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German Pages V, 231 [230] Year 2020
IBE-Reihe
Jutta Rump Silke Eilers Hrsg.
Strategische Personalplanung Aktuelle Trends und Entwicklungen
IBE-Reihe Reihe herausgegeben von Jutta Rump Hochschule Ludwigshafen Inst. für Beschäftigung & Employability Ludwigshafen, Deutschland
Der demografische Wandel, technologische wie ökonomische Entwicklungen, knapper werdende Ressourcen und Rohstoffe, der gesellschaftliche Wertewandel, der Trend zu Individualisierung sowie der Zuwachs an Vielfalt beeinflussen in erheblichem Maße die Arbeitswelt. Unter diesen Bedingungen werden Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung und Mitarbeiterentwicklung zu investitionspolitischen Grundsatzentscheidungen. Die IBE-Reihe beleuchtet - basierend auf den Trends und Entwicklungen – aktuelle und zukunftsrelevanteThemen zu Führung, Personalmanagement und Organisationsentwicklung. Dabei wird die jeweilige Thematik umfassend und ganzheitlich dargestellt, es werden Handlungsempfehlungen gegeben und Best-Practice-Beispiele präsentiert. Anspruch der IBE-Reihe ist es, neueste Erkenntnisse in Führung, Personalmanagement und Orga nisationsentwicklung mit Umsetzungsmöglichkeiten zu kombinieren, die eine hohe Praxisrelevanz und Praktikabilität haben.
Weitere Bände in dieser Reihe: http://www.springer.com/series/11964
Jutta Rump • Silke Eilers Hrsg.
Strategische Personalplanung Aktuelle Trends und Entwicklungen
Hrsg. Jutta Rump Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Institut für Beschäftigung & Employability IBE, Ludwigshafen, Deutschland
Silke Eilers Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Institut für Beschäftigung & Employability IBE, Ludwigshafen, Deutschland
ISSN 2199-269X ISSN 2199-3009 (electronic) IBE-Reihe ISBN 978-3-662-61902-5 ISBN 978-3-662-61903-2 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-61903-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen.Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Inhaltsverzeichnis
Teil I Einführung und Hintergründe trategie für die Zukunft – Vom Trendscanning zur strategischen S Personalplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Jutta Rump und Silke Eilers Teil II Grundlagen raktische Umsetzung der strategischen Personalplanung in kleinen und P mittelständischen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Jutta Rump, Stefan Stracke, Gaby Wilms und David Zapp trategische Personalplanung: ein Thema für Betriebs- und Personalräte!. . . . . . 127 S Stefan Stracke, Cornelia Rieke und Katharina Schöneberg Teil III Stimmen aus der Praxis Einführung in die strategische Personalplanung in der Altenhilfe . . . . . . . . . . . . . 153 Melanie Riester rfahrungen im Einführungsprozess der Strategischen Personalplanung. . . . . . . 181 E Traudel de la Roi und Jasmin Krabat trategische Personalplanung und agile Teams im Amt für Soziale Dienste S der Stadt Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Frank Nerz, Jutta Rump und Silke Eilers ausparkasse Schwäbisch Hall AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 B Cornelia Malisi und Jürgen Ley ersonalpolitik in der Corona-Krise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 P Jutta Rump, Marc Brandt und Silke Eilers
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Teil I Einführung und Hintergründe
Strategie für die Zukunft – Vom Trendscanning zur strategischen Personalplanung Jutta Rump und Silke Eilers
Zusammenfassung
In einer Arbeitswelt, die sich im beständigen Wandel befindet, ist es unerlässlich einschätzen zu können, welche Trends und Entwicklungen das eigene Unternehmen und die eigene Belegschaft in welchem Ausmaß beeinflussen und welche Maßnahmen gegebenenfalls zu ergreifen sind, um mit den anstehenden Herausforderungen adäquat umzugehen. Zum einen zeigt sich bei näherer Betrachtung der Trends, dass kein Unternehmen – und sei es noch so klein – umhin kommt, strategisch in die Zukunft zu planen, um das richtige Personal in ausreichender Quantität zur Verfügung zu haben und so seine Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Zum anderen stellt eine solche eingehende Auseinandersetzung das Fundament einer jeden strategischen Personalplanung dar.
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Einführung
Wie auch der Beitrag von Jutta Rump, Stefan Stracke, Gaby Wilms und David Zapp („Praktische Umsetzung einer strategischen Personalplanung in kleinen und mittelständischen Unternehmen“) verdeutlicht, besteht der erste Schritt einer strategischen Personalplanung darin, die langfristige Strategie des Unternehmens zu definieren. Dazu gehört auch, sich mit den relevanten Trends und Entwicklungen auseinanderzusetzen und eine Einschätzung vorzunehmen, in welchem Maße diese die künftige Situation in Bezug auf Personalbestand und Personalbedarf beeinflussen.
J. Rump · S. Eilers (*) Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Institut für Beschäftigung & Employability IBE, Ludwigshafen, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Rump, S. Eilers (Hrsg.), Strategische Personalplanung, IBE-Reihe, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61903-2_1
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Das folgende Trendscanning liefert einen kurzen Überblick über die Trends, die derzeit absehbar sind und Einfluss auf eine strategische Personalplanung nehmen (können). Ebenso wird veranschaulicht, wie diese Trends auf Beschäftigung wirken. Sei es durch die Veränderung von Geschäftsmodellen oder Produktpaletten infolge der Digitalisierung und Globalisierung, durch veränderte Kompetenzanforderungen im Kontext sich wandelnder Arbeitsmodelle, durch neuartige Erwartungen von Nachwuchskräften an einen „guten Arbeitgeber“ bedingt durch die gesellschaftlichen Entwicklungen und vieles mehr. Letztlich ist es an jeder und jedem Unternehmens- oder Organisationsverantwortlichen, Ableitungen für die eigene Zukunftsfähigkeit zu treffen und sich mit einer strategischen Personalplanung entsprechend aufzustellen.
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Trendscanning – Zentrale Trends und Entwicklungen
Im Zusammenhang mit den zentralen Trends und Entwicklungen, die Einfluss auf unser Leben und Arbeiten nehmen, wird nicht selten von den „3 Ds“ gesprochen – Demografie, Diversität und Digitalisierung. An diesen drei großen Bereichen soll sich die folgende Trendbetrachtung orientieren. Hinzu kommen ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Entwicklungen, die ebenfalls eine große Rolle spielen (Abb. 1).
Abb. 1 Zentrale Trends und Entwicklungen (eigene Darstellung)
Strategie für die Zukunft – Vom Trendscanning zur strategischen Personalplanung
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Demografie
Die Altersstruktur in Deutschland verändert sich weg von einer jüngeren hin zu einer zunehmend älteren Bevölkerung. So lag der Altenquotient1 im Jahr 1970 noch bei 25, im Jahr 2000 bereits bei 27 und 2010 schließlich bei 34 – Tendenz steigend (Statistisches Bundesamt 2015a, 2019). Blickt man auf die drei zentralen Einflussfaktoren des demografischen Wandels – die Geburtenrate, die Lebenserwartung und die Zuwanderung –, so ist zu konstatieren, dass sich die ersten beiden Faktoren vergleichsweise gut vorhersehen bzw. berechnen lassen. Die Zuwanderung jedoch schwankt stark, wie insbesondere die unmittelbar nach der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung einsetzende Flüchtlingswelle des Jahres 2015 zeigt, die weit über den getroffenen Annahmen lag. Allerdings schreitet die Alterung der Bevölkerung trotz deutlich höherer Zuwanderungszahlen weiter voran. So wird die Altersgruppe der ab 67-Jährigen von 15,9 Mio. im Jahr 2018 auf mindestens 21 Mio. im Jahr 2039 wachsen, danach allerdings bis 2060 relativ stabil bleiben. Anders bei der Zahl der ab 80-Jährigen, bei denen das Niveau von 5,4 Mio. im Jahr 2018 moderat ansteigt bis auf 6,2 Mio. in 2022 und dann zunächst stabil bleibt bis Anfang der 2030er-Jahre. Danach erfolgt allerdings hier der große Zuwachs auf 8,9–10,5 Mio. im Jahr 2050 (je nach angenommener Lebenserwartung) (Statistisches Bundesamt 2019). Bis zum Jahr 2035 wird sich die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter (20–66 Jahre) in Deutschland auf 45,8–47,4 Mio. (je nach Szenario bezüglich der Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Nettozuwanderung) reduzieren. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 51,8 Mio. Nach 2035 folgt zunächst eine Phase der Stabilisierung, bevor 2060 die Zahl auf 40–46 Mio. (abhängig von der Nettozuwanderung) absinkt. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen im Alter bis 18 Jahre wird bis zum Jahr 2030 voraussichtlich noch ansteigen. Danach sind je nach Nettozuwanderung und Geburtenrate unterschiedliche Szenarien denkbar. Bei einer steigenden Geburtenrate wäre eine Stabilisierung möglich, für eine Steigerung bedürfte es zusätzlich eines dauerhaft hohen Wanderungssaldos von durchschnittlich mehr als 300.000 Personen pro Jahr. Ausgehend von einer eher moderaten Entwicklung beziehungsweise einem Sinken der Geburtenhäufigkeit würde nach 2030 die Zahl junger Menschen wieder abnehmen (Statistisches Bundesamt 2019). Seit der Jahrtausendwende steigt der Anteil der 55- bis 64-Jährigen an den Erwerbstätigen stetig an. 2014 erreichte er erstmals eine nahezu ausgeglichene Bilanz zum Anteil der 20- bis 25-Jährigen. Zu deren Anteil ist zu konstatieren, dass dieser nicht nur aufgrund demografischer Entwicklungen gesunken ist, sondern vielmehr auch durch die Tendenz zur Akademisierung und den dadurch immer längeren Verbleib im Bildungssystem. Was Der Altenquotient gibt das Verhältnis der Anzahl von Personen, die nicht im erwerbstätigen Alter sind, zur Anzahl von Personen im erwerbstätigen Alter an.
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den Erwerbsumfang derer, die auch im Alter zwischen 65 und 74 Jahren – also nach dem regulären Renteneintritt – erwerbstätig sind, anbelangt, so zeigt sich, dass dieser in der Regel reduziert wird. Im Jahr 2012 war nur etwa ein Viertel dieser Gruppe in Vollzeit erwerbstätig, zwei Drittel arbeiteten in Teilzeit mit einem Umfang von weniger als 20 Stunden in der Woche (41,1 Prozent der letztgenannten Gruppe sogar mit einem Umfang von weniger als 10 Stunden in der Woche). Unter den Vollzeitbeschäftigten wiederum finden sich besonders viele Selbstständige, Menschen mit höherem Bildungsabschluss sowie deutlich mehr Männer als Frauen (Esselmann und Geis 2015). Es gibt also eine wachsende Zahl gut ausgebildeter Menschen, die sich vorstellen können, über das Renteneintrittsalter hinaus beruflich aktiv zu sein – wenngleich nicht zwangsläufig in den gleichen Strukturen beziehungsweise im gleichen zeitlichen Umfang oder auf der gleichen Hierarchieebene wie bisher (Rump und Eilers 2020).
2.2
Diversität
Im Bereich Diversität sind unterschiedliche Trends zu differenzieren. Nachfolgend soll der Fokus auf der Generationendiversität, der kulturellen Diversität sowie der Genderdiversität liegen.
2.2.1 Generationendiversität Die demografische Entwicklung bedingt unweigerlich auch eine größere Vielfalt an Generationen, die in Gesellschaft und Arbeitswelt aufeinandertreffen und teils sehr unterschiedliche Sozialisationserfahrungen mitbringen. So ist bereits bei den späten Babyboomern ein deutlicher Wandel in der Sozialisation im Vergleich zu deren Elterngeneration zu beobachten. Während diese noch von der schwierigen Kriegs- und Nachkriegszeit geprägt war, sind die Babyboomer in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs aufgewachsen, wodurch sie deutlich mehr Optimismus und Tatendrang erlebt haben (Appel und Michel- Dittgen 2013). Überwiegend herrschten hier materieller Wohlstand und Eigeninitiative, was sich auch auf ihre Haltung im späteren Berufsleben niederschlug, wo Ehrgeiz und Konkurrenzfähigkeit, neben hoher Sozialkompetenz, diese Jahrgänge charakterisieren (Oertel 2007). Heutzutage befindet sich ein Teil dieser Generation bereits im Rentenalter, während andere noch in Fach- und Führungspositionen agieren und den Wandel der Arbeitshaltung in den nachfolgenden Generationen miterleben (Appel und Michel-Dittgen 2013). Denn bereits die darauffolgende Generation, die Generation X (1970–1984), wuchs in einem veränderten Umfeld auf. Diese Zeit war durch einen Anstieg der Unsicherheiten im privaten und beruflichen Kontext (wie z. B. steigende Arbeitslosenquote, steigende Scheidungsrate, Wiedervereinigung Deutschlands) geprägt (Bruch et al. 2010; Appel und Michel-Dittgen 2013). Dadurch ist auch die Arbeitseinstellung der in dieser Zeit geborenen und aufgewachsenen Personen typischerweise dadurch bestimmt, dass nun eher Sicherheit im Beruf, zur selben Zeit jedoch auch die berufliche Weiterentwicklung und materieller Wohlstand angestrebt werden. Gleichzeitig geht es nun nicht mehr primär darum,
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die Arbeitsleistung zu erbringen und dem Arbeitgeber durch Fleiß seine Loyalität zu beweisen, sondern Arbeitnehmende dieser Generation fordern inzwischen vielmehr einen Ausgleich zum Berufsleben. Zudem scheut die oder der „moderne“ Arbeitnehmende nun nicht mehr davor zurück, auch andere Arbeitgeber in Betracht zu ziehen, um die persönlichen Ziele zu erreichen (Oertel 2007). Der technologische Wandel prägte die berufliche Sozialisation der Angehörigen dieser Generation bereits merklich und führte nicht zuletzt auch zu der veränderten Grundhaltung, sich fachlich weiterzuentwickeln und zunehmend nach Wissen zu streben (Bruch et al. 2010). Diese Tendenzen, die sich in der Generation X erst allmählich entwickelten, stellten für die nachfolgende Generation Y (1985–2000) bereits eine Selbstverständlichkeit dar und intensivierten sich noch. Diese Generation profitiert von der Globalisierung sowie von der demografischen Entwicklung und nutzt die Vorteile zu ihren eigenen Gunsten in der Berufsfindung, sodass nicht zuletzt häufigere Berufs- oder Arbeitgeberwechsel stattfinden und die Erfüllung der eigenen Grundbedürfnisse im Vordergrund steht (Bruch et al. 2010). Spannende Arbeitsaufgaben, immer wieder neue Herausforderungen und interessante Fragestellungen machen bei der Wahl eines Arbeitgebers und bei der Entstehung von Motivation und Bindung für viele Vertreterinnen und Vertreter dieser Generation den Unterschied. Zu einem interessanten und herausfordernden Arbeitsumfeld gehört für sie auch die Möglichkeit, selbstständig zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen sowie sich in gewisser Weise selbst zu verwirklichen und „Autonomie“ zu erfahren (Rump und Eilers 2015). Für die meisten ab dem Jahr 2000 geborenen Vertreterinnen und Vertreter der Generation Z steht der Einstieg in das Berufsleben erst noch bevor. Ihnen werden in der aktuellen Shell-Jugendstudie ein hoher Pragmatismus, eine ausgeprägte Anpassungsfähigkeit sowie der Wunsch nach Sicherheit und sozialen Beziehungen sowie nach der Möglichkeit, im späteren Berufsleben genügend Zeit für Familie und Freizeit zu haben, bescheinigt (Albert et al. 2015). Verschwimmende Grenzen zwischen Beruf und Privatleben entsprechen nicht ihren Vorstellungen, vielmehr streben sie ein angemessenes Maß an tatsächlich freier Zeit an (XING 2018). Prognosen über die darauffolgende Generation Alpha, geboren etwa ab 2015, abzugeben, erscheint noch eher kühn.
2.2.2 Kulturelle Diversität Die Globalisierung ist eng mit der Internationalisierung von Gesellschaften und Belegschaften und deren kultureller Vielfalt verknüpft. So nimmt der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund zu. Zum einen ist die Rekrutierung im Ausland ein Treiber, um den Bedarf an Fachkräften zu decken. Zum anderen ist die zunehmende Mobilität von Menschen für die kulturelle Vielfalt verantwortlich. Zum dritten tragen offenere Grenzen und Wanderungs- bzw. Flüchtlingsprozesse zum Trend der Internationalisierung bei. Da rüber hinaus ist davon auszugehen, dass technologische Möglichkeiten der Vernetzung eine Internationalisierung von Belegschaften befördern, die mit einer Entkoppelung vom Ort verbunden ist. Ohne dass Mitarbeitende ihren Wohn- und Arbeitsort (wo auch immer auf dieser Welt) verlassen, ist eine Zusammenarbeit im Team machbar.
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In der Konsequenz gilt es, in unterschiedliche Gruppen zu differenzieren, durch die kulturelle Vielfalt in die Unternehmen kommt. So werden zum einen nicht wenige Unternehmen auch im Ausland aktiv nach Fach- und Führungskräften suchen, um sie ins Land zu holen. Die zweite Gruppe stellen die in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund dar, durch die sich die kulturelle Vielfalt in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt erhöht. Dies ist für Deutschland durchaus kein neues Phänomen. So kam es durch die gezielte Anwerbung von Arbeitnehmenden aus dem Mittelmeerraum zur Deckung des Arbeitskräftebedarfs in der Nachkriegsökonomie in den 1950er- und 1960er- Jahren und zu Beginn der 1990er-Jahre durch die Grenzöffnung der damaligen Ostblockstaaten zu einem massiven Anstieg des Ausländeranteils an der Wohnbevölkerung. Gleichzeitig verstärkte sich auch die Zuwanderung von Geflüchteten, vor allem aus Asien und Afrika sowie im späteren Verlauf der 1990er-Jahre aus dem ehemaligen Jugoslawien. Das Jahr 2015 schließlich war gekennzeichnet von einem nie da gewesenen Zustrom geflüchteter Menschen nach Deutschland, während in den Folgejahren die Zuwanderung allerdings wieder deutlich zurückging (Rump und Eilers 2019b). Heute leben in Deutschland rund 19,3 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund, etwas mehr als die Hälfte von ihnen sind Ausländerinnen und Ausländer (Statistisches Bundesamt 2018d). Die Herausforderung besteht darin, das Potenzial der bereits in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund besser als bislang zu nutzen und bei neu Ankommenden zunächst so schnell und umfassend wie möglich eine Integration in das deutsche Bildungs- und Arbeitssystem und in die deutsche Gesellschaft zu erreichen.
2.2.3 Genderdiversität Eine der tief greifendsten Veränderungen in der deutschen Gesellschaft seit den 1970er-Jahren stellt der Wandel der Geschlechterrollen dar, der sich insbesondere in Bezug auf die Bildungsverläufe und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit manifestiert. Bereits 2005 postulierte der Trendforscher Matthias Horx: „Frauen sind auf dem Vormarsch“ (Horx 2005). Bedingt wird dies nicht zuletzt durch den stetig steigenden Bildungs- und Qualifikationsstand von Frauen. Während 1950 nur etwa ein Drittel der Abiturienten in Deutschland weiblich waren, trifft dies seit Mitte der 2010er-Jahre auf mehr als die Hälfte zu (Statistisches Bundesamt 2014; SPIEGEL ONLINE Schulspiegel 2011; WSI 2017). Der Anteil weiblicher Studienanfänger stieg von 36,9 Prozent im Jahr 1975 auf 50,7 Prozent im Jahr 2017 (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018). Innerhalb einer Generation hat sich auch das Geschlechterverhältnis in Bezug auf akademische Abschlüsse gedreht: Unter den heute 60- bis 64-Jährigen haben noch deutlich mehr Männer als Frauen einen entsprechenden Abschluss, während es unter den 30bis 34-Jährigen mehr Frauen sind (Statistisches Bundesamt 2018b). In beruflicher Hinsicht ist zu konstatieren, dass die Erwerbstätigenquoten von Frauen seit den 1970er-Jahren kontinuierlich gestiegen sind, auf heute 75 Prozent (Statistisches Bundesamt 2018a). Neben den besseren Bildungsabschlüssen von Frauen ist diese Entwicklung auch dem sektoralen Wandel geschuldet. Denn gerade in den Wirtschaftsbereichen, in denen sich besonders häufig Frauen finden – wie beispielsweise dem Dienstleistungssektor –, hat die Beschäftigung in dem Betrachtungszeitraum stark zugenommen, während sie in traditionell eher männlich besetzten Branchen wie dem produzierenden
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Gewerbe rückläufig war. Zudem kam es durch den Ausbau des Sozialstaats in den 1960er-Jahren dazu, dass unter anderem Versorgung und Pflege in bezahlte Arbeit im öffentlichen Sektor umgewandelt wurde. Dadurch weiteten sich „klassische Frauenberufe“ wie Erzieherin, Krankenpflegerin oder Verwaltungsangestellte aus (Statistisches Bundesamt 2005, 2010). Mit zunehmender Erwerbstätigkeit der Frauen verlor das Alleinverdienermodell in Familien immer mehr an Bedeutung. Es wurde ersetzt durch das sogenannte Zuverdienermodell mit einem (meist männlichen) Hauptverdiener und einem (meist weiblichen) Zuverdiener im Sinne einer Teilzeitbeschäftigung oder einer geringfügigen Beschäftigung. Die ökonomische Abhängigkeit der Frauen von ihren Ehemännern ging damit deutlich zurück. Allerdings hat sich bis heute an dem o. g. Zuverdienermodell nicht entscheidend etwas verändert, das heißt, die durchschnittlichen Arbeitszeiten von Frauen liegen auch heute noch deutlich unter denen von Männern (jede zweite Frau arbeitet nicht in Vollzeit), und unter den Müttern sind 69 Prozent in Teilzeit beschäftigt (verglichen mit 6 Prozent der Väter) (Statistisches Bundesamt 2018c). Und so ist der starke Anstieg der Erwerbstätigenquote unter Frauen insbesondere einem ebenfalls starken Anstieg der Teilzeitbeschäftigung im gleichen Zeitraum geschuldet. Charakteristisch für Teilzeitbeschäftigung in Deutschland ist die vergleichsweise geringe durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von rund 19 Stunden. Diese findet sich wiederum insbesondere bei westdeutschen Frauen, während sowohl der Anteil an vollzeitbeschäftigten Frauen als auch das Stundenvolumen der Teilzeitbeschäftigten in Ostdeutschland deutlich höher sind (Holst und Wieber 2014). Zwar zeigen Umfragen unter jungen Menschen bereits seit Ende der 1990er-Jahre den Wunsch nach einer gleichberechtigten Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit, jedoch findet sich mit der Geburt des ersten Kindes nach wie vor in der Mehrzahl der Partnerschaften das beschriebene Zuverdienermodell. Diese Entwicklung ist allerdings nicht nur gesellschaftlichen Traditionen, insbesondere in Westdeutschland, geschuldet, sondern vielmehr auch einer in vielen Regionen Deutschlands nach wie vor unzureichenden Kinderbetreuungsinfrastruktur sowie rein wirtschaftlichen Überlegungen. Zum einen besteht noch immer ein sogenannter Gender Pay Gap mit geringeren Verdienstmöglichkeiten von Frauen bei gleicher Qualifikation, zum anderen fördert das sogenannte Ehegattensplitting auf steuerlicher Ebene Alleinverdienerehen. Zudem selektieren sich Frauen nach wie vor überdurchschnittlich häufig in Berufsfelder, die mit einem geringeren Einkommen und verringerten Aufstiegschancen einhergehen. So finden sich neun von zehn berufstätigen Frauen im Dienstleistungsbereich wieder (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018). Auch zahlreiche Initiativen zur stärkeren Integration von Frauen in die sogenannten MINT-Berufe sowie in Führungspositionen, die seit den 1990er-Jahren im Zuge der bereits angesprochenen Gender-Mainstreaming-Bewegung angestoßen wurden, zeigen zwar Erfolge, haben jedoch nicht zu durchschlagenden Veränderungen geführt. Vielmehr stagniert der Anteil von Frauen in Führungspositionen seit Jahrzehnten auf einem Niveau von etwa 30 Prozent (Statistisches Bundesamt 2015b; Schmidt und Stettes 2018).2 Der Frauen Unterschiedliche Studien verwenden verschiedene Klassifizierungen und kommen daher auch zu leicht abweichenden Zahlen.
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anteil nimmt dabei mit zunehmender Hierarchieebene ab – man spricht auch vom „Glass Ceiling“, einer unsichtbaren Decke, die den Weg nach oben blockiert, ein Begriff, der schon in den 70er-Jahren in den USA geprägt wurde und noch heute Bestand hat.
2.3
Digitalisierung
Die Digitalisierung wird vielfach als Oberbegriff für die Konsequenzen genutzt, die sich durch verschiedenste moderne Instrumente der Informations- und Kommunikationstechnologie sowohl im täglichen Leben als auch im Arbeitskontext ergeben. Der Terminus digitale Transformation beschreibt dabei den Vorgang, mit dem die Möglichkeiten, die sich durch diese Technologien bieten, zu einer Neugestaltung von Prozessen, Strukturen, Geschäftsmodellen und nicht zuletzt auch gesamtgesellschaftlichen Verhaltensweisen führen. Der Begriff Transformation weist bereits darauf hin, dass es sich um ein Phänomen handelt, das keinen Anfang und kein Ende hat (Rump und Eilers 2020). Vielfach wird die Digitalisierung als alleinige Ursache für zahlreiche Entwicklungen in Bezug auf Organisationsstrukturen, Lernen sowie Kompetenzanforderungen und Berufsbilder gesehen. Dies ist durchaus richtig und wichtig, doch greift es zu kurz, da die Digitalisierung in vielen Fällen eher der Treiber oder „Enabler“ ist, um Veränderungen umzusetzen oder Verhaltensweisen zu unterstützen, die letztlich in anderen Megatrends begründet liegen (Mazari 2018; Stalder 2016). Ein Beispiel stellt die Zunahme des ortsflexiblen Arbeitens dar, das erst durch moderne Kommunikationstechnologie möglich wurde, aber letztendlich in einem engen Zusammenhang zu gesellschaftlichen Trends hin zu mehr Selbstbestimmtheit und einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben steht. Umgekehrt sind viele Konsequenzen der Digitalisierung nicht primär technischer Natur. Vielmehr verändert sie auch das soziale Miteinander in entscheidender Weise. Zu denken ist nur an die sozialen Netzwerke und Messengerdienste, die gerade für die jüngere Generation eine alltägliche Form des Austauschs darstellen, die den persönlichen Kontakt deutlich reduziert (Mazari 2018; Rump und Eilers 2020). Das Weltwirtschaftsforum definiert insbesondere das allgegenwärtige mobile Hochgeschwindigkeitsinternet, künstliche Intelligenz, die umfängliche Anwendung von Big- Data-Analysen sowie Cloud-Technologie als die entscheidenden Treiber für Wirtschaftswachstum in den Jahren 2018–2022 (WEF 2018). So wird das Internet in Zukunft noch stärker als bisher das Leben und Arbeiten der Menschen durch virtuelle Vernetzung sowie flexible Kooperations- und Organisationsformen durchdringen. Der Cisco Visual Networking Index geht bis zum Jahr 2022 von einem weltweiten Datentransfer über das Internet von mehr als 150 TB pro Sekunde aus (Cisco 2019). In der Konsequenz verschmelzen reale und virtuelle Welt immer mehr miteinander, man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Internet der Dinge“. Dieses bringt Entlastungen durch intelligente Umgebungen und interagierende Objekte mit sich. Geschäftspotenziale durch das „Internet der Dinge“ ergeben sich vor allem in den Bereichen Automatisierung, Logistik, Automobil, Gesundheit, alternde Gesellschaft, Um-
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welt, Energie, Geschäftsprozesse und Sicherheit. Im betrieblichen Kontext entstehen neue Möglichkeiten zur Automatisierung bestehender und Schaffung neuer digitaler Prozesse, beispielsweise durch intelligente Sensoren und automatisierte Steuerungssysteme, sowie Entwicklung smarter Produkte und Dienstleistungen (Lemke 2019). Heute schon und in Zukunft noch stärker können Mitarbeitende jederzeit und von jedem Ort aus auf Daten und Informationen zugreifen und so auch neues kontextbezogenes Wissen erzeugen. Mit diesen wissensbasierten Systemen und einem entsprechenden Wissensmanagement ist es möglich, in Echtzeit Prozesse und ganze Unternehmen global zu steuern. Die zunehmende Informationsflut wird damit beherrschbar gemacht, interdisziplinäre Entwicklungen vereinfacht. Ebenso ist es möglich, Entscheidungen und Handlungsoptionen rechnergestützt zu modellieren, um Effizienz, Flexibilität und Beschleunigung zu erreichen. Infolge der umfassenden Informatisierung entstehen auch neue Geschäftsmodelle, die agiler und stärker auf Vernetzung ausgerichtet sind. In diesem Zusammenhang ermöglicht z. B. „Crowdsourcing“ eine neue Form des Outsourcing und erzielt Kostenvorteile bei gleichzeitiger Steigerung des Leistungsumfangs. Durch die unkomplizierte Vernetzung von Datenbanken können Kunden- oder Konstruktionsdaten ausgetauscht werden. Immer häufiger arbeiten Expertenteams aus aller Welt gemeinsam an Projekten. Durch die Vernetzung von Menschen, insbesondere aber durch die immense Ausweitung der Vernetzungsmöglichkeiten, lassen sich unterschiedliche Kenntnisse, Erfahrungen und Kompetenzen optimal miteinander kombinieren. Hinzu kommt, dass in einem funktionierenden Netzwerk Anzeichen für Veränderungen des relevanten Umfelds vergleichsweise schnell erkannt werden, sodass eine beschleunigte und flexiblere Reaktion auf Marktveränderungen erfolgen kann. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Konnektivität oder auch Hyperkonnektivität. Dabei geht es nicht zuletzt um die Befähigung und Ermutigung von Mitarbeitenden und Führungskräften, an neuen Austauschformaten aktiv teilzunehmen und digitale Tools zu nutzen, um die Zusammenarbeit auch auf virtuellem Wege, über Landesgrenzen hinweg und in mobilen Arbeitssituationen zu fördern. Kundenwünsche und -bedürfnisse lassen sich über den gesamten Produktzyklus hinweg einbinden, sodass die Kundenzentrierung erheblich erhöht wird. Ein weiterer Aspekt der Konnektivität ist darin zu sehen, dass zuvor eigenständige Funktionalitäten und Technologien zu Gesamtangeboten verschmelzen und Nutzerprofile auf den unterschiedlichsten Endgeräten das gleiche Angebot verfügbar machen. Ein digitales Gut wie ein Dokument, ein Foto oder auch ein Tweet lassen sich nahezu kostenfrei millionenfach vertreiben und erzielen dadurch immense Netzwerkeffekte, die wiederum eine digitale Wertschöpfung nach sich ziehen (Lemke 2019). Derzeit in aller Munde ist die künstliche Intelligenz, kurz KI oder im englischen Sprachgebrauch auch AI (Artificial Intelligence) genannt. Sie versetzt Computer oder Roboter in die Lage, menschliches Verhalten zu simulieren und infolgedessen entsprechende Aktionen durchzuführen. Mehr und mehr ergeben sich daraus Potenziale zur Substitution intellektueller menschlicher Denkleistungen und in der Konsequenz auch zur Automatisierung bestimmter intellektuell anspruchsvoller Tätigkeiten, wenngleich nicht davon auszugehen ist, dass in absehbarer Zukunft eine Art Superintelligenz existieren wird (Lemke
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2019; Bostrom 2014; BCG 2018). In einigen Bereichen übertrifft KI zwar bereits das menschliche Vorbild, in anderen ist aber noch nicht absehbar, ob das jemals möglich sein wird (KPMG 2018). Wissensbasierte Systeme können Daten so verarbeiten, dass Assistenz- und Wissensdienste individualisiert an die Vorkenntnisse des Anwenders oder der Anwenderin angepasst werden und im Arbeitskontext dadurch die richtigen Informationen und Hilfestellungen zur Verfügung stehen (Igel 2018). Um all diese Potenziale bestmöglich auszuschöpfen, bedarf es einer intelligenten Kombination der automatischen Systeme mit den menschlichen Fähigkeiten (Abele und Reinhart 2011; BDI/Z_Punkt 2011; Hofmann et al. 2007; Dapp 2011; Scheer 2009). Künftig wird sich durch den Einsatz von KI aus Sicht der Beschäftigten zudem die Flexibilität noch weiter erhöhen, Tätigkeiten werden anspruchsvoller, monotone Routinetätigkeiten leichter zu bewältigen (Stowasser 2019). Der WEF-Studie zufolge erwarten Unternehmen im Zeitraum zwischen 2018 und 2022 eine erhebliche Verschiebung der Grenzen zwischen Mensch und Maschine, wenn es um vorhandene Arbeitsaufgaben geht, auch in Bereichen wie Kommunikation und Interaktion sowie bei Koordinations- und Managementfunktionen, in der Entwicklung und Beratung bis hin zur Entscheidungsfindung (WEF 2018). Heute bezieht sich der KI-Begriff in der Regel auf die sogenannte schwache künstliche Intelligenz, die aber in wenigen Jahren sehr viel weiter gefasst werden muss und bis hin zu starker künstlicher Intelligenz reichen kann, die im Handlungs- und Entscheidungsvermögen dem Menschen gleicht und selbstständig logisch denkt, plant, lernt und kommuniziert. Starke KI ist derzeit allerdings noch ein Zukunftsszenario. Wie sich KI entwickelt, hängt in hohem Maße von der Akzeptanz und Gestaltung ab. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass mit KI auch nicht unerhebliche Unsicherheiten und Befürchtungen einhergehen (KPMG 2018; Rump und Eilers 2020). Auch der globale Markt für Roboter wächst. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Informatikern und Informatikerinnen, die in der Lage sind, sie zu programmieren. Denkbar ist künftig eine Entwicklung hin zu intelligenten Programmen, die es „jedermann“ ermöglichen, einen Roboter zu programmieren, oder aber zu einer Weiterbildung im digitalen Bereich, die Fachkräfte in die Lage versetzen, komplexe Software bedienen oder auch konfigurieren zu können (Hoffmann 2019). Für Unternehmen und Organisationen ist es eine große Herausforderung, die technologischen Potenziale, die sich ihnen bieten, zu überblicken, sie realistisch einzuschätzen und auch entsprechend zu nutzen. Dazu bedarf es neben einer modernen IT-Infrastruktur weiterer Voraussetzungen wie einer innovationsfreudigen Unternehmenskultur, agilen Arbeitsmethoden, der Optimierung von Geschäftsprozessen und einer adäquaten Innovationsentwicklung und -Realisierung (Kofler 2018). Nicht zuletzt ist es entscheidend, genügend Mitarbeitende in der Belegschaft zu haben, die über ein hohes Verständnis für die neuen Prozesse verfügen und sie steuern können. Auch Kooperationen mit anderen Unternehmen können hilfreich sein, um von den wechselseitigen Erfahrungen zu profitieren. Nicht zuletzt gilt es, zielgerichtet in KI zu investieren (KPMG 2018; Rump und Eilers 2020). Die immensen Effekte der Digitalisierung zeigen sich insbesondere in disruptiven Technologien, die Strukturen, Prozesse und Geschäftsmodelle unwiederbringlich verän-
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dern. Als Beispiele seien die Verdrängung der Analog- durch die Digitalfotografie oder der fortschreitende Abbau von Bankfilialen zugunsten von Onlinebanking genannt. Dazu trägt auch bei, dass das Internet Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit gibt, Preise und Strukturen zu vergleichen und mündig ihre eigenen Entscheidungen auf Basis einer hohen Informationsdichte zu treffen (Lemke 2019; Rump und Eilers 2020).
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konomische, ökologische und Ö gesellschaftliche Entwicklungen
2.4.1 Ökonomie Unter den ökonomischen Trends finden sich die Globalisierung sowie die Entwicklung zur sogenannten VUCA-Welt. Eng damit verknüpft ist der Übergang zur Wissens- und Innovationsgesellschaft. Weitere entscheidende Entwicklungen im ökonomischen Bereich sind der voranschreitende Ressourcenmangel, aber auch weltweite Tendenzen zum Protektionismus sowie die Steigerung von Mobilität. Globalisierung Die Globalisierung spielt eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die ökonomische Entwicklung Deutschlands. Kaum eine andere große Volkswirtschaft profitiert ähnlich stark von ihr (Böhmer et al. 2016). Nach dem KOF Index of Globalization belegt Deutschland aktuell Rang 8 der am stärksten globalisierten Länder (Statista 2018).3 Seit einigen Jahren zu beobachten, kommt es zunehmend zu einer Machtverschiebung von West nach Ost mit einem Erstarken des asiatischen Raumes (Z_Punkt 2019). Zunehmend überschreitet die Arbeit auch geografische, sprachliche und kulturelle Grenzen, das heißt, vermehrt werden Produktionsschritte oder Dienstleistungen an Orten ausgeführt, an denen dies zu vergleichsweise günstigen Kosten möglich ist oder an denen ausgewiesene Expertinnen und Experten zu der jeweiligen Thematik zu finden sind. Gleichzeitig ist es in einer globalisierten digitalisierten Welt immer einfacher möglich, von nahezu jedem Punkt der Erde bestimmte Tätigkeiten, insbesondere in wissensintensiven Bereichen, auszuüben. Nach Jahrzehnten des Offshoring ist inzwischen auch ein Gegentrend zu erkennen: Zunehmend entscheiden sich Unternehmen für das sogenannte Inshoring oder Reshoring, das heißt, ausgelagerte Prozesse werden zurück in das Ursprungsland geholt. Hintergrund ist, dass die Kostenvorteile in den klassischen Offshoring-Ländern vielfach schwinden, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Errungenschaften der Digitalisierung im Kontext von Industrie 4.0 ebenfalls zu deutlichen Kostenreduktionen und Kapazitätsverbesserungen führen können. Die Boston Consulting Group (BCG 2015) stellt in einer Studie
Der KOF Index of Globalization misst 3 Hauptdimensionen der Globalisierung: ökonomische Globalisierung, soziale Globalisierung und politische Globalisierung. Diese Dimensionen werden in weitere Unterdimensionen untergliedert. Je höher der Indexwert, desto globalisierter ist ein Land.
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beispielsweise bei einer steigenden Zahl US-amerikanischer Unternehmen die Bereitschaft zum Reshoring fest (Rump und Eilers 2020). Als Gegentrend zur Globalisierung wird nicht selten die Begrifflichkeit der Glokalisierung (engl. Glocalisation) ins Spiel gebracht. Interessanterweise finden sich hierzu unterschiedliche Interpretationsansätze. So verstehen einige Autoren unter Glokalisierung eine Zusammenführung der scheinbar widersprüchlichen Begriffe Globalisierung und Lokalisierung. Dabei geht es in einem Interpretationsansatz (u. a. Seibert 2016) um die Auswirkungen der Globalisierung auf lokale Entwicklungen, Prozesse und Kulturen und das Bestreben danach, trotz der voranschreitenden Globalisierung nationale und individuelle Identitäten und Charakteristika zu bewahren. Für Robertson (1995) ist das Lokale Teil der Globalisierung bzw. beide Elemente bedingen einander. So wird seinem Erachtens nach beispielsweise die Sehnsucht der Menschen nach „Heimat“ und „Wurzeln“ von der Globalisierung getrieben. Die ökonomische Perspektive betonen u. a. Haas und Neumair (2007) im Sinne des Verhältnisses zwischen der globalen Ausrichtung von Organisationen und Unternehmen und der vielfach lokal verorteten industriellen Produktion sowie lokal angepassten (Produktions)strategien. Dahinter steht die Rückbesinnung auf regionale Märkte und deren Vernetzung mit internationalen Märkten bei gleichzeitiger t ransnationaler Ausrichtung von Unternehmen. Andere Autoren wiederum stellen diesen Begriff in den Kontext der Urbanisierung (vgl. Abschn. 2.4.2). Wissens-/Innovationsgesellschaft Wissen, Kompetenzen, Fertigkeiten und Motivation der Mitarbeitenden werden immer mehr zum erfolgskritischen Faktor, um als Unternehmen auf einem zunehmend vielfältigeren und komplexeren Markt zu überleben. Gleichzeitig sinkt die Halbwertzeit von Wissen rapide, und es wird in der Folge zunehmend zur Herausforderung, Wissen und Kompetenzen „ein Leben lang“ aktuell zu halten und die Komplexität zu überblicken. Zudem finden Innovation und wissenschaftlicher Fortschritt nicht mehr nur in den hoch entwickelten Wirtschaftsnationen, sondern – nicht zuletzt bedingt durch die rasante Ausbreitung digitaler Technologien – in zunehmendem Maße auch in Schwellenländern statt. Und so wird auch Wissensarbeit immer stärker weltweit verteilt. Dadurch gehen gerade im mittleren Qualifikationssegment in den hoch entwickelten Wirtschaftsnationen Arbeitsplätze verloren (IZA 2015; Astheimer 2015), und für Arbeitgeber findet der Wettbewerb um die besten Fachkräfte vermehrt global statt. Hier zeigt sich eine enge Verbindung zur Globalisierung. Bereits heute investiert die deutsche Wirtschaft mehr in Wissenskapital als in klassische Anlagegüter. Dieses umfasst neben den Kompetenzen der Mitarbeitenden auch entsprechende Software und Datenbanken, um mit der digitalen Transformation Schritt halten zu können. Im internationalen Vergleich stellen sich diese Investitionen allerdings nur durchschnittlich dar, zudem ist der Wissenskapitalstock aufgrund der demografischen Entwicklung überdurchschnittlich alt. Was die Art des Wissenskapitals angeht, hapert es insbesondere an Investitionen in Führungskompetenzen und die Aus- und Weiterbildung der
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Mitarbeitenden, bei denen Deutschland auf dem letzten Platz zu finden ist (Stühmeier 2019; Rump und Eilers 2020). Entwicklung zur VUCA-Welt Die Arbeitswelt der Zukunft ist charakterisiert durch die zunehmende Instabilität von Märkten, die sich unter anderem in kürzeren Produktlebenszyklen und schnelleren Innovationszyklen manifestiert. Entwicklungen werden immer schwerer vorhersehbar, eindeutige Zuordnungen sind häufig nicht mehr möglich. Die Steuerung von Unsicherheiten sowie einer nie da gewesenen Dimension der Komplexität wird dadurch zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor (BDI und Z_Punkt GmbH 2011). Es gilt, bestehende Geschäftsmodelle zu transformieren, neue zukunftsträchtige Geschäftsfelder zu besetzen und gleichzeitig auch das noch profitable Kerngeschäft so effizient wie möglich zu verfolgen. Strategische Allianzen im Sinne von Wertschöpfungspartnerschaften erlangen dabei eine zunehmende Bedeutung, da es immer schwieriger wird, alleine Innovationen zu erarbeiten und am Markt durchzusetzen. Durch die Zunahme an integrierten Produkten und Dienstleistungen verschwimmen die Grenzen immer stärker, es entstehen hoch flexible Prozesse und Strukturen. Auch die Ziele der Geschäftstätigkeit wandeln sich und schließen immer häufiger auch positive Effekte auf Gesellschaft und/oder Umwelt ein (Z_Punkt 2019; BMWI 2018). Ebenso gilt es, sich auf neue Kundenbeziehungen einzustellen. Denn Kundinnen und Kunden werden „mündiger“, sind besser informiert und erwarten, dass ihre Bedürfnisse in hohem Maße durch kompetente Ansprechpersonen und individualisierte „Rundumlösungen“ umgesetzt werden, und kommunizieren in sozialen Medien offen über ihre Erfahrungen (Rump und Eilers 2020). All diese Entwicklungen führen dazu, dass sich Unternehmen zunehmend im Zustand der Ambiguität befinden, die sich in Bezug auf unterschiedlichste Spannungsfelder äußert (Tab. 1).
Tab. 1 Spannungsfelder in den Bereichen Business, Führung, Beschäftigte und Organisation (Rump und Eilers 2019a) Business Traditionelle Geschäftsmodelle – Digitale Geschäftsmodelle Kostendruck – Innovationsdruck
Security – Flexibility (Flexicurity)
Führung Change – Transformation
Beschäftigte Organisation Bewahren – Verändern Linienorganisation – Agile Organisation
Personalanpassung – Transaktionale Fachkräfteengpässe Führung – Transformationale Führung Kontrolle – Vertrauen
Agilität – Flexibilität
Mobile Arbeit – Stationäre Arbeit Erreichbarkeit – Verfügbarkeit Beruf – Privatleben
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In aller Munde ist im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen das Akronym VUCA. Dieses stammt ursprünglich aus dem Kontext der US Army. Dort diente es in den 1990er-Jahren auf dem US Army War College dazu, die ungewohnte Situation nach dem Ende des Kalten Krieges begrifflich zu erfassen (Gläser 2018; Bartlett-Mattis 2017). Im aktuell diskutierten Kontext geht es vor allem darum, anhand einer vorgegebenen Struktur mit definierten Begrifflichkeiten die Rahmenbedingungen von Organisationen den Umfeldbedingungen anzupassen. Hinter dem Akronym VUCA verbergen sich unterschiedliche Zusammenhänge (Tab. 2). Der entscheidende Treiber für die VUCA-Welt ist sicherlich die Digitalisierung. Es ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, dass auch die Globalisierung und die Entwicklung zur Wissens- und Innovationsgesellschaft einen erheblichen Einfluss nehmen. So haben sich globale Abhängigkeiten stark erhöht und aus lokalen Ereignissen oder Krisen können schnell weltweite disruptive Phänomene werden (Z_Punkt 2019). Digitale Technologien sind dabei nicht nur Ursache, sondern auch Mittel zum Zweck, wenn es darum geht, diese Herausforderungen der VUCA-Welt zu meistern (Lemke 2019). Grundsätzlich lassen sich folgende Implikationen ableiten (Lindner 2016; Bennett und Lemoine 2014; Bartlett-Mattis 2017; Rump und Eilers 2020): • Untätigkeit und Unentschlossenheit können schwerwiegende Folgen haben. • Probleme und Herausforderungen sind stets aus mehreren Perspektiven zu betrachten.
Tab. 2 Zusammenhänge der VUCA-Welt (Rump und Eilers 2020 in Anlehnung an Gläser 2018; Bartlett-Mattis 2017; Lindner 2016; Bennett und Lemoine 2014) Volatility
Volatilität/Flüchtigkeit
Uncertainty Unsicherheit/ Ungewissheit
Complexity Komplexität/ Unübersichtlichkeit
Ambiguity
Ambiguität/ Mehrdeutigkeit
Die (Arbeits)welt unterliegt einem permanenten Wandel, Veränderung wird zum Normalzustand. Die Veränderungsgeschwindigkeit steigt rasant an, vielfach ist die Dauer einer Herausforderung nicht absehbar. Entwicklungen werden immer schwerer vorhersehbar und/oder berechenbar. Erfahrungen verlieren ihre Relevanz als Grundlage für Prognosen. Es kommt zur Vermischung verschiedener Ebenen, zahlreiche Variablen sind miteinander verknüpft. Hierarchien und traditionelle Muster werden vielfach obsolet. Viele Prozesse sind nicht mehr standardisierbar oder vereinfachbar. Die verfügbaren Informationen sind teils im Überfluss vorhanden und schwer zu überblicken. Vielfach ist das Verstehen der Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung nur schwer möglich. Es gibt keine „One-fits-all“-Lösungen mehr. Entscheidungen erfordern Mut, Fehlertoleranz und die Bereitschaft, sie jederzeit zu revidieren.
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• Vielfach ist „trial and error“ der einzige Weg, mit unvorhersehbaren Situationen umzugehen. Dazu gehört auch ein hohes Maß an Fehlertoleranz. • Alternative Realitäten und Herausforderungen zu antizipieren, wird essenziell. Es braucht einen „Plan B“ oder gar einen „Plan C“. • Führungskräfte müssen befähigt werden, den Mitarbeitenden Orientierung zu geben, auch wenn sie selbst die Rahmenbedingungen oder das Ziel noch nicht absehen können. • Lineare Entscheidungsprozesse anhand fest definierter Rahmenbedingungen und anhand bestimmter Tools sind nicht mehr zielführend.
Ressourcenmangel Unter natürlichen Ressourcen verstehen wir die materielle, energetische und räumliche Grundlage des Lebensstandards. Sie in Anspruch zu nehmen, ist unweigerlich mit Belastungen für die Umwelt verbunden, die sich über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zeigen (Umweltbundesamt 2019). Infolge einer wachsenden Weltbevölkerung zeichnet sich eine weiterhin stark zunehmende Nutzung natürlicher Ressourcen, ein Ungleichgewicht zwischen der Nutzung und der Regenerationsfähigkeit der Erde und infolgedessen auch die Verknappung und Verteuerung bestimmter Rohstoffe bzw. Energiequellen ab, die für Unternehmen strategische Ressourcen bedeuten. Dieser Prozess wird durch das voranschreitende Erstarken von Schwellen- und Entwicklungsländern zusätzlich befördert. Hinzu kommen zunehmende Reglementierungen mit Bezug zum Klimaschutz. Für Unternehmen ziehen Veränderungen bei der Rohstoffsituation und Energieversorgung nicht selten auch Konsequenzen bei der Wahl von Standorten sowie bei der Prozessgestaltung nach sich. Energiesysteme umzubauen bzw. die Effizienz der vorhandenen Ressourcen zu steigern, bedeutet hohe Kosten und ein nicht unerhebliches Risiko, wenn es nicht gelingt, die beteiligten Kompetenzfelder und Industrien miteinander zu verzahnen. Zudem kommt es zu sozialen Ungleichgewichten, wenn der Pro-Kopf-Konsum an Rohstoffen in den Industrienationen etwa viermal höher ist als in weniger entwickelten Ländern und hier auch der Großteil der Wertschöpfung aus der Ressourcennutzung liegt, die weniger entwickelten Länder jedoch am stärksten von den negativen ökologischen und sozialen Folgen betroffen sind (BDI/Z_punkt GmbH 2011; Hofmann et al. 2007; Abele und Reinhart 2011; Umweltbundesamt 2019). Allerdings sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass aus der historischen Perspektive in immer wiederkehrenden Zyklen Rohstoffverknappungen zu beobachten sind, die durchaus nicht nur negative Folgen mit sich bringen, sondern vielmehr Motor für innovative Ideen zur Energiegewinnung sind. So ist auch heute eine schonende und effiziente Ressourcennutzung Gegenstand zahlreicher Strategien, die sich insbesondere auf die Bereiche Produktion und Konsum beziehen. Dazu bedarf es jedoch nicht zuletzt verbindlicher Nachhaltigkeitsstandards und Zertifikate (Umweltbundesamt 2019). Protektionismus Ein zunehmendes Phänomen unserer Zeit ist eine Form des Protektionismus, der sich seit einigen Jahren in unterschiedlichen Facetten zeigt. Am eindringlichsten wohl auf politischer
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Ebene, wo insbesondere die USA eine umfangreiche Abschottungsstrategie verfolgen, die sich in Plänen wie Zöllen und Steuern bis hin zum plakativen Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko äußert. Doch auch in China gelten strenge Reglementierungen in Bezug auf ausländische Unternehmen, und der Brexit spricht ebenfalls eine deutliche Sprache. Aus ökonomischer Sicht lässt sich die Tendenz zur Abschottung auf unterschiedliche Art erklären. So bringt ein sehr stark liberalisierter Außenhandel zwar nachweislich mehr Wohlstand, doch verteilt sich dieser nicht gleichmäßig auf alle Bevölkerungsgruppen – beispielsweise wenn es um die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland oder die Verdrängung von Unternehmen durch ausländische Wettbewerber geht. Diese betroffenen Bevölkerungsgruppen erwarten dann von ihrer Regierung, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen oder die Liberalisierung zumindest einzuschränken. Hinzu kommt der Wunsch von staatlicher Seite, aufstrebende Unternehmen bzw. Branchen zunächst vor den internationalen Wettbewerbern zu schützen, im Sinne einer sogenannten Infant Industry Protection (Armbruster 2017). Einer DIHK-Umfrage zufolge wird Protektionismus für deutsche Unternehmen zunehmend zu einem Problem in Bezug auf ihre Auslandsgeschäfte (DIHK 2019). Dies bestätigt auch UniCredit-Konjunkturexperte Andreas Rees in einem Interview. Handelsbarrieren bzw. die Bevorzugung eigener Unternehmen finden sich in der DIHK-Befragung erstmals unter den Top 5 der Risiken, die für die weitere Entwicklung des Auslandsgeschäfts in den kommenden 12 Monaten gesehen werden. Durch Handelsbarrieren, die auch für Länder wie Südkorea, Indonesien, Saudi-Arabien und Russland befürchtet werden, kommt es zu einer erheblichen Störung internationaler Wertschöpfungsketten und infolgedessen auch zu einer negativen Einschätzung in Bezug auf Wachstum in Industrienationen (DIHK 2019; BME 2018). Die Prognos AG hat berechnet, dass 2030 alleine in den G20-Ländern das Handelsvolumen um 470 Mrd. Euro niedriger ausfällt (als bei gleichbleibenden Handelshemmnissen), wenn die Handelsbarrieren weiterhin so zunehmen wie im vergangenen Jahrzehnt. Für die deutsche Volkswirtschaft würde das einen Verlust von 31 Mrd. Euro in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt bzw. 64 Mrd. Euro des Handelsvolumens für das Jahr 2030 bedeuten. Das heißt, die vermeintlichen Vorteile des Protektionismus werden sich durch den Aufbau von Handelsbarrieren und Regulierungshemmnissen mittel- bis langfristig negativ auf alle auswirken (Prognos 2017). Deutschland ist insofern stark betroffen, als die USA der wichtigste und China der drittwichtigste Exportmarkt für deutsche Produkte sind (BME 2018). Mobilität Im Kontext dieser Trendbetrachtung soll Mobilität nicht aus technischer Sicht (z. B. im Hinblick auf die Entwicklungen auf dem Feld der Elektromobilität), sondern im Hinblick auf die internationalen Wanderungsbewegungen von Personal verstanden werden. Immer mehr Migrantinnen und Migranten aus aufstrebenden Schwellenländern kehren nach einer Ausbildung und dem Sammeln beruflicher Erfahrung in entwickelten Ländern in ihre Heimat zurück und stärken diese deutlich mit ihrem erweiterten Know-how. Dadurch nimmt auch der politische Einfluss dieser Länder vor dem Hintergrund einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung zu (Fischer et al. 2013).
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Deutschland steht laut einer Befragung der Boston Consulting Group von 366.000 Arbeitnehmenden seit 2018 nach den USA auf Rang zwei der zehn attraktivsten Länder für internationale Arbeitskräfte (BCG 2018). Grundsätzlich bringen die zunehmende weltweite digitale Vernetzung und Förderung von Auslandsaufenthalten auch schon in jungen Jahren deutlich mehr Möglichkeiten sowie eine deutlich höhere Bereitschaft mit sich, auch außerhalb des Heimatlandes beruflich aktiv zu werden. Weltweit sind einer WEF-Umfrage zufolge 81,1 Prozent der jungen Menschen bereit, zur Jobsuche oder zur Verbesserung ihrer Karrierechancen ins Ausland zu gehen (WEF 2017). Zu dieser Entwicklung trägt nicht zuletzt bei, dass sich die Profile der Menschen global immer mehr angleichen. So können zwei Vertreterinnen oder Vertreter der Generation Y in Deutschland, die unterschiedliche soziale Hintergründe aufweisen, sich stärker voneinander unterscheiden als zwei Vertreterinnen oder Vertreter der Generation Y aus Deutschland und Indien, die jedoch in ähnlichen sozialen Strukturen beziehungsweise Verhältnissen aufgewachsen sind (Gratton 2011). Allerdings zeigen sich hier auch deutliche regionale Unterschiede. So möchten umgekehrt 25,3 Prozent der jungen Eurasier ihr Heimatland nicht verlassen (WEF 2017).
2.4.2 Ökologie Im ökologischen Bereich finden sich Themen wie der Klimawandel und die Urbanisierung, aber auch das umfassende Thema der Nachhaltigkeit. Urbanisierung Schätzungen zufolge wird sich bis zum Jahr 2030 der Anteil der Weltbevölkerung, der in Städten lebt, von 54 Prozent auf 60 Prozent weiter erhöhen. Gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern verläuft eine schnelle Urbanisierung in der Regel unkontrolliert und führt nicht selten zu Zersiedlung. In den westlichen Industrienationen besteht die Herausforderung hingegen vor allem darin, veraltete, teilweise bereits im Verfall befindliche Infrastruktur zu erneuern. Anpassungsfähige Infrastruktursysteme, die sich dynamisch an im Wandel befindliche Herausforderungen und Bedürfnisse anpassen können, gewinnen dabei immer mehr an Bedeutung. Dies gilt nicht zuletzt für die digitale Infrastruktur (Z_ Punkt 2019). Eine weitere Folge der Urbanisierung besteht in der zunehmenden Nachfrage nach Arbeitsplätzen in Städten, auch im Produktionsbereich. Es gilt, die Perspektiven von Produktion und Stadtentwicklung im urbanen Raum miteinander in Einklang zu bringen und intelligente Fabrikkonzepte für die Zukunft zu entwickeln (Burggräf 2018). In Deutschland zeigt sich, dass viele Großstädte immer weiter wachsen, weil gerade junge und gut ausgebildete Menschen strukturschwache und/oder ländlich geprägte Regionen verlassen – die in der Konsequenz wiederum mit Nachwuchsengpässen zu kämpfen haben (Hüther et al. 2019). Ebenso ist zu erkennen, dass Städte teils kurz vor dem „Verkehrsinfarkt“ stehen, während es in ländlichen Regionen zunehmend schwierig wird, eine entsprechende Versorgung mit dem öffentlichen Nahverkehr zu gewährleisten (Kagermann 2017). Allerdings ist auch eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten – der Trend zur Glokalisierung, denn auch in diesem Kontext wird der Begriff in der Literatur verwendet, hier jedoch entstanden aus dem Begriffspaar Urbanisierung und Regionali-
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sierung. Erstmals seit 20 Jahren zeigte sich 2018 eine negative Differenz aus den Zu- und Fortzügen in den 7 größten deutschen Städten. Mehrere Faktoren befördern diese Entwicklung. So befinden sich viele namhafte Unternehmen, die attraktive Arbeitsplätze bieten, im ländlichen Raum, die Beschäftigung dort erweist sich als stabil. Hinzu kommt der Umstand, dass bezahlbarer Wohnraum in Städten immer rarer wird. Nicht zuletzt macht es die Digitalisierung weitgehend problemlos möglich, von überall aus zu arbeiten. Wenn nun Wohnraum auf dem Land günstiger ist und Pendelzeiten in die Stadt aufgrund von Homeofficelösungen reduziert werden können, gewinnt der ländliche Raum erheblich an Attraktivität. Es braucht allerdings vielerorts noch eine bessere Infrastruktur und Anbindung an die Metropolen, um eine nachhaltige Veränderung zu gewährleisten (Dettling 2018). Klimawandel Veränderungen des Klimas sind kein neues Phänomen, und Gesellschaften waren schon immer stark abhängig von Klimaschwankungen und -veränderungen. Dennoch gewinnt die Thematik an Brisanz, da bereits seit den 1950-Jahren nachgewiesen werden kann, dass bestimmte Aspekte des Klimawandels menschengemacht sind und die Szenarien, die Klimaforschende für die kommenden Jahrzehnte abbilden, bedrohliche Entwicklungen zeigen. Dabei spielt insbesondere der sogenannte Treibhauseffekt eine Rolle, der vereinfacht gesagt zu einer Überwärmung der Erde führt (Madry und Fischer 2014; IPCC 2018). Das Umweltbundesamt (o. A.) identifiziert insbesondere 4 Bereiche, in denen sich Klimafolgen zeigen: • Gesundheit (Belastung von Menschen, Tieren und Pflanzen durch Hitzewellen) • Landwirtschaft (Einfluss auf die Produktion durch Verschiebung der Vegetationsperioden sowie Ernteausfälle durch extreme Hitze, Trockenheit und Unwetter) • Verkehr (Beschädigung von Straßen und Schienen durch extreme Hitze und Unwetter, Beeinträchtigung des Schiffsverkehrs durch Hoch- oder Niedrigwasser) • Energieproduktion (Mangel an Kühlwasser durch zu hohe Wassertemperaturen oder Niedrigwasser) Das IPCC konstatiert in seinem fünften Sachstandsbericht darüber hinaus, dass der Klimawandel das Wirtschaftswachstum verlangsamt, soziale Ungleichheiten verschärft und in der Konsequenz auch die Gefahr gewaltsamer Konflikte und verstärkter Migrationsbewegungen mit sich bringt (IPCC 2017). Grundsätzlich bietet der Klimawandel auch Chancen, beispielsweise durch mildere Winter, die zur Reduzierung der Ausfallzeiten in der Bauwirtschaft oder zur Senkung von Heizkosten beitragen können. Diese können aber die negativen Konsequenzen bei Weitem nicht aufwiegen (Umweltbundesamt o. A.). Bereits seit Jahrzehnten weisen Expertinnen und Experten auf die Folgen des Klimawandels und erforderliche Maßnahmen zu dessen Abschwächung auf politischer, wirtschaftlicher, aber auch persönlicher Ebene hin. Bislang erfolgte jedoch weder infolge politischer Abkommen und Gesetze (z. B. Kyoto-Protokoll 1997; ErneuerbareEnergien-Gesetz
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2000 oder Pariser Abkommen 2015) noch auf der Ebene des Individuums ein tief greifender Verhaltens- oder Bewusstseinswandel. Dies scheint sich mit der jüngeren Generation zu ändern. So zeigt eine Befragung unter Vertreterinnen und Vertretern der sogenannten Generation Y, dass der Klimawandel bei Weitem als größte Gefahr für die Welt erachtet wird (WEF 2017). Spätestens seit der sogenannten Fridays-for-Future-Bewegung rund um die junge Schwedin Greta Thunberg ist dies auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Unterstützt wird die Initiative auch von namhaften Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als „Scientists for Future“, die sich insbesondere von der Emotionalität dieser Bewegung eine Möglichkeit erhoffen, wissenschaftliche Erkenntnisse in einer neuen Form in das öffentliche Bewusstsein und in die Debatte zu bringen. Grundsätzlich mahnen sie an, das Konsum- und Mobilitätsverhalten zu überdenken und zu einem ressourcenschonenderen Ansatz zu finden. Begriffe wie „Flugscham“ oder die Erkenntnis, dass die Fleischproduktion einer der größten Verursacher von CO2-Emissionen ist, bahnen sich ihren Weg. Doch sind es bislang die Wenigsten, die ihr Verhalten nennenswert verändern (Schneider 2019). Die Digitalisierung bietet nicht zu unterschätzende Potenziale im Hinblick auf eine Reduktion der Treibhausgasemissionen, insbesondere im Bereich der industriellen Produktion, aber beispielsweise auch im Hinblick auf die Reduzierung geschäftlich bedingter Reisen mittels Web- und Videokonferenzen sowie von Pendlerströmen mittels Homeofficelösungen oder auch in Form intelligenter Haustechnik, die den Energieverbrauch senkt. Weitere positive ökologische Effekte können sich unter anderem durch intelligente Bewässerungslösungen in der Landwirtschaft oder die „Sharing Economy“ (z. B. Plattformen zur gemeinsamen Nutzung von Werkzeugen etc. oder Tauschbörsen) ergeben. Allerdings brauchen technologische Lösungen auch entsprechende Rahmenbedingungen und einen politischen und gesellschaftlichen Umsetzungswillen, um den gewünschten Effekt erzielen zu können. Nicht von der Hand zu weisen ist zudem, dass auch die Digitalisierung selbst zu einem wachsenden Ressourcenverbrauch führt (Kröhling 2017; BMU 2018). So werden nach einer Schätzung der Global e-Sustainability Initiative bis 2030 etwa 2 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen von der Informations- und Kommunikationstechnologie verursacht werden – eine sehr vorsichtige Schätzung, die einige Geräte noch nicht berücksichtigt (GeSI und Accenture Strategy 2015). Hinzu kommt der sogenannte Reboundeffekt,4 der Effizienzgewinne verhindert und dem mit entsprechenden Informationskampagnen begegnet werden sollte (BMU 2018). Der Klimawandel nimmt auch einen nicht unerheblichen Einfluss auf Beschäftigung. Nach dem bereits erfolgten Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze im Braunkohlesektor droht auch in der Automobilbranche ein massenhafter Rückgang an Tätigkeiten im Zusammenhang mit Verbrennungsmotoren durch die Umstellung auf E-Mobilität. Diese Antriebe zu
Der „Reboundeffekt“ bezeichnet das Phänomen, dass Menschen dazu neigen, beispielsweise effizientere elektronische Geräte häufiger zu nutzen oder mit einem sparsamen Auto mehr Wege zurückzulegen als mit einem weniger sparsamen. Das heißt, technisch mögliche Effizienzgewinne werden nicht realisiert, weil Produkte häufiger oder intensiver genutzt werden (Umweltbundesamt 2014).
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bauen, erfordert zum einen weniger Aufwand (und damit weniger Arbeitskräfte) und zum zweiten andersartige Qualifikationen. Auf der positiven Seite der Bilanz ist zu konstatieren, dass der Transformationsprozess im Hinblick auf Klimaschutz enorme Anreize für Innovationen in den unterschiedlichsten Disziplinen (z. B. Logistik, Kreislaufwirtschaft, Wasserwirtschaft) bietet und zur Entstehung neuer Branchen und Berufsbilder beiträgt. Die Querschnittsbranche Umwelttechnik und Ressourceneffizienz beschäftigt 1,5 Mio. Menschen in Deutschland, rund 2,2 Mio. sind insgesamt im Umweltschutz tätig. Im Bereich der erneuerbaren Energien fand nach einem starken Anstieg der Beschäftigung bis zum Jahr 2011 ein Rückgang statt, der insbesondere dem internationalen Wettbewerb in der Solarindustrie geschuldet war. Aktuell ist wieder ein leichter Zuwachs zu beobachten (BMU 2018). Wie auch in anderen Bereichen der Beschäftigung besteht die Herausforderung darin, Menschen, deren Arbeitsplatz aufgrund der technologischen Entwicklungen obsolet wird, frühzeitig und umfassend für neue Aufgabenbereiche zu qualifizieren. Nachhaltigkeit als Wert und Haltung In der aktuellen Diskussion um den Klimawandel und um weltweite Problemstellungen wie die Ausbreitung von Mikroplastik rückt der Begriff der Nachhaltigkeit wieder verstärkt ins öffentliche Interesse. So zeigt beispielsweise der Akzente Trendmonitor Nachhaltigkeit,5 dass das beherrschende Nachhaltigkeitsthema des Jahres 2018 der Umweltschutz war. Danach folgen die Themen Gesundheit und Energie sowie Digitalisierung – mit deutlichen Zuwächsen im Vergleich zum Vorjahr – und Klimaschutz (Braun 2019). Eher weniger im Fokus steht in der Regel die soziale Komponente der Nachhaltigkeit, die jedoch eine ebenso gewichtige Rolle einnimmt. Sie bezieht sich hinsichtlich der Arbeitswelt zum einen auf Verlässlichkeit bis hin zur Beschäftigungssicherung und zum anderen auf Beschäftigungsfähigkeit (Employability6), welche die Dimensionen Qualifikation/Kompetenzen, Motivation/Identifikation und Gesundheit/Wohlbefinden beinhaltet. Daraus ergibt sich Resilienz. Zudem ist eine nachhaltige Unternehmenspolitik vermehrt ein Kriterium – gerade für die jüngere Generation – bei der Wahl eines Arbeitgebers. Portale wie www.gruenejobs.de oder www.jobverde.de veröffentlichen Stellenangebote ausschließlich von solchen Arbeitgebern, die nachhaltig agieren. Der Slogan „Jobs mit Sinn“ und der derzeit weit verbreitete Begriff des „Purpose“ machen deutlich, dass hier einer der Grundwerte vieler Nachwuchskräfte angesprochen wird: Der ausgeübte Beruf, die ausgeübte Tätigkeit sollen Sinn machen. So geben denn auch in einer Befragung des Marktforschungsinstituts Nielsen nahezu die Hälfte der befragten 21- bis 34-Jährigen an, sie bevorzugten es, für ein nachhaltiges
Seit 2014 erfasst Akzente halbjährlich den Stellenwert bestimmter Themen im Kontext von Nachhaltigkeit und unternehmerischer Verantwortung. Dazu werden die Nennungen der Themen in deutschsprachigen Medien und damit die öffentliche Aufmerksamkeit für diese Themen anhand einer selbst definierten Operatorenkette gemessen. 6 Employability oder zu Deutsch Beschäftigungsfähigkeit ist die Fähigkeit, fachliche, soziale und methodische Kompetenzen unter sich wandelnden Rahmenbedingungen zielgerichtet und eigenverantwortlich anzupassen und einzusetzen, um eine Beschäftigung zu erlangen oder zu erhalten. 5
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Unternehmen zu arbeiten. Eine Umfrage der Manpower-Group ergibt gar einen Anteil von 80 Prozent an Bewerbenden, die eher für ein Unternehmen arbeiten wollen, das sich gesellschaftlich engagiert (IW Köln 2014; Rump und Eilers 2020). Die „Renaissance“ der Nachhaltigkeitsdebatte liegt nicht zuletzt darin begründet, in einer Welt ständiger Veränderung und steigender Unsicherheit auf politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene nach einem Gegengewicht zu suchen. Dazu gehört, sich kritisch mit den Folgen ständigen Wachstums auseinanderzusetzen, das einerseits Wohlstand bringt, andererseits jedoch die Erde an ihre Grenzen führt. Ein Weg, mit dem Wachstum im Einklang mit einer nachhaltigen Entwicklung realisiert werden soll, ist Green Growth oder Green Economy – ein Thema auf dem UN-Gipfel 2012. Dabei geht es darum, Wachstum zuzulassen, jedoch mit Hilfe effizienterer Technologien, regenerativer Energien und Kreislaufwirtschaft und so deutlich weniger zulasten der Erde. Allerdings ist die Frage zu stellen, inwieweit die Bereitschaft besteht, zur Erlangung von Nachhaltigkeit das individuelle Handeln zu verändern, oder ob vielmehr lediglich der Wunsch nach Nachhaltigkeit vorhanden ist. Fest steht, dass es zunehmend dem gängigen Werteverständnis entspricht, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen und sich an ihr zu orientieren (Akzente 2019; Rump und Eilers 2020).
2.4.3 Gesellschaft Auf gesellschaftlicher Ebene lassen sich insbesondere der Wertewandel, verbunden mit einer Individualisierung und einem zunehmenden Streben nach Life Balance sowie Gesundheitsbewusstsein identifizieren, aber auch Entwicklungen wie ein verändertes Bildungsverständnis, eine steigende Partizipation und Demokratisierung sowie Polarisierung der Gesellschaft. Wertewandel, Life Balance und Individualisierung Die Vielfalt an Normen und Werten in unserer Gesellschaft nimmt beständig zu. Dabei lässt sich seit den 2000er-Jahren eine Wertesynthese feststellen, ein Streben nach einem ausbalancierten Lebenskonzept, in dem unterschiedliche Werte gleichberechtigt nebeneinanderstehen und die Gesellschaft traditionelle und moderne Werte gleichermaßen schätzt und verkörpert. Da der (neue) Sinn des Lebens in moralischen Bereichen gesucht wird, zeichnet sich ein Weg zur „moralischen Erneuerung“ ab. Zu dieser Wiederbelebung von Werten – oder auch Rückbesinnung auf Kernwerte – zählen beispielsweise die gesellschaftliche Aufwertung von Ehe, Familie und Kindern, die soziale Anerkennung ehrenamtlicher und freiwilliger Tätigkeiten, die grundlegende Neubewertung von Arbeit und Leistung sowie die vorrangige Förderung von Bildung und Kultur. Galt bis in die 1990er- Jahre die primäre Orientierung in der Regel der Erwerbsarbeit, so lässt sich durch den Wertewandel eine Verschiebung hin zu einer zunehmenden Sinnsuche in außerberuflichen Bereichen wie Familie, Freizeit oder Gesundheit beobachten. Arbeit und Privatleben stehen nicht mehr im drastischen Gegensatz zueinander, sondern werden zunehmend als verbundene Bereiche wahrgenommen und es besteht nicht mehr die Bereitschaft, das Privatleben bedingungslos so zu arrangieren, dass es den beruflichen Belangen gerecht wird. In diesem Zusammenhang entstand schließlich auch die Begrifflichkeit der Work-Life-Balance,
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die seit Jahren in Befragungen unter jüngeren Beschäftigten eine der Hauptforderungen an einen attraktiven Arbeitgeber darstellt (u. a. Ernst & Young 2018; Kienbaum 2018; McDonald’s und IfD Allensbach 2017). Dies verwundert nicht, denn die Notwendigkeit einer ausgewogenen Balance zwischen Beruf und Privatleben steigt angesichts der zunehmenden Veränderungsgeschwindigkeit und Komplexität, aber auch der Verlängerung der Lebensarbeitszeit, und vor allem die jüngere Generation ist sich bewusst, dass sie nur „durchhalten“ wird, wenn sie von Anfang an auf diese Balance achtet. Gerade von den besser Qualifizierten der jüngeren Generation aus den höheren sozialen Schichten wird ein einseitiges Karrierestreben zunehmend abgelehnt. Sie sind es auch, die nicht selten bei Bewerbungsgesprächen offensiv ihre Ansprüche an die Vereinbarkeit der künftigen Tätigkeit mit privaten Belangen wie Hobbys oder der Familie bekunden (Rump und Eilers 2020). Zahlreiche Expertinnen und Experten nehmen inzwischen Abstand von der Bezeichnung „Work-Life-Balance“ mit der Begründung, dass auch die Erwerbsarbeit einen Lebensbereich darstellt. Treffender erscheint der Begriff der Life Balance, wenngleich in den meisten Studien nach wie vor „Work-Life- Balance“ Verwendung findet. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es zu kurz greift, die Begrifflichkeit auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu reduzieren. Denn alle Beschäftigten – ganz gleich, welchen persönlichen Hintergrund sie mitbringen – sind auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen be- und entlastenden Aspekten angewiesen, um physisch und psychisch gesund und damit auch arbeitsfähig zu bleiben. Es ist daher gerade im betrieblichen Kontext ein „Life“-Begriff zu bevorzugen, der ganz bewusst Singles, kinderlose Paare, Eltern sowie pflegende Angehörige gleichermaßen in den Fokus rückt und neben familiären Verpflichtungen im privaten Bereich auch ehrenamtliches Engagement, die Pflege sozialer Kontakte, Weiterbildung oder sportliche beziehungsweise gesundheitsförderliche Aktivitäten berücksichtigt. Nach der o. g. Definition ist „Work“ ebenfalls Teil des erweiterten „Life“-Begriffs und umfasst mehr als die reine Erwerbstätigkeit. Vielmehr gehören in diesen Bereich auch ehrenamtliche Tätigkeiten oder ein etwaiger Nebenerwerb, der für viele Menschen inzwischen zur Existenzgrundlage geworden ist. Das Empfinden bezüglich einer gelungenen Balance ist sehr individuell und unterliegt einem beständigen Wandel im Laufe eines Erwerbslebens, das von unterschiedlichen Berufs- und Lebensphasen gekennzeichnet ist. In gleichem Maße, wie die Notwendigkeit einer ausgewogenen Life Balance steigt, wird es auch immer schwieriger, diese Balance zu erreichen, da die Anforderungen an Flexibilität und Mobilität ebenfalls stetig steigen und moderne Kommunikationsmittel die Entgrenzung fördern (Rump und Eilers 2020). Ebenfalls symptomatisch für den Wertewandel in der Gesellschaft ist die zunehmende Individualisierung. Die Begrifflichkeit, die der Soziologe Ulrich Beck in den 1980er- Jahren prägte, umfasst neben Selbstverwirklichung auch Selbstkontrolle, Selbstverantwortung und Selbststeuerung (Zinn 2006). Die jüngere Generation mit Geburtsjahrgängen ab 1985 ist in diese individualisierte Welt hineingeboren und entsprechend mit einem hohen Anspruch an Selbstverwirklichung sozialisiert, sodass die Thematik in den 2000er- Jahren mit Eintritt der ersten Vertreterinnen und Vertreter der Generation Y in den Arbeits-
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markt einen enormen Schub und öffentliche Aufmerksamkeit erlebte. Eng mit der Thematik der Individualisierung verbunden ist die Entwicklung zur sogenannten Multioptionsgesellschaft (Gross 1994). Danach sehen sich Menschen einer immer größeren Anzahl an Optionen in allen möglichen Bereichen ihres Lebens gegenüber. Diese verschiedenen Wahlmöglichkeiten führen dazu, dass Selbstfindung und Selbstverwirklichung einfacher zu realisieren sind und einen hohen Stellenwert im Leben einnehmen. Diese „Freiheit der Wahl“ geht allerdings auch einher mit dem Anspruch, sich den eigenen Lebensweg selbst zu suchen und aus der Vielfalt der gebotenen Möglichkeiten das Beste zu machen. Und so steht der Chance der Selbstverwirklichung in einem nie da gewesenen Umfang auch das Risiko des Scheiterns oder der Fehlentscheidungen gegenüber, dessen sich durchaus viele, gerade junge, Menschen bewusst sind. Allerdings gilt es auch festzuhalten, dass die besten Möglichkeiten, dem Streben nach Individualisierung auch Ausdruck im Leben und Arbeiten zu geben, für diejenigen bestehen, die über ein gewisses Bildungs- und Wohlstandsniveau verfügen (Rump und Eilers 2017a). Die Multioptionsgesellschaft findet ihren Ausdruck nicht zuletzt in der zunehmenden Pluralität der Lebensentwürfe. Während in der Vergangenheit berufliche und private Erwerbs- und Lebensverläufe vergleichsweise klar vorgezeichnet waren und für die meisten Menschen in ähnlichen Phasen verliefen, ist heute eine große Vielfalt an sich abwechselnden biografischen Elementen zu erkennen, die nicht mehr per se bestimmten Altersstufen zuzuordnen sind und sich unter anderem auch in einer steigenden Komplexität der Familienformen manifestieren (Haaf und Bauer 2012; BMFSFJ 2015). Das Zukunftsinstitut Kelkheim identifiziert in seiner Lebensstiltypologie insgesamt 18 verschiedene Gruppen, von denen die sogenannten Neohippies und Self-Balancer besonders stark vertreten sind. Während die Erstgenannten insbesondere auf Gemeinschaft als identitätsstiftende Kraft setzen und die Sharing- und Eventkultur vorantreiben, streben Self-Balancer vor allem nach Beständigkeit und Balance. Sie wünschen sich zwar Erfolg im Beruf, jedoch nicht um den Preis, einen stressigen Lebensstil zu verfolgen (Zukunftsinstitut 2017; Zukunftsinstitut 2019; Rump und Eilers 2020). Veränderung des Bildungsverständnisses Einem enormen Wandel ist auch das gesamtgesellschaftliche Bildungsverständnis unterworfen. So steigt seit den 1970er-Jahren in Deutschland – insbesondere bei Frauen – das Bildungsniveau erheblich an. Das gilt für die Schulbildung ebenso wie für die Erstausbildung und die berufliche Weiterbildung. Hier spielen die aufgezeigten ökonomischen Entwicklungen, die erfolgskritisches Wissen und aktuelle Kompetenzen immer stärker in den Fokus rücken, ebenso eine Rolle wie der demografische Wandel, der zu einer Verlängerung des Erwerbslebens und in der Konsequenz gestiegenen Notwendigkeit des lebenslangen Lernens führt. Folglich erlangen die heutigen 30- bis 34-Jährigen auch höhere Bildungsabschlüsse als die Generation ihrer Eltern. 29 Prozent von ihnen verfügen über einen Hochschulabschluss – bei den 60- bis 64-Jährigen liegt dieser Anteil nur bei 19 Prozent. Der Anteil an Personen mit einem akademischen Abschluss hat sich bei
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Frauen sogar verdoppelt (Statistisches Bundesamt 2018b). Die Studienanfängerquote stieg insbesondere in den 1990er-Jahren nach der Wiedervereinigung deutlich an (Becker für bpb 2011), ebenso zwischen 2005 und 2017 um knapp 41 Prozent (BMBF 2018). Im Umkehrschluss zu diesem Trend zur Akademisierung liegt heute der Anteil der 30- bis 34-Jährigen mit einer Lehre/Berufsausbildung im dualen System nur noch bei 45 Prozent im Vergleich zu 55 Prozent bei den 60- bis 64-Jährigen (Statistisches Bundesamt 2018b). Ein Wandel hat sich zudem in Bezug auf die Wahrnehmung der dauerhaften Wertigkeit eines einmal erworbenen Berufsabschlusses vollzogen. Viele Vertreterinnen und Vertreter der mittleren und vor allem älteren Generation wurden noch in dem Bewusstsein sozialisiert, eine einmal abgeschlossene berufliche oder akademische Ausbildung trage für ein Leben. Sie mussten allerdings im Verlauf ihres Berufslebens feststellen, dass dieser Zusammenhang nicht länger Bestand hatte, während die nachfolgenden Generationen, insbesondere die Generation Y ab den Geburtsjahrgängen 1985, bereits mit großer Selbstverständlichkeit davon ausgehen konnten, den Beruf mehrfach im Leben zu wechseln und sich stetig weiterbilden zu müssen. Die Vertreterinnen und Vertreter dieser Generation fordern die Möglichkeit zur persönlichen und beruflichen Entwicklung in der Konsequenz gar offensiv ein (Rump und Eilers 2015). Ein Blick auf die Entwicklung der Weiterbildungsbeteiligung, die nahezu kontinuierlich ansteigt, bestätigt diesen Trend (DiE 2017). Dieser lässt sich in Zusammenhang mit dem steigenden Wirtschaftswachstum, der Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards und der Bildungsexpansion bringen. Dabei ist es zum überwiegenden Teil betriebliche Weiterbildung, die wahrgenommen wird, in deutlich geringerem Umfang findet eine Beteiligung an individueller berufsbezogener Weiterbildung sowie nicht berufsbezogener Weiterbildung statt (Bilger et al. 2017; DiE 2017; BMBF 2015). Gesundheitsbewusstsein In zunehmendem Maße wächst das Bewusstsein dafür, über ein verlängertes Erwerbsleben hinweg physisch und psychisch gesund bleiben zu müssen. Dies ist durchaus vernünftig und berechtigt, wie die Zahlen zum Fehlzeitengeschehen in Deutschland zeigen. So bringt der hohe Flexibilisierungsgrad der Arbeit eine zunehmende Komplexität sowie Beschleunigung des Lebens und Arbeitens mit sich, die Grenzen zwischen beruflicher und privater Sphäre verschwimmen zusehends. In dieser zunehmenden „Entgrenzung“, der vermeintlich ständigen Erreichbarkeit sowie einer unzureichenden Balance zwischen Beruf und Privatleben wird eine der Ursachen für den sprunghaften Anstieg psychischer Erkrankungen in den vergangenen Jahren – um 64,2 Prozent von 2008 bis 2018 (Meyer et al. 2019) – gesehen (z. B. Pangert und Schüpbach 2012). Allerdings ist dies differenziert zu betrachten. Während es zu unterschiedlichen Arbeitszeitformen und auch zur psychischen Gesundheit bereits seit Jahren zahlreiche Untersuchungen gibt, handelt es sich bei der Wirkungsanalyse der Arbeitszeitgestaltung bezogen auf psychische Belastungen um einen eher neuen Forschungsgegenstand. Gleiches gilt für die Thematik der Erreichbarkeit und atypischer Arbeitszeiten (Schütte 2014) sowie die Frage, inwieweit Konflikte, die aus wi-
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dersprüchlichen Anforderungen von Arbeits- und Privatleben resultieren, zu kurz- oder langfristigen Konsequenzen für die psychische Gesundheit führen (Hüffmeier 2014). Tatsächlich sind psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch. Als Ursache für Arbeitsunfähigkeit haben sie sich nach Angaben des BKK Dachverbandes im Zeitraum zwischen 1976 und 2013 mehr als verfünffacht. Diese starke Zunahme ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die Fallzahlen ansteigen. Hierzu besteht ein wissenschaftlicher Diskurs dahingehend, inwieweit der Anstieg auf eine tatsächliche drastische Zunahme dieser Erkrankungsform oder auch auf eine Verbesserung der Diagnostik und Reduzierung der Stigmatisierung psychischer Leiden zurückzuführen ist (Meier und Hauth 2015; Jacobi et al. 2015). Zum anderen spielt die Dauer der Krankheitsfälle eine entscheidende Rolle. Die durchschnittlichen Ausfallzeiten bei dieser Art von Erkrankung sind vergleichsweise lang. Als „Spitzenreiter“ bei der Falldauer liegen sie bei ca. 40 Tagen pro Fall (verglichen mit 12,3 Tagen über alle Erkrankungsarten hinweg) (Kliner et al. 2015). Die Kostenbelastung, die Unternehmen infolge psychischer Belastungen, Burnout oder Depressionen heute bereits spüren, wird somit noch weiter zunehmen. Doch auch Muskel- und Skeletterkrankungen verursachen vielfach Langzeiterkrankungen mit erheblichen Folgekosten für Arbeitgeber. Es liegt auf der Hand, dass es erklärtes Ziel sein sollte, diese Erkrankungen möglichst zu reduzieren und dafür präventive Maßnahmen zu ergreifen. Das gestiegene Gesundheitsbewusstsein äußert sich zum einen im Streben nach einem ausbalancierten Lebenskonzept, auf das an anderer Stelle bereits eingegangen wurde, aber auch in konkreten Aktivitäten zur Verbesserung und Überwachung der eigenen Gesundheit. Insbesondere dem letztgenannten Punkt kommt im Zuge der technologischen Möglichkeiten eine neue Bedeutsamkeit zu. So erleben sogenannte Selftracking-Geräte einen enormen Aufschwung, darunter vor allem Wearables, also kleine vernetzte Computer, die man am Körper trägt und die einen auf gesundheitsrelevante Aspekte wie die tägliche Schrittanzahl, den Kalorienverbrauch oder den Flüssigkeitsbedarf hinweisen und somit gleichermaßen zur Stärkung der physischen wie auch zur psychischen Gesundheit beitragen können. In einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung gibt bereits ein Drittel der dort befragten Internetnutzerinnen und -nutzer an, die eigene Gesundheit mittels einer App, eines Fitness-Trackers oder einer Smartwatch zu überwachen. Für Deutschland liegt der Wert mit 28 Prozent allerdings noch deutlich hinter dem in China mit 45 Prozent (GfK 2016). Partizipation und Demokratisierung Das zunehmende Streben nach Partizipation wird nicht selten als Konsequenz der Digitalisierung und Virtualisierung gesehen (u. a. Hofmann et al. 2019), liegt jedoch auch in der Sozialisation begründet. So wurden die Vertreterinnen und Vertreter der heutigen jüngeren Generation sehr viel stärker dazu erzogen, ihre Werte und Meinungen zu vertreten, als die Generationen vor ihnen, und die Freiräume und Mitspracherechte von Kindern und Jugendlichen wachsen stetig. Sie werden bei der Urlaubsplanung und Freizeitgestaltung beteiligt, in der Schule werden interaktive Designs angewendet, in der Politik finden
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Bürgerdialoge statt, das Internet lässt alle an allem teilhaben. In der Folge weisen die Vertreterinnen und Vertreter der jüngeren Generation eine hohe Bereitschaft auf und sehen es als selbstverständlich an, auch im Arbeitskontext ihre eigenen Meinungen und Wünsche kundzutun und an Entscheidungsfindungen zu partizipieren. Grundsätzlich hat Partizipation für Beschäftigte insbesondere etwas mit der Mitgestaltung ihrer Arbeitsumgebung, Arbeitsweise und Arbeitsorganisation zu tun. Dabei nimmt einer Untersuchung des Fraunhofer IAO zufolge die flexible Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort gemäß der individuellen Lebensphase und Präferenz die gewichtigste Rolle ein (Kaiser 2018). Ebenfalls zunehmend bedeutsam wird es für Beschäftigte, die Zukunft ihres Unternehmens aktiv mitzugestalten und an Entscheidungs- und Innovationsprozessen mitzuwirken. Das Global Shapers Annual Survey unter jungen Menschen zeigt, dass es insbesondere die Möglichkeiten zur Mitwirkung bei der Unternehmensvision und -strategie sind, die einen attraktiven Arbeitgeber für sie ausmachen (WEF 2017). In einer Studie der Hays AG, der ZukunftsAllianz Arbeit & Gesellschaft und der Gesellschaft für Wissensmanagement e.V. wünschen sich 68 Prozent der Befragten mehr Freiheit und Souveränität bei ihrer Arbeit. Mehrheitlich sind die Teilnehmenden überzeugt davon, dass sie dies innovativer machen würde. 70 Prozent würden gerne selbst ihre Führungskräfte wählen, und mehr als 80 Prozent glauben, mehr Einfluss der Beschäftigten auf unternehmensrelevante Entscheidungen und die Beteiligung am Unternehmensgewinn würden die Produktivität des Unternehmens erhöhen (Hays et al. 2016). Nicht zuletzt wird Partizipation und Mitgestaltung als eines der Grundprinzipien von „New Work“ erachtet und im Kontext von Agilität diskutiert. Für Führungskräfte stellt Partizipation die Chance dar, dem umfangreichen Aufgaben- und Rollenprofil sowie dem Anforderungsprofil gerecht zu werden, mit dem sie sich infolge der Veränderungen in der Arbeitswelt konfrontiert sehen (Rump et al. 2018b). Viel mehr als auf das Ausfüllen der klassischen Führungsrolle kommt es darauf an, eine Orientierung und einen Rahmen für Zusammenarbeit zu bieten und nicht zuletzt die kollektive Intelligenz des Teams und des Netzwerks zu nutzen. Dazu braucht es Resonanz im Sinne einer Offenheit für Ideen und Anregungen, eine hohe Empathie im Umgang mit Mitarbeitenden zur Abstimmung einer gemeinsamen Strategie und nicht zuletzt Resilienz, um auch im Zusammenhang mit den in einem volatilen Umfeld immer wieder auftretenden Krisen, Veränderungen und Unsicherheiten den Mitarbeitenden Sicherheit zu vermitteln und sie zu befähigen, mit den entsprechenden Situationen umgehen zu können (Müller-Wieland und Heidingsfelder 2018). Polarisierung7 Der Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski sprach schon 2008 von einer „Bedrohung der (Arbeitnehmer-)Mitte“ (Opaschowski 2008). Allerdings zeigen Untersuchungen, dass Die ebenfalls zu beobachtende politische Polarisierung ist nicht Gegenstand dieses Kapitels, da sie nur mittelbar Einfluss auf den Arbeitsmarkt nimmt.
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die soziale Ungleichheit, die viele Menschen empfinden, sich empirisch nicht belegen lässt. Vielmehr bleibt die Mittelschicht konstant die größte Bevölkerungsgruppe und ist seit 2005 weitgehend stabil. Der Mittelschichtsbericht definiert die Mittelschicht dabei auf Basis eines Einkommens, das zwischen 60 und 200 Prozent des Medianeinkommens liegt. Es zeigt sich allerdings, dass Menschen ohne Bildungsabschluss, in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis oder mit Migrationshintergrund zu einem höheren Anteil der niedrigen Einkommensschicht angehören und dass positive Entwicklungen, v. a. im Arbeitsmarkt, die Mittelschicht nicht gestärkt haben. So haben sich die mittleren realen Einkommen der Mittelschicht nur geringfügig erhöht. Zudem ist die Steuerbelastung stärker angewachsen als die Einkommen. Hinzu kommt, dass soziodemografische Merkmale (z. B. Bildung und Migrationshintergrund) die Schichtzugehörigkeit immer stärker prägen (Niehues 2019; KAS 2018). Gleichzeitig zeigen Analysen aber auch, dass immer mehr Menschen von dauerhafter Armut betroffen sind und sich parallel individueller Reichtum ausbreitet. Hier ist insbesondere relevant, dass es nicht nur die Einkommen sind, die stark auseinanderdriften, sondern vielmehr auch die entsprechenden Lebenswelten, was eine soziale Spaltung nach sich zieht. Dabei zeigt sich auch, dass die Mobilität zwischen den Generationen nur gering ausgeprägt ist, d. h. der Bildungsgrad des Kindes ist noch immer stark abhängig vom Bildungsgrad der Eltern, was sich letztlich auch in den beruflichen Perspektiven niederschlägt. In der Konsequenz steht trotz einer drastisch verringerten Zahl der Erwerbstätigen ohne beruflichen Bildungsabschluss seit den 1970er-Jahren (von 33,4 Prozent im Jahr 1976 auf 17,7 Prozent im Jahr 2017) dem kontinuierlich wachsenden Anteil gut und sehr gut qualifizierter Personen am anderen Ende des Qualifikationsspektrums ein relativ stabiler Sockel an Bildungsarmut gegenüber. Der Anteil der Erwerbstätigen ohne beruflichen Bildungsabschluss lag bereits 1991 bei 19,6 Prozent und ist somit im Vergleichszeitraum kaum noch gesunken (IAQ 2018). Die Polarisierung setzt sich auch in der Arbeitswelt fort. So steigt der Anteil der Arbeitsplätze, die ein hohes Maß an Qualifikation und/oder Expertenwissen erfordern, stetig an, während sich der Anteil der Arbeitsplätze für Menschen mit mittlerer oder geringer Qualifikation verringert. Gerade viele niedrig qualifikatorische Tätigkeiten, aber in zunehmendem Maße auch Dienstleistungen werden immer stärker durch Technologie ersetzt oder in Niedriglohnländer ausgelagert. Nicht zuletzt aufgrund dieser Entwicklung vergrößert sich die Kluft zwischen gut und sehr gut qualifizierten Menschen mit sehr positiven Perspektiven am Arbeitsmarkt und denjenigen, die sich aufgrund ihrer geringen Qualifikation rapide sinkenden Chancen in der Arbeitswelt gegenübersehen. Die Tatsache, dass Rekrutierungsprozesse immer häufiger global stattfinden, verringert die Arbeitsmarktperspektiven der gering qualifizierten Arbeitnehmenden zusätzlich. Denn sie stehen damit nicht nur im Wettbewerb zu Menschen mit besserer Qualifikation aus ihrem eigenen Land, sondern zusätzlich noch mit Tausenden mit gleicher, ähnlicher oder ebenfalls besserer Qualifikation aus aller Welt. In der Folge lässt sich die Welt immer weniger in solche Länder einteilen, die zur „globalen Unterschicht“ oder „globalen Oberschicht“ gehören. Viel-
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mehr vollzieht sich die Spaltung heute und in Zukunft anhand der Qualifikation, das heißt, es entstehen weltweit vergleichbare Klassenunterschiede in Bezug auf die Kompetenzen, die Menschen befähigen, am Arbeitsmarkt teilzuhaben. Global betrachtet wird der soziale Status somit bedeutsamer als individuelle Identitäten, was die Angst vor dem sozialen Absturz verstärkt. Letztlich lässt sich infolge dieser Entwicklung die Arbeitswelt als mehrdimensionales Gebilde begreifen. In der einen Arbeitswelt sind Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen durch fortschreitende Rationalisierung und Standardisierung gekennzeichnet, Routinearbeiten und Arbeitsverdichtung gehören zum Alltag. Durch Prozessoptimierung und Digitalisierung wird dem Druck, immer noch schneller und billiger zu sein, Rechnung getragen. In der anderen Arbeitswelt spielen Wissen und Kompetenzen in Kombination mit hoher Flexibilität, Schnelligkeit und Wendigkeit eine entscheidende Rolle. Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen weisen hier eine hohe Wissensintensität auf und sind sehr komplex. Diese beiden unterschiedlichen Dimensionen der Arbeitswelt erfordern auch differenzierte Ansätze, um die betroffenen Mitarbeitenden angemessen zu fordern und zu fördern und somit ihre Beschäftigungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. So gilt es in einer Welt der Routine und Standardisierung, Mitarbeitende dennoch „in Bewegung zu halten“, damit sie mit den Entwicklungen Schritt halten können, während in einer von hoher Veränderungsgeschwindigkeit geprägten Welt insbesondere darauf zu achten ist, dass die Mitarbeitenden auch „in Balance bleiben“ und nicht ausbrennen. Doch ganz gleich, in welcher der beiden Arbeitswelten jemand beschäftigt ist, eines ist klar: Ein hohes Maß an Kompetenz und Wissen ist das Basiswerkzeug für die tägliche Arbeit – ein Indikator für die Existenz einer Wissensgesellschaft in Deutschland (Rump und Eilers 2017a).
2.5
Zwischenfazit
In Tab. 3 werden noch einmal auf einen Blick die Kernaussagen dieses Kapitels zusammengestellt.8
Die entsprechenden Literaturverweise befinden sich in den jeweiligen Kapiteln und werden aus Gründen der Übersichtlichkeit in der Tabelle nicht noch einmal aufgeführt. 8
(Fortsetzung)
Demografie ‐ Die Altersstruktur in Deutschland verändert sich weg von einer jüngeren hin zu einer zunehmend älteren Bevölkerung. ‐ Geburtenrate und Lebenserwartung lassen sich vergleichsweise gut vorhersehen bzw. berechnen, während die Zuwanderung stark schwankt. ‐ Dennoch schreitet die Alterung der Bevölkerung auch trotz hoher Zuwanderungsraten weiter voran, sodass sich die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter (20–66Jahre) von 51,8 Mio. 2018 auf 45,8–47,4 Mio. (je nach Szenario) 2035 reduziert. ‐ Seit der Jahrtausendwende steigt der Anteil der 55- bis 64-Jährigen an den Erwerbstätigen stetig an. ‐ Wer auch im Alter zwischen 65 und 74 Jahren noch erwerbstätig ist, reduziert in der Regel seinen Arbeitsumfang deutlich. Diversity Generationendiversität ‐ Unterschiedliche Generationen bringen teils sehr unterschiedliche Sozialisationserfahrungen mit. ‐ Die Babyboomer (geboren bis 1969) sind in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs aufgewachsen und lassen sich überwiegend durch ein hohes Maß an Ehrgeiz, Konkurrenzfähigkeit und hohe Sozialkompetenz charakterisieren. ‐ Die darauffolgende Generation X (1970–1984) wuchs im Umfeld steigender Unsicherheiten im privaten und beruflichen Kontext auf und sucht typischerweise nach Sicherheit im Beruf, Weiterentwicklung und materiellem Wohlstand. Sie wünscht sich auch bereits eine ausgewogene Balance zwischen Beruf und Privatleben. ‐ Diese Tendenzen stellen für die Generation Y (1985–2000) bereits eine Selbstverständlichkeit dar und intensivieren sich noch. Sie profitiert von der Globalisierung und der demografischen Entwicklung und nutzt die Vorteile zu eigenen Gunsten in der Berufsfindung. Spannende Arbeitsaufgaben, immer wieder neue Herausforderungen und interessante Fragestellungen machen bei der Wahl eines Arbeitgebers und bei der Entstehung von Motivation und Bindung den Unterschied. ‐ Für die ab dem Jahr 2000 geborene Generation Z steht der Einstieg in das Berufsleben noch weitgehend bevor. Ihnen werden hoher Pragmatismus, ausgeprägte Anpassungsfähigkeit und der Wunsch nach Sicherheit und sozialen Beziehungen sowie nach der Möglichkeit, im späteren Berufsleben genügend Zeit für Familie und Freizeit zu haben, bescheinigt. Kulturelle Diversität ‐ Die Globalisierung ist eng mit der Internationalisierung von Gesellschaften und Belegschaften und deren kultureller Vielfalt verknüpft. Treiber sind die Rekrutierung im Ausland, die zunehmende Mobilität der Menschen, offenere Grenzen und Wanderungs- bzw. Flüchtlingsprozesse sowie technologische Möglichkeiten der Vernetzung, die mit einer Entkoppelung vom Ort einhergehen.
Tab. 3 Kernaussagen zum Trendscanning
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‐ Somit kommt kulturelle Vielfalt durch mehrere Gruppen in die Unternehmen: aktiv im Ausland akquirierte Fach- und Führungskräfte, in Deutschland lebende Menschen mit Migrationshintergrund sowie Geflüchtete. ‐ Die Herausforderung besteht darin, das Potenzial der bereits in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund besser als bislang zu nutzen und bei neu Ankommenden zunächst so schnell und umfassend wie möglich eine Integration in das deutsche Bildungs- und Arbeitssystem und in die deutsche Gesellschaft zu erreichen. Genderdiversität ‐ Seit den 1970er-Jahren wandeln sich die Geschlechterrollen in Deutschland. ‐ Die massivsten Veränderungen zeigen sich in Bezug auf die Bildungsverläufe und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Der Bildungs- und Qualifikationsstand von Frauen steigt stetig an, inzwischen haben unter den 30- bis 34-Jährigen bereits mehr Frauen als Männer einen akademischen Abschluss, und die Erwerbstätigenquoten von Frauen liegen bei 75 Prozent. ‐ Mit zunehmender Erwerbstätigkeit der Frauen verlor das Alleinverdienermodell in Familien immer mehr an Bedeutung und wurde ersetzt durch das sogenannte Zuverdienermodell mit einem (meist männlichen) Hauptverdiener und einem (meist weiblichen) Zuverdiener im Sinne einer Teilzeitbeschäftigung oder einer geringfügigen Beschäftigung, das heute noch weitgehend Bestand hat. ‐ Aufholpotenziale bestehen insbesondere beim Arbeitsvolumen von Frauen, das weiterhin deutlich unter dem von Männern liegt, bei ihrem Anteil an Führungspositionen, der bei etwa 30 Prozent verharrt, und bei der nach wie vor stark geschlechtsspezifischen Berufswahl. Digitalisierung ‐ Der Terminus digitale Transformation beschreibt den Vorgang, mit dem die Möglichkeiten, die sich durch diese Technologien bieten, zu einer Neugestaltung von Prozessen, Strukturen, Geschäftsmodellen und nicht zuletzt auch gesamtgesellschaftlichen Verhaltensweisen führen. Der Begriff Transformation weist bereits darauf hin, dass es sich um ein Phänomen handelt, das keinen Anfang und kein Ende hat. ‐ Die Digitalisierung ist nicht alleinige Ursache für zahlreiche Entwicklungen in Bezug auf Organisationsstrukturen, Lernen sowie Kompetenzanforderungen und Berufsbilder, sondern vielfach eher der Treiber oder „Enabler“, um Veränderungen umzusetzen oder Verhaltensweisen zu unterstützen, die letztlich in anderen Megatrends begründet liegen. ‐ Insbesondere das allgegenwärtige mobile Hochgeschwindigkeitsinternet, künstliche Intelligenz, die umfängliche Anwendung von Big-Data- Analysen sowie Cloud-Technologie sind als entscheidende Treiber für Wirtschaftswachstum in den Jahren 2018–2022 zu erwarten. ‐ Das „Internet der Dinge“ bringt Entlastungen durch intelligente Umgebungen und interagierende Objekte sowie Geschäftspotenziale in den Bereichen Automatisierung, Logistik, Automobil, Gesundheit, alternde Gesellschaft, Umwelt, Energie, Geschäftsprozesse und Sicherheit mit sich. Zudem entstehen neue Möglichkeiten zur Automatisierung bestehender und Schaffung neuer digitaler Prozesse. ‐ Heute schon und in Zukunft noch stärker können Mitarbeitende jederzeit und von jedem Ort aus auf Daten und Informationen zugreifen und so auch neues kontextbezogenes Wissen erzeugen.
Tab. 3 (Fortsetzung)
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‐ Infolge der umfassenden Informatisierung entstehen auch neue Geschäftsmodelle, die agiler und stärker auf Vernetzung ausgerichtet sind. ‐ Durch die Vernetzung von Menschen lassen sich unterschiedliche Kenntnisse, Erfahrungen und Kompetenzen optimal miteinander kombinieren und Anzeichen für Veränderungen des relevanten Umfelds vergleichsweise schnell erkennen (Konnektivität oder Hyperkonnektivität). Kundenwünsche und -bedürfnisse lassen sich über den gesamten Produktzyklus hinweg einbinden, sodass die Kundenzentrierung erheblich erhöht wird. ‐ Künstliche Intelligenz, kurz KI oder im englischen Sprachgebrauch auch AI (Artificial Intelligence) genannt, versetzt Computer oder Roboter in die Lage, menschliches Verhalten zu simulieren und infolgedessen entsprechende Aktionen durchzuführen. Mehr und mehr ergeben sich daraus Potenziale zur Substitution intellektueller menschlicher Denkleistungen und in der Konsequenz auch zur Automatisierung bestimmter intellektuell anspruchsvoller Tätigkeiten. ‐ Heute bezieht sich der KI-Begriff in der Regel auf die sogenannte schwache künstliche Intelligenz. Starke KI ist derzeit noch ein Zukunftsszenario. ‐ Wie sich KI entwickelt, hängt in hohem Maße von der Akzeptanz und Gestaltung ab. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass mit KI auch nicht unerhebliche Unsicherheiten und Befürchtungen einhergehen. ‐ Für Unternehmen und Organisationen ist es eine große Herausforderung, die technologischen Potenziale, die sich ihnen bieten, zu überblicken, sie realistisch einzuschätzen und auch entsprechend zu nutzen. Dazu bedarf es neben einer modernen IT-Infrastruktur weiterer Voraussetzungen wie einer innovationsfreudigen Unternehmenskultur, agilen Arbeitsmethoden, der Optimierung von Geschäftsprozessen und einer adäquaten Innovationsentwicklung und -realisierung. ‐ Nicht zuletzt ist es entscheidend, genügend Mitarbeitende in der Belegschaft zu haben, die über ein hohes Verständnis für die neuen Prozesse verfügen und sie steuern können. Auch Kooperationen mit anderen Unternehmen können hilfreich sein. Nicht zuletzt gilt es, zielgerichtet in KI zu investieren. ‐ Die immensen Effekte der Digitalisierung zeigen sich insbesondere in disruptiven Technologien, die Strukturen, Prozesse und Geschäftsmodelle unwiederbringlich verändern. Ökonomie Globalisierung ‐ Kaum eine andere große Volkswirtschaft profitiert ähnlich stark von der Globalisierung wie Deutschland. ‐ Seit einigen Jahren ist eine Machtverschiebung von West nach Ost mit einem Erstarken des asiatischen Raumes zu beobachten. ‐ Zunehmend überschreitet Arbeit geografische, sprachliche und kulturelle Grenzen. ‐ Nach Jahrzehnten des Offshoring entscheiden sich heute Unternehmen zunehmend wieder für Inshoring oder Reshoring und holen ausgelagerte Prozesse zurück in das Ursprungsland. ‐ Zur Glokalisierung als Gegentrend zur Globalisierung gibt es unterschiedliche Interpretationsansätze. Einige beziehen sich auf das Begriffspaar Globalisierung und Lokalisierung im Sinne der Beeinflussung lokaler Strukturen durch die Globalisierung und das Bestreben, nationale und individuelle Identitäten und Charakteristika zu bewahren. Für andere ist das Lokale Teil der Globalisierung und beide Elemente bedingen einander. Die ökonomische Perspektive fokussiert das Verhältnis zwischen der globalen Ausrichtung von Organisationen und Unternehmen und der vielfach lokal verorteten industriellen Produktion sowie lokal angepassten (Produktions)strategien. (Fortsetzung)
Wissens-/Innovationsgesellschaft ‐ Wissen, Kompetenzen, Fertigkeiten und Motivation der Mitarbeitenden werden immer mehr zum erfolgskritischen Faktor. ‐ Die Halbwertzeit von Wissen sinkt rapide, es wird immer schwieriger, Wissen und Kompetenzen „ein Leben lang“ aktuell zu halten und die Komplexität zu überblicken. ‐ Innovation und wissenschaftlicher Fortschritt finden nicht mehr nur in den hoch entwickelten Wirtschaftsnationen, sondern zunehmend auch in Schwellenländern statt, sodass auch Wissensarbeit immer stärker weltweit verteilt wird. ‐ Bereits heute investiert die deutsche Wirtschaft mehr in Wissenskapital als in klassische Anlagegüter. Im internationalen Vergleich stellen sich diese Investitionen allerdings nur als durchschnittlich dar, zudem ist der Wissenskapitalstock aufgrund der demografischen Entwicklung überdurchschnittlich alt. Entwicklung zur VUCA-Welt ‐ Märkte werden zunehmend instabiler, Entwicklungen immer schwerer vorhersehbar, eindeutige Zuordnungen sind häufig nicht mehr möglich. ‐ Die Steuerung von Unsicherheiten sowie einer nie da gewesenen Dimension der Komplexität wird dadurch zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. ‐ Es gilt, bestehende Geschäftsmodelle zu transformieren, neue zukunftsträchtige Geschäftsfelder zu besetzen und gleichzeitig auch das noch profitable Kerngeschäft so effizient wie möglich zu verfolgen. ‐ Strategische Allianzen im Sinne von Wertschöpfungspartnerschaften erlangen dabei eine zunehmende Bedeutung. Auch Kundenbeziehungen mit zunehmend „mündigen“ Kundinnen und Kunden wandeln sich. ‐ Die Ziele der Geschäftstätigkeit wandeln sich und schließen immer häufiger auch positive Effekte auf Gesellschaft und/oder Umwelt ein. ‐ In der Konsequenz befinden sich Unternehmen zunehmend im Zustand der Ambiguität, die sich in Bezug auf unterschiedlichste Spannungsfelder äußert. ‐ m aktuell diskutierten Kontext geht es vor allem darum, anhand einer vorgegebenen Struktur mit definierten Begrifflichkeiten die Rahmenbedingungen von Organisationen den Umfeldbedingungen anzupassen. ‐ Der entscheidende Treiber für die VUCA-Welt ist die Digitalisierung, doch auch die Globalisierung und die Entwicklung zur Wissens- und Innovationsgesellschaft nehmen erheblichen Einfluss.
Tab. 3 (Fortsetzung)
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(Fortsetzung)
Ressourcenmangel ‐ Natürliche Ressourcen sind die materielle, energetische und räumliche Grundlage des Lebensstandards. ‐ vSie in Anspruch zu nehmen, ist unweigerlich mit Belastungen für die Umwelt verbunden, die sich über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg zeigen. ‐ Infolge einer wachsenden Weltbevölkerung zeichnet sich eine weiterhin stark zunehmende Nutzung natürlicher Ressourcen, ein Ungleichgewicht zwischen der Nutzung und der Regenerationsfähigkeit der Erde und infolgedessen auch die Verknappung und Verteuerung bestimmter Rohstoffe bzw. Energiequellen ab, die für Unternehmen strategische Ressourcen bedeuten. ‐ Hinzu kommen zunehmende Reglementierungen mit Bezug zum Klimaschutz. ‐ Für Unternehmen ziehen Veränderungen bei der Rohstoffsituation und Energieversorgung nicht selten auch Konsequenzen bei der Wahl von Standorten sowie bei der Prozessgestaltung nach sich. ‐ Es kommt zu sozialen Ungleichgewichten, wenn der Pro-Kopf-Konsum an Rohstoffen in den Industrienationen etwa viermal höher ist als in weniger entwickelten Ländern und hier auch der Großteil der Wertschöpfung aus der Ressourcennutzung liegt, die weniger entwickelten Länder jedoch am stärksten von den negativen ökologischen und sozialen Folgen betroffen sind. ‐ Eine schonende und effiziente Ressourcennutzung ist Gegenstand zahlreicher Strategien, die sich insbesondere auf die Bereiche Produktion und Konsum beziehen. Protektionismus ‐ Protektionismus zeigt sich seit einigen Jahren in unterschiedlichen Facetten. ‐ Auf politischer Ebene verfolgen die USA eine umfangreiche Abschottungsstrategie, auch in China gelten strenge Reglementierungen in Bezug auf ausländische Unternehmen, Großbritannien verließ mit dem Brexit die Europäische Union. ‐ Aus ökonomischer Sicht geht es um eine gerechtere Verteilung von Wohlstand in der Bevölkerung und den Schutz insbesondere von aufstrebenden Unternehmen oder Branchen vor internationalen Mitbewerbern. ‐ Für deutsche Unternehmen ist der Protektionismus in Bezug auf ihre Auslandsgeschäfte ein hohes Risiko. ‐ Durch Handelsbarrieren kommt es zu einer erheblichen Störung internationaler Wertschöpfungsketten und infolgedessen auch zu einer negativen Auswirkung auf das Wachstum in Industrienationen. ‐ Das heißt, die vermeintlichen Vorteile des Protektionismus werden sich durch den Aufbau von Handelsbarrieren und Regulierungshemmnissen mittel- bis langfristig negativ auf alle auswirken.
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Mobilität ‐ Immer mehr Migrantinnen und Migranten aus aufstrebenden Schwellenländern kehren nach einer Ausbildung und dem Sammeln beruflicher Erfahrung in entwickelten Ländern in ihre Heimat zurück und stärken diese deutlich mit ihrem erweiterten Know-how. Dadurch nimmt auch der politische Einfluss dieser Länder vor dem Hintergrund einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung zu. ‐ Deutschland steht auf Rang 2 der 10 attraktivsten Länder für internationale Arbeitskräfte. ‐ Grundsätzlich bringen die zunehmende weltweite digitale Vernetzung und Förderung von Auslandsaufenthalten schon in jungen Jahren deutlich mehr Möglichkeiten und eine deutlich höhere Bereitschaft mit sich, auch außerhalb des Heimatlandes beruflich aktiv zu werden. Allerdings zeigen sich hier auch deutliche regionale Unterschiede. ‐ Zu dieser Entwicklung trägt nicht zuletzt bei, dass sich die Profile der Menschen global immer mehr angleichen. Ökologie Urbanisierung ‐ Schätzungen zufolge wird sich bis zum Jahr 2030 der Anteil der Weltbevölkerung, der in Städten lebt, weiter erhöhen. ‐ Gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern verläuft eine schnelle Urbanisierung in der Regel unkontrolliert und führt nicht selten zu Zersiedlung. ‐ In den westlichen Industrienationen besteht die Herausforderung vor allem darin, veraltete, teilweise bereits im Verfall befindliche Infrastruktur zu erneuern oder anpassungsfähige Infrastruktursysteme zu entwickeln. ‐ Viele Großstädte wachsen immer weiter, strukturschwache und/oder ländlich geprägte Regionen verlieren an Bevölkerung. Dies geht für beide Seiten mit großen Herausforderungen einher. ‐ Eine gegenläufige Entwicklung wird ebenfalls als „Glokalisierung“ bezeichnet, entstanden aus dem Begriffspaar Urbanisierung und Regionalisierung. ‐ Treiber sind die Ansiedlung namhafter Unternehmen mit stabiler Beschäftigung im ländlichen Raum, bezahlbarer Wohnraum und die Möglichkeiten des ortsunabhängigen Arbeitens durch die Digitalisierung.
Tab. 3 (Fortsetzung)
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(Fortsetzung)
Klimawandel ‐ Klimaveränderungen gewinnen an Brisanz, da bestimmte Aspekte des Klimawandels menschengemacht sind und die Szenarien, die Klimaforschende für die kommenden Jahrzehnte abbilden, bedrohliche Entwicklungen zeigen. ‐ Grundsätzlich bietet der Klimawandel auch Chancen, beispielsweise durch mildere Winter, die zur Reduzierung der Ausfallzeiten in der Bauwirtschaft oder zur Senkung von Heizkosten beitragen können. Diese können aber die negativen Konsequenzen bei Weitem nicht aufwiegen. ‐ Klimafolgen zeigen sich insbesondere in Bezug auf Gesundheit, Landwirtschaft, Verkehr und Energieproduktion. ‐ Der Klimawandel verlangsamt das Wirtschaftswachstum, verschärft soziale Ungleichheiten, verschärft und impliziert so auch die Gefahr gewaltsamer Konflikte und verstärkter Migrationsbewegungen. ‐ Bereits seit Jahrzehnten wird vor den Folgen des Klimawandels gewarnt, und entsprechende Maßnahmen werden eingefordert. Bislang erfolgte jedoch weder durch politische Abkommen und Gesetze noch auf der Ebene des Individuums ein tief greifender Verhaltens- oder Bewusstseinswandel. ‐ Die jüngere Generation zeigt allerdings ein ausgeprägtes Interesse an einer Veränderung. Ihre öffentlichen Bekundungen („Fridays-for-Future- Bewegung“) werden von Wissenschaftlern unterstützt. ‐ Grundsätzlich wird ein Überdenken des Konsum- und Mobilitätsverhalten angemahnt. Inwieweit dem Umdenken auch nachhaltige Verhaltensänderungen folgen, lässt sich noch nicht absehen. ‐ Die Digitalisierung bietet Potenziale im Hinblick auf eine Reduktion der Treibhausgasemissionen. Dazu braucht es jedoch auch entsprechende Rahmenbedingungen und einen politischen und gesellschaftlichen Umsetzungswillen. ‐ Zudem führt auch die Digitalisierung selbst zu einem wachsenden Ressourcenverbrauch. ‐ Der Klimawandel nimmt einen nicht unerheblichen Einfluss auf Beschäftigung. Nachhaltigkeit als Wert und Haltung ‐ Der Nachhaltigkeitsbegriff rückt in der aktuellen Diskussion um den Klimawandel und um weltweite Problemstellungen wie die Ausbreitung von Mikroplastik im ökologischen und ökonomischen Kontext wieder verstärkt ins öffentliche Interesse. ‐ Eher weniger im Fokus steht die soziale Komponente der Nachhaltigkeit, die sich in Bezug auf die Arbeitswelt auf Verlässlichkeit bis hin zur Beschäftigungssicherung und auf Beschäftigungsfähigkeit (Employability) bezieht. ‐ Zudem ist eine nachhaltige Unternehmenspolitik vermehrt ein Kriterium – gerade für die jüngere Generation – bei der Wahl eines Arbeitgebers. ‐ Die „Renaissance“ der Nachhaltigkeitsdebatte liegt nicht zuletzt auch darin begründet, in einer Welt ständiger Veränderung und steigender Unsicherheit auf politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene nach einem Gegengewicht zu suchen.
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Gesellschaft Wertewandel, Life Balance und Individualisierung ‐ Die Vielfalt an Normen und Werten in der Gesellschaft nimmt beständig zu. ‐ Es lässt sich eine Wertesynthese feststellen, ein Streben nach einem ausbalancierten Lebenskonzept, in dem unterschiedliche Werte gleichberechtigt nebeneinanderstehen und die Gesellschaft traditionelle und moderne Werte gleichermaßen schätzt und verkörpert. ‐ Die Rückbesinnung auf Kernwerte führt zu einer gesellschaftlichen Aufwertung von Ehe, Familie und Kindern, sozialer Anerkennung ehrenamtlicher und freiwilliger Tätigkeiten, einer grundlegenden Neubewertung von Arbeit und Leistung sowie der vorrangigen Förderung von Bildung und Kultur. ‐ Es kommt zu einer zunehmenden Sinnsuche in beruflichen und außerberuflichen Bereichen. Arbeit und Privatleben stehen nicht mehr im drastischen Gegensatz zueinander, sondern werden zunehmend als verbundene Bereiche wahrgenommen und es besteht nicht mehr die Bereitschaft, das Privatleben bedingungslos so zu arrangieren, dass es den beruflichen Belangen gerecht wird. ‐ Die Notwendigkeit einer ausgewogenen Balance zwischen Beruf und Privatleben steigt angesichts der zunehmenden Veränderungsgeschwindigkeit und Komplexität, aber auch der Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Vor allem die jüngere Generation ist sich dessen bewusst und fordert die Balance auch offensiv ein. ‐ Der Begriff der „Work-Life-Balance“ wird inzwischen kontrovers diskutiert, und es scheint eine Begrifflichkeit wie „Life Balance“ zielführender zu sein. Klar ist, dass eine Reduzierung auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu kurz greift und das Empfinden bezüglich einer gelungenen Balance individuell sehr unterschiedlich und einem beständigen Wandel unterworfen ist. ‐ Auch die Individualisierung nimmt zu und umfasst neben Selbstverwirklichung auch Selbstkontrolle, Selbstverantwortung und Selbststeuerung. ‐ Die jüngere Generation ist in diese individualisierte Welt hineingeboren und entsprechend mit einem hohen Anspruch an Selbstverwirklichung sozialisiert, sodass die Thematik in den 2000er-Jahren mit Eintritt der ersten Vertreterinnen und Vertreter der Generation Y in den Arbeitsmarkt einen enormen Schub und öffentliche Aufmerksamkeit erlebte. ‐ Eng mit der Thematik der Individualisierung verbunden ist die Entwicklung zur sogenannten Multioptionsgesellschaft, das heißt, Menschen sehen sich einer immer größeren Anzahl an Optionen in allen möglichen Bereichen ihres Lebens gegenüber, was sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt. ‐ Die Multioptionsgesellschaft findet ihren Ausdruck nicht zuletzt in der zunehmenden Pluralität der Lebensentwürfe.
Tab. 3 (Fortsetzung)
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(Fortsetzung)
Veränderung des Bildungsverständnisses ‐ Das gesamtgesellschaftliche Bildungsverständnis wandelt sich. So steigt seit den 1970er-Jahren das Bildungsniveau erheblich an. Das gilt für die Schulbildung ebenso wie für die Erstausbildung und die berufliche Weiterbildung. ‐ Ein Wandel hat sich zudem in Bezug auf die Wahrnehmung der dauerhaften Wertigkeit eines einmal erworbenen Berufsabschlusses vollzogen. Heute ist davon auszugehen, den Beruf mehrfach im Leben zu wechseln und sich stetig weiterbilden zu müssen. ‐ Ein Blick auf die Entwicklung der Weiterbildungsbeteiligung, die nahezu kontinuierlich ansteigt, bestätigt diesen Trend. Dabei ist es zum überwiegenden Teil betriebliche Weiterbildung, in deutlich geringerem Umfang findet eine Beteiligung an individueller berufsbezogener Weiterbildung sowie nicht berufsbezogener Weiterbildung statt. Gesundheitsbewusstsein ‐ In zunehmendem Maße wächst das Bewusstsein dafür, über ein verlängertes Erwerbsleben hinweg physisch und psychisch gesund bleiben zu müssen. ‐ Dies ist durchaus vernünftig und berechtigt, da der hohe Flexibilisierungsgrad der Arbeit eine zunehmende Komplexität sowie Beschleunigung des Lebens und Arbeitens mit sich bringt und die Grenzen zwischen beruflicher und privater Sphäre zusehends verschwimmen. ‐ Gerade psychische Erkrankungen sind auf dem Vormarsch und haben sich als Ursache für Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum zwischen 1976 und 2013 mehr als verfünffacht. Die durchschnittlichen Ausfallzeiten bei dieser Art von Erkrankung sind vergleichsweise lang. ‐ Es liegt auf der Hand, dass es erklärtes Ziel sein sollte, diese Erkrankungen möglichst zu reduzieren und dafür präventive Maßnahmen zu ergreifen. ‐ Das gestiegene Gesundheitsbewusstsein äußert sich zum einen im Streben nach einem ausbalancierten Lebenskonzept, aber auch in konkreten Aktivitäten zur Verbesserung und Überwachung der eigenen Gesundheit. Gerade Letztere nehmen rasant zu. Partizipation und Demokratisierung ‐ Das zunehmende Streben nach Partizipation wird nicht selten als Konsequenz der Digitalisierung und Virtualisierung gesehen, liegt jedoch auch in der Sozialisation begründet. ‐ Die jüngere Generation wurde und wird dazu erzogen, ihre Werte und Meinungen zu vertreten, die Freiräume und Mitspracherechte von Kindern und Jugendlichen wachsen stetig. ‐ In der Folge werden auch im Arbeitskontext zunehmend eigene Meinungen und Wünsche kundgetan, und es besteht der Wunsch, an Entscheidungsfindungen zu partizipieren. ‐ Grundsätzlich hat Partizipation für Beschäftigte insbesondere etwas mit der Mitgestaltung ihrer Arbeitsumgebung, Arbeitsweise und Arbeitsorganisation zu tun. ‐ Für Führungskräfte stellt Partizipation die Chance dar, dem umfangreichen Aufgaben- und Rollenprofil sowie dem Anforderungsprofil gerecht zu werden, mit dem sie sich infolge der Veränderungen in der Arbeitswelt konfrontiert sehen.
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Polarisierung ‐ Untersuchungen zeigen, dass die soziale Ungleichheit, die viele Menschen empfinden, sich empirisch nicht belegen lässt. Vielmehr bleibt die Mittelschicht konstant die größte Bevölkerungsgruppe und ist seit 2005 weitgehend stabil. ‐ Es zeigt sich allerdings, dass Menschen ohne Bildungsabschluss, in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis oder mit Migrationshintergrund zu einem höheren Anteil der niedrigen Einkommensschicht angehören und dass positive Entwicklungen, v. a. im Arbeitsmarkt, die Mittelschicht nicht gestärkt haben. ‐ Gleichzeitig sind immer mehr Menschen von dauerhafter Armut betroffen, während sich parallel individueller Reichtum ausbreitet. Nicht nur die Einkommen driften immer stärker auseinander, sondern auch die entsprechenden Lebenswelten, was eine soziale Spaltung nach sich zieht. ‐ Die Mobilität zwischen den Generationen ist nach wie vor nur gering ausgeprägt, das heißt, der Bildungsgrad des Kindes ist noch immer stark abhängig vom Bildungsgrad der Eltern, was sich letztlich auch in den beruflichen Perspektiven niederschlägt. ‐ Die Polarisierung setzt sich auch in der Arbeitswelt fort. So steigt der Anteil der Arbeitsplätze, die ein hohes Maß an Qualifikation und/oder Expertenwissen erfordern, stetig an, während sich der Anteil der Arbeitsplätze für Menschen mit mittlerer oder geringer Qualifikation verringert. ‐ Weltweit vollzieht sich die Spaltung heute und in Zukunft anhand der Qualifikation, das heißt, es entstehen weltweit vergleichbare Klassenunterschiede in Bezug auf die Kompetenzen, die Menschen befähigen, am Arbeitsmarkt teilzuhaben. Global betrachtet wird der soziale Status somit bedeutsamer als individuelle Identitäten, was die Angst vor dem sozialen Absturz verstärkt.
Tab. 3 (Fortsetzung)
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Herausforderungen und Chancen im Kontext der Trends
Jede und jeder Einzelne ebenso wie Unternehmen und Organisationen stehen vor der Aufgabe, mit den Herausforderungen in Zusammenhang mit den beschriebenen Trends und Entwicklungen adäquat umzugehen und die ihnen innewohnenden Chancen bestmöglich zu nutzen. Dabei stehen insbesondere 3 Bereiche im Fokus, die auch Implikationen für eine strategische Personalplanung mit sich bringen (Abb. 2): • • • •
Neue Kompetenzanforderungen erkennen und adäquat reagieren, Employability sichern Mit dem Spannungsfeld zwischen Personalanpassung und Fachkräftemangel umgehen Die Veränderungen von Arbeitsformen und Arbeitsverständnis begleiten Vorausschauend mit den vorhandenen Ressourcen umgehen
3.1
eue Kompetenzanforderungen erkennen und adäquat N reagieren, Employability sichern
Eine Vielzahl von Studien setzt sich in jüngster Zeit mit der Veränderung von Kompetenzanforderungen an Beschäftigte auseinander, insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung. Im Folgenden soll auf zwei dieser Studien näher eingegangen werden, da sie exemplarisch für viele weitere stehen, die deutlich machen, dass es in der Arbeitswelt von morgen weit mehr braucht als Fachwissen und digitale Expertise.
Abb. 2 Herausforderungen und Chancen im Kontext der Trends (eigene Darstellung)
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So identifiziert finden sich unter den Kompetenzen, die nach Ansicht des Weltwirtschaftsforums in Deutschland zwischen 2018 und 2022 am meisten gefragt sind, auffallend viele sogenannte Soft Skills (WEF 2018): • • • • • • • • • •
Analytisches Denken und Innovationsfähigkeit Kreativität, Originalität und Eigeninitiative Lernbereitschaft und Lernfähigkeit Technologiedesign und Programmierung Kritisches und analytisches Denken Problemlösungskompetenz in Bezug auf komplexe Fragestellungen Führungskompetenz und sozialer Einfluss Emotionale Intelligenz Resilienz, Stresstoleranz und Flexibilität Systemisches Analysieren und Evaluieren
Auf die Bedeutung der „Soft Skills“ oder „Schlüsselqualifikationen“ wurde schon früh durch den Bildungsforscher Dieter Mertens hingewiesen. Er sprach von persönlichen Qualitäten, „ … denen übergeordnete Bedeutung für die Bewältigung zukünftiger Anforderungen an den Menschen zugesprochen wird“ (Mertens 1974). Dies bestätigt auch eine Studie des Stifterverbands in Zusammenhang mit McKinsey, die in 3 unterschiedliche Kompetenzcluster differenziert. Dies sind zum einen spezifische technologische Fähigkeiten. Darunter werden solche Fähigkeiten verstanden, die benötigt werden, um transformative Technologien nachhaltig zu prägen, sowohl im Bereich etablierter transformativer Technologien als auch für neu aufkommende Bereiche. Eine besondere Herausforderung besteht in der Analyse komplexer Daten und der Weiterentwicklung von KI. Es entstehen neue, branchenübergreifende Jobprofile, wie z. B. Data Scientist. Nur ausgewiesene Expertinnen und Experten benötigen diese Fähigkeiten. Hinzu kommen digitale Basiskompetenzen. Dies sind laut der Studie Fähigkeiten, die es Menschen ermöglichen, eine aktive Rolle in der digitalisierten Welt zu spielen. Sie sind sowohl im Berufsleben als auch im Alltag künftig unerlässlich, um die soziale Teilhabe zu sichern und bestimmte Jobprofile ausfüllen zu können. Dazu zählen digitaler Wissenserwerb (Digital Learning), der sichere Umgang mit Onlineinhalten (Digital Literacy) und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Sie sind zudem erforderlich, um in kollaborativen und agilen Teams tätig zu sein, sich effektiv zu vernetzen und kritische Entscheidungen in einer zunehmend digitalen Welt treffen zu können. So viele Menschen wie möglich sollten diese Kompetenzen aufweisen. Nicht zuletzt bedarf es auch nichtdigitaler Basisqualifikationen – und hierunter versteht die Studie Schlüsselqualifikationen –, in denen sich Fähigkeiten wie Anpassungsfähigkeit, K reativität und Durchhaltevermögen finden. Sie werden künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Wer sie besitzt, kann besser mit neuen Situationen umgehen und ist in der Lage, in der vermehrt volatilen und komplexen Arbeitswelt Probleme zu analysieren und zu lösen (Stifterverband und McKinsey 2018).
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Um künftig zu bestehen, sollten Unternehmen dafür Sorge tragen, dass alle Kompetenzbereiche in angemessener Weise für ihren Arbeitskontext vorhanden sind. Allerdings benötigt nach den Erkenntnissen der Studie jeder vierte Beschäftigte Weiterbildung in Bezug auf die digitalen Basiskompetenzen und die nichtdigitalen Schlüsselqualifikationen (Stifterverband und McKinsey 2018). Auch der Bundesverband der Personalmanager (BPM) und das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Consult stellen in einer gemeinsamen Studie fest, vor allem bei den Soft Skills von Mitarbeitenden bestehe noch dringender Nachholbedarf, insbesondere im Hinblick auf Veränderungsbereitschaft und Flexibilität, die sie als Kernkompetenz der Zukunft erachten (Gekeler 2018; Rump und Eilers 2020). Dies ist offenbar auch den Beschäftigten selbst bewusst. Denn eine Befragung des BMAS (2016) zeigt, dass knapp 80 Prozent der Teilnehmenden bedingt durch technologische Neuerungen den Druck empfinden, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen ständig weiterzuentwickeln. Dies gilt nicht nur für Höherqualifizierte, sondern auch für zwei Drittel der Niedrigqualifizierten. Die Notwendigkeit, neben den fachlichen auch die Schlüsselqualifikationen angemessen zu fördern – ein Erwerbsleben lang –, wird bereits seit einiger Zeit im Kontext des Employability Management diskutiert. Dabei geht es im Kern darum, Menschen zu befähigen, fachliche, soziale und methodische Kompetenzen unter sich wandelnden Rahmenbedingungen zielgerichtet und eigenverantwortlich anzupassen und einzusetzen, um eine Beschäftigung zu erlangen oder zu erhalten (Rump und Eilers 2011, S. 81). In einer Arbeitswelt, die immer fragiler und volatiler wird, entwickelt sich die eigene Beschäftigungsfähigkeit (Employability) damit zum „Sicherungsanker“, für den jede und jeder Einzelne Eigenverantwortung trägt, jedoch auch Unternehmen als Arbeitgeber, die die entsprechenden Rahmenbedingungen bieten sollten. Lebenslanges Lernen nimmt insofern eine immense Bedeutung dabei ein, die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu sichern und beruflich „Schritt halten“ zu können. Es muss in einem Umfeld, in dem die rasante technologische Entwicklung permanente Weiterbildung unerlässlich macht und zudem die gewünschten Fachkräfte nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Arbeit „ein Leben lang“ werden. Doch wie kann ein zukunftsorientiertes Lernkonzept aussehen? In einer Untersuchung der Detecon International GmbH in Zusammenarbeit mit dem Institut für Beschäftigung und Employability IBE, der Humovo Germany GmbH sowie INNOFACT AG Research & Consulting konnten 10 Thesen in Bezug auf zukunftsorientiertes Lernen – Future Learning – entwickelt werden (Rump et al. 2019a): 1. Die Lernverantwortung sollte den Mitarbeitenden übergeben werden. Personalentwicklung und Führungskräfte müssen aber eine ebenso zentrale Rolle für die Entwicklung einzelner Mitarbeitender spielen. 2. Nicht selten besteht beim Lernen im Unternehmen eine 2-Klassen-Gesellschaft zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden. Dies gilt es kritisch zu hinterfragen und ggf. anzupassen.
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3. Lernen wird vielfach mit Anstrengung und Versagensangst verknüpft. Lernbegleiter/-coaches, die gleichzeitig die Lernenden auf eigenverantwortliches Lernen vorbereiten, können helfen, derartige Hürden zu überwinden. 4. Es gilt stets, den Fokus auf die Stärken der Mitarbeitenden zu richten – dies bringt Mitarbeitende und Unternehmen gleichermaßen weiter. 5. In vielen Unternehmen besteht eine große Lücke zwischen dem Idealbild des Lernens und der umgesetzten Realität. Es ist zu prüfen, wodurch diese Lücke entsteht und wie sie verkleinert bzw. geschlossen werden kann. 6. Die technokratische Kultur in Deutschland legt den Fokus auf die Methoden- und Instrumentenebene. Ziel muss es sein, wichtige Aspekte wie Individualisierung von Lernen und die Persönlichkeit der Lernenden dabei nicht zu vernachlässigen. 7. Multioptionalität ist die Lösung für Lernen – a) Vielfalt und Didaktik, b) Vernetzung und Austausch sowie c) persönliche Entfaltung bilden das magische Dreieck im zukünftigen Lernen. Es gilt daher, wo immer möglich, Multioptionalität im betrieblichen Lernen anzubieten und zu unterstützen. 8. Sogenannte Learning Journeys können die Nachhaltigkeit des Lernens sichern und sollten daher so häufig wie möglich zum Einsatz kommen. 9. Zu beachten ist: Der Lernprozess, aber nicht der Lernerfolg ist messbar. 10. Lernen ist auch ein Generationenthema – Ältere Mitarbeitende haben andere Lernmuster und einen anderen Zugang zu digitalen Lernformaten. Es ist essenziell, dies bei der Gestaltung von Lernangeboten zu berücksichtigen.
3.2
it dem Spannungsfeld zwischen Personalanpassung und M Fachkräftemangel umgehen
Die beschriebenen Trends und Entwicklungen implizieren, dass es zu einer Polarisierung im Kontext der Personalbedarfe im Unternehmen kommt. So können in ein und demselben Unternehmen bei herrschendem Fachkräftemangel in bestimmten Bereichen gleichzeitig Personalanpassungen erforderlich werden – eine Entwicklung, die für die Belegschaft in der Regel schwer nachvollziehbar ist. Beschäftigt man sich mit den Ursachen, so wird deutlich, dass insbesondere die Digitalisierung eine entscheidende Rolle spielt. So ziehen die Möglichkeiten der Substitution menschlicher Arbeit durch die digitalen Technologien Personalanpassungen in bestimmten Tätigkeitsfeldern und Berufsbildern nach sich. Die Folge ist eine Verringerung der Perspektiven für Beschäftigte mit Qualifikationen und Kompetenzen, die im Zuge der Digitalisierung nicht mehr in dem Maße benötigt werden, wie dies in der Vergangenheit der Fall war. Spezifische berufliche Anforderungen und Berufsprofile werden sich durch die technologischen Errungenschaften zudem weiterhin wandeln. Das ist allerdings keine per se negative Entwicklung, denn vor allem monotone sowie körperlich und geistig belastende Tätigkeiten können mit zunehmendem Fortschritt abgelöst werden. Dadurch werden Ressourcen frei, die sinnvoll eingesetzt werden können. Es besteht durchaus die Option, Zeitreserven zu heben, die man
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dann sinnvoll beispielsweise im Rahmen der Individualisierung von Kundenwünschen, der Erweiterung des Leistungsspektrums, Generierung von Innovationen und der hybriden Organisation einsetzen könnte. Substituierbarkeitspotenziale ergeben sich insbesondere durch den zunehmenden Einsatz von Robotern, durch Algorithmen, selbstständig lernende Computerprogramme und durch Anwendungen wie z. B. 3D-Druck und virtuelle Realität. Das IAB berechnet den Anteil der potenziell ersetzbaren Tätigkeiten in bestimmten Berufen sowie die potenzielle Betroffenheit der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, und es wird deutlich, dass mit steigendem Anforderungsniveau einer Tätigkeit das Substituierbarkeitspotenzial sinkt (Dengler und Matthes 2018). Einen ähnlichen Zusammenhang stellen auch Frey und Osborne (2013, 2017) fest. Nach den Ergebnissen ihrer Untersuchung sinkt die Automatisierungsgefahr mit steigendem Lohn und Bildungsgrad. In einer Studie von Lehmer und Matthes (2017) zeigt sich, dass sich in den Jahren 2012–2015 positive Beschäftigungseffekte durch die Digitalisierung für Personen ergeben haben, die IKT-Expertentätigkeiten und nicht wissensintensive Dienstleistungen ausüben. Verluste hingegen waren bei Helfertätigkeiten im Bereich der nicht wissensintensiven Dienstleistungen zu verzeichnen. Diese Ergebnisse lassen sich allerdings nicht auf alle wirtschaftlichen Bereiche übertragen. Eine Szenarioanalyse von Wolter et al. (2016) kommt zu dem Schluss, dass die Nachfrage nach höher Qualifizierten sowie Arbeitskräften im IT-, sozialen und kreativen Bereich zu Lasten von Personen mit Berufsabschluss – die klassischen „mittleren Qualifikationen“ wie z. B. kaufmännische Dienstleistungsberufe oder steuernde Tätigkeiten in der Produktion – und Routinetätigkeiten, die vergleichsweise leicht programmierbar bzw. durch künstliche Intelligenz (KI) bearbeitbar sind, zunehmen wird. Letztendlich werden danach jedoch die Arbeitskräftebewegungen zwischen Branchen und Berufen größer sein als die Veränderung der Anzahl aller Erwerbstätigen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Warning und Weber (2017), die ebenfalls Qualifikationsverschiebungen in digitalisierenden Betrieben beobachten. So wird es auch bei vielen Tätigkeiten, die bisher durch Beschäftigte mit mittlerem Qualifikationsniveau bearbeitet worden sind und die eine manuelle und/oder kognitive, teilweise auch hoch komplexe Routineaufgabe darstellen, zu einer Substitution durch die Technik, insbesondere im Kontext von KI, kommen (Brynjolfsson und McAfee 2012, 2014; Autor und Dorn 2013; Zuboff 2014; Bonin et al. 2015; Rump und Eilers 2017a). Das IAB gibt mit Blick auf die o. g. Zahlen zu bedenken, dass bei Weitem nicht alle Substituierbarkeitspotenziale auch tatsächlich ausgeschöpft werden. Dem stehen zum Teil wirtschaftliche, ethische oder rechtliche Aspekte entgegen: • Sofern die Qualität der Ware oder Dienstleistung höher ist, wenn sie von Menschen erarbeitet bzw. erbracht wird, wird es Kunden geben, die bereit sind, dafür einen höheren Preis zu zahlen. • Sofern eine Maschine oder ein Roboter im Einsatz teurer ist als die menschliche Arbeit, um die gleiche Ware oder Dienstleistung in der gleichen Zeit zu erbringen, wird es nicht zu einer Substitution kommen.
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• Rechtliche Rahmenbedingungen verhindern den Einsatz von Maschinen zur Erledigung bestimmter Tätigkeiten. • Einige Tätigkeiten werden derzeit aus Gründen einer noch nicht abschließend geführten ethischen Debatte nicht substituiert (Dengler und Matthes 2018). Doch es kommt auch zur Entstehung neuer Tätigkeiten und Berufe im Kontext der Digitalisierung. So wird konstatiert, dass der größte Teil der Tätigkeiten, die im Zeitraum zwischen den beiden IAB-Vergleichsstudien 2013 und 2016 entstanden sind, direkt mit der Einführung digitaler Technologien zu tun hat. Hier sind insbesondere das Beherrschen neuer Softwareanwendungen, der Umgang mit neuen Technologien und die Einhaltung dazugehöriger gesetzlicher Vorschriften zu nennen. Zudem ergeben sich durch neue Technologien und Verfahren auch neue Bedarfe im Bereich von Qualitäts- und Prozessmanagement sowie im Kontext neuer Dienstleistungen und Produkte (Dengler und Matthes 2018). Zunehmend entscheiden sich Unternehmen darüber hinaus für das sogenannte Inshoring oder Reshoring, das heißt, ausgelagerte Prozesse werden zurück in das Ursprungsland geholt. Ganze Berufe entstehen eher seltener neu, doch auch hier zeigt sich im Vergleich der Daten zwischen 2013 und 2016, dass neue Berufe insbesondere in Bereichen entstanden sind, die mit der Anwendung neuer Technologien in Zusammenhang stehen, wie der Beruf des Data Scientist oder des Interfacedesigners (Dengler und Matthes 2018). Der Stifterverband prognostiziert in seiner gemeinsamen Untersuchung mit McKinsey, dass bis zum Jahr 2023 in Deutschland alleine im industriellen und Dienstleistungsbereich zusätzliche 700.000 Fachleute mit technischen Fähigkeiten, über die Hälfte davon komplexe Datenanalysten, benötigt werden, um mit Big Data umzugehen und die Potenziale von KI entsprechend zu nutzen. Hinzu kommt der Bedarf an Beschäftigten, die in der Lage sind, mit der verstärkt aufkommenden Blockchain-Technologie adäquat umzugehen, mit deren Hilfe schnell sichere Transaktionen in einem Netzwerk mit vielen Beteiligten abgeschlossen werden können. Dieser Bedarf hat sich derart rapide entwickelt, dass er noch nicht zahlenmäßig in der Analyse erfasst werden konnte (Stifterverband und McKinsey 2018). Doch es sind nicht nur hoch und sehr hoch qualifizierte Beschäftigte, die Unternehmen in zunehmendem Maße brauchen. Gleichzeitig erhöht die Digitalisierung auch den Bedarf an sogenannten Basic Workern – also entgegen den Entwicklungen der Vergangenheit (s. oben). Basic Work umfasst per definitionem Tätigkeiten, bei denen die Einweisung ausschließlich vor Ort erfolgt und für die es keiner formalen beruflichen Qualifikation bedarf. Die Qualifikation derjenigen, die Basic Work ausüben, ist dabei allerdings durchaus nicht durchweg gering bzw. nicht vorhanden. Vielmehr bedingen bestimmte berufliche und private Umstände, dass Basic Work auch von Menschen mit beruflich qualifiziertem Abschluss (teils nur phasenweise) ausgeübt wird. Bedarf an Basic Workern entsteht vor allem im Kontext von Unterstützungs- und Hilfsfunktionen im Zusammenwirken von Mensch und Maschine im gewerblichen Bereich bzw. der Produktion, aber auch auf dem Feld der Dienstleistungen, die nicht digital substituierbar sind. Ebenso kommt es durch
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intelligente Assistenzsysteme dazu, dass einige Tätigkeiten keine mittlere Qualifikation mehr erfordern, sondern vermehrt von Basic Workern ausgeführt werden können. Gleichzeitig verändert KI die Prozesse im Basic-Work-Bereich, so z. B. durch digitale Formen der Einarbeitung und Informationsübermittlung im Pflegebereich, Hilfssysteme bei Dispositionstätigkeiten etc. Letztendlich lässt sich als Bilanz ziehen, dass rein zahlenmäßig die positiven und negativen Beschäftigungseffekte je nach Szenario weitgehend ausgeglichen sein werden, es jedoch zu einer Verschiebung der Tätigkeitsschwerpunkte weg von mittleren Qualifikationen und hin zu höheren Qualifikationen sowie Basic Work kommt. Zudem muss die qualitative Perspektive berücksichtigt werden, da vielfach die vorhandenen Qualifikationen nicht zu den benötigten passen und insofern ein Mismatch entsteht. Die große Herausforderung liegt somit nicht darin, dass die Arbeit per se ausgeht, sondern darin, die Umbrüche und Veränderungen in Bezug auf Qualifikationsanforderungen, Berufs- und Tätigkeitsprofile zu meistern. Gelingt dies nicht, könnte es selbst bei ausreichender Nachfrage nach Arbeitskräften zu struktureller Arbeitslosigkeit kommen. Auf die Unternehmensebene bezogen bedeutet dies, dass es essenziell ist, die mittel- bis langfristigen Veränderungen hinsichtlich der Unternehmensentwicklung und der damit zusammenhängenden Personalbedarfe frühzeitig zu erkennen und entsprechend alle damit einhergehenden Personalrisiken, -chancen und -strukturen zu steuern (Rump und Eilers 2020).
3.3
ie Veränderung von Arbeitsformen und D Arbeitsverständnis begleiten
Auch Arbeitsformen und Arbeitsverständnis wandeln sich infolge der Trends und Entwicklungen in beträchtlichem Maß. Dies stellt eine enorme Chance, aber auch eine komplexe Aufgabe für Individuen und Arbeitgeber dar. Im Fokus stehen dabei seit einiger Zeit die Themen Agilität und Flexibilisierung
3.3.1 Agilität Vielen der Zusammenhänge und Herausforderungen der in Kap. 1 beschriebenen Megatrends lässt sich mit einer Steigerung der Agilität begegnen. Agilität wird dabei insbesondere als Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Bedingungen verstanden und ist nicht selten eines der Elemente von New-Work-Konzepten. Die Begrifflichkeit existiert bereits seit den 1950er-Jahren in den unterschiedlichsten Formen (Fischer 2016). Agilität lässt sich auf die Primärorganisation und auf die Sekundärorganisation übertragen. Agile Primärorganisation bedeutet, dass die Aufbaustruktur, der Ablauf und die Arbeitsmethoden durch die Prinzipien der Agilität bestimmt werden. Es gibt damit keine klassische Linienorganisation mehr. Eine agile Sekundärorganisation beschreibt den Einsatz von agilen Organisations- und Arbeitsformen und -methoden innerhalb einer eher klassischen Organisation. Dazu gehören beispielsweise Scrum, Design Thinking, Kanban, World
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Café, Brainstorming und viele mehr. Darüber hinaus ist eine sogenannte Parallelorganisation denkbar. Dabei wird neben das Unternehmen ein „Satellit“ gesetzt, der agil organisiert ist und mit agilen Methoden arbeitet. Dies kann beispielsweise ein Start-up sein, das von dem Unternehmen zugekauft wurde, oder auch eine bewusst ausgelagerte Einheit im Sinne eines Innovation Lab oder einer Digital Factory – ein Modell, das inzwischen zahlreiche Großunternehmen erfolgreich eingeführt haben. Das sogenannte AGIL-Schema, das auf Parsons zurückgeht, bezieht sich auf die 4 Funktionen Adaption (Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Rahmenbedingungen), Goal Attainment (Zieldefinition und -verfolgung), Integration (im Sinne von Zusammenhalt und Inklusion) sowie Latency (Aufrechterhaltung normativer Strukturen und Werthaltungen). Während Parsons damit eine allgemeine Theorie sozialer Systeme entwickelte, wurde in den 1990er-Jahren insbesondere das Agile Manufacturing diskutiert, bei dem es um schnelle Produktentwicklung, multifunktionale Teams und Optimierung der Produktionsabläufe im Prozessverlauf ging. Aufgegriffen wurde das Konzept dann erneut mit Beginn des 21. Jahrhunderts als Prinzip einer modernen Softwareentwicklung und schließlich in jüngster Zeit in einem umfassenden Verständnis jenseits der Grenzen von Produktion oder Entwicklung als Mindset, mit dem den Herausforderungen insbesondere der Digitalisierung begegnet werden soll (Fischer 2016). Eine abschließende und eindeutige Definition der Agilität besteht nicht, doch herrscht in der Literatur weitgehende Einigkeit darüber, dass es insbesondere folgende Merkmale sind, die agile Betriebe, Organisationen oder Teams auszeichnen (Hofmann 2017; Lemke et al. 2018; Fischer 2016; Fischer et al. 2017; Spath 2019): • • • • • • • • • • •
Sie sind wendig genug, sich an Veränderungen flexibel anpassen zu können. An die Stelle klassischer Hierarchien treten vernetzte Arbeitsformen. Teams agieren weitgehend selbstorganisiert, eigenverantwortlich und projektbezogen. Führung erfolgt partizipativ und beratend (Führungskraft als Coach). Kommunikation, sowohl virtuell als auch real, nimmt eine entscheidende Rolle ein. Lösungen werden in der Regel iterativ erarbeitet. Sie weisen eine hohe Schnelligkeit in der Reaktion auf sich wandelnde Rahmenbedingungen auf. Die Markt- und Kundenorientierung ist stark ausgeprägt. Prozesse sind stark innovationsgetrieben. Basis ist ein hohes Maß an Transparenz sowie eine Fehler- und Vertrauenskultur. Sie fördern Experimente und Reflexion sowie unternehmerisches Denken und Handeln auf allen Ebenen.
Spath (2019) unterscheidet 3 Dimensionen der Agilität – die Kundenagilität als Fähigkeit, Kundenreaktionen und -stimmen schnell in Marktwissen zu transformieren, die Partneragilität als Reaktion auf Marktveränderungen durch den Austausch mit Kunden und das Lernen voneinander sowie die operationale Agilität, die die Umgestaltung von Prozes-
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sen ermöglicht, sodass aufkommende Marktpotenziale schnellstmöglich ausgeschöpft werden können. In einer qualitativen Studie des Instituts für Personalforschung (IfP) der Hochschule Pforzheim lässt sich erkennen, dass es insbesondere die 4 Merkmale Geschwindigkeit, Anpassungsfähigkeit, Kundenzentriertheit und Haltung sind, die Praktikerinnen und Praktiker mit dem Begriff verbinden (Fischer 2016; Fischer et al. 2017). Damit diese Prinzipien auch in der Praxis funktionieren, gilt es, bestimmte Leitprinzipien zu implementieren. So verpflichten sich Mitarbeitende gemeinsam auf Arbeitsziele und -regeln. „Wächter“ achten auf das Einhalten der agilen Arbeitsprinzipien. Hierarchiefrei bedeutet also nicht, regelfrei zu arbeiten. Zudem braucht es Teams, die in der Lage und bereit sind, mit der Dynamik umzugehen, der Energie, die sich entwickelt, zu folgen, sich in der Komplexität zurechtzufinden, sich aktiv in kontroverse Diskursprozesse im Team einzubringen und auch fachliche Konflikte konstruktiv zum Wohle der Innovationsgenerierung zu lösen. Agile Organisations- und Arbeitseinheiten agieren zudem im Sinne des Pull-Ansatzes und werden in „Squads“, „Tribes“ und „Chapters“ abgebildet. Nicht selten werden sie als „Schnellboote“ im Rahmen von „Fregattensystemen“ oder großen „Mutterschiffen“ eingesetzt. Es bedarf auch eines Raums (im wahrsten Sinne des Wortes) für agiles Arbeiten. Die Architektur der Räumlichkeiten sollte die Leitprinzipien widerspiegeln. Agile Organisationen brauchen zudem Zeit. Zeit wird als Investition angesehen, mit der Erwartung, dass ein Return on Investment in Form von Innovationen realisiert wird, jedoch ohne den genauen Zeitpunkt und auch die genaue Zeitperiode zu bestimmen. Eine klar definierte Projektorganisation mit einem Projektmanagement, verknüpft mit einer detaillierten Meilensteinplanung steht dem per definitionem entgegen (Hofmann 2017; Rump und Eilers 2019c). Agile Organisation wird häufig mit der organisationalen Ambidextrie verbunden (zur allgemeinen Definition von Ambidextrie s. Abschn. 3.4). Organisationale Ambidextrie ist die Fähigkeit, radikale und inkrementelle Innovationen gleichzeitig in der Organisation zu verfolgen. Verknüpfen wir nun Agilität mit Ambidextrie, so wird deutlich, dass die agile Organisation zum Ziel hat, inkrementelle Innovationen, aber vor allen Dingen radikale Innovationen zu generieren. Inkrementelle Innovationen betreffen z. B. die Optimierung eines bestimmten Portfolios (Reimage) oder dessen Weiterentwicklung. Darüber hinaus gehört zu inkrementellen Innovationen das Angebot von Lösungen in neuen Feldern (Reinvent). Inkrementelle Innovationen werden auch als Exploitation bzw. Ausbau des Bestehenden bezeichnet. Demgegenüber werden mit radikalen Innovationen Erfindungen in und für noch nicht existierende(n) Märkte(n) und das Erschließen von Neuland verbunden. Dies ist mit den Begriffen „Disrupt“ und Exploration verknüpft. Exploration und Exploitation, beide gefördert durch agile Organisationsformen und Methoden, sind Veränderungen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Art und das Ausmaß der Veränderungen unterschiedlich sind. Während die Exploitation mit Change verbunden ist, zeigt die Exploration die Charakteristika einer Transformation. Agile Organisationen, die sowohl für Exploration als auch für Exploitation eingesetzt werden können, müssen daher
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mit Change und Transformation umgehen bzw. sind Mittel zum Zweck des Change und der Transformationen (Hofmann 2017). Um die Innovationen, generiert in den agilen Einheiten, umzusetzen und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, bedarf es also Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit (Rump 2018). Als Gründe, aus denen sich Unternehmen mit Agilität beschäftigten, definiert das IfP zunächst solche, die von außen einwirken. Dazu gehören der dynamische und veränderte Markt sowie die steigende Schnelligkeit in der Produktentwicklung und die fortschreitende Digitalisierung. Ebenfalls thematisiert wird, dass Bewerbende in zunehmendem Maße eine gewisse Erwartungshaltung an den Tag legen, bei einem potenziellen Arbeitgeber agil arbeiten zu können. Von innen wirkende Gründe sind die steigende Komplexität von Projekten und die veränderten Ansprüche der Mitarbeitenden hinsichtlich flexibler Arbeitszeiten und -orte sowie Formen der Zusammenarbeit ebenso wie das Bestreben, die Motivation der Mitarbeitenden zu erhöhen und Raum für Innovationen zu schaffen (Fischer et al. 2017). Als Vorteile von Agilität, die nach außen wirken, sehen die Befragten in der IfP-Studie insbesondere die stärkere Kundenzentriertheit durch vermehrte Einbindung von Kunden und die höhere Flexibilität am Markt, aber gleichermaßen auch eine verbesserte Position im Hinblick auf Fachkräftegewinnung und Arbeitgeberattraktivität. Nach innen betrachtet – und diese Vorteile wiegen für die Unternehmensvertreterinnen und -vertreter nach eigener Aussage deutlich schwerer – wirkt sich Agilität nach Ansicht der Studienteilnehmenden positiv auf die Flexibilität, insbesondere in der Reaktion auf Veränderungen, aus, zudem bedeutet sie einen Zeitgewinn. Hinzu kommt ein höheres Maß an Offenheit und Transparenz in Strukturen und Prozessen ebenso wie in Zielen und Entscheidungen. Nicht zuletzt verändern sich in einem agilen Umfeld Führung und Zusammenarbeit. Vor allem von der stärkeren Verantwortungsübernahme durch Mitarbeitende wird eine Erhöhung von Qualitätsbewusstsein, Motivation und Commitment erwartet. Dazu gehört auch, eine Fehlerkultur im Unternehmen zu etablieren (Fischer et al. 2017). Nach den Gründen zur Nutzung agiler Methoden befragt, geben 55 Prozent der Teilnehmenden des HR-Report 20189 an, sie strebten eine höhere Flexibilität an. 51 Prozent geht es insbesondere um mehr Schnelligkeit, 46 Prozent um Vernetzung und je 43 Prozent um Anpassung und Selbstorganisation (Rump et al. 2018c). 73 Prozent der Befragten der Studie der Hochschule Koblenz sehen Ergebnis- und Effizienzverbesserungen durch die Anwendung agiler Methoden (Komus und Kuberg 2017). Grenzen der Agilität sind insbesondere darin zu finden, dass die Sicherheit und der Schutz des intellektuellen Eigentums, aber auch bestimmte Regelungen der Unternehmensführung wie Governance und Compliance zu beachten sind (Lemke 2019). Zudem sind Teams mit der Umstellung auf agile Methoden auch nicht selten überfordert. Mehr Verantwortung, neue Freiräume und eine Fehlerkultur, in der offen Kritik geübt wird, stellen viele Menschen, die in einem anderen System sozialisiert wurden, zumindest zu Der HR-Report ist eine Langzeitstudie der Hays AG in Zusammenarbeit mit dem Institut für Beschäftigung und Employability IBE. Seit 2011 werden jährlich bestimmte Schwerpunktthemen in den Kontext zentraler HR-Trends gesetzt. 9
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Beginn vor erhebliche Herausforderungen. Kompetenzen zur Selbstorganisation und dem Umgang mit agilen Methoden müssen in der Regel zunächst angeeignet und eingeübt werden. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt ist der Statusverlust in Organisationen, die zuvor stark hierarchisch strukturiert waren und in denen sich nun die bisherigen Führungskräfte in einer mehr oder weniger hierarchiefreien Umgebung wiederfinden. Unerlässlich bei der Einführung einer agilen Organisation bzw. entsprechender Einheiten und Teams ist es daher, die Voraussetzungen der Beschäftigten frühzeitig zu hinterfragen, bestehende Ängste ernst zu nehmen und gegebenenfalls vorbereitende Maßnahmen wie Schulungen oder Gesprächsrunden zu implementieren (Leitl 2016). Die größten Hürden auf dem Weg zur agilen Organisation sehen die Teilnehmenden des HR-Reports 2018 in zu starren Prozessen, der mangelnden Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden und der Anpassung der Führungskultur an die agile Organisation. Als größte Spannungsfelder zwischen der agilen Organisation und der Linienorganisation werden die Klärung der Verantwortlichkeiten, die Neuausrichtung vorhandener Strukturen und Prozesse, mangelndes Vertrauen, Silodenken der Abteilungen und die Überstrapazierung der Organisationsstrukturen erlebt (Rump et al. 2018c). Wie agil Unternehmen und Institutionen bereits agieren, stellt sich aufgrund der vielfältigen Definitionsansätze und des daraus resultierenden stark schwankenden Verständnisses von Agilität als schwer erfassbar dar. Im HR-Report der Hays AG und des IBE Ludwigshafen geben 51 Prozent der Teilnehmenden an, die Bedeutung einer agilen Organisation in ihren Unternehmen sei groß bzw. sehr groß. Dabei steigt die Bedeutung offensichtlich mit der Unternehmensgröße an und ist im industriellen sowie Dienstleistungssektor größer als im öffentlichen Dienst. Danach befragt, wie die Bedeutung in 3 Jahren eingeschätzt wird, liegt der Zustimmungswert bereits bei 69 Prozent (Rump et al. 2018c). Einer Studie der Hochschule Koblenz10 zufolge werden Projekte eher selten rein klassisch oder rein agil durchgeführt. Vielmehr gilt für 31 Prozent der Projekte, dass sie fallweise (selektiv) entweder klassisch oder agil durchgeführt werden, 37 Prozent sind in einer hybriden Form angelegt. Das heißt, überwiegend werden klassische Projektmanagementmethoden mit agilen Methoden kombiniert. Die meist genutzten Methoden laut Studie der Hochschule Koblenz sind dabei Scrum, Kanban und Lean (Komus und Kuberg 2017). Im HR-Report 2018 werden Design Thinking, Innovationslabore und Lean Start-ups am häufigsten genannt (Rump et al. 2018c). Der Einsatz agiler Methoden erfolgt bei 40 Prozent der Teilnehmenden an der Studie der Hochschule Koblenz in IT-nahen Themen, bei 34 Prozent in Themen ohne IT-Bezug. Nach wie vor ist die Softwareentwicklung mit 82 Prozent vorherrschend (Komus und Kuberg 2017). In jedem sechsten der befragten Unternehmen arbeitet der IT-Bereich bereits heute agil, g efolgt von den Bereichen Personalwesen und Unternehmensleitung/-entwicklung, die etwa in jedem zehnten Unternehmen agile Methoden einsetzen. In der Zukunftsperspektive von 3 Jahren wird insbesondere im Personalwesen ein weiterer Zuwachs 10 An der Studie „Status Quo Agile“ des BPM Labors beteiligten sich mehr als 1000 Personen aus mehr als 30 Ländern.
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(auf 29 Prozent) erwartet (Rump et al. 2018c). Es wird in Zukunft vor allem darauf ankommen, unterschiedliche Organisationsformen im Unternehmen so zu kombinieren, dass sie dem jeweiligen Aufgabenspektrum gerecht werden. So macht Weisung und Kontrolle in den meisten ausführenden Bereichen, z. B. in der Produktion, durchaus Sinn, während sie in kreativen Bereichen hinderlich wirkt (Kofler 2018). Die Führungskraft wird nach Ansicht der Befragten im HR-Report 2018 zum Manager der Schnittstellen zwischen Linien- und agiler Organisation und muss mit neuen Formen der internen Kommunikation und einem erhöhten Maß an Koordination umgehen können. Die Unternehmenskultur sollte insbesondere die Übernahme von Verantwortung durch die Mitarbeitenden, den offenen Umgang mit kritischen Themen und die Fähigkeit zur Selbstorganisation von Teams fördern. Zudem sollte sie für eine stärkere Beteiligung der Mitarbeitenden sorgen, eine hierarchieübergreifende offene Kommunikation schaffen und starre Abstimmungsstrukturen aufbrechen (Rump et al. 2018c).
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Flexibilisierung
Die zentralen Dimensionen der Flexibilisierung sind Arbeitsort, Arbeitszeit und Workforce sowie die flexible Gestaltung von Werdegängen. Resultierend daraus entwickeln sich vielfältige Szenarien von mobilen und vernetzten Arbeitssystemen, Beschäftigungs- und Laufbahnmodellen. Flexibilisierung wird vor dem Hintergrund der beschriebenen Megatrends immer mehr zum Erfolgskriterium für Unternehmen. Für die Einzelne und den Einzelnen kann sie erhebliche Erleichterungen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und einen deutlich höheren Freiheitsgrad im Sinne von New Work („Arbeite, wann und wo du willst“) bedeuten. Dies führt nicht zuletzt zu gesundheitlichen Entlastungen. Gleichzeitig kann Flexibilisierung Menschen aber auch überfordern, ihnen Orientierung und Grenzen rauben, sodass sich hieraus negative gesundheitliche Folgen ergeben. Flexible Arbeitszeitlösungen Flexible Arbeitszeitlösungen finden sich in den unterschiedlichsten Formen und sind weit verbreitet in deutschen Unternehmen anzutreffen. Vielfach wurden sie implementiert, um den betrieblichen Bedürfnissen nach dem Ausgleich von Kapazitätsschwankungen oder Krisenzeiten zu begegnen, jedoch auch zur Verbesserung der Vereinbarkeit des Berufs mit dem Privatleben. Gerade die Digitalisierung bietet immense Möglichkeiten, Arbeitszeiten flexibler zu gestalten. Allerdings sind hierbei auch einige Aspekte zu bedenken, von denen zwei im Folgenden näher beleuchtet werden sollen. So gilt es in Bezug auf flexible Arbeitszeitlösungen zu beachten, dass Zeit vielen Menschen als Orientierungs- und Selbststeuerungsgröße dient. Insofern geht mit Lösungen wie Vertrauensarbeitszeit oder reiner Ergebnisorientierung die Notwendigkeit einher, diese Orientierung oder Selbststeuerung auf eine neue Basis zu stellen. Noch immer ist das Einhalten einer bestimmten Arbeitszeitdauer in vielen Unternehmen ein Symbol und
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Maßstab für die Menge an geleisteter Arbeit und auch ein Richtstab für Führungskräfte, wenn es darum geht, Aufgaben gerecht unter den Mitarbeitenden zu verteilen. Ein ersatzloses Streichen kommt daher vielfach nicht in Frage, es gilt vielmehr, nach alternativen Maßstäben zu suchen. Dies impliziert auch, Arbeitszeit, die für Fehlversuche aufgewendet wurde, ebenso zu honorieren wie die, die in Erfolgen resultiert (Hofmann et al. 2019). In engem Zusammenhang zur Flexibilisierung steht auch die Frage nach der Erreichbarkeit beziehungsweise Verfügbarkeit von Beschäftigten. Nicht selten werden die Begrifflichkeiten der Erreichbarkeit und Verfügbarkeit synonym oder nicht trennscharf verwendet. Bei genauerer Betrachtung ist allerdings erkennbar, dass es entscheidende Unterschiede gibt. Erreichbarkeit bedeutet, grundsätzlich per Telefon, E-Mail etc. erreichbar zu sein – das ist man eigentlich immer. Allerdings besteht auch eine Wechselwirkung: Ist die Erreichbarkeit gegeben, erhöht dies die Erwartungshaltung – sowohl seitens des Unternehmens als auch des Individuums an sich selbst –, auch verfügbar zu sein (Stock-Homburg und Bauer 2007). Verfügbarkeit bedeutet, tatsächlich ansprechbar beziehungsweise vor Ort zu sein. Eine wichtige Fragestellung im betrieblichen Kontext, die derzeit in zahlreichen Unternehmen diskutiert und teilweise auch auf unterschiedliche Weise gelöst wird, richtet sich darauf, wer über die Verfügbarkeit von Beschäftigten entscheidet – der oder die Beschäftigte selbst, die Führungskraft oder die Organisation als Ganzes? Klar ist: „Aus der Möglichkeit des ‚Anytime – Anyplace‘ darf für Beschäftigte nicht das Diktat des ‚Always and Everywhere‘ werden“ (BMAS 2015, S. 65). Grundsätzlich gilt es bei den Fragestellungen der Entgrenzung, Erreichbarkeit und Verfügbarkeit, das Bedürfnis nach Individualität zu beachten. Denn jeder Mensch empfindet die Grenzziehung unterschiedlich. Hinzu kommt, dass sich das persönliche Empfinden einer gelungenen Grenzziehung im Lebensverlauf verändern kann, beispielsweise in unterschiedlichen Lebensphasen, aber auch infolge bestimmter Erfahrungen. Flexible Lösungen in Bezug auf den Arbeitsort Wenngleich die Verbreitung von Homeofficelösungen noch bis Anfang 2020 eher schleppend vorangegangen ist, so sind sich Forschende doch sicher, dass hierin einer der Schlüssel zu einem individuelleren Umgang mit den Lebensphasen der Mitarbeitenden und deren Bedürfnissen liegt. Nicht zuletzt lassen sich durch Homeoffice auch Arbeitszeitpotenziale heben. Wenn nur einmal die Woche 2 Stunden der Zeit, die üblicherweise zum Pendeln verpufft, in Arbeitszeit zu Hause investiert wird, dann kann dies durchaus schon eine Bereicherung darstellen – und zudem zur Reduzierung des Stresspegels bei dem oder der Mitarbeitenden beitragen. Dies ist insbesondere für Mitarbeitende mit Betreuungspflichten ein Gewinn, denen nur ein festes Zeitfenster zum Arbeiten während der Fremdbetreuungszeiten zur Verfügung steht. Bislang ließen sich vielfach Wünsche von Beschäftigten nach zumindest tageweisen Tätigkeiten im Homeoffice aufgrund betrieblicher Umstände oder Vorbehalte seitens der Führungskräfte und/oder Geschäftsleitungen nicht realisieren. Und auch viele Arbeitnehmende fürchteten eine Vereinsamung oder einen zu hohen Aufwand für die Arbeit von zu Hause aus. Die Corona-Krise führte im Frühjahr 2020 jedoch zu einem immensen Anstieg der Zahl an Beschäftigten im Homeof-
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fice über nahezu alle Branchen und Tätigkeitsfelder hinweg. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich hieraus dauerhafte positive Effekte für einen Bewusstseinswandel sowohl bei Arbeitnehmenden als auch bei Arbeitgebern und Führungskräften und ein Anstieg der Homeofficetage in Deutschland ergeben. Ein Trend der Zukunft sind die sogenannten Co-Working-Spaces. Die Idee entstand ursprünglich im Silicon Valley und dient im Grunde dazu, Beschäftigten unterschiedlicher Unternehmen oder auch Freiberuflern einen Ort zu bieten, an dem sie gemeinsam arbeiten und bestimmte Officedienstleistungen in Anspruch nehmen können. Dabei kann ein Austausch untereinander stattfinden, muss es aber nicht. Co-Working-Spaces erfreuen sich vor allem in Großstädten großer Beliebtheit. Von weltweit 160 im Jahr 2008 stieg ihre Zahl auf 14.000 bis 2017 an, 2018 waren es bereits geschätzte 37.000. In Deutschland ist diese Form des Arbeitens vor allem in Berlin – mit 170 Co-Working-Spaces – und in München – mit 31 – anzutreffen. In Berlin findet sich mit dem „Coworking Toddler“ sogar ein Büro, in das Kinder mitgebracht werden können. Primäre Nutzerinnen und Nutzer sind Vertreterinnen und Vertreter der sogenannten Generation Y zwischen Mitte 20und Ende 30 (Deskmag 2017; QVC 2018). Co-Working-Spaces stellen allerdings eine Herausforderung für das Personalmanagement dar, da vielfach noch keine klaren Regelungen existieren, wie diese rechtlich zu behandeln sind. Im Rahmen der XING-Studie gehen 72 Prozent der Befragten davon aus, dass Mitarbeitende in 15 Jahren überwiegend virtuell zusammenarbeiten werden, sei es in Co-Working-Spaces oder im Homeoffice (XING 2018). Ein Aspekt, der in Bezug auf Homeoffice, aber auch andere Formen des mobilen Arbeitens vielfach thematisiert wird, ist der Verlust an sozialen Kontakten. Tatsächlich kommt den sozialen Prozessen in Teams eine große Bedeutung für die Effektivität des Arbeitens zu. Diese fallen bei räumlich verteilter bzw. virtueller Zusammenarbeit nicht per se weg, müssen allerdings in ihrer Form und Häufigkeit sehr viel gezielter diskutiert und gefördert werden, als dies bei stationärer Arbeit der Fall ist. Dies erfordert nicht zuletzt einen höheren Planungsaufwand und die Fähigkeit von Führungskräften, auf Distanz bzw. virtuell zu führen. Von der Oelsnitz (2018) definiert zentrale Voraussetzungen für eine gelingende Zusammenarbeit und Führung auf Distanz: • • • •
Aufbau von Vertrauen zu Beginn der Zusammenarbeit Sensibilität gegenüber interkulturellen Unterschieden Aufstellung klarer Kommunikations- und Verhaltensregeln Wahl eines Kommunikationsmediums, das der Art der Tätigkeit, aber auch den Wünschen der Teammitglieder entspricht • Kompatibilität der innerhalb des Teams verwendeten Soft- und Groupware • Führung anhand klarer Arbeitspakete, Terminverfolgung, regelmäßiger Fortschrittskontrollen und Regulierung von Konflikten Grundsätzlich empfiehlt es sich, Teams nicht ausschließlich virtuell arbeiten zu lassen. Um einen verlässlichen Eindruck voneinander zu erhalten, der nicht nur auf Telefonaten
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oder Videokonferenzen basiert, sollte wann immer möglich auch ein persönliches Treffen stattfinden (v.d. Oelsnitz 2018). Flexible Workforce Der Zugang zur Arbeit kann durch die Möglichkeiten der Digitalisierung völlig neu reguliert und Abhängigkeiten können neu definiert werden. Vor allem in wissensintensiven Bereichen werden Trends wie variable Arbeitsbeziehungen, die zunehmende Verbreitung von Projektwirtschaft oder Open Innovation künftig eine neue Gestaltung der Arbeitsorganisation erforderlich machen. Denn es sind insbesondere flexible Kooperationsformen, die den steigenden Anforderungen an Innovations- und Anpassungsgeschwindigkeit sowie der immer größer werdenden Kompetenz- und Wissensbreite, die erforderlich ist, gerecht werden können. Ziel ist es, Wissen, Ressourcen und Akteure optimal miteinander zu vernetzen. Auch die 25 Thesen zur „Arbeit 4.0“ von Shareground und der Universität St. Gallen sehen die Entwicklung in diese Richtung, indem hoch qualifizierte Fachleute unabhängig von ihrer räumlichen Verortung Arbeitsleistungen rund um die Welt bei global transparenten und vergleichbaren Qualifikationen erbringen (Shareground und Universität St. Gallen 2015). Dies entspricht in hohem Maße dem Grundprinzip der Employability, die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten als „Sicherungsanker“ in der Arbeitswelt zu begreifen und nach dem bestmöglichen „Match“ zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern zu suchen. Variable Arbeitsbeziehungen zeigen sich auch in dem Ansatz, in Bereichen, in denen dies möglich ist, Projekte beziehungsweise einzelne Arbeitsschritte in der „Cloud“, dem weltweiten Computernetz, auszuschreiben und sich so das optimale Know-how in temporären Kooperationen zu sichern. In zunehmendem Maße entsteht in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine kurzfristig angelegte Projektkultur innerhalb und außerhalb klassischer Unternehmen mit je nach Bedarf wechselnden Teilnehmerkreisen in zumeist organisatorisch und rechtlich eigenständigen, temporären Projekten. Eine Studie der Pierre Audoin Consultants im Auftrag der Hays AG zeigt, dass es unter den befragten Unternehmen in den vergangenen 2–3 Jahren einen Anstieg der Projektarbeit um 62 Prozent gab (Hays und PAC 2015). Hier kommen beispielsweise Modelle wie Gig Working (selbstständige Arbeit, die über Plattformen vermittelt wird), Crowdworking (öffentliche Ausschreibung von Aufgaben oder Teilprojekten eines Unternehmens) oder Flash Organizations (plattformbasierte temporäre Organisationsformen) zum Tragen. Auch unternehmensintern gibt es Ansätze, neue Projekte über eine Plattform auszuschreiben, auf der sich Mitarbeitende selbst organisieren und sich für die Projekte im eigenen Unternehmen selbst bewerben müssen – unabhängig von ihrem Arbeitsort (Hofmann et al. 2019). Insbesondere Spitzentechnologien und innovative Dienstleistungen, die auf komplexes Wissen angewiesen sind, werden durch projektwirtschaftliche Strukturen vorangebracht. Auch projektwirtschaftliche Vernetzungen von Wettbewerbern dürften zunehmend an Bedeutung gewinnen, um gemeinsam Produkte zu entwickeln oder Wertschöpfungsketten anhand unterschiedlicher Kernkompetenzen neu zu gestalten. Dies kann in lokalen ebenso
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wie in internationalen Netzwerken geschehen (Brühl 2010; Hofmann et al. 2007; Rollwagen 2009; Schabel 2009; Fischer et al. 2013). Variable Arbeitsbeziehungen werden nicht zuletzt im Kontext des Trends zur Differenzierung in Kern- und Satellitenbelegschaften diskutiert. So nimmt in Anbetracht einer immer höheren Volatilität betrieblicher Geschehnisse die Tendenz zu, die Stammbelegschaft immer weiter zu reduzieren und durch sogenannte Satelliten, also variable Arbeitsbeziehungen, zu ergänzen, die temporäre Spitzen abfedern beziehungsweise im Sinne eines Gebens und Nehmens spezifisches Know-how einbringen, sodass die Fixkosten überschaubar und kontrollierbar bleiben. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von „atmenden Organisationen“ oder auch „Liquid Organizations“ (Brühl 2010; Schabel 2009). Dabei stellen sich allerdings Fragen wie: Wie flach kann eine Atmung sein? Wie weit kann man eine Verlagerung treiben? Wo sind die Grenzen der neuen Organisationsformen? Wann wird die Marke beschädigt? Es geht nicht zuletzt darum, für Mitarbeitende eine akzeptable Balance zwischen Variabilität und Stabilität herzustellen, die sich auch mit ihrem Lebenshintergrund vereinbaren lässt. Ebenso wichtig ist es, mögliche Spannungsfelder zwischen der Kernmannschaft und den freien/fluiden Kräften zu beherrschen. Im Zusammenhang von „atmenden Organisationen“ wird es auch Gegenbewegungen geben (Fischer et al. 2013). Das Fraunhofer IAO sieht ein Spannungsfeld in der Arbeitswelt der Zukunft dahingehend, dass es als Gegenpol zu den fluiden und atmenden Organisationen auch „Care Companies“ geben wird, die ihre Mitarbeitenden und deren Familien an sich binden, indem sie ihnen attraktive Angebote rund um Wohnen, Ausbildung, Gesundheit, Vorsorge und Freizeit bieten (Fraunhofer IAO 2014). Zudem wird im Zusammenhang mit dieser Entwicklung auch eine Risikoverlagerung thematisiert, da finanzielle Risiken durch die Fixkosten auf das Individuum übergehen, das sich in variablen Beschäftigungsformen wiederfindet (Eichhorst et al. 2013). Für Deutschland ist diese Beobachtung allerdings zu relativieren: Die Notwendigkeit der Fachkräftesicherung kann zu einer gegenläufigen Entwicklung führen. Ökonomische Trends stehen Arbeitsmarktentwicklungen entgegen. Flexible Gestaltung von Werdegängen Die Auffassungen darüber, was „Karriere“ bedeutet, gehen häufig weit auseinander. Während der vertikale Aufstieg in Form einer Führungslaufbahn lange Zeit den einzigen Weg darstellte, um sich beruflich weiterzuentwickeln, gilt es heute immer mehr, alternative Werdegänge aufzuzeigen und im Unternehmen zu etablieren. Hintergrund für diese Entwicklung ist die Herausforderung, angesichts längerer Lebensarbeitszeit, höherer Veränderungsgeschwindigkeit und flacherer Hierarchien den immer vielfältigeren Beschäftigtengruppen individuelle Perspektiven aufzuzeigen und sie an das Unternehmen zu binden. Grundsätzlich spielt die Durchlässigkeit zwischen unterschiedlichen Werdegängen eine entscheidende Rolle, da sich Neigungen, Bedürfnisse und Kompetenzen über ein langes Erwerbsleben hinweg verändern und Prioritäten verschieben. Noch immer finden aber vielfach „Karrieren“ in einem engen Zeitfenster statt, sodass Weichen häufig in der Le-
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bensphase zu stellen sind, in der auch privat entscheidende Umbrüche stattfinden. Wenn allerdings die „Karrierezeit“ keine Laufzeit von 15–20 Jahren, sondern von 40–45 Jahren hat, liegt es auf der Hand, dass sich unterschiedliche Karrieremodelle abwechseln und Verzögerungen bzw. Unterbrechungen wegen bestimmter Lebensphasen und -situationen weniger ins Gewicht fallen sollten. Hier beginnt sich allmählich ein Umdenken einzustellen (Rump und Eilers 2014). Hinzu kommt der immer stärkere Trend zu flacheren Hierarchien infolge der hohen Innovationsgeschwindigkeit und der Notwendigkeit, vor dem Hintergrund von Digitalisierung und Globalisierung Prozesse und auch Organisationsstrukturen immer weiter zu flexibilisieren sowie mit agilen Arbeitsmethoden und in agilen Arbeitskontexten zu arbeiten. Zwangsläufig reduziert sich dadurch auch die Anzahl potenziell verfügbarer Führungspositionen, und neue Formen der Kooperation werden erforderlich. Ebenfalls führt der zunehmende Fachkräftemangel dazu, dass vermehrt ausgehend von den vorhandenen Stärken und Talenten nach passenden Stellen und Karrierepfaden gesucht wird, während in der Vergangenheit eher vorgegebene Stellen mit Mitarbeitenden besetzt wurden, die sich ihnen anpassen mussten. Das heißt: Die Wirkungskette dreht sich. Karriereplanung wird damit vielschichtiger und verlangt von Individuen wie von Unternehmen eine Professionalisierung. Unternehmen müssen in diesem Kontext eine Kultur aufbauen, die Talente und deren Management konsequent in den Mittelpunkt stellt. Mitarbeitende hingegen müssen sich mehr als bislang mit ihren eigenen Möglichkeiten beschäftigen und multiple Karrierewege in Betracht ziehen, um sich langfristig erfolgreich entwickeln zu können (Schwierz 2014). Für alternative Karrierewege finden sich in der Literatur inzwischen unterschiedliche Bilder. So sprechen einige Autorinnen und Autoren von der Entwicklung hin zu einem Karrieregitter, das schnellere oder langsamere Entwicklungsschritte nach oben oder in verschiedene Richtungen – auch nach unten – ermöglicht (u. a. Benko und Weisberg 2008; von Kettler 2010; Deloitte Consulting AG 2013). Nicht selten wird auch der Vergleich zu einer Kletterwand herangezogen, bei der der Weg zwar letztlich nach oben führt, jedoch auch Seitenschritte zulässt. In einer Studie der von Rundstedt & Partner GmbH in Zusammenarbeit mit dem Institut für Beschäftigung und Employability IBE wurde schließlich die sogenannte Mosaikkarriere als neues Leitbild entwickelt: Dabei wird Karriere „ … zu einer Art Szenarienplanung mit einer Reihe von Optionen in unterschiedlichen Dimensionen“ (Schwierz 2014, S. 139). All diesen Bildern gemeinsam ist, dass sich in Bezug auf die Laufbahngestaltung über ein Erwerbsleben hinweg Fach-, Führungs- und Projekteinsätze abwechseln und die Entwicklung auf vertikaler, horizontaler, diagonaler und projektorientierter Ebene erfolgen kann. Dadurch ist es Arbeitgebern möglich, den Anforderungen an Flexibilität und hohe Innovationsgeschwindigkeit gerecht zu werden, die Arbeitnehmenden können zunehmend flexibel und beweglich ihren Karriereweg gestalten – gerade für jüngere Beschäftigte ein hoher Attraktivitätsfaktor (Rump und Eilers 2017b). Ein besonderes Augenmerk verdient die Führungskarriere. Denn sie büßt zunehmend an Status und Attraktivität ein und benötigt ebenfalls eine neue Ausrichtung. War es für die heutigen Babyboomer noch das erstrebenswerteste Ziel, eines Tages Führungsverantwor-
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tung zu tragen, ziehen viele Vertreterinnen und Vertreter der jüngeren Generation eine Fach- oder Projektlaufbahn vor (u. a. Kienbaum 2018). Eine Ursache ist darin zu sehen, wie sich bis heute in vielen Unternehmen „Führung“ definiert bzw. unter welchen Bedingungen eine Führungsposition erlangt und bewahrt bleiben kann. Überlange Anwesenheitszeiten, bedingungslose Priorisierung des Berufs gegenüber dem Privatleben – die klassischen Dogmen der Führungsrolle entsprechen nicht mehr den Lebensidealen derjenigen, die als Führungsnachwuchskräfte in Frage kommen. Eine weitere Begründung liegt in den immer komplexeren Anforderungen, die an Führungskräfte gestellt werden. Ein zunehmend partizipativer Führungsstil erfordert vermehrt soziale und psychologische Qualitäten, an denen es nicht selten denjenigen mangelt, die über eine klassische „Kaminkarriere“ auf Basis ihrer Fachkompetenz in eine Führungsposition kamen und die infolgedessen die Entwicklungen als belastend empfinden. Nicht zuletzt bedingt die zunehmende Forderung nach Partizipation und Delegation auch, dass sich Verantwortung von den Führungskräften auf die Mitarbeitenden verlagert und somit Entscheidungskompetenzen der Führungskräfte wegfallen. Die aktuelle Diskussion geht bisweilen gar dahin, die Führungsfunktion als Ganzes in Frage zu stellen. Dies ist sicherlich nicht in jedem Unternehmenskontext ohne Weiteres umsetzbar, doch es bedarf tatsächlich eines Wandels der Bedingungen, unter denen Führung stattfindet. Es stellt sich z. B. die Frage, inwieweit die Möglichkeiten einer Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben auch für Führungskräfte tatsächlich ausgereizt sind. Die Vermutung liegt nahe, dass vollzeitnahe Teilzeitmodelle und flexible Arbeitszeiten, idealerweise in Verbindung mit flexiblen Arbeitsorten, zu einer stärkeren Verbreitung beitragen können (Rump und Eilers 2017b).
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Vorausschauend mit den vorhandenen Ressourcen umgehen
In einer immer schnelllebigeren und komplexeren Welt bedarf es eines vorausschauenden Umgangs mit den im Unternehmen vorhandenen Ressourcen. Dies bezieht sich nicht zuletzt auf die adäquate Berücksichtigung der Bedürfnisse unterschiedlicher Beschäftigtengruppen ebenso wie auf das Thema Nachhaltigkeit allgemein. Nachfolgend werden (in alphabetischer Reihenfolge) einige wesentliche Konzepte vorgestellt.
3.5.1 Age Management Mit der zunehmenden Alterung der Belegschaften umzugehen, impliziert sowohl Weiterbildungsmaßnahmen, die sich gezielt an ältere Beschäftigte wenden, als auch eine alternsgerechte Ausgestaltung der Entwicklungswege und Tätigkeitsbereiche. Die Verwendung des Begriffes „alter(n)sgerecht“ impliziert die Notwendigkeit, bereits in frühen Phasen der Erwerbstätigkeit Arbeit und Lernen so zu gestalten, dass die Beschäftigten in den Betrieben motiviert, qualifiziert und gesund altern können (Rump und Eilers 2009). Bedingt durch die über Jahrzehnte hinweg praktizierte Frühverrentungspolitik war der Anteil der über 60-Jährigen in deutschen Unternehmen allerdings lange Zeit sehr gering, sodass vielfach Erfahrungen im Umgang mit dieser Beschäftigtengruppe fehlen und auch fundierte empirische Forschung rar ist. Klar ist, dass die Werte, Einstellungen und Kompeten-
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zen derjenigen, die sich heute bereits jenseits der 60 befinden, nur bedingt vergleichbar sind mit denen der künftigen älteren Mitarbeitenden, die heute noch zur mittleren oder jüngeren Generation zählen. Auch insgesamt nimmt unter den „älteren Mitarbeitenden“ 11 die Heterogenität zu, sodass es immer vielfältigerer Modelle bedarf, um ihren Verbleib im Erwerbsleben zu unterstützen und Wege aufzuzeigen, wie sich das Motto „Länger arbeiten, flexibel aussteigen“ in die Praxis umsetzen lässt. Nach wie vor finden sich unter denjenigen, die zu den älteren Mitarbeitenden zählen, Menschen, für die ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Erwerbsleben unerlässlich ist, weil sie aufgrund physischer oder psychischer Einschränkungen nicht mehr dazu in der Lage sind, eine Berufstätigkeit auszuüben. Andere Beschäftigte bleiben eher aus finanziellen Erwägungen heraus – weniger aus eigenem Antrieb – bis zur Regelaltersgrenze voll erwerbstätig, weil sie ansonsten ihren Lebensstandard in der Rentenphase nicht aufrechterhalten können. Eine wachsende Zahl von Menschen bleibt allerdings auch über die Regelaltersgrenze hinweg erwerbstätig. Hierbei spielen finanzielle Erwägungen eher eine untergeordnete Rolle. Für die Analyse „Arbeiten trotz Rente: Warum bleiben Menschen im Ruhestand erwerbstätig?“ des Deutschen Instituts für Altersvorsorge werden repräsentative Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) genutzt. Die Analysen zeigen, dass „besonders diejenigen mit einem hohen gesetzlichen Renteneinkommen beziehungsweise einem relativ hohen Vermögen verstärkt am Arbeitsmarkt anzutreffen sind“ (Pfarr und Maier 2015, S. 64). Dies bestätigt auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln aus dem Jahr 2014. Sie legt den Schluss nahe, dass derzeit die Einkommenssicherung im Alter (noch) keine nennenswerte Rolle bei der Entscheidung spielt, auch über das 65. Lebensjahr hinaus im Beruf zu bleiben. Vielmehr nehmen ein hohes Bildungsabschlussniveau, eine hoch qualifizierte Fach- und Führungsposition und insbesondere eine selbstständige Tätigkeit entscheidenden Einfluss darauf, ob eine Person auch jenseits des Alters von 65 Jahren noch im Erwerbsleben steht. Es besteht Grund zu der Annahme, dass sich aus dieser Altersgruppe künftig deutlich mehr Menschen bereitfinden werden, auch über das 65. Lebensjahr hinaus erwerbstätig zu bleiben, als dies bislang der Fall war, da sich die Gesundheitssituation im Vergleich zu früheren Kohorten deutlich verbessert hat und die Lebenserwartung stetig steigt (Esselmann und Geis 2015). Hier liegen enorme Potenziale, die es durch intelligente und individualisierte Modelle zu heben gilt, beispielsweise als sogenannte Senior-Experten-Programme, wie sie Unternehmen wie die Deutsche Bank, die Daimler AG oder die Bosch GmbH bereits seit Jahren erfolgreich praktizieren. Länder wie Kanada oder Dänemark zeigen, dass es ebenfalls durchaus eine Option sein kann, Altersgrenzen für den Renteneintritt nach oben hin zu öffnen, sodass gesunde und motivierte Arbeitskräfte ihren Arbeitgebern auch über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus noch erhalten bleiben.
3.5.2 Gender Balance Management Wie gesehen, gleichen sich seit Jahrzehnten Bildungsstand und Erwerbsbeteiligung von Frauen denen der Männer an. Aufholpotenziale bestehen allerdings noch in Bezug auf das
Die Altersgrenze soll hier in Anlehnung an Rump u. Eilers 2012 bei 55 Jahren festgelegt werden.
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Arbeitsvolumen, das Berufsspektrum und den Anteil an Führungspositionen. Betrachtet man das Erwerbsverhalten von Frauen im Lebensverlauf, so fällt auf, dass bestimmte Lebensphasen und -situationen – der erste Gleichstellungsbericht spricht in diesem Zusammenhang auch von „Knotenpunkten“ (Sachverständigenkommission zur Erstellung des ersten Gleichstellungsberichts 2011, S. 89) – den weiteren Berufs- und Karriereweg nicht unerheblich beeinflussen und nicht zuletzt dazu beitragen, dass bestehende Potenziale nicht ausgeschöpft werden. So lässt sich feststellen, dass Frauen nach der Vollendung des 35. Lebensjahres – der Phase nach der Familiengründung – deutlich seltener Führungsaufgaben wahrnehmen (Statistisches Bundesamt 2015b). Die Teilzeitquote von Frauen steigt im Alter zwischen Mitte 20 und Anfang 40 stark an. In den älteren Altersgruppen fällt diese Quote wieder etwas ab, doch arbeitet im Alter zwischen Mitte 40 und Ende 50 noch immer jede zweite erwerbstätige Frau in Teilzeit (WSI 2013). Hier kommt folgender Zusammenhang zum Tragen: Je länger Frauen einem bestimmten Unternehmen angehören, je lückenloser also ihre Berufsbiografie ist, desto eher ergibt sich für sie die Chance auf Übernahme einer Führungsposition (Bischoff 2010). Nicht zuletzt gilt: „Während karriereambitionierte Männer vorwiegend eine Partnerschaft mit einer Frau bevorzugen, die auf eigene Karriereambitionen verzichtet, verzichten karriereambitionierte Frauen eher auf Kinder“ (Boes et al. 2011, S. 27). Insofern ist auch der Blick auf die Rollenmuster in der Gesellschaft und damit auf die Männer und Väter zu richten, da deren Erwerbsverhalten im familiären Kontext entscheidenden Einfluss darauf nimmt, in welchem Umfang Frauen erwerbstätig sind beziehungsweise sein können. Seit Jahren zeigen Umfragen unter jungen Menschen den steigenden Wunsch, eine gleichberechtigte Aufteilung von Familienund Erwerbsarbeit unter den Geschlechtern zu leben. Und auch junge Männer äußern mehr und mehr das Ziel, sowohl im Beruf als auch in der Familie und anderen Lebensphasen erfolgreich zu sein. Dies deckt sich mit Studien zu Arbeitszeitwünschen, in denen deutlich wird, dass sich die gewünschten Wochenstundenzahlen von Männern und Frauen immer stärker angleichen. Allerdings ist festzustellen, dass zwischen Wunsch und Realität in Bezug auf die tatsächliche Umsetzung moderner Rollenmuster noch immer eine beträchtliche Lücke klafft. Zahlreiche Kampagnen, auch von Arbeitgeberseite, zur Unterstützung eines neuen Männer- und Väterbildes sind seit Jahren zu finden. Eine durchschlagende Veränderung der Rollenmuster hat sich hierdurch jedoch auch in diesem Punkt noch nicht ergeben, nicht zuletzt, weil sich Männer noch mit deutlich höheren Hürden und Einbußen in ihren Karriereperspektiven konfrontiert sehen, wenn sie sich verstärkt der Familienarbeit widmen (Institut für Demoskopie Allensbach 2015; Rump und Eilers 2014). Zudem gilt es, nach intelligenten Modellen zu suchen, wie gerade Elternschaft und Pflege besser mit dem Beruf in Einklang gebracht werden können und nicht länger ein Karrierehemmnis darstellen. Die Lösung kann nicht ausschließlich darin bestehen, Fremdbetreuung stärker auszubauen, auch wenn dies einen entscheidenden Pfeiler darstellt. Er muss ergänzt werden durch flexible Kombinationen von Arbeitszeit und Arbeitsort, die es beiden Elternteilen ermöglichen, in angemessener Weise ihren familiären Verpflichtungen nachzukommen und gleichzeitig ein Arbeitsvolumen zu erbringen, das beruflich anspruchsvolle Tätigkeiten und Entwicklungspfade eröffnet, beispielsweise in vollzeitnaher
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Teilzeit und mit tageweisem Homeoffice, das durch die Reduzierung von Pendlerzeiten für zusätzliche Arbeitszeiträume sorgt. In diesem Zusammenhang wird auch die lebensphasenorientierte Personalpolitik seit den 2010er-Jahren verstärkt als zielführendes Konzept erachtet. Bezüglich einer Unternehmenskultur, die Gender Diversity fördert, gilt ein besonderes Augenmerk Wegen aus der sogenannten Stereotypenfalle (Bias-Thematik). Denn nahezu jede Unternehmenskultur in Deutschland ist durch derartige Stereotype beeinflusst, die bewirken, dass unterschiedlich bewertet sowie das Verhalten der weiblichen und männlichen Beschäftigten unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert wird. Um hier eine Veränderung herbeizuführen, sollte Chancengleichheit als Topthema auf der obersten Führungsebene verankert und ein Bewusstsein für Geschlechterunterschiede geschaffen werden. Dazu gehört auch ein offener Austausch mit den Führungskräften und die Sensibilisierung und Qualifizierung von Frauen und Männern zu vermeintlichen Geschlechterstereotypen. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die Kompetenzbeurteilung, die nach wie vor bestimmte Kompetenzen, wie z. B. Durchsetzungsvermögen, eher Männern zuspricht. Nicht zuletzt gilt es, Vorbilder zu identifizieren und Erfolgsgeschichten zu erzählen. Es bedarf einer „Kultur der großen Schwestern“. Wie die große Schwester, die für die kleineren Geschwister vorkämpft, braucht es Frauen, die im betrieblichen Alltag vorkämpfen, standhalten, Vorurteile widerlegen und überzeugen, alte Regeln durch neue ergänzen bzw. zu ersetzen.
3.5.3 Generationenmanagement Die Altersspanne, in der sich Belegschaften infolge des demografischen Wandels künftig bewegen werden, ist deutlich größer, als es heute der Fall ist. Der schlichte Blick auf die Entwicklung der Generationenverhältnisse in Deutschland seit den 1970er-Jahren lässt keinen Zweifel daran, dass sich die Bedingungen zugunsten junger qualifizierter Kräfte verschoben haben. Waren sie bei Eintritt in den Arbeitsmarkt in den 1970er- und 1980er-Jahren schlichtweg aufgrund ihrer „Masse“ in einer vergleichsweise schlechten „Verhandlungsposition“ (Arbeitgebermarkt), sehen sich Arbeitgeber seit den 2010er- Jahren zunehmend einem Arbeitnehmermarkt gegenüber, auf dem sie sich teils bei den qualifizierten Nachwuchskräften „bewerben“ und eine große Offenheit für deren Bedürfnisse und Wünsche zeigen (müssen). Und so beschäftigen sich Unternehmen seit den 2010er-Jahren intensiv damit, die Generationenvielfalt innerhalb ihrer Belegschaften genauer zu analysieren und entsprechende Konzepte zum adäquaten Umgang umzusetzen. Nun hatte es schon immer unterschiedliche Generationen im Unternehmen gegeben, doch zeigte sich insbesondere mit dem Eintritt der sogenannten Generation Y in den Arbeitsmarkt, dass die unterschiedlichen Sozialisationsmuster und Werte der Generationen deutlich sichtbar waren und Einfluss auf das Miteinander im Betrieb nahmen. Denn aufgrund der demografisch bedingten Knappheitssituation war und ist die Generation Y nicht mehr in gleichem Maße wie in Vorgängerkohorten bereit, sich an den Normen und Werten der älteren Generationen im Betrieb zu orientieren. Die Herausforderung besteht nun insbesondere darin, dem Streben der jüngeren
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Beschäftigten nach stetiger Weiterentwicklung gerecht zu werden, ohne dabei die älteren Kohorten aus den Augen zu verlieren, und Letztere mit Blick auf die Verlängerung des Erwerbslebens ebenfalls zu Weiterbildung zu motivieren. Hier scheint insbesondere ein Methodenmix, der individuelle Präferenzen berücksichtigt, Erfolg versprechend. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass es zum Management der Generationenvielfalt am erfolgversprechendsten erscheint, insbesondere auf die Gemeinsamkeiten und weniger auf die Unterschiede zwischen den Generationen abzuzielen. Im betrieblichen Kontext gilt es, dies dadurch zu fördern, dass ein gegenseitiges Verständnis für sozialisationsbedingt unterschiedliche Denk- und Verhaltensmuster geschaffen wird (Rump und Eilers 2015).
3.5.4 Gesundheitsmanagement In der bereits angesprochenen XING-Befragung gehen 73 Prozent der Teilnehmenden davon aus, dass ihr Unternehmen in 15 Jahren das Wohlbefinden der Mitarbeitenden noch stärker gewichten wird, wenn es darum geht, Firmenerfolg zu bewerten. Für den aktuellen Zeitraum tun dies nur 26 Prozent der Befragten (XING 2018). Wie unter 2.4.3 gesehen, geht es im Hinblick auf eine verlängerte Lebensarbeitszeit und steigende Anforderungen darum, die physische und psychische Gesundheit von Beschäftigten zu erhalten – auch ein Element der Beschäftigungsfähigkeit, das aufgrund seiner Relevanz jedoch an dieser Stelle gesondert aufgegriffen werden soll. Neben klassischen Maßnahmen der Gesundheitsförderung spielen weitere Aspekte eine große Rolle bei der Frage, wie Arbeit sich auf die Gesundheit auswirkt. Hier stehen insbesondere die Gestaltungsmöglichkeiten des Individuums in Bezug auf seine Arbeitszeit im Fokus sowie Aspekte wie die Einhaltung von Pausen oder Vermeidung sogenannter Gratifikationskrisen (Siegrist 1996), die entstehen können, wenn dem erbrachten Aufwand keine subjektiv adäquate „Belohnung“ gegenübersteht. Das Effort-Recovery-Modell nach Meijman und Mulder (1998) geht davon aus, dass jede Form von Arbeit eine physiologische oder psychische Anstrengung und damit eine Beanspruchung auslöst. Diese Beanspruchung wird in der Regel dadurch aufgehoben, dass die Funktionssysteme, die durch die Arbeit in Anspruch genommen werden, ab einem gewissen Punkt nicht mehr weiter gefordert werden. Es kommt zur Erholung. Besteht jedoch beispielsweise eine arbeitsbezogene erweiterte Erreichbarkeit, werden die Funktionssysteme dauerhaft beansprucht, sodass negative gesundheitliche Folgen durch die nicht mehr vorhandene Erholung eintreten können. Allerdings kann arbeitsbezogene erweiterte Erreichbarkeit ebenso auch eine Ressource für den einzelnen Menschen darstellen, wenn er dadurch seine Arbeitsziele leichter erreichen kann oder an einem für ihn vorteilhafteren Ort als im Büro seinen Aufgaben nachgehen kann (Pangert und Schüpbach 2012). Bei der Entstehung von arbeitsbedingtem Stress spielen Aspekte wie Multitasking und Informationsüberfluss, aber auch die häufige Störung beziehungsweise Unterbrechung von Tätigkeiten, beispielsweise durch das Lesen eingegangener E-Mails, eine Rolle (BMAS 2015; Schütte 2014; Lohmann-Haislah 2012). Eine Studie der University of British Columbia (UBC) zeigt für etwa 130 Probanden, dass sich deren arbeitsinduziertes Stressempfinden deutlich reduzieren ließ, wenn sie nur noch 3-mal täglich ihre E-Mails
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checkten. Zuvor hatten sie es bis zu 13-mal täglich getan und waren so im Schnitt alle 5 Minuten aus ihrem Arbeitsfluss gerissen worden (UBC 2014). Eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln auf Basis der jüngsten BIBB/BauA-Erwerbstätigenbefragung 2012 mit mehr als 20.000 Erwerbstätigen ab 15 Jahren und mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 10 Stunden zeigt, dass jeder zweite Beschäftigte häufig starken Termin- und Leistungsdruck erlebt, auf digitalen Arbeitsplätzen – also solchen, an denen mit dem Internet und vernetzt gearbeitet wird – sogar 6 von 10 (Hammermann und Stettes 2015). Zeitdruck und Arbeitszufriedenheit schließen sich allerdings offenbar nicht gegenseitig aus. Danach sind 89,9 Prozent der Beschäftigten, die häufig unter starkem Termin- und Leistungsdruck arbeiten, mit ihrer Arbeit (sehr) zufrieden. Zum Vergleich: Bei denjenigen, die manchmal bis nie unter solchem Druck arbeiten müssen, liegt die Zufriedenheitsquote mit 94,7 Prozent nur geringfügig höher. Daraus lässt sich schließen, dass sowohl persönliche Eigenschaften als auch bestimmte arbeitsplatzbezogene Kriterien das Stressempfinden in diesem Zusammenhang beeinflussen (Hammermann und Stettes 2015). Zu Letzteren gehören die Eröffnung von Handlungsspielräumen, die Förderung des sozialen Zusammenhalts und eine angemessene Anerkennung der Arbeitsleistung (Pangert und Schüpbach 2012). Die Herausforderung besteht im Vergleich zu den klaren Strukturen der Vergangenheit nun darin, selbst für Abgrenzung – räumlich wie zeitlich – Sorge zu tragen (Belwe 2007; Jürgens und Voß 2007) und die Balance zu halten. Die Beschäftigten treten damit in einen Aushandlungsprozess – mit sich selbst, mit ihrem sozialen Umfeld und mit ihrem Arbeitgeber. Dieser Aushandlungsprozess ist für Menschen mit unterschiedlicher Disposition unterschiedlich gut zu bewältigen. Es bedarf entsprechender Kompetenzen wie der Fähigkeit zum Selbstmanagement, des „Boundary Management“ (Lebensführungskompetenz der Grenzziehung) (Sachverständigenkommission zur Erstellung des ersten Gleichstellungsberichts 2011) und des Selbstbewusstseins, auch einmal „Nein“ zu sagen. Hinzu kommt Organisationstalent, um beispielsweise mit wechselnden Arbeitsorten umgehen zu können. Einen weiteren bedeutsamen Aspekt des Gesundheitsmanagements stellt die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes dar, das nicht zuletzt der frühzeitigen Erkennung drohender chronischer Erkrankungen oder Behinderungen und dem Entgegenwirken durch präventive Maßnahmen zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit dient. Gerade vor dem Hintergrund alternder Belegschaften kommt der Sensibilisierung und Prävention eine immense Bedeutung zu. Im Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro“ werden durch Jobcenter und Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Modellprojekte unterstützt, die innovative Ideen und Ansätze in diesem Kontext erproben (BMAS 2018).
3.5.5 Interkulturelles Management Ein Thema, das Unternehmen ebenfalls bereits seit vielen Jahren beschäftigt, jedoch in jüngster Zeit erhöhte Aufmerksamkeit erfährt, ist der Umgang mit der Kulturdiversität. Dabei gilt es mit Blick auf die Integration in unterschiedliche Gruppen zu differenzieren.
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Hier sind zunächst Fach- und Führungskräften zu nennen, die im Ausland gezielt angeworben werden, um vorhandene Fachkräfteengpässe abzudecken. Dabei eröffnen Entwicklungen wie zum Beispiel die hohe Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen im südlichen Europa neue Potenziale, da sich die Bereitschaft, außerhalb des Heimatlandes nach einer Ausbildung oder einer Beschäftigung zu suchen, angesichts der dramatischen Situation auf dem Arbeitsmarkt deutlich gesteigert hat. Aber auch ausländische Studierende an deutschen Hochschulen oder Absolventinnen und Absolventen deutscher Schulen im Ausland sind eine interessante Zielgruppe für internationale Rekrutierungsbemühungen. Arbeitnehmende aus dem Ausland in das eigene Unternehmen zu holen, ist eine strategische Entscheidung, die Konsequenzen insbesondere im Hinblick auf die Unternehmens- und Führungskultur mit sich bringt. Gerade die Führungskräfte spielen eine entscheidende Rolle, denn sie transportieren die Werte und strategischen Ziele der Firma am besten (Stein und Christiansen 2010). Dieser Schritt sollte daher gut überlegt, sorgfältig vorbereitet und koordiniert umgesetzt werden. Für beide Seiten bedeutet eine internationale Rekrutierung im Vergleich zur nationalen Alternative einen erhöhten Aufwand. Daher sollte noch stärker als bei der nationalen Rekrutierung die langfristige Perspektive im Fokus stehen, sodass die Bemühungen rund um Rekrutierung und Integration von Unternehmensseite, aber auch die Investitionen des beziehungsweise der Rekrutierten, sich in einem fremden Land zu integrieren, lohnenswert sind (Rump et al. 2018a). Verbesserungsbedarf besteht allerdings nach wie vor auch bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits in Deutschland geboren wurden und hier das gesamte Schulsystem durchlaufen haben. Ihre Schulabbrecherquote ist doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung (Creutzburg 2014), zudem stehen die Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu finden und eine duale Berufsausbildung erfolgreich abzuschließen, deutlich schlechter. Ein Drittel der ausländischen Jugendlichen bleibt dauerhaft ohne Ausbildung (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014; Enggruber und Rützel 2015). Forschende vermuten hierfür nicht zuletzt kulturelle Gründe, beispielsweise dann, wenn eine Ausbildung für Frauen nicht für notwendig befunden wird (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014). Hinzu kommen noch immer vorhandene Hürden in den Unternehmen. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass knapp 60 Prozent der aktiven Ausbildungsbetriebe noch nie einem Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Lehrstelle gegeben haben (Enggruber und Rützel 2015). Bund und Länder, Kommunen, Wirtschaftsverbände, Unternehmen, Kammern sowie zahlreiche ehrenamtlich Tätige bieten Förderprogramme und Hilfen an, die die Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Migrationshintergrund verbessern sollen. Unternehmen können darüber hinaus mithilfe sogenannter positiver Maßnahmen, wie zum Beispiel durch anonymisierte Bewerbungsverfahren, die gezielte Ansprache von Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund, die Überarbeitung von Einstellungstests und Weiterbildungsordnungen sowie die Anpassung organisatorischer Strukturen im Betrieb, die gleichberechtigte Behandlung von (potenziellen) Mitarbeitenden in den Fokus nehmen. Für welche positive Maßnahme man sich auch entscheidet, wichtig ist in jedem Fall, dass nicht jede Maßnahme für jedes Unternehmen
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und seine Beschäftigten uneingeschränkt geeignet ist. So gibt es Menschen mit Migrationshintergrund, die es vorziehen, in geschützten Räumen zu lernen, in denen sie unterstützt werden und unter „Gleichgesinnten“ mit ähnlichen Erfahrungen sind. Andere wiederum empfinden so etwas als Isolation. Sie lernen lieber mit ihren Kolleginnen und Kollegen ohne Migrationshintergrund. Personalverantwortliche sollten sich daher vor allem über die Vielfalt der Aktivitäten im Klaren sein. Sie müssen daher stets die Unterschiedlichkeit der Menschen berücksichtigen, indem sie sowohl geschützte Räume als auch Möglichkeiten zur direkten Integration anbieten (basis & woge 2015; Rump et al. 2018a). Die Integration von Geflüchteten, die eher reaktiv als proaktiv erfolgt, stellt sich sehr viel komplexer dar als die in der Regel strukturiert und geplant ablaufende Rekrutierung von ausländischen Menschen mit Engpassqualifikationen. Entscheidend für positive Effekte sind – darin sind sich die Fachleute weitgehend einig – erhebliche Investitionen in die Qualifizierung und den Spracherwerb der Geflüchteten sowie in deren Integration in Bildung, Ausbildung und in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft (nicht zuletzt in kultureller Hinsicht), sodass möglichst rasch eine Leistungskraft erreicht wird, die sich der der durchschnittlichen deutschen Bevölkerung annähert (Rump et al. 2018a). Untersuchungen und Praxiserfahrungen verdeutlichen, dass vor allem individuelle und praxisorientierte Ansätze mit einer nachhaltigen Begleitung die Übergangschancen von Geflüchteten in Ausbildung und Beschäftigung verbessern. Zunächst stellt die Sprachkompetenz die entscheidende Einstiegshürde dar, denn Sprache ist der Schlüssel, der eine Partizipation am gesellschaftlichen Leben insgesamt, aber auch an Ausbildung und Beschäftigung erst ermöglicht. Wenn sich der Anteil derer, die mehr als nur Hilfs- und Unterstützungstätigkeiten leisten, vergrößern soll, ist Sprachförderung unabdingbar. Mindestens ebenso entscheidend ist es allerdings, sich mit kulturell bedingten unterschiedlichen Wertvorstellungen auseinanderzusetzen und bei allen Integrationsangeboten auch diesen Aspekt zu berücksichtigen. Die deutsche Gesellschaft ist individualistisch geprägt und verfolgt das Ziel der Gleichstellung der Geschlechter, während in vielen Herkunftsländern beispielsweise eine weibliche Führungskraft undenkbar wäre. Eine entsprechende Integration von Menschen aus Herkunftsländern mit einem vom westeuropäischen stark abweichenden Wertesystem wird nicht „von heute auf morgen“ erfolgen und bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes. Dabei ist auch zu beachten, dass die Geflüchteten keineswegs als homogene Gruppe betrachtet werden können – vielmehr unterscheiden sich die Menschen hinsichtlich ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Sprache und ihrer Sozialisation in den Herkunftsländern erheblich voneinander. Der Begriff der Kultursensibilität erhält dementsprechend auch im betrieblichen Kontext neues Gewicht. Darüber hinaus gilt es, Transparenz über die Qualifikationen der Geflüchteten und deren Anschlussfähigkeit im deutschen Berufssystem zu erhalten. Hierbei sollten nicht nur jüngere Geflüchtete im Fokus stehen, für die es bereits vielfältige Maßnahmen und Initiativen gibt, sondern gerade auch Menschen im mittleren Lebensalter. Nicht zuletzt ist es für Arbeitgeber entscheidend, möglichst schnell Klarheit darüber zu erhalten, ob eine Geflüchtete oder ein Geflüchteter
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im Land bleiben darf, um die Ausbildung oder das Beschäftigungsverhältnis fortsetzen zu können (Rump et al. 2018a). Grundsätzlich gilt, dass in der Diskussion um Menschen aus dem Ausland oder mit Migrationshintergrund allerdings keineswegs nur die Defizite thematisiert werden sollten. Vielmehr darf man nicht außer Acht lassen, dass sie über die Kompetenzen von „Grenzgängerinnen und Grenzgängern“ verfügen. Diese Kompetenz ist insbesondere für die global vernetzte Arbeitswelt eine nicht zu unterschätzende Schlüsselqualifikation, die es zu fördern gilt. Zudem kann immer vielfältigeren Kundengruppen mit immer individuelleren Bedürfnissen und Anforderungen durchaus auch besser mit einer entsprechend vielfältigen Belegschaft begegnet werden. Durch Diversität im Team und in den Belegschaften sowie den Kooperationen mit Kunden, Lieferanten etc. werden die verschiedenen Anforderungen, Bedürfnisse, Interessen und Rahmenbedingungen abgebildet.
3.5.6 Lebensphasenorientierte Personalpolitik Das Leben eines jeden Menschen ist im privaten Bereich durch Höhen und Tiefen, prägende Ereignisse und auch durch außerberufliches Engagement gekennzeichnet. Beschäftigte geben diese persönlichen Belange nicht „an der Werkspforte“ ab, sondern bringen sie auch mit in den beruflichen Bereich. Daraus können sich im kritischen Falle – wenn sie keine Berücksichtigung finden – erhebliche Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, Motivation und Qualifikation ergeben. Lebensphasenorientierung umfasst alle Phasen vom beruflichen Einstieg bis zum beruflichen Ausstieg. Personalpolitik im Sinne der Lebensphasenorientierung hat also die gesamte Lebensarbeitszeit eines Mitarbeiters im Blick – und nicht wie bisher nur einen Teil des Lebens. Die bisherige Personalpolitik in vielen Unternehmen hat sich vor allem auf den Zeitraum der ersten 25 Jahre eines Berufslebens (20.–45. Lebensjahr) beschränkt. Dies führt nicht selten zum sogenannten Lebensstau. Man muss fast alle beruflichen und privaten Entscheidungen in diesem Zeitraum treffen. Stattdessen erweitert eine lebensphasenorientierte Unternehmens- und Personalpolitik den Blickwinkel auf die gesamte Lebensarbeitszeit mit dem Ziel der individuellen bzw. zielgruppenspezifischen Herangehensweise, der Berücksichtigung der Lebensphasen und Lebenssituationen sowie der Förderung der lebenslangen Beschäftigungsfähigkeit (Employability). Dies kommt insbesondere den gesellschaftlichen Trends der Individualisierung und Pluralität der Lebensstile entgegen und trägt somit – gerade bei der jüngeren Generation – auch in hohem Maße zur Arbeitgeberattraktivität bei. Leitfragen, die eine lebensphasenorientierte Unternehmens- und Personalpolitik prägen, sind: • Wie können die unterschiedlichen Werte sowie Denk- und Handlungsmuster der verschiedenen Generationen und Beschäftigtengruppen berücksichtigt werden? • Wie kann die Lern- und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten unter Berücksichtigung der Lebensphasen gefördert werden? • Wie lässt sich die Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Familienleben realisieren? • Wie lässt sich der Lebensstau entzerren?
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Die Lebensphasen und -umstände, die Mitarbeitende im Verlauf eines Erwerbslebens durchlaufen, sind weitgehend altersunabhängig. Sie umfassen Elternschaft und Pflege, die Lebens- und Arbeitssituation des Partners oder der Partnerin, das soziale Netzwerk, aber auch Hobbys und Ehrenämter, privat initiierte Weiterbildungsaktivitäten und Nebentätigkeiten. Hinzu kommen Umstände wie eigene Erkrankungen, Verschuldungssituationen oder traumatische bzw. kritische Ereignisse. Auch die Berufsphasen sind größtenteils altersunabhängig und müssen nicht alle durchlaufen werden. Sie reichen vom Einstieg bzw. der Orientierung (z. B. bei Übernahme einer neuen Stelle im gleichen Unternehmen oder Rückkehr nach Abwesenheitszeiten) über die Phase der beruflichen Reife bis hin zum Ausstieg. Gesonderte Berufsphasen stellen Auslandseinsätze und die Übernahme von Führungsverantwortung dar. Um Mitarbeitenden Lösungswege für ihre individuellen Bedarfssituationen anbieten zu können, wird nach Maßnahmen gesucht, die sowohl für die jeweilige Berufsphase als auch für die entsprechende Lebensphase passend sind, also beispielsweise vollzeitnahe Teilzeitmodelle für Männer oder Frauen, die sich gleichzeitig in der Berufsphase „Führung“ und der Lebensphase „Elternschaft“ befinden, oder die Möglichkeit, fallweise von zu Hause aus zu arbeiten, wenn in der beruflichen Reifephase die Lebens- und Arbeitssituation des Partners oder der Partnerin ein häufiges Pendeln zwischen zwei Wohn- und Arbeitsorten erfordert. Ebenso können flexible Modelle in Bezug auf Arbeitsort und Arbeitszeit dabei helfen, eine ausgewogenere Balance zwischen Beruf und Privatleben zu realisieren, indem dadurch beispielsweise die regelmäßige Ausübung eines Hobbys ermöglicht wird, das der „Entschleunigung“ dient. Diese Passung zwischen Lebens- und Berufsphasen wird als „Matching“ bezeichnet. Ein solches „Matching“ führt zu einer Fülle von Einzelmaßnahmen, die Beschäftigten in unterschiedlichen Lebens- und Berufsphasen gleichermaßen dienen. Diese Instrumente sind nicht neu, sondern zählen zu den bewährten, mit denen Unternehmen bereits Erfahrungen gesammelt haben. Es geht somit vielmehr darum, bedarfsgenau und individualisiert die betrieblichen Belange in Einklang mit den Bedürfnissen der Beschäftigten zu bringen. Dies bedeutet, dass es nicht mehr mehrerer Einzelstrategien, z. B. zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, Demografieorientierung etc., bedarf, sondern unterschiedliche Zielgruppen mit einem Konzept angesprochen werden können. Dadurch steigt die Akzeptanz innerhalb der Belegschaft und bei den Führungskräften (Rump et al. 2014).
3.5.7 Sustainability-Management Wie bereits ausgeführt, umfasst Nachhaltigkeit oder Sustainability neben der vielfach in der öffentlichen Diskussion besonders hervorgehobenen ökologischen Komponente auch eine ökonomische und eine soziale Dimension (Abb. 3). Aus Unternehmenssicht geht es dabei im Kern um die Frage, „ … wie soziale, ökologische, aber auch wirtschaftliche Nachhaltigkeitskriterien in die unternehmerische Wertschöpfung integriert werden können“ (Schmidpeter 2017, S. 600). Daraus entstehen Qualifikation/Kompetenzen, Motivation/Identifikation und Gesundheit/Wohlbefinden.
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Abb. 3 Nachhaltigkeit (Sustainability) (eigene Darstellung)
Eine steigende Zahl an Unternehmen legt seit einigen Jahren Nachhaltigkeitsberichte vor. Sie dienen der Leistungsmessung, der Zielführung und auch der Durchführung strategischer Veränderungen. Darüber hinaus vermitteln sie ein Gesamtbild einer Organisation und haben im Rahmen der internen und externen Kommunikation eine Dokumentationsfunktion. Nicht zuletzt erfüllen sie auch eine Planungs- und Kontrollfunktion, da sie eine regelmäßige Analyse, Bewertung und Dokumentation der nachhaltigkeitsbezogenen Leistungen ermöglichen. Bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren verfassten vor allem mittelständische Unternehmen Umweltberichte, als deren Nachfolger die Nachhaltigkeitsberichte erachtet werden können. Eine EU-Richtlinie von 2017, in der Unternehmen dazu verpflichtet werden, Informationen zu Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen sowie zur Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung offenzulegen, hat diesen Prozess befördert (Hildebrandt und Kästle 2017). Im Unternehmen Nachhaltigkeit zu leben und zu vermitteln, umfasst mehrere unterschiedliche Handlungsfelder im Sinne der vorab identifizierten Dimensionen ökologisch, ökonomisch und sozial: Nachhaltiges Organisationsmanagement • Prozessoptimierung und Verbesserung von Schnittstellenmanagement im Kontext der Organisationsentwicklung
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• Effizientes Büroflächenmanagement • Gestaltung effektiver und effizienter Arbeitsortkonzepte Ressourcenschonende Produktionskonzepte • Energieschonende Gestaltung von Arbeitsbedingungen • Effizientes Produktionsflächenmanagement • Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen, die für den Wertschöpfungsprozess notwendig sind (Rohstoffe, Energie, Ge- und Verbrauchsgüter, …) Sensibilisierung der Belegschaft • Schaffung eines Bewusstseins für Nachhaltigkeitsorientierung in der Belegschaft • Schaffung von Verbindlichkeit im Handeln der Belegschaft • Sensibilisierung der Führungskräfte und Sichtbarmachen von deren Verantwortung • Politik der kurzen Wege im Unternehmen und zwischen dem Arbeitsort und dem Wohnort Nachhaltiges Personalmanagement • Förderung und Erhalt der lebenslangen Beschäftigungsfähigkeit (Employability Management) • Notwendigkeit von langfristiger Kompetenzentwicklung • Notwendigkeit von langfristiger Motivation und Identifikation • Notwendigkeit von langfristiger Gesundheit • Schonender Umgang mit (persönlichen) Ressourcen • Gestaltung von Arbeitsbedingungen, die auch die lebenslange Beschäftigung berücksichtigen • Gestaltung von Arbeitsmodellen, die auch zu lebenslanger Beschäftigung beitragen • Umgang mit der Polarisierung innerhalb der Belegschaft Unternehmensleitbild, das Nachhaltigkeit zum Ziel erhebt • Agieren im Sinne von Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship und Corporate Governance • Engagement des Unternehmens in der Region • Engagement des Unternehmens in Schulen, Vereinen etc.
3.5.8 Zwischenfazit Erneut ist ein Überblick über die wichtigsten Aspekte dargestellt (Tab. 4).12
Die entsprechenden Literaturverweise befinden sich in den jeweiligen Kapiteln und werden aus Gründen der Übersichtlichkeit in der Tabelle nicht noch einmal aufgeführt. 12
Neue Kompetenzanforderungen erkennen und adäquat reagieren, Employability sichern ‐ Eine Vielzahl von Studien setzt sich in jüngster Zeit mit der Veränderung von Kompetenzanforderungen an Beschäftigte auseinander, insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung. ‐ Das Weltwirtschaftsforum identifiziert unter den in Deutschland zwischen 2018 und 2022 am meisten gefragten Kompetenzen auffallend viele sogenannte Soft Skills. Dies bestätigt unter anderem auch eine Studie des Stifterverbands in Zusammenhang mit McKinsey, die in 3 unterschiedliche Kompetenzcluster (spezifische technologische Fähigkeiten, digitale Basiskompetenzen und nichtdigitale Basisqualifikationen) differenziert. ‐ Um künftig zu bestehen, sollten Unternehmen dafür Sorge tragen, dass alle Kompetenzbereiche in angemessener Weise für ihren Arbeitskontext vorhanden sind. ‐ Allerdings stellen unterschiedliche Studien Nachhol- beziehungsweise Weiterbildungsbedarf bei einem hohen Anteil an Beschäftigten gerade in Bezug auf „Soft Skills“ und digitale Basiskompetenzen fest. ‐ Auch Beschäftigte empfinden bedingt durch technologische Neuerungen den Druck, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen ständig weiterzuentwickeln. Dies gilt nicht nur für höher Qualifizierte, sondern auch für zwei Drittel der niedrig Qualifizierten. ‐ Die Notwendigkeit, neben den fachlichen auch die Schlüsselqualifikationen – ein Erwerbsleben lang – angemessen zu fördern, wird bereits seit einiger Zeit im Kontext des Employability Management diskutiert. Dabei geht es im Kern darum, Menschen zu befähigen, fachliche, soziale und methodische Kompetenzen unter sich wandelnden Rahmenbedingungen zielgerichtet und eigenverantwortlich anzupassen und einzusetzen, um eine Beschäftigung zu erlangen oder zu erhalten. ‐ Lebenslanges Lernen muss insofern zu einem festen Bestandteil des Arbeitens und Lebens werden. Dazu braucht es zukunftsorientierte Lernkonzepte, die unterschiedliche Zielgruppen angemessen ansprechen und lebensbegleitendes Lernen ermöglichen. Mit dem Spannungsfeld zwischen Personalanpassung und Fachkräftemangel umgehen
Tab. 4 Die wichtigsten Aspekte bezüglich der Herausforderungen und Chancen
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(Fortsetzung)
‐ In Bezug auf die Personalbedarfe vieler Unternehmen kommt es zu einer Polarisierung, da bei herrschendem Fachkräftemangel in bestimmten Bereichen gleichzeitig Personalanpassungen erforderlich sind. ‐ Insbesondere die Digitalisierung spielt hierbei eine entscheidende Rolle, da die Möglichkeiten der Substitution menschlicher Arbeit durch die digitalen Technologien Personalanpassungen in bestimmten Tätigkeitsfeldern und Berufsbildern nach sich ziehen. ‐ Die Perspektiven von Beschäftigten mit Qualifikationen und Kompetenzen, die im Zuge der Digitalisierung nicht mehr in dem Maße benötigt werden, wie dies in der Vergangenheit der Fall war, verringern sich. Zudem wandeln sich spezifische berufliche Anforderungen und Berufsprofile. ‐ Positiv zu sehen ist, dass monotone sowie körperlich und geistig belastende Tätigkeiten abgelöst werden können und dadurch Zeitreserven freigesetzt werden, die sinnvoll eingesetzt werden können. ‐ Substituierbarkeitspotenziale ergeben sich insbesondere durch den zunehmenden Einsatz von Robotern, durch Algorithmen, selbstständig lernende Computerprogramme und durch Anwendungen wie z. B. 3D-Druck und virtuelle Realität. So wird es auch bei vielen Tätigkeiten, die bisher durch Beschäftigte mit mittlerem Qualifikationsniveau bearbeitet worden sind und die eine manuelle und/oder kognitive, teilweise auch hoch komplexe Routineaufgabe darstellen, zu einer Substitution durch die Technik, insbesondere im Kontext von KI, kommen. ‐ Letztendlich werden die Arbeitskräftebewegungen zwischen Branchen und Berufen größer sein als die Veränderung der Anzahl aller Erwerbstätigen. ‐ Es werden allerdings voraussichtlich bei Weitem nicht alle Substituierbarkeitspotenziale tatsächlich ausgeschöpft werden, da zum Teil wirtschaftliche, ethische oder rechtliche Aspekte entgegenstehen. ‐ Im Kontext der Digitalisierung entstehen auch neue Tätigkeiten und Berufe, insbesondere im Zusammenhang mit dem Beherrschen neuer Softwareanwendungen, dem Umgang mit neuen Technologien, der Einhaltung dazugehöriger gesetzlicher Vorschriften, im Qualitäts- und Prozessmanagement sowie im Kontext neuer Dienstleistungen und Produkte ‐ Unternehmen entscheiden sich auch immer häufiger für Inshoring oder Reshoring, das heißt, ausgelagerte Prozesse werden zurück in das Ursprungsland geholt. ‐ Es sind nicht nur hoch und sehr hoch qualifizierte Beschäftigte, die Unternehmen in zunehmendem Maße brauchen, sondern auch Basic Worker (entgegen den Entwicklungen der Vergangenheit). Dies vor allem im Kontext von Unterstützungs- und Hilfsfunktionen im Zusammenwirken von Mensch und Maschine im gewerblichen Bereich bzw. der Produktion, aber auch auf dem Feld der Dienstleistungen, die nicht digital substituierbar sind. Ebenso kommt es durch intelligente Assistenzsysteme dazu, dass Tätigkeiten, die zuvor eine mittlere Qualifikation erforderten, auch von Basic Workern ausgeführt werden können. ‐ Letztendlich lässt sich als Bilanz ziehen, dass rein zahlenmäßig die positiven und negativen Beschäftigungseffekte je nach Szenario weitgehend ausgeglichen sein werden, es jedoch zu einer Verschiebung der Tätigkeitsschwerpunkte weg von mittleren Qualifikationen und hin zu höheren Qualifikationen sowie Basic Work kommt. Zudem muss die qualitative Perspektive berücksichtigt werden, da vielfach die vorhandenen Qualifikationen nicht zu den benötigten passen und insofern ein Mismatch entsteht.
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Die Veränderung von Arbeitsformen und Arbeitsverständnis begleiten Agilität ‐ Vielen Herausforderungen lässt sich mit einer Steigerung der Agilität begegnen. ‐ Agile Primärorganisation bedeutet, dass die Aufbaustruktur, der Ablauf und die Arbeitsmethoden durch die Prinzipien der Agilität bestimmt werden. ‐ Eine agile Sekundärorganisation beschreibt den Einsatz von agilen Organisations- und Arbeitsformen und -methoden innerhalb einer eher klassischen Organisation. ‐ Das sogenannte AGIL-Schema, das auf Parsons zurückgeht, bezieht sich auf die 4 Funktionen Adaption (Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Rahmenbedingungen), Goal Attainment (Zieldefinition und -verfolgung), Integration (im Sinne von Zusammenhalt und Inklusion) sowie Latency (Aufrechterhaltung normativer Strukturen und Werthaltungen). ‐ Damit das Prinzip der Agilität funktioniert, gilt es, bestimmte Leitprinzipien zu implementieren. Agile Organisationen brauchen zudem Zeit. ‐ Agile Organisation wird häufig mit der organisationalen Ambidextrie verbunden, also der Fähigkeit, radikale und inkrementelle Innovationen gleichzeitig in der Organisation zu verfolgen. ‐ Vorteile von Agilität, die nach außen wirken, sind insbesondere die stärkere Kundenzentriertheit durch vermehrte Einbindung von Kunden und die höhere Flexibilität am Markt sowie eine verbesserte Position im Hinblick auf Fachkräftegewinnung und Arbeitgeberattraktivität. Nach innen betrachtet wirkt Agilität positiv auf die Flexibilität, generiert einen Zeitgewinn sowie ein höheres Maß an Offenheit und Transparenz in Strukturen und Prozessen ebenso wie in Zielen und Entscheidungen. ‐ Nicht zuletzt verändern sich in einem agilen Umfeld Führung und Zusammenarbeit. ‐ Grenzen der Agilität sind insbesondere darin zu finden, dass die Sicherheit und der Schutz des intellektuellen Eigentums, aber auch bestimmter Regelungen der Unternehmensführung wie Governance und Compliance zu beachten sind. Zudem sind Teams mit der Umstellung auf agile Methoden nicht selten überfordert. Flexibilisierung Flexible Arbeitszeitlösungen ‐ Flexible Arbeitszeitlösungen finden sich in den unterschiedlichsten Formen und sind weit verbreitet in deutschen Unternehmen anzutreffen. Vielfach wurden sie implementiert, um den betrieblichen Bedürfnissen nach dem Ausgleich von Kapazitätsschwankungen oder Krisenzeiten zu begegnen, jedoch auch zur Verbesserung der Vereinbarkeit des Berufs mit dem Privatleben. ‐ Gerade die Digitalisierung bietet immense Möglichkeiten, Arbeitszeiten flexibler zu gestalten, geht allerdings auch mit entsprechenden Herausforderungen einher.
Tab. 4 (Fortsetzung)
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‐ So dient Zeit vielen Menschen als Orientierungs- und Selbststeuerungsgröße, sodass bei Modellen wie Vertrauensarbeitszeit eine neue Basis hierfür geschaffen werden sollte. ‐ In engem Zusammenhang zur Flexibilisierung steht auch die Frage nach der Erreichbarkeit beziehungsweise Verfügbarkeit von Beschäftigten. ‐ Grundsätzlich gilt es bei den Fragestellungen der Entgrenzung, Erreichbarkeit und Verfügbarkeit, das Bedürfnis nach Individualität zu beachten. Denn jeder Mensch empfindet die Grenzziehung unterschiedlich. Hinzu kommt, dass sich das persönliche Empfinden einer gelungenen Grenzziehung im Lebensverlauf verändern kann. Flexible Lösungen in Bezug auf den Arbeitsort ‐ Noch bis Anfang 2020 ging die Verbreitung von Homeofficelösungen sehr schleppend voran. Die Corona-Krise führte zu einem immensen Anstieg der Zahl an Beschäftigten im Homeoffice über nahezu alle Branchen und Tätigkeitsfelder hinweg. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich hieraus dauerhafte positive Effekte für einen Bewusstseinswandel sowohl bei Arbeitnehmenden als auch bei Arbeitgebern und Führungskräften und ein Anstieg der Homeofficetage in Deutschland ergeben. ‐ Grundsätzlich sind sich Forschende sicher, dass im Homeoffice einer der Schlüssel zu einem individuelleren Umgang mit den Lebensphasen der Mitarbeitenden und deren Bedürfnissen liegt. Zudem lassen sich durch Homeoffice auch Arbeitszeitpotenziale heben. ‐ Ein Trend der Zukunft sind die sogenannten Co-Working-Spaces, die sich vor allem in Großstädten großer Beliebtheit erfreuen. ‐ Ein Aspekt, der in Bezug auf Homeoffice, aber auch andere Formen des mobilen Arbeitens vielfach thematisiert wird, ist der Verlust an sozialen Kontakten. Diese sollten in ihrer Form und Häufigkeit sehr viel gezielter diskutiert und gefördert werden, als dies bei stationärer Arbeit der Fall ist. Grundsätzlich empfiehlt es sich, Teams nicht ausschließlich virtuell arbeiten zu lassen. Flexible Workforce ‐ Vor allem in wissensintensiven Bereichen werden Trends wie variable Arbeitsbeziehungen, die zunehmende Verbreitung von Projektwirtschaft oder Open Innovation künftig eine neue Gestaltung der Arbeitsorganisation erforderlich machen. ‐ Ziel ist es, Wissen, Ressourcen und Akteure optimal miteinander zu vernetzen. Dies entspricht in hohem Maße dem Grundprinzip der Employability, die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten als „Sicherungsanker“ in der Arbeitswelt zu begreifen und nach dem bestmöglichen „Match“ zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern zu suchen. ‐ In zunehmendem Maße entsteht in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine kurzfristig angelegte Projektkultur innerhalb und außerhalb klassischer Unternehmen mit je nach Bedarf wechselnden Teilnehmerkreisen in zumeist organisatorisch und rechtlich eigenständigen, temporären Projekten und Modellen wie zum Beispiel Gig Working (selbstständige Arbeit, die über Plattformen vermittelt wird), Crowdworking (öffentliche Ausschreibung von Aufgaben oder Teilprojekten eines Unternehmens) oder Flash Organizations (plattformbasierte temporäre Organisationsformen). Auch unternehmensintern gibt es Ansätze, neue Projekte über eine Plattform auszuschreiben, auf der sich Mitarbeitende selbst organisieren und sich für die Projekte im eigenen Unternehmen selbst bewerben müssen.
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‐ Insbesondere Spitzentechnologien und innovative Dienstleistungen, die auf komplexes Wissen angewiesen sind, werden durch projektwirtschaftliche Strukturen vorangebracht. Auch projektwirtschaftliche Vernetzungen von Wettbewerbern dürften zunehmend an Bedeutung gewinnen, um gemeinsam Produkte zu entwickeln oder Wertschöpfungsketten anhand unterschiedlicher Kernkompetenzen neu zu gestalten. ‐ Variable Arbeitsbeziehungen werden nicht zuletzt im Kontext des Trends zur Differenzierung in Kern- und Satellitenbelegschaften diskutiert. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von „atmenden Organisationen“ oder auch „Liquid Organizations“. ‐ Dabei stellen sich allerdings Fragen nach Grenzen und Spannungsfeldern, die es zu beachten gilt. Flexible Gestaltung von Werdegängen ‐ vDie Auffassungen darüber, was „Karriere“ bedeutet, gehen häufig weit auseinander. Während der vertikale Aufstieg in Form einer Führungslaufbahn lange Zeit den einzigen Weg darstellte, um sich beruflich weiterzuentwickeln, gibt es heute immer mehr alternative Werdegänge. ‐ Hintergrund ist die Herausforderung, angesichts längerer Lebensarbeitszeit, höherer Veränderungsgeschwindigkeit und flacherer Hierarchien den immer vielfältigeren Beschäftigtengruppen individuelle Perspektiven aufzuzeigen und sie an das Unternehmen zu binden. ‐ Grundsätzlich spielt die Durchlässigkeit zwischen unterschiedlichen Werdegängen eine entscheidende Rolle, da sich Neigungen, Bedürfnisse und Kompetenzen über ein langes Erwerbsleben hinweg verändern und Prioritäten verschieben. ‐ Hinzu kommt der immer stärkere Trend nach flacheren Hierarchien infolge der hohen Innovationsgeschwindigkeit und der Notwendigkeit, vor dem Hintergrund von Digitalisierung und Globalisierung Prozesse und auch Organisationsstrukturen immer weiter zu flexibilisieren sowie mit agilen Arbeitsmethoden und in agilen Arbeitskontexten zu arbeiten. ‐ Die Wirkungskette dreht sich. Karriereplanung wird damit vielschichtiger und verlangt von Individuen wie von Unternehmen eine Professionalisierung. ‐ Für alternative Karrierewege finden sich in der Literatur inzwischen unterschiedliche Bilder, wie zum Beispiel Karrieregitter, Kletterwand oder Mosaikkarriere. Sie beschreiben einen Wechsel zwischen Fach-, Führungs- und Projekteinsätzen und die Entwicklung auf vertikaler, horizontaler, diagonaler und projektorientierter Ebene. ‐ Die Führungskarriere büßt zunehmend an Status und Attraktivität ein und benötigt eine neue Ausrichtung. Überlange Anwesenheitszeiten, bedingungslose Priorisierung des Berufs gegenüber dem Privatleben als klassische Dogmen der Führungsrolle entsprechen nicht mehr den Lebensidealen derjenigen, die als Führungsnachwuchskräfte in Frage kommen. Zudem werden die Anforderungen an Führungskräfte immer komplexer.
Tab. 4 (Fortsetzung)
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Vorausschauend mit den vorhandenen Ressourcen umgehen Age Management ‐ Mit der zunehmenden Alterung der Belegschaften umzugehen, impliziert sowohl Weiterbildungsmaßnahmen, die sich gezielt an ältere Beschäftigte wenden, als auch eine alternsgerechte Ausgestaltung der Entwicklungswege und Tätigkeitsbereiche. ‐ Der Begriff „alter(n)sgerecht“ impliziert die Notwendigkeit, bereits in frühen Phasen der Erwerbstätigkeit Arbeit und Lernen so zu gestalten, dass die Beschäftigten in den Betrieben motiviert, qualifiziert und gesund altern können. ‐ Herausforderungen bestehen darin, dass Erfahrungen im Umgang mit über 60-Jährigen in vielen Unternehmen fehlen, weil deren Anteil bedingt durch die über Jahrzehnte hinweg praktizierte Frühverrentungspolitik lange Zeit sehr gering war Zudem sind die Werte, Einstellungen und Kompetenzen derjenigen, die sich heute bereits jenseits der 60 befinden, nur bedingt vergleichbar mit denen der künftigen älteren Mitarbeitenden, die heute noch zur mittleren oder jüngeren Generation zählen. Nicht zuletzt nimmt insgesamt unter den „älteren Mitarbeitenden“ die Heterogenität zu. ‐ Eine wachsende Zahl von Menschen bleibt auch über die Regelaltersgrenze hinweg erwerbstätig. Dabei nehmen ein hohes Bildungsabschlussniveau, eine hoch qualifizierte Fach- und Führungsposition und insbesondere eine selbstständige Tätigkeit entscheidenden Einfluss. ‐ Hier liegen enorme Potenziale, die es durch intelligente und individualisierte Modelle zu heben gilt, beispielsweise mit sogenannten Senior- Experten-Programmen. Gender Balance Management ‐ Seit Jahrzehnten gleichen sich Bildungsstand und Erwerbsbeteiligung von Frauen denen der Männer an. ‐ Aufholpotenziale bestehen noch in Bezug auf das Arbeitsvolumen, das Berufsspektrum und den Anteil an Führungspositionen. ‐ In diesem Kontext sind nicht zuletzt gesellschaftliche Rollenmuster entscheidend. Gerade in Familien nimmt das Erwerbsverhalten von Vätern entscheidenden Einfluss darauf, in welchem Umfang Mütter erwerbstätig sind beziehungsweise sein können. ‐ Zudem gilt es, nach intelligenten Modellen zu suchen, wie gerade Elternschaft und Pflege besser mit dem Beruf in Einklang gebracht werden können und nicht länger ein Karrierehemmnis darstellen. ‐ Bezüglich einer Unternehmenskultur, die Gender Diversity fördert, gilt ein besonderes Augenmerk Wegen aus der „Stereotypenfalle“ (Bias- Thematik). Denn nahezu jede Unternehmenskultur in Deutschland ist durch derartige Stereotype beeinflusst, die bewirken, dass unterschiedlich bewertet sowie das Verhalten der weiblichen und männlichen Beschäftigten unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert wird.
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Generationenmanagement ‐ Die Altersspanne, in der sich Belegschaften infolge des demografischen Wandels künftig bewegen werden, ist deutlich größer als es heute der Fall ist. ‐ Dabei „verschieben“ sich die Bedingungen zugunsten junger qualifizierter Kräfte, die sich aufgrund der demografisch bedingten Knappheitssituation in einer besseren „Verhandlungsposition“ befinden als die Generationen vor ihnen. ‐ Seit den 2010er-Jahren beschäftigen sich Unternehmen damit, die Generationenvielfalt innerhalb ihrer Belegschaften genauer zu analysieren und entsprechende Konzepte zum adäquaten Umgang umzusetzen. ‐ Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass es zum Management der Generationenvielfalt am erfolgversprechendsten erscheint, insbesondere auf die Gemeinsamkeiten und weniger auf die Unterschiede zwischen den Generationen abzuzielen. ‐ Im betrieblichen Kontext gilt es, dies dadurch zu fördern, dass ein gegenseitiges Verständnis für sozialisationsbedingt unterschiedliche Denkund Verhaltensmuster geschaffen wird. Gesundheitsmanagement ‐ Im Hinblick auf eine verlängerte Lebensarbeitszeit und steigende Anforderungen ist es essenziell, die physische und psychische Gesundheit von Beschäftigten zu erhalten. ‐ Neben klassischen Maßnahmen der Gesundheitsförderung spielen weitere Aspekte eine große Rolle bei der Frage, wie Arbeit sich auf die Gesundheit auswirkt. Hier stehen insbesondere die Gestaltungsmöglichkeiten des Individuums in Bezug auf seine Arbeitszeit im Fokus sowie Aspekte wie die Einhaltung von Pausen oder Vermeidung sogenannter Gratifikationskrisen, die entstehen können, wenn dem erbrachten Aufwand keine subjektiv adäquate „Belohnung“ gegenübersteht. ‐ Bei der Entstehung von arbeitsbedingtem Stress spielen Aspekte wie Multitasking und Informationsüberfluss, aber auch die häufige Störung beziehungsweise Unterbrechung von Tätigkeiten eine Rolle. Zudem beeinflussen sowohl persönliche Eigenschaften als auch bestimmte arbeitsplatzbezogene Kriterien das Stressempfinden. ‐ Die Herausforderung besteht im Vergleich zu den klaren Strukturen der Vergangenheit nun darin, selbst für Abgrenzung – räumlich wie zeitlich – Sorge zu tragen. Die Beschäftigten treten damit in einen Aushandlungsprozess – mit sich selbst, mit ihrem sozialen Umfeld und mit ihrem Arbeitgeber. Dieser Aushandlungsprozess ist für Menschen mit unterschiedlicher Disposition unterschiedlich gut zu bewältigen und bedarf entsprechender Kompetenzen. ‐ Einen weiteren bedeutsamen Aspekt des Gesundheitsmanagements stellt die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes dar, das nicht zuletzt der frühzeitigen Erkennung drohender chronischer Erkrankungen oder Behinderungen und dem Entgegenwirken durch präventive Maßnahmen zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit dient.
Tab. 4 (Fortsetzung)
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Interkulturelles Management ‐ Der Umgang mit der Kulturdiversität bezieht sich auf Ansätze für unterschiedliche Zielgruppen. ‐ Zur ersten Gruppe gehören Fach- und Führungskräfte, die im Ausland gezielt angeworben werden, um vorhandene Fachkräfteengpässe abzudecken. Für beide Seiten bedeutet eine internationale Rekrutierung im Vergleich zur nationalen Alternative einen erhöhten Aufwand. Daher sollte noch stärker als bei der nationalen Rekrutierung die langfristige Perspektive im Fokus stehen, sodass die Bemühungen rund um Rekrutierung und Integration von Unternehmensseite, aber auch die Investitionen des beziehungsweise der Rekrutierten, sich in einem fremden Land zu integrieren, lohnenswert sind. ‐ Bei der zweiten Gruppe, den Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits in Deutschland geboren wurden, besteht Verbesserungsbedarf hinsichtlich ihres Bildungsstandes und ihrer Arbeitsmarktperspektiven, die noch immer deutlich hinter denen von Menschen ohne Migrationshintergrund zurückbleiben. ‐ Die Integration von Geflüchteten (dritte Gruppe), die eher reaktiv als proaktiv erfolgt, stellt sich sehr viel komplexer dar als die in der Regel strukturiert und geplant ablaufende Rekrutierung von ausländischen Menschen mit Engpassqualifikationen. Entscheidend für positive Effekte sind erhebliche Investitionen in die Qualifizierung und den Spracherwerb der Geflüchteten sowie in deren Integration in Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt sowie in die Gesellschaft (nicht zuletzt in kultureller Hinsicht). ‐ Grundsätzlich gilt, dass in der Diskussion um Menschen aus dem Ausland oder mit Migrationshintergrund allerdings keineswegs nur die Defizite thematisiert werden sollten. Vielmehr darf man nicht außer Acht lassen, dass sie über die Kompetenzen von „Grenzgängerinnen und Grenzgängern“ verfügen. Diese Kompetenz ist insbesondere für die global vernetzte Arbeitswelt und immer vielfältigere Kundenbeziehungen eine nicht zu unterschätzende Schlüsselqualifikation, die es zu fördern gilt. Lebensphasenorientierte Personalpolitik ‐ Das Leben eines jeden Menschen ist im privaten Bereich durch Höhen und Tiefen, prägende Ereignisse und auch durch außerberufliches Engagement gekennzeichnet, die Beschäftigte unweigerlich auch mit in den beruflichen Bereich bringen und aus denen sich, wenn sie keine Berücksichtigung finden, erhebliche Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, Motivation und Qualifikation ergeben können. ‐ L ebensphasenorientierung umfasst alle Phasen vom beruflichen Einstieg bis zum beruflichen Ausstieg. Sie erweitert den vielfach auf ein enges Zeitfenster konzentrierten Blickwinkel auf die gesamte Lebensarbeitszeit mit dem Ziel der individuellen bzw. zielgruppenspezifischen Herangehensweise, der Berücksichtigung der Lebensphasen und Lebenssituationen sowie der Förderung der lebenslangen Beschäftigungsfähigkeit (Employability). ‐ Die Lebens- und Berufsphasen, die Mitarbeitende im Verlauf eines Erwerbslebens durchlaufen, sind weitgehend altersunabhängig und müssen nicht alle durchlaufen werden. ‐ Um Mitarbeitenden Lösungswege für ihre individuellen Bedarfssituationen anbieten zu können, wird nach Maßnahmen gesucht, die sowohl für die jeweilige Berufsphase als auch für die entsprechende Lebensphase passend sind. Diese Passung zwischen Lebens- und Berufsphasen wird als „Matching“ bezeichnet. ‐ Ein solches „Matching“ führt zu einer Fülle von Einzelmaßnahmen, die Beschäftigten in unterschiedlichen Lebens- und Berufsphasen gleichermaßen dienen. (Fortsetzung)
Sustainability Management ‐ Nachhaltigkeit oder Sustainability umfasst neben der vielfach in der öffentlichen Diskussion besonders hervorgehobenen ökologischen Komponente auch eine ökonomische und eine soziale Dimension. Daraus entstehen Qualifikation/Kompetenzen, Motivation/Identifikation und Gesundheit/Wohlbefinden. ‐ Eine steigende Zahl an Unternehmen legt seit einigen Jahren Nachhaltigkeitsberichte vor, die der Leistungsmessung, der Zielführung und auch der Durchführung strategischer Veränderungen dienen. Darüber hinaus vermitteln sie ein Gesamtbild einer Organisation und haben eine Dokumentations-, Planungs- und Kontrollfunktion. ‐ Im Unternehmen Nachhaltigkeit zu leben und zu vermitteln, umfasst mehrere unterschiedliche Handlungsfelder: • Nachhaltiges Organisationsmanagement • Ressourcenschonende Produktionskonzepte • Sensibilisierung der Belegschaft • Nachhaltiges Personalmanagement • Unternehmensleitbild, das Nachhaltigkeit zum Ziel erhebt
Tab. 4 (Fortsetzung)
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azit: Strategische Personalplanung – Zentrales Instrument F zum Umgang mit den zentralen Trends und ihren Implikationen
Der Blick auf die beiden Übersichtsgrafiken aus den vorangegangenen Abschnitten zeigt sehr deutlich die Komplexität der Herausforderungen auf, denen sich Organisationen und Individuen gegenübersehen (Abb. 4). Angesichts dieser Komplexität gewinnt die langfristige Planung von unternehmerischen Aktivitäten zunehmend an Bedeutung – nicht zuletzt, um Kompetenzlücken und Talentengpässe frühzeitig zu erkennen und entsprechend gegenzusteuern. Gleichzeitig wird es immer schwieriger, in einer im permanenten Wandel befindlichen Umwelt den künftigen Personalbedarf quantitativ wie qualitativ vorausschauend zu bestimmen, wenngleich es unerlässlich ist, Ableitungen für das eigene Unternehmen aus einer Trendanalyse wie der obigen zu ziehen. Mit Hilfe einer strategischen Personalplanung (siehe dazu den Beitrag von Jutta Rump, Stefan Stracke, Gaby Wilms und David Zapp) stellt sich ein Unternehmen proaktiv den personalwirtschaftlichen Herausforderungen, indem systematisch geplant wird und damit produkt- und marktbezogene Aspekte der Unternehmensstrategie um personalwirtschaftliche Fragen ergänzt werden. So lässt sich sicherstellen, dass das notwendige Personal zur richtigen Zeit am richtigen Ort und mit den richtigen Kompetenzen zur Verfügung steht. Dies ist keinesfalls eine „Disziplin“, auf die sich nur Großunternehmen konzentrieren sollten.
Abb. 4 Trends und Implikationen im Überblick (eigene Darstellung)
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Strategie für die Zukunft – Vom Trendscanning zur strategischen Personalplanung
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Dr. Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Sie hat zudem zahlreiche Mandate auf regionaler und nationaler Ebene inne und ist in Unternehmen als Projekt- und Prozessbegleiterin tätig. Darüber hinaus leitet sie das Institut für Beschäftigung und Employability IBE, das den Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit auf personalwirtschaftliche, arbeitsmarktpolitische und beschäftigungsrelevante Fragestellungen legt.
Silke Eilers ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin am Institut für Beschäftigung und Employability IBE. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Themenbereichen Demografie, Trends der Arbeitswelt, Employability sowie Lebensphasenorientierte Personalpolitik und Zeitpolitik.
Teil II Grundlagen
Praktische Umsetzung der strategischen Personalplanung in kleinen und mittelständischen Unternehmen Jutta Rump, Stefan Stracke, Gaby Wilms und David Zapp
Zusammenfassung
Um den disruptiven Wandel in der Arbeitswelt zu bewältigen und aktiv zu gestalten, geht es vor allem um den Erhalt guter Arbeitsbedingungen und die Schaffung nachhaltiger Beschäftigungsstrukturen. Der Beitrag zeigt auf, wie eine strategische Personalplanung hier als Basis dienen kann, welche Schritte im Einzelnen zu beachten sind und wie sie sich in der Praxis umsetzen lassen.
1
Einführung
Die Ausführungen im Beitrag von Jutta Rump und Silke Eilers (Strategie für die Zukunft – Vom Trendscanning zur Strategischen Personalplanung) haben deutlich gemacht, dass sich Unternehmen und Individuen einem Wandel in der Arbeitswelt gegenübersehen, der mit teils disruptiven Veränderungen einhergeht. Bei der Bewältigung und Gestaltung des Wandels geht es vor allem um den Erhalt guter Arbeitsbedingungen und die Schaffung nachhaltiger Beschäftigungsstrukturen. Eine strategische Personalplanung stellt dabei eine wichtige Grundlage für Rekrutierung, Gesunderhaltung,
J. Rump (*) · G. Wilms · D. Zapp Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Institut für Beschäftigung & Employability IBE, Ludwigshafen, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected]; [email protected] S. Stracke wmp consult – Wilke Maack GmbH, Hamburg, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Rump, S. Eilers (Hrsg.), Strategische Personalplanung, IBE-Reihe, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61903-2_2
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J. Rump et al.
Qualifizierung und Entwicklung der Beschäftigten dar. Denn es lässt sich immer weniger „aus dem Bauch heraus“ einschätzen, wie etwa der Kundenmarkt in den nächsten fünf Jahren aussehen wird, welche Produkte der technische Fortschritt ermöglicht, welche Wettbewerber unerwartet auftauchen oder wie sich die Suche nach Fachkräften gestalten wird. Im Folgenden soll gezeigt werden, was unter einer strategischen Personalplanung zu verstehen ist und wie sie sich auch für kleine und mittelständische Betriebe optimal zum Einsatz bringen lässt. Dass sich eine solche Personalplanung lohnt, zeigt eine Untersuchung von Price Waterhouse Coopers. 50 Prozent der befragten Unternehmen konnten Produktivität und Profitabilität durch strategische Personalplanung verbessern. Aber auch die Mitarbeitenden profitieren, wenn durch eine langfristige Planung beispielsweise Qualifizierungsangebote stärker auf (zukünftige) Aufgaben und Anforderungen am Arbeitsplatz zugeschnitten werden. Dadurch kann Unter- und Überforderung vorgebeugt werden (PwC 2012).
2
Was ist unter strategischer Personalplanung zu verstehen?
Strategische Personalplanung bedeutet, systematisch und vorausschauend den zukünftigen Personalbedarf eines Unternehmens oder einer Organisation zu ermitteln, damit auch mittel- und langfristig die benötigten Arbeitskräfte zur Verfügung stehen – und zwar in der richtigen Anzahl, mit den erforderlichen Kompetenzen, zur richtigen Zeit und am richtigen Ort. Auf der Basis einer Fortschreibung des bisherigen Personalbestands wird eine Prognose darüber getroffen, wie sich Bestand und Bedarf in den kommenden Jahren entwickeln werden. In der Privatwirtschaft ist die Personalplanung kein isoliertes Werkzeug, sie ist in die gesamte Unternehmensplanung eingebettet (siehe ausführlich z. B. Giertz und Stracke 2019). Sie ist damit in erster Linie Aufgabe der Unternehmensleitung; in Konzernen liegt sie in der Regel im Verantwortungsbereich von Personalvorstand/Arbeitsdirektor oder -direktorin. Eine solide Personalplanung ist eng verbunden mit der Wirtschafts-/Budgetplanung, der Produktions-/Leistungsplanung sowie der Absatz-, Investitions- und Finanzierungsplanung. Im öffentlichen Dienst ist die Personalplanung im Rahmen des vorgegebenen Haushaltes mit der nächsthöheren Behördenstufe abzustimmen (vgl. BMI und BVA 2018).
2.1
Quantitative und qualitative Personalplanung
Eine gängige Unterscheidung ist die zwischen quantitativer und qualitativer Personalplanung (siehe ausführlich z. B. Laßmann und Rupp 2014). Die quantitative Personalplanung legt die Anzahl der Arbeitskräfte bzw. die Kapazitäten fest, die benötigt werden, um eine geplante Leistung zu erbringen oder ein Produkt herzustellen. Mit Hilfe der qualitativen Personalplanung wird dargestellt, welche Kompetenzen notwendig sind, um die Unternehmensziele, aber auch kollektive Beschäftigungsziele oder individuelle Karriereziele zu erreichen. Daraus lassen sich z. B. mögliche Rekrutierungs- und Qualifizierungsbedarfe
Praktische Umsetzung der strategischen Personalplanung in kleinen und …
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und entsprechende Personalentwicklungsmaßnahmen ableiten. In der Praxis sollten qualitative und quantitative Personalplanung miteinander verzahnt und nicht nur Kapazitäten, sondern auch heute und zukünftig benötigte Kompetenzen in den Blick genommen werden.
2.2
Strategische und operative Personalplanung
Eine weitere Unterscheidung bezieht sich auf die strategische und operative Ausrichtung der Personalplanung. Unterscheidungsmerkmale sind dabei die Länge des betrachteten Planungszeitraums und die Genauigkeit der Planung. Ist die Planung kurzfristig angelegt, d. h. bezieht sie sich auf das laufende und das folgende Geschäftsjahr und sind einzelne Monate als Betrachtungszeiträume vorgesehen, wird in der Regel von operativer Personalplanung gesprochen. Die strategische Personalplanung ist dagegen mittel- und langfristig ausgerichtet. Sie wird vielfach als „Brücke“ zwischen Unternehmensstrategie und (operativem) Personalmanagement gesehen (siehe z. B. Scherm und Süß 2016). Auch wenn in der Literatur die These vertreten wird, dass ein strategisches Vorgehen nicht unbedingt eine Frage der zeitlichen Perspektive ist (z. B. Hoffmann 2017), bezieht sich die strategische Personalplanung in der Praxis häufig auf einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren. Um vor allem auch qualitative Veränderungen des Personals in den Blick zu nehmen, ist in der Praxis – gerade bei Großunternehmen – durchaus eine Ausweitung auf bis zu zehn Jahre zu beobachten. Dabei geht es vor allem um die Identifizierung möglicher zukünftiger Schlüssel- und Engpassfunktionen und -kompetenzen. Mit zunehmender Länge des Planungszeitraums nimmt der Konkretisierungsgrad bzw. die Genauigkeit der Planung jedoch ab (siehe z. B. IG Metall Vorstand 2014). Strategische Personalplanung kann zwar nicht alle Fachkräfteengpässe beseitigen, sie hilft aber, zukünftige Kapazitäts- und Kompetenzbedarfe präzise zu analysieren und zukünftige „Skillknappheit bei strategisch relevanten Skills“ zu vermeiden (Giertz und Stracke 2019). Es geht also auch um die optimierte Nutzung der Potenziale der vorhandenen Belegschaft und die Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit des bestehenden Personals durch Kompetenzentwicklung. Strategische Personalplanung kann auch nicht alle Beschäftigungsprobleme lösen, sie ist aber eine wichtige Voraussetzung, um den Personaleinsatz (etwa die Besetzung von Schichten) optimal zu gestalten und mögliche Belastungen der Beschäftigten (z. B. durch dauerhafte Mehrarbeit) zu begrenzen. Eine gute Planung schafft Ausgewogenheit und Transparenz über relevante Problem- und Interessenlagen.
3
Wie geht man vor bei strategischer Personalplanung?
Kern der Personalplanung ist die Beschreibung des heutigen und zukünftigen Personalbestands und des erwarteten Personalbedarfs. In der Praxis gibt es ganz unterschiedliche Wege und Verfahren, Bestand und Bedarf zu ermitteln und abzubilden. Diese reichen von gängigen Verfahren der Personalbemessung bis hin zu umfassenden Systemen des Skill-
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Die Abb. wird in S/W gedruckt.
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Abb. 1 Die fünf Schritte der strategischen Personalplanung (Wilms et al. 2018)
bzw. Kompetenzmanagements und dem Einsatz entsprechender Softwaretools. Der Verfahrensprozess wird in der Regel durch die Unternehmens- bzw. Dienststellenleitung oder einen von ihr beauftragten internen Prozessbegleiter bzw. eine Prozessbegleiterin (zumeist aus dem Personalbereich) koordiniert. Idealtypisch lässt sich die strategische Personalplanung als mehrstufiger Prozess beschreiben, der sich in fünf Schritte unterteilen lässt (Abb. 1). Dieser schematische Planungsprozess kann entweder alleine oder aber in einem kleinen Planungsteam durchlaufen werden. Generell sollten Projektbeteiligte mit Zahlen umgehen können und einen guten Blick auf die strategische Entwicklung des Unternehmens besitzen. Wird ein Planungsteam gebildet, so lohnt es sich, Vertreterinnen und Vertreter aus den unterschiedlichen Unternehmensbereichen sowie des Betriebsrats mit „ins Boot“ zu holen (Wilms et al. 2018). Zum Einstieg bietet es sich zunächst an, die Stärken und Schwächen sowie mögliche Chancen und Risiken der eigenen Unternehmensstrategie bzw. des Geschäftsmodells näher in den Blick zu nehmen. Dies kann mithilfe einer sogenannten SWOT-Analyse erfolgen (Tab. 1) Die Ergebnisse aus dieser Perspektive stellen die Weichen für die strategische Personalplanung. Darüber hinaus ist der Zeithorizont für die Planung zu bestimmen. In der Regel bezieht sich die Planung auf einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren. In der Praxis werden aber auch Planungszeiträume von bis zu sieben oder sogar zehn Jahren gewählt. Die folgenden Abschnitte führen nun systematisch – so kurz wie möglich und so lang wie nötig – durch die oben genannten fünf Planungsschritte der strategischen Personalplanung. Kurze erläuternde Textpassagen, Fragestellungen und Antwortmöglichkeiten wechseln sich ab. Die angeführten Beispiele sind branchenübergreifend ausgerichtet und stehen zur Hilfestellung und als Anregung zur Verfügung.
3.1
Schritt 1: Wie sieht die langfristige Strategie aus?
Der zukünftige quantitative und qualitative Personalbedarf wird aus der Unternehmensstrategie abgeleitet. Diese sichert letztlich den Unternehmenserfolg, damit der Betrieb
Praktische Umsetzung der strategischen Personalplanung in kleinen und …
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Tab. 1 SWOT-Analyse (grundsätzlich in Anlehnung an Learned et al. (1965); Quelle: Wilms et al. 2018) Worin liegen unsere Stärken? Hier können beispielsweise folgende Fragestellungen erörtert werden: • Worin sind wir besonders gut oder besser als unsere Wettbewerber (Produkte, Technologien, Marktzugang etc.)? • Was ist das Alleinstellungsmerkmal für unser Unternehmen – das „schlagende Verkaufsargument“? • Welche Faktoren führen zum Erfolg? Wo sehen wir unsere Schwächen? Hier können beispielsweise folgende Fragestellungen erörtert werden: • Worin sind wir schlechter als alle anderen? • Was könnten wir verbessern? • Was sollten wir vermeiden?
Welche Chancen bieten sich für uns? Hier können beispielsweise folgende Fragestellungen erörtert werden: • Was entwickelt sich auf den Märkten und im technologischen Bereich? • Welche interessanten Trends (gesellschaftlich und ökonomisch) sollten wir verfolgen? • Welche zukünftigen Kundenwünsche zeichnen sich ab? Welche Risiken bzw. Gefahren bestehen für uns? Hier können beispielsweise folgende Fragestellungen erörtert werden: • Welche Hindernisse bzw. Risiken stehen uns im Weg? • Was machen unsere Wettbewerber? • Inwieweit „bedroht“ der technologische Wandel unsere Wettbewerbsposition?
auch in Zukunft innovativ und wettbewerbsfähig aufgestellt ist. Sie ist damit zugleich die Basis für eine strategische Personalplanung. Wichtige Orientierungspunkte sind dabei die Ziele und das Leitbild der Organisation. Entwicklungen des (Geschäfts-) Umfeldes (inkl. Arbeitsmarktsituation, demografischer Wandel in der Region etc.), veränderte Kundenwünsche und Produkt-/Leistungs- und Marktstrategien sind zu betrachten. Gleichzeitig sind neue Technologien oder Änderungen der Abläufe und Prozesse zu bewerten, die zu Veränderungen des Personalbedarfs und zu neuen Anforderungen an die Beschäftigten führen können. Für öffentliche Institutionen spielen auch sich verändernde Aufgaben aufgrund von Gesetzen, Verordnungen, Kabinettsbeschlüssen oder sich wandelnde Anforderungen von Bürgerinnen und Bürgern an die öffentliche Verwaltung (z. B. im Zusammenhang mit der Entwicklung zur „digitalen Verwaltung“) eine wichtige Rolle. Der Planungsablauf startet mit der Beantwortung der vier Fragen des „magischen Vierecks“ (Abb. 2). Die Antworten lassen sich in dem einen oder anderen kleineren Betrieb vielleicht relativ schnell finden. In größeren Betrieben bieten sich Strategiekonferenzen oder -workshops an, die in Planungsteams durchgeführt werden. Sie bilden das A und O der strategischen Personalplanung und legen den Grundstein für die weiteren Planungsschritte. Zur Veranschaulichung sind für die vier „magischen“ Fragestellungen des Vierecks nachfolgend einige beispielhafte sowie branchenübergreifende Antwortmöglichkeiten aufgeführt. Sie sind als Anregung oder Vorschlag zu verstehen (Wilms et al. 2018):
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Abb. 2 Das „magische Viereck“ der strategischen Personalplanung (Wilms et al. 2018)
Frage 1 zur Bestimmung der Unternehmensstrategie: Was wollen wir mit unserem Unternehmen erreichen? Je nachdem, aus welcher Perspektive der Blick auf das Unternehmen und die Ziele fällt, werden die Ambitionen unterschiedlicher Natur sein.1 Aus der Ergebnisperspektive wären beispielsweise folgende Ziele denkbar: • • • • •
Ausgeglichene Bilanz Kontinuierliches Wachstum Erhalt von Stabilität Reduktion der Fixkosten Erhöhung der Rentabilität Die interne Prozessperspektive könnte beispielsweise diese Ziele zum Ergebnis haben:
• • • • •
Konzentration auf Innovationen Fokus auf das Kerngeschäft Verbesserung der Qualität Reduktion der Reklamationsquote Verringerung der Durchlaufzeiten
Die in dieser Fragestellung gewählten Betrachtungsperspektiven sind angelehnt an das Konzept der Balanced Scorecard nach Kaplan und Norton (1992). 1
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Aus der Kundenperspektive kämen etwa diese Ziele in Frage: • • • • •
Erhöhung der Kundenzufriedenheit Verstärkung der Kundenbindung Optimierung der Kundenneugewinnung Aufstockung der Support- und Serviceleistungen Konzentration auf Neukundinnen und -kunden Die Beschäftigtenperspektive würde beispielsweise zu diesen Zielen führen können:
• • • • •
Steigerung der Arbeitgeberattraktivität Erhalt und Ausbau von Arbeitsplätzen Erwerb von Kompetenzen für digitalisierte Prozesse Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit Reduktion der Mitarbeiterfluktuation
Frage 2 zur Bestimmung der Unternehmensstrategie: Welche Entwicklungen und Veränderungen müssen wir dabei berücksichtigen? Die zu planende Strategie des Unternehmens ist nicht unabhängig von inneren und äußeren Einflüssen, Gegebenheiten und Veränderungen. Diese müssen „vorgedacht“ werden, damit bereits frühzeitig die Auseinandersetzung mit den möglichen Auswirkungen erfolgt. Veränderungen können sich manchmal schlagartig ergeben, beispielsweise in Bezug auf … • • • • • • • • • • • • • • • •
… Märkte, … Produkte, … Service, … Dienstleistungen, … Kundinnen und Kunden, … Technologien, … Geschäftsprozesse, … Logistik, … Personal, … Geschäftsumfeld, … rechtliche Rahmenbedingungen, … politische Rahmenbedingungen, … Netzwerke, … Führung, … Betriebsklima, …
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J. Rump et al.
Frage 3 zur Bestimmung der Unternehmensstrategie: Wie wollen wir unsere unternehmerischen Ziele erreichen? An dieser Stelle heißt es nun, konkret zu werden und sich bewusst zu machen, mit welchen Aktivitäten zukünftig der Erfolg des Unternehmens sowie die Erfüllung der Ziele sichergestellt werden sollen. Möglich wären beispielhaft diese Maßnahmen: • • • • • • • • • • • •
Entwicklung neuer Produkte Verkleinerung des Unternehmens Expansion in das Ausland Einführung neuer Technologien Digitalisierung der Geschäftsprozesse Zusammenlegung von Geschäftsbereichen Einführung neuer Organisationsstrukturen Implementierung einer (neuen) Führungsstruktur Verbesserung der Hard- und Software Veränderung der Arbeitsabläufe Durchsetzung eines Kostenstrukturprogramms …
Frage 4 zur Bestimmung der Unternehmensstrategie: Welche zukünftigen Anforderungen ergeben sich daraus für unsere Belegschaft? Bei der vierten und letzten Frage erfolgt die Auseinandersetzung mit den (insbesondere neuen) Anforderungen an die Mitarbeitenden. Jede Strategie – und sei sie noch so brillant – ist nur so gut, wie sie auch durch die Belegschaft umgesetzt werden kann. Daher sollte eingeschätzt werden, was der Umgang mit … • • • • • • • • • • • • • • •
… (neuen oder veränderten) Märkten, … (neuen oder veränderten) Produkten, … (neuen oder veränderten) Services und Dienstleistungen, … (neuen oder veränderten) Kundinnen und Kunden, … (neuen oder veränderten) Technologien, … (neuen oder veränderten) Geschäftsprozessen, … (neuer oder veränderter) Logistik, … (neuem oder verändertem) Personal, … (neuem oder verändertem) Geschäftsumfeld, … (neuen oder veränderten) rechtlichen Rahmenbedingungen, … (neuen oder veränderten) politischen Rahmenbedingungen, … (neuen oder veränderten) Netzwerken, … (neuer oder veränderter) Führung, … (neuem oder verändertem) Betriebsklima …
Praktische Umsetzung der strategischen Personalplanung in kleinen und …
103
für die Beschäftigten auf lange Sicht, also in den nächsten fünf bis zehn Jahren, bedeuten wird. An dieser Stelle gilt es, sorgfältige Überlegungen über die zukünftigen Anforderungen an die Mitarbeitenden anzustellen und zu skizzieren, was in Zukunft getan werden sollte, damit die eigene Belegschaft fit für die Zukunft ist. Bei den Planungen sollten auch diese wichtigen Fragen Berücksichtigung finden: cc
3.2
Passen die Qualifikationen und die Kompetenzen, die im Betrieb bereits vorhanden sind, zu den zukünftigen Zielen? • Sind die Kompetenzen im Unternehmen vorhanden, die benötigt werden, um erfolgreich die Strategie umsetzen zu können? • Welche Kompetenzen müssten noch entwickelt werden? • Wo besteht möglicherweise Schulungs- und Trainingsbedarf? • Entstehen vielleicht gänzlich neue Berufsbilder und wenn ja, welche? • Werden bestimmte Berufsbilder auf längere Sicht hin überflüssig, sich stark verändern oder sogar ganz verschwinden? • Welche Betriebsbereiche sind von diesen Veränderungen besonders betroffen?
Schritt 2: Wie setzt sich die Belegschaft heute zusammen?
Im nächsten Schritt ist der Personalbestand nach soziodemografischen Merkmalen und Kompetenzen der Beschäftigten zu erfassen. Dafür werden ausgewählte, spezifische Personalstammdaten der Mitarbeitenden benötigt, vor allem Geburtsdatum, Geschlecht, Kapazität bzw. Arbeitsumfang, Eintrittsdatum, geplantes Austrittsdatum, Einsatzbereich. Diese Daten können in einer Liste, die die notwendigen Anforderungen an Anonymität und Datenschutz erfüllen sollte, gesammelt werden (etwa auf Basis eines Auszugs aus einer IT-Datenbank oder eine Excel-Tabelle).2 Wichtig ist, dass bei der Kapazitätsermittlung nicht die Anzahl der „Mitarbeiterköpfe“, sondern die verfügbare Kapazität (FTE = Full Time Equivalent = Vollzeitäquivalent) zugrunde gelegt wird. FTE werden auch Vollzeitpersonale (VZP) oder Mitarbeiterkapazität (MAK) genannt.3 FTE statt Köpfe zu betrachten, hat den Vorteil, dass die personellen Kapazitäten exakter erfasst werden. Dies ist vor allem bei einem hohen Anteil von Teilzeitkräften von Belang.
Gerade bei der Nutzung von IT-Tools bzw. rechnergestützten Systemen zur Personalplanung ist sicherzustellen, dass personenbezogene Daten nur zum Zweck der Personalplanung erhoben, gespeichert und verarbeitet werden und eine anderweitige Nutzung ausgeschlossen ist. Die Daten dürfen nur zum Nutzen und nicht zum Schaden der Beschäftigten eingesetzt werden. Wichtig ist, dass Daten, die zu Zwecken der Personalbemessung herangezogen werden, nicht zusätzlich zur Verhaltens- und Leistungskontrolle der Beschäftigten genutzt werden dürfen. Dafür braucht es klare Regelungen. Zur Nutzung von IT-Tools siehe auch Abschn. 4. 3 Im öffentlichen Dienst sind auch die Begriffe Vollzeiteinheiten (VZE) oder Vollzeitäquivalente (VZÄ) üblich. Eine Vollzeitstelle entspricht 1,0 FTE, eine halbe Stelle 0,5 FTE. 2
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J. Rump et al.
Eine gründliche Bestandsaufnahme ist notwendig, um eine Prognose der Bestandsentwicklung abgeben bzw. die zukünftige Entwicklung des Personalbestands über den Planungszeitraum simulieren zu können. Dabei sind bereits heute absehbare Zu- und Abgänge, die sich z. B. aus der demografischen Entwicklung ergeben, zu berücksichtigen. Zur Beschreibung des Personalbestands gehört auch die Bildung sogenannter Jobgruppen (auch „Jobfamilien“ genannt). Hierzu werden Stellen innerhalb der Funktionsbereiche mit gleichen oder ähnlichen Anforderungsprofilen bzw. Aufgaben zusammengefasst. Die einzelnen Beschäftigten werden diesen Gruppen zugeordnet (Tab. 2). Es ist sinnvoll, für jede Jobgruppe in wenigen Stichworten die wesentlichen Tätigkeiten und Anforderungen zu beschreiben und sie auf diese Weise zu charakterisieren. Hilfreich ist, sich an den vorhandenen Bereichen bzw. den im Unternehmen üblichen Unterscheidungen zu orientieren, beispielsweise Fertigung, Vertrieb, Rechnungswesen/Controlling, Instandhaltung, Buchhaltung, Personalwesen (vgl. z. B. Hoffmann 2017; Wilms et al. 2018). Möglicherweise können die folgenden Orientierungsfragen dabei behilflich sein, Jobgruppen festzulegen: • Welche Hauptaufgaben werden mit welchen Qualifikationen ausgeübt? • Welche Hauptaufgaben ähneln sich, sodass sie zu einer Jobgruppe zusammengefasst werden können? Die Einteilung richtet sich nicht nach den derzeitigen Stelleninhaberinnen und Stelleninhabern als Personen, sondern nach den Aufgaben, die an eine Stelle geknüpft sind. Mit Jobgruppen sind keine Entgeltgruppen gemeint; Auszubildende, Leiharbeitskräfte und Werkvertragsbeschäftigte werden in der Regel nicht erfasst. Wie kleinteilig die Aufteilung erfolgt, ergibt sich aus der Größe und Komplexität des Unternehmens bzw. der Organisation. In kleineren Organisationen kann oft nur grob zwischen Führungskräften, Fachkräften und Hilfskräften unterschieden werden. In mittelgroßen Organisationen ist es sinnvoll, die Einteilung zumindest nach Tätigkeitsbereichen vorzunehmen. Nach Möglichkeit sollten nicht mehr als 12 Jobgruppen gebildet werden – so lassen sich weitere Analyseschritte vereinfachen. Die Bildung von Jobgruppen hilft, Komplexität zu reduzieren. Auf dem Detaillierungsgrad einzelner Stellen ließe sich nicht strategisch planen – die Planung wäre zu unübersichtlich, um strukturelle sowie bestimmte Tätigkeiten betreffende Entwicklungen zu erkennen und Maßnahmen abzuleiten (Berendes et al. 2018). Durch die Bündelung lässt sich quantifizieren, wie viele Beschäftigte pro Jobgruppe vorhanden sind. Zudem werden anhand von Jobgruppen vorhandene und notwendige Kompetenzen schneller ersichtlich. Bei Führungskräften sollte eine Orientierung an deren Kompetenzen und Aufgaben erfolgen. Fallen diese ähnlich aus, kann eine eigene Jobgruppe „Führungskräfte“ gebildet werden. Jobgruppen sollten nach ihrer (zukünftigen) Bedeutung für den Unternehmenserfolg bzw. ihrer Bedeutung für die Erfüllung des öffentlichen Auftrags bewertet und gewichtet werden. Dabei sind Überlegungen zur Strategie zu berücksichtigen (vgl. Hoffmann 2017). Wichtig ist, die Daten zum Personalbestand regelmäßig zu aktualisieren. Informationen über zu erwartende Zu- und Abgänge sollten dabei nach Jobgruppen differenziert be-
Name (optional) Geburtsdatum Geschlecht Mustermann, 14.01.1974 männlich Max 19.01.1974 männlich 25.01.1995 männlich 14.01.1965 männlich 26.01.1982 männlich 18.01.1961 männlich 09.01.1995 männlich 27.01.1957 weiblich 10.01.1989 weiblich 11.01.1954 weiblich 11.01.1984 weiblich 04.01.1971 weiblich 08.01.1979 weiblich 22.01.1990 weiblich 19.01.1954 männlich 25.01.1976 männlich 10.01.1966 männlich 09.01.1968 männlich 10.01.1979 männlich 08.01.1970 männlich 17.01.1965 männlich 09.01.1978 männlich 07.01.1961 männlich 18.01.1963 männlich 01.02.2000 weiblich 14.01.1974 weiblich Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Lager/Logistik Lager/Logistik Lager/Logistik Lager/Logistik Lager/Logistik Lager/Logistik Lager/Logistik Lager/Logistik Instandhaltung Instandhaltung Instandhaltung Instandhaltung
01.01.2016 01.01.2013 01.01.2003 01.01.2016 01.01.2006 01.01.2014 01.01.2001 01.01.2000 01.01.2000 01.01.2003 01.01.2013 01.01.2002 01.01.2002 01.01.2017 01.01.2001 01.01.2004 01.01.2017 01.01.2012 01.01.2005 01.01.2008 01.01.2008 01.01.2001 01.01.2008 01.01.2019 01.01.2006
01.01.2039 01.01.2060 01.01.2030 01.01.2047 01.01.2026 01.01.2060 01.01.2022 01.01.2054 01.01.2019 01.01.2049 01.01.2036 01.01.2044 01.01.2055 01.01.2019 01.01.2041 01.01.2031 01.01.2033 01.01.2044 01.01.2035 01.01.2030 01.01.2043 01.01.2026 01.01.2028 31.12.2021 01.01.2039
Bereich Produktion
Austrittsdatum (Befristung, Eintrittsdatum Renteneintritt, Elternzeit) 01.01.2006 01.01.2039
Tab. 2 Personalstammdaten und Jobgruppen (fiktives Beispiel, vereinfacht) (eigene Darstellung)
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0,5 1 1 1 0,5 1 1 1 1 1 1 1 0,8 1
Kapazität (FTE) 1
Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Produktion Lager/Logistik Lager/Logistik Lager/Logistik Lager/Logistik Lager/Logistik Lager/Logistik Lager/Logistik Lager/Logistik Instandhaltung Instandhaltung Instandhaltung Instandhaltung
Jobgruppe Produktion
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trachtet werden. Nur dann haben die Prognose der Bestandsentwicklung und die Bewertung von Trends auch einen entsprechenden Aussagewert. Nachfolgend werden für einige Anwendungsfälle typische Jobgruppen dargestellt (Wilms et al. 2018): Beispiel für mögliche Jobgruppen im Anlagenbau
Geschäftsführung Assistenz Führungskräfte Projektmanagement Logistik Technische Planung Montage Konstruktion Entwicklung Personal & Verwaltung ◄
Beispiel für mögliche Jobgruppen in einem Kaufhaus
Geschäftsführung Einkauf Abteilungsleitung Verkaufskräfte Verwaltung Marketing und Dekoration Schneiderei Hausmeisterservice ◄
Beispiel für mögliche Jobgruppen in einer Versicherung
Geschäftsführung Sachgebietsleitung Innendienst Außendienst Expertinnen und Experten Projekte Personal & Organisation Verwaltung ◄
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Sobald die Jobgruppen im Unternehmen beschrieben sind, gilt es, für jede Jobgruppe die jeweilige Mitarbeiteranzahl und die Mitarbeiterkompetenzen zu bestimmen. Dies ist die Arbeitsgrundlage, um in den nächsten Schritten den Handlungsbedarf festzustellen. Die Mitarbeiteranzahl wird bestimmt, indem die Anzahl der Mitarbeitenden, die heute innerhalb der Jobgruppe arbeiten, ermittelt wird. Dabei ist die Arbeitszeit auf Vollzeitbasis zu beachten (siehe oben). In diesem Zusammenhang kann ein Kompetenztableau behilflich sein und erste Anhaltspunkte liefern. Je nachdem, wo die Schwerpunkte für die zu beurteilenden Jobgruppen liegen, werden die passenden Charakterisierungen einfach aus der Tabelle ausgewählt. Darüber hinausgehende Kompetenzen werden ergänzt (Abb. 3, 4, 5 und 6).4
Abb. 3 Kompetenztableau (1) (Wilms et al. 2018, S. 38–39)
Das Kompetenztableau ist angelehnt an den „Kompetenzatlas“ nach Heyse und Erpenbeck (Heyse und Erpenbeck 2009). Dieser ist unter Zuhilfenahme weiterer Literaturquellen (acatech 2016; Fischer 2013; Mair o; Mittelmann 2014) an die spezifischen Bedürfnisse von kleinen und mittelgroßen Unternehmen angepasst worden.
4
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Abb. 4 Kompetenztableau (2) (Wilms et al. 2018, S. 38–39)
Abb. 5 Kompetenztableau (3) (Wilms et al. 2018, S. 38–39)
J. Rump et al.
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Abb. 6 Kompetenztableau (4) (Wilms et al. 2018, S. 38–39)
3.3
Schritt 3: Welche Belegschaft wird in Zukunft benötigt?
Sobald die Jobgruppen für das Unternehmen gebildet wurden, ist es sinnvoll, diese nach Bedeutung für den zukünftigen Unternehmenserfolg und ihrer zukünftigen Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt zu beurteilen. Dafür kann eine Übersichtstabelle genutzt werden. Anschließend sollte wie folgt vorgegangen werden (Wilms et al. 2018): . Beschreibung der Hauptaufgaben und besonderen Charakteristik der Jobgruppe 1 2. Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Bedeutung der Jobgruppe für das Unternehmen: –– Hohe Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg, sehr stark erfolgskritisch –– Mittlere Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg, erfolgskritisch –– Geringere Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg, wenig erfolgskritisch 3. Beurteilung der Verfügbarkeit von Personen dieser Jobgruppe auf dem regionalen Arbeitsmarkt der Zukunft: –– Sehr gut verfügbar, einfache Personalbeschaffung –– Mäßig verfügbar, schwankendes Angebot bei der Personalbeschaffung –– Schlecht verfügbar, schwierige Personalbeschaffung Hierfür kann auch eine tabellarische Darstellung genutzt werden (Tab. 3). Als nächstes ist der zukünftige Personalbedarf pro Jobgruppe zu ermitteln – und zwar mit Blick auf Kapazitäten (quantitativer Personalbedarf) und Kompetenzen (qualitativer Personalbedarf). Dieser wird in der Regel aus der Strategie abgeleitet. Zunächst gilt es
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Tab. 3 Übersichtstabelle zur Einschätzung der Jobgruppen nach wirtschaftlicher Bedeutung und Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt (Wilms et al. 2018; S. 44) Name der Jobgruppe Führungskräfte
Fachkraft für Lagerlogistik
Hauptaufgabe/ Charakteristik Verantwortung für Bereichserfolg Durchführung von Mitarbeitergesprächen Lagerhaltung und Materialwirtschaft
Zukünftige Bedeutung Hohe Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg, sehr stark erfolgskritisch
Zukünftige Verfügbarkeit Mäßig verfügbar auf dem regionalen Arbeitsmarkt
Mittlere Bedeutung für den Sehr gut verfügbar wirtschaftlichen Erfolg, auf dem regionalen mäßig erfolgskritisch Arbeitsmarkt
festzulegen, welcher Planungszeitraum betrachtet werden soll. Üblicherweise zeichnet sich eine strategische Personalplanung dadurch aus, dass sie mittel- bis langfristig v orausschaut. Insofern ist es empfehlenswert, einen Planungshorizont von ca. fünf Jahren zu wählen. Bei der Ermittlung des zukünftigen quantitativen Personalbedarfs wird abgeschätzt, welche Kapazitäten bzw. wie viele Mitarbeitende je Jobgruppe im betrachteten Zeitraum benötigt werden, um die Organisationsziele zu erreichen bzw. die Betriebsaufgaben zu erfüllen (SOLL in der Zukunft; vgl. BMWi 2012). Hierbei ist es vorteilhaft, unterschiedliche Szenarien zu betrachten. Vor dem Hintergrund des digitalen Wandels und der Veränderungen der Arbeitswelt sollten nicht allein die Kapazitäten pro Jobgruppe in den Blick genommen werden, auch die an die Aufgaben geknüpften Kompetenzen sind zu erfassen und entsprechende zukünftige Bedarfe sind abzuschätzen (vgl. Berendes et al. 2018). Anhand der (zukünftigen) Anforderungen wird für jede Jobgruppe ein Kompetenzprofil erstellt, mit dem fachliche, methodische, digitale, personale und soziale SOLL-Kompetenzen abgebildet werden (siehe ausführlich z. B. Esch et al. 2018; Wilms et al. 2018; Wilms und Zapp 2020). Alternativ kann man sich auf Schlüsselkompetenzen bzw. strategisch relevante Kompetenzen beschränken. Die Ermittlung der SOLL-Kompetenzen erfolgt in der Regel durch Führungskräfte. Einschätzungen von Führungskräften können aber auch mit Bewertungen der Beschäftigten der Jobgruppe und weiterer Expertinnen und Experten kombiniert werden. Zu beachten ist, dass SOLL-Kompetenzen von Führungskräften und Mitarbeitenden in der Regel unterschiedlich bewertet werden. Daher ist es wichtig, dass sich beide Seiten über Unterschiede in der Bewertung austauschen und sich auf eine gemeinsame Einschätzung verständigen. Es kann hilfreich sein, einzelne SOLL-Kompetenzen zu gewichten. Denn im Zuge der Digitalisierung wird einigen Kompetenzen, wie IT-Kompetenz, Veränderungsfähigkeit oder Selbstmanagement, möglicherweise mehr Bedeutung beigemessen als anderen. Es empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen pro Jobgruppe.
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Schritt 1: Mitarbeiterzahl heute Bestimmung des heutigen Personalbestands nach Anzahl der Mitarbeitenden unter Beachtung von deren Arbeitszeit. Schritt 2: Mitarbeiterzahl in Zukunft
Schätzung des zukünftigen Personalbedarfs nach Anzahl der Mitarbeitenden und deren Arbeitszeit. Schritt 3: Mitarbeiterkompetenzen heute
Bestimmung der Kompetenzen des heutigen Personalbestands Schritt 4: Mitarbeiterkompetenzen in Zukunft
Einschätzung der Kompetenzen des zukünftigen Personalbedarfs
3.4
Schritt 4: Wo besteht Handlungsbedarf
Für jede Jobgruppe ist die zukünftige Abweichung zwischen Personalbestand und Personalbedarf zu analysieren. Dafür wird zunächst den quantitativen Daten des in die Zukunft fortgeschriebenen Personalbestands einer Jobgruppe – abzüglich heute absehbarer Einund Austritte wie etwa Übernahme von Auszubildenden und Zeitarbeitskräften, Ende von Befristungen, Renteneintritte (IST in der Zukunft) – der für den Planungszeitraum (z. B. bis zum Jahr 2025) geschätzte Bruttopersonalbedarf (SOLL in der Zukunft) gegenübergestellt. Zusätzlich sind für jede Jobgruppe die SOLL- und IST-Kompetenzprofile miteinander abzugleichen. In der Gegenüberstellung wird gegebenenfalls eine „Kompetenzlücke“ deutlich, die für einzelne Jobgruppen Handlungsbedarf beispielsweise im Bereich Qualifizierung und Personalbeschaffung anzeigt. Da technologische Entwicklungen und Entwicklungen des Umfeldes, aber auch die zukünftige Ausrichtung der Strategie ganz unterschiedliche Auswirkungen auf einzelne Jobgruppen haben können, sollte der SOLL-IST-Abgleich nicht nur für die gesamte Organisation, sondern für jede Jobgruppe erfolgen.(Tab. 4) Der Vergleich des SOLL-Wertes (entspricht dem Personalbedarf) mit dem IST-Wert (entspricht dem Personalbestand) im Hinblick auf die Mitarbeiterzahl kann rein theoretisch zu drei Ergebnissen führen (Wilms et al. 2018): • Das Resultat offenbart einen Beschaffungsbedarf, der auf einen Personalmangel bzw. eine Personalunterdeckung hinweist. Die Aussage würde lauten: „Wir haben in Zukunft zu wenig Personal.“
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Tab. 4 Personalbestand und Personalbedarf nach Jobgruppen (Wilms et al. 2018, S. 48) Planungs-
Mitarbeiterzahl
horizont:
Mitarbeiterkompetenzen
5 Jahre
Name der Jobgruppe
Führungskräfte
IST
SOLL
Heute
Zukunft
Bestand
Bedarf
SOLL - ISTVergleich
+2 10
12
IST
SOLL
Heute
Zukunft
Bestand
Bedarf
•Prozess-
wissen
Personalbeschaffungsbedarf
• Prozess-
SOLL - ISTVergleich
• Führung auf
Distanz
wissen • Führung auf Distanz
Kompetenzbedarf
•
IT• ITKompeKompetenzen tenzen • Spanisch als • Englisch als FremdspraFremdsprache che •
Assistenz
5
4
-1
Personal-
Kompetenzpuffer •
Puffer
0 2
2 Kein Handlungsbedarf
Englisch als Fremdsprache Kompetenzbedarf
•
Verwaltung
Spanisch als Fremdsprache
Sachbuchhal • Controlling tung • Controlling
Sachbuchhal tung
•
Bedarf zum Entlernen und Loslassen
• Das Resultat offenbart einen Minderbedarf, der auf einen Personalpuffer bzw. eine Personalüberdeckung hinweist. Die Aussage würde lauten: „Wir haben in Zukunft zu viel Personal.“ • Das Resultat offenbart keinen Handlungsbedarf, da keine Abweichungen vorliegen. Die Aussage würde lauten: „Wir haben in Zukunft ausreichend Personal.“
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Der Vergleich von SOLL-Wert und IST-Wert im Hinblick auf die Mitarbeiterkompetenzen lässt rein theoretisch vier Ergebnisse in Betracht kommen: • Das Resultat ergibt einen Kompetenzbedarf, der auf eine erforderliche Personalentwicklung und Qualifizierung hinweist. Die Aussage würde lauten: „Uns fehlen notwendige Kompetenzen.“ • Das Resultat ergibt einen Kompetenzpuffer. Die Aussage lautet: „Unsere Kompetenzen passen im Großen und Ganzen.“ • Das Resultat offenbart keinen Handlungsbedarf, da keine Abweichungen vorliegen. Die Aussage lautet: „Unsere Kompetenzen passen genau.“ • Das Resultat deckt einen Bedarf des Entlernens und Loslassens auf. Hier lautet die Aussage: „Bei uns kommen noch Kompetenzen zum Einsatz, die uns ausbremsen.“ Der SOLL-IST-Vergleich der Mitarbeiterzahl sowie der SOLL-IST-Vergleich der Kompetenzen deckt im obigen Beispiel einen Handlungsbedarf auf: In der Jobgruppe Führungskräfte ist in fünf Jahren von einem Personalbeschaffungsbedarf (+2) auszugehen und die Kompetenz des Führens auf Distanz ist zu erlernen. In der Jobgruppe Assistenz wird in Zukunft ein Personalpuffer zu erwarten sein – eine Assistenzstelle (−1) wird in Zukunft entfallen. Zusätzlich ist Englisch als Fremdsprache erforderlich. Spanisch zu sprechen ist zukünftig auf den Assistenzstellen jedoch nicht mehr notwendig. Diese Kompetenz kann aber als ein möglicher wichtiger Kompetenzpuffer für künftige Aufgaben betrachtet werden. Die Aufgabe der Sachbuchhaltung innerhalb der Verwaltung wird zukünftig durch eine externe Firma übernommen. Zahlreiche frühere Routinetätigkeiten müssen von den beiden Mitarbeitenden daher übergeben und losgelassen werden, damit sie ihre gesamte Arbeitszeit künftig neuen Aufgaben widmen können und es nicht zu unnötigen Doppelarbeiten kommt. Mit der Beurteilung der Jobgruppen liegt ein erstes Zwischenergebnis vor. Damit ist ein wichtiger Grundstein der strategischen Personalplanung gelegt und der Ausgangspunkt für die weiteren Schritte geschaffen. Durch die gewonnene Transparenz kann nun die Personalarbeit gezielt auf den Bedarf und auch auf die Unternehmensstrategie hin ausgerichtet werden. Auch wenn es keine allgemeingültigen Anleitungen gibt, zeigen Erfahrungswerte aus Unternehmen, dass ganz bestimmte Themen und Fragestellungen wiederkehrend sind. Die folgenden Anregungen können daher möglicherweise eine Hilfsstellung geben. Eine Übersicht veranschaulicht mögliche Aktionsbereiche für die Personalarbeit, wenn in Bezug auf die Mitarbeiterzahl eine Unterdeckung oder ein Personalpuffer festgestellt wird oder innerhalb der Mitarbeiterkompetenzen Qualifikationslücken auftreten (Tab. 5).
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Tab. 5 Handlungsfelder der Personalanpassung. (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Holtbrügge 2013, S. 152) Personalunterdeckung • Personalbeschaffung • Nachfolgeplanung • Laufbahnplanung • Qualifizierung • Versetzung •E rhöhung der Arbeitszeit (z. B. durch Rückkehr aus Teilzeit zu Vollzeit oder vollzeitähnlicher Teilzeit) • Steigerung der Arbeitsproduktivität • Verlagerung der Urlaubszeit
Personalpuffer • Versetzung • Reduktion der Arbeitszeit (z. B. Wechsel von Vollzeit zu Teilzeit) • Vorruhestand • Nichtverlängerung von Befristungen • Einstellungsstopp • Ausbildungsstopp • Aufhebungsvertrag Ultima Ratio: • Personalabbau
Qualifikationslücken • Entwicklung • Aus- und Weiterbildung • Förderung, Coaching • Qualifizierungsprogramm
Aktionsbereiche der Personalarbeit in kleinen und mittelgroßen Unternehmen Personalbeschaffung Je nachdem, in welcher Branche ein Unternehmen tätig ist und für welche Funktionen Personal gesucht wird, könnte der lokale Arbeitsmarkt zu Engpässen führen. Für die Personalrekrutierung stehen eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden zur Verfügung (Tab. 6). Nachfolgeplanung Mit einer frühzeitigen Nachfolgeplanung ist sichergestellt, dass im Falle des Ausscheidens erfahrener Fachkräfte die jeweiligen Positionen rechtzeitig und anforderungsgerecht nachbesetzt werden können. Auf diese Weise werden die Kernkompetenzen im Unternehmen gehalten. Das in Tab. 7 dargestellte Verfahren kann eine Unterstützung bei der Nachfolgeplanung darstellen. Laufbahngestaltung Eine Laufbahnplanung eröffnet Mitarbeitenden klare Entwicklungsziele – jeweils mit Blick auf die verfügbaren Funktionen und Stellen im Betrieb. Dabei müssen die Wege nicht zwangsläufig nur „nach oben“ führen. Ebenso wichtig ist es, beispielsweise auch Experten- oder Projektstellen auszuweisen. Die wichtigsten Schritte stellt Tab. 8 dar. Weiterbildung Lebenslanges Lernen und berufliche Weiterbildung werden für Unternehmen und ihre Beschäftigten immer wichtigere Aufgaben werden, insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung. Um teure Fehlinvestitionen bei der Auswahl und Prüfung der richtigen Angebote zu vermeiden, sollten die in Tab. 9 zusammengestellten Aspekte bei der Weiterbildungsplanung berücksichtigt werden.
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Tab. 6 Methoden der Personalbeschaffung. (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Holtbrügge 2013, S. 106 ff.) Personalsuche • Externe Stellenausschreibungen (z. B. Zeitungen) • Interne Stellenausschreibungen • Firmeneigene Karrierewebseite • Onlinejobbörsen • Soziale Netzwerke (z. B. Xing) • Empfehlungen von Mitarbeitenden • Bundesagentur für Arbeit • Initiativbewerbungen • Hochschulmarketing • Personalvermittler • Berufsmessen
Personalauswahl • Bewerbungsunterlagen, Zeugnisse, Praktika • Telefoninterviews • Onlineinterviews (z. B. per Skype oder WhatsApp) • Vorstellungsgespräche (am besten strukturiert) • Profile in sozialen Netzwerken • Einstellungstests • Assessment Center • Probearbeiten • Selbstbeschreibungsfragebögen • Biografische Fragebögen • Referenzen
Tab. 7 Schritte der Nachfolgeplanung. (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Wolff von der Sahl et al. 2012, S. 11 ff.) Aufgaben der Nachfolgeplanung Festlegung der Prinzipien für die Nachfolgeplanung
Mögliche Inhalte • Haben interne Mitarbeitende Vorrang vor externen? • Gilt das Leistungsprinzip oder werden langjährig Beschäftigte bevorzugt? Bestimmung der Schlüsselfunktionen • Welche sind die zentralen Tätigkeiten? • Welche Fertigkeiten sind hierfür notwendig? • Wer erfüllt diese Funktion derzeit? Festlegung von Anforderungen • Wie sollte ein entsprechendes Anforderungsprofil aussehen? Ermittlung von und Suche nach der • Wer erfüllt die ermittelten Anforderungen am Nachfolge besten? Ableitung von Qualifizierungsmaßnahmen • I nwiefern müssen ausgewählte Personen noch geschult werden? Einführung der Nachfolge • Wie sollte die Einarbeitung erfolgen?
3.5
Schritt 5: Welche Maßnahmen sind umzusetzen?
Im letzten Schritt geht es darum, aus den Erkenntnissen des SOLL-IST-Vergleichs die passenden Maßnahmen des Personalmanagements abzuleiten und diese mit der Arbeitnehmervertretung zu beraten (vgl. hierzu auch den Beitrag von Cornelia Rieke, Katharina Schöneberg und Stefan Stracke in diesem Band). Mit der Maßnahmenplanung beginnt die praktische Umsetzung. Es gilt zu bestimmen, welche kurz-, mittel- und langfristigen personalwirtschaftlichen Maßnahmen strategisch
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Tab. 8 Schritte der Werdegangsplanung. (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Wolff von der Sahl et al. 2012, S. 11 ff.) Aufgabe Einsatz einer Projektgruppe Entwicklung eines Laufbahnkonzeptes Akzeptanz für die Umsetzung schaffen Umsetzung Bewertung
Erläuterung Wer kümmert sich um die Laufbahngestaltung? Wie sieht ein firmenspezifisches Laufbahnkonzept aus? Sind die Beschäftigten informiert und ins Boot geholt worden? Die neu entstandenen Funktionen werden in die gegebenen Unternehmensstrukturen eingegliedert. Sobald die ersten Erfahrungen des neuen Konzeptes vorliegen: Wie sieht eine erste Bilanz aus?
Tab. 9 Aspekte der Weiterbildungsplanung. (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an INQA o. J. und Mach 2 Personalentwicklung o. J.) Aspekt Zielgruppe
Inhalt Soll nur eine Einzelne/ein Einzelner weitergebildet werden oder eine ganze Mitarbeitergruppe? Aufgabenbereiche In welchen Aufgabenbereichen soll weitergebildet werden? Individualität Soll eine maßgeschneiderte oder eine standardisierte Weiterbildungsmaßnahme durchgeführt werden? Organisationsform Soll die Weiterbildung intern oder extern erfolgen? Wie soll die zeitliche Gestaltung aussehen? Anbietende Auf welchen Bildungsträger soll zurückgegriffen werden? Ort An welchem konkreten Ort soll die Maßnahme durchgeführt werden? Kosten Welche Kosten fallen für die Weiterbildung an? Controlling Mit welchen Messgrößen und Kennzahlen lässt sich der Erfolg der Maßnahme feststellen?
notwendig und anzugehen sind. Zielsetzung ist es, auf diese Weise die Unternehmensstrategie zu unterstützen und damit die Ziele zu erreichen. An dieser Stelle schließt sich jetzt auch der Kreis und es wird deutlich, warum es so wichtig war, den Prozess der strategischen Personalplanung damit begonnen zu haben, die Unternehmensstrategie zu bestimmen. Das Schaubild zeigt den Zusammenhang auf: Die zu planenden Maßnahmen unterstützen die Erreichung der Unternehmensziele und lassen sich direkt darauf zurückführen. Somit ist zugleich der Mehrwert der Maßnahmen transparent geworden und sichergestellt. Die Aktivitäten, die durchgeführt werden sollen, sind in einem Maßnahmenplan festzuhalten. Damit kommt es zu einer Konkretisierung der Ziele, der Verantwortlichen, des Vorgehens, der Dauer und der Kennzahlen, die den Erfolg messen. Außerdem ergibt sich ein umfassender Überblick (Tab. 10).
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Tab. 10 Schritte der strategischen Personalplanung. (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Niedermayr-Kruse et al. 2014, S.) Aspekt Name der Maßnahme Ziel/Ergebnis Bezug zum magischen Viereck Jobgruppe Verantwortlich Vorgehensweise
Dauer
Richtwerte/Kennzahlen zur Erfolgsmessung Kalkulatorische Kosten
Inhalt • Wie lautet die Maßnahme? • Welche Ziele werden verfolgt? • Welche Unternehmensstrategie wird durch die Maßnahme unterstützt? • Welche Jobgruppe profitiert von der Maßnahme? • Welche Mitarbeiterin, welcher Mitarbeiter oder welche Abteilung ist für die Umsetzung der Maßnahme verantwortlich? • Was ist zu tun? • In welcher Reihenfolge sollten welche Schritte umgesetzt werden? • Für welchen Zeitraum ist die Maßnahme angesetzt? • Wann wird damit begonnen? • Wann soll das Ziel erreicht werden? • Mit welchen Kennzahlen können die angestrebten Veränderungen am besten gemessen und überwacht werden? • Mit welchen Kosten ist für die Maßnahme zu rechnen?
3.5.1 Maßnahmenplan der strategischen Personalplanung 3.5.2 Maßnahmenumsetzung überwachen Darüber hinaus ist es sinnvoll, einen Zeitplan sowie Messgrößen und Kennzahlen für die Erfolgsüberwachung der Maßnahmen festzulegen. Damit lässt sich dann unkompliziert überprüfen, inwieweit sich im Zeitablauf tatsächlich Veränderungen einstellen und ob die Maßnahmen tatsächlich die gewünschten Resultate erzielen. Ein entsprechendes Beispiel zeigt Tab. 11 auf.
4
ie kann man eine strategische Personalplanung mithilfe W eines IT-Tools durchführen?
Die strategische Personalplanung ist grundsätzlich ein einfach anzuwendendes Verfahren, das lediglich etwas Zeit für die Durchführung bedarf. Unterstützung können IT-Tools leisten, die bestimmte Verfahrensbestandteile bereits vorgeben und die Anwendenden anleiten, Schritt für Schritt ihre Planungen vorzunehmen. Im Rahmen der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA)5 hat das Projekt „Strategische Personalplanung für kleine und mittelgroße Unternehmen“ verschiedene Instrumente Bei dieser Initiative handelt sich es sich um eine gemeinsame Initiative von Bund, Ländern, Verbänden und Institutionen der Wirtschaft, Gewerkschaften, Unternehmen, Sozialversicherungsträgern und Stiftungen mit dem Ziel, mehr Arbeitsqualität als Schlüssel für Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland sicherzustellen.
5
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für Unternehmens- und Personalverantwortliche oder Fachexpertinnen und -experten entwickelt, um diese bei ihrer strategischen Personalplanung zu unterstützen. cc Das Projekt „Strategische Personalplanung für KMU“ Projektpartner waren das Institut für Beschäftigung und Employability IBE der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e. V. (DGFP) sowie wmp consult – Wilke Maack GmbH. Ziel des Projektes war es, Unternehmens- und Personalverantwortliche sowie Betriebsräte für strategische Personalplanung zu begeistern sowie ihnen „Werkzeuge“ und Tipps für die Durchführung an die Hand zu geben. Alle Produkte, weiterführende Informationen sowie Hinweise zur Installation des IT- Tools PYTHIA finden sich auf der Website: personal-pythia.de Insgesamt steht Unternehmensverantwortlichen mit dem Starter-Set Strategische Personalplanung ein praxisorientiertes Angebot zur Verfügung, das ihnen bei ihrer Planung behilflich ist (Abb. 7). • Der „Selbst-Check: Strategische Personalplanung“ zur Selbstbewertung bietet den Einstieg in die Thematik. Mit seiner Hilfe lässt sich in nur wenigen Minuten ermitteln, ob auf eine strategische Personalplanung gesetzt werden sollte. • Ein Handbuch erläutert die einzelnen Schritte und führt durch die Umsetzung. Die ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitung befähigt Unternehmen dazu, ihre langfristige Personalplanung eigenständig und ohne externe Beratung durchzuführen. Das Handbuch enthält darüber hinaus zahlreiche Checklisten, mithilfe derer die Planung auch mit „Papier und Bleistift“ durchgeführt werden kann. • Die Präsentation zur Information im Betrieb hilft dabei, das Thema im Unternehmen bekannt zu machen und wichtige Entscheiderinnen und Entscheider von der Durchführung einer strategischen Personalplanung zu überzeugen. • Der Ratgeber für Betriebsräte erklärt die Rechte und Pflichten der Beteiligten in den entscheidenden Phasen der strategischen Personalplanung. Er gibt Empfehlungen für Mitwirkungsmöglichkeiten des Betriebsrates bei der Planung und Umsetzung. • Ebenso zum Starter-Set gehören zwei Trainingskonzepte: Eines zur Schulung von Betriebsräten und ein weiteres für die Schulung von Führungskräften und Personalverantwortlichen. Herzstück des Starter-Sets ist das IT-Tool PYTHIA. Mit ihm können Personalbestand und Personalbedarf auf elektronischem Wege schrittweise analysiert, zukünftige Abweichungen erkannt und notwendige Maßnahmen abgeleitet werden. Das auf Microsoft® Excel® basierende Tool analysiert dabei nicht nur die Anzahl der Beschäftigten, sondern nimmt auch die erforderlichen Mitarbeiterkompetenzen – insbesondere vor dem Hintergrund des digitalen Wandels – in den Blick. Am Ende der strategischen Personalplanung generiert PYTHIA einen individuellen Ergebnisbericht, der sämtliche Eingaben übersicht-
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Aktionsbereich
Unternehmenskultur
Maßnahme
Messgrößen/Kennzahlen
Mitarbeiterbefragung zur Identifikation mit dem Unternehmen durchführen
Rücklaufquote der Befragung
Verbesserung der Konfliktfähigkeit erzielen
Neue Führungsstruktur einführen Führung Zielvereinbarungen gemeinsam mit Mitarbeitenden festlegen
Organisation
Arbeitgeberattraktivität durch flexible Arbeitszeitmodelle steigern
Personalentwicklung
Weiterbildungen anbieten
Digitale Kompetenzen der Mitarbeitenden ausbauen
Wissen im Betrieb halten
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Inhaltliche Auswertung der Befragung Auswertung Kummerkasten Anzahl eingereichter Vorschläge und Beschwerden Anzahl umgesetzter Vorschläge Anzahl Kündigungen aufgrund interner Konflikte Mitarbeiterbefragungen Anzahl an genutzten Beratungsangeboten zum Thema Coaching Anzahl Weiterbildungstage von Führungskräften mit Führungsthemen Anzahl erreichter Ziele Anzahl an Besprechungen mit Mitarbeitenden und Führungskräften Anzahl Mitarbeitende mit Home Office Anzahl der Bewerbungen Qualität der Bewerbungen Anzahl Mitarbeitende mit Mix aus Home Office und Präsenzzeit Anzahl Mitarbeitende mit Gleitzeit Anzahl Mitarbeitende mit Vertrauensarbeitszeit Fluktuationsrate Mitarbeiterzufriedenheit Verweildauer von Mitarbeitenden Rückgang der durchschnittlichen Überstunden pro Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter Anzahl Mitarbeitende, die an Weiterbildungen teilnehmen Anzahl Weiterbildungstage pro Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter Weiterbildungskosten Fehlerquote Produktivität Neue fachspezifische Aufgabenbereiche, in denen Mitarbeitende eingesetzt werden können Anzahl Mitarbeitende, die den Umgang mit betriebsrelevanten Maschinen beherrschen Benennung von erfolgskritischem Wissen sowie Wissensträgerinnen und -trägern Anzahl der Mitarbeitenden in Altersteilzeit Bildung von Tandems aus alten und
Tab. 11 Überwachung der Maßnahmenumsetzung: Überblick möglicher Maßnahmen, Messgrößen und Kennzahlen. (Quelle: eigene Darstellung)
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Gesundheitsförderung Betriebliches Gesundheitsmanagement einführen
Teilnahme an Messen fördern
Mitarbeitergewinnung
Marketing an Universitäten/ Fachhochschulen/Schulen initiieren
Eigene Talente ausbilden
Berufliche Werdegänge
Steuerung und Erfolgsbewertung
Aufstiegsmöglichkeiten bieten Horizontale Karrierewege im Betrieb ermöglichen
Qualitätsmanagement einführen
neuen Mitarbeitenden Altersgemischte Projektteams Teilnahmequote an Gesundheitsmaßnahmen Kostenbeteiligung für Kurse außerhalb der Arbeitszeiten Senkung der Krankenquote Anzahl Frühverrentungen aufgrund von Krankheiten Anzahl der besuchten Messen im Jahr Anzahl der Kandidatinnen und Kandidaten, die über Messen rekrutiert werden Anzahl der Kandidatinnen und Kandidaten, die über Hochschulmarketing rekrutiert wurden Anzahl Veranstaltungen im Jahr Anzahl Auszubildende/ Werkstudierende Übernahmequote der Auszubildenden/ Werkstudierenden Durchschnittsalter im Betrieb Stellenbesetzungsquote intern/extern Anzahl Mitarbeitende, die in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden können Anzahl an Verbesserungsvorschlägen Anzahl an umgesetzten Verbesserungsvorschlägen Qualität der eingereichten Verbesserungsvorschläge Kosten/Umsatz in betroffenen Bereichen Mitarbeiterbefragungen
Tab. 11 (Fortsetzung)
Abb. 7 Das Starter-Set zur strategischen Personalplanung (personal-pythia.de)
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lich bereitstellt und visualisiert. Dadurch, dass PYTHIA eine reine Microsoft®-Excel®-Anwendung ist, verbleiben die vertraulichen Daten zu jeder Zeit und ausschließlich im Unternehmensbesitz. Die Vorgehensweise im IT-Tool und in den begleitenden Unterlagen orientiert sich an den vorab genannten fünf Schritten einer strategischen Personalplanung. cc
Verwendung des IT-Tools PYTHIA Unabhängig von der Belegschaftsgröße empfiehlt sich der digitale Weg über die Nutzung des IT-Tools PYTHIA, das wie ein „Assistent“ durch den Ablauf der strategischen Personalplanung leitet. Dabei werden alle Eingaben auch weitgehend visualisiert. Am Ende steht ein übersichtlicher Ergebnisbericht der Planung im Microsoft®-PowerPoint®-Format, sodass alle Eingaben jederzeit nachvollzogen und auch anderen ohne großen Aufwand präsentiert werden können. Der PYTHIA-Ergebnisbericht enthält beispielsweise Informationen wie • • • • • •
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die Unternehmensstrategie, die Belegschaftsstruktur, die Jobgruppen, die Szenarien zur zukünftigen Entwicklung der Belegschaft, den unternehmensbezogenen Handlungsbedarf, die Maßnahmen zur Zukunftssicherung.
Fazit
Aufgrund des demografischen Wandels und der Digitalisierung gewinnt die strategische Personalplanung weiter an Bedeutung. Sie hilft, sich frühzeitig mit den Folgen von Veränderungen und ihren möglichen Effekten auf Beschäftigung und Arbeitsbedingungen zu befassen. Mit einer strategischen Personalplanung lassen sich zukünftige Personalbedarfe und „Kompetenzlücken“ systematisch analysieren. Die langfristige Orientierung macht eine strategische Personalplanung aber auch anspruchsvoll. Insbesondere da, wo ein Blick in eine unsicher erscheinende Zukunft erforderlich ist, sind Führungskräfte gefordert. Denn kurzfristige Unternehmensinteressen bzw. kurzfristige Ziele der Organisation müssen mit nachhaltiger und solider Planung kombiniert werden. Strategische Personalplanung darf auch nicht primär kostengetrieben sein, um kurzfristige wirtschaftliche Erfolge zu realisieren. So stiege unter Umständen das Risiko, zukünftige Personalbedarfe zu vernachlässigen, die sich beispielsweise durch den Altersstrukturwandel ergeben. Strategische Personalplanung und eine frühzeitige Nachbesetzung von Stellen tragen dazu bei, unnötige Rekrutierungskosten zu vermeiden, die in der Zukunft entstehen könnten.6 Besonderheit im öffentlichen Dienst ist, dass z. B. das Haushaltsrecht kurzfristige Anpassungen von Personalstellen erschwert. Ein Blick in die Zukunft ist im öffentlichen Dienst auch schwieriger als in der Privatwirtschaft, da der Gesetzgeber über den öffentlichen Auftrag entscheidet.
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Letztendlich ist eine strategische Personalplanung als internes Steuerungsinstrument im Sinne eines Cockpits zu verstehen. Ihre Vorteile lassen sich auf einen kurzen Nenner bringen: • Veränderungen in der Belegschaftsstruktur werden rechtzeitig erkannt, sodass eine adäquate Reaktion möglich ist. • Es ist frühzeitig bekannt, wo welche Nachwuchskräfte benötigt werden. • Mitarbeiterkompetenzen können an die neuen Anforderungen angepasst werden. • Durch die langfristige Planung entsteht mehr Klarheit für den Betrieb und die Belegschaft, was direkt und indirekt motivierend wirken kann und dadurch die Fluktuation und die Fehlzeiten verringert. • Es ist bekannt, wo die Personalentwicklung ansetzen muss. Und auch die Mitarbeitenden profitieren von einer strategischen Personalplanung (Wilms et al. 2018): • • • • •
Sie fühlen sich wertgeschätzt. Sie erhalten eine Zukunftsperspektive im Unternehmen. Sie profitieren von individuellen Weiterbildungs- und Entwicklungsmaßnahmen. Sie können sich auf überlegte Stellenbesetzungen und Übergaben verlassen. Sie werden mit ihren Kompetenzen berücksichtigt und sind seltener über- oder unterfordert.
Die strategische Personalplanung sollte vor diesem Hintergrund als ein sich regelmäßig wiederholender Prozess im Unternehmen installiert werden. In festen Abständen, beispielsweise einmal im Jahr, sollten sich die verantwortlichen Personen zusammensetzen und die getätigten Eingaben prüfen. Möglicherweise ist es auch erforderlich, in einer zweiten oder dritten Planungsrunde Anpassungen bei der Einteilung der Jobgruppen vorzunehmen. Die Unternehmensstrategie sowie Entwicklungen im Umfeld des Betriebes können sich in der Zwischenzeit geändert haben, was einen Mehr- oder Minderpersonalbedarf sowie veränderte Kompetenzanforderungen zur Folge haben kann. Damit es nicht zu unbeabsichtigten Überraschungen kommt, sollte daher die strategische Personalplanung zum Dreh- und Angelpunkt der Personalarbeit werden. Es lohnt sich – jede investierte Stunde Zeit wird mehrfach zurückgezahlt werden. Ein chinesisches Sprichwort lautet: „Wenn Du schnell sein willst, gehe langsam.“ Für eine strategische Personalplanung bedeutet dies, innezuhalten und ganz in Ruhe und Schritt für Schritt einen Blick in die Zukunft zu werfen. Das Besinnen auf Chancen und Risiken, die Entdeckung der Jobgruppen, die Ermittlung des voraussichtlichen Personalbedarfs in einigen Jahren, die Gegenüberstellung von SOLL- und IST-Werten bis hin zur heutigen Maßnahmenplanung haben eines gemeinsam: Alle diese Zwischenschritte ebnen den Weg zur Strategie der Zukunft.
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Dr. Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Sie hat zudem zahlreiche Mandate auf regionaler und nationaler Ebene inne und ist in Unternehmen als Projekt- und Prozessbegleiterin tätig. Darüber hinaus leitet sie das Institut für Beschäftigung und Employability IBE, das den Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit auf personalwirtschaftliche, arbeitsmarktpolitische und beschäftigungsrelevante Fragestellungen legt.
Dr. Stefan Stracke ist Senior Consultant bei wmp consult – Wilke Maack GmbH in Hamburg. Nach dem Studium der Geografie, Wirtschaftswissenschaften und Soziologie an der Ruhr-Universität Bochum ist er seit 2003 tätig in Beratung und Forschung, u. a. am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Organisationspsychologie der Universität Rostock. Er hat eine Reihe von nationalen und internationalen Beratungs- und Forschungsprojekten u. a. zu den Themen Industrielle Beziehungen, Personal- und Organisationsentwicklung, Arbeitszeitgestaltung, Strategische Personalplanung, Digitalisierung und Einsatz von Werkverträgen durchgeführt. Weitere Schwerpunkte sind Branchen- und Unternehmensanalysen, Schulungen und Seminare.
Praktische Umsetzung der strategischen Personalplanung in kleinen und …
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August- Gaby Wilms studierte Betriebswirtschaft an der Georg- Universität in Göttingen. Sie war bei der HERTIE Waren- und Kaufhaus GmbH im Vorstandsressort Personalmanagement beschäftigt, bevor sie bei der Gemeinnützigen HERTIE-Stiftung als Projektleiterin für das „Audit Beruf & Familie“ und anschließend als Geschäftsführerin der Beruf & Familie gemeinnützige GmbH tätig wurde.Bei der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) leitete sie das Weiterbildungsinstitut in Frankfurt am Main. Anschließend wechselte sie als Geschäftsführerin der C. R. Poensgen-Stiftung – Das Management Development Institut in der DGFP – nach Düsseldorf.Im Anschluss daran machte sie sich selbstständig als Unternehmensberaterin und Geschäftsinhaberin eines Modeunternehmens. Seit 2009 unterstützt sie das Institut für Beschäftigung und Employability IBE.
David Zapp studierte nach seiner Berufsausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See in Saarbrücken zunächst im Bachelor-Studiengang Internationales Personalmanagement und Organisation an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Im Anschluss daran absolvierte er den Master-Studiengang Unternehmensführung an der THM Business School der Technischen Hochschule Mittelhessen. Von 2011 bis 2015 war Herr Zapp bereits als studentischer Mitarbeiter am Institut für Beschäftigung und Employability IBE tätig. Neben seinem Studium erhielt er zahlreiche Einblicke in die personalwirtschaftlichen Abläufe verschiedener Unternehmen, wie z. B. in das Workforce und Talent Management der Gruppe Deutsche Börse in Frankfurt am Main sowie in das Human Resource Management der SV SparkassenVersicherung in Mannheim. Seit April 2016 unterstützt Herr Zapp das Institut als wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Strategische Personalplanung: ein Thema für Betriebs- und Personalräte! Stefan Stracke, Cornelia Rieke und Katharina Schöneberg
Zusammenfassung
Im Zuge des demografischen Wandels und der Digitalisierung gewinnt strategische Personalplanung für Unternehmen und öffentliche Verwaltungen an Bedeutung. Die demografische Entwicklung führt zu einem erhöhten Bedarf, frei werdende Stellen nachzubesetzen. Die digitale Transformation stellt die Personalentwicklung vor neue Herausforderungen. Kompetenzlücken müssen frühzeitig identifiziert werden, um die Qualifizierung der Beschäftigten auf neue Arbeitsplatzanforderungen auszurichten. Durch den rasanten Wandel wird es zwar immer schwieriger, den zukünftigen Personal- und Kompetenzbedarf zu analysieren. Es wird aber immer wichtiger, sich schon heute auf Anforderungen von morgen vorzubereiten. Eine Herausforderung besteht darin, den Wandel sozial gerecht zu gestalten und dienstliche und betriebliche Erfordernisse mit den Interessen der Beschäftigten in Einklang zu bringen. Dies ist eine zentrale Aufgabe von Betriebs- und Personalräten. Im vorliegenden Beitrag wird dargestellt, welche Rechte Interessenvertretungen in Bezug auf strategische Personalplanung nutzen und wie sie aktiv werden können.
S. Stracke (*) · C. Rieke · K. Schöneberg wmp consult – Wilke Maack GmbH, Hamburg, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected]; katharina. [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Rump, S. Eilers (Hrsg.), Strategische Personalplanung, IBE-Reihe, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61903-2_3
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1
S. Stracke et al.
inführung: Warum brauchen Unternehmen und öffentliche E Organisationen eine langfristige Personalplanung?
Die Arbeitswelt der 2020er-Jahre wird vor allem von zwei großen Trends geprägt sein: demografischer Wandel und Digitalisierung (siehe z. B. BMAS 2019; Lühr et al. 2019). Beide Entwicklungen erhöhen den Veränderungsdruck für Unternehmen und öffentliche Verwaltungen und Organisationen. Daher gewinnt eine strategische Personalplanung immer mehr an Bedeutung. Strategische Personalplanung hilft, frühzeitig den in Zukunft notwendigen Personalbedarf und mögliche Kompetenzlücken zu erkennen (zur Definition strategischer Personalplanung siehe den Beitrag von Jutta Rump, Stefan Stracke, Gaby Wilms und David Zapp). Durch den rasanten Wandel und viele Ungewissheiten, die gerade die digitale Transformation mit sich bringt, wird es zwar immer schwieriger, den zukünftigen Personalbedarf vorausschauend zu bestimmen. Gleichzeitig wird es aber immer wichtiger, sich schon heute auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. In Industrie- und Dienstleistungsbereichen gewinnen seit einiger Zeit zudem Arbeitskonzepte an Bedeutung, die für mehr Flexibilität stehen – sowohl organisatorisch als auch räumlich und zeitlich (Bauer 2018): • Flexibilisierung nach innen (u. a. über Befristungen, Teilzeitregelungen, flexible Arbeitszeitmodelle), • Flexibilisierung nach außen (u. a. über Outsourcing, Zeitarbeit, Werkverträge) und • räumliche Dezentralisierung und Virtualisierung (u. a. über mobiles Arbeiten, virtuelle Teams, Co-Working). Einerseits steigen damit die Anforderungen an eine flexible Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung – zumal auch immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Arbeitszeit und -ort flexibel und lebensphasenorientiert gestalten wollen, z. B. durch Homeoffice, mobiles Arbeiten oder Teilzeitarbeit. Andererseits wird von Beschäftigten immer mehr Veränderungsbereitschaft erwartet. Die Veränderungen, die mit flexibler Arbeitsgestaltung einhergehen, bringen vielfältige Vorteile für Beschäftigte und Organisationen mit sich. Sie können aber auch zu Mehrarbeit, Arbeitsverdichtung und zu gesundheitlichen Belastungen führen – vor allem bei einer dünnen Personaldecke (DGB 2018). Ziel einer vorausschauenden, bedarfsorientierten Personalplanung ist die Vermeidung von Unter- und Überdeckung des Personalbedarfs und die Verhinderung von Über- und Unterforderung der Beschäftigten. Im Zuge des Wandels der Arbeitswelt gewinnen darüber hinaus agile Arbeitsformen an Bedeutung. Agiles Arbeiten erlaubt Beschäftigten, Problemstellungen flexibel anzugehen und mehr Kreativität zu entwickeln – und zwar eigenständig und selbstgesteuert am Arbeitsplatz und in wechselnden Teams. Agile Arbeit stellt aber veränderte Anforderungen an die Kompetenzen der Beschäftigten, z. B. im Bereich Selbstmanagement, Kooperationsvermögen, Prozess- und Systemverständnis, interdisziplinäres Denken oder im Umgang mit Komplexität (vgl. Beile et al. 2019).
Strategische Personalplanung: ein Thema für Betriebs- und Personalräte!
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Nachwuchsgewinnung, Gesunderhaltung, Qualifizierung und Entwicklung der Beschäftigten bauen auf einer soliden strategischen Personalplanung auf. Eine zentrale Aufgabe von Arbeitnehmervertretungen besteht darin, die betrieblichen bzw. dienstlichen Erfordernisse mit den Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einklang zu bringen. In der Praxis beschäftigen sich zwar erst wenige Betriebs- und Personalräte mit Fragen strategischer Personalplanung, Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass sich sowohl HR-Bereiche als auch Interessenvertretungen immer stärker der zunehmenden Bedeutung strategischer Personalplanung bewusst werden (Giertz und Stracke 2019). Im Folgenden werden rechtliche und praktische Anknüpfungspunkte für Betriebs- und Personalräte in Fragen strategischer Personalplanung dargestellt (Abschn. 3 und 4). Welche Rechte können sie nutzen? Wie können sie im Betrieb bzw. in der Dienststelle die Initiative ergreifen? Welche Fragen sind an den Arbeitgeber zu stellen? Zunächst wird beschrieben, warum die Einbindung von Arbeitnehmervertretungen ein Vorteil ist (Abschn. 2).
2
ute strategische Personalplanung nur mit Beteiligung G der Interessenvertretung
In Unternehmen und Organisationen, die strategisch planen, baut die strategische Personalplanung auf einer Diskussion der Unternehmens- bzw. Dienstellenleitung mit Personalfachleuten (Personalabteilung) und Führungskräften aus verschiedenen Bereichen auf (im öffentlichen Dienst im Rahmen des vorgegebenen Haushalts). Die künftige Unternehmensstrategie und deren Auswirkungen auf die Personalplanung werden dabei thematisiert (zum Vorgehen bei strategischer Personalplanung siehe den Beitrag von Jutta Rump, Stefan Stracke, Gaby Wilms und David Zapp). Das Betriebsverfassungsgesetz sieht keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei den Kernschritten der Personalplanung vor. Der Betriebsrat hat bei Planungsfragen Informations-, Beratungs- und Vorschlagsrechte (siehe ausführlich Abschn. 3). Der Personalrat muss nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) nicht zwingend am Personalplanungsprozess beteiligt werden. Die einzelnen Landespersonalvertretungsgesetze sehen unterschiedliche Beteiligungsmöglichkeiten des Personalrats vor (siehe ausführlich Abschn. 3). In jedem Fall lohnt sich eine frühzeitige Einbeziehung der Interessenvertretungen (vgl. Kösling und Hilpert 2017). Denn Betriebs- und Personalräte verfügen aufgrund ihrer in der Regel langjährigen Tätigkeit und Organisationszugehörigkeit über umfangreiche Kenntnisse der Personalstruktur, sie kennen auch die Wünsche und Sorgen der Beschäftigten. Betriebs- und Personalräte können die personal- und insbesondere die altersbezogenen Risiken einer Organisation gut einschätzen und damit den Personalplanungsprozess konstruktiv-kritisch begleiten. Ein gemeinsames Vorgehen von Unternehmens- bzw. Dienststellenleitung und Interessenvertretung bietet Chancen für die Personalplanung. Ein Ziel strategischer Personalplanung ist es, die Vorstellungen des Arbeitgebers und die wirtschaftlichen und dienstlichen
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S. Stracke et al.
Anforderungen so gut wie möglich mit den Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verknüpfen. Wenn Unternehmens- bzw. Dienststellenleitung und Betriebs- bzw. Personalrat über Möglichkeiten, Chancen und Grenzen der Personalplanung diskutieren, kann die jeweilige Seite ihren Standpunkt einbringen und dafür sorgen, dass alle Fakten, Strategien und Entwicklungen beleuchtet werden. So können Themen wie Digitalisierung, Altersstrukturwandel, Kompetenzmanagement und Bildungsplanung in die Diskussion einfließen und entsprechende Zusammenhänge analysiert werden.
3
elche Rechte können Betriebs- und Personalräte bei der W Personalplanung nutzen?
Wollen sich Betriebs- und Personalräte in Sachen Personalplanung gut aufstellen, müssen sie wissen, welche Rechte sie nutzen können (siehe im Überblick z. B. IG BCE 2015; IG Metall Vorstand 2014; Stracke et al. 2018, 2020). Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat bei der betrieblichen Personalplanung Informations-, Beratungs-, Vorschlags- und Initiativrechte. Diese werden in erster Linie in § 92 Abs. 1 und 2 BetrVG (Personalplanung), § 96 Abs. 1 BetrVG (Förderung der Berufsbildung) sowie § 106 Abs. 2 BetrVG (Wirtschaftsausschuss) dargestellt. In der Praxis werden die Mitwirkungsrechte in der Regel durch den örtlichen Betriebsrat, aber in Einzelfällen auch durch weitere einbezogene Interessenvertretungen wie Gesamt- oder Konzernbetriebsrat oder – bei entsprechenden Regelungen in Betriebsvereinbarungen – durch gemeinsame Personalplanungsausschüsse von Arbeitgeber und Interessenvertretung wahrgenommen (siehe hierzu auch Abschn. 4.5). Im Unterschied zum BetrVG steht dem Personalrat nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) ein Anhörungsrecht bei Personalanforderungen und bei der Personalplanung zu (§ 78 Abs. 3 BPersVG). Um dieses angemessen wahrnehmen zu können, findet auf das Anhörungsrecht das Informationsrecht nach § 68 Abs. 2 BPersVG Anwendung. Neben dem BPersVG, das in erster Linie für die Beschäftigten im Bundesdienst gilt, bilden die 16 Personalvertretungsgesetze der Länder (LPersVG) die gesetzliche Grundlage des Personalvertretungsrechts. Die LPersVG enthalten Regelungen für die Beschäftigten von Einrichtungen der Länder, Kreise/kreisfreien Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie weiterer Anstalten, Stiftungen und Körperschaften des öffentlichen Rechts. In vielen LPersVG gehen die Beteiligungsrechte des Personalrats bei Personalanforderungen und der Personalplanung über die Bestimmungen des BPersVG hinaus (siehe ausführlich Stracke et al. 2020). Im Detail weichen die Regelungen einzelner Bundesländer teilweise jedoch erheblich voneinander ab. Besonderheit ist Schleswig-Holstein; dort unterliegen alle Personalangelegenheiten und somit auch Personalplanungsfragen der Mitbestimmung durch den Personalrat. Einzelheiten werden im Folgenden geschildert.
Strategische Personalplanung: ein Thema für Betriebs- und Personalräte!
3.1
131
nterrichtung durch den Arbeitgeber – Informationsrecht U des Betriebsrats
§ 92 Abs. 1 BetrVG zufolge ist der Arbeitgeber dazu angehalten, den Betriebsrat über die Personalplanung zu unterrichten – und zwar anhand der Unterlagen, die dem Arbeitgeber vorliegen und die er selbst der Personalplanung zugrunde gelegt hat (siehe ausführlich z. B. Dachrodt et al. 2014). Dazu gehören beispielsweise Stellenbeschreibungen, Stellenpläne, Stellenbesetzungspläne, Anforderungsprofile, statistische Übersichten zu Struktur und Qualifikation des Personalbestands, Fluktuation, Krankenstand, Ruhestandsregelungen, Teilzeitarbeitsverhältnisse, Befristungen etc., aber auch Informationen über zu erwartende personelle und wirtschaftliche Veränderungen aufgrund neuer Arbeitstechniken und Arbeitsverfahren, Rationalisierungs- und Investitionsmaßnahmen. Die Unterrichtung muss sich auch auf die Darstellung der Methoden und Verfahren und der eingesetzten organisatorischen und technischen Hilfsmittel der Personalplanung (wie Personalinformationssysteme oder Arbeitszeitsysteme) beziehen. Damit der Betriebsrat seine Mitwirkungsrechte auch wirksam nutzen kann, muss die Unterrichtung „rechtzeitig“ erfolgen. Das heißt, der Zeitpunkt der Information ist so zu wählen, dass Änderungen an der Planung noch möglich sind. Die Unterrichtung muss aber erst dann geschehen, wenn die Überlegungen des Arbeitgebers das Planungsstadium erreicht haben. Der Arbeitgeber ist allerdings verpflichtet, den Betriebsrat „so frühzeitig wie möglich zu unterrichten, in jedem Fall nicht erst nach endgültiger Entschlussfassung des Arbeitgebers“ (vgl. Bundesarbeitsgericht, AZR 189/72). Um hier Klarheit zu schaffen, ist zu empfehlen, den Zeitpunkt und die Häufigkeit der Unterrichtung in einer Betriebsvereinbarung exakt festzulegen (siehe hierzu auch Abschn. 4.4). In der Praxis sind ganz unterschiedliche Regelungen möglich: spätestens 2 Wochen vor der nächsten Sitzung des Personalplanungsausschusses, spätestens 2 Monate vor Beginn des Planungszeitraumes, monatlich, quartalsweise, einmal pro Jahr etc. (siehe ausführlich Giertz und Stracke 2019). Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat zudem „umfassend“ informieren. Das heißt, der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat gegenüber alle ihm bekannten Informationen offenzulegen, auf denen die Planung basiert. Dies betrifft nicht nur Daten und Fakten zur Personalbedarfsplanung, sondern auch Informationen zur Personalentwicklungs-, Personaleinsatzund Personalabbauplanung. Zu den Informationen können auch Planungsdaten gehören, die in einem anderen Zusammenhang (z. B. im Rahmen der Produktions- oder Investitionsplanung) erhoben wurden. Seit der Novellierung im Jahr 2017 betrifft die Unterrichtung nach § 92 BetrVG auch Informationen darüber, in welchem Umfang Fremdpersonal (Leiharbeitskräfte, Werkvertragsbeschäftigte) eingesetzt werden. Existiert im Unternehmen ein Wirtschaftsausschuss, ist dieser ebenfalls rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten und die sich daraus ergebenden Effekt auf die Personalplanung zu informieren. Die wirtschaftlichen Angelegenheiten sind zu beraten (§ 106 Abs. 2 BetrVG).
132
3.2
S. Stracke et al.
nterrichtung durch den Arbeitgeber – Informationsrecht U des Personalrats
Auch Personalräte sind nach § 68 Abs. 2 BPersVG zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Dafür sind ihnen die hierfür erforderlichen Unterlagen vorzulegen. In § 68 Abs. 2 BPersVG ist aber nicht explizit die Rede davon, dass sich die Unterrichtung auf die Personalplanung beziehen muss. Um sich sachgerecht auf eine Anhörung zum Thema Personalplanung vorzubereiten, gilt aber auch hier – wie bei allen beteiligungspflichtigen Sachverhalten – der gesetzliche Informationsanspruch der Personalvertretung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.01.2002 – 6 P 5.01). Dieser trägt dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalrat Rechnung. Danach besteht eine Informationspflicht der Dienststelle gegenüber dem Personalrat, sofern dieser für die ordnungsgemäße und uneingeschränkte Wahrnehmung seiner Aufgaben Kenntnis entsprechender Unterlagen benötigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.08.1987 – 6 P 22.84). Nur wenn der Personalrat den gleichen Informationsstand wie die Dienststellenleitung hat, ist er in der Lage, das Anhörungsrecht bei der Personalplanung auszuüben – und nur dann kann der Personalrat einen Sachverhalt prüfen und sich auf dieser Basis eine Meinung bilden oder eine Entscheidung treffen. In einzelnen LPersVG ist ausdrücklich die Rede davon, dass sich die Unterrichtung durch die Dienststelle auch auf die „Personalplanung“ (Brandenburg, MecklenburgVorpommern) bzw. auf „die Wirtschaftsplanung oder Haushaltsplanung der Dienststelle sowie […] die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung“ (Berlin) beziehen muss. Auch wenn die gesetzlichen Regelungen eine „Bringschuld“ des Arbeitgebers vorsehen, ist zu empfehlen, dass sowohl Betriebs- als auch Personalräte regelmäßig alle relevanten Daten, Fakten und Unterlagen zur Personalplanung anfordern (siehe hierzu auch Abschn. 4.3).
3.3
Beratungsrecht des Betriebsrats
Laut BetrVG soll der Betriebsrat die Möglichkeit haben, auf die Personalplanung einzuwirken, bevor diese umgesetzt wird. Das Informationsrecht soll die Interessenvertretung somit in die Lage versetzen, sich sachgerecht auf die Beratung mit dem Arbeitgeber vorzubereiten und mit diesem über Art und Umfang der notwendigen Maßnahmen und die Vermeidung von Härten zu beraten (§ 92 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Der Arbeitgeber muss sich mit dem Anliegen des Betriebsrats auseinandersetzen und auf seine Fragen eingehen. Die Personalplanung selbst muss der Arbeitgeber jedoch nicht mit dem Betriebsrat beraten, er muss allerdings über die Konsequenzen der geplanten Änderungen Auskunft geben. Nach § 96 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat zudem Fragen der Berufsbildung der Beschäftigten zu beraten.
Strategische Personalplanung: ein Thema für Betriebs- und Personalräte!
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Wie die Auswertung von Giertz und Stracke (2019) zeigt, lassen sich mithilfe von Betriebsvereinbarungen die Informations- und Beratungsrechte von Betriebsräten über die gesetzlichen Vorgaben hinaus erweitern. So kann z. B. vereinbart werden, dass sich die Beratung auch auf die Personalplanung an sich (zukünftiger Personalbestand und Personalbedarf) sowie auf eine kritische Betrachtung der angewandten Verfahren und der zugrunde gelegten Basisdaten und Annahmen erstrecken soll. In der Praxis ist es in vielen Fällen üblich, einen festen Zyklus für Information und Beratung festzulegen, z. B. monatlich, mehrmals jährlich, einmal jährlich. In manchen Betriebsvereinbarungen werden dafür konkrete Termine bzw. Stichtage fixiert.
3.4
Anhörungsrecht des Personalrats
Das Anhörungsrecht nach § 78 Abs. 3 BPersVG besagt, dass der Personalrat vor der Weiterleitung von Personalanforderungen zum Haushaltsvoranschlag an eine übergeordnete Dienststelle anzuhören ist (siehe ausführlich z. B. Altvater 2017; Lenders 2017). Danach hat die Personalvertretung ein Recht zur Stellungnahme. Generell ist unter einer Personalanforderung der von der Dienststelle angemeldete personelle Mehrbedarf zu verstehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.03.1983 – 6 P 12.80). Gemeint sind sowohl die Erhöhung der Stellenzahl als auch „Stellenhebungen“, d. h. die Höherbewertung besetzter Dienstposten. In Teilen wird der Begriff auch auf einen gleichbleibenden Stellenbestand oder eine geplante Verringerung der Stellenzahl bezogen (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21.04.2005 – 22 TL 2657/03; Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 28.02.2013 – OVG 61 PV 4.12). Haushaltsvoranschläge stellen eine Vorstufe zur Anfertigung des Haushaltsentwurfs dar. Die für Teilhaushalte zuständigen Dienststellen melden in den Voranschlägen u. a. ihren Bedarf an Haushaltsmitteln an. Bei Bundes- und Landesverwaltungen kommt das Anhörungsrecht daher auf allen 3 Stufen (örtliche Personalräte/Gesamtpersonalrat in allen Dienststellen und Behörden, Bezirkspersonalräte auf der mittleren Behördenstufe, Hauptpersonalräte auf der obersten Behördenstufe) zur Anwendung. Das Anhörungsrecht nach § 78 Abs. 3 BPersVG gilt in gleicher Weise für die Personalplanung auf der Ebene nachgeordneter Dienststellen. Der Personalrat ist demnach anzuhören, bevor die Dienststelle die im Rahmen ihrer Gestaltungsspielräume erstellte Personalplanung an die übergeordnete Dienststelle weiterleitet, die dann die Entscheidung in Fragen der Personalplanung trifft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.01.2002 – 6 P 5.01). Vorschläge des Personalrats im Rahmen der Stellungnahme können sich beispielsweise auf Veränderungen des Personalbestands und des Personalbedarfs, aber auch auf die Rekrutierung neuer Beschäftigter, Fragen der Umschulung und Qualifizierung, die Erarbeitung von allgemeinen Anforderungsprofilen oder die Aufstellung von Richtwerten bei der Personaleinsatzplanung beziehen. Die Dienststelle ist rein formal nicht an die Stellungnahme des Personalrats gebunden. Um den Grundsätzen eines Anhörungsverfahrens aber gerecht zu werden, sollte die
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S. Stracke et al.
ienstellenleitung sachlich auf die Stellungnahme des Personalrats eingehen. Kommt es D zu keiner Anhörung, ist die anhörungspflichtige Maßnahme – juristisch gesehen – „nicht rechtsunwirksam“. Es kann allerdings als Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BPersVG gesehen werden. In einigen Bundesländern sind die Anhörungsregelungen des § 78 Abs. 3 Satz 1 und 2 BPersVG in identischem Wortlaut in die LPersVG übernommen worden (Baden- Württemberg, Bayern, Hessen, Sachsen und Thüringen). Eine über eine Anhörung hinausgehende Mitwirkung bzw. Erörterung mit dem Personalrat ist in den LPersVG von Brandenburg, Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz vorgesehen. Vergleichbare Regelungen zu § 78 Abs. 3 Satz 3 BPersVG, wonach der Personalrat vor der Weiterleitung der Personalplanung an die übergeordnete Dienststelle anzuhören ist, gibt es in den LPersVG von Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen. In Nordrhein-Westfalen bezieht sich die Stellungnahme der Personalvertretung auf die „Vorbereitung der Entwürfe von Stellenplänen, Bewertungsplänen und Stellenbesetzungsplänen“ (§ 75 Abs. 1 Nr. LPVG). Im LPersVG von Bremen ist von einer Anhörung mit Bezug auf „Personalprogramme“ die Rede. Laut Hamburger LPersVG ist eine Möglichkeit der Anhörung bei der „Bemessung des Personalbedarfs“ vorgesehen.
3.5
Mitwirkungsrecht des Personalrats
In einigen LPersVG ist bei der Aufstellung von Grundsätzen der Personalplanung bzw. der Personalbedarfsberechnung ein Mitwirkungsrecht des Personalrats vorgesehen, das in Teilen jedoch recht unterschiedlich begrifflich gefasst bzw. ausgestaltet wird (siehe ausführlich Stracke et al. 2020). Mitwirkungsrechte im öffentlichen Dienst sind stärker als bloße Anhörungsrechte (vgl. Bremecker o. J.). Danach hat die Dienststellenleitung eine beabsichtigte Maßnahme vor der Durchführung eingehend mit dem Personalrat zu erörtern. Sieht die Personalvertretung Änderungsbedarf, müssen beide Seiten mit dem „ernsten Willen zur Einigung“ verhandeln (vgl. § 66 BPersVG). Entsprechende Regelungen finden sich in den LPersVG von Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland. In Bremen kann der Personalrat eine Erörterung der behördlichen Personalprogramme fordern. In Rheinland-Pfalz ist die Personalplanung an sich zu erörtern. Nach dem LPersVG von Mecklenburg-Vorpommern haben Dienststelle und Personalrat rechtzeitig und eingehend mitbestimmungspflichtige Personalmaßnahmen und Initiativen (wie Einstellungen, Fragen der Fortbildung etc.) zu erörtern, wenn sie „sich noch im Planungsstadium befinden“ (§ 58 Abs. 1 PersVG Meckl.-Vorp.). Im Brandenburgischen LPersVG ist ausdrücklich die Rede von „Beratung“, d. h. der Personalrat kann laut Gesetz eine Beratung mit der Dienststelle in Fragen der Personalplanung verlangen. Im LPersVG des Saarlandes bezieht sich die Mitwirkung des Personalrats auf die „Aufstellung von Organisationsplänen und den Stellenplanentwurf“ (§ 83 Abs. 1 Nr. 4, 5 und 6 SPersVG). Im LPersVG für Berlin ist die Rede von einer Mitwirkung bei der „Anmeldung
Strategische Personalplanung: ein Thema für Betriebs- und Personalräte!
135
für Dienstkräfte im Rahmen der Entwürfe für den Haushaltsplan, Änderungen der Stellenrahmen und der Dienstposten- und Arbeitsbewertung sowie Stellenverlagerungen“ (§ 90 Nr. 5 PersVG Berlin). Besonderheit des LPersVG in Niedersachsen ist es, dass die Dienststelle bei der „Aufstellung der Entwürfe des Stellenplans, des Beschäftigungsvolumens und des Personalkostenbudgets durch die oberste Dienstbehörde“ mit dem Personalrat „das Benehmen herzustellen hat“ (§ 75 Abs. 1 Nr. 6 NPersVG). Auch dabei handelt es sich um eine stärkere Beteiligungsform als eine Anhörung, bei der der Personalrat lediglich seine Vorstellungen in das Verfahren einbringen kann. Allerdings ist die Entscheidung der Dienststelle, die im Benehmen mit dem Personalrat zu treffen ist, nicht unbedingt an das Einverständnis der Interessenvertretung gebunden.
3.6
Vorschlag- bzw. Initiativrecht des Betriebsrats
Das Betriebsverfassungsgesetz sieht Vorschlags- bzw. Initiativrechte des Betriebsrats vor. § 92 Abs. 2 BetrVG zufolge kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung und Durchführung einer Personalplanung unterbreiten. Für den Arbeitgeber gibt es zwar keine Verpflichtung, die Vorschläge des Betriebsrats anzunehmen, er muss sich aber ernsthaft damit auseinandersetzen. Will der Arbeitgeber die Vorschläge des Betriebsrats nicht aufnehmen, muss er dies begründen – in Betrieben mit mehr als 100 Beschäftigten muss die Begründung in schriftlicher Form erfolgen. Der Betriebsrat kann sein Initiativrecht in diesem Zusammenhang auch für Vorschläge zu Fragen der Berufsbildung (§ 96 Abs. 1 BetrVG) und zur Beschäftigungssicherung (§ 92a BetrVG) nutzen. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln. Dazu sind u. a. bestehende und zukünftig notwendige Kompetenzen zu analysieren.
3.7
Folgeaktivitäten – Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
Aus § 92 BetrVG ist kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Personalplanung abzuleiten. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ergeben sich aber bei den Folgeaktivitäten des Arbeitgebers, die sich aus der Personalplanung ergeben können, beispielsweise mit Bezug zu Personalbeschaffung und Fragen des Personaleinsatzes. Dies gilt z. B. bei personellen Einzelmaßnahmen nach §§ 99 ff. BetrVG (Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen, Versetzungen, Entlassungen etc.) oder bei Fragen der Arbeitszeit, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes oder der Gruppenarbeit gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG. Nach § 97 Abs. 2 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung. Dies betrifft etwa (geplante) Maßnahmen des Arbeitgebers, in deren Folge sich die Tätigkeiten der betroffenen Beschäftigten ändern und ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr ausreichen, um die
136
S. Stracke et al.
an sie gestellten Aufgaben zu erfüllen (vgl. z. B. IG BCE 2015). Bei der vor allem in Großunternehmen üblichen Personalvermittlung über interne Arbeitsmärkte kommt der § 95 BetrVG zum Tragen. Danach dürfen Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats festgelegt werden. In Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die bei entsprechenden Maßnahmen zu berücksichtigenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen.
3.8
Folgeaktivitäten – Mitbestimmungsrecht des Personalrats
Die Regelungen des BPersVG und der LPersVG sehen keine Mitbestimmungsrechte des Personalrats bei der Personalplanung vor (außer in Schleswig-Holstein). In Bezug auf die Folgeaktivitäten der Dienststelle auf Basis der Personalplanung ergeben sich jedoch Mitbestimmungsrechte nach §§ 75 bis 77 BPersVG und den entsprechenden Bestimmungen der einzelnen LPersVG. Dies betrifft z. B. • Beurteilungsrichtlinien, • Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen, • Stellenausschreibungen, • Einstellungen, Versetzungen, Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze hinaus, • Fragen der Arbeitszeit und des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, • allgemeine Fragen der Fortbildung der Beschäftigten und der Auswahl der Teilnehmer an Fortbildungen oder • Maßnahmen zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg. In Schleswig-Holstein hat der Personalrat „bei allen personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen, die die Beschäftigten der Dienststelle insgesamt, Gruppen von ihnen oder einzelne Beschäftigte betreffen oder sich auf sie auswirken“, Mitbestimmungsrechte (§ 51 Abs. 1 MBG Schl.-H.). In Bremen bestehen Mitbestimmungsrechte bei der Aufstellung von Stellenplanentwürfen. In Brandenburg und Hessen ist zumindest bei der Aufstellung von Grundsätzen für die Personalplanung bzw. der Bemessung des Personalbedarfs eine Mitbestimmung durch den Personalrat vorgesehen.
Strategische Personalplanung: ein Thema für Betriebs- und Personalräte!
4
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ie können Betriebs- und Personalräte bei der W Personalplanung aktiv werden?
In der Praxis lassen sich mit Blick auf das Thema strategische Personalplanung in der Regel zwei unterschiedliche Ausgangssituationen beobachten: Im ersten Fall beschäftigt sich das Unternehmen bzw. die Dienststelle noch nicht mit Fragen der strategischen Personalplanung, und der Betriebs- bzw. Personalrat möchte bewirken, dass die Leitung hier aktiv wird. Im anderen Fall legt der Arbeitgeber dem Betriebs- bzw. Personalrat Planungsdaten vor und die Interessenvertretung möchte darauf angemessen reagieren. In beiden Fällen ist es wichtig, dass die Interessenvertretung dem Arbeitgeber die passenden Fragen stellt – vor allem mit Bezug auf die Strategie bzw. die zukünftige Ausrichtung und deren mögliche Auswirkungen auf den zukünftigen Personalbestand und den strategischen Personalbedarf. Was können Betriebs- und Personalräte generell tun, um durch aktives Handeln die Personalplanung zum Nutzen für Beschäftigte und Unternehmen bzw. Dienststelle mitzugestalten? Im Folgenden werden verschiedene Ansatzpunkte beschrieben (Abb. 1). Dabei gibt es keine festgelegte Reihenfolge, wie die Ansätze und Instrumente eingesetzt werden sollten. Je nach Situation sind unterschiedliche Wege und Vorgehensweisen zu wählen, die sich auch miteinander verknüpfen lassen.
Abb. 1 Praktische Ansatzpunkte von Betriebs- und Personalräten bei strategischer Personalplanung (eigene Darstellung)
138
4.1
S. Stracke et al.
Sich im Gremium organisieren und eine Meinung bilden
Um eine eigene Handlungsstrategie entwickeln zu können, ist es zunächst einmal wichtig, sich als Betriebs- bzw. Personalrat einen faktenbasierten Überblick über die Personalsituation im Unternehmen bzw. in der Dienststelle zu verschaffen und im Gremium ein Meinungsbild zu organisieren. Dies gilt grundsätzlich und unabhängig davon, • ob die Unternehmens- bzw. Dienststellenleitung dazu animiert werden soll, sich stärker mit Fragen der strategischen Personalplanung zu beschäftigten, • ob der Betriebs- bzw. Personalrat stärker Informationen seitens des Arbeitgebers fordern oder vorgelegte Planungsdaten analysieren will oder • ob sich die Interessenvertretung bei der Gestaltung einer Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung positionieren will. Sinnvoll ist die Durchführung eines eigenen Workshops des Gremiums. Dabei sollte die Ausgangssituation beschrieben und bewertet werden. Bei der Diskussion können die folgenden Leitfragen helfen: • Warum ist eine systematische, langfristige Personalplanung von besonderer Bedeutung? • Welche Probleme und Herausforderungen machen eine strategische Personalplanung aus Sicht der Interessenvertretung notwendig? • Welche externen Faktoren (Marktentwicklung, Arbeitsmarktsituation, demografischer Wandel, Digitalisierung, politisches Umfeld, Gesetze etc.) und welche internen Faktoren (Neuausrichtung der Strategie, Personalengpässe, Arbeitsbelastung, Wandel der Alters- und Qualifikationsstruktur, Fluktuation etc.) beeinflussen die (zukünftige) Personalsituation und Kompetenzen der Beschäftigten? • Wie positioniert sich die Interessenvertretung in Fragen der Personalplanung? Welche Ziele verfolgt sie mit ihrer Initiative? • Wie muss sich der Betriebs- bzw. Personalrat organisieren und vorgehen, um seine Ziele zu erreichen? • Welche Herausforderungen sind dabei zu bewältigen? Auf welche eigenen Stärken und Expertise kann er setzen? Welche rechtlichen Handlungsmöglichkeiten kann er nutzen? • Wie lassen sich die Vorschläge und Initiativen des Betriebs- bzw. Personalrats (betriebs)politisch am besten durchsetzen? • Wie lässt sich Unterstützung organisieren (z. B. in der Führungsebene, in der Personalabteilung, in anderen Fachabteilungen, in der Belegschaft, durch die Gewerkschaft)? Wenn sich das Gremium dazu entscheidet, sich in Fragen der Personalplanung besser aufzustellen oder gar den strategischen Managementprozess mitzugestalten, ist zu empfehlen, eine verantwortliche Person zu bestimmen, die sich schwerpunktmäßig mit dem Thema befasst. Auch unter Betriebs- und Personalräten unterschiedlicher Unternehmensbzw. Organisationsbereiche und -ebenen oder Standorte sollten gemeinsam Strategien
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zum (organisations) politischen Umgang mit dem Thema strategische Personalplanung diskutiert werden. Hier können zwar zusätzliche Konfliktlinien entstehen, diese können aber u. a. auf Basis einer belastbaren Datenlage konstruktiv ausgetragen werden.
4.2
Expertenwissen aufbauen und Sachverständige hinzuziehen
Nur wenn Betriebs- und Personalräte selbst Kompetenzen aufbauen und Ressourcen einplanen, sind sie in der Lage, mit dem Arbeitgeber auf Augenhöhe über Fragen der Personalplanung zu diskutieren und zu beraten. Dafür lassen sich die Qualifizierungsangebote der Gewerkschaften und gewerkschaftlichen Bildungsträger nutzen. § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG zufolge können Betriebsräte an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen teilnehmen, sofern dabei Kenntnisse vermittelt werden, die für die Arbeit der Interessenvertretung erforderlich sind. Darüber hinaus kann der Betriebsrat laut § 80 Abs. 2 und 3 BetrVG und in Abstimmung mit dem Arbeitgeber interne und externe Expertinnen und Experten als Sachverständige bzw. sachkundige Beschäftigte hinzuziehen (z. B. Personalexperten, Meisterinnen und Meister, Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Sicherheitsbeauftragte aus dem eigenen Unternehmen oder externe Beraterinnen und Berater), sofern dies zur Durchführung seiner Aufgaben notwendig erscheint. Diese können z. B. bei internen Beratungen oder der Analyse der Ausgangssituation (etwa der Identifizierung von Personalengpässen oder der Analyse sich verändernder Anforderungen an die Kompetenzen der Beschäftigten) eingebunden werden. Existiert ein Wirtschaftsausschuss, hat der Betriebsrat nach §§ 106 und 107 BetrVG die Möglichkeit, ihn für Beratungen hinzuzuziehen. Um sich näher mit den Herausforderungen der Personalplanung auseinanderzusetzen, können auch Personalräte in Abstimmung mit der Dienststellenleitung Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist; alle LPerVG sehen entsprechende Regelungen vor. Laut § 46 Abs. 6 BPersVG und vergleichbaren Bestimmungen in den LPersVG können Personalräte darüber hinaus für ihre Aufgaben erforderliche Schulungs- und Bildungsveranstaltungen besuchen. Auch Personalräte haben den einzelnen LPersVG zufolge das Recht, bei der Suche nach Problemlösungen sachkundige Beschäftigte zu Sitzungen und Besprechungen hinzuzuziehen. Darüber hinaus lohnt es sich, Informationen einzuholen, wie andere Betriebe und Organisationen vergleichbare Herausforderungen meistern und bei der Personalplanung vorgehen. Betriebs- und Personalrätenetzwerke geben hierbei wichtige Impulse. Natürlich lässt sich nicht jedes Praxisbeispiel „1 zu 1“ auf die eigene Situation übertragen. Wichtig ist, aus den praktischen Erfahrungen anderer Organisationen und Interessenvertretungen zu lernen.
140
4.3
S. Stracke et al.
Informationen anfordern
In vielen Fällen werden Interessenvertretungen zwar vom Arbeitgeber über die Personalplanung unterrichtet. Häufig erfolgt die Information aber nicht rechtzeitig, nicht im notwendigen Umfang oder nicht in angemessener Form. Daher sollten Arbeitnehmervertretungen nicht darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber seiner gesetzlichen „Bringschuld“ nachkommt und von sich aus rechtzeitig und umfassend Informationen vorlegt. Vielmehr sollten Betriebs- und Personalräte eigeninitiativ Unterlagen, Statistiken und Daten zur Personalsituation und -planung anfordern, die bestenfalls über das aktuelle und das folgende Geschäftsjahr hinausgehen. Dafür kann ein schriftliches Informationsbegehren an den Arbeitgeber gerichtet werden, in dem sämtliche Dokumente und Übersichten, die vom Arbeitgeber verlangt werden, aufgeführt werden, z. B. • Unterlagen zur Unternehmens- und Personalstrategie, • Dokumente zur Aufbau- und Ablauforganisation bzw. Übersichten über vorhandene Stellen und Funktionen, z. B. in Form eines Organigramms, • Personalstammdaten mit Angaben etwa zum Alter der Beschäftigten, Altersgruppen, Tätigkeitsgruppen, Fluktuation etc. Wenn der Betriebs- bzw. Personalrat regelmäßig Informationen anfordert, kann er diese eigenständig auswerten und mit anderen Feldern der Unternehmens- bzw. Organisationsplanung (etwa der Produktions-/Leistungs- und Investitionsplanung) in Beziehung setzen. Geschieht dies möglichst frühzeitig, steigen die Chancen, dass die Interessenvertretung ohne größeren Zeitdruck mit dem Arbeitgeber Fragen zur Strategie, zum Personalbestand und zur Einschätzung des zukünftigen Personalbedarfs erörtern und aktiv Mitarbeiterinteressen in die Diskussion einbringen kann. Mögliche Fragen an den Arbeitgeber: Zur Strategie • Welche Produkte bzw. Dienstleistungen sollen in welchem Umfang und in welchen Zeiträumen erstellt bzw. erbracht werden? • Welche neuen Produkte oder Geschäftsfelder bzw. Dienstleistungsangebote sollen in Zukunft auf- oder ausgebaut werden? • Auf welche absehbaren Markttrends, Geschäftsentwicklungen und gesellschaftlichen Trends soll wie reagiert werden? • Wie soll die Leistung erbracht werden? Wie sehen Leistungsangebot bzw. Produktionsund Absatzprogramm aus? • Wie und auf welche Weise soll gearbeitet werden? Welche Arbeitsorganisation wird dafür benötigt? • Welche (neuen) Technologien sollen dabei eingesetzt werden? • Welche Investitionen sind geplant? • Wie werden Chancen und Risiken bewertet?
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Zum Personalbestand • • • • • •
Wie setzt sich die Altersstruktur der Belegschaft zusammen? Wie ist der Qualifikationsstand der Beschäftigten? Wie hoch ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten? Wie viel beträgt der Anteil der befristet Beschäftigten? Wie hoch ist der Anteil der Auszubildenden? Wie hoch ist der Anteil von Leiharbeitskräften und Werkvertragsbeschäftigten (falls vorhanden)? • Wie hoch ist der Krankenstand? Welche Personen sind wie lange in Elternzeit, Sabbatical etc.? • Welche Zu- und Abgänge werden für den Planungszeitraum berücksichtigt? Zur Einschätzung des künftigen Personalbedarfs • Welche Auswirkungen hat die Strategie für die kommenden Jahre auf die Personalsituation? • Welche Jobgruppen werden bei der Personalplanung zugrunde gelegt? • Welche Veränderungen und neuen Anforderungen an die Kompetenzen werden zukünftig erwartet? • Wie viele Arbeitskräfte sind in Zukunft in welchen Bereichen bzw. Jobgruppen erforderlich? • Fallen künftig Jobgruppen weg oder entstehen neue? Welche neuen Aufgaben werden durch den digitalen Wandel entstehen, welche entfallen? • Wo treten zukünftig Personallücken oder möglicherweise Probleme mit der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten auf? • Wie wird der Handlungsbedarf bewertet? Welche Personalrisiken werden gesehen? Welche Maßnahmen sind geplant (Ausbildung, Qualifizierung, Wissensmanagement, Rekrutierung, Gesundheitsmanagement etc.)? • In welchem Verhältnis stehen Personalbedarf und Personalkosten? Welche Kosten sind bei Realisierung der Planung und der Umsetzung von Folgemaßnahmen zu erwarten? Welche Risiken entstehen, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden?
4.4
Betriebsvereinbarungen abschließen
Ein wichtiger Ansatz zur Mitgestaltung besteht für Interessenvertretungen im Abschluss von Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen zur strategischen Personalplanung. Diese haben den Vorteil, Regeln dauerhaft festzusetzen und wiederkehrende Auseinandersetzungen zum gleichen Thema möglichst zu vermeiden. Allein diese Tatsache sollte für Arbeitgeber Argument genug sein, eine „gute“ Vereinbarung anzustreben und so eine geordnete Beteiligung der Interessenvertretung zu organisieren.
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S. Stracke et al.
Im Folgenden werden stichwortartig zentrale Regelungsaspekte aufgeführt, die in bestehenden Vereinbarungen eine Rolle spielen (siehe ausführlich die Auswertung von Giertz und Stracke 2019). Die Auflistung kann als Anregung für eigene Überlegungen dienen: A. Präambel und Grundsätze • Hintergrund, Herausforderungen, z. B. –– Strategische Neuausrichtung –– Demografischer Wandel, alternde Belegschaft –– Schwacher regionaler Arbeitsmarkt –– Technologische Veränderungen, Digitalisierung –– Arbeitsbelastung –– Auftragsschwankungen –– Neue Gesetzgebung • Ziele der Betriebsvereinbarung • Handlungsrahmen für Beteiligung der Interessenvertretungen • Überzeugung der Betriebsparteien • Grundsätzlicher Strategiebezug B. Geltungsbereich • Eindeutige Definition des räumlichen, personellen und sachlichen Geltungsbereichs • Klare Abgrenzung und eindeutige Begründung, sofern Bereiche oder Personengruppen ausgeschlossen werden C. Ziele und Aufgaben der Personalplanung • Sicherung von Beschäftigung, Fachkräftesicherung • Zukunftsorientierte Personalplanung • Systematische Personalbedarfsplanung als Basis für Maßnahmen der Personalbeschaffung, der Personalentwicklung und des Personaleinsatzes • Vermeidung von Personalüber- oder -unterdeckung • Deckung des zukünftigen Kompetenzbedarfs • Vermeidung von Über- oder Unterforderung des vorhandenen Personals D. Verfahren der Personalplanung • • • • •
Verantwortliche und Beteiligte Planungszeitraum Grundlegende Planungsdaten Regelungen zu Datenschutz, Umgang mit personenbezogenen Daten Teilbereiche der Planung/Stufen des Personalplanungsverfahrens
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–– Personalbestandsplanung • Beschreibung der Methodik • Bildung von Jobfamilien • Bestandsaufnahme und Prognose der Bestandsentwicklung –– Personalbedarfsplanung • Beschreibung der Methodik • Ermittlung des zukünftigen quantitativen Personalbedarfs (Kapazitäten) • Ermittlung des zukünftigen qualitativen Personalbedarfs (Kompetenzen) –– Folgeplanungen (bzw. Personalmanagement) • Personalbeschaffung(splanung) • Personalentwicklung(splanung) • Personaleinsatz(planung) • Personalabbau(planung) • Dokumentation und Erfolgskontrolle E. Beteiligung der Interessenvertretungen • Einbezogene Interessenvertretungen (auf verschiedenen Ebenen) • Bildung und Beteiligung eines Personalplanungsausschusses (siehe hierzu Abschn. 4.5) –– Verfahrensregelungen Geschäftsordnung, u. a. bezüglich • Zusammensetzung • Aufgaben/Übertragung von Rechten und Kompetenzen • Häufigkeit von Sitzungen bzw. Beratungen • Informationsrechte der Interessenvertretungen bzw. Personalplanungsausschüsse –– Umfang der Unterrichtung durch den Arbeitgeber –– Zeitpunkt und Häufigkeit der Unterrichtung –– Inhalte bzw. Gegenstand der Unterrichtung (auf Basis der Überlassung von Unterlagen) • Beratungsrechte der Interessenvertretungen –– Zeitpunkt und Häufigkeit der Beratung –– Inhalte bzw. Gegenstand der Beratung • Vorschlags- bzw. Initiativrechte der Interessenvertretungen • Vorgehen bei Schlichtung/Konfliktthemen (paritätische Kommission, Einigungsstelle, andere Formen der Konfliktlösung) • Schulung der Beteiligten • Hinzuziehen von Sachverständigen F. Schlussbestimmungen • • • •
Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung Geltungsdauer Frist und Form der Kündigung Nachwirkung der Vereinbarung
144
4.5
S. Stracke et al.
Personalplanungsausschuss gründen
Grundsätzlich ist zu empfehlen, im Betriebs- bzw. Personalrat einen Ausschuss zu gründen, der sich explizit mit der Personalplanungsthematik befasst. Auch bestehende Ausschüsse können thematisch erweitert werden. Betriebsräte in Betrieben mit mehr als 100 Beschäftigten können hierfür ihr Recht nutzen, eigene Ausschüsse zu bilden und ihnen bestimmte Gremiumsaufgaben zu übertragen – so auch für das Thema Personalplanung. Grundlage dafür sind die § 28 BetrVG (Übertragung von Aufgaben auf Ausschüsse) und § 28a BetrVG (Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen, die demnach auch Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber abschließen können). Einzelne LPersVG und Dienstvereinbarungen sehen auch die Gründung von Ausschüssen des Personalrats vor, z. B. eines Ausschusses für Personalangelegenheiten. Ein weiterer Ansatzpunkt ist es, auf die Einrichtung gemeinsamer, freiwilliger Ausschüsse von Arbeitgeber und Interessenvertretung hinzuwirken. Wesentliche Aufgabe der Ausschüsse sollte es sein, über Fragen der Personalplanung zu beraten. In einigen größeren Unternehmen der Privatwirtschaft in Deutschland existieren solche Ausschüsse (Giertz und Stracke 2019). Üblich ist, dass sie auf betrieblicher Ebene angesiedelt sind, sie können aber auch mehrere Ebenen eines Unternehmens bzw. Konzerns abdecken. Zu empfehlen ist, in Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen die Zuständigkeiten und die Zusammensetzung von Personalplanungsausschüssen inklusive entsprechender Verfahrensregelungen festzulegen (Geschäftsordnung). Die wesentlichen rechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Ausschüsse und der damit verbundene Einfluss auf die Personalplanung ergeben sich vor allem aus den Mitwirkungsrechten von Interessenvertretungen und den Kompetenzen und Ressourcen, mit denen die Ausschüsse ausgestattet werden. Die Geschäftsordnung sollte zumindest die folgenden Punkte regeln (siehe ausführlich Giertz und Stracke 2019): • Zusammensetzung des Gremiums: Das gemeinsame Gremium sollte möglichst paritätisch besetzt sein, d. h. aus der gleichen Anzahl von Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeberseite und der Interessenvertretung bestehen. Neben Unternehmens- bzw. Organisationsleitung und Personalbereich sollten auch Vertreterinnen und Vertreter aus weiteren Fachbereichen, die sich mit Personalplanungsthemen befassen, eingebunden werden. • Sitzungshäufigkeit: Die Häufigkeit von Sitzungen kann je nach Bedarf und Thema variieren. In der Praxis üblich ist ein Rhythmus zwischen 2 und 6 Monaten. • Aufgaben des Gremiums: Neben der Unterrichtung durch den Arbeitgeber haben solche Gremien vor allem die Funktion, Fragen zur Personalbestandsentwicklung, Personalbedarfsplanung und zu daraus abgeleiteten Folgeplanungen (Personalbeschaffung, Personaleinsatz, berufliche Bildung etc.) zu beraten. Der Ausschuss kann auch das Controlling der Umsetzung von Folgemaßnahmen übernehmen. Die Beratung sollte
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auf Kernaspekte der Personalplanung fokussiert werden. Personelle Einzelmaßnahmen sollten daher nicht im Ausschuss diskutiert werden (diese sind ohnehin mitbestimmungspflichtig und nicht ohne Beteiligung der Arbeitnehmervertretung umzusetzen). • Vorgehen bei Konfliktthemen/Schlichtung: Für den Fall, dass sich Arbeitgeber und Interessenvertretung im Rahmen der Beratung nicht auf ein gemeinsames Ergebnis einigen können, sollten mögliche Wege der Konfliktlösung beschrieben werden (z. B. Anrufung einer Kommission auf einer anderen Ebene oder einer Einigungsstelle).
4.6
igene Analysen durchführen und (betriebs)interne E Öffentlichkeit erzeugen
Gerade in solchen Fällen, in denen der Arbeitgeber keine langfristige Personalplanung vornimmt oder sich der Betriebs- bzw. Personalrat unzureichend informiert fühlt, kann das Gremium selbst Analysen durchführen und Personalbedarfe abschätzen. Dabei können öffentlich zugängliche Hilfsmittel und IT-Tools genutzt werden (z. B. über die Angebote der Initiative Neue Qualität der Arbeit unter www.inqa.de). Die dafür notwendigen Basisdaten sind der Interessenvertretung qua ihrer Informationsrechte zur Verfügung zu stellen, sofern diese vorliegen; der Arbeitgeber muss sie nicht eigens erstellen. Allgemeine Personalstammdaten (wie Alter, Bereich/Abteilung etc.) sind allerdings in der Regel vorhanden (in erster Linie in der Personalabteilung). Rechtlicher Anknüpfungspunkt: Betriebsräte können Informationen über den Status quo im Unternehmen – wozu auch der Personalbestand zu zählen ist – einfordern, sofern sie diese zur Durchführung ihrer Aufgaben benötigen. Und eine ihrer Aufgaben ist die Förderung und Sicherung der Beschäftigung im Betrieb (§ 80 Abs. 1 und 2 BetrVG). Personalräte in Organisationen, die dem BPersVG unterliegen, können sich auf ihr allgemeines Informationsrecht nach § 68 Abs. 2 BPersVG berufen. In den einzelnen LPersVG lassen sich ebenfalls entsprechende Regelungen finden. Werden bei der Analyse kritische Punkte aufgedeckt oder werden drohende Personalengpässe erkannt, ist der Arbeitgeber mit den Ergebnissen zu konfrontieren. In der Praxis hat es sich bewährt, auf Basis der Auswertung auch eigene Ideen für Handlungsansätze vorzustellen und dem Arbeitgeber einen gemeinsamen Gestaltungsprozess anzubieten. Um die Belegschaft stärker für die Notwendigkeit einer systematischen Personalplanung zu sensibilisieren und den Handlungsdruck auf den Arbeitgeber zu erhöhen, bietet es sich an, im Rahmen einer Betriebsversammlung oder einer Informationskampagne (organisations)interne Öffentlichkeit zu schaffen. Dabei können Analyseergebnisse vorgestellt und Probleme und Missstände aus Sicht der Interessenvertretung veranschaulicht werden. Gleichzeitig können Forderungen und mögliche Alternativvorschläge aus Betriebs- bzw. Personalratssicht vorgebracht werden. Geeignet sind auch Flugblätter mit Forderungen und zentralen Botschaften der Arbeitnehmervertretung oder Infobriefe und Aushänge am
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S. Stracke et al.
Schwarzen Brett bzw. im Intranet. Der Belegschaft sollte klargemacht werden, dass die Forderungen in ihrem Sinne sind und die Ziele sich nur gemeinsam erreichen lassen.
4.7
Unterschiedliche Themen, Rechte und Gesetze verknüpfen
Es ist sinnvoll, die verschiedenen Ebenen der Mitbestimmung (Betriebs- bzw. Personalrat, Personalausschuss bzw. Personalplanungsausschuss, Wirtschaftsausschuss, Schwerbehindertenvertretung, gewerkschaftliche Vertrauensleute, Aufsichtsrat) im Zusammenhang zu sehen und Planungsaspekte möglichst gemeinsam zu beraten. Besteht z. B. ein Aufsichtsrat, können zusätzliche Informationen über die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat eingefordert werden. Dabei kann es sich beispielsweise um Informationen des Arbeitgebers zu strategischen Fragestellungen oder zu Entscheidungen über Eigen- oder Fremdfertigung von Leistungen handeln. Entsprechende Ansatzpunkte bietet u. a. § 90 Aktiengesetz (AktG). Danach hat der Vorstand den Aufsichtsrat über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere Finanz-, Investitions- und Personalplanung) zu unterrichten. Ein zusätzlicher Anknüpfungspunkt ergibt sich über das Aufsichtsratsthema Personalrisikomanagement. Wichtig ist, unterschiedliche Themen und Rechte miteinander zu kombinieren. Auf der Basis des Vorschlagsrechts des Betriebsrats zur Beschäftigungsförderung und -sicherung (§ 92a BetrVG) können beispielsweise Impulse zur Analyse von Personalengpässen und einer Altersstrukturanalyse entstehen. Aus einer Auswertung der Daten zur Personalfluktuation lassen sich wichtige Hinweise zu belastenden Arbeitsbedingungen bzw. möglichen Defiziten bei der Arbeitsorganisation ableiten. Ein nützliches Diagnoseinstrument kann hierbei auch eine Gefährdungsbeurteilung sein. Diese ist im Arbeitsschutzgesetz (§ 5 ArbSchG) verbindlich vorgeschrieben. Werden im Unternehmen bzw. der Dienststelle keine Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt, kann der Betriebs- bzw. Personalrat aktiv auf den Arbeitgeber zugehen. Darüber hinaus können bei Fragen der Personalplanung auch Mitbestimmungsrechte zum Arbeits- und Gesundheitsschutz gezielt eingesetzt werden (z. B. über § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG oder § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG). Ein zentraler Hebel für Betriebsräte sind die Mitbestimmungsrechte beim Thema Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG). Sollte ein Betriebsrat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen „Personallücken“ in der Personalplanung identifizieren, kann die Verweigerung von Mehrarbeit ein Ansatzpunkt sein, um Handlungsdruck beim Thema Personalplanung zu erzeugen. Personalräte können bei identifizierten Personallücken Überlastungsanzeigen stellen oder Personalbemessung einfordern. Betriebsräte können vom Arbeitgeber verlangen, den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln (§ 96 Abs. 1 BetrVG). Der Vorteil einer Qualifizierungsbedarfsanalyse liegt darin, dass sie Arbeitsplätze und Jobgruppen mit sogenannten Engpassqualifikationen erkennt, über die möglicherweise nur wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen. Dies kann Erfahrungswissen bei bestimmten Verfahrensprozessen oder Spezialwissen wie besondere Programmierkenntnisse sein. Auch das BPersVG gibt dem Personalrat einen ge-
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setzlichen Spielraum vor, um Maßnahmen zur Analyse der Kompetenzen der Beschäftigten sowie zur Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs anzuregen und mitzugestalten. Die Personalvertretung hat Mitbestimmungsrechte bei allgemeinen Fragen und Maßnahmen der Fortbildung von Beschäftigten (§ 76 Abs. 2 BPersVG).
5
Fazit
Strategische Personalplanung und die sich daraus ergebenden Maßnahmen des Personalmanagements können sehr komplex sein und hohe Anforderung an Interessenvertretungen und Personalabteilungen mit sich bringen. Denn Personalplanung verstanden als ganzheitlicher und kontinuierlicher Managementprozess gehört nicht zum „Standardinstrumentarium“ von Betriebs- und Personalräten (Giertz und Stracke 2019). Und strategische Personalplanung unter Beteiligung von Interessenvertretungen dringt weit in den „eigentlichen Hoheitsbereich“ des Arbeitgebers ein. Sie gehört deshalb nicht zu den klassischen Betriebs- und Personalratsthemen, in denen sich die Gremienmitglieder „wohlfühlen“. Eine Beteiligung von Betriebs- und Personalräten bei strategischer Personalplanung bedeutet unter Umständen eine dauerhafte Mitverantwortung der Interessenvertretung (vgl. Hoffmann 2017). Eine Beteiligung der Interessenvertretung bietet aber auch vielfältige Chancen. Denn mit guter Planung lassen sich betriebliche und dienstliche Erfordernisse bestmöglich mit den Interessen der Belegschaft verknüpfen. Auf kaum einem anderen Gebiet können die Beschäftigteninteressen so gebündelt und vielfältig vertreten werden. Bestenfalls entsteht ein Mehrwert, der zum Erfolg der Organisation im Sinne der Beschäftigungssicherung beiträgt: gute Arbeit, die sich positiv auf Gesundheit, Arbeitsfähigkeit, Lebensqualität und Entwicklungschancen der Beschäftigten in einer lernförderlichen Umgebung auswirkt. Voraussetzung für eine Beteiligung der Interessenvertretung sind kompetente, qualifizierte Betriebs- und Personalräte, die sich mit den Themen Strategie und Personalplanung auskennen. Im Gremium erfordert dies eine Spezialisierung und einen effizienten Ressourceneinsatz. Es braucht starke Mitbestimmungsakteure mit Gestaltungsanspruch in der strategischen Personalplanung, die sich aktiv einbringen und auf Augenhöhe mit dem Personalbereich agieren. Sicherlich hängen die Einflussmöglichkeiten der Interessenvertretung auch von der Stärke und Kooperationsbereitschaft der Personalabteilungen und den kulturellen Rahmenbedingungen ab. Zweifellos muss bei vielen Geschäftsführungen, Dienststellenleitungen sowie Abteilungs- und Bereichsverantwortlichen die Bereitschaft gestärkt werden, gemeinsam mit den Personalfachleuten und der Interessenvertretung den Planungsprozess zu gestalten. Die Erfahrung zeigt, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sich positiv auf diesen Prozess auswirkt.
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S. Stracke et al.
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Dr. Stefan Stracke ist Senior Consultant bei wmp consult – Wilke Maack GmbH in Hamburg. Nach dem Studium der Geografie, Wirtschaftswissenschaften und Soziologie an der Ruhr-Universität Bochum ist er seit 2003 tätig in Beratung und Forschung, u. a. am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Organisationspsychologie der Universität Rostock. Er hat eine Reihe von nationalen und internationalen Beratungs- und Forschungsprojekten u. a. zu den Themen Industrielle Beziehungen, Personal- und Organisationsentwicklung, Arbeitszeitgestaltung, Strategische Personalplanung, Digitalisierung, Agiles Arbeiten und Einsatz von Werkverträgen durchgeführt. Weitere Schwerpunkte sind Branchen- und Unternehmensanalysen, Schulungen und Seminare.
Cornelia Rieke, M.A., ist Senior Consultant bei wmp consult – Wilke Maack GmbH in Hamburg. Nach ihrem sprach- und erziehungswissenschaftlichen Studium in Bielefeld und Lyon ist sie seit 1989 in unterschiedlichen Organisationen und Funktionen in den Themenfeldern Bildung, Beratung und Arbeitsmarkt tätig. Nach beruflichen Stationen als Trainerin in der Erwachsenenbildung (Bielefeld), als Personalentwicklerin beim Berufsfortbildungswerk des DGB (Gelsenkirchen), als Arbeitsmarktexpertin bei der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung G.I.B. (Bottrop) und als Leiterin der weitblick – personalpartner Nord (Hamburg) ist sie seit 2013 Beraterin bei wmp consult. Zu ihren Schwerpunkten gehören Netzwerk-, Forschungs- und Beratungsprojekte in den Themenfeldern Arbeitszeiten, Personal- und Organisationsentwicklung, Digitalisierung im öffentlichen Dienst sowie Workshops, Seminare und Moderationen. Katharina Schöneberg, M.A., ist Senior Consultant bei wmp consult – Wilke Maack GmbH in Hamburg. Nach ihrem Masterstudium der Internationalen Wirtschaftsbeziehungen/Commerce international in Freiburg und Paris arbeitete sie zunächst bei einem Hamburger Ingenieurbüro in der internationalen Geschäftsentwicklung. Seit 2013 ist sie bei wmp consult als Beraterin in nationalen und internationalen Projekten tätig. Ihre Schwerpunktthemen sind Sozialer Dialog, Industrielle Beziehungen, zukunftsorientierte Personalpolitik, Mitarbeiterbeteiligung, vergleichende Länderstudien und Branchenanalysen.
Teil III Stimmen aus der Praxis
Einführung in die strategische Personalplanung in der Altenhilfe Melanie Riester
Zusammenfassung
Der demografische Wandel sowie der bestehende Fachkräftemangel erschweren eine Besetzung von freien Stellen für Pflegefachkräfte in Deutschland zunehmend. In Dienstleistungsunternehmen zählt die Humanressource jedoch zu den zentralen Erfolgsfaktoren. Hohe Kosten aufgrund vakanter Stellen und rückläufiges Unternehmenswachstum sowie Schwierigkeiten beim Sicherstellen des Kerngeschäftes könnten die Folgen sein. Vor allem Anbieter von professioneller Pflege für z. B. ältere Menschen haben zunehmend Schwierigkeiten mit der Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal. Durch eine strategische und damit langfristige Planung des Personalbedarfs soll nun diesen Herausforderungen begegnet und proaktiv entgegengewirkt werden. Die Entwicklung eines computergestützten Modells zur strategischen Personalplanung für den Bereich der Altenhilfe soll eine möglichst genaue Prognose des Personalbedarfs ermöglichen. Die Risiken sollen so über Jahre hinweg im Voraus dargestellt und einkalkuliert werden können. Ebenso soll dadurch eine gezielte Ausrichtung und Durchführung von Maßnahmen zur Sicherstellung des Personals angestrebt werden.
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erausforderungen zu Zeiten des demografischen Wandels H in der Altenhilfe
In Deutschland wird der demografische Wandel zu einer signifikanten Reduktion der Bevölkerung führen. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt weiter an, während die
M. Riester (*) Zollernalb Klinikum GmbH, Balingen, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Rump, S. Eilers (Hrsg.), Strategische Personalplanung, IBE-Reihe, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61903-2_4
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Fertilitätsrate sinken wird (Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2015). Die Bemühungen, vor allem ältere Arbeitskräfte länger in das Berufsleben einzubinden, sowie die Bestrebungen, die Erwerbstätigkeit von Frauen zu erhöhen, werden voraussichtlich nicht ausreichen, um der Verknappung des Erwerbspersonenpotenzials entgegenzuwirken. Auch die voranschreitende Digitalisierung verbessert den zu erwarteten Mangel an Erwerbspersonen nur marginal (Vogler-Ludwig et al. 2016). Die progressive Dezimierung der Erwerbspersonen wird die Lücke von Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt, die schwerpunktmäßig vor allem in einzelnen Wirtschaftszweigen entstehen wird, noch weiter vergrößern. Im Rahmen der Digitalisierung wird im Einzelhandel mit einem starken Rückgang der benötigten Personen gerechnet, der Gesundheitssektor dagegen sieht einem wirtschaftlichen Aufschwung entgegen und erwartet daher einen steigenden Bedarf an Erwerbspersonen. In Studien wird ein Mangel von etwa 170.000 Personen in der Pflege prognostiziert (Vogler-Ludwig et al. 2016). In der Sozialbranche wird nicht nur mit einem Anstieg der benötigten Erwerbs personen gerechnet, sondern auch mit einem Anstieg der pflegebedürftigen Menschen,1 da eine Korrelation von Alter und Pflegebedürftigkeit besteht. Durch die Verschiebung des Altersdurchschnitts wird somit voraussichtlich auch die Pflegebedürftigkeit steigen (Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2015). Neben den quantitativen Herausforderungen gilt es auch qualitative Herausforderungen, die Einfluss auf das Personal im Gesundheitssektor und hier vor allem im Bereich der Altenhilfe haben, in der künftigen Personalplanung zu berücksichtigen. Laut der Studie der Initiative „FreQueNz“2 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung werden Teile der Prävention und Gesundheitsförderung auf die Tätigkeitsbereiche des Gesundheitswesens verteilt. Es zeichnet sich bereits ein Anstieg von salutogenen Angeboten wie z. B. Medical Wellness ab. Solche und ähnliche neue Angebotsformen wären dann ebenfalls durch die Unterstützung von Pflegekräften abzudecken. Auch der Einsatz von Technik im Pflegebereich wird sich verstärken und die Tätigkeit unterstützen. Dies erfordert von den Arbeitskräften künftig ein anderes Know-how und veränderte Kenntnisse (Schüler et al. 2013). Die erweiterten medizinischen Fachkenntnisse, die selbstständige Arbeitsweise sowie die Übernahme von beratenden Tätigkeiten sind nur einige Dinge, die den Qualifizierungsbedarf von Pflegekräften künftig beeinflussen werden. Die Verknappung der Humanressource macht daher Mitarbeitende künftig zu einer kritischen strategischen Ressource und einem zentralen Erfolgsfaktor für jedes Unternehmen (von Kettler 2017), da das Personal für die Organisationen zu einem einschränkenden Element im Markt werden kann (von Kettler 2017). Die größte Herausforderung für die Personalabteilungen der betroffenen Unternehmen wird es somit fortan sein, die Beschaffung des Personals strategisch zu planen und dieses zum geforderten Zeitpunkt und mit entsprechender Qualifizierung und Umfang am richtigen Ort im Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Der Nutzen der strategischen Personalplanung für ein Unternehmen kann sehr umfänglich sein. Durch eine gute Planung kann z. B. die Abhängigkeit von externen Mitar Pflegebedürftig im Sinne des SGB XI. Früherkennung von Qualifikationserfordernissen im Netz.
1 2
Einführung in die strategische Personalplanung in der Altenhilfe
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beitenden verringert werden, was schlussendlich zu einer Reduktion der Personalkosten führen kann. Zudem sorgt sie dafür, dass der Entwicklungsstand der Mitarbeitenden zu den aktuellen Herausforderungen passt (Jochmann et al. 2017). Chancen und Potenziale durch die strategische Personalplanung bestehen auch darin, dass die bisher subjektive Planung durch Führungskräfte auf diese Weise objektiviert werden. Zahlen können aus strategischen Treibern abgeleitet und vor allem durch qualitative Aspekte ergänzt werden (von Kettler 2017). Einige Altenhilfeträger versuchen daher, durch die Einführung und Entwicklung einer gezielten strategischen Personalplanung ihren zukünftigen Personalbedarf sicherzustellen.
2
Inhalte und Rahmen der strategischen Personalplanung
Die Definitionen der strategischen Personalplanung sind sehr homogen und gehen alle davon aus, dass sie die Sicherstellung des vorhandenen Personals in entsprechender Qualität und Quantität unterstützt. Zudem ist der Ort des Personalbedarfes bekannt und die Kostenentwicklung wird kalkulierbar. Mit „entsprechender Qualität“ ist gemeint, dass man mit dem Personal auch in Zukunft die unternehmerischen Ziele erreichen kann. Da rüber hinaus besteht das Ziel der strategischen Personalplanung darin, eine Leistungs- und Produktivitätssteigerung bei gleichzeitiger Reduktion von personalwirtschaftlichen Risiken im Unternehmen zu erreichen (Asgarian und Feuersinger 2017; Donkor et al. 2012). Die strategische Personalplanung soll Organisationen dazu befähigen, nicht nur Aussagen über ihren aktuellen Personalbestand oder über mögliche Veränderungen dessen zu tätigen, sondern sie soll sie dazu führen, künftige Entwicklungen im Umfeld zu kennen und diese mit ihrem Personalbedarf zu verknüpfen (Rump et al. 2017). Die Betrachtung der Mitarbeitenden erfolgt in der strategischen Personalplanung in sogenannten Jobfamilien (Sattelberger und Strack 2009; Berendes und Demografie- Netzwerk 2011; Berendes und Werner 2015). Die Arbeit in Jobfamilien ermöglicht, sich auf wichtige Bereiche zu konzentrieren (von Kettler 2017), und es kann ein Soll-Ist- Abgleich erfolgen. Das Jobfamilienkonzept muss zudem Qualifikationszeiträume berücksichtigen. Nur so besteht in der Personalplanung später die Möglichkeit, Wirkungsver zögerungen aufgrund der Qualifizierungsdauer aufzuzeigen und die Zeitspanne zur Schließung von Kapazitätslücken zu erkennen (Berendes und Demografie-Netzwerk 2011). Prezewowsky ist der Ansicht, dass die meisten Parameter, also die externen und internen Einflüsse, die es im Rahmen der strategischen Personalplanung zu berücksichtigen gilt, unabhängig vom Unternehmen und somit zur Vereinfachung generalisierbar sind (Prezewowsky 2007). Lediglich die internen strategischen Bedarfstreiber sind sehr unternehmensspezifisch und können daher meist nur bedingt auf andere Unternehmen übertragen werden (Berendes und Demografie-Netzwerk 2011). Die Ergebnisse sollten jedoch im Unternehmenskontext interpretiert werden. Zusätzlich ist es charakteristisch, dass mit Szenarien gearbeitet wird, was in der Regel bei der operativen Personalplanung nie durchgeführt wird. Grund hierfür ist die hohe
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Komplexität. Eine exakte Prognose der Entwicklung des Personalbedarfs und -bestandes ist nicht möglich. Durch die Zuhilfenahme von Szenarien sollen jedoch Entwicklungsvarianten abgebildet und dadurch Auswirkungen von Maßnahmen sowie die Sensitivität von Jobfamilien verdeutlicht werden (Berendes und Demografie-Netzwerk 2011). Um die hohe Komplexität zu managen, erfolgt die strategische Personalplanung daher auch unter Verwendung einer Software oder eines programmierten Tools. Die multidimensionalen Zusammenhänge der vielzähligen Parameter sind sonst nicht oder nur mit sehr viel Aufwand abbildbar (Berendes und Werner 2015). Die strategische Personalplanung ist also die an der Unternehmensstrategie ausgerichtete Personalplanung, durch die die Sicherstellung des künftigen quantitativen und qualitativen Personalbedarfs über einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont für das Unternehmen unterstützt werden kann.
3
Betrachtung bestehender Personalplanungsmodelle
Aus 5 bereits bestehenden Personalplanungsmodellen, die in Best-Practice-Beispielen näher erläutert wurden, wurde für das zu entwickelnde Modell eine Grundlage erarbeitet. Hierbei wurden in der Literatur weitestgehend detailliert beschriebene Ansätze der BMW- Group, Zahnen Technik GmbH, Roche, Siemens sowie der Allianz SE, die sich zum Vergleich und zur Analyse eignen, als Ausgangspunkt verwendet. Die einzelnen Modelle werden im Folgenden kurz skizziert, um im Anschluss ihre Stärken und Schwächen zu identifizieren.
3.1
Modell der strategischen Personalplanung bei Siemens
Das primäre Ziel der strategischen Personalplanung für Siemens ist es, die unternehmens internen Entscheider mit Informationen und Daten zu versorgen. Dabei ist es für Siemens nicht wichtig, die komplette Mitarbeiterschaft über die verwendete Software für die strategische Personalplanung abzubilden, sondern Risiken, die die Mitarbeiterschaft betreffen, zu minimieren sowie bestimmte Geschäftsszenarien, z. B. Wachstum oder Änderung des Geschäftsmodelles, näher zu betrachten, Alternativen zu prüfen und zu analysieren. Das Modell wurde bei Siemens in 6 Schritte gegliedert (von Kettler 2017). Der 1. Schritt bei Siemens besteht aus der Planung des Bereichs. Die Bereichsplanung kann auf unterschiedlichen Wegen, entlang von Ländern, Geschäftseinheiten, wesentlichen Funktionen oder unter Berücksichtigung der Reduktion der Planungskomplexität, erfolgen. Die Planungstiefe hat Auswirkungen auf die folgenden Schritte (von Kettler 2017). Im nächsten Abschnitt werden die Jobfamilien bestimmt. Dadurch können größere Zusammenhänge erkannt werden. Siemens hat hierzu einen allgemeingültigen Katalog mit möglichen Positionen eingeführt (von Kettler 2017).
Einführung in die strategische Personalplanung in der Altenhilfe
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Der 3. Schritt besteht aus der Workforce-Supply-Analyse. Als Daten fließen hier bei Siemens die tatsächliche Mitarbeiterkapazität als Full-Time Equivalent, das Alter, Organisation, Jobfamilie, Standort, Produkt(-gruppe), Technologiefeld, Fluktuation und Eintritte von Mitarbeitenden als auch die Verrentung in das Jobcluster ein. Bereits zu diesem Zeitpunkt können erste Maßnahmen zur Reduktion von Risiken in spezifischen Zielgruppen abgeleitet werden (von Kettler 2017). Danach erfolgt die Demand-Analyse. Sie sagt aus, wie viele Mitarbeitende innerhalb der nächsten 5 Jahre von Siemens benötigt werden. Durch die Analyse unterschiedlicher Szenarien soll schlussendlich dann eine Spannbreite für den künftigen Personalbedarf eruiert werden. Zentrale Parameter für Siemens sind v. a. Größen aus der Geschäftsplanung wie Umsatzgröße, festgelegtes Budget, Werksleistung und das Projektvolumen. Aber auch weitere Parameter sind zu berücksichtigen, wie Technologie, Portfolio, Standort und Fertigungstiefe (von Kettler 2017). In Schritt 5 erfolgt die Gap-Analyse. In diesem Schritt wird die Lücke betrachtet, die sich im Rahmen des Personalbedarfs und der Personalbestandsermittlung entwickelt hat. Aus dieser Lücke können weitere Risiken abgeleitet werden, die sich aufgrund der Personal- und/oder Kompetenzüber- oder -unterdeckung abzeichnen. Der Verlauf kann je nach Jobrolle divergieren. Mögliche Über- oder Unterdeckungen können auch nur temporär auftreten. Dies darzustellen ist besonders wichtig, um geeignete Personalmaßnahmen zu entwickeln. Als zentrales Erfolgskriterium für die schnelle und einfache Berechnung von Szenarien und die Effektivität der strategischen Personalplanung sieht Siemens die genutzte HR-Software. Die HR-Software wird von der IT-Abteilung von Siemens betreut und hat eine direkte Schnittstelle zu der im Unternehmen verwendeten Personalsoftware, aus dem sie sich die notwendigen Daten zieht. Die Weiterentwicklung der HR-Software und die fachliche Betreuung liegen bei der HR-Abteilung und den weiteren Nutzern der Software zur strategischen Personalplanung. Die 6 Bearbeitungsschritte sind bereits in der HR-Software hinterlegt (von Kettler 2017) Der letzte Schritt besteht aus der Bewertung der Ergebnisse und des Einleitens von Maßnahmen. Die Ergebnisse werden in einem Report ausführlich dokumentiert, vom Management bewertet und als Grundlage für weitere Entscheidungen für Maßnahmen genutzt (von Kettler 2017).
3.2
Modell zur strategischen Personalplanung bei Roche
Die strategische Personalplanung ist für Roche ein übergeordnetes Steuerungsinstrument, mit dem strategische Risiken minimiert und dem Unternehmen die Nutzung von Chancen ermöglicht werden sollen. Im Fokus der Planung stehen für Roche neben der Quantität vor allem auch die benötigten Qualifikationen und die Kompetenzen des künftigen Personals. Durch die Möglichkeit der qualitativen Analyse stellt die strategische Personalplanung eine optimale Verbindung der Personalplanung mit der Unternehmensstrategie dar (von Kettler 2017). Roche hat seine strategische Personalplanung nicht wie Siemens in 6 Schritte aufgeteilt, sondern in nur 4 Schritte gegliedert. Der 1. Schritt besteht aus der
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M. Riester
Konzeptionsphase inklusive der Erstellung und Abstimmung des Grundkonzeptes. In diesem Schritt wird bei Roche der Rahmen der strategischen Personalplanung definiert. So erfolgen die zeitliche Einordnung, das Bilden von Jobfamilien sowie das Festlegen der Interviewpartner und Interviewleitfäden. Auch Roche verwendet für den Planungsansatz eine entsprechende Software. Das Eintragen der Daten in die HR- Software erfolgt bei Roche ausschließlich durch die Interviewer. Im Anschluss erfolgt die Befragung und Datenerhebung, um den Iststand zu betrachten. Zahlen wie die Ausbildungsübernahme, Rekrutierungszahlen, anstehende Renteneintritte sowie Austritte werden hier mit einbe zogen. Roche differenziert sogar noch die Austrittsarten nach Arbeitgeber-/Arbeitnehmerkündigung, Altersteilzeit und Freistellungen. Im 3. Schritt erfolgt die Auswertung der Daten. In diesem Schritt wird geprüft, an welchen Stellen eine tiefere Betrachtung erfolgen muss. Für jede Jobfamilie fließen noch spezifische Zusatzinformationen mit ein (von Kettler 2017). Die finalen Daten fließen dann in eine konsolidierte Auswertung, welche trotzdem noch individuell zu betrachten ist, da nicht alle Standorte einheitliche Rahmenbedingungen aufweisen. In seinen Auswertungen betrachtet Roche sowohl die Zu- und Abgänge als auch notwendige Qualifikationen und stellt diese in den Kontext der zeitlichen Bedarfe und Mengen. Signifikante Abweichungen und Problembereiche sind so ersichtlich. Der letzte Schritt besteht aus dem Follow-up, der Kommunikation sowie dem Ableiten und Tracking von Maßnahmen (von Kettler 2017).
3.3
Modell zur strategischen Personalplanung der Allianz SE
Im Folgenden wird das 4-stufige Modell beschrieben, welches in Anlehnung an das Modell der Allianz SE und in Anlehnung an Dynaplan AS konstruiert wurde. Das Modell beginnt im 1. Schritt mit der Bestimmung des Modellzwecks und der Festlegung der zu berücksichtigenden Parameter. Hier gilt es, gezielte strategische Fragestellungen zu formulieren und Steuerungsgrößen zu benennen. Im nächsten Schritt wird das Wirkungsgefüge erstellt. Hier müssen Rahmenbedingungen erarbeitet werden sowie die Parameter und das Modell näher beschrieben werden, ehe die Daten erstellt werden und das beschriebene Modell im 3. Schritt befüllt wird. Im 4. und letzten Schritt werden dann Szenarien definiert. Anschließend bedarf es einer gekonnten Analyse der Szenarien sowie der Ableitung von Handlungsfeldern, um die Wirksamkeit der Vorgehensweise sicherzustellen (Berendes und Demografie-Netzwerk 2011). Im Modell der Allianz SE werden als Parameter bezahlte Fehlzeiten, Urlaubstage sowie Krankheitstage berücksichtigt, die die Mitarbeiterkapazität dezimieren (Berendes und Demografie-Netzwerk 2011). Wie jedes Modell besteht es aus der Personalbestands- und -bedarfsseite, die sich gegenseitig beeinflussen. • Das Bestandsmodell | Die Bestandsseite stellt die regulären Änderungen des Mitarbeiterbestands, die sich z. B. durch Ein- und Austritte ergeben, dar. Hinzu kommt, dass selbst der in FTE berechnete Mitarbeiterbestand nicht immer der tatsächlichen Mitar-
Einführung in die strategische Personalplanung in der Altenhilfe
159
beiterkapazität entspricht. Es gibt zahlreiche kapazitätsreduzierende Faktoren, hierzu zählen z. B. Krankheitstage, Urlaubstage oder bezahlte Fehlzeiten wie Fortbildungen (Berendes und Demografie-Netzwerk 2011). Bereits aus dem Bestandsmodell können wichtige Handlungsfelder für ein Unternehmen identifiziert und Risiken aufgedeckt werden (von Kettler 2017). • Das Bedarfsmodell | Die Modellierung des Personalbedarfes soll auf Basis der Unternehmensstrategie den Personalbedarf der Zukunft prognostizieren. Das Bedarfsmodell ist sehr unternehmensspezifisch und daher nur in geringem Maße auf andere Unternehmen übertragbar. Für jedes Unternehmen sind spezifische Bedarfstreiber zu analysieren und einzusetzen. Essenziell für die Gültigkeit des entwickelten Modelles ist, dass lediglich Bedarfstreiber berücksichtigt werden, die direkte Auswirkungen auf den Personalbedarf haben und konkretisierbar sind, auch wenn grundsätzlich häufig die Haltung besteht, dass lediglich hochkomplexe Systeme die Vielschichtigkeit der SPP abbilden können. Unkonkrete Aussagen können jedoch die Aussagekraft schmälern (Berendes und Demografie-Netzwerk 2011). Strategische Bedarfstreiber können vielfältiger Natur sein. Sie können durch den Markt definiert werden, wie z. B. gewünschte Outputmengen, Produktportfolio oder Investitionen. Ebenso können unternehmenspolitische Entscheidungen Treiber generieren. Dies ist bei Entscheidungen über Nutzung von Eigen- und Fremdpersonal, Outsourcing oder bei Organisationsentscheidungen, wie Service Center vs. Referent, der Fall. Die Treiber können ebenso technologischer Natur sein. Auch rechtliche Regularien und gesetzliche Rahmenbedingungen können treibende Kräfte für den Personalbedarf darstellen. Jahreszeitenbedingte Schwankungen sollten keine Berücksichtigung in der strategisch langfristigen Planung finden, da sie sich über den Planungszeitraum hinweg relativieren (von Kettler 2017). Die beiden Teile der Personalbestands- und -bedarfsplanung werden später in einer Gap-Analyse zusammengeführt. Es bildet sich in der Regel eine Lücke, die den jeweiligen Personalüberhang oder die Personalunterdeckung zeigt. Auf dieser Basis werden dann im nächsten Schritt Handlungsfelder analysiert und Maßnahmen festgelegt. Diese Maßnahmen haben häufig Auswirkungen auf nachfolgende Planungsperioden und ihre Wirkung kann in Szenarien dargestellt werden. Die abgebildeten Szenarien sollen die Grundlage für Managemententscheidungen liefern. Manchmal ist es sinnvoll, die Perspektiven Bestandsund Bedarfsentwicklung durch die Kostenperspektive zu ergänzen. Grund dafür ist die enge Verzahnung mit der Unternehmensplanung, die stark an den Finanzkennzahlen orientiert ist (Berendes und Demografie-Netzwerk 2011).
3.4
Ansatz der strategischen Personalplanung bei der BMW-Group
Die strategische Personalplanung bei der BMW-Group wurde in einen ganzheitlichen Prozess implementiert, der sich an der Unternehmensstrategie orientiert. Die Erkenntnisse
160
M. Riester
daraus fließen u. a. in die Personalkernprozesse ein. Der Planungshorizont für die strategische Personalplanung erstreckt sich bei BMW über 6–12 Jahre. Bei diesem Ansatz wird deutlich, dass ein großer Zusammenhang zwischen Unternehmensentwicklung, Unternehmensstrategie und langfristiger Personalplanung besteht (von Kettler 2017). Das Personalmanagement ist durch die enge Verzahnung direkt in den Strategieprozess eingebunden, was BMW als zentralen Erfolgsfaktor sieht. Die Hauptaufgabe der Personalabteilung wird darin gesehen, das richtige Personal zur richtigen Zeit, am richtigen Ort mit entsprechender Qualifikation bereitzustellen, um die Umsetzung der Unternehmensstrategie zu ermöglichen. Daher steht für das Unternehmen der qualitative Aspekt der Personalplanung im Fokus. Die strategische Personalplanung besteht für die BMW-Group aus 6 Komponenten: Planung des Kompetenzbedarfs, Planung der Kernmitarbeiter, Planung strategische Flexibilität, quantitative Betrachtung, strategische Simulation und qualitative Betrachtung. Die Erkenntnisse aus diesen Planungsteilen werden nach Ressorts, Kompetenzen und Ländern gegliedert und in Gap-Analysen veranschaulicht. Am Ende fließen diese dann in die kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmenplanung ein (Starringer und Löser 2017). BMW nutzt zur Berechnung nicht die Einheit Full-Time Equivalent, sondern verwendet die tatsächliche Anzahl der Mitarbeitenden (Headcounts). Ziel der operativen Planung ist die ständige Beschäftigung der Kernbelegschaft (von Kettler 2017). Für die Aufbereitung der Gap-Analyse wird die HR-Software SMIA3 von Dynaplan verwendet. Die Einführung der Software erfolgte in einem Pilotprojekt, ehe nun fast alle Mitarbeitenden darüber abgebildet werden (von Kettler 2017). Die Darstellung in Form einer Gap-Analyse visualisiert, welche Kompetenzen in welcher Anzahl in Zukunft im Unternehmen künftig zur Verfügung stehen müssen. BMW hat des Weiteren 2 fixe Szenarien definiert, die konkrete Annahmen bezüglich Ein- und Austritten enthalten. Dies lässt Rückschlüsse über weitere Themen wie die Personalentwicklung, Altersstruktur, Ein- und Austrittsarten sowie eine Analyse von möglichen Personalüberhängen oder -unterdeckungen zu und schafft zudem auch über Jahre hinweg eine hohe Vergleichbarkeit. Die Ergebnisse können nach Standort, Bereich, Entgeltform und Kompetenzfeld, Austritts-/Eintrittsarten und Anzahl Mitarbeiter gegliedert und veranschaulicht werden. Daraus lässt sich eine Vielzahl von Chancen und Risiken ableiten (von Kettler 2017). Am Ende des Prozesses steht das Reporting, bei dem wichtige Stakeholder und Entscheidungsträger über die Situation informiert werden sollen. Das Unternehmen hat eine Messgröße zur Zielerreichung der notwendigen internen Kompetenzen zur Erreichung der Unternehmensstrategie in ihre Balanced Scorecard integriert. Die BMW-Group möchte mit der strategischen Personalbedarfsplanung bisherige Vermutungen validieren und visualisieren sowie eine Entscheidungsgrundlage für Maßnahmen liefern, die zur langfristigen Erreichung der Unternehmensstrategie führen (von Kettler 2017).
3
Structured Modelling Interactive Analysis.
Einführung in die strategische Personalplanung in der Altenhilfe
3.5
161
Modell strategische Personalplanung der Zahnen Technik
Im Rahmen eines Projektes „Strategische Personalplanung für KMU“4 wurde eine weitere Vorgehensweise zur strategischen Personalbedarfsplanung entwickelt, die sich in 5 Teilprozesse unterteilt. Zur Durchführung der Personalplanung wurden für die Unternehmen 2 Leitfäden entwickelt. Der eine richtet sich an die Projektgruppe, der andere an die Betriebsräte. Darüber hinaus wurde das simple Tool Phythia entwickelt, mit dem Personalbestand und -bedarf dargestellt werden können und Szenarien analysierbar sind. Im 1. Schritt des Modelles werden Jobfamilien entwickelt. Um eine geeignete Gliederung für das Jobcluster zu finden, wird empfohlen, geeignete Kriterien anzulegen (Initiative Neue Qualität der Arbeit 2017). Die Gliederungstiefe der Jobfamilien sollte von den Fragestellungen, die der strategischen Personalplanung zugrunde liegen, abhängig gemacht werden (Rump et al. 2017). Der 2. Schritt besteht aus der Ermittlung des Personalbestands. Diese sollte durch die Ermittlung von Full-Time Equivalent erfolgen, um die tatsächliche Kapazität zu berücksichtigen (Initiative Neue Qualität der Arbeit 2017). Das Modell sieht in Schritt 3 die Festlegung des künftigen Personalbedarfs vor. Dies erfolgt vor allem nach Vorgaben der Unternehmensstrategie und betrifft daher nicht nur den quantitativen Aspekt, sondern auch die Qualität des Personals (Initiative Neue Qualität der Arbeit 2017). Im Anschluss wird in Prozessschritt 4 die Abweichung zwischen Personalbestand und Personalbedarf analysiert. Dies stellt den Kernprozess der strategischen Personalbedarfsplanung dar (Abb. 1). Hier können dann auch einzelne Parameter verändert werden, um die Auswirkungen oder die Sensitivität des Ergebnisses auf bestimmte Änderungen darzustellen. Dadurch können die Entwicklung der Kapazitäten und mögliche personelle Risiken dargestellt werden (Initiative Neue Qualität der Arbeit 2017). Im letzten Schritt werden Handlungsmaßnamen abgeleitet, die die Personalunterdeckung oder den Personalüberhang kompensieren sollen (Initiative Neue Qualität der Arbeit 2017). Dazu wird ein Aktivitätsplan festgelegt und es werden Ziele definiert, Verantwortlichkeiten vereinbart sowie ein geeignetes Monitoring aufgestellt (Rump 2017). Zur Berechnung des Personalbedarfs wurden Wachstumsraten sowie benötigte zusätzliche und frei werdende Mitarbeiterkapazitäten durch Steigerung der Produktivität einbezogen. Das Ganze wurde dann in einer Gap-Analyse visualisiert. Daraus konnte das Unternehmen nun den Rekrutierungsbedarf der folgenden Jahre nach Jobfamilie ablesen. Aus dem vorliegenden Ergebnis wurden dann weitere Maßnahmen entsprechend dem Modell
Weiterführende Informationen zum Projekt gibt es auf der eigenen Projekthomepage http://strategische-personalplanung-kmu.dgfp.de/. Das Projekt wird in Kooperation des Institut für Beschäftigung und Employability IBE, der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP), der Dynaplan AG, wmp consult – Wilke Maack GmbH sowie der Zukunftsallianz Arbeit & Gesellschaft e.V. durchgeführt und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen der Initiative „Neue Qualität der Arbeit (INQA)“ unterstützt.
4
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Treiber
Siemens
Roche
Abgangsarten Alter
BMW Group
Zahnen Technik GmbH/ KMU Ansatz
Projekt in Anlehnung an die Allianz SE
bez. Fehlzeiten Einstellungen/ Übernahme Fertigungstiefe Fluktuation
JF spezifische Treiber Krankheitstage Personalkosten Produktgruppe
Schichtmodell Standort/ Organisation Technologiefeld
Produktionsvolumen Qualifikation
Urlaubstage Verrentung/ Vorruhestand
∑
3 2 1 4 2 3 1 1 2 1 1 4 1 3 1 1 4
Abb. 1 Treiberanalyse der Personalbestandsseite aus den Best-Practice-Beispielen (eigene Darstellung)
für die Zahnen Technik GmbH entwickelt, um den künftigen Personalbedarf zu decken (Nickels 2017).
3.6
Analyse der Personalplanungsmodelle
Auch wenn von einer Vollständigkeit der Darstellung der Modelle in der Literatur nicht auszugehen ist, zeigt sich deutlich, dass es vor allem zahlreiche Überschneidungen der berücksichtigten Treiber auf der Personalbestandsseite gibt (vgl. Abb. 1). In der Berechnung des Personalbestands werden Einstellungen sowie Übernahmen von z. B. Auszubildenden ebenso berücksichtigt wie die Fluktuation. Einige Modelle sehen an dieser Stelle noch eine genauere Differenzierung vor, wie die Gliederung der Kündigung nach Arbeitgeber-/Arbeitnehmerkündigung. Eine große Rolle spielen auch die vorhandenen Qualifikationen und Kompetenzen der Bestandsmitarbeitenden. Hier soll der Iststand abgebildet werden, um diesen später mit dem im Personalbedarf entwickelten Sollstand abgleichen zu können. Als Gliederung werden Standorte oder Organisationszugehörigkeiten verwendet, um später die strategische Personalplanung nach Standorten oder Firmenzugehörigkeiten auszurichten. Auch Zugehörigkeiten zu Produktgruppen, Schichtmodell oder Technologiefeld werden zur Untergliederung verwendet und als Treiber berücksichtigt. Ein weiterer signifikanter Treiber, der in allen Modellen berücksichtigt wird, ist die Verrentung bzw. das Alter der Mitarbeitenden.
Einführung in die strategische Personalplanung in der Altenhilfe
Treiber Arbeitsmarkt Budget Eigenleistungs/Fremdleistungsquote F&E Quote fachliche Qualifikation Fertigungstiefe Komponentenvolumen Portfolio Produktionsziele Produktivitätssteigerung Projektvolumen Retailvolumen Salesvolumen strategische Bedeutung der Qualifikation Technologie Teileumsatz Umsatzgröße Volumen Auslandsversorgung Wachstumsrate Werksleistung Wholesalevolumen
Siemens
Roche
BMW Group
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Zahnen Projekt in Technik Anlehnung an GmbH/ KMU die Allianz SE Ansatz
1 1
2 1 4 2 1 1 1 1 2 1 1
∑
2 3 1 1 1 3 1 1
Abb. 2 Treiberanalyse der Personalbedarfsseite aus den Best-Practice-Modellen (eigene Darstellung)
Neben der Bestandsseite wurden auch im Folgenden die Treiber der Bedarfsseite analysiert Abb. 2. Die Bedarfsseite ist sehr unternehmensspezifisch. Daher werden hier, im Gegensatz zur Bestandsseite, deutlich weniger Überschneidungen erkennbar. Trotzdem wird ersichtlich, dass vor allem die künftigen Mitarbeiterqualifikationen, die Technologie sowie die Wachstumsrate des Unternehmens einen wichtigen Faktor in der Bedarfsanalyse darstellen. Zu beachten ist jedoch, dass die Beispiele zum Großteil aus produzierenden und dadurch sehr technisch orientierten Unternehmen stammen, wodurch der Einfluss von Technologie noch einmal vergrößert wird. Ein Unternehmen bezieht auch externe Treiber mit ein und berücksichtigt die Arbeitsmarktanalyse. Für andere Unternehmen ist das vorhandene oder gewünschte Portfolio entscheidend. Die restlichen Treiber scheinen eher unternehmensindividuell zu sein oder wurden eben im Rahmen der einzelnen Vorstellungen der Best-Practice-Ansätze nicht explizit benannt. Auch monetäre Faktoren, wie Teileumsatz, Budget oder Umsatzgröße werden als Treiber des Personalbedarfs betrachtet. Volumengrößen, wie das Projektvolumen, Produktionsvolumen, Komponentenvolumen, Volumen der Auslandsversorgung, das Retail- oder Whole sale-Volumen, scheinen in manchen Unternehmen ebenfalls einen signifikanten Einfluss zu haben. Ebenso werden Quoten wie die Eigen-/Fremdleistungsquote und die F&EQuote in die Planung einbezogen. Auch mögliche Produktivitätsschwankungen w erden
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versucht abzubilden. Darüber hinaus sind auch limitierende Faktoren wie die Werksleistung zu betrachten und Produktionsziele festzulegen.
3.6.1 S tärken und Schwächen der betrachteten Personalplanungsmodelle Die analysierten Modelle wurden anhand der Charakteristika der strategischen Personalplanung, die in Abschn. 2 beschrieben wurden, miteinander verglichen. Die Bewertung der Modelle erfolgt in einer 4-stufigen Skala (0–3) bei der 3 hoch/stark ausgeprägt und 0 keine Ausprägung bedeutet (Abb. 3). • Die Dichte der Prozessschritte kann nur schwer miteinander verglichen werden, da die einzelnen Schritte eine unterschiedliche Gliederungstiefe haben. • Die Betrachtung von Jobfamilien und nicht von Einzelpersonen ist in allen Modellen gegeben. Diese sind spezifisch auf das Unternehmen angepasst. So betrachtet z. B. Roche einige Mitarbeitende gar nicht, da diese offensichtlich nicht zu der strategisch relevanten Mitarbeiterschaft zählen. Durch die betrachteten und definierten Jobfamilien können Entwicklungspfade verdeutlicht werden und ggf. Qualifizierungspfade und -maßnahmen für die Mitarbeitenden abgeleitet werden. Dies geschieht automatisch, da in einer Jobfamilie Positionen, für die lediglich eine kurze Qualifizierungsdauer benötigt wird, zusammengefasst werden. Für die anderen müssen Qualifizierungswege definiert werden. • Alle betrachteten Herangehensweisen beinhalten eine Aussage über den qualitativen und den quantitativen Personalbedarf. Somit erfüllen auch diesen Aspekt alle Modelle. • Die vorgestellten Ansätze versuchen die Mitarbeiterkapazität darzustellen. Roche und Siemens schließen von vornherein einige Mitarbeitergruppen aus. Dies könnte zu einer
Abb. 3 Bewertung der Herangehensweisen der strategischen Personalplanung (eigene Darstellung)
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Verzerrung des Bildes führen, da zum Planungszeitpunkt mehr Mitarbeiterkapazität zur Verfügung steht. Die beschriebene Herangehensweise im Modell von BMW, nur mit der Anzahl der vorhandenen Mitarbeitenden zu rechnen, ist nur sinnig, wenn davon auszugehen ist, dass eine sehr geringe Anzahl an Teilzeitbeschäftigten im Unternehmen ist. Somit erhalten BMW, Siemens und Roche hier weniger Punkte. Bei allen Modellen erstreckt sich der Betrachtungshorizont über einen längeren Zeitraum hinweg. So können die Unternehmen die Auswirkung der Treiber richtig darstellen. Die Zeithorizonte sind unterschiedlich gewählt. Siemens und Roche haben z. B. 5 Jahre als Planungshorizont vorgesehen. – Der Betrachtungszeitraum ist aber nicht einheitlich bewertbar. Hier kommt es stark auch auf die Branche und die Produktlebenszyklen der Branche an. Diese scheinen bei Siemens und Roche deutlich kürzer zu sein als bei der BMW-Group. Somit erhalten auch hier alle Unternehmen die volle Punkteanzahl, da davon ausgegangen wird, dass alle Unternehmen den für sie passenden Planungshorizont gewählt haben. Je kürzer der Betrachtungszeitraum ist, desto schlechter sind dadurch auch die Wirkungsverzögerungen abbildbar. In manchen Branchen lässt sich jedoch aufgrund der Schnelllebigkeit und der Innovationskraft der Betrachtungszeitraum nicht verlängern. Die Ausprägung ist also auch an dieser Stelle für alle hoch. Alle Unternehmen und Vorgehensweisen haben als zentralen Bestandteil die Gap- Analyse, die die Lücke zwischen Mitarbeiterbedarf und -bestand darstellt. Dadurch werden in der Planung Über- und Unterdeckungen ersichtlich. Siemens und BMW haben hier bereits eine HR-Software-gestützte Version. Auch in den anderen Fällen sind kleinere Softwareversionen vorgesehen. Somit erfüllen hier ebenfalls alle Vorgehensweisen diese Charakteristika. Den Kern der SPP bildet die Betrachtung von unterschiedlichen Geschäftsszenarien. Dies ist bei allen Modellen in voller Ausprägung enthalten. BMW hat z. B. bereits 2 Grundszenarien definiert, die jährlich betrachtet werden. Dies erhöht die Vergleichbarkeit und lässt Entwicklungen deutlicher werden. Trotzdem erfüllen auch alle Modelle diesen Punkt in vollem Umfang. Der Einbezug von diversen Anspruchsgruppen ist ebenfalls fester Bestandteil bei allen Unternehmen. Dadurch soll die Akzeptanz der strategischen Personalplanung auch in den Fachbereichen sichergestellt werden. In jedem Modell erfolgt dies auf unterschiedliche Art und Weise. Hier werden Interviews, Workshops, Präsentationen etc. genannt. Eine Diskussion und Präsentation am Ende des Prozesses wie bei Siemens kann aber ggf. zu spät sein. Möglicherweise ist eine Zwischendiskussion von Ergebnissen bereits nach der Analyse der Entwicklung des Personalbestands notwendig. Daraus könnten sich Fragestellungen für den Bedarf entwickeln, die in die weiteren Analysen einfließen können (von Kettler 2017). Grundsätzlich ist zu erkennen, dass die strategische Personalplanung als fester Teil im Strategieprozess verankert wurde und zumindest auch teilweise Auswirkungen auf die Gesamtstrategie hat. Lediglich bei Siemens ist, im Gegensatz zu dem theoretischen Modell (nach Berendes), nicht vorgesehen, dass die strategische Personalplanung auch
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Einfluss auf die Geschäftsstrategie nimmt. In Branchen mit besonders schwierigem Arbeitsmarkt kann dies jedoch sinnvoll und notwendig sein, um das Risiko zu minimieren, Geschäftsentscheidungen zu treffen, die nicht durch das Personal abgedeckt werden können. Es ist jedoch keine zwingende Voraussetzung. Somit erhalten hier auch alle Beispiele die volle Punktzahl. • In allen Herangehensweisen werden eine HR-Software oder Hilfsmittel verwendet. Die HR-Software variiert hier in Umfang und Aufwand. Dies hängt jedoch auch von den zugrunde liegenden Fragestellungen und Ressourcen der Unternehmen ab. Durch die SAP-Schnittstelle und die strategische Personalplanungssoftware reduziert sich die notwendige Zeit stark. Daten müssen nicht mehr manuell aufbereitet werden (Berendes und Werner 2015). Dies könnte ein kleiner Vorteil sein, kann jedoch durch eine gute und sorgfältige Datenaufbereitung kompensiert werden. Der Vergleich und die Bewertung stellen somit die beiden Modelle der Zahnen Technik GmbH und der Allianz SE als die besten allgemeingültigen Modelle heraus. Jedoch ist die strategische Personalplanung immer im Kontext des Unternehmens sowie des Marktes und der Branche zu sehen und ist eine Ressourcenfrage. Die Zielsetzungen und Fragestellungen der einzelnen Organisationen, nach denen die strategische Personalplanung ausgerichtet wird, sind nicht vergleichbar. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde nun das Modell für einen Altenhilfeträger entwickelt.
4
erausforderung für eine Sozialorganisation im Bereich H der Altenhilfe
Wie in Abschn. 1 bereits erläutert, wird es besonders in einigen Wirtschaftszweigen wie dem Gesundheitswesen künftig zu einem erhöhten Bedarf an Arbeitskräften kommen. Der Bereich der Altenhilfe wird mit mehreren Dynamiken konfrontiert. Zum einen wird künftig mit einem Anstieg der Pflegebedürftigen gerechnet, was gleichzeitig jedoch auch zu einem Anstieg des benötigten Personals führt.
4.1
Rahmenbedingungen des Unternehmens
Die Sozialorganisation, in der das Modell zur strategischen Personalplanung im Bereich der Altenhilfe entwickelt wurde, ist ein traditionsbewusstes, als Stiftung organisiertes Unternehmen mit Hauptsitz in Baden-Württemberg, welches unterschiedliche Geschäftsfelder bedient. Als freier Träger arbeitet die Stiftung an der Verwirklichung von Teilhabe im Rahmen des Sozialstaats mit, für den sie in Subsidiarität Aufgaben erfüllt. Das größte Geschäftsfeld, bezogen auf die Anzahl der Mitarbeitenden, ist derzeit die Altenhilfe mit knapp 1000 Mitarbeitenden.
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Für das Pilotprojekt wurden 2 Regionen des Geschäftsfeldes Altenhilfe ausgewählt. In diesen Regionen findet in den nächsten 5 Jahren ein kleines, geplantes Unternehmenswachstum mit einem Aufbau von 8 Plätzen statt, was zu einem höheren Bedarf an Pflegekräften führen wird. Die Organisation hat für sich bereits die Pflegefachkräfte als eine erfolgskritische Ressource mit hohem Risiko identifiziert, da ihre kurzfristige und umfassende Substitution für das Unternehmen nicht möglich wäre. Die Mitarbeiterschaft der beiden Bereiche ist stark alterszentriert. Daher stehen beide Regionen kurz vor einer größeren Renteneintrittswelle. Sollten also künftig in diesem Bereich nicht ausreichend Mitarbeitende in den relevanten Berufsgruppen zur Verfügung stehen, hätte dies zur Folge, dass die Dienstleistungen im Geschäftsbereich der Altenhilfe und teilweise auch in weiteren Unternehmensbereichen nicht mehr in vollem Umfang erbracht werden könnten. Daraus würden voraussichtlich Umsatzeinbußen und Verluste von Marktanteilen resultieren. Bisher wurde in diesem Unternehmen die strategische Personalplanung von den jeweiligen Führungskräften unter Einbezug derer persönlicher Erfahrungen und Kriterien vorgenommen. Einen ganzheitlichen, zentral gestützten und gesteuerten Ansatz oder gar die Unterstützung durch eine Software oder ein Tool gab es bislang nicht. Dieser Vorgang soll nun optimiert und transparenter gestaltet werden. Ebenso soll die neue Herangehensweise die Gelegenheit bieten, Synergieeffekte zu nutzen. Auf dieser Grundlage sollen künftig sowohl Unternehmensentscheidungen getroffen als auch Handlungsalternativen überprüft oder analysiert werden können.
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onzeption eines Modells zur strategischen K Personalplanung für die Altenhilfe
5.1
Zieldefinition
Mithilfe der strategischen Personalplanung soll die Zeit zur Personalbeschaffung optimiert sowie Maßnahmen gezielt ausgerichtet und konzeptioniert werden. Das Unternehmen möchte flexibel und unabhängig von externen Mitarbeitenden sein. Die strategische Personalplanung soll des Weiteren dazu beitragen, eine Mitarbeiterschaft zu haben, die den künftigen Anforderungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht gerecht werden kann. Dem Grundmodell wurden folgende Fragestellungen zugrunde gelegt: • Ist die Anzahl der Pflegefachkräfte mit entsprechender Qualifikation in den Einrichtungen sichergestellt? • In welchen Jobclustern gibt es in den nächsten 5 Jahren Alters- und Kapazitätsrisiken? • Wie wirken sich Maßnahmen zur Sicherung des Pflegefachkräftebedarfs aus?
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5.2
M. Riester
Auswahl des Basismodells
Aus den bereits erläuterten Modellen soll nun ein für die Sozialorganisation passendes Basismodell ausgewählt werden. Nach der bisherigen Analyse wurde das Modell der Zahnen Technik GmbH und der Allianz SE favorisiert. Um die Passgenauigkeit des Modells für den Altenhilfeanbieter zu erhöhen, wurden weitere für die Praxis relevante Kriterien hinzugefügt. So wurden das Preis-Leistungs-Verhältnis und der notwendige Aufwand als weiteres Kriterium angesetzt, da nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung standen. Grund hierfür ist u. a. der nicht gewinnorientierte Organisationshintergrund des Unternehmens. Die Bewertung erfolgte wieder in der 4-stufigen Skala, wie bereits in der vorhergehenden Bewertung der Modelle unter Abb. 4. Der Aufwand der strategischen Personalplanung soll in der Organisation gering gehalten werden, um die knappen Ressourcen nicht zusätzlich zu belasten. Der schlanke Ansatz, der für KMUs ausgelegt wurde, wie der der Zahnen Technik GmbH, oder der einfache Ansatz der Allianz SE sind daher geeignet. Sie nutzen Modelle, die in IT-Standardlösungen implementiert sind, und keine Modelle, für die neue Softwareprogramme entwickelt werden müssen. Daraus lässt sich schließen, dass sowohl die Kosten als auch die notwendigen personellen Ressourcen, die z. B. zur Pflege der HR-Software notwendig sind, reduziert werden. Der Aufwand und die Komplexität der unterschiedlichen Herangehensweisen der Unternehmen sind teilweise sehr hoch. Siemens hat einen großen Katalog mit Jobclustern in unterschiedlichen Detaillierungsgraden angefertigt. Zudem wurde für jede Jobfamilie ein individueller Treiberbaum entworfen. Die SPP läuft hier unter Einbindung zahlreicher Anspruchsgruppen (von Kettler 2017). Auch die strategische Planung bei Roche wird durch das eigens für das Unternehmen entwickelte HR-Software-Tool sehr aufwendig, da das Tool stetig erweitert und gepflegt werden muss (Karr und Böhner 2016).
Abb. 4 Bewertung der SPP-Modelle aus Sicht der Sozialorganisation (eigene Darstellung)
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Bezüglich des Kostenaufwands können nur ungenaue Aussagen getroffen werden. Genaue Zahlen wurden von keinem Unternehmen genannt. Hier müsste noch ein Kosten- Nutzen-Vergleich gezogen werden. Die Annahmen bezüglich der Kosten basieren auf den vermuteten Personalkosten und den Softwarekosten. Aufgrund des einfach gehaltenen Prozesses, was auch mit den knappen Ressourcen bei KMUs zusammenhängt, und der Standardsoftware, was im Rahmen des Projektes ebenfalls gefördert war (Initiative Neue Qualität der Arbeit 2017), ist hier der Kostenaufwand voraussichtlich sehr gering. Eine unternehmensspezifische HR-Software, die speziell für das Unternehmen programmiert und angepasst wurde, wie z. B. bei Roche, bedeutet in der Regel immer Aufwand und Kosten. Aus diesem Grund werden die Standardprodukte favorisiert Die Unternehmen legen unterschiedliche Kriterien für die Jobfamilien an. Eine geeignete Definition der Jobfamilien muss für den Altenhilfeanbieter noch gefunden werden. Daher sind hier alle Unternehmensmodelle gleichzusetzen. Über die Jobfamilien werden in allen Modellen die Entwicklungspfade definiert und dargestellt. Für die Sozialorganisation ist das ebenfalls relevant, da die interne Entwicklung eine wichtige Quelle für Fachkräfte ist. Die Berücksichtigung der Entwicklungspfade ist in allen Beispielen vorgesehen, somit erhalten auch hier alle die Höchstpunktzahl. Das Betrachten von Angebot und Nachfrage ist ebenfalls in jedem Modell voll ausgeprägt und auch für den Altenhilfebereich essenziell. So auch die Betrachtung von Szenarien. Dadurch können Handlungsalternativen geprüft werden. Dies ist in allen Modellen vorgesehen. BMW hat außerdem Grundszenarien entwickelt, die jährlich betrachtet werden. Dies erhöht die Vergleichbarkeit auch über Jahre hinweg. BMW plant in seinem Modell nach Headcounts (Anzahl Köpfe) (von Kettler 2017). Dies wäre für das Best-Practice-Beispiel aufgrund der hohen Anzahl an Teilzeitbeschäftigten ungeeignet. In der Pilotregion 1 arbeiten 61 prozent der Personen in Teilzeit und in der Region 2 sogar 72,6 prozent der beschäftigten Personen. Eine Erfassung nach „Köpfen“ der Mitarbeitenden würde daher die tatsächlich vorhandene Kapazität stark verzerren. Wie bei vielen anderen Unternehmen soll daher die strategische Personalplanung in dem Unternehmen ebenfalls nicht nach Köpfen der Mitarbeitenden erfolgen, sondern in der Einheit Full-Time Equivalent berechnet werden, um die tatsächlich vorhandene Kapazität darzustellen. Im Tarifvertrag, der in diesem Unternehmen Anwendung findet, sind die Wochenstunden auf 39 festgelegt. Somit entspricht dort 1 Full-Time Equivalent einer 39-h-Arbeitswoche. Für den Altenhilfeträger ist ein längerer Betrachtungszeitraum möglich, um ggf. Wirkungsverzögerungen noch besser abzubilden. Die Produktlebenszyklen im Bereich der Altenhilfe sind sehr lang. Daher sollte der Betrachtungszeitraum mehrere Jahre umfassen. Dies ist in allen Modellen vorgesehen. Daher wird hier ebenfalls jedes Modell gleich bewertet. Auch die Betrachtungsmöglichkeiten von Wirkungsverzögerungen sollten für das Unternehmen im Altenhilfebereich gegeben sein, da diese z. B. aufgrund von Qualifizierungszeiträumen aufkommen. Dies kann dann möglicherweise Einfluss auf die Anzahl der
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vorhandenen Fachkräfte im Unternehmen haben. Dieser Aspekt hängt eng mit dem Planungshorizont zusammen und ist daher ebenfalls bei allen Unternehmen möglich. Das Angebot an Mitarbeitenden und die Abbildung der Mitarbeiterbedarfe sind ebenfalls fester Bestandteil jedes strategischen Personalplanungsmodells. Dies ist das Kernelement der strategischen Planung, da diese dann zur Gap-Analyse führt. Somit wird auch dieser Aspekt für alle sichergestellt. In diesem Punkt geht es darum, wie die Kommunikation mit den Stakeholdern erfolgt. Für die strategische Personalplanung ist die Akzeptanz durch alle Beteiligten essenziell. Alle Unternehmen schließen hier weitere Interessensgruppen ein. Das ist auch in dieser Organisation wichtig, dass die Lösung zusammen mit den Regionen erarbeitet wird, um die Akzeptanz der Personen vor Ort zu generieren und realisierbare Annahmen in den Modellen zu berücksichtigen. Alle Best-Practice-Beispiele sehen die strategische Personalplanung als Regelprojekt vor, welches wiederkehrend abläuft. Dies ist auch für die Organisation wichtig, um sich ändernde Bedingungen in den künftigen Analysen zu berücksichtigen. Daher erhalten auch hier alle die volle Punkteanzahl. Anhand der Analyse sind die simplen Lösungen, die von den KMUs verwendet werden, hinsichtlich der Anwendbarkeit bei dem Altenhilfeträger zu favorisieren. Aufgrund des Pilotcharakters des Projekts wurde beschlossen, die Prozessschritte kleingliedriger zu gestalten. Daher fiel die finale Auswahl auf das 5-stufige Verfahren der Zahnen Technik GmbH. Darüber hinaus entspricht es derselben Struktur, die auch in der bereits ausgewählten Software Anwendung findet, welche bei dem Altenhilfeträger zur Unterstützung der strategischen Personalplanung künftig verwendet werden soll. Anpassungen des Projektrahmens sind somit nicht notwendig. Im 1. Schritt wurden daher die Jobfamilien sowie die grundlegenden Fragestellungen festgelegt. Die detaillierte Erläuterung zur Entwicklung der Jobfamilien erfolgt unter Abschn. 5.3. Im 2. Schritt wurden der Personalbestand analysiert und die historischen Daten aufbereitet. In Schritt 3 folgte die Entwicklung des strategischen Personalbedarfs in Zusammenarbeit mit den Fachbereichsleitungen und Regionen sowie der Unternehmensentwicklung. Daraus soll ein Modellentwurf entstehen, der durch Interviews mit weiteren Leitungskräften validiert wird. In Schritt 4 erfolgte im Anschluss die Datenanalyse und Auswertung, dem sich im 5. und letzten Schritt die Ableitung von Handlungsfeldern und Maßnahmen anschloss. Zudem wurden interdisziplinäre Arbeitsgruppen gebildet. Diese bestanden aus der Unternehmensentwicklung, dem Personalmanagement und den Fachbereichen. Diese Einbindungen der unterschiedlichen Perspektiven waren wichtig, um Klarheit über die notwendigen Daten zu haben und die Akzeptanz zu erhöhen.
5.3
Entwicklung Jobfamilien
Die Entwicklung und Definition der Jobfamilien ist für den Bereich der Altenhilfe bereits durch rechtliche Grundsätze vorgegeben. Als Grundstruktur kann hier die Landes-
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personalverordnung (LPersVO) dienen. Die Kategorisierung der Jobfamilien ergibt sich zum einen aus § 7 der LPersVO, zum anderen aus der Anlage 1 zu § 7 Abs. 1 bis 4.(vgl. Schmid et al. 2015). Das Arbeiten nach diesen Vorgaben wird im Bereich der Altenhilfe als besonders geeignet angesehen. So kann dem Resultat später entnommen werden, in welcher Jobfamilie die Situation möglicherweise so kritisch ist, dass rechtliche Vorgaben bezüglich der Quote von Fach- oder Hilfskräften, die ebenfalls in der LPersVO hinterlegt sind, nicht mehr eingehalten werden können. Ebenso können in Szenarien andere Personalzusammensetzungsvarianten dargestellt werden. Daher werden folgende Jobfamilien festgelegt: Pflegefachkräfte nach § 7 LPerVO, unspezifische Fachkräfte sowie die Alltagsbegleiter und Altenpflegehelfer nach § 7 LPerVO. Ebenso sollen angelernten Kräfte und die Betreuungskräfte nach § 43b SGB XI, Auszubildende Pflege, Auszubildende Hauswirtschaft, Auszubildende Alltagsbegleiter, Hauswirtschaftsmitarbeitende, Leitung der Hauswirtschaft, Freiwilligendienstleistende/ Praktikum, Technischer Dienst, Leitungsfunktionen und Mitarbeitende Verwaltung unterschieden werden.
5.4
Funktionsweise der verwendeten HR-Software
Da das Unternehmen mehr als 4500 Mitarbeitende beschäftigt, reicht langfristig eine bloße Excel-Datei für die strategische Personalplanung nicht mehr aus. Daher wurde eine Software zur strategischen Personalplanung angeschafft. So können durch komplexe Algorithmen und vorprogrammierte Treiber die Auswertung der Zahlen der strategischen Personalplanung unterstützt und der strategischen Personalplanung ein Rahmen geben werden. Die Ergebnisse der HR-Software basieren auf historischen Daten sowie auf Entscheidungen und Annahmen, die getroffen werden. Szenarien können so schneller und sicherer aufgesetzt werden. Es war eine der wenigen HR-Softwares, die zumindest im weitesten Sinne im Gesundheitsbereich Anwendung finden. Hier wird eine sogenannte Baseline entworfen. In sie fließen die Grundlagen des Modelles ein. Darüber hinaus können unterschiedliche Szenarien angelegt werden, in die andere oder zusätzliche Treiber einfließen. In der SPP-Software werden folgende Treiber bereits integriert: Basisdaten zur Altersanalyse nach Region/Standort, Alter, Full-Time Equivalent, Einstellungen in prozent nach Jobcluster, Renteneintritte, Renteneintrittsalter (Differenzierung nach Jobcluster ist hier möglich), Fluktuation in prozent, kurzfristige Nachbesetzung in prozent nach Jobfamilie, Kosten nach Jobfamilie, jährliche Personalkostensteigerung, strategische Einflüsse, die mit bedacht werden müssen, Einwirkungen auf Jobcluster durch Abhängigkeiten von anderen Jobfamilien, eigene Mengentreiber oder die Direkteingabe von FTE durch geplanten Mehrbedarf sowie die Änderungsrate externer Gehälter.
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5.5
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Strategische Treiber
In Abschn. 3 wurden bereits zahlreiche Herangehensweisen sowie die unterschiedlichen Treiber, die die strategische Personalplanung beinhalten, vorgestellt und verglichen. Wie bereits von Berendes und Werner verdeutlicht wurde, sind grundlegende Elemente der strategischen Personalplanung unabhängig von Branche und Unternehmensgröße übertragbar. Dies gilt vor allem für die Entwicklungen auf der Bestandsseite. Auf der Bedarfsseite müssen jedoch spezifische Unternehmens- und Branchenanforderungen analysiert und hinzugefügt werden (Berendes und Werner 2015). Für die Zahlenwerte müssen sinnvolle Definitionen im Unternehmen entwickelt werden. Um geeignete Durchschnittswerte zu erhalten, sollen historischen Werte der 3 zurückliegenden Jahre ermittelt werden, in denen es keine besonderen Geschäftsvorfälle gab, die einen Durchschnittswert der identifizierten Treiber beeinträchtigen könnten. Die letzten 3 Jahre 2015, 2016 und 2017 sind hier geeignet. Im ersten Schritt sollen alle Treiber, die von mindesten der Hälfte der Best-Practice- Modelle verwendet wurden, für die Sozialorganisation übernommen werden, da diese offenbar eine große Relevanz aufweisen. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass in jedem der analysierten Best-Practice-Beispiele alle Treiber genannt sind, werden die restlichen Treiber ebenfalls betrachtet und geprüft, ob sie zur Beantwortung der Fragestellungen, die der strategischen Personalplanung des Altenhilfeanbieters zugrunde liegen, beitragen. Die vorgestellten Ansätze stammen vorwiegend aus Industriebetrieben. Daher sind einige Parameter nur bedingt auf den sozialen Bereich übertragbar. In diesen Fällen wird zuerst geprüft, ob es Analogien zur Sozialwirtschaft bzw. zur Altenhilfe gibt. Das Modell wird im Anschluss durch die Experteninterviews im Unternehmen überprüft und validiert oder falsifiziert werden. Zuerst sollen alle Treiber, die von mindestens 3 der 5 dargestellten Ansätze in der strategischen Personalplanung verwendet werden, für das Treibermodell übernommen werden. Nach diesem Vorgehen wurden 9 Parameter für das Modell als relevant identifiziert (Abb. 5). Die relevantesten Treiber bestehen somit aus den Einstellungen von neuen Mitarbeitenden, der Fluktuationsquote, den Abgangsarten, den vorhandenen Qualifikationen der Mitarbeitenden, dem Standort als Gliederung und auch den Renteneintritten. Darüber hinaus muss die fachliche Qualifikation, die künftig benötigt wird, einbezogen werden. Auch die in Zukunft notwendige Menge an Mitarbeitenden sowie der Einsatz von Technik und neuen Technologien spielen eine Rolle. Nun werden die übrigen Treiber, die im Rahmen der Literaturrecherche identifiziert wurden, betrachtet und auf ihre Anwendbarkeit und Notwendigkeit zur Lösung der Fragestellung für die Sozialorganisation geprüft. Einige der Treiber können jedoch nicht unmittelbar angewendet werden, sondern müssen in Analogien übertragen werden. Die Treiber werden am Ende in einer PESTEL-Analyse in die Kategorien politische ( Political), ökonomische (Economical), soziokulturelle (Social), technische (Technological), ökologische (Environmental) und rechtliche (Legal) Einflussfaktoren aufgenommen.
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Abb. 5 Überprüfung und Finden von Analogien der Treiber aus den Modellen (eigene Darstellung)
Im Bereich der ökonomischen Einflussfaktoren liegen die meisten Treiber, die Auswirkungen auf das Personal des Unternehmens haben, wie z. B. der Arbeitsmarkt sowie das Unternehmensportfolio. Der Arbeitsmarkt soll in das Grundmodell ebenfalls integriert werden, um zu analysieren, über welche Kanäle die Gewinnung von Fachkräften funktioniert, da der Arbeitsmarkt im Pflegebereich herausfordernd ist. Das Portfolio soll zunächst lediglich die ambulante und stationäre Pflege einbeziehen. Der Umsatz soll vorerst keine Berücksichtigung finden, da im Pflegebereich die Refinanzierung der Dienstleistung festgelegt ist und die Stiftung nicht gewinnorientiert arbeiten darf. Gleiches gilt für das Retail- Volumen. Das Budget soll für die Sozialorganisation ein Resultat der strategischen Personalplanung werden, indem geprüft wird, welches Budget für die Personalmaßnahmen notwendig ist. Das Projektvolumen soll als Projektvolumen für Sonderprojekte betrachtet werden. Diese können aufgrund der dünnen Personaldecke im Pflegebereich zu Kapazitätsrisiken führen. Das Sales-Volumen wird als Zahl der belegten Plätze ausgelegt und ist daher als sehr relevant für die strategische Planung anzusehen. In gleicher Weise soll das in Industriebetrieben vorhandene Produktionsvolumen interpretiert werden. Somit ist nur
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einer der beiden Treiber zu berücksichtigen, da dieser Aspekt sich doppelt. Die Produktionsziele werden als Zielerreichungsgrad der zu belegenden Plätze in Zusammenhang mit den vorkommenden Pflegegraden interpretiert werden, da diese Einfluss auf die Refinanzierung der Dienstleistung haben. Die Werksleistung soll als die maximal mögliche Bettenauslastung einbezogen werden. Das Komponentenvolumen entspricht im Bereich der Altenhilfe der Verteilung der vorhandenen Pflegegrade, so auch der Teileumsatz. Somit wird hier nur einer der beiden Treiber berücksichtigt. Das Thema Auslandsversorgung soll nicht berücksichtigt werden, da das Unternehmen bisher ausschließlich Standorte in Baden-Württemberg besitzt. Die Eigen- bzw. Fremdleistungsquote soll durch den Einsatz von Zeitarbeitsfirmen interpretiert werden, ebenso die Fertigungstiefe. Im Bereich der Altenhilfe laufen bereits zahlreiche Forschungsprojekte, daher soll auch die F&E-Quote in das Unternehmensmodell einfließen. Auch die strategische Bedeutung der Qualifikationen wird Teil des Modells, da eine Substitution von z. B. Pflegekräften zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich wäre. Ein weiterer wichtiger Treiber ist die Produktgruppe. Diese soll in der Organisation das Geschäftsfeld widerspiegeln. Da aktuell jedoch der Fokus in der Altenhilfe liegt, ist dieser Treiber zum jetzigen Zeitpunkt nicht relevant. Im Weiteren gibt es noch rechtliche Treiber, die auf gesetzlichen Grundlagen basieren. Sie sollen alle im Grundmodell berücksichtigt werden. Hierzu zählen bezahlte Fehlzeiten, die besonders in Unternehmen mit Berufsgruppen, welche an Pflichtschulungen teilnehmen müssen, Relevanz haben, Personalkosten, Schichtmodelle und Urlaubstage. Aus gesellschaftlicher Sicht gibt es ebenfalls einige wichtige Faktoren, die auf den Personalbestand und Personalbedarf eines Unternehmens einwirken. Hierunter fallen das Alter der Mitarbeitenden und Krankheitstage. Die sich rasant entwickelnden Technologien im Bereich Kommunikation und Information haben bereits heute entscheidenden Einfluss auf die Innovationskraft und das Bestehen im Wettbewerb eines Unternehmens (Rump et al. 2017). Darüber hinaus könnte die Digitalisierung künftig ebenfalls ein wichtiger Faktor der strategischen Personalplanung in der sozialen Branche werden, um die bereits knappen Ressourcen zu schonen. Man geht aktuell davon aus, dass durch den Einsatz von Technik vor allem Arbeitsabläufe und die Arbeitsorganisation verbessert werden sollen. Auch soll sie ermöglichen, die körperliche Belastung in der Pflege zu reduzieren und effektiver zu arbeiten (Fachforum Innovative Arbeitswelten im Hightech-Forum 2017). Hier wäre einzubeziehen, wie viel Mitarbeiterkapazität durch den Einsatz technischer Lösungen und digitalisierter Prozesse eingespart werden kann. Ein technischer Einflussfaktor ist auch das Technologiefeld, in dem gearbeitet wird. In diesem spezifischen Unternehmen würde dem ebenfalls das Geschäftsfeld entsprechen. Somit ist der Treiber nicht relevant und doppelt sich mit der Produktgruppe. Die Produktivitätssteigerung wurde hier aufgrund der Einsparung von Kapazität durch digitalisierte Prozesse der „Technik“ zugeordnet. Sie könnte allerdings auch aufgrund von Lerneffekten etc. eintreten. Möglicherweise existieren noch weitere jobfamilienspezifische Treiber. Diese müssten im Unternehmen identifiziert und in das Gesamtmodell integriert werden. Durch die vorinstallierten Treiber sowie durch das Prüfen der Treiber aus den bestehenden Modellen entsteht ein Grundmodell für die Sozialorganisation, welches aus 23 Trei-
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Abb. 6 PESTEL-Analyse Grundmodell der Sozialorganisation (eigene Darstellung)
bern besteht. Umwelteinflüsse sowie politische Treiber wurden keine identifiziert. Jedoch ist die Einordnung auch nicht immer eindeutig (Abb. 6). Die identifizierten Treiber wurden im Anschluss durch die Durchführung von teilstandardisierten Experteninterviews im Unternehmen versifiziert oder falsifiziert sowie weiter ergänzt.
5.6
Ergebnisse der Experteninterviews
Die Experteninterviews wurden mit Personen geführt, die sich aufgrund ihrer Profession bereits seit längerer Zeit mit an der Strategie ausgerichteter Personalplanung beschäftigt haben. Eine Auswahl von Experten ist grundsätzlich schwierig, da nicht genau definiert ist, wodurch eine Person zum Experten wird. Es wurde daher festgelegt, dass man aufgrund ihrer Funktion und Erfahrung in diesem Bereich davon ausgehen kann, dass sie zu dem forschungsrelevanten Thema einen Wissensvorsprung besitzen (Hitzler et al. 1994). Diese Voraussetzung ist von Bedeutung, da nur durch bereits vorhandene Erfahrungswerte alle relevanten Parameter erkannt werden können. Man hat sich dadurch auf einen Personenkreis beschränkt, der bereits für die Lösungsfindung des vorhandenen Problems, für die Einführung eines Lösungsweges oder für die Kontrolle verantwortlich ist (Kühl 2009). Somit bestand die Population aus nRe1 = 4 Personen; nRe2 = 9 Personen, nRe3 = 3 Personen, nGesamt = 16 Personen. In der Auswertung der Interviews wurden nun folgenden Ergebnisse ersichtlich. Der Planungshorizont scheint in der Altenhilfe eher kurzfristig angelegt zu sein, obwohl die Produktlebenszyklen der Wohnkonzepte und Dienstleistungsangebote sehr
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l angfristig sind. Dies könnte mit der sehr engen Verbindung von strategischer und kurzfristiger Personalplanung zusammenhängen. Der Großteil der Führungskräfte plant für einen Zeitraum von 3–5 Jahren. Daher wurde der Planungshorizont auf 5 Jahre festgelegt. Dies entspricht auch dem vorgesehenen Planungshorizont in der ausgewählten HR-Software. Im Rahmen der Interviews wurde deutlich, dass bezüglich der Fachkräftedeckung in den Regionen teilweise eine vollständig unterschiedliche Herangehensweise besteht. Zudem scheint die Problematik, Personal zu bekommen, ebenfalls unterschiedlich zu sein. In der Region 2 scheint es wesentlich einfacher zu sein, Stellen zu besetzen, als in Region 1. Damit künftig auch weitere Teile des Unternehmens in die Planung einbezogen werden können, soll die Gliederung auf Regions- sowie Fachbereichsebene erfolgen. So können regionale sowie fachliche Unterschiede berücksichtigt werden. Zudem werden bereits viele Kennzahlen im Unternehmen nach dieser Struktur erhoben, sodass dies als geeignete Ebene angesehen wurde. Die Jobcluster haben sich durch die Experteninterviews ebenfalls noch einmal verändert. Im finalen Modell sind nun deutlich weniger Jobfamilien enthalten. Die Jobcluster angelernte Kraft, weitergebildete Kraft, Assistenzkräfte § 7 LPersVO, unspez. Fachkraft und Pflegefachkraft werden unter dem großen Jobcluster Pflege zusammengefasst, können bei Bedarf aber auch einzeln betrachtet werden. Die Auszubildenden Alltagsbegleiter und die Auszubildenden Pflege wurden vereint. Die künftig zu betrachtenden Jobcluster sind nun die Pflegefachkraft, die unspezifische Fachkraft, die angelernte Kraft, Auszubildende in der Pflege, Betreuungskraft sowie Leitungsfunktionen/Verwaltung und Freiwilligendienstleistende/Praktikanten. Die Grundtreiber konnten von den Führungskräften daraufhin bewertet werden, ob sie als relevant anzusehen sind. Wurden diese von mehr als 50 prozent der Teilnehmenden als wichtig eingestuft, wurden sie in das Modell aufgenommen. Zudem konnten weitere Treiber ergänzt werden. Dies führte zu dem Ergebnis, dass die internen Bewegungen der Mitarbeitenden (inkl. Auszubildenden und Freiwilligendienstleistenden) berücksichtigt werden sollen. Ebenso relevant sind der Fachkräfteschlüssel und die Neueinstellungen von Mitarbeitenden. Auch die erforderlichen künftigen Qualifikationen und Kompetenzen spielen eine wichtige Rolle im finalen Modell. Ebenso muss das Unternehmenswachstum berücksichtigt werden. Die Schichtvarianten und Pflegegrade sollen ebenfalls einfließen. Des Weiteren fließen Platzaufbau/-abbau, zusätzliche Projekte, das Alter der Mitarbeitenden, Entwicklungen der Personalkosten, Renteneintritte, Anteil von Austrittsarten, jährliche Kostensteigerungen, Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen, Unterscheidung von ambulanten und stationären Angeboten, der Iststand der Bettenauslastung sowie Pflichtschulungstage, Altersteilzeitkosten und Einstellungskosten ein. Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkündigung soll in der HR-Software nicht gezielt berücksichtigt werden. Lediglich die unternehmensinterne und -externe sowie die natürliche Fluktuation (z. B. durch Renteneintritt) sollen unterschieden werden. Die Einsparung von Mitarbeiterkapazität durch digitale Prozesse soll im Grundszenario keine Berücksichtigung finden. Sie wird derzeit als noch nicht relevant erachtet. Schichtmodelle sollen nicht näher berücksichtigt werden. Ebenso sollten die Ur-
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laubstage aufgrund ihrer Planbarkeit nicht als Reduktion der Mitarbeiterkapazität gelten. Somit entsteht ein einfaches Modell, welches 19 verschiedene Treiber beinhaltet.
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Finales Planungsmodell für die Altenhilfe
Das Modell, welches im Rahmen dieser Studie für die betrachteten Regionen des Altenhilfeträgers ausgewählt wurde, zeichnet sich nun durch folgende Charakteristika aus: Die Anzahl der relevanten Jobfamilien wurde stark reduziert. Dies zeigt deutlich, dass hier eine tiefe Gliederung als nicht notwendig erachtet wird. Das komprimierte Modell besteht nun aus Pflegefachkraft, unspezifische Fachkraft, angelernte Kraft, Auszubildende in der Pflege, Betreuungskraft sowie Leitungsfunktionen/Verwaltung und Freiwilligendienstleistende/Praktikum. Der Altenpflegehelfer wäre zwar aufgrund der Auswertungen der Interviews als nicht relevant einzustufen gewesen, wurde jedoch aus strategischer Sicht in das Jobcluster der Assistenzkräfte aufgenommen. Die aktuelle Einschätzung hängt damit zusammen, dass der Altenpflegehelfer sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht für die Einrichtung derzeit nicht rechnet. Er ist teuer, darf jedoch aufgrund gesetzlicher Vorgaben nicht viel mehr Aufgaben übernehmen als die günstigere angelernte Kraft. An dieser Stelle wird jedoch aufgrund des Fachkräftemangels mit gesetzlichen Änderungen gerechnet. Somit könnte er in Zukunft strategisch relevant werden. Der Planungshorizont wurde auf 5 Jahre festgeschrieben. Die Gliederung des Modells bezieht nun sowohl die Region als auch den Fachbereich ein. Die in den Interviews als relevant identifizierten Treiber ergeben nun mit den vorinstallierten Treibern im Tool ein Modell, welches 27 Treiber einbezieht (Abb. 7). Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Treibervielfalt noch einmal reduziert wurde. Das Modell fokussiert sich auf wenige wichtige und aussagekräftige Treiber. Die Einsparung von Mitarbeiterkapazität durch digitale Prozesse soll im Grundszenario keine Berücksichtigung finden. Sie wird derzeit als noch nicht relevant erachtet. Schichtmodelle sollen nicht näher berücksichtigt werden. Ebenso sollten die Urlaubstage aufgrund ihrer Planbarkeit nicht als Reduktion der Mitarbeiterkapazität gelten. Zudem sollen die Austrittsarten nicht weiter differenziert werden.
7
Fazit
Zum Thema der strategischen Personalplanung existieren bislang noch keine Studien, sondern lediglich Praxisbeispiele, die die Anwendung in konkreten Unternehmen dokumentieren. Die Literatur ist stark limitiert. Das entwickelte Modell kann dadurch auf keine Forschungsergebnisse gestützt werden. Ob dies ein allgemeingültiges Modell ist, welches gar auf weitere Hilfebereiche oder andere Sozialorganisationen übertragbar ist, gilt es zu prüfen. Es kann aber sicherlich als Ausgangslage für weitere strategische Planungsmodelle gelten.
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M. Riester
Kategorie
Interpretation der Sozialorganisation
Sozio-Kulturell Ökonomisch Ökonomisch Ökonomisch Ökonomisch Ökonomisch Sozio-Kulturell Ökonomisch Ökonomisch Sozio-Kulturell Ökonomisch Ökonomisch Ökonomisch Sozio-Kulturell
Alter der Mitarbeitenden Alter für freiwillige Abgänge Angenommene Veränderungsrate externer Gehälter Anteil vorhandener Pflegegrade Anteile interne/ externe Besetzung Anzahl belegter Plätze Austritte von Mitarbeitenden Bedeutung für die Erfüllung der Fachkraftquote Einsatz von Zeitarbeitsfirmen Einstellungen und Übernahmen Entwicklungskosten Gehalt von Externen Gehaltsentwicklung pro Jahr in % Krankheitstage künftig vorhandene Qualifikationen und Kompetenzen Marge externer Gehälter Maßnahmen nach Jobcluster maximal Mögliche Bettenauslastung Personalkosten Pflichtschulungen von Pflegekräften Renteneintritte Unternehmenswachstum Unterscheidung ambulante vs. Stationäre Angebote Vorhandene/ Zukünftig notwendige Qualifikationen und Kompetenzen Wachstumsbasiertes externes Gehalt weitere Gliederung Zielerreichung belegter Plätze Arbeitnehmer-/Arbeitgeberkündigung Einsparung von Mitarbeiterkapazität durch digitale Prozesse und technologische Unterstützung. Schichtmodell Urlaubstage
Sozio-Kulturell Ökonomisch Ökonomisch Technik Ökonomisch Recht Recht Ökonomisch Ökonomisch Sozio-Kulturell Ökonomisch Gliederung Ökonomisch Sozio-Kulturell Technik Recht Recht
Final integriert ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ ¸ x x x x
Abb. 7 Finales Treibermodell (eigene Darstellung)
Die Entwicklung des Modells im Rahmen des Best-Practice-Beispiels zeigt deutlich, dass die strategische Personalplanung kein allgemeingültiger Prozess ist, sondern eines unternehmensindividuell gestalteten Modelles bedarf, welches die entsprechende Fragestellung beantwortet. Die Entwicklung muss aus unterschiedlichen Perspektiven erfolgen. Hier müssen vor allem auch die Fachbereiche einbezogen werden, um die Akzeptanz bei ihnen zu fördern.
Einführung in die strategische Personalplanung in der Altenhilfe
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Hilfreich ist ebenfalls ein geeignetes Tool oder eine Software, die stützend zur Verfügung stehen. Für die strategische Planung werden teilweise Daten benötigt, die bis zu diesem Zeitpunkt in dieser Form noch nicht im Unternehmen vorhanden sind, wie z. B. die Zuordnung von Mitarbeitenden zu Jobfamilien. Diese müssen entsprechend generiert werden und es müssen Regelprozesse dafür gefunden werden. Die Bedarfe in der Sozialbranche wichen aufgrund der starken Reglementierung bezüglich der Personalbemessung teilweise stark von denen der Industrie ab, was zahlreiche Anpassungen der HR-Software nach sich zog. Die Anpassungen wurden zwar im Zuge des Projektes teilweise vorgenommen, sind jedoch noch nicht gänzlich abgeschlossen. Die Software muss noch weiter auf die Sozialbranche abgestimmt werden, um die Ergebnisse zu optimieren. Der Versuch, den künftigen Personalbedarf durch die Darstellung der komplexen Zusammenhänge von unterschiedlichen Treibern darzustellen und zu visualisieren, muss nun in den kommenden Jahren auf seine Richtigkeit und Anwendbarkeit in der Praxis geprüft werden. Des Weiteren hat bereits die thematische Auseinandersetzung mit der strategischen Personalplanung Einfluss auf viele Denk- und Handlungsweisen in der Personalplanung gehabt.
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Melanie Riester war von 2014 bis 2020 im Stiftungsmanagement Personalmanagement der BruderhausDiakonie, einer Sozialorganisation mit knapp 5000 Mitarbeitenden, beschäftigt, wo sie ebenfalls ihr berufsbegleitendes MBA-Studium absolvierte. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen dort in den Themenbereichen Recruiting, strategische Personalplanung, Personalmarketing sowie betriebliche Gesundheitsförderung. Zuvor war sie bei Bulwork, einer bulgarischen Recruitingagentur für IT Professionals, tätig. Seit April 2020 ist sie Referentin in der Personalabteilung der Zollernalb Klinikum gGmbH in Balingen.
Erfahrungen im Einführungsprozess der Strategischen Personalplanung Traudel de la Roi und Jasmin Krabat
Zusammenfassung
Die Vorgehensweise der Strategischen Personalplanung (SPP) verfolgt die Übersetzung der Unternehmens- oder Geschäftsbereichsstrategie in eine Personalstrategie. Es können mit ihr langfristig wirkende Entscheidungen vorgedacht, bestätigt, nachverfolgt oder hinterfragt werden. Neben der Vorgehensweise der SPP erörtern die Autorinnen insbesondere die Voraussetzungen in der HR-Organisation, die für die Implementierung einer Strategischen Personalplanung zu schaffen sind, und welche sonstigen Einflussfaktoren von den verantwortlichen Akteuren zu berücksichtigen sind. Dabei betrachten sie die SPP weniger als klassisches Planungsinstrument, sondern eher als Instrument, das eine fundierte Entscheidung zur Strategiebildung ermöglicht. Eine in den Planungsprozessen des Unternehmens integrierte Strategische Personalplanung schafft die Möglichkeit, geeignete HR-Maßnahmen frühzeitig einzusetzen, damit sie rechtzeitig wirken können. Basierend auf der Unternehmensstrategie ist das Ziel, die zukünftig geforderten Kapazitäten und Kompetenzen im Unternehmen zu erhalten, zu schaffen oder neu zu verorten. Damit ist die SPP ein wertvolles Instrument, um den Kurs der Personalstrategie zu bestimmen.
T. de la Roi (*) · J. Krabat Volkswagen AG, Wolfsburg, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Rump, S. Eilers (Hrsg.), Strategische Personalplanung, IBE-Reihe, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61903-2_5
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Einleitung
Der Zeitpunkt für die Einführung einer Strategischen Personalplanung in der Marke Volkswagen fällt zusammen mit dem sich schon seit einigen Jahren abzeichnenden multidimensionalen Wandel in der Automobilindustrie: Digitalisierung, autonomes Fahren, Sharing Economy und Elektromobilität – abgekürzt CASE (connected, autonomous, shared, electric) – sind bedingt durch gesellschaftsund umweltpolitische Trends und Notwendigkeiten sowie neue technologische Möglichkeiten. Diese haben nicht nur Folgen für die Geschäftsmodelle in der Automobilindustrie, sondern stellen auch veränderte Anforderungen an die qualitative Personalstruktur in den Unternehmen. Volkswagen hat bereits in 2016 im Rahmen des Zukunftspakts erstmals die Notwendigkeit der Einführung des Personalinstruments der Strategischen Personalplanung beschrieben und eine Implementierung als Unterstützung für die nachhaltige personelle Transformation beschlossen. Das aktuelle Eckpunktepapier „Roadmap digitale Transformation“ von 2019 sieht vor, für jeden Vorstandsbereich mit den Instrumenten der Strategischen Personalplanung eine valide Grundlage für die künftige Personalbemessung und benötigten Qualifikationen zu erstellen. Parallel wurde im Personalbereich ein Veränderungsprozess initiiert, der die Rolle des HR Business Partners ab 2019 vorsieht. Diese spielt für die nachhaltige Umsetzung und Anwendung der Strategischen Personalplanung innerhalb der Geschäftsbereiche, wie in Abschn. 3.1 näher beschrieben, eine entscheidende Rolle.
1.1
Auf Transformationskurs
Die gemeinsame Betriebsvereinbarung zwischen Vorstand und Betriebsrat, der Zukunftspakt der Marke Volkswagen, war im Herbst 2016 ein Zeichen dafür, dass sich Volkswagen neu erfinden muss. Es geht nicht mehr nur darum, zu wachsen, sondern es geht darum, eine Transformation der Gesamtorganisation zu gestalten. Der Fokus liegt hierbei nicht nur auf den Bereichen Fahrzeugbau, Komponente und Technische Entwicklung, sondern es geht auch um die Transformation in den Verwaltungsbereichen. Die unterschiedlichen Anforderungen an die zukünftige qualitative Personalstruktur werden sich insbesondere durch den Einfluss und die Möglichkeiten der Digitalisierung von Prozessen und der Elektrifizierung der Fahrzeuge, aber auch durch neue Geschäftsmodelle in den nächsten Jahren massiv ändern. Hinzu kommen ein enormer Wettbewerbsdruck und die damit einhergehende Notwendigkeit zu immer mehr Effizienz. Gleichzeitig besteht aber die Vereinbarung über Beschäftigungssicherung. – Genau hier setzt die Strategische Personalplanung an.
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Die Transformation macht es erforderlich, sich mit verschiedenen Szenarien unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung der Belegschaft sowie der Ausrichtung der Transformation im Hinblick auf den multidimensionalen Wandel in der Automobilindustrie (CASE) zu beschäftigen. Auf dem Transformationskurs braucht es Orientierung in Bezug auf den Einsatz von notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen, gezielte Rekrutierung von internen und externen Ressourcen sowie die Restrukturierung von ganzen Bereichen, neben weiteren personalpolitischen Steuerungsmöglichkeiten wie z. B. der Alters teilzeit.
1.2
ielsetzung der Implementierung einer Strategischen Z Personalplanung
Im Zukunftspakt wurde deshalb vereinbart, dass neue Ideen und Innovationen im Bereich Personalplanung und Personalentwicklung vorangetrieben werden. Hierzu zählt auch die Strategische Personalplanung. Um die neuen Qualifikationsbedarfe zu konkretisieren, soll im Rahmen der Strategischen Personalplanung eine nach Anforderungen differenzierte Bedarfsanalyse im Abgleich mit der Bestandsentwicklung nach Jobclustern mit folgender Zielsetzung durchgeführt werden: • Schaffung von Transparenz zur heutigen Personalstruktur und zum Personalbestand entlang von Jobclustern, • Simulation des Personalbestands unter Annahme bestimmter Prämissen, • Simulation der Strategischen Themen einzelner Geschäftsbereiche und Werke mit ihrer Auswirkung auf die Beschäftigtenbedarfe, bezogen auf heutige und zukünftige Kompetenzen. Die Gap- und Risikoanalyse dient als Grundlage für die gemeinsame Diskussion weiterreichender HR-Maßnahmen, wie u. a. Rekrutierungs- und Qualifizierungsstrategien und notwendigen Personalbewegungen über den eigenen Vorstandsbereich oder/und den eigenen Standort hinaus.
1.3
ilotierung: Externe Unterstützung und interner P Know-how-Aufbau
Die Pilotierung der Vorgehensweise der Strategischen Personalplanung in den Bereichen Produktion, Komponente und Technische Entwicklung wurde in der ersten Projekthälfte zunächst mit externer Unterstützung seitens der Unternehmensberatung Boston Consulting (BCG) vorgenommen.
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BCG hat über mehrere Jahre und in verschiedenen Unternehmen Erfahrungen bei der Einführung einer Strategischen Personalplanung sammeln können. Festzustellen ist aber, dass die Vorgehensweise der Strategischen Personalplanung, die oft mit 5 Schritten skizziert wird, die Adaptation auf das jeweilige Unternehmen unter Berücksichtigung der dort vorhandenen Voraussetzungen und Möglichkeiten benötigt. Als entscheidend für die nachhaltige Weiterentwicklung, Ausgestaltung und Anpassung der Strategischen Personalplanung an die Besonderheiten der eigenen Organisation hat sich der Aufbau eines internen Expertenteams gezeigt. Die externen Beratenden wurden in der zweiten Projekthälfte deshalb im Schwerpunkt eingesetzt, um das interne Expertenteam zu qualifizieren und die verwendeten Tools zur Modellierung der Daten aufzubauen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Für den Aufbau eines internen Expertenteams sprechen aus unserer Erfahrung folgende Punkte: • Für die Modellierung braucht es die intensive und offene Diskussion mit den Geschäftsbereichen über sensible Planungsdaten und strategisch relevante Themen. • Die HR Business Partner (HRBP) benötigen nachhaltig Ansprechpersonen für die Modellierung von Szenarien. • Die Möglichkeit, das Team zur Qualifizierung der HRBP in der Vorgehensweise und den Tools der Strategischen Personalplanung einzusetzen. • Die interne Expertise zur Weiterentwicklung der Vorgehensweise und Methoden angepasst an die Bedürfnisse der Organisation und neu aufkommende Fragestellungen. • Die Verknüpfung mit weiteren relevanten Planungsthemen, wie z. B. dem Planstellenmanagement, und die Zusammenarbeit mit Bereichen wie Recruiting, Ausbildung und Qualifizierung. • Die Konsolidierung von Erkenntnissen über die Gesamtorganisation. Rainer Strack (BCG) und Thomas Sattelberger haben die Strategische Personalplanung in einem gemeinsamen Artikel als „Mutter aller Schlachten für den Dreiklang Aufbau, Abbau, Umbau“ beschrieben. Aber auch als Instrument, um „den Wertbeitrag von HR als Strategischer Partner weiter zu schärfen und zu steigern“.1 Das heißt aber auch, dass die Entscheidung für die Implementierung einer Strategischen Personalplanung auch die Entscheidung für eine iterative Vorgehensweise analog der anderen Planungsmechanismen in der Unternehmenssteuerung sein muss. Genau das spricht explizit für den Aufbau einer internen Expertise und die Unabhängigkeit von externen Beratungen.
1
Strack/Sattelberger, Strategische Personalplanung, 2009, S. 2.
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bgrenzung operative Personalplanung und A Strategische Personalplanung
In der Phase der Implementierung der Strategischen Personalplanung tauchen viele Fragen und Diskussionen über den richtigen Weg auf. Deshalb ist es relevant, die Abgrenzung zwischen der operativen Personalplanung und der Strategischen Personalplanung zu verdeutlichen. Während die operative Personalplanung sich einen Überblick über die kurz- bis mittelfristige Entwicklung der Personalzahlen unter bestimmten Annahmen seitens der Personalbestandsentwicklung verschafft, verfolgt die Strategische Personalplanung 2 Kernaufgaben: • Sie schafft Transparenz, indem sie die Unternehmensstrategie in den Personalbedarf der Zukunft übersetzt, und ermöglicht so • eine Steuerung in Bezug auf den quantitativen Personalaufwand und die qualitative Personalstruktur. Sie weist im Gegensatz zur operativen Personalplanung keine konkreten Planungsgrößen aus, sondern zeigt Trends auf, die in einem Zeitraum von 3, 5 oder 10 Jahren im Zusammenspiel von Bestands- und Bedarfsentwicklung wirksam werden. Auf dieser Basis verschafft man sich einen zeitlichen Handlungsspielraum, um adäquate Maßnahmen, die möglicherweise einen längeren Umsetzungszeitraum benötigen, zu ergreifen. An dieser Stelle der Hinweis, dass möglicherweise die treffendere Bezeichnung für eine Strategische Personalplanung der Begriff der Strategischen Personalsteuerung ist. Denn es geht hier nicht um eine konkrete Planung, sondern um eine Kursbestimmung, die bei sich verändernden Rahmenbedingungen – ähnlich einer Kurskorrektur beim Segeln – auch Anpassungen erfahren kann. Der Bezug zur Unternehmensstrategie ist das, was eine Strategische Personalplanung im Kern wertvoll macht und sie gleichzeitig von einer operativen Personalplanung oder dem klassischen Personalcontrolling unterscheidet.
1.5
Benchmark mit Externen
Wesentlich für die weitere Ausgestaltung des Projektes zur Implementierung der Strategischen Personalplanung war gerade zu Beginn der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Unternehmen, die schon Umsetzungserfahrung mit der Strategischen Personalplanung über einen längeren Zeitraum machen konnten. Gemeinsam war den Benchmarks, dass die Unternehmen nicht im ersten Anlauf eine Strategische Personalplanung etablieren konnten. Teilweise haben sie 2–3 Anläufe benötigt. Auf mögliche Widerstände und Hindernisse wird in Abschn. 3 noch näher eingegangen.
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Die wesentlichen Hinweise aus den Benchmarks, die wir auch in unsere Umsetzung haben einfließen lassen, sind: • Es braucht einen Vorstandsbeschluss zur Implementierung und Durchführung der Strategischen Personalplanung und die Bereitschaft zur Offenlegung der Strategie. • Es braucht HR als Strategischen Partner und HR Controlling als Backoffice für die HR Business Partner. • Die Jobcluster sind möglichst auf der Planstelle hinterlegt und werden bei personalwirtschaftlichen Maßnahmen gepflegt. • „Do-nothing-Szenarien“ stellen die Ausgangsbasis dar. • „Keep it simple“ und erst mal einfach anfangen. Man sollte annehmen, dass das Personalinstrument der Strategischen Personalplanung zum Standardprogramm gehört, aber tatsächlich gibt es nicht viele Unternehmen, die es aktuell in seinen Möglichkeiten ganzheitlich einsetzen und nachhaltig in der Unternehmenssteuerung nutzen. Solange die Unternehmen von einer Stabilität und Vorhersehbarkeit ihres Umfeldes ausgehen konnten, hat es keiner Szenarien und Prognosen bedurft, die 5 oder 10 Jahre in die Zukunft sehen. Aber die Notwendigkeit, sich mit der Zukunft in Bezug auf die Entwicklung der qualitativen Personalstruktur einer Organisation auseinanderzusetzen, steigt in der VUCA-Welt von heute. Die Betrachtung der demografischen Kurven reicht für viele entscheidungsrelevante Fragestellungen nicht mehr aus.
1.6
Internes Expertennetzwerk
In einem Konzern von der Größe der Volkswagen AG, mit ca. 670.000 Mitarbeitenden, kommt es vor, dass verschiedene Marken zeitgleich ähnliche Überlegungen anstellen. So war es auch Anfang 2017 in Bezug auf die Strategische Personalplanung. Viele Personalkolleginnen und Personalkollegen sahen die Notwendigkeit, über quantitative Prognosen hinaus Aussagen über die Entwicklung der qualitativen Personalstruktur, die einen massiven Wandel in den Anforderungen erfahren wird, für die Geschäftsbereiche zur Verfügung zu stellen. Deshalb wurde die Strategic Workforce Community – zunächst nur mit der Intention, Erfahrungen auszutauschen und Fragestellungen gemeinsam zu erörtern – gegründet. Aktuell wird die Jobclusterung, wie näher in Abschn. 2 erläutert, mit dem Ziel der Vereinheitlichung im Konzern abgestimmt und eine gemeinsame Beschreibung der Jobcluster in Form eines Jobcluster-Handbuchs erstellt. Auch finden die von der Marke Volkswagen aktuell verwendeten Tools zur Datenmodellierung (Alteryx) und Datenvisualisierung (Tableau) bei einigen weiteren Marken Verwendung. Parallel testen Kolleginnen und Kollegen einer anderen Marke den Einsatz alternativer Tools (Dynaplan).
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Relevant ist der regelmäßige Austausch über Änderungen in den Jobclustern und Erfahrungen mit den Geschäftsbereichen in der Methodik der Strategischen Personalplanung, um Fehler zu vermeiden und Möglichkeiten nicht zu übersehen.
2
berblick zur Methode der Strategischen Personalplanung Ü bei Volkswagen
Um Transparenz über die aktuelle Personalstruktur zu schaffen, unterschiedliche Prämissen und demografische Umstände einfließen zu lassen und um die unterschiedlichen Strategien und Szenarien der verschiedenen Geschäftsfelder einzubinden, wird mit einer einheitlichen Methode gearbeitet. Diese fußt, wie in Abschn. 1 bereits skizziert, auf den Erfahrungen und Erkenntnissen von BCG und wurde im Rahmen der Implementierung bei Volkswagen an die spezifischen Gegebenheiten weiter angepasst. Die Basis für die Methode der Strategischen Personalplanung bei Volkswagen bildet die sogenannte 5-Schritt-Logik, die auf einem Konzept zum Management von Kapazitäts- und Produktivitätsrisiken fußt. Damit die Methode im Unternehmen auch nachhaltig Anwendung findet, ist insbesondere die Unterstützung der relevantesten Personalprozesse im Unternehmen wichtig. Im Rahmen einer groß angelegten Transformation seien an dieser Stelle Rekrutierung und Umstrukturierung besonders betont. Innerhalb der Methode der Strategischen Personalplanung werden 5 Schritte durchlaufen (Abb. 1). Die Jobclusterung und die Definition dieser bilden dabei die Basis, um über eine selbst entwickelte und an das Unternehmen angepasste Taxonomie eine Möglichkeit der Einordnung der einzelnen Mitarbeitenden zu ermöglichen. Die Besonderheit in diesem Vorgehen ist, dass die Darstellung der langfristigen Belegschaftsentwicklung mit
2. Bestand
4. Heatmap
1. Jobcluster
3. Bedarf
Abb. 1 Fünf Schritte der Strategischen Personalplanung (eigene Darstellung)
5. HRMaßnahmen
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klassischen quantitativen Angaben des Personalcontrollings in Kombination mit dem qualitativen Merkmal des Job- und Subjobclusters Aussagen über Kompetenz- und Kapazitätsrisiken machen kann.
2.1
Jobclusterung als nachhaltige Basis
Um Personal strategisch planen zu können, ist es neben quantitativen Faktoren (z. B. Anzahl der Mitarbeitenden je Organisationseinheit) ebenso wichtig, qualitative Informationen mit einzubeziehen. Wenn das Unternehmen plant, den richtigen Mitarbeitenden zur richtigen Zeit am richtigen Arbeitsplatz zu beschäftigen, so lohnt der Blick auf die Kompetenzen oder auch die dahinterliegenden Fähigkeiten (vgl. Schmitz 2013, S. 65). Für die Erarbeitung dieser Information wurde zunächst damit begonnen, die vorhandenen Daten im Unternehmen zu nutzen, die eine Clusterung der Kompetenzen ermöglichen. Da insbesondere bei Strategischer Planung eine Verringerung der Komplexität hilfreich ist, um entsprechende Entscheidungen fällen zu können, war es notwendig, grobe Cluster zu bilden. Im Unternehmen bestanden für die größten Geschäftsbereiche bereits Berufsfamilien mit einer Verfeinerung in Form von sogenannten Kompetenzprofilen. Diese wurden schließlich als erste Grundlage verwendet, um eine eigene Taxonomie für die Jobcluster zu entwickeln. Um auch eine Verfeinerung zu ermöglichen, gibt es in einer zweiten Ebene die Subjobcluster. Beide beziehen sich ausschließlich auf die aktuelle Stelle des Mitarbeitenden. Dabei ließe sich argumentieren, dass durch diese Vereinfachung nicht das vorhandene Kompetenzspektrum jedes Mitarbeitenden darstellbar ist, sondern lediglich die aktuell angenommenen benötigten Kompetenzen für die ausgeübte Stelle. Jedoch ist es im ersten Schritt der Strategischen Personalplanung besonders von Vorteil, zunächst grob vorzugehen, um eine Vereinfachung der Datenlage zu ermöglichen. Bei mehr als 100.000 Mitarbeitenden sind Detailanalysen erst zu einem späteren Zeitpunkt geboten. Außerdem ist es in einem großen Konzern möglich und auch üblich, dass Mitarbeitende sich im Laufe der Zeit ihren Fähigkeiten entsprechend entwickeln können, die nicht ausschließlich mit der initialen Berufsausbildung einhergehen müssen. Job- und Subjobcluster sind crossfunktional anwendbar, das heißt, dass alle Mitarbeitenden entsprechend ihrer ausgeübten Stelle zugeordnet werden, unabhängig davon, wie die Organisationseinheit heißt oder welche Aufgaben in dieser möglicherweise noch bestehen. Für unsere Aufteilung der Jobcluster haben wir uns für einen Zeithorizont von über 24 Monaten entschieden, wenn Mitarbeitende sich von einem in ein anderes Jobcluster verändern würden. Für einen Wechsel zwischen den Subjobclustern innerhalb des gleichen Jobclusters ist eine Zeit von 12–24 Monaten definiert. Ganz konkret am Beispiel erläutert heißt das, dass der Wechsel vom Jobcluster „Beschaffung“ in das Jobcluster „Softwareentwicklung“ nicht in kürzester Zeit möglich ist. Es ist eine neue grundlegende Qualifizierung oder sogar ein Studium notwendig, um die entsprechenden Anforderungen im Arbeitsalltag bewältigen zu können, was in der Regel einen zeitlichen Rahmen von mehr als 2 Jahren zur Folge hat. Innerhalb der Subjobcluster des dazugehörigen Jobclus-
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ters ist es wesentlich zügiger möglich, die Qualifizierungen oder Fertigkeiten zu erwerben. „Beschaffende“, die in ihrerVerfeinerung im Subjobcluster „A-Einkaufende/P-Einkaufende“ eingeordnet sind, können sich innerhalb von 1–2 Jahren in das Subjobcluster „Projekteinkaufende/-steuernde“ qualifizieren. Diese Einordnungen sind als grobe Leitplanken zu verstehen, die eine Abschätzung der Mobilität zwischen den Jobclustern unterstützen. Ausnahmen durch individuelle Grundlagen und Weiterbildungen des Mitarbeitenden können den zeitlichen Rahmen natürlich verkürzen. Für einen Strategischen und langfristigen Blick auf die Belegschaft und erste Erkenntnisse im Rahmen der Transformation hilft die grobe Abschätzung bei der Komplexitätsreduktion in hohem Maße. Die Benennung und Aufteilung der Jobcluster ist der grundlegende und nachhaltige erste Schritt. Daher sei klar empfohlen, dass eine enge Abstimmung mit allen Stakeholdern besteht und das Konzept schlüssig und nachvollziehbar kommuniziert ist. Es ist nicht trivial, den richtigen Grad der Verfeinerung zu wählen und im Gesamtbild grob genug zu bleiben, um damit arbeiten zu können. Für die Nutzung in der Praxis hat sich insbesondere bei Volkswagen der erläuterte Rahmen als bewährt erwiesen. Für ein anderes Unternehmen kann es je nach Spezialisierungsgrad der Bereiche sicher Abweichungen geben. Um die Jobcluster-Systematik auch nachhaltig im Unternehmen zu etablieren, war es für uns hilfreich, dass es eine systemseitige Verknüpfung mit den Daten der Mitarbeitenden gibt. Nicht nur der Aspekt des Datenschutzes, auch die langfristige Nutzbarkeit und die nachhaltige Pflege der entsprechenden Daten sind Argumente, die für eine Systemlösung sprechen. Im Idealfall gibt es ein bestehendes Personalsystem, in dem für die Mitarbeiterdaten lediglich die zutreffenden Jobcluster ergänzt werden können und bei Veränderung auch aktuell gehalten werden können. Um besonders die Anforderung an die Stelle zu betonen und von der individuellen Situation des/der Mitarbeitenden zu lösen, war die Entscheidung schnell gefällt, das Jobcluster als zusätzliches Kriterium an der Stelle zu ergänzen. Damit wird auch ein einheitliches Bild geschaffen, wenn zusätzlich zur Strategischen Personalplanung ein Reporting über nichtbesetzte Stellen genutzt wird.
2.2
Bestandsmodellierung als Quick-Win
In der Modellierung des Bestandes soll aufgezeigt werden, wie sich der Personalbestand entwickeln würde, wenn fest definierte Prämissen Einfluss finden, ohne jedoch mögliche Zuführungen oder Übernahmen mit aufzunehmen. Über diese Sichtweise wird das Risiko in einigen Bereichen oder auch Jobclustern verschärfter dargestellt, als es womöglich im Abgleich zum Bedarf wirklich ist. Doch dazu später mehr. Um die Abbildung der Bestands- aber auch später der Bedarfsentwicklung genauer darzustellen, bieten sich FTE- Werte an (Abb. 2). Für die Full-Time-Equivalent-Werte haben sich der Wert 1 für Mitarbeitende in Vollzeit und der Wert 0,6 als Durchschnittswert aller Mitarbeitenden in Teilzeit als bewährt gezeigt (vgl. Schmitz 2013, S. 68). Zur Betrachtung der Bestandsentwicklung lohnt zunächst der Blick auf das sogenannte Do-nothing-Szenario. Innerhalb dessen werden lediglich die geplanten Altersabgänge
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Jobcluster
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2023
2024
2025
2026
2027
2028
Anlagenbediener MA Operative Produktion
Zukunftskompetenz
Abb. 2 Exemplarische Heatmap (eigene Darstellung)
(über Altersteilzeit und das gültige gesetzliche Rentenalter) und die Fluktuationsquote in die Abgänge miteinbezogen. Schon hier beginnt die Analyse des Personalbestandes erste Aussagen zu liefern. So kann es beim Blick in einzelne Organisationseinheiten schon hier deutlich werden, dass Kompetenzrisiken zu erwarten sind, wenn die Altersabgänge den Bestand deutlich minimieren. Dies steht immer in Abhängigkeit davon, dass die heutigen Projekte und Planungen auch die morgigen sein werden. Es ist aber hervorzuheben, dass Planungen des Unternehmens und zukünftige Einflüsse bei der Analyse mit zu berücksichtigen sind. Nur so ist es möglich, eine valide Analyse mit Implikationen für die Zukunft vorzunehmen. Auch die Analyse unterschiedlicher Szenarien ist schon im Bestand zielführend. So kann eine erhöhte Fluktuation durch den Verlust von Arbeitgeberattraktivität ebenso großen Einfluss auf die Bestandsentwicklung nehmen wie die Entscheidung zu einem späteren Renteneintrittsalter.
2.3
Bedarfe analysieren
Die zentrale Frage hinsichtlich des Bedarfes ist: Was treibt den Personalbedarf und welche weiteren Faktoren haben Einfluss auf diesen? Ziel ist es, herauszufinden, ob ich mit den heutigen qualitativen, aber auch quantitativen Merkmalen der Mitarbeitenden die Herausforderungen der Zukunft meistern kann und entsprechend Know-how und ausreichend Arbeitskraft haben werde. Dafür ist es notwendig, ein Treibermodell zu entwickeln, das sich systematisch den Personalbedarfstreibern eines Geschäftsbereichs widmet. Das bedeutet, dass Vertretungen aus HR gemeinsam mit Expertengruppen des Bereiches den Haupttreiber des Kerngeschäfts identifizieren und daraus Maßnahmen auf den Personalbedarf ableiten. Insbesondere die Einführung der Jobcluster hilft dabei, auch spezifische Maßnahmen ableiten zu können. In fertigenden Bereichen wird die Ableitung über die Volumen der Produkte, gegebenenfalls über die unterschiedliche Fertigungstiefe oder den Produktmix und die Produktivität vorgenommen. Für Bereiche, die von klassischer Wissensarbeit geprägt sind, lässt sich die Vorschau des Personalbedarfes über mögliche
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erausforderungen der Zukunft entwickeln, ist damit jedoch auch wesentlich herausforH dernder abzuleiten (vgl. Strack et al. 2008, S. 7). Mithilfe der Heatmap lässt sich der Bestand dem Bedarf auf Basis der Jobcluster gegenüberstellen und es werden Über- und Unterdeckungen sichtbar. Fällt der Bedarf an Personal eines Jobclusters unter den Bestand, weist die Überdeckung darauf hin, dass es nicht ausreichend Beschäftigung für Mitarbeitende in diesem Jobcluster geben wird. In Abb. 2 ist dies beim Anlagenbediener ab dem Jahr 2024 erkennbar. Eine Unterdeckung, und damit ein Indiz für mangelnde Kapazitäten, wird beim Jobcluster MA Operative Produktion ab dem Jahr 2021 sichtbar. In der Zeile der Zukunftskompetenz wird verdeutlicht, dass beginnend mit dem Jahr 2021 und verschärft im Jahr 2023 eine Unterdeckung vorliegt. In allen 3 Fällen ist es ratsam, eine vertiefende Analyse der Daten vorzunehmen und mittels konkreter HR-Maßnahmen Abhilfe zu schaffen.
2.4
Es gibt mehr als eine Zukunft
Zuvor wurde bereits die Möglichkeit zur Szenarienbildung im Bestand angesprochen. Dem folgend ist es ebenso zielführend, weitere Szenarien im Rahmen der Bedarfsentwicklung mit aufzunehmen. Insbesondere in einem sich schnell wandelnden Umfeld ist es hilfreich, mithilfe mehrerer Szenarien eine gewisse Vorbereitung auf zukünftige Herausforderungen zu erhalten. Für die Entwicklung unterschiedlicher Szenarien ist eine vorherige Abschätzung von relevanten Zukunftsthemen notwendig. Auch hier ist die enge Zusammenarbeit zwischen Geschäftsbereich und HR Business Partner von Vorteil. Besonders bei der Entscheidung, wie viel Einfluss ein neues Thema haben kann, können Erfahrungen der Vergangenheit und externe Impulse die Entwicklung des Szenarios verbessern. Daher empfiehlt es sich, dass im Rahmen von gemeinsamen Workshops mit Fachkundigen des Bereiches die größten Einflussfaktoren identifiziert und daraus die Ableitungen definiert werden. Daraus können grobe Abschätzungen entstehen, die über einen Jahresprozess oder vor weiteren Entscheidungen für das Geschäftsfeld mindestens jährlich aktualisiert werden müssen.
2.5
Ausblick auf konkrete HR-Maßnahmen
Die Strategische Personalplanung kann die HR Business Partner dabei unterstützen, rechtzeitig die Planung und Umsetzung notwendiger Maßnahmen zu beginnen. Da wir bei der Strategischen Personalplanung (SPP) von einem Strategischen Blick auf einen 3- bis 7-Jahres-Horizont sprechen, wird den HR Business Partnern ausreichend Zeit gegeben, um auch langfristige Maßnahmen anzustoßen. Illustrierend, jedoch nicht abschließend, werden im Folgenden die Bereiche Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung und weiterführend die Restrukturierung in der Organisation mit möglichen konkreten HR-Maßnahmen dahinter dargestellt.
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Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung Die Qualifizierung und Weiterbildung der bestehenden Mitarbeitenden kann Kosten und oft auch Zeit sparen (vgl. Strack et al. 2011, S. 20). Des Weiteren zeugt es von sozialer Verantwortung, wenn Mitarbeitende frühzeitig auf den Wandel und möglichen Entfall ihres Arbeitsplatzes vorbereitet und entsprechend auf- oder umqualifiziert werden. Restrukturierung Während im vorangegangenen Abschnitt die Transformation der Kompetenzen und Fähigkeiten zentral war, kann die SPP in der Restrukturierung dabei unterstützen, vorhandenes Potenzial weiterhin nutzen zu können. Über Restrukturierungen oder auch Standortverlagerungen von Produkten und Prozessen kann der Bedarf an einer spezifischen Kompetenz an Standort A massiv steigen und zu einer perspektivischen Unterdeckung führen. An Standort B wiederum ist es möglich, dass dort die Verlagerung zu einer starken Überdeckung geführt hat. Mithilfe der Jobcluster ist es so nun möglich, die Potenziale mit wegfallenden Aufgaben an einem Standort zu identifizieren und die Möglichkeit zum Wechsel an den anderen Standort zu bieten. So kann das Wissen von Fachkräften nachhaltig gehalten und genutzt werden.
3
Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Implementierung
Aus der Retrospektive betrachtet, haben wir in der Marke Volkswagen bereits viele Vo raussetzungen für die nachhaltige Umsetzung der Strategischen Personalplanung geschaffen. Zwei notwendige Bedingungen für die Akzeptanz und den nachhaltigen Erfolg der Strategischen Personalplanung sind aber noch zu fixieren und auszugestalten. Die Strategische Personalplanung braucht die Übernahme der Rolle des Business Partners im Personalbereich. Der HR Business Partner ist im Sinne eines Strategischen Partners für die Mitgestaltung der Unternehmensstrategie verantwortlich und gibt dem Geschäftsbereich sowohl wertvolle Hinweise in Bezug auf die Planung der qualitativen und quantitativen Personalstruktur als auch im Hinblick auf mögliche Maßnahmen, die zur Zielerreichung beitragen. Er agiert als Vordenkender und hat mit der Strategischen Personalplanung ein Instrument in der Hand, mit dem er basierend auf der Strategie des Unternehmens bzw. des jeweiligen Geschäftsbereiches gemeinsam mit dem Geschäftsbereich treffende Ableitungen für die Personalsteuerung erarbeiten kann. Die zweite notwendige Bedingung ist das Einfordern der Strategischen Personalplanung in den Geschäftsbereichen durch den Vorstand. Die Beachtung folgender „goldener Regel“ muss hier von entsprechenden Gremien eingefordert werden und sich zu einer Selbstverständlichkeit entwickeln: Für die zukunftsgerichtete Personalsteuerung müssen alle Entscheidungen über mittelbis langfristige HR-Maßnahmen unter Einbeziehung der Analysen im Rahmen der Strategischen Personalplanung erfolgen.
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Die eigene Personalorganisation
Im Oktober 2017 hat sich die Personalorganisation der Volkswagen AG auf den Weg gemacht, ihre eigene Organisation zu transformieren, um sich auf die sich verändernden Rahmenbedingungen und veränderte Anforderungen einzustellen. Der seit 2008 vom damaligen Konzernpersonalvorstand, Dr. Horst Neumann, verfolgte Ansatz der Spitzenpersonalarbeit bedurfte einer Überarbeitung. Ausgangssituation in der HR-Organisation In der Spitzenpersonalarbeit wurde die Idee des direkten Betreuungsmodells verfolgt, das heißt, ein/e Personalreferent/in sollte ca. 300 Mitarbeitende gegenüber in allen Personalthemen – wie z. B. der klassischen Personalbetreuung von Rekrutierung bis zur Entlassung, Führung und Zusammenarbeit sowie Vergütung – als Ansprechperson fungieren. Mit dem Anspruch der Nähe zum Fachbereich sollte er/sie für die Mitarbeitenden und gleichzeitig für die Führungskräfte zuständig sein. Dieser Anspruch war im Laufe der Zeit – auch aufgrund der enorm zunehmenden dezentralen Administrationsprozesse, der Themenvielfalt in der Personalbetreuung, zu viel Bürokratie, ungeklärter Schnittstellen und mangelnder IT-Unterstützung – nicht mehr aufrechtzuerhalten. Mit der Notwendigkeit der Transformation der Gesamtorganisation steht auch die Forderung nach neuen Personalstrategien und auf die Geschäftsbereiche zugeschnittenen Konzepten im Raum. Der/die Personalreferent/in in der Spitzenpersonalarbeit hatte dafür weder Kapazität noch die notwendige Qualifikation oder entsprechende Tools zur Verfügung. Die Rolle des HR Business Partners, wie sie schon Dave Ulrich in den 90ern verstanden haben will, nämlich als Srategischer Partner, blieb unbesetzt. Das ist einer der wesentlichen Punkte, der zur Transformation der HR-Organisation in der Volkswagen AG geführt hat.
3.2
Transformation der HR-Organisation
Das übergreifende Ziel der Transformation der eigenen HR-Organisation war und ist es, Wirksamkeit zurückzugewinnen: Standardprozesse zu vereinfachen, Beschäftigte und Mitarbeitende der Personalabteilung von repetitiven Aufgaben zu entlasten, Komplexität zu reduzieren und eine Strategische Führung zu ermöglichen. Die Strategische Personalplanung als Vorgehensweise wird hier zukünftig für die neue Rolle des HR Business Partners das Instrument sein, mit dessen Einsatz der HR Business Partner in Zusammenarbeit mit seinem zu betreuenden Geschäftsbereich eine Entscheidungsgrundlage für Strategische Fragestellungen, die People-Dimension betreffend, einbringen kann.
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Dies erfolgt im ersten Schritt in Form einer modellierten Bestandsanalyse, die neben der klassischen quantitativen Modellierung der demografischen Kurve auch die qualitative Dimension betrachtet. Hier ist auch die Möglichkeit gegeben, verschiedene Ausprägungen von personalpolitischen Maßnahmen, wie z. B. die unterschiedlichen Annahmequoten für die Altersteilzeit, in Bestandsszenarien abzubilden. Die Pflicht besteht dann darin, gemeinsam mit dem Geschäftsbereich – über die Modellierung der entsprechenden Treiber für die Entwicklung des Geschäftes in den nächsten Jahren – Gaps zwischen dem qualitativen und quantitativen Bestand und Bedarf aufzudecken, um geeignete Maßnahmen gemeinsam festzulegen. Die Kür für den HR Business Partner besteht darin, den Geschäftsbereich dazu einzuladen, die Auswirkung verschiedener Zukunftsthemen auf die People-Dimension iterativ zu betrachten. Neben der notwendigen Voraussetzung, die an die Rolle des HRBP für die Anwendung der Vorgehensweise der Strategischen Personalplanung geknüpft ist, braucht es aber auch die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Geschäftsbereich und die klare Anwendung der schon angesprochenen „goldenen Regel“ in den Planungsgremien der Organisation.
3.3
Herausforderungen der Organisation
Die Verankerung der Strategischen Personalplanung in der Organisation als Selbstverständlichkeit und damit Teil der Unternehmensplanung ist neben der Etablierung der Rolle des HR Business Partners eine notwendige Voraussetzung. Die Entwicklung der qualitativen und quantitativen Personalstruktur bedarf einer iterativen Betrachtung in den Planungsrunden analog technischer Entwicklungen oder sonstiger Risiken. Ein wesentliches Lessons Learned ist, dass solch ein Projekt von Anfang an mit nachhaltigen Kapazitäten ausgestattet und in einer zentralen Einheit angesiedelt wird. Wie viel Kapazität diese Aufgabe auf Dauer benötigt, hängt von einigen Rahmenbedingungen ab, wie z. B. • der Qualifikation der HRPB und deren wahrgenommener Verantwortung im Prozess, • den verwendeten Tools zur Datenmodellierung und Datenvisualisierung und der Anwendung durch den HR Business Partner, • den Kapazitäten bzw. dezidierten Ansprechpersonen in den Geschäftsbereichen, die mit der Vorgehensweise der SPP vertraut sind und als Sparringspartner zur Verfügung stehen. Die zentrale Einheit ist verantwortlich für • die Weiterentwicklung der Vorgehensweise, Methoden und Tools, • die Konsolidierung der Ergebnisse für die Gesamtorganisation und • dient als Beratung für die HR Business Partner.
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Mit den Widerständen in der Organisation (um-)gehen Im Rahmen der Implementierung manifestierte sich der Widerspruch zwischen auf der einen Seite der Einsicht, dass es einer Strategischen Personalplanung bedarf, und auf der anderen Seite der Trägheit der Organisation, sich diesem Vorgehen zu öffnen, in den Aussagen der Geschäftsbereiche: „Das hätten wir schon vor Jahren gebraucht“ versus „Was hilft uns das jetzt gerade“. Auch wenn die Rahmenbedingungen erfüllt sind, zeigten sich Widerstände gegenüber der Vorgehensweise sowohl in der eigenen Personalorganisation als auch aufseiten der Geschäftsbereiche. Das Gute dabei ist, zumindest nach Klaus Doppler und Christoph Lauterburg: „Widerstand gegen Veränderung ist etwas ganz Normales und Alltägliches. Wenn bei einer Veränderung keine Widerstände auftreten, bedeutet dies, dass von vorneherein niemand an ihre Realisierung glaubt. Nicht das Auftreten von Widerstand, sondern deren Ausbleiben ist Anlass zur Beunruhigung!“ Aufseiten der Personalorganisation lag hinter der Wand des Widerstands, wie schon zuvor erläutert, die Befürchtung, dass die Mitarbeitenden der Personalabteilung aufgrund fehlender Kapazität, aber auch aufgrund fehlender Kompetenz in der Strategischen Diskussion sich nicht auf Augenhöhe mit dem Geschäftsbereich befinden. Hier wurden nun mit der Neuaufstellung der Personalorganisation und einhergehenden Qualifizierungen entsprechende Voraussetzungen geschaffen, um die HR Business Partner in die Lage zu versetzen, als Strategischer Partner zu agieren. Auf der Seite des Business findet sich hinter der Wand des Widerstandes ein Widerspruch: Auf der einen Seite wird die Möglichkeit, die Personalstruktur entsprechend der zukünftig benötigten qualitativen und quantitativen Bedarfe zu beeinflussen, begrüßt. Auf der anderen Seite stellt die gewonnene Transparenz auch einen Eingriff in den Entscheidungsspielraum des Geschäftsbereiches dar. Insbesondere dann, wenn es von der Unternehmensführung im Sinne der goldenen Regel gefordert wird und man nicht mehr mit Bauch oder Erfahrung argumentieren kann. Hier muss klar über den Nutzen argumentiert und z. B. über Piloten Vertrauen in die gemeinsame Vorgehensweise gewonnen werden. Zu verdeutlichen ist ebenfalls, dass die Strategische Personalplanung nicht ein Instrument der Personalorganisation ist und damit „Sache des Personalbereichs“, sondern Bestandteil der Strategiediskussion in den Bereichen. Die Strategische Personalplanung muss als Koproduktion von Personalorganisation und Business verstanden werden.
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Fazit: Umgang mit Plänen und Unsicherheiten
Dass man sich im Hinblick auf die Zukunft irren kann, ist nicht neu. Aber sich nicht mit möglichen Szenarien, die Zukunft betreffend, zu beschäftigen, ist bezogen auf die Absicherung eines Unternehmens nicht haltbar. Das betrifft insbesondere die Auswirkungen auf die Beschäftigung und die zukünftig benötigte qualitative Personalstruktur. Dabei ist die Anwendung der Strategischen Personalplanung kein Perpetuum mobile. Im Gegenteil: Sich auf diese Art und Weise mit der Zukunft der Organisation in Bezug auf
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ihre Humanressource auseinanderzusetzen, ist aufwendig. Aber es rechnet sich vor dem Hintergrund, welche Kosten entstehen, wenn man es nicht tut. Zum Schluss noch einmal die Frage: Wie sollte man Strategische Personalplanung verstehen? Als Planung oder als Steuerung? Der Kern der Strategischen Personalplanung ist nicht eine konkrete Planung. Es geht darum, alle Informationen, die zur Verfügung stehen, in Szenarien einzubeziehen und auf dieser Grundlage Entscheidungen vorzubereiten. Das Bauchgefühl oder die Erfahrung von gestern sind dabei kein guter Ratgeber für die Welt von morgen. Oft werden aber auch erst durch die Anwendung der Strategischen Personalplanung Fragestellungen aufgeworfen und Herausforderungen für die Personalstruktur sichtbar. Deshalb dient sie eher der Kursbestimmung und damit der Steuerung.
Literatur Doppler K, Lauterburg C (2008) Change management. Campus, Frankfurt am Main Fierek-Popp H, Göbel R (2017) Strategische Personalplanung unter neuen Vorzeichen. In: Von Kettler B (Hrsg.) Strategische Personalplanung. Personalstruktur und Personalbedarf der Zukunft – ein Praxishandbuch. Schäffer-Poeschel, Stuttgart Sattelberger T, Strack R (2009) Strategische Personalplanung. Personalmagazin (06/2009):54–56 Schmitz M (2013) Demographieorientierte Strategische Personallangfristplanung. In: DGFP e.V (Hrsg.) Personalcontrolling für die Praxis: Konzept – Kennzahlen – Unternehmensbeispiele. Bertelsmann, Bielefeld Strack R, Baier J, Fahlander A (2008) Managing demographic risk. Harvard Business Review 2/2008:1–12 Strack R, Baier J, Zimmermann P (2011) Turning the challenge of an older workforce into a managed opportunity. BCG Report 8/2011
Traudel de la Roi ist Diplom-Psychologin mit Schwerpunkt Organisations- und Personalentwicklung sowie Kommunikationspsychologie. Sie ist im Management des Volkswagen-Konzerns tätig. Dort arbeitet sie seit 17 Jahren im Personal- und Organisationsbereich in unterschiedlichen Verantwortlichkeiten. Zuvor hat sie als externe Unternehmensberaterin Projekte in verschiedenen Unternehmen mit dem Schwerpunkt Changemanagement begleitet. Als systemischer Management-Coach ist sie sowohl in der Volkswagen AG als auch freiberuflich tätig und begleitet Menschen in Veränderungssitua-tionen.
Erfahrungen im Einführungsprozess der Strategischen Personalplanung
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Jasmin Krabat absolvierte ihr Bachelorstudium der Integrierten Sozialwissenschaften an der TU Braunschweig. Seit dem Jahr 2013 ist sie bei der Volkswagen AG im Personalumfeld tätig. Dabei hat sie Erfahrungen als Personalreferentin und als Personalentwicklerin gesammelt. Im Anschluss hat sie die Implementierung und Weiterentwicklung der Strategischen Personalplanung mitgestaltet. Seit dem Jahr 2020 ist sie zuständig für Grundsätze und Konzepte für Top Manager und Markenvorstände und absolviert berufsbegleitend den Master Organisationsentwicklung an der TU Kaiserslautern.
Strategische Personalplanung und agile Teams im Amt für Soziale Dienste der Stadt Bremen Ein Interview mit Amtsleiter Frank Nerz Frank Nerz, Jutta Rump und Silke Eilers
Zusammenfassung
Das Amt für Soziale Dienste (AfSD) der Stadt Bremen hat sich im Rahmen des Projektes FührDIV – Führung in der digitalisierten Öffentlichen Verwaltung, gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) – unter anderem mit dem Thema „Strategische Personalplanung“ beschäftigt. Dabei bestand das Ziel insbesondere darin, die Potenziale der Mitarbeitenden zu ermitteln und bestmöglich zu nutzen. Dazu gehört auch die Einführung agiler Teams, die parallel zur klassischen Linienorganisation an innovativen Fragestellungen arbeiten.
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Das Amt für Soziale Dienste der Stadt Bremen
Das Amt für Soziale Dienste (AfSD) besteht aus 6 Sozialzentren, dem Fachdienst Flüchtlinge, Integration und Familie, dem neuen Fachdienst Teilhabe zum 01.01.2020, sowie den stadtteilbezogenen 11 Häusern der Familie. Es werden alle Dienstleistungen der Sozialverwaltung im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, der Sozialhilfe und angrenzender Leistungsgesetze wohnortnah in den einzelnen Stadtteilen erbracht.
F. Nerz (*) Freie Hansestadt, Bremen, Deutschland E-Mail: [email protected] J. Rump · S. Eilers Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Institut für Beschäftigung & Employability IBE, Ludwigshafen, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Rump, S. Eilers (Hrsg.), Strategische Personalplanung, IBE-Reihe, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61903-2_6
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F. Nerz et al.
Im Kernbereich arbeiten etwa 823 Mitarbeitende, circa 350 Beschäftigte sind in ausgelagerten Bereichen tätig. Das Amt für Soziale Dienste hat eine Frauenquote von etwa 70 Prozent und eine Teilzeitquote von etwa 37 Prozent. Das AfSD hat eine durchmischte Altersstruktur, sodass circa 26 Prozent der Beschäftigten das 55. Lebensjahr vollendet haben. Insgesamt gibt es etwa 91 Führungskräfte mit einer vergleichbar hohen Frauenquote und leicht geringeren Teilzeitquote (25 Prozent) wie im gesamten Amt. Herausgeberinnen Herr Nerz, als Leiter des Amtes für Soziale Dienste der Stadt Bremen haben Sie sich mit dem Thema „Strategische Personalplanung“ beschäftigt. Was waren Ihre Beweggründe, in diese Richtung aktiv zu werden? Frank Nerz Hier kamen in den vergangenen 4–5 Jahren einige unterschiedliche Faktoren zusammen. Zum einen sahen wir uns 2015/2016 vor dem Hintergrund der zunehmenden Arbeit mit Geflüchteten einem enormen zusätzlichen Personalbedarf gegenüber, der auch politisch anerkannt war. Es durfte also nach 15–20 Jahren, in denen wir einen sehr starken Personaleinsparkurs erlebt hatten, wieder eingestellt werden. Beim Versuch, diese Einstellungen vorzunehmen, mussten wir allerdings feststellen, dass wir in den klassischen Disziplinen, in denen wir bisher rekrutiert hatten – also vor allem ausgebildete Sozialpädagoginnen und -pädagogen sowie Verwaltungskräfte –, nicht ausreichend Fachkräfte bekommen konnten. Insofern wurden auch Einstellungen aus Bereichen vorgenommen, die eine Nähe zu diesen Disziplinen aufwiesen. Die Motivation der Bewerbenden war es, mit Geflüchteten zu arbeiten. Wir hatten also nun neue Qualifikationen und Profile im Team, bei denen es darum ging, ihre Potenziale bestmöglich auszuschöpfen. Uns wurde in dieser Situation bewusst, dass wir uns einem Fachkräftemangel in unserem Bereich gegenübersehen, auf den wir reagieren müssen. Außerdem wurde klar, dass wir uns die Frage stellen müssen, weshalb das so ist. Das heißt, ob der Markt für diese Fachkräfte generell leer ist oder ob sie eher andere Arbeitgeber bevorzugen. In Vorstellungsgesprächen haben wir schon den Eindruck, dass es gerade im sozialen Bereich nicht die erste Wahl ist, für ein Amt tätig zu werden. Die Verantwortung ist hier beispielsweise in vielen Bereichen höher als bei freien Trägern. Hinzu kommt die altersbedingte Fluktuation, die wir seit etwa 2 Jahren spüren, die uns aber ganz massiv in 5–6 Jahren treffen wird. Hier müssen wir uns zum einen damit beschäftigen, wie man geeignetes Personal von außen anwerben kann – sei es direkt mit der gesuchten Qualifikation oder auch mit einer bestimmten Grundqualifikation, auf die man eine für unsere Bedarfe spezifische Weiterqualifizierung aufsetzen kann. Zum anderen geht es aber auch darum, in Erfahrung zu bringen, welche Qualifikationen wir im Amt haben und wie man durch internes Umsteuern und Weiterentwickeln Potenziale optimal ausschöpfen kann.
Strategische Personalplanung und agile Teams im Amt für Soziale Dienste der Stadt …
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Herausgeberinnen Wie sind Sie dabei konkret vorgegangen? Frank Nerz Ein Hauptziel war es von Anfang an, das Potenzial der eigenen Belegschaft besser zu erkennen und zu nutzen. Dazu gehören beispielsweise auch Kenntnisse darüber, was Kolleginnen und Kollegen in früheren Tätigkeiten bereits gemacht haben und auch im Amt entsprechend einsetzen könnten, auch wenn es außerhalb ihres eigentlichen Fachgebiets liegt. In einem ersten Schritt haben wir uns dazu mit den vorhandenen Qualifikationen auseinandergesetzt. Das ist ein komplexer Prozess, da die Personalakten bei uns noch von Hand geführt werden und es daher nicht so leicht feststellbar ist, welche Qualifikationen die Mitarbeitenden mitbringen. Wir haben uns daher überlegt, alternative Wege einzuschlagen, um das in Erfahrung zu bringen, so beispielsweise regelmäßige Treffen mit den Führungskräften oder Begrüßungsveranstaltungen für neue Kolleginnen und Kollegen. Die Informationen, die wir dabei gewinnen, sind natürlich nicht ganz valide und belastbar, bieten uns aber einen Einstieg. 2016 haben wir auch begonnen, Fluktuationsanalysen durchzuführen. Das ist bei altersbedingten Abgängen relativ einfach, allerdings haben wir in den letzten Jahren auch vermehrt Fälle von Elternzeit bei unseren Sozialpädagoginnen. Das ist für uns eine eher ungewohnte Situation, da aufgrund des recht hohen Altersdurchschnitts in der Vergangenheit die aktive Familienphase bei den meisten Beschäftigten schon abgeschlossen war. In den letzten Jahren wurden nun aber vermehrt junge Kolleginnen eingestellt oder nach der Ausbildung übernommen. Eine abschließende Lösung zum Umgang mit dieser Form der Fluktuation haben wir noch nicht gefunden. Allerdings ist die Maßgabe, dass bei Elternzeiten von bis zu einem Jahr – das gilt für 80–90 Prozent der Fälle – der bisherige Arbeitsplatz wieder übernommen wird, während bei längeren Elternzeiten mit der jeweiligen Vertretungskraft geplant wird. Lösungsversuch hier ist die Überplanung der jeweiligen zu besetzenden Stellen in der Erkenntnis, dass die durch Zeiten der Vakanzen freien Mittel dazu führen, dass der Budgetrahmen eingehalten wird. Nicht zu unterschätzen ist auch das schon angesprochene Imageproblem des öffentlichen Dienstes, das es erschwert, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden. An diesem Image muss gearbeitet werden. Das versuchen wir beispielsweise durch Aktionen wie die Teilnahme am Firmenlauf in Bremen oder durch das gezielte frühzeitige Zugehen auf Studierende. Ebenso hilfreich sind duale Studiengänge, bei denen sich die Teilnehmenden verpflichten, nach Abschluss ihres Studiums für 5 Jahre im öffentlichen Dienst zu verbleiben. Hier wird in diesem Jahr der erste Jahrgang fertig. Herausgeberinnen Was würden Sie sagen, inwieweit sich die Rahmenbedingungen für strategische Personalplanung in Ihrem Amt von denen in der privaten Wirtschaft unterscheiden? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
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Frank Nerz Die Rahmenbedingungen sind definitiv anders als in der freien Wirtschaft. In der Regel werden für 2 Jahre Vorgaben dahingehend gemacht, wie viel Personal besetzt werden darf. Bis vor 3 Jahren wurde der Personalhaushalt jährlich gekürzt. Es ist also nicht möglich, aus konkreten Bedarfen heraus Anforderungen zu definieren. Daher ist eine klassische strategische Personalplanung mit einem Planungshorizont von 5–10 Jahren nicht möglich. Es konzentriert sich auf die nächsten 2 Jahre. Hier kommt auch ein gewisser „Ruf“ des öffentlichen Dienstes hinzu, der vielfach als chronisch überbesetzt angesehen wird. In Bremen wurde allerdings die Personalausstattung untersucht, und man kam zu dem Schluss, dass die negativen finanziellen Auswirkungen einer zu geringen Personaldecke stärker sind als die höheren Personalkosten bei Personalaufstockung. Das lässt sich allerdings vor allem für den Verwaltungsbereich bei Einnahmestellen gut berechnen. Im Leistungsausgabenbereich wird es bereits schwieriger, da man hier eher mit der Kundenzufriedenheit argumentieren kann. Ähnlich verhält es sich bei sozialpädagogischen Leistungen und der Prävention – deren Wirkung ist nur sehr schwer messbar. Das macht es schwierig, für die Personalakquise oder Personalplanung in diesem Bereich politische Unterstützung zu finden. Herausgeberinnen Sie haben im Rahmen des Projektes FührDIV – Führung in der digitalisierten Öffentlichen Verwaltung, gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales – erste Schritte auf dem Weg zur strategischen Personalplanung unternommen. Wie geht es nun weiter? Frank Nerz Zunächst sind wir sehr techniklastig gestartet und haben uns mit der Ausstattung in Bezug auf digitale Medien beschäftigt. Recht schnell sind wir aber zu dem Schluss gekommen, dass Digitalisierung auch sehr viel mit entsprechenden Arbeitsformen zu tun hat, insbesondere mit agilem Arbeiten. Inzwischen haben wir agile Teams, die hierarchieübergreifend und fachübergreifend an bestimmten Fragestellungen arbeiten. Dabei haben wir „klein begonnen“ und zunächst eher einfache Fragestellungen bearbeiten lassen. Heute geht es durchaus auch schon um größere Organisationsentscheidungen. Auch der Zuspruch zu den agilen Teams war zu Beginn eher zögerlich – heute müssen wir zum Teil Interessierten absagen, weil die agilen Teams sonst zu groß werden würden. Diese agilen Teams arbeiten gewissermaßen parallel zur klassischen Verwaltung, die natürlich im Kernbereich weiterhin unerlässlich ist, während agile Methoden bei Innovation und Veränderung zielführend sind. Die Teams erarbeiten sehr gute Lösungen, die dann zurückgespiegelt und auf Übertragbarkeit geprüft werden. Ziel soll ein kritischer Dialog zwischen beiden Bereichen sein. Dabei werden agile Methoden genutzt, die wir für unsere Zwecke ein Stück weit adaptiert haben. Wichtig in diesem Zusammenhang war es, dass sich Mitarbeitende gefunden haben, die motiviert und neugierig waren, sich mit neuen Methoden auseinanderzusetzen und zum Beispiel auch in Start-ups hineinzuschnuppern, um sich anzu-
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schauen, wie dort vorgegangen wird. Wir haben im Zuge dessen zum Beispiel ein Büro so umgestaltet, dass es für agile Teamsitzungen geeignet ist, unter anderem mit Stehtischen. Wir stellen fest, dass es sehr hilfreich ist, in diesen agilen Teams die verschiedenen Potenziale zusammenzuführen und ihnen eine Stimme zu verleihen. Schwierig ist es teilweise, dass sich Führungskräfte und auch die Interessenvertretung übergangen fühlen. Während die Führungskräfte Angst vor Machtverlust haben, wissen die Interessenvertretungen teilweise nicht recht, wie sie ihre Rolle definieren sollen. Denn vielfach arbeiten die Beschäftigten in agilen Teams an Fragestellungen, die eigentlich klassische Führungsthemen sind, und entwickeln zum Teil Lösungen, die nicht unbedingt der Sichtweise der Interessenvertretung entsprechen. Auch für die Beschäftigten ist diese neue Rolle nicht immer einfach, viele waren gerade zu Beginn misstrauisch, und teilweise scheut man sich, klare Position zu tief greifenden Veränderungen zu beziehen, weil hier eher die Führungskräfte in der Verantwortung gesehen werden. Herausgeberinnen Haben Sie abschließend eine Empfehlung oder einen Rat für Amtsleiter oder Personalverantwortliche in der öffentlichen Verwaltung, worauf sie bei einer ähnlichen Ausgangslage besonders achten sollten? Frank Nerz Es lohnt sich auf jeden Fall – auch bei Planungshorizonten von nur 2 Jahren –, sich mit dem eigenen Potenzial auseinanderzusetzen und sich darauf zu konzentrieren, wie man dieses optimal ausschöpfen kann. In der Regel werden nur 30 Prozent dessen, was tatsächlich vorhanden ist an Potenzial, auch tatsächlich für die Arbeitserledigung gebraucht. Wie schafft man nun eine Atmosphäre, die Mitarbeitende dazu veranlasst, auch die restlichen 70 Prozent einbringen zu wollen, und wie kann eine Organisation entsprechende Spielräume bieten, sie einzusetzen? Grundsätzlich gilt: „Machen, einfach machen!“ Für viele Verwaltungsleiter sind beispielsweise agile Teams noch undenkbar. Sie sehen weniger, was durch sie erreichbar wäre, sondern sagen kategorisch, für eine Verwaltung sei das nicht umsetzbar, hier müsse man klassisch linear und hierarchisch vorgehen. Auch wir wussten beim Start noch nicht, was uns erwartet, und konnten nicht alle Fragen beantworten. Uns war nur bewusst, dass wir ungenutzte Potenziale haben und die Wege, die wir bisher gegangen waren, nicht auf alle Fragestellungen passten – also mussten wir etwas anderes ausprobieren. Sinnvoll ist es immer, in kleinen Schritten und mit kleinen Fragestellungen zu beginnen und erst allmählich zu weitgreifenderen Themen überzugehen. Man braucht auch Mitarbeitende, die motiviert sind, diese neuen Wege mitzugehen, genauso wie Führungskräfte, die es vormachen. Wichtig ist auch, dass die Spielregeln klar sind und den Mitarbeitenden in den agilen Teams immer wieder rückgemeldet wird, was mit den erarbeiteten Ergebnissen geschieht und warum sie gegebenenfalls auch nicht oder noch nicht umgesetzt werden können. Dieser direkte Austausch ist entscheidend für die Motivation. Und selbst wenn ein Prozess nur ergibt, dass man an einer gewissen Stelle nicht mehr tun, nichts Neues entwickeln kann,
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verstehen zumindest alle Beteiligten, wieso das so ist, und können es auch entsprechend in die Organisation tragen. Herausgeberinnen Herzlichen Dank, Herr Nerz, für dieses informative Interview!
Frank Nerz ist Amtsleiter des Amtes für Soziale Dienste und in Nebentätigkeit Coach im Innovationswerk. Er verfügt über langjährige Führungserfahrung in unterschiedlichen Hierarchieebenen der öffentlichen Verwaltung. Darüber hinaus hat er Erfahrungen in der Projektleitung und -organisation von Veränderungsprozessen in Verwaltungsorganisationen. Neben klassischem Projektmanagement setzt er sich für die Erprobung und Implementierung agiler Projektmethoden auch im Bereich der öffentlichen Verwaltungen ein.
Dr. Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Ge sellschaft Ludwigshafen. Sie hat zudem zahlreiche Mandate auf regionaler und nationaler Ebene inne und ist in Unternehmen als Projekt- und Prozessbegleiterin tätig. Darüber hinaus leitet sie das Institut für Beschäftigung und Employability IBE, das den Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit auf personalwirtschaftliche, arbeitsmarktpolitische und beschäftigungsrelevante Fragestellungen legt.
Silke Eilers ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin am Institut für Beschäftigung und Employability IBE. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Themenbereichen Demografie, Trends der Arbeitswelt, Employability sowie Lebensphasenorientierte Personalpolitik und Zeitpolitik.
Bausparkasse Schwäbisch Hall AG Strategische Personalplanung in der digitalen Transformation – ein Praxisbericht Cornelia Malisi und Jürgen Ley
Zusammenfassung
Mit dem Instrument der strategischen Personalplanung identifiziert die Bausparkasse Schwäbisch Hall durch die Anwendung von Szenariotechnik mögliche Personalrisiken in Veränderungsprozessen. Auf Basis von Jobclustern wird aufgezeigt, welches Know- how heute verfügbar ist und welche Skills künftig zu erfüllen sind. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Personalmanagements werden gezielte Maßnahmen abgeleitet, um die notwendigen Personalressourcen für die Umsetzung der Unternehmensstrategie sicherzustellen.
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kute Herausforderungen an strategische A Weichenstellungen für das Personal
Schwäbisch Hall ist mit rund 7 Mio. Kunden die größte Bausparkasse Deutschlands. Auch als Dienstleister für das private Baufinanzierungsgeschäft gehört sie zu den führenden Anbietern. Regional ist die Zentrale der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG mit ihren Tochterunternehmen als mittelständisches Unternehmen in der Stadt Schwäbisch Hall im Nordosten Baden-Württembergs verortet. Dort gewährleisten mehr als 3000 Mitarbeiter eine qualifizierte Beratung und Betreuung der Kunden. Für ein Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche stellt der „Produktionsfaktor“ Personal, sowohl quantitativ als auch qualitativ eine zentrale Erfolgsgröße dar. Daraus
C. Malisi (*) · J. Ley Bausparkasse, Schwäbisch Hall, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Rump, S. Eilers (Hrsg.), Strategische Personalplanung, IBE-Reihe, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61903-2_7
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ergeben sich insbesondere vor dem Hintergrund der digitalen Transformation aktuell folgende Herausforderungen für die Personalplanung: Die digitale Transformation verändert die Struktur des Personalbedarfs Die Digitalisierung prägt gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen, Prozesse sowie Werte und Verhaltensweisen. Die Kundenbedürfnisse werden unterstützt durch neue technologische Lösungen, wie z. B. eine permanente Erreichbarkeit, onlinefähige Baufinanzierung und Bausparen oder individuell zugeschnittene Produkte und Services. Dabei stehen die etablierten Finanzdienstleister zunehmend im Wettbewerb mit Non- und Near-Banks sowie Start-ups. Parallel erfordern die Niedrigzinsphase und die zunehmende Regulatorik, sowohl Effizienz als auch Effektivität zu steigern. Neuerungen und Vorgaben müssen in einer hohen Veränderungsgeschwindigkeit und in einem volatilen Umfeld umgesetzt werden. Dies erfordert unter anderem den Einsatz von Automatisierungspotenzialen, die Anpassung von Prozessen sowie eine erneuerte IT-Landschaft. Folglich verändert sich spürbar die Struktur des Personalbedarfs: Zur Umsetzung der genannten Themen bedarf es Mitarbeiter mit speziellem fachlichen Know-how, die am Arbeitsmarkt auf absehbare Zeit eine knappe Ressource darstellen. Steigender Fachkräftemangel Der Standort im ländlich geprägten Raum stellt vor dem Hintergrund der Fachkräfteknappheit in einem Arbeitnehmermarkt eine besondere Herausforderung dar. Die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen ist hoch, bei Schwäbisch Hall liegt die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit bei fast 20 Jahren. Dennoch müssen Mitarbeiterabgänge (siehe demografische Entwicklung) ausgeglichen werden und Fachkräfte, die in der Region nicht zu jeder Zeit ausreichend vorhanden sind, rechtzeitig rekrutiert werden. Demografische Entwicklung Durch die demografische Entwicklung wird sich der Personalbestand in den kommenden Jahren stark rückläufig entwickeln. Dies betrifft nicht alle Unternehmenseinheiten gleichermaßen, sondern ist teilweise sehr differenziert in unterschiedlichen Qualifikationsgruppen bzw. speziellen Skills ausgeprägt. Um der künftigen Sicherung der erforderlichen Personalressourcen und Skills Rechnung zu tragen, hat der Vorstand der Bausparkasse Schwäbisch Hall ein „Zielbild 2025“ zur Gestaltung der Arbeitswelt der Zukunft verabschiedet, das im Rahmen eines Großprojektes in den nächsten Jahren umgesetzt wird. Mit diesem Zielbild macht es sich das Unternehmen zur Aufgabe, die Arbeitswelt der Mitarbeiter aktiv zu gestalten, um weiterhin wettbewerbsfähig, flexibel und innovativ zu sein. Ziel ist es, die Leistungsträger an das Unternehmen zu binden und deren Weiterentwicklung zu fördern sowie Talente mit neuen Fähigkeiten zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund spielen individuelle Arbeitsgestaltungen durch mitarbeiter- und familienfreundliche Arbeitsformen eine zunehmend wichtige Rolle. Außerdem werden im gesamten Unternehmen sukzessive neue, moderne Bürokonzepte und technische Lösungen eingeführt, welche die Ergebnisorientierung, das
Bausparkasse Schwäbisch Hall AG
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flexible Arbeiten und die Zusammenarbeit über organisatorische Grenzen hinweg (End-to- End-orientiert) fördern. Zur Sicherstellung der personellen Ressourcen im Einklang mit der Unternehmensstrategie wendet die Bausparkasse Schwäbisch Hall die strategische Personalplanung an. Dort werden der Personalbestand sowie der Personalbedarf in einer längerfristigen Perspektive (10 Jahre) abgebildet. Über das Denken in Szenarien können strategische Entscheidungen untermauert werden. Es werden mögliche Entwicklungen aufgezeigt und Handlungsoptionen verglichen. Mit entsprechend abgeleiteten Maßnahmen kann der künftige Personalbestand rechtzeitig vorgesteuert und aktiv gestaltet werden.
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trategische Personalplanung – Wie die strategische S Antriebskraft in der Personalplanung umgesetzt wird
Der Personalkörper eines Unternehmens reagiert träge, das heißt, er unterliegt einer gewissen Zeitverzögerung. Dies liegt unter anderem an arbeitsmarktbedingten Restriktionen, rechtlichen Rahmenbedingungen zum Kündigungsschutz und der gesellschaftlichen Verantwortung als Arbeitgeber. Der Fachkräftemangel führt zu einem höheren Zeitaufwand bei Rekrutierungen von Mitarbeitern (Time to Hire). Beispielsweise steht aufgrund von Ausbildungs- und Qualifizierungszeiten ein heute rekrutierter Auszubildender erst in 4 Jahren mit entsprechenden Qualifikationen als Berufsanfänger zur Verfügung. Des Weiteren ergeben sich durch die demografische Entwicklung in Deutschland starke Abgängerjahrgänge durch Renteneintritte, die insbesondere in den nächsten 10 Jahren deutliche Verwerfungen in der Mitarbeiterstruktur hervorrufen. Auf der Personalbedarfsseite steht – dem trägen Personalkörper entgegengesetzt – die Erfordernis, auf volatile Veränderungen externer Rahmenbedingungen, Kundenwünsche und kurzfristige Markterfordernisse flexibel zu reagieren. Dafür wird die entsprechende Anzahl von Mitarbeitern mit dem passenden Know-how benötigt. Diesem Spannungsfeld wird durch ein frühzeitiges Vordenken entgegnet. Ziel ist es, so zu agieren, dass das notwendige Personal zur richtigen Zeit am rechten Ort und mit der richtigen Qualität zur Verfügung steht. Zur Unterstützung hinsichtlich dieser Zielsetzung ist die strategische Personalplanung bei Schwäbisch Hall erfolgreich als Regelprozess in der Personalarbeit etabliert. Ergänzend zu den Instrumenten der operativen Personalplanung (1 Jahr) und der Mittelfristplanung (5 Jahre) beinhaltet sie den Blick auf strategische Szenarien im 10-jährigen Planungshorizont. Während in der operativen und mittelfristigen Planung als Ziele definierte Plangrößen ermittelt werden, hat die strategische Personalplanung einen anderen, szenarienorientierten Fokus. Bei Schwäbisch Hall liefert die strategische Personalplanung folgende konkrete Ergebnisse:
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• Schaffung von Transparenz zur Wirkung unterschiedlicher strategischer Szenarien auf den Personalbedarf • Aufdeckung von Personalrisiken: Kapazitäts-, Alters- und Qualifizierungsrisiken • Durch Bestands- und Bedarfsermittlung wird aufgezeigt, welches Know-how heute verfügbar ist und welche Skills sich künftig neu entwickeln und zu erfüllen sind • Ableitung erforderlicher Schritte, um identifizierte Personalüberhänge oder -unterdeckung kosteneffizient auszugleichen • Aktive Gestaltung des demografischen Wandels, da transparent wird, welche (künftig fehlenden) Ressourcen entwickelt oder rekrutiert werden müssen • Aufzeigen des Handlungsraums verschiedener Treiber zur Sicherung der Arbeitgeberpositionierung in der digitalen Transformation
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Methode und Vorgehensprozess im Detail
3.1
Prozessüberblick
Die strategische Personalplanung ist im Personalbereich prozessual verankert und mit den Fachbereichen verzahnt. Der Regelprozess (Abb. 1) wird gemäß den Erfordernissen (z. B. Transformationsgeschwindigkeit) des jeweiligen Fachbereichs im jährlichen oder
Abb. 1 Regelprozess der strategischen Personalplanung (eigene Darstellung)
Bausparkasse Schwäbisch Hall AG
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2-jährlichen Rhythmus durchgeführt. Die 2-jährliche Durchführung kann sinnvoll sein, um die Umsetzung und Wirksamkeit der abgeleiteten Personalmaßnahmen in die nächste Simulation entsprechend einfließen zu lassen.
3.2
Bildung von Jobclustern
In der digitalen Transformation hat die Aussagefähigkeit zu künftig benötigten Qualifikationen eine zentrale Bedeutung. Durch die Einteilung in Jobcluster – in denen bestimmte Qualifikationen (Erfahrungen, Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen) zusammengefasst werden, wird die quantitative Planung um qualitative Aspekte erweitert. Dadurch entsteht eine fundierte Datenlage, die Transparenz schafft, wie viele Mitarbeiter aktuell mit welcher Qualifikation zur Verfügung stehen. Außerdem wird aufgezeigt, mit welchen Entwicklungsströmen im Verlauf des 10-jährigen Betrachtungszeitraums zur rechnen ist, um daraus gezielte Entwicklungsmaßnahmen sowie Rekrutierungsansätze ableiten zu können. Je größer die Jobcluster definiert werden (in Mitarbeiterkapazitäten), desto übersichtlicher ist die Datenverteilung und umso aussagekräftiger sind die Analyseergebnisse. Bei der Bildung der Jobcluster ist deshalb darauf zu achten, dass nicht zu feingliedrig vorgegangen wird. Die Anwendung von Definitionsregeln, wie eine festgelegte Mindestanzahl an Mitarbeitern pro Jobcluster oder die erforderliche Einarbeitungszeit, können dabei hilfreich sein. Definitionsbeispiel: Ein Jobcluster muss mindestens 50 Mitarbeiter beinhalten (als Anfangs- oder Endwert) und umfasst alle Qualifikationen, welche sich Mitarbeiter innerhalb von 6 Monaten Einarbeitungszeit aneignen können. Wichtig ist, außer den bestehenden auch künftig benötigte Skills zu betrachten und diese in den Jobclustern zu berücksichtigen. Möglicherweise müssen bestimmte Qualifikationen künftig aufgebaut werden, z. B. digitale Analysekompetenz (Data-Analysten) oder hohe Kundenorientierung (Call Center Agents). Dies kann dazu führen, dass Jobcluster definiert werden, die zum aktuellen Zeitpunkt noch keine oder erst wenige Mitarbeiter umfassen. Sind die Jobcluster definiert, werden die einzelnen Mitarbeiter des Personalbestands systematisch zugeordnet. Im Ergebnis gehört jeder Mitarbeiter zu einem Jobcluster. Bei Schwäbisch Hall wurde dabei die tatsächliche Zuordnung der Mitarbeiter auf Stellenbasis nicht berücksichtigt. Das heißt, dass sich z. B. alle Projektmanagementqualifikationen unabhängig davon, in welcher Organisationseinheit sie im Unternehmen angesiedelt sind, in einem Jobcluster wiederfinden. Die Intention dahinter ist, dass Mitarbeiter desselben Jobclusters (unabhängig von Organisationseinheiten oder -strukturen) überall im Haus eingesetzt werden können, wo die entsprechenden Skills erforderlich sind. Nach der initialen Definition der Jobcluster werden diese in den Folgejahren regelmäßig überprüft und ggf. an die strategische Ausrichtung des Unternehmens angepasst.
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3.3
C. Malisi und J. Ley
Festlegung von Szenarien
Im Zentrum der strategischen Personalplanung steht das Abbilden von Szenarien. Da zum heutigen Zeitpunkt niemand vorhersehen oder berechnen kann, wie die exakte Entwicklung der nächsten 10 Jahre aussieht, sind Szenarien ein geeignetes Instrument, um verschiedene „Zukunftsmöglichkeiten“ darzustellen und zu analysieren. Basis für deren Ableitung ist die Unternehmensstrategie. Die verschiedenen Szenarien schaffen Transparenz, wie der Personalkörper auf mögliche Entwicklungen sowie Entscheidungsoptionen reagiert und welche Chancen und Risiken sich daraus ergeben. Damit wird eine wichtige Entscheidungshilfe für strategische Weichenstellungen geschaffen. Ein Szenario umfasst ein komplettes Set an Annahmen (internen und externen Faktoren), Entscheidungen, Daten und Prämissen – z. B. Marktanforderungen, Prozessveränderungen, Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen, Zugänge aus Ausbildungsprogrammen, externe Rekrutierungen und Renteneintritte. Die inhaltliche Detaillierung der Szenarioannahmen (z. B. interne und externe Entwicklungen, Personalbestandsprämissen und Personalbedarfstreiber) erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich. Die erstellten Zukunftsszenarien dienen als Optionenraum, aus dem ein Planszenario (Most-likely-Szenario) ausgewählt wird. Dies bildet die Basis für die Ableitung von entsprechenden Entscheidungen und Personalmaßnahmen.
Abb. 2 Simulationsmodell der strategischen Personalplanung (eigene Darstellung in Anlehnung an Dynaplan AS, 2020, https://www.dynaplan.com/de/solutions/strategic-workforce-planning)
Bausparkasse Schwäbisch Hall AG
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Abb. 3. Technische Umsetzung (eigene Darstellung)
3.4
Datenermittlung und Risikoanalyse
In die Simulation der Szenarien fließen Bestandsdaten, Treiberannahmen (unter anderem auf Basis historischer Daten ermittelt) sowie Bedarfsdaten ein (Abb. 2). Dazu bedarf es einer guten, differenzierten Datenerhebung (wie z. B. Fluktuation, Renteneintritte, Zuführung Nachwuchskräfte etc.) sowie der komplexen Modellierung von Annahmen und Effekten. Die Erstellung von Bestandsdaten erfolgt bei Schwäbisch Hall über manuelle Auswertungen und Berichte in SAP (Abb. 3). Diese Basisdaten werden zusammen mit den festgelegten Personalbestandsprämissen und Bedarfstreibern in das Simulationstool der strategischen Personalplanung (Dynaplan Smia) übertragen und ausgewertet. Im Softwaretool werden über den festgelegten Planungshorizont hinweg (bei Schwäbisch Hall 10 Jahre) strategische „Zukunftsbilder“ berechnet, in denen insbesondere folgende Risiken beleuchtet werden (Abb. 4): • • • •
Bestands- und Bedarfsentwicklungskurven mit prognostizierten Über-/Unterdeckungen Kapazitätsrisiken auf Basis von Abgangs- und Zugangsanalysen Altersrisiken in Form von Entwicklung der Alterspyramiden Qualifikationsrisiken in den einzelnen Jobclustern
Die Visualisierung und Darstellung der Ergebnisse im Simulationstool reicht von Entwicklungskurven mit prognostizierten Über-/Unterdeckungen über Abgangs- und Zugangsanalysen (Wasserfalldiagramm) sowie die Entwicklung von Alterspyramiden im Zeitverlauf bis hin zur Darstellung der Risikoindikatoren auf Jobclusterebene in Heatmaps.
Abb. 4 Beispiele zur Visualisierung von Szenarienvergleich und Risikoanalyse (eigene Darstellung mit Beispieldaten)
212 C. Malisi und J. Ley
Bausparkasse Schwäbisch Hall AG
3.5
213
Ableitung von Maßnahmen
Auf Basis der visualisierten Ergebnisse und Risiken leitet der Personalbereich gemeinsam mit dem Fachbereich Maßnahmen ab. Der Fokus liegt dabei auf den strategisch relevanten Jobclustern mit den besonders relevanten Risiken. Die Maßnahmenableitung erfolgt in einer End-to-End-Betrachtung entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Personalmanagement: Rekrutierung, Entwicklung, Bindung, Austritt. Dadurch wird zum einen die Zuordnung von Verantwortlichkeiten ermöglicht und zum anderen ein konsequentes Maßnahmencontrolling erleichtert. Für den IT-Bereich bei Schwäbisch Hall wurden z. B. folgende Maßnahmen aus der strategischen Personalplanung abgeleitet und umgesetzt: • Anpassung des Ausbildungsmixes in Bezug auf die Studenten der Dualen Hochschule Baden Württemberg (zur Abdeckung von Qualifizierungsrisiken und Zukunfts-Skills) • Einführung eines neuen Ausbildungsgangs Fachinformatiker (zur Zuführung von Nachwuchskräften, Mitarbeiterbindung, Arbeitgeberpositionierung) • Rekrutierungsoffensiven (zur Reduktion von Kapazitätsrisiken) • Fokussierte Weiterentwicklung von Kompetenzen einzelner Jobfamilien (zur Abdeckung von Zukunfts-Skills)
4
Fazit und Empfehlungen
4.1
Erfolge und Herausforderungen
Die strategische Personalplanung wurde bei Schwäbisch Hall ursprünglich mit dem Ziel eingeführt, insbesondere die mitarbeiterstarken Processing-Bereiche (u. a. Backoffice- Tätigkeiten im Kredit- und Sparbereich) vor dem Hintergrund der zu erwartenden Demografieeffekte aktiv zu steuern. Nach der erfolgreichen Etablierung wurde das Instrumentarium auf die IT (u. a. Anwendungsentwicklung und IT-Betrieb) ausgeweitet und um strategisch relevante Fragestellungen ergänzt, wie beispielsweise die Frage nach benötigten Zukunfts-Skills, Automatisierungspotenzialen oder Prozessanpassungen vor dem Hintergrund der digitalen Transformation. Die Zusammenarbeit des Personalbereichs mit den Fachbereichen ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die Qualität der Ergebnisse der strategischen Personalplanung. Im Diskurs über die möglichen Szenarien, Jobcluster und abzuleitenden Maßnahmen rückt der Personalbereich näher an die Fachbereiche heran und kann die Rolle als Business-Partner noch besser ausfüllen. Um die Methode in der Zukunft optimal nutzen zu können, ist eine noch engere Verzahnung mit den existierenden Planungs- und Managementprozessen notwendig. Nur durch eine entsprechende Einbettung können die gewonnenen Erkenntnisse bestmöglich genutzt und die langfristige Umsetzung der Unternehmens- und Personalstrategie
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C. Malisi und J. Ley
gewährleistet werden. Außerdem ist die Verzahnung zwischen Personalbereich und Fachbereichen auch künftig der zentrale Erfolgsfaktor bei der Umsetzung des strategischen Planungsprozesses. Die Verfügbarkeit der notwendigen Ressourcen (z. B. Mitarbeiter, die die Datengrundlage auswerten und die Modellierung im Softwaretool durchführen) muss ebenso gewährleistet sein wie die Zulieferung der notwendigen Daten aus dem Fachbereich (z. B. zur Definition von Jobclustern, Beschreibung von Szenarien sowie Lieferung von Bedarfszahlen). Dieser Aufwand ist neben den operativen Tätigkeiten zusätzlich einzuplanen und zu priorisieren. Schließlich braucht es eine intensive, vertrauensvolle Diskussion der Inhalte und Ergebnisse. Auch die technische Basis für die strategische Personalplanung befindet sich in der Weiterentwicklung. Die Datenbasis wird heute weitgehend manuell aus den SAP- Datenbeständen ausgewertet und in das Simulationstool übertragen. Die Modellierung und Simulation verschiedener Szenarien sowie die Ergebnisaufbereitung könnten durch eine höhere Automatisierung noch effizienter und schneller erfolgen. Dies ermöglicht beispielsweise ein mit dem Datenbestand vernetztes und in die Personalprozesse integriertes technisches System im Rahmen von HR-Analytics.
4.2
Praxistipps
Zur Sicherung des Erfolgs der strategischen Personalplanung und als Antworten auf die Herausforderungen sind im Folgenden die wichtigsten Erfolgsfaktoren und Stolpersteine zusammengefasst. Diese resultieren aus den eigenen Erfahrungen des Personalmanagements von Schwäbisch Hall bei der Etablierung der strategischen Personalplanung: Klarheit zu Ziel und Nutzen In der strategischen Personalplanung geht es nicht um das Ansteuern absoluter Zielwerte, sondern darum, zu lernen, mit dem Unvorhersehbaren umzugehen. Die Bezeichnung strategische „Personalplanung“ kann gedanklich irreführend wirken, denn es handelt sich weniger um eine „Planung“ im herkömmlichen Sinne, sondern eher um eine Betrachtung von Zukunftsbildern und deren Optionen in Form strategischer Szenarien. Es ist erforderlich, dass über den Hintergrund sowie die Ziele und den Nutzen des Prozesses der strategischen Personalplanung im Vorfeld alle Prozessbeteiligten (Fachbereich, Personalbereich, Vorstand) einig sind. Weniger ist mehr Punktuelle Detailperspektiven sind im Rahmen der operativen Steuerung wichtig. In der strategischen Langfristbetrachtung auf Szenariobasis verringert eine zu kleinteilige Diskussion jedoch die Aussagekraft. Es entsteht die Gefahr der Scheingenauigkeit durch Potenzierung von zu differenzierten, kurzfristigen Entwicklungen. Dies kann zu Fehlaussagen im langfristigen Planungshorizont führen. Der Fokus ist auf grobe (strategisch- langfristige) Richtungsvorgaben und Wechselwirkungen aufgrund der definierten Prämis-
Bausparkasse Schwäbisch Hall AG
215
sen im Modell zu richten anstatt auf einen hohen Detaillierungsgrad. Dadurch ergibt sich ein doppelter Vorteil: Einerseits reduziert sich der Ressourcenaufwand (Abschn. 4.1) für Datenerhebung sowie die Simulation, andererseits erhöht sich die Transparenz des Modells. Einbindung der Fachbereiche als zentraler Erfolgsfaktor Die Fachbereiche sind ein zentraler Stakeholder im Prozess der strategischen Personalplanung. Eine vertrauensvolle und verlässliche Zusammenarbeit im Planungsprozess ist essenziell. Wichtige fachliche Erfordernisse im Diskurs über mögliche Szenarien, Jobcluster und abzuleitende Maßnahmen werden im Wesentlichen durch die Experten der Fachbereiche formuliert. Grundvoraussetzung ist die gemeinsame Klarheit zu Ziel und Nutzen (siehe oben). Außerdem kann es helfen, aus dem Personalbereich heraus Beispiele und Visualisierungen der möglichen Ergebnisformate darzustellen, um gemeinsame Leitgedanken zu entwerfen und Antwortmöglichkeiten auf die Fragestellungen der Fachbereiche aufzuzeigen. Klein beginnen Bei der Einführung der strategischen Personalplanung empfiehlt es sich, mit einem Teilbereich des Unternehmens – z. B. mit ausgewählten Fachbereichen – zu beginnen. Außerdem ist es möglich, durch Fokussierung auf abgegrenzte aktuelle Fragestellungen – z. B. der Demografieentwicklung – den Nutzen des Instruments zu verankern und die benötigten Ressourcen überschaubar zu halten. Aufgrund der Komplexität der Wechselwirkungen in einem langfristigen Zeitraum empfiehlt es sich, von Anfang an eine technische Unterstützung zu nutzen (z. B. spezielles Softwaretool), um die Datenmengen zu verarbeiten und Ergebnisse entsprechend aufzubereiten.
4.3
Fazit
Trotz und gerade aufgrund der digitalen Transformation bleiben die Mitarbeiter der größte Wettbewerbsvorteil eines Finanzdienstleistungsunternehmens. Bisherige Aufgaben fallen weg, es entstehen neue Jobs und Berufsbilder, Skills werden in anderer Form und Ausprägung benötigt als bisher. Die Rahmenbedingungen sind volatil, die Veränderungsgeschwindigkeit ist hoch. Die zentrale Herausforderung und Verantwortung der Unternehmen ist es, die strategische Ausrichtung so zu gestalten, dass dieser Wandel möglich ist. Die strategische Personalplanung hat sich als begleitendes Instrument hierfür bewährt. Sie wirkt dabei verstärkt als Diskussionsplattform zwischen Fachbereichen, dem Vorstand und dem Personalbereich, indem auf einer validen Zahlen- und Datenbasis Szenarien entworfen und strategisch begründete Handlungsmöglichkeiten und -bedarfe aufgedeckt werden. Es konnte bereits zu einer Vielzahl aktueller Themen und Fragestellungen Transparenz geschaffen werden, was sowohl den Fachbereichen als auch im Bereich Personal zu neuen, wertvollen Erkenntnissen führte.
216
C. Malisi und J. Ley
Die strategische Personalplanung ist daher eine wichtige Grundlage, um mit Blick auf die Personalressourcen Risiken aufzudecken, Fehlentscheidungen vorzubeugen, unnötige Kosten zu vermeiden und einen wichtigen Teil zum Fortbestand des Unternehmens beizutragen. Ihr Wertbeitrag liegt darin, in anhaltend herausfordernden Zeiten der Finanzbranche das eigene Unternehmen bei der Erreichung der strategischen Ziele zu unterstützen.
Cornelia Malisi, geb. 1970, Diplom-Betriebswirtin (FH), verantwortet die Umsetzung der strategischen Personalplanung im Personalbereich der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG. Im Rahmen ihrer Verantwortung für die Entwicklung von strategischen HR-Konzep tionen ist sie zudem Keyplayerin und zentrale Ansprechpartnerin für das Projekt „Arbeiten 4.0“. Frau Malisi verfügt aus langjähriger Tätigkeit über umfangreiche Erfahrungen in der Projektsteuerung sowie Fachwissen aus den Bereichen Personal und Vertriebsplanung und -steuerung.
Jürgen Ley, geb. 1969, Diplom-Betriebswirt, leitet die Abteilung HR Businesspartner und Service bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG. Er verfügt über umfangreiche Erfahrungen in der Ent wicklung und Umsetzung von Personalplanungs- und -con trollingkonzepten sowie zu Compensation und Benefits. In seiner Steuerungsverantwortung für die Businesspartner sorgt er für die personalwirtschaftliche Umsetzung im Transformationsprozess für alle internen Bereiche. In seiner Funktion berichtet er direkt an den Bereichsleiter Personal und vertritt ihn.
Personalpolitik in der Corona-Krise Eine Herausforderung auch für die strategische Personalplanung Jutta Rump, Marc Brandt und Silke Eilers
Zusammenfassung
Zu Beginn des Jahres 2020 nahm eine Entwicklung ihren Lauf, deren Dimensionen zunächst nur den wenigsten bewusst waren und die doch innerhalb kurzer Zeit das Leben und Arbeiten der meisten Menschen in nahezu allen Ländern der Welt nachhaltig veränderte. Die Corona-Pandemie und die mit ihr einhergehenden Shutdowns stellen nicht zuletzt Unternehmen vor eine Herausforderung, die jede noch so vorsichtige und vorausschauende strategische Personalplanung nicht antizipieren konnte. Anstelle von Bemühungen zur Gewinnung und Bindung von Fachkräften oder umfangreichen Weiterbildungsaktivitäten, die für das Jahr 2020 auf der Agenda zahlreicher Arbeitgeber standen, treten nun erhebliche Existenzängste, drastische Maßnahmen wie Kurzarbeit für weite Teile der Belegschaft und die Ungewissheit angesichts der Dauer der Krise, die keinerlei strategische Personalplanung mehr möglich macht. Immer häufiger hört oder liest man den Satz „Die Welt wird nach der Corona-Krise nicht mehr so sein wie zuvor“. Wie gehen Unternehmen in Deutschland mit dieser Situation um? Welche Maßnahmen halten sie für sinnvoll, von welchen nehmen sie Abstand? Welche Ängste und Befürchtungen treiben sie um, welche Chancen sehen sie aber auch in der Krise? All diesen Fragen ging das Institut für Beschäftigung und Employability IBE im März 2020 in einer Befragung nach, an der sich 400 Personen beteiligt haben. Festzuhalten bleibt: Auch disruptive, unvorhersehbare Entwicklungen wie die Corona-Krise sind besser zu handhaben, wenn im Unternehmen grundsätzlich eine solide Basis im Sinne einer strategischen Personalplanung besteht. J. Rump (*) · M. Brandt · S. Eilers Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Institut für Beschäftigung & Employability IBE, Ludwigshafen, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected]; [email protected] © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Rump, S. Eilers (Hrsg.), Strategische Personalplanung, IBE-Reihe, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61903-2_8
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218
1
J. Rump et al.
Hintergründe der Untersuchung
In einer deutschlandweiten Befragung vom 23. bis 30. März 2020 geht das Institut für Beschäftigung und Employability IBE der Frage nach, wie in Unternehmen „Personalpolitik in der Corona-Krise“ vollzogen wird. An dieser Befragung nehmen 400 Geschäftsführer und -führerinnen, Führungskräfte, Personalleiter und -leiterinnen, Personalfachleute, Betriebs- und Personalrätinnen und -räte sowie HR-Experteninnen und Experten teil. Davon kommen 68 Prozent der Befragten aus dem privatwirtschaftlichen Sektor, 32 Prozent aus dem öffentlichen Dienst. Im Mittelstand (bis zu 1000 Beschäftigte) sind 76 Prozent der Befragten tätig, in Großunternehmen/Großinstitutionen (ab 1000 Beschäftigte) 24 Prozent. Die Befragung fokussiert einerseits personalwirtschaftliche und organisatorische Handlungsfelder, Konzepte und Maßnahmen, die als adäquat im Umgang mit der Krise erachtet werden. Andererseits werden Ängste und Hoffnungen, aber auch Chancen, die für jede Befragte und jeden Befragten mit dieser Ausnahmesituation verbunden sind, näher betrachtet. Zur Diskussion stehen folgende Themenfelder: • • • • • • • • • •
2
Staatliche Hilfen Arbeitszeitmodelle Arbeitsortmodelle Betriebliche Unterstützungsleistungen für die Beschäftigten Monetäre Maßnahmen Reduktion des Personalbestands Führung Information und Kommunikation Ängste und Befürchtungen Chancen
Ängste im Zusammenhang mit der Corona-Krise
Von den Befragten werden insbesondere das Risiko der Insolvenz und des Personalabbaus mit großer Besorgnis gesehen. Auch langfristige Folgen, wie eine Rezession und eine Weltwirtschaftskrise, die ähnliche ökonomische Ausmaße und politische und gesellschaftliche Konsequenzen wie 1929–1939 haben könnte, werden hier angeführt. Dass die langfristigen und existenzgefährdenden Ängste deutlich häufiger als kurzfristig Ängste bedingt durch finanzielle Engpässe oder Liquiditätsprobleme genannt werden, zeigt, wie dramatisch die Folgen dieser Krise eingeschätzt werden. Ein zusätzlicher Faktor, der diese Ängste treibt, ist die ungewisse Dauer der Krise, deren Ende bislang von niemandem eindeutig benannt werden kann. Als eher weniger relevant werden gesundheitliche Folgen betrachtet. Das mögliche Ausmaß der physischen und psychischen Konsequenzen innerhalb der Gesellschaft und innerhalb des Unternehmens scheint für viele Befragte somit (immer noch) wenig greifbar
Personalpolitik in der Corona-Krise
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Abb. 1 Ängste und Befürchtungen (eigene Darstellung)
und vorhersehbar zu sein, während die Folgen für die eigene wirtschaftliche Situation sehr offensichtlich und akut sind. Die Akzeptanz der politischen Entscheidungen und damit verbundenen Einschränkungen ist dennoch sehr hoch. Abb. 1 gibt einen Überblick über Ängste und Befürchtungen.
3
Staatliche Hilfen
Fast alle Befragten halten staatliche Hilfen in der Corona-Krise für wichtig. Von besonders hoher Relevanz1 sind dabei im Einzelnen die unbürokratische Antragstellung bei Hilfsmaßnahmen sowie Kurzarbeit, die Zustimmungswerte von jeweils rund 99 Prozent erhalten. Von hoher Relevanz sind zudem: • • • • •
Staatliche Liquiditätshilfen Hilfskredite Steuererleichterungen Arbeitslosenhilfe Neues staatliches Konjunkturprogramm
Eine geringe Relevanz wird dem sogenannten Helikoptergeld beigemessen.2 Einen Überblick gibt Abb. 2. Zusammenfassung der Werte zu „sehr relevant“ und „relevant“. Beim „Helikoptergeld“ erhält jeder Bürger/jede Bürgerin einmalig einen Pauschalbetrag. In den USA sind 1000 $ im Gespräch.
1 2
Abb. 2 Staatliche Hilfen (eigene Darstellung)
220 J. Rump et al.
Personalpolitik in der Corona-Krise
221
Einerseits überrascht die hohe Bedeutung von staatlichen Hilfsmaßnahmen angesichts der aufgeführten Ängste und Befürchtungen nicht. Andererseits steht die Frage im Raum, was mit den guten Umsätzen und Gewinnen der letzten zehn Jahre geschehen ist. Nicht wenige Unternehmen verfügten noch kurz vor der Krise über Liquidität im Überschuss. Wo ist das ganze Geld hin? „Hamstern“ Unternehmen jetzt Geld (so wie die Bevölkerung eine Zeitlang Toilettenpapier „hamsterte“) oder haben viele Unternehmen in (digitale) Innovationsprojekte und -strategien investiert, die jetzt noch am Anfang stehen? Für Unternehmen, die sich in einer Innovations- und Investitionsphase befinden, ist eine disruptive Krise, die mit einem 0-Umsatz verbunden ist und die sie nicht selbst verschuldet haben, fatal.
4
Arbeitszeit
Wenn es um Maßnahmen der Arbeitszeit geht, sind 87 Prozent der Befragten der Ansicht, dass dieses Handlungsfeld eine hohe Relevanz im Umgang mit der Corona-Krise hat. Als besonders wirkungsvoll werden flexible Arbeitszeitmodelle, Kurzarbeit, der Abbau von Überstunden und Mehrarbeit sowie flexible Arbeitszeitmodelle mit Arbeitszeitkonten eingestuft. Befristungen von bestimmten Beschäftigtengruppen in bestimmten Unternehmensbereichen haben ebenfalls eine hohe Relevanz. Eine befristete Arbeitszeitreduktion für alle Beschäftigten sowie Sonderurlaub werden als weniger relevant betrachtet (Abb. 3).
Abb. 3 Arbeitszeit (eigene Darstellung)
222
J. Rump et al.
Arbeitszeit gilt schon immer als ein zentrales Instrument in Krisensituationen. Für nicht wenige (jüngere) Entscheiderinnen und Entscheider ist der Zusammenhang zwischen Arbeitszeitmodellen und Krisenbewältigung eher ein theoretisches Konstrukt. Sie verbinden mit Arbeitszeitmodellen vor allem Employer Branding, New Work, Lebensphasenorientierung, Produktivitätssteigerungen. Die Untersuchung zeigt jedoch, dass die große Mehrheit der Befragten durchaus um die Krisendimension von Arbeitszeit weiß und die Wirkungsreichweite kennt.
5
Arbeitsort
Der Arbeitsort spielt in der Corona-Krise insbesondere vor dem Hintergrund von Kontaktund Ausgangsbeschränkungen eine entscheidende Rolle. Viele Beschäftigte dürfen bzw. müssen ihre Arbeit nach Hause verlagern. Welche Bedeutung messen die Befragten dem Maßnahmenbündel „Arbeitsort“ bei? 91 Prozent sind der Ansicht, dass Maßnahmen zum Arbeitsort in dieser Krise eine hohe Relevanz haben. Dabei spielen vor allem virtuelle Kommunikationsplattformen und Kooperationsräume, Social Distancing, Arbeiten im Homeoffice sowie mobile Arbeit eine sehr wichtige Rolle.3 Daneben wird die temporäre Trennung von Teams/Abteilungen genannt. Als nicht relevant wird die Verlagerung der Arbeit zu einem Dienstleister, zum Lieferanten sowie zum Kunden eingestuft (Abb. 4).
Abb. 4 Arbeitsort (eigene Darstellung) 3
Zusammenfassung der Werte zu „sehr relevant“ und „relevant“.
Personalpolitik in der Corona-Krise
223
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Corona-Krise mobile, virtuelle Organisations-, Arbeits- und Lernformen treibt. Während beispielsweise Homeoffice viele Jahre lang eine Arbeitsform für bestimmte Beschäftigtengruppen mit „Sonderstatus“ war, ist daraus innerhalb kürzester Zeit eine Arbeitsform für alle geworden. Eine Rückkehr in die alte Welt der Präsenzkultur im Sinne der Monopoly-Regel „Kehre zurück auf Los“ ist eher unwahrscheinlich. Natürlich werden wir nicht alle zu 100 Prozent im Homeoffice bleiben, wenn die Krise vorbei ist, aber es ist doch sehr wahrscheinlich, dass wir mehr und mehr in Mischformen arbeiten werden. Ist uns dabei bewusst, dass sich jetzt schon Unternehmenskultur verändert hat, Führungsstile angepasst worden sind und die Arbeitsorganisation anderen Regeln folgt?
6
Unterstützung der Beschäftigten
Besonders in Krisensituationen rücken Menschen zusammen. Sie haben das Bedürfnis nach einem Arbeitgeber, der sich kümmert und eine Caring Company ist. Die Befragung macht deutlich, dass das viele Unternehmen erkannt haben. Wie zu erwarten, sind laut 99 Prozent der Befragten Maßnahmen zur Unterstützung der Beschäftigten wichtig. In diesem Zusammenhang werden alle abgefragten Items als sehr relevant eingestuft (Abb. 5). Unternehmen, die die Bedeutung einer Caring Company erkannt haben, steigern ihre Attraktivität als Arbeitgeber. Denn in und nach der Krise erinnern sich Beschäftigte vor allem daran, wie sie unterstützt werden, wie fürsorglich der Umgang ist und wer Verant-
Abb. 5 Unterstützung der Beschäftigten (eigene Darstellung)
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J. Rump et al.
wortung übernommen hat. Die Unternehmenskultur und vor allem die Glaubwürdigkeit der gelebten Denk- und Handlungsmuster werden dadurch maßgeblich beeinflusst.
7
Kooperative Ansätze
Kooperative Ansätze können ebenfalls Möglichkeiten zur Krisenbewältigung sein. 96 Prozent der Befragten stimmen dem zu (Abb. 6).4 Die Ergebnisse machen deutlich, dass den Befragten bewusst ist, dass das Ausmaß der Corona-Krise nicht alleine zu bewältigen ist. Zum einen zeigt sich diese Einsicht beziehungsweise Einschätzung in den hohen Zustimmungswerten beim Handlungsfeld „Staatliche Hilfen“. Zum anderen sind die hohen Zustimmungswerte im Zusammenhang mit strategischen Partnerschaften und Allianzen ein Indikator dafür. Nicht nur Menschen rücken in Krisenzeiten zusammen, sondern auch Unternehmen.
8
Monetäre Maßnahmen
Krisenbewältigung hat immer etwas mit der Reduktion von direkten und indirekten Personalkosten zu tun. Die Untersuchungsergebnisse sprechen eine deutliche Sprache. So halten 95 Prozent der Befragten monetäre Maßnahmen für erforderlich. Als besonders rele-
Abb. 6 Kooperative Ansätze (eigene Darstellung)
Zusammenfassung der Werte zu „sehr relevant“ und „relevant“.
4
Personalpolitik in der Corona-Krise
225
Abb. 7 Monetäre Maßnahmen (eigene Darstellung)
vante Maßnahmen werden Kurzarbeitergeld, die Vermeidung von Budgetkürzungen „querbeet“, die Akquise von Finanzhilfen/Subventionen und die Verschiebung von Lohnund Gehaltssteigerung eingestuft.5 Als weniger relevant gilt der temporäre Verzicht auf Teile des Entgeltes (Abb. 7).
9
Reduktion des Personalbestandes
Auf die Frage, ob Maßnahmen zur Reduktion des Personalbestands wichtig sind, antworten 52 Prozent der Befragten mit Nein. Dennoch lässt sich Personalabbau als eine der zentralen Ängste (Abb. 1) identifizieren. Je länger die Corona-Krise andauert, umso mehr wird der Instrumentenkasten des Personalabbaus in den Fokus rücken. Abgelehnt wird im Moment der Verkauf von Betriebsteilen. Als derzeit wenig relevant werden die Umgestaltung der Personalstruktur in Stammbelegschaft und Randbelegschaft sowie betriebsbedingte Kündigungen gesehen. Aufhebungsverträge und Kündigungen nach der Probezeit können laut der Hälfte der Befragten in Frage kommen. Vorgezogener Ruhestand und Altersteilzeit werden von zwei Drittel der Befragten als relevant eingestuft. Die höchsten Zustimmungswerte6 zeigen Einstellungsstopp, die Nichtverlängerung von befristeten Arbeitsverträgen sowie die Nichtverlängerung beziehungsweise Auflösung von Personalleasingverträgen (Abb. 8). Unternehmen der Zeitarbeitsbranche sowie prekär Beschäftigten werden wohl schwere Zeiten bevorstehen.
5 6
Zusammenfassung der Werte zu „sehr relevant“ und „relevant“. Zusammenfassung der Werte zu „sehr relevant“ und „relevant“.
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J. Rump et al.
Abb. 8 Reduktion des Personalbestandes (eigene Darstellung)
Wie bereits ausgeführt wird die Reduktion des Personalbestandes derzeit von weniger als der Hälfte der Befragten als Krisenhandlungsfeld betrachtet. Viele Unternehmen sind sich der mittel- bis langfristigen Dimensionen von Downsizing bewusst. Es ist zudem davon auszugehen, dass der Fachkräftemangel eine Rolle spielt. Man möchte die Belegschaft halten, um nicht nach der Krise „mit leeren Händen dazustehen“ und gleichzeitig die Arbeitgebermarke und die Reputation auf dem Arbeitsmarkt beschädigt zu haben.
10
Führung
Führungskräfte scheinen in der Corona-Krise eine wichtige Rolle zu spielen. 97 Prozent der Befragten messen ihnen eine Bedeutung zu. Dabei wird insbesondere ein umsichtiges Agieren und nicht Überreagieren, ohne die Perspektive aus dem Auge zu verlieren, die Offenheit für kreative Wege zur Bewältigung der Krise („geht nicht – gibt es nicht“), die Zurückhaltung bei Aktivitäten, die nicht unbedingt erforderlich sind, sowie ein differenziertes Führungsverhalten bei unterschiedlichen Mitarbeitergruppen (zum Beispiel Beschäftigte mit Betreuungsaufgaben, Angehörige von Risikogruppen, …) als sehr hilfreich und sehr sinnvoll angesehen.7 Als etwas weniger relevant betrachten die Befragten antizyklisches Agieren und das Hinzuziehen von externen Expertinnen oder Experten zur Bewältigung der Krise (Abb. 9).
7
Zusammenfassung der Werte zu „sehr relevant“ und „relevant“.
Personalpolitik in der Corona-Krise
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Abb. 9 Führung (eigene Darstellung)
Es zeigt sich, dass Management- und Leadership-Skills notwendig sind: besonnen durch die Krise navigieren und gleichzeitig eine hohe Empathie für die Sorgen der Beschäftigten haben, kombiniert mit einer offenen, umfassenden und ehrlichen Information und Kommunikation. Die Anforderungen an eine Führungskraft mutieren zur „Eier legenden Wollmilchsau“. Die Corona-Krise treibt eine Veränderung der Sichtweise: Die Lösung kann also nicht in der intrapersonellen Sicht liegen, bei der eine Führungskraft alles beherrscht. Es braucht stattdessen den interpersonellen Ansatz. Wenn eine Person es nicht schafft bzw. nicht schaffen kann, dann sollten die Kompetenzen im Führungsteam und/oder im Team vorhanden sein.
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Information und Kommunikation
Information und Kommunikation sind das A und O in Krisensituationen. 99 Prozent der Befragten stimmen dem zu. Wenn es um Maßnahmen zur Information und Kommunikation in Krisenzeiten geht, zeigt sich ein klares Bild. Alle vorgeschlagenen Items werden mit hohen Werten bestätigt. Jeweils über 90 Prozent der Befragten halten sie für sehr relevant oder relevant. Lediglich die Diskussion der Szenarien mit den Beschäftigten wird als weniger relevant bewertet (Abb. 10).
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Chancen im Zusammenhang mit der Corona-Krise
Nachdem bereits die Ängste und Befürchtungen der Befragten im Zusammenhang mit der Corona-Krise thematisiert wurden (Abschn. 2), sehen diese aber durchaus auch zahlreiche Chancen. Das Corona-Virus erzeugt Rückenwind für virtuelle Zusammenarbeit,
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J. Rump et al.
Abb. 10 Information und Kommunikation (eigene Darstellung)
mobile Arbeit, agile Organisationsformen und New Work. Zudem treibt die Krise die Digitalisierung der Prozesse im Unternehmen. Wenn die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, wird die Digitalisierung schneller und konsequenter umgesetzt werden. Darüber hinaus wird die Mobilität im Kontext des Arbeitsortes voranschreiten, während die Mobilität bei der „Sammlung von Kilometern“ und im Kontext von Geschäftsreisen weniger wird. Die schulische und akademische Ausbildung, aber auch die Aus- und Weiterbildung haben bereits diesen Corona-Rückenwind erfahren. Hier zeigen sich schon nach kurzer Zeit enorme Zuwächse an Onlineformaten und digitalen Lerninhalten mit teils sehr kreativen Ansätzen. Vieles, was zuvor „auf die lange Bank geschoben wurde“, wird nun innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit umgesetzt, wenngleich es zuweilen noch nach dem Prinzip des „Trial and Error“ abläuft. Wie in jeder Krise rücken die Menschen zusammen – nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften. Das Gefühl von „Wir sitzen alle im selben Boot“ und der gemeinsamen Arbeit für das Unternehmen wurde lange nicht mehr so deutlich wie in diesen Zeiten. Abb. 11 gibt einen Überblick. Nicht zuletzt: Der gesunkene CO2-Ausstoß, der mit Kontaktbeschränkungen und Social Distancing einhergeht, kann Hinweise geben, welche gewohnten Abläufe möglicherweise auch anders zu bewerkstelligen sind. Hieraus lassen sich wichtige Lerneffekte für nachhaltiges Handeln ableiten. Ein Thema, das schon vor der Krise einen immer weiter wachsenden Stellenwert für viele Institutionen und Unternehmen eingenommen hat.
Personalpolitik in der Corona-Krise
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Abb. 11 Chancen (eigene Darstellung)
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Schlussbetrachtung
Wie zu erwarten werden von den Befragten alle zur Auswahl gestellten Handlungsfelder (staatliche Hilfen, Arbeitszeitmodelle, Arbeitsortmodelle, betriebliche Unterstützungsleistungen für die Beschäftigten, monetäre Maßnahmen, Reduktion des Personalbestands, Führung, Information und Kommunikation) als relevant eingestuft. Zur Bewältigung der Corona-Krise spielen nach Ansicht der Befragten im Moment folgende personalwirtschaftlichen und organisatorischen Maßnahmen eine sehr wichtige Rolle (Blick auf die Werte „sehr relevant“ > 80 Prozent): • • • • • • • • •
Offene und ehrliche Kommunikation (93 Prozent) Virtuelle Kommunikationsplattformen (90 Prozent) Kurzarbeit (88 Prozent) Unbürokratische Antragstellung bei Hilfsmaßnahmen (88 Prozent) Umsichtiges Agieren und kein Überreagieren von Führungskräften (83 Prozent) Offenheit gegenüber kreativen Wegen zur Bewältigung der Krise (83 Prozent) Flexible Arbeitszeitmodelle (83 Prozent) Social Distancing (82 Prozent) Umfassende Information (80 Prozent)
Maßnahmen zur Reduktion des Personalbestands stehen derzeit vergleichsweise wenig im Fokus, obwohl Downsizing zu den größten Ängsten zählt.
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Keine Bedeutungen haben folgende Maßnahmen (wenig/nicht relevant > 75 Prozent): • „Helikoptergeld“ • Verlagerung der Arbeit zu Dienstleistern/Lieferanten/Kunden • Verkauf von Betriebsteilen Als zentrale Ängste lassen sich – neben Personalabbau – Insolvenz sowie langfristige ökonomische, politische und gesellschaftliche Folgen identifizieren. Demgegenüber werden auch zahlreiche Chancen wahrgenommen. Die Corona-Krise wird als Treiber für die nachhaltige Implementierung von neuen Organisations- und Arbeitsformen gesehen. Darüber hinaus wird die Ansicht vertreten, dass die Digitalisierung konsequenter und schneller umgesetzt wird. Da allerdings in Zukunft wahrscheinlich die finanziellen Mittel eher beschränkt sein werden, wird – so die Befragten – die digitale Transformation mit einer fundierten Prioritätenliste verbunden sein. Hier stellt sich die Frage, welche der zahlreichen Experimentierräume mit den hohen Freiheitsgraden vor dem Ende stehen bzw. eine Einschränkung erfahren. Abschließend bleibt festzuhalten, dass eine Krise wie die derzeitige zwar zweifelsohne nicht vorhersehbar und insofern auch nicht planbar war, sondern vielmehr als disruptiv zu bezeichnen ist. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Umgang mit der Ausnahmesituation umso leichter fällt, wenn Unternehmen grundsätzlich eine solide Planungsbasis im Sinne einer langfristigen strategischen Personalplanung aufweisen und die erforderlichen Reaktionen auf die Krise somit in ein Gesamtkonzept einordnen können.
Dr. Jutta Rump ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Internationales Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. Sie hat zudem zahlreiche Mandate auf regionaler und nationaler Ebene inne und ist in Unternehmen als Projekt- und Prozessbegleiterin tätig. Darüber hinaus leitet sie das Institut für Beschäftigung und Employability IBE, das den Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit auf personalwirtschaftliche, arbeitsmarktpolitische und beschäftigungsrelevante Fragestellungen legt.
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Marc Brandt, M. A., studierte Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln (B. Sc.) und absolvierte im Anschluss den Masterstudiengang der sozialwissenschaftlichen Gerontologie und Demografieforschung an der Technischen Universität Dortmund. Nach beruflichen Stationen neben dem Studium an der Universitätsklinik Köln und dem Institut Arbeit und Technik in Gelsenkirchen folgte die Arbeit als studentischer Mitarbeiter beim QuartiersNETZ-Projekt für das Forschungsinstitut Geragogik im Teilprojekt „Technikbegleitung“. Seit September 2017 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen tätig. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen in den Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Bereiche Technik, Bildung, Arbeit und Wirtschaft sowie in statistischen Erhebungen und Analysen. Silke Eilers ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin am Institut für Beschäftigung und Employability IBE. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Themenbereichen Demografie, Trends der Arbeitswelt, Employability sowie Lebensphasenorientierte Personalpolitik und Zeitpolitik.