arboviren: (alle nicht in Gruppen 1II und IV aulgeführten Viren, da im yerlauf der Passagen Virulenzänderungenauftreten können, Ist besondere Vorsicht beim Umgang mit Arboviren angeraten.)bl.cl Arenaviren: (alle nicht in Gruppe IV aulgeführten Viren)"'