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German Pages 207 [210] Year 2016
svitlana mokhonko
Nachwuchsförderung im MINT-Bereich Aktuelle Entwicklungen, Fördermaßnahmen und ihre Effekte
Empirische Berufsbildungsforschung 2 Franz Steiner Verlag
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Svitlana Mokhonko Nachwuchsförderung im MINT-Bereich
Empirische Berufsbildungsforschung Herausgegeben von Reinhold Nickolaus, Niclas Schaper, Susan Seeber und Stefan C. Wolter Band 2
svitlana mokhonko
Nachwuchsförderung im MINT-Bereich Aktuelle Entwicklungen, Fördermaßnahmen und ihre Effekte
Franz Steiner Verlag
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2016 Zugl. Dissertation der Universität Stuttgart, D 93 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11322-9 (Print) ISBN 978-3-515-11326-7 (E-Book)
VORWORT Die von Frau Mokhonko vorgelegte Arbeit zur Nachwuchsförderung im MINTBereich bietet auf der Basis großer Stichproben einen detaillierten Einblick in die Entwicklungen von einschlägigen Interessen, Fähigkeitsselbstkonzepten und beruflichen Orientierungen. Untersucht werden einerseits Entwicklungen der einschlägigen Interessen, Fähigkeitsselbstkonzepte und beruflichen Orientierungen im schulischen Kontext in den Klassenstufen 7–9 und andererseits die Effekte von außerschulischen Fördermaßnahmen, die darauf gerichtet waren, naturwissenschaftlichtechnische Interessen zu stimulieren, gegebenenfalls ungünstig ausgeprägte Selbstkonzepte zu modifizieren und berufliche Orientierungen in den MINT-Bereich zu öffnen. Damit wird eine Thematik aufgegriffen und in elaborierter Weise bearbeitet, die seit längerem durch vielfältige, mit erheblichen finanziellen und personellen Ressourcen betriebene Aktivitäten auf allen Ebenen des Bildungssystems gekennzeichnet ist. Während die Diagnose unerwünschter Regressionen von naturwissenschaftlich-technischen Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepten im schulischen Kontext trotz der zwischenzeitlich eingeleiteten didaktischen Maßnahmen nach wie vor eher skeptisch stimmt, richten sich die Hoffnungen immer noch auf außerschulische Maßnahmen, die von zahlreichen Institutionen betrieben und gefördert werden, um die drohende Fachkräftelücke zu schließen und naturwissenschaftlich-technische Domänen, die unser Leben in hohem Grade prägen, besser zugänglich zu machen. Welche Effekte damit tatsächlich erzielt werden, wird eher selten einer systematischen Analyse unterzogen. Die in der vorgelegten Arbeit erarbeitete Übersicht zur einschlägigen Forschungslage und die eigenen Analysen zu einschlägigen Maßnahmepaketen unterschiedlicher Hochschulen wecken substantielle Zweifel an den zum Teil hochgesteckten Erwartungen und geben Anlass, die bisherige Förderpraxis zu hinterfragen. Der Wert dieser Arbeit liegt nicht nur in dieser zum Innehalten und Reflektieren Anlass gebenden Befundlage, sondern in den sogfältig dokumentierten und durchgeführten Studien. Sowohl die theoretischen Fundierungen, die sorgfältige Durchführung und die elaborierten Analysen als auch die reflektierte und transparente Interpretation machen die Arbeit zu einer wertvollen Hilfestellung bei einschlägigen Entscheidungsprozessen. Zugleich werden offene Fragen angesprochen, wie die Verzahnung schulischer und außerschulischer Maßnahmen, welchen nach den vorliegenden Erkenntnissen zumindest Potentiale bescheinigt werden können doch noch größere Effekte zu erzielen, wenngleich auch hier eine systematische und breiter angelegte Prüfung von Gelingengsbedingungen aussteht. Wir wünschen dieser Arbeit, die als Band 2 der Reihe „Empirische Berufsbildungsforschung“ erscheint, viele und interessierte Leser. Stuttgart, 23. Dezember 2015 Reinhold Nickolaus
DANKSAGUNG Zum Gelingen dieser Arbeit haben viele Personen beigetragen, denen ich herzlich danken möchte. In erster Linie gilt mein großer Dank Herrn Prof. Dr. Reinhold Nickolaus. Er hat mir die Möglichkeit gegeben diese Arbeit verfassen zu können, hat mir dabei viel Freiraum eingeräumt, eigene Ideen verfolgen zu können und hat mich in all diesen Jahren stets mit zahlreichen anregenden und konstruktiven Hinweisen unterstützt. Vielmals danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Zinn, der freundlicherweise die Erstellung des zweiten Gutachtens übernommen hat. Weiterhin möchte ich mich besonders herzlich bei meiner Kollegin Frau Dr. Anke Treutlein bedanken für ihre wertvolle fachliche Unterstützung bei statistischen Fragestellungen sowie für die Durchsicht der Arbeit und für die vielen anregenden und interessanten Gespräche in den letzten Jahren. Danken möchte ich auch meinen Kollegen Herrn Dr. Stephan Abele und Herrn Dr. Felix Walker für den fachlichen Austausch und die gegebenen Hinweise sowie Margrit Oehler für die Unterstützung bei der Literaturrecherche und bei der Literaturbeschaffung. Ein besonderes Dankeschön geht auch an meinen Kollegen Alexander Nitzschke für seine große und unermüdliche Hilfe bei der Formatierung des Manuskripts. Mein Dank gilt auch den studentischen Hilfskräften. Hervorheben möchte ich Lisa Steinemann, die mich bei der redaktionellen Fertigstellung der Arbeit mit viel Geduld unterstützt hat. Zudem danke ich auch Laura Zeisberger und Jennifer Baumer. Nicht zuletzt gilt mein großer Dank Kerstin Norwig für zahlreiche Gespräche und Ratschläge und für die Unterstützung nicht nur bei dieser Arbeit sondern auch in vielen anderen Momenten des Lebens. Für die jahrelange Unterstützung in jeglicher Hinsicht und für vieles mehr möchte ich ganz herzlich auch Svitlana Babych danken. Stuttgart, im Dezember 2015 Svitlana Mokhonko
INHALTSVERZEICHNIS VORWORT ............................................................................................................. 5 DANKSAGUNG ..................................................................................................... 7 INHALTSVERZEICHNIS ...................................................................................... 9 1
EINLEITUNG............................................................................................ 13
1.1 1.2
Problemstellung ......................................................................................... 13 Gliederung der Arbeit ................................................................................ 15
2
NATURWISSENSCHAFTEN UND DIE NACHWUCHSFÖRDERUNG: PROBLEMLAGEN UND FORSCHUNGSSTAND .................................................................. 17
2.1 Interesse an den Naturwissenschaften........................................................ 17 2.1.1 Interessenabnahme: altersbedingt oder Folge des schulischen Unterrichts? ................................................................................................ 18 2.1.2 Fach- vs. Sachinteresse .............................................................................. 20 2.2 Schwierigkeit der naturwissenschaftlichen Fächer .................................... 22 2.3 Das Image von Naturwissenschaften ......................................................... 23 2.4 Geschlechtsspezifische Unterschiede von naturwissenschaftsbezogenen Interessen, Fähigkeitsselbstkonzepten und Orientierungen ............ 25 2.5 Fächerwahl in der gymnasialen Oberstufe ................................................. 29 2.6 Studienfachwahl an den Hochschulen ....................................................... 31 3
AUSSERSCHULISCHE FÖRDERMASSNAHMEN .............................. 35
3.1 3.2
Schülerlabore in Deutschland .................................................................... 36 Studien zur Wirksamkeit von Schülerlaboren ........................................... 40
4
BERUFSWAHLFORSCHUNG UND DETERMINANTEN DER BERUFSWAHL................................................................................ 56
4.1 4.2
Berufswahltheorien .................................................................................... 56 Über die Leistungskurswahl vermittelte Effekte von Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepten auf die Berufswahl ................................... 59 Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte als Prädiktoren der Studienfach- und Berufswahl ............................................................... 61
4.3 5
INTERESSEN UND FÄHIGKEITSSELBSTKONZEPTE: EINE THEORETISCHE BESCHREIBUNG ............................................ 63
10
Inhaltsverzeichnis
5.1 5.2 5.3
Interesse ..................................................................................................... 63 Berufliche Interessen.................................................................................. 66 Fähigkeitsselbstkonzept ............................................................................. 69
6
STUDIE I: FACHSPEZIFISCHE FÄHIGKEITSSELBSTKONZEPTE SOWIE FACHSPEZIFISCHE UND BERUFLICHE INTERESSEN IN DER SEKUNDARSTUFE I ................................................................. 75
6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3 6.3.1
Forschungsfragen und Hypothesen ............................................................ 75 Methode ..................................................................................................... 79 Stichprobe .................................................................................................. 79 Erhebungsinstrumente................................................................................ 80 Statistisches Vorgehen ............................................................................... 86 Ergebnisse .................................................................................................. 88 Prüfung der Hypothesenfamilie H1: Unterschiede fachspezifischer Interessen in Abhängigkeit von Geschlecht und Klassenstufe .................. 88 6.3.2 Prüfung der Hypothesenfamilie H2: Unterschiede fachspezifischer Fähigkeitsselbstkonzepte in Abhängigkeit von Geschlecht und Klassenstufe ............................................................................................... 91 6.3.3 Prüfung der Hypothese H3: Unterschiede beruflicher Interessen in Abhängigkeit vom Geschlecht ............................................................... 97 6.3.4 Prüfung der Hypothesenfamilie H4: Unterschiede in Bildungs-und Berufsvorhaben in Abhängigkeit von Geschlecht und Klassenstufe ....... 104 6.4 Zusammenfassung der Befunde der Studie I und Diskussion.................. 106 6.5 Grenzen der Studie ................................................................................... 114 7 7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.3 7.3.1
STUDIE II: EFFEKTE DER FÖRDERMASSNAHMEN ...................... 115
Forschungsfragen und Hypothesen .......................................................... 117 Methode ................................................................................................... 121 Das Evaluationsdesign ............................................................................. 121 Stichprobe ................................................................................................ 122 Erhebungsinstrumente.............................................................................. 123 Statistisches Vorgehen ............................................................................. 126 Ergebnisse ................................................................................................ 127 Prüfung der Hypothesenfamilie H1: Entwicklung von fachspezifischen Interessen ...................................................................... 127 7.3.1.1 Entwicklung des Fachinteresses in Physik (H1.1–H1.3) ......................... 127 7.3.1.2 Entwicklung des Fachinteresses in Chemie (H1.1–H1.3)........................ 133 7.3.1.3 Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................................... 137 7.3.2 Prüfung der Hypothesenfamilie H2: Entwicklung von fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten ............................................ 137 7.3.3 Prüfung der Hypothesenfamilie H3: Entwicklung von beruflichen Interessen .............................................................................. 142 7.3.3.1 Entwicklung der beruflichen Interessen im praktischtechnischen Bereich (R) ........................................................................... 142
Inhaltsverzeichnis
11
7.3.3.2 Entwicklung der beruflichen Interessen im intellektuellforschenden Bereich (I)............................................................................ 144 7.3.3.3 Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................................... 146 7.3.4 Prüfung der Hypothesenfamilie H4: Entwicklung von Bildungsund Berufsvorhaben ................................................................................. 147 7.3.5 Prüfung der Hypothese H5: Effekte der Maßnahmedauer ....................... 149 7.3.6 Analyse der Effekte nach Standort........................................................... 159 7.3.7 Prüfung der Hypothese H6: Nachhaltigkeit der Fördereffekte ................ 166 7.4 Zusammenfassung der Befunde der Studie II und Diskussion ................ 174 7.5 Grenzen der Studie ................................................................................... 182 8
FAZIT UND AUSBLICK........................................................................ 183
8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.3
Zusammenfassung der Ergebnisse der empirischen Studien ................... 183 Ausblick ................................................................................................... 186 Implikationen für die Nachwuchsförderung im MINT-Bereich .............. 186 Forschungsrelevante Implikationen ......................................................... 189 Schluss ..................................................................................................... 190
LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................. 191 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ......................................................................... 200 TABELLENVERZEICHNIS............................................................................... 201 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ........................................................................ 204 ANHANG ............................................................................................................ 205
1 EINLEITUNG 1.1 PROBLEMSTELLUNG Die rasche technologische Entwicklung hat in den letzten Jahrzehnten dazu beigetragen, dass das naturwissenschaftliche und technische Know-how immer mehr an Bedeutung gewinnt. Naturwissenschaften und Technik sind ein fester Bestandteil der modernen Gesellschaft und beeinflussen das Leben jedes einzelnen Individuums. Aus diesem Grund spielt die naturwissenschaftliche Grundbildung eine immer wichtigere Rolle für die aktive und kulturelle Teilhabe an der Gesellschaft (Taskinen, 2010; Taskinen, Asseburg & Walter, 2008). Gleichzeitig sind für Unternehmen in Deutschland als „Hightech-Standort“ Fachkräfte in naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Berufen unabdingbar. In diesem Kontext wird jedoch eine Fachkräftelücke beklagt. Der Fachkräftemangel in Deutschland steigt seit Jahren, besonders dramatisch ist dabei die Situation im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) (acatech & Körber-Stiftung, 2014; Bundesregierung, 2012; Gesamtmetall, 2009). Nach den Informationen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln fehlten im April 2014 in den MINT-Berufen rund 117.300 Arbeitskräfte, 49.300 davon waren den akademischen MINT-Berufen zu zuordnen (Anger, Koppel & Plünnecke 2014, zitiert nach iw-dienst, 2014). Die Debatte über den Fachkräftemangel in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen ist nicht neu und besteht in Deutschland schon seit mehreren Jahrzehnten (acatech & Körber-Stiftung, 2014; Renn, Pfennig & Jakobs, 2009). Laut Prognosen soll der Mangel an Fachleuten im MINT-Bereich sich in Zukunft auch zuspitzen. Gründe dafür sind folgende zentrale Entwicklungen (Gesamtmetall, 2009): a) Der demografische Wandel: die große Zahl der Arbeitnehmer, die altersbedingt ausscheiden, sorgt für einen hohen Ersatzbedarf der Fachkräfte im MINT-Segment. b) Expansionsbedarf: die Nachfrage nach Fachkräften wird auf Grund der Expansion der Wirtschaft steigen. Ursächlich dafür sind der mittelfristige Wachstumstrend und „die Entwicklung hin zur Hightech-Produktion und zu höherwertigen Dienstleistungen“ (Gesamtmetall, 2009, S. 2). Vor diesem Hintergrund bereiten die Befunde Sorgen, dass sich Jugendliche relativ wenig für naturwissenschaftsbezogene und technische Berufe interessieren (acatech & VDI, 2009; Schütte, Frenzel, Asseburg & Pekrun, 2007) und das, obwohl diese Berufe sehr gute berufliche Möglichkeiten bieten und viele Ingenieure und Naturwissenschaftler mit ihrer Tätigkeit sehr zufrieden sind (acatech & VDI, 2009; iw-dienst, 2011; Koppel, 2010). Der Rückgang der Schüler- und Studentenzahlen in den naturwissenschaftlichen Fächern wurde bereits gegen Ende der sechziger Jahre beobachtet und erhielt
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Einleitung
in den angelsächsischen Ländern die Bezeichnung „swing from science“ oder „swing away from science“ (Lehrke, 1988; Osborne, Simon & Collins, 2003). Eine umfassende Studie aus dem Jahr 1968 zeigte, dass die Abkehr von den Naturwissenschaften zugunsten der Sozial- und Geisteswissenschaften nicht nur in den USA stattgefunden hat und somit ein rein amerikanisches Phänomen war, sondern einen internationalen Charakter hatte. Eine einheitliche Abkehr von den Naturwissenschaften und der Technik wurde auch in Großbritannien, den Niederlanden, der Bundesrepublik Deutschland und in Australien festgestellt (Tanner, 1972). Die aktuellen Entwicklungen sind in vielen Ländern identisch und das Nachwuchsproblem im MINT-Bereich betrifft auch skandinavische Länder wie Norwegen, Dänemark und begrenzt Finnland, die für ihre effektive Früherziehung bekannt sind (Pfenning & Renn, 2012a). Die Abkehr von den Naturwissenschaften und der Technik ist dabei nicht als ein singuläres Ereignis zu betrachten, denn die Nachwuchskräfte gehen im Laufe der gesamten Schul- und Ausbildungszeit „verloren“. Verschiedene Studien zeigen, dass das Interesse der Schülerinnen und Schüler an naturwissenschaftlichen Fächern wie Physik und Chemie im Laufe der Schulzeit sinkt (Daniels, 2008; Osborne et al., 2003; Zwick & Renn, 2000). Dies führt dazu, dass sich nur ein kleiner Teil von Schülerinnen und Schülern für eine Vertiefung in diesen Fächern in der gymnasialen Oberstufe entscheidet (Heine, Egeln, Kerst, Müller & Park, 2006; Schmidt & Herzer, 2006). Schließlich nehmen relativ wenige Jugendliche ein Studium in diesem Segment auf (acatech & VDI, 2009). Aber auch eine Entscheidung zugunsten der naturwissenschaftlichen und technischen Berufe bedeutet oft nicht den Nachwuchsgewinn in diesem Bereich, da den Statistiken zufolge ein großer Teil der Studierenden das Studium der Naturwissenschaften wieder aufgibt (Enders, Heine & Klös, 2009; Heine et al., 2006; Heublein, Schmelzer, Sommer & Wank, 2008). Dieses Phänomen, wonach die Nachwuchskräfte fortlaufend im Laufe der Schul- und Ausbildungszeit „verloren“ gehen, wird auch als „Leaking Pipeline“ bezeichnet (Solga & Pfahl, 2009). In besonderem Maße sind von diesem Prozess Frauen betroffen (Solga & Pfahl, 2009). Im Zuge solcher Entwicklungen entstanden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche außerschulische Förderinitiativen mit dem Ziel, Jugendliche im MINT-Bereich zu fördern und sie für dieses berufliche Segment zu gewinnen. Wie wirksam diese Initiativen sind, blieb in den meisten Fällen auf Grund der häufig fehlenden wissenschaftlichen Begleitforschung offen. So zeigte sich in einer breit angelegten Studie, die bundesweit über 1.000 Förderprojekte ermittelt hat, dass die Evaluation dieser Projekte lediglich in Ansätzen geschah (Pfennig, Hiller & Renn 2011, zitiert nach Pfenning & Renn, 2012a). „Bei der Mittelvergabe durch die Förderer werden häufig die Angaben der Antragsteller zu Effekten und Wirkungen der Projekte übernommen, ohne eine unabhängige und wissenschaftlich ausgewiesene Evaluierung zu verlangen. Auf diese Weise ist eher das Wunschdenken als das empirisch erhärtete Resultat Maßstab der Finanzierung“ (acatech, 2011, S. 8). Dabei sind die außerschulischen Förderinitiativen in Deutschland sehr vielfältig und zahlreich zu finden (Pfenning & Renn, 2012a).
Einleitung
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Auf Grund des fehlenden Nachwuchses im MINT-Bereich bleibt die diesbezügliche Förderung von Schülerinnen und Schülern ein zentraler Forschungsbereich und die empirische Begleitforschung der Fördermaßnahmen, die wissenschaftlichen Standardkriterien entspricht, scheint umso dringlicher. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung von fachspezifischen Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepten in Naturwissenschaften sowie beruflichen Interessen bei Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 7 bis 10 von Gymnasien. Die Arbeit zielt auf die konsequente Untersuchung von Persönlichkeitsmerkmalen, die als zentrale Prädiktoren bei schulischen und beruflichen Wahlentscheidungen gelten (Köller, Daniels, Schnabel & Baumert, 2000; Köller, Trautwein, Lüdtke & Baumert, 2006; Möller & Trautwein, 2009; Nagy, 2005; Willich, Buck, Heine & Sommer, 2011). Diese Persönlichkeitsmerkmale werden aus zwei unterschiedlichen Perspektiven untersucht. Zum einen wird der Frage nachgegangen, wie fachspezifische Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte in den Fächern Physik und Chemie, berufliche Interessen sowie Bildungs- und Berufsvorhaben im naturwissenschaftlich-technischen Bereich bei Jugendlichen ausgeprägt sind. Unterscheiden sich Schülerinnen und Schüler in diesen Persönlichkeitsmerkmalen? Bestehen Unterschiede zwischen den einzelnen Klassenstufen? Die Untersuchung dieser Fragestellungen ermöglicht es, umfassende Aussagen über die Ausprägungen und Veränderungen von der 7. bis zur 10. Klassenstufe von diesen, für die Berufswahlprozesse wichtigen, Determinanten zu treffen. Zum anderen wird untersucht, inwiefern sich diese Merkmale durch die Schülerlabore fördern lassen. Dieser Untersuchungsbereich ist insofern relevant, als in den letzten Jahrzehnten in Deutschland zwecks der Nachwuchsförderung im MINT-Bereich zahlreiche Schülerlabore entstanden sind. Die wissenschaftliche Begleitforschung zu Schülerlaboren steht allerdings noch in den Anfängen (Guderian & Priemer, 2008; Priemer & Lewalter, 2009). Mit dieser Arbeit wird das Ziel verfolgt, neue bzw. weitergehende Erkenntnisse über die Wirkungen der Schülerlabore zu erlangen. Untersucht werden dabei Effekte mehrerer Schülerlabore, die sich in ihrer Anlage und Umsetzung voneinander unterscheiden. Die Analysen von verschiedenen Schülerlaboren und die Berücksichtigung der Varianz an Treatments ermöglichen es, elaborierte Einschätzungen der Wirksamkeit der Schülerlabore zu gewinnen. 1.2 GLIEDERUNG DER ARBEIT Die vorliegende Arbeit ist in einen theoretischen und einen empirischen Teil gegliedert. Der theoretische Teil umfasst vier Kapitel. Nach der Einleitung werden in Kapitel 2 die zentralen Problemlagen in den Naturwissenschaften und der Forschungsstand erörtert. Kapitel 3 widmet sich außerschulischen Fördermaßnahmen, die auf Grund des mangelnden Nachwuchses im MINT-Bereich entstanden sind. Zentral werden dabei Schülerlabore betrachtet, die in Deutschland als ein Zweig von außerschulischen Fördermaßnahmen zahlreich repräsentiert sind. Dazu werden ausgewählte Studien zu Effekten von Schülerlaboren und ihre zentralen Ergebnisse
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Einleitung
dargestellt. Die Befunde werden anschließend zusammengefasst und diskutiert. In Kapitel 4 werden die Berufswahlforschung und die zentralen Determinanten der Berufswahlprozesse wie Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte behandelt. Der theoretische Teil endet mit dem Kapitel 5, in welchem schließlich diese Konstrukte theoretisch umschrieben werden. Der empirische Teil der Arbeit enthält drei Kapitel, in welchen zwei Studien vorgestellt werden. In der ersten Studie (Kap. 6) werden die Ausprägungsunterschiede der Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte in Physik und Chemie bei Schülerinnen und Schülern der 7. bis 10. Klassenstufe analysiert sowie der Frage nachgegangen, inwieweit sich klassenstufen- und geschlechtsspezifische Unterschiede der Bildungs- und Berufsvorhaben beobachten lassen. In der zweiten Studie (Kap. 7) werden die Effekte der Schülerlabore untersucht. Kapitel 8 dient der Zusammenfassung der Ergebnisse der beiden Studien und dem Ausblick.
2 NATURWISSENSCHAFTEN UND DIE NACHWUCHSFÖRDERUNG: PROBLEMLAGEN UND FORSCHUNGSSTAND 2.1 INTERESSE AN DEN NATURWISSENSCHAFTEN Als ein Grund für den mangelnden Nachwuchs in Naturwissenschaften wird das geringe Interesse von Jugendlichen an naturwissenschaftlichen Fächern aufgeführt. Dabei wird das Interesse von Schülerinnen und Schülern an Naturwissenschaften schon seit langer Zeit als mangelhaft bezeichnet. Physik und Chemie sind diejenigen Fächer, die bei vielen Schülerinnen und Schülern unbeliebt sind (Engeln, 2004; Hoffmann & Lehrke, 1986; Krapp, 1996, Osborne et al., 2003; Prenzel, Reiss & Hasselhorn, 2009; Woest, 1997; Zwick & Renn, 2000). Zwar sinkt das Interesse der Schülerinnen und Schüler im Durchschnitt generell in allen Schulfächern, jedoch zeigen die vorliegenden Studien, dass dieser Prozess in Fächern wie Physik und Chemie am stärksten ausgeprägt ist (Daniels, 2008; Krapp, 1996). Die früheren Befunde von PISA 2000 und PISA 2003 ergaben mangelnde Kompetenzen von deutschen Schülerinnen und Schülern in den naturwissenschaftlichen Fächern (Artelt et al., 2001; Rost et al., 2004). Die Ergebnisse von PISA 2006 und PISA 2009 zeigten dagegen bessere Ergebnisse in Bezug auf die naturwissenschaftliche Grundbildung (Prenzel, Schöps et al., 2007; Rönnebeck, Schöps, Prenzel, Mildner & Hochweber, 2010). Somit scheinen die aktuellen Bemühungen und vielfältige Maßnahmen als Reaktion auf die negativen Befunde einen Erfolg im Bereich der naturwissenschaftlichen Kompetenz zu erzielen (Prenzel, Schöps et al., 2007; Rönnebeck et al., 2010). Dennoch besteht trotz dieser positiven Entwicklung nach wie vor ein starker Förderbedarf in Bezug auf die Interessenentwicklung. Zwar zeigen die Befunde von PISA 2006 für Deutschland, dass die hoch kompetenten Jugendlichen in den oberen Quartilen der Interessenverteilung überrepräsentiert sind, allerdings gibt es auch viele hoch kompetente Jugendliche, die wenig an den Naturwissenschaften interessiert sind: 43,2 Prozent der hoch kompetenten Jugendlichen sind den unteren Quartilen der Interessenverteilung zuzuordnen. Das Interesse der GymnasiastInnen fällt dabei etwas stärker aus als das der RealschülerInnen (Prenzel, Schütte & Walter, 2007). Im internationalen Vergleich zeigten in den meisten befragten Staaten hochkompetente Jugendliche ein stärkeres Interesse an den Naturwissenschaften als die hoch kompetenten Jugendlichen in Deutschland (Prenzel et al., 2007). Somit gibt es hierzulande viele hoch kompetente Jugendliche, die sich wenig oder überhaupt nicht für Naturwissenschaften interessieren. Aus der Perspektive der Nachwuchssicherung bringt es wenig, wenn Jugendliche über eine hohe naturwissenschaftliche Kompetenz verfügen, aber keine Bereitschaft zeigen,
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Naturwissenschaften und die Nachwuchsförderung
sich mit den Inhalten weiter auseinandersetzen zu wollen. Diese Befunde verdeutlichen, dass die Förderung des Nachwuchses in naturwissenschaftlichen und technischen Berufsfeldern vor großen Herausforderungen steht (Prenzel et al., 2007). Eder (2012) untersuchte die Entwicklung von beruflichen Interessen in Anlehnung an die Kategorie von Holland (1997) und verglich die Daten von PISA 2003 und PISA 2009 für Österreich. In der Gesamtbetrachtung war ein Rückgang in den beruflichen Interessen zu beobachten, in dem praktisch-technischen (R), intellektuell-forschenden (I) und konventionellen Bereich (C) war dieser allerdings am stärksten. Geschlechtsspezifische Analysen zeigten, dass bei Mädchen der Interessenrückgang in den Bereichen praktisch-technischer (R), intellektuell-forschender (I) und konventioneller (C) Interessen signifikant war, bei Jungen in den Bereichen intellektuell-forschender (I), künstlerisch-sprachlicher (A) und konventioneller (C) Interessen. Im sozialen Bereich (S) zeigten sich dagegen keine Veränderungen im epochalen Vergleich und das sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen.
Abbildung 1:Unterschiede in den allgemeinen Interessen zwischen PISA 2003 und PISA 2009 (Eder 2012, S. 264) „Der Rückgang im Bereich der naturwissenschaftlichen Interessen – und das ist tendenziell auch ein Rückgang der Interessenentwicklung bei den Burschen – ist ein Signal, das nicht übersehen werden sollte. Obwohl in den letzten Jahren der Fokus stark auf diesen Interessenbereich gerichtet war und auf vielfältige Weise versucht wurde, naturwissenschaftliche Interessen zu fördern, lässt sich der epochale Verlauf jedenfalls nicht als Erfolg für diese Bemühungen interpretieren“ (Eder, 2012, S. 282).
2.1.1 Interessenabnahme: altersbedingt oder Folge des schulischen Unterrichts? Einige Forschungsarbeiten verweisen darauf, dass Schülerinnen und Schüler nicht von Anfang an ein geringes Interesse an den Naturwissenschaften haben, vielmehr verlieren sie das Interesse erst im Laufe der Schulzeit. Im Rahmen von TIMSS 2011 wurden die Einstellungen und das Selbstkonzept bei Schülerinnen und Schülern der vierten Jahrgansstufe in Bezug auf das Fach Sachunterricht erhoben. Die Befunde zeigen, dass die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zum Sachunterricht am Ende der Grundschulzeit sehr positiv sind und die Kinder über ein ebenfalls
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sehr positives sachunterrichtsbezogenes Selbstkonzept verfügen (Kleickmann, Brehl, Saß, Prenzel & Köller, 2012). In der Sekundarstufe I nimmt das Interesse allerdings ab (Daniels, 2008; Hoffmann, Häußler & Lehrke, 1998). Dabei berichten einige Studien, dass das Interesse an den Naturwissenschaften am stärksten kurz nach Beginn des Fachunterrichts sinkt. Beispielsweise zeigten die Befunde der groß angelegten Interessenstudie zum Physikunterricht der Universität Kiel (IPN), dass der stärkste Abfall des Fachinteresses in Physik zwischen dem Ende des 7. und des 8. Schuljahres geschieht (Hoffmann et al., 1998). Dass der Beginn des Unterrichts einen negativen Einfluss auf die Interessenentwicklung hat, belegt auch der Befund von Hoffmann & Lehrke (1986), wonach Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klassen mit Physikunterricht ein deutlich schwächeres Interesse an den vorgegebenen Gebiete der Physik aufwiesen, als Schülerinnen und Schüler ohne Physikunterricht. Eine Untersuchung von Löwe (1992) zum Biologieunterricht ergab ebenfalls einen negativen Effekt des Fachunterrichts: unabhängig vom Lebensalter fand der stärkste Interessenabfall nach dem ersten Jahr des Fachunterrichts statt. In den Klassenstufen 3 bis 5 zeigten sich nur geringfügige Alterseffekte. Ab den Klassenstufen 5 bis 8 waren dagegen starke Alterseffekte zu beobachten und das Interesse sank hier gravierend. In der 9. und 10. Klassenstufe blieb das Biologieinteresse stabil, bei den Mädchen stieg dieses sogar leicht an. Somit kam es vor allem in der Pubertät zu dem Interessenverlust. Dabei zeigten sich Unterschiede im Interessenverlauf je nach biologischen Themen und es gab beispielsweise Teilgebiete, in denen das Interesse im Laufe der Schulzeit auch anstieg. Unabhängig vom Lebensalter zeigte sich nach dem Übergang von Klassenstufe 5 zu 6 die stärkste Verschlechterung in der Interessenentwicklung, d.h. nach dem ersten Jahr des Fachunterrichts sank das Interesse deutlich (Löwe, 1992). Somit kommt der Autor zu dem Schluss, dass bei der Abnahme von Interessen bestimmte altersbedingte Entwicklungsprozesse stattfinden, der Zeitpunkt und das Ausmaß kann durch die Schule und das Curriculum beeinflusst werden. Im Allgemeinen „scheint ‚normaler‘ Unterricht bereits vorhandene negative Tendenzen zu verstärken“ (Löwe, 1992, S. 43). Osborne et al. (2003) berichten in ihrem Übersichtsartikel über eine uneinheitliche Befundlage zur Interessenreduktion: Während in einigen Studien festgestellt wurde, dass das Interesse an Naturwissenschaften ab dem 11. Lebensjahr sinkt, zeigen die anderen, dass dieser Prozess bereits in der Grundschule beginnt. Berichtet wird ebenfalls über Studien, die darauf verweisen, dass sich die Einstellungen der Jugendlichen in der Pubertät gegenüber allen Fächern verschlechtern und nicht nur gegenüber den Naturwissenschaften. Köller (1996) zeigte in seiner Studie hingegen, dass das Interesse an Biologie im Laufe eines Schuljahres bei Schülerinnen und Schülern sowohl mit, als auch ohne Biologieunterricht sinkt. Somit begründet er das Phänomen der Interessenreduktion nicht als Folge des schulischen Unterrichts, sondern als Folge der entwicklungspsychologischen Prozesse. Auch Daniels (2008) zeigte, dass der Interessenabfall relativ fächerübergreifend stattfindet. Dennoch war der Interessenrückgang in den Fächern Physik, Mathematik und Biologie deutlich stärker, als in Deutsch und Englisch. Dabei war der Interessenabfall in allen untersuchten Schulfächern in
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Naturwissenschaften und die Nachwuchsförderung
der 7. Jahrgangsstufe besonders stark und verlangsamte sich deutlich in der 10. Jahrgangsstufe (Daniels, 2008). 2.1.2 Fach- vs. Sachinteresse Weiterhin entwickelt sich das Interesse am Schulfach nach den vorliegenden Studien erheblich anders als das Sachinteresse. Im Rahmen der IPN-Studie wurden Schülerinnen und Schüler von der 5. bis 10. Jahrgangsstufe an unterschiedlichen Schultypen zu ihrem Interesse an Physik befragt (Häußler & Hoffmann, 1995; Hoffmann et al., 1998). Das Interesse wurde zum einen als Sachinteresse entlang der drei Dimensionen „Gebiete der Physik“, „Kontexte“ und „Tätigkeiten“ und zum anderen als Fachinteresse (Interesse am Physikunterricht) erhoben (Hoffmann et al., 1998). Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass sich die Entwicklung des Interesses am Schulfach erheblich von der Entwicklung des Sachinteresses unterscheidet. Das Sachinteresse sank sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen im Laufe der Sekundarstufe I (vgl. Abbildung 2). Dabei war die Abnahme des Sachinteresses bis zum Ende der 8. Klasse am stärksten. In den folgenden Jahren der Sekundarstufe I waren die durchschnittlichen Veränderungen nicht mehr sehr groß. Insgesamt war das Sachinteresse der Schüler höher als das der Schülerinnen (Hoffmann et al., 1998). Beim Fachinteresse waren die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen noch stärker ausgeprägt als beim Sachinteresse. Die Differenz zwischen den Geschlechtern nahm dabei im Laufe der Sekundarstufe I nochmals zu, da der Interessenabfall bei den Jungen nicht so stark war wie bei den Mädchen. Hinzu kam, dass das Interesse der Jungen im Laufe der Schulzeit wieder anstieg und zum Ende des 10. Schuljahres etwa gleich zum Ausgangsniveau der 7. Klasse war. Der größte Interessenabfall vollzog sich sowohl bei Mädchen als auch bei den Jungen zwischen dem Ende des 7. und des 8. Schuljahres (Hoffmann et al., 1998).
Interesse am Physikunterricht
Sachinteresse Physik
Abbildung 2: Interesse am Physikunterricht und Sachinteresse Physik (Hoffmann et al., 1998, S. 20 und S. 32)
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Wie auch Löwe (1992) zeigte die Kieler Studie weiterhin, dass das Interesse im Laufe der Schulzeit nicht bei allen Themenfeldern gleich abnahm, sondern Unterschiede in der Interessenentwicklung auftraten: während einige Themen sowohl für Mädchen als auch für Jungen weniger interessant wurden, gab es Themengebiete, in denen das Interesse unverändert blieb oder sogar im Laufe der Schulzeit anstieg (Hoffmann et al., 1998). Somit sinkt einerseits das Interesse an Naturwissenschaften im Laufe der Schulzeit, andererseits gibt es sowohl bei Schülerinnen als auch bei Schülern Themengebiete, die für sie interessant sind oder interessant werden (Hoffmann et al., 1998; Lehrke, 1988). Studien belegen, dass das Interesse an Naturwissenschaften nicht nur stark von den Themenbereichen, sondern ebenfalls von Kontexten abhängt. Besonders für Mädchen sind Kontexte für die Ausprägung des Sachinteresses von Bedeutung. Beispielsweise ist es für sie spannender „etwas über eine Pumpe zu erfahren, die als künstliches Herz Blut pumpt als über eine Pumpe, die Erdöl aus großer Tiefe heraufpumpt“ (Häußler & Hoffmann, 1995, S. 111). Für die Steigerung des Sachinteresses sind folgende Kontexte wichtig (Häußler & Hoffmann, 1995; Hoffmann et al., 1998): – Anknüpfung der Inhalte an gewöhnliche Erfahrungen und Beispiele aus der Umwelt. Dabei ist es für Mädchen besonders wichtig, dass sie auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgreifen können (und nicht z.B. auf Erfahrungen mit Werkzeugen). – Inhalte mit emotionalem Charakter, die man bewundern kann. Phänomene finden sowohl Mädchen als auch Jungen interessant, dabei interessieren sich Mädchen mehr für die Naturphänomene und weniger für technische Errungenschaften. – Relativ stark interessieren sich Jugendliche für die gesellschaftliche Bedeutung der Physik. Dabei ist das Interesse der Mädchen höher, je älter sie sind und je stärker die eigene Betroffenheit wahrgenommen wird. – Darüber hinaus interessieren sich Mädchen sehr stark für den Bezug zum menschlichen Körper. Auch Jungen weisen hier ein starkes Interesse auf. – Sowohl Mädchen als auch Jungen interessieren sich wenig für Gesetzmäßigkeiten, besonders wenn es um Zahlen und Formeln geht. Das Aufzeigen des Anwendungsbezugs und des Nutzens von Zahlen/Formeln kann das Interesse steigern. Zudem können Arbeitsmethoden das Interesse an den Naturwissenschaften stark beeinflussen. Schülerinnen und Schüler bevorzugen im naturwissenschaftlichen Unterricht vor allem ein rezeptiv-anschauliches Lernen (wie z.B. Bilder, Modelle, einen Film oder Versuche ansehen), gefolgt von aktiven Tätigkeiten, wie etwas zu untersuchen oder zu bauen. Als wenig interessant empfinden sie die Tätigkeiten, bei denen man überlegen, komplexe Zusammenhänge entdecken und analysieren muss. Dabei zeigen sich auch gegenstandsspezifische Unterschiede: während Tätigkeiten wie „selbständig etwas planen und tun“ in Bezug auf manche Themen sehr beliebt sind (wie bei „Schädlingsbekämpfung“ und „Elektronik“), sind sie hinsicht-
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lich anderer Themen (wie „Blutkreislauf“ und „Haut“) wiederum überaus unbeliebt. Am liebsten arbeiten Schülerinnen und Schüler in kleinen Gruppen, die Einzelarbeit genießt jedoch wenig Beliebtheit (Lehrke, 1988). Insgesamt gilt, dass das Fach Physik sowohl für Mädchen als auch für Jungen interessanter wird, wenn Anwendungsbezüge hergestellt werden. Physik als wissenschaftliche Disziplin finden Mädchen und Jungen kaum interessant, sie interessieren sich mehr für ihren anwendungsbezogenen und lebenspraktischen Nutzen (Häußler & Hoffmann, 1995). Vergleichbare Aussagen finden sich auch in Bezug auf den Chemieunterricht: Auch hier erweisen sich Inhalte aus dem Alltag bzw. der Umwelt als sehr beliebt. Chemische Formelsprache und die Bearbeitung von chemischen Texten werden dagegen weniger bevorzugt (Woest, 1997). Der Kontext im naturwissenschaftlichen Unterricht scheint somit für die Interessenentwicklung von zentraler Bedeutung und auch uninteressante Themen können für die Schüler interessant gemacht werden, wenn sie im geeigneten Kontext behandelt werden (Häußler & Hoffmann, 1995; Hoffmann & Lehrke, 1986). An dieser Stelle ist der Befund einer Studie zum Zusammenhang zwischen Lehrermerkmalen und dem Interesse am Fach Physik interessant, der zeigte, dass Lehrkräfte aus weniger interessierten Klassen im Fach Physik gerne in der Forschung arbeiten würden und dass intellektuelle Aspekte des Faches Physik für sie in ihrer Schulzeit im Vordergrund standen. Bei den Lehrern der interessierten Klassen waren ihrer Erinnerung nach intellektuelle Aspekte und praktische Tätigkeiten bzw. Praxisbezug gleichermaßen bedeutsam (Lehrke, 1992). Auch das Alter der Lehrkraft bzw. die Unterrichtsgestaltung hatte einen Einfluss auf das Interesse der Schülerinnen und Schüler: bei älteren Lehrkräften war das Interesse in den Klassen höher ausgeprägt als bei jüngeren. Somit spielen offenbar pädagogische Unterrichtserfahrungen eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Schülerinteressen (Lehrke, 1992), sowie die eigenen Einstellungen der Lehrkraft zum Fach. Gemäß den obigen Ausführungen kann gefolgert werden, dass das Interesse und die Entwicklung von Schülerinteressen an Naturwissenschaften vielfältig und heterogen sind und daher auch differenziert betrachtet werden müssen. Sowohl altersbedingte entwicklungspsychologische Prozesse als auch der Unterricht spielen dabei eine wichtige Rolle und in Abhängigkeit vom Alter bzw. der Klassenstufe, den Themenfeldern und der kontextuellen Einbettung in den Unterricht können sich unterschiedliche Interessenverläufe zeigen. 2.2 SCHWIERIGKEIT DER NATURWISSENSCHAFTLICHEN FÄCHER Ein weiterer Grund, warum sich die Jugendlichen den Naturwissenschaften entziehen, könnte die Tatsache sein, dass Physik und Chemie, nicht aber Biologie, bei den Schülerinnen und Schülern als besonders schwierig gelten (acatech & VDI, 2009; Kessels & Hannover, 2004a; Krapp, 1996; Osborne et al., 2003; Woest, 1997). Einschlägige Metaanalysen zeigen bei den Fächern Mathematik, Naturwissenschaft, Physik und Fremdsprachen höhere Korrelationen zwischen Interesse und Leistung als bei den Fächern Biologie, Sozialkunde und Literatur (Schiefele, Krapp
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& Schreyer, 1993). Für die ersteren Fächer ist es wahrscheinlich von Bedeutung, sich von Anfang an intensiv mit den Inhalten auseinanderzusetzen, um gute Noten bekommen zu können. Die anderen Schulfächer sind dagegen leichter und es ist auch wenig interessierten Schülern möglich, durch eine kurzfristige Auseinandersetzung mit dem Inhalt gute Noten zu bekommen (Krapp, 1996). Abel (2002) argumentiert dagegen, dass es kein objektives Kriterium für die Schwierigkeit der Fächer gibt. Seine Analysen zeigten, dass in den acht von ihm untersuchten Fächern die durchschnittlich erreichten Punktzahlen in den Leistungskursen recht eng bei einander lagen und die meisten Punkte in Mathematik und Physik erreicht wurden. Infolgedessen kommt Abel zum Schluss, dass für die Jugendlichen „bestimmte Fächer nicht an sich schwer oder leicht (sind), sondern sie werden subjektiv als schwer oder leicht wahrgenommen“ (Abel, 2002, S. 200). 2.3 DAS IMAGE VON NATURWISSENSCHAFTEN Weiterhin zeigt die Befundlage, dass die naturwissenschaftlichen Fächer bei Jugendlichen mit einem negativen Image behaftet sind. Die Arbeit von Weßnigk (2013) zeigte beispielsweise, dass das Image von Physik und Chemie als Wissenschaft bei Schülerinnen und Schülern signifikant positiver ausgeprägt war als das Image der beiden als Schulfächer. Am negativsten fiel dabei das Ansehen des Schulfaches Physik bei Mädchen aus. Das Fach Chemie wurde von den Jugendlichen positiver bewertet als das Fach Physik, die Unterschiede zwischen den Jungen und Mädchen waren hier nicht signifikant (Weßnigk, 2013). Die naturwissenschaftlichen Fächer und die naturwissenschaftsbezogenen Berufe sind auch mit bestimmten Stereotypen behaftet (Kessels & Hannover, 2004b). So werden naturwissenschaftliche Fächer im Vergleich zu sprachlich-geisteswissenschaftlichen Fächern als mit weniger Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung und als stark maskulin angesehen und das Fach Physik wird im Vergleich zum Fach Englisch häufiger mit Worten assoziiert, die sich auf Schwierigkeit, Männlichkeit und Fremdbestimmtheit beziehen (Kessels & Hannover, 2004b; Kessels, Rau & Hannover, 2006). Die Analysen von Kessels, Rau und Hannover (2006) zeigten dabei, dass der Grad der Fremdbestimmung die Ablehnung von Physik bzw. die negative Einstellungen gegenüber Physik am besten vorhersagt. Die Arbeiten von Hannover und Kessels haben überdies gezeigt, dass naturwissenschaftliche Fächer negative Prototypen (Annahmen über Eigenschaften von Personen, die ein Fach präferieren oder nicht) erzeugen. Schülerinnen und Schüler, die sich für naturwissenschaftliche Fächer interessieren, werden als physisch und sozial weniger attraktiv, als schlechter integriert, arroganter und selbstbezogener sowie weniger kreativ und weniger emotional beurteilt als Schülerinnen und Schüler, die sprachlich-geisteswissenschaftliche Fächer bevorzugen. Dagegen werden Ihnen mehr Intelligenz und Motivation zugeschrieben (Hannover & Kessels, 2002; Kessels & Hannover, 2004b). Schülerinnen, die naturwissenschaftliche Fächer präreferieren, werden auch stärker maskulin und weniger feminin eingeschätzt als Schülerinnen, die sich für Musik oder für sprachliche Fächer interessieren (Kessels, 2005;
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Kessels & Hannover, 2002). Mädchen mit guten Noten in Physik halten sich selbst bei Jungen für weniger beliebt (Kessels, 2005). Somit zeigt sich, dass das Fach Physik insgesamt als stark maskulin wahrgenommen und im Vergleich zu anderen Fächern deutlich öfter als „Jungen-Fach“ bezeichnet wird (Kessels, 2008; Kessels & Hannover, 2006). Die Arbeit von Brownlow, Smith und Ellis (2002) zeigte, dass auch das Fach Chemie mit negativen Stereotypen behaftet ist. In ihrer Studie haben Studierende beobachtet, wie eine weibliche Studienanfängerin ihr Hauptfach (entweder Chemie oder Geisteswissenschaften) beschreibt. Dabei hat sie den Grad ihrer Identifikation mit dem Fach (stark vs. ambivalent) ausgedrückt. Die Ergebnisse zeigten, dass sowohl das Fach, als auch der Grad der Identifikation mit dem Fach die Einschätzung der Zuhörerinnen und Zuhörer beeinflusst hat. So wurde die Studentin als wenig kontaktfreudig beurteilt, wenn sie eine starke Identifikation mit dem Fach Chemie äußerte. Zudem schätzten weibliche Zuhörerinnen die berufliche Laufbahn dieser Studentin als wenig befriedigend ein und männliche Zuhörer gaben an, dass sie ungern Kontakt zu ihr haben würden (Brownlow et al., 2002). Die negativen Stereotype der verschiedenen Fachrichtungen können ihrerseits auch einen ungünstigen Einfluss auf die Berufswahlabsichten von Jugendlichen haben. Hannover (1991) zeigte, dass Schülerinnen im Vergleich zu Schülern negativere Folgen und weniger soziale Anerkennung im Fall der Wahl naturwissenschaftlich-technischer Leistungskurse und Berufe erwarten. Gleichzeitig schätzen sie ihre beruflichen Perspektiven in diesen Tätigkeitsfeldern im Vergleich zu den Jungen schlechter ein. Hannover und Kessels (2002) haben festgestellt, dass je unähnlicher sich ein Jugendlicher im Vergleich zum typischen Physik-Fan beschreibt, desto weniger wahrscheinlich wählt er einen Beruf im Bereich der Naturwissenschaften und dafür eher im geisteswissenschaftlichen Bereich. Interessanterweise haben Kessels und Hannover (2006) beobachtet, dass negative Prototypen auch korrigiert werden können. In ihrer Studie haben sie untersucht, ob eine Konfrontation mit weiblichen Rollenmodellen einen positiven Effekt auf die Verminderung der Assoziation zwischen Maskulinität und Physik hat. Die Befunde zeigten, dass nach dem Lesen eines Textes über eine Physikerin das Fach Physik weniger männlich eingeschätzt wurde als nach dem Lesen einer Geschichte über einen Physiker. Somit hatte die direkte Konfrontation mit einem weiblichen Rollenmodell die gedankliche Verbindung von Physik mit Maskulinität abgeschwächt. Dieser Befund deutet darauf hin, dass eine ausgewogene Repräsentation von männlichen und weiblichen Personen in Naturwissenschaften von Bedeutung ist und Veränderungen von geschlechtsspezifischen Vorstellungen im Bereich der Naturwissenschaften bewirken können (Kessels & Hannover, 2006). Deshalb wären im schulischen Bereich auch mehr Physik- und Chemielehrerinnen erforderlich. Problematisch erweist sich an dieser Stelle allerdings, dass auch im Lehramtsstudium, wie beispielsweise die Analysen von Klika (2007) zeigen, eine geschlechtsspezifische Fächerwahl stattfindet und das Fach Physik besonders deutlich von männlichen Studenten dominiert wird.
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2.4 GESCHLECHTSSPEZIFISCHE UNTERSCHIEDE VON NATURWISSENSCHAFTSBEZOGENEN INTERESSEN, FÄHIGKEITSSELBSTKONZEPTEN UND ORIENTIERUNGEN Bei der Lösung des Nachwuchsproblems in Naturwissenschaften steht man vor dem Problem, dass sich besonders Frauen diesen Berufen entziehen. So bekunden Mädchen ein geringeres Interesse an Physik und Chemie als Jungen und vor allem das Fach Physik gilt als eines der unbeliebtesten Fächer bei Mädchen (Daniels, 2008; Engeln, 2004; Hoffmann et al., 1998; Kessels, 2005; Lehrke, 1988; Osborne et al., 2003; Pawek, 2009; Prenzel et al., 2009; Woest, 1997; Zwick & Renn, 2000). Bereits in den siebziger Jahren schätzten Mädchen Physik und Chemie als sehr unbeliebt ein. Das Fach Mathematik genoss dahingegen nicht weniger Interesse als bei Jungen (Herwig 1974, zitiert nach Lehrke, 1988). In Biologie zeigen sich entweder keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Interessen (acatech & VDI, 2009; Hoffmann et al., 1998) oder sogar ein erhöhtes Interesse bei Mädchen (Daniels, 2008; Pawek, 2009). Insgesamt interessieren sich Mädchen stärker für sprachlich-musische Fächer, Jungen dagegen für den naturwissenschaftlich-technischen Bereich (Engeln, 2004; Kessels, 2005; Zwick & Renn, 2000). Solche Präferenzen äußern sich in der Folge bei der Berufswahl: Mädchen streben häufiger als Jungen sprachlich-geisteswissenschaftliche und kulturwissenschaftliche Berufe an, Jungen dagegen häufiger als Mädchen ingenieurwissenschaftliche Berufe (Hannover & Kessels, 2002). Studien weisen gleichzeitig darauf hin, dass Mädchen an Naturwissenschaften nicht komplett desinteressiert sind (Hoffmann et al., 1998; Holstermann & Bögeholz, 2007; Labudde, Herzog, Neuenschwander, Violi & Gerber, 2000; Lehrke, 1988, 1992). Trotz des im Durchschnitt geringeren Interesses als das der Jungen, gibt es Themen und Kontexte, die für sie ebenfalls spannend sind wie für Jungen. So wiesen laut Befunden von PISA 2006 die hochkompetenten Mädchen im Vergleich zu den Jungen in den meisten untersuchten OECD Staaten ein nicht viel geringeres Interesse an den Naturwissenschaften auf (Prenzel, Schütte & Walter, 2007b). Dieser Befund wird damit erklärt, dass in PISA 2006 ein kontextualisiertes Interesse erfasst wurde: Die erfassten Kontexte und Inhaltsbereiche haben die hochkompetenten Mädchen wahrscheinlich in gleichem Maße angesprochen, wie die hochkompetenten Jungen (Prenzel et al., 2007b). Ferner zeigt die Befundlage, dass Mädchen Themen wie Krankheiten, Körperfunktionen, Körperbewusstsein, Übersinnliches und Naturphänomene sogar interessanter finden als Jungen. Jungen interessieren sich dagegen stärker als Mädchen für Forschung, gefährliche Anwendungen der Naturwissenschaften, sowie für Physik und Technik (Holstermann & Bögeholz, 2007). Der Ländervergleich belegte, dass solche geschlechtsspezifischen Interessen ebenfalls in Schweden und England bestehen (Holstermann & Bögeholz, 2007). Geschlechtsspezifische Interessen in Naturwissenschaften werden auch bei der Berufswahl deutlich: Laut Ergebnissen von PISA 2006 arbeiten fast 50 % der Väter in einem naturwissenschaftsbezogenen Beruf der Gruppe „Physiker, Mathematiker,
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Ingenieurwissenschaftler“, während die Mütter zu 50% zu der Gruppe „Biowissenschaftliche und Gesundheitsfachkräfte“ zählen (Maurischat, Taskinen & Ehmke, 2007). Über eine geschlechtsspezifische Verteilung der Berufserwartungen der Schülerinnen und Schüler der 9. Klassenstufe in Bezug auf die MINT-Berufsgruppen berichten ebenfalls Taskinen et al. (2008). Durchgängig übereinstimmend ist die Befundlage dazu, dass Mädchen über deutlich geringere naturwissenschaftsbezogene Fähigkeitsselbstkonzepte verfügen als Jungen (Daniels, 2008; Kessels, 2005; Kessels & Hannover, 2004a; Pawek, 2009; Prenzel et al., 2009; Roeder & Gruehn, 1997; Schütte et al., 2007). Dies gilt auch, wenn Mädchen in Naturwissenschaften ähnliche bzw. vergleichbare Leistungen erbringen und wenn sie von ihren Lehrern eine entsprechende Beurteilung erhalten (Roeder & Gruehn, 1997). In der Untersuchung von Schilling, Sparfeldt und Rost (2006) zeigte sich, dass Mädchen stärkere Fähigkeitsselbstkonzepte in Deutsch und Englisch aufweisen, während Jungen sich in Biologie, Geschichte, Mathematik und Physik als stärker einschätzen. Dabei waren die Unterschiede im Fähigkeitsselbstkonzept zwischen Jungen und Mädchen in Physik am größten, in Biologie und Englisch hingegen am geringsten. Diese Abweichungen wurden allerdings nur teilweise durch die Unterschiede in den Zensuren erklärt: Während bei Mädchen das höhere Fähigkeitsselbstkonzept in Deutsch und Englisch fast komplett durch die besseren Noten bedingt war, blieb der Unterschied im Fähigkeitsselbstkonzept in Physik auch nach der Auspartialisierung von Noten zugunsten der Jungen bestehen. „Der Geschlechtsunterschied in Physik ist eindrucksvoll: Mädchen mit einem „gut“ in Physik haben im Mittel das gleiche Fähigkeitsselbstkonzept wie Jungen mit einem „befriedigend“. In Deutsch hingegen sind pro Notenstufe nur unbedeutende Unterschiede zu beobachten“ (Schilling et al., 2006, S. 15). Auch in der PISA-Studie (2006) fällt die Geschlechterdifferenz beim naturwissenschaftsbezogenen Fähigkeitsselbstkonzept deutlich größer aus als für die naturwissenschaftliche Kompetenz (d = 0.38 vs. d = 0.07, Schütte et al., 2007). Im Bereich der Mathematik zeigen Mädchen bei gleichen Leistungen ebenfalls niedrigere Fähigkeitsselbstkonzepte als Jungen (im Überblick Dickhäuser & Moschner, 2006). Hannover (1991) zeigte, dass sich Schülerinnen im Fach Mathematik sowohl im Vergleich zu den Jungen als auch absolut unterschätzen, während Jungen ihre Leistungen in beiden Fällen überschätzen. Bei der Beurteilung der Deutschleistung waren die Einschätzungen der beiden Geschlechter dagegen realistisch. „Jungen können insbesondere besser mit Rückschlägen umgehen, sie haben eine höhere Erfolgserwartung, mehr Vertrauen in ihre mathematischen Fähigkeiten, messen dem Mathematikunterricht mehr Wert bei und erleben zudem weniger Hilflosigkeit als Mädchen“ (Ziegler & Stöger, 2002, S. 73). Manger und Eikeland (1998) berichten auch für norwegische Schülerinnen und Schüler der 6. Klassenstufe über signifikante Unterschiede im mathematischen Selbstkonzept zugunsten von Jungen. Dabei zeigten die Autoren, dass das mathematische Selbstkonzept in der 6. Klassenstufe bei Mädchen von ihren Leistungen sowohl in der 3., als auch in der 6. Klassenstufe beeinflusst wurde, während das mathematische Selbstkonzept der Jungen lediglich von ihren Leistungen in der 6. Klassenstufe abhängig war. Somit spielen frühere Leistungen bei Mädchen in Bezug auf die Entwicklung
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des Fähigkeitsselbstkonzeptes eine größere Rolle als bei Jungen (Manger & Eikeland, 1998). Problematisch erweist sich an dieser Stelle auch, dass Jungen andere Erklärungsansätze für ihren Erfolg haben als Mädchen: Während Jungen den Erfolg im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich auf ihre Fähigkeiten bzw. Kompetenzen zurückführen (internal-stabil), erklären Mädchen ihren Erfolg entweder mit Glück (external-instabil) oder mit Anstrengung (internal-instabil) (Solga & Pfahl, 2009). Solche ungünstigen Ursachenzuschreibungen können demnach auch dazu führen, dass Mädchen im Laufe der Schulzeit eine negative Selbsteinschätzung ausbilden. Interessanterweise zeigen zahlreiche Studien, dass Mädchen in Inhaltsdomänen, die maskulin konnotiert sind, geringere Erfolgserwartungen haben als Jungen. Dagegen sind Jungen in Inhaltsdomänen, die feminin konnotiert sind, genauso erfolgszuversichtlich wie Mädchen (im Überblick Hannover, 2002). Kritisch erweist sich dabei, dass auch viele Lehrkräfte in Fächern wie Mathematik und Physik den Mädchen eine geringere Begabung zuschreiben als den Jungen (Ziegler, Kuhn & Heller, 1998) was ihre Misserfolgsorientierungen weiter verstärkt. So zeigen Trautwein und Baeriswyl (2007), dass Lehrkräfte bei gleichen Leistungen Jungen eine höhere kognitive Leistungsfähigkeit attestieren, während den Mädchen eine stärkere Motivation zugeschrieben wird. Studien zeigen, dass die Geschlechterdifferenzen im Laufe der Schulzeit auch zunehmen. In den Analysen von Helmke (1998) wiesen Mädchen im Kindergarten und in der ersten Klassenstufe ein gleich hohes Fähigkeitsselbstkonzept in Mathematik auf wie Jungen. Ab der zweiten Klassenstufe sank das Fähigkeitsselbstkonzept bei beiden Geschlechtern, bei Mädchen allerdings deutlich stärker als bei Jungen. Im Fach Deutsch wurde ab der zweiten Klassenstufe ebenfalls ein Abfall im Fähigkeitsselbstkonzept bei beiden Geschlechtern beobachtet, bei Jungen war der Abfall wiederum stärker als bei Mädchen. Die Geschlechterunterschiede waren hier aber erheblich geringer als in Mathematik (Helmke, 1998). Die Ergebnisse der IPN Studie zeigten, dass im Fach Physik bereits in der 7. Klassenstufe eine signifikante geschlechtsspezifische Differenz im Fähigkeitsselbstkonzept zugunsten von Jungen bestand. Die Differenz nahm von der 7. bis zu 10. Klassenstufe leicht zu (Hoffmann et al., 1998). Hoffmann (2002) berichtet ebenfalls über die zunehmende Differenz im Fähigkeitsselbstkonzept der Mädchen und Jungen in Physik von der 7. bis zu 10. Klassenstufe. Auch die Studie von Daniels (2008) ermittelte einen Rückgang des fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepts im Laufe der 7. Jahrgangsstufe für die Fächer Mathematik, Biologie und Physik. Überraschend war in dieser Studie allerdings der Befund, dass der Abfall der Fähigkeitsselbstkonzepte in Mathematik und Physik bei den Jungen signifikant stärker war als bei den Mädchen. Das Fähigkeitsselbstkonzept steht auch in Zusammenhang mit der Interessenentwicklung (Möller & Trautwein, 2009). Daniels (2008) stellte fest, dass dieser Zusammenhang je nach Fach unterschiedlich ausfallen kann: in den Fächern Physik und Mathematik verlieren Schülerinnen und Schüler mit einem niedrigen physikbezogenen bzw. mathematischen Fähigkeitsselbstkonzept das Interesse an diesen Fächern signifikant stärker als die Schülerinnen und Schüler mit einem stärkerem
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Fähigkeitsselbstkonzept. Weniger stark zeigte sich dagegen der Einfluss des Fähigkeitsselbstkonzeptes auf die Entwicklung des Interesses in den Fächern Englisch und Biologie. Im Fach Deutsch wurde dagegen kein Zusammenhang zwischen dem Fähigkeitsselbstkonzept und dem Interessenverlauf festgestellt. Die Befunde von Köller (1996) zeigen allerdings, dass der Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und Interesse ebenfalls geschlechtsspezifisch ausfallen kann. In seinen Analysen erwies sich das fachspezifische Selbstvertrauen für die Interessenentwicklung nur bei Mädchen von Bedeutung: Das Interesse im Fach Biologie sank bei den Jungen unabhängig von der Ausprägung des Fähigkeitsselbstkonzepts, während bei Mädchen mit geringem Selbstvertrauen das Interesse stärker sank als bei Mädchen mit mittlerem und hohem Selbstvertrauen (Köller, 1996). Somit spielt das Fähigkeitsselbstkonzept bei Mädchen eine größere Rolle für die Interessenentwicklung als bei Jungen, was die Interessenförderung bei Mädchen im Vergleich zu Jungen nochmals erschwert. Die beschriebenen Geschlechtsdifferenzen führen dazu, dass sich Mädchen wenig für naturwissenschaftsbezogene Berufe interessieren. Laut den vorliegenden Befunden weichen allerdings Mädchen den naturwissenschaftlichen Berufen auch dann aus, wenn sie günstige Voraussetzungen mitbringen: Bei gleich hoher Kompetenz, Motivation und positivem Fähigkeitsselbstkonzept in den Naturwissenschaften streben Mädchen seltener als Jungen danach, einen mathematisch-technisch orientierten Beruf zu ergreifen (Taskinen et al., 2008). Auch die Analysen von Heine et al. (2006) zeigen, dass Frauen sich bei vergleichbaren technikbezogenen Leistungsstärken und Abschlussnoten mit einer deutlich geringeren Wahrscheinlichkeit für ein Ingenieursstudium entscheiden als Männer. Taskinen (2010) zeigt dagegen, dass Mädchen bei gleich hohen Ausprägungen von berufsrelevanten Merkmalen genauso oft naturwissenschaftsbezogene Berufserwartungen in Erwägung ziehen wie Jungen. Allerdings offenbart sich auch hier eine geschlechtsspezifische Orientierung: Mädchen bevorzugen eher naturwissenschaftsbezogene Berufe mit Bezug zur menschlichen Lebenswelt, während Jungen eher Berufe mit den Schwerpunkten Physik und Technik favorisieren. Insgesamt scheint die Berufswahl sowohl von Persönlichkeitsmerkmalen beeinflusst zu sein, als auch durch andere Faktoren wie beispielsweise Geschlechtsstereotypen. Dabei können geschlechtsbezogene Stereotypen einen negativen Einfluss vor allem auf diejenigen Schülerinnen haben, die sich stark mit den traditionellen Mustern der weiblichen Rolle identifizieren (Roeder & Gruehn, 1997). Problematisch erweist sich an dieser Stelle, dass gesellschaftliche Vorurteile gegenüber Frauen sehr stabil sind und dass besonders männliche Vertreter dieser Studienfächer starke geschlechtstypische Stereotype aufweisen (acatech & VDI, 2009). Auch die Analysen von Brandt (2005) zeigen, dass Jungen signifikant stärkere Geschlechterstereotypen vorweisen als Mädchen. Da die MINT-Berufe größtenteils von Männern besetzt sind, erschwert diese Tatsache sowohl den Eintritt, als auch den Verbleib der wenigen Frauen in diesen Berufen. Von Interesse ist die Befundlage von Zwick und Renn (2000), die ein geschlechtsstereotypisches Muster bei der Beratung von Ratsuchenden feststellten: So empfehlen Männer den männlichen Ratsuchenden häufiger ein mathematisch-
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naturwissenschaftliches oder ingenieurwissenschaftliches Studium als den weiblichen. Dieses geschlechtsstereotypische Muster war zwar nicht sehr stark ausgeprägt, jedoch war es bei fast allen untersuchten Informationsquellen anzutreffen. „Dass Technik Männersache sei, dieser Glaube wird nahezu von allen, vor allem aber von der Männerwelt selbst am Leben erhalten“ (Zwick & Renn, 2000, S. 74). Hinzu kommt, dass Mädchen im MINT-Bereich entsprechende Rollenmodelle fehlen. Solga und Pfahl (2009) kommen zu dem Schluss, dass es auf Grund von fehlenden Rollenmodellen „selbst bei technikinteressierten Mädchen und in technischen Berufen ausgebildeten Frauen zu einem ‚Um- bzw. Abschwenken‘ an den unterschiedlichen Übergängen im Bildungs- und Berufsverlauf“ kommt (Solga & Pfahl, 2009, S. 181). Zwar betrifft die Problematik der Gewinnung von Frauen für den MINT-Bereich auch andere Länder, jedoch zeigt die Varianz der Länderunterschiede, dass in Deutschland Entwicklungspotenziale zur Gewinnung von Frauen in Natur- und Technikwissenschaften existieren (Solga & Pfahl, 2009). Eine internationale Vergleichsstudie von Baker und Perkins Jones (1993) stellte fest, dass in den Ländern, in denen Frauen gute bzw. gleichberechtigte Berufschancen wie die Männer haben, die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen in der Wahl von naturwissenschaftlichen Fächern als Leistungsfach geringer oder sogar gar nicht mehr vorhanden waren (Baker und Perkins Jones, 1993, zit. nach Solga & Pfahl, 2009). Solga & Pfahl (2009) argumentieren, dass für den geringen Anteil von Frauen in den Natur- und Technikwissenschaften nicht die Differenz zwischen Frauen und Männern verantwortlich ist, sondern die Männlichkeitskonstruktionen und die Machtverhältnisse: Selbst wenn die Frauen über ausreichende Kompetenzen in diesem Bereich verfügen, verbleiben sie häufig nicht lange in den natur- und technikwissenschaftlichen Berufen. Die Ergebnisse des Nachwuchsbarometers (2009) zeigen beispielsweise, dass sich rund zwei Drittel der Frauen im Laufe des Studiums „hin und wieder“ benachteiligt bzw. diskriminiert fühlen. Das äußern dagegen lediglich 20 Prozent der Männer. Dabei zeigte sich ein statistischer Zusammenhang zwischen den Gedanken an einen Abbruch und dem Gefühl der erlebten Diskriminierung (acatech & VDI, 2009). Resümierend kann festgehalten werden, dass a) in den Natur- und Technikwissenschaften Frauen sehr früh verloren gehen und b) mit jeder Bildungsgang- und Karrierestufe die Zahl von Frauen in diesen Berufen sinkt (Renn et al., 2009; Solga & Pfahl, 2009; Zwick & Renn, 2000). 2.5 FÄCHERWAHL IN DER GYMNASIALEN OBERSTUFE Insgesamt zeigen die oben erörterten Befunde, dass das Interesse von Schülerinnen und Schülern an den Naturwissenschaften im Laufe der Sekundarstufe I sinkt. Dies ist mit dem Problem verbunden, dass im deutschen Schulsystem mit der Reform der gymnasialen Oberstufe in den 1970er Jahren die Schüler die Möglichkeit erhalten haben, die Lernschwerpunkte in den letzten Schuljahren selbst zu wählen (Merzyn, 2010). Die Entscheidung für die fachliche Vertiefung geschieht somit
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kurz vor der Sekundarstufe II und Schülerinnen und Schüler entscheiden sich für oder gegen eine Vertiefung in den Naturwissenschaften, wenn sie bereits den Großteil des Interesses verloren haben. Ebenfalls fällt die Entscheidung mit der Pubertät zusammen, in der andere Interessen und andere Lebensbereiche (Freizeit, soziale Beziehungen etc.) in den Mittelpunkt rücken (acatech & VDI, 2009). Eine ältere bundesweite Analyse zum Wahlverhalten in der gymnasialen Oberstufe vom Schuljahr 1978/79 zeigte, dass in den einzelnen Bundesländern das Fach Biologie als Leistungsfach beinahe dreimal häufiger als die Fächer Physik oder Chemie gewählt wurde. Je nach Bundesland haben zwischen ca. 75% und 50% der Schülerinnen und Schüler Physik in der Oberstufe abgewählt (Weltner, 1979). Ein benachteiligtes Wahlverhalten bezüglich der Fächer Physik und Chemie (vor allem Physik) im Vergleich zu Biologie belegen ebenfalls die Daten von Willenbacher (1981) für das Schuljahr 1979/80. An diesem ablehnenden Wahlverhalten bezüglich der Fächer Physik und Chemie hat sich bis heute nicht sehr viel geändert. Aktuelle Statistiken deuten darauf hin, dass naturwissenschaftliche Fächer nach wie vor stark vermieden werden. Schmidt und Herzer (2006) berichten über die Ergebnisse einer Untersuchung, im Rahmen derer Schülerinnen und Schüler gefragt wurden, welche Fächer sie sich als Leistungskurse vorstellen können. Ein hoher Anteil von Jugendlichen lag besonders im Hinblick auf die Physik und Chemie im ablehnenden Bereich (Physik: 44,7%, Chemie: 32,9%) und lediglich ein sehr geringer Anteil im zustimmenden Bereich (Physik: 15,9%, Chemie: 19%). Dabei wurde das Fach Biologie lediglich von 16,6% der Schülerinnen und Schüler abgelehnt und von 37,8% angenommen. Auch bei einem schwierigen Fach wie Mathematik zeigt sich eine bessere Tendenz (ablehnend: 32,1%, zustimmend: 33,1%) (Schmidt & Herzer, 2006). Heine et al. (2006) ermittelten auf der Grundlage der Datensätze von Studienberechtigten, dass im Jahr 2002 mehr als die Hälfte der Abiturienten in den Fächern Physik und Chemie keinen Unterricht in den letzten beiden Jahren erhalten hat. Lediglich 11% der Jugendlichen hatten Physik als Leistungskurs, in Chemie waren es nur 8%. Auch Abel (2002) zeigt, dass Fächer wie Biologie, Deutsch, Englisch und Mathematik häufiger gewählt werden, Physik und Chemie dagegen deutlich seltener. Osborne et al. (2003) berichten in ihrem Review auch für England und Wales über ein ungünstiges Wahlverhalten bei naturwissenschaftlichen Fächern. Die Studie von Kampshoff (2007) zeigte, dass es in den verschiedenen Bundesländern Deutschlands dabei starke Schwankungen gibt: der Anteil an Mädchen mit dem Leistungskurs Physik liegt zwischen 0,5 % (Bremen) und 2,4 % (Schleswig-Holstein), bei den Jungen schwanken die Prozentzahlen zwischen 4,9 % (Bremen) und 14,8 % (Mecklenburg Vorpommern). Diese Zahlen weisen zugleich darauf hin, dass in Bezug auf Leistungskurswahlen deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede zugunsten von Jungen bestehen. Auch in anderen Studien wurde festgestellt, dass sich Jungen häufiger für mathematisch-naturwissenschaftliche, Mädchen dagegen für sprachliche oder sozialwissenschaftliche Fächer entscheiden (Abel, 2002; Hannover, 1991; Kampshoff, 2007; Kessels & Hannover, 2004a; Roeder & Gruehn, 1997). Ein Ländervergleich von Kampshoff (2007) zeigte, dass auch in
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England deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Fächerwahlen gegeben sind: dort werden Chemie und Physik ebenfalls deutlich häufiger von Jungen als Leistungskurs gewählt, Biologie dagegen öfter von Mädchen. Osborne et al. (2003) berichten auch über deutliche Geschlechterunterschiede in Naturwissenschaften. Allerdings beschränken sich diese Geschlechterunterschiede nur auf die Fächer Physik (3.4:1, zugunsten von Jungen) und Biologie (1:1.6, zugunsten von Mädchen). In Chemie waren die Geschlechterverhältnisse dagegen ungefähr gleich. Es kann somit festgehalten werden, dass zum einen „harte“ naturwissenschaftliche Fächer wie Physik und Chemie von den Jugendlichen in der Oberstufe selten als Leistungskurs gewählt werden und zum anderen diese Fächer besonders von Mädchen stark gemieden werden. Ein solches ungünstiges Wahlverhalten ist insofern besorgniserregend, da zahlreiche Studien belegen, dass die Leistungskurswahl richtungsweisend für die spätere Studienfachwahl ist (vgl. Kapitel 4.2). Ein solch geschlechtsspezifisches Wahlverhalten deckt sich auch mit den Befunden zur genderspezifischen Interessen- und Selbstkonzeptentwicklung und es erweist sich insgesamt als nicht verwunderlich, dass im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich besonders wenige Frauen tätig sind. Problematisch erweisen sich an dieser Stelle die Ergebnisse von Zwick und Renn (2000), die belegen, dass die Wahl eines gewünschten Leistungskurses nicht immer realisiert wird. Im Fall der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer konnten beispielsweise viele Leistungskurse aus organisatorischen Gründen nicht gewählt werden, „sei es, dass die Leistungskurse nicht angeboten wurden, nicht zustande kamen, mit anderen Fächern nicht kombiniert werden konnten oder aus “ (Zwick & Renn, 2000, S. 40). Auf die Einschränkungen in den Wahlmöglichkeiten der Kurswahlen weisen auch die Befunde von Abel (2002) hin. Somit geht auf Grund von solchen Barrieren ein Teil von Jugendlichen, die sich für die Vertiefung im naturwissenschaftlichen Bereich entschieden, wieder verloren. 2.6 STUDIENFACHWAHL AN DEN HOCHSCHULEN Damit die technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands gewährleistet bleibt, sollten in den hierfür relevanten Studienrichtungen ausreichend hoch qualifizierte Absolventen vorhanden sein (Enders et al., 2009). Die Entscheidung für einen Bildungsgang in einem tertiären Bereich fällt dann, wenn das Interesse an technischen und naturwissenschaftlichen Themen bei vielen Jugendlichen bereits verloren ist und ein großer Teil von Schülerinnen und Schülern Physik und Chemie in der gymnasialen Oberstufe abgewählt hat. Laut PISA 2006 sind bereits bei 15-jährigen Jugendlichen naturwissenschaftsbezogene Berufserwartungen gering und unter allen befragten OECD-Staaten liegt Deutschland auf dem fünftletzten Platzt (Schütte et al., 2007a). Ferner zeigt sich, dass sich auch bei besonders hohem technisch-naturwissenschaftlichen Interesse nur knapp die Hälfte der Schülerinnen und Schüler für ein Studium in den MINT-Fächern entscheidet (acatech & VDI, 2009).
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Naturwissenschaften und die Nachwuchsförderung
Die Geschlechtersegregation setzt sich bei der Berufswahl fort und besonders Frauen entscheiden sich selten für naturwissenschaftliche Berufe: Im Wintersemester 2009/2010 entschieden sich z. B. 3424 Männer und 903 Frauen für das Studienfach Physik (Statistisches Bundesamt, 2011). In Chemie sind dagegen keine großen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Studienanfängern feststellbar (WS 2009/10: männliche Studierende N = 2865, weibliche Studierende N = 2270), für das Fach Biologie entscheiden sich Schülerinnen häufiger als Schüler (WS 2009/10: männliche Studierende N = 2083, weibliche Studierende N = 4846; Statistisches Bundesamt, 2011). Eine ähnliche geschlechtsspezifische Verteilung belegen ebenfalls die Analysen von Heine et al. (2006). Gleichzeitig weisen viele Befragungen darauf hin, dass Ingenieure und Naturwissenschaftler mit ihrer Studien- und Berufswahl insgesamt recht zufrieden sind. Beispielsweise berichtet das Nachwuchsbarometer Technikwissenschaften, dass sich 90 Prozent der befragten Ingenieure und Naturwissenschaftler nochmals für den gleichen Beruf entscheiden würden (acatech & VDI, 2009). Auch die Ergebnisse der HIS Befragung zeigen, dass Physiker mit ihrem Studienfach zufriedener als Studierende anderer Studiengänge sind und 87 Prozent der Physikabsolventen den gleichen Studiengang noch einmal wählen würden (Briedies, 2007, zit. in Koppel, 2010). Um die Fachkräftelücke im MINT-Bereich zu verringern, sollten nicht nur mehr Schülerinnen und Schüler für dieses Studium gewonnen werden, sondern auch die Abbruchquoten in diesen Studiengängen verringert werden. In Mathematik, Informatik und Chemie erreichen die Studienabbruchquoten1 ca. 30 Prozent, in Physik liegt die Abbruchquote bei 36 Prozent (Heublein et al., 2008, S. 15). Die Abbruchquoten verdecken allerdings einen Teil der Problematik, da der Schwund an Studierenden noch deutlich stärker ausfällt: So macht in Physik noch nicht einmal jeder zweite Studienanfänger das Examen – die Schwundquote2 liegt bei 62 Prozent und bildet mit dem Fach Mathematik (53 Prozent) die höchste Quote aller Fachrichtungen (siehe dazu Heublein et al., 2008). Über eine überdurchschnittliche Abbruchsquote in den universitären Studienbereichen wie Informatik, Chemie und Physik berichten ebenfalls Heine et al. (2006). Hinzu kommt, dass während viele Studierende in naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen das Studium in den ersten Semestern abbrechen und in andere Studiengänge wechseln, nur wenige Studierende in die naturwissenschaftlich-technischen Fächer wechseln (Enders et al., 2009; Heine et al., 2006). Somit führt die Förderung der Entscheidung für einen Studiengang im MINT-Bereich nicht immer zur Lösung des Problems, sondern bedeutet größtenteils lediglich eine Verschiebung dessen (Enders et al., 2009). Beim 1 2
Die Studienabbruchquote berechnet den Anteil der Studierenden eines Jahrganges, die sich für ein Erststudium an einer Hochschule immatrikulieren und ihr Studium ohne Abschlussexamen endgültig abbrechen (Heublein et al., 2008, S. 67). Die Schwundquote wird aus allen Studienanfängern eines Jahrganges berechnet, die keinen Abschluss im Studiengang erworben haben, in dem sie sich eingeschrieben haben. Die Schwundquote berücksichtigt somit sowohl die Studierenden, die ihr Studium abbrechen, als auch die Studierenden, die zu einem anderen Studiengang wechseln (Heublein et al., 2008, S. 67).
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Verlust der akademischen Nachwuchskräfte spielen folglich nicht nur der demographische Wandel und das Wahlverhalten der Jugendlichen, sondern auch der Fachwechsel bzw. die Abwanderung, sowie der Studienabbruch eine wichtige Rolle (Zwick & Renn, 2000). Die Gründe für diese hohen Quoten könnten einerseits an den hohen Leistungsanforderungen in diesen Studiengängen liegen und andererseits an den falschen Erwartungen der Studienanfänger (vgl. Heublein et al., 2008, S. 18). So bewerten die Studienanfänger der Mathematik/Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften ihr Vorwissen unterdurchschnittlich häufig als ausreichend, um den Inhalten der Lehrveranstaltungen folgen zu können. Gleichzeitig gaben viele Studienanfänger auch selten an, dass „der Lehrstoff (…) ohne großen zeitlichen Druck zu bewältigen“ sei (Willich et al., 2011, S. 236f). Die Ergebnisse von Zwick und Renn (2000) zeigten, dass Chemiestudenten, die einen Fachwechsel oder den Studienabbruch beabsichtigten, besonders die Anforderungen im Studium und die Überlastung als zu hart bewerteten. Ferner haben Heine et al. (2006) festgestellt, dass in den Naturwissenschaften die Abschlussnote und die Neigung zum Fach eine wichtige Rolle bei Studienabbrüchen spielen. Die Analysen des Nachwuchsbarometers weisen an dieser Stelle auf eine problematische Diskrepanz hin: Einerseits entscheiden sich viele Schülerinnen und Schüler trotz hoher Eignung gegen ein naturwissenschaftliches oder technisches Studium, weil sie der Meinung sind, dass diese Fächer kompliziert und anspruchsvoll sind; andererseits werden die Anforderungen im Studium von vielen Jugendlichen, die sich für diese Studiengänge entscheiden, unterschätzt (acatech & VDI, 2009). Dadurch entsteht ein Auseinanderklaffen zwischen den Erwartungen und Erfahrungen im Studium der Ingenieur- und Naturwissenschaften, was zu Frustrationen und zu Studienabbrüchen führen kann. Besonders Frauen reagieren empfindlich auf die Kluft von Erwartungen und Erfahrungen (acatech & VDI, 2009). Daher ist es von besonderer Bedeutung, dass Schülerinnen und Schüler vor dem Studium genaue Vorstellungen über die tatsächlichen Anforderungen im Studium und über die beruflichen Perspektiven haben, damit ihre Erwartungen realistisch sind und mit den späteren Erfahrungen übereinstimmen (acatech & VDI, 2009; Gesamtmetall, 2009). Allerdings wird stark bemängelt, dass Jugendliche nicht über ausreichende Kenntnisse in Bezug auf naturwissenschaftsbezogene Berufe verfügen (Senkbeil, Drechsel & Schöps, 2007). Die Analysen von Taskinen et al. (2008) zeigten, dass bestimmte MINT-Berufe, die momentan gute berufliche Chance bieten, von den Neuntklässlerinnen und Neuntklässlern als Berufsoption eher selten genannt werden. Daher vermuten die Autoren, dass die 15-jährigen Jugendlichen lediglich über ausgewählte Berufe Bescheid wissen. Offen bleibt an dieser Stelle, ob sie im weiteren Verlauf der Schulzeit über ein breiteres Spektrum an MINT-Berufen informiert werden oder nicht (Taskinen et al., 2008). Dass sich viele Jugendliche unzureichend über die Berufsmöglichkeiten informiert fühlen, untermauern auch die Ergebnisse des HochschulInformations-Systems: lediglich 27% der befragten Schülerinnen und Schüler ga-
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Naturwissenschaften und die Nachwuchsförderung
ben an, ein halbes Jahr vor dem Erwerb der Hochschulreife umfassende Informationen über die infrage kommenden Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten zu haben (Heine, Spangenberg & Willich, 2007). Dass ein ausreichendes Wissen über die Berufsfelder im positiven Zusammenhang mit dem Berufswahlvorhaben steht, belegen die Befunde von Taskinen (2010): die Autorin ermittelte, dass 15-jährige Jugendliche mit naturwissenschaftsbezogenen Berufserwartungen signifikant bessere Kenntnisse über naturwissenschaftsbezogene Berufe hatten als Jugendliche mit anderen Berufserwartungen. Daher hat die Schule die Aufgabe, bei den Schülerinnen und Schülern nicht nur das Interesse an den Naturwissenschaften zu wecken, sondern sie auch über die Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten in diesen Bereichen zu informieren (Senkbeil et al., 2007). Befunde von PISA 2006 zeigen, dass in Schulen sehr viel berufsorientierende Aktivitäten betrieben werden (Senkbeil et al., 2007). Auch laut den Ergebnissen des Nachwuchsbarometers Technikwissenschaften geben fast 90% der Schülerinnen und Schüler an, die Schule als eine Informationsquelle für Technik und Naturwissenschaften zu nutzen. Somit spielt der schulische Kontext eine wichtige Rolle für das Wissen über Technik und Naturwissenschaften (acatech & VDI, 2009). Gleichzeitig wurde in PISA 2006 festgestellt, dass die untersuchten berufsorientierenden Maßnahmen geringe Effekte auf die Kenntnisse der 15-jährigen Jugendlichen über MINT-Berufe haben: Im internationalen Vergleich hatten die befragten Jugendlichen nach eigenen Angaben lediglich ein durchschnittliches Wissen über naturwissenschaftsbezogene Berufe (Senkbeil et al., 2007). Auch frühere Studien zeigten, dass die schulbezogenen Veranstaltungen als schlecht bzw. weniger hilfreich bewertet werden (z. B. Kleffner, Lappe, Raab & Schober, 1996). Diese Befunde weisen insgesamt darauf hin, dass ein bedeutsames Potenzial der Schule nicht genutzt wird und ein großer Teil von Jugendlichen auf Grund mangelnder Informationen und Kenntnisse über naturwissenschaftliche Berufe verloren geht (Senkbeil et al., 2007).
3 AUSSERSCHULISCHE FÖRDERMASSNAHMEN Auf Grund des geringen Interesses und des mangelnden Nachwuchses im MINTBereich wurde in den letzten Jahren eine große Zahl an Fördermaßnahmen ins Leben gerufen. Gemeinsam haben sie das Ziel, die Jugendlichen im MINT-Bereich zu fördern und sie für die Ausbildung und für ein Studium in diesem Segment zu gewinnen. Im Bereich der Förderung von Mädchen dokumentieren Schuster, Sülzle, Winker und Wolffram (2004) zahlreiche Maßnahmentypen wie Internetportale für Frauen und Mädchen, Angebote von Unternehmen (Girls’ Day, Technik-Abenteuer-Camps, Technik-Projekte in Unternehmen), Berufsorientierungsinitiativen (Mädchen-Technik-Tag), Projekte von Hochschulen (Schnupperhochschulen, Sommerhochschulen, Mentoring für Schülerinnen und Studentinnen), Initiativen zur Fortbildung und Vernetzung (Tagungen und Kongresse, Netzwerke und Verbände) sowie Initiativen zur Eliteförderung und gezielten Fachkräfterekrutierung (Auszeichnung und Prämierung besonderer Leistungen, Mentoring-Programme in Unternehmen) (Schuster et al., 2004). Die einzelnen Maßnahmen verfügen dabei jeweils über eigene Zielakzentuierungen und Breitenwirksamkeiten (Schuster et al., 2004). Im Rahmen einer MoMoTech3-Studie wurden an der Universität Stuttgart im Zeitraum von März 2007 bis Frühjahr 2008 bundesweit rund 1200 Projekte, Programme und punktuelle Maßnahmen mit technischen und naturwissenschaftlichen Ausrichtungen zwecks der Förderung des Nachwuchses in diesen Bereichen dokumentiert (acatech, 2011). Wie die folgende Abbildung zeigt, fand eine große Zunahme an Projektgründungen seit dem Jahr 2000 statt.
Abbildung 3: Beginn von Modellprojekten nach Jahreszahlen (in absoluten Fallzahlen) (acatech, 2011, S. 35)
3
MoMoTech steht für „Monitoring von Motivationskonzepten für den Techniknachwuchs“.
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Außerschulische Fördermaßnahmen
Insgesamt wurde in den Analysen eine Menge an Designs und Konzepten festgestellt, was die Autoren auch als „Aktivitätendschungel“ bezeichnen (acatech, 2011, S. 8). „Es ist eine Studie für sich, warum diese Modellprojekte so zahlreich in Deutschland zu finden sind“ (Pfenning & Renn, 2012b, S. 87). Die Auswertungen der Modellprojekte zeigten, dass die Vielzahl der Projekte, die eine langfristige Förderung fokussierten, diese tatsächlich nicht erreicht haben. Die mittlere Laufzeit der erfassten Projekte betrug bei hoher Varianz ca. 4.2 Jahre (Pfenning, Hiller & Renn, 2012). Weiterhin wird über das geringe Interesse am Erfahrungsaustausch zwischen den Modellprojekten berichtet. Bei Projektplanungen werden wissenschaftliche Erkenntnisse selten berücksichtigt, vielmehr wird dabei auf die persönlichen Erfahrungen zurückgegriffen. Insgesamt erweisen sich die Vernetzung und Kontinuität, der Bezug zum Alltag und der gesellschaftlicher Kontext der Projekte als defizitär (acatech, 2011; Pfenning et al., 2012). Die Evaluation der Projekte erfolgte in der Regel lediglich andeutungsweise (Pfenning & Renn, 2012b). Insgesamt kam das Projektteam zum folgenden Schluss: „Die Effizienz vieler Projekte ist aufgrund der empirischen Ergebnisse dieser Studie als nicht zufriedenstellend einzustufen. Ehe neue Ressourcen in immer wieder neue Projekte investiert werden, ist es anzuraten, die Effizienz der bestehenden Projekte zu verbessern und die bereits jetzt schon effektiven und effizienten Projekte dauerhaft und – wenn möglich – flächendeckend zu etablieren“ (acatech, 2011, S. 7).4 3.1 SCHÜLERLABORE IN DEUTSCHLAND Besonders weit verbreitet sind in Deutschland Schülerlabore, die als Reaktion auf negative TIMMS und PISA Ergebnisse in den letzten Jahrzehnten „als eine neue Säule in der deutschen Bildungslandschaft“ entstanden sind (Pawek, 2012, S. 70). Auf der Internetseite „Lernort Labor - Bundesverband der Schülerlabore e.V.“ werden aktuell 321 registrierte Schülerlabore erfasst (LernortLabor, Bundesverband der Schülerlabore e. V., 2015a). Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über Schülerlabore in Deutschland.
4
Im Rahmen der MoMoTech-Studie wurde ermittelt, dass für die Jahre 2000 bis 2008 eine Summe von mind. 130 Millionen Euro in Modellprojekte investiert wurde. Die Gesamtinvestitionssumme in die MINT-Förderung soll aber bei vielen weiteren Förderprogrammen, Stiftungen, Science Center und Schülerlaboren noch größer sein (acatech 2011, zitiert nach Pfenning und Renn, 2012a).
Außerschulische Fördermaßnahmen
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Abbildung 4: Schülerlabore in Deutschland (LernortLabor, Bundesverband der Schülerlabore e. V., 2015a)
Unter dem Begriff „Schülerlabor“ wird ein Lernort verstanden „in dem Schülerinnen und Schüler eigene Erfahrungen beim selbständigen Experimentieren und Forschen machen. Da sie im Allgemeinen keine Einrichtungen der Schulen sind, werden sie zu den außerschulischen Lernorten gezählt“ (LernortLabor, Bundesverband der Schülerlabore e. V., 2015a). Somit werden mit Schülerlaboren in der Regel außerschulische Bildungseinrichtungen bezeichnet. In diesen Einrichtungen beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler mit naturwissenschaftlichen oder technischen Fragestellungen, der Schwerpunkt der Angebote liegt hierbei auf dem experimentellen Arbeiten (Priemer & Lewalter, 2009). Sie werden an Universitäten, Fachhochschulen, Museen, Wissenschaftszentren, Technologie- und Gründerzentren, Forschungseinrichtungen und in Industriebetrieben eröffnet (Priemer & Lewalter, 2009). Insofern wurden Schülerlabore nicht von Bildungswissenschaftlern oder Bildungspolitikern ins Leben gerufen, sondern von einzelnen Akteuren, „die Schülerlaborszene ist also eine bottom-up-Entwicklung in unserem Bildungswesen“ (Haupt et al., 2013, S. 324). Als ein wichtiges Leitbild aller Labore wird angeführt, „die Begeisterung und das Verständnis der Heranwachsenden zu steigern und auf diese Weise den fachlichen Nachwuchs zu fördern“ (LernortLabor, Bundesverband der Schülerlabore e. V., 2015a). Da die Trägerinstitutionen verschiedenartig sind, unterscheiden sich
38
Außerschulische Fördermaßnahmen
auch die Konzepte und Ziele der einzelnen Labore (Haupt et al., 2013; Priemer & Lewalter, 2009). Die Angebote erstrecken sich von einem täglichen Besuch bis zu mehrmonatigen Projekten und von der Breitenförderung bis zur Individualförderung (Haupt et al., 2013). Die Schülerlabore kennzeichnen sich folglich durch unterschiedliche inhaltliche, didaktische und organisatorische Konzepte und Ziele, was zu einem breiten Angebotsspektrum führt. Wie der Tabelle 1 zu entnehmen ist, können sechs Kategorien von Schülerlaboren identifiziert werden. Die größte Kategorie bilden dabei die klassischen Schülerlabore (Haupt et al., 2013). Kategorie alle Schülerlabore
Modus Leitbild
allgemeine, generell gültige Kriterien
SchüLerLaborK
Klassisches Schülerlabor
SchüLerLaborF
SchülerForschungszentrum
SchüLerLaborL
Lehr-Lern-Labor
SchüLerLaborW
Schülerlabor zur Wissenschaftskommunikation
SchüLerLaborU
Schülerlabor mit Bezug zu Unternehmertum Schülerlabor mit Berufsorientierung
SchüLerLaborB
Kriterien Steigerung von Wissenschaftsinteresse und Wissenschaftsverständnis Nachwuchsförderung für MINT-Berufe und MINT-Studiengänge außerschulischer Lernort im MINT Bereich dauerhafter Betrieb mit mindestens 20 Tagen pro Jahr eigenes Experimentieren mit dem Forschungsprozess als Schwerpunkt Breitenförderung: ganze Klassen oder Kurse genügend Arbeitsplätze für ganze Klassen im Rahmen schulischer Veranstaltungen direkter Bezug zum Lehrplan Individual-Förderung: interessierte Kinder und Jugendliche außerhalb schulischer Veranstaltungen langfristiges, freies Forschen oder Experimentieren eigenes Gebäude und Einrichtungen kein expliziter Lehrplanbezug Bestandteil der Lehrerausbildung an Hochschulen Lehrplan-unterstützend Vermittlung der Inhalte aus Forschung und Entwicklung der Betreiberorganisation Vermittlung von Unternehmertum und wirtschaftlichen Zusammenhängen Schwerpunkt-Angebote zur Berufsorientierung
Tabelle 1: Kategorisierung der Schülerlabore (LernortLabor, Bundesverband der Schülerlabore e. V., 2015a)
Außerschulische Fördermaßnahmen
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Kennzeichnend für die Schülerlabore sind entdeckende bzw. geführt-entdeckende Experimente. Bei der Aufgabenstellung wird die Vorgehensweise nicht explizit vorgegeben, sondern diese soll in Kleingruppen meist selbst festgelegt werden. Dabei können auch verschiedene Methoden eingesetzt werden. Solch große Entscheidungsspielräume können allerdings auch dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler sich überfordert fühlen. An dieser Stelle ist die Unterstützung durch die Mitarbeiter von großer Bedeutung (Haupt et al., 2013). Außerdem soll im Vorfeld gesichert werden, dass Schülerinnen und Schüler auch über notwendige Vorkenntnisse verfügen, um die Aufgabenstellungen bewältigen zu können. Darüber hinaus haben die einzelnen Labore auf Grund der Vielfalt der Anbieter sehr unterschiedliche Ausrichtungen. Deshalb ist es für die Lehrkräfte wichtig, über die Besonderheiten der jeweiligen Einrichtung Bescheid zu wissen (Priemer & Lewalter, 2009). Folgende Abbildungen zeigen, dass die Labore am häufigsten in den Fächern Physik, Chemie und Biologie und für die Klassenstufen 9 bis 12 angeboten werden.
Abbildung 5: Verteilung der Schülerlabore nach Fachrichtungen (LernortLabor, Bundesverband der Schülerlabore e.V., 2015b)
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Außerschulische Fördermaßnahmen
Abbildung 6: Verteilung der Schülerlabore nach Zielgruppen (LernortLabor, Bundesverband der Schülerlabore e.V., 2015b)
Berichtet wird, dass das Interesse an Schülerlaboren sehr groß ist und die Nachfrage an Laborversuchen wesentlich größer ist als das Angebot (Euler & Weßnigk, 2011; Haupt et al., 2013). 3.2 STUDIEN ZUR WIRKSAMKEIT VON SCHÜLERLABOREN Die Begleitforschung zu Schülerlaboren steht noch in den Anfängen und die Studien zu Schülerlaboren sind rar (Guderian & Priemer, 2008; Priemer & Lewalter, 2009). Identifiziert und im Folgenden präsentiert werden die Ergebnisse von sechs Qualifikationsarbeiten, die belastbare Aussagen in Bezug auf die Effekte der Schülerlabore ermöglichen. Die Tabelle 2 gibt zusammenfassend den Überblick über die analysierten Studien. Es wird Auskunft gegeben über 1) die untersuchte Fachrichtung, Anzahl der untersuchten Labore und Anzahl der Laborbesuche, 2) die erhobenen Variablen, 3) die Stichprobe (Anzahl der befragten Probanden und die Klassenstufe) und 4) den Versuchsplan der Studien (Pre-Test/Post-Test und Follow-up Test und Einbezug einer Kontrollgruppe).
1
1
2
Chemie
Brandt (2005)
Glowinksi Biologie (2007)
Unabhängige Variablen Schülermerkmale (Interesse an Naturwissenschaften, Selbstkonzept in den Naturwissenschaften), Merkmale der Schülerlabore (Einblick in Forschung, Instruktionsqualität, Integration in den Unterrichtet (Vor- und Nachbereitung des Aufenthalts), Erleben von Kompetenz/Autonomie und soz. Eingebundenheit
Abhängige Variablen aktualisiertes Interesse an Kontexten, authentischer Lernumgebung und Experimenten
Unabhängige Variablen das Alter, die Klassenstufe, das Geschlecht, der muttersprachliche Hintergrund, der Schultyp, die Vorerfahrungen im Fach Chemie, die Schulleistung und die Geschlechterstruktur der Kleingruppen
Unabhängige Variablen Persönlichkeitsmerkmale der Schülerinnen und Schüler (Fachinteresse, Sachinteresse, Selbstkonzept und Geschlecht); wahrgenommene Merkmale der Schülerlabors (Größe der Herausforderung, Qualität der Zusammenarbeit, Authentizität, Verständlichkeit und Offenheit) Abhängige Variablen Fachbezogenes Selbstkonzept der Begabung, Geschlechterstereotype, Sachinteresse (bezogen auf Inhalte, Kontexte und Tätigkeiten), persönliche Bedeutsamkeit der Chemie als Lerninhalte, Faszination an naturwissenschaftlichen Phänomenen, intrinsische und extrinsische Motivation im Fach Chemie, Freude am Schulfach Chemie, Freizeitinteresse (bezogen auf Chemie) und Berufsinteresse (bezogen auf Chemie)
Abhängige Variablen das aktuelle Interesse (emotionale, wertbezogene und epistemische Komponente)
Erhobene Variablen (Auswahl)
Tabelle 2: Überblick über die analysierten Studien und ihre Charakterisierung
1
1
N Besuche
Physik / 5 1 Standort mit (unterchemischen und schiedliche physikalischAnbieter) chemischen Exper.
N Labore
Engeln (2004)
Fach
Klassenstufe
378
ca. 18 Jahre Gymnasien
-/t2/t3
-
+
-
Messzeit- KG punkte
9/10 Klassen -/t2/t3 Gymnasien 1 Klasse aus der RS 1Klasse einer Gesamtschule 1 gymnasialer Wahlpflichtkurs t1,t2,t3 272 7/8 alle Schultypen
265
N
1
4
1 Labor aufgeteilt in 5 Teillaboren
Physik
Physik
Physik Chemie
Guderian (2007)
Pawek (2009)
Weßnigk (2013)
N
Klassenstufe
Abhängige Variablen das aktuelle Interesse (emotionale, wertbezogene und epistemische Komponente; t2 undt3), Sachinteresse (t1 und t3), Fähigkeitsselbstkonzept (t1, t2 und t3)
Unabhängige Variablen Schülermerkmale, Fachinteresse/Sachinteresse, Fragen zum Unterricht, Kompetenzzuwachs Teamarbeit und situatives Erleben im Labor
t1,t2,t3
bis zu 6 MZP
-
-/+ KG sehr klein -
Messzeit- KG punkte
324 10–11 t1,t2,t3 Gymnasium bzw. gymnasialer Zweig der Gesamtschule
734 9–13 vornehmlich Gymnasien 4 Gruppen -RS 2 Gruppen Gesamtschulen
46/37 5/8 Abhängige Variablen das aktuelle Interesse (emotionale, wertbezogene und epistemische Komponente), Gesamtschule das Sachinteresse an einem Kontext und Gebiet sowie nach Tätigkeiten
Erhobene Variablen (Auswahl)
Unabhängige Variablen schülerlaborbezogene Faktoren (Alltagsbezug, Authentizität, aktive Beteiligung etc.), personenbezogene Faktoren: Fachinteresse, Sachinteresse, Fähigkeitsselbstkonzept 1 (1 Abhängige Variablen Tag) Fähigkeitsselbstkonzept (Physik, Chemie, naturw. Arbeitsweisen), berufliche Orientierung, Image (bezogen auf Physik und Chemie),
1
3
N Besuche
Tabelle 2: Überblick über die analysierten Studien und ihre Charakterisierung (Fortsetzung)
N Labore
Fach
Außerschulische Fördermaßnahmen
43
Engeln (2004) verfolgte in ihrer Arbeit zwei zentrale Forschungsfragen: – Inwieweit gelingt es durch die Schülerlabore, das Interesse an den Naturwissenschaften zu wecken und nachhaltig zu steigern? – Welche Faktoren erweisen sich als wichtige Prädiktoren für die Entwicklung des aktuellen Interesses? Die Effekte der Laborbesuche wurden getrennt auf die emotionale, wertbezogene und epistemische Komponente des aktuellen Interesses untersucht. In die Analysen wurden fünf unterschiedliche, meistens physikorientierte Schülerlabore von unterschiedlichen Standorten einbezogen. Befragt wurden Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Jahrgangsstufe. Die erste Befragung fand direkt am Ende des Schülerlabors statt, die zweite Befragung erfolgte ca. 12 Wochen später im Rahmen des Fachunterrichts. Somit hat die Autorin auf den Pre-Test zur Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen verzichtet, mit der Begründung, „dass es sich bei den erhobenen Persönlichkeitsvariablen um Dispositionen handelt, auf die ein mehrstündiger Besuch eines Schülerlabors in der Regel keine Wirkung hat“ (Engeln, 2004, S. 72). Zentrale Ergebnisse Es zeigte sich eine signifikante Korrelation zwischen dem Sach- und Fachinteresse (r = 0.63), dem Sachinteresse und Selbstkonzept (r = 0.57), sowie dem Fachinteresse und Selbstkonzept (r = 0.50). Sach-, Fachinteresse und Selbstkonzept korrelieren ebenfalls mit dem aktuellen Interesse (r zwischen 0.25 und 0.62), die Korrelation zwischen dem Sach- und dem aktuellen Interesse fiel am höchsten aus. Das aktuelle Interesse der Schülerinnen und Schüler war nach den Maßnahmen stark ausgeprägt, wobei die emotionale Komponente des aktuellen Interesses die stärkste Ausprägung (Mt1 = 0.73)5, die epistemische Komponente dagegen die niedrigste (Mt1 = 0.36) hatte. Bei der Ausprägung des aktuellen Interesses zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen. In der Follow-up Befragung stiegen die Werte der wertbezogenen Komponente signifikant an (Mt1 = 0.52 vs. Mt2 = 0.58), die Werte der emotionalen und der epistemischen Komponente nahmen dagegen ab (Mt2 = 0.69 und Mt2 = 0.32). Bei den Schülerinnen und Schülern mit hohem Sachinteresse zeigten sich in Abhängigkeit von den Standorten kaum signifikante Unterschiede bei der Ausprägung der drei Komponenten des aktuellen Interesses. Dagegen war das aktuelle Interesse bei den Schülerinnen und Schülern mit niedrigem Sachinteresse je nach Standort unterschiedlich ausgeprägt. Somit zeigte sich, dass die Variabilität zwischen den Standorten keinen Einfluss auf die Förderung des aktuellen Interesses bei den Schülerinnen und Schülern mit hohem Sachinteresse hatte, jedoch bei den Schülerinnen und Schülern mit niedrigem Sachinteresse effektrelevant wurde. Dieser Befund steht in Einklang mit der Interessentheorie, wonach das individuelle Interesse in direktem Zusammenhang mit dem aktualisierten Interesse steht und die Anreize einer Umgebung bei niedrigem Interesse besonders wichtig sind (Krapp, 1992b).
5
Skala von 0 bis 1.
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Außerschulische Fördermaßnahmen
Wahrgenommene Merkmale des Schülerlabors zeigten einen unterschiedlichen Einfluss auf drei Komponenten des aktuellen Interesses: „Herausforderung“ erwies sich in beiden Schülergruppen (niedriges vs. hohes Sachinteresse) als ein signifikanter Prädiktor für alle drei Komponenten des aktuellen Interesses (standardisierte Koeffizienten liegen zw. β = 0.17 und β = 0.37); „Authentizität“ hatte in beiden Schülergruppen einen relevanten Einfluss auf die Entwicklung der wertbezogenen Komponente (hohes Sachinteresse: β = 0.28; niedriges Sachinteresse: β = 0.35); „Offenheit“ war relevant in beiden Schülergruppen für die emotionale Komponente (hohes Sachinteresse: β = 0.32; niedriges Sachinteresse: β = 0.20); die Variable „Verständlichkeit“ war von zentraler Bedeutung für alle Komponenten des aktuellen Interesses der Schülerinnen und Schüler mit niedrigem Sachinteresse (standardisierte Koeffizienten liegen zw. β = 0.21 und β = 0.29). Somit war die „Verständlichkeit“ besonders wichtig für schwach interessierte Schülerinnen und Schüler. Insgesamt zeigten die Ergebnisse, dass die Schülerlabore von den Besuchern sehr gut angenommen und bewertet wurden. Viele Schülerinnen und Schüler gaben an, dass sie über wenig Erfahrung mit dem selbstständigen Experimentieren in der Schule verfügen. Laut den Befunden geschieht die Vor- und Nachbereitung von Laborbesuchen eher selten: Über 85 % der Schüler gaben an, gar nicht oder kurz den Besuch der Schülerlabore im Vorfeld im Unterricht besprochen zu haben; lediglich bei ca. 25 % der Schüler wurde der Laborbesuch im Unterricht nachbesprochen. Brandt (2005) hat seine Untersuchung anders als Engeln (2004) in einem Experimental-Kontrollgruppen-Design und mit einer Pre-, Post- und Follow-up-Befragung durchgeführt. Im Mittelpunkt seiner Arbeit standen folgende zentrale Fragestellungen: – Welche Effekte haben Schülerlabore auf die Entwicklung von Motivation und Interesse? – Zeigen sich Unterschiede zwischen mono- und koedukativen Gruppen? Analysiert wurde ein einmaliger Schülerlaborbesuch in der Fachrichtung Chemie. Befragt wurden die Schülerinnen und Schüler der 7. und 8. Jahrgangsstufe. Die erste Befragung fand eine Woche vor der Maßnahme statt, die zweite Befragung direkt nach der Maßnahme und die dritte Befragung vier Monate nach dem Besuch der Maßnahme. Zentrale Ergebnisse Das fachliche Selbstkonzept, die intrinsische Motivation und das Berufsinteresse wurden durch den Besuch des Schülerlabors signifikant positiv beeinflusst6. Bei dem Sachinteresse wurden keine Effekte durch das Labor beobachtet, allerdings wurde der Rückgang des Sachinteresses im Vergleich zur Kontrollgruppe verzögert. Eine ebenfalls verminderte Abnahme wurde für die Variable „Relevanz der Unterrichtsinhalte“ festgestellt. Die Effekte gelten sowohl für Mädchen als auch für 6
In der Arbeit wurden keine Effektstärken berichtet.
Außerschulische Fördermaßnahmen
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Jungen. Mit einer Ausnahme (beim Fähigkeitsselbstkonzept) gelten die Effekte für Haupt-, Real-, Gesamtschüler und Gymnasiasten. Das Fähigkeitsselbstkonzept stieg signifikant lediglich bei Gymnasiasten und Realschülern. Die festgestellten Effekte erwiesen sich als nicht nachhaltig und waren vier Monate nach der Maßnahme wieder verblasst. Eine Ausnahme bildet hier die Entwicklung von beruflichen Interessen. Der Autor begründet die fehlenden nachhaltigen Effekte damit, dass der Laborbesuch wahrscheinlich nicht als eine besondere unterrichtsergänzende Lerneinheit, sondern eher als Ausflug verstanden wird. Keine Effekte wurden bei den Geschlechtsstereotypen, der Faszination an chemischen Phänomenen und der Freude am Chemieunterricht, der extrinsischen Motivation und dem Freizeitinteresse festgestellt. Bei allen untersuchten Variablen zeigte sich kein Effekt der Monoedukation. Wie in anderen Studien zeigten die Ergebnisse auch hier, dass das Schülerlabor von den Schülerinnen und Schülern sehr gut bewertet wurde. Glowinski (2007) analysierte molekularbiologische Schülerlabore im Bereich Biologie. Wie Guderian (2007) untersuchte sie den Einfluss der Einbindung der Laborbesuche in den Unterricht. Zentrale Fragestellungen ihrer Arbeit waren: – Welche Wirkung weisen Schülerlabore auf das aktualisierte Interesse auf? – Besteht ein Zusammenhang zwischen den wahrgenommenen Merkmalen der Schülerlabore, der Schülermerkmale sowie der Integration der Laborbesuche in den Unterricht mit dem aktualisierten Interesse? Wie Engeln (2004) hat Glowinksi auf die Pre-Test Befragung verzichtet. Das aktualisierte Interesse wurde als Interesse an Experimenten, Interesse an Kontexten und Interesse an einer authentischen Lernumgebung erfasst. Befragt wurden die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II. Die Befragung wurde am Ende des Schülerlabors und 10–12 Wochen nach dem Aufenthalt im Schülerlabor durchgeführt. Zentrale Ergebnisse Die Schülerinnen und Schüler zeigten nach dem Besuch der Schülerlabore ein hohes aktualisiertes Interesse insbesondere im Bereich von Experimenten (Md = 3.22),7 gefolgt vom Interesse an der authentischen Lernumgebung (Md = 3.06) und den vermittelten Kontexten (Md = 2.86). Es zeigten sich dabei keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Das aktualisierte Interesse an Experimenten war bei den Lernenden mit hohem Selbstkonzept signifikant stärker ausgeprägt, als bei den Lernenden mit niedrigem Selbstkonzept. Beim aktualisierten Interesse an Kontexten und authentischer Lernumgebung zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Lernenden mit hohem und niedrigem Selbstkonzept. Das individuelle Interesse korrelierte signifikant positiv mit den drei Skalen des aktualisierten Interesses (rs = 0.30 bis rs = 0.44). Auch die Integration in den Unterricht operationalisiert als der Grad der Vorbereitung des Laboraufenthalts im 7
Skala von 1 bis 4.
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Unterricht korrelierte signifikant positiv mit allen Bereichen des aktualisierten Interesses (rs = 0.24 bis rs = 0.32). Als signifikante Prädiktoren für das aktualisierte Interesse erwiesen sich bei Regressionsanalysen folgende Variablen: a) das aktualisierte Interesse an Experimenten wird durch individuelles Interesse, Kompetenzerleben, Instruktionsqualität und soziale Eingebundenheit beeinflusst (r2korr = 0.38), b) für das aktualisierte Interesse an Kontexten sind soziale Eingebundenheit, individuelles Interesse und Einblick in die Forschung relevant (r2korr = 0.32), c) für das aktualisierte Interesse an der authentischen Lernumgebung ist der Einblick in die Forschung von Bedeutung (r2korr = 0.14). Zur Follow-up Befragung sanken das individuelle Interesse und das aktualisierte Interesse an Experimenten und an den Kontexten signifikant. Das aktuelle Interesse an der authentischen Lernumgebung blieb dagegen stabil. Am besten hat es den Schülern gefallen, selbstständig zu experimentieren und mit Laborgeräten zu arbeiten. Die Arbeit von Guderian (2007) zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus: zum einen analysierte er nicht nur einen Laborbesuch, sondern mehrmalige Besuche eines Schülerlabors, zum anderen hat er den Effekt einer Einbindung des Schülerlabors in den Unterricht untersucht. Im Fokus seiner Arbeite standen daher folgende zentrale Fragestellungen: – Wie entwickeln sich das aktuelle und das individuelle Interesse (Sachinteresse) bei Schülerinnen und Schülern der 5. und der 8. Jahrgangsstufe bei mehrmaligen Besuchen eines Schülerlabors? – Bestehen Unterschiede in der Interessenentwicklung in Abhängigkeit von der Einbindung der Laborbesuche in den Unterricht? Befragt wurden die Klassen der 5. und 8. Jahrgangsstufe. Die beteiligten Klassen besuchten in Abständen von ca. 5–6 Wochen dreimal das Uni-Lab-Schülerlabor zum Thema „Optik“. Die Module wurden für die beiden Altersstufen größtenteils gleich gestaltet. Wie auch Engeln (2004) analysierte Guderian die Entwicklung des aktuellen Interesses getrennt nach drei Komponenten (emotionale, wertbezogene und epistemische Komponente). Bei den Schülerinnen und Schülern der 5. Jahrgangsstufe wurde das aktuelle Interesse insgesamt sechsmal, das individuelle Interesse zweimal erhoben (siehe Abbildung 7).
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1 Modul
2 Modul
3 Modul
5–6 Wochen
Einbindung
5
Individuelles Interesse (1)
Jahrg. /Modulbesuch/
8
Aktuelles Interesse (2) Aktuelles Interesse (4) Aktuelles Interesse (6)/ /Modulbesuch/
/Modulbesuch/
aktuelles Interesse (1)
aktuelles Interesse (3) aktuelles Interesse (5)
Individuelles Interesse (1)
Aktuelles Interesse (1) Aktuelles Interesse (3) Aktuelles Interesse (5)/
Jahrg. /Modulbesuch/
/Modulbesuch/
/Modulbesuch/
-
individuelles Interesse (2)
+
individuelles Interesse (2)
aktuelles Interesse (2) aktuelles Interesse (4)
Abbildung 7: Untersuchungsdesign der Studie von Guderian (2007) (modifiziert nach Guderian 2007)
Das Untersuchungsdesign der 8. Klasse war fast das gleiche wie bei der 5. Klasse, allerdings fehlte hier der erste Messzeitpunkt beim aktuellen Interesse nach dem ersten Modul. Der zentrale Unterschied zu den Teilnehmern der 5. Klasse war, dass bei der achten Klasse der Experimentalgruppe die Module des Schülerlabors mit dem schulischen Unterricht verknüpft wurden. Dazu wurde ein spezielles Curriculum entwickelt. Die Schüler der Kontrollgruppe besuchten die Schülerlabore und erhielten im Gegensatz zur Experimentalgruppe den klassischen Unterricht. Zentrale Ergebnisse Wie auch bei Engeln (2004) war die emotionale Komponente des aktuellen Interesses bei den Schülern am stärksten ausgeprägt (5. Klassenstufe M = 0.87; 8. Klassenstufe mit Einbindung M = 0.77; 8. Klassenstufe ohne Einbindung M = 0.83), die epistemische Komponente dagegen am niedrigsten (5. Klassenstufe M = 0.67; 8. Klassenstufe mit Einbindung M = 0.45; 8. Klassenstufe ohne Einbindung M = 0.44). Dieser Befund gilt sowohl für die 5. als auch für die 8. Klassenstufe. Bei der 5. Klassenstufe zeigten alle drei Komponenten des aktuellen Interesses weitestgehend einen alternierenden Verlauf: die Werte stiegen nach jedem Besuch der Maßnahme, sanken dann allerdings 5–6 Wochen später wieder ab. Somit gelang es den Schülerlaboren das aktuelle Interesse zu wecken, allerdings wurde dieses nicht stabilisiert (Guderian, 2007). Die Ausprägung aller drei Komponenten war nach dem Modul 3 sogar geringer als nach dem Modul 1. Es zeigten sich weitestgehend keine Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen. Lediglich bei der emotionalen Komponente hatten Mädchen tendenziell höhere Werte als Jungen. Auch bei der 8. Jahrgangsstufe zeigten die Labore ohne Einbindung in den schulischen Unterricht (KG) bei allen Komponenten des aktuellen Interesses lediglich kurzfristige Steigerungen. In den Laboren mit der curricularen Verknüpfung (EG) gelang es dagegen, die wertbezogene und epistemische Komponente des aktuellen Interesse zu stabilisieren: das Interesse stieg zwar nicht an, sank aber auch nicht ab. Bei der epistemischen Komponente hatte die Experimentalgruppe am Ende der Intervention höhere Werte als die Kontrollgruppe. Für die EG zeigte sich
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bei der wertbezogenen Komponente ein signifikanter Einfluss des Geschlechts zugunsten von Jungen (ƒ = 0.43)8. Das Sachinteresse entwickelte sich innerhalb der ganzen Intervention sowohl bei den Schülerinnen und Schülern der 5. Jahrgangsstufe als auch der 8. Jahrgangsstufe nicht. Das Sachinteresse der Jungen stieg nach der Intervention leicht an, das Sachinteresse der Mädchen sank dagegen, allerdings waren diese Veränderungen nicht signifikant. Bei den Schülerinnen und Schülern der 5. Jahrgangsstufe hatte das Sachinteresse einen signifikanten Einfluss auf die Ausprägung der epistemischen Komponente des aktuellen Interesses, d.h. Personen mit hohem Sachinteresse zeigten auch höhere Werte der epistemischen Komponente (ƒ = 0.34). Dieser Zusammenhang könnte daran liegen, dass beim Sachinteresse und der epistemischen Komponente ähnliche inhaltliche Schwerpunkte erfasst wurden (Guderian, 2007). Die Entwicklungskurven der epistemischen Komponente der beiden Gruppen (hohes vs. niedriges Sachinteresse) zeigten den gleichen parallelen Verlauf: bei beiden Gruppen stieg die epistemische Komponente an und fiel dann immer wieder ab. Ein anderes Befundbild zeigte sich bei den Schülern der 8. Jahrgangsstufe: Das Sachinteresse hatte hier keinen signifikanten Einfluss auf die anfängliche Ausprägung aller drei Komponenten des aktuellen Interesses. Es zeigten sich allerdings gewisse Besonderheiten bei der Entwicklung der wertbezogenen und epistemischen Komponenten: bei Schülerinnen und Schülern mit hohem Sachinteresse stieg das aktuelle Interesse im Laufe der Intervention an und der Unterschied zwischen dem ersten und letzten Messzeitpunkt war bei der wertbezogenen Komponente signifikant (d = 0.48), das aktuelle Interesse der Schülerinnen und Schülern mit niedrigem Sachinteresse sank dagegen bei der wertbezogenen und epistemischen Komponente signifikant (1–5 MZP: d = 0.60; 1–5 MZP: d = 0.51). Somit entwickelte sich hier ein scherenartiger Verlauf des aktuellen Interesses zum Nachteil der Schülerinnen und Schüler mit niedrigem Sachinteresse. Untersucht wurde an dieser Stelle allerdings nur die Gruppe mit der curricularen Einbindung. Von besonderem Interesse ist der Befund, wonach die Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse, abgesehen von wenigen Ausnahmen (bei der emotionalen Komponente), über alle Messzeitpunkte hinweg und bei allen Komponenten des aktuellen Interesses signifikant höhere Werte hatten, als die Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse der beiden Gruppen. Besonders stark waren die Unterschiede bei wertbezogenen und epistemischen Komponenten. Bei dem Sachinteresse zeigten sich dagegen bis auf einen Vergleich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern der 5. und der 8. Klassen. Auf der Basis der Ergebnisse kommt Guderian (2007) zum Schluss, dass für eine Stabilisierung des geweckten Interesses eine Einbindung der Laborbesuche in den Unterricht notwendig ist. „Ein- oder mehrmalige Ereignisse mit der Dauer von wenigen Stunden, wie sehr sie auch immer interessefördernden Gesichtspunkten genügen mögen, sind nach der vorliegenden Studie nicht ausreichend, um über 8
≈ 0.10 – kleiner Effekt; ≈ 0.25 – mittlerer Effekt; ≈ 0.40 – großer Effekt (Eid, Gollwitzer & Schmitt, 2011).
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Jahre hinweg aufgebaute Dispositionen von Schülern schlagartig positiv zu beeinflussen“ (Guderian, 2007, S. 167). Bei der Arbeit von Pawek (2009) handelt es sich um eine vertiefende Replikation und Erweiterung der Studie von Engeln (2004). Somit stimmen die Fragestellungen von Pawek inhaltlich mit der Arbeit von Engeln überein: – Wird im Schülerlabor das Interesse an Naturwissenschaft gefördert? – Welchen Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle? Wie Engeln untersucht Pawek die Entwicklung des aktuellen Interesses nach drei Komponenten: emotionale, wertbezogene und epistemische. Im Unterschied zur Arbeit von Engeln erfolgte die Befragung zu drei Messzeitpunkten: vor der Maßnahme (t1), direkt nach der Maßnahme (t2) und 6–8 Wochen nach der Maßnahme (t3). Zentrale Ergebnisse Pawek (2009) berichtet ebenfalls über ein starkes aktuelles Interesse nach dem Besuch der Schülerlabore, die emotionale und wertbezogene Komponente (Mt2 = 0.82 und Mt2 = 0.75) waren auch hier stärker ausgeprägt als die epistemische (Mt2 = 0.52). Das aktuelle Interesse war 6–8 Wochen nach dem Laborbesuch weitgehend stabil: die wertbezogene Komponente blieb auf dem gleichen Niveau und die emotionale sowie epistemische Komponente sanken nur leicht (t2–t3: emotionale d = 0.19; epistemische d = 0.16). Ein positiver und nachhaltiger Effekt zeigte sich ebenfalls in Bezug auf das naturwissenschaftsbezogene Fähigkeitsselbstkonzept: das Fähigkeitsselbstkonzept stieg nach dem Besuch der Maßnahmen und blieb auch zu der Follow-up Befragung stabil auf dem gleichen Niveau (t1–t3: d = 0.11). Dagegen zeigte sich kein positiver Effekt in Bezug auf das Sachinteresse: das Sachinteresse an den Naturwissenschaften blieb zwischen der ersten und der letzten Befragung auf dem gleichen Niveau, das Sachinteresse am Experimentieren sank sogar geringfügig zur Follow-up Befragung (t1–t3: d = 0.13). Von den personenbezogenen Faktoren standen das Sachinteresse an den Naturwissenschaften und am Experimentieren, sowie das naturwissenschaftsbezogene Fähigkeitsselbstkonzept im Zusammenhang mit dem aktuellen Interesse. Die Fachinteressen waren dagegen (mit einigen Ausnahmen) fast bedeutungslos für das aktuelle Interesse. Von den erhobenen wahrgenommenen Laborvariablen erweisen sich für das aktuelle Interesse als besonders wichtig die Verständlichkeit, die Betreuung/Atmosphäre und der Alltagsbezug. Bemerkenswert ist der Befund, wonach die Laborvariablen deutlich mehr Varianz des aktuellen Interesses erklärten (emotionale Komponente: r2korr = 0.38; wertbezogene Komponente: r2korr = 0.29; epistemische Komponente: r2korr = 0.40) als die personenbezogenen Faktoren (emotionale Komponente: r2korr = 0.17; wertbezogene Komponente: r2korr = 0.10; epistemische Komponente: r2korr = 0.32). Die emotionale und die epistemische Komponente des aktuellen Interesses waren bei Schülern stärker ausgeprägt als bei Schülerinnen (t2: emotionale Komponente d = 0.30, epistemische Komponente d = 0.47; t3: emotionale Komponente d = 0.28, epistemische Komponente d = 0.63).
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Wie auch andere Studien, zeigen die Ergebnisse von Pawek (2009), dass die Labore von Schülern als sehr gut bewertet wurden. Eine Vor- und Nachbereitung des Schülerlabors findet allerdings nur selten statt. Die Analysen zeigen, dass bei der überdurchschnittlichen Nachbereitung die emotionale Komponente des aktuellen Interesses weniger sinkt als bei der unterdurchschnittlichen Nachbereitung (d = 0.13 vs. d = 0.26) und das naturwissenschaftsbezogene Fähigkeitsselbstkonzept sich tendenziell als stabiler erweist. Bei den anderen Konstrukten wie der wertbezogenen und epistemischen Komponente sowie den Sachinteressen zeigte sich kein Einfluss der Nachbereitung. Einen anderen Schwerpunkt hatte die Arbeit von Weßnigk (2013). Weßnigk untersuchte ein Schülerlabor, das sich thematisch aus den Bereichen Chemie, Produktionstechnik und Materialwissenschaft zusammensetzte. Die Arbeit im Labor wurde in 5 Teams unterteilt (Design-, Forschungs-, Technik-, Finanz- und Kommunikationsteams). Diese Teams erhielten dabei verschiedene Treatments. Das zentrale Ziel der Studie von Weßnigk war, zu untersuchen, ob ein Schülerlabor in der Lage ist, die Einsichten und Einstellungen der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die Naturwissenschaften positiv zu stimulieren. Zentrale Fragestellungen: – Inwiefern werden im Schülerlabor a) das Image von Physik und Chemie, b) das Fähigkeitsselbstkonzept in Physik und Chemie, c) das Fähigkeitsselbstkonzept in Bezug auf naturwissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Arbeitsweisen und d) die Berufsorientierung zugunsten von Tätigkeiten im naturwissenschaftlichen Bereich positiv beeinflusst? – Inwiefern werden die Effekte durch die einzelnen Teams moderiert? Zentrale Ergebnisse Die Analysen zeigten, dass im Forschungs- und Technikteam die Ausprägungen im Fach- und Sachinteresse in Physik und Chemie besser waren als in den anderen Teams. Auch die Fähigkeitsselbstkonzepte in Physik und Chemie waren in diesen beiden Teams günstiger ausgeprägt. Zudem wiesen diese beiden Gruppen eine höhere Orientierung bezüglich möglicher beruflicher Tätigkeiten im naturwissenschaftlichen Bereich auf. Insofern haben sich eher die MINT-Orientierten für die Teams „Technik“ und „Forschung“ entschieden (Weßnigk, 2013). Der Laborbesuch hatte einen signifikant positiven Einfluss auf das Image von Physik und Chemie als Unterrichtsfach (Physik: d = 0.38, Chemie: d = 0.28) und als Wissenschaft (Physik/Chemie: d = 0.43). Der Effekt war bei beiden Geschlechtern nachweisbar. Als nachhaltig erwies sich der Effekt allerdings nur bei der Imageänderung bzgl. Physik als Wissenschaft. Die Fähigkeitsselbstkonzepte in Physik und Chemie entwickelten sich bei beiden Geschlechtern signifikant positiv im Zuge der Maßnahme (Physik: d = 0.11; Chemie: d = 0.15). Der Effekt blieb aber lediglich beim Fach Physik und nur bei Mädchen drei Monate später stabil. Teamspezifische Analysen ergaben langfristig signifikante Effekte beim Forschungs- und Technikteam. Die Effekte fielen aber
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insgesamt klein aus. Es zeigten sich positive Effekte in Bezug auf naturwissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Denk- und Arbeitsweisen, diese waren aber teamabhängig. Die Berufsorientierung zugunsten beruflicher Tätigkeiten im naturwissenschaftlichen Bereich verbesserte sich bei den Mädchen signifikant positiv (d = 0.20), der Effekt überdauerte auch langfristig. Keine Veränderungen zeigten sich bei der Berufsorientierung von Jungen. Signifikant nachhaltige Effekte konnten beim Technik- und Kommunikationsteam ermittelt werden. Der Effekt beim Kommunikationsteam war insofern überraschend, da die Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler drei Monate später nochmals anstieg. Die Besonderheit des Kommunikationsteams war, dass dieses Team den umfassendsten Überblick über die Arbeitsprozesse der anderen Teams hatte. „Die Jugendlichen arbeiten selbst nicht verstärkt physikalisch oder chemisch, erfahren aber umfangreich, was die anderen Teams machen, mit welchen Fragestellungen sie sich auseinandersetzen und wo Probleme auftauchen“ (Weßnigk, 2013, S. 143). Da das Kommunikationsteam ausschließlich von Mädchen besetzt war, könnte dieser Effekt auf den Effekt des Geschlechts zurückgeführt werden (Weßnigk, 2013). Denkbar wäre aber, dass an dieser Stelle auch breite Einblicke in diverse Tätigkeiten bei der Herstellung eines Produkts und somit wichtige Informationen bezüglich beruflicher Tätigkeiten effektrelevant waren. Insgesamt waren die Effekte bei Mädchen tendenziell stärker als bei Jungen und Physik wurde stärker angesprochen als Chemie. Bei fachfernen Teams zeigten sich eher größere Effekte, bei fachnahen Teams – eher langfristige Effekte. Das Labor bzw. die Arbeit im Labor wurde insgesamt positiv bewertet und der Laborbesuch bereitete den meisten Jugendlichen Spaß. Eine Vorbereitung auf den Laborbesuch fand nur in geringem Maße statt. Bei der Nachbereitung wurde das Labor an sich öfter besprochen als physikalische und chemische Inhalte. Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse: – Übereinstimmend zeigen die Befunde, dass Schülerlabore von den Schülerinnen und Schülern unabhängig von der Fachrichtung sehr gut wahrgenommen und bewertet werden und den meisten Schülerinnen und Schülern viel Spaß bereiten. – Das aktuelle Interesse der Schüler ist nach dem Besuch der Labore in der Regel hoch ausgeprägt. In allen Studien, in welchen die Entwicklung des aktuellen Interesses differenziert nach den einzelnen Komponenten untersucht wurde, zeigte sich, dass die emotionale Komponente die stärkste und die epistemische Komponente die niedrigste Ausprägung hatte (Engeln, 2004; Guderian, 2007; Pawek, 2009). – Die Arbeit von Guderian (2007) belegte ergänzend, dass bei der Ausprägung des aktuellen Interesses signifikante Altersunterschiede zugunsten der jüngeren Schülerinnen und Schülern bestehen. – Positive Effekte wurden in Bezug auf die Entwicklung von Fähigkeitsselbstkonzepten festgestellt (Brandt, 2005; Pawek, 2009; Weßnigk, 2013).
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–
Übereinstimmend wurden keine Fördereffekte bei der Entwicklung von Sachinteressen beobachtet (Brandt, 2005; Guderian, 2007; Pawek, 2009). – Außer einigen Ausnahmen zeigten sich keine Geschlechterunterschiede. Lediglich in der Arbeit von Weßnigk (2013) zeigten sich leichte Vorteile zugunsten von Mädchen. – Individuelle Voraussetzungen und Labormerkmale erweisen sich als interessenförderlich: Das aktuelle Interesse wird einerseits von den personenbezogenen Merkmalen wie dem Sachinteresse und dem Fähigkeitsselbstkonzept und andererseits von den wahrgenommenen Labormerkmalen beeinflusst. Dabei zeigt sich ein unterschiedlicher Einfluss dieser Merkmale auf die einzelnen Komponenten des aktuellen Interesses und auf die Schüler mit unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen (hohes vs. niedriges Sachinteresse) (Engeln, 2004; Glowinski, 2007; Pawek, 2009). – Die beobachteten Effekte erwiesen sich überwiegend als nicht nachhaltig. Bei Brandt (2005) wurde eine nachhaltige Entwicklung lediglich bei beruflichen Interessen beobachtet. Die Arbeiten von Engeln (2004) und Pawek (2009) zeigten unterschiedliche Ergebnisse bezüglich des aktuellen Interesses: die emotionalen und epistemischen Komponenten fielen meistens ab, die wertbezogene Komponente blieb entweder stabil oder stieg sogar an. In der Arbeit von Pawek (2009) ergab sich zusätzlich ein nachhaltiger Effekt für das naturwissenschaftsbezogene Fähigkeitsselbstkonzept. Auch Glowinski (2007) und Weßnigk (2013) berichten lediglich über punktuelle nachhaltige Effekte. – Übereinstimmend ist die Befundlage, dass die Vor- und Nachbereitung von Schülerlaboren eher selten stattfindet (Engeln, 2004; Pawek, 2009; Weßnigk, 2013). Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Vor- und Nachbereitung und die Verknüpfung von Schülerlaboren mit dem Unterricht positive Effekte mit sich bringt (Glowinski 2007; Guderian 2007; Pawek, 2009). Insgesamt wird auf die Wichtigkeit der Vor- und Nachbereitung von Schülerlaboren hingewiesen und eine bessere Verzahnung des Schulunterrichts und den Schülerlaboren gefordert. Priemer und Lewalter (2009) begründen die seltene Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf den Besuch der Labore damit, dass die meisten Labore oft keine Angaben zum benötigten Vorwissen machen. So ergab eine Recherche, dass nur bei etwa 20 von rund 240 Schülerlaboren explizite Informationen auf den Internetseiten zum notwendigen Vorwissen vorzufinden waren (Priemer & Lewalter, 2009). Auf die Bedeutung der Vor- und Nachbereitung von Experimenten weisen auch Tesch und Duit (2004) hin: in einer Videostudie zum Experimentieren im Physikunterricht zeigte sich, dass sich die gesamte Unterrichtszeit, in der Experimente behandelt werden inkl. Vor- und Nachbereitung positiv auf die Leistungsentwicklung auswirkt, nicht aber die reine Experimentierzeit (Tesch & Duit, 2004). Somit ist die Einbettung der Experimente in den Unterricht ein wichtiger Qualitätsfaktor im naturwissenschaftlichen Unterricht. Wie bereits ersichtlich wurde, unterscheiden sich die referierten Studien in ihren Forschungsdesigns, den Fragestellungen, den erhobenen Variablen, der Fach-
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richtung und der Zielgruppe. Diese starke Variabilität der Studien macht es schwierig, endgültige Aussagen über die Effekte der Schülerlabore zu treffen (dazu auch Guderian & Priemer, 2008; Priemer & Lewalter, 2009). Hinzu kommt, dass sich einige Kritikpunkte bzw. Mängel gegenüber einzelnen Studien anbringen lassen. So fehlt in vielen Studien ein Experimental-Kontrollgruppen-Design. Das aktuelle Interesse wird beispielsweise lediglich bei der Experimentalgruppe erfasst. Offen bleibt dabei, ob das aktuelle Interesse der Schülerinnen und Schüler nach dem regulären Schulunterricht im Vergleich zum Schülerlabor geringer ausfällt oder nicht. Nur die Studie von Brandt (2005) wurde in einem Experimental-KontrollgruppenDesign durchgeführt. Guderian (2007) verwendete in seiner Studie zwar eine Kontrollgruppe, die allerdings nicht als eine „echte“ Kontrollgruppe ohne Intervention fungierte, sondern als eine Gruppe mit variiertem Treatment. Darüber hinaus erfolgte die Operationalisierung der Konstrukte nicht einheitlich: während beispielsweise das aktuelle Interesse nach drei Komponenten (emotionale, wertbezogene und epistemische) erfasst wurde, fehlte diese Aufteilung bei der Erfassung von Sach- und Fachinteressen. Sie wurden lediglich als Konstrukte mit unterschiedlicher Berücksichtigung der drei Komponenten des Interessenskonstruktes erhoben. Schließlich wurden in unterschiedlichen Designs die Persönlichkeitsvariablen wie Fach- und Sachinteressen, Fähigkeitsselbstkonzepte etc. erhoben. Entweder wurden sie a) vor und nach der Maßnahme und zur Follow-up Befragung, oder b) erst nach der Maßnahme und zur Follow-up Befragung, oder c) vor der Maßnahme und lediglich zur Follow-up Befragung erfasst. Im letzten Fall handelt sich dann nicht um die „reinen“ Effekte einer Maßnahme sondern um die Nachhaltigkeit der Effekte. Ergänzende Studien Alle bisher berichteten Studien betrachteten die Effekte von Schülerlaboren lediglich in Bezug auf eine oder zwei Fachrichtungen. Priemer, Kirchner und Guderian (2007) sind der Frage nachgegangen, wie sich die epistemische Komponente des aktuellen Interesses in Abhängigkeit von Alter und unterschiedlichen Themenzuschnitten unterscheidet. Dabei haben sie die Experimentierlabore zu unterschiedlichen Themen aus den Bereichen Biologie, Chemie, Geographie, Mathematik und Physik untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass fachspezifische Unterschiede bestehen: Die Themen aus den Bereichen Geographie und Mathematik fanden Schüler interessanter als die Themen aus Biologie, Physik und Chemie, wobei der Fachbereich Biologie wiederum besser beurteilt wurde, als die Fachbereiche Physik und Chemie. Somit zeigen sich auch im Schülerlabor für die Fächer Physik und Chemie schwache Präferenzen im Fächervergleich. Darüber hinaus wurden auch innerhalb der Fächer, wie im Fach Chemie, Interessensunterschiede zwischen den einzelnen Themengebieten festgestellt: beispielsweise weckte das Thema „Farbstoffe“ ein signifikant höheres Interesse als das Thema „Strom aus der Antike“. In Bezug auf die unterschiedlichen Altersgruppen war das aktuelle epistemische Interesse von 12 bis 19 Jahren weitgehend konstant, lediglich bei den 12- und
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19-Jährigen ergaben sich signifikante Mittelwertsunterschiede. Eine differenzierte Betrachtung nach Fächern zeigte, dass in den Fächern Biologie, Chemie und Mathematik keine signifikanten Interessenunterschiede je nach Alter beobachtbar waren. Anders war das allerdings im Fach Physik: bei älteren Schülern wurde im Querschnittvergleich ein signifikant geringes Interesse beobachtet als bei jüngeren Schülern. Das Interesse sank mit dem Alter kontinuierlich, bei 18- und 19-Jährigen nahm es dann aber wieder leicht zu. In den Bereichen Biologie, Mathematik, Geographie und Physik zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern. In Chemie dagegen zeigten Jungen ein signifikant höheres aktuelles Interesse als Mädchen (Priemer et al., 2007). Somit zeigen diese Befunde, dass die Ausprägung des aktuellen Interesses je nach Fach und dem Themengebiet sowie je nach Alter und Geschlecht unterschiedlich stark ausfallen kann. Zwar wurden bei diesen Analysen unterschiedliche Probanden mit einander verglichen, die jeweils nur eine Maßnahme besucht haben, so dass diese Ergebnisse nur mit Vorsicht zu interpretieren sind, dennoch weisen sie darauf hin, dass fachspezifisch eine unterschiedliche Verteilung von Interessen möglich ist (Guderian & Priemer, 2008). Durch einen anderen Schwerpunkt zeichnete sich die Studie von Sumfleth und Henke (2011) aus. Im Gegensatz zu den ein- und mehrtätigen außerschulischen Laborbesuchen untersuchten sie die Effekte eines Programms zur Förderung von naturwissenschaftlich besonders interessierten Oberstufenschülerinnen und -schülern. Das HIGSEA-Projekt hatte eine längerfristige Anlage: innerhalb von 2,5 Jahren haben Schülerinnen und Schüler der 11. Jahrgangsstufe der EG einen Unterricht an zwei Wochentagen am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung besucht, die Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe erhielten den regulären Unterricht an den Schulen. Nach einem Jahr wurde die Entwicklung von experimentell-naturwissenschaftlichen Fähigkeiten, chemischem Fachwissen, naturwissenschaftlicher Grundbildung, Motivation, Fähigkeitsselbstkonzepten und die Interessenentwicklung erfasst. Signifikant positive Effekte wurden bei experimentell naturwissenschaftlichen Fähigkeiten, chemischem Fachwissen und der naturwissenschaftlichen Grundbildung festgestellt. Keine positiven Fördereffekte wurden beim Fachinteresse an Chemie, dem Fähigkeitsselbstkonzept und der Motivation beobachtet. Die Ergebnisse dieser Untersuchung legen nahe, dass es sehr schwierig ist, die Persönlichkeitsmerkmale wie Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte positiv zu stimulieren. Das Leitbild aller Schülerlabore ist es, das Wissenschaftsinteresse und Wissenschaftsverständnis der Jugendlichen zu fördern und den Nachwuchs in MINT-Berufen und MINT-Studiengängen zu sichern (Lernort Labor – Bundesverband der Schülerlabore e.V., 2015). Ob der Besuch der Schülerlabore tatsächlich einen Einfluss auf die Berufswahl hat, bleibt an dieser Stelle offen und die entsprechenden Studien dazu fehlen noch. Retrospektive Angaben zeigen, dass ca. 5–6% der Studierenden der MINT-Studiengänge außerschulische Lernorte besucht haben (Pfennig & Renn 2012, zitiert nach Pfenning, 2013). Unklar bleibt hier allerdings, ob und inwiefern die Berufswahl zugunsten der MINT-Studiengänge direkt durch den Be-
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such der außerschulischen Lernorte beeinflusst wurde. Einschränkend sind in diesem Kontext die Befunde einer Evaluationsstudie des Projektverbundes an der Universität Stuttgart (Pfenning et al., 2012). Die Studie untersuchte, wie viele der ehemaligen Teilnehmer aus den Simulationsprojekten eines schulischen Technikunterrichts (der vornehmlich von technisch-naturwissenschaftlich interessierten Oberstufenschüler/-innen besucht wird) danach tatsächlich einen ingenieurwissenschaftlichen Beruf ergreifen. Die Ergebnisse zeigen, dass solche Projekte einen positiven Einfluss auf die bereits vorhandenen beruflichen Präferenzen im Technikbereich haben, sie aber nur graduell die beruflichen Aspirationen zugunsten der Technikberufe verändern (Pfenning et al., 2012). Indirekt kann die Wirksamkeit der Schülerlabore auf die Berufswahl der Jugendlichen zugunsten der MINT-Berufe dadurch überprüft werden, indem die Fördereffekte der Schülerlabore auf diejenigen Variablen kontrolliert werden, die sich in der Berufswahlforschung als wichtige Prädiktoren bei der Berufswahl erwiesen haben. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden die zentralen Determinanten der Berufswahl erläutert.
4 BERUFSWAHLFORSCHUNG UND DETERMINANTEN DER BERUFSWAHL 4.1 BERUFSWAHLTHEORIEN Bei der Entscheidung für einen Beruf spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Berufswahltheorien bieten unterschiedliche Erklärungen für die möglichen Bedingungen der Berufswahl. In den Trait- und Faktortheorien wird angenommen, dass Personen einen Beruf wählen, der ihren Persönlichkeitsmerkmalen am besten entspricht. Zu den Trait- und Faktortheorien gehört u.a. auch das Modell von Holland. Dieses Modell gilt als die bekannteste und elaborierteste Theorie, hat zahlreiche empirische Untersuchungen angeregt und wird intensiv in der Berufsberatungspraxis eingesetzt (Ratschinski, 2009; Stuhlmann, 2009). Die Theorie von Holland basiert auf folgenden zentralen Annahmen (Bergmann, 2007; Weinrach & Strebalus, 1994): 1. In unserer Kultur existieren sechs grundlegende Persönlichkeitstypen: realistic (R, praktisch-technisch), investigative (I, intellektuell-forschend), artistic (A, künstlerisch-sprachlich), social (S, sozial), enterprising (E, unternehmerisch) und conventional (C, konventionell). Diese Typen (RIASEC) charakterisieren sich durch bestimmte berufliche Interessen, Fähigkeiten und Einstellungen (in der Tabelle 3 ist eine Charakterisierung der einzelnen Persönlichkeitstypen zu finden). 2. Diesen Typen entsprechend sind sechs Arten von Umwelten identifizierbar (RIASEC). 3. Menschen suchen eine Umwelt, in der sie ihre Fähigkeiten, Werte etc. einsetzen und ausdrücken können. 4. Das Verhalten einer Person ist das Resultat der Interaktion zwischen ihrer Persönlichkeit und der jeweiligen Umwelt.
Berufswahlforschung und Determinanten der Berufswahl
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(1) „Praktisch-technische Orientierung“ (R - realistic) Personen dieses Typs bevorzugen Tätigkeiten, die Kraft, Koordination und Handgeschicklichkeit erfordern und zu konkreten, sichtbaren Ergebnissen führen. Sie weisen Fähigkeiten und Fertigkeiten vor allem im mechanischen, technischen, elektrotechnischen und landwirtschaftlichen Bereich auf, während sie erzieherische oder soziale Aktivitäten eher ablehnen. (2) „Intellektuell-forschende Orientierung“ (I - investigative) Personen dieses Typs bevorzugen Aktivitäten, bei denen die Auseinandersetzung mit physischen, biologischen oder kulturellen Phänomenen mithilfe systematischer Beobachtung und Forschung im Mittelpunkt steht. Sie weisen Fähigkeiten und Fertigkeiten vor allem im mathematischen und naturwissenschaftlichen Bereich auf. (3) „Künstlerisch-sprachliche Orientierung“ (A - artistic) Personen dieses Typs bevorzugen offene, unstrukturierte Aktivitäten, die eine künstlerische Selbstdarstellung oder die Schaffung kreativer Produkte ermöglichen. Ihre Fähigkeiten liegen vor allem im Bereich von Sprache, Kunst, Musik, Schauspiel und Schriftstellerei. (4) „Soziale Orientierung“ (S - social) Personen dieses Typs bevorzugen Tätigkeiten, bei denen sie sich mit anderen in Form von Unterrichten, Lehren, Ausbilden, Versorgen oder Pflegen befassen können. Ihre Stärken liegen im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen. (5) „Unternehmerische Orientierung“ (E - enterprising) Personen dieses Typs bevorzugen Tätigkeiten und Situationen, bei denen sie andere mithilfe der Sprache oder anderer Mittel beeinflussen, zu etwas bringen, führen, auch manipulieren können. Ihre Stärken liegen im Bereich der Führungs- und Überzeugungsqualität. (6) „Konventionelle Orientierung“ (C - conventional) Personen dieses Typs bevorzugen Tätigkeiten, bei denen der strukturierte und regelhafte Umgang mit Daten im Vordergrund steht, z. B. Aufzeichnungen führen, Daten speichern, Dokumentationen führen, mit Büromaschinen arbeiten u. Ä. (ordnend-verwaltende Tätigkeiten). Ihre Stärken liegen im Bereich rechnerischer und geschäftlicher Fähigkeiten. Tabelle 3: Persönlichkeitsorientierungen nach Holland (1973, 1985a, 1997; aus Bergmann und Eder 2005, S. 15)
Somit ist die Berufswahl nach Holland als ein Ausdruck der Persönlichkeit zu verstehen und nicht als ein zufälliges Geschehnis. Berufliche Stabilität und berufliche Zufriedenheit sind nach seiner Theorie umso höher, je stärker die Übereinstimmung (Kongruenz) zwischen dem Persönlichkeitstyp und der Arbeitsumwelt ist (Weinrach & Strebalus, 1994). Wichtige Erklärungen zu Berufswahlprozessen finden sich auch in verschiedenen Entwicklungstheorien. Diese betrachten die Berufswahl nicht als punktuelle Entscheidung, sondern als Momentaufnahme eines Entwicklungsprozesses. Dieser Entwicklungsprozess erstreckt sich über die gesamte Lebensspanne und beinhaltet eine Reihe von Entscheidungen (Ratschinski, 2009). Zu den wichtigen Vertretern der Entwicklungstheorien gehört der Lebenszeit-, Lebensraumansatz der Laufbahnentwicklung von Super (1994). In seinem Modell berücksichtigt Super die Erkenntnisse aus der differentiellen Psychologie der Berufsentwicklung, der Entwick-
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Berufswahlforschung und Determinanten der Berufswahl
lungspsychologie, der Berufssoziologie und der Persönlichkeitstheorie. Die Berufsentwicklung betrachtet Super als ganzheitlich und entwicklungsorientiert. Berufliche Präferenzen und berufliche Fähigkeiten verändern sich mit der Zeit und infolge von Erfahrungen. Dabei umfasst dieser Veränderungsprozess die gesamte Lebensspanne und ist durch eine bestimmte Abfolge von Lebensstufen gekennzeichnet (Super, 1994). Er unterscheidet folgende fünf Hauptstadien bzw. Stufen der Laufbahnentwicklung (Seifert, 1977): 1. Stadium des Wachstums (0–14 Jahre): Herausbildung und Entwicklung des Selbstkonzeptes; 2. Stadium der Exploration (15–24 Jahre): Erprobung in verschiedenen Rollen des eigenen Selbst; Erkunden von beruflichen Möglichkeiten; 3. Stadium der Etablierung (25–44 Jahre): Sicherung der dauerhaften Position im gewählten Berufsfeld; 4. Stadium der Erhaltung (45–65): Fortführen der beruflichen Entwicklung im gewählten Berufsfeld; 5. Stadium des Abbaus (ab 65 Jahren): Reduzierung der Arbeitsaktivität. Das Laufbahnmodell sollte nach Super anders als das Berufswahlmodell den langfristigen und entwicklungsbezogenen Charakter betonen und nicht wie in der Differentialpsychologie die Berufswahl als einmalige berufliche Entscheidung begreifen (Super, 1994). Die berufliche Entwicklung liegt nach Super im Wesentlichen in der Entstehung und Umsetzung von beruflichen Selbstkonzepten. Das Selbstkonzept entwickelt sich im Zuge des Zusammenwirkens von angeborenen Fähigkeiten und körperlichen Eigenschaften, der Gelegenheit verschiedene Rollen auszuprobieren und dem Ausmaß der dadurch erfahrenen Anerkennung durch die anderen. Dabei werden Selbstkonzepte von der späten Adoleszenz bis ins reife Alter stabiler. Nach Super ist die Arbeitszufriedenheit davon abhängig, inwiefern eine Person ihre Selbstkonzepte im Beruf realisieren kann (Super, 1994). Zu den Entwicklungstheorien gehört auch die Berufswahltheorie von Gottfredson. Gottfredson berücksichtigt in ihrer Theorie sowohl Hollands als auch Supers Annahmen. Sie integriert psychologische und soziologische Aspekte und trifft Annahmen sowohl über Strukturen, als auch über Prozesse der Entwicklung der Berufspräferenzen. Integriert werden in dieser Theorie die Determinanten der Berufswahl wie Selbstkonzept, Interessen, Fähigkeiten, sozialer Hintergrund, Intelligenz und Geschlecht. Die Zufriedenheit mit der Berufswahl hängt davon ab, wie gut die Wahl des Berufes und das Selbstkonzept zueinander passen (Ratschinski, 2009). Nach Gottfredson beginnt der Entwicklungsprozess bereits in der frühen Kindheit. Es werden vier Stadien der Entwicklung des Selbstkonzeptes und der beruflichen Aspirationen unterschieden (Gottfredson, 1981, zitiert nach Ratschinski, 2009): 1. In einem Alter zwischen 3 und 5 Jahren werden Berufe von den Kindern als Erwachsenenrollen wahrgenommen und es entwickeln sich Präferenzen für diese Rollen. 2. Zwischen 6 und 8 Jahren entsteht bei den Kindern eine geschlechtstypische Berufswahrnehmung und es entwickelt sich ein geschlechtsspezifisches Selbstkonzept.
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3. Zwischen dem 9. und dem 13. Lebensjahr gewinnt bei den Jugendlichen die soziale Anerkennung durch andere an Relevanz. Berufe, die zuvor einem Geschlechtstyp zugeordnet und als gleichwertig wahrgenommen wurden, werden nun je nach Prestige unterschiedlich beurteilt. 4. In der letzten Phase (etwa ab dem 14. Lebensjahr) werden schließlich die genauen Interessengebiete im Raum der beruflichen Alternativen bestimmt, die entsprechend dem eigenen Geschlecht, der sozialen Klasse und den eigenen Fähigkeiten eingegrenzt wurden. In diesem eingegrenzten Raum startet auch die Suche nach einem Beruf. Die besondere Annahme in der Theorie von Gottfredson ist, dass Berufe, die mit den zentralen Elementen des Selbstkonzeptes nicht vereinbar sind, auch am stärksten abgelehnt werden. „Konkret heißt das: Die öffentliche Präsentation von Maskulinität oder Feminität, die sich in der Berufswahl manifestiert, wird am sorgfältigsten überwacht“ (Ratschinski, 2009, S. 58). In einer Kompromisssituation werden nach Gottfredson am stärksten diejenigen Aspekte verteidigt, die früher ausgebildet wurden. D.h. die Interessen würden zuerst und das Geschlecht zuletzt preisgegeben. Da die Befundlage der empirischen Theorieüberprüfungen zum Kompromissprozess nicht einheitlich war, hat Gottfredson die Kompromissbildung in weiteren Arbeiten modifiziert. Demnach spielt für die Stärke des Kompromisses eine Rolle, ob Geschlecht, Prestige oder Interessen in den Mittelpunkt der Entscheidungsprozesse rücken. Bei starken Kompromissen wird das Geschlecht am stärksten verteidigt. Bei geringen oder mittleren Kompromissen verliert das Geschlecht an Priorität: Bei niedrigen Kompromissen haben die Interessen den Vorrang, bei mittleren das Prestige (Ratschinski, 2009). Insgesamt ist festzuhalten, dass in den hier vorgestellten Berufswahltheorien Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte als wichtige Determinanten der Berufswahlprozesse gelten. Die Effekte von Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepten auf die Berufswahl wurden in zahlreichen Studien überprüft. In den folgenden Kapiteln 4.2 und 4.3 wird ein Überblick über die Befundlage gegeben. 4.2 ÜBER DIE LEISTUNGSKURSWAHL VERMITTELTE EFFEKTE VON INTERESSEN UND FÄHIGKEITSSELBSTKONZEPTEN AUF DIE BERUFSWAHL Im Laufe der Schulzeit treffen Schülerinnen und Schüler ihre Leistungskurswahl. Dabei lassen sie sich in ihrem Wahlverhalten durch mehrere Faktoren leiten. Neben Interessen und Fähigkeiten sind persönliche Einstellung zu Lehrern, ihre Qualifikation, Entscheidungen der anderen Schüler, Einflussnahme der Eltern, der angenommene Aufwand, das Anspruchsniveau und das „Image“ des Faches wichtige Kriterien bei der Leistungskurswahl (Müller, 2002). Zahlreiche Studien zum Wahlverhalten in der gymnasialen Oberstufe belegen, dass sich Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen als zentrale Prädiktoren für die akademischen Kurswahlen erwiesen haben (Möller & Trautwein, 2009). Marsh und
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Yeung (1997) zeigten, dass in neun Fächern das fachspezifische Selbstkonzept einen größeren Einfluss auf die Intention, ein Fach im nächsten Jahr zu wählen, hat als die Note. Roeder und Gruehn (1996) ermittelten auf der Grundlage der TIMSSDaten, dass Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe retrospektiv am häufigsten persönliche Interessen und vorhandene Leistungsstärken als die wichtigsten Gründe für die Wahl des ersten Leistungsfaches nannten. Diese Wahlmotive waren für beide Geschlechter von zentraler Bedeutung (Roeder & Gruehn, 1996). Baumert und Köller (2000) zeigten ebenfalls auf der Grundlage der TIMSS-Daten (TIMSS/III), dass die Nichtwähler in Physik über ein niedriges Interesse an Physik und Technik und ein schwaches Selbstkonzept in Physik verfügten. Auch Abel (2002) fand in den retrospektiven Befragungen von Studierenden der verschiedenen Fächer zu ihren Kurswahlmotiven, dass Interessen an Inhalten, Begabungen bzw. persönliche Stärken und gute Noten in der Sekundarstufe I deutlich dominierten im Vergleich zu anderen Gründen. Diese Ergebnisse galten für alle Fächer und für beide Geschlechter. Zwick und Renn (2000) zeigten, dass 86% der Schülerinnen und Schüler, die ein naturwissenschaftliches Fach als Lieblingsfach haben, auch einen entsprechenden Leistungskurs belegen. Köller et al. (2000) ermittelten in ihren Analysen für das Fach Mathematik, dass das Geschlecht, das fachspezifische Selbstkonzept, das Interesse und die Noten sich am Ende der Sekundarstufe 1 als wichtige Prädiktoren für die Leistungskurswahl zeigten. Dabei war das Selbstkonzept unter der Berücksichtigung von Noten und Leistungswerten die stärkste Determinante. Die Vorhersagemodelle waren für beide Geschlechter identisch. In einer weiteren Studie untersuchten Köller et al. (2006) den Zusammenhang zwischen Selbstkonzept, Interessen, Kurswahlverhalten und Leistungen im Fach Mathematik bei Gymnasiasten in einem Längsschnitt am Ende der 10. und der 12. Jahrgangsstufe. Auch hier ergaben die Ergebnisse, dass das Interesse und das Selbstkonzept in einem positiven Zusammenhang mit dem Kurswahlverhalten stehen. Bemerkenswert war in dieser Studie der Befund, dass aggregierte Leistungen auf Schulebene einen negativen Effekt auf Selbstkonzept, Interesse und Leistungskurswahl zeigten: Schülerinnen und Schüler aus den leistungsstarken Klassen wiesen bei der Kontrolle der individuellen Leistung ein niedriges mathematisches Selbstkonzept und ein geringes Interesse an der Mathematik auf und entschieden sich seltener für einen Leistungskurs im Fach Mathematik. Gleichzeitig zeigte sich der gegenläufige Effekt der Zugehörigkeit zu einer leistungsstarken Gruppe: die Leistungskurszugehörigkeit hatte einen positiven Effekt auf das Selbstkonzept und das Interesse. Somit wird deutlich, dass derselbe Kontext unterschiedliche Effekte auf motivationale Maße haben kann (Köller et al., 2006). Merzyn (2010) kommt in seinem Review zu Studien über die Wahlmotive zum folgenden Schluss: „Besonders ausgeprägt sind die Unterschiede zwischen Wählern und Nichtwählern bei den Leistungskursen in Mathematik, Physik und Chemie. In diesen Kursen konzentrieren sich Schüler mit großem Fachinteresse, sehr guten vorherigen Leistungen und hoher fachlicher Selbsteinschätzung. Ihre Kurswahl ist ausgeprägter als bei anderen Fächern ein wesentlicher erster Schritt zur Berufswahl“ (Merzyn, 2010, S. 6). Die Bedeutsamkeit der Kurswahl für die Berufswahl belegen auch zahlreiche Studien, die zeigen, dass die Wahl der Leistungskurse in
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der gymnasialen Oberstufe stark der Wahl des Studienfaches entspricht. So ergaben die Befragungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, dass 62 Prozent bzw. 61 Prozent der Studienanfänger mit dem ersten Studienfach Physik bzw. Chemie zuvor einen Leistungskurs in diesen Fächern besuchten (iw-dienst, 2011). Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch die Studieneingangsbefragungen an der Universität Mainz: im Fach Chemie haben im WS 2002/2003 71 Prozent der befragten Studienanfänger in der Schule Chemie als einen Leistungskurs belegt, im Fach Physik waren es 66 Prozent der Studierenden (Schmidt & Herzer, 2006). Heine et al. (2006) ermittelten auf der Grundlage der Datensätze von Studienberechtigten ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der Leistungskurswahl und der Studienfachwahl: Die Wahl von Ingenieurwissenschaften oder Mathematik/Informatik steht im positiven Zusammenhang mit den Leistungskursen in Mathematik und Physik, die Wahl von naturwissenschaftlichen Studiengängen wird von den Leistungskursen in Physik, Chemie und Biologie beeinflusst. Auch Zwick und Renn (2000) zeigten, dass der Leistungskurs in einem mathematisch-naturwissenschaftlichen Fach einen signifikanten Einfluss auf die Wahl eines mathematisch-naturwissenschaftlichen Studiengangs hat. Die Befunde von Abel (2002) geben ebenfalls Hinweise darauf, dass Schülerinnen und Schüler bei der Kurswahl die zukünftigen Studienperspektiven beachten. Bereits in der Schule zeigt sich ein Zusammenhang zwischen der Leistungskurswahl und der zukünftigen Berufswahlintention. Roeder und Gruehn (1996) fanden heraus, dass mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler (60%) mit dem ersten Leistungsfach aus dem Bereich „harte“ Naturwissenschaften ein Fach aus den Bereichen Naturwissenschaft, Ingenieurwissenschaft und Mathematik/Statistik als den ersten Studienfachwunsch äußerte. Somit korrespondieren die Leistungskurswahl und die Studienfachwahl stark miteinander. Da, wie die Befundlage zeigt, sich in der Schule nur wenige Jugendliche für „harte“ Naturwissenschaften als Leistungskurs entscheiden, ist es nicht verwunderlich, dass sich dies weiterhin bei der Studienfachwahl widerspiegelt. 4.3 INTERESSEN UND FÄHIGKEITSSELBSTKONZEPTE ALS PRÄDIKTOREN DER STUDIENFACH- UND BERUFSWAHL Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte spielen nicht nur bei der Leistungskurswahl eine wichtige Rolle, sondern auch bei der Studienfachwahl. Zahlreiche Studien belegen, dass Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte eine hohe prognostische Validität in Bezug auf die Bestimmung von beruflichen Entscheidungen aufweisen. So ergab die HIS-Befragung der Studienanfänger im Wintersemester 2009/10, dass sich die Studierenden der Fächergruppen Mathematik/Naturwissenschaften durch ein starkes Fachinteresse (94%), deutliche fachliche Neigungen und Begabungen (85%) und ein hohes wissenschaftliches Interesse auszeichnen (Willich et al., 2011). Heine et al. (2006) zeigen, dass im Bereich der Naturwissenschaften die selbst attestierte Leistungsstärke in positivem Zusammenhang mit der Wahl dieser Fächergruppe steht. In einer Befragung der Studierenden der Universität
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Mainz ermittelte Asmussen (2006), dass die Studierenden aus den naturwissenschaftlichen Studiengängen überdurchschnittlich intrinsisch motiviert sind und ein hohes fachliches und wissenschaftliches Interesse aufweisen. Zwick und Renn (2000) belegten in ihren Analysen ebenfalls einen signifikanten Einfluss von besonderer persönlich zugeschriebener Leistungsfähigkeit in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern und den persönlichen Neigungen und Begabungen auf die Präferenz eines mathematisch-naturwissenschaftlichen Studienganges. Die Arbeit von Taskinen (2010) zeigte, dass Jugendliche mit hoher naturwissenschaftlicher und mathematischer Kompetenz und mit naturwissenschaftsbezogenen Berufserwartungen signifikant stärkere Ausprägungen in Freude und Interesse an Naturwissenschaften und im naturwissenschaftsbezogenen Fähigkeitsselbstkonzept aufweisen, als Jugendliche mit ebenfalls hoher naturwissenschaftlicher und mathematischer Kompetenz aber mit anderen Berufserwartungen. Bergmann (1992) überprüfte den Einfluss von beruflichen Interessen (in Anlehnung an die Kategorien von Holland, 1997) auf die Berufswahl. Die Ergebnisse zeigen, dass schulisch-berufliche Interessen eine hohe prognostische Validität zur Entwicklung von Berufs- und Studienwünschen aufweisen und dass sie die Entscheidung für einen Beruf deutlich beeinflussen (Bergmann, 1992). Am höchsten war die Kongruenz von Interessen und der realisierten Berufswahl mit 62.7 Prozent (erste Einmündung) sowie mit 56.6 Prozent (Ausbildung bzw. Beruf zum Befragungszeitpunkt) beim „intellektuell-forschendem Typ“ (vorwiegend Studenten naturwissenschaftlicher und technischer Fächer). „Für Studenten der Technik und der Naturwissenschaften sind hohe Ausprägungen von Interessen im Bereich I und im Bereich R kennzeichnend, wobei der Bereich R klar an der zweiten Stelle steht“ (Bergmann, 1992, S. 214). Auch Nagy (2005) belegte in seiner Arbeit eine hohe prädiktive Kraft von beruflichen Interessen auf die Studienfachwahl. Festzuhalten ist, dass die Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte eine wichtige Grundlage dafür bieten, dass sich Schülerinnen und Schüler für Kurs- und Studienwahl entscheiden. Das Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es, fachspezifische Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte sowie berufliche Interessen zu untersuchen. Es werden dabei zwei Analyseperspektiven verfolgt: zum einen wird der Frage nachgegangen, wie diese Merkmale bei Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Klassenstufen ausgeprägt sind, zum anderen wird untersucht, inwiefern sich diese Merkmale durch Fördermaßnahmen wie Schülerlabore positiv verändern lassen. Bevor auf die Analysen eingegangen wird, erfolgt im nächsten Kapitel eine theoretische Beschreibung dieser Konstrukte.
5 INTERESSEN UND FÄHIGKEITSSELBSTKONZEPTE: EINE THEORETISCHE BESCHREIBUNG 5.1 INTERESSE Der Begriff Interesse gehört zu den zentralen Konstrukten der pädagogischen Psychologie (Krapp, 2006). Je nach Forschungsbereich finden sich unterschiedliche Konzeptionen und Definitionen des Interessenkonstrukts. Die Person-Gegenstands-Theorie des Interesses von Krapp (1992a) hebt hervor, dass sich Interesse immer auf einen Gegenstand bezieht. Jeder Interessengegenstand ist kognitiv repräsentiert. Individuen erwerben durch Auseinandersetzungen mit einem Interessengegenstand ein ausdifferenziertes Wissen über den Gegenstand (deklaratives Wissen) und über die mit diesem Gegenstand verbundenen Handlungen (prozedurales Wissen) (Krapp, 1992a). Somit richten sich Interessen immer auf einen bestimmten Gegenstand. Zu den Gegenständen können „nicht nur Sachen, sondern auch Lebewesen, allgemeine Zustände, Veränderungen, Ereignisse, Zusammenhänge“ gehören, d.h. alle Einheiten, über die ein Wissen gewonnen werden kann (Krapp, 1992a, S. 305). Beim schulischen Lernen sind Inhalte oder Wissensbereiche eines Faches der Gegenstand des Interesses. Es können aber auch bestimmte Tätigkeiten oder Sachen als der Gegenstand des Interesses gelten (Krapp, 1998). Inhaltlich wird beim Interesse zwischen gefühlsbezogenen und wertbezogenen Valenzüberzeugungen unterschieden (Schiefele, 1996, 2009; Schiefele, Krapp, Wild & Winteler, 1993). Gefühlsbezogene Valenzüberzeugungen treten dann auf, wenn ein Sachverhalt für eine Person subjektiv mit positiven Gefühlen zusammenhängt (wie z.B. Freude, Vergnügen etc.). Bei wertbezogenen Valenzüberzeugungen wird einem Sachverhalt persönliche Bedeutung bzw. Wichtigkeit beigemessen. Ein zentrales Merkmal von Interesse ist sein intrinsischer Charakter. Nach diesem Merkmal soll eine Beschäftigung mit einem Gegenstand nur aus „sachimmanenten“ Gründen geschehen. Dies bedeutet, dass sich gefühls- und wertbezogene Valenzen direkt auf einen Gegenstand oder eine Handlung richten und nicht, weil der Gegenstand Beziehungen zu anderen Sachverhalten hat. Somit stellt der intrinsische Charakter des Interesses nicht das dritte Merkmal des Interessenkonstrukts dar, sondern präzisiert die Konzeption der gefühlsbezogenen und wertbezogenen Valenzen (Schiefele, 1996, 2009; Schiefele, Krapp, Wild et al., 1993). In Bezug auf das Lernen erweist sich „epistemische Orientierung“ von wichtiger Bedeutung: eine Person, die sich für eine Sache interessiert, möchte auch mehr über diese Sache erfahren bzw. wissen (Krapp, 2006). In der neueren pädagogisch-psychologischen Interessenforschung wird zwischen dem individuellen bzw. persönlichen Interesse und dem situationalen Interesse unterschieden (Krapp, 1992b; Schiefele, 2009). Das individuelle Interesse bezeichnet ein relativ dauerhaftes, dispositionales Merkmal einer Person. Es ist situa-
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tionsübergreifend und die einzelnen interessenorientierten Handlungen sind Ausdruck einer zeitüberdauern Einstellung der Person gegenüber einem Gegenstandsbereich (Krapp, 1992a). Individuelle Interessen entwickeln und verändern sich im Laufe der Zeit. Dabei beeinflusst besonders die Schule den Entwicklungsprozess (Krapp, 1992a). Das situationale Interesse bezeichnet dagegen den aktuellen motivationalen Zustand einer Person in einer spezifischen Situation (Krapp, 1992b; Schiefele, 2009). Ein ausgeprägtes Interesse wird von einer erhöhten Aufmerksamkeit, Neugier und Faszination begleitet (Schiefele, 2009). In der Abbildung 8 wird die relationale Struktur der Bedeutungsvarianten des Interessenkonstruktes dargestellt. Beim Zustand einer Person während der interessenorientierten Auseinandersetzung wird zwischen dem situationalen Interesse und dem aktualisierten Interesse unterschieden. Während das situationale Interesse von außen angestoßen wird und dabei Anregungen einer Umgebung oder eines Gegenstandes entscheidend bzw. verantwortlich sind, geht das aktualisierte Interesse primär aus dem bereits vorhandenen individuellen Interesse der Person hervor (Krapp, 1992b). Dabei lassen sich diese Varianten des Interessenkonstrukts nicht klar voneinander abgrenzen, sondern stellen wichtige Bestandteile des übergeordneten Konstrukts Interesse dar (Krapp, 1992b). Merkmal der Person Individuelles Interesse
Psychischer Zustand der Person Aktualisiertes Interesse
Merkmale der Lernumgebung
Situationales Interesse
Interessantheit
Abbildung 8: Die relationale Struktur der Bedeutungsvarianten des Interessenkonstrukts (Krapp, 1992b, S. 15)
Auch Schiefele (1996) weist darauf hin, dass es schwierig ist zu entscheiden, ob in einer bestimmten Situation ein aktualisiertes oder ein situationales Interesse vorliegt, da situative Anregungen öfter im Zusammenspiel mit individuellem Interesse zur Aktivierung von situationalem Interesse führen (Schiefele, 1996). An dieser Stelle erscheint es wichtig, dass eine interessenorientierte Auseinandersetzung des Individuums mit dem Gegenstand auch dort geschehen kann, wo das individuelle Interesse noch nicht ausgebildet ist. Ein situationsspezifisches Interesse kann geweckt werden, wenn ein Gegenstand in einer interessanten Form dargestellt wird (Krapp, 1992a). Für die Weckung des situationalen Interesses können auch soziale Einflüsse von besonderer Bedeutung sein (wie z.B. Einflüsse durch „peers“, durch
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andere wichtige Bezugspersonen oder durch anerkannte Vorbilder) (Krapp, 1992b, S. 309). Nach Krapp (1992b) hängt der Einfluss von situativen Bedingungen vom Entwicklungsniveau des Interesses ab. Bei niedrigem Interesse sind die Anreize einer Umgebung besonders wichtig. Durch äußere Umstände wird bei einer Person eine „interessierte“ Zuwendung gegenüber dem Interessengegenstand ausgelöst. Bei starkem Interesse spricht Krapp (1992b) von „untergeordneter oder völlig irrelevanter“ Bedeutung von situativen Bedingungen (Krapp, 1992b, S. 15f). Die hochinteressierte Person wird versuchen, die vorhandenen Bedingungen entweder zu verändern oder nach einer anderen Umgebung zu suchen, die mit ihren Neigungen übereinstimmt (Krapp, 1992b). Aus einem situationalen Interesse kann nach einem mehrstufigen Prozess ein dauerhaftes individuelles Interesse entstehen (Krapp, 1998). Die Abbildung 9 verdeutlicht in einer vereinfachten Modellvorstellung die Entstehung von situationalem und individuellem Interesse (Krapp, 1998). Das situationale Interesse ist das Ergebnis einer Wechselwirkung von Bedingungsfaktoren wie der Person und der Lernsituation. Unter bestimmten Umständen kann das situationale Interesse in ein dauerhaftes individuelles Interesse übergehen. Dabei sind folgende Transformationsprozesse wichtig: als Erstes ist zu erzielen, dass die Neugier, die in Folge von externen Anregungsfaktoren entstanden ist, in eine dauerhafte Bereitschaft zur Beschäftigung mit dem neuen Gegenstand übergeht. Zweitens ist zu erreichen, dass der interessenthematische Person-Gegenstand-Bezug unabhängig von äußeren Anreizen aufgebaut wird (Krapp, 1998). Bedingungsfaktoren
Aktueller individueller Zustand
Dauerhaftes Entwicklungsresultat
Person Situationales Interesse
Internalisierung
Individuelles Interesse
Lernsituation
Abbildung 9: Rahmenmodell der Interessengenese (Krapp, 1998, S. 191)
Im schulischen Kontext stehen die Lehrkräfte vor der Aufgabe, sowohl situationale als auch individuelle Interessen zu fördern. Situationale Interessen sind zuerst zwar zeitlich begrenzt, dennoch aber auch lernwirksam (Krapp, 1998). In der Pädagogischen Psychologie werden Interessen als eine bedeutsame motivationale Komponente von Lehr-Lernprozessen betrachtet (Krapp, 1998). Interessen sind wichtige Bedingungen des Lernens und durch Interessen kann der Lernerfolg partiell erklärt
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und vorhergesagt werden (vgl. Krapp, 1992b). Für eine längerfristige Vorhersage des Lernerfolgs werden allerdings dispositionale Konstrukte (Interessen als Persönlichkeitsmerkmale) herangezogen, da durch situationales Interesse keine längerfristigen Prognosen getroffen werden können (Krapp, 1992b). Zahlreiche empirische Untersuchungen belegen, dass Interessen positive Effekte auf den Lernerfolg aufweisen. So zeigen Studien zum Zusammenhang zwischen Interesse und Leistung, dass über alle Schularten, Klassenstufen und Schulfächer hinweg die Korrelation durchschnittlich bei r = .30 liegt (Krapp, 1992b, S. 22). Die Stärke des Zusammenhangs wird dabei durch verschiedene Moderatorvariablen bestimmt. Beispielsweise wird der Zusammenhang zwischen Interesse und Leistung durch das Geschlecht beeinflusst: bei Jungen ist der Zusammenhang höher als bei Mädchen. Als Moderatorvariable gilt auch das Alter bzw. die Klassenstufe: in höheren Klassenstufen sind die Korrelationen höher als in niedrigeren Klassenstufen (Krapp, 1992b). Möglicherweise wird den Interessen je nach Altersstufe unterschiedliche Bedeutung beigemessen. Köller, Baumert und Schnabel (2000) argumentieren, dass in niedrigeren Klassenstufen für das Lernen die äußeren Anreize (extrinsische Motivation) eine höhere Bedeutung haben als Interessen selbst, während nach der Pubertät Interessen in den Vordergrund treten. Interessen haben auch einen Einfluss auf die Entwicklung von einer bereichsspezifischen, intrinsischen Motivation, Aufmerksamkeit und auf die Verwendung angemessener Lernstrategien (weiterer Überblick bei Krapp, 1992b). Der zentrale Auftrag der Schule und der schulischen Bildung besteht darin, bei Schülerinnen und Schülern stabile Interessen zu fördern und zu entwickeln (Krapp, 1998). Krapp (1998) weist dabei darauf hin, dass „..durch die Bedingungen des Unterrichts … Interessen nicht nur unterstützt, sondern auch beeinträchtigt werden (können). …Generell ist sowohl mit positiven als auch negativen Effekten umso eher zu rechnen, je jünger die Kinder sind und je exklusiver ein bestimmter Lerngegenstand nur in der Schule angeboten wird“ (Krapp, 1998, S. 197). 5.2 BERUFLICHE INTERESSEN Bergmann und Eder (2005) definieren (berufliche) Interessen „als relativ stabile, kognitiv, emotional und werthaft in der Persönlichkeit verankerte Handlungstendenzen, die sich nach Art, Richtung, Generalisiertheit und Intensität unterscheiden“ (Bergmann & Eder, 2005, S. 12). Die Arten von Interessen geben Informationen darüber, in welcher Form sich Personen mit den Gegenständen ihrer Umwelt auseinandersetzen. Die Richtung führt die inhaltlichen Aspekte der Gegenstandsbereiche auf. Stabilität weist darauf hin, dass die Art und die Richtung der Interessen dauerhaft sind. Unter Generalisiertheit bzw. Spezifizität wird verstanden, dass begrenzte und breite Interessenbereiche existieren können. Die Intensität (Stärke) von Interessen drückt aus a) die Ausdauer und Häufigkeit, mit der die Beschäftigung mit dem Interessengegenstand gesucht wird, b) das Ausmaß des positiven Erlebens im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Interessengegenstand, c) das Ausmaß der für die Erschließung des Interessengegenstandes angewendeten Kompetenzen und
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d) die Stärke der intrinsischen Auseinandersetzung mit dem Interessengegenstand (Bergmann & Eder, 2005). In der Berufspsychologie existieren verschiedene Interessenklassifikationen (im Überblick Bergmann, 2007; Bergmann & Eder, 2005). Die bedeutsamste und am meisten etablierte Klassifikation stammt von Holland (Bergmann & Eder, 2005; vgl. Kapitel 4.1). Die meisten Studien zu beruflichen Interessen stammen aus dem anglo-amerikanischen Raum und im Rahmen dieser wurde vor allem die Vorhersagekraft beruflicher Interessen bei Berufswahlentscheidungen untersucht (Nagy & Husemann, 2010). Im deutschsprachigen Raum wurde die Rolle von beruflichen Interessen in der Sekundarstufe I wenig erforscht. Viele Studien hatten entweder die Oberstufenschüler der allgemein bildenden und beruflichen Gymnasien oder Studierende im Blick (Nagy & Husemann, 2010). In der Literatur lassen sich zahlreiche Erkenntnisse dazu finden, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in den beruflichen Interessen bestehen: Jungen interessieren sich stärker für praktisch-technische und intellektuell-forschende Bereiche, Mädchen dagegen eher für künstlerisch-sprachliche und soziale Bereiche (Eder, 2012; Nagy, 2005; Weßnigk, 2013). Insgesamt gelten berufliche Interessen als sehr stabil (Holland, 1997). Eder (1992) zitiert Studien, die zeigen, dass es während des Jugendalters zu keinen Veränderungen in der Interessenstruktur kommt. Interessanterweise weist der Autor in seinem Artikel darauf hin, dass die angenommene Stabiliät des Konstruktes auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass verbreitete deutschsprachige Interessentests keine Altersnormierung aufweisen (Eder, 1992). Die Studie von Tracey und Robbins (2005) ermittelte auch, dass berufliche Interessen zwischen dem 8. und dem 12. Schuljahr relativ stabil waren und in ihrem Niveau nur kleine Veränderungen bemerkbar waren. In der Studie von Sumfleth und Henke (2011) zeigte sich, dass bei der Frage nach dem angestrebten Studienfach/Berufsziel bei den Schülern der 11. Jahrgangsstufe die meisten Probanden nach einem Jahr das gleiche Berufsziel angaben wie zuvor. Bergmann und Eder (2000) zitieren in ihrem Artikel ebenfalls Studien, die zeigen, dass berufliche Interessen ab dem 15-16. Lebensjahr stabil bleiben. Gleichzeitig weisen sie auf die Studie von Schmidt (1984) hin, in welcher signifikante Veränderungen bei Oberschülern in beruflichen Interessen festgestellt wurden (Schmidt 1984, zitiert nach Bergmann & Eder, 2000; siehe dazu auch Eder 1992). Auch die Autoren selbst ermittelten in ihrer Studie, dass die Interessenentwicklung während der Schulzeit nicht abgeschlossen ist. So wurde bei Mädchen von der 9. bis zur 13. Klassenstufe eine Verstärkung der geschlechtsspezifischen Interessen festgestellt, bei Jungen dagegen häufig eine Steigerung in gegengeschlechtlichen Interessen (künstlerisch-sprachlicher und sozialer Bereich) und eine Abnahme bei geschlechtsspezifischen Interessen (praktisch-technischer und intellektuell-forschender Bereich) (Bergmann & Eder, 2000). In ihren Analysen stellten Nagy und Husemann (2010) fest, dass Schülerinnen und Schüler ihre beruflichen Interessenprofile bereits vor dem Übergang in die gymnasiale Oberstufe herausbilden. Vom 10. bis zum 13. Schuljahr wurde ein abnehmender Trend des Interessenniveaus beobachtet, die Profildifferenzierung der Interessen blieb dabei allerdings gleich. In
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diesem Zusammenhang stellen die Autoren die Frage, ob diese Ergebnisse nur auf den Bereich beruflicher Interessen zutreffen, oder auch auf den Bereich der Fachinteressen übertragbar sind (Nagy & Husemann, 2010). Die Befundlage zeigt somit, dass die beruflichen Interessen in der Sekundarstufe II größtenteils stabil sind, dennoch ist eine berufliche Interessenentwicklung auch hier möglich. Nach Holland können die Veränderungen in den Interessen dann entstehen, wenn die Auseinandersetzung mit Tätigkeiten bei der Person zu der Einschätzung führt, dass die eigene Person und die Tätigkeit miteinander übereinstimmen. Allerdings sollte dabei bedacht werden, dass im Laufe der Zeit die Effekte von Lernerfahrungen kumuliert werden, so dass mit steigendem Alter die Interessenveränderungen immer weniger wahrscheinlich sind (Holland, 1985, zitiert nach Eder, 1992). Insgesamt ermittelte Walsh (1999) in seinen Analysen von Studien aus über 70 Jahren angloamerikanischer Berufsinteressenforschung, dass a) Personen Berufe auswählen, die mit ihren Interessen übereinstimmen, b) Interessenverfahren sich als gute Instrumente erweisen, um die Berufswahl zu prognostizieren und c) Personen in Berufen, die ihren Interessen entsprechen, auch zufriedener sind (Walsh, 1999, zit. nach Bergmann, 2007). Die Studien im deutschsprachigen Raum bestätigen diese Ergebnisse größtenteils und unterstreichen die handlungsleitende Funktion beruflicher Interessen (Bergmann, 2007, im Überblick S. 419f). So belegte Nagy (2005) in seiner Arbeit die hohe prädiktive Kraft von beruflichen Interessen auf die Studienfachwahlen und die wichtige Rolle der Interessenkongruenz für die verschiedenen Aspekte des Studienerfolgs. Nagy und Husemann (2010) zeigten, dass die Profilorientierung auch mit der Richtung der gymnasialen Oberstufe korrespondiert. Besonders starke Zusammenhänge wurden bei technischen und sozialpädagogischen Gymnasien sichtbar. Auch Bergmann (1992) ermittelte, dass Interessen einen Einfluss auf die Entwicklung von Berufs- und Studienwünschen haben und die Entscheidung für einen Beruf prognostizieren können. Am höchsten war die Kongruenz von Interessen und der realisierten Berufswahl beim „intellektuell-forschendem Typ“ (vorwiegend Studenten naturwissenschaftlicher und technischer Fächer). Auch im konventionellen und praktisch-technischen Bereich befand sich die Hälfte der Befragten in einer kongruenten Umgebung. Zudem erwiesen sich schulisch-berufliche Interessen als gute Prädiktoren für die Zufriedenheit und das Verhalten im Studium: Personen mit einer hohen interessengeleiteten Studienwahl waren mit der Wahl des Studiums und mit dem Studium an sich zufriedener, wiesen in geringem Maße Identifikationsprobleme mit dem Beruf auf und waren weniger zu einem Studienwechsel oder Studienabbruch geneigt. Allerdings zeigten sich hier fachspezifische Unterschiede: Während im sozialen Bereich (Sozialwissenschaften, Pädagogik) keine signifikanten Zusammenhänge zwischen der Studienwahl und den Kriterien der Studienbewältigung (wie Studienzufriedenheit, Studienwahlzufiedenheit, Belastung aufgrund beruflicher Identitätsprobleme, subjektiv wahrgenommener Studienerfolg sowie Studienwechsel- und Abbruchsneigung) bestanden, zeigten sich für den intellektuell-forschenden -Bereich (Naturwissenschaften, Technik, Medizin) ausschließlich signifikante Korrelationen (Bergmann, 1992). Interessant war weiterhin
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der Befund, dass auf der Gesamtstichprobenebene keine signifikante Korrelation zwischen der Kongruenz der Studienwahl und dem (subjektiven) Studienerfolg nachgewiesen wurde. Die Analysen nach einzelnen Bereichen ergaben aber eine signifikante Korrelation für den intellektuell-forschenden Bereich (Bergmann, 1992). Von Interesse sind die Ergebnisse der LifE-Studie, in der überprüft wurde, inwiefern die Berufswünsche der Jugendlichen auch realisiert werden. Die Befunde zeigen, dass für viele Personen Berufswünsche bei der Berufswahl eine handlungsleitende Funktion haben. So arbeiteten 25 Prozent der befragten Personen im Alter von 35 Jahren genau in demjenigen Berufsfeld, das sie mit 15 Jahren angegeben haben; 50 Prozent realisierten zwei der drei Interessendimensionen (in Anlehnung an die Dimensionen von Holland, 1997) ihres Berufswunsches. Dabei variierten auch hier die Verwirklichungschancen je nach Berufsfeld: über 60 Prozent der Befragten realisierten ihre Wünsche in den Bereichen R und C, in den Bereichen S und E waren es sogar ca. 78 Prozent. Die Realisierungsquote in den Bereichen I und A lag dagegen bei ca. 46 bzw. ca. 34 Prozent (Stuhlmann, 2009). D.h. in den Bereichen I und A verwirklichen weniger als 50 Prozent der Jugendlichen ihre Berufswünsche. Somit zeigt sich auch in dieser Studie, dass zum einen Berufswünsche der 15-Jährigen größtenteils realisiert werden, zum anderen die Realisierungsquote je nach Berufsfeld variiert. Im Unterschied zu den Befunden von Bergmann (1992) war die Realisierungsquote im Bereich I deutlich geringer, als in anderen Bereichen. Somit bestätigen viele Studien, dass berufliche Interessen wichtige Prädiktoren bei Studienfachwahlen und dem Studienerfolg sind, die Vorhersageleistung kann aber je nach Fach unterschiedlich ausfallen. 5.3 FÄHIGKEITSSELBSTKONZEPT Mit dem Begriff Selbstkonzept wird in der pädagogisch-psychologischen Forschung das mentale Wissen einer Person über ihre eigene Fähigkeiten und Eigenschaften bezeichnet (Dickhäuser & Moschner, 2006). Dieses Wissen kann Selbstbeschreibungen in Bezug auf die gesamte Person (z.B. „Ich bin mit mir zufrieden“) oder in Bezug auf bestimmte Facetten der Person (z.B. „Ich bin in Mathematik gut“) umfassen. Im letzten Fall wird von einem bereichsspezifischen Selbstkonzept gesprochen (Möller & Trautwein, 2009). Die sozialen Erfahrungen einer Person gelten als zentral für das Erschließen von selbstbezogenem Wissen. Durch direkte oder indirekte Rückmeldungen aus sozialen Bezugsgruppen oder durch Betrachtungen des eigenen Handels werden Vorstellungen über die Eigenschaften der eigenen Person erzeugt (Dickhäuser & Moschner, 2006). In der Selbstkonzeptforschung bestehen Unterschiede in der Meinung, ob Selbstkonzepte nur kognitive Repräsentationen eigener Fähigkeiten umfassen oder auch evaluative Komponenten mit einschließen (Möller & Trautwein, 2009). So vertreten Möller und Trautwein (2009) die Meinung, dass schulbezogene Selbst-
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konzepte sowohl kognitive als auch evaluative Komponenten umfassen. Stiensmeier-Pelster und Schöne (2008) ordnen dagegen die affektiv-evaluative Komponente dem Selbstwert zu. Auch die Begriffe „Fähigkeitsselbstkonzept“ und „Selbstkonzept der Begabung“ sind in diesem Kontext weit verbreitet. Während sich der Begriff „Fähigkeitsselbstkonzept“ stärker auf die wahrgenommenen Leistungen bezieht, schließt der Begriff „Selbstkonzept der Begabung“ auch potentielle Leistungen ein. Beide Bezeichnungen haben jedoch viele Gemeinsamkeiten und werden häufig gleichbedeutend verwendet (Möller & Trautwein, 2009). Das schulische Fähigkeitsselbstkonzept umfasst demzufolge die Gesamtheit der Kognitionen über die eigenen Fähigkeiten in schulischen Leistungssituationen (Schöne et al., 2003). Die Förderung eines positiven Selbstkonzeptes ist ein wichtiges Erziehungsziel, da ein positives Selbstkonzept einen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden einer Person hat. Zudem stellt sich ein positives Selbstkonzept als eine wichtige Determinante für die erzielten Leistungen dar (Möller & Trautwein, 2009). Die Annahme, dass Selbstkonzepte einer Person nicht als globale Konstrukte, sondern je nach spezifischem Teilbereich differenziert werden, wird in der Selbstkonzeptforschung übereinstimmend geteilt (Dickhäuser & Moschner, 2006). Umstritten ist allerdings die Meinung, wie die Struktur der Selbstkonzept-Bereiche aufgebaut ist (im Überblick Dickhäuser & Moschner, 2006). Shavelson, Hubner und Stanton (1976) haben ein Modell entwickelt, in dem sie das Selbstkonzept hierarchisch modellierten. Ganz oben im Modell steht das generelle Selbstkonzept. Dieses wird in ein akademisches und in nicht-akademische Selbstkonzepte (soziales, emotionales und körperliches Selbstkonzept) untergliedert. Das akademische Selbstkonzept besteht aus fachspezifischen Bereichen wie Englisch, Geschichte, Mathematik etc. (Shavelson et al., 1976). Forschungsarbeiten zeigten allerdings, dass das verbale Selbstkonzept und das mathematische Selbstkonzept kaum bzw. keine Zusammenhänge aufweisen (Möller & Trautwein, 2009). Demzufolge wurden auf der Ebene schulischer Selbstkonzepte zusätzlich das verbale und das mathematische Selbstkonzept eingeführt (Marsh, Byrne & Shavelson, 1988, zitiert nach Möller & Trautwein, 2009). In der folgenden Abbildung ist die hierarchische Struktur des schulischen Fähigkeitsselbstkonzeptes dargestellt.
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Abbildung 10: Hierarchische Struktur des Fähigkeitsselbstkonzepts (FSK) (Stiensmeier-Pelster & Schöne, 2008, S. 63)
Insgesamt gelten Selbstkonzepte als stabile Konstrukte. Viele empirische Untersuchungen belegen die starke interindividuelle Stabilität des Selbstkonzeptes und dessen zunehmende Stabilisierung mit dem höheren Alter (im Überblick Möller & Trautwein, 2009). Dickhäuser und Moschner (2006) weisen aber darauf hin, dass die Stärke der Stabilität von der Globalität des Selbstkonzepts abhängt. „Allgemein wird angenommen, dass stark globalisierte Selbstkonzept-Bereiche sowie Selbstkonzept-Facetten mit hoher subjektiver Bedeutsamkeit und großer Zentralität stabiler als bereichsspezifische Facetten des Selbstkonzeptes sind“ (Dickhäuser & Moschner, 2006, S. 686). Die Ausprägung des fachbezogenen Selbstkonzeptes hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Es sind Abweichungen zwischen objektiver Leistung und subjektiver Selbsteinschätzung erkennbar. Bei einem Schüler, der im bestimmten Fach gute Noten hat, kann die Selbsteinschätzung in diesem Fach trotzdem gering ausfallen (Möller & Trautwein, 2009). Die Gründe für diese Abweichungen liegen in den unterschiedlichen Informationen, die selbstbezogene Einschätzungen beeinflussen (Möller & Trautwein, 2009). Nach Marsh (1986) entwickelt sich das Fähigkeitsselbstkonzept auf Grund von externen und internen Vergleichsprozessen. Externe Vergleichsprozesse entstehen infolge des Vergleichs der eigenen Fähigkeiten mit den Fähigkeiten der relevanten Bezugsgruppe (soziale Vergleiche), interne Vergleichsprozesse beziehen sich dagegen auf den Vergleich von eigenen Fähigkeiten in einem Bereich mit den eigenen Fähigkeiten in einem anderen Bereich (dimensionale Vergleiche). Zudem finden auch temporale Vergleiche (Vergleiche der eigenen bereichsspezifischen Leistungen im Längsschnitt) und kriteriale Vergleiche (Vergleiche der eigenen Leistungen mit Anforderungen, die als „ein Kriterium“ gelten) statt (Möller & Trautwein, 2009). Des Weiteren können verschiedene Ursachenerklärungen für die eigenen
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Leistungen einen Einfluss auf die Ausprägung des Fähigkeitsselbstkonzeptes haben. Je nach Attributionsstil können erbrachte Leistungen von Personen unterschiedlich erklärt werden. So kann beispielsweise ein Schüler eine gute Note in einer Mathematikarbeit auf den glücklichen Zufall zurückführen oder darauf, dass er in Mathematik begabt ist. Die Erklärung der guten Note mit Glück würde keinen Einfluss auf das Fähigkeitsselbstkonzept haben, die mit Begabung dagegen einen positiven Einfluss (Stiensmeier-Pelster & Schöne, 2008). Im Folgenden werden zwei Modelle erläutert, die die Genese von Fähigkeitsselbstkonzepten auf Basis von externen und internen Vergleichsprozessen beschreiben. Big-Fish-Little-Pond Effekt Beim Big-Fish-Little-Pond Effekt (BFLPE) stehen soziale Vergleichsprozesse im Vordergrund: je nachdem, welche Bezugsgruppe vorhanden ist, kann eine Person mit gleicher Leistungsstärke ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Fähigkeitsselbstkonzept haben. Befindet sich eine Person in einer leistungsschwachen Klasse, wird ihr Fähigkeitsselbstkonzept stärker ausgeprägt sein, als wenn sie sich in einer leistungsstärkeren Klasse befinden würde (Möller & Trautwein, 2009). Der BFLPEffekt konnte in zahlreichen Studien bestätigt werden (Marsh, Trautwein, Lüdtke, Baumert & Köller, 2007; Marsh et al., 2007; im Überblick Marsh et al., 2007; Trautwein & Lüdtke, 2010). Köller et al. (2006) zeigten, dass gemäß dem BFLPE Schülerinnen und Schüler aus besonders leistungsstarken Schulen bei der Berücksichtigung der individuellen Leistung ein niedrigeres Selbstkonzept in Mathematik zeigten. Darüber hinaus hatten sie ein geringeres Interesse an Mathematik und haben sich seltener für einen Leistungskurs in Mathematik entschieden. Folglich können Bezugsgruppeneffekte nicht nur für das Selbstkonzept und das Interesse, sondern auch für die Wahl eines Leistungskurses Konsequenzen haben. In der Studie von Köller (2004) zeigten sich ebenfalls Auswirkungen des Bezugsgruppeneffekts auf die Kurswahl: bei gleichem individuellen Leistungsstand in Mathematik ergab sich in leistungsstarken Schulen eine geringere Wahrscheinlichkeit das Fach als Leistungskurs zu wählen als in leistungsschwächeren Schulen. Allerdings zeigten das Selbstkonzept und das Interesse dabei einen bedeutsamen Mediatoreneffekt: wurden diese Variablen in das Modell aufgenommen, verschwand der direkte Effekt des aggregierten Leistungsniveaus auf die Leistungskurswahl (Köller, 2004, zit. nach Trautwein & Lüdtke, 2010). Ferner ermittelten Goetz et al. (2004) für das Fach Mathematik, dass das hohe Leistungsniveau der Klasse einen negativen Einfluss auf die individuelle Freude der Schülerinnen und Schüler hatte und eine steigernde Wirkung auf die individuelle Angst. Die Studie von Südkamp und Möller (2009) belegte Referenzgruppeneffekte auch bei Lehrerurteilen in Bezug auf die Leistungseinschätzungen: Schülerinnen und Schüler mit gleichen Leistungen haben in einer schwächeren Klasse eine bessere Note bekommen, als Schülerinnen und Schüler aus einer stärkeren Klasse.
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Internal/External-Frame-of-Reference-Modell (I/E-Modell) Beim Internal/External-Frame-of-Reference-Modell von Marsh (1986) spielen neben den sozialen auch dimensionale Vergleichsprozesse eine Rolle. Eine Person vergleicht ihre Leistungen in einem Fach mit den Leistungen der Mitschüler (externaler Bezugsrahmen). Sind ihre Leistungen besser als die Leistungen der Mitschüler, entwickelt diese Person ein hohes Fähigkeitsselbstkonzept in dem Fach. Sind ihre Leistungen dagegen schwächer als die Leistungen der Mitschüler, entwickelt sie ein niedrigeres Selbstkonzept. Gleichzeitig vergleicht eine Person ihre Leistungen in einer Domäne mit ihren Leistungen in einer anderen Domäne (intraindividuelle bzw. dimensionale Vergleiche). Beispielsweise entwickelt ein Schüler mit schwächeren Leistungen in der mathematischen Domäne ein stärkeres Selbstkonzept in der verbalen Domäne, während ein Schüler mit starken Leistungen in der mathematischen Domäne ein schwächeres Selbstkonzept in der verbalen Domäne ausbilden würde (Möller & Trautwein, 2009). Zur Überprüfung des I/E-Modells wurden ebenfalls zahlreiche Studien durchgeführt, die die Gültigkeit des Modells bestätigt haben (im Überblick Möller & Köller, 2004). Von Bedeutung ist, dass dimensionale Vergleiche Kontrasteffekte hervorrufen: So neigen Personen dazu, ihre Fähigkeiten in leistungsstarken Domänen zu überschätzen und die Fähigkeiten in schwächeren Domänen zu unterschätzen. Dies kann sich insbesondere für begabte Schülerinnen und Schüler als Nachteil darstellen, da sie sich möglicherweise zu früh auf einen Bereich begrenzen, weil sie sich in anderen Bereichen trotz guter Leistungen als zu schwach einschätzen (Möller & Trautwein, 2009). Problematisch können sich Kontrasteffekte auch bei Mädchen für die Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzepts in den Naturwissenschaften erweisen: So haben sie in geisteswissenschaftlichen Fächern oft bessere Noten als in den Naturwissenschaften, was dazu führen kann, dass sie ihre Fähigkeiten in den Naturwissenschaften somit deutlich unterschätzen. Empirische Befunde zeigen, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Leistung und Selbstkonzept existiert. Es bestehen jedoch unterschiedliche Meinungen über die Richtung des Zusammenhangs zwischen Selbstkonzept und Leistung. Das skill-development-Konzept betrachtet schulische Leistungen als Prädiktoren für die Entwicklung des Selbstkonzeptes. Die Leistungen sind somit in diesem Ansatz ursächlich für Selbstkonzepte. Beim self-enhancement-Modell wird dagegen davon ausgegangen, dass das Selbstkonzept einen Einfluss auf die schulischen Leistungen hat (Dickhäuser & Moschner, 2006; Möller & Trautwein, 2009). Neuere Untersuchungen zeigen, dass Selbstkonzept und Leistung in einer reziproken Beziehung zueinander stehen und sich somit gegenseitig beeinflussen (Dickhäuser & Moschner, 2006; Marsh, 2003). Helmke (1992) belegte in seiner Arbeit ebenfalls sowohl für die 5., als auch für die 6. Klassenstufe den Reziprozitätscharakter des Zusammenhangs von Selbstkonzept und Leistung. Allerdings wurde von der 5. bis zur 6 Klassenstufe eine Verschiebung der Einflussstärke beobachtet, da das Selbstkonzept als Prädiktor für Leistung an Gewicht verloren hat, während die Bedeutung der Leistung als Determinante des Selbstkonzeptes angestiegen ist.
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Wie bereits erörtert, beeinflussen Fähigkeitsselbstkonzepte auch die spätere Studien- und Berufswahl. Je nach der Ausprägung des Fähigkeitsselbstkonzepts, entscheidet sich eine Person für einen anspruchsvollen oder weniger anspruchsvollen Beruf. Somit spielen hierbei nicht nur schulische Leistungen und Interessen, sondern auch fähigkeitsbezogene Selbsteinschätzungen eine Rolle bei der Entscheidung für eine Berufslaufbahn (Filipp, 2006).
6 STUDIE I: FACHSPEZIFISCHE FÄHIGKEITSSELBSTKONZEPTE SOWIE FACHSPEZIFISCHE UND BERUFLICHE INTERESSEN IN DER SEKUNDARSTUFE I In der Studie I werden Unterschiede in den Ausprägungen von fachspezifischen und beruflichen Interessen, fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten sowie Bildungs- und Berufsvorhaben bei den Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 7 bis 10 aus Gymnasien Baden-Württembergs untersucht. 6.1 FORSCHUNGSFRAGEN UND HYPOTHESEN Hypothesenfamilie H1: Unterschiede fachspezifischer Interessen in Abhängigkeit von Geschlecht und Klassenstufe Der oben beschriebene Forschungsstand dokumentiert, dass das Interesse der Jugendlichen an den Naturwissenschaften gering ist und dass besonders Mädchen wenig Interesse an Physik und Chemie aufweisen. Zahlreiche empirische Studien, die die Entwicklung des Fachinteresses an den naturwissenschaftlichen Fächern untersucht haben, zeigen, dass das Fachinteresse der Schülerinnen und Schüler an Naturwissenschaften im Laufe der Schulzeit sinkt (Daniels, 2008; Hoffmann et al., 1998; Osborne et al., 2003). Obwohl sich die Einstellungen der Jugendlichen in der Pubertät auch gegenüber anderen Fächern verschlechtern (Daniels, 2008; Osborne et al., 2003), ist der Interessenrückgang in den naturwissenschaftlichen Fächern deutlich stärker als z.B. in den sprachlichen Fächern (Daniels, 2008). Weiterhin finden sich in den Forschungsarbeiten Hinweise darauf, dass der größte Interessenabfall nach dem Beginn des Fachunterrichts geschieht und dass bei Mädchen der Interessenrückgang stärker ist als bei Jungen (Daniels, 2008; Hoffmann et al., 1998; Löwe, 1992). In der vorliegenden Studie sollen auf der Basis von Querschnittsdaten fachspezifische Interessenunterschiede zwischen den Jahrgangsstufen 7 bis 10 in den Fächern Physik und Chemie untersucht werden. In Übereinstimmung mit den Forschungsergebnissen wird angenommen, dass das Fachinteresse an Physik und Chemie bei den Schülerinnen und Schülern der höheren Klassenstufen geringer ausgeprägt ist als bei den Schülerinnen und Schülern der niedrigeren Klassenstufen. Darüber hinaus sind geschlechtsspezifische Unterschiede zu erwarten. Die zu überprüfenden Hypothesen lauten:
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Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
H1.1: Das Fachinteresse der Schüler an Physik und Chemie fällt signifikant höher aus als das Fachinteresse der Schülerinnen. H1.2: Das Fachinteresse an Physik und Chemie ist in den höheren Klassenstufen geringer ausgeprägt als in den niedrigeren Klassenstufen. H1.3: Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind in den höheren Klassenstufen größer als in den niedrigeren Klassenstufen. Hypothesenfamilie H2: Unterschiede fachspezifischer Fähigkeitsselbstkonzepte in Abhängigkeit von Geschlecht und Klassenstufe Breit abgesichert ist die Befundlage, wonach deutliche signifikante Geschlechterdifferenzen im fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzept in den Naturwissenschaften bestehen und Mädchen sich in den Naturwissenschaften im Allgemeinen weniger zutrauen als Jungen (Daniels, 2008; Kessels, 2005; Kessels & Hannover, 2004a; Pawek, 2009; Roeder & Gruehn, 1997). Widersprüchlich ist die Befundlage dazu, wie sich diese Geschlechterdifferenzen im Laufe der Schulzeit entwickeln. Die Ergebnisse der IPN Studie zeigten beispielweise, dass im Fach Physik bereits in der 7. Klassenstufe eine signifikante geschlechtsspezifische Differenz zugunsten von Jungen bestand und dass diese von der 7. bis zu 10. Klassenstufe „in der Tendenz“ zunahm (Hoffmann et al., 1998, S. 65). Hoffmann (2002) berichtet dagegen, dass das Fähigkeitsselbstkonzept der Mädchen in Physik von der 7. bis zu 10. Klassenstufe deutlich abnahm, während das Fähigkeitsselbstkonzept der Jungen zunahm. Die Studie von Daniels (2008) belegte ebenfalls einen Rückgang des fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepts im Laufe der 7. Jahrgangsstufe für die Fächer Mathematik, Biologie und Physik. Dabei zeigten Jungen bereits zu Beginn der 7. Jahrgangsstufe ein signifikant höheres Fähigkeitsselbstkonzept in den Fächern Physik und Mathematik, in Biologie gab es dagegen keine signifikanten Geschlechterunterschiede. Überraschend war der Befund, dass der Abfall der Fähigkeitsselbstkonzepte in Mathematik und Physik bei den Jungen signifikant stärker war als bei den Mädchen. Im Fach Biologie gab es dagegen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Allerdings begrenzten sich die Analysen von Daniels (2008) lediglich auf die 7. Jahrgangsstufe. Offen bleibt an dieser Stelle, wie sich fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzepte im Fach Chemie im Laufe der Schulzeit entwickeln. Im Folgenden soll überprüft werden, wie fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzepte in Physik und Chemie bei den Schülerinnen und Schülern der einzelnen Klassenstufen ausgeprägt sind. Da fachspezifische Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte miteinander korrespondieren (Möller & Trautwein, 2009), wird angenommen, dass fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzepte in Physik und Chemie ebenfalls wie das Fachinteresse an diesen Fächern mit der Schulzeit negative Entwicklungstendenzen zeigen. Weiterhin wird erwartet, dass sich dabei, wie auch beim Fachinteresse, geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen, die in den höheren Klassenstufen größer werden. Es sollen demnach folgende Hypothesen überprüft werden:
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
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H2.1: Schülerinnen weisen in den Fächern Physik und Chemie signifikant schwächere Fähigkeitsselbstkonzepte als Jungen auf. H2.2: Das fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzept in Physik und Chemie fällt in den höheren Klassenstufen signifikant schwächer aus als in den niedrigeren Klassenstufen. H2.3: Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind in den höheren Klassenstufen größer als in den niedrigeren Klassenstufen. Da das Fähigkeitsselbstkonzept ein mehrdimensionales Konstrukt ist, welchem unterschiedliche Vergleichsprozesse zugrunde liegen (vgl. Kapitel 5.3), stellt sich die Frage, ob die aufgestellten Hypothesen auf unterschiedliche Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes in gleicher Art und Weise zutreffen. Demzufolge werden die oben genannten Hypothesen auf die Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes „absolut“ und „sozial“ überprüft.9 Hypothese H3: Unterschiede beruflicher Interessen in Abhängigkeit vom Geschlecht Wie im Kapitel 5.2 erläutert wurde, stammen die meisten Studien zu beruflichen Interessen aus dem anglo-amerikanischen Raum und es wurde vor allem die Vorhersagekraft beruflicher Interessen bei Berufswahlentscheidungen untersucht (im Überblick Nagy & Husemann, 2010). Im deutschsprachigen Raum wurde die Rolle von beruflichen Interessen in der Sekundarstufe I wenig erforscht (Nagy & Husemann, 2010). Forschungsergebnisse zeigen, dass sich geschlechtsspezifische Unterschiede in den beruflichen Interessen offenbaren: Jungen interessieren sich stärker für praktisch-technische (R), intellektuell-forschende (I) und konventionelle (C) Bereiche, Mädchen dagegen für künstlerisch-sprachliche (A) und soziale (S) Bereiche (Eder, 2012; Nagy, 2005). Uneinheitlich ist die Befundlage bezüglich der Geschlechterunterschiede im unternehmerischen (E) Bereich. So ermittelte Nagy (2005) im unternehmerischen Bereich keine Geschlechterunterunterschiede, Eder (2012) dagegen ein höheres Interesse bei Frauen. Auch für diese Arbeit werden für den unternehmerischen Bereich geschlechtsspezifische Unterschiede zugunsten von Frauen angenommen. Folgende Hypothese soll überprüft werden: H3:
Es zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in den beruflichen Interesse: in den Bereichen R, I und C zeigen Jungen ein höheres Interesse, Mädchen dagegen interessieren sich stärker für die Bereiche S, A und E.
Berufliche Interessen gelten als relativ stabil (Holland, 1997). Die Studie von Tracey und Robbins (2005) zeigte beispielsweise, dass berufliche Interessen zwischen dem 8. und 12. Schuljahr in ihrem Niveau nur kleinen Veränderungen unter-
9
Zur Erläuterung dieser Dimensionen siehe Kapitel 6.2.2.
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Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
liegen. Auch andere Studien belegen, dass berufliche Interessen ab dem 15.-16. Lebensjahr stabil bleiben (im Überblick Bergmann & Eder, 2000). Bergmann und Eder (2000) ermittelten in ihrer Studie hingegen, dass die Interessenentwicklung während der Schulzeit noch nicht abgeschlossen ist (Bergmann & Eder, 2000). Somit zeigen die Ergebnisse, dass die beruflichen Interessen in der Sekundarstufe II zwar größtenteils stabil sind, dennoch kann es auch hier zur Interessenentwicklung kommen. Im Folgenden soll untersucht werden, ob und wie sich berufliche Interessen in der Sekundarstufe I verändern. Daher wird folgenden Forschungsfragen nachgegangen: Forschungsfrage 1: Bestehen Unterschiede zwischen den einzelnen Klassenstufen in den Ausprägungen der beruflichen Interessen der Schülerinnen und Schüler? Es wird angenommen, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Klassenstufen je nach Bereich unterschiedlich ausfallen. Forschungsfrage 2: Bleiben die geschlechtsspezifischen Unterschiede über verschiedene Klassenstufen konstant oder verändern sie sich? Es wird angenommen, dass geschlechtsspezifische Unterschiede je nach Bereich entweder größer oder kleiner werden. Hypothesenfamilie H4: Unterschiede in Bildungs- und Berufsvorhaben in Abhängigkeit von Geschlecht und Klassenstufe Wie im Kapitel 2.5 erörtert wurde, wählen nur wenige Jugendliche naturwissenschaftliche Fächer als Leistungskurs in der gymnasialen Oberstufe. Besonders Mädchen sind in diesen Fächern unterrepräsentiert. Ergebnisse von PISA 2006 zeigen, dass auch naturwissenschaftsbezogene Berufserwartungen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern in Deutschland gering sind (Schütte et al., 2007). Da die Leistungskurs- und Berufswahl von Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepten determiniert werden (vgl. Kapiteln 4.2 und 4.3), wird angenommen, dass auch Bildungs- und Berufsvorhaben der Schülerinnen und Schüler in den naturwissenschaftlich-technischen Bereichen im Laufe der Schulzeit sinken. Vor diesem Hintergrund werden folgende Hypothesen überprüft: H4.1: Schülerinnen weisen in den naturwissenschaftlich-technischen Bereichen niedrigere Bildungsaspirationen auf und äußern seltener einschlägige Berufsvorhaben. H4.2: Die Bildungs- und Berufsvorhaben zugunsten der naturwissenschaftlichtechnischen Bereiche fällen in den höheren Klassenstufen signifikant schwächer aus als in den niedrigeren Klassenstufen. H4.3: Die geschlechtsspezifischen Unterschiede der Bildungs- und Berufsvorhaben sind in den höheren Klassenstufen größer als in den niedrigeren Klassenstufen.
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
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6.2 METHODE Die empirischen Daten der Studie I stammen aus der Befragung, die im Rahmen des Förderprogramms „Schülerinnen forschen – Einblicke in Naturwissenschaften und Technik“10 durchgeführt wurde. Das Förderprogramm wurde in Baden-Württemberg ins Leben gerufen mit dem Ziel, die Schülerinnen für die Naturwissenschaften und Technik zu begeistern und ihr Interesse für Berufe in diesem Bereich zu wecken. Das gesamte Förderprogramm lief über drei Jahre. Anfangs wurde das Programm vorwiegend nur für die Schülerinnen angeboten, kurz darauf wurde das Programm auch für ganze Schulklassen eröffnet. Innerhalb der dreijährigen Projektlaufzeit wurden zahlreiche Laborangebote mit unterschiedliche Dauer angeboten und viele Schulklassen aus Baden-Württemberg konnten an dem Programm teilnehmen (Nickolaus, Mokhonko & Windaus, 2012). Für die Analyse der Effekte des Förderprogramms erfolgte die Datenerhebung in einem Längsschnitt in einem Experimental-Kontrollgruppendesign. In der Studie I werden jedoch nur die Daten betrachtet, die sowohl bei der Experimental-, als auch bei der Kontrollgruppe zum ersten Messzeitpunkt erhoben wurden. Die Studie I ist daher als Pseudo-Längsschnittstudie konzipiert. Die Daten stammen aus Schulklassen der Klassenstufen 7 bis 10 der Gymnasien aus Baden-Württemberg.11 6.2.1 Stichprobe Insgesamt liegen Daten von 2016 Schülerinnen und Schülern vor. In der folgenden Tabelle 4 sind die Anzahl und der prozentuale Anteil der befragten Schülerinnen und Schüler nach dem Geschlecht und der Klassenstufe aufgeführt. Der Anteil von Mädchen ist leicht überrepräsentiert. Die Zusammensetzung der Stichprobe unterscheidet sich allerdings stark nach der Klassenstufe12. So bilden die Schülerinnen 10 Die genaue Beschreibung des Förderprogramms erfolgt in der Studie II. Im Weiteren wird die Abkürzung „Schülerinnen forschen“ verwendet. 11 An dem Förderprogramm haben ebenfalls Klassen aus Realschulen teilgenommen. Die Schülerinnen und Schüler aus Realschulen werden in der Studie I jedoch nicht berücksichtigt, da in Baden-Württemberg an Realschulen anstelle der Fächer Physik und Chemie der interdisziplinäre Fächerverbund „Naturwissenschaftliches Arbeiten“ (NWA) angeboten wird. Dabei wird der Fächerverbund NWA in den Klassenstufen 5 bis 7 themenorientiert unterrichtet. In den Klassenstufen 8 und 9 wird entweder in Themeneinheiten oder systematisch gelehrt. Die Module des Fächerverbundes (Biologie, Chemie und Physik) können dabei nacheinander, nebeneinander oder integrativ bearbeitet werden. In der Klassenstufe 10 wird der Fächerverbund in einer Projektform realisiert (Bildungsplan Realschule, 2004). Auf Grund der interdisziplinären und teilweise freien Umsetzung des naturwissenschaftlichen Unterrichts ist sowohl der Vergleich mit den Schülerinnen und Schülern aus Gymnasien als auch der Vergleich zwischen den einzelnen Klassenstufen der Realschulen problematisch bzw. erschwert. 12 Im Rahmen des Förderprogramms wurde nicht die Klassenstufe, sondern das Alter der Schülerinnen und Schüler erfasst. In der Studie I liegt der Fokus der Untersuchung auf den Unterschieden je nach Klassenstufe. Solche Analysen ermöglichen nach der Auffassung der Autorin eine stärkere Aussagekraft der Befunde und differenziertere Interpretationsmöglichkeiten als
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Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
und Schüler der 8. Klassenstufe fast 41 Prozent der gesamten Stichprobe. Die zweitgrößte Gruppe stellen die Schülerinnen und Schüler aus der 10. Klassenstufe (ca. 27 Prozent) dar. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler aus den 7. und 9. Klassenstufen ist gleich groß. N 2016
w 1074 (53,3%)
m 942 (46,7%)
7. Klasse 325 (16,1%)
8. Klasse 819 (40,6%)
9. Klasse 336 (16,7%)
10. Klasse 536 (26,6%)
Tabelle 4: Stichprobenzusammensetzung der Studie I
Zu beachten ist, dass in der abgebildeten Stichprobe alle Personen berücksichtigt sind, die Angaben zu mindestens einem untersuchten Konstrukt gemacht haben. Aus diesem Grund kann in den nachstehenden Analysen die Zahl der Probanden je nach Konstrukt leicht variieren. Da das Fach Chemie an Gymnasien erst ab der 8. Klasse unterrichtet wird, wird in den Analysen zum Fach Chemie die 7. Klassenstufe ausgeschlossen. 6.2.2 Erhebungsinstrumente Die im Rahmen dieser Arbeit genutzten Operationalisierungen der Konstrukte stammen aus dem Projekt „Schülerinnen forschen“. Dort vorgenommene Änderungen der Originalskalen dienten dazu, die Instrumente an die Spezifizität des Förderprogramms „Schülerinnen forschen“ anzupassen. Die modifizierten Instrumente wurden in einem Pre-Test mit guten Ergebnissen pilotiert (Nickolaus et al., 2012). Im Folgenden werden die erhobenen Konstrukte beschrieben (in Anlehnung an Nickolaus et al., 2012). Fachspezifisches Fähigkeitsselbstkonzept Das fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzept in Physik und Chemie wurde in Anlehnung an die SESSKO erhoben (Schöne et al., 2003). Die Skalen von SESSKO wurden für die Erfassung des schulischen Fähigkeitsselbstkonzeptes der Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 3 bis 10 entwickelt. Das Originalinstrument beinhaltet vier Skalen (Schöne et al., 2003): – Skala „sozial“: Vergleich mit Mitschülerinnen und Mitschülern – Skala „kriterial“: Vergleich mit den Anforderungen – Skala „individuell“: Vergleich mit den früheren Zeitpunkten – Skala „absolut“: bezugsnormunspezifisch die Untersuchung von altersspezifischen Unterschieden. Aus diesem Grund wurden von der Autorin auf der Basis projektbezogener Unterlagen die Klassenstufen nachträglich rekonstruiert. Bei 14 Klassen konnte allerdings die Klassenstufe nicht eindeutig ermittelt werden. Diese Klassen wurden aus den Analysen ausgeschlossen.
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Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Im Rahmen des Förderprogramms „Schülerinnen forschen“ wurden die Skalen „sozial“ und „absolut“ erhoben. Die einzelnen Skalen des Originalinstrumentes beinhalten zwischen 5–6 Items (Schöne et al., 2003). Für die Befragung im Rahmen des Förderprogramms wurde nach einer Pilotierung die Anzahl der Items je Skala auf vier gekürzt. Es wurde eine fünfstufige Likertskala verwendet („absolut“: 1 = „nicht begabt“, 5 = „sehr begabt“, „sozial“: 1 = „weniger begabt als die Jungs/Mädchen“, 5 = „begabter als die Jungs/Mädchen“). Für diese Arbeit wurden die Items zugunsten der Verständlichkeit und Einheitlichkeit umgepolt, da bei den anderen Konstrukten der Wert „1“ einen positiven Wert darstellt. Für die beiden Fächer Physik und Chemie waren die Items analog formuliert. In den folgenden Tabellen sind die Items und Trennschärfen für das fachspezifische Selbstkonzept in Physik und Chemie, Skalen „absolut“ und „sozial“ dargestellt.13 Physik
Chemie
Ich bin in (Fach) „nicht begabt“… „sehr begabt“.
0.77
0.82
In (Fach) etwas Neues zu lernen fällt mir „schwer“ … „leicht“.
0.76
0.81
Ich weiß über (Fach) „wenig“ … „viel“.
0.70
0.73
In (Fach) fallen mir viele Aufgaben „schwer“ … „leicht“.
0.78
0.82
Tabelle 5: Items der Skala „Fachspezifisches Fähigkeitsselbstkonzept, Dimension absolut“ und ihre Trennschärfen Physik
Chemie
Ich denke, ich bin in (Fach) „weniger begabt als die Jungs“ … „begabter als die Jungs“.
0.83
0.88
In (Fach) etwas Neues zu lernen fällt mir „schwerer als den Jungs“ … „leichter als den Jungs“.
0.84
0.87
Ich weiß über (Fach) „weniger als die Jungs“ … „mehr als die Jungs“.
0.82
0.85
Aufgaben in (Fach) fallen mir „schwerer als den Jungs“ … „leichter als den Jungs“.
0.85
0.88
Tabelle 6: Items der Skala „Fachspezifisches Fähigkeitsselbstkonzept, Dimension sozial“ und ihre Trennschärfen
13 Da in dieser Arbeit die Stichprobenzusammensetzung von der im Rahmen des Förderprogramms untersuchten Stichprobe abweicht, wurden alle Itemstatistiken und Kennwerte der Skalen von der Autorin neu berechnet und mit weiteren Angaben ergänzt.
82
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Fachspezifisches Interesse Das fachspezifische Interesse in Physik und Chemie wurde in Anlehnung an Schiefele (1996) über die folgenden Komponenten erfasst (Schiefele, 1996): – gefühlsbezogene Valenzen (ein Sachverhalt wird mit positiven Gefühlen assoziiert), – wertbezogene Valenzen (einem Sachverhalt wird persönliche Bedeutung beigemessen) und – intrinsischer Charakter (die Beschäftigung mit einem Gegenstand geschieht primär aus sachimmanenten Gründen). Die Items der Skalen stammen aus PISA 2003 (Erfassung des Leseinteresses; PISAKonsortium Deutschland, 2006) und sie wurden an die Fächer Physik und Chemie angepasst. Eingesetzt wurde eine fünfstufige Likert-Skala (1 = „trifft zu“ bis 5 = „trifft nicht zu“). Auch hier wurden die Items für die beiden Fächer Physik und Chemie analog formuliert. Die Tabelle 7 gibt die Items und Trennschärfen für das fachspezifische Interesse in Physik und Chemie wieder. Physik
Chemie
Die Beschäftigung mit (Fach) macht mir Spaß.
0.81
0.82
(1)
Ich finde (Fach) spannend.
0.83
0.83
(2)
Es ist mir wichtig, etwas über (Fach) zu erfahren.
0.80
0.84
(2)
Es ist für mich persönlich von Bedeutung, etwas über (Fach) zu wissen.
0.75
0.78
(3)
Ich finde (Fach) interessant.
0.82
0.82
(3)
Mit (Fach) beschäftige ich mich auch in meiner Freizeit gerne.
0.64
0.63
(1)
Tabelle 7: Items der Skala „Fachspezifisches Interesse“ und ihre Trennschärfen (Anmerkungen: (1) gefühlsbezogene Valenz, (2)wertbezogene Valenz, (3)intrinsischer Charakter)
Berufliche Interessen Die beruflichen Interessen wurden in Anlehnung an das revidierte Instrument „Allgemeiner Interessen-Struktur-Test“ (AIST-R) erfasst (Bergmann & Eder, 2005). Das Instrument basiert auf der Theorie der beruflichen Interessentypen von Holland (1997), die bereits im Kapitel 4.1 erörtert wurde. Der AIST-R ging aus einer Weiterentwicklung des AIST 92 hervor. Durch den technologischen Wandel waren einige Tätigkeiten im AIST 92 veraltet bzw. kaum mehr bekannt. Andererseits wurden neue Berufstätigkeiten im AIST 92 kaum angesprochen. Infolgedessen wurden beim AIST-R einige Items umformuliert bzw. durch neue ersetzt (Bergmann & Eder, 2005). Die Items des Instrumentes repräsentieren berufliche bzw. schulische
83
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Tätigkeiten und können laut den Autoren ab dem 14. Lebensjahr angemessen eingesetzt werden (Bergmann & Eder, 2005). Der AIST-R kann laut den Autoren bei der Berufsorientierung, der Schullaufbahnberatung, der Studienwahl- und Berufsberatung, der psychologischen Beratung von Schülerinnen und Studierenden, der Organisationsberatung und Entwicklung, der Personalauslese und der Forschung angewendet werden (Bergmann & Eder, 2005). Im Rahmen dieser Studie wird die Kategorie „Aktivitäten“ analysiert. Diese Kategorie erfasst, inwiefern eine Person die Tätigkeiten in den praktisch-technischen (R), intellektuell-forschenden (I), künstlerisch-sprachlichen (A), sozialen (S), unternehmerischen (E) und konventionellen (C) Bereichen interessant findet und ob sie diese gerne machen würde. Beim AIST-R umfasst jede dieser Subskalen jeweils 10 Items. Aus erhebungsökonomischen Gründen wurden die Subskalen im Rahmen des Förderprogramms „Schülerinnen forschen“ gekürzt. Die gekürzten Subskalen beinhalten für die Bereiche R, S, C und E jeweils 3 Items, für die Bereiche I und A jeweils 4 Items.14 Alle Aussagen sind auf einer fünfstufigen LikertSkala einzuschätzen (1 = „interessiert mich sehr, würde ich sehr gerne tun“ bis 5 = „interessiert mich gar nicht, würde ich gar nicht gerne tun“).15 In den Tabellen 8 bis 13 finden sich die Items der einzelnen Berufskategorien und ihre Trennschärfen. „Bitte gib für jede der folgenden Tätigkeiten an, inwiefern diese dich interessieren und ob du diese machen würdest“. Sachen herstellen, anfertigen oder reparieren
0.60
Geräte, Maschinen, Anlagen bauen, bedienen oder warten
0.64
körperlich oder zumindest mit Werkzeug (auf einer Baustelle, in einer Werkstatt oder Firma) arbeiten
0.55
Tabelle 8: Items der Skala „Berufliche Interessen, Bereich R“ und ihre Trennschärfen
14 Anfangs wurden alle Subskalen einheitlich auf jeweils 3 Items gekürzt. Die Pilotierungsergebnisse ergaben allerdings unbefriedigende Reliabilitätswerte für die Bereiche I und A (Cronbachs Alpha < 0.6). Deshalb wurden diese Subskalen um ein weiteres Item ergänzt (Nickolaus et al., 2012). 15 Die Items wurden im Vergleich zum AIST-R umgepolt und die Aussagen leicht verändert (z.B. statt „das tue ich sehr gerne“ - „würde ich sehr gerne tun“) (Nickolaus et al., 2012).
84
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
in einem Forschungsinstitut oder Labor wissenschaftlich arbeiten (analysieren, untersuchen, experimentieren oder entwickeln)
0.57
wissenschaftliche Artikel und Bücher lesen
0.52
sich mit der Chemie, Physik, Biologie oder Mathematik beschäftigen
0.59
die Ursachen eines Problems erforschen
0.49
Tabelle 9: Items der Skala „Berufliche Interessen, Bereich I“ und ihre Trennschärfen
in einer Schauspiel- oder Musikgruppe spielen
0.54
Dinge tun, bei denen es auf Kreativität und Fantasie ankommt
0.56
photographieren, filmen, dekorieren oder andere kreative Dinge machen
0.56
etwas mit sprachlichen Mitteln künstlerisch gestalten
0.50
Tabelle 10: Items der Skala „Berufliche Interessen, Bereich A“ und ihre Trennschärfen
andere Menschen betreuen, pflegen, erziehen oder unterrichten
0.69
therapeutisch, psychologisch oder pädagogisch tätig sein
0.58
sich mit kranken, verletzten oder hilfsbedürftigen Menschen beschäftigen - ihnen helfen, sie beraten oder sich für sie engagieren
0.63
Tabelle 11: Items der Skala „Berufliche Interessen, Bereich S“ und ihre Trennschärfen
koordinierende, leitende, kontrollierende oder organisatorische Aufgaben übernehmen
0.58
mit anderen Menschen diskutieren, sie überzeugen und mit ihnen verhandeln
0.39
als Leiter einer Gruppe oder eines Unternehmens tätig sein
0.55
Tabelle 12: Items der Skala „Berufliche Interessen, Bereich E“ und ihre Trennschärfen
in einem Büro arbeiten
0.56
Akten/ Geschäftsbriefe/ Listen/ Statistiken erstellen oder verwalten
0.64
Inventuren, Kosten oder Steuerberechnungen durchführen oder kontrollieren
0.63
Tabelle 13: Items der Skala „Berufliche Interessen, Bereich C“ und ihre Trennschärfen
85
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Bildungs- und Berufsvorhaben Die Intention der Schülerinnen und Schüler, eine Vertiefung (Bildungsvorhaben) und einen Beruf (Berufsvorhaben) im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich zu wählen, wurde mit zwei Items erfasst (fünfstufige Likert-Skala von 1 = „trifft zu“ bis 5 = „trifft nicht zu“): 1. Ich kann mir vorstellen, eine Vertiefung im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich zu machen bzw. mache bereits eine solche. 2. Ich kann mir vorstellen, einen Beruf im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich zu ergreifen. Die Items wurden im Rahmen des Förderprogramms konstruiert. Die Tabellen 14 bis 16 geben einen Überblick über die Skalen und ihre statistischen Kennwerte. Die Reliabilitäten der Skalen zum fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzept und Interesse erweisen sich als „gut“ bis „sehr gut“. Die Reliabilitäten der Skalen zu beruflichen Interessen sind geringer, liegen aber mit über α = 0,69 im akzeptablen Bereich.
FSK in Physik, Dimension „absolut“ FSK in Chemie, Dimension „absolut“ FSK in Physik, Dimension „sozial“ FSK in Chemie, Dimension „sozial“
N Items
N
Min
Max
M
SD
α
4
1959
1
5
2.82
0.88
0.89
4
1317
1
5
2.80
0.92
0.91
4
1935
1
5
2.82
0.94
0.93
4
1309
1
5
2.75
0.88
0.95
Tabelle 14: Kennwerte der Skala „Fachspezifisches Fähigkeitsselbstkonzept (FSK)“ N Items
N
Min
Max
M
SD
α
Interesse Physik
6
1957
1
5
3.06
1.04
0.92
Interesse Chemie
6
1320
1
5
2.99
1.05
0.93
Tabelle 15: Kennwerte der Skala „Fachspezifisches Interesse“
86
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
praktisch-technischer Bereich (R) intellektuell-forschender Bereich (I) künstlerisch-sprachlicher Bereich (A) sozialer Bereich (S) unternehmerischer Bereich (E) konventioneller Bereich (C)
N Items
N
Min
Max
M
SD
α
3
1949
1
5
3.08
1.03
0.77
4
1941
1
5
2.99
0.95
0.75
4
1936
1
5
2.56
0.98
0.74
3
1937
1
5
2.98
1.09
0.79
3
1933
1
5
2.43
0.90
0.69
3
1935
1
5
3.34
1.00
0.78
Tabelle 16: Kennwerte der Skala „Berufliche Interessen“
6.2.3 Statistisches Vorgehen Die Prüfung der Hypothesen erfolgt mittels einer zweifaktoriellen Varianzanalyse mit den Faktoren Klassenstufe und Geschlecht. Die Varianzanalyse ist ein statistisches Verfahren, mit welchem mehrere Mittelwertsunterschiede simultan überprüft werden können (Eid, Gollwitzer & Schmitt, 2011). Für die Durchführung von Varianzanalysen sollen folgende Voraussetzungen erfüllt sein (Bortz, 2005; Eid et al., 2011): 1. Die Merkmalsvariable und somit die Residualvariable soll innerhalb der Stichproben normalverteilt sein. 2. Die Untersuchungseinheiten müssen unabhängige Stichproben sein. 3. Die Untersuchungseinheiten sollen homogene Varianzen aufweisen. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass Varianzanalysen als relativ robust gegenüber den Verletzungen ihrer Voraussetzungen gelten (z. B. Bortz, 2005). Dabei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass die Robustheit gegenüber den Verletzungen der Voraussetzungen erst dann gegeben ist, wenn die Stichproben bzw. die Besetzung der Zellen gleich groß sind. Sind eine oder mehrere Voraussetzungen bei kleinen (n < 10) und ungleich großen Stichproben verletzt, ist die Durchführung einer Varianzanalyse kritisch (Bortz, 2005). Im Falle der Verletzung der Normalverteilung und der Varianzhomogenität bei ungleich großen Stichproben empfehlen Backhaus, Erichson, Plinke und Weiber (2011) die Verletzung über die Gleichbesetzung der Zellen zu „heilen“. Dabei darf nach Leonhart (2009) die größte Gruppe im Vergleich zu der kleinsten Gruppe nicht mehr als das 1.5fache an Elementen haben. Insgesamt weist Leonhart (2009) darauf hin, dass die Gleichbesetzung der Zellen umso wichtiger ist, je weniger Elemente pro Stichprobe vorliegen. Dabei soll eine Stichprobe mindestens 20 Elemente haben (Leonhart, 2009, S. 342).
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
87
Wie bereits bei der Beschreibung der Stichprobe ersichtlich wurde, unterscheiden sich die Untersuchungseinheiten der Studie I darin, dass die 8. Klassenstufe und in geringerem Maße die 10. Klassenstufe überrepräsentiert sind. Werden in den nachfolgenden Analysen die Voraussetzungen der Normalverteilung und der Varianzhomogenität verletzt, wird durch eine Randomisierung eine Angleichung der Zellengrößen bei dem Faktor „Klassenstufe“ vorgenommen und die Zellengröße der Klassenstufe 8 und 10 per Zufall reduziert. In Anlehnung an Leonhart (2009) wird darauf geachtet, dass die Abweichung zwischen der kleinsten und der größten Zelle etwa das 1.5fache beträgt.16 Die Geschlechterverteilung bleibt in der reduzierten Stichprobe ähnlich wie in der ursprünglichen Basisstichprobe (weiblich – 52,4%; männlich – 47,6%). In der zweifaktoriellen Varianzanalyse werden zwei Haupteffekte (hier „Klassenstufe“ und „Geschlecht“) und ein Interaktionseffekt („Klassenstufe x Geschlecht“) inferenzstatistisch ermittelt und es wird ein eigener F-Wert für jeden Effekttyp berechnet (Eid et al., 2011). Diese drei Effekte können dabei unabhängig voneinander signifikant werden (Leonhart, 2009). Mit dem F-Test wird ermittelt, ob mindestens ein signifikanter Mittelwertsunterschied zwischen den Gruppen vorliegt. Dabei ist der F-Test ein Globaltest und gibt keine Auskunft darüber, welche Gruppenmittelwerte sich signifikant unterscheiden (Eid et al., 2011; Leonhart, 2009). Um festzustellen, zwischen welchen Mittelwerten signifikante Unterschiede bestehen, werden Post-hoc-Tests eingesetzt. Es existiert eine Vielzahl von verschiedenen Post-hoc-Verfahren (im Überblick Leonhart, 2009, Janssen & Laatz, 2010). Vorwiegend werden Scheffé-Tests oder Tukey-HSD-Tests angewendet (Leonhart, 2009). In den nachfolgenden Analysen wird auf den Tukey-HSD-Test zurückgegriffen, da bei paarweisen Vergleichen der Tukey-Test als das üblichste und das robusteste Verfahren gilt und bei der Verletzung der Voraussetzungen wenig beeinflusst wird (Leonhart, 2009). Als Effektmaß varianzanalytischer Prüfungen gilt Eta2 (η²). Mit η² wird der erklärbare Varianzanteil der abhängigen Variablen ermittelt (Leonhart, 2009). Als Konventionen für η² gelten: η² ≈ 0,01: „kleiner“ Effekt; η² ≈ 0,06: „mittlerer“ Effekt; η² ≈ 0,14: „großer“ Effekt (Cohen 1988, zitiert nach Eid et al., 2011). Von SPSS wird bei den Varianzanalysen das partielle η² ausgegeben. „Die partiellen Kennwerte können jedoch nicht zu einem Gesamtanteil erklärbarer Varianz aufsummiert werden, da sie sich nur auf die jeweiligen Varianzanteile und die Fehlerquadratsumme beziehen“ (Leonhart, 2009, S.400). Daher ist zu beachten, dass nur bei der einfaktoriellen Varianzanalyse η² mit dem partiellem η² gleichgesetzt werden kann. Bei mehrfaktoriellen Varianzanalysen sollten diese Unterschiede berücksichtigt werden (Leonhart, 2009). Die Datenauswertung erfolgt mit der Software SPSS Version 20.
16 In einigen Fällen betragen die Abweichungen das 1.7fache.
88
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
6.3 ERGEBNISSE Im Folgenden werden die im Kapitel 6.1 formulierten Hypothesen überprüft. Es soll untersucht werden, inwieweit sich fachbezogene Fähigkeitsselbstkonzepte, fachbezogene und berufliche Interessen sowie Bildungs- und Berufsvorhaben der Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 7 bis 10 unterscheiden. Zu beachten ist, dass in die Analysen zum Fach Chemie die 7. Klassenstufe nicht mit eingeht. 6.3.1 Prüfung der Hypothesenfamilie H1: Unterschiede fachspezifischer Interessen in Abhängigkeit von Geschlecht und Klassenstufe Es soll nun geprüft werden, wie das fachspezifische Interesse in den Fächern Physik und Chemie bei beiden Geschlechtern und in den einzelnen Klassenstufen ausgeprägt ist. Die Hypothesen lauten: H1.1: Das Fachinteresse der Schüler an Physik und Chemie fällt signifikant höher aus als das Fachinteresse der Schülerinnen. H1.2: Das Fachinteresse an Physik und Chemie ist in den höheren Klassenstufen geringer ausgeprägt als in den niedrigeren Klassenstufen. H1.3: Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind in den höheren Klassenstufen größer als in den niedrigeren Klassenstufen. Fachinteresse in Physik Beim Interesse an Physik ergibt die ANOVA einen signifikanten Haupteffekt für den Faktor Geschlecht (F(1, 1949) = 116.97, p < 0.001, partielles η² = 0.06). Erwartungskonform weisen Jungen ein stärkeres Interesse in Physik als Mädchen auf (vgl. Tabelle 17). Die Hypothese H1.1 wird somit für das Fach Physik bestätigt. Gesamt N = 1957
Mädchen N = 1043
Jungen N = 914
7 N = 319
8 N = 792
9 N = 324
10 N = 522
M
3.06
3.32
2.78
2.85
3.08
3.10
3.15
SD
1.04
1.00
1.02
1.02
1.05
0.96
1.08
Tabelle 17: Fachinteresse in Physik nach Geschlecht und Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Weiterhin wird der Haupteffekt für den Faktor Klassenstufe signifikant (F(3, 1949) = 7.22, p < 0.001, partielles η² = 0.01). Laut Post-hoc-Analysen ist das Interesse an Physik in der Klassenstufe 7 signifikant stärker als in den Klassenstufen 8, 9 und 10 (7.–8. Klassenstufe: p = 0.003; 7.–9. Klassenstufe: p = 0.008; 7.– 10.
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
89
Klassenstufe: p < .001). Zwischen den Klassenstufen 8, 9 und 10 zeigen sich dagegen keine signifikanten Unterschiede. Die Interaktion der beiden Faktoren Klassenstufe und Geschlecht wird auch signifikant, was auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede je nach Klassenstufe hinweist (F(3, 1949) = 2.73, p < 0.05, partielles η² = 0.004). Die getrennten Analysen für die einzelnen Klassenstufen belegen, dass Jungen in allen Klassenstufen ein signifikant höheres Interesse aufweisen als Mädchen (7. Klassenstufe t(317) = 2.28, p = 0.02; 8. Klassenstufe t(790) = 7.96, p < 0.001; 9. Klassenstufe t(322) = 6.10, p < 0.001; 10. Klassenstufe t(520) = 7.32, p < 0.001). Während das Interesse der Jungen über alle Klassenstufen annähernd gleich bleibt (F(3, 910) = 0.48, p = 0.70, partielles η² = 0.002) fällt das Interesse der Mädchen aus den höheren Klassenstufen geringer aus, was die folgende Abbildung zeigt (F(3, 1039) = 11.50, p < 0.001, partielles η² = 0.03). Der größte Abstand besteht dabei zwischen der 7. und 8. Klassenstufe. Die Schülerinnen der 7. Klassenstufe zeigen ein signifikant höheres Fachinteresse als die Schülerinnen der anderen Klassenstufen (7–8, 7–9, 7–10 Klassenstufen p < 0.001).
Abbildung 1117: Fachinteresse in Physik, Geschlecht x Klassenstufe (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Die Hypothese H1.2 wird somit nur für Schülerinnen gestützt. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede werden in den höheren Klassenstufen größer als in den niedrigeren Klassenstufen, d.h. das Ergebnis spricht für die Beibehaltung der Hypothese H1.3.
17 Es ist zu beachten, dass es sich in der Studie I um einen Pseudo-Längsschnitt handelt.
90
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Fachinteresse in Chemie Auch im Fach Chemie weisen Jungen ein signifikant höheres Fachinteresse als Mädchen auf (F(1, 1300) = 5.35, p = 0.02, partielles η² = 0.004), obgleich die Mittelwertdifferenzen und die Effektstärken deutlich geringer sind als im Fach Physik. Die Hypothese H1.1 wird somit auch für das Fach Chemie bestätigt. Gesamt N = 1306
Mädchen N = 691
Jungen N = 615
8 N = 632
9 N = 268
10 N = 406
M
2.87
2.95
2.79
2.77
2.80
3.09
SD
1.05
1.01
1.09
1.00
1.04
1.10
Tabelle 18: Fachinteresse in Chemie nach Geschlecht und Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Ein signifikanter Haupteffekt ergibt sich ebenfalls für den Faktor Klassenstufe (F(2, 1300) = 12.53, p < 0.001, partielles η² = 0.02). Die Post-hoc-Analysen zeigen, dass die Befragten der 10. Klassenstufe über ein signifikant niedrigeres Interesse verfügen als die Befragten der 8. und 9. Klassenstufe (8.–10. Klassenstufe: p < 0.001; 9.–10. Klassenstufe: p = 0.001). Das Interesse der Befragten der 8. und 9. Klassenstufe ist weitgehend gleich stark ausgeprägt. Die Interaktion der beiden Faktoren Geschlecht und Klassenstufe wird nicht signifikant (F(2, 1300) = 0.44, p = 0.64, partielles η² = 0.001). Somit gelten die oben beschriebenen Unterschiede zwischen den Klassenstufen für beide Geschlechter. Die Hypothese H1.2 wird gestützt. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Fach Chemie verringern sich leicht in den höheren Klassenstufen. Die Hypothese H1.3 wird verworfen.
Abbildung 12: Fachinteresse in Chemie, Geschlecht x Klassenstufe (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
91
Zusammenfassung der Ergebnisse Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass das Fachinteresse der Schüler an Physik und Chemie signifikant höher ausfällt als das Fachinteresse der Schülerinnen. In Physik ergibt sich der größte Unterschied im Interessenniveau zwischen der 7. und der 8. Klassenstufe. Danach zeigt sich eine abnehmende Tendenz zwischen den einzelnen Klassenstufen, die Unterschiede sind allerdings nicht signifikant. Dieses Ergebnis ist auf geschlechtsspezifische Unterschiede je nach Klassenstufe zurückzuführen: Das Interesse der Mädchen wird in jeder Klassenstufe geringer und ein besonders starkes Gefälle im Interessenniveau besteht bei Mädchen zwischen der 7. und 8. Klassenstufe. Das Interesse der Jungen ist über alle Klassenstufen hingegen weitgehend gleich. Im Fach Chemie ergab sich der signifikante Unterschied im Fachinteresse zwischen der 9. und der 10. Klassenstufe. Es wurden dabei keine geschlechtsspezifischen Unterschiede ermittelt. 6.3.2 Prüfung der Hypothesenfamilie H2: Unterschiede fachspezifischer Fähigkeitsselbstkonzepte in Abhängigkeit von Geschlecht und Klassenstufe Die Hypothesen lauten: H2.1: Schülerinnen weisen in den Fächern Physik und Chemie signifikant schwächere Fähigkeitsselbstkonzepte als Jungen auf. H2.2: Das fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzept in Physik und Chemie fällt in den höheren Klassenstufen signifikant schwächer aus als in den niedrigeren Klassenstufen. H2.3: Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind in den höheren Klassenstufen größer als in den niedrigeren Klassenstufen. Überprüft werden die Hypothesen für zwei Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes „absolut“ und „sozial“. Zunächst werden die Ergebnisse der ANOVAs für die Dimensionen „absolut“ berichtet, danach für die Dimension „sozial“. Fähigkeitsselbstkonzept (FSK) in Physik, Dimension „absolut“ Folgende Tabelle gibt die Mittelwerte und Standardabweichungen für die gesamte Stichprobe, für beide Geschlechter und für die einzelnen Klassenstufen für das fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzept im Fach Physik, Dimension „absolut“ wieder.
92
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Gesamt N = 1959
Mädchen N = 1039
Jungen N = 920
7 N = 314
8 N = 797
9 N = 328
10 N = 520
M
2.82
3.05
2.56
2.74
2.77
2.94
2.86
SD
0.88
0.81
0.87
0.80
0.89
0.90
0.88
Tabelle 19: FSK in Physik, Dimension „absolut“, nach Geschlecht und Klassenstufe (1=„sehr begabt“, 5 =„nicht begabt“)
Die Mittelwerte zeigen, dass die Fähigkeitsselbstkonzepte der Jungen günstiger ausgeprägt sind als jene der Mädchen. Die ANOVA ergibt einen signifikanten Haupteffekt für den Faktor Geschlecht (F(1, 1951) = 138.76, p < 0.001, partielles η² = 0.07). Somit verfügen Mädchen über ein signifikant schwächeres FSK in Physik (Dimension „absolut“) als Jungen. Die Hypothese H2.1 wird für das FSK in Physik für die Dimension „absolut“ gestützt. Des Weiteren zeigt sich ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Klassenstufe (F(3, 1951) = 5.70, p =0.001, partielles η² = 0.009). Die Post-hoc-Tests ergeben, dass das absolute Fähigkeitsselbstkonzept in der 9. Klassenstufe signifikant schwächer ausfällt als in den 7. und 8. Klassenstufen (7.–9. Klassenstufe p = 0.02; 8.–9. Klassenstufe p = 0.01). Die Mittelwerte der 10. Klassenstufe sind ebenfalls ungünstiger als die Mittelwerte der 7. und der 8. Klassenstufen, die Unterschiede sind allerdings nicht signifikant (7.–10. Klassenstufe p = 0.25; 8.–10. Klassenstufe p = 0.28). Aus der Abbildung 13 ist ersichtlich, dass die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in den höheren Klassenstufen etwas größer werden. Die Interaktion der beiden Faktoren Klassenstufe und Geschlecht ist allerdings nicht signifikant (F(3, 1951) = 2.03, p = 0.11, partielles η² = 0.003). Die Hypothese H2.2 wird somit nur zum Teil gestützt und die Hypothese H2.3 wird verworfen.
Abbildung 13: FSK in Physik, Dimension „absolut“, Geschlecht x Klassenstufe (1 =„sehr begabt“, 5 =„nicht begabt“)
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
93
Fähigkeitsselbstkonzept (FSK) in Chemie, Dimension „absolut“ Folgende Tabelle zeigt Mittelwerte und Standardabweichungen für das fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzept im Fach Chemie.
Gesamt N = 1012
Mädchen N = 526
Jungen N = 486
8 N = 372
9 N = 270
10 N = 370
M
2.82
2.92
2.72
2.75
2.72
2.97
SD
0.95
0.90
0.99
0.80
0.94
1.06
Tabelle 20: FSK in Chemie, Dimension „absolut“, nach Geschlecht und Klassenstufe (1 =„sehr begabt“, 5 =„nicht begabt“)
Die ANOVA ergibt für das Fach Chemie ebenfalls einen signifikanten Haupteffekt für den Faktor Geschlecht (F(1, 1006) = 11.34, p = 0.001, partielles η² = 0.01). Auch in Chemie zeigen Jungen ein signifikant stärkeres FSK in der Dimension „absolut“ als Mädchen. Allerdings fällt der Geschlechterunterschied hier nicht so groß aus wie im Fach Physik. Die Hypothese H2.1 wird auch für das Fach Chemie bestätigt. Ferner wird ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Klassenstufe belegt (F(2, 1006) = 7.29, p = 0.001, partielles η² = 0.01). Es zeigt sich dabei, wie auch beim Interesse an Chemie, dass die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in der 10. Klassenstufe geringer werden. Die Interaktion der beiden Faktoren Klassenstufe und Geschlecht ist wie auch im Fach Physik nicht signifikant (F(2, 1006) = 0.50, p = 0.61, partielles η² = 0.001; vgl. Abbildung 14). Der Effekt der Klassenstufe ist darauf zurückzuführen, dass die Schülerinnen und Schüler der 10. Klassenstufe ein signifikant schwächeres Fähigkeitsselbstkonzept zeigen als Schülerinnen und Schüler der 8. und der 9. Klassenstufen (8.–10. Klassenstufe: p = 0.005; 9.–10. Klassenstufe: p = 0.002). Das Befundmuster spricht für die Beibehaltung der Hypothese H2.2. Die Hypothese H2.3 wird verworfen.
94
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Abbildung 14: FSK in Chemie, Dimension „absolut“, Geschlecht x Klassenstufe (1 =„sehr begabt“, 5 =„nicht begabt“)
Im Folgenden werden die Ergebnisse von ANOVAs für die Dimensionen „sozial“ berichtet. Fähigkeitsselbstkonzept (FSK) in Physik, Dimension „sozial“ Im Fach Physik zeigen Jungen deutlich bessere Werte als Mädchen und der Haupteffekt für den Faktor Geschlecht wird signifikant (F(1, 1560) = 238.65, p < 0.001, partielles η² = 0.13). Gesamt N = 1568
Mädchen N = 822
Jungen N = 746
7 N = 309
8 N = 464
9 N = 323
10 N = 472
M
2.82
3.17
2.44
2.75
2.79
2.87
2.86
SD
0.94
0.84
0.90
0.82
0.93
0.94
1.03
Tabelle 21: FSK in Physik, Dimension „sozial“, nach Geschlecht und Klassenstufe (1 = „begabter als Jungen/Mädchen“, 5 = „weniger begabt als Jungen/Mädchen“)
Somit schätzen sich Jungen im Fach Physik im Vergleich zum anderen Geschlecht signifikant besser ein als dies Mädchen tun. Die Hypothese H2.1 wird demnach auch für die Dimension „sozial“ bestätigt. Auffällig ist, dass die Mittelwertdifferenz und die Effektstärke bei der Dimension „sozial“ deutlich größer sind als bei der Dimension „absolut“ (partielles η²: 0.07 vs. 0.13). Der Haupteffekt für den Faktor Klassenstufe ist nicht signifikant (F(3, 1560) = 2.06, p = 0.10, partielles η² = 0.004). Die Mittelwerte fallen in allen Klassenstufen ungefähr gleich aus. Allerdings erweist sich die Interaktion der Faktoren Klassenstufe und Geschlecht als signifikant (F(3, 1560) = 16.46, p < 0.001,
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
95
partielles η² = 0.03). Dieser Effekt ist dadurch bedingt, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in den Klassenstufen 8, 9 und 10 signifikant sind, während in der Klassenstufe 7 keine signifikanten Geschlechterunterschiede im FSK, Dimension „sozial“ bestehen (7. Klassenstufe t(229,11) = 1.65, p = 0.10; 8. Klassenstufe t(457,85) = 9.44, p < 0.001; 9. Klassenstufe t(321) = 8.19, p < 0.001; 10. Klassenstufe t(470) = 12.91, p < 0.001). Das FSK der Mädchen in der Dimension „sozial“ wird in jeder Klassenstufe schwächer, während das FSK der Jungen in jeder Klassenstufe stärker wird (vgl. Abbildung 15). Der Unterschied im FSK zwischen Mädchen und Jungen wird dabei in jeder Klassenstufe größer. Die Hypothese H2.2 wird somit nur zum Teil (für Mädchen) bestätigt. Die Hypothese H2.3 wird voll gestützt.
Abbildung 15: FSK in Physik, Dimension „sozial“, Geschlecht x Klassenstufe (1 = „begabter als Jungen/Mädchen“, 5 = „weniger begabt als Jungen/Mädchen“)
Fähigkeitsselbstkonzept (FSK) in Chemie, Dimension „sozial“ Ein signifikanter Haupteffekt des Faktors Geschlecht zeigt sich auch im Fach Chemie (F(1, 993) = 22.83, p < 0.001, partielles η² = 0.02). Damit wird die Hypothese H2.1 gestützt. Auffällig ist erneut, dass die Mittelwertdifferenz und die Effektstärke im Fach Chemie deutlich niedriger ausfallen als im Fach Physik. Gesamt N = 999
Mädchen N = 520
Jungen N = 479
8 N = 368
9 N = 265
10 N = 366
M
2.77
2.90
2.62
2.74
2.72
2.83
SD
0.91
0.82
0.99
0.81
0.92
1.00
Tabelle 22: FSK in Chemie, Dimension „sozial“, nach Geschlecht und Klassenstufe (1 = „begabter als Jungen/Mädchen“, 5 = „weniger begabt als Jungen/Mädchen“)
96
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Der Haupteffekt des Faktors Klassenstufe und die Interaktion der beiden Faktoren Geschlecht und Klassenstufe werden nicht signifikant (Klassenstufe: F(2, 993) = 1.40, p = 0.25, partielles η² = 0.003; Geschlecht x Klassenstufe: F(2, 993) = 0.18, p = 0.83, partielles η² < 0.001.). Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 8 bis 10 zeigen ein annähernd gleiches FSK in Chemie (Dimension „sozial“) und die Geschlechterunterschiede sind über alle Klassenstufen konstant. Die Hypothesen H2.2 und H2.3 werden demnach verworfen.
Abbildung 16: FSK in Chemie, Dimension „sozial“, Geschlecht x Klassenstufe (1 = „begabter als Jungen/Mädchen“, 5 = „weniger begabt als Jungen/Mädchen“)
Zusammenfassung der Ergebnisse Wie die Ergebnisse zeigten, verfügen Schülerinnen durchgehend über signifikant schwächere Fähigkeitsselbstkonzepte in den Fächern Physik und Chemie als Jungen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede zugunsten von Jungen wurden sowohl für die Dimension „absolut“ als auch für die Dimension „sozial“ ermittelt. Mit einer Ausnahme zeigte sich weiterhin, dass das Fähigkeitsselbstkonzept der Schülerinnen und Schüler in Physik und Chemie, Dimension „absolut“ der höheren Klassenstufen signifikant schwächer ist als das Fähigkeitsselbstkonzept der Schülerinnen Schüler der niedrigeren Klassenstufen. Bei dem Fähigkeitsselbstkonzept der Dimension „sozial“ wurden dagegen keine signifikanten Unterschiede je nach Klassenstufe festgestellt. Der Unterschied im Fähigkeitsselbstkonzept zwischen Mädchen und Jungen nahm lediglich im Fach Physik, Dimension „sozial“ zu: das Fähigkeitsselbstkonzept der Mädchen wurde in jeder Klassenstufe schwächer, während das Fähigkeitsselbstkonzept der Jungen stärker wurde. Von Interesse ist, dass dabei in der 7. Klassenstufe keine Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen festgestellt wurden.
97
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
6.3.3 Prüfung der Hypothese H3: Unterschiede beruflicher Interessen in Abhängigkeit vom Geschlecht Im Folgenden soll untersucht werden, wie die beruflichen Interessen bei beiden Geschlechtern und in den einzelnen Klassenstufen ausgeprägt sind. Die Hypothese H3 lautet: H3:
Es zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in den beruflichen Interessen: in den Bereichen R, I und C zeigen Jungen ein höheres Interesse, Mädchen interessieren sich dagegen stärker für die Bereiche S, A und E.
Bei der Prüfung der Hypothese H3 wird zusätzlich folgenden Forschungsfragen nachgegangen: Forschungsfrage 1: Bestehen Unterschiede zwischen den einzelnen Klassenstufen in den Ausprägungen der beruflichen Interessen der Schülerinnen und Schüler? Forschungsfrage 2: Bleiben die geschlechtsspezifischen Unterschiede über verschiedene Klassenstufen konstant oder verändern sie sich? Praktisch-technischer Bereich (R) Beim praktisch-technischen Bereich (R) wird der Haupteffekt des Faktors Geschlecht signifikant (F(1, 1576) = 308.42, p < 0.001, partielles η² = 0.16): Mädchen zeigen ein deutlich niedrigeres Interesse an praktisch-technischen Tätigkeiten als Jungen. Gesamt N = 1584
Mädchen N = 832
Jungen N = 752
7 N = 315
8 N = 469
9 N = 326
10 N = 474
M
3.07
3.47
2.63
2.69
3.08
3.02
3.18
SD
1.02
0.90
0.98
1.05
1.01
1.00
1.03
Tabelle 23: Berufliche Interessen im Bereich R, nach Geschlecht und Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 =„kein Interesse“)
Auch der Haupteffekt des Faktors Klassenstufe erweist sich als signifikant (F(3, 1576) = 6.37, p < 0.001, partielles η² = 0.01). Die Mittelwerte zeigen, dass das Interesse im praktisch-technischen Bereich in den Klassenstufen 8, 9 und 10 schwächer ist, als in der 7. Klassenstufe. Die Unterschiede werden signifikant zwischen der 7. und der 10. Klassenstufe (7.–10. Klassenstufe: p < 0.007). Die Interaktion der Faktoren Klassenstufe und Geschlecht wird nicht signifikant (F(3, 1576) = 1.68, p = 0.17, partielles η² = 0.003).
98
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Abbildung 17: Berufliche Interessen im Bereich R, Geschlecht x Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 =„kein Interesse“)
Intellektuell-forschender Bereich (I) Auch bei intellektuell-forschenden Tätigkeiten weisen Jungen ein höheres Interesse als Mädchen auf und der Geschlechterunterschied wird signifikant (F(1, 1567) = 59.59, p < 0.001, partielles η² = 0.04). Die Mittelwertunterschiede und die Effektstärken sind allerdings in diesem Bereich geringer als im praktischtechnischem Bereich. Gesamt N = 1575
Mädchen N = 827
Jungen N = 748
7 N = 312
8 N = 465
9 N = 326
10 N = 472
M
3.00
3.18
2.80
2.96
3.00
3.05
2.99
SD
0.95
0.96
0.89
0.95
0.96
0.91
0.97
Tabelle 24: Berufliche Interessen im Bereich I, nach Geschlecht und Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 =„kein Interesse“)
Keine signifikanten Unterschiede im Interessenniveau ergeben sich zwischen den einzelnen Klassenstufen (F(3, 1567) = 0.76, p = 0.52, partielles η² = 0.001). Die Interaktion der Faktoren Klassenstufe und Geschlecht ist nicht signifikant (F(3, 1567) = 1.73, p = 0.16, partielles η² = 0.003). Allerdings wird aus der Abbildung 18 deutlich, dass die Unterschiede zwischen den Mädchen und Jungen in den Klassenstufen 8 bis 10 größer sind, als in der 7. Klassenstufe. Die für die einzelnen Klassenstufen getrennt durchgeführten t-Tests ergaben, dass die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in der 7. Klassenstufe nicht signifikant sind (7. Klassenstufe: t(305,86) = 1.78, p = 0.08) während sie in allen anderem Klassenstufen
99
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
signifikant werden (8. Klassenstufe: t(783) = 7.34, p < 0.001; 9. Klassenstufe: t(324) = 3.79, p < 0.001; 10. Klassenstufe: t(516) = 5.45, p < 0.001).
Abbildung 18: Berufliche Interessen im Bereich I, Geschlecht x Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 =„kein Interesse“)
Künstlerisch-sprachlicher Bereich (A) Im künstlerisch-sprachlichen Bereich zeigen dagegen Mädchen erwartungskonform ein signifikant stärkeres Interesse als Jungen (F(1, 1565) = 385.04, p < 0.001, partielles η² = 0.20). Die Unterschiede zwischen den einzelnen Klassenstufen werden ebenfalls signifikant (F(3, 1565) = 4.21, p = 0.006, partielles η² = 0.008). Dabei wird das Interesse der Schülerinnen und Schülern an künstlerisch-sprachlichen Tätigkeiten in jeder höheren Klassenstufe geringer. Signifikante Unterschiede im Interessenniveau ergeben sich zwischen den Klassenstufen 7 und 9 (p = 0.001), 7 und 10 (p < 0.001) und 8 und 10 (p = 0.02). Gesamt N = 1573
Mädchen N = 829
Jungen N = 744
7 N = 309
8 N = 465
9 N = 324
10 N = 475
M
2.58
2.16
3.05
2.39
2.54
2.65
2.70
SD
0.99
0.85
0.92
0.98
0.97
0.97
1.02
Tabelle 25: Berufliche Interessen im Bereich A, nach Geschlecht und Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 =„kein Interesse“)
Der Befund gilt für beide Geschlechter, da keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede je nach Klassenstufe ermittelt wurden (F(3, 1565) = 0.38, p = 0.77, partielles η² = 0.001).
100
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Abbildung 19: Berufliche Interessen im Bereich A, Geschlecht x Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 =„kein Interesse“)
Sozialer Bereich (S) Auch im sozialen Bereich zeigen Mädchen ein deutlich höheres Interesse als Jungen (F(1, 1929) = 439.78, p < 0.001, partielles η² = 0.19). Die Unterschiede zwischen den einzelnen Klassenstufen werden nicht signifikant (F(3, 1929) = 2.12, p = 0.10, partielles η² = 0.003). Gesamt N = 1937
Mädchen N = 1033
Jungen N = 904
7 N = 311
8 N = 785
9 N = 324
10 N = 517
M
2.99
2.53
3.50
2.99
2.96
3.09
2.94
SD
1.09
0.99
0.96
1.08
1.05
1.12
1.14
Tabelle 26: Berufliche Interessen im Bereich S, nach Geschlecht und Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 =„kein Interesse“)
Allerdings zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede je nach Klassenstufe und die Interaktion der Faktoren Klassenstufe und Geschlecht ist signifikant (F(3, 1929) = 3.79, p = 0.01, partielles η² = 0.006). Werden die Unterschiede zwischen den einzelnen Klassenstufen je nach Geschlecht betrachtet, zeigt sich, dass Jungen in verschieden Klassenstufen ein ähnlich starkes Interesse im sozialen Bereich zeigen, außer in der 9. Klassenstufe, wo das Interesse signifikant schwächer ist (F(3, 900) = 3.49, p = 0.01, partielles η² = 0.01; 8.–9. Klassenstufe: p = 0.01, 9.–10. Klassenstufe p = 0.04). Mädchen dagegen zeigen in jeder höheren Klassenstufe ein etwas stärkeres Interesse im sozialen Bereich, so dass die Unterschiede über alle Klassenstufen signifikant werden (F(3, 1029) = 2.66, p = 0.04, partielles
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
101
η² = 0.008). Die Post-hoc-Analysen ergeben signifikante Unterschiede zwischen der 7. und der 10. Klassenstufe (p = 0.04).
Abbildung 20: Berufliche Interessen im Bereich S, Geschlecht x Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 =„kein Interesse“)
Unternehmerischer Bereich (E) Anders als in allen bis jetzt betrachteten Bereichen ergeben sich bei dem unternehmerischen Bereich keine signifikanten Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen (F(1, 1925) = 3.24, p = 0.07, partielles η² = 0.002). Gesamt N = 1933
Mädchen N = 1031
Jungen N = 902
7 N = 306
8 N = 786
9 N = 323
10 N = 518
M
2.43
2.48
2.38
2.52
2.48
2.40
2.33
SD
0.90
0.89
0.91
0.95
0.92
0.86
0.87
Tabelle 27: Berufliche Interessen im Bereich E, nach Geschlecht und Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 =„kein Interesse“)
Das Interesse wird in jeder höheren Klassenstufe ein wenig stärker (F(3, 1925) = 3.60, p = 0.01, partielles η² = 0.006). Die Post-hoc-Analysen ergeben signifikante Unterschiede zwischen der 7. und 10. Klassenstufe (p = 0.01) und der 8. und 10. Klassenstufe (p = 0.01). Dieser Effekt ist allerdings auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede zurückzuführen (Klassenstufe x Geschlecht: F(3, 1925) = 2.70, p = 0.05). Während das Interesse der Jungen über verschiedene Klassenstufen gleich ist (F(3, 898) = 0.21, p = 0.89, partielles η² = 0.001), zeigen Mädchen in den höheren Klassenstufen ein signifikant stärkeres Interesse (F(3, 1027 = 6.63, p < 0.001, partielles η² = 0.02). Dabei sind die Unterschiede
102
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
zwischen der 7. und 10. Klassenstufe sowie der 8. und 10. Klassenstufe signifikant (p = 0.002 und p = 0.001). Während die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in den Klassenstufen 7 und 8 signifikant sind (7. Klassenstufe: t(304) = 2.04, p = 0.04; 8. Klassenstufe: t(784) = 2.73, p = 0.006) zeigen sich in den Klassenstufen 9 und 10 keine Unterschiede (9. Klassenstufe: t(321) = 0.45, p = 0.65; 10. Klassenstufe: t(516) = 0.53, p = 0.59).
Abbildung 21: Berufliche Interessen im Bereich E, Geschlecht x Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 =„kein Interesse“)
Konventioneller Bereich (C) Für den konventionellen Bereich ergibt sich ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor „Geschlecht“ zugunsten Jungen (F(1, 1927) = 87.81, p < 0.001, partielles η² = 0.04). Die Differenzen fallen allerdings nicht sehr groß aus. Es zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den einzelnen Klassenstufen (F(3, 1927) = 0.04, p = 0.99, partielles η² < 0.001.). Gesamt N = 1935
Mädchen N = 1035
Jungen N = 900
7 N = 310
8 N = 781
9 N = 324
10 N = 520
M
3.34
3.56
3.10
3.36
3.35
3.34
3.33
SD
1.00
0.93
1.01
1.05
1.00
0.96
0.97
Tabelle 28: Berufliche Interessen im Bereich C, nach Geschlecht und Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 =„kein Interesse“)
Die Interaktion der beiden Faktoren Geschlecht und Klassenstufe wird ebenfalls nicht signifikant (F(3, 1927) = 0.31, p = 0.82, partielles η² < 0.001).
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
103
Abbildung 22: Berufliche Interessen im Bereich C, Geschlecht x Klassenstufe (1 =„hohes Interesse“, 5 =„kein Interesse“)
Zusammenfassung der Ergebnisse Wie die berichteten Ergebnisse gezeigt haben, bestehen erwartungsgemäß die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den beruflichen Interessen: In den Bereichen R, I und C weisen Schüler ein höheres Interesse auf als Schülerinnen, Schülerinnen dagegen sind an den Bereichen A und S stärker interessiert als Schüler. Lediglich im Bereich E zeigten sich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Die Hypothese 3 wird somit weitgehend bestätigt. Im Hinblick auf die Forschungsfragen ergaben die Analysen folgende Ergebnisse: – In drei Bereichen (R, A und E) wurde ein signifikanter Unterschied zwischen den einzelnen Klassenstufen festgestellt. In den Bereichen R und A fiel das Interesse bei beiden Geschlechtern in den höheren Klassenstufen schwächer aus als in den niedrigeren Klassenstufen. Im Bereich E zeigte sich der Unterschied in umgekehrter Richtung: das Interesse in den höheren Klassenstufen war stärker als das Interesse in den niedrigeren Klassenstufen, was darauf zurückzuführen ist, dass Mädchen der höheren Klassenstufen ein stärkeres Interesse hatten als Mädchen der niedrigeren Klassenstufen. In den Bereichen I und C erwiesen sich die Ausprägungen der beruflichen Interessen über alle Klassenstufen hinweg als gleich. – Im Bereich S wurden die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in den höheren Klassenstufen größer, im Bereich E verschwanden hingegen die Unterschiede in den höheren Klassenstufen. Es bestehen somit zum Teil Unterschiede in der Ausprägung der beruflichen Interessen zwischen den einzelnen Klassenstufen. Die Unterschiede fallen je nach Bereich in unterschiedliche Richtungen aus. Gleichzeitig gibt es Bereiche, bei welchen keine Unterschiede zwischen den einzelnen Klassenstufen zu identifizieren sind.
104
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Geschlechtsspezifische Unterschiede bleiben in einigen Bereichen über alle Klassenstufen hinweg konstant, in anderen Bereichen werden sie entweder größer oder kleiner. 6.3.4 Prüfung der Hypothesenfamilie H4: Unterschiede in Bildungs- und Berufsvorhaben in Abhängigkeit von Geschlecht und Klassenstufe Abschließend soll untersucht werden, wie naturwissenschaftsbezogene Bildungsund Berufsvorhaben bei beiden Geschlechtern und in den einzelnen Klassenstufen ausgeprägt sind. Die Hypothesen lauten: H4.1: Schülerinnen weisen in den naturwissenschaftlich-technischen Bereichen niedrigere Bildungsaspirationen auf und äußern seltener einschlägige Berufsvorhaben. H4.2: Die Bildungs- und Berufsvorhaben zugunsten der naturwissenschaftlichtechnischen Bereiche fällen in den höheren Klassenstufen signifikant schwächer aus als in den niedrigeren Klassenstufen. H4.3: Die geschlechtsspezifischen Unterschiede der Bildungs- und Berufsvorhaben sind in den höheren Klassenstufen größer als in den niedrigeren Klassenstufen. Bildungsvorhaben Die Schülerinnen und Schüler wurden gefragt, inwiefern sie sich vorstellen können, eine Vertiefung im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich zu wählen.18 Die ANOVA ergibt hier einen signifikanten Haupteffekt für den Faktor Geschlecht (F(1, 1954) = 114.16, p < 0.001, partielles η² = 0.06). Erwartungskonform weisen Jungen eine signifikant stärkere naturwissenschaftliche bzw. technische Ausrichtung als Mädchen auf. Die Hypothese H4.1 wird somit für den Bereich der Bildungsvorhaben gestützt. Gesamt N = 1962
Mädchen N = 1043
Jungen N = 919
7 N = 314
8 N = 799
9 N = 327
10 N = 522
M
3.04
3.38
2.65
3.10
3.12
2.90
2.97
SD
1.30
1.23
1.26
1.25
1.28
1.30
1.36
Tabelle 29: Bildungsvorhaben nach Geschlecht und Klassenstufe (1 =„trifft zu“, 5 =„trifft nicht zu“)
18 Bei diesem Item gab es noch einen Zusatz „bzw. mache bereits eine solche“, der im Rahmen des Förderprogramms „Schülerinnen forschen“ für höhere Klassenstufen angedacht war.
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
105
Der Haupteffekt des Faktors Klassenstufe ist nicht signifikant (F(3, 1954) = 2.31, p = 0.07, partielles η² = 0.004). Die Interaktion der beiden Faktoren Geschlecht und Klassenstufe wird hingegen signifikant (F(3, 1954) = 5.24, p = 0.001, partielles η² = 0.008). Dieser Effekt ist dadurch bedingt, dass die Vorstellungen der Jungen bezüglich der Vertiefung im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich in jeder höheren Klassenstufe ein wenig günstiger ausgeprägt sind, während sie bei den Mädchen, außer in der 9. Klassenstufe, ungünstiger werden. Die Hypothese H4.2 wird somit nur für die Mädchen bestätigt. Die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen sind in der 7. Klassenstufe gering und nicht signifikant (t(312) = 1.66, p = 0.10; Abbildung 23). In den anderen Klassenstufen werden die Unterschiede größer und signifikant (8. Klassenstufe: t(745,32) = 9.73, p < 0.001; 9. Klassenstufe: t(325) = 4.59, p < 0.001; 10. Klassenstufe: t(520) = 7.7, p < 0.001). Damit wird die Hypothese H4.3 gestützt.
Abbildung 23: Bildungsvorhaben, Geschlecht x Klassenstufe (1 =„trifft zu“, 5 =„trifft nicht zu“)
Berufsvorhaben Erwartungskonform können sich Jungen auch signifikant besser vorstellen, einen Beruf im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich zu ergreifen als Mädchen (F(1, 1957) = 171.05, p < 0.001, partielles η² = 0.08). Die Hypothese H4.1 wird demnach auch für den Bereich der beruflichen Aspirationen bestätigt.
106
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Gesamt N = 1965
Mädchen N = 1043
Jungen N = 922
7 N = 312
8 N = 802
9 N = 329
10 N = 522
M
3.03
3.43
2.57
3.04
3.09
2.95
2.98
SD
1.33
1.24
1.29
1.30
1.32
1.32
1.39
Tabelle 30: Berufsvorhaben nach Geschlecht und Klassenstufe (1 =„trifft zu“, 5 =„trifft nicht zu“)
Wie bei den Bildungsvorhaben zeigen sich auch hier keine signifikanten Unterschiede nach Klassenstufe (F(3, 1957) = 0.61, p = 0.61, partielles η² = 0.001). Die Interaktion der Faktoren Geschlecht x Klassenstufe wird hingegen signifikant (F(3, 1957) = 3.31, p = 0.02, partielles η² = 0.005). Es ergibt sich hier ein ähnliches Bild wie bei den Bildungsvorhaben: in jeder höheren Klassenstufe können Jungen sich eher vorstellen, einen Beruf im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich zu ergreifen, Mädchen dagegen weniger. Die Geschlechterunterschiede sind dabei in allen Klassenstufen hoch signifikant (p < 0.001). Die Hypothese H4.2 wird somit nur für Mädchen bestätigt und die Hypothese H4.3 wird gestützt.
Abbildung 24: Berufsvorhaben, Geschlecht x Klassenstufe (1 =„trifft zu“, 5 =„trifft nicht zu“)
6.4 ZUSAMMENFASSUNG DER BEFUNDE DER STUDIE I UND DISKUSSION Das Ziel der Studie I war die Untersuchung der Unterschiede fachspezifischer Fähigkeitsselbstkonzepte, fachspezifischer und beruflicher Interessen sowie der Bildungs- und Berufsvorhaben der Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 7 bis 10 aus Gymnasien. Die Analysen wurden auf der Basis von Querschnittsdaten
107
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
durchgeführt, die im Rahmen des Förderprogramms „Schülerinnen forschen“ erhoben wurden. Die Studie I wurde als eine Pseudo-Längsschnittstudie angelegt. Insgesamt wurden die Daten von rund 2.000 befragten Schülerinnen und Schüler ausgewertet. Die Erhebung von äquivalenten Daten im „echten“ Längsschnitt über so viele Klassenstufen ist in der Regel mit einem sehr großen Aufwand verbunden, weshalb Längsschnittdaten solcher Größenordnung selten gewonnen werden. Daher boten die Analysen in einem Pseudo-Längsschnitt auf der Grundlage der erhobenen Querschnittsdaten eine gute Möglichkeit, elaborierte Aussagen über die Ausprägungen der untersuchten Merkmale über mehrere Klassenstufen hinweg zu gewinnen. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Studie I ist, dass zum einen unterschiedliche Dimensionen des fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzeptes untersucht wurden, was differenziertere Angaben zu Ausprägungen der Fähigkeitsselbstkonzepte ermöglicht. Zum anderen wurden die bis jetzt in der Sekundarstufe I noch wenig erforschten beruflichen Interessen untersucht. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Befundlage für die fachspezifischen Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte. Konstrukt
Haupteffekt Geschlecht
Haupteffekt Klassenstufe
Interaktionseffekt Geschlecht x Klassenstufe
Interesse Physik
+ zugunsten der Jungen
+ Abnahme 7. Klassenstufe günstiger als 8, 9 und 10 Klassenstufe
+ Jungen: kein Unterschied, Mädchen: Abnahme
+ zugunsten der Jungen
+ Abnahme 8, 9 Klassenstufe günstiger als 10 Klassenstufe
--
Interesse Chemie
FSK Physik Dimension „absolut“
+ zugunsten der Jungen
+ Abnahme 7, 8 Klassenstufe günstiger als 9. Klassenstufe
--
FSK Chemie Dimension „absolut“
+ zugunsten der Jungen
+ Abnahme 8, 9 Klassenstufe günstiger als 10. Klassenstufe
--
FSK Physik Dimension „sozial“
+ zugunsten der Jungen
--
+ Jungen: Zunahme, Mädchen: Abnahme
FSK Chemie Dimension „sozial“
+ zugunsten der Jungen
--
--
Tabelle 30: Zusammenfassung der Befundlage für fachspezifische Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte („+“ signifikanter Effekt; „--“ kein Effekt)
108
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Wie die berichteten Ergebnisse zeigen, wurden in den Fächern Physik und Chemie sowohl beim Fähigkeitsselbstkonzept, als auch beim Fachinteresse durchgehend signifikante Geschlechterunterschiede zugunsten der Jungen festgestellt. Die Geschlechterunterschiede waren im Fach Physik deutlich größer als im Fach Chemie: Während die Effektstärken im Fach Physik im mittleren Bereich lagen, fielen die Effektstärken im Fach Chemie klein aus. Somit erweist sich für Mädchen vor allem das Fach Physik als uninteressant und besonders hier schätzen sie ihre Fähigkeiten deutlich schlechter ein als Jungen. Diese Befunde stehen im Einklang mit zahlreichen empirischen Studien, die zeigen, dass a) Mädchen über deutlich geringere naturwissenschaftsbezogene Fähigkeitsselbstkonzepte verfügen als Jungen (Daniels, 2008, Kessels, 2005, 2005; Kessels & Hannover, 2004a; Pawek, 2009; Prenzel et al., 2009; Roeder & Gruehn, 1997; Schütte et al., 2007a) und b) Mädchen im Vergleich zu Jungen ein geringeres Interesse an Physik und Chemie bekunden und vor allem das Fach Physik als eines der unbeliebtesten Fächer bei Mädchen gilt (Daniels, 2008; Engeln, 2004; Hoffmann et al., 1998; Lehrke, 1988; Osborne et al., 2003; Pawek, 2009; Prenzel et al., 2009; Woest, 1997b; Zwick & Renn, 2000). Schließlich stehen diese Ergebnisse auch im Einklang mit dem Berufswahlverhalten von Mädchen, da vor allem das Fach Physik, und weniger das Fach Chemie, als Studienfach von Mädchen gemieden wird (Heine et al., 2006; Statistisches Bundesamt, 2011). Beim Fachinteresse in Physik nahmen die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den höheren Klassenstufen nochmals zu: Während das Interesse der Jungen über alle Klassenstufen hinweg weitgehend gleich stark ausgeprägt war, war das Interesse der Mädchen der höheren Klassenstufen im Vergleich zu niedrigeren Klassenstufen geringer. Der größte Interessenunterschied zeigte sich bei Mädchen zwischen der 7. und 8. Klassenstufe. Wie die Befunde zeigen, verlieren im Fach Physik somit vor allem Mädchen das Interesse. Hoffmann et al. (1998) berichten, dass in der IPN-Studie der Abfall des Fachinteresses in Physik bei den Jungen nicht so stark ausfiel wie bei den Mädchen und dass dieses zum Ende des 10. Schuljahres wieder etwa auf dem Ausgangsniveau der 7. Klassenstufe war. Folglich zeigte sich in dieser Studie eine negative Entwicklung ebenfalls vorwiegend für Mädchen. Der größte Interessenabfall vollzog sich bei beiden Geschlechtern zwischen der 7. und der 8. Klassenstufe (Hoffmann et al., 1998). Die Befunde dieser Studie belegen für das Fach Physik ebenfalls den größten Unterschied zwischen der 7. und der 8. Klassenstufe, allerdings nur für Schülerinnen. Im Fach Chemie blieben die geschlechtsspezifischen Unterschiede über alle Klassenstufen hinweg annähernd gleich und das Fachinteresse war bei beiden Geschlechtern in der 10. Klassenstufe signifikant schwächer ausgeprägt als in der 8. und 9. Klassenstufe. Insgesamt zeigen die Befunde, dass es a) im Fach Chemie im Gegensatz zum Fach Physik in den höheren Klassenstufen bei beiden Geschlechtern zu einem Interessenabfall kommt und b) sich der Interessenabfall bei Mädchen im Fach Chemie langsamer vollzieht als im Fach Physik. Der negative Effekt des Fachunterrichts auf das Interesse der Mädchen tritt somit in Physik früher ein als in Chemie. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Fördermaßnahmen zwecks der
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Interessenförderung früh stattfinden sollten. Dies gilt vor allem für Mädchen und für die Fachrichtung Physik. Das Ergebnis, wonach das Fachinteresse in Chemie sowohl bei den Jungen, als auch bei den Mädchen in den höheren Klassenstufen schwächer ausfällt, im Fach Physik allerdings nur bei den Mädchen, wirft die Frage nach der Ursache auf. In der Forschungsliteratur wird auf die wichtige Rolle fachspezifischer Fähigkeitsselbstkonzepte für die Interessenentwicklung verwiesen (Möller & Trautwein, 2009). Die Ergebnisse der IPN-Studie belegen, dass der stärkste Prädiktor für das Fachinteresse für beide Geschlechter ein Physik-bezogenes Selbstkonzept war (Hoffmann et al., 1998). Daniels (2008) berichtet ebenfalls über einen signifikanten Einfluss des Fähigkeitsselbstkonzeptes auf den Rückgang des Interesses in Physik und Mathematik. Somit scheint es, dass die ungleichen Interessenverläufe bei Mädchen und Jungen vor allem auf Unterschiede in fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten zurückzuführen sind. Diese Annahme bestätigen auch die Befunde zu Fähigkeitsselbstkonzepten. Wie die Ergebnisse zeigten, fiel im Fach Chemie bei beiden Geschlechtern das FSK in der Dimension „absolut“ in den höheren Klassenstufen schwächer aus, in der Dimension „sozial“ blieb das FSK über alle Klassenstufen hinweg konstant. Im Fach Physik nahm das FSK in der Dimension „absolut“ ebenfalls bei beiden Geschlechtern ab, in der Dimension „sozial“ zeigte sich dagegen ein scherenartiger Verlauf: das FSK der Mädchen war in jeder höheren Klassenstufe schwächer, das FSK der Jungen hingegen stärker. Die unterschiedlichen Entwicklungsverläufe zwischen Jungen und Mädchen im Fähigkeitsselbstkonzept der Dimension „sozial“ scheinen demzufolge entsprechende Auswirkungen auf das Fachinteresse in Physik zu haben. Beim Fähigkeitsselbstkonzept fielen die geschlechtsspezifischen Unterschiede, wie beim Interesse, im Fach Physik wesentlich stärker aus als im Fach Chemie. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede je nach Dimension: So waren die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen in der Dimension „sozial“ in beiden Fächern größer als in der Dimension „absolut“. Besonders stark fiel dieser Unterschied im Fach Physik aus. Somit schätzten Mädchen ihre Fähigkeiten im Fach Physik vor allem im direkten Vergleich zu Jungen erheblich schlechter ein. Bemerkenswert ist, dass im Fach Physik in der Dimension „sozial“ im ersten Unterrichtsjahr (7. Klassenstufe) keine signifikanten Unterschiede im Fähigkeitsselbstkonzept zwischen Mädchen und Jungen beobachtet wurden. Danach zeigte sich, wie bereits oben erwähnt, ein scherenartiger Verlauf: das Fähigkeitsselbstkonzept der Jungen wurde in den höheren Klassenstufen stärker als in den niedrigeren, das Fähigkeitsselbstkonzept der Mädchen dagegen schwächer. Überraschenderweise gilt dieses Ergebnis nur für das Fach Physik. Im Fach Chemie ergaben sich keine signifikanten Unterschiede in den Verläufen der Fähigkeitsselbstkonzeptausprägungen der Dimension „sozial“. An dieser Stelle spiegeln die Befunde das Phänomen, wonach vor allem Physik als Jungenfach gilt (Kessels, 2008, 2008; Kessels & Hannover, 2006). Bei der Dimension „absolut“ blieben die geschlechtsspezifischen Unterschiede in beiden Fächern über alle Klassenstufen hinweg annährend gleich. Bei beiden
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Geschlechtern war das Fähigkeitsselbstkonzept in dieser Dimension in den niedrigeren Klassenstufen günstiger ausgeprägt als in den höheren Klassenstufen. Dies gilt sowohl für das Fach Physik, als auch für das Fach Chemie. Bemerkenswert ist, dass sich der signifikante Unterschied im Fähigkeitsselbstkonzept der Dimension „absolut“ in beiden Fächern nach zwei Jahren des Fachunterrichts zeigt - bei Mädchen und Jungen gleichermaßen. Womöglich werden die Anforderungen in beiden Fächern nach zwei Jahren Fachunterricht deutlich höher, was bei Schülerinnen und Schülern zu schlechteren Wahrnehmungen des eigenen Selbst in diesen Fächern führt. Insgesamt zeigte sich bezogen auf die Fähigkeitsselbstkonzepte ein verblüffendes Bild: Einerseits schätzten Jungen der höheren Klassenstufen ihre Fähigkeiten im Fach Physik als „absolut“ schlechter ein, als Jungen der niedrigeren Klassenstufen, gleichzeitig waren sie stärker als Jungen aus den niedrigeren Klassenstufen davon überzeugt, dass ihre Fähigkeiten im Fach Physik besser sind als die Fähigkeiten der Mädchen. Mädchen schätzten sich dabei sowohl „absolut“ als auch im Vergleich zu Jungen in jeder höheren Klassenstufe schlechter ein. Ein möglicher Grund für dieses Ergebnis ist die Annahme, dass in den höheren Klassenstufen die Leistungsunterschiede zwischen Mädchen und Jungen größer sind als in den niedrigeren Klassenstufen. Die Ergebnisse von PISA 2009 und PISA 2006 zeigen allerdings für die 15-jährigen Schülerinnen und Schüler, dass die Leistungsdifferenz in Naturwissenschaften zwischen den beiden Geschlechtern gering ausfällt und nicht signifikant ist (Prenzel, Schöps et al., 2007; Rönnebeck et al., 2010). Vielmehr scheint an dieser Stelle das bereits berichtete Phänomen verantwortlich zu sein, wonach das Fach Physik in mentalen Repräsentationen der Jugendlichen als „Jungenfach“ gilt (Kessels, 2008; Kessels & Hannover, 2006). Diese Vorstellungen scheinen mit fortlaufendem Alter im Laufe der geschlechtsspezifischen Sozialisationsprozesse noch stärker zu werden. Dies untermauern auch die Befunde einer Längsschnittstudie an einem Mädchengymnasium, die zeigten, dass die Fähigkeitsselbstkonzepte der Schülerinnen in den Fächern Physik und Chemie in der Dimension „sozial“ innerhalb von zwei Schuljahren absanken, nicht aber der Dimension „absolut“ (Mokhonko & Nickolaus, 2014). Somit schätzten Mädchen ihre fachspezifischen Fähigkeiten in Physik und Chemie im direkten Vergleich zu den Fähigkeiten der Jungen nach zwei Jahren signifikant schlechter ein, ohne diese Vergleichsgruppe (Jungen) im schulischen Unterricht zu haben. Die hier berichteten Ergebnisse zeigen, dass je nach Fach und je nach Dimension des Fähigkeitsselbstkonzeptes die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen unterschiedlich stark ausfallen und ungleiche Entwicklungsverläufe im Fähigkeitsselbstkonzept zu identifizieren sind. In künftigen Untersuchungen sollten deshalb die unterschiedlichen Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes stärker berücksichtigt und genaueren Analysen unterzogen werden. Insgesamt geben die Ergebnisse wichtige Hinweise darauf, dass bei der Nachwuchsförderung in den Naturwissenschaften (vor allem in Physik!) in Bezug auf die Fähigkeitsselbstkonzepte differenzierte Förderansätze bei den pädagogischen Fördermaßnahmen verfolgt werden sollten: Während bei Jungen der Förderaspekt
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auf das Fähigkeitsselbstkonzept der Dimension „absolut“ gelegt werden sollte, sollten bei Mädchen sowohl die Dimension „absolut“, als auch die Dimension „sozial“ gefördert werden, wobei die Förderung der Dimension „sozial“ besondere Beachtung finden sollte. Der Schwerpunkt bei der Förderung von Mädchen sollte darauf gelegt werden, geschlechtsspezifische Stereotype abzubauen. Über positive Interventionseffekte berichten in diesem Zusammenhang beispielsweise Kessels und Hannover (2006), die zeigten, dass negative Prototypen durch eine Konfrontation mit einem weiblichen Rollenmodell korrigiert werden konnten. Darüber hinaus sollten die Fördermaßnahmen früh eingesetzt werden, bevor das Fähigkeitsselbstkonzept in den höheren Klassenstufen schwächer wird. Hinzu kommt auch, dass sich das Fähigkeitsselbstkonzept mit zunehmendem Alter stabilisiert (Möller & Trautwein, 2009), was die Erzielung von Fördereffekten nochmals erschwert. Die Befunde zu beruflichen Interessen belegten vielfach berichtete Unterschiede in der Struktur der beruflichen Interessen (Eder, 2012; Nagy, 2005). Die folgende Abbildung zeigt die Profilverläufe der beruflichen Interessen nach Geschlecht, wie sie sich in dieser Studie ergaben.
Abbildung 25: Profilverläufe der beruflichen Interessen nach Geschlecht (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
In den Bereichen R und I zeigten Jungen ein signifikant stärkeres Interesse als Mädchen. Mädchen interessierten sich stärker als Jungen für die Bereiche A und S. Im Bereich C wurden ebenfalls geschlechtsspezifische Unterschiede zugunsten von Jungen ermittelt, allerdings fanden sowohl Mädchen, als auch Jungen diesen Bereich im Vergleich zu den anderen Bereichen wenig interessant. Dieser Befund ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass sich die Gymnasiasten auf Grund ihrer hohen Schulbildung für die unter dieser Kategorie erfassten Tätigkeiten als „überqualifiziert“ fühlen und sich eher für anspruchsvollere Tätigkeiten interessieren. Im Bereich E wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen identifiziert und beide Geschlechter verfügten in diesem Bereich über eine hohe
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Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
Interessenausprägung. Auch Nagy (2005) ermittelte im Bereich E keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede. Die Analysen zu den Ausprägungen der beruflichen Interessen von der 7. bis zur 10. Klassenstufe ergaben ein differenziertes Bild. So zeigten die Ergebnisse, dass die Ausprägungen in den Bereichen I und C der beruflichen Interessen bei beiden Geschlechtern über verschiedene Klassenstufen hinweg gleich sind, in allen anderen Bereichen zeigten sich dagegen Unterschiede zwischen den einzelnen Klassenstufen (vgl. Tabelle 31). Konstrukt
Haupteffekt Geschlecht
Haupteffekt Klassenstufe
Interaktionseffekt Geschlecht x Klassenstufe
R
+ zugunsten der Jungen
+ Abnahme 7 Klassenstufe stärker als 10. Klassenstufe
-
I
+ zugunsten der Jungen
-
(+)
A
+ zugunsten der Mädchen
+ Abnahme in jeder Klassenstufe schwächer
-
S
+ zugunsten der Mädchen
-
+ Jungen: außer 9. Klassenstufe kein Unterschied Mädchen: Zunahme
E
-
C
+ zugunsten der Jungen
+ + Zunahme Jungen: kein Unterschied 7, 8 Klassenstufe schwäMädchen: Zunahme cher als 10 Klassenstufe -
-
Tabelle 31: Zusammenfassung der Befunde für berufliche Interessen ( „+“ signifikanter Effekt, „-“ kein Effekt, „(+)“ tendenzieller Effekt)
Die Unterschiede zwischen den Klassenstufen weisen je nach Bereich entweder eine abnehmende oder zunehmende Tendenz auf: – In den Bereichen R und A fiel sowohl bei Jungen, als auch bei Mädchen das Interesse in den höheren Klassenstufen schwächer aus als in den niedrigeren Klassenstufen. – In den Bereichen S und E zeigten Mädchen in höheren Klassenstufen ein stärkeres Interesse. Bei Jungen verblieb das Interesse mit einer Ausnahme (im Bereich S) in allen Klassenstufen auf dem gleichen Niveau. Der Geschlechterunterschied erwies sich somit in den Bereichen R, A und C als stabil, im Bereich S und (tendenziell) im Bereich I nahm er zu, im Bereich E nahm
Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
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er ab. Auffällig ist, dass bei Jungen die Interessenausprägungen über die Klassenstufen hinweg entweder gleich waren oder in den höheren Klassenstufen geringer wurden. Es wurde bei Jungen, anders als bei Mädchen, in keinem Bereich ein stärkeres berufliches Interesse in den höheren Klassenstufen festgestellt. Insgesamt ist zu konstatieren, dass es in der Sekundarstufe I je nach Bereich zu einem Absinken oder einem Zuwachs von beruflichen Interessen kommt und die Entwicklung der beruflichen Interessen somit noch nicht abgeschlossen ist. Gleichzeitig gibt es aber auch Bereiche, in welchen es bereits von der 7. bis zur 10. Klassenstufe zu keinen Interessenveränderungen kommt. Somit weisen die Befunde dieser Studie darauf hin, dass berufliche Interessen bereits in der Sekundarstufe I stabil werden können. Ferner muss angemerkt werden, dass Veränderungen in den Interessenausprägungen nicht notwendigerweise zu Variationen in der Profildifferenzierung der beruflichen Interessen führen. Nagy und Husemann (2010) haben beispielsweise einen abnehmenden Trend im Interessenniveau ermittelt, die Profildifferenzierung der Interessen blieb bei den befragten Personen allerdings gleich. Untersucht wurden in dieser Studie Schülerinnen und Schüler der 10. bis 13. Klassenstufe. In künftigen empirischen Arbeiten wäre es daher wichtig, zu untersuchen, ob und inwiefern sich bei Interessenveränderungen in einzelnen Bereichen auch Profildifferenzierungen der beruflichen Interessen bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I verändern. Für beide Geschlechter gilt aber: In den für die MINT-Berufe relevanten Bereichen R und I wurde kein stärkeres Interesse in den höheren Klassenstufen beobachtet. Im Bereich I war die Interessenausprägung über alle Klassenstufen hinweg stabil (aber auf einem niedrigen Niveau), im Bereich R wurde die Interessenausprägung in den höheren Klassenstufen bei beiden Geschlechtern geringer. Insgesamt spricht auch hier die Befundlage zu beruflichen Interessen für den frühen Einsatz von Interventionsmaßnahmen. Erwartungskonform zeigten sich auch geschlechtsspezifische Unterschiede zugunsten von Jungen in Bezug auf Bildungs- und Berufsvorhaben im naturwissenschaftlich-technischen Bereich, was im Einklang mit zahlreichen empirischen Befunden steht (Abel, 2002; Hannover, 1991; Kampshoff, 2007; Kessels & Hannover, 2004a; Roeder & Gruehn, 1997; Weßnigk, 2013). Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind bei den Berufsvorhaben größer als bei den Bildungsvorhaben. Die Intention der Mädchen, naturwissenschaftlich-technische Berufswege einzuschlagen, wird dabei in höheren Klassenstufen noch geringer, während die diesbezügliche Absicht der Jungen in höheren Klassenstufen leicht zunimmt. Auffallend ist dabei, dass, während die Intention der Jungen sowohl beim Bildungs- als auch beim Berufsvorhaben konstant zunimmt, sich bei Mädchen bei beiden Vorhaben ein Zick-Zack-Verlauf zeigt: So sinken die Werte der Mädchen in der 8. Klassenstufe und steigen dann in der 9. Klassenstufe wieder ungefähr auf das Ausgangsniveau der 7. Klassenstufe an. In der 10. Klassenstufe nehmen sie daraufhin wieder ab und befinden sich schließlich auf dem vorherigen Niveau der 8. Klassenstufe. Ein möglicher Grund für diese Verläufe könnte der Beginn des Faches Chemie in der 8. Klassenstufe sein. So zeigten die Befunde insgesamt, dass die
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Studie I: Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen in der Sekundarstufe I
geschlechtsspezifischen Unterschiede im Fach Chemie nicht so groß waren wie im Fach Physik. Die negativen Erfahrungen bei Mädchen mit dem Fach Physik in der 7. Klassenstufe und das Absinken des Interesses in der 8. Klassenstufe führen vermutlich zum Absinken von Bildungs- und Berufsintentionen in der 8. Klassenstufe. Die positiveren Erfahrungen mit dem Fach Chemie in der 8. Klassenstufe haben wiederum einen positiven Einfluss auf die Bildungs- und Berufsintention der Schülerinnen in der 9. Klassenstufe. Das Absinken des Fachinteresses in Chemie in der 10. Klassenstufe führt schließlich wiederum zu niedrigeren Werten bei den Bildungs- und Berufsvorhaben in der 10. Klassenstufe. Nicht ganz auszuschließen sind in diesem Fall aber auch Zufallseffekte. Es wäre daher in weiteren Untersuchungen zu überprüfen, welche Rolle Fächer wie Physik und Chemie im Einzelnen für die Leistungskurs- und Berufswahl im naturwissenschaftlich-technischen Bereich spielen. Auffällig ist, dass die geschlechtsspezifischen Verläufe der Bildungsvorhaben von der 7. bis 10. Klassenstufe den Verläufen der Berufsvorhaben ähnlich sind. Somit wird an dieser Stelle der Zusammenhang zwischen der Leistungskurswahl und Berufswahl sichtbar. 6.5 GRENZEN DER STUDIE Abschließend soll angemerkt werden, dass die Ergebnisse der Studie I mit Einschränkungen verbunden sind, da die Analysen nicht in einem echten Längsschnitt sondern im einen Pseudo-Längsschnitt erfolgten. Es können daraus keine endgültigen Aussagen über eine Entwicklung der untersuchten Merkmale abgeleitet werden. Allerdings wurden zahlreiche Befunde mit Ergebnissen dieser Studie repliziert, so dass die entwicklungsbezogenen Annahmen als aussagekräftig erscheinen. Dennoch wäre es erstrebenswert, weitere Studien zu diesem Forschungsbereich in einem Längsschnittdesign durchzuführen. Vor allem ist die Untersuchung der Entwicklung von fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten unterschiedlicher Dimensionen und beruflicher Interessen in der Sekundarstufe I ein lohnendes Forschungsziel. Eine weitere Einschränkung der Studie liegt darin, dass die Profilzüge (naturwissenschaftlicher vs. sprachlicher) in den Analysen nicht berücksichtigt wurden, da diese bei der Datenerhebung nur bei einem Teil der befragten Probanden (ungefähr ein Drittel) erfasst wurden. Einzelne Analysen (siehe dazu Mokhonko & Nickolaus, 2014) lassen vermuten, dass der Profilzug die Entwicklungsverläufe der fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepzte und Interessen im Laufe der Schulzeit beeinflusst. Deshalb bleibt es offen, ob die in dieser Studie ermittelten Ergebnisse für den sprachlichen und für den naturwissenschaftlichen Zug im gleichen Maße gelten. Auch dieser Aspekt sollte in künftigen Studien mitberücksichtigt werden.
7 STUDIE II: EFFEKTE DER FÖRDERMASSNAHMEN Gegenstand der Studie II ist die Untersuchung von Effekten der Schülerlabore in Bezug auf die Entwicklung von fachspezifischen und beruflichen Interessen, sowie fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten. Wie im Kapitel 3 berichtet, wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Schülerlabore zur Förderung von Schülerinnen und Schülern im MINT-Bereich gegründet. Die Begleitforschung zu diesen Maßnahmen steht allerdings noch in den Anfängen (Guderian & Priemer, 2008; Priemer & Lewalter, 2009). So entstanden in den letzten Jahren einige empirische Arbeiten zu den Effekten der Schülerlabore. Der im Kapitel 3.2 erfolgte Überblick über die ausgewählten Arbeiten zeigte aber, dass die Studien sich stark in ihren Forschungsdesigns, den Fragestellungen, der untersuchten Fachrichtung und der Zielgruppe voneinander unterscheiden, so dass die derzeitige Befundlage schwer generalisierbar ist, wenngleich Anlass besteht, keine großen und dauerhaften Effekte zu erwarten. Das Ziel der vorliegenden Studie II ist es, neue bzw. weitergehende Erkenntnisse über die Wirkungen der Schülerlabore zu gewinnen. Es werden die Effekte der Schülerlabore untersucht, die im Rahmen eines breit angelegten Förderprogramms „Schülerinnen forschen – Einblicke in Naturwissenschaften und Technik“ durchgeführt wurden. Das Förderprogramm wurde in Baden-Württemberg in den Jahren 2008 bis 2011 von acht Hochschulen realisiert. Das zentrale Ziel des Förderprogramms bestand darin, das Interesse der Schülerinnen an Naturwissenschaften und Technik zu wecken und sie für entsprechende Berufsfelder zu gewinnen.19 Das gesamte Förderprogramm wurde anfangs vornehmlich nur für (interessierte) Schülerinnen angeboten, kurz darauf wurden die Schülerlabore aber auch für ganze Schulklassen geöffnet. Somit wurden Labore entweder nur für Schülerinnen, die sich selbst für diese Maßnahmen aus unterschiedlichen Schulklassen bzw. Schulen angemeldet haben (Einzelanmeldung) oder für ganze Schulklassen (Klassenanmeldung durch die Lehrkraft) durchgeführt. Alle Förderangebote erfolgten monoedukativ. Insgesamt wurden innerhalb der dreijährigen Projektlaufzeit zahlreiche Fördermaßnahmen realisiert. An dem Förderprogramm konnten vorwiegend Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 7 bis 10 aus Gymnasien und Realschulen partizipieren (Mokhonko, Nickolaus & Windaus, 2014; Nickolaus et al., 2012). In dieser Studie werden die Effekte der Schülerlabore untersucht, die an fünf Hochschulen stattfanden und an denen ganze Schulklassen partizipierten. Dabei
19 Das Förderprogramm bestand aus drei Bausteinen: Schülerlabore, Feriencamps und Berufsberatung (ausführlich zum gesamten Förderprogramm siehe Nickolaus et al., 2012).
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Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
konzentrieren sich die Analysen primär auf die Schülerinnen und Schüler aus Gymnasien.20 Durch die unterschiedlichen Altersstufen der Probanden und unterschiedlich zugeschnittene Angebote wird es möglich, differenzierte Aussagen über die Effekte der Schülerlabore zu treffen. Untersucht werden dabei die Effekte auf fachspezifische und berufliche Interessen, sowie auf fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzepte, die als zentrale Prädiktoren bei schulischen und beruflichen Wahlentscheidungen gelten (vgl. Kap. 4.2 und 4.3). Im Folgenden werden die untersuchten Schülerlabore beschrieben. Beschreibung von Schülerlaboren (Mokhonko et al., 2014; Nickolaus et al., 2012) Die thematischen Zuschnitte der Labore wurden altersbezogen entwickelt. Als eines der zentralen Ziele aller Maßnahmen galt eine gendergerechte Themenauswahl. Die in den Laboren angebotenen Themen sollten an die Vorerfahrungen der Schülerinnen anknüpfen und einen Bezug zu ihrem Alltag aufweisen. Um weibliche Vorbilder in den Naturwissenschaften zu schaffen und geschlechtsspezifische Stereotype abzubauen, wurden in die Maßnahmen systematisch Studentinnen und/oder Doktorandinnen einbezogen. Zusätzlich wurden begleitende Informationen aus dem Berufsleben von Frauen in den Naturwissenschaften präsentiert. Ein weiteres standortübergreifendes Merkmal der Maßnahmen war, dass diese monoedukativ durchgeführt wurden. Die Klassen wurden in je zwei Gruppen aufgeteilt, so dass die Praxisphasen und das selbständige Experimentieren in monoedukativen Gruppen realisiert werden konnten. Die Teilnehmer/-innen arbeiteten in kleinen Teams, wobei das selbständige Experimentieren bedarfsbezogen unterstützt wurde. Die wahrgenommenen Erfolgserlebnisse und das positive Feedback sollten dazu führen, dass die Fähigkeitsselbstkonzepte in den Naturwissenschaften gefördert werden. Die Maßnahmen und Lehrarrangements wurden von den jeweiligen Standorten entwickelt und durchgeführt. Die standortspezifische Umsetzung der Maßnahmen führte dazu, dass neben den oben erörterten gemeinsamen Prinzipien der Maßnahmen zwischen den Laboren auch wesentliche Differenzen bestanden. In Bezug auf die in dieser Arbeit betrachteten Standorte bestanden folgende zentrale Unterschiede: a) die Durchführungsdauer der Maßnahmen (1 bis 18h), b) die angebotenen Themen in den Maßnahmen (Naturstoffe in der Kosmetik, Lebensmittel und Gesundheit, Medizinische Analytik und Diagnostik, Sonnenstrahlen und -schutz, Umweltschutztechnik, Solar, Alltags- und Umweltsensoren, Statik, Beschleunigung und Trägheit, Wasser und Umwelt, Wasserkreislauf etc.) und c) die einbezogenen Altersgruppen (7. bis 10. Klassenstufe). Somit wird deutlich, dass bei den 20 Im Rahmen des Förderprogramms „Schülerinnen forschen“ wurden bereits erste Befunde zu den Effekten der Fördermaßnahmen publiziert (Mokhonko, Nickolaus & Windaus (2014); Nickolaus, Mokhonko & Windaus (2012). Im Gegensatz zu diesen Arbeiten liegt der Fokus der vorliegenden Studie primär auf weitergehenden differenzierten Analysen einer Subgruppe. Weiterhin wurden im Rahmen dieser Studie zahlreiche Modifikationen bezüglich der Stichprobenauswahl, den Fragestellungen und den statistischen Auswertungen getroffen.
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
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realisierten Maßnahmen eine starke Strukturdifferenz besteht und es insgesamt eine breite Varianz an Laboren durchgeführt wurde. 7.1 FORSCHUNGSFRAGEN UND HYPOTHESEN Hypothesenfamilie H1: Entwicklung von fachspezifischen Interessen In den im Kapitel 3.2 beschriebenen Studien wurden die Effekte der Schülerlabore vornehmlich auf die Entwicklung des aktuellen Interesses untersucht (Engeln, 2004; Glowinski, 2007; Guderian, 2007; Pawek, 2009). In wenigen Arbeiten wurde auch die Entwicklung des Sachinteresses analysiert (Brandt, 2005; Guderian, 2007; Pawek, 2009). Das Fachinteresse wurde lediglich als unabhängige Variable erfasst (Engeln, 2004; Pawek, 2009; Weßnigk, 2013). Die Befunde zur Entwicklung des aktuellen Interesses zeigen, dass dieses bei den Schülerinnen und Schülern nach dem Besuch der Labore in der Regel hoch ausgeprägt ist. Allerdings bleibt durch das Fehlen des Kontrollgruppenvergleichs oder einer anderen Referenz wie dem Vergleich mit dem aktuellen Interesse aus dem schulischen Kontext offen, inwiefern die Ausprägung des aktuellen Interesses tatsächlich auf den Besuch der Maßnahmen zurückzuführen ist bzw. inwiefern es sich dabei um ein situationales oder um aktualisiertes Interesse handelt. Bei der Entwicklung des Sachinteresses wurden in den bisherigen Studien keine signifikant positiven Effekte festgestellt (Brandt, 2005; Guderian, 2007; Pawek, 2009). Die von Brandt (2005) untersuchten Maßnahmen waren allerdings von sehr kurzer Dauer. Pawek (2009) erfasste dagegen das Sachinteresse nicht direkt nach der Maßnahme, sondern lediglich vor der Maßnahme und ca. 6 bis 8 Wochen nach der Maßnahme, so dass es sich in diesem Fall nicht um „reine“ Fördereffekte sondern um die Stabilität der Fördereffekte handelt. Kaum untersucht wurde bisher die Förderung von Fachinteressen durch die Schülerlabore. Deren Untersuchung ist aber insofern ein wichtiges Forschungsziel, da Fachinteressen als zentrale Determinanten bei schulischen und beruflichen Entscheidungen gelten (vgl. Kap. 4.2 und 4.3). Daher stellt sich die Frage, ob bzw. inwiefern sich fachspezifische Interessen durch die Förderlabore entwickeln lassen. In der Interessenforschung wird darauf hingewiesen, dass sich das situationale Interesse stabilisieren und zur Entstehung des individuellen Interesses führen kann (Krapp, 1998). Da laut der Befundlage das aktuelle Interesse der Schülerinnen und Schüler nach dem Besuch der Schülerlabore stark ausgeprägt ist, kann angenommen werden, dass die durchgeführten Schülerlabore auch einen positiven Effekt auf die Entwicklung des Fachinteresses haben. Es wird demnach folgende Hypothese überprüft:
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Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
H1.1: Das Fachinteresse der Schülerinnen und Schüler an Physik und Chemie entwickelt sich positiv durch die Teilnahme an Schülerlaboren. In den oben berichteten Studien wurden größtenteils keine geschlechtsspezifischen Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen in der Ausprägung des aktuellen Interesses festgestellt (Engeln, 2004; Glowinski, 2007; Guderian, 2007). Guderian (2007) ermittelte lediglich bei der emotionalen Komponente bei Mädchen tendenziell höhere Werte als bei Jungen (5. Klassenstufe). In der Studie von Pawek (2009) zeigten sich allerdings Unterschiede in der emotionalen und epistemischen Komponente des aktuellen Interesses zugunsten von Jungen. Die in dieser Studie untersuchten Labore wurden ursprünglich primär zur Förderung von Schülerinnen, d.h. gendersensibel konzipiert. Die Themenauswahl orientierte sich an die Vorerfahrungen der Mädchen und sollte einen Bezug zu ihrem Alltag herstellen. Daher wird auch erwartet, dass die Entwicklung des Fachinteresses bei Schülerinnen stärker ist als bei Schülern. H1.2: Das Fachinteresse an Physik und Chemie entwickelt sich durch die Fördermaßnahmen bei Schülerinnen günstiger als bei Schülern. Guderian (2007) ermittelte, dass Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse, abgesehen von wenigen Ausnahmen, über alle Messzeitpunkte hinweg und bei allen Komponenten des aktuellen Interesses signifikant höhere Werte hatten, als die Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse. Beim Sachinteresse zeigten sich dagegen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern der 5. und der 8. Klassen. Wie im Kapitel 2.1 berichtet wurde, findet im Laufe der Schulzeit eine Interessenreduktion an den schulischen Fächern statt. Vor allem in den Fächern Physik und Chemie sinkt das Interesse stark. Gleichzeitig wird postuliert, dass ab dem 14. Lebensjahr eigene Interessen herausgebildet werden (Gottfredson 1981, zitiert nach (Ratschinski, 2009). Generell wird in der Interessenforschung angenommen, dass bezüglich der Interessenentwicklung „sowohl mit positiven als auch mit negativen Effekten umso eher zu rechnen (ist), je jünger die Kinder sind“ (Krapp, 1998, S. 197). Daher wird erwartet, dass H1.3 gestützt werden kann. H1.3: In den niedrigeren Klassenstufen sind eher Fördereffekte zu erwarten als in den höheren Klassenstufen. Um die Entwicklung des Fachinteresses differenziert analysieren zu können, werden zusätzlich die einzelnen Komponenten des Konstruktes untersucht und die oben aufgestellten Hypothesen für die einzelnen Komponenten ((a) emotionale (H1.1a– H1.3a), (b) wertbezogene (H1.1b–H1.3b) und (c) intrinsische (H1.1c–H1.3c)) überprüft.
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
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Hypothesenfamilie H2: Entwicklung von fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten In den Studien zu Effekten der Schülerlabore wurden positive Effekte in Bezug auf die Entwicklung von fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten festgestellt (Brandt, 2005; Pawek, 2009; Weßnigk, 2013). Auch für diese Arbeit wird erwartet, dass sich die fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepte der Schülerinnen und Schüler durch die Fördermaßnahmen positiv beeinflussen lassen. Auf Grund der genderspezifischen monoedukativen Ausrichtung der Maßnahmen sollen die erwarteten Effekte bei Schülerinnen stärker auftreten als bei Schülern. H2.1: Das fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzept der Schülerinnen und Schüler in Physik und Chemie entwickelt sich positiv durch die Teilnahme an Schülerlaboren. H2.2: Die Entwicklung des fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzeptes ist bei Schülerinnen günstiger als bei Schülern. In der Selbstkonzeptforschung finden sich Hinweise darauf, dass Fähigkeitsselbstkonzepte sehr stabile Konstrukte sind. Dabei nimmt die Stabilität der Fähigkeitsselbstkonzepte mit steigendem Alter zu (vgl. Kapitel 5.3). Folglich wird erwartet, dass es sich als schwieriger erweisen wird, die Fähigkeitsselbstkonzepte der Schülerinnen und Schüler aus den höheren Klassenstufen zu stimulieren, als die Fähigkeitsselbstkonzepte der Schülerinnen und Schüler aus den niedrigeren Klassenstufen. Es soll demnach folgende Hypothesen überprüft werden: H2.3: In den niedrigeren Klassenstufen sind die Interventionseffekte bezogen auf die Fähigkeitsselbstkonzepte stärker als in den höheren Klassenstufen. Wie bereits im Kapitel 5.3 erörtert wurde, erweist sich das Fähigkeitsselbstkonzept als ein mehrdimensionales Konstrukt. Auch für diese Studie stellt sich die Frage, ob die aufgestellten Hypothesen auf unterschiedliche Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes in gleicher Art und Weise zutreffen. Demzufolge werden die oben genannten Hypothesen auf die bereits in der Studie I untersuchten Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes „absolut“ und „sozial“ überprüft. Hypothesenfamilie H3: Entwicklung von beruflichen Interessen Die Entwicklung der beruflichen Interessen durch Schülerlabore wurde bis jetzt kaum erforscht. Für diese Studie wird angenommen, dass durch praktische Auseinandersetzungen mit naturwissenschaftlichen Fragestellungen berufliche Interessen in diesen Bereichen positiv stimuliert werden. Erfasst wurden die beruflichen Interessen in Anlehnung an die Kategorie von Holland (1997). Sowohl die Dimension „realistic“, als auch die Dimension „investigative“ korrespondieren stark mit
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Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
der Wahl eines naturwissenschaftlichen Studiengangs (Bergmann, 1992). Daher werden die unten aufgestellten Hypothesen auf diese beiden Dimensionen überprüft: H3.1: Berufliche Interessen (R und I) entwickeln sich positiv durch den Besuch der Förderlabore. H3.2: Die Entwicklung von beruflichen Interessen (R und I) ist bei Mädchen günstiger als bei Jungen. Nach Holland entstehen die Veränderungen in Interessen dann, wenn eine Auseinandersetzung mit Tätigkeiten zu Kongruenz zwischen Person und Tätigkeiten führt. Allerdings sind mit steigendem Alter die Veränderungen auf Grund kumulierter Erfahrungen immer weniger möglich (Holland 1985, zitiert nach Eder, 1992). Folglich wird auch für berufliche Interessen eine altersspezifische Abhängigkeit der Fördereffekte erwartet. H3.3: In den niedrigeren Klassenstufen sind die Interventionseffekte in Bezug auf die Förderung von beruflichen Interessen (R und I) stärker als in den höheren Klassenstufen.
Hypothesenfamilie H4: Entwicklung von Bildungs- und Berufsvorhaben In den Studien zu Effekten der Schülerlabore wurden positive Effekte auch in Bezug auf Berufsvorhaben festgestellt. So ermittelte Brandt (2005) in seiner Arbeit positive Fördereffekte der Schülerlabore auf die Vorstellung der Jugendlichen, einer beruflichen Tätigkeit im Chemiebereich nachzugehen. Die Effekte waren dabei sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen nachweisbar. Die Arbeit von Weßnigk (2013) erbrachte ebenfalls positive Effekte in Bezug auf die Entwicklung der Berufsorientierung zugunsten beruflicher Tätigkeiten im naturwissenschaftlichen Bereich. Der Fördereffekt beschränkte sich allerdings nur auf Mädchen. Vor dem Hintergrund dieser Befundlage wird auch für diese Studie erwartet, dass die Schülerlabore einen positiven Einfluss auf die Förderung von Bildungs- und Berufsvorhaben haben. Dabei sollen die Effekte unter Berücksichtigung der genderspezifischen Ausrichtung der Maßnahmen bei Mädchen stärker auftreten als bei Jungen. H4.1: Die Bildungsaspirationen der Schülerinnen und Schüler in den naturwissenschaftlich-technischen Bereichen und einschlägige Berufsvorhaben entwickeln sich positiv durch die Teilnahme an Schülerlaboren. H4.2: Die Fördereffekte fallen bei den Schülerinnen günstiger aus als bei den Schülern. H4.3: In den niedrigeren Klassenstufen sind eher Fördereffekte zu erwarten als in den höheren Klassenstufen.
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
121
Hypothese H5: Einflüsse der Maßnahmedauer auf die Interventionseffekte Wie bereits erörtert wurde, gelten fachspezifische Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte sowie berufliche Interessen als relativ stabile Konstrukte. Daher wird für diese Studie angenommen, dass diese Merkmale bei den länger andauernden Maßnahmen stärker stimuliert werden als bei den kürzeren Maßnahmen. H5: Länger andauernde Maßnahmen zeigen stärkere Effekte als kürzere Maßnahmen. Hypothese H6: Nachhaltigkeit der Effekte Die vorliegenden Studien zeigen, dass positive Effekte der Fördermaßnahmen größtenteils nicht nachhaltig bleiben (Brandt, 2005; Guderian, 2007). Punktuell wurden aber auch nachhaltige Effekte festgestellt. In der Arbeit von Engeln (2004) stiegen in der Follow-up Befragung die Werte der wertbezogenen Komponente signifikant an. Bei Pawek (2009) blieb die wertbezogene Komponente zur Follow-up Befragung auf dem gleichen Niveau und die emotionale sowie epistemische Komponente sanken dagegen nur leicht. Ein nachhaltiger Effekt zeigte sich bei Pawek (2009) auch in Bezug auf das naturwissenschaftsbezogene Fähigkeitsselbstkonzept. Brandt (2005) ermittelte einen nachhaltigen Effekt für berufliche Interessen. Auch Glowinski (2007) und Weßnigk (2013) berichten über punktuelle nachhaltige Effekte. Durch die spezifische Anlage des Förderprogramms wird für diese Studie erwartet, dass die ermittelten Effekte nachhaltig bleiben. H6: Die erzielten Effekte sind auch noch drei Monate nach Abschluss der Maßnahmen nachweisbar. 7.2 METHODE 7.2.1 Das Evaluationsdesign Die Datenerhebung erfolgte in den Jahren 2008 bis 2011 in einem Längsschnitt und im Experimental-Kontrollgruppendesign. Die Studie wurde ohne Randomisierung durchgeführt, daher handelt es sich um ein quasi-experimentelles Design (Rost, 2005). Die erste Erhebung (t1) fand in den Experimentalgruppen kurz vor dem Laborbesuch im Rahmen des Schulunterrichts statt, die zweite Erhebung (t2) direkt vor Ort am Ende des Laborbesuchs und die Follow-up Erhebung (t3) drei Monate nach dem Laborbesuch im Schulunterricht. Die gesamte Durchführungsdauer der angebotenen Labore für die Schulklassen variierte zwischen 1h und 18h. Somit erfolgte die zweite Erhebung zum Teil 1h, zum Teil aber auch 6 Wochen später (6 Sitzungen á 3 Stunden). Die Befragungen wurden schriftlich in Papierform durchgeführt. Aus organisatorischen Gründen konnte die Kontrollgruppe nur zu zwei Mess-
122
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
zeitpunkten befragt werden (t1 und t2). Da die Interventionszeiten der durchgeführten Labore stark variierten, wurde für die Kontrollgruppe ein durchschnittliches Zeitintervall festgesetzt und sie wurde im Abstand von vier Wochen zwischen t1 und t2 befragt. Die Erhebung erfolgte in anonymer Form. Um Fragebögen im Längsschnitt einander zuordnen zu können, wurden sie durch Schülerinnen und Schüler mit ihrem persönlichen Code versehen (Mokhonko et al., 2014; Nickolaus et al., 2012). In der folgenden Abbildung 26 ist das Versuchsdesign der Studie abgebildet. t1
t2
t3
EG
+
Fördermaßnahme
+
+
KG
+
keine Fördermaßnahme
+
--
Abbildung 26: Versuchsdesign („+“ Befragung; „--“ keine Befragung)
7.2.2 Stichprobe In der vorliegenden Studie II werden primär die Daten der Schülerinnen und Schüler aus Gymnasien, die im Laufe des Förderprogramms „Schülerinnen forschen“ an Schülerlaboren im Rahmen eines Klassenbesuchs teilgenommen haben, analysiert. Für die Analyse der Fördereffekte werden die Daten der Schülerinnen und Schüler einbezogen, die die Angaben sowohl zum ersten, als auch zum zweiten Messzeitpunkt gemacht haben. Die Follow-up Analysen erfolgen auf der Basis der Daten, bei welchen Angaben zu allen drei Messzeitpunkten vorliegen.21 Die Daten der Kontrollgruppe stammen ebenfalls aus regulären Klassen, die allerdings nicht an den Maßnahmen teilnahmen. Die Daten wurden an drei Gymnasien im Großraum Stuttgart erhoben. Die Kontrollgruppe unterscheidet sich zur Experimentalgruppe leicht bezüglich des Einzugsbereichs, da zwei Standorte, die Fördermaßnahmen durchführten, nicht im Großraum Stuttgart liegen. Obwohl im Laufe des Projektes angestrebt wurde, eine der Experimentalgruppe bezüglich des Umfangs entsprechende Kontrollgruppe zu realisieren, hatte die Kontrollgruppe aus Kostengründen doch einen deutlich kleineren Umfang als die Experimentalgruppe (Mokhonko et al., 2014). Im Rahmen dieser Arbeit wurde in Voranalysen festgestellt, dass die für die Varianzanalysen notwendige Voraussetzung der Varianzhomogenität bei der behandelten Stichprobe oft verletzt wurde. Zwar gelten Varianzanalysen als relativ robust gegenüber den Verletzungen ihrer Voraussetzungen, dies gilt aber nur dann, wenn die Stichproben gleich groß sind (Bortz, 2005). Aus diesem Grund wurde im Rahmen dieser Studie von der Autorin durch eine Randomisierung die Angleichung von Experimental- und Kontrollgruppe vorgenommen und die Größe der Experimentalgruppe per zufälliger Auswahl reduziert, so dass die Abweichungen zwischen den einzelnen Zellen der Ex-
21 Die Angaben zur Stichprobe der Follow-up Analysen erfolgen im Kapitel 7.3.7.
123
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
perimental- und Kontrollgruppe etwa das 1.5fache betragen (in Anlehnung an Leonhart, 2009).22 Die Fallzahl der Experimentalgruppe reduzierte sich dadurch um ca. 55% (von 1087 auf 487). Die Stichprobegröße variiert dabei leicht je nach Konstrukt. Die folgende Tabelle gibt die Stichprobenzusammensetzung der Experimental- und der Kontrollgruppe nach Geschlecht und Klassenstufe für das fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzept in Physik, Dimension „absolut“ wieder. N
w
m
7. Klasse
8. Klasse
9. Klasse
10. Klasse
EG
487
247
240
69
167
135
116
KG
361
197
164
118
96
79
68
Gesamt
848
444
404
187
263
214
184
Tabelle 32: Stichprobenzusammensetzung der Studie II (fachspezifisches Fähigkeitsselbstkonzept in Physik, Dimension „absolut“)
Insgesamt variiert die Stichprobengröße bei den Konstrukten zum Fach Physik zwischen N = 848 und N = 837. In den Analysen zum Fach Chemie wird die 7. Klassenstufe ausgeschlossen. Hier differiert die Stichprobengröße ebenfalls leicht je nach Konstrukt (N = 532 bis N = 537). Die Tabelle 32 gibt die Stichprobenzusammensetzung der Experimental- und der Kontrollgruppe für das fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzept in Chemie, Dimension „absolut“ wieder. N
w
m
8. Klasse
9. Klasse
10. Klasse
EG
295
158
137
133
81
81
KG
242
141
101
95
79
68
Gesamt
537
299
238
228
160
149
Tabelle 33: Stichprobenzusammensetzung der Studie II (fachspezifisches Fähigkeitsselbstkonzept in Chemie, Dimension „absolut“)
7.2.3 Erhebungsinstrumente Die Studie II basiert auf den Instrumenten, die bereits in der vorangegangenen Studie I untersucht und ausführlich im Kapitel 6.2.2 beschrieben wurden. Alle Tests waren zu den drei Messzeitpunkten identisch. Die folgenden Tabellen geben einen
22 Es wurde darauf geachtet, dass die Abweichungen in allen Zellen etwa das 1.5-fache betragen. Die Fallzahl der Probanden variierte aber je nach Fach und je nach Konstrukt, was es schwierig gemacht hat, die Abweichungen zwischen allen Zellen gleich zu halten. Aus diesem Grund betragen die Abweichungen zwischen der Experimental- und Kontrollgruppe im Fach Physik bei der Zelle „Klassenstufe“ etwa das 1.7fache.
124
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Überblick über alle Konstrukte und ihre statistischen Kennwerte zu zwei Messzeitpunkten23. Die Reliabilitäten der Skalen zum fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzept erweisen sich zu beiden Messzeitpunkten als „gut“ bis „sehr gut“. N Items FSK in Physik „absolut“ FSK in Chemie „absolut“ FSK in Physik „sozial“ FSK in Chemie „sozial“
N
t1
t2
Min
Max
M
SD
α
Min
Max
M
SD
α
4
848
1.00
5.00
2.84
0.88
0.88
1.00
5.00
2.81
0.85
0.89
4
537
1.00
5.00
2.75
0.92
0.91
1.00
5.00
2.78
0.94
0.93
4
837
1.00
5.00
2.84
0.93
0.93
1.00
5.00
2.81
0.88
0.93
4
532
1.00
5.00
2.75
0.94
0.95
1.00
5.00
2.77
0.94
0.96
Tabelle 34: Kennwerte der Skalen zum fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzept (FSK) (Dimension „absolut“: 1 = „sehr begabt“, 5 = „nicht begabt“; Dimension „sozial“ 1 = „begabter als Jungen/Mädchen“, 5 = „weniger begabt als Jungen/Mädchen“)
In der Tabelle 35 werden die statistischen Kennwerte für das Fachinteresse für das gesamte Konstrukt und für die einzelnen Dimensionen des Konstrukts angegeben. Die Reliabilitäten der Skalen für das gesamte Konstrukt erweisen sich zu zwei Messzeitpunkten als „sehr gut“. Die Reliabilitäten der Dimensionen „gefühlsbezogene Valenz“ und „wertbezogene Valenz“ sind zu zwei Messzeitpunkten „gut“ bis „sehr gut“. Die der Dimension „intrinsischer Charakter“ sind geringer, liegen aber ebenfalls im akzeptablen Bereich (α = 0.66 bis α = 0.73).
23 Die Trennschärfen der einzelnen Items werden an dieser Stelle nicht berichtet, da die Ergebnisse dieser Analysen mit den Ergebnissen der Analysen der Studie I größtenteils übereinstimmen.
125
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen N
N
Items Interesse Physik emotional wertbezogen intrinsisch Interesse Chemie emotional wertbezogen intrinsisch
t1
t2
Min
Max
M
SD
α
Min
Max
M
SD
α
6
843
1.00
5.00
3.08
1.06
0.92
1.00
5.00
3.00
1.03
0.92
2
843
1.00
5.00
2.91
1.20
0.88
1.00
5.00
2.81
1.45
0.90
2
843
1.00
5.00
2.97
1.19
0.87
1.00
5.00
2.96
1.12
0.86
2
843
1.00
5.00
3.35
1.05
0.70
1.00
5.00
3.22
1.07
0.72
6
533
1.00
5.00
2.86
1.05
0.93
1.00
5.00
2.84
1.01
0.92
2
533
1.00
5.00
2.55
1.17
0.88
1.00
5.00
2.56
1.16
0.90
2
533
1.00
5.00
2.92
1.15
0.89
1.00
5.00
2.91
1.11
0.89
2
533
1.00
5.00
3.11
1.09
0.73
1.00
5.00
3.05
1.06
0.66
Tabelle 35: Kennwerte der Skalen zum Fachinteresse (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Die Reliabilitäten der Skalen zu beruflichen Interessen liegen zu beiden Messzeitpunkten zwischen α = 0.68 und α = 0.81 und sind somit als akzeptabel bis gut zu beurteilen. Skala
N Items
N
t1
t2
Min
Max
M
SD
α
Min
Max
M
SD
α
R
3
855
1.00
5.00
3.00
1.01
0.76
1.00
5.00
3.12
1.07
0.81
I
4
849
1.00
5.00
2.95
0.93
0.75
1.00
5.00
2.96
0.93
0.76
A
4
812
1.00
5.00
2.60
0.99
0.77
1.00
5.00
2.57
0.96
0.75
S
3
845
1.00
5.00
3.00
1.10
0.80
1.00
5.00
2.91
1.09
0.82
E
3
840
1.00
5.00
2.43
0.90
0.70
1.00
5.00
2.48
0.89
0.68
C
3
839
1.00
5.00
3.35
1.01
0.79
1.00
5.00
3.24
1.02
0.80
Tabelle 36: Kennwerte der Skalen zu beruflichen Interessen (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
126
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
7.2.4 Statistisches Vorgehen Die Prüfung der Fördereffekte erfolgt mittels einer vierfaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung auf dem Faktor Zeit. Als unabhängige Variablen werden folgende Faktoren einbezogen: (1) Gruppe (Experimental- vs. Kontrollgruppe), (2) Zeit (t1 vs. t2), (3) Geschlecht (weiblich vs. männlich) und (4) Klassenstufe (7. bis 10. Klassenstufe). Die Analyse der Effekte der Schülerlabore in Abhängigkeit von der Maßnahmedauer erfolgt mittels zweifaktorieller Varianzanalyse mit Messwiederholung auf dem Faktor Zeit mit den unabhängigen Variablen (1) Zeit (t1 vs. t2) und (2) Dauer (1 bis 18 h aufgeteilt in 5 Kategorien). Für die Analyse der Nachhaltigkeit der Fördereffekte wird eine einfaktorielle Varianzanalyse mit dem Messwiederholungsfaktor Zeit (t1 vs. t2 vs. t3) durchgeführt. Die Voraussetzungen der Varianzanalysen mit Messwiederholung sind ähnlich den Voraussetzungen der Varianzanalysen ohne Messwiederholung (vgl. Kapitel 6.2.3). Allerdings wird im Vergleich zur Analyse ohne Messwiederholung bei der Varianzanalyse mit Messwiederholung die Voraussetzung der Unabhängigkeit der Untersuchungseinheiten verletzt, weil gleiche Tests mehrmals bei identischen Versuchspersonen durchgeführt werden (Bortz, 2005; Leonhart, 2009). Deshalb wird eine zusätzliche Voraussetzung angenommen, die besagt, dass die Korrelationen zwischen den einzelnen Messzeitpunkten homogen sein müssen (Sphärizitätsannahme; Bortz, 2005; Leonhart, 2009). Bei der Verletzung der Sphärizitätsannahme besteht die Gefahr eines α-Fehlers. In diesem Fall soll eine Korrektur nach Greenhouse und Geisser durchgeführt werden (Leonhart, 2009). 24 Die Sphärizitätsannahme kann allerdings bei Daten, die nur zu zwei Messzeitpunkten erhoben wurden, nicht überprüft werden, da in diesem Fall zwischen zwei Messungen nur eine Korrelation vorliegt. Für den Nachweis der Treatmenteffekte ist ein signifikanter Interaktionseffekt der jeweiligen Faktoren notwendig. Die Haupteffekte der Faktoren sind dabei „weder hinreichend noch notwendig“ für die Prüfung der Treatmenteffekte (Rudolf & Müller, 2004, S. 99). Da bei der Prüfung der oben aufgestellten Hypothesen viele Faktoren einfließen, werden im Verlauf der Arbeit nur die Haupteffekte berichtet, die im Rahmen der Hypothesenprüfung eine wichtige zusätzliche Information liefern. Für die Analysen der Effekte je nach Dauer wird die Durchführungsdauer in vier Kategorien aufgeteilt: 1. Labore mit einer gesamten Dauer von 1h bis 3h (halbtägige Angebote, einmalig), 2. Labore mit einer gesamten Dauer von von 3,5h bis 6,5h (eintägige Angebote, einmalig), 3. Labore mit einer gesamten Dauer von 8h bis 9h (3–4 h pro Sitzung, 2 bis 3 Tage) 24 Wird die Sphärizität nicht angenommen, werden bei den Analysen die nach Greenhouse-Geisser korrigierten Werte berichtet.
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
127
4. Labore mit einer gesamten Dauer von 12h bis 18h (3–4 h pro Sitzung, 4 bis 6 Tage). Im Zuge der Auswertungen werden ergänzend explorative Analysen zu standortspezifischen Effektunterschieden vorgenommen. Es werden dabei t-Tests für abhängige Stichproben durchgeführt. Berichtet wird dabei die Effektsstärke Cohens d. Für Cohens d gelten folgende Konventionen: d = 0,2: „kleiner Effekt“, d = 0,5: „mittlerer Effekt“, d = 0,8: „großer Effekt“ (Leonhart, 2009). Die Datenauswertung erfolgt mit der Software SPSS Version 20. 7.3 ERGEBNISSE Im Folgenden werden die oben formulierten Hypothesen überprüft. Es soll untersucht werden, inwieweit sich fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzepte, sowie fachspezifische und berufliche Interessen der Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 7 bis 10 durch die Schülerlabore positiv verändern lassen. Zu beachten ist auch für diese Studie, dass in die Analysen zum Fach Chemie die 7. Klassenstufe nicht mit eingeht. 7.3.1 Prüfung der Hypothesenfamilie H1: Entwicklung von fachspezifischen Interessen Die Hypothesen lauten: H1.1 (H1.1a – H.1.1c):25 Das Fachinteresse der Schülerinnen und Schüler an Physik und Chemie entwickelt sich positiv durch die Teilnahme an Schülerlaboren. H1.2 (H1.2a – H1.2c): Das Fachinteresse an Physik und Chemie entwickelt sich durch die Fördermaßnahmen bei Schülerinnen günstiger als bei Schülern. H1.3 (H1.3a – H1.3c): In den niedrigeren Klassenstufen sind eher Fördereffekte zu erwarten als in den höheren Klassenstufen. Im ersten Schritt wird die Entwicklung des Fachinteresses in Physik untersucht, danach wird die Entwicklung des Fachinteresses in Chemie analysiert. 7.3.1.1 Entwicklung des Fachinteresses in Physik (H1.1–H1.3) Für das Fachinteresse in Physik zeigt sich ein Haupteffekt für den Faktor Gruppe: die Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe weisen ein signifikant niedrigeres Interesse an Physik auf als die Schülerinnen und Schüler der Experimentalgruppe 25 a) emotionale Komponente, b) wertbezogene Komponente und c) intrinsische Komponente
128
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
(F(1, 827) = 22.56, p < 0.001, partielles η² = 0.003, vgl. Tabelle 37). Der Faktor Messzeitpunkt wird ebenfalls signifikant, was darauf zurückzuführen ist, dass beide Gruppen zum zweiten Messzeitpunkt ein leicht stärkeres Fachinteresse aufweisen als zum ersten Messzeitpunkt (F(1, 827) = 7.48, p = 0.006, partielles η² = 0.009). Die Interaktion der Faktoren Gruppe x Messzeitpunkt wird nicht signifikant (F(1, 827) = 1.24, p = 0.27, partielles η² = 0.001). Somit zeigt sich für die gesamte Experimentalgruppe kein signifikanter Fördereffekt durch die Schülerlabore. Die Hypothese H1.1 wird für das Fach Physik nicht bestätigt. EG (N = 490)
KG (N = 353)
M
SD
M
SD
t1
2.97
1.01
3.22
1.11
t2
2.86
0.99
3.18
1.05
Tabelle 37: Entwicklung des Fachinteresses in Physik (1 = „hohes Interesse“,5 = „kein Interesse“)
Die dreifachen Interaktionen werden ebenfalls nicht signifikant (Gruppe x Zeit x Geschlecht: F(1, 827) = 0.15, p = 0.70, partielles η² < 0.001; Gruppe x Zeit x Klassenstufe: F(3, 827) = 1.20, p = 0.31, partielles η² = 0.004). Signifikant wird hingegen die vierfache Interaktion (F(3, 827) = 2.58, p = 0.05, partielles η² = 0.009). Die getrennt gerechneten Analysen ergeben eine knapp über der Signifikanzgrenze liegende Interaktion Gruppe x Zeit x Geschlecht für die 7. Klassenstufe (F(1, 185) = 3.51, p = 0.06, partielles η² = 0.02). Dieser Effekt geht auf die signifikant positive Entwicklung bei den Mädchen der 7. Klassenstufe aus der Experimentalgruppe zurück (F(1, 106) = 13.84, p < 0.001, partielles η² = 0.12, vgl. Abbildung 27). Dabei bestehen bei Mädchen der 7. Klassenstufe keine Unterschiede in den Eingangswerten zwischen der Experimental- und Kontrollgruppe (t(106) = 0.22, p = 0.83), so dass dieser Effekt nicht auf Eingangsunterschiede zurückzuführen ist. Bei den Jungen der 7. Klassenstufe aus beiden Versuchsgruppen zeigt sich dagegen keine signifikante Veränderung im Fachinteresse über die zwei Messzeitpunkte (F(1, 79) < 0.001, p = 0.99, partielles η² < 0.001).
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
129
Abbildung 27: Entwicklung des Fachinteresses in Physik nach Geschlecht (7. Klassenstufe) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Somit werden die Interventionsvorteile zugunsten von Mädchen und den niedrigeren Klassenstufen lediglich in einem Fall ermittelt: das Interesse der Mädchen der 7. Klassenstufe nahm nach den Maßnahmen signifikant zu. Die Hypothesen H1.2 und H1.3 werden nur zum Teil gestützt. Entwicklung der einzelnen Komponenten des Fachinteresses in Physik Im Folgenden wird überprüft, ob sich die einzelnen Komponenten des Fachinteresses in Physik unterschiedlich entwickeln (Hypothesen H1.1a–c; H1.2a–c; H1.3a–c). Emotionale Komponente (H1.1a–H1.3a) Bei der emotionalen Komponente zeigt sich ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Gruppe (F(1, 827) = 25.38, p < 0.001, partielles η² = 0.03), was auf schwächere Werte der Kontrollgruppe zurückzuführen ist (vgl. Tabelle 38). Ebenfalls wird der Haupteffekt des Faktors Zeit signifikant: Bei beiden Gruppen steigen die Werte zum zweiten Messzeitpunkt an (F(1, 827) = 5.61, p = 0.02, partielles η² = 0.007).
130
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen EG (N = 490)
KG (N = 353)
M
SD
M
SD
t1
2.77
1.15
3.10
1.24
t2
2.67
1.10
3.01
1.19
Tabelle 38: Entwicklung des Fachinteresses in Physik, emotionale Komponente (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Die Interaktion der beiden Faktoren Gruppe x Zeit ist nicht signifikant (F(1, 827) < 0.001, p = 0.99, partielles η² < 0.001). Die Experimentalgruppe zeigt zum zweiten Messzeitpunkt zwar positivere Werte bei der emotionalen Komponente im Vergleich zum ersten Messzeitpunkt, dies gilt aber auch für die Kontrollgruppe. Die Hypothese H1.1a wird verworfen. Die Hinzunahme der Faktoren Geschlecht und Klassenstufe ergibt keine signifikanten Interaktionen zweiter Ordnung (Gruppe x Zeit x Geschlecht: F(1, 827) = 0.11, p = 0.74, partielles η² < 0.001; Gruppe x Zeit x Klassenstufe: F(3, 827) = 0.21, p = 0.89, partielles η² = 0.001). Die vierfache Interaktion wird signifikant (F(3, 827) = 5.03, p = 0.002, partielles η² = 0.02). Dieser Effekt resultiert daraus, dass in der 7. und 10. Klassenstufe die Interaktion Gruppe x Zeit x Geschlecht signifikant wird (7. Klassenstufe: F(1, 185) = 6.61, p =0.01, partielles η² = 0.04; 10. Klassenstufe: F(1, 180) = 6.49, p = 0.01, partielles η² = 0.03). Die für beide Geschlechter getrennt durchgeführten Analysen zeigen, dass die Entwicklung der emotionalen Komponente bei Mädchen und Jungen in diesen Klassenstufen unterschiedlich verläuft: In der 7. Klassenstufe entwickelt sich die emotionale Komponente bei den Mädchen der Experimentalgruppe im Vergleich zu denen der Kontrollgruppe signifikant positiv (F(1, 106) = 8.40, p = 0.005, partielles η² = 0.07, vgl. Abbildung 28). Hier zeigen sich ebenfalls keine Unterschiede in den Eingangswerten zwischen der Experimental- und Kontrollgruppe (t(106) = 0.43, p = 0.66). Bei Jungen der Experimentalgruppe sinkt dagegen die emotionale Komponente, die Interaktion Gruppe x Zeit ist aber nicht signifikant (F(1, 79) = 1.33, p = 0.25, partielles η² = 0.02).
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
131
Abbildung 28: Entwicklung der emotionalen Komponente in Physik (7. Klassenstufe) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
In der 10. Klassenstufe fallen die Veränderungen der emotionalen Komponente bei Mädchen und Jungen der Experimental- und Kontrollgruppe umgekehrt aus (vgl. Abbildung 29). Die Veränderungen liegen allerdings bei beiden Geschlechtern (knapp) über der Signifikanzgrenze (Mädchen F(1, 92) = 3.67, p = 0.06, partielles η² = 0.04; Jungen F(1, 88) = 2.92, p = 0.09, partielles η² = 0.03).
Abbildung 29: Entwicklung der emotionalen Komponente in Physik (10. Klassenstufe) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Es lässt sich festhalten, dass sich die emotionale Komponente des Fachinteresses lediglich bei Mädchen der 7. Klassenstufe der Experimentalgruppe signifikant positiv entwickelt hat. Die Hypothesen H1.2a und H1.3a werden nur zum Teil gestützt.
132
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Wertbezogene Komponente (H1.1b–H1.3b) Bei der wertbezogenen Komponente zeigen Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe ebenfalls schwächere Werte als die Schülerinnen und Schüler der Experimentalgruppe und der Haupteffekt des Faktors Gruppe wird signifikant (F(1, 827) = 11.47, p = 0.001, partielles η² = 0.01, vgl. Tabelle 39). Der Haupteffekt des Faktors Zeit ist nicht signifikant (F(1, 827) = 0.30, p = 0.59, partielles η² < 0.001). EG (N = 490)
KG (N = 353)
M
SD
M
SD
t1
2.88
1.14
3.10
1.24
t2
2.86
1.01
3.09
1.15
Tabelle 39: Entwicklung des Fachinteresses in Physik, wertbezogene Komponente (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Ferner erweist sich die Interaktion der beiden Faktoren Gruppe x Zeit als nicht signifikant (F(1, 827) < 0.001, p = 0.97, partielles η² < 0.001). Auch keine der dreifachen Interaktionen und die vierfache Interaktion werden signifikant (Gruppe x Zeit x Geschlecht: F(1, 827) = 0.06, p = 0.81, partielles η² < 0.001; Gruppe x Zeit x Klassenstufe: F(3, 827) = 1.74, p = 0.16, partielles η² = 0.006; Gruppe x Zeit x Geschlecht x Klassenstufe: F(3, 827) = 1.20, p = 0.31, partielles η² = 0.004). Somit zeigen sich keine Treatmenteffekte für die wertbezogene Komponente. Die Hypothesen H1.1b – H1.3b werden verworfen. Intrinsische Komponente (H1.1c–H1.3c) Bei der intrinsischen Komponente werden die Haupteffekte der beiden Faktoren Gruppe und Zeit signifikant (Gruppe: F(1, 827) = 25.68, p < 0.001, partielles η² = 0.03; Zeit: F(1, 827) = 15.68, p < 0.001, partielles η² = 0.02; vgl. Tabelle 40). EG (N = 490)
KG (N = 353)
M
SD
M
SD
t1
3.25
1.02
3.48
1.08
t2
3.04
1.04
3.45
1.07
Tabelle 40: Entwicklung des Fachinteresses in Physik, intrinsische Komponente (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
133
Im Gegensatz zu den anderen Komponenten des Fachinteresses wird bei der intrinsischen Komponente auch die Interaktion der beiden Faktoren Gruppe x Zeit signifikant (F(1, 827) = 8.30, p = 0.004, partielles η² = 0.01). Dieser Effekt ist darauf zurückzuführen, dass die Experimentalgruppe nach dem Besuch der Schülerlabore stärkere Werte aufweist als vor der Maßnahme, während die Werte der Kontrollgruppe zu beiden Messzeitpunkten auf dem gleichen Niveau bleiben. Die Effektstärke erweist sich als gering. Die Hypothese H1.1c wird bestätigt. Die Interaktionen zweiter Ordnung mit den Faktoren Geschlecht und Klassenstufe werden nicht signifikant (Gruppe x Zeit x Geschlecht: F(1, 827) = 0.15, p = 0.70, partielles η² < 0.001; Gruppe x Zeit x Klassenstufe: F(3, 827) = 1.34, p = 0.26, partielles η² = 0.005). Somit zeigen sich bei der positiven Entwicklung der Experimentalgruppe keine geschlechts- und klassenspezifischen Unterschiede. Die vierfache Interaktion wird ebenfalls nicht signifikant (F(3, 827) = 0.39, p = 0.76, partielles η² = 0.001). Das Befundmuster spricht für Verwerfung der Hypothesen H1.2c und H1.3c. 7.3.1.2 Entwicklung des Fachinteresses in Chemie (H1.1–H1.3) Beim Fachinteresse an Chemie zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (F(1, 521) = 1.65, p = 0.20, partielles η² = 0.003) und zwischen den zwei Messzeitpunkten (F(1, 521) = 0.07, p = 0.78, partielles η² < 0.001; vgl. Tabelle 41). Die Interaktion der beiden Faktoren Gruppe x Zeit wird ebenfalls nicht signifikant (F(1, 521) = 0.62, p = 0.43, partielles η² = 0.001). Es zeigt sich somit kein Fördereffekt bei der gesamten Experimentalgruppe. Die Hypothese H1.1 wird somit für das Fach Chemie wie auch für das Fach Physik verworfen. EG (N = 293)
KG (N = 240)
M
SD
M
SD
t1
2.83
1.02
2.90
1.09
t2
2.79
0.97
2.90
1.06
Tabelle 41: Entwicklung des Fachinteresses in Chemie (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Die Faktoren Geschlecht und Klassenstufe ergeben keine signifikanten Interaktionen zweiter Ordnung (Gruppe x Zeit x Geschlecht: F(1, 521) = 0.74, p = 0.40, partielles η² = 0.001; Gruppe x Zeit x Klassenstufe: F(2, 521) = 1.83, p = 0.16, partielles η² = 0.007). Die vierfache Interaktion wird ebenfalls nicht signifikant (F(2, 521) = 1.06, p = 0.35, partielles η² = 0.004). Die Hypothesen H1.2 und H1.3 werden verworfen.
134
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Im Folgenden wird überprüft, ob dieses Ergebnis für alle Komponenten des Interesses zutrifft oder ob Treatmenteffekte eventuell bei den einzelnen Komponenten des Interesses festzustellen sind. Entwicklung der einzelnen Komponenten des Fachinteresses in Chemie Emotionale Komponente (H1.1a–H1.3a) Bei der emotionalen Komponente zeigen sich keine signifikanten Haupteffekte der Faktoren Gruppe (F(1, 521) = 0.95, p = 0.33, partielles η² = 0.002) und Zeit (F(1, 521) = 0.33, p = 0.57, partielles η² = 0.001; vgl. Tabelle 42). Die Interaktion der beiden Faktoren wird ebenfalls nicht signifikant (F(1, 521) = 0.26, p = 0.61, partielles η² = 0.001). Die Hypothese H1.1a wird somit verworfen.
t1
EG (N = 293) M SD 2.51 1.14
t2
2.51
1.12
KG (N = 240) M SD 2.58 1.20 2.61 1.19
Tabelle 42: Entwicklung des Fachinteresses in Chemie, emotionale Komponente (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Die Interaktion zweiter Ordnung mit dem Faktor Geschlecht erweist sich ebenfalls als nicht signifikant (F(1, 521) = 0.82, p = 0.37, partielles η² = 0.002). Die Interaktion zweiter Ordnung mit dem Faktor Klassenstufe wird hingegen signifikant (F(2, 521) = 3.30, p =0.04, partielles η² = 0.01). Die für die Klassenstufen getrennt gerechneten Analysen erbringen eine signifikante Interaktion der Faktoren Gruppe x Zeit für die 9. Klassenstufe (F(1, 157) = 4.93, p = 0.03, partielles η² = 0.03), was darauf zurückzuführen ist, dass die Werte der emotionalen Komponente der Experimentalgruppe zum zweiten Messzeitpunkt stärker werden, die der Kontrollgruppe dagegen schwächer. Bei den Klassenstufen 8 und 10 lassen sich keine signifikanten Veränderungen bei den beiden Versuchsgruppen feststellen (8. Klassenstufe: (F(1, 221) = 2.08, p = 0.15, partielles η² = 0.009; 10. Klassenstufe (F(1, 149) = 0.007, p = 0.93, partielles η² < 0.001; vgl. Abbildung 30). Die vierfache Interaktion wird nicht signifikant (F(2, 521) = 2.32, p = 0.10, partielles η² = 0.009).
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
135
Abbildung 30: Entwicklung der emotionalen Komponente in Chemie (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Es zeigen sich somit keine Fördervorteile zugunsten von Mädchen. Die Analysen nach Klassenstufen erbrachten signifikant positive Fördereffekte lediglich bei der 9. Klassenstufe. Die Ergebnisse sprechen für die Verwerfung der Hypothesen H1.2a und H1.3a. Wertbezogene Komponente (H1.1b–H1.3b) Bei der wertbezogenen Komponente sind die Haupteffekte der Faktoren Gruppe und Zeit, sowie die Interaktion der beiden Faktoren nicht signifikant (Faktor Gruppe: F(1, 521) = 1.55, p = 0.21, partielles η² = 0.003; Faktor Zeit: F(1, 521) = 0.09, p = 0.93, partielles η² < 0.001; Gruppe x Zeit: F(1, 521) = 0.09, p = 0.75, partielles η² < 0.001). Sowohl die Experimental-, als auch die Kontrollgruppe zeigen zum zweiten Messzeitpunkt identische Mittelwerte wie zum ersten Messzeitpunkt (vgl. Tabelle 43). Die Hypothese H1.1b wird abgelehnt.
136
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen EG (N = 293)
KG (N = 240)
M
SD
M
SD
t1
2.88
1.13
2.96
1.17
t2
2.86
1.08
2.96
1.15
Tabelle 43: Entwicklung des Fachinteresses in Chemie, wertbezogene Komponente (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Die Interaktionen zweiter und dritter Ordnung erweisen sich ebenfalls als nicht signifikant (Gruppe x Zeit x Geschlecht: F(1, 521) = 0.87, p = 0.35, partielles η² = 0.002; Gruppe x Zeit x Klassenstufe: F(2, 521) = 0.21, p = 0.81, partielles η² = 0.001; Gruppe x Zeit x Geschlecht x Klassenstufe: F(2, 521) = 0.42, p = 0.65, partielles η² = 0.002). Die Hypothesen H1.2b – H1.3b werden auch verworfen. Intrinsische Komponente (H1.1c–H1.3c) Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei der intrinsischen Komponente. Die Experimentalgruppe zeigt im Ausgangstest zwar leicht bessere Werte als im Eingangstest, die Mittelwertsdifferenz ist allerdings sehr gering (vgl. Tabelle 44). Die Haupteffekte der Faktoren Gruppe und Zeit und ihre Interaktion sind nicht signifikant (Gruppe: F(1, 521) = 2.01, p = 0.16, partielles η² = 0.004; Zeit: F(1, 521) = 1 .54, p = 0.21, partielles η² = 0.003; Gruppe x Zeit: F(1, 521) = 1.36, p = 0.24, partielles η² = 0.003). Die Hypothese H1.1c wird nicht gestützt. EG (N = 293)
KG (N = 240)
M
SD
M
SD
t1
3.08
1.06
3.15
1.12
t2
2.98
1.01
3.14
1.11
Tabelle 44: Entwicklung des Fachinteresses in Chemie, intrinsische Komponente (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Die Interaktionen zweiter und dritter Ordnung werden ebenfalls nicht signifikant (Gruppe x Zeit x Geschlecht: F(1, 521) = 0.07, p = 0.79, partielles η² < 0.001; Gruppe x Zeit x Klassenstufe: F(2, 521) = 1.19, p = 0.31, partielles η² = 0.005; Gruppe x Zeit x Geschlecht x Klassenstufe (F(2, 521) = 0.53, p = 0.58, partielles η² = 0.002). Die Hypothesen H1.2c und H1.3c werden verworfen.
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
137
7.3.1.3 Zusammenfassung der Ergebnisse Es lässt sich feststellen, dass sowohl beim Interesse an Physik, als auch beim Interesse an Chemie keine positiven Treatmenteffekte für die Experimentalgruppe auf der Gesamtebene zu identifizieren sind. Das Interesse am Fach Physik stieg nach den Maßnahmen lediglich bei Mädchen der 7. Klassenstufe signifikant an. Wird die Entwicklung des Interesses differenziert nach einzelnen Komponenten betrachtet, lässt sich im Fach Physik eine signifikant positive Entwicklung für die Gesamtgruppe lediglich bei der intrinsischen Komponente feststellen. Bei der emotionalen Komponente zeigte sich im Fach Physik eine positive Entwicklung bei Mädchen der 7. Klassenstufe, im Fach Chemie sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen der 9. Klassenstufe. Keine positiven Effekte wurden sowohl im Fach Physik als auch im Fach Chemie bei der wertbezogenen Komponente festgestellt. Der Effekt des Geschlechts wurde auf der Gesamtebene in keinem der Fälle signifikant. Wie oben erwähnt erbrachten differenzierte Analysen lediglich für eine Gruppe einen positiven Effekt des Geschlechts: Das Interesse am Fach Physik stieg nach den Maßnahmen bei Mädchen der 7. Klassenstufe signifikant an. Der Effekt resultiert vornehmlich aus der Steigerung der emotionalen Komponente des Fachinteresses. Erwartungswidrig ergaben sich auch keine deutlichen Interventionsvorteile zugunsten der niedrigeren Klassenstufen. Das Interesse am Fach Physik stieg nach den Maßnahmen lediglich in der 7. Klassenstufe signifikant an (Mädchen; emotionale Komponente). Im Fach Chemie wurden die Fördereffekte lediglich bei der 9. Klassenstufe (emotionale Komponente) ermittelt. Auffällig ist, dass die emotionale Komponente des Fachinteresses an Physik und Chemie bei Schülerinnen und Schülern der beiden Versuchsgruppen am stärksten ausfällt, die intrinsische Komponente dahingegen am schwächsten26. 7.3.2 Prüfung der Hypothesenfamilie H2: Entwicklung von fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten Im Folgenden wird analysiert, ob sich die fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepte in Physik und Chemie bei den Schülerinnen und Schülern der Experimentalgruppe durch die Fördermaßnahmen stärken lassen. Die Hypothesen lauten:
26 Die Analysen zum Messzeitpunkt t1 zeigen, dass bei der EG alle paarweisen Vergleiche zwischen der emotionalen, wertbezogenen und intrinsischen Komponente signifikant sind (emotionale vs. wertbezogene Komponente p = 0.01; emotionale vs. intrinsische und wertbezogene vs. intrinsische p < 0.01). Bei der KG sind die Unterschiede zwischen der emotionalen und intrinsischen sowie zwischen der wertbezogenen und intrinsischen Komponente signifikant (p < 0.01).
138
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
H2.1: Das fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzept der Schülerinnen und Schüler an Physik und Chemie entwickelt sich positiv durch die Teilnahme an Schülerlaboren. H2.2: Die Entwicklung des fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzeptes ist bei Schülerinnen günstiger ausgeprägt als bei Schülern. H2.3: In den niedrigeren Klassenstufen sind die Interventionseffekte bezogen auf die Fähigkeitsselbstkonzepte stärker als in den höheren Klassenstufen. Zunächst wird die Dimension „absolut“ untersucht, danach die Dimension „sozial“. Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzepts (FSK) in Physik, Dimension „absolut“ Beim FSK in Physik, Dimension „absolut“ zeigen beide Gruppen zum zweiten Messzeitpunkt identische Werte wie zum ersten Messzeitpunkt (vgl. Tabelle 45). Die Haupteffekte der Faktoren Gruppe und Zeit und ihre Interaktion sind nicht signifikant (Gruppe F(1, 832) = 1.842, p = 0.17, partielles η² = 0.002; Zeit F(1, 832) = 1.29, p = 0.26, partielles η² = 0.002; Gruppe x Zeit F(1, 832) = 0.29, p = 0.60, partielles η² < 0.001). Somit zeigt sich kein positiver Treatmenteffekt für die Experimentalgruppe. Die Hypothese H2.1 wird verworfen. EG (N = 487)
KG (N = 361)
M
SD
M
SD
t1
2.79
0.85
2.89
0.91
t2
2.78
0.86
2.86
0.84
Tabelle 45: Entwicklung des FSK in Physik, Dimension „absolut“ (1 = „sehr begabt“, 5 = „nicht begabt“)
Die Interaktion zweiter Ordnung mit dem Faktor Geschlecht erweist sich ebenfalls als nicht signifikant (F(1, 832) = 1.04, p = 0.31, partielles η² = 0.001). Die Interaktion zweiter Ordnung mit dem Faktor Klassenstufe liegt knapp über der Signifikanzgrenze (F(3, 832) = 2.49, p = 0.06, partielles η² = 0.009). Die folgenden grafischen Abbildungen zeigen die Entwicklung des FSK für die einzelnen Klassenstufen.
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
139
Abbildung 31: Entwicklung des FSK in Physik, Dimension „absolut“ nach Klassenstufe (1 = „sehr begabt“, 5 = „nicht begabt“)
In der 7., 8. und 9. Klassenstufe sind bei der Experimentalgruppe keine signifikanten Treatmenteffekte zu verzeichnen (7. Klassenstufe F(1, 185) = 0.89, p = 0.35, partielles η² = 0.005; 8. Klassenstufe F(1, 261) = 2.54, p = 0.11, partielles η² = 0.01; 9. Klassenstufe F(1, 212) = 1.10, p = 0.30, partielles η² = 0.005). In der 10. Klassenstufe sinkt dagegen das FSK der Experimentalgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant (F(1, 182) = 3.80, p = 0.05, partielles η² = 0.02). Die vierfache Interaktion wird nicht signifikant (F(3, 832) = 0.96, p = 0.41, partielles η² = 0.003). Es zeigen sich somit keine Fördervorteile zugunsten von Mädchen und niedrigeren Klassenstufen. Die Hypothesen H2.2 und H2.3 werden somit ebenfalls verworfen.
140
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzepts (FSK) in Chemie, Dimension „absolut” Tabelle 46 zeigt die Mittelwerte und Standardabweichungen für das FSK in Chemie für beide Versuchsgruppen. Der Haupteffekt des Faktors Gruppe ist nicht signifikant (F(1, 525) = 0.57, p = 0.45, partielles η² = 0.001). Es zeigt sich aber ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Zeit (F(1, 525) = 4.24, p = 0.04, partielles η² = 0.008). Die Interaktion der beiden Faktoren wird auch signifikant (F(1, 525) = 6.54, p = 0.01, partielles η² = 0.01). Dieser Effekt ist hauptsächlich dadurch bedingt, dass das FSK der Kontrollgruppe zum zweiten Messzeitpunkt im Vergleich zum ersten Messzeitpunkt schwächer wird, während es bei der Experimentalgruppe unverändert bleibt. Die Hypothese H2.1 wird somit auch für das Fach Chemie verworfen. EG (N = 295)
KG (N = 242)
M
SD
M
SD
t1
2.80
0.84
2.68
1.01
t2
2.78
0.90
2.79
1.00
Tabelle 46: Entwicklung des FSK in Chemie, Dimension „absolut“ (1 = „sehr begabt“, 5 = „nicht begabt“)
Alle weiteren Interaktionen werden nicht signifikant (Gruppe x Zeit x Geschlecht F(1, 525) = 1.15 p = 0.29, partielles η² = 0.002; Gruppe x Zeit x Klassenstufe F(2, 525) = 0.91, p = 0.40, partielles η² = 0.003; Gruppe x Zeit x Geschlecht x Klassenstufe: F(2, 525) = 2.08, p = 0.13, partielles η² = 0.008). Die Hypothesen H2.2 und H2.3 werden somit nicht gestützt. Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzepts (FSK) in Physik, Dimension „sozial” Für das FSK in Physik, Dimension „sozial“ zeigen sich keine Haupteffekte der Faktoren Gruppe (F(1, 821) = 1.99, p = 0.16, partielles η² = 0.002) und Zeit (F(1, 821) = 2.27, p = 0.13, partielles η² = 0.003; vgl. Tabelle 47). Die Interaktion der beiden Faktoren wird ebenfalls nicht signifikant (F(1, 821) = 0.26, p = 0.61, partielles η² < 0.001). Die Hypothese H1.2 wird für das FSK in Physik, Dimension „sozial“ nicht bestätigt.
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen EG (N = 485)
141
KG (N = 352)
M
SD
M
SD
t1
2.79
0.90
2.91
0.97
t2
2.77
0.88
2.86
0.88
Tabelle 47: Entwicklung des FSK in Physik, Dimension „sozial“ (1 = „begabter als Jungen/Mädchen“, 5 = „weniger begabt als Jungen/Mädchen“)
Auch die Interaktionen zweiter und dritter Ordnung werden nicht signifikant (Gruppe x Zeit x Geschlecht F(1, 821) = 0.67, p = 0.41, partielles η² = 0.001; Gruppe x Zeit x Klassenstufe F(3, 821) = 1.22, p = 0.30, partielles η² = 0.004; Gruppe x Zeit x Geschlecht x Klassenstufe F(3, 821) = 0.36, p = 0.78, partielles η² = 0.001). Die Hypothesen H2.2 und H2.3 werden somit auch verworfen. Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzepts (FSK) in Chemie, Dimension „sozial” Beim FSK in Chemie sind die Haupteffekte der Faktoren Gruppe und Zeit nicht signifikant (Gruppe F(1, 520) = 1.53, p = 0.22, partielles η² = 0.003; Zeit F(1, 520) = 1.50, p = 0.22, partielles η² = 0.003; vgl. Tabelle 48). EG (N = 293)
KG (N = 239)
M
SD
M
SD
t1
2.80
0.91
2.68
0.97
t2
2.78
0.94
2.76
0.93
Tabelle 48: Entwicklung des FSK in Chemie, Dimension sozial (1 = „begabter als Jungen/Mädchen“, 5 = „weniger begabt als Jungen/Mädchen“)
Bei den Interaktionseffekten ergibt sich ein ähnliches Ergebnis wie im Fach Physik: Keine Interaktionseffekte werden signifikant (Gruppe x Zeit F(1, 520) = 2.15, p = 0.14, partielles η² = 0.004; Gruppe x Zeit x Geschlecht F(1, 520) = 0.79, p = 0.37, partielles η² = 0.002; Gruppe x Zeit x Klassenstufe F(2, 520) = 1.30, p = 0.27, partielles η² = 0.005; Gruppe x Zeit x Geschlecht x Klassenstufe F(2, 520) = 0.19, p = 0.82, partielles η² = 0.001). Die Hypothesen H2.1 – H2.3 werden somit für das FSK in Chemie, Dimension „sozial“ ebenfalls verworfen. Zusammenfassung der Ergebnisse Insgesamt zeigten sich für die Experimentalgruppe keine positiven Fördereffekte beim Fähigkeitsselbstkonzept durch die Schülerlabore. Das Ergebnis gilt für beide
142
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Fächer Physik und Chemie und für beide Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes „absolut“ und „sozial“ Es ergaben sich auch keine Interventionsvorteile zugunsten von Mädchen. Dieser Befund ist insofern erwartungswidrig, da durch monoedukativ angelegte Praxisphasen im Schülerlabor angestrebt wurde, besonders das Fähigkeitsselbstkonzept der Mädchen zu steigern. Unerwartet lassen sich auch keine Interventionsvorteile zugunsten der niedrigeren Klassenstufen feststellen. Beim FSK in Physik, Dimension „absolut“ wurde für die 10. Klassenstufe eine negative Entwicklung identifiziert. 7.3.3 Prüfung der Hypothesenfamilie H3: Entwicklung von beruflichen Interessen In diesem Kapitel werden die Treatmenteffekte in Bezug auf die Entwicklung von beruflichen Interessen analysiert. Erwartet wird, dass sich durch den spezifischen Zuschnitt der Angebote die beruflichen Interessen im praktisch-technischen und intellektuell-forschenden Bereich positiv entwickeln. Die Hypothesen lauten: H3.1: Berufliche Interessen (R und I) entwickeln sich positiv durch den Besuch der Förderlabore. H3.2: Die Entwicklung von beruflichen Interessen (R und I) ist bei Mädchen günstiger als bei Jungen. H3.3: In den niedrigeren Klassenstufen sind die Interventionseffekte in Bezug auf die Förderung von beruflichen Interessen (R und I) günstiger als in den höheren Klassenstufen. 7.3.3.1 Entwicklung der beruflichen Interessen im praktisch-technischen Bereich (R) Beim praktisch-technischen Bereich wird der Haupteffekt des Faktors Gruppe signifikant (F(1, 839) = 22.66, p < 0.001, partielles η² = 0.03). Die Kontrollgruppe weist ein schwächeres Interesse in diesem Bereich auf als die Experimentalgruppe (vgl. Tabelle 49). Auch der Haupteffekt des Faktors Zeit wird signifikant (F(1, 839) = 11.36, p = 0.001, partielles η² = 0.01), da beide Gruppen zum zweiten Messzeitpunkt ein schwächeres Interesse aufweisen als zum ersten Messzeitpunkt. Die Interaktion der beiden Faktoren ist nicht signifikant (F(1, 839) = 1.49, p = 0.22, partielles η² = 0.002). Die Hypothese H3.1 wird somit für den Bereich R nicht bestätigt.
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen EG (N = 494)
143
KG (N = 361)
M
SD
M
SD
t1
2.91
0.97
3.13
1.06
t2
2.98
1.04
3.28
1.09
Tabelle 49: Entwicklung der beruflichen Interessen im Bereich R (1 = „hohes Interesse“,5 = „kein Interesse“)
Ferner wird die dreifache Interaktion mit dem Faktor Geschlecht ebenfalls nicht signifikant (F(1, 839) = 0.73, p = 0.79, partielles η² < 0.001). Dagegen erweist sich die dreifache Interaktion mit dem Faktor Klassenstufe als signifikant (F(3, 839) = 5.19, p = 0.001, partielles η² = 0.02). Dieser Effekt ist durch unterschiedliche Verläufe bei EG und KG je nach Klassenstufe bedingt (vgl. Abbildung 32). Das Interesse der Kontrollgruppe nimmt in der 7. und in der 9. Klassenstufe im Vergleich zur Experimentalgruppe zum zweiten Messzeitpunkt signifikant ab (7. Klassenstufe F(1, 192) = 3.94, p = 0.05, partielles η² = 0.02; 9. Klassenstufe (F(1, 212) = 5.68, p = 0.02, partielles η² = 0.03), in der 10. Klassenstufe nimmt das Interesse der Kontrollgruppe signifikant zu und das Interesse der Experimentalgruppe nimmt ab (F(1, 183) = 10.51, p = 0.001, partielles η² = 0.05). In der 8. Klassenstufe zeigt sich keine signifikante Interaktion Gruppe x Zeit und das Interesse der beiden Versuchsgruppen nimmt zum zweiten Messzeitpunkt leicht ab (F(1, 260) = 0.62, p = 0.43, partielles η² = 0.002). Die vierfache Interaktion Gruppe x Zeit x Geschlecht x Klassenstufe wird nicht signifikant (F(3, 839) = 0.39, p = 0.76, partielles η² = 0.001).
144
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Abbildung 32: Entwicklung der beruflichen Interessen im Bereich R nach Klassenstufe (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Es zeigen sich somit keine Fördervorteile zugunsten von Mädchen. Die Analysen nach Klassenstufen erbringen ein recht uneinheitliches Bild, insgesamt lassen sich aber keine positiven Fördereffekte in den einzelnen Klassenstufen feststellen. Die Hypothesen H3.2 – H3.3 werden verworfen. 7.3.3.2 Entwicklung der beruflichen Interessen im intellektuell-forschenden Bereich (I) Im intellektuell-forschenden Bereich erweist sich das Interesse der Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe ebenfalls als geringer als das Interesse der Experimentalgruppe (F(1, 833) = 9.60, p = 0.002, partielles η² = 0.01). Der Haupteffekt des Faktors Zeit ist nicht signifikant (F(1, 833) = 0.24, p = 0.62, partielles η² < 0.001). Die zweifache Interaktion ist nicht signifikant (Gruppe x Zeit: F(1, 833) = 0.44, p = 0.51, partielles η² = 0.001). Die Hypothese H3.1 wird verworfen.
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen EG (N = 493)
145
KG (N = 356)
M
SD
M
SD
t1
2.87
0.90
3.06
0.97
t2
2.90
0.91
3.05
0.95
Tabelle 50: Entwicklung der beruflichen Interessen im Bereich I (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Die dreifachen Interaktionen werden ebenfalls nicht signifikant (Gruppe x Zeit x Geschlecht: F(1, 833) = 0.45, p = 0.50, partielles η² = 0.001; Gruppe x Zeit x Klassenstufe: F(3, 833) = 0.55, p = 0.65, partielles η² = 0.002). Die vierfache Interaktion wird hingegen signifikant (F (3, 833) = 2.70, p = 0.04, partielles η² = 0.01). Dieser Effekt erklärt sich dadurch, dass in der 7. Klassenstufe die Interaktion Gruppe x Zeit x Geschlecht signifikant wird (F(1, 187) = 4.99, p = 0.03, partielles η² = 0.03). Die für beide Geschlechter getrennt durchgeführten Analysen zeigen, dass Schülerinnen der 7. Klassenstufe zum Ende der Schülerlabore ein stärkeres Interesse an intellektuell-forschenden Tätigkeiten aufweisen als vor den Maßnahmen, während das Interesse der Schülerinnen der Kontrollgruppe sinkt (F(1, 106) = 6.83, p = 0.01, partielles η² = 0.06; vgl. Abbildung 33). Bei Schülern der Experimentalgruppe lässt sich keine Veränderung im Interesse der Kategorie I zwischen den zwei Messzeitpunkten beobachten, während das Interesse der Schüler der Kontrollgruppe zunimmt. Die Interaktion Gruppe x Zeit wird nicht signifikant (F(1, 81) = 0.84, p = 0.36, partielles η² = 0.01).
Abbildung 33: Entwicklung der beruflichen Interessen im Bereich I nach Geschlecht (7. Klassenstufe) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Somit erbringen die differenzierten Analysen nach Geschlecht und Klassenstufe, dass das Interesse am intellektuell-forschenden Bereich bei Mädchen der 7. Klassenstufe nach dem Besuch der Schülerlabore signifikant anstieg. Das Befundmuster spricht dafür, die Hypothesen H3.2 und H3.3 zum Teil beizubehalten.
146
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
7.3.3.3 Zusammenfassung der Ergebnisse Insgesamt erbringen die Analysen keine positiven Fördereffekte bei der Experimentalgruppe im praktisch-technischen und intellektuell-forschenden Bereich. Beim praktisch-technischen Bereich zeigten sich auch keine Effekte des Geschlechts und der Klassenstufe. Das Interesse am intellektuell-forschenden Bereich stieg lediglich bei Mädchen der 7. Klassenstufe nach dem Besuch der Schülerlabore signifikant an. Von Interesse ist der Befund, dass der Effekt des Faktors Gruppe bei beiden Bereichen signifikant wurde. Die Experimentalgruppe zeigte dabei ein signifikant stärkeres Interesse in dem praktisch-technischen und intellektuell-forschenden Bereich als die Kontrollgruppe. Für diesen Befund wären zwei alternative Gründe möglich: a) die beruflichen Interessen der Experimentalgruppe fallen stärker aus als die beruflichen Interessen der Kontrollgruppe und b) die beruflichen Interessenprofile der Experimentalgruppe sind anders als die Interessenprofile der Experimentalgruppe. Im zweiten Fall sollte die Kontrollgruppe im Vergleich zur Experimentalgruppe ein signifikant stärkeres Interesse in anderen Bereichen aufweisen. Um dies zu überprüfen, werden im Folgenden die Mittelwerte der einzelnen Bereiche im Eingangstest verglichen. Erwartungskonform zeigt die Kontrollgruppe im Vergleich zur Experimentalgruppe höhere Werte im in den Bereichen A, E und C, der Unterschied wird aber lediglich im Bereich E signifikant (t(708,38) = 1.95, p = 0.05; vgl. Abbildung 34). Somit zeigt sich, dass Schülerinnen und Schüler aus den Klassen, die an den Fördermaßnahmen teilnahmen, stärkere berufliche Interessen in den Bereichen R und I hatten, während die beruflichen Interessen der Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe in anderen Bereichen stärker ausgeprägt sind. 5
4
3
2
1 R
I
A
S EG
E
C
KG
Abbildung 34: Profilverläufe der beruflichen Interessen bei EG und KG (Eingangstest) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
147
Auch beim Fachinteresse in Physik zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen zugunsten der Experimentalgruppe (vgl. Kapitel 7.3.1.1). Somit wird an dieser Stelle ein Selektionseffekt deutlich, da an solchen Schülerlaboren eher die Klassen teilnehmen, die von vornherein ein stärkeres Interesse im naturwissenschaftlichen Bereich aufweisen. Bemerkenswert ist allerdings, dass zwischen den zwei Versuchsgruppen keine signifikanten Unterschiede in allen Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes und im Fachinteresse an Chemie bestehen. 7.3.4 Prüfung der Hypothesenfamilie H4: Entwicklung von Bildungsund Berufsvorhaben Im Folgenden wird untersucht, inwiefern sich Bildungs- und Berufsvorhaben der Schülerinnen und Schüler zugunsten der naturwissenschaftlich-technischen Bereiche durch die Schülerlabore positiv fördern lassen. Die Hypothesen lauten: H4.1: Die Bildungsaspirationen der Schülerinnen und Schüler in den naturwissenschaftlich-technischen Bereichen und einschlägige Berufsvorhaben entwickeln sich positiv durch die Teilnahme an Schülerlaboren. H4.2: Die Fördereffekte fallen bei den Schülerinnen günstiger aus als bei den Schülern. H4.3: In den niedrigeren Klassenstufen sind eher Fördereffekte zu erwarten als in den höheren Klassenstufen. Entwicklung der Bildungsvorhaben Bei Bildungsvorhaben wird der Haupteffekt des Faktors Gruppe signifikant F(1, 840) = 13.99, p < 0.001, partielles η² = 0.02). Auch hier weist die Kontrollgruppe eine schwächere Intention auf, eine Vertiefung im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich zu machen als die Experimentalgruppe (vgl. Tabelle 51). Der Haupteffekt des Faktors Zeit ist nicht signifikant Zeit F(1, 840) = 0.03, p = 0.87, partielles η² < 0.001). EG (N = 502 )
KG (N = 354 )
M
SD
M
SD
t1
2.80
1.21
3.08
1.33
t2
2.74
1.24
3.12
1.31
Tabelle 51: Entwicklung der Bildungsvorhaben (1 = „trifft zu“, 5 = „trifft nicht zu“)
Alle Interaktionen erweisen sich als nicht signifikant (Gruppe x Zeit F(1, 840) = 1.61, p = 0.20, partielles η² = 0.002; Gruppe x Zeit x Geschlecht
148
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
F(1, 840) = 0.25, p = 0.62, partielles η² < 0.001; Gruppe x Zeit x Klassenstufe F(3, 840) = 2.06, p = 0.10, partielles η² = 0.007; Gruppe x Zeit x Geschlecht x Klassenstufe F(3, 840) = 1.06, p = 0.37, partielles η² = 0.004). Es zeigt sich somit keine positive Entwicklung der Bildungsaspirationen zugunsten der naturwissenschaftlich-technischen Bereiche durch die Schülerlabore. Die Hypothesen H4.1 – H4.3 werden für den Bereich der Bildungsvorhaben verworfen. Entwicklung der Berufsvorhaben Der Haupteffekt des Faktors Gruppe wird auch bei Berufsvorhaben signifikant (F(1, 844) = 5.45, p = 0.02, partielles η² = 0.006), was darauf zurückzuführen ist, dass die Schülerinnen und Schüler der Experimentalgruppe sich eher vorstellen können, einen Beruf im naturwissenschaftlich-technischen Bereich zu wählen als die Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe (vgl. Tabelle 52). Der Haupteffekt des Faktors Zeit ist nicht signifikant (F(1, 844) = 0.53, p = 0.46, partielles η² = 0.001). EG (N = 504) t1 t2
M
SD
2.80 2.89
KG (N = 356) M
SD
1.24
3.06
1.35
1.23
3.02
1.39
Tabelle 52: Entwicklung der Berufsvorhaben (1 = „trifft zu“, 5 = „trifft nicht zu“)
Auch die zweifache Interaktion wird nicht signifikant (Gruppe x Zeit F(1, 844) = 2.40, p = 0.12, partielles η² = 0.003). Die Hypothese H4.1 wird somit verworfen. Die dreifachen Interaktionen werden ebenfalls nicht signifikant (Gruppe x Zeit x Geschlecht: F(1, 844) = 0.001, p = 0.97, partielles η² < 0.001; Gruppe x Zeit x Klassenstufe: F(3, 844) = 1.25, p = 0.29, partielles η² = 0.004). Die vierfache Interaktion erweist sich hingegen als signifikant (F(3, 844) = 2.85, p = 0.04, partielles η² = 0.01). Dieser Effekt erklärt sich dadurch, dass in der 10. Klassenstufe die Interaktion Gruppe x Zeit x Geschlecht signifikant wird (F(1, 181) = 5.96, p = 0.02, partielles η² = 0.03). Die Analysen zeigen, dass die Berufsvorhaben der Schülerinnen der Experimentalgruppe nach dem Besuch der Maßnahmen schwächer werden, während sich die Berufsvorhaben der Schülerinnen der Kontrollgruppe verstärken (Gruppe x Zeit: F(1, 91) = 2.22, p = 0.001, partielles η² = 0.12, vgl. Abbildung 35). Bei Schülern ist die Interaktion Gruppe x Zeit hingegen nicht signifikant (F(1, 90) = 0.009, p = 0.92, partielles η² < 0.001), da bei beiden Gruppen die Berufsvorhaben zum zweiten Messzeitpunkt schwächer werden. Die Hypothesen H4.2 und H4.3 werden somit auch verworfen.
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
149
Abbildung 35: Entwicklung der Berufsvorhaben nach Geschlecht (10. Klassenstufe) (1 = „trifft zu“, 5 = „trifft nicht zu“)
Insgesamt zeigen die Ergebnisse für die Experimentalgruppe keine positiven Fördereffekte in Bezug auf die Entwicklung von Bildungs- und Berufsvorhaben zugunsten der naturwissenschaftlich-technischen Bereiche. 7.3.5 Prüfung der Hypothese H5: Effekte der Maßnahmedauer Wie die oben berichteten Befunde zeigten, erweisen sich die Effekte der Schülerlabore als rar, gering und unsystematisch. Die Dauer der analysierten Schülerlabore variierte zwischen 1h bis 18h. Die Unterschiede in der Maßnahmedauer legen die Annahme nahe, dass die längeren Maßnahmen eher Effekte erzielen als die kurzen Maßnahmen. Im Folgenden soll untersucht werden, ob die Dauer der durchgeführten Maßnahmen mit den Fördereffekten korrespondiert. Die Hypothese H5 lautet: H5: Länger andauernde Maßnahmen zeigen stärkere Effekte als kürzere Maßnahmen. Entwicklung von fachspezifischen Interessen nach Maßnahmedauer In Tabelle 53 werden Mittelwerte und Standardabweichungen der Experimentalgruppe zu zwei Messzeitpunkten für das Fachinteresse an Physik und die Hauptund Interaktionseffekte berichtet. Der Haupteffekt des Faktors Zeit wird bei dem gesamten Konstrukt des Fachinteresses an Physik signifikant, was darauf zurückzuführen ist, dass die Werte in den ersten drei Kategorien zum zweiten Messzeitpunkt ansteigen, in der Kategorie 4 bleiben diese stabil. Wird das Interesse nach einzelnen Komponenten betrachtet, so wird deutlich, dass der Effekt des Faktors Zeit vor allem auf das Ansteigen der
150
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
intrinsischen Komponente zurückzuführen ist (Zeit p < 0.001). Der Haupteffekt des Faktors Zeit liegt bei der „emotionalen“ Komponente knapp über der Signifikanzgrenze (p = 0.07). Bei den kürzeren Maßnahmen steigt die emotionale Komponente an, bei den Maßnahmen der längsten Dauer (12–18h) sinkt sie dagegen. Somit werden die Schülerinnen und Schüler „emotional“ eher bei den kurzen Maßnahmen angesprochen. Die Interaktion Zeit x Dauer ist beim gesamten Konstrukt und bei den einzelnen Komponenten nicht signifikant. Somit ergeben sich keine Vorteile für Labore mit längerer Dauer. Die Hypothese H5 wird für das Fachinteresse in Physik verworfen. Markant ist das Ergebnis, dass der Haupteffekt des Faktors Dauer überall signifikant wird. Werden die Mittelwerte der einzelnen Kategorien genauer betrachtet, so wird deutlich, dass die Schülerinnen und Schüler, die an den Laboren mit der längsten Dauer (12–18h) teilgenommen haben, ein stärkeres Interesse an Physik aufweisen, als Schülerinnen und Schüler aus den kürzeren Maßnahmen. Besonders ungünstig scheinen die Kategorien 2 und 3 zu sein: Werden nur die Eingangswerte betrachtet, zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den Kategorien 2 und 3 im Vergleich zu Kategorie 4 (Interesse Physik gesamt: 2–4 p = 0.04, 3–4 p = 0.006; „emotionale Komponente“: 3–4 p = 0.01; „wertbezogene Komponente“: 2–4 p = 0.04, 3–4 p = 0.03; „intrinsische Komponente“: 3–4 p = 0.007). Somit wird erkennbar, dass die Klassen, die von Lehrkräften für Schülerlabore, die an vielen Tagen stattfinden, angemeldet werden ein signifikant stärkeres Interesse an Physik aufweisen, als die Klassen aus kürzeren Maßnahmen. Ein besonders starkes Interesse an Physik gilt vermutlich als Voraussetzung für die länger andauernde Teilnahme an solchen Maßnahmen. Ein anderes Bild zeigt sich beim Interesse an Chemie: Die Haupteffekte der beiden Faktoren werden hier nicht signifikant (vgl. Tabelle 54). Lediglich bei der intrinsischen Komponente liegt der Haupteffekt des Faktors Zeit knapp über der Signifikanzgrenze (p = 0.07), und die Werte steigen zum zweiten Messzeitpunkt leicht an. Der Haupteffekt Dauer ist auch nicht signifikant, was darauf zurückzuführen ist, dass im Fach Chemie die Kategorie 4 fehlt. Die Interaktion Zeit x Dauer erweist sich ebenfalls als nicht signifikant. Somit lassen sich auch hier keine Vorteile der Labore mit längerer Dauer ermitteln und die Hypothese H5 wird auch für das Fach Chemie verworfen.
3.21
2.93
t2
2.80
t2
t1
2.87
2.51
t1
2.74
t2
2.74
t2
t1
2.94
t1
N = 154
1.04
1.06
1.13
1.12
1.02
1.15
0.96
1.03
SD
3.07
3.28
2.93
3.01
2.71
2.85
2.90
3.04
N = 102
M
1.04
1.03
1.11
1.22
1.21
1.26
1.04
1.10
SD
(2) 3,5 – 6,5 h
3.21
3.42
3.05
2.98
2.90
2.93
3.06
3.10
N = 161
M
0.98
0.93
0.90
1.06
1.05
1.06
0.91
0.91
SD
(3)8 – 9 h
2.88
2.93
2.51
2.54
2.47
2.39
2.63
2.64
N = 73
M
1.13
1.02
1.09
1.17
1.12
1.12
1.02
0.98
SD
(4)12 – 18 h
par. η² = 0.04
par. η² = 0.02
p = 0.01
F(3, 486) = 3.60
F(1, 486) = 20.82 p < 0.001
par. η² = 0.03
par. η² = 0.001
p = 0.005
F(3, 486) = 4.34
F(1, 486) = 0.30 p = 0.58
par. η² = 0.003
par. η² = 0.007
p = 0.005
F(3, 486) = 4.33
F(1, 486) = 3.21 p = 0.07
par. η² = 0.03
p = 0.004
F(3, 486) = 4.52
Dauer
par. η² = 0.01
p = 0.007
F(1, 486) = 7.22
Zeit
Tabelle 53: Entwicklung des Fachinteresses in Physik nach Maßnahmedauer (EG) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
intrinsisch
Interesse Physik
wertbezogen
Interesse Physik
emotional
Interesse Physik
gesamt
Interesse Physik
M
(1)1 – 3 h
par. η² = 0.007
p = 0.31
F(3, 486) = 1.20
par. η² = 0.005
p = 0.51
F(3, 486) = 0.77
par. η² = 0.01
p = 0.07
F(3, 486) = 2.38
par. η² = 0.01
p = 0.18
F(3, 486) = 1.65
Zeit x Dauer
3.00 2.88
t2
2.80
t2
t1
2.82
2.36
t1
2.49
t2
2.68
t2
t1
2.77
t1
N = 118
1.02
1.10
1.13
1.11
1.09
1.15
0.98
1.06
SD
2.95
3.04
2.86
2.93
2.54
2.47
2.78
2.81
N = 65
M
1.00
1.06
1.12
1.11
1.00
1.02
0.95
0.98
SD
(2) 3,5 – 6,5 h
3.12
3.17
2.92
2.91
2.66
2.56
2.90
2.90
N = 110
M
0.99
1.02
1.00
1.16
1.18
1.14
0.96
1.02
SD
(3) 8 – 9 h
p = 0.21 par. η² = 0.01
p = 0.07
F(2, 290) = 1.58
F(1, 290) = 3.29
par. η² = 0.01
par. η² = 0.003
par. η² = 0.001
F(2, 290) = 0.36
F(1, 290) = 0.17
p = 0.69
par. η² = 0.007
p = 0.68
p = 0.34
F(2, 290) = 1.09
F(1, 290) = 0.01 p = 0.91
par. η² = 0.007
par. η² = 0.002
par. η² < 0.001
p = 0.36
F(2, 290) = 1.03
Dauer
p = 0.42
F(1, 290) = 0.65
Zeit
par. η² < 0.001
p = 0.95
F(2, 290) = 0.05
par. η² = 0.001
p = 0.84
F(2, 290) = 0.17
par. η² = 0.01
p = 0.20
F(2, 290) = 1.62
par. η² = 0.003
p = 0.62
F(2, 290) = 0.47
Zeit x Dauer
Tabelle 54: Entwicklung des Fachinteresses in Chemie nach Maßnahmedauer (EG) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
intrinsisch
Interesse Chemie
wertbezogen
Interesse Chemie
emotional
Interesse Chemie
gesamt
Interesse Chemie
M
(1) 1 – 3 h
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
153
Entwicklung von fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten nach Maßnahmedauer Die Tabelle 55 zeigt die Mittelwerte und Standardabweichungen der Experimentalgruppe zu zwei Messzeitpunkten für die Fähigkeitsselbstkonzepte je nach Maßnahmedauer, sowie Haupt- und Interaktionseffekte. Der Haupteffekt des Faktors Zeit wird bei keiner Dimension des Fähigkeitsselbstkonzeptes signifikant. Demgegenüber ist der Haupteffekt des Faktors Dauer bei beiden Fächern und in beiden Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes signifikant. Somit lassen sich auch für das fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzept bei den Schülerinnen und Schülern Unterschiede in den Ausprägungen ermitteln. Das Fähigkeitsselbstkonzept fällt bei den Maßnahmen mit einer Dauer von 12 bis 18h deutlich günstiger aus, als bei kürzeren Maßnahmen. Zum Teil zeigen sich die Vorteile im Fähigkeitsselbstkonzept auch bei den Maßnahmen mit einer Dauer von 1 bis 3h. Anders als beim Fachinteresse, wird die Interaktion Zeit x Dauer beim Fähigkeitsselbstkonzept in Physik, Dimension „absolut“ und beim Fähigkeitsselbstkonzept in Chemie, Dimension „sozial“ signifikant. Diese Effekte sind darauf zurückzuführen, dass das Fähigkeitsselbstkonzept bei den Laboren der Dauer-Kategorien 1 und 2 zum zweiten Messzeitpunkt ansteigt und bei den Kategorien 3 und 4 abfällt. Beim Fähigkeitsselbstkonzept in Chemie, in der Dimension „absolut“ und in Physik, in der Dimension „sozial“ ist die Interaktion der beiden Faktoren nicht signifikant. Allerdings lässt sich hier dieselbe Entwicklung wie bei den anderen Dimensionen beobachten. Somit lassen sich auch beim fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzept keine Vorteile der Labore mit längerer Dauer bestätigen. Die Hypothese H5 wird für beide Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes und für beide Fächer nicht gestützt.
2.60
t2
0.76
0.82
2.55
t2
0.88
0.81
2.67
t2
0.77
0.78
2.71
2.62
t1
t2
0.88
0.82
N = 118
2.72
t1
N = 155
2.63
t1
N = 118
2.73
t1
N = 155
SD
0.82
0.83
0.82
0.90
1.02
2.68
2.80 0.90
0.95
N = 67
2.76
2.85
N = 98
2.93
2.97
SD
0.83
N = 66
2.85
2.90
N = 99
M
(2) 3,5 – 6,5 h SD
0.86
0.83
0.83
0.85
0.91
0.90
3.03
2.93 0.98
0.97
N = 108
3.00
2.99
N = 158
2.93
2. 89
N = 111
3.07
3.01
N = 161
M
(3)8 – 9 h SD
0.85
0.77
0.91
0.88
Maßnahmen
keine
2.50
2.44
N = 74
Maßnahmen
keine
2.80
2.31
N = 72
M
(4)12 – 18 h
p = 0.02 par. η² = 0.03
p = 0.40 par. η² = 0.002
F(1, 290) = 4.02
par. η² = 0.05
par. η² < 0.001 F(1, 290) = 0.70
p < 0.001
F(1, 481) = 7.79
par. η² = 0.04
p = 0.002
F(1, 292) = 6.14
par. η² = 0.08
p < 0.001
F(3, 483) = 14.48
Dauer
p = 0.68
F(1, 481) = 0.17
par. η² = 0.002
p = 0.46
F(1, 292) = 0.55
par. η² < 0.001
p = 0.98
F(1, 483) < 0.001
Zeit
par. η² = 0.02
p = 0.05
F(2, 290) = 3.00
par. η² = 0.007
p = 0.35
F(3, 481) = 1.09
par. η² = 0.009
p = 0.25
F(2, 292) = 1.39
par. η² = 0.03
p = 0.002
F(3, 483) = 5.03
Zeit x Dauer
Tabelle 55: Entwicklung der fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepte nach Maßnahmedauer (EG) (Dimension „absolut“: 1 = „sehr begabt“, 5 = „nicht begabt“; Dimension „sozial“ 1 = „begabter als Jungen/Mädchen“, 5 = „weniger begabt als Jungen/Mädchen“)
sozial
FSK Chemie
sozial
FSK Physik
absolut
FSK Chemie
absolut
FSK Physik
M
(1)1 – 3 h
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
155
Entwicklung von beruflichen Interessen nach Maßnahmedauer In der Tabelle 56 sind die Mittelwerte und Standardabweichungen der Experimentalgruppe zu zwei Messzeitpunkten für die beruflichen Interessen des praktischtechnischen (R) und intellektuell-forschenden (I) Bereichs je nach Maßnahmedauer, sowie Haupt- und Interaktionseffekte wiedergegeben. Der Haupteffekt des Faktors Zeit ist bei den beruflichen Interessen des Bereiches R signifikant. Der Effekt resultiert aus der Tatsache, dass das berufliche Interesse bei den Laborteilnehmern aller Dauer-Kategorien zum zweiten Messzeitpunkt sinkt. Erstaunlicherweise wird der Haupteffekt des Faktors Dauer sowohl beim praktisch-technischen Bereich als auch beim intellektuell-forschenden Bereich signifikant. Auch hier zeigen Schülerinnen und Schüler, die an Laboren mit der Dauer 12 bis 18 h teilgenommen haben, im Durchschnitt ein signifikant höheres berufliches Interesse, als die Schülerinnen und Schüler aus kürzeren Maßnahmen. D.h., dass auch bei diesem Merkmal ein Selektionseffekt beobachtet werden kann bzw. jene (Klassen) in längere Maßnahmen einmünden, die bereits stärkere Interessen in diesem Bereich aufweisen. Die Interaktion Zeit x Dauer wird nicht signifikant. Die Hypothese H5 wird somit für die beruflichen Interessen der Bereiche R und I verworfen. Entwicklung von Bildungs- und Berufsvorhaben nach Maßnahmedauer Die Tabelle 57 zeigt die Mittelwerte und Standardabweichungen für Bildungs- und Berufsvorhaben je nach Maßnahmedauer sowie Haupt- und Interaktionseffekte. Der Haupteffekt des Faktors Zeit ist bei Berufsvorhaben signifikant, was darauf zurückzuführen ist, dass sich die Werte bei den Kategorien 2, 3 und 4 zum zweiten Messzeitpunkt verschlechtern. Der Haupteffekt des Faktors Dauer ist sowohl bei Bildungs- als auch bei Berufsvorhaben signifikant. Auch hier zeigt sich, dass die Schülerinnen und Schüler, die an Laboren mit der Dauer 12 bis 18h teilgenommen haben, im Durchschnitt eine stärkere Intention haben, eine Vertiefung im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich zu ergreifen sowie einen Beruf in diesem Bereich zu wählen, als die Schülerinnen und Schüler aus kürzeren Maßnahmen. Die Interaktion Zeit x Dauer wird in beiden Fällen nicht signifikant. Somit zeigen sich auch hier keine Vorteile der länger andauernden Maßnahmen. Die Hypothese H5 wird auch hier verworfen
3.04
t2
2.88
2.85
t1
t2
N = 158
2.90
t1
0.96
0.94
1.09
0.98
SD
2.85
2.81
N = 103
3.17
3.10
N = 103
M
0.90
0.87
1.01
0.94
SD
(2) 3,5 – 6,5 h
3.08
3.04
N = 163
2.94
2.91
N = 163
M
0.86
0.85
1.03
0.97
SD
(3)8 – 9 h
2.64
2.51
N = 69
2.71
2.66
N = 73
M
0.88
0.97
0.91
0.94
SD
(4)12 – 18 h
p = 0.001 par. η² = 0.003
par. η² = 0.004
F(3, 489) = 5.81
F(1, 489) = 1.93 p = 0.16
par. η² = 0.02
p = 0.01
F(3, 490) = 3.77
Dauer
par. η² = 0.01
p = 0.03
F(1, 490) = 4.81
Zeit
2.82
t2
2.98
2.96
t1
t2
N = 161
3.02
t1
1.30
1.29
1.32
1.29
SD
2.88
2.78
N = 102
2.81
2.70
N = 103
M
1.18
1.24
1.21
1.14
SD
(2) 3,5 – 6,5 h
3.03
2.89
N = 167
2.84
2.85
N = 166
1.22
1.16
1.23
1.14
SD
(3)8 – 9 h M
2.43
2.27
N = 74
2.25
2.34
N = 73
M
1.09
1.16
1.05
1.13
SD
(4)12 – 18 h
Zeit
par. η² = 0.008
par. η² = 0.04
p < 0.001
F(3, 500) = 6.16
F(1, 500) = 4.02 p = 0.05
p = 0.001 par. η² = 0.04
par. η² = 0.002
F(3, 498) = 5.86
Dauer
p = 0.31
F(1, 498) = 1.04
Tabelle 57: Entwicklung des Bildungs- und Berufsvorhabens (EG) (1 = „trifft zu“, 5 = „trifft nicht zu“)
Berufsvorhaben
Bildungsvorhaben
N = 160
M
(1)1 – 3 h
Tabelle 56: Entwicklung der beruflichen Interessen nach Maßnahmedauer (EG) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
I
R
N = 155
M
(1)1 – 3 h
par. η² = 0.005
p = 0.49
F(3, 500) = 0.81
par. η² = 0.01
p = 0.11
F(3, 498) = 2.05
Zeit x Dauer
par. η² = 0.006
p = 0.43
F(3, 489) = 0.91
par. η² = 0.004
p = 0.59
F(3, 490) = 0.64
Zeit x Dauer
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
157
Zusammenfassung der Ergebnisse Es muss festgehalten werden, dass in keinem Fall die unterstellten Vorteile der Maßnahmen mit längerer Dauer festgestellt wurden. Zum Teil zeigte sich sogar ein umgekehrtes Ergebnis: Wurde die Interaktion Zeit x Dauer signifikant, so ließ sich ein negativer Effekt für die Maßnahmen mit längerer Dauer nachweisen. Insgesamt war, bezogen auf die Entwicklung von fachspezifischen Interessen und dem Fähigkeitsselbstkonzept, die Tendenz zu beobachten, dass die Werte in den Laboren der Dauer-Kategorien 1 und 2 zum zweiten Messzeitpunkt oft leicht anstiegen, bei der Kategorie 4 dagegen häufig sanken. Bei der Kategorie 3 war hingegen ein heterogenes Bild in Entwicklungsverläufen zu beobachten. Bei den Analysen zur Entwicklung von Fachinteressen, fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten und Bildungs- und Berufsvorhaben zeigte sich, dass Schülerinnen und Schüler aus den längeren Maßnahmen günstigere Eingangsvoraussetzungen hatten als Schülerinnen und Schüler aus kürzeren Maßnahmen. Das gleiche Ergebnis gilt auch für die beruflichen Interessen der Bereiche R und I. Somit zeigt sich eine günstigere naturwissenschaftliche Profilorientierung bei den Schülerinnen und Schülern, die an längeren Maßnahmen teilnahmen. In diesem Zusammenhang wird angenommen, dass bei diesen Teilnehmern die beruflichen Interessen in anderen Bereichen schwächer ausgeprägt sind als bei den Teilnehmern aus kürzeren Maßnahmen. Um dies zu überprüfen, werden ergänzende Analysen zu den anderen Bereichen der beruflichen Interessen je nach Maßnahmedauer durchgeführt. Es zeigt sich als hochgradig interessant, dass je nach Maßnahmedauer die Eingangswerte der Schülerinnen und Schüler in den Bereichen A, S, E und C anders ausfallen als in den Bereichen R und I. So weisen die Teilnehmer der Labore der Dauer-Kategorie 4 ein niedrigeres Eingangsinteresse in den Bereichen A, S, E und C als die Teilnehmer aus kürzeren Maßnahmen und ein höheres Interesse in den Bereichen R und I auf (vgl. Tabelle 58).
158
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen (1)1 – 3 h M
R
I
A
S
E
C
(2) 3,5 – 6,5 h SD
N = 155 t1
2.90
0.98
N = 158 t1
2.88
0.94
N = 156 t1
2.53
0.83
N = 157 t1
2.87
1.03
N = 155 t1
2.41
0.81
N = 154 t1
3.34
1.03
M
SD
N = 103 3.10
0.94
N = 103 2.81
0.87
N = 101 2.55
1.00
N = 101 2.84
1.02
N = 99 2.38
0.84
N = 101 3.42
1.01
(3)8 – 9 h M
SD
N = 163 2.91
0.97
N = 163 3.04
0.85
N = 159 2.70
0.95
N = 161 3.19
1.13
N = 161 2.57
0.88
N = 161 3.43
0.92
(4)12 – 18 h M
SD N = 73
2.66
0.94
N = 69 2.51
0.97
N = 69 2.88
1.00
N = 72 3.20
1.06
N = 72 2.62
0.94
N = 70 3.47
1.06
Tabelle 58: Ausprägung der beruflichen Interessen nach Maßnahmedauer im Eingangstest (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Die Abbildung 36 veranschaulicht die Unterschiede in beruflichen Interessen aller Bereiche am Beispiel der Kategorien 1 und 4. Die Linienverläufe belegen eine unterschiedliche Profilorientierung in Abhängigkeit von der Maßnahmedauer: Schülerinnen und Schüler aus den Klassen, die über mehrere Wochen an einem Labor teilnehmen, zeichnen sich durch eine stärkere praktisch-technische und intellektuell-forschende Interessenorientierung aus, während die anderen Schülerinnen und Schüler ein stärkeres Interesse in Bereichen A, S und E zeigen. Somit wird deutlich, dass Selektionseffekte nicht nur durch die Teilnahme vs. Nicht-Teilnahme entstehen, sondern auch in der Wahl der Maßnahmenart sichtbar werden.
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
159
Abbildung 36: Verläufe der beruflichen Interessen nach Maßnahmedauer (Kategorie 1 vs. Kategorie 4)(1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
7.3.6 Analyse der Effekte nach Standort Wie bereits im Kapitel 7 erörtert, wurden die in dieser Arbeit analysierten Labore von fünf Hochschulen in Baden-Württemberg angeboten. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die standortspezifischen Ausrichtungen wieder. Es wird deutlich, dass sich die standortspezifischen Zuschnitte der Maßnahmen zum Teil stark unterschieden. Während beispielsweise die Standorte A und B nur kurze Maßnahmen durchgeführt haben, wurden am Standort D dagegen vorwiegend die Maßnahmen der längeren Dauer angeboten. In diesem Abschnitt soll ergänzend untersucht werden, ob und inwieweit die Fördereffekte je nach Standort variieren. Mit dem t-Test für abhängige Stichproben wird geprüft, ob sich an den jeweiligen Standorten signifikante Fördereffekte identifizieren lassen.
160
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Standort
Fachbindung
Angebotene Fachthemen
A
Physik und Chemie
Naturstoffe in der Kosmetik, Lebensmittel und Gesundheit, Klimagas CO2, Biotechnologie
B
Physik und Chemie
C
Physik und Chemie
Medizinische Analytik & Diagnostik, Wasser & Co, Vom Fliegen & Fallen, Mit Haut & Haaren, Heilpflanzen, Sonnenstrahlen und –schutz; Gummibärchen, Cola & Co, Duft- und Aromastoffe Umweltschutztechnik, Solar, Energie/-gewinnung, Gesundheit, Alltags- und Umweltsensoren; Alternative Energien Statik, Beschleunigung & Trägheit, Magnetismus, Schall & Wellen, Licht & Optik, Elektrizität, Energietechnik
Physik D
E
Physik und Chemie
Wasser und Umwelt: Wasserkreislauf, Grundwasser und Trinkwassergewinnung, Abwasserreinigung und Trinkwasseraufbereitung, Oberflächengewässer und Wasserkraft
Dauer der Maßnahme 3h (35%) 3,5h (35%) 4h (30%)
Klassenstufe 7 (5%) 8 (30%) 10 (65%)
1h (10%) 3h (83%) 4h (7%)
7 (31%) 8 (30%) 9 (20%) 10 (19%)
6h (29%) 6,5h (31%) 8h (40%)
7 (29%) 9 (53%) 10 (18%)
4h (9%) 9h (32%) 12h (12%) 15h (26%) 18h (21%) 9h (100%)
7 (9%) 8 (38%) 9 (32%) 10 (21%) 8 (76%) 9 (24%)
Tabelle 59: Übersicht über die Standorte (in Anlehnung an Mokhonko et al., 2014; Nickolaus et al., 2012).
Entwicklung des Fachinteresses Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Entwicklung des Fachinteresses in Physik in Abhängigkeit vom Standort der Fördermaßnahmen. Signifikant positive Fördereffekte werden an drei Standorten (A, B und D) ermittelt. An dem Standort D beschränkt sich der Effekt aber lediglich auf die intrinsische Komponente des Fachinteresses. In allen Fällen erweisen sich die Effektstärken als gering. An keinem der Standorte zeigen sich Effekte bezogen auf die wertbezogene Komponente.
161
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen Stand-
Interesse Physik
emotionale
wertbezogene
intrinsische
ort
gesamt
Komponente
Komponente
Komponente
A
N = 75
N = 75
N = 75
N = 75
M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
3.30
1.09
3.15
1.29
3.20
1.20
3.55
1.03
t2
3.00
1.04
2.83
1.16
2.97
1.15
3.20
1.07
t(74) = 2.70
t(74) = 2.38
t(74) = 1.67
t(74) = 3.16
p = 0.01, d = 0.28
p = 0.02, d = 0.26
p = 0.10, d = 0.20
p = 0.002, d = 0.33
N = 134
B
N = 134
N = 134
N = 134
M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
2.86
1.03
2.65
1.11
2.81
1.13
3.13
1.07
t2
2.70
1.00
2.43
1.03
2.77
1.16
2.90
1.05
t(133) = 2.31
t(133) = 2.37
t(133) = 0.51
t(133) = 3.07
p = 0.02, d = 0.16
p = 0.02, d = 0.21
p = 0.61, d = 0.03
p = 0.003, d = 0.22
N = 58
N = 58
N = 58
N = 58
M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
2.99
0.99
2.82
1.19
2.87
1.14
3.28
0.98
t2
2.98
0.94
2.88
1.12
2.91
1.02
3.16
1.04
C
t(57) = 0.12
t(57) = 0.41
t(57) = 0.36
t(57) = 1.15
p = 0.90, d = 0.01
p = 0.68, d = 0.05
p = 0.72, d =0.04
p =0.25, d = 0.12
N = 139
D
N = 139
N = 139
N = 139
M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
2.87
0.96
2.66
1.10
2.78
1.14
3.18
0.99
t2
2.79
1.02
2.61
1.14
2.75
1.07
3.01
1.08
t(138) = 1.66
t(138) =0.74
t(138) = 0.36
t(138) = 2.78
p = 0.10, d = 0.08
p = 0.46, d = 0.04
p = 0.72, d = 0.03
p =0.01, d = 0.16
N = 84
E
N = 84
N = 84
N = 84
M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
2.98
0.94
2.77
1.08
2.89
1.07
3.29
0.94
t2
3.03
0.86
2.86
0.99
3.08
0.98
3.16
0.91
t(83) = 0.58
t(83) = 0.88
t(83) = 1.70
t(83) = 1.31
p = 0.57, d = 0.06
p = 0.38, d = -0.09
p = 0.09, d = -0.19
p =0.20, d = 0.14
Tabelle 60: Entwicklung des Fachinteresses in Physik nach Standort (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Beim Fachinteresse in Chemie kann lediglich in einem Fall ein knapp über der Signifikanzgrenze liegender Effekt beim Standort A bzgl. der intrinsischen Komponente des Fachinteresses ermittelt werden (vgl. Tabelle 61). In allen anderen Fällen lassen sich dagegen keine standortspezifischen Fördereffekte nachweisen. Somit ist es an keinem Standort gelungen, das Interesse der Schülerinnen und Schüler an
162
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Chemie positiv zu fördern und es ergibt sich ein ähnliches Ergebnis wie auf der Gesamtebene, wonach ebenfalls keine Effekte ermittelt werden konnten. Bemerkenswert ist auch, dass an keinem der Standorte die wertbezogene Komponente des Fachinteresses positiv stimuliert werden konnte. Stand-
Interesse Chemie
emotionale
wertbezogene
intrinsische
ort
gesamt
Komponente
Komponente
Komponente
A
N = 71
N = 71
N = 71
N = 71
M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
2.94
0.95
2.63
1.08
2.96
1.03
3.22
0.98
t2
2.86
0.95
2.65
1.04
2.90
1.11
3.03
0.99
t(70) = 0.80
t(70) = 0.17
t(70) = 0.54
t(70) = 1.91
p = 0.43, d = 0.08
p = 0.86, d = 0.02
p = 0.59, d = 0.06
p = 0.06, d = 0.19
N = 94
N = 94
N = 94
N = 94
B M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
2.66
1.08
2.37
1.16
2.74
1.15
2.87
1.15
t2
2.60
1.01
2.24
1.11
2.75
1.16
2.81
1.07
t(93) = 0.71
t(93) = 1.18
t(93) = 0.12
t(93) = 0.54
p = 0.48, d = 0.06
p = 0.24, d = 0.11
p = 0.91, d = 0.01
p = 0.59, d = 0.05
N = 43
N = 43
N = 43
C
N = 43
M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
3.11
1.01
2.92
1.11
3.06
1.16
3.35
1.10
t2
3.05
0.98
2.88
1.13
2.99
1.07
3.29
1.01
t(42) = 0.59
t(42) = 0.25
t(42) = 0.68
t(42) = 0.49
p = 0.56, d = 0.06
p = 0.80, d = 0.04
p = 0.50, d = 0.06
p = 0.63, d = 0.06
D
entfällt
entfällt
entfällt
entfällt
E
N = 85
N = 85
N = 85
N = 85
M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
2.78
1.00
2.39
1.16
2.88
1.17
3.06
1.00
t2
2.80
0.90
2.51
1.11
2.90
0.96
2.98
0.97
t(84) = 0.22
t(84) = 1.09
t(84) = 0.19
t(84) = 0.93
p = 0.82, d = 0.02
p = 0.29, d = 0.11
p = 0.85, d = 0.02
p = 0.36, d = 0.08
Tabelle 61: Entwicklung des Fachinteresses in Chemie nach Standort (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Entwicklung des fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzeptes Die folgende Tabelle 62 zeigt die Entwicklung von fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten je nach Standort. Signifikant positive Effekte wurden hier lediglich
163
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
an den Standorten A und B für das Fähigkeitsselbstkonzept in Physik, Dimensionen „absolut“ und „sozial“ identifiziert (in einem Fall liegt der Effekt knapp über der Signifikanzgrenze). Die Effektstärken sind aber auch hier sehr gering. Stand-
FSK Physik
FSK Chemie
FSK Physik
ort
absolut
absolut
sozial
FSK Chemie sozial
A
N = 75
N = 71
N = 74
N = 72
M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
2.94
0.84
2.95
0.75
2.94
1.03
2.86
0.86
t2
2.83
0.79
2.94
0.75
2.79
0.91
2.78
0.88
t(74) = 1.88
t(70) = 0.13
t(73) = 2.42
t(71) = 1.49
p = 0.06, d = 0.13
p = 0.90, d = 0.01
p = 0.02, d = 0.15
p = 0.14, d = 0.09
B
N = 135
N = 94
N = 134
N = 94
M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
2.69
0.81
2.55
0.84
2.66
0.77
2.62
0.84
t2
2.59
0.79
2.48
0.92
2.65
0.79
2.55
0.93
t(134) = 2.24
t(93) = 1.45
t(133) = 0.11
t(93) = 1.15
p = 0.03, d = 0.12
p = 0.15, d = 0.08
p = 0.91, d = 0.01
p = 0.25, d = 0.08
N = 56
N = 43
N = 55
N = 43
C M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
3.00
0.84
3.13
0.91
2.92
0.93
3.02
1.08
t2
3.06
0.90
3.09
1.00
2.89
0.83
3.03
1.01
t(55) = 0.88
t(42) = 0.47
t(54) = 0.33
t(42) = 0.13
p = 0.38, d = 0.07
p = 0.64, d = 0.04
p = 0.75, d = 0.03
p = 0.90, d = 0.01
D
N = 138 M
N = 139 SD
t1
2.65
0.88
t2
2.69
0.90
entfällt
t(137) = 0.82
SD
2.65
0.95
2.71
0.95
entfällt
t(138) = 0.94
p = 0.41, d = 0.04 E
M
p = 0.35, d = -0.06
N = 83
N = 87
N = 83
N = 84
M
SD
M
SD
M
SD
M
SD
t1
2.94
0.81
2.79
0.80
3.01
0.82
2.87
0.90
t2
3.01
0.82
2.82
0.85
2.98
0.87
2.93
0.92
t(82) = 1.21
t(86) = 0.36
t(82) = 0.36
t(83) = 0.68
p = 0.22, d = 0.09
p = 0.72, d = 0.04
p = 0.72, d = 0.04
p = 0.50, d = 0.07
Tabelle 62: Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzeptes nach Standort (Dimension „absolut“: 1 = „sehr begabt“, 5 = „nicht begabt“; Dimension „sozial“ 1 = „begabter als Jungen/Mädchen“, 5 = „weniger begabt als Jungen/Mädchen“)
164
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Entwicklung der beruflichen Interessen Die nächste Tabelle 63 gibt einen Überblick über die Entwicklung von beruflichen Interessen im praktisch-technischen und intellektuell-forschenden Bereich je nach Standort. Bei drei Standorten zeigen sich tendenziell signifikante Effekte im praktisch-technischen Bereich. Allerdings sinkt entgegen den Annahmen das berufliche Interesse in diesem Bereich zum zweiten Messzeitpunkt. Im intellektuell-forschenden Bereich zeigen sich hingegen an keinem Standort signifikante Veränderungen über die zwei Messzeitpunkte. Standort
R M
A
I SD
M
N = 74
SD N = 75
t1
3.05
0.98
2.96
0.89
t2
3.18
1.01
2.94
0.89
t(73) = 1.88, p = 0.06, d = 0.13 B
t(74) = 0.19, p = 0.85, d = 0.02
N = 135
N = 138
t1
2.89
0.97
2.81
0.94
t2
3.01
1.09
2.78
0.96
t(134) = 1.80, p = 0.07, d = 0.12 C
t(137) = 0.52, p = 0.60, d = 0.03
N = 61
N = 62
t1
3.02
0.92
2.97
0.90
t2
3.16
1.05
3.13
0.90
t(60) = 1.88, p = 0.06, d = 0.14 D
t(61) = 1.69, p = 0.10, d = 0.18
N = 139 t1 t2
N = 134
2.70
0.94
2.77
0.98
2.79
0.85
2.86
0.91
t(138) = 0.99, p = 0.32, d = 0.07
t(133) = 1.21, p = 0.23, d = 0.08
N = 85
N = 84
E t1
3.06
0.99
2.94
0.92
t2
3.00
1.01
2.95
0.85
t(84) = 0.70, p = 0.49, d = 0.06
t(83) = 0.13, p = 0.90, d = 0.01
Tabelle 63: Entwicklung der beruflichen Interessen nach Standort (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Entwicklung der Bildungs- und Berufsvorhaben Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Entwicklung der Bildungs- und Berufsvorhaben je nach Standort. Insgesamt zeigen sich auch hier keine signifikant positiven Entwicklungen sowohl bei Bildungs- als auch bei Berufsvorhaben. Bei
165
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
dem Standort D ist eine signifikant negative Entwicklung bei den Berufsvorhaben zu beobachten. Standort
Bildungsvorhaben M
Berufsvorhaben SD
A
M
N = 76
SD N = 76
t1
2.93
1.14
2.91
1.21
t2
2.96
1.17
3.05
1.26
t(75) = 0.21, p = 0.83, d = 0.03 B
t(75) = 1.28, p = 0.21, d = 0.11
N = 139
N = 140
t1
2.90
1.31
2.87
1.31
t2
2.77
1.36
2.86
1.31
t(138) = 1.57, p = 0.12, d = 0.10 C
t(139) = 0.15 , p = 0.88, d = 0.01
N = 61
N = 62
t1
2.82
1.23
3.02
1.29
t2
2.85
1.22
3.00
1.19
t(60) = 0.25, p = 0.80, d = 0.02 D
t(61) = 0.15, p = 0.88, d = 0.02
N = 139
N = 138
t1
2.57
1.12
2.53
1.17
t2
2.47
1.15
2.71
1.18
t(138) = 1.02, p = 0.31, d = 0.09 E
t(137) = 2.32, p = 0.02, d = 0.15
N = 87
N = 88
t1
2.87
1.18
2.89
1.17
t2
2.85
1.23
3.00
1.18
t(86) = 0.17, p = 0.87, d = 0.02
t(87) = 0.95, p = 0.34, d = 0.09
Tabelle 64: Entwicklung der Bildungs- und Berufsvorhaben nach Standort (1 = „trifft zu“, 5 = „trifft nicht zu“)
Zusammenfassung der Ergebnisse Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die ergänzenden standortspezifischen Analysen vorwiegend an zwei Standorten (A und B) signifikant positive Effekte (beim Interesse und Fähigkeitsselbstkonzept im Fach Physik) ermitteln konnten. Im Fach Chemie (mit einer Ausnahme), bei beruflichen Interessen in den Bereichen R und I und bei Bildungs- und Berufsvorhaben wurden an keinem Standort positive Fördereffekte konstatiert. Bezüglich der beruflichen Interessen im praktisch-technischen Bereich wurden hingegen an drei Standorten negative Effekte festgestellt. In einem Fall zeigte sich auch ein negativer Effekt bei den Berufsvorhaben. Die Effektstärken waren in allen Fällen gering. Die genaue Betrachtung der standortspezifischen Ausrichtungen legt die Annahme nahe, dass für die positiven Effekte an den jeweiligen Standorten die Dauer
166
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
der Maßnahmen verantwortlich ist. So fanden an den Standorten A und B die Maßnahmen mit kurzer Dauer statt (1h bis 4h), während an den anderen Standorten vorwiegend Maßnahmen längerer Dauer durchgeführt wurden. Wie sich in Kapitel 7.3.5 zeigte, stiegen die Werte in den Laboren mit kurzer Dauer zum zweiten Messzeitpunkt oft leicht an, bei länger andauernden Maßnahmen sanken sie dagegen häufig. Denkbar wäre, dass an dieser Stelle auch die inhaltlichen Zuschnitte der Labore für die positiven Effekte mitverantwortlich sind. So wurden an den Standorten, an welchen positive Effekte ermittelt wurden, u.a. die Themen angeboten, die (vermutlich) mehr Alltags- und Anwendungsbezüge aufweisen und eher an gewöhnliche Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler anknüpfen (wie z.B. Lebensmittel und Gesundheit, Sonnenstrahlen und –schutz), als die Themen der anderen Standorte (vgl. dazu auch Mokhonko et al., 2014). Leider wurden im Rahmen der Evaluation des Förderprogramms die thematischen Zuschnitte der Labore nicht jeder einzelnen Maßnahme zugeordnet, so dass dieser Effekt auch nicht kontrolliert werden kann. 7.3.7 Prüfung der Hypothese H6: Nachhaltigkeit der Fördereffekte In Folgenden soll untersucht werden, inwiefern die (wenigen) Fördereffekte nachhaltig blieben. Die Hypothese lautet: H6:
Die erzielten Effekte sind auch drei Monate nach Abschluss der Maßnahmen nachweisbar.
Um die Nachhaltigkeit der Effekte zu kontrollieren, wurde die Experimentalgruppe drei Monate nach dem Besuch der Labore nochmals befragt. Erfasst wurden die gleichen Konstrukte, die bereits zum ersten und zum zweiten Messzeitpunkt erhoben wurden27. Aus organisatorischen Gründen konnte bei der Kontrollgruppe zum 3. Messzeitpunkt keine Follow-up Befragung durchgeführt werden (Nickolaus et al., 2012), daher beschränken sich die Follow-up Analysen nur auf die Experimentalgruppe. In der folgenden Tabelle 65 wird die Zusammensetzung der Gesamtstichprobe und der Stichprobe der Follow-up Befragung für das Konstrukt Fähigkeitsselbstkonzept in Physik, Dimension „absolut“ angegeben.
27 Die Kennwerte der Skalen zu drei Messzeitpunkten sind im Anhang zu finden.
167
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen N EG (t1–t2) EG
487 126
(t1–t2–t3)
w
m
7. Klasse
8. Klasse
9. Klasse
10. Klasse
247
240
69
167
135
116
(50.7%)
(49.3%)
(14.2%)
(34.3%)
(27.7%)
(23.8%)
73
53
40
56
13
17
(57.9%)
(42.1%)
(31.8%)
(44.4%)
(10.3%)
(13.5%)
Tabelle 65: Zusammensetzung der Gesamtstichprobe und der Stichprobe der Follow-up Befragung (FSK in Physik, Dimension „absolut“)
Der Vergleich mit der Stichprobenzusammensetzung der Gesamtstichprobe zeigt, dass in der im Follow-up befragten Stichprobe der Anteil von Mädchen leicht überrepräsentiert ist. Darüber hinaus verschiebt sich die Verteilung zugunsten der niedrigeren Klassenstufen: In der Stichprobe der Follow-up Befragung wird der Anteil der 7. und 8. Klassenstufen höher und der Anteil der 9. und 10. Klassenstufen niedriger als in der Gesamtstichprobe28. Dies trifft auch auf die anderen Konstrukte zu. Die Ausschöpfungsquote liegt je nach Konstrukt zwischen 23% und 26%. Fachspezifische Interessen Beim Fachinteresse in Physik ergibt sich ein signifikanter Unterschied über alle drei Messzeitpunkte (F(2, 254) = 5.55, p = 0.004, partielles η² = 0.04; vgl. Tabelle 66). Die Vergleiche zwischen den einzelnen Messzeitpunkten erbringen eine signifikante Differenz zwischen dem ersten und dem zweiten, sowie zwischen dem zweiten und dem dritten Messzeitpunkt (1–2 MZP: p = 0.01; 2–3 MZP: p = 0.01). Das Fachinteresse wird nach dem Besuch der Labore stärker, sinkt dann aber signifikant und ist drei Monate danach auf etwa gleichem Niveau wie im Eingangstest. N = 128
t1
t2
t3
M
2.97
2.74
2.94
SD
1.02
0.95
1.00
Tabelle 66: Fachinteresse in Physik (Follow-up Befragung) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Eine signifikante Veränderung über alle drei Messzeitpunkte ergibt sich auch bei der emotionalen Komponente (F(2, 254) = 5.22, p = 0.006, partielles η² = 0.04; vgl. Tabelle 67), die darauf zurückzuführen ist, dass die Werte zum zweiten Messzeitpunkt signifikant besser werden (1–2 MZP: p = 0.009). Zum dritten Messzeitpunkt 28 Dies liegt vermutlich daran, dass die höheren Klassenstufen einen intensiveren Stundenplan haben, was dazu führte, dass viele Lehrkräfte der Teilnahme an der Follow-up Befragung nicht zugestimmt haben.
168
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
verschlechtern sich die Werte leicht, befinden sich aber unter dem Niveau des Eingangstests. Die Unterschiede zwischen dem ersten und dritten Messzeitpunkt sowie zwischen dem zweiten und dritten Messzeitpunkt sind nicht signifikant (1–3 MZP: p = 0.32; 2–3 MZP: p = 0.26).
N = 128
t1
t2
t3
M
2.82
2.52
2.67
SD
1.17
1.04
1.11
Tabelle 67: Fachinteresse in Physik, emotionale Komponente (Follow-up Befragung) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Bei der wertbezogenen Komponente steigen die Werte leicht zum zweiten Messzeitpunkt an, zum Follow-up Test sinken sie wieder und befinden sich über dem Wert des Eingangstests. Die Veränderungen über alle drei Messzeitpunkte sind aber nicht signifikant (F(2, 254) = 2.60, p = 0.08, partielles η² = 0.02; vgl. Tabelle 68).
N = 128
t1
t2
t3
M
2.85
2.75
2.97
SD
1.08
1.06
1.17
Tabelle 68: Fachinteresse in Physik, wertbezogene Komponente (Follow-up Befragung) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Eine signifikante Veränderung über alle drei Messzeitpunkte wird bei der intrinsischen Dimension ermittelt (F(2, 254) = 7.40, p = 0.001, partielles η² = 0.05; vgl. Tabelle 69). Hier steigen die Werte nach dem Besuch der Maßnahmen signifikant (1–2 MZP: p = 0.003) sinken dann aber zum Follow-up Test (2–3 MZP: p = 0.003) und befinden sich zum dritten Messzeitpunkt auf gleichem Niveau wie zum ersten Messzeitpunkt. N = 128
t1
t2
t3
M
3.22
2.94
3.19
SD
1.06
1.01
1.03
Tabelle 69: Fachinteresse in Physik, intrinsische Komponente (Follow-up Befragung) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
169
Es zeigt sich somit, dass die Entwicklung des Fachinteresses in Physik nicht stabil bleibt. Drei Monate nach Abschluss der Maßnahmen sinkt das Interesse wieder und die Werte befinden sich auf dem Niveau des Eingangstests. Lediglich die Werte der emotionalen Komponente sind im Follow-up Test günstiger ausgeprägt als im Eingangstest, die Unterschiede sind allerdings nicht signifikant. Die Hypothese H6 wird somit für das Interesse an Physik verworfen. Beim Interesse an Chemie zeigt sich zunächst kein Fördereffekt (vgl. Tabelle 70). Hinzu kommt, dass drei Monate später die Werte signifikant sinken und das Interesse im Vergleich zu den Werten des Eingangs- und Abschlusstests deutlich schwächer wird (F(2, 148) = 6.53, p= 0.002, partielles η² = 0.08; 1–3 MZP: p = 0.006; 2–3 MZP: p = 0.01).
N = 75
t1
t2
t3
M
2.70
2.71
2.98
SD
0.93
0.96
0.95
Tabelle 70: Fachinteresse in Chemie (Follow-up Befragung) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Bei der emotionalen Komponente sinken die Werte zum dritten Messzeitpunkt, die Veränderungen erweisen sich aber als nicht signifikant (F(2, 148) = 1.71, p = 0.18, partielles η² = 0.02; vgl. Tabelle 71).
N = 75
t1
t2
t3
M
2.46
2.44
2.62
SD
1.01
1.07
1.09
Tabelle 71: Fachinteresse in Chemie, emotionale Komponente (Follow-up Befragung) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Bei der wertbezogenen Komponente sinken die Werte sowohl im Abschlusstest, als auch im Follow-up Test, die Veränderungen werden aber nur zwischen dem ersten und dritten Messzeitpunkt signifikant (F(2, 148) = 5.99, p = 0.003, partielles η² = 0.07; 1–3 MZP: p = 0.006; Tabelle 72).
170
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
N = 75
t1
t2
t3
M
2.68
2.78
3.08
SD
1.01
1.10
1.17
Tabelle 72: Fachinteresse in Chemie, wertbezogene Komponente (Follow-up Befragung) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Bei der intrinsischen Komponente bleiben die Werte zwischen dem Eingangs- und Ausgangstest stabil, sinken aber zum dritten Messzeitpunkt signifikant (F(2, 148) = 5.94, p = 0.003, partielles η² = 0.07; 1–3 MZP: p = 0.02; 2–3 MZP: p = 0.006; vgl. Tabelle 73).
N = 75
t1
t2
t3
M
2.97
2.91
3.25
SD
1.03
1.00
1.01
Tabelle 73: Fachinteresse in Chemie, intrinsische Komponente (Follow-up Befragung) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Somit zeigen die Ergebnisse, dass beim Fachinteresse in Chemie und bei einzelnen Komponenten des Interesses die Werte zum dritten Messzeitpunkt sinken. Die Hypothese H6 wird somit auch für das Fach Chemie nicht bestätigt. Fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzepte (FSK) Keine nachhaltigen Effekte zeigen sich für das FSK in Physik, Dimension „absolut“. Die Vergleiche zwischen den einzelnen Messzeitpunkten ergeben einen positiven signifikanten Effekt zwischen dem ersten und zweiten Messzeitpunkt (F(1.91, 238.29) = 3.60, p = 0.03, partielles η² = 0.03; 1–2 MZP: p = 0.02). Die Werte im Follow-up Test sinken aber und befinden sich auf dem Niveau des Eingangstests (vgl. Tabelle 74).
N = 126
t1
t2
t3
M
2.81
2.68
2.80
SD
0.80
0.77
0.74
Tabelle 74: FSK in Physik, Dimension „absolut”(Follow-up Befragung) (1 = „sehr begabt“, 5 = „nicht begabt“)
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
171
Im Fach Chemie ergibt sich das gleiche Befundmuster: das FSK sinkt ebenfalls drei Monate später signifikant (F(2, 148) = 4.04, p = 0.02, partielles η² = 0.05; 2–3 MZP: p = 0.02) und die Werte im Follow-up Test sind ungefähr gleich wie im Eingangstest (vgl. Tabelle 75).
N = 75
t1
t2
t3
M
2.68
2.55
2.74
SD
0.72
0.76
0.85
Tabelle 75: FSK in Chemie, Dimension „absolut”(Follow-up Befragung) (1 = „sehr begabt“, 5 = „nicht begabt“)
Beim FSK in Physik, Dimension „sozial“ zeigt sich keine signifikante Veränderung über alle drei Messzeitpunkte (F(2, 218) = 0.45, p = 0.64, partielles η² = 0.004; vgl. Tabelle 76).
N = 110
t1
t2
t3
M
2.86
2.82
2.88
SD
0.76
0.73
0.67
Tabelle 76: FSK in Physik, Dimension „sozial”(Follow-up Befragung) (1 = „begabter als Jungen/Mädchen“, 5 = „weniger begabt als Jungen/Mädchen“)
Ein anderes Bild ergibt sich für das Fach Chemie: hier zeigt sich ein signifikanter Unterschied zwischen drei Messzeitpunkten (F(1.83, 135.14) = 4.92, p = 0.01, partielles η² = 0.06), was darauf zurückzuführen ist, dass die Werte drei Monate nach Abschluss der Maßnahmen deutlich sinken und die Unterschiede zwischen dem zweiten und dritten Messzeitpunkt signifikant sind (p = 0.02; vgl. Tabelle 77).
N = 75
t1
t2
t3
M
2.78
2.70
2.95
SD
0.70
0.78
0.77
Tabelle 77: FSK in Chemie, Dimension „sozial”(Follow-up Befragung) (1 = „begabter als Jungen/Mädchen“, 5 = „weniger begabt als Jungen/Mädchen“)
Damit lassen sich auch für das fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzept keine nachhaltigen Effekte feststellen. Die Werte im Follow-up Test sinken signifikant und sind teilweise schlechter als im Eingangswert. Eine Ausnahme bildet hier das FSK
172
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
in Physik, Dimension „sozial”, bei dem die Werte über alle drei Messzeitpunkte auf dem gleichen Niveau bleiben. Die Hypothese H6 wird angesichts dieser Befundlage verworfen. Berufliche Interessen Bei beruflichen Interessen im praktisch-technischen Bereich (R) verschlechtern sich die Werte zum Ende der Maßnahmen signifikant und bei der Follow-up Befragung bleiben die Werte auf dem gleichen Niveau wie im Abschlusstest (F(2, 250) = 4.22, p = 0.02, partielles η² = 0.03; 1–2 MZP: p = 0.03, 1–3 MZP: p = 0.04; vgl. Tabelle 78).
N = 126
t1
t2
t3
M
2.93
3.10
3.10
SD
1.01
1.14
1.07
Tabelle 78: Berufliche Interessen (R) (Follow-up Befragung) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Die Interessenausprägungen im Bereich I erweisen sich zum Ende der Maßnahmen als stabil, drei Monate später sinken die Werte auch hier signifikant (F(1.89, 236.53) = 4.68, p = 0.01, partielles η² = 0.04; 2–3 MZP: p = 0.02; vgl. Tabelle 79).
N = 126
t1
t2
t3
M
2.84
2.82
2.98
SD
0.93
0.94
0.98
Tabelle 79: Berufliche Interessen (I) (Follow-up Befragung) (1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Die Hypothese H6 wird auch für berufliche Interessen verworfen. Bildung- und Berufsvorhaben Bei Bildungsvorhaben ist eine leicht positive Entwicklung zum zweiten Messzeitpunkt zu beobachten. Allerdings sinken die Werte im Follow-up Test und befinden
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
173
sich auf dem Niveau des Eingangstests. Die Veränderungen über alle drei Messzeitpunkte sind aber nicht signifikant (F(2, 256) = 2.61, p = 0.08, partielles η² = 0.02; vgl. Tabelle 80). N = 129
t1
t2
t3
M
3.00
2.84
3.05
SD
1.20
1.32
1.28
Tabelle 80: Bildungsvorhaben (Follow-up Befragung) (1 = „trifft zu“, 5 = „trifft nicht zu“)
Keine signifikante Veränderung über alle drei Messzeitpunkte zeigt sich auch bei Berufsvorhaben (F(2, 258) = 0.51, p = 0.60, partielles η² = 0.004) und die Werte befinden sich zu allen drei Messzeitpunkten auf dem fast gleichen Niveau (vgl. Tabelle 81). N = 130
t1
t2
t3
M
3.05
2.98
3.07
SD
1.27
1.30
1.30
Tabelle 81: Berufsvorhaben (Follow-up Befragung)(1 = „trifft zu“, 5 = „trifft nicht zu“)
Die Hypothese H6 wird somit auch für den Bereich der Bildungs- und Berufsvorhaben verworfen. Zusammenfassung der Ergebnisse Insgesamt ist zunächst festzuhalten, dass die in diesen Analysen betrachtete Stichprobe in ihrer Zusammensetzung von der Gesamtstichprobe leicht abweicht: der Anteil der Mädchen und der Anteil der niedrigeren Klassenstufen ist im Vergleich zur Gesamtstichprobe leicht überrepräsentiert. Wie im Laufe der Arbeit ermittelt wurde, zeigen sich punktuell leichte Interventionsvorteile zugunsten von Mädchen und niedrigeren Klassenstufen. Daher handelt es sich bei dieser Stichprobe um eine leicht positive Auswahl in Bezug auf die Interventionseffekte. Dies zeigte sich auch daran, dass beim Interesse an Physik (Gesamtkonstrukt und die Komponente „emotional“), sowie beim FSK in Physik, Dimension „absolut“ die Fördereffekte zum zweiten Messzeitpunkt signifikant wurden. Bei beruflichen Interessen des Bereiches R zeigte sich bei dieser Stichprobe dagegen ein negativer Effekt zum zweiten Messzeitpunkt. In allen anderen Fällen stimmten die Ergebnisse zu den Fördereffekten mit den Ergebnissen der Gesamtstichprobe überein. Wie die hier berichteten Ergebnisse zeigen, sanken in meisten Fällen die Werte zur Follow-up Befragung und befanden sich entweder auf dem Eingangsniveau oder über den Werten des Eingangstests. In keinem der Fälle zeigten sich nachhaltige
174
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Effekte. Lediglich die Werte der emotionalen Komponente waren im Follow-up Test günstiger ausgeprägt als im Eingangstest, die Unterschiede waren aber nicht signifikant. Die Hypothese H6 wird somit für alle untersuchten Merkmale verworfen. 7.4 ZUSAMMENFASSUNG DER BEFUNDE DER STUDIE II UND DISKUSSION Das Ziel der Studie II war die Untersuchung der Effekte von Schülerlaboren in Bezug auf die Entwicklung von fachspezifischen und beruflichen Interessen, fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten sowie Bildungs- und Berufsvorhaben im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Analysiert wurden die Schülerlabore, die im Rahmen des Förderprogramms „Schülerinnen forschen“ durchgeführt wurden. Entwicklung von fachspezifischen Interessen Die Tabelle 82 gibt einen Überblick über die Fördereffekte in Bezug auf die Entwicklung von fachspezifischen Interessen. Auf der Gesamtebene wurden sowohl beim Interesse an Physik, als auch beim Interesse an Chemie keine positiven Treatmenteffekte bei der Experimentalgruppe ermittelt. Das Interesse am Fach Physik stieg nach den Maßnahmen lediglich bei Mädchen der 7. Klassenstufe signifikant an. Gruppe x Zeit
Gruppe x Zeit x Geschlecht
Gruppe x Zeit x Klassenstufe
Gruppe x Zeit x Geschlecht x Klassenstufe
Interesse Physik
--
--
--
+ 7. Klassenstufe: positive Entwicklung bei Mädchen der EG
(1) emotional
--
--
--
+ 7. Klassenstufe: positive Entwicklung bei Mädchen der EG
(2) wertbezogen
--
--
--
--
(3) intrinsisch
+ Zunahme bei EG
--
--
--
Tabelle 82: Zusammenfassung der Befundlage für fachspezifische Interessen („+“ signifikanter Effekt, „-“ kein Effekt)
175
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Gruppe x Zeit
Gruppe x Zeit x Geschlecht
Gruppe x Zeit x Klassenstufe
Gruppe x Zeit x Geschlecht x Klassenstufe
Interesse Chemie
--
--
--
--
(1) emotional
--
--
+ 9. Klassenstufe: positive Entwicklung bei der EG; negative Entwicklung bei der KG
--
(2) wertbezogen
--
--
--
--
(3) intrinsisch
--
--
--
--
Tabelle 82 (Fortsetzung): Zusammenfassung der Befundlage für fachspezifische Interessen („+“ signifikanter Effekt, „-“ kein Effekt)
Wird die Entwicklung des Interesses differenziert nach einzelnen Komponenten betrachtet, lässt sich im Fach Physik eine signifikant positive Entwicklung für die Gesamtgruppe lediglich bei der intrinsischen Komponente feststellen. Bei der emotionalen Komponente zeigt sich im Fach Physik eine positive Entwicklung bei den Mädchen der 7. Klassenstufe, im Fach Chemie sowohl bei den Mädchen als auch bei den Jungen der 9. Klassenstufe. Keine positiven Effekte wurden sowohl im Fach Physik als auch im Fach Chemie bei der wertbezogenen Komponente festgestellt. Erwartungswidrig ergaben sich keine deutlichen Interventionsvorteile zugunsten der Schülerinnen und der niedrigeren Klassenstufen. Das Interesse am Fach Physik stieg lediglich bei Mädchen der 7. Klassenstufe an, was auf die positive Entwicklung der emotionalen Komponente zurückzuführen ist. Auffällig ist, dass die emotionale Komponente des Fachinteresses an Physik und Chemie bei Schülerinnen und Schülern zu zwei Messzeitpunkten am stärksten ausgeprägt war und die intrinsische Komponente am schwächsten. Dies war sowohl bei der Experimental-, als auch bei der Kontrollgruppe zu beobachten. Dieser Befund steht im Einklang mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen, die die Entwicklung des aktuellen Interesses untersuchten und ebenfalls Vorteile in der Ausprägung der emotionalen Komponente des aktuellen Interesses für die EG zeigten (Engeln, 2004; Guderian, 2007; Pawek, 2009). Die Ergebnisse dieser Arbeit belegten, dass dies sowohl für die EG, als auch für die KG gilt und die Unterschiede zwischen den einzelnen Komponenten des Interessenkonstruktes bereits in den Eingangswerten bestehen. Somit zeigt sich, dass die Jugendlichen den Fächern Physik und Chemie vor allem wenig persönliche Bedeutung und einen geringen intrinsischen Charakter zuschreiben.
176
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Vor diesem Hintergrund erweist es sich als besonders relevant, dass im Fach Physik positive Effekte bei der intrinsischen Komponente ermittelt wurden. Keine positiven Effekte wurden hingegen im Fach Physik und im Fach Chemie bei der wertbezogenen Komponente identifiziert. Die Förderung der wertbezogenen Komponente ist allerdings ein wichtiger Aspekt für die Entwicklung des dispositionalen Interesses, da „sich eine Person nur dann mit einem bestimmten Gegenstandbereich dauerhaft und aus innerer Neigung auseinandersetzt, wenn sie ihn auf der Basis rationaler Überlegungen als hinreichend bedeutsam einschätzt (wertbezogene Valenz) und wenn sich für sie im Verlauf gegenstandsbezogener Auseinandersetzungen (Lernhandlungen) eine insgesamt positive Bilanz emotionaler Erlebensqualitäten ergibt“ (Krapp, 1998, S. 193). Somit sollten in außerschulischen Schülerlaboren sowohl emotionale als auch wertbezogene Komponenten gefördert werden, damit sich ein dauerhaftes individuelles Interesse entwickelt. Unerwartet ist, dass im Fach Chemie im Vergleich zum Fach Physik in Bezug auf das Fachinteresse geringere Fördereffekte festgestellt wurden. Ein möglicher Grund für dieses Ergebnis könnte sein, dass, da besonders das Fach Physik (vor allem bei Mädchen) als unbeliebt gilt, ein im Schülerlabor durch neue positive Erfahrungen (z.B. Anwendungsbezüge, Praxisbezug) entstandener „Aha“ Effekt einen positiven Einfluss auf das Fachinteresse in Physik hatte. Auszuschließen wären an dieser Stelle die Effekte der Standorte, da mit einer Ausnahme alle Standorte Schülerlabore in beiden Fächern durchgeführt haben. Auch die Befunde von Weßnigk (2013) zeigten, dass in den untersuchten Schülerlaboren Physik stärker angesprochen wurde als Chemie. Entwicklung von fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten In Bezug auf die Entwicklung der fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepte in Physik und Chemie zeigten sich für die Experimentalgruppe insgesamt keine positiven Fördereffekte durch die Schülerlabore (im Überblick die Tabelle 83). Das Ergebnis gilt für beide Dimensionen „absolut“ und „sozial“. Es wurden auch keine Interventionsvorteile zugunsten von Mädchen identifiziert. Dieser Befund ist insofern erwartungswidrig, da durch monoedukativ angelegte Praxisphasen im Schülerlabor angestrebt wurde, besonders das Fähigkeitsselbstkonzept der Mädchen zu steigern. Brandt (2005) ermittelte allerdings in seiner Untersuchung ebenfalls keine zusätzlichen Vorteile der Monoedukation im Vergleich zu Koedukation. Unerwartet lassen sich auch hier keine Interventionsvorteile zugunsten der niedrigeren Klassenstufen feststellen. In einem Fall wurde für die 10. Klassenstufe der Experimentalgruppe eine negative Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzeptes identifiziert.
177
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Gruppe x Zeit
Gruppe x Zeit x Geschlecht
Gruppe x Zeit x Klassenstufe
Gruppe x Zeit x Geschlecht x Klassenstufe
FSK Physik absolut
--
--
+ negative Entwicklung bei der EG der 10. Klassenstufe
--
FSK Chemie absolut
+ EG stabil Abnahme bei KG
--
--
--
FSK Physik sozial
--
--
--
--
FSK Chemie sozial
--
--
--
--
Tabelle 83: Zusammenfassung der Befundlage für fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzepte und fachspezifische Interessen („+“ signifikanter Effekt, „-“ kein Effekt)
Die berichteten Ergebnisse stehen insgesamt im Gegensatz zu den Ergebnissen von empirischen Studien, in welchen positive Effekte in Bezug auf die Entwicklung von Fähigkeitsselbstkonzepten ermittelt wurden (Brandt, 2005; Pawek, 2009; Weßnigk, 2013). Die Ursache für die unterschiedlichen Ergebnisse könnte darin liegen, dass in den Arbeiten von Brandt, Pawek und Weßnigk lediglich einmalige Laborbesuche analysiert wurden, während in dieser Arbeit auch mehrmalige Laborbesuche untersucht wurden. Die Analysen nach Maßnahmedauer zeigten dabei, dass beim Fähigkeitsselbstkonzept in Physik, Dimension „absolut“ und beim Fähigkeitsselbstkonzept in Chemie, Dimension „sozial“ die Interaktion Zeit x Dauer signifikant war. Das lag daran, dass das Fähigkeitsselbstkonzept bei den halb- oder eintägigen Laborangeboten anstieg, bei den mehrtägigen Laborangeboten dagegen abnahm. Beim Fähigkeitsselbstkonzept in Chemie, Dimension „absolut“ und in Physik, Dimension „sozial“ waren die Unterschiede zwischen halb- bzw. eintägigen und mehrtägigen Laborangeboten nicht signifikant, allerdings war hier die gleiche Entwicklungsrichtung wie bei den anderen Dimensionen zu beobachten. Somit zeigt sich, dass das fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzept wenn überhaupt, dann eher bei den einmaligen Laborbesuchen ansteigt, während mehrmalige Laborbesuche tendenziell negative Effekte nach sich ziehen. Es zeigt sich somit an dieser Stelle auf den ersten Blick ein widersprüchliches Ergebnis: Einerseits gelten Fähigkeitsselbstkonzepte in der Selbstkonzeptforschung als stabile Konstrukte (vgl. Kapitel 5.3), was zu der Annahme führt, dass für ihre positive Förderung auch langanhaltende Interventionsmaßnahmen notwendig sind.
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Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Andererseits zeigen langandauernde Maßnahmen im Vergleich zu kurzen Maßnahmen eher negative Effekte. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass es im Laufe des Besuchs von mehrtägigen Maßnahmen bei Schülerinnen und Schülern immer wieder zu vielfältigen internen und externen Vergleichsprozessen außerhalb der Schülerlabore kommt, die vermutlich die Effekte von Fördermaßnahmen wieder nivellieren. Auch Möller und Trautwein (2009) weisen darauf hin, dass automatisch ablaufende soziale und dimensionale Vergleiche die Effekte und Nachhaltigkeit von Interventionen einschränken. Insgesamt weisen die Befunde darauf hin, dass die Förderung von fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepten auf Grund unterschiedlicher Referenzgruppeneffekte eine große pädagogische Herausforderung darstellt. Möller und Trautwein (2009) empfehlen deshalb, neben den Fähigkeitsselbstkonzepten auch weitere Konstrukte wie beispielsweise Selbstwirksamkeitsüberzeugungen zu berücksichtigen. Entwicklung von beruflichen Interessen Die Analysen erbrachten auch für die Entwicklung beruflicher Interessen keine positiven Fördereffekte bei der Experimentalgruppe im praktisch-technischen und intellektuell-forschenden Bereich auf der Gesamtebene. Beim praktisch-technischen Bereich zeigten sich auch keine Einflüsse des Geschlechts und der Klassenstufe. Das Interesse am intellektuell-forschenden Bereich stieg lediglich bei Mädchen der 7. Klassenstufe nach dem Besuch der Schülerlabore signifikant an.
Konstrukt
Gruppe x Zeit
Gruppe x Zeit x Geschlecht
Gruppe x Zeit x Klassenstufe
Gruppe x Zeit x Geschlecht x Klassenstufe
R
--
--
+ keine positive Entwicklung bei der EG; 7, 9 Kl: EG stabil, KG sinkt 10 KL: EG sinkt, KG steigt 8 Kl: EG und KG sinkt
--
I
--
--
--
+ 7. Klassenstufe: positive Entwicklung bei Mädchen der EG; negative Entwicklung bei Mädchen der KG)
Tabelle 84: Zusammenfassung der Befundlage für berufliche Interessen (R und I) („+“ signifikanter Effekt, „-“ kein Effekt)
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
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Die weitergehenden Analysen zeigten, dass die Experimentalgruppe über ein signifikant stärkeres Interesse in dem praktisch-technischen und intellektuell-forschenden Bereich verfügte als die Kontrollgruppe. Die Kontrollgruppe wies dagegen ein signifikant höheres Interesse im unternehmerischen Bereich auf. Auch beim Fachinteresse in Physik ergaben sich signifikante Unterschiede zwischen den zwei Versuchsgruppen zugunsten der Experimentalgruppe. Somit zeigt sich an dieser Stelle ein Selektionseffekt, da an solchen Schülerlaboren eher die Klassen teilnehmen, die von vornherein ein stärkeres Interesse am naturwissenschaftlichen Bereich aufweisen29. Bemerkenswert ist allerdings, dass zwischen den zwei Versuchsgruppen keine signifikanten Unterschiede im Fähigkeitsselbstkonzept aller Dimensionen und im Fachinteresse an Chemie bestanden. Interessanterweise zeigten sich im intellektuell-forschenden Bereich positive Fördereffekte, wie auch beim Fachinteresse an Physik bei den Schülerinnen der 7. Klassenstufe. Dieser Befund legt die Vermutung nahe, dass zwischen dem Fachinteresse an Physik (und weniger an Chemie) und den beruflichen Interessen im intellektuell-forschenden Bereich ein Zusammenhang besteht und die Steigerung des Fachinteresses in Physik zur Steigerung der beruflichen Interessen in diesem Bereich führt. Die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen den Fachinteressen in Physik und Chemie und den beruflichen Interessen wäre aus der Perspektive der Förderung der Jugendlichen im MINT-Bereich ein weiteres wichtiges Forschungsziel. Bildungs- und Berufsvorhaben Keine positiven Fördereffekte wurden auch in Bezug auf die Bildungs- und Berufsvorhaben im naturwissenschaftlich-technischen Bereich ermittelt. Bei den Berufsvorhaben wurde sogar ein negativer Effekt bei den Mädchen der 10. Klassenstufe identifiziert. Auffällig ist, dass auch hier signifikante Unterschiede zwischen der Experimental- und Kontrollgruppe ermittelt wurden: Die Schülerinnen und Schüler der Experimentalgruppe konnten sich eher vorstellen, eine Vertiefung im naturwissenschaftlich-technischen Bereich zu wählen bzw. einen Beruf in diesem Bereich zu ergreifen, als Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe. Effekte der Maßnahmedauer Erwartungswidrig wurden in keinem Fall Vorteile von Maßnahmen mit längerer Dauer festgestellt. Wie bereits erwähnt, zeigte sich zum Teil sogar ein umgekehrtes 29 Im Rahmen des Förderprogramms wurden die Labore auch nur für Mädchen angeboten. Dabei meldeten sich Mädchen für diese Maßnahmen selbst an. Die Analysen zeigten, dass die Schülerinnen, die sich selbständig anmeldeten, ein stärkeres Fachinteresse und günstigere naturwissenschaftliche Fähigkeitsselbstkonzepte und eher naturwissenschaftlich ausgerichtete Bildungs- und Berufsvorhaben aufwiesen, als Schülerinnen, die an Laboren im Rahmen eines Klassenbesuchs teilgenommen haben (Nickolaus et al., 2012).
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Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
Ergebnis: Wurde die Interaktion Zeit x Dauer signifikant, so ließ sich ein negativer Effekt für die Maßnahmen mit längerer Dauer nachweisen. Insgesamt war die Tendenz zu beobachten, dass die Werte in den Laboren der Dauer-Kategorien 1 und 2 zum zweiten Messzeitpunkt oft leicht anstiegen, bei der Kategorie 4 dagegen häufig sanken. Bei der Kategorie 3 war hingegen ein heterogenes Bild in den Entwicklungsverläufen zu beobachten. Markant ist, dass auch hier Selektionsprozesse deutlich wurden. Bei den Analysen zur Entwicklung von fachspezifischen Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepten zeigte sich, dass Schülerinnen und Schüler, die an längeren Maßnahmen partizipierten, günstigere Eingangsvoraussetzungen hatten als Schülerinnen und Schüler aus kürzeren Maßnahmen. Das gleiche Ergebnis gilt auch für die beruflichen Interessen der Bereiche R und I, sowie für die Bildungs- und Berufsvorhaben. An dieser Stelle wird deutlich, dass Schülerinnen und Schüler aus Klassen, die an Maßnahmen mit langer Dauer teilnahmen, eine günstigere naturwissenschaftliche Profilorientierung aufwiesen, als die restlichen Schülerinnen und Schüler30. Somit zeigt sich, dass Selektionseffekte nicht nur durch die Teilnahme an Schülerlaboren vs. Nicht-Teilnahme entstehen (EG vs. KG), sondern auch in der Wahl der Maßnahmenart (einmalig vs. mehrmalig) deutlich werden. Da für den Besuch der Schülerlabore alle Schulklassen von einer Lehrkraft angemeldet wurden, kann angenommen werden, dass der Besuch und die Wahl der Maßnahmenart von der Lehrkraft sowohl direkt als auch indirekt über die naturwissenschaftliche Profilorientierung der Schülerinnen und Schüler determiniert wurde. D.h., das Profil der Lehrkraft beeinflusst die Entscheidung für die Teilnahme an solchen Fördermaßnahmen, gleichzeitig wirkt sich diese Profilorientierung positiv auf die naturwissenschaftliche Profilorientierung der Schülerinnen und Schüler aus. Wie das Profil der Lehrkräfte von jenen Klassen, die an den Fördermaßnahmen teilnahmen, charakterisiert wird, bleibt an dieser Stelle offen. Vermutlich könnten hier u.a. Aspekte wie Offenheit gegenüber den Schülerlaboren oder das Interesse an praktischen Tätigkeiten und dem Experimentieren eine Rolle spielen. Beispielsweise zeigten die Befunde von Lehrke (1992), dass der gleiche Stellenwert von intellektuellen Aspekten und praktischen Tätigkeiten für die Lehrkräfte im Fach Physik einen positiveren Einfluss auf das Interesse der Schülerinnen und Schüler hatte, als die höhere Wertschätzung von intellektuellen Aspekten. Auch hier bestünde ein weiterer wichtiger Forschungsbereich. Standortspezifische Analysen Ergänzende standortspezifische Analysen erbrachten signifikant positive Effekte vorwiegend an zwei Standorten. In allen Fällen waren die Effektstärken aber gering.
30 Über Selektionseffekte bei Laborbesuchen berichtet ebenfalls Weßnigk (2013): Schülerinnen und Schüler entschieden sich für bestimmte Tätigkeiten im Labor gemäß ihrem Interessenprofil.
Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
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Die Effekte sind vermutlich darauf zurückzuführen, dass an diesen Standorten vorwiegend Labore kurzer Dauer durchgeführt wurden. Aber auch die inhaltlichen Zuschnitte der Maßnahmen können hier effektrelevant sein. Bemerkenswert ist, dass es im Fach Chemie (mit einer Ausnahme) an keinem Standort gelungen ist, das Interesse und die Fähigkeitsselbstkonzepte positiv zu fördern. Beachtlich ist weiterhin, dass die wertbezogene Komponente des Fachinteresses an keinem der Standorte positiv stimuliert werden konnte. Ebenso waren an keinem der Standorte positive Fördereffekte bei beruflichen Interessen und bei Bildungs- und Berufsvorhaben zu konstatieren. Nachhaltigkeit der Fördereffekte Die Analysen zur Nachhaltigkeit der Effekte erbrachten keine positiven Ergebnisse. In den meisten Fällen verschlechterten sich die Werte zur Follow-up Befragung und befanden sich entweder auf dem Eingangsniveau oder darunter. Lediglich die Werte der emotionalen Komponente waren im Follow-up Test günstiger ausgeprägt als im Eingangstest. Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen damit nochmals die reichhaltige Befundlage, der zufolge die Nachhaltigkeit der Fördermaßnahmen größtenteils ausbleibt (vgl. Kapitel 3.2). Auf die Problematik der Nachhaltigkeit der Effekte verweisen auch Ziegler, Schirner, Schimke und Stoeger (2010). Sie berichten über Interventionsstudien in Bezug auf die Förderung von Interessen, Selbstvertrauen und Wahlentscheidungen bei Mädchen bezogen auf den MINT-Bereich. Die Interventionsstudien zeigen durchaus positive Effekte, dennoch blieben die Wirkungen zeitlich begrenzt und die Effektstärken erwiesen sich als zu schwach um eine wirkungsvolle und nachhaltige Verbesserung der Beteiligung von Frauen und Mädchen im MINT-Bereich zu erzielen. Als einen Grund für die begrenzte Wirksamkeit von Interventionen führen die Autoren an, dass eine teilweise Veränderung eines Systems durch punktuelle Förderung nicht ausreicht, um das dauerhaft gewünschte Verhalten im gesamten System zu erzeugen. Einen zweiten wichtigen Grund für die eingeschränkte Wirksamkeit von Fördermaßnahmen sehen sie im Phänomen der Neutralisation, wonach die Teilnehmerinnen am Ende von Interventionen wieder den ungünstigen Umweltbedingungen ausgesetzt werden, die die Effekte von Interventionen neutralisieren. „Es mangelt nicht an vielversprechenden Interventionen. Tatsächlich haben viele ihre Wirksamkeit in anderen Gebieten unter Beweis gestellt. Es mangelt jedoch an Interventionen, die robuste Verbesserungen ermöglichen. Sie müssten in der Umwelt, in der sich die Geschlechtsunterschiede ausgebildet hatten und in die die Mädchen nach der Intervention wieder zurückkehren, Bestand haben“ (Ziegler et al., 2010, S. 115).
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Studie II: Effekte der Fördermaßnahmen
7.5 GRENZEN DER STUDIE31 Die vorliegende Studie konzentrierte sich primär auf die Untersuchung der Entwicklung von dispositionalen Persönlichkeitsmerkmalen. In weiteren Studien wäre es erstrebenswert, den Untersuchungsraum zu erweitern und sowohl dispositionale, als auch situationale Persönlichkeitsmerkmale zu erfassen. Die gleichzeitige Erfassung beider Persönlichkeitsmerkmale ermöglicht es, elaborierte Aussagen über die ablaufenden Transformationsprozesse zu gewinnen und die Übergangsprozesse vom situationalen zum dispositionalen Merkmal näher zu untersuchen, sofern sie stattfinden. In der vorliegenden Arbeit wurden die standortspezifischen Themen erfasst, allerdings wurden sie nicht den entsprechenden Laboren zugeordnet. Somit bleibt die Aussage offen, ob und inwiefern die Themenzuschnitte der jeweiligen Labore für die Entwicklung des Fachinteresses effektrelevant sind. Auch dieser Aspekt sollte in weiteren Studien mitberücksichtigt werden. Die Befunde dieser Arbeit zeigten, dass die länger angelegten Maßnahmen eher einen negativen Effekt erbrachten. Diese Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass die Effekte der Maßnahmen durch zahlreiche Umweltfaktoren wieder neutralisiert werden. In weiteren Studien sollten nach Möglichkeit diese Variablen kontrolliert werden. Bei den Analysen zur Nachhaltigkeit der Effekte zeigte sich das Problem des Stichprobenschwunds. Die starke Stichprobenreduktion führte auch dazu, dass zur Follow-up Befragung die vorhandene Stichprobe zugunsten der niedrigeren Klassenstufen selegiert war und in die Analysen vorwiegend die 7. und 8. Klassenstufe einflossen. Weiterhin schränkt das Fehlen der Kontrollgruppe bei den Follow-up Analysen die Aussagekraft der Ergebnisse ein. So bleibt offen, ob bei der Kontrollgruppe die negativen Entwicklungen zum dritten Messzeitpunkt ähnlich stark ausgeprägt wären wie bei der Experimentalgruppe oder stärker. Wenn die negativen Entwicklungen der Kontrollgruppe stärker ausfallen würden als bei der Experimentalgruppe, könnte das Absinken der Werte der Experimentalgruppe zum dritten Messzeitpunkt auf das Eingangsniveau auch als Stabilisierungseffekt der Fördermaßnahmen interpretiert werden. Obwohl diese Studie konsequent an der Untersuchung derjenigen Variablen orientiert war, die aus der psychologischen Perspektive als wichtige Determinanten bei Berufswahlentscheidungen gelten, bleibt dennoch offen, ob und inwiefern die tatsächlich getroffene Berufswahl durch den Besuch der Schülerlabore determiniert wird. Die weitergehenden Untersuchungen bis zum Übergang in das Studium bzw. in die Ausbildung wären aus der Perspektive der Nachwuchsförderung im MINTBereich ein lohnender Forschungsbereich.
31 Siehe auch Mokhonko, Nickolaus & Windaus (2014), Nickolaus, Mokhonko & Windaus (2012), die z.T. ähnlich argumentieren.
8 FAZIT UND AUSBLICK 8.1 ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE DER EMPIRISCHEN STUDIEN Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Problematik des fehlenden Nachwuchses im MINT-Bereich. Im Fokus der Arbeit stand die Untersuchung der fachspezifischen und beruflichen Interessen, sowie der fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepte bei Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 7 bis 10 von Gymnasien. Die Untersuchung dieser Merkmale ist insofern relevant, da sie als zentrale Determinanten schulischer und beruflicher Wahlentscheidungen gelten (Köller, Daniels et al., 2000; Köller et al., 2006; Möller & Trautwein, 2009; Nagy, 2005; Willich et al., 2011). Ergänzend wurden naturwissenschaftlich-technische Bildungs- und Berufsvorhaben der Jugendlichen untersucht. Diese Konstrukte wurden aus zwei unterschiedlichen Perspektiven erforscht. In der ersten Studie wurden die Ausprägungsunterschiede der fachspezifischen und beruflichen Interessen, fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepte sowie naturwissenschaftlich-technischen Bildungs- und Berufsvorhaben in den Klassenstufen 7 bis 10 in einem Pseudo-Längsschnitt analysiert. Im Mittelpunkt der zweiten Studie stand die Untersuchung der Effekte der Schülerlabore auf die oben aufgeführten Merkmale. Im Folgenden werden die zentralen Befunde der beiden empirischen Studien zusammengefasst dargestellt (vgl. Kap. 6.4 und 7.4). Ergebnisse der Studie I Die Ergebnisse der Studie I dokumentieren, dass in den Naturwissenschaften durchgehend geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen. Sowohl in Physik, als auch in Chemie wurden beim fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzept und beim Fachinteresse signifikante Unterschiede zugunsten der Jungen identifiziert. Ferner belegten die Befunde zu beruflichen Interessen Unterschiede in der Struktur der beruflichen Interessen: Jungen zeigen im Vergleich zu Mädchen ein signifikant stärkeres Interesse im praktisch-technischen, intellektuell-forschenden und konventionellen Bereich, Mädchen hingegen interessieren sich stärker für den künstlerisch-sprachlichen und sozialen Bereich. Im unternehmerischen Bereich wurden keine geschlechtsspezifischen Unterschiede ermittelt. Geschlechtsspezifische Unterschiede zugunsten von Jungen spiegelten sich schließlich auch in Bezug auf Bildungs- und Berufsvorhaben im naturwissenschaftlich-technischen Bereich wider. Dabei zeigte sich, dass im Fach Physik die Geschlechterunterschiede deutlich größer ausfielen als im Fach Chemie. Somit bestätigen die Ergebnisse dieser Studie die Befundlage, wonach sich das Fach Physik vor allem für Mädchen als besonders uninteressant erweist und sie hier ihre Fähigkeiten deutlich schlechter einschätzen
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Fazit und Ausblick
(Daniels, 2008; Kessels, 2005; Kessels & Hannover, 2004a; Pawek, 2009; Roeder & Gruehn, 1997; Schütte et al., 2007). Eine differenzierte Betrachtung der fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepte ergab weitere interessante und wichtige Erkenntnisse im Hinblick auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede: So waren die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen in der Dimension „sozial“ in beiden Fächern größer als in der Dimension „absolut“. Besonders stark fiel diese Differenz im Fach Physik aus. Somit schätzen die Mädchen ihre Fähigkeiten vor allem im direkten Vergleich zu den Fähigkeiten der Jungen als schlecht ein. Während sich beide Geschlechter sowohl in Physik, als auch in Chemie in den höheren Klassenstufen als „absolut“ schlechter einschätzten, zeigt sich in Physik beim Fähigkeitsselbstkonzept in der Dimension „sozial“ von der 7. bis zur 10. Klassenstufe ein scherenartiger Verlauf: Jungen waren in den höheren Klassenstufen stärker überzeugt, dass sie in Physik besser sind als Mädchen, Mädchen dagegen schätzten ihre Fähigkeiten in den höheren Klassenstufen im direkten Vergleich zu Jungen schwächer ein. Im Fach Chemie verblieben die Unterschiede in der Dimension „sozial“ des Fähigkeitsselbstkonzepts hingegen über alle Klassenstufen hinweg auf gleichem Niveau. Auch beim Fachinteresse in Physik wurden die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den höheren Klassenstufen größer: Mädchen wiesen in den höheren Klassenstufen ein geringeres Interesse an Physik auf, das Interesse der Jungen blieb über alle Klassenstufen hinweg auf dem gleichen Niveau. Das Interesse an Chemie sank dagegen bei beiden Geschlechtern und die geschlechtsspezifischen Unterschiede blieben über alle Klassenstufen hinweg konstant. Somit zeigen die Ergebnisse, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Laufe der Schulzeit vor allem im Fach Physik zunehmen. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede vergrößerten sich ebenfalls bei den naturwissenschaftlich-technischen Bildungs- und Berufsvorhaben: Die Intention der Mädchen, naturwissenschaftlich-technische Bildungs- und Berufswege einzuschlagen, wird in den höheren Klassenstufen geringer, die der Jungen nimmt hingegen leicht zu. Bei den für die MINT-Berufe relevanten Bereichen (praktisch-technischer und intellektuell-forschender Bereich) blieben die geschlechtsspezifischen Unterschiede der beruflichen Interessen hingegen konstant. Gleichzeitig zeigte sich, dass in den untersuchten Klassenstufen keine Interessensteigerungen in diesen Bereichen stattfanden: im intellektuell-forschenden Bereich war die Interessenausprägung über alle Klassenstufen hinweg gleich (aber auf einem niedrigen Niveau), im praktisch-technischen Bereich wurde die Interessenausprägung bei beiden Geschlechtern in den höheren Klassenstufen geringer. Insgesamt zeigen die Befunde, dass berufliche Interessen zum Teil bereits in der Sekundarstufe I stabil sind. Wurde ein Rückgang der fachspezifischen Fachinteressen und Fähigkeitsselbstkonzepte, der beruflichen Interessen, sowie der Bildungs- und Berufsvorhaben ermittelt, so setzte dieser entweder nach einem oder nach zwei Jahren des Fachunterrichts (Physik bzw. Chemie) ein.
Fazit und Ausblick
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Ergebnisse der Studie II Die Befunde der Studie II ergaben nur punktuelle und geringe Fördereffekte der Schülerlabore. Das Interesse am Fach Physik stieg nach den Maßnahmen lediglich bei den Mädchen der 7. Klassenstufe an. Differenzierte Analysen nach einzelnen Komponenten des Fachinteresses zeigten, dass dieser Effekt vornehmlich auf die Entwicklung der emotionalen Komponente zurückgeht. Bei der gesamten Experimentalgruppe wurde darüber hinaus eine leichte Zunahme der intrinsischen Komponente ermittelt. Für das Interesse an Chemie wurden auf der Gesamtebene bei der Experimentalgruppe keine positiven Treatmenteffekte identifiziert. Eine positive Entwicklung konnte lediglich in der 9. Klassenstufe und nur bei der emotionalen Komponente festgestellt werden. Keine positiven Effekte wurden sowohl im Fach Physik, als auch im Fach Chemie bei der wertbezogenen Komponente festgestellt. Entgegen den Erwartungen zeigten sich für die Experimentalgruppe keine positiven Fördereffekte beim fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzept durch die Schülerlabore. Das Ergebnis gilt für beide Fächer und für die beiden Dimensionen „absolut“ und „sozial“. Die Analysen erbrachten ebenfalls keine positiven Fördereffekte in Bezug auf die beruflichen Interessen im praktisch-technischen und intellektuell-forschenden Bereich. Das Interesse am intellektuell-forschenden Bereich stieg nach dem Besuch der Schülerlabore lediglich bei Mädchen der 7. Klassenstufe signifikant an. Keine Fördereffekte wurden ebenfalls in Bezug auf naturwissenschaftliche-technische Bildungs- und Berufsvorhaben ermittelt. Insgesamt ist festzustellen, dass sich erwartungswidrig keine deutlichen Interventionsvorteile zugunsten der niedrigeren Klassenstufen und den Schülerinnen ergaben. Es zeigte sich lediglich eine leichte Tendenz zugunsten der 7. Klassenstufe und den Schülerinnen. Erwartungswidrig wurden in keinem Fall Vorteile von Maßnahmen mit längerer Dauer festgestellt. Zum Teil zeigte sich sogar ein umgekehrtes Ergebnis und es ließ sich ein negativer Effekt für die Maßnahmen mit längerer Dauer nachweisen. Ergänzende standortspezifische Analysen erbrachten signifikant positive Effekte vorwiegend an zwei Standorten. Bemerkenswert ist, dass es im Fach Chemie (mit einer Ausnahme) an keinem Standort gelungen ist, fachspezifische Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte positiv zu fördern. Beachtlich ist weiterhin, dass die wertbezogene Komponente des Fachinteresses an keinem der Standorte positiv stimuliert werden konnte. Auch positive Fördereffekte bei beruflichen Interessen und bei den naturwissenschaftlich-technischen Bildungs- und Berufsvorhaben konnten an keinem Standort konstatiert werden. Zum Teil wurden sogar negative Effekte festgestellt. Die Analysen zur Nachhaltigkeit der Effekte erbrachten ebenfalls keine positiven Ergebnisse. In den meisten Fällen sanken die Werte zur Follow-up Befragung und befanden sich entweder auf dem Eingangsniveau oder unter den Werten des Eingangstests. Lediglich die Werte der emotionalen Komponente waren im Followup Test günstiger ausgeprägt als im Eingangstest.
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Fazit und Ausblick
Die weitergehenden ergänzenden Analysen belegten die Selektionseffekte im Zugang zu den Schülerlaboren. So wiesen die Schülerinnen und Schüler der Experimentalgruppe eine günstigere naturwissenschaftliche Profilorientierung auf als die Schülerinnen und Schüler der Kontrollgruppe. Darüber hinaus zeigten sich auch bei der Wahl der Maßnahmeart Unterschiede: Die Schülerinnen und Schüler aus den Maßnahmen mit längster Dauer hatten günstigere Eingangsvoraussetzungen als die Schülerinnen und Schüler aus kürzeren Maßnahmen. 8.2 AUSBLICK Die Befunde der beiden Studien indizieren, dass die Förderung des Nachwuchses in den Naturwissenschaften noch immer vor großen Herausforderungen steht. Jungen weisen zwar günstigere Merkmalsausprägungen in den Naturwissenschaften als Mädchen auf, allerdings kommt es zum Teil auch bei ihnen im Laufe der Schulzeit zu einem Rückgang von bereichsspezifischen Merkmalsausprägungen. Bei Mädchen vollzieht sich dagegen fast durchgängig eine negative Entwicklung. Die Effekte der untersuchten außerschulischen Fördermaßnahmen erweisen sich insgesamt als rar und gering und zudem als nicht nachhaltig. Als Ergebnis der vorliegenden Arbeit ergeben sich für die Nachwuchsförderung im MINT-Bereich m.E. folgende Implikationen. 8.2.1 Implikationen für die Nachwuchsförderung im MINT-Bereich a) Frühe, differenzierte und kontinuierliche Förderung durch außerschulische Fördermaßnahmen Die in der vorliegenden Arbeit ermittelten Befunde zeigen, dass die negativen Entwicklungen in den Naturwissenschaften sehr früh stattfinden. Bereits nach einem bzw. zwei Jahren des Fachunterrichts sinken die Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte der Schülerinnen und Schüler. Diese Befunde sprechen dafür, dass die Förderung der Jugendlichen im MINT-Bereich so früh wie möglich erfolgen sollte, noch bevor die oben beschriebene negative Entwicklung einsetzt. Wie allerdings die Statistiken zeigen, werden Schülerlabore am häufigsten für die Klassenstufen 9 bis 12 angeboten (LernortLabor, Bundesverband der Schülerlabore e.V., 2015b), d.h. zu einem Zeitpunkt, zu dem Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte bei vielen Schülerinnen und Schülern bereist gesunken sind. Ferner zeigen die Befunde, dass die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen je nach Fach und je nach Konstrukt unterschiedlich ausfallen. Vor allem im Fach Physik zeigen sich unterschiedliche Entwicklungsverläufe zwischen Jungen und Mädchen. Darüber hinaus zeigen sich deutliche Unterschiede in der Entwicklung der Fähigkeitsselbstkonzepte je nach Dimension „absolut“ und „sozial“. Diese Befunde geben wichtige Hinweise darauf, dass bei den Fördermaßnahmen (vor allem in Physik!) differenzierte Förderansätze eingesetzt werden sollten. Während
Fazit und Ausblick
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bei Jungen beispielsweise in Bezug auf die Entwicklung der Fähigkeitsselbstkonzepte der Schwerpunkt der Förderung auf die Dimension „absolut“ zu legen ist, sollten bei Mädchen sowohl die Dimension „absolut“ als auch die Dimension „sozial“ gefördert werden, wobei die Förderung der Dimension „sozial“ eine besonders große Beachtung finden sollte. Wie die Ergebnisse der Studie II zeigten, erweisen sich die Fördereffekte insgesamt als sehr gering und nicht nachhaltig. Diese Ergebnisse indizieren, dass singuläre Fördermaßnahmen nicht genügen, die untersuchten Persönlichkeitsmerkmale positiv und nachhaltig zu fördern. Die Fördermaßnahmen sollten daher nicht nur früh, sondern auch kontinuierlich stattfinden.32 b) Die Rolle der Schule Die Ergebnisse der Studie I zeigen, dass sich im naturwissenschaftlichen Schulunterricht die naturwissenschaftsbezogenen Fähigkeitsselbstkonzepte und Interessen bei Schülerinnen und Schülern im Laufe der Schulzeit größtenteils negativ entwickeln, wovon Schülerinnen besonders stark betroffen sind. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwiefern außerschulische Fördermaßnahmen ausreichen können, um die Jugendlichen im MINT-Bereich positiv und nachhaltig zu fördern. Da sich negative Entwicklungen bei Schülerinnen und Schülern im naturwissenschaftlichen Unterricht über längere Zeiträume hinweg vollziehen, scheinen außerschulische Fördermaßnahmen als singuläre Ereignisse nicht in der Lage zu sein, solche Entwicklungen zu durchbrechen. Die zahlreich berichteten Befunde zur fehlenden Nachhaltigkeit der Fördereffekte, die auch in dieser Arbeit bestätigt wurden, indizieren, dass die Effekte der außerschulischen Fördermaßnahmen im schulischen Kontext auch immer wieder nivelliert werden. Daher darf in Bezug auf die Nachwuchsförderung im MINT-Bereich nicht die ganze Hoffnung in außerschulische Fördermaßnahmen gelegt werden. Prenzel et al. (2007b) weisen darauf hin, dass der naturwissenschaftliche Unterricht eine Institution ist, die es ermöglicht, dass sich Schülerinnen und Schüler häufig und über längere Zeiträume hinweg mit Naturwissenschaften auseinandersetzen und betonen, dass „der Bildungsauftrag der Schule (…) nicht nur die Wissensvermittlung“ beinhaltet (Prenzel et al., 2007b). Somit ist und bleibt das zentrale Ziel, den naturwissenschaftlichen Unterricht für die Jugendlichen interessant und attraktiv zu machen. Vor allem Schülerinnen scheinen hier benachteiligt zu sein. So konstatieren Labudde und Möller (2012): „Viele Maßnahmen für einen gendergerechten Unterricht sind bekannt, aber Lehrkräfte setzen sie im Unterricht noch zu wenig um“ (Labudde & Möller, 2012, S. 23). Besonders im Fach Physik sind gendergerechte Maßnahmen dringend notwendig.
32 In anderen Analysen, die im Rahmen des Förderprogramms „Schülerinnen forschen“ durchgeführt wurden, erwiesen sich die Effekte der Fördermaßnahmen ebenfalls als schwach und nicht nachhaltig (Mokhonko et al., 2014; Nickolaus et al., 2012). Daher kommen die Autoren zu der ähnlichen Aussage.
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c) Verknüpfung außerschulischer Fördermaßnahmen mit dem schulischen Unterricht Zu beklagen ist, dass die Vernetzung der außerschulischen Fördermaßnahmen mit dem schulischen Unterricht und die Vor- und Nachbereitung der Schülerlabore kaum stattfindet (Engeln, 2004; Pawek, 2009; Weßnigk, 2013) und dies obgleich bereits in einigen Studien positive Effekte in Bezug auf die curriculare Verknüpfung der Schülerlabore mit dem Schulunterricht und die Vor- und Nachbereitung der Schülerlabore ermittelt wurden (Guderian, 2007; Pawek, 2009). Eine Verflechtung außerschulischer Fördermaßnahmen mit dem schulischen Unterricht würde vermutlich hilfreiche und wertvolle Synergien erzeugen und die Effektivität und Effizienz beider Institutionen steigern. Nur bei einem Zusammenwirken des schulischen und außerschulischen Bereiches sind stabile und nachhaltige Veränderungen zu erwarten. Die Forderung nach der Verknüpfung außerschulischer Fördermaßnahmen mit dem schulischen Kontext setzt allerdings voraus, dass folgende zentrale Kriterien erfüllt sind: Lehrerbildung Die Lehrkräfte sollten über umfassende Kenntnisse zu außerschulischen Lernorten, deren Charakteristika, sowie den Möglichkeiten der didaktischen Integration der Maßnahmen in den Unterricht verfügen. Daher sollten außerschulische Lernorte in den Fachdidaktiken ein fester und integraler Bestandteil der Lehrerbildung sein. Schulische Rahmenbedingungen Die Rahmenbedingungen in der Schule sollten die Integration der außerschulischen Maßnahmen in den schulischen Unterricht ermöglichen. Vor allem der zeitliche Aspekt bzw. die Integration in den Stundenplan spielt an dieser Stelle eine wichtige Rolle. Transparenz der außerschulischen Aktivitäten und inhaltliche Konformität Da die Varianz an außerschulischen Fördermaßnahmen sehr breit ist (unterschiedliche inhaltliche, sowie didaktische Konzepte und Ziele; Haupt et al., 2013), sollten die Angaben und Informationen zu den Maßnahmen für die Lehrkräfte transparent und zugänglich sein. Recherchen zeigen allerdings, dass beispielsweise nur ein kleiner Teil der Anbieter im Vorfeld explizite Informationen zum notwendigen Vorwissen zur Verfügung stellt (Priemer & Lewalter, 2009). Weiterhin sollten die außerschulischen Maßnahmen eine inhaltliche Konformität mit dem schulischen Curriculum aufweisen, um in den Unterricht integriert werden zu können.
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8.2.2 Forschungsrelevante Implikationen Zukünftige Studien zu den Effekten der Fördermaßnahmen sollten nach Möglichkeit systematisch sowohl den schulischen, als auch den außerschulischen Bereich erfassen, um Veränderungen im gesamten System analysieren zu können und um die Faktoren, die die Effekte der Fördermaßnahmen neutralisieren, zu kontrollieren. Weiterhin sollte die Frage, unter welchen Bedingungen und in welcher Form die Verknüpfung außerschulischer Fördermaßnahmen mit dem schulischen Unterricht bestmögliche Effekte nach sich zieht, vertieften Analysen unterzogen werden. Elaborierte Forschungsarbeiten dazu fehlen und sind m.E. dringend notwendig. In den vorliegenden empirischen Arbeiten wurden die Effekte der Fördermaßnahmen auf das fachbezogene Fähigkeitsselbstkonzept untersucht, es wurden dabei allerdings keine Angaben gemacht, welche Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes bei der Operationalisierung des Konstrukts zugrunde gelegt wurden. Wie bereits erwähnt, zeigten die in dieser Arbeit ermittelten Befunde, dass deutliche Unterschiede in den Ausprägungen und Entwicklungsverläufen der Fähigkeitsselbstkonzepte der Dimensionen „sozial“ und „absolut“ je nach Geschlecht und Klassenstufe bestehen. Aus diesem Grund erscheint es wichtig, in weiteren Untersuchungen zu den Effekten der Fördermaßnahmen unterschiedliche Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes explizit zu berücksichtigen und zu analysieren. Fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzepte stehen im Zusammenhang mit der Interessenentwicklung (im Überblick Möller & Trautwein, 2009). Dabei zeigen verschiedene Studien, dass dieser Zusammenhang je nach Fach und Geschlecht unterschiedlich ausfällt (Daniels, 2008; Köller, 1996). Daniels (2008) stellte beispielsweise fest, dass in den Fächern Physik und Mathematik das Fähigkeitsselbstkonzept eine größere Rolle für die Interessenentwicklung spielt als in den Fächern Englisch und Biologie. In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob der Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Dimensionen des Fähigkeitsselbstkonzeptes und dem Fachinteresse in Physik und Chemie gleich ausfällt. So konnte in dieser Arbeit beobachtet werden, dass im Fach Physik die Entwicklungsverläufe des Fähigkeitsselbstkonzeptes der Dimension „sozial“ eher mit der Entwicklung des Fachinteresses korrespondieren als die Entwicklungsverläufe des Fähigkeitsselbstkonzeptes der Dimension „absolut“. Aus der Perspektive der Interessenförderung in den Naturwissenschaften ist es relevant, in zukünftigen Forschungsarbeiten dieser Fragestellung intensiv nachzugehen. Die prädiktive Kraft von fachbezogenen Fähigkeitsselbstkonzepten und Interessen auf schulische und berufliche Wahlentscheidungen wurde in vielen Studien untersucht und ist gut belegt (im Überblick Kap. 4.2 und 4.3). Gleichwohl bleibt an dieser Stelle offen, welche Rolle die Fächer Physik und Chemie im Einzelnen bei schulischen und beruflichen Wahlentscheidungen in den Naturwissenschaften spielen. So ergaben die Befunde dieser Arbeit, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den untersuchten Konstrukten im Fach Chemie deutlich geringer ausfallen als im Fach Physik. Gleichzeitig zeigte sich bei Jungen im Fach Chemie, genauso wie bei Mädchen, eine negative Entwicklung der fachbezogenen Interessen
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Fazit und Ausblick
und des Fähigkeitsselbstkonzepts. Trotz dieser ähnlichen Ausprägungen bzw. Entwicklungen im Fach Chemie zeigten sich deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede und Verläufe in den Bildungs- und Berufsvorhaben, die den Interessen- und Fähigkeitsselbstkonzeptentwicklung im Fach Physik ähnlich sind. Die Befunde weisen darauf hin, dass die Assoziation von schulischen und beruflichen Wahlentscheidungen mit dem Fach Physik vermutlich stärker ausfällt, als mit dem Fach Chemie. Die Überprüfung dieser Zusammenhänge in weiteren Studien wäre aus der Perspektive der Nachwuchsförderung in den Naturwissenschaften ein lohnendes Forschungsvorhaben. Die Entwicklung der beruflichen Interessen in der Sekundarstufe I wurde bis jetzt kaum untersucht. Die Befunde dieser Arbeit ergaben, dass im intellektuellforschenden und im konventionellen Bereich die Interessen bei beiden Geschlechtern bereits von der 7. bis zur 10. Klassenstufe stabil waren, in den anderen Bereichen zeigten sich hingegen Veränderungen in den Interessenausprägungen. Somit weisen die Ergebnisse darauf hin, dass sich berufliche Interessen bereits ab der 7. Klassenstufe stabilisieren. Offen bleibt an dieser Stelle a) ob Interessen im intellektuell-forschenden und im konventionellen Bereich in der 7. Klassenstufe oder noch früher stabil werden, b) warum es in diesen Bereichen zu keinen Interessenveränderungen kommt, dafür aber in den anderen Bereichen und c) ob diese Prozesse generalisierbar oder schulformspezifisch sind. Zudem bleibt ungeklärt, ob und inwiefern sich die Profildifferenzierungen der beruflichen Interessen im Laufe der Schulzeit verändern. Allerdings wurden in dieser Arbeit Querschnittsdaten analysiert, so dass die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind. In weiteren Studien wären weitergehende Analysen der Entwicklung der beruflichen Interessen wünschenswert und längsschnittliche Untersuchungen würden genauere Erkenntnisse über die Interessenentwicklungen liefern. 8.3 SCHLUSS Als Reaktion auf negative TIMSS und PISA Ergebnisse und auf Grund des geringen Interesses und des mangelnden Nachwuchses im MINT-Bereich wurden in Deutschland in den letzten Jahren zahlreiche außerschulische Fördermaßnahmen und Projekte ins Leben gerufen, mit dem Ziel, Schülerinnen und Schüler in diesen Bereichen zu fördern und sie für Berufe in diesem Segment zu motivieren. Die Befunde der vorliegenden Arbeit zeigen, dass die im schulischen Kontext ablaufenden negativen Entwicklungen im naturwissenschaftlichen Unterricht durch die punktuellen Besuche der Fördermaßnahmen nicht aufgebrochen werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit sprechen dafür, dass an diesen Förderaktivitäten ein Umdenken angebracht ist. Statt hohe Erwartungen lediglich in die außerschulischen Fördermaßnahmen zu setzen, erscheint es sinnvoller, die Qualität des naturwissenschaftlichen Unterrichts weiterzuentwickeln und Synergien zwischen dem schulischen Unterricht und den außerschulischen Fördermaßnahmen zu erzeugen.
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ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1:Unterschiede in den allgemeinen Interessen zwischen PISA 2003 und PISA 2009 .................................................................................................................. 18 Abbildung 2: Interesse am Physikunterricht und Sachinteresse Physik.......................................... 20 Abbildung 3: Beginn von Modellprojekten nach Jahreszahlen (in absoluten Fallzahlen) .............. 35 Abbildung 4: Schülerlabore in Deutschland ................................................................................... 37 Abbildung 5: Verteilung der Schülerlabore nach Fachrichtungen .................................................. 39 Abbildung 6: Verteilung der Schülerlabore nach Zielgruppen ....................................................... 40 Abbildung 7: Untersuchungsdesign der Studie von Guderian (2007) ............................................ 47 Abbildung 8: Die relationale Struktur der Bedeutungsvarianten des Interessenkonstrukts ............ 64 Abbildung 9: Rahmenmodell der Interessengenese ........................................................................ 65 Abbildung 10: Hierarchische Struktur des Fähigkeitsselbstkonzepts (FSK) .................................. 71 Abbildung 11: Fachinteresse in Physik, Geschlecht x Klassenstufe ............................................... 89 Abbildung 12: Fachinteresse in Chemie, Geschlecht x Klassenstufe ............................................. 90 Abbildung 13: FSK in Physik, Dimension „absolut“, Geschlecht x Klassenstufe .......................... 92 Abbildung 14: FSK in Chemie, Dimension „absolut“, Geschlecht x Klassenstufe ........................ 94 Abbildung 15: FSK in Physik, Dimension „sozial“, Geschlecht x Klassenstufe ............................ 95 Abbildung 16: FSK in Chemie, Dimension „sozial“, Geschlecht x Klassenstufe .......................... 96 Abbildung 17: Berufliche Interessen im Bereich R, Geschlecht x Klassenstufe ............................ 98 Abbildung 18: Berufliche Interessen im Bereich I, Geschlecht x Klassenstufe.............................. 99 Abbildung 19: Berufliche Interessen im Bereich A, Geschlecht x Klassenstufe .......................... 100 Abbildung 20: Berufliche Interessen im Bereich S, Geschlecht x Klassenstufe ........................... 101 Abbildung 21: Berufliche Interessen im Bereich E, Geschlecht x Klassenstufe........................... 102 Abbildung 22: Berufliche Interessen im Bereich C, Geschlecht x Klassenstufe .......................... 103 Abbildung 23: Bildungsvorhaben, Geschlecht x Klassenstufe ..................................................... 105 Abbildung 24: Berufsvorhaben, Geschlecht x Klassenstufe ......................................................... 106 Abbildung 25: Profilverläufe der beruflichen Interessen nach Geschlecht ................................... 111 Abbildung 26: Versuchsdesign ..................................................................................................... 122 Abbildung 27: Entwicklung des Fachinteresses in Physik nach Geschlecht (7. Klassenstufe) ................................................................................................... 129 Abbildung 28: Entwicklung der emotionalen Komponente in Physik (7. Klassenstufe) .............. 131 Abbildung 29: Entwicklung der emotionalen Komponente in Physik (10. Klassenstufe) ............ 131 Abbildung 30: Entwicklung der emotionalen Komponente in Chemie ........................................ 135 Abbildung 31: Entwicklung des FSK in Physik, Dimension „absolut“ nach Klassenstufe .......... 139 Abbildung 32: Entwicklung der beruflichen Interessen im Bereich R nach Klassenstufe ............ 144 Abbildung 33: Entwicklung der beruflichen Interessen im Bereich I nach Geschlecht ................ 145 Abbildung 34: Profilverläufe der beruflichen Interessen bei EG und KG (Eingangstest) ............ 146 Abbildung 35: Entwicklung der Berufsvorhaben nach Geschlecht (10. Klassenstufe) ................ 149 Abbildung 36: Verläufe der beruflichen Interessen nach Maßnahmedauer (Kategorie 1 vs. Kategorie 4) .......................................................................................................... 159
TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: Kategorisierung der Schülerlabore................................................................................. 38 Tabelle 2: Überblick über die analysierten Studien und ihre Charakterisierung ............................. 41 Tabelle 3: Persönlichkeitsorientierungen nach Holland.................................................................. 57 Tabelle 4: Stichprobenzusammensetzung der Studie I ................................................................... 80 Tabelle 5: Items der Skala "Fachspezifisches Fähigkeitsselbstkonzept, Dimension absolut" und ihre Trennschärfen .................................................................................................. 81 Tabelle 6: Items der Skala „Fachspezifisches Fähigkeitsselbstkonzept, Dimension sozial“ und ihre Trennschärfen .................................................................................................. 81 Tabelle 7: Items der Skala „Fachspezifisches Interesse“ und ihre Trennschärfen .......................... 82 Tabelle 8: Items der Skala „Berufliche Interessen, Bereich R“ und ihre Trennschärfen ................ 83 Tabelle 9: Items der Skala „Berufliche Interessen, Bereich I“ und ihre Trennschärfen ................. 84 Tabelle 10: Items der Skala „Berufliche Interessen, Bereich A“ und ihre Trennschärfen .............. 84 Tabelle 11: Items der Skala „Berufliche Interessen, Bereich S“ und ihre Trennschärfen............... 84 Tabelle 12: Items der Skala „Berufliche Interessen, Bereich E“ und ihre Trennschärfen .............. 84 Tabelle 13: Items der Skala „Berufliche Interessen, Bereich C“ und ihre Trennschärfen .............. 84 Tabelle 14: Kennwerte der Skala „Fachspezifisches Fähigkeitsselbstkonzept (FSK)“ .................. 85 Tabelle 15: Kennwerte der Skala „Fachspezifisches Interesse“ ..................................................... 85 Tabelle 16: Kennwerte der Skala „Berufliche Interessen“.............................................................. 86 Tabelle 17: Fachinteresse in Physik nach Geschlecht und Klassenstufe ........................................ 88 Tabelle 18: Fachinteresse in Chemie nach Geschlecht und Klassenstufe ....................................... 90 Tabelle 19: FSK in Physik, Dimension „absolut“, nach Geschlecht und Klassenstufe .................. 92 Tabelle 20: FSK in Chemie, Dimension „absolut“, nach Geschlecht und Klassenstufe ................. 93 Tabelle 21: FSK in Physik, Dimension „sozial“, nach Geschlecht und Klassenstufe..................... 94 Tabelle 22: FSK in Chemie, Dimension „sozial“, nach Geschlecht und Klassenstufe ................... 95 Tabelle 23: Berufliche Interessen im Bereich R, nach Geschlecht und Klassenstufeee ................. 97 Tabelle 24: Berufliche Interessen im Bereich I, nach Geschlecht und Klassenstufe ...................... 98 Tabelle 25: Berufliche Interessen im Bereich A, nach Geschlecht und Klassenstufe ..................... 99 Tabelle 26: Berufliche Interessen im Bereich S, nach Geschlecht und Klassenstufe ................... 100 Tabelle 27: Berufliche Interessen im Bereich E, nach Geschlecht und Klassenstufe ................... 101 Tabelle 28: Berufliche Interessen im Bereich C, nach Geschlecht und Klassenstufe ................... 102 Tabelle 29: Bildungsvorhaben nach Geschlecht und Klassenstufe ............................................... 104 Tabelle 30: Berufsvorhaben nach Geschlecht und Klassenstufe................................................... 106 Tabelle 31: Zusammenfassung der Befunde für berufliche Interessen ......................................... 112 Tabelle 32: Stichprobenzusammensetzung der Studie II (fachspezifisches Fähigkeitsselbstkonzept in Physik, Dimension „absolut“) ............ 123 Tabelle 33: Stichprobenzusammensetzung der Studie II (fachspezifisches Fähigkeitsselbstkonzept in Chemie, Dimension „absolut“) ........... 123 Tabelle 34: Kennwerte der Skalen zum fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzept (FSK) (Dimension „absolut“) ............................................................................................... 124
202
Tabellenverzeichnis
Tabelle 35: Kennwerte der Skalen zum Fachinteresse.................................................................. 125 Tabelle 36: Kennwerte der Skalen zu beruflichen Interessen ....................................................... 125 Tabelle 37: Entwicklung des Fachinteresses in Physik................................................................. 128 Tabelle 38: Entwicklung des Fachinteresses in Physik, emotionale Komponente........................ 130 Tabelle 39: Entwicklung des Fachinteresses in Physik, wertbezogene Komponente ................... 132 Tabelle 40: Entwicklung des Fachinteresses in Physik, intrinsische Komponente ....................... 132 Tabelle 41: Entwicklung des Fachinteresses in Chemie ............................................................... 133 Tabelle 42: Entwicklung des Fachinteresses in Chemie, emotionale Komponente ...................... 134 Tabelle 43: Entwicklung des Fachinteresses in Chemie, wertbezogene Komponente.................. 136 Tabelle 44: Entwicklung des Fachinteresses in Chemie, intrinsische Komponente ..................... 136 Tabelle 45: Entwicklung des FSK in Physik, Dimension „absolut“ ............................................. 138 Tabelle 46: Entwicklung des FSK in Chemie, Dimension „absolut“............................................ 140 Tabelle 47: Entwicklung des FSK in Physik, Dimension „sozial“ ............................................... 141 Tabelle 48: Entwicklung des FSK in Chemie, Dimension sozial ................................................. 141 Tabelle 49: Entwicklung der beruflichen Interessen im Bereich R............................................... 143 Tabelle 50: Entwicklung der beruflichen Interessen im Bereich I ................................................ 145 Tabelle 51: Entwicklung der Bildungsvorhaben ........................................................................... 147 Tabelle 52: Entwicklung der Berufsvorhaben............................................................................... 148 Tabelle 53: Entwicklung des Fachinteresses in Physik nach Maßnahmedauer (EG).................... 151 Tabelle 54: Entwicklung des Fachinteresses in Chemie nach Maßnahmedauer (EG) .................. 152 Tabelle 55: Entwicklung der fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzepte nach Maßnahmedauer (EG) (Dimension „absolut“) ........................................................... 154 Tabelle 56: Entwicklung der beruflichen Interessen nach Maßnahmedauer (EG) ........................ 156 Tabelle 57: Entwicklung des Bildungs- und Berufsvorhabens (EG)) ........................................... 156 Tabelle 58: Ausprägung der beruflichen Interessen nach Maßnahmedauer im Eingangstest ............................................................................................................... 158 Tabelle 59: Übersicht über die Standorte ...................................................................................... 160 Tabelle 60: Entwicklung des Fachinteresses in Physik nach Standort .......................................... 161 Tabelle 61: Entwicklung des Fachinteresses in Chemie nach Standort ........................................ 162 Tabelle 62: Entwicklung des Fähigkeitsselbstkonzeptes nach Standort (Dimension „absolut“) ............................................................................................... 163 Tabelle 63: Entwicklung der beruflichen Interessen nach Standort .............................................. 164 Tabelle 64: Entwicklung der Bildungs- und Berufsvorhaben nach Standort ................................ 165 Tabelle 65: Zusammensetzung der Gesamtstichprobe und der Stichprobe der Follow-up Befragung (FSK in Physik, Dimension „absolut“) ............................. 167 Tabelle 66: Fachinteresse in Physik (Follow-up Befragung) ........................................................ 167 Tabelle 67: Fachinteresse in Physik, emotionale Komponente (Follow-up Befragung) ............... 168 Tabelle 68: Fachinteresse in Physik, wertbezogene Komponente (Follow-up Befragung) .......... 168 Tabelle 69: Fachinteresse in Physik, intrinsische Komponente (Follow-up Befragung) .............. 168 Tabelle 70: Fachinteresse in Chemie (Follow-up Befragung) ...................................................... 169 Tabelle 71: Fachinteresse in Chemie, emotionale Komponente (Follow-up Befragung) ............. 169 Tabelle 72: Fachinteresse in Chemie, wertbezogene Komponente (Follow-up Befragung) ......... 170 Tabelle 73: Fachinteresse in Chemie, intrinsische Komponente (Follow-up Befragung) ............ 170 Tabelle 74: FSK in Physik, Dimension “absolut”(Follow-up Befragung) .................................... 170 Tabelle 75: FSK in Chemie, Dimension “absolut”(Follow-up Befragung) .................................. 171
Tabellenverzeichnis
203
Tabelle 76: FSK in Physik, Dimension “sozial”(Follow-up Befragung) ...................................... 171 Tabelle 77: FSK in Chemie, Dimension “sozial”(Follow-up Befragung) .................................... 171 Tabelle 78: Berufliche Interessen (R) Follow-up Befragung) ...................................................... 172 Tabelle 79: Berufliche Interessen (I) Follow-up Befragung) ........................................................ 172 Tabelle 80: Bildungsvorhaben (Follow-up Befragung) ................................................................ 173 Tabelle 81: Berufsvorhaben (Follow-up Befragung) .................................................................... 173 Tabelle 82: Zusammenfassung der Befundlage für fachspezifische Interessen ............................ 174 Tabelle 83: Zusammenfassung der Befundlage für fachspezifische Fähigkeitsselbstkonzepte und fachspezifische Interessen .......................................... 177 Tabelle 84: Zusammenfassung der Befundlage für berufliche Interessen (R und I) ..................... 178
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AIST AIST-R ANOVA BFLPE EG FSK H HIGSEA HIS I/E-Modell IPN KG LifE M Max Min MINT MZP N OECD PISA RIASEC SD SESSKO SPSS TIMSS WS
Allgemeiner-Interessen-Struktut-Test Allgemeiner-Interessen-Struktur-Test - Revision Analysis of Variance (Varianzanalyse) Big-Fish-Little-Pond Effekt Experimentalgruppe Fähigkeitsselbstkonzept Hypothese HIGHschool of Science & Education @ the AWI Hochschul-Informations-System Internal/External-Frame-of-Reference-Modell Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik Kontrollgruppe Lebensverläufe ins frühe Erwachsenenalter Arithmetischer Mittelwert Maximal Minimal Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik Messzeitpunkt Stichprobengröße Organisation for Economic Co-operation and Development Programme for International Student Assessment realistic, investigative, artistic, social, enterprising, conventional Standardabweichung Skalen zur Erfassung des schulischen Selbstkonzepts Statistical Product and Service Solutions Trends in International Mathematics and Science Study Wintersemester
ANHANG Anhang 1: Kennwerte der Skalen zum Fachinteresse (Stichprobe der Follow-up Befragung)…………………………. …………
206
Anhang 2: Kennwerte der Skalen zum fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzept (Stichprobe der Follow-up Befragung)………………………………………
207
Anhang 3: Kennwerte der Skalen zu beruflichen Interessen (Stichprobe der Follow-up Befragung)……………………………………...
207
2
2
2
6
2
2
2
6
75
75
75
75
128
128
128
128
N
1.00
1.00
1.00
1.00
1.00
1.00
1.00
1.00
Min
5.00
5.00
4.50
4.67
5.00
5.00
5.00
5.00
Max
t1
2.97
2.68
2.46
2.70
3.22
2.85
2.82
2.97
M
1.03
1.01
1.01
0.93
1.06
1.08
1.17
1.02
SD
0.75
0.86
0.83
0.92
0.80
0.83
0.90
0.93
α
1.00
1.00
1.00
1.00
1.00
1.00
1.00
1.00
Min
5.00
5.00
5.00
5.00
5.00
5.00
5.00
5.00
Max
t2
2.91
2.78
2.44
2.71
2.94
2.75
2.52
2.74
M
1.00
1.10
1.07
0.96
1.01
1.06
1.04
0.95
SD
0.63
0.94
0.91
0.92
0.70
0.88
0.91
0.92
α
1.00
1.00
1.00
1.00
1.00
1.00
1.00
1.00
Min
5.00
5.00
5.00
4.67
5.00
5.00
5.00
5.00
Max
t3
3.25
3.08
2.62
2.98
3.19
2.97
2.67
2.94
M
Anhang 1: Kennwerte der Skalen zum Fachinteresse (Stichprobe der Follow-up Befragung; 1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
Komponente
intrinsische
Komponente
wertbezogene
Komponente
emotionale
Chemie
Interesse in
Komponente
intrinsische
Komponente
wertbezogene
Komponente
emotionale
Physik
Interesse in
N
Items
1.01
1.17
1.09
0.95
1.03
1.17
1.11
1.00
SD
0.67
0.88
0.88
0.89
0.70
0.89
0.90
0.91
α
4
4
4
4
75
110
75
126
N
1.0
1.0
1.0
1.0
Min
4.5
5.0
5.0
5.0
Max
t1
2.78
2.86
2.68
2.81
M
0.70
0.76
0.72
0.81
SD
0.92
0.91
0.86
0.89
α
1.0
1.0
1.0
1.0
Min
4.5
4.5
4.0
4.25
Max
t2
2.70
2.82
2.55
2.68
M
0.78
0.73
0.76
0.77
SD
0.95
0.95
0.90
0.91
α
1.0
1.0
1.0
1.0
Min
5.0
5.0
4.5
5.0
Max
t3
2.95
2.88
2.74
2.80
M
0.77
0.67
0.85
0.74
SD
4
3
Items
126
126
N
1.0
1.0
Min
5.0
5.0
Max
2.84
2.93
M
t1
0.93
1.01
SD
0.78
0.79
α
1.0
1.0
Min
5.0
5.0
Max
2.82
3.10
M
t2
0.94
1.14
SD
0.79
0.86
α
1.0
1.0
Min
5.0
5.0
Max
2.98
3.10
M
t3 SD
0.98
1.07
Anhang 3: Kennwerte der Skalen zu beruflichen Interessen (Stichprobe der Follow-up Befragung; 1 = „hohes Interesse“, 5 = „kein Interesse“)
der Bereich (I)
intellektuell-forschen-
Bereich (R)
praktisch-technischer
N
Anhang 2: Kennwerte der Skalen zum fachspezifischen Fähigkeitsselbstkonzept (Stichprobe der Follow-up Befragung; Dimension „absolut“: 1 = „sehr begabt“, 5 = „nicht begabt“; Dimension „sozial“ 1 = „begabter als Jungen/Mädchen“, 5 = „weniger begabt als Jungen/Mädchen“)
„sozial“
FSK in Chemie,
„sozial“
FSK in Physik,
„absolut“
FSK in Chemie,
„absolut“
FSK in Physik,
N
Items
0.79
0.81
α
0.91
0.86
0.92
0.85
α
Stephan Abele
Modellierung und Entwicklung berufsfachlicher Kompetenz in der gewerblich-technischen Ausbildung Empirische Berufsbildungsforschung – Band 1
Stephan Abele Modellierung und Entwicklung berufsfachlicher Kompetenz in der gewerblich-technischen Ausbildung 331 Seiten mit 51 Abbildungen und 49 Tabellen. Kartoniert. & 978-3-515-10650-4 @ 978-3-515-10755-6
Gut ausgebildete Facharbeiter sind eine wichtige Voraussetzung des deutschen Wirtschaftserfolgs – um diesen Erfolg sicherzustellen, benötigen wir gesichertes Wissen zur erfolgreichen Gestaltung beruflicher Ausbildungsprozesse. Welche Bedeutung haben verschiedene Intelligenzfacetten sowie die allgemeine Schulbildung für die berufsfachliche Kompetenzentwicklung? Wie lässt sich das Kompetenzniveau von Auszubildenden aussagekräftig erfassen? Diese und weitere einschlägige Fragen werden im vorliegenden Band aufgegriffen und auf einer breiten sowie interdisziplinären Basis systematisch bearbeitet. In der Auseinandersetzung mit relevanten Erkenntnissen der differentiellen, pädagogischen und kognitiven Psychologie, neurowissenschaftlichen Studien und insbesondere der Berufsbildungsforschung werden theoretische Modelle entwickelt, die viele der bislang eher diffusen und vagen Annahmen zur berufsfachlichen Kompetenzmodellierung und -entwicklung integrieren und präzisieren. Die Überprüfung zentraler Annahmen an der Ausbildungswirklichkeit demonstriert die Leistungsfähigkeit dieser Modelle, die sowohl im wissenschaftlichen Kontext als auch bei praktischen Fragen Orientierung bieten. .............................................................................
Aus dem Inhalt Begriffliche Annäherung an berufsfachliche Kompetenz | Psychologische Modellierung berufsfachlichen Handelns | Personenbezogene Dimensionen berufsfachlicher Kompetenz | Anforderungsbezogene Dimensionen berufsfachlicher Kompetenz | Lerntheoretische Grundlagen der berufsfachlichen Kompetenzentwicklung | Befunde aus berufsbildenden Forschungskontexten zur Bedeutung ausgewählter Determinanten | Untersuchungsmodelle zur berufsfachlichen Kompetenzentwicklung
www.steiner-verlag.de
Im MINT-Bereich wird nach den vorliegenden Prognosen in den nächsten Jahren eine größer werdende Fachkräftelücke erwartet. Gleichzeitig zeigen Forschungsergebnisse und Trendanalysen, dass sich nach wie vor relativ wenig Jugendliche für diesen Bereich interessieren. Aus diesem Grund gewinnt die Frage, wie hier gefördert werden könnte, an Relevanz und stellt ein wichtiges Forschungsanliegen dar. Die vorliegende Arbeit geht dieser Frage nach. Wichtige Prädiktoren der Berufswahl wie fachspezifische Interessen und Fähigkeitsselbstkonzepte sowie berufliche Interessen bei Schülerinnen und Schülern
der Sekundarstufe I werden in ihrer Entwicklung untersucht, um Ansatzpunkte für das pädagogische Handeln zu gewinnen. Verfolgt werden zwei Forschungsperspektiven: In der ersten Studie wird analysiert, wie sich diese Interessen, Fähigkeitsselbstkonzepte und beruflichen Orientierungen bei Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 7 bis 10 entwickeln. Im Fokus der zweiten Studie stehen Analysen von Effekten außerschulischer Fördermaßnahmen auf die Entwicklung dieser Merkmale. Die Befunde der beiden Studien liefern wichtige Erkenntnisse und Hinweise für die Förderung der Jugendlichen im MINT-Bereich.
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag
ISBN 978-3-515-11322-9