Neuartige chemische Kampfstoffe im Blickfeld des Völkerrechts: Der Einsatz nicht tödlich wirkender sowie Pflanzen schädigender chemischer Kampfstoffe in bewaffneten Konflikten und das Völkerrecht. Ein Beitrag zur Auslegung und Ermittlung kriegsrechtlicher Normen [1 ed.] 9783428432653, 9783428032655


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German Pages 166 Year 1975

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Neuartige chemische Kampfstoffe im Blickfeld des Völkerrechts: Der Einsatz nicht tödlich wirkender sowie Pflanzen schädigender chemischer Kampfstoffe in bewaffneten Konflikten und das Völkerrecht. Ein Beitrag zur Auslegung und Ermittlung kriegsrechtlicher Normen [1 ed.]
 9783428432653, 9783428032655

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HERBERT JASCHINSKI

Neuartige chemische Kampfstoffe im Blickfeld des Völkerrechts

Schriften zum Völkerrecht

Band 40

Neuartige chemische Kampfstoffe im Blickfeld des Völkerrechts Der Einsatz nicht tödlich wirkeoder sowie Pflanzen schädigender chemischer Kampfstoffe in bewaffneten Konflikten und das Völkerrecht Ein Beltrag zur Auslegung und Ermittlung kriegerechtlicher Normen

Von

Dr. Herhert Jaschinski

DUNCKE R & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

C 1875 Duncker & Humblot, Berlln 41

Gedruckt 1975 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlln 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03265 8

Für Marianne

Vorwort Das Manuskript der vorliegenden Schrift wurde im Frühjahr 1973 abgeschlossen. Das kurz danach erschienene Buch von Herrn Dr. Michael Bothe: "Das völkerrechtliche Verbot des Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen" wurde anschließend noch eingearbeitet. Anläßlich der Veröffentlichung der als Dissertation im Wintersemester 1973/74 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld unter dem Zweittitel angenommenen Arbeit möchte ich allen danken, die mit Rat und Tat zu ihrem Entstehen beigetragen haben. Besonderen Dank für stete Förderung und Unterstützung schulde ich Herrn Professor Dr. Jochen Abr. Frowein. Den Herren Ministerialräten Dr. Hinz und Dr. Moritz aus dem Bundesministerium der Verteidigung danke ich herzlich für ihre Anregungen zur Bearbeitung dieses Themas aus dem Kriegsvölkerrecht. Herr Ministerialrat Dr. Hinz hat die erste Erfassung einschlägiger Literatur an der Bibliothek des Bundesministeriums ·der Verteidigung ermöglicht und mich während der Arbeit oft auf neueste ausländische Veröffentlichungen hingewiesen. Herrn Ministerialrat a. D. Dr. J . Broermann, Inhaber des Verlages Duncker & Humblot, sage ich Dank für den Druck der Arbeit in der Reihe "Schriften zum Völkerrecht". Meiner lieben Frau gebührt für ihre Geduld, mancherlei Opfer und Mitarbeit mein tiefster Dank. München, im Juni 1974 Herbert J aschinski

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

I. Kapitel

Allgemeine Charakteristik nicht tödlich wirkender sow!e Pflanzen sdlldigender chemischer Kampfstoffe (Sachbericht)

17

Vorbemerkung

17

§ 1 Definition der chemischen Waffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .

17

A. Protokoll Nr. III über die Rüstungskontrolle vom 23. Okt. 1954 . . . .

18

B. Artikel 13 des Österreichischen Staatsvertrages vom 15. Mai 1955 . .

18

C. Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 1. Juli 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

D. Ergebnis

... . .. . . . .. . . .. . . . .. . .. .. .. .. . . .. .. .. .. .. . .. . . . .. . . .. .

§ 2 Arten chemischer Kampfstoffe

19

.. . .. .. . . . . . .. . . . .. . . . . .. . . . . . . . . .. .

19

§ 3 Reizkampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

A. Einsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

B. Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

I. CN II.CS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. DM ......... . ... .. ............................ .. ... . .... . . .

22

§ 4 Pflanzen schädigende chemische Kampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

A. Einsatzziel

22

22

.. .. ... .· . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

B. Dauerschäden

. . . . . . . . .. . . ... .. . . .. . . . . . . . . .. . . .. . . . . .. . . . . .. .

24

10

Inhaltsverzeichnis

§ 5 Psychokampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

A. Arten ................... . .................. . ........... . . ......

26

B. Beispiele militärisch brauchbarer Psychekampfstoffe . . . . . . . . . . . . I. BZ .............. .... ............. . .. . . . ........... ... ..... II. LSD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einsatzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 27 28

11. Kapitel

Du VISikervertraprecht

30

I. Teit Die völkerrechtlichen Verträge seit Ende des 19. Jahrhunderts bfs zum Abschluß des Genfer Protokolls von 1925

30

§ 6 Die erste Haager Friedenskonferenz im Jahre 1899 . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

A. Einberufung und Ziel der Konferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

B. Auslegung der Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

I. Die II. Haager Erklärung betr. "das Verbot der Verwendung von Gasgeschossen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Das Verbot der Verwendung von Gift: Artikel 23 a) HLKO . . . . 1. Ursprung des Verbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Giftbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Argumente gegen die Anwendung von Artikel 23 a) HLKO auf chemische Waffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Diskussion der Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Neuere Literaturmeinungen....... . ...... .. . .... ......... 6. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Verbot der meuchlerischen Tötung oder Verwundung: Artikel 23 b) HLKO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ratio . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zur Kriegslist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendbarkeit der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 35 36 37 38 42 45 48 48 48 49 49 50

IV. Das Verbot des Gebrauchs von Kampfmitteln, die geeignet sind, unnötigerweise Leiden zu verursachen : Artikel 23 e) HLKO . . 51 1. Das Problem der "militärischen Effektivität" . . . . . . . . . . . . . .

51

Inhaltsverzeichnis 2. Das Verhältnismäßigkeltsprinzip

11

52

3. Anwendbarkeit der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Nicht tödlich wirkende chemische Kampfstoffe . . . . . . . . 53 b) Pflanzen schädigende chemische Kampfstoffe . . . . . . . . . . 54 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

V. Das Verbot der Zerstörung oder Wegnahme feindlichen Eigentums: Artikel 23 g) HLKO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Das.Problem der ,.militärischen Notwendigk.eit" . . . . . . . . . .

56 a) Entwicklung des Begriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) Rechtsprechung der Militärgerichtshöfe nach dem II. Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

§ 7 Artikel 171 des Versailler Friedensvertrages ." . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

§ 8 Die amerikanischen Konferenzen von 1921 - 1923 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

A. Die Washingtoner Abrüstungskonferenz von 1921/1922 . . . . . . . . . . . .

64

B. Die Abrüstungskonferenz zentralamerikanischer Staaten von 1923 68 C. Die Fünfte Internationale Konferenz amerikanischer Staaten 1923 69

11. Teil Das Genfer Protokoll vom 17. Juni 1925

71

§ 9 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

§ 10 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

A. Die Vorarbeiten des Völkerbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

B. Einberufung und Ziel der Konferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

C. Der Wortlaut des Protokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

§ 11 Auslegung des Vertrages aus sich heraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

A. Meinungsspektrum

........................... .......... .... ...

75

B. Textinterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Textdivergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Die wörtliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

12

Inhaltsverzeichnis C. Der Konnex zwischen B-und C-Waffenverbot D. Die Berücksichtigung vorangegangener Verträge Eo Ergebnis 0

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§ 12 Die Diskussion des Anwendungsverbots Pflanzen schädigender chemi-

scher Kampfstoffe

A. B. C. D.

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Das Argument des innerstaatlichen Gebrauchs Das Argument der indire~ten Wirkung gegen Menschen Das Argument der Beachtung de!\ Parteiwillens bei Vertragsschluß Ergebnis oo 0

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§ 13 Vertragszweck .

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A. Vorbereitungsarbeiten B. Rechtspolitische Erwägungen 0

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§ 14 Auslegung durch Vertragspartner und die Vereinigten Staaten von

Amerika o o o A. Ablehnung des Vertrages durch den amerikanischen Senat im Jahre 1926 . B. Englisches und französisches Memorandum im Jahre 1930 zum Verbot der Reizgase .. o oo o o C. Stellungnahmen während der Abrüstungskonferenz 1932/33 o D. Ergebnis o. o. 0

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§ 15 Die Relativierung des Vertrages

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A. Das Verbot der Verwendung "im Kriege" oo 0

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o B. Die Ratifizierungsvorbehalte . I. Rechtslage . .. .. . o. ... ... . .. o. oo oo o 1. Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ... 2. Die Regelung der Vorbehalte gemäß Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969 ..... 0

78 79 79

II. Auswirkungen

95 96 96 97 98

1. Erster Vorbehalt

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2. Zweiter Vorbehalt . .... .. .. ...





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a) Abgrenzung zum Repressalienrecht b) Verstoß gegen das Recht internationaler Verträge c) Ergebnis ......... 0

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III. Weitergeltung .... o...... . .. 0

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IV. Der "Interpretationsvorbehalt" der USA

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98 99 99 100 103 103 104

Inhaltsverzeichnis C. Die Kriegsrepressalie

13 105

I. Problemstellung

105

II. Das Wesen der Kriegsrepressalie ...... . .. .. . . . ...... . ....... 106 III. Die gleichartige Repressalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 IV. Die ungleichartige Repressalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

111. Kapitel

Das V61kergewohnheltsrecbt

110

§ 16 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 § 17 Voraussetzungen der Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

A. Die Übung als objektives Wesensmerkmal . . . ... .. . . ....... . . . . . 111 B. Die Rechtsüberzeugung als subjektives Wesensmer!Qnal ......... . 112 § 18 Die Praxis der Staaten . ... . . . , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 A. I. Weltkrieg ............. . .... .. ................. . .. . .... . ...... 115 B. Konflikte der Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 C. Italienisch-Abessinischer Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 D. Chinesisch-Japanischer Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 E. II. Weltkrieg .......... . ....................................... 119 F. Koreakrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 G. Jemen-Konflikt ... ..... . ........... . ..... .. ... . ... . . . .. ........ 122 § 19 Vietnam-Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 A. Problemstellung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

B. Praxis und Position der Vereinigten Staaten ...................... 124 I. Retrospektive II. Folgerungen

125 129

§ 20 Inhalt des Gewohnheitsrechtsatzes ......... ...... ..... .. ....... . .... 131

Vor bemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 A. Kernzone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Inhaltsverzeichnis

14

B. Randzone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I. Reizkampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

II. Pflanzen schädigende chemische Kampfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . 138 III. Psychokampfstoffe

. . ............. .... . . ........... . . .. .... 140

§ 21 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

A. Ergebnisse

......... . . .. .... . ...... . .. . ..... .... ... ... .. .... . . . 140

B. Mängel am geltenden Recht ......... ... ............... .. ....... 142 C. Ausblick

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

I

Übersicht der tödlich wirkenden chemischen Kampfstoffe 145

Anhang II

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

Anhartg

Anhang 11I A

Einsatz Pflanzen schädigender chemischer Kampfstoffe in Vietnam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Anhang 111 B

Fotostudie einer vietnamesischen Mangrovenlandschaft . . 148

Anhang IV A

Eigenschaften ausgewählter Halluzinogene ........ . . . . . . 149

Anhang IV B

Psychoseauslösende Dosen verschiedener Halluzinogene . . 150

Anhang IV C

Trinkwasservergiftung durch LSD, Toxine und Bazillen . . 151

Anhang

V

Genfer Protokoll von 1925 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

Literaturverzeichnis

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

Abkürzungsverzeichnis AAAS

= American Association for the Advancement of Science

A.A.

Andere Ansicht

Anm.

Anmerkung

AJIL

American Journal of International Law

BGBl

Bundesgesetzblatt

BYIL

British Yearbook of International Law

CBW

Chemical Biological Warfare

Com.

Committee

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

HLKO

Haager Landkriegsordnung

ICJ

International Court of Justice

IGH

Internationaler Gerichtshof

IKRK

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

Jg.

Jahrgang

JIR

Jahrbuch für Internationales Recht

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NZWehrr.

Neue Zeitschrift für Wehrrecht

PCIJ

Permanent Court of International Justice

RGBl

Reichsgesetzblatt

Rdziff.

Randziffer

RGDIP

Revue generale de droit international public

SHAPE

Supreme Headquarters Allied Powers Europe

SIPRI

Stockholm International Peace Research Institute

UNGA

United Nations General Assembly

UNTS

United Nations Treaty Series

WHO

World Health Organization

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Vorbemerkung Seit einigen Jahren beschäftigen sich in zunehmendem Maße internationale Organisationen, wissenschaftliche Institute und die allgemeine Öffentlichkeit mit Fragen des Verbots der Anwendung biologischer und chemischer Kampfmittel in bewaffneten Auseinandersetzungen. Diese Waffen kamen im Il. Weltkrieg nicht zum Einsatz. Sie sind jedoch weiterentwickelt worden und im Besitz vieler Staaten. Die militärischtechnische Fortentwicklung hat einerseits zu solchen Kampfstoffen geführt, die als Massenvernichtungswaffen unvorstellbares Leid, Krankheit und Tod zufügen können sowie andererseits zu neuartigen chemischen Kampfmitteln, die weder Tod noch Vernichtung, weder Krankheit noch Verwundung hervorrufen sollen. Die Gefahr des Einsatzes von B- und C-Waffen ist größer als die des Gebrauchs von Kernwaffen, weil ihre Herstellung keinen so hohen finanziellen und wissenschaftlichen Aufwand erfordert, so daß selbst kleinere Staaten über sie verfügen können. Die breite Skala vorhandener B- und C-Kampfstoffe ermöglicht außerdem eine flexiblere, der jeweiligen militärischen Situation angepaßte Anwendung. Die völkerrechtliche Diskussion über die Zulässigkeit von B- und C-Kampfstoffen hat- ausgelöst durch den Gebrauch chemischer Kampfmittel im Vietnam-Krieg~ insbesondere im Bereich chemischer Waffen Meinungsunterschiede ergeben. Strittig ist vor allem, ob nicht tödlich wirkende und Pflanzen schädigende chemische Kampfstoffe einem völkerrechtlichen Einsatzverbot unterliegen. Gegenstand der vorliegenden Arbeit bildet die Analyse des geltenden Völkerrechts zur Frage der Legalität des Gebrauchs dieser Kampfstoffarten in bewaffneten Konflikten. Nach einem einführenden Sachbericht zur Charakterisierung dieser Waffen bestimmt den Gang der Arbeit die Untersuchung des Völkervertrags- und des Völkergewohnheitsrechts.

Erstes Kapitel

Allgemeine Charakteristik nicht tödlich wirkender sowie Pflanzen schädigender chemischer Kampfstoffe (Sachbericht) Vorbemerkung Eine juristische Antwort auf die Frage nach der Zulässigkeit des Gebrauchs einer bestimmten Waffe ist nur dann möglich, wenn über ihr Wesen, ihre Wirkungsweise und über Art und Ziel ihres Einsatzes Gewißheit herrscht. Der Gebrauch chemischer Waffen im ersten Weltkrieg und die Anwendung nicht tödlich wirkender und Pflanzen schädigender chemischer Kampfstoffe im Vietnamkonflikt geben ausreichenden Aufschluß über die tatsächlichen Kriterien zur rechtlichen Beurteilung dieser KriegsmitteL § 1 Definition der chemischen Waffe

Eine für das Kriegsvölkerrecht allgemein verbindliche Definition der chemischen Waffe1 fehlt bisher. Ansatzpunkte für eine solche allgemein gültige Umschreibung enthalten: -

Das Protokoll Nr. 111 über die Rüstungskontrolle zum Brüsseler Vertrag vom 23. Oktober 19542 Artikel13 des Österreichischen Staatsvertrages vom 15. Mai 19553 Der Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 1. Juli 1969 über "Chemische und bakteriologische (biologische) Waffen und die Wirkungen ihrer möglichen Anwendung"'·

1 Der Begriff "chemische Waffe" enthält im kriegstechnischen Sinne die Gesamtheit der zum Einsatz notwendigen technischen Voraussetzungen: das Transport- oder Einsatzmittel, den Munitions- oder Kampfstoffbehälter, den Kampfstoff selbst. - Innerhalb der Untersuchung wird der Kampfstoff auch als chemische Waffe, chemisches Kriegs- oder Kampfmittel sowie als chemisches Agens bezeichnet. 1 BGBl. 1955 II, S. 270. 3 United Nations Treaty Series, Vol. 217, S. 307. ' Deutsche Übersetzung im Auftrag der Bundesregierung durch Verlag für Zeitarchive GmbH, Siegier u. Co., Bonn 1970.

2 .Jaschlnskl

18

1. Kap.: Charakteristik nicht tödlich wirkender Kampfstoffe

A. Protokoll Nr. UI über die Rüstungskontrolle vom 23. Oktober 1954

Im Protokoll Nr. III Anlage Il, Ziff. II über die Rüstungskontrolle zum Brüsseler Vertrag werden chemische Waffen wie folgt definiert: "a) Als chemische Waffen gelten alle Einrichtungen und Geräte, die eigens dazu bestimmt sind, die erstickenden, toxischen, reizerregenden, lähmenden, wachstumsregelnden, die Schmierwirkung zerstörenden und katalytischen Eigenschaften irgendeiner chemischen Substanz für militärische Zwecke auszunutzen. b) Vorbehaltlich der unter c) getroffenen Regelung sind chemische Substanzen, die derartige Eigenschaften besitzen und für die Verwendung in Einrichtungen und Geräten gemäß a) in Frage kommen, in dieser Definition einbegriffen. c) Von dieser Definition gelten als ausgenommen die unter a) und b) genannten Geräte und die Mengen ~on chemischen Substanzen, die nicht über den zivilen Friedensbedarf hinausgehen." Gemäß Artikel 1 des Protokolls werden die Definitionen "von dem Rat der Westeuropäischen Union genauer bestimmt und auf den neuesten Stand gebracht". B. Artlkel13 des Osterreichischen Staatsvertrages vom 15. Mal1955

Eine ähnliche Charakterisierung der chemischen Waffe enthält Artikel13 Abs. 1j) in Verbindung mit Annex I des Osterreichischen Staatsvertrages vom 15. Mai 1955: "Österreich soll weder besitzen noch herstellen noch zu Versuchen verwenden erstickende, atzende oder giftige Stoffe oder biologische Substanzen in größeren Mengen oder anderen Typen als solchen, die für erlaubte zivile Zwecke benötigt werden, oder irgendwelche Apparate, die geeignet sind, solche Stoffe oder Substanzen für kriegerische Zwecke herzustellen, zu schleudern oder zu verbreiten." Für zukünftige neue Waffen bestimmt Absatz 2: "Die Alliierten und Assoziierten Mächte behalten sich das Recht vor, zu diesem Artikel Verbote von irgendwelchen Waffen hinzuzufügen, die als Ergebnis wissenschaftlichen Fortschritts entwickelt werden könnten." Annex J6 des Vertrages, Liste von Kriegsmaterial ergänzt unter Kategorie VI die Definition und umschreibt die Kampfmittel als: "Erstickende, blasenerzeugende, tödliche, giftige oder lähmende Stoffe, die für Kriegszwecke bestimmt oder über die zivilen Bedürfnisse hinaus hergestellt werden." a UNTS, Vol. 217, S. 379.

§ 2 Arten chemischer Kampfstoffe

19

C. Berldlt des Generalsekretars der Vereinten Nationen vom 1. Jnlll989

Im Sinne dieses Berichts sind chemische Kampfstoffe "solche chemischen Substanzen in gasförmigem, flüssigem oder festem Zustand, die wegen ihrer unmittelbaren toxischen Wirkung auf Mensch, Tier oder Pflanze eingesetzt werden könnten'." Brandwaffen (z. B. Napalm) und Nebelkampfstoffe, die zur Tarnung und Sichtbehinderung verwendet werden, fallen nicht unter diese Definition7. D. Ergebnis

Alle drei Definitionen schließen tödlich und nicht tödlich wirkende chemische Kampfmittel8 ein. Pflanzen schädigende chemische Stoffe werden von der Definition im Protokoll Nr. III über die Rüstungskontrolle ("wachstumsregelnd") und der im Bericht des Generalsekretärs miterfaßt. § 2 Arten chemischer Kampfstoffe

Die gebräuchlichste Einteilung der chemischen Kampfstoffe geht von toxikologisch-physiologischen Merkmalen und von der Stärke des Wirkungsgrades aus•. Danach werden unterschieden: Nerven-, Lungen-, Blut-, Haut-, Reiz- und Psychekampfstoffe sowie Toxine. Die vier ersten und die Toxine wirken in der Regel tödlich10• Beim Einsatz von Reiz- und Psychekampfstoffen treten Todesfälle nur unter

• s. 5. 7 s. 6.

8 In der Ziff. 20 Bericht des Generalsekretärs (S. 6) wird dies ausdrücklich klargestellt. • Vgl. Bericht des Generalsekretärs, S. 12, 13, 26- 36; WHO-Report, S. 23 bis 57.- Ausführlich zur Systematik der Einteilung Lohs, Synthetische Gifte, S.16ff. · to Zu diesen siehe Anhang I. Toxine als von lebenden Organismen: Bakterien, Pilzen(= Mycotoxine, besonders gesundheitsschädigend, da Kanzerogene) erzeugte Giftstoffe stehen zwischen den reinen B- und C-Kampfmitteln, da sie sich selbst nicht weiter vermehren. In der Konvention vom April 1972 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung sowie der Vernichtung von B-Waffen wurden sie ausdrücklich mitaufgenommen (Text, Europa-Archiv 1971/S, D 516 ff.; SIPRI-Yearbook 1972, S. 517- 522). - Das bekannteste und giftigste ist das Botulus-Toxin, das sich in Fleisch-, Fisch- und Gemüsekonserven bilden kann. Die tödliche Dosis- der Tod wird durch Versagen der Atmung, Kreislaufkollaps oder durch Herzstillstand herbeigeführt - beträgt nur einige Mikrogramm. Nach eingetretener Vergiftung gibt es keine spezifischen Gegenmittel; vgl. Munder, in BC-Waffen und Friedenspolitik, S, 20, 21; Bericht des Generalsekretärs, S. 5, 29, 34.

20

1. Kap.: Charakteristik nicht tödlich wirkender Kampfstoffe

besonderen Umständen ein, die sich auf die individuelle Konstitution, die Art der Einwirkung (über Haut, Atmungsorgane, Nahrung), auf die Konzentration und die Umweltverhältnisse beziehen. Eine genauere Grenzziehung zwischen tödlich und nicht tödlich wirkenden chemischen Waffen ist nicht möglich. Die Einteilung in diese beiden Hauptgruppen ist relativ und kennzeichnet lediglich eine statistische Reaktionswahrscheinlichkeit11• Der Wirkungsgrad hängt in erster Linie von der eingesetzten und aufgenommenen Dosis ab.

Als neuartige chemische Waffen wurden Pflanzenvernichtungsmittel ab 1961 im taktischen und strategischen Bereich während des Vietnamkonfliktes durch amerikanische Streitkräfte eingesetzt. Die letzte Entwicklung im Bereich chemischer Kampfstoffe stellen die sogenannten "materialschädigenden Kampfmittel" ("antimaterial agents") dar. Über sie sind offene Informationen kaum vorhanden12• § 3 Beizkampfstoffe13

Im Vietnamkonflikt wurden von amerikanischer Seite erstmals Ende 1964 Reizkampfstoffe eingesetzt14• Auch die Vietcongtruppen sollen mit Reizgasen gegen die amerikanischen Streitkräfte vorgegangen sein16• A. Einsatz

Den Gebrauch von Reizkampfstoffen in Vietnam begründete und rechtfertigte Adiniral Lemos im Dezember 1969 vor dem amerikanischen Kongreß: "Simply stated, riot control agents are used to save lives - American lives, lives of our allies, civilian lives, and enemy lives16." 11 Hierzu führt der Bericht des Generalsekretärs (S. 6) aus: "Einerseits sterben nach einem Angriff mit einem bestimmten tödlichen Kampfstoff nicht alle Betroffenen, andererseits können nach einem Angriff mit aktionsunfähigmachenden chemischen und bakteriologischen Kampfstoffen beispielsweise Kleinkinder und unterernährte, kranke und alte Personen sowie ein hoher Prozentsatz von Menschen in besonderer Lage (z. B. nach Verstrahlung) sterben."- Vgl. auch WHO-Report, S. 23, 25. 12 Sie sollen durch Verharzung der Schmierstoffe Waffen und Motoren funktionsunfähig machen; vgl. Knut Ipsen, Sicherheitspolitische und völkerrechtliche Aspekte der biologischen und chemischen Kampfmittel, Europa-Archiv 1972, S. 591; siehe auch Thomas and Thomas, Legal Limits on the Use of Chemical and Biological Weapons, Dallas 1970, S. 16. 13 Englisch: harassing agents, riot control agents. 14 Der erste Einsatz soll am 23. Dezember 1964 in der Provinz An Xuyen erfolgt sein; vgl. SIPRI I, S. 186. u Vgl. Thomas and Thomas, S.l48. ta Vgl. SIPRI I, S. 197, 198.

§ 3 Reizkampfstoffe

21

Gemäß dieser Maxime verwendeten amerikanische Truppen Reizgase dann, wenn Guerillatruppen Nichtkombattanten, Frauen und Kinder in ihre Reihen zwangen, um sie bei bestimmten militärischen Aktionen als "Schutzschild" zu benutzen17• Dieser Schutzschild sollte den Gegner daran hindern, das Feuer auf die feindlichen mit Zivilisten vermischten Truppen zu eröffnen. Bei der Befreiung von Gefangenen wurden Reizkampfstoffe ebenfalls diesem Grundsatz entsprechend eingesetzt. Reizgase wurden auch in Stollen- und Bunkersysteme hineingesprüht18. In diesen geschlossenen Räumen mit einer begrenzten Sauerstoffmenge entwickelten sich schnell hohe Gaskonzentrationen, die die tödliche Dosis erreichten18• Sie wirken in solchen Fällen wie tödliche Lungenkampfstoffe20• Der Grundsatz, Gebrauch von chemischen Waffen zum Schutze des Lebens, konnte bei dieser Einsatzmethode sicher nicht immer eingehalten werden21• Von einer weiteren routinemäßigen Anwendungsart der Reizkampfstoffe in Vietnam berichtete im April 1969 Prof. Meselson vor dem außenpolitischen Aus~chuß des amerikani~chen Senats22 • Man versprühte große Mengen von Reizgas aus der Luft über vom Feind besetztos Gelände und bekämpfte unmittelbar nach Wirksamwerden des Kampfstoffes den aktionsunfähigen Gegner mit Bombenangriffen und Artilleriefeuer. Diese bereits im I. Weltkrieg geübte Verwendungsmethode: Einsatz chemischer Kampfmittel zur Unterstützung tödlich wirkender konventioneller Waffen, stellt, wie sich aus ihrer treffenden amerikanischen Bezeichnung: "gas in order to kill" 23 ergibt, die vollständige Umkehrung der eingangs erwähnten Maxime dar. n Vgl. SIPRI I, S. 187. te Hierzu wird ein etwa 15 kg schweres, tragbares Gerät (militä'd"lche Bezeichnung "Mighty Mite") verwendet. Es wird von einem Zweitakt-Dieselmotor angetrieben. In die Stollenöffnung wird ein etwa zwei Meter langer Schlauch eingeführt und nach Einschalten des Gebläses werden Gashandgranaten in den Stollen geworfen. Die Gaswolken werden in das Stollensystem hineingetrieben; vgl. Military Review, Vol. 46 (1966), S.100. " Die tödliche Dosis kann innerhalb weniger Sekunden entstehen; v~l. SIPRI, Part I History (Provlslonal Edition), 1970, S. 37- 39; Kahn, in Gefahr aus der Retorte. S. 100- 106. - Vgl. auch Hanstian, Der chemische Krieg, 1937, S. 43;- Anhang II. 10 WHO-Report, S. 52; Bericht des Generalsekretärs, S. 33, 34. Lohs, S. 55. 11 Über Todesfälle durch Reizgase berichtet Kahn, S. 103- 107; derselbe, in Das Vietnam-Tribunal II oder die Verurteilung Amerikas, Bertrand Russen, Jean-Paul Sartre, ro-ro-ro aktuell Nr. 1213/14, S. 100- 109. n Meselson, Behind the Nixon Policy for Chemical and Biological Warfare, in Science and Public Affairs, Bulletin of the Atomic Scientlsts, Vol. XXVI, Jan. 1970, No. 1, S. 23- 24; 31/32. 13 Vgl. Thomas and Thomas, S. 149.

22

1. Kap.: Charakteristik nicht tödlich wirkender Kampfstoffe B. Wirkung

In der Gruppe der Reizgase unterschied man nach dem Schwerpunkt der lokalen Gesundheitsschädigung im I. Weltkrieg in Augen-, Nasenund Rachenreizstoffe24 • Bei den heute unter den Kodenamen eN, es, DM gebräuchlichen25 Reizkampfstoffen läßt sich diese Einteilung wegen der Kombinationswirkungen der Gase nicht mehr aufrecht erhalten2e. I. eN Etwa eine Minute nach dem Einsatz entsteht ein starker Tränenfluß. Es entzünden sich die Atmungsorgane, und an feuchten Stellen der Haut bilden sich Blasen und Verbrennungserscheinungen. Entwickeln sich in geschlossenen Räumen höhere Konzentrationen, so entstehen ernsthafte Lungenschäden, die zum Tode führen können27 • 11.

es

In den fünfzigerJahrenwurde es als Ersatz des eN für den Polizeigebrauch entwickelt. Es besitzt die etwa zehnfache Reizwirkung des eN. Die Symptome ähneln denen des eN, hinzu kommen Übelkeit und Erbrechen28• Bei Tierversuchen ergaben sich schwere irreversible Schäden an den Atmungsorganen sowie an Leber, Nieren und Gehirn29• 111. DM

Zu den Symptomen des DM zählen: heftige Kopf- und Zahnschmerzen, Ohrensausen, Husten- und Niesreiz, beklemmende Brustschmerzen, Reizung der Atmungsorgane, der Augen und der Haut. Diese Wirkune' Vgl. Lohs, S. 42 ff.; 73 ff.; Augenreizstoffe wurden im I. Weltkrieg als sogenannte "Maskenbrecher" erstmals im Sommer 1917 eingesetzt. Sie durchdrangen als feine Aerosole die Maskenfilter und zwangen wegen des starken Nies- und Hustenreizes zur Abnahme der Schutzmaske. Der Wirkung des in der Regel gleichzeitig verwendeten Lungenkampfstoffes waren die Betroffenen dann schutzlos ausgeliefert; vgl. Hanslian, S. 26, 27, 265. u Auch im Vietnam-Konflikt kamen diese drei Kampfstoffe zum Einsatz; vgl. SIPRI I, S. 185 ff; Kahn, in Gefahr aus der Retorte, S. 100 ff. - Zum Wirkungsgrad siehe Anhang II. 28 Vgl. WHO-Report, S. 51,52. 27 Vgl. WHO-Report, S. 53; vgl. auch Thomas and Thomas, S. 11; Mesetson, S.24. 2' Vgl. WHO-Report, S. 54, 55; Meselson, ebd. Zu Einsätzen mit tödlichem Ausgang: SIPRI I, S. 206-209. 21 Vgl. die von Kahn beschriebenen Tierversuche, in Gefahr aus der Retorte, 8.107, 108.

§ 4 Pftanzen schädigende chemische Kampfstoffe

23

gen treten etwa zwei bis drei Minuten nach Einatmen auf und sind stärker und andauernder als die von CN und csso. Für die englischen Streitkräfte wurde der Einsatz von DM mit der Begründung untersagt, er verstoße gegen das Genfer Protokoll von 192531 • Nach amerikanischen Einsatzrichtlinien soll DM nicht in Situationen verwendet werden, bei welchen Todesfälle nicht erwünscht sindll2 •

§ 4 Pflanzen schädigende chemische Kampfstoffe Wegen der Schwierigkeiten im Dschungelgelände Guerillatruppen zu bekämpfen hat die amerikanische Armee seit 1961 chemische Mittel83 zur Lichtung des Dschungels eingesetzt. Ab 1963 wurde der Einsatz auf die Vernichtung der Reisernten ausgedehnt. A. Einsatzziel

Die Verwendung von Pflanzenvernichtungsmitteln34 diente mehreren Zwecken38 : -

Die Zerstörung der natürlichen Deckungsmöglichkeiten in der Nähe eigener Verteidigungs- und Feuerstellen vermindert die Gefahr von Überraschungsangriffen und erlaubt einen eigenen wirkungsvollen Waffeneinsatz.

-

Die Entlaubung entlang verdeckter Verbindungsstraßen und -pfade unterbindet ein unkontrollierbares Einsickern von Truppen und ermöglicht eine eigene Luftaufklärung.

ao Vgl. WHO-Report, S. 55. Eindringlich schildern Giller t, S. 20, und Lohs, S. 79 die Wirkungen. • 1 Vgl. Kahn, in Gefahr aus der Retorte, Anmerkung S. 102. az Vgl. Meselson, S. 24; Thomas and Thomas, S. 12. aa Kodenamen: Agent Purple, Orange, White, Blue. Versprüht wurden hauptsächlich Agent Orange und Agent White, in geringen Mengen Agent Blue, das insbesondere zur Vernichtung der Reispftanzungen angewendet wurde. Wegen seines hohen Arsengehalts ist es besonders giftig. Folgende Mengen sind auf ein Hektar R.eisfeld eingesetzt worden: Agent Orange 45 kg; Agent White 9 - 15 kg; Agent Blue 3,5 kg. Vgl. SIPRI I, S. 172; Galston, in Gefahr aus der Retorte, S. 72 ff.; MundeT, in B-, C-Waffen und Friedenspolitik, S. 26- 29. u Man unterscheidet drei Gruppen: 1. Herbizide (herbicides), führen zum Absterben der betroffenen Vegetation. 2. Defolianzien (defoliants), zur bloßen Entlaubung geeignet. 3. Bodensterilisatoren (soil sterilants), arsenhaltig, sie verhindern jegliche Vegetation. Vgl. Thomas and Thomas, S. 14- 16; K. Ipsen, Sicherheitspolitische und völkerrechtliche Aspekte, in Europa-Archiv 1972, S. 591. 35 Hierzu SIPRI I, S. 177 ff.

1. Kap.: Charakteristik nicht tödlich wirkender Kampfstoffe

24

-

Feindliche, durch den Dschungel geschützte Aufmarsch- und Vorbereitungsräume, Truppenansammlungen, Gefechtsstände und Stellungen werden durch die Entlaubung sichtbar und können bekämpft werden.

-

Die Vernichtung der Ernten soll die Ernährungsmöglichkeiten der feindlichen Truppe schmälern und dadurch ihren Kampfwert herabsetzen. B. Dauerschiden

Rückblickend wird der militärische Nutzen der Anwendung Pflanzen schädigender chemischer Kampfstoffe bezweifelt38• Insbesondere habe die Erntevernichtung im Hinblick auf das Kriegsziel keinen Vorteil, sondern lediglich politisch-psychologische Nachteile erbracht. Zu den schädlichen Auswirkungen stellte im Jahre 1970 eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe der American Association for the Advancement of Science37 nach einer fünfwöchigen Inspektion Südvietnams fest: - Ein großer Teil der südvietnamesischen Mangrovenwälder ist gänzlich zerstört und mehrere Jahre nach Einsatz der Vernichtungsmittel ist keine Regeneration erkennbar8 • -

-

Etwa die Hälfte der abholzreifen Nutzwälder9 nördlich und westlich von Saigon sind abgestorben und es droht die Gefahr, daß diese Gebiete für die nächsten Jahrzehnte von nutzlosem Bambusholz überwuchert werden. Die Erntevernichtung mit dem Ziel, den feindlichen Truppen Nahrungsquellen zu entziehen, war ein totaler Mißerfolg4°, weil die

ae Vgl. SIPRII, S. 183 ff.; Der Einsatz chemischer Kampfmittel im Vietnamkrieg, ökologische Gefahren der Entlaubungsaktionen, in Neue Züricher Zeitung vom 10. März 1972 (Fernausgabe Nr. 69), S. 4; Galston, Military Uses of Herbleides in Vietnam, in New Scientist (1968), Vol. 38, S. 583, 584; ders. in Gefahr aus der Retorte, S. 72 - 83; vgl. auch F AZ vom 23. 5. 73, S. 33, Entlaubungsmittel vergiften Nahrung. 37 Ergebnisse der Untersuchung, die unter Leitung von Prof. Mese1son (Harvard Universität) durchgeführt wurde, in Science, Herbleides in Vietnam: AAAS Study finds widespread devastation, Vol. 171 (1971), S. 43-47. - Vgl. auch Tschtr1ey, Defoliation in Vietnam, Science Vol. 163 (1969), S. 779 - 786. Zum Ganzen siehe auch Grümmer, Herbizide in Vietnam, Berlin-Ost 1969

(192 S.).

as Man schätzt, daß die Mangrovenwälder 20 Jahre zur Regeneration benötigen. Vgl. Bericht des Generalsekretärs, S. 67. Dies zieht auch ein Gefährdung des Tierbestandes nach sich. 39 Die Verluste an wertvollem Holz (Teak-, Eben-, Rosenholz) werden mit 500 Mill. Dollar angegeben; SIPRII, S. 184. 40 Hierzu die AAAS-Studie: "Our observations lead us to believe that precautions to avoid destroying the crops of indigenous civilian populations have

§ 5 Psychokampfstoffe

25

zerstörte Ernte fast ausschließlich von der Zivilbevölkerung, insbesondere den Bergbewohnern des zentralen Hochlandes benötigt wurde. -

Für ein abschließendes Urteil darüber, ob der Einsatz dieser Pflanzengifte mit dem Ansteigen von Totgeburten und Mißbildungen zusammenhängt, sind weitere Untersuchungen erforderlich. Dies gilt auch für Krebsschäden41 •

Nach Angaben des amerikanischen Verteidigungsministeriums wurden etwa 11 °/o des gesamten südvienamesischen Gebietes42 mit Pflanzengiften besprüht, davon entfallen über 2 000 km2 auf Erntefelder43 • Diese Zahlen differieren44 erheblich von denen, die Nordvietnam veröffentlicht hat.Danach wurden über 30 °/o der Gesamtfläche mit Pflanzengiften verseucht. Über 1,5 Millionen Menschen litten an Vergiftungserscheinungen45 und 1 622 Menschen fanden hierdurch den Tod. Eine wissenschaftliche Auswertung der zukünftigen ökologischen Veränderungen als Folge dieser Angriffe liegt noch nicht vor und ist wohl zur Zeit auch noch nicht möglich. Sicher ist jedoch, daß die nachteiligen langfristigen Auswirkungen48 auf Pflanzen- und Tierwelt, Wasserhaushalt und Bodenbedingungen weit über das hinausgehen, was man vor und während des Einsatzes voraussehen konnte. § 5 Psychokampfstoffe47

Aus der militärischen Fachliteratur48 der letzten Jahre geht hervor, daß die führenden Staaten beider Machtblöcke ihre Forschungen auch been a failure and that nearly all the food destroyed would actually have been consumed by such populations." Science, Vol. 171, S. 45. 41 Vgl. WHO-Report, S. 57. 42 Gesamtfläche 172 540 km 2, davon 30 Ofo Wald; SIPRI I, S.176. 43 Insgesamt sei eine Reismenge vernichtet worden, die ein Jahr lang für die Ernährung von 600 000 Menschen ausgereicht hätte, Science, Vol. 171, S. 45. " Siehe Anhang III. u Vgl. hierzu Weiler, S. 248- 250. 41 Vgl. Galston, in Gefahr aus der Retorte, S. 72 f.; Grümmer, S. 81- 98; Bericht des Generalsekretärs, S. 67, 68. 47 Englisch: incapacitating agents, psychochemicals, psychochemical weapons. 48 Vgl. Rothschild, S. 36- 44; Klose, S. 493- 496; Joyce, in Gefahr aus der Retorte, S. 38- 47; Helm, S. 5; Trapmann, S. 89; Hollyhock, S. 224 ff.; Lieberman, S. 11 ff.; Fetizon und Magat, S. 150 ff.; Löbsack, S. 9 ff.; Cashmann, S. 150 ff; Chassin, S. 1125 ff. beschreibt Filmvorführungen über die Wirkungsweise von LSD-25 auf der medizinischen Konferenz des Oberkommandos der Alliierten Streitkräfte (SHAPE) im Mai 1963. Eine mit LSD-25 behandelte Katze, die sich mit einer Maus in einem Käfig befand, unternahm voller Furcht verzweifelte Versuche aus dem Käfig zu entkommen, anstatt die Maus zu fangen. - Die vollkommene Auflösung der militärischen Ordnung bei einer von

26

1. Kap.: Charakteristik nicht tödlich wirkender Kampfstoffe

auf solche chemischen Agenzien konzentrieren, die zwar kampfunfähig machen sollen, aber weder nachhaltig schädigen noch töten dürfen. Im Gegensatz zu den Reizkampfstoff en handelt es sich hier um psychotrope Substanzen48 , die hauptsächlich den psychischen Bereich beeinflussen. A. Arten

Man unterscheidet hauptsächlich50 drei Gruppen von Psychokampfstoffen: In der ersten Gruppe faßt man diejenigen Psychopharmak a zusammen, die überwiegend auf das Bewußtsein wirken. Sie erzeugen psychoseähnliche Rauschzustände von zeitlich begrenzter Dauer, beeinträchtigen das Zeit- und Raumempfinde n und führen zu psychischer Kampf- und Einsatzunfähigk eit5 1• Die Halluzinogene Marihuana, Meskalin und LSD sind die bekanntesten Vertreter dieser Gruppe 52 . Zur zweiten Gruppe gehören Substanzen, die die Psyche oder das Zentralnervens ystem beeinflussen und hauptsächlich körperliche Aktionsunfähigkei t herbeiführen. Hierzu zählen Stimulantia, Tranquillizer und blutdrucksenke nde Mittel&a. Bei der dritten Gruppe handelt es sich um Psychopharmak a, die sowohl auf die Psyche als auch auf die körperlichen Funktionen einwirken und somit die Eigenschaften der beiden ersten Arten vereinen. Die Literatur54 führt in dieser Gruppe einen von den Vereinigten Staaten55 entwickelten Kampfstoff mit dem Kodenamen BZ an.

einem Unteroffizier befehligten Gruppe von Soldaten, die Kaffee mit LSD-25 getrunken hatten, zeigte ein weiterer Film. - Ein junger Unteroffizier war nach Einnahme von LSD-25 nicht mehr in der Lage, die einfachsten militärischen Aufträge durchzuführen. Seine Stimmung wechselte völlig unmotiviert von plötzlicher Heiterkeit zu wilden Zornausbrüchen. u Bekannt sind etwa 700 psychotrope Verbindungen, von denen etwa 90 halluzinogen wirken; vgl. Joyce, S. 40. 50 Eine wesentlich differenziertere Unterteilung gibt Lohs, S. 289;- zu einzelnen Halluzinogenen vgl. Anhänge IVA, IVB. " Vgl. Helm, S. 5, 6. u Vgl. Wagner, S. VII. 53 Vgl. Helm, S. 6, 31 ff. 54 Vgl. Hersh, S. 53, 54; Meselson, S. 24. WHO-Report, S. 49- 51; Clarke, Anhang!. 55 Nach Klose, S. 495, verfügt die amerikanische Armee zur Zeit über drei weitere Psychokampfstoffe, über deren chemische Strukturen und Eigenschaften nichts veröffentlicht ist.

§ 5 Psychokampfstoffe

27

B. Beispiele militärlscll braucllbarer Psychokampfstoffe

In der nicht sehr ergiebigen offenen Literatur werden zwei Kampfstoffe: LSD und BZ näher charakterisiert.

I. B z~o Es besteht aus einer weißen kristallinen Substanz, die als Aerosol über die Atmungsorgane und- weniger wirksam - als Flüssigkeit durch die Haut aufgenommen wird. Nach einer Einwirkungszeit von dreißig Minuten bis zu vier Stunden je nach Höhe der Dosis treten folgende Vergiftungssymptome auf: - allgemeine Benommenheit und Verwirrung - Erhöhung der Pulsfrequenz - Sehstörungen und Schwindelgefühl - optische und akustische Halluzinationen - Aussetzen der Transpiration, Hitzestau mit der Gefahr eines Hitzschlages - Angstgefühle - letztlich völlige Apathie und Stumpfsinn. Die möglichen Reaktionen können individuell sehr verschieden sein. Sie hängen ab von der geistigen und psychischen Verfassung und von den Umwelteinfl.üssen; sie sind nicht vorhersehbar. Nach etwa drei bis vier Tagen sollen die Wirkungen auch ohne ärztliche Behandlung abklingen. Über eventuelle Dauer- und Spätschäden und über die Höhe der tödlichen Dosis sind keine offenen Informationen vorhanden. Bei Einsatz in trocken-heißem Klima muß aber mit tödlich verlaufenden Vergiftungen gerechnet werden. II. L S D -

25~7

Die psychische Wirkung von LSD-25, das seit 1938 bekannt war, entdeckte der Chemiker Hofmann~8 1943 in Basel zufällig bei Versuchen mit Mutterkornalkaloiden, wozu auch das LSD-25 gehört. 51 Zur Beschreibung seiner Wirkungen vgl. WHO-Report, S. 49- 51; Klose, S. 495; Joyce, S. 41 ff.- Ob BZ im Vietnamkonflikt zum Einsatz kam, ist bisher nicht mit Sicherheit geklärt, vgl. Langer, in Gefahr aus der Retorte, S. 144; SlPRll, S. 189. 57 Diese Bezeichnung bezieht sich auf das d - Lysergsäurediäthylamid - d tartrat (C2o Hr5 ONs)2 c, He Oe; vgl. Helm, S. 8; seit 1954 wird es vollsynthetisch hergestellt; Lohs, S. 291. 58 Helm, ebenda.

28

1. Kap.: Charakteristik nicht tödlich wirkender Kampfstoffe

Es ist eine farblose kristalline Substanz ohne Geruch und Geschmack; es ist wasserlöslich und wird durch Kochen und Backen nicht zerstört5•. Neben ähnlichen physischen Symptomen wie sie das BZ auslöst, liegt die Hauptwirkung im psychischen Bereich mit Halluzinationen, Rauschund Dämmerzuständen, spontanen Gefühlsschwankungen von Euphorie zu tiefen Depressionen, von Angriffslust zu Angstgefühlen und Verfolgungswahn sowie teilweisen oder völligem Verlust des Raum- und Zeitgefühls80. Diese Wirkungen beginnen etwa eine halbe Stunde nach der Einnahme, erreichen nach drei bis fünf Stunden ihren Höhepunkt und enden nach etwa zwölf Stunden81 • Die Frage der Spät- und Folgeschäden von LSD-25 und ähnlichen Psychopharmaka wurde bis vor kurzem noch verneint62 • Neueste Untersuchungen schließen irreversible Schäden am zentralen Nervensystem63, an Chromosomen und bei Geburten" nicht mehr aus. C. Einsatzmöglldlkeltene5

Psychokampfstoffe wirken auf den Menschen ein durch Einatmen von Aerosolen sowie durch Aufnahme vergifteter Nahrung und vergifteten Trinkwassers". Hautwirksame Kampfstoffe können direkt und indirekt durch Vergiftung von Gegenständen, die mit der Haut Kontakt bekommen, eingesetzt werden. Die unsichtbaren, geschmack- und geruchlosen Kampfstoffe lassen sich entsprechend ihren Einwirkungsarten bei verschiedenen militärischen Situationen verwenden. Neben dem Einsatz als Luft- und Geländekampfstoffe durch Versprühen in Aerosolform dürfte ihre Anwendung als Sabotagemittel im Vordergrund stehen, sei es mit dem Ziel technische Einrichtungen: Befehls- und Fernmeldezentralen, Bahnknotenpunkte, logistische Zentren " Vgl. Lohs, S. 291; Klose, S. 495. 8o Vgl. Wagner, S. 120 ff.; Chassin, S. 1125 ff. 81 Bei einer Dosis von 20- 25 Mikrogramm; vgl. Klose, S. 494. n Vgl. Hollyhock, S. 224; Kelly, S . 16; Meyrowttz I, S. 89, 92. 8' Vgl. Bericht des Generalsekretärs, S. 34; Lieberman, S. 13; Klose erwähnt eine hochtoxischen Psychokampfstoff, das IDPN, das bei einigen Tierarten irreversible Kreisbewegungen hervorruft. Die Versuchstiere können nie wieder geradeausgehen. " Vgl. Wagner, S. 127; Joyce, S. 42; WHO-Report, S. 48; zu genetischen und karzinogenen Wirkungen vgl. Bericht des Generalsekretärs, S. 72. 85 Siehe hierzu: Rothschild, S. 36 ff.; Clarke, S. 259, 260; Joyce, S. 38 ff.; Helm,

S. 7, 8; Klose, S. 494,495. WHO-Report, S.l17- 119. es Dazu Anhang IV C.

§ 5 Psychokampfstoffe

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unzerstört einzunehmen, sei es um eine vorübergehende Einsatzunfähigkeit bei politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Führungsstäben zu erreichen. Auch ihre Verwendung gegen stark befestigte Verteidigungsstellungen: Inseln, Widerstandsnester, Bunker- und Stollensysteme bietet sich an. Wie Reizkampfstoffe können sie zum Schutze der eigenen Truppe und von Nichtkombattanten in all den Fällen eingesetzt werden, in denen es zu einer Vermischung dieser mit dem Gegner gekommen ist. Als Einzel- und Massenvergiftungsmittel bieten Psychekampfstoffe somit eine breite Skala militärischer Einsatzmöglichkeiten.

Zweites Kapitel

Das Völkervertragsrecht Erster Teil

Die völkerrechtlichen Verträge seit Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Abschluß des Genfer Protokolls von 1925 § 6 Die erste Raager Friedenskonferenz im Jahre 1899 A. Einberufung und Ziel der Konferenz Auf Anregung des Zaren Nikolaus II. lud der Reichskanzler Graf Murawjew mit Rundschreiben vom 12. August 1898 und vom 11. Januar 1899 an die in Petersburg beglaubigten diplomatischen Vertreter der Staaten zu einer Konferenz ein mit dem Ziel, allen Völkern die Wohltaten eines wahrhaften und dauerhaften Friedens zu sichern, das ständige Aufrüsten zu beenden und die Völker von diesen finanziellen Lasten zu befreien, um dadurch die Gefahr des Krieges zu vermindern. Dieses allgemein gehaltene Programm wurde im zweiten Rundschreiben durch einen fest umrissenen Aufgabenkreis präzisiert. Danach sollte sich die Konferenz neben Abrüstungsfragen mit bestimmten Waffenverboten, dem Seekriegsrecht, der Revision der Konferenz von Brüssel und mit Problemen der Schiedsgerichtsbarkeit zur Vermeidung bewaffneter Konflikte befassent. An der Konferenz, die vom 18. Mai bis 29. Juli 1899 in Den Haag tagte, nahmen einschließlich der damaligen Großmächte 26 Staaten teil. Bedeutung für die hier zu untersuchenden Anwendungsverbote haben die gegen die Stimmen Englands und der Vereinigten Staaten in der Sitzung vom 21. Juli 1899 angenommene II. Erklärung, betreffend "das Verbot der Verwendung von Gasgeschossen", und die Bestimmungen des Art Vgl. Meurer, Die Haager Friedenskonferenz, Bd. I (1905), S. 9- 13; Zorn, Deutschland u. die beiden Haager Friedenskonferenzen, Berlin 1920, S. 11 ff. Das Institut de Droit International hatte mit seinem Kodifikationsversuch des Kriegsrechtes, dem ,.Manuel des lois de la guerre sur terre" von 1880 grundlegende Vorarbeiten für die Haager Friedenskonferenz geleistet; vgl. in diesem Zusammenhang insbes. Art. 8, 9 des Manuel, in Annuaire de !'Institut de Droit International, Bd. 5, S. 159.

§ 6 Die erste Raager Friedenskonferenz im Jahre 1899

31

tikels 23 a), b), e), g) der II. Konvention, betreffend "die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges", vom 29. Juli 18992 • Die Il. Raager Friedenskonferenz von 1907, der u . a. ein Programmvorschlag Rußlands zur Vervollständigung der Landkriegsordnung von 1899 zu Grunde lag, hat diese Verbotsnormen unverändert übernommen. B. Die Auslegung der Bestimmungen

I. D i e II. H a a g e r E r k 1 ä r u n g b e t r. " d a s V e r b o t der Verwendung von Gasgeschossen"

Die II. Haager Erklärung stellt die erste völkerrechtlich allgemein anerkannte Vertragsnorm dar, die ein spezielles Anwendungsverbot der Gaswaffe enthält. Sie lautet: "Les Puissances contractantes s'interdisent l'emploi de projectiles qui ont pour but unique de repandre des gaz asphyxiants ou deleteres8." Der Wortlaut4 ergibt ein Verbot des Gebrauchs von Geschossen, die als einziges Ziel die Verbreitung erstickender' oder schädlicher' Gase7 haben. t Vgl. Conference internationale de la paix (Bd. I- IV). Herausg.: Ministere des affaires etrangeres, La Haye 1899, Bd. I, S. 83 (zitiert mit Conference). England hat die II. Erklärung im Jahre 1907 signiert und ratifiziert; die Vereinigten Staaten sind ihr auch nachträglich nicht beigetreten; vgl. Overweg, S. 60. a Conjerence, Bd. I, S. 254; die amtliche deutsche Übersetzung lautet: "Die vertragschließenden Mächte unterwerfen sich gegenseitig dem Verbote, solche Geschosse zu verwenden, deren einziger Zweck ist, erstickende oder giftige Gase zu verbreiten." RGB11901, S. 474. ' Zum Vorrang der Textinterpretation vor der Suche nach dem gemeinsamen Parteiwillen vgl. Berber, Bd. I, S. 443 ff.; Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, S. 58 ff.; vgl. auch Art. 31 Wiener Vertragsrechtskonvention vom 23. Mai 1969 in Athenäum-Texte (1970), Bd. 5 Friedensvölkerrecht, s. 419. 6 Asphyxiant = erstickend vgl. Sachs-Vitlatte, Enzyklopädisches Wörterbuch der französischen und deutschen Sprache, 1911, S. 95; asphyxie: suspension de Ia respiration et etat de mort apparente ou imminante par submersion, strangulation, action de gaz irrespirables ... ; vgl. Littre, Dictionaire de la Iangue fran!;;aise, Tome I, Paris 1958, S. 623; erstickende Wirkung ist demnach nicht in jedem Falle mit tödlicher Wirkung gleichzusetzen. 8 Die amtliche deutsche Übersetzung von "deletere" mit "giftig" ist ungenau; vgl. auch Overweg, S. 53, Anm. 56; der deckungsgleiche deutsche Begriff für "deletere" ist "schädlich", vgl. GamWscheg, Etymologisches Wörterbuch der französischen Sprache, 2. Auft., Heidelberg 1966, S. 309. Der Begriff schließt aber eine tödliche Wirkung nicht aus: "qui attaque la sante, qui peut causer la mort", "corps quelconques susceptibles de nuire a Ia sante ou de determiner Ia mort", vgl. Dictionnaire de l'Academie Fran~aise, 1935 Tome I, S. 363; Littre, s. 1527. 7 Im deutschen Sprachraum wird der Begriff "Gas" vom Griechischen "chaos" abgeleitet und erstmals in den Schriften des Paracebus seit 1538 für Luft gebraucht; vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Spra-

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2. Kap.: Das Völkervertragsrecht

Unter "projectile"8 ist jeder Körper zu verstehen, der geworfen, geschleudert oder verschossen wird und sich auf einer Flugbahn fortbewegt, die durch die Schwerkraft und den Luftwiderstand bestimmt ist'. Der Flugkörper schließt die erstickenden und schädlichen Gase ein und macht sie bei seiner Verwendung frei. Gleichgültig ist es, ob ein solches Geschoß aus Gewehren, Kanonen oder auf andere Weise gegen den Feind verwendet wird. Es zählen hierzu deshalb sowohl Infanterie- und Artilleriegeschosse als auch Handgranaten, Wurfminen10 und Fliegerbomben11. Das im I. Weltkrieg angewandte Gasblaseverfahren11 und das Absprühen von Gasen aus Flugzeugen13 werden dagegen von der Erklärung nicht erfaßt. Die bewußt eng gehaltene Formulierung "projectiles qui ont pour but unique ••. " untersagt nicht diejenigen Geschosse, die außer der Gasverbreitung noch eine andere, z. B. Spreng- oder Splitterwirkung haben. Der Vertreter Portugals Graf de Macedo wies während der Konferenz mehrmals nachdrücklich, jedoch erfolglos, darauf hin, daß damit der Inhalt der Erklärung vollkommen leer liefe14• Nur diese Fassung hatte wohl die Chance, von den Militärmächten angenommen zu werden. ehe, 1960, S. 233.- Im französischen Sprachraum erscheint er im 17. Jhdt. in Anlehnung an das lateinische "chaos": die gestaltlose Urmasse; willkürlich gebildet von dem Alchimisten van Helmont zu Brüssel, vgl. Gamillscheg, S. 473. - Im militärischen Sprachgebrauch versteht man unter Gase oft auch feste und flüssige chemische Kampfstoffe, die als feine Schwebstoffe der Luft beigemengt werden, vgl. Alex Meyer, Völkerrechtlicher Schutz, S. 23, Anm. 64. s Projectile " ... tout corps lance par une force quelconque. 11 se dit particulierement, en termes d'art militaire, des balles, des obus, et en general de tout corps lance par une arme de jet ou une arme a feu", vgl. Dictionnaire de 1'Academie fran~aise, a.a.o~. Tome li, S. 419. Der Begriff "projectile" ist insoweit umfassender .als der von "Geschoß", da unter letzterem nur diejenigen Körper fallen sollen, die aus einer Schußwaffe verschossen werden, vgl. Brackhaus, Enzyklopädie (1969), S. 208. 8 Brockhaus, ebenda. 10 Vgl. Kriege, Gutachten über "Die völkerrechtliche Beurteilung des Gaskrieges im Weltkriege", in Völkerrecht im Weltkrieg, Dritte Reihe im "Werk des Untersuchungsausschusses der Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung und des Deutschen Reichstages 1919- 1928", Berlin 1927, Bd. IV, S.36. 11 Vgl. Riesch, Die Verwendung der Ultragiftwaffe durch Luftstreitkräfte im Lichte des Völkerrechts, S. 16; Kunz, Gaskrieg, S. 25. u Man baute eine große Anzahl mit konzentriertem Gas gefüllter Flaschen in die vordersten Stellungen ein und öffnete bei günstigem Wind gleichzeitig die Gashähne, so daß giftige Gaswolken in die feindlichen Stellungen getrieben wurden, vgl. Hanslian, S. 77 ff. 11 Riesch, ebd. 14 Conference, Bd. li, S. 51-54: " ... l'emploi du mot ,unique' n'ait pour effet de rendre absolument vide de portee l'interdiction proposee ..."; - Randermann, Das Verbot technischer Waffen (Diss.), Bonn 1954, S. 79, 80, vertritt demgegenüber die Ansicht, die Formel "einziger Zweck" sei nicht wörtlich zu ver-

§ 6 Die erste Haager Friedenskonferenz im Jahre 1899

33

Die Frage, ob auch die in der Regel nicht tödlich wirkenden Gase unter das Verbot dieser Erklärung fallen, ist in der Literatur umstritten. Gegen ein solches Verbot sprechen sich unter enger Anlehnung an die Konferenzverhandlungen Meurer 16, Kunz18, und A. Meyer 11 aus, während Kriege 18, Riesch19, Overweg110, Randermann21 und Thomas and Thomas%2 auch diese Gase in das Verbot miteinbeziehen. Aus den Beratungen über die Erklärung ergeben sich zwar Anhaltspunkte, nur Geschosse mit tödlich wirkenden Gasen zu verbieten, jedoch läßt sich aus ihnen ein gemeinsamer Wille der Kontrahenten nicht entnehmen. Die Erklärungen einzelner Konferenzteilnehmer geben nicht die einhellige Meinung aller Vertragspartner wider23• Nur ein übereinstimmender Parteiwille könnte bei der Auslegung unscharfer Formulierungen für das Ergebnis entscheidend sein. Ein Rückgriff auf textexterne Auslegungsmethoden, wie die Feststellung des Parteiwillens im Rahmen der Vorarbeiten, erübrigt sich hier bereits deshalb, weil der Wortlaut eindeutig ist. "Gaz deleteres" sind schädliche Gase, die durch Beeinträchtigung der Gesundheit zwar auch tödlich wirken können, aber nicht ausschließlich zum Tode führen müssen, wie es die Vertreter der ersten Meinung ohne auf den eigentlichen Vertragstext einzugehen, allein gegen den Wortlaut aus den Konferenzverhandlungen ableiten wollen. Die zu einleuchtenden und verständlichen Ergebnissen führende Auslegung des Wortlautes ist durch einzelne widersprechende Meinungen während der Konferenz nicht zu erschüttern24• Reiz- und Psychokampfstoffe verursachen, wie bereits festgestellt, überwiegend gesundheitliche Schäden reversibler Art. Bei gefechtsstehen, sondern man habe nur die Sprenggeschosse ausnehmen wollen, die bei der Explosion auch Gase entwickeln. - Mit Formulierungen wie "hauptsächlich", "in erster Linie", "im wesentlichen" hätte man diese Unklarheit. die den Konferenzteilnehmern bekannt war, beseitigen können; vgl. hierzu Meurer, Bd. II, S. 477; Kriege, S. 37 - 39; Riesch, S. 16. u Bd. II, S. 475, 478. 11 Gaskrieg, S. 26. 17 18 11

s. 205. s. 36. S.17.

s. 53. 21 s. 79. 22 s. 48. 20

Vgl. Conterence, Bd. II, S. 11, 12. Vgl. Bernhardt, S. 66: "Nur bei außerordentlichen Umständen sollten aber Ergebnisse, die sich aus dem Vertragstext unmittelbar ergeben, in Frage gestellt oder umgeworfen werden. Der Vertragstext steht stets am Anfang der Auslegung, mit ihm sollte, wenn immer er zu klaren Ergebnissen führt, die Auslegung im Regelfall auch abschließen." 23 2•

3 Jaschinskl

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2. Kap.: Das Völkervertragsrecht

mäßigem Einsatz muß aber unter besonderen Gegebenheiten und im Hinblick auf Art und Konzentration des eingesetzten Kampfstoffes sowie der individuellen Konstitution des Betroffenen sowohl mit Dauerschäden als auch mit Todesfällen gerechnet werden. Für diese Auswirkungen müßte die Erklärung auch nach der engen Interpretation anwendbar sein25• Die noch rechtsgültige28 II. Haager Erklärung von 1899 verbietet daher den Einsatz von Reiz- und Psychokampfstoffen in Form von Geschoßmunition, während das Absprühen von Pflanzen schädigenden chemischen Kampfstoffen aus Flugzeugen vom Wortlaut dieser Bestimmung nicht gedeckt wird. Wegen des leicht zu umgehenden engen Wortlautes und der Aufnahme einer Allbeteiligungsklausel, hat die Erklärung ihre Belastungsprobe im I. Weltkrieg nicht bestanden. Mit dem Eintritt der Vereinigten Staaten27 in den Krieg war sie wegen dieser Klausel nicht mehr rechtsverbindlich. Durch das inhaltlich weiter gefaßte Genfer Protokoll von 1925, betreffend "das Verbot der Anwendung von giftigen Gasen und bakteriologischen Kriegsmitteln", kommt der II. Haager Erklärung kaum noch Bedeutung zu. II. Das Verbot der Verwendung von Gift: Art. 23 a) H L K 0 Unter dem Titel "Mittel zur Schädigung des Feindes" enthält Artikel 23 HLKO beispielhaft Konkretisierungen des in Artikel 22 HLK028 für das gesamte Kriegsführungsrecht gültigen Grundsatzes, daß den Kriegführenden kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes zusteht. Zu den Beschränkungen zählt auch das Verbot des Gebrauchs von Gift und vergifteten Waffen: 25 Der Auffassung von Meyrowitz (I, S. 92), wonach die Psychokampfstoffe dem Verbot der li. Erklärung entgingen, da sie weder giftig noch gesundheitsschädigend seien, kann nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse über diese Kampfmittel nicht mehr beigepflichtet werden. 21 Vgl. Kunz, Gaskrieg, S. 24; Meyrowitz I, S. 91 und Anm. 28, 29; Overweg, S.60. 27 Die ablehnende Haltung der Vereinigten Staaten wurde damit begründet, daß der Vorwurf der Grausamkeit immer gegen neue Waffen e,rhoben worden und es nicht erwiesen sei, daß Gasgeschosse unmenschlich ode)' unnötig grausam seien; man solle sich nicht durch voreilig angenommene Beschlüsse der Mittel berauben, derer man sich später mit Erfolg bedienen körAne; Conterence, Bd. li, S. 24. 28 Der Vertragsentwurf der Konferenz von Brüssell874 enthielt in Artikel12 die Bestimmung: "Les lois de la guerre ne reconnaissent pas aux belligerents un pouvoir illimite quant aux choix des moyens de nuire ä l'ennemi." Actes de la Conference, Bruxelles 1874, S. 290.

§ 6 Die erste Haager Friedenskonferenz im Jahre 1899

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"Outre des prohibitions etablies par des conventions speciales, il est notamment interdit d'employer du poison ou des armes empoisonnees28."

1. Ursprung des Verbots Der Einsatz von Gift besaß zwar zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte zur Beseitigung von Feinden eine besondere Bedeutung8o, er galt aber bereits früh als mit den Regeln des Kampfes unvereinbar81• Alte indische Kampfregeln verboten die Verwendung heimtückischer Waffen und vergifteter Pfeile32• Bei den Römern herrschte im Kampf der Grundsatz: "Armis bella non venenis geri" 33 • Er wurde selbst gegenüber Verrätern aufrecht erhalten und sogar im Repressalienfalle nicht außer Kraft gesetzt34. In der Völkerrechtsliteratur haben schon GentiliB5, Grotius8• und Vattel31 dieses Verbot erörtert und als ratio die tödliche Wirkung, die

hinterhältige Beibringung und die geringe Aussicht auf Ab- oder Gegenwehr hervorgehoben3 s.

Auch alte deutsche Kriegsordnungen31 erkannten dieses Verbot an, und ein zwischen den kaiserlichen und den französischen Armeen im Jahre 1675 zu Straßburg geschlossener Vertrag untersagte bei strenger Strafe den Gebrauch vergifteter Kugeln40 • n Conference, Bd. I, S. 245. Ein gleichlautendes Verbot enthielt Artikel 13a) des Brüsseler Konventionsentwurfes. Dieser Entwurf erlangte wegen der ablehnenden Haltung Frankreichs keine Rechtsgültigkeit. Die Konferenz leistete aber für die beiden Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 wertvolle Vorarbeiten. 80 Vgl. hierzu die ausführliche Abhandlung von Lewin, "Die Gifte in der Weltgeschichte", Berlin 1920. 31 Kruse, Giftwaffen, in Strupp-Schlochauer I, S. 688. n Berber II, S. 21. aa Vgl. Grotius, De jure belli ac pacis libri tres (Paris 1625), Drittes Buch, 4. Kapitel Abs. XV, S. 454, in Deutsche Ausgabe Tübingen 1950, Die Klassiker des Völkerrechts. u Vgl. Vattel, Le droit de gens ou principes de la loi naturelle (1758), Buch 111, Kapitel VIII, S. 446, in Deutsche Ausgabe Tübingen 1959, Die Klassiker des Völkerrechts. 85 De jure belli libri tres (1612), englische Ausgabe, The Classics of International Law, By J. B. Scott 1933, Book II, Chapter VI, S. 155- 161. ae Grotius, S. 454. 37 s. 446. ae Vgl. hierzu besonders Randermann, S. 8- 12. 18 Vgl. Brechtel, Büchsenmeisterey, Nürnberg 1591, Das ander theil, das ander capitel, Absatz 1 (ohne Seitenallgaben).- Von Fleming, Der·vollkommne Teutsche Soldat, Leipzig 1726, § 18, S. 199, 200. 40 Artikel 57 des Vertrages, zitiert bei Lewin, S. 563.

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2. Kap.: Das Völkervertragsrecht

Die Verankerung des Verbots im geltenden Kriegsrecht konnte den Gebrauch von Gift aus dem Kriegsgeschehen bisher jedoch nicht verbannen, und gerade bei den Konfliktenneuester Zeit ist ein Zunehmen der militärischen Bedeutung neuartiger "Giftstoffe" zu erkennen.

2. Giftbegriff Ein Anwendungsverbot nicht tödlich wirkender und Pflanzen schädigender chemischer Kampfstoffe gemäß Artikel 23 a) HLKO kommt nur dann in Betracht, wenn sie als Gifte im Sinne dieser Vorschrift gelten können. Eine für das Kriegsvölkerrecht allgemein gültige Definition des Giftbegriffes ist nicht vorhanden. Soweit Aussagen zu dem Begriff in der Völkerrechtsliteratur vorliegen, wurden sie in Anlehnung an Definitionen auf medizinischem, toxikologischem und strafrechtlichem Gebiete gemacht41 • Die in diesen Bereichen herausgearbeiteten entscheidenden Kriterien lassen sich wie folgt zusammenfassen: -

Eignung einer Substanz, das Leben und die normale Funktion eines Organismus auf andere als mechanische Weise zu stören oder zu zerstören42• Zeitweise•a oder dauernde Funktionsbeeinträchtigung, die zur vollkommenen Zerstörung und zum Tode führen kann. Beibringung relativ kleiner Mengen44 •

41 Vgl. die Definition bei Schwarzenberger, Legality of Nuclear Weapons, London 1958, S. 27; Berber II, S. 170. Lohs, Synthetische Gifte, Berlin 1967, S. 15. Im strafrechtlichen Sinne, Schönke-Schröder (1972), § 229 STGB, Rdziff. 3; Dreher (1972), § 229 STGB, Anm. A., Petters-Preisendanz (1971), § 229 STGB, Anm. 4.- Vgl. hierzu ausführlich Bothe, Das völkerrechtliche Verbot des Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen, in Beiträge zum ausländ. öff. Recht und Völkerrecht, Bd. 59 (1973), S. 6; 11- 15. 42 Vgl. Thomas and Thomas, S. 50. 43 Bothe, S. 13, 16 legt dar, daß der Eintritt von Dauerschäden für den Giftbegriff nicht entscheidend ist. " Vgl. Berber II, S. 170; Thomas and Thomas, S. 50. Freilich ist damit das Problem der Dosierung nur angesprochen und keineswegs gelöst. Hierzu bemerkte schon Paracelsus (1493 -1541): "Wenn Ihr jedes Gift recht auslegen wollt, was ist, das nit Gift ist? Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift ist", zit. bei Wagner, RauschgiftDrogen (1969), S. 1.- Wagner (S. 2) bringt ein interessantes Beispiel, wie sehr die mittlere Verträglichkeit(= Toleranz) des Menschen gegenüber Gift variieren kann: In der Steiermark wird Arsen zur Leistungssteigerung und als Aphrodisiacum eingenommen und ohne ernsthafte Gesundheitsschäden auf Grund jahrelanger Gewöhnung bis zu einem Gramm vertragen, während die tödliche Dosis normalerweise bei knapp 100 Milligramm liegt. - Der Toxikaloge Lohs, S. 15, schließt seine eingehenden Erörterungen zum Giftbegriff mit der Bemerkung ab, daß auch sie nicht jeder Überprüfung standhalten und daß es angemessener wäre, die Frage, was Gift ist, durch diejenige, unter welchen Umständen eine Substanz Gift wird, zu ersetzen.

§ 6 Die erste Haager Friedenskonferenz im Jahre 1899

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Für das in Artikel 23 a) HLKO enthaltene Verbot soll von diesen Merkmalen ausgegangen werden. Danach sind nicht tödlich wirkende und Pflanzen schädigende chemische Kampfstoffe - wie ihre Charakterisierung in Kapitel I ergibt- geeignet, die für den Giftbegriff entscheidenden Wirkungen hervorzurufen. Ihre Verwendung zu Kriegszwecken wäre danach prima facie als ein Verstoß gegen Artikel 23 a) HLKO zu werten. 3. Argumente gegen die Anwendung von Artikel23a) HLKO auf chemische Waffen

Gegen die Anwendung des allgemeinen Verbotes des Giftgebrauchs im Kriege auf chemische Kampfstoffe werden eine Reihe von Einwänden erhoben. a) Aus der Behauptung, ratio legis des Verbotes sei allein die allgemeine Verurteilung des heimlichen und hinterhältigen Tötens, wird gefolgert, der Gebrauch von chemischen Kampfstoffen falle dann nicht unter das allgemeine Giftverbot, wenn er wahrnehmbar oder wenigstens voraussehbar und die Möglichkeit des Schutzes, zumindest aber die der Flucht, gegeben sei45 • b) Das Verbot beinhalte lediglich die Vergiftung von Waffen, Wasser und Nahrungsmitteln und beziehe sich nicht auf die Vergiftung der Luft durch chemische Kampfstoffe41. c) Aus dem Argument b) läßt sich folgern, das Verbot habe sich ursprünglich nur auf das Vergiften Einzelner beschränkt und sei nicht auf chemische Waffen als selbständige Massenvergiftungsmittel anwendbar47. d) Das Verbot könne allenfalls die Mittel und Formen der chemischen Kriegführung einschließen, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt waren4s. e) Schließlich widerspräche der Abschluß spezieller völkerrechtlicher Verträge hinsichtlich eines Anwendungsverbotes chemischer Kampfmittel, beginnend mit der II. Haager Erklärung von 1899 bis zum Genfer Protokoll von 1925, den Einsatz dieser Mittel bereits mit der Vgl. Kunz, Gaskrieg, S. 33- 35; Overweg, S. 48-51. Vgl. Riesch, S. 17- 18; Overweg, S. 41, 49. n Ähnlich Overweg, S. 41, 49. •• Vgl. KeHy, Gas Warfare in International Law, Military Law Review 1960 July 1960, S. 44 kommt bei der Untersuchung von Art. 23 a) zu dem Ergebnis: "This codification of customs reflected the past, not the unknown future." Siehe auch O'Brien, Biological, Chemical Warfare and the International Law of War, The Georgetown Law Journal, No. 1, 1962, Vol. 51, S. 22. 45 48

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2. Kap.: Das Völkervertragsrecht allgemeinen Norm des Art. 23 a) HLKO zu verbieten, da die vertraglichen Regelungen sonst überflüssig wären49 •

4. Diskussion der Argumente Ob die zunächst bestehende Vermutung, nach welcher die hier in Frage stehenden chemischen Kampfstoffe dem allgemeinen Giftverbot des Art. 23 a) HLKO unterliegen, durch diese Einwände widerlegt wird, ist näher zu erörtern. zu a) Das erste Argument enthält eine - besonders in der deutschen Literatur nach dem I. Weltkrieg - starke und einseitige Überbetonung der Perfidie als alleinige ratio des Verbotes. Dies führt zu einer nicht gerechtfertigten Einschränkung seines materiellen Inhaltes. Sicher ist diese Auffassung nicht zutreffend für die 2. Alternative der Bestimmung, dem Verbot des Gebrauchs vergifteter Waffen. Eine derart restriktive Auslegung im Hinblick auf' das Verbot der Verwendung vergifteter Waffen findet weder eindeutige Anhaltspunkte im Text, noch im Parteiwillen, noch in den Vorarbeiten und den Konferenzverhandlungen. Wenn auch für die 1. Alternative der Bestimmung, dem Verbot des Gebrauchs von Gift, die Perfidie als eine ratio unter anderen für das Verbot heranzuziehen ist, so ist sie aber nicht die allein entscheidende, mit der Folge, daß jeder offene Gebrauch von Gift erlaubt ist. Im letzteren Falle würde sich die Problematik dieser Vorschrift besonders auf die Feststellung des "offenen" Gebrauchs verlagern. Eine solche Feststellung würde während des Kampfgeschehens auf große Schwierigkeiten stoßen. Das Kriterium der "Offenkundigkeit" allein versagt bereits im Falle des offenen Einsatzes eines unbekannten Giftes, gegen welches der Gegner noch keine Abwehrmöglichkeit entwickeln konnte. Es stellt hier keinen entscheidenden Differenzierungsgrund mehr dar für eine rechtlich andere Beurteilung als der heimliche und versteckte Einsatz bekannter Giftwaffen. Durch Überbetonung nur eines Grundes des Verbotes wäre eine Umgehung und damit eine gänzliche Aushöhlung dieser Vorschrift im Konfliktsfalle leicht möglich. Man wird daher der in der außerdeutschen Literatm·150 überwiegend vertretenen Ansicht, nach welcher der Gebrauch •o Vgl. O'Brien, S. 22; Kriege, S. 33, 34 mit weiteren Nachweisen. 5o Castren, The Present Law of War and Neutrality, Helsinki 1954, S. 192. Meyrowitz, Les armes biologiques et le droit international, Paris 1968 (zit.

mit Meyrowitz II), S. 89. Thomas and Thomas, S. 54. Selbst das Hinterlassen einer Warnung, insbesondere bei Vergiftung von Wasser, rechtfertigt die Anwendung nicht. So bestimmt § 112 des British Manuel of Military Law, 1958:

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von Gift, gleichgültig, ob das Gift geheim oder offen beigebracht wird, ob Schutz- oder Fluchtmöglichkeit besteht, durch Art. 23 a) HLKO verboten ist, den Vorzug geben müssen. zu b) Brechtel61 behandelt die Brunnenvergiftung gemeinsam mit der Vergiftung von Luft, und warnt aus Angst vor gleichen Vergeltungsmaßnahmen, selbst gegen den nichtchristliehen Feind, diese als Kriegsmittel anzuwenden62• Die englische Regierung lehnte 1847 einen geheimen Kriegsplan des Earl of Dundonald ab, welcher die Anwendung von Schwefeldämpfen als Kriegsmittel vorsah. Während des Krimkrieges im Jahre 1855 wiederholte sie ihre Ablehnung mit der Begründung, der Gebrauch von Schwefeldämpfen sei mit der Verwendung von Gift gleichzusetzen und solche Kriegsmethoden widersprächen den " ... feelings and principles of civilized warfare" 68. Artikel 70 der Instruktionen für die amerikanische Armee von F. Lieber aus dem Jahre 1863 enthält das Verbot: "The use of poison in any manner ... " und Artikel 8 a) des "MEmuel des lois de la guerre sur terre" des Institut de Droit international von 1880 bestimmte: "11 est interdit de faire usage de poison, sous quelque forme que ce soit." Rolin64 verurteilte das Gasblaseverfahren im I. Weltkrieg als einen Verstoß gegenArtikel23 a) HLKO. Der Annahme, das Giftverbot "älterer Zeit" 56 habe nicht die Vergiftung der Luft umfaßt; sondern sich nur auf die Vergiftung von Waffen, Wasser und Nahrungsmitteln bezogen, wird man daher nicht zustimmen können. zu c) Dem Argument, das allgemeine Giftverbot habe sich ursprünglich auf die Vergiftung Einzelner bezogen und es sei deshalb nicht auf chemische Kampfstoffe als selbständige Massenvergiftungsmittel anwendbar, kann nicht gefolgt werden. Bei der Vergiftung von Trinkwasser in Brunnen, Wasserspeichern68 und Wasserleitungen sowie von Lebensmitteln in Vorratslagern oder " ... The poisoning or contamination of water is not made lawful by posting up a notice informing the enemy that the water has been polluted." &l Das andertheil, Das erst capitel, im Abschnitt: "Zwischen Christen und ungläubigen eine unterscheid zu halten." n Das andertheil, Das vierdt capitel. n Vgl. Randermann, S. 88. 64 Le droit moderne de la guerre, Tome 2, Bruxelles 1921, S. 326, 327. 65 Vgl. Overweg, S. 41. ae Vgl. Anhang IVC.

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Großküchen ist ein Begrenzen der Giftwirkung auf den Einzelnen schlechterdings nicht möglich. Diese Einsatzart von Gift unterlag aber unbestritten seit jeher dem allgemeinen Giftverbot57 , obwohl es sich hierbei auch um die Verwendung von Gift als Massenvergiftungsmittel68 handelte. Der Grund, in gleicher Weise verwendete, neuartige chemische Giftstoffe, sei es als Gase, Aerosole oder als Lösungsmittel von dem allgemeinen Giftverbot auszunehmen, weil es sich bei ihrem Gebrauch um Kampfmittel zur Massenvergiftung handelt, kann deshalb nicht entscheidend sein. zu d) Der Einwand, wonach nur diejenigen Mittel und Formen der Kriegführung dem Giftverbot unterliegen, die bis zum Zeitpunkt der vertraglichen Regelung bekannt waren, betrifft das allgemeine Problem der Anpassung von Rechtsnormen69• ~emischen

Das Auslegungsprinzip der Gleichzeitigkeit ("principle of contemporaneity", "interpretation dite contemporaine") könnte diese Ansicht stützen80. Hiernach ist für die Bedeutung einzelner Begriffe der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgebend. Eine Anpassung der bei einem bestimmten Stand der Kriegstechnik kodifizierten Regeln des Kriegsführungsrechts an die weiterentwickelte und veränderte Kriegstechnik wäre dann nicht möglich. Der Bedeutungswandel im allgemeinen Sprachgebrauch könnte hier in der Erweiterung des Giftbegriffes gesehen werden, falls man die seit Vertragsabschluß zu Kriegszwecken entwickelten chemischen Kampfmittel nun unter diesen Begriff subsumiert. 51 Vgl. Bluntschli, Das moderne Kriegsrecht der civilisierten Staaten, Nördlingen 1874, S. 23/24. 68 Vgl. Lueder, in Handbuch des Völkerrechts, Herausgeber Franz von Holtzendorff, Harnburg 1889, 391: "Sodann sind gewisse Waffen und Vernichtungsmittel verboten, so namentlich das Mittel des Giftes, und zwar sowohl die Vergiftung von Einzelnen als auch von Massen, sowohl die Verbreitung von Giftstoffen, z. B. von Brunnen und gleichfalls von Ansteckungen, als auch der Gebrauch vergifteter Waffen." 69 Dei Frage der völkerrechtlichen Beurteilung neuer Waffen, die Kunz, Kriegsrecht, S. 29, mit der klassischen Formulierung beantwortet: "Eine Verletzung des geltenden Rechts unter Berufung auf die Neuheit einer Waffe ist und bleibt ein Rechtsbruch, dem, wie schon oft betont, weder derogatorische noch neues Recht schaffende Kraft innewohnt", braucht an dieser Stelle nicht vertieft zu werden, da hier zu klären ist, ob das Giftverbot für die neuen chemischen Kampfstoffe geltendes Recht ist. 10 Vgl. Bernhardt, S. 74, 75 und Anm. 380 mit Nachweisen; Berber I, S. 444, 446. Anders bei der Auslegung innerstaatlichen deutschen Rechts, vgl. hierzu Larenz, Der "Bedeutungswandel" der Rechtsnormen und seine Berücksichtigung in der Rechtsprechung, DRiZ 1959, S. 306- 309; der s., Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 1969, S. 330 - 338.

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Das Prinzip der Gleichzeitigkeit betont die zentrale Stellung des Parteiwillens bei der Auslegung völkerrechtlicher Vereinbarungen61 • Stellt man im vorliegenden Fall auf den Parteiwillen ab, so ist aber weiter zu fragen, ob die Vertragspartner bei Kenntnis der neuen Waffen, diese durch die abgeschlossene Regelung als verboten betrachtet hätten. Eine annähernd sichere Aussage zum mutmaßlichen Parteiwillen in diesem Punkte läßt sich aus den Vertragsverhandlungen nicht herleiten. Andererseits kann der Auslegungsregel der Gleichzeitigkeit unter den allgemein anerkannten Grundsätzen zur Interpretation völkerrechtlicher Verträge kein führender Rang mehr eingeräumt werden. In die Wiener Vertragsrechtskonvention wurde sie nicht aufgenommen. Dagegen sind nach Artikel 31 Abs. 3 der Konvention zusammen mit dem Kontext als dynamische Elemente62 zu berücksichtigen: jedes nachfolgende Abkommen zwischen den Partnern hinsichtlich Auslegung des Vertrages oder Anwendung seiner Vorschriften und jede nachfolgende Praxis, die eine Übereinstimmung der Partner in der Auslegung ergibt. Bei Regelungen des Kriegsführungsrechtes ist allgemein zu berücksichtigen, daß ihr Sinn und Zweck darin liegt, künftige Waffenauseinandersetzungen zu humanisieren. Dieser Zweck ist bei der raschen Fortentwicklung moderner Waffen nicht zu erreichen, wenn für die Auslegung einer Norm nur der Stand der Kriegstechnik zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung entscheidend ist. Die von vornherein anzusetzende Diskrepanz von Norm und Normerfüllung im Kriegsführungsrecht könnte, verstärkt durch die Verneinung jeder Normanpassung, die Regelungen schon kurze Zeit nach ihrer Festlegung wirkungslos machen. Der Internationale Militärgerichtshof hat sich in dieser Problematik, vor die er oft gestellt wurde, zugunsten einer größeren Effektivität kriegsrechtlicher Normen bekannt und ausgeführt: "Dieses Recht ist nicht statisch, sondern folgt durch ständige Angleichung den Notwendigkeiten einer sich wandelnden Welt68 ." " Vgl. Bernhardt, S. 75. u Vgl. Schmitt, Zur Wiener Konvention über das Recht der internationalen Verträge, in Sonderdruck aus Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

1970, s. 363 ff., 367. ea Vgl. Internationaler Militärgerichtshof, Amtlicher Wortlaut in Deutscher Sprache, Bd. I, S. 247. In diesem Sinne Wengler II, S. 1378. Auch Bernhardt

spricht sich für die Berücksichtigung eines dynamischen Elements bei der Interpretation völkerrechtlicher Vereinbarungen aus, S. 75, 132, 133. Siehe auch Lewald, Das Gebot der Menschlichkeit und das Völkerrecht, NJW 1958, s. 729. - Karl Peters, Probleme der Atomrüstung, in Atomare Kampfmittel und christliche Ethik, 1960, S. 40 ff., 42.

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Folgt man diesem Grundsatz, so verbietet Artikel 23 a) HLKO die nach Vertragsabschluß neuentwickelten Kampfmittel, soweit sie nach dem Verständnis der Gegenwart als Gifte zu bezeichnen sind. zu e) Auch die Ansicht, weil spezielle völkervertragsrechtliche Normen den Gebrauch von chemischen Mitteln im Kriege verbieten, sei das allgemeine Giftverbot auf diese Stoffe nicht anzuwenden, denn sonst wären die vertraglichen Spezialnormen überflüssig, überzeugt nicht. Die Sondervereinbarungen, beginnend mit der li. Raager Erklärung von 1899 bis zum Abschluß des Genfer Protokolls von 1925, spezifizieren und verstärken den in Artikel 23 a) HLKO enthaltenen allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz des Verbots der Giftverwendung und vergifteter Waffen in einem bestimmten Teilbereich. Die Tatsache der teilweisen inhaltlichen Überschneidung einer speziellen mit einer allgemeinen völkerrechtlichen Verbotsnorm ist nicht ungewöhnlich und muß nicht zu dem Schluß führen, daß die allgemeine Norm überflüssig sei. Vielmehr können beide Normen. nebeneinander bestehen und sich ergänzen14. Ist z. B. die Spezialnorm im konkreten Fall aus einem Grunde nicht anwendbar, so bleibt der Rückgriff auf die allgemeine Regel möglich. Es ist außerdem nicht einzusehen, warum man Sachverhalte, die alle typischen altbekannten Merkmale eines Vergiftungstatbestandes erfüllen, von dem allgemeinen Verbot ausnehmen soll. Hinzu kommt, daß die völkerrechtsrechtlichen Verbotsnormen der Anwendung chemischer Kampfmittel von Anfang an eng mit dem Giftverbot verbunden waren und insbesondere die Washingtoner Konferenz von 1922 und das Genfer Protokoll von 1925 sich ausdrücklich auf vorbestehende Verbote, zu welchen auch Artikel 23 a) HLKO zu rechnen ist, beziehen. Von dem Ausschluß der allgemeinen Regelung in Artikel 23 a) HLKO durch spezielle Regelungen hinsichtlich des Verbots des Einsatzes chemischer Waffen wird man daher nicht ausgehen können.

5. Neuere Literaturmeinungen In der neueren Literatur besteht eine zunehmende Tendenz, Artikel 23 a) HLKO auch auf den Gebrauch chemischer Kampfmittel anzuwenden. ec Ein ähnliches Verhältnis besteht zwischen Artikel 23 e) HLKO, dem Verbot des Gebrauchs von Waffen, die unnötige Leiden verursachen und der III. Raager Erklärung mit dem Verbot von Dum-Dum-Geschossen, worauf Randermann, S. 91/92 hinweist. Vgl. auch Menzel, Legalität oder Illegalität der Anwendung von Atomwaffen, in Recht und Staat, Heft 225, 226 (1960), S. 34: "Das Völkerrecht kennt vielmehr zahlreiche Fälle, in denen ein nach sonstigen Normen bereits unerlaubtes Handeln nochmals ausdrücklich zum Gegenstand eines Spezialverbotes gemacht wurde."

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Randermann85 erörtert ausführlich als erster das hier gestellte Problem bei Prüfung der Zulässigkeit des Gasblaseverfahrens im I. Weltkrieg.

Er geht davon aus, daß Giftgase nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter den Giftbegriff fallen und daher derjenige beweispflichtig ist, der das Gegenteil annehme06 • Nach der Auseinandersetzung mit den einzelnen Argumenten, die gegen die Anwendung von Artikel 23 a) HLKO auf chemische Waffen vorgetragen werden, hält er den Gegenbeweis für nicht erbracht. Der Einsatz chemischer Kampfstoffe im I. Weltkrieg verstieß folglich gegen Artikel23 a) HLK067 • Außer Rolints haben auch Eysingaea und PfuhFO zuvor schon diese Auffassung vertreten. SpetzZer11 sieht als einzige ratio des Gebrauchs von Gift die Perfidie an und schließt daraus, daß Artikel 23 a) HLKO nur bei Einsatz der modernen "Nervengase" eingreife, weil diese geruch-und farblos, somit nicht vorher feststellbar seien. Diese Argumentation ist- wie schon erörtert72- nicht durchschlagend, zumal sie übersieht, daß Artikel 23 b) HLKO als eigene Verbotsnorm das hinterhältige und verräterische Verwunden oder Töten verbietet. Meyrowitz78 betont den gewohnheitsrechtliehen Charakter des Giftverbots, das auch für die neuen chemischen Kampfstoffe gelte, solange sich keine Gegennorm vertraglicher oder gewohnheitsrechtlicher Art entwickelt habe. Psychokampfstoffe fallen lediglich deswegen nicht unter das allgemeine Giftverbot, weil: " ... par leur nature, ne sont ni mortelles, ni nuisibles a la sante74 ."

Eine Übersicht zur Streitfrage, ob der Einsatz chemischer Waffen gegen Artikel 23 a) HLKO verstößt bieten Thomas and Thomas76 die erstmals zwischen tödlich und nicht tödlich wirkende sowie Pflanzen schädigende Agenzien differenzieren. 85

88 87

s. 83-92. s. 86, 87. s. 92.

u Vgl. oben 4. zu b). La guerre chimique et le mouvement pour sa repression, Recueil des Cours, 1927 I ,Tome 16, S. 347. 70 Gaskrieg und Völkerrecht, Diss. Würzburg 1930, S. 31. 71 Luftkrieg und Menschlichkeit, 1956, S. 96. 72 Vgl. oben 4. zu a). Nach Spetzlers Ansicht müßte Art. 23 a) HLKO allerdings auch die neuen Psychokampfstoffe verbieten. 88

18 74

75

I, S . 88; Il, S . 88- 92. I. S. 90.- Daß diese Ansicht heute nicht mehr haltbar ist: vgl. oben§ 5 C. s. 50-57.

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Auch wenn sie letztlich nicht eindeutig Stellung nehmen78, kann man ihren Ausführungen doch entnehmen, daß sie für die beiden ersten Gruppen von der Anwendbarkeit des Artikel23 a) HLKO ausgehen: "A toxic substance is a poisonous substance, one which kills or injures through chemical or physicochemical action on the body; ... The nerve agents, the mustard agents, the blood agents, and the choking agent ·phosgene all fall within a category of toxic or poisonous chemical agents77." Hinsichtlich nicht tödlich wirkender C- Waffen bemerken sie treffend: "If one accepts the argument that a substance which has effects for a limited time only and from which no permanent injury ensues is not a poison, then these agents may not fall within the meaning of the term. However, these incapacitating and riot control agents are toxic, with chemical reactions on the system which may, in cases of overexposure, cause serious illness or death. They would fall under the Iabel of poison ... Under a broad definition of poison there is included the "impairment" of the organism, and such agents are used to and do impair by causing vomiting and lachrymation. The fact that one may recover from a poison would not seem to be conclusive as to whether he was poisoned. Although little is known about other incapacitating agents, they too would appear to have toxic chemical reaction on the system causing temporary paralysis, blindness, or deafness78." Bei der Diskussion Pflanzen schädigender chemischer Mittel führen sie die Bestimmung No. 37 des US Army Field Manual an78, nach der das Giftverbot nicht eingreift " ... to the use of ,chemical . or bacterial agents harmless to man, to destroy crops intended soley for consumption by the armed forces (if that fact can be determined)' ." In den Fällen des Einsatzes Pflanzen schädigender chemischer Kampfstoffe mit unmittelbarer und mittelbarer Giftwirkung auf Menschen und in solchen, die auch die vermeidbare Vernichtung von Nahrungsmitteln der Zivilbevölkerung nach sich ziehen, käme man danach im Umkehrschluß zur Anwendbarkeit von Artikel 23 a) HLKO. Gestützt auf die Bedeutung des Giftbegriffes im allgemeinen Sprachgebrauch sowie im naturwissenschaftlichen, im strafrechtlichen Bereich und mangels positiver Hinweise eines entgegenstehenden Parteiwillens hält BotheBO den Einsatz giftiger Gase, wozu er auch Tränengase81 und 11

Vgl. Conclusion, S. 57.

s. 50, 51. s. 51, 52. 7' s. 53, 54. 80 s. 6, 8 ff. 77

78

81

8.14, 15.

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psycho-chemische Kampfstoffe82 rechnet, nach Artikel 23 a) HLKO für verboten. Für diese Auslegung spräche auch die nachfolgende Staatenpraxis. Entlaubungsmittel könnten bei unmittelbarer Giftwirkung auf den Menschen "wegen ihrer geringen toxischen Wirkung" wohl "nicht unter den Giftbegriff der HLKO" fallen83• Dem allgemeinen Sprachgebrauch wäre auch "etwas zu viel Gewalt" angetan, wenn man die pflanzenschädigende Wirkung, also den mittelbaren Effekt auf Menschen, unter den Giftbegriff subsumieren würde84 • 6. Stellungnahme

Eine durchschlagende Begründung wird von den Vertretern der Auffassung, Artikel 23 a} HLKO sei nicht auf B- und C-Kampfstoffe anwendbar, nicht gegeben. Die Argumentation von Stone86, O'Brien86, Mc Dougal and Feliciano81 läßt sich auf die - bereits erwähnte - von Kelly88 vorgetragene Behauptung: "This codifi.cation of customs reflected the past, not the unknown future", reduzieren. Dieser Gesichtspunkt ist nicht neu. Schon Overweg88 versucht seine Annahme vom "engeren Giftbegriff", der die chemischen Kampfstoffe nicht umfasse, hiermit zu untermauern. Wie die Diskussion oben90 ergab, konnte dieser These im Sinne einer teleologischen Reduktion91 nicht gefolgt werden. Geht man davon aus, daß kriegsrechtliche Normen Rechtsschranken für zukünftige bewaffnete Konflikte darstellen, so spricht - wegen der sich ständig weiterentwickelnden Kriegstechnik - mehr für die Ansicht, bei längergeltenden Vertragsnormen einer dynamischen Interpretation größere Bedeutung als bisher beizumessen und ältere Regeln, wie vom Internationalen Militärgerichtshof zu Nürnberg erkannt92, den "Notwendigkeiten einer sich wandelnden Welt" anzupassen und anzugleichen. 81

S.16.

s. 16. 84 s. 17. 8S s. 553, 554. 88 s. 21, 22. 87 s. 634 f., 663 f. 8S

88 88

Siehe oben 3. d).

s. 48-51.

Vgl. oben 4. Hierunter versteht man das "Ausfüllen" einer "verdeckten Lücke" durch Hinzufügen einer sinngemäß erforderlichen Einschränkung; vgl. statt vieler Larenz, Methodenlehre, S. 369 ff. 82 Vgl. oben 4. d) am Ende. 80

81

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Bedenkt man weiterhin, daß eine Reihe bedeutender Völkerrechtsautoren93 die bei der Explosion von Atomwaffen freiwerdende radioaktive Strahlungsenergie als "Giftwirkung" im Sinne von Artikel 23 a) HLKO betrachtet, so ist kaum einzusehen, warum der Einsatz neuartiger C-Waffen, der sich nur zum Teil in der Anwendungsform, nicht aber in der Wirkungsweise von den Vergiftungsakten früherer Zeiten unterscheidet, nicht unter diese Bestimmung fallen soll. Reiz- und Psychokampfstoffe sind von der zur Zeit geltenden Definition'' als Giftstoffe zu charakterisieren. Die durch sie ausgelösten Organ- und Funktionsstörungen werden in vollem Umfang von diesem Giftbegriff gedecltt96. Bei der Interpretation des in Artikel 23 a) HLKO kodifizierten Verbots des Gebrauchs von Gift spricht vieles dafür, die Definition nach dem Verständnis der Gegenwart zu Grunde zu legen. Der Einsatz von Reiz- und Psychokampfstoffen zu Kriegszwecken verstößt dann gegen Artikel 23 a) HLK088• Gegen die Anwendbarkeit dieses Verbots auf Pflanzen schädigende Giftstoffe äußern Thomas and Thomas Bedenken: "Article 23 a) relates to the use of poison to injure or destroy the person of the enemy rather than the destruction of bis property97 ." Ähnlich, wenn auch abstrahiert, bemerkte schon Strupp9B: "Man wird m. E. nur dann von einer Verwendung von Gift sprechen können, wenn dieses bewußt und gewollt angewendet wurde, den Feind zu sch~digen, nicht aber wenn die Folge, die Vergiftung (Verseuchung), sich nur als mittelbare Wirkung zu anderem Zwecke und auch ohne entsprechende Nebenabsicht unternommene Handlung darstellt." Danach würde Artikel 23 a) HLKO nur dann eingreifen, wenn Pflanzen schädigende chemische Kampfstoffe mit der Haupt- und Nebenabsicht Vergiftungen bei Menschen hervorzurufen eingesetzt würden. Der Gebrauch dieser Stoffe mit dem Ziel der Vergiftung des Menschen, sei es mittelbar über die Nahrungsaufnahme oder in der unmittelbaren Wirkung als Haut- und Atmungsgifte, war bei ihrer bisherigen Verwendung aber wohl nicht die Regel. aa Zusammenstellung bei Menzel, Legalität oder Illegalität der Anwendung von Atomwaffen, S. 37. ' 4 Vgl. oben 2. es Vgl. oben§ 3 B. " Zu diesem Ergebnis kommt auch Bothe, S. 15, 16. t7

es

s. 53.

Das internationale Landkriegsrecht, 1914, S. 58.

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Die Hauptabsicht bestand darin, den Feind durch Zerstörung der Schutz bietenden Pflanzenwelt ausfindig zu machen und ihn durch Vernichtung der zukünftigen Ernten seiner Nahrungsmittel zu berauben". Treten Vergiftungen bei Menschen als unbeabsichtigte, unmittelbare oder mittelbare Nebenfolgen auf, so würden bei restriktiver Auslegung diese Sachverhalte dem allgemeinen Giftverbot nicht unterliegen. Für Waffen, wie z. B. Sprenggeschosse, bei welchen nach der Detonation auch giftige Verbrennungsgase als Nebenerscheinung in geringen Mengen mit unwesentlicher Giftwirkung entstehen, könnte dieses Argument zutreffen100• Hierauf kann es aber beim Einsatz solcher Kampfmirtel nicht ankommen, die ihrer Natur nach Vergiftungserscheinungen bei Menschen notwendigerweise hervorrufen- wenn auch nur als unbeabsichtigte Nebenfolgen -, sobald diese mittelbar oder unmittelbar mit ihnen in Berührung kommen. Bei den in Vietnam eingesetzten Pflanzen schädigenden Chemikalien hat es sich überwiegend um die für Menschen giftigen Arsen- und Cyankaliverbindungen gehandelt1°1 • Ein in Vietnam häufig verwendetes Herbizid wurde wegen seiner toxischen Wirkung auf Menschen bereits bei Friedenseinsatzmengen in den Vereinigten Staaten vom Markt ge.zogenl02, Die Abgrenzungskriterien von beabsichtigter Haupt- und unbeabsichtigter Nebenwirkung versagen auch hier genauso wie in dem Falle, in welchem die Nebenfolgen objektiv das Ausmaß der eigentlich beabsichtigten Primärwirkungen übertreffen. Solche Folgen können beim Einsatz von Pflanzen schädigenden Kampfmitteln, die aufgrund ihrer chemischen Beschaffenheit objektiv geeignet sind auch auf Menschen giftig zu wirken, im Konfliktsfalle durchaus eintreten103. Das Festhalten an diesen Abgrenzungskriterien würde daher durch Nichtbeachten der überwiegenden Wirkung eines Kampfmittels zu einer nicht sachgemäßen rechtlichen Beurteilung führen. Für die Vergiftungserscheinungen, die beim Einsatz Pflanzen schädigender chemischer Kampfmittel als unmittelbare oder mittelbare, als unbeabsichtigte oder beabsichtigte Folge entstehen, ist daher Artikel 23 a) HLKO in seiner ersten Alternative anwendbar. •• Vgl. I. Kapitel,§ 4. 100 Vgl. Euter, Die Atomwaffe im Luftkriegsrecht, 1960, S. 129. 101 Vgl. Weiler, Vietnam, Eine völkerrechtliche Analyse des amerikanischen Krieges und seiner Vorgeschichte, 1969, S. 249. 102 Vgl. Baxter and Buergenthal, Legal Aspects of the Geneva Protocol of 1925, in AJIL Vol. 64 (1970), S. 866. 1oa Vgl. I. Kapitel, § 4 am Ende und Anhang III, Table 2.12.

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7. Ergebnis

Reiz- und Psychokampfstoffe sind als giftige Kriegsmittel im Sinne von Artikel 23 a HLKO zu betrachten und ihre Verwendung zu Kriegszwecken ist somit verboten. Auch der Einsatz chemischer Pflanzenvernichtungsmittel verletzt dieses Verbot, sofern er Vergiftungserscheinungen - auch wenn nur als Nebenwirkung- bei Menschen hervorruft. Gegenüber dem gewohnheitsrechtlich104 anerkannten Verbot des Giftgebrauchs ist ein Berufen auf die Kriegsnotwendigkeit, auf das "jus necessitatis", nicht zulässig106• Dem Recht auf Repressalie steht es nicht entgegen101• III. D a s V e r b o t d e r m e u c h 1 e r i s c h e n T ö t u n g oder Verwundung: Art i k e 1 23 b) H L K 0

Artikel 23 b) HLKO bezieht sich, anders als Artikel 23 a), nicht auf eine bestimmte Art von Kriegsmitteln, sondern er verbietet bestimmte Kriegshandlungen, die mit dem Begriff "par trahison" bzw. "meuchlerisch" gekennzeichnet sind. Er lautet: "Outre les prohibitions etablies par des conventions speciales, il est notamment interdit de tuer ou de blesser par trahison des individus appartenant a la nation ou a l'armee ennemie107.'' 1. Ratio

Entscheidender Gesichtspunkt für das Verbot ist eine auf Verrat, d. h. auf Vertrauensbruch beruhende Kriegshandlung108, die unter keinen Umständen mit einer fairen Kampfführung vereinbar ist und sich als Treulosigkeit, Wortbruch und Betrug darstellt. Es sind hier alle Vgl. für viele Berber II, S. 170. tos Vgl. Meurer, Bd. II, S. 150. •oe Vgl. Kunz, Gaskrieg, S. 31. . 107 Conference, Bd. I, S. 245. Die amtliche deutsche Übersetzung lautet: "Ab1"

gesehen von den durch Sonderverträge aufgestellten Verboten ist namentlich untersagt: die meuchlerische Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feindlichen Staats oder des feindlichen Heeres." RGB11901, S. 444. 108 Der französische Bevollmächtigte unterstrich auf der Konferenz diesen Gesichtspunkt: "Au sujet de l'article 23, litt. b) et c) M. Bihourd fait ressortir que c'est la trahison qu'on veut interdire plutöt que le fait de tuer, auquel il faudrait assimiler celui de blesser." Conference, Bd. III, S. 161. Vgl. auch Wengl.e r, Völkerrecht Bd. li (1964), S. 1395, Anm. 2. - Ausführlich begründet Vattet, S. 457 das auch zwischen den Kriegsparteien gültige Prinzip von Treu und Glauben.

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diejenigen Kriegshandlungen verboten, mit welchen eine Partei wegen des bei ihr hervorgerufenen Vertrauens in die gegnerische ehrliche Absicht nicht rechnen konnte, und darum gegenüber diesen Handlungen schutz-und wehrlos ist1oe.

2. Abgrenzung zur Kriegslist Von den erlaubten Kriegslisten110 lassen sich solche Handlungsweisen nur durch das Merkmal des Treu- oder Vertrauensbruches unterscheiden111, wobei im Einzelfall die Grenzlinie oft nur schwer festzustellen ist, da die Begriffe "Treubruch" und ,.Verrat" in der Kriegführung dem Wandel der Zeitanschauungen unterliegen. So werden im heutigen modernen hochtechnisierten Krieg alle verfügbaren Mittel der Täuschung und Überraschung eingesetzt. Unvorhergesehene aus dem Hinterland gestartete Kampfmaßnahmen kennzeichnen diese Kriegführung, zu der eine weitreichende Artillerie und Raketen sowie versteckte Minen gehören. Schüsse aus dem Hinterhalt, Guerillataktiken und geheime Kommandounternehmen sind erlaubte Kampfrnaßnahmenm.

3. Anwendbarkeit der Vorschrift Bei der Untersuchung, inwieweit die Vorschrift des Artikel 23 b) HLKO auf nicht tödlich wirkende und Pflanzen schädigende chemische Kampfstoffe Anwendung finden kann, ist zunächst zu bemerken, daß allein die Möglichkeit eines Kampfmittels, auf verräterische Art und Weise eingesetzt zu werden nicht genügt, um es zu verbieten118• Man könnte daran denken, die Vorschrift dann anzuwenden, wenn chemische Kampfstoffe farb-, geruch- und geschmacklos sind und ohne Warnung eingesetzt werden, so daß wegen der spezifischen Beschaffenheit des Kampfstoffes in Verbindung mit einem zwar nicht verräterischen, aber überraschenden Einsatz diese Kriegshandlung einer solchen, die auf einem Vertrauensbruch beruht, sehr nahe steht. Eine derart 10' Das Verbot von verräterischen Kriegshandlungen ist ein allgemeines Prinzip des Kriegsführungsrechtes und steht hinter mehreren Vorschriften der HLKO: Art. 23a), b), c), f); Art. 34; Art. 35. Vgl. auch Art. 15, 16, 101 der "Instructions ... " von F. Lieber aus dem Jahre 1863; Grotius, S. 456, 457. Vattel, S. 445. 110 Vgl. Art. 24 HLKO: "Kriegslisten und die Anwendung der notwendigen Mittel, um sich Nachrichten über den Gegner und das Gelände zu verschaffen, sind erlaubt." RGB11901, S. 445. 111 Vgl. Vattel, S. 460. Meurer, Bd. II, S. 152: "Die List muß frei von Treulosigkeit sein." Kunz, Kriegsrecht und Neutralitätsrecht (1935), S. 81: "Perfidie bedeutet im allgemeinen die Verletzung der auch das Kriegsrecht beherrschenden und dem Feind zu gewährenden bona fides." m Vgl. Wengler, Bd. II, S. 1395. 118 Vgl. Meyrowitz I, S. 123.

t Jaschlnald

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extensive Anwendung der Vorschrift scheint aber kaum vertretbar, weil ihr der nicht zutreffende Schluß zugrunde liegt, einzelne chemische Kampfstoffe seien unabhängig von der Art des Einsatzes nur wegen ihrer spezifischen Eigenschaften in jedem Falle als verräterisch anzusehen. Zwar sind die Möglichkeiten nicht wahrnehmbare chemische Kampfmittel, insbesondere Psychokampfstoffe, auf meuchlerische Art und Weise zu verwenden besonders groß114 ; man wird sie aber deswegen noch nicht als verräterische Kampfmittel per se bezeichnen können115• Der nicht wahrnehmbare und deshalb überraschende, erst an den Wirkungen erkennbare Einsatz von chemischen Kampfmitteln unterscheidet sich hier nicht von dem der erlaubten modernen weitreichenden, aus dem Hinterhalt eingesetzten Waffen. Der mögliche Einsatz nicht tödlich wirkender chemischer Kriegsmittel kurz vor tödlich wirkenden konventionellen Waffen, um deren Wirksamkeit bei dem schutz- und wehrlosen Gegner zu erhöhen, eine Anwendungsmethode von C-Kampfstoffen, die im Vietnam-Krieg durchgeführt wurde ("gas in order to kill" 116), läßt sich ebenfalls nicht als ein Verstoß gegen das Verbot des meuchlerischen Tötens und Verwundens werten. Diese aus zwei eng verknüpften Handlungsstufen bestehen.: den Kampfmaßnahmen werden nicht unter dem Bruch eines beim Gegner hervorgerufenen Vertrauenstatbestandes durchgeführt, der für die Anwendung von Artikel23 b) HLKO entscheidend ist. Beim Einsatz von "gas in order to kill" werden die Wirkungen der nicht tödlich wirkenden C-Kampfstoffe benutzt, um den wehrlosen Gegner weiter zu bekämpfen, zu verwunden oder zu töten. Für die dem Einsatz von C-Kampfstoffen folgenden Kriegshandlungen greifen daher die Bestimmungen zum Schutze wehrloser Kombattanten ein: Artikel 23 c) HLKO, Artikel 14 des I. Genfer Abkommens von 1949 in Verbindung mit Artikel 4 und Artikel 5 des III. Genfer Abkommens von 1949. 4. Ergebnis

Das Verbot der meuchlerischen Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feindlichen Volkes oder Heeres gemäß Artikel23 b) HLKO findet daher beim Einsatz von nicht tödlich wirkenden sowie Pflanzen schädigenden C-Kampfstoffen nur dann Anwendung, wenn dieser unter der Voraussetzung eines Vertrauensbruches erfolgt. Auch nicht wahrnehmbare und erst an ihren Wirkungen erkennbare nicht tödlich wir114 z. B. Anwendung bewußtseinsbeeinträchtigender Psychokampfstoffe an militärisches Führungspersonal bei Verhandlungen oder an Gefangene. m Vgl. Kelly, S. 48. 11' Vgl. I. Kapitel, § 3 A. am Ende.

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kende chemische Kampfmittel, die naturgemäß für einen verräterischen Gebrauch geeignet sind, insbesondere die neu entwickelten Psychokampfstoffe können deshalb nicht als meuchlerische Kampfmittel per se bezeichnet werden. IV. Das Verbot des Gebrauchs von Kampfmitteln, die geeignet sind, unnötigerweise Leiden zu verursachen: Artikel 23e) HLKO Der in dieser Bestimmung enthaltene für alle Kriegsarten geltende Rechtsgrundsatz ist eine erneute Bekräftigung des schon in der Präambel der Petersburger Deklaration von 1868117 verankerten Humanitätsgebotes im Kriege, wonach das Ziel des Krieges in der Schwächung der feindlichen Streitkräfte besteht und es zu diesem Zweck ausreichend ist, den Gegner außer Gefecht zu setzen, ohne Mittel zu gebrauchen, die die Leiden des bereits Kampfunfähigen unnötigerweise vergrößern oder unvermeidlich den Tod herbeiführen. Artikel 23 e) HLKO lautet im Urtext: "Outre les prohibitions etablies par des conventions speciales, il est notamment interdit d'employer des armes, des projectiles ou des matieres propres a causer des maux superflus118,"

1. Das Problem der ,.militä·rischen Effektivität" Bei der Auslegung dieser Vorschrüt herrscht in der Völkerrechtslehre insoweit allgemeine Übereinstimmung, als diejenigen Waffen, die zwar große Leiden zufügen, für die Erreichung des Kriegszieles aber gleichzeitig sehr effektiv sind, nicht unter das Verbot fallen118• 117 Die Präambel der Petersburger Deklaration vom 29. November I 11. Dezember 1868 hat in der deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut: "In der Erwägung, daß die Fortschritte der Zivilisation die möglichst größte Verminderung der Leiden des Krieges zur Folge haben müssen, daß das einzige gesetzliche Ziel, welches sich ein Staat in Kriegszeiten stellen kann, die Schwächung der Streitkräfte des Feindes ist; daß es zu diesem Zwecke hinreichend ist, dem Gegner eine so große Zahl von Leuten als möglich außer Gefecht zu setzen; daß der Gebrauch von Mitteln, welche unnötigerweise die Wunden der außer Gefecht gesetzten Leute vergrößern oder ihnen unvermeidlich den Tod bringen, diesem Zweck nicht entspricht. Daß außerdem der Gebrauch solcher Mittel den Gesetzen der Menschlichkeit zuwider wäre ..." Text, vgl. Menzel, S. 45. 118 Conference, Bd. I, s. 245. Die amtliche deutsche Übersetzung lautet: "Abgesehen von den durch Sonderverträge aufgestellten Verboten ist namentlich untersagt der Gebrauch von Waffen, Geschossen oder Stoffen, die geeignet sind, unnöthiger Weise Leiden zu verursachen." RGB11901, S. 444. Der gleichlautende Artikel 13 e) der Brüsseler Konferenz von 1874 führte noch den Zusatz: "ainsi que l'usage des projectiles prohibes par la Declaration de Saint-Petersbourg de 1868."

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2. Kap.: Das Völkervertragsrecht

Dieser Meinung, die oft mit der einfachen Formel ausgedrückt wird, die größere Effektivität einer Waffe hebe deren größere Inhumanität aufno, oder das Humanitätsgebot trete bei hoher militärischer Effektivität einer Waffe zurück121, kann nur mit Einschränkungen zugestimmt werden. Ohne Konkretisierung des Begriffs "militärische Effektivität" ließe sich mit dieser Formel jede Waffenanwendung rechtfertigen, wenn man unter diesen Begriff z. B. auch jede physische und moralische Terrorisierung des Feindes versteht, da solche Kriegshandlungen u. U. auch zur schnelleren Beendigung des Krieges beitragen können und in diesem Sinne militärisch effektiv sind. Will man das Verbot des Artikel 23 e) HLKO deshalb nicht leerlaufen lassen, so muß man sich um eine Eingrenzung des Begrüfes "militärische Effektivität" eben durch den Gesichtspunkt des Verbots der Zufügung unnötiger Leiden bemühen. Das in Artikel23 e) HLKO enthaltene Verbot bezieht sich auf konkret begrenzte Situationen während des Kriegsgeschehens und auf den Einsatz bestimmter Waffen bei diesen Gelegenheiten. Diejenigen Kriegsmittel werden verboten, die über das zulässige Ziel, den Gegner außer Gefecht zu setzen, hinausgehen und zusätzlich ohne weiteren militärischen Vorteil in diesem konkreten Falle- Leiden und Tod zufügen können122• Der eventuell kriegspolitische und kriegswirtschaftliche Vorteil beim Einsatz von Waffen, die unnötige Leiden verursachen, mit der Absicht, die moralische Haltung bei Feind und Feindbevölkerung zu untergraben, soll darum gerade nicht die Anwendung solcher Waffen rechtfertigen. Das Humanitätsprinzip soll insoweit vor den kriegspolitischen Erwägungen, die für den Einsatz solcher Kriegsmittel sprechen, Vorrang haben. 2. Das Verhättnismäßigkeitsprinzip

Militärisch-politische und strategische Gesichtspunkte sollen insbesondere dann zurücktreten, wenn der Einsatz von Kriegsmitteln dem Grundut Vgl. Kunz, Gaskrieg, S. 32. Overweg, S. 51. Castren, S. 185; Berber , Bd. li, S. 169. Meyrowitz li, S. 92/93. Das amerikanische Field Manual, FM 27-10, The Law of Land Warfare (1956), S. 18, § 34 b) weicht in seiner Interpretation zu Artikel 23e) HLKO dem Problem aus: "What weapons cause •unnecessary injury' can only be determined in the light of the practice of States in refraining from the use of a given weapon because it is believed to have that effect." 120 Vgl. Randermann, S. 76/77, 143: "Die überaus große militärische Wirksamkeit der Atombombe hebt ihre größere Unmenschlichkeit wieder auf." m Vgl. Weber, Die Bedeutung völkerrechtliche Notrechte beim Einsatz atomarer Kampfmittel (Diss.) Bonn 1960, S. 25. 122 Vgl. Kunz, Gaskrieg, S. 32. Berber, Bd. II, S. 169.

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satzder Verhältnismäßigkeit widerspricht128 • Waffeneinsatz und Waffenwirkung müssen zu dem konkret angestrebten militärischen Ziel unter diesem Grundsatz betrachtet werden. In der Beurteilung, was im Einzelfall verhältnismäßig bzw. was unnötig ist, beginnt die eigentliche Problematik dieser Vorschrift. Allgemein wird man als äußere Grenzen dieses Grundsatzes festhalten können: einmal einen Waffeneinsatz, der zur Erreichung des militärischen Zieles ohne Bedeutung ist und keinerlei militärischen Vorteil bringt, und zum anderen einen solchen, der zwar militärisch wirksam, aber über den Zweck des "Außergefechtsetzens" weit hinausgeht. Be~ stimmte Waffen rufen in ihrer speziellen Wirkung grundsätzlich Schädigungen hervor, die über den ersten Akt des "Außergefechtsetzens" noch Jahre danach fortwirken. So können z. B. genetische Schäden noch in der nächsten Generation auftreten124• Der "graue" Bereich zwi~chen diesen äußeren Grenzpunkten mit einem breiten Spektrum von l\Iöglichkeiten kann abstrakt-generell nicht erfaßt sondern nur fallweise beurteilt werden. Artikel 23 e) HLKO erfordert auch - bei gleichen Chancen ein militärisches Vorhaben zum Erfolg zu führen- diejenigen Waffen einzusetzen, die die geringsten Leiden verursachen.

3. Anwendbarkeit der Vorschrift a) Nicht tödlich wirkende chemische Kampfstoffe Der Versuch, die zu Artikel 23 e) HLKO entwickelten Grundsätze auf nicht tödlich wirkende chemische Kampfstoffe anzuwenden, könnte auf den ersten Blick bereits deswegen wenig erfolgreich scheinen, weil diese Kampfstoffe nach verbreiteter Ansicht gerade zur Humanisierung des Krieges beitragen. Sie machen nur vorübergehend kampfunfähig und sollen das menschliche Leben dadurch schonen. Man könnte deshalb meinen, daß der Einsatz dieser Kriegsmittel nicht nur im Einklang mit na Vgl. Hall, A Treatise on International Law, Oxford 19l7: "The arr>ount of suitering is immaterial if the result obtalned is conceived to be proportionate." zitiert bei Kunz, S. 32. Meyrowitz II, S. 93: "C'est l'absence de proportionaHte raisonnable avec un avantage militaire licite qui constitue le critere des armes 'propres a causer des maux superflus'." l!C Vgl. Menzel, S. 47/48.- An den Nachwirkungen von Strahlungsschäden der am 9. August 1945 auf Nagasaki abgeworfenen Atombombe starben 1970 2150, 1971 2035 Menschen, seit 1945 43 736. Die Zahl der an radioaktiver Verseuchung noch leidenden Kranken betrug im Jahre 1972 49 528, vgl. FAZ vom 11. Februar 1972. -Das LG Tokio ("Shimoda-Fall"; Urteil vom 7. Dezember 1963) betrachtete die Atombombeneinsätze auf Hiroshima und Nagasaki als Verletzung des Art. 23 e) HLKO; vgl. ZaöRV 1964 (Bd. 24), S. 711 ff., 723,724.

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2. Kap.: Das Völkervertragsrecht

Artikel23 e) HLKO stehe, sondern daß diese Vorschrift ihre Anwendung geradezu völkerrechtlich erfordere. Für den kriegsmäßigen Gebrauch solcher nicht tödlich wirkender chemischer Kampfstoffe, die nur vorübergehend kampfunfähig machen und zu keinerlei Dauerwirkungen führen, kommt ein Verstoß gegen Artikel 23 e) HLKO sicher nicht in Betracht. Setzen jedoch diese chemischen Kriegsmittel über den Zweck des "Kampfunfähigmachens" erst einen schleichenden Prozeß physischer, Psychischer Leiden und genetischer Schädigungen in Gang, der zu irreversiblen Organschäden und psychischen Störungen führt, so wird die rechtliche Wertung dieses Sachverhaltes anders aussehen müssen. Die vom Betroffenen nicht merkbare, ohne Leiden im herkömmlichen Sinne bewirkte künstliche Veränderung und Steuerung der menschlichen Psyche, die Manipulierbarkeit seiner Gefühlswelt, die Beeinflussung der persönlichen Entscheidungsfreiheit und des Schuldbewußtseins, somit die Möglichkeit der vollständigen Entpersönlichung des Menschen mittels neuartiger Psychokampfstoffe125 ist ein neuer Gesichtspunkt. Er tritt bei der rechtlichen Beurteilung des Einsatzes dieser Kriegsmittel nun erstmalig auf. Der kriegerische Einsatz auch nicht tödlich wirkender chemischer Waffen, insbesondere der von Psychokampfstoffen, widerspricht dann dem Verbot des Gebrauchs von Kriegsmitteln, die unnötige Leiden verursachen, wenn sie zu schädlichen physischen oder/und psychischen Dauerwirkungen und genetischen Schäden beim Gegner führen können. Das Zufügen solcher Leiden, die regelmäßig nach Ende der kriegerischen Auseinandersetzung fortwirken, liegt außerhalb des zulässigen "Außergefechtsetzens" des Feindes und bedeutet einen Verstoß gegen den in Artikel 23 e) HLKO verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Waffeneinsatz und Waffenwirkung zu dem beabsichtigten militärischen Zweck. b) Pflanzen schädigende chemische Kampfstoffe Soweit diese Kriegsmittel als Nebenfolgen unmittelbar oder mittelbar Dauerschäden wie die nicht tödlich wirkenden chemischen Kampfstoffe hervorrufen, kann auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen werden. Unter einem anderen Blickwinkel fordert das in Artikel 23 e) HLKO enthaltene Prinzip der Proportionalität beim Gebrauch von Pflanzen schädigenden chemischen Kampfmittel Beachtung. tu Vgl. hierzu ausführlich Löbsack, Die unheimlichen Möglichkeiten oder die manipulierte Seele, 1967, S. 9- 14,258-260.

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Die erste Haager Friedenskonferenz Im Jahre 1899

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Während beim Gebrauch nicht tödlich wirkender chemischer Kampfstoffe für die Untersuchung des Artikel 23 e) HLKO die dauernde Veränderung der menschlichen ,.Innenwelt" entscheidend ist, hat der Einsatz Pflanzen schädigender chemischer Kriegsmittel im Rahmen dieser Erörterungen wegen der langfristigen, nicht absehbaren Veränderung der menschlichen Umwelt, der Devastation ganzer Landstriche und der Störung des ökologischen Gleichgewichts der Natur Bedeutung. Die nachteiligen Dauerwirkungen auf den Mikroorganismus in Bodenund Wasserhaushalt, auf die Pflanzen- und Tierwelt, vermindern die landwirtschaftlichen Ernährungsmöglichkeiten. Sie beeinträchtigen mitteilbar die Lebensbedingungen - insbesondere der feindlichen Zivilbevölkerung- über Jahre hinaus und können zu Hungersnöten, Krankheiten, Epidemien und Tod führen. Außer der zeitlich unverhältnismäßigen Wirkung des Einsatzes Pflanzen schädigender chemischer Mittel muß noch die räumlich oft nicht kontrollierbare Auswirkung durch Winde und Abtrift bei Luftversprühung dieser Chemikalien berücksichtigt werden. Das Übergreifen der Wirkungen auf nicht vorgesehene Gebiete ist bei dieser Einsatzmethode nicht immer vermeidbar. Neben der Tatsache, daß die Auswirkungen des Einsatzes dieser Kampfmittel nicht nur unterschiedslos Kombattanten und Nichtkombattanten, sondern sogar primär die Zivilbevölkerung treffen, verletzt der Gebrauch dieserneuen Waffe daher das in Artikel23 e) HLKO enthaltene Verbot insbesondere deswegen, weil die unkontrollierbaren Folgen in zeitlicher und räumlicher Hinsicht zum erklärten militärischen Ziel im Einzelfall außer Verhältnis stehen können. So war beim Einsatz rische Erfolg hältnismäßig

nach den bisherigen Veröffentlichungen zu urteilen dieses Kampfstoffes in Vietnam der beabsichtigte militäim Verhältnis zum zugefügten Leid und Schaden unvergeringt!e.

4. Ergebnis Die Anwendung nicht tödlich wirkender chemischer Waffen mit langdauernder Beeinträchtigung der menschlichen Psyche und der Einsatz Pflanzen schädigender Agenzien mit der Vernichtung der menschlichen Umwelt für lange Zeit kann im Einzelfall einen Verstoß gegen das in Artikel23 e) HLKO enthaltene Verbot darstellen.

tu Vgl. I. Kapitel, § 4 B. Dauerschäden.

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2. Kap.: Das Völkervertragsrecht V. D a s V e r b o t d e r Z erst ö r u n g oder Wegnahme feindlichen Eigentums ... : A r t i k e 1 23 g) H L K 0

Das Verbot der Zerstörung oder Wegnahme feindlichen Eigentums mit der ausdrücklich erlaubten Ausnahme im Falle militärischer Notwendigkeit bezieht sich auf Privat- und Staatseigentum127 und wird in der Literatur128 und in der Rechtsprechung129 als Grundprinzip der Beurteilung von Devastationen, d. h. von Verwüstungen feindlicher Gebietsteile180 herangezogen. Diese Bestimmung könnte daher in Fällen, in welchen der Einsatz Pflanzen schädigender chemischer Kriegsmittel zu solchen Verwüstungen führt, anwendbar sein131• Sie hat folgenden Wortlaut: "Outre les prohibitions etablies par des conventions speciales, il est notamment interdit de detruire ou de saisir des proprietes ennemies, sauf les cas ou ces destructions ou ces saisies seraient imperieusement commandees par les necessites de la guerre1s2 ."

1. Das Problem der "militärischen Notwendigkeit" a) Entwicklung des Begriffes Die Problematik dieser Vorschrift liegt in dem Nachsatz, in der Klärung des Begriffes "necessite de Ia guerre" und in der Entscheidung, ob er im konkreten Fall gegeben ist. Vgl. Kunz, Kriegsrecht, 1935, S. 83. Vgl. Berber, Bd. II, S. 177; Oppenheim, International Law, A Treatise, Vol. II, 1952,7. Aufl., § 154, S. 415- 417; Kunz, Kriegsrecht, S. 84. 129 Law Reports of Trials of War Criminals, Selected and prepared by the United Nations War Crimes Commission, London 1947 - 1949, Report VIII, S. 69; XII, S. 4, 94, 124 (im folgenden mit Report zitiert). tao Vgl. Spetzler, Devastation in Strupp-Schlochauer (1960), Bd. I, S. 357; er unterscheidet drei Erscheinungsformen: 1. Devastation als notwendige Begleiterscheinung des Kampfes; 2. als taktische oder strategische Maßnahme (schwerste Form: "verbrannte Erde"); 3. als selbständige Devastation, um Kriegspotential und Schlagkraft des Gegners allgemein zu treffen (Demoralisierung der Bevölkerung, Terrorisierung und Verwüstung um ihrer selbst willen). 131 Vgl. allgemein Brownlie, S. 150: "A further pointisthat pillage of captured places and unnecessary destruction of property are forbidden by rules of undisputed authority. Large-scale crop destruction must fall foul of these rules, more especially when it is carried out from the air." 182 Conjerence, Bd. I, S. 245. - Die amtliche deutsche Übersetzung lautet: "Abgesehen von den durch Sonderverträge aufgestellten Verboten, ist namentIich untersagt, die Zerstörung oder Wegnahme feindlichen Eigentums, es sei denn, daß die Gebote des Krieges dies dringend erheischen." - Vgl. die inhaltlich gleiche Bestimmung des Artikel 13 g) der Konvention von Brüssel 1874. . 127 12'

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Zunächst erscheint ein kurzer Rückblick auf die Entwicklung dieses Begriffes im Kriegsrecht angebracht. Anschließend wird versucht, Kriterien seiner Bestimmung aufzuzeigen. In der Kriegführung des Altertums und des Mittelalters galt die Verwüstung feindlicher Gebiete als Selbstzweck, als selbständiges Mittel zur Unterwerfung des Gegners, unabhängig davon, ob die militärische Situation eine solche Kriegshandlung erforderte133 • Grotius hält die Verwüstung zwar noch für grundsätzlich erlaubt, knüpft sie aber schon an die Voraussetzung, daß sie in kurzer Zeit den Feind zum Frieden zwingt und schränkt die Erlaubnis weiterhin durch einen Katalog von Ausnahmen erheblich ein184, so daß der Unterschied zur neueren Auffassung, wie sie Artikel 23 g) HLKO wiedergibt, mehr in der juristisch-formellen Konstruktion, kaum aber noch im Inhalt besteht131.

Vattel geht bereits von einem grundsätzlichen Verbot allgemeiner Verwüstungen aus und rechtfertigt sie nur in zwei Fällen: zur Züchtigung "einer ungerechten und unbändigen Nation, um ihre Brutalität zu beenden und sich vor ihren Räubereien zu schützen" und zur Schaffung "eines Schutzgürtels, um die eigene Grenze gegen einen Feind zu sichern, den man auf andere Weise nicht zurückhalten zu können vermeint"136. 133 Zu Devastationen großen Ausmaßes kam es in Deutschland während des 30jährigen Krieges, wobei unter der alhtemeinen Verwüstung die totale Zerstörung Magdeburgs durch die Truppen Tillys im Jahre 1631 besonders herausragt. Vgl. Spetzler, in Strupp-Schlochauer, S. 358. - Die Verwüstung der Rhein-Pfalz durch die Armee Ludwig XIV. im Jahre 1689 rief aber bereits Widerspruch und öffentliche Verurteilung in ganz Europa hervor und Lud·wig XIV. versuchte, sein Vorgehen als notwendige militärische Maßnahme zum Schutze der Grenzen Frankreichs zu rechtferti~en. Vgl. HaU, A Treatise on International Law, 8. Aufl., Oxford 1924, S. 643, 644. tu Grotius, Drittes Buch, 12. Kapitel, S. 517- 523; von der Verwüstung feindlichen Gebietes soll abgesehen werden, wenn: 1. das Feindgebiet der eigenen Streitmacht nützlich ist oder sich nicht mehr in der Gewalt des Gegners befindet; 2. Hoffnung auf baldigen Sieg besteht; 3. der Feind von anderswo ausreichende Nahrungsmittel erhält; 4. sie für die weitere Kriegsführung keinerlei Nutzen hat. Zur Vernichtung von Kulturpflanzen s. S. 518 - 520. - Vgl. auch Bluntschli, § 163, S. 76/77; "Insbesondere sind ... die Ausrottung von Culturpflanzen, ..., wenn sie nicht durch die militärische Notwendigkeit gerechtfertigt werden, eine völkerrechtswidrige Barbarei." 135 Abschließend führt Grotius Gründe an, die es nützlich erscheinen lassen, überhaupt von Verwüstungen abzusehen: 1. Man nimmt dem Feind eine bedeutende Waffe, die Verzweiflung; diese könnte ihn unüberwindlich machen; 2. Mat:l kann durch Mäßigung das Wohlwollen und Vertrauen des Feindes gewinnen und evtl. die freiwillige Aufgabe des Kampfes erreichen; 3. Selbst Freunde wenden sich von dem ab, der alles verwüstet; 4. Das Leid Unschuldiger ist groß, der militärische Nutzen meistens gering. 136 Vgl. Vattel, § 167, S. 452,453.

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2. Kap.: Das Völkervertragsrecht

Übereinstimmend mit der nun durchbrechenden Lehre, die Kriegführung bestimmten Rechtsregeln zu unterwerfen, werden im 18. Jahrhundert Devastationen kaum noch als selbständiger Kriegszweck, sondern fast ausnahmslos im Zusammenhang mit einer kriegerischen Notwendigkeit durchgeführt187 • Die bei Grotius und Vattel beginnenden Versuche, Verwüstungen auf militärisch notwendige Maßnahmen einzuschränken, werden im 19. Jahrhundert in dem Bemühen, den Begriff "Kriegsnotwendigkeit" ("military necessity", "necessite de la guerre") zu klären, fortgesetzt138• Die Kriegsrechtskodifikationen mit dem Ziel, zwischen der militärischen Realität und den Forderungen der Humanität einen vernünftigen und maßvollen Ausgleich zu schaffen, legen diesen Gedanken in verschiedenen Bestimmungentsa ausdrücklich zugrunde. Im Gegensatz zu den absoluten Verboten lassen diese Vorschriften, bei Vorliegen militärischer Notwendigkeit, grundsätzlich verbotene Kriegshandlungen zu. Es handelt sich um streng zu interpretierende Ausnahmeregelungen, da sie von dem allgemeinen Prinzip der Bindung kriegführender Parteien an das geltende Kriegsrecht, ohne die Möglichkeit der Berufung auf militärische Erfordernisse, abweichen140• b) Rechtsprechung der Militärgerichtshöfe nach dem II. Weltkrieg Zur inhaltlichen Ausfüllung des in Artikel 23 g) HLKO verwendeten Begriffes der Kriegsnotwendigkeit waren nach Ende des II. Weltkrieges m Vgl. Kunz, in Wörterb.uch des Völkerrechts und der Diplomatie, Herausg. Karl Stropp, Bd. I, 1924, S. 240. ue Vgl. insbesondere §§.14 -16 der Instruction for the Government of the Armies of the United States in the Field, 1863, von F. Lieber. - Lueder in Handbuch des Völkerrechts, Herausg. Franz von Holtzendorff 1889, §§ 65, 66, S. 253 - 257 mit weiteren Nachweisen. 131 Vgl. z. B. Artikel 5, Artikel 23 g), Artikel 26, Artikel 27 I, Artikel 43, Artikel 51 II, Artikel 54 HLKO von 1899.- Artikel4, 7, 13, 16 des Abkommens betr. die Anwendung der Grundsätze des Genfer Abkommens auf den Seekrieg von 1907. 140 Da das geltende Kriegsrecht bereits im Ansatz einen Kompromiß zwischen der mllftärischen Notwendigkeit und den Prinzipien der Humanität darstellt, kann der Einwand der Kriegsnotwendigkelt nicht nochmals gegenüber jeder einzelnen positiven Norm des Kriegsrechts erhoben werden; es ließe sich sonst das gesamte Kriegsrecht, wie es unter Mißbrauch der Formel: "Kriegsraison geht vor Kriegsmanier" geschah, aufheben. - Vgl. auch die grundsätzliche Diskussion hierzu während der Haager Friedenskonferenz von 1899, Conference, Bd. III, S. 97/98. In seinen Ausführungen zum Ziel der Konferenz ging der Präsident de Martens in der Sitzung vom 10. Juni 1899 auf dieses Problem ein und betonte u. a.: "D'autre part, ce n'est pas contre les necessites de la guerre, c'est uniquement, je le repete, Messieurs, contre les abus de la force qu'on veut se garantir." Conference, Bd. III, S. 125; hierzu auch grundsätzlich Report X, in Sachen I.G. Farben und Krupp, S. 138, 139.

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die Militärgerichtshöfe gezwungen, weil sich die Angeklagten zu ihrer Verteidigung häufig auf ihn beriefen141 • Faßt man die von der Rechtsprechung nach Ende des II. Weltkrieges anerkannten und teilweise neu entwickelten Kriterien zu diesem Begriff zusammen, so ist der Fall der Kriegsnotwendigkeit dann gegeben: -

wenn eine dringende Notlage der kämpfenden Truppe unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung dieser Situation erfordert142• Die vom zuständigen militärischen Führer erteilten Anordnungen dürfen über die absolut geltenden kriegsrechtliehen Verbotsbestimmungen nicht hinausgehen14s. Für die rechtliche Beurteilung, ob eine solche Situation vorliegt, sind allein die dem entscheidenden Führer zum Zeitpunkt144 der Befehlserteilung bekannten Umstände maßgebend. 1 Die Devastation eines Gebietes ist erlaubt, wenn sich die kämpfende Truppe auf keine andere Art und Weise vor Vernichtung oder Gefangennahme schützen kann141•

tu Art. 6 b) des Statuts des Nürnberger Internationalen Militärgerichtshofes vom 8. August 1945 zählt als Kriegsverbrechen u. a. insbesondere auf: " ... wanton destruction of eitles, towns or villages, or devastationnot justlfied by military necessity."- General Jodl wurde u. a. deswegen zum Tode verurteilt, weil er beim Zurücknehmen der Front norwegisches Gebiet verwüsten ließ, um den Angriff russischer Truppen zu verlangsamen. Vgl. Nürnberger Prozeß, amtlicher Wortlaut in deutscher Sprache, 1947, Bd. I, S. 367; Bd. XV, S. 452.- Siehe auch Report I, S . 15; VI, S. 63; IX, S. 22; XII, S. 123 - 126. 142 Vgl. Downey, The Law of War and Military Necessity, AJIL, Vol. 47 (1953), S. 254, 255. Naeh allgemeiner Auffassung dürfte eine lediglich militärisch nützliche oder zweckmäßige Maßnahme noch nicht als kriegsnotwendig anzusehen sein.- Vgl. Moore Digest of International Law, Vol. II, S. 412: "Imperative is a necessity only in case of an Instant and overwhelming necessity for self-defence, leaving no choice of means and moment of deliberation." Report X, S. 139: "To claim that the rules and customs of warfare can be wantonly - and at the sole descretlon of any one belligerent - disregarded when he considers his own sltuation to be critical, means nothing more or less than to abrogate the laws and customs of war entirely." - Vgl. auch Spetzler, Luftkrieg, S. 127; Kunz, Kriegsrecht, S. 27. ua z. B. Art. 23 a) - f) HLKO, das ergibt sich auch aus Art. 22 HLKO. - Vgl. auch Report XII, S. 123 - 126. 144 Report VIII, S. 68/69; "There is evidence in the record that there was no military necessity for this destructlon and devastation. An examination of the facts in retrospect can weil sustain this conclusion. But we are obliged to judge the situatlon as it appeared to the defendant at the time. If the facts were such as would justify the action by the exercise of judgement, after giving consideration to all the factors and existlng possibilities, even though the conclusion reached may have been faulty, it cannot be said to be criminal. ... It is our consldered opinion that the conditions as they appeared to the defendant at the time were sufficient upon which he could honestly conclude that urgent military necessity warranted the decision made."- Vgl. auch Report XII, S. 93/94. - Dunbar, Military Necessity in War Crimes Trials, BYIL (1952), s. 446- 452. ua Vgl. Hall, S. 645/646. Berber, Bd. II, S. 176.

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2. Kap.: Das Völkervertragsrecht

2. Ergebnis Es kann hier nicht abschließend beurteilt werden, ob im Vietnamkonflikt die Vernichtung von Waldgebieten und Kulturpflanzungen durch Pflanzen schädigende chemische Kampfstoffe mit langandauernder Verwüstung148 angesichts des offensichtlich geringen militärischen Nutzens und der überwiegenden Wirkung auf Nichtkombattanten den Rechtsbegriff der "military necessity" erfüllt. Zur Klärung dieses Begriffes hat die anglo-amerikanische Völkerrechtslehre jedenfalls maßgeblich beigetragen. § 7 Artikel171 des Versailler Friedensvertrages

Am 6. Februar 1918 wandte sich das Internationale Komitee vom Roten Kreuz mit einem Appell an die kriegführenden Mächte, in welchem es die Anwendung chemischer Kampfstoffe als Verletzung des geltenden Kriegsrechtes ansah, auf die Gefahr der Eskalation des Gaskrieges hinwies und ein Abkommen über den Verzicht der Gaskriegführungals Rückkehr zu den Raager Abkommen vorschlug147. In den Antwortnoten stimmten sowohl die Alliierten als auch Deutschland dem Appell zu und vertraten die Ansicht, daß der Gebrauch von Gas gegen das Kriegsrecht verstoße, rechtfertigten den Einsatz aber jeweils als zulässige Repressaliet4s. Die zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich übereinstimmende Auffassung der Kriegführenden fand seit der II. Raager Friedenskonferenz von 1907 in Artikel· 171 des Versailler Friedensvertrages von 1919 erneut Ausdruck als völkervertragsrechtliche Norm. Der hier interessierende Teil des Artikels 171lautet: "L'emploi des gaz asphyxiants, toxiques ou similaires, ainsi que de tous liquides, matiE~res ou procedes analogues, etant prohibe, la fabrication et l'importation en sont rigoureusement interdites en Allemagne. tce In §56 des gültigen Field Manual für die amerikanischen Streitkräfte, FM 27-10, heißt es u. a., Devastation: "The measure of permissible devastation is found in the strict necessities of war. Devastation as an end in itself or as a separate measure of war is not sanctioned by the law of war. There must be some reasonable close connection between the destruction of property and the overcoming of the ennemy's army ... real estate may be used for marches, camp sites, construction of field forti:fications, etc. . .. Fences, woods, crops, buildings, etc. may be demolished, cut down, and removed to clear a field of fire, to clear the ground for landing fields, or to furnish building matertals or fuel if imperatively needed for the army." - § 41: Unnecessary Killing and Devastation: "... loss of life and darnage to property must not be out of proportionality to the military advantagetobe gained." 147 Vgl. IKRK in Papers relating to the Foreign Relations of the United States, 1918, Supplement 2, The World War, Washington 1933, S. 779- 781. us Ebenda, S. 782, 783; 787,788.

§ 7 Artikel171 des Versailler Friedensvertrages

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Il en est de meme du materiel specialement destine a la fabrication, ala conservation ou al'usage desdits produits ou procedes148.'' Die Bestimmung enthält im ersten Absatz zwei klare Aussagen: weil der Gebrauch erstickender, giftiger oder ähnlicher Gase usw. verboten ist, wird die Herstellung und die Einfuhr für Deutschland streng untersagt. Das bereits bestehende Anwendungsverbot chemischer Waffen, ausgedrückt mit der Partizipialkonstruktion "etant prohibe" bzw. "being prohibited" ist der Grund für die Untersagung von Herstellung und Einfuhr für Deutschland. Bezieht sich somit die erste Aussage auf ein im Kriegsführungsrecht schon vorhandenes Verbot und hat lediglich deklaratorischen Charakter160, so enthält die zweite eine neue konstitutive, aber nur Deutschland einseitig verpftichtende151 Bestimmung des Kriegsverhütungsrechts. ue Siehe RGBl 1919 II, S. 928, 929. Der gemäß Art. 440 Abs. 3 des Versailler Vertrages gleichermaßen authentische englische Text lautet: "The use of asphyxiating, poisonous or other gases and all analogous liquids, materials or devices being prohibited, their manufacture and importation are strictly forbidden in Germany. The same applies to materiels specially intended for the manufacture, storage and use of the said products or devices." Amtliche deutsche Übersetzung: "Mit Rücksicht darauf, daß der Gebrauch von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von allen derartigen Flüssigkeiten, Stoffen oder Verfahrensarten verboten sei, wird ihre Herstellung in Deutschland und ihre Einfuhr streng untersagt. Dasselbe gilt für alles Material, das eigens für die Herstellung, die Aufbewahrung oder den Gebrauch der genannten Erzeugnisse oder Verfahrensarten bestimmt ist." - Vgl. auch Art. 135 Vertrag von St. Germain-en-Laye zwischen den Siegermächten und Österreich; Art. 82 Vertrag von Neuilly-surSeine für Bulgarien; Art. 119 Vertrag von Trianon für Ungarn; Art. 176 Vertrag von Sevres für die Türkei. uo Die Annahme eines bestehenden Verbotes wurde von deutscher Seite nach dem Kriege als Irrtum über die positive Rechtslage bezeichnet: vgl. Kunz, Gaskrieg, S. 52. Overweg, S. 68. Riesch, Die Verwendung der Ultragifte durch Luftstreitkräfte im Lichte des Völkerrechts, in Niemeyers Zeitschrift für Internationales Recht, L. Bd., Berlin 1935, Heft 1, S. 29. - A. A. van Eysinga, La guerre chimique et le mouvement pour sa repression, in Academie de Droit International, Recueil des Cours, 1927 I, Tome 16, S. 349. 151 Die Vereinigten Staaten, die den Vertrag von Versailles nicht ratifizierten, haben am 25. August 1921 in Berlin einen Vertrag mit dem Deutschen Reich geschlossen (RGB11921, S. 1317 -1323), der gemäß Art. 2 u. a. den Teil V (Bestimmungen über Landheer, Seemacht ·und Luftfahrt) des Versailler Vertrages, in dem Art. 171 enthalten ist, aufnimmt und bestimmt, daß den Vereinigten Staaten die sich aus den aufgeführten Versailler Bestimmungen zu ihren Gunsten ergebenden Rechte und Vorteile zustehen sollen. Hinsichtlich des Art. 171 Versailler Vertrages wird die einseitige Untersagung der Herstellung und Einfuhr chemischer Kampfstoffe für Deutschland durch diesen Vertrag nur bestätigt. Der Vertrag von Berlin entfaltet für das in Art. 171 nur deklaratorisch aufgenommene Anwendungsverbot der chemischen Waffe keinerlei Wirkung. Er kann insbesondere nicht die Ansicht stützen, die Siegermächte seien an dieses Verbot deshalb nicht gebunden, weil sie aus dem Friedensvertrag keinerlei Verpflichtungen übernommen hätten; so aber Kunz, Gaskrieg, S. 51; ähnlich Riesch, L'aeronet militaire et les gaz de combat, in Revue Generale de Droit Aerien, Tome I, Paris 1932, s. 316.

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2', Kap.: Das Völkervertragsrecht

Während sich die Feststellung des im Kriegsrecht bestehenden Verbots des Gebrauchs chemischer Kampfstoffe unterschiedslos auf Sieger und Besiegte bezieht, haben sich dagegen die Siegermächte hinsichtlich der Untersagung von Herstellung und Einfuhr dieser Waffen nicht verpflichtet162. Die Bedeutung des weitgefaßten Anwendungsverbotes chemischer Kampfstoffe durch Artikel 171 des Versailler Vertrages war für die folgende Entwicklung des Völkervertragsrechts in diesem Bereich in mehrfacher Weise wertvoll. Die Formulierung dieses Verbots findet sich sowohl in den betreffenden Bestimmungen der drei amerikanischen Konferenzen aus den Jahren 1921 bis 1923 als auch in dem neuerdings sehr umstrittenen Genfer Protokoll von 1925 wieder. Dem Wortunterschied des Anwendungsverbotes im englischen: "or other gases", im französischen Text: "ou similaires" wurde zu diesem Zeitpunkt kein Gewicht beigemessen163. Der weitverbreitete Einsatz von Reizgasen im I. Weltkrieg - etwa die Hälfte aller verwendeten chemischen Kampfstoffe164 - war wohl mitentscheidend155 für das ausführliche, mit mehreren Adjektivumschreibungen charakterisierte Verbot des Gebrauchs chemischer Waffen. Der Wortlaut zielt auf ein Verbot der chemischen Kriegführung insgesamt ab, ohne zwischen den einzelnen Arten von Kampfstoffen und zwischen den verschiedenen Zielen- Kombattanten, Zivilbevölkerung, Tier, Pflanze -zu unterscheiden. Für dieses umfassende Verbot der chemischen Kriegführung spricht auch ein Vergleich des Wortlautes von Artikel 171 mit Artikel 172 des Versailler Vertrages. Die darin aufgestellte Mitteilungspflicht Deutschlands gegenüber den Alliierten bezieht sich auf: "tous les explosifs, substances toxiques ou autres preparations chimiques, utilises par lui au cours de la guerre, ou prepares par lui dans le but de les utiliser ainsi" 158•

1&2 Vgl. Hyde, International Law, Vol. III (1951), S. 1821 und Anm. 3.- A. A. Ewing, The Legality of Chemical Warfare, American Law Review, Vol. LXI, 1927, S. 68. -Ungenau Brophy and Fisher, The Chemical Warfare Service:

Organizing for War, 1959, S. 19.

1sa Vg~. Baxter and Buergenthal, S. 857, 858. Vgl. wegen der Wortlautdivergenz die Ausführungen zur Interpretation des Genfer Protokolls von 1925, unten § 11. uc Vgl. Hanslian, Anlage. 111 Vgl. Bothe, S. 20. m Vgl. Baxter and Buergenthal, Legal Aspects of the Geneva Protocol of 1925, AJIL, Vol. 64, 1970, S. 857/858.

§ 8 Die amerikanischen Konferenzen von 1921 - 1923

63

Das Verbot stellt nicht wie die bisher erörterten Völkerrechtsnormen auf die Waffenwirkung ab, sondern es verbietet chemische Kampfmittel als solche. Es bezieht sich auf die gesamte Waffenart. Der entscheidende Unterschied des Verbots einer Waffenart gegenüber dem einer Waffenwirkung ist darin zu sehen, daß letzteres durch Vermeidung der verbotenen Wirkung mit neu entwickelten Waffen gleicher Art unterlaufen werden kann157• Bei dem Verbot der Waffenart besteht nicht die Gefahr, daß es durch die Weiterentwicklung gleichartiger Waffen ohne die verbotene Wirkung ausgehöhlt wird. Die nur Deutschland verpflichtende Untersagung der Her:>teUung und Einfuhr von chemischen Mitteln, die zu Kriegszwecken verwendet werden können, wurde nicht. durchgesetzt und die Einhaltung konnte von den Siegermächten auch nicht erzwungen werden. Die Durchsetzung scheiterte am nicht gelösten Kontrollproblem. Eine strikte Beachtung des Verbots hätte für Deutschland die Vernichtung der gesamten chemischen Industrie bedeutet. Die zur Herstellung der verbotenen chemischen Kriegsmittel notwendigen Stoffe werden gleichzeitig in der chemischen Friedensindustrie verwendet, und Fabriken der Friedensproduktion können "über Nacht" in solche für chemisches Kriegsmaterial umgewandelt werden. Technische Probleme der Abrüstungskontrolle wurden hier deutlich und forderten die Suche nach Lösungen heraus. Es ergab sich daher nach dem I. Weltkrieg die paradoxe Situation, daß trotz allgemeiner Ablehnung der chemischen Kriegführung, in den technisch-zivilisierten Staaten, besonders in Amerika, eine intensive Aufrüstung der chemischen Waffe betrieben wurdeus. Um ein effektiveres Anwendungs- und Herstellungsverbot chemischer Kriegsmittel zu erreichen, waren somit weitere Anstrengungen erforderlich. § 8 Die amerikanischen Konferenzen von 1921 - 1923

Bald nach Ende des I. Weltkrieges wurden auf drei amerikanischen Konferenzen Probleme der bedrohlich zunehmenden Aufrüstung in den Siegerstaaten mit dem Ziel erörtert, eine Rüstungsbeschränkung, insbesondere bei den neuen Waffen - U-Boote, Flugzeuge, chemische Kampfstoffe-, zu erreichen: - auf der Washingtoner Abrüstungskonferenz 1921/22 - auf der Abrüstungskonferenz der zentralamerikanischen Staaten 1923 m Vgl. Knut Ipsen, B, C-Waffen im Völkerrecht, in Studien zur Friedensforschung, Bd. 5, 1970, S. 49/50. ua Vgl. van Eysinga, S. 350, 351; Randermann, 5.104, 105.

2. Kap.: Das Völkervertragsrecht

64

- auf der 5. Internationalen Konferenz amerikanischer Staaten 1923. Das Verbot des Gebrauchs chemischer Waffen wurde auf allen drei Konferenzen behandelt. A. Die Washingtoner Abrüstungskonferenz von 1921/1922

Die auf Anregung des amerikanischen Senats von Präsident Hardingt6e nach Washington eingeladenen Vertreter Großbritanniens, Frankreichs, J apans und Italiens 160 traten der von der amerikanischen Delegation erarbeiteten Resolution über das Verbot chemischer Kampfstoffe am 6. Januar 1922 auf der 16. Sitzung der Konferenz einstimmig bei161. Diese Resolution182 wurde als Artikel V 183 in den zwischen den Teilnehmerstaaten abgeschlossenen Vertrag184 aufgenommen. Sie hat folgenden Wortlaut: "The use in war of asphyxiating, poisonous or other gases, and all analogous liquids, materials or devices, having been justly condemned by the general opinion of the civilized world and a prohibition of such use having been declared in Treaties to which a majority of the civilized Powers are parties: Now to the end that this prohibition shall be universally accepted as a part of international law binding alike the conscience and practice of nations, the Signatory Powers declare their assent to such prohibition, agree tobe bound thereby between themselves and invite all other civilized nations to adhere thereto186." Vgl. Thomas and Thomas, S. 62/63. Das waren außer Deutschland alle Großmächte, die zum damaligen Zeitpunkt Über eine hochentwickelte chemische Industrie verfügten. 1e1 Vgl. Conference on the Limitation of Armament (mit Conference zitiert), Washington Nov.12, 1921- Febr. 6. 1922; Washington 1922, S. 750. 1&2 Nach dem Namen des amerikanischen Vertreters Senator Root, der sie entworfen hat, auch als "Root-Resolution" bezeichnet, vgl. Hanslian, S. 259. 168

1eo

183

Conjerence, S. 264.

"Treaty Relating to the Use of Submarines and Noxious Gases in Warfare" vom 6. Februar 1922. 111 Conjerence, S. 738, 739; der gemäß Art. VI Abs. 2 der Konvention gleichermaßen authentische französische Text lautet: "L'emploi, en temps de guerre, des gaz asphyxiants, toxiques, ou similaires, ainsl que de tous liquides, matieres ou procedes analogues ayant ete condamnes a juste titre par l'opinion universelle du monde civilise et l'interdiction d'un tel emploi ayant ete proclamee dans des traltes auxquels la majorlte des Pulssances civilisees sont partles: En consequence, afln que cette lnterdiction soit unlversellement acceptee comme incorporee au droit des gens qui s'impose egalement ä la conscience et ä la partique des nations, les Pulssances signataires declarent reconnaitre cette prohibition, conviennent de se conslderer comme liees entre elles ä cet egard et invitent toutes les autres natlons civilisees ä adherer au present accord." tu

§ 8 Die amerikanischen Konferenzen von 1921 - 1923

65

Diese Resolution war das Ergebnis ausführlicher Untersuchungen vier verschiedener Fachausschüsse, die sich im Verlaufe der Konferenz mit der Problematik des Verbots chemischer Kriegführung befaßten. Außer der von Vertretern der fünf Teilnehmerstaaten gebildeten "Unterkommission" erstellten die "Beratende Kommission der amerikanischen Delegation", die "Unterkommission für Landwaffen" und der "Allgemeine Ausschuß der amerikanischen Marine" Gutachten in dieser Frage. Das Verbot der Anwendung nicht tödlich wirkender chemischer Kampfstoffe wurde ausdrücklich behandelt. Die "Unterkommission" vertrat im Gegensatz zu den anderen Ausschüssen die Auffassung, daß die Gaskriegführung in gleicher Weise wie der Einsatz hochexplosiver Geschosse begrenzt werden könne und gegen Städte und andere große Ansammlungen von Nichtkombattanten verboten sei, nicht aber gegen die Streitkräfte des Feindes zu Lande und zu Wasser eingeschränkt werden dürfetot. Diese Ansicht setzte sich nicht durch. Ihr wurde von der "Beratenden Kommission der amerikanischen Delegation" entschieden widersprochen:

"Whatever may be the arguments of technical experts, the Committee feels that the American representatives would not be doing their duty in expressing the consciences of the American people were they to fail in insisting upon total abolition of chemical warfare, wether in the army or the navy, wether against combatant or noncombatant107," Übereinstimmung herrschte zwischen den Ausschüssen aber insoweit, als man die Arten chemischer Kampfstoffe und ihre Wirkungen auf den Menschen nicht als Grundlage für eine eingeschränkte Erlaubnis ansah. Diesen grundlegenden Gedanken, über welchen es heute bei der Auslegung des Genfer Protokolls von 1925 aus Anlaß des Einsatzes verschiedener chemischer Kampfstoffe im Vietnamkrieg zu Meinungsunterschieden gekommen ist, brachte sowohl die "Unterkommission" als auch die "Beratende Kommission der amerikanischen Delegation" klar zum Ausdruck: "The kinds of gases and their effects on human beings can not be taken as a basis for Iimitation. In other words, the Subcommittee felt that the only Iimitation practicable is wholly to prohibit the use of gases against eitles and other large bodies of noncombatants168 ... " "On the other hand, the Committee feels that there can be no actual Vgl. Gutachten der "Unterkommission", Buchstabe f), Conference, S. 730. Gutachten der "Beratenden Kommission der amerikanischen Delegation", Conference, S . 732 (Hervorhebung vom Verfasser). 1ee 187

1es Conference, S. 730.

II Jaschlnski

2. Kap.: Das Völkervertragsrecht

66

restraint of the use by combatants of this new agency of warfare, if it is permitted in any guise 16D." Der "Allgemeine Ausschuß der amerikanischen Marine" führte zur Begründung des Verbots der chemischen Kriegführung aus, sie verstoße gegen die beiden seit mehr als hundert Jahren anerkannten Grundregeln des Kriegsführungsrechts, nach welchen die Verursachung unnötiger Leiden und die Gefährdung der Zivilbevölkerung verboten seien110• In diesem Zusammenhang machte der Ausschuß folgende Ausführungen: "Certain gases, for example, tear gas, could be used without violating the two principles above citied. Other gases will, not doubt be invented which could be so employed; but there will be great difficulty in a clear and definite demarcation between the lethal gases and those which produce unnecessary suffering as distinguished from those gases which simply disable temporarily. Among the gases existing today there is undoubtedly a difference of opinion as to the dass to which certain gases belong. Moreover, the diffusion of all these gases is practically beyond control and many innocent noncombatants would share in the suffering of the war, even if the result did not produce death or a permament disability.- The General Board forsees great difficulty in clearly limiting gases so as to avoid unnecessary suffering in gas warfare and in enforcing rules which will avert suffering or the possible destruction of innocent lives of noncombatants, including women and children. Gas warfare threatens to become so efficient as to endanger the very existence of civilization171." Die abschließenden Empfehlungen der "Beratenden Kommission der amerikanischen Delegation" und des "Marineausschusses" lassen an dem umfasse~den, einschränkungslosen Verbot der chemischen Kriegführung keinen Zweifel: "Resolved, that chemical warfare, including the use of gases, whether toxic or nontoxic, should be prohibited by international agreement, and should be classed with such unfair methods of warfare as poisoning wells, introducing germs of disease, and other methods that are abhorrent in modern warfare172.". "The General Board believes it to be sound policy to prohibit gas warfare in every form and against every objective, and so recommends118." Conference, S. 732. Vgl. Gutachten des, "Allgemeinen Ausschusses der amerikanischen Marine" zur Frage des Verbots der Gaskriegführung, Conference, S. 734- 736. m Conference, S. 736. m Conference, S. 732 (Hervorhebung v. Verf.). m Conference, S. 736 (Hervorhebung v. Verf.). 189

no

§ 8 Die amerikanischen Konferenzen von 1921 - 1923

67

Auf dem Hintergrund der Ergebnisse und Empfehlungen dieser Gutachterausschüsse muß die von den Konferenzteilnehmern einstimmig angenommene Resolution des amerikanischen Senators Root gesehen werden174• Entsprechend diesen Empfehlungen hatte Senator Root die Resolution vorbereitet175• Um ein höchstmögliches Maß an Übereinstimmung zu erzielen, hat der Entwurf sich an die Formulierung des Artikel171 Versailler Vertrag angelehnt. Er wurde von vier der vertretenen Staaten sofort unterschrieben178• Der erste Halbsatz der Resolution stimmt wörtlich mit Artikell71 Versailler Vertrags überein. Senator Root betonte, daß die Versailler Bestimmung lediglich eine Bestätigung früherer Regeln, sei, die schon während der Haager Konferenzen angenommen wurden177 • Dieser Ansicht wurde nicht widersprochen und der englische Vertreter bekräftigte diese Auffassung in seiner ausführlichen Stellungnahme zur "Root-Resolution" 178• Mit den beiden Partizipal-Halbsätzen "having been justly condemned by the general opinion of the civilized world and a prohibition of such use having been declared in Treaties to which a majority of the civilized Powers are parties" wird das vorbestehende Verbot und die Bezugnahme auf die Grundsätze der Haager Konferenzen hervorgehoben178• m Nach der Verlesung der Gutachten faßte der Vorsitzende das Ergebnis zusammen: "..., despite the conclusions reached by the Subcommittee of this Committee and set forth in the report which he had read; the American Delegation, in the light of the advlce of its Advisory Committee and the concurrence in that advice of General Pershing, the head of the American land forces, and of the speclfic recommendatlon of the General Board of the Navy, felt that it should present the recommendation that the use of asphyxlating or polson gas be absolutely prohibited." Conference, S. 736. m Conference, S. 736. 178 Conference, S. 736 - 738 .

• 177 "That declaration ... he understood to be a statement of previous rules which had been adopted during the course of the Hague Conferences; ..., that stood as a declaration of all the countries here represented that such use is prohibited." Conference, S. 738. na "... the proposal before the meeting was the reafflrmation on the admltted princlples of internationallaw." Er setzte sich sodann mit dem deklaratorischen Charakter des Art. 171 Versailler Vertrages auseinander: "Behind all those formal acts there had been the flndings of the two Hague Conterences ..." - "... Therefore, he supposed he was right in saying that the document before them neither made, nor professed to make any change in international law of nations." Conference, S. 748. Vgl. auch die Auffassung des .,Marineausschusses": "The use of gases in warfare in sofaras they violate these two prlnciples (gemeint sind Verursachung unnötiger Leiden, Schutz der Zivilbevölkerung) is almost universally condemned today, desplte its practice for a certain period during the world war." Conference, S. 736. during the world war." Conference, S. 736.

m

s•

Conference, S. 738.

68

2. Kap.: Das Völkervertragsrecht

Festzuhalten ist, daß Text und Vertragsverhandlungen von einem bestehenden Verbot des chemischen Krieges ausgehen180, Dieses Verbot bezieht sich einschränkungslos auf tödlich und nicht tödlich wirkende chemische Waffen sowie auf jedes mögliche Ziel, sei es Mensch, Tier oder Pflanze181• Die in den Vertrag gesetzten hohen Erwartungen hinsichtlich seiner Annahme durch alle zivilisierten Staaten haben sich jedoch nicht erfüllt. Während die Vereinigten Staaten, England, Japan und Italien bis zum Aprill923 den Vertrag ratifizierten, stimmte das französische Parlament ihm wegen der U-Boot-Klauseln nicht zu182 • Gemäß Artikel VI sollte der Vertrag erst mit Niederlegung der Ratifikationsurkunde aller fünf Kontrahenten in Washington inkrafttreten1sa. Nach einer kurzen Phase der Abrüstung chemischer Kriegsmittel in Amerika, rückte man auch hier, wie in den anderen Vertragsstaaten, nach dem Scheitern des Vertrages, von seinen Zielen ab und es begann ein geheimes Aufrüsten der chemischen Waffen1s'. Zwar hat die Konferenz das mit viel gutem Willen angestrebte Ziel: universelle Anerkennung eines umfassenden Verbots der chemischen Kriegführung, nicht erreicht, es wurde aber auf ihr erstmalig im internationalen Rahmen mit großer Sorgfalt diese Frage erörtert und der Versuch unternommen, eine effektive, noch in der Entwicklung stehende Waffe aus dem Arsenal der Kriegsmittel durch allgemeinen Konsens einschränkungslos zu verbannen. Trotz des mißlungenen Versuchs hat die Konferenz für die künftige völkerrechtliche Entwicklung auf diesem Gebiet, als Vorläufer des Genfer Protokolls von 1925, wertvolle Erkenntnisse gefördert und wichtige Grundlagen zur rechtlichen Beurteilung der chemischen Kriegführung geschaffen. B. Die Abrüstungskonferenz zentralamerikanischer Staaten von 1923

Auf Einladung der Vereinigten Staaten, die den Ausbruch eines Krieges in Mittelamerika befürchteten185 , beschäftigten sich die Vertreter 18o Vgl. auch Merignhac, La conference de Washington de 1921 - 1922, Revue Generale de Droit International Public, 29, Paris 1922, S. 146: "En renouvelant les interdictions votees a la Haye a ce sujet, les diplomates reunis a Washington ont donc simplement rappeleuneregle de droit commun international." 1a1 Vgl. Baxter and Buergenthal, S. 860: "It is therefore most unlikely that a government which believed that Article 5 did not outlaw all forms of chemical warfare would have failed to state its views to the conference." uz Vgl. Hanslian, S. 260. 183 184 1811

Conjerence, S. 264. Hanslian, S. 261. Vgl. Thomas and Thomas, S. 68/69.

§ 8 Die amerikanischen Konferenzen von 1921 - 1923

69

der Staaten Guatemala, Salvador, Honduras, Nicaragua und Costarica im Jahre 1923 in Washington hauptsächlich mit Abrüstungsfragen und nahmen in Artikel V der "Convention on the Limitation of Armaments of Central American States" 1B8 vom 7. Februar 1923 ein Verbot des Gebrauchs chemischer Mittel im Kriege auf. Dieses Verbot enthält eine Bestätigung des Artikel V Washingtoner Vertrag und stimmt mit diesem inhaltlich weitgehend überein: "The contracting Parties consider that the use in warfare of asphyxiating gases, poisonous or similar substances as weil as analogous liquids, zpaterials of devices, is contrary to humanitarian principles and to internationallaw, and obligate themselves by the present convention not to use said substances in time of war187." Die Konvention wurde von allen Partnern ratifiziert. Ihre R 1600 mg-min!m•> 100 mg-min/m1

Phosgen

0,001 mg (oral) 0,02mgmin!m•

Tödl. Kampfstoff löslich unerheblidl fest fest

BolutinA

Schlüssel zur Tabelle 1. Volkstümllche Bezeichnung 2. Militärische Einstufung 3. Löslichkelt in Wasser be1200 C 4. Flüchtigkeit bei 200 c 5. Physikallscher Zustand (a) bei - 100 c (b) bei + 200 c B. Annähernde Dauer der GefAhrdung (Kontakt oder Einwirkung aus der Luft

nach VerdampfUng) durch Bodenverseuchung: (a) bei 100 C, regnerischem Wetter und mäßigem Wind; (b) bei 150 C, sonnigem Wetter und leichter Brise; (c) bel-100 C, sonnigem Wetter, Windstille und Schneedecke. '1. Konzentration x Zelt - Verhlltnis, das

tödlich wirkt oder in erheblichem Umfang aktionsunfähig macht. 8. Geschätzter LCt118-Fakt or beim Menschen bei Aufnahme durch die Atemwege leichte Atemtätigkelt von ca. 151/min). 9. Geschätzte Toxlcltät beim Menschen bei Aufnahme über die Haut.

•> Aus Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 1. Jull1969, S. 86. ••) Ein Tropfen Senfgas von wenigen MilUgramm kann starke Blasenbildung verursachen und ggf. dadurch eine Person an der Ausübung ihrer Tätigkeit hindern.

-

10 mg-min/m3

8. 100 mg-min/m3

-

Tödl. Kampfstoff Tödl. Kampf(Blutgas) stoff (Blutgas) 100 Ofo 6 bis 7 Ofo 3 873 000 mg/m 3 300 000 mg/m1 ftüssig fest flüssig dampfförmig wenige Minuten wenigeMin. wenige Minuten wenigeMin. 1 /4 bis 4 Std. 1 bis4 Std. > 2 000 mg-min!m•> 7 000 mgmin/m3 5 000 mg-min/m• llOOOmgmin!m•

TÖdl. Kampfstoff (Nervengas) 1 bis 5 °/e 3 bis 18 mg/m1 flüssig flüssig 1 bis 12 Std. 3 bis 21 Tage 1 bis 16 Wochen > 0,5 mg-min/m3

2. Tödl. Kampfstoff (Nervengas) 3. 100 °/o 4. 12 100 mg/m1 5. (a) flüssig (b) flüssig 6. (a) 1/4 bis 1 Std. (b) 1 /4 bis 4 Std. (c) 1 bis 2 Tage 7. > 5 mg-min/m3

Chlorcyan

Cyanwasserstoff (Blausäure)

vx

1. Sarin

(Auszug aus Unterlagen der Weltgesundheitsorganisation)

Chemische Eirenseb.aften, Definition und Toxlclt&t tadlich wirkender chemischer Kampfstoffe•

Anhang I

~

01

...

~

!....

146

Anhang II

Anhang II Trinen~

und Relzrase•

Die Wirkung von Tränengasen wird mit nachstehenden drei Parametern näher bestimmt; es ist definiert: Der Reizschwellenwert durch die Konzentration einer Substanz in der Atmosphäre (in mg/m3), die nach einer Einwirkungsdauer von 1 Minute eine Reizung verursacht. Die Erträglichkeitsgrenze als die höchste Konzentration (in mg/m8) in der Atmosphäre, die eine Person eine Minute lang ertragen kann. Der Tödlichkeitsindex als eine Dosierung, nämlich dem Produkt aus Konzentration in der Luft (in mg/m1) und der Einwirkungszeit (in Minuten), also mg min/m1 • Nachstehende Tabelle enthält die Werte für einige Tränengase. Die Werte in der Spalte "Tödlichkeitsindex" wurden bei Versuchen mit verschiedenen Tiergattungen gewonnen. Tränengas

Reizschwellen- Erträglichwert keltsgrenze (mg/m1) (mg/m1)

Tödlichkeitsindex (mgmin/m8)

Adamsit (DM)

0,1

Bromessigsäure-Aethlyester Bromaceton ro-Chloracetophenon (CN)

5 1,5 0,3 bis 1,5

5 bis 50 10 5 bis 15

o-Chlorbenzal-malonsäurenitril (CS)

15000 bis 30000 25000 30000 8500 bis 25000

0,05 bisO,l

1 bis 5

40000bis 75000

2bis 5

• Aus Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 1. Juli 1969, S.87.

147

Anhang IIIA

Anhang 111 A Table 2.11. US Department of Defense firures for areas of South Viet-Nam sprayed wUh anti-plant agents• Estlmated arca• sprayed each year (qkm)

1982 1983 1964 1965 1966 1967 1968 1969 Total

Defoliation

Crop-destruction

Total

20 100 338 630 3 001 6 018 5130 4 945 20182

3 1 42 267 421 896 258 266 2154

23 101 380 897 3422 6914 5388 5211 22336

• The areas are estlmated from the quanttties ot agents used, their application ratea, and the average width of the swathe sprayed by each atrcraft. They do not tnclude areas affected by downwind dritt of agent. Sources: Chemical-Biological Warfare: U.S. Policies and International Effects (US House of Representatlves, 9lst Congress, 1st session, Hearings before the Subcommittee on National Securlty pollcy and Scientitlc Developments of the Committee on Foreign Affairs, Washlngton, December 1988), and Congressional Record 2t August 11170, p. S. lt062, and Hearings on Military Posture, Appendix (US House of Representatlves, 8lst Condress, 2nd session, Hearings before the Committee on Armed Services, Washlngton, AprU 1870). Note: These tlgures reter only to C-123 spraytngs. It is estimated that operations with other spray systems account tor about 20 per cent of the total herbleide sprayed 1n South Viet-Nam (IHil).

• Aus SIPRI I, The Rise of CB Weapons (1971), S. 175.

Table 2.12. North Viet-Namese flrures for areas ofSouth Viet-Nam sprayed wlth anti-plant arents, and for eonsequent easualtles• "Areas exposed to Nurober of people sprayings" (km2) "poisoned" 1961 1962 .1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970, Jan.-Sept. Total

6 110 3 200 5 002 7 000 8 765 9 033 9 893 10 870 4 150 58 029

180 1120 9 000 11000 146 240 258 000 279 700 302 890 342 886 185 000 1536 016

Numberof people killed 38 80 120 351

233 500 300 1622

Sources: "The intensitlcatlon of US chemical warfare in South Vietnam", a statement by the South Viet-Nam Committee for Denunciatlon of the Crimes of the US Imperiallsts and their Henchmen, presented at the Fifth Stockholm Conference on Vietnam, Stockholm, March 1870, and "Documenta on the US lmperialists' war crlmes ln Vietnam slnce Nixon•s tnauguratlon", a paper dated 3 July 1970, presented by the North Viet-Namese delegatton to the Internattonal Commission of Enqutry into US Crimes in Indochina, Stockholm, October 1870, and "Report of the Commission for Denouncing US War Crlmes 1n South Vietnam on the use by the US puppets of chemical weapons in South Vietnam during th period January- September 1970", presented at the World Conterence on Vietnam, Laos and Cambodia, Stockholm, November 1870.

* Aus SIPRI I, S. 176.

10°

148

Anhang III B

Anhang 111 8

Sturdy mangrove forest (tOPJ ls 50 miles east of Saigon and untouched by herbicides. Forest nearoy (above), Uke half the mungro\re stand in Vietnam, has been destroyed by Agent Orange from U.S. planes. Aus Look, April 6, 1971, S. 55. Orville Schell, Sllent Vietnam. How we invented ecocide and killed a country.

IV A

10mg

Dimethylacetamid BZ

Mitosehemmer [76, 72] 0,1?

-

10 ,ug?

+

72

0,1

0,5 0,5?

0,5

100g

5mg

• Aus ~Gefahr aus der Retorte", Herausg. S. Rose, S. 44.

d 1-THC

200mg TMA DOM(STP) 5mg?

Tabun(GA)

DFP

Cannabisderivate [75] (Hanfderivate)

Monaminoxidase-Hemmer Phenylaethylamine [64]

Cholinesterasehemmer Organische Phosphorverbindungen [72, 74] G-V-Stoffe

0,1-0,5 1-6

0,5-3 0,1

50,ug

LSD DMT

Antiserolonine Indole [73, 74)

Anticholinergische Substanzen Bonaclyzin 100 mg Piperidylbenzilat [75] 10mg Atropin Tropinderivate [74]

Beginnder Symptome nach Einnahme inStunden

Ed•• für Mensch

Beispiel

Klasse

250?

100 +

5

12 ?

120 +

6-24 12-72

6-24 1- 4

? ?

?

Beruhigungsmittel Scblabnittel

Beruhigungsmittel unbekannt

Oximtherapie

Wahrscheinlieb unnötig

Beruhigungsmittel

Gegengift

Hoch

? Wahrscbeinlieh keine

? ? Indirekt

Hoch

Klein Merkbar

Indirekt aufgeschoben

Abklingen der Tödliche Symptome Folgen, nach Einnahme Sterblichkeit inStunden

Tabelle 2 Einige Eigensdlaflen von aasgedblten ballazinogenen (psydlodelfsdl wirksamen) Stoffen•

Anhan~t

"'

....,.

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